u re [ . Pt Kr JAHRBUCH DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN bEULUGISCHEN NEICHSANSTAL XLVII. BAND 1898. Mit 15 Tafeln, or Dr O\ „98 . ®e BE E38 or ae, Wien, 1899. Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt. In Commission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung, I., Graben 31. . N BE 5 + vr x EA he 3 z Die Autoren allein sind für den Inhalt ihrer Mittheilungen ver Enhalt Personalstand der k. k. geologischen Reichsanstalt (Ende April 1899). . . Heft 1. Ueber zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosaukreide von Salzburg. Von A. Bittner. Mit einer lithographirten Tafel (Nr. I) Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara (Rumänien). Von Jon Simionescu. Mit 4 Zinkotypien im Text Der Wienerwald. Ein Beitrag zur Kenntniss der nordalpinen Hlyschhiklinggn. Von C.M. Paul. Mit einer geologischen Karte in Farbendruck (Taf. Nr. II), 4 Tafeln mit Autotypien (Taf. Nr. III—-VI) und 21- Agkotypien im Text u’... 20.2. Re, ar Te - Bemerkungen über das Project einer AN ans volkongling der Stadt Brünn aus dem Gebiet nördlich Lettowitz. Von Dr. Emil Tietze Heft 2. Die Silurformation im östlichen Böhmen. Von Dr. Jaroslav J. Jahn .. Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. Von Max Diersche. Mit einer lithographirten Tafel (Nr. VII) Geologische Beschreibung des südlichen Theiles des Karwendelgebirges. Von Otto Ampferer und Wilhelm Hammer in Innsbruck. Mit einer geologischen Karte in Farbendruck im Massstabe 1:50.000 (Taf. Nr. VIII), einem tektonischen Uebersichtskärtchen (Taf. Nr. IX) und 33 Zinkotypien im Text ED ER Ueber die chemische Zusammensetzung verschiedener Aiinara lassen Ost- böhmens. Von C. v. John Waze ad: a I EN ya Heft 3 und 4. Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen des pieinontesischen Tertiärs mit denen des Wiener Beckens. (Nach Studien ausgeführt im Früh- Jahre 1898.) Von Franz Schaffer. Mit 2 Profilen im Text . Studien über unterirdische Wasserbewegung. I. Die Thermalquellen von Teplitz und ihre Geschichte. II. Die Schwimmsandeinbrüche von Brüx. Von Dr. Franz E. Suess. Mit 3 Tafeln ‘Nr. X—XII) und 4 Zinkotypien im Text . Seite v 290 375 Seite 389 425 IV Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. Aufgenommen und erläutert von Gejza vonBukowski. Mit einer Tafel in Farbendruck (Nr. XIII) Beiträge zur Palaeontologie, insbesondere der triadischen Ablagerungen centralasiatischer Hochgebirge. Von A. Bittner. Mit 2 litho- graphirten Tafeln (Nr. XIV und XV) Zur Erinnerung an Dr. Leopold von Tausch. Von Dr. " Derser Verzeichniss der Tafeln. I zu: A. Bittner. Zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosaukreide von Salzburg .... B Tafel’ II—VI zu: C. M. Paul. Der Wienerwald. Ein Beitrag zur Kenntniss der nordalpinen Flyschbildungen VII zu: Max Diersche. Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons . SE NS er VIH-—-IX zu: Otto Ampferer und Wilhelm Hammer in Innsbruck. Geologische Beschreibung des südlichen Theiles des Kar- wendelgebirges: "3. pin. a ne ae X—XII zu: Dr. Franz E. Suess. Studien über unterirdische Wasser- bewegung . a BR eg. ; ; XII zu: Gejza von Bukowski. Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus Sa 2 XIV—XV zu: A. Bittner. Petrefacten aus Bokhara Druckfehler. In der Arbeit: „Der Wienerwald“ von C. M. Paul im Jahrb. d.k.k. R.-A. 1898, Bd. 48, Heft 1 pag. 55 [3], Zeile 24 von oben: lies ebene statt obere. pag. 58 [6], Zeile 1 von unten: lies 1854 statt 1884. pag. 59 [7], Zeile 20 von oben: lies 1857 statt 1887. 689 719 Seite geol. pag. 136 [84], Zeile 2 von unten: lies Hornauskogel statt Herrmannskogel. pag. 142 [90], Zeile 13 von unten: lies Hornauskogel statt Herrmannskogel. pag. 154 [102], Zeile 10 von oben: lies Triestingthale statt Traisenthale. Personalstand der Be ceolverschen meichsanstalt. Director: Stache Guido, Ritter des österr. kaiserl. Ordens der eisernen Krone III. Cl., Commandeur d. tunes. Niscian-Iftkhar-Ordens, Phil. Dr., k. k. Hofrath, Ehrenmitglied der ung. geolog. Gesellschaft in- Budapest, der naturforsch. Gesellsch. „Isis“ in Dresden und des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg ete., III., Oetzeltgasse Nr. 10. Vice-Direetor: Mojsisovies Edler von Mojsvär Edmund, Ritter des österr. kaiserl. Ordens der eisernen Krone III. Cl., Commandeur des montenegrinischen Danilo-Ordens, Officier des k. italienischen St. Mauritius- und Lazarus-Ordens, sowie des Ordens der Krone von Italien, Ehrenbürger von Hallstatt, Jur. U. Dr., k. k. Ober- bergrath, wirkl. Mitglied der kaiserl. Akad. der Wissenschaften in Wien, Foreign Member der geologischen Gesellschaft in London, Ehrenmitglied der Societe des Natural. de St. Peters- bourg, der Soc. Belge de Geologie, de Paleontologie et d’Hydro- logie in Brüssel, der Soc. geol. de Belgique in Lüttich, des Alpine Club in London und der Soc. degli Alpinisti Tridentini. corresp. Mitglied der kaiserl. Akad. der Wissenschaften zu St. Petersburg, der R. Academia Valdarnese del Poggio in Monte varcchi, des R. Istituto Lomb. di scienze, lettere ed arti in Mailand, der Acad. of Natur. Sciences in Philadelphia, der British Association for the Advancement of science in London ete., III., Strohgasse Nr. 26. Chefgeologen: Paul Carl Maria, Ritter des kaiserl. österr. Franz Josef-Ordens, k. k. Oberbergrath, Mitglied der Leop. Car. Akad. der Naturf. in Halle, III., Seidelgasse Nr. 34. VI Tietze Emil, Ritter des österr. kaiserl. Ordens der eisernen Krone III. Cl., Besitzer des kais. russischen Set. Stanislaus - Ordens II. Cl., Ritter des k. portugiesischen Set. Jacobs-Ordens und des montenegrinischen Danilo- Ordens, Phil Dr., k. k. Oberbergrath, Mitglied der Leop. Car. Akad. der Naturf. in Halle, Vicepräsident der k. k. geogr. Gesellschaft in Wien, Ehrenmitglied der königl. serbischen Akad. d. Wissensch. in Belgrad und der uralischen Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaften in Jekate- rinenburg, corresp. Mitglied der geogr. Gesellschaften in Berlin und Leipzig, der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Breslau und der Societe geologique de Belgique in Lüttich ete., DII., Ungargasse Nr. 27. Vacek Michael, III., Erdbergerlände Nr. 4. Bittner Alexander, Phil. Dr., IIIl., Thongasse Nr. 11. Vorstand des chemischen Laboratoriums: John von Johnesberg Conrad, k. k. Regierungsrath, II., Paffrath- gsasse Nr. 6. Geologen: Teller Friedrich, k. k. Bergrath, UI., Kollergasse Nr. 6. Geyer Georg, III, Kübeckgasse Nr. 9. Adjunkten: Bukowski Gejza v., III, Marxergasse Nr. 27. Rosiwal August, Privatdocent an der k. k. technischen Hochschule, II., Untere Augartenstrasse Nr. 37. Dreger Julius, Phil. Dr., II., Ungargasse Nr. 62. Bibliothekar: Matosch Anton, Phil. Dr., III, Hauptstrasse Nr. 33. Assistenten: Eichleiter Friedrich, III., Thongasse Nr. 4. 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Kreyca Alois Heizer: Kohl Johann Portier: Erjauz Anton, Real-Invaliden-Corporal, III., Hauptstrasse 1. ” ji * 14 u ' ..’ N, BT ER ; 4 | 3“ Bi > £ “ . Re 2 F Kan, : . & de { 14 Es: , ni Die u We: ! Be Kee ig or am 30, Juni 1898. KÖNIGLICHEN 1898. XLVII. BAND, a: | in, wien, 1898. ; - Verlag der K.iK. Geologischen Reichsanstalt. In Commission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. \. k. Hofbuchhandlung, N N Due Nr Graben ige. VER Ne EEE, Ueber zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosaukreide von Salzburg. Von A. Bittner. Mit einer lithographirten Tafel (Nr. TI). Der Lias der Salzburger Kalkalpen im weiteren Sinne hat sich als ziemlich reich an Brachiopoden der Gruppe oder Familie der Koninckiniden erwiesen. Bereits im Bande 37, Jahrgang 1887 dieses Jahrbuches, S. 281, Tab. XIV, sind einige Arten von Koninckiniden aus dem Lias dieser Region der Nordkalkalpen beschrieben worden (Koninckina Eberhardi m. vom Untersberg, Amphiclinodonta liasina m. von der Kratzalpe) und ein zweiter derartiger Beitrag (Koninckodonta Fuggeri m. und Koninckodonta Geyeri m. vom Ischler Schafberge) findet sich im Jahrbuch 1895, Bd. 43, S. 153, Tab. IV. Vor Kurzem hat auch Dr. E. Böse (in Palaeontographica XLIV, 1897, S. 225, Tab. IV) eine neue Art (Amphiclinodonta Biltneri) dieser Familie aus dem Berchtesgadener Lande bekannt gemacht, und zwar vom Fag- stein, einer Localität, welche bereits K. v. Zittel in seinem Lehr- buche der Palaeontologie I, S. 679 als einen Fundort für „Lias- leptaenen“ anführt. Es ist kaum nöthig, darauf hinzuweisen, dass auch K. v. Zittel diese „Liasleptaenen“ heute (Grundzüge der Palaeontologie 1895, S. 236) zu den Koninckiniden rechnet, was nur mit Rücksicht auf eine gewisse Controverse (Verhandl. 1894, S. 61) hervorgehoben sein möge. In einer von den Herren Professoren E. Fugger und K. Kastner zur Bestimmung eingesendeten Suite von Liasbrachiopoden fand sich nunmehr abermals eine neue, recht interessante Art eines Koninckiniden, deren Beschreibung nachstehend folgt: Koninckodonta Kastneri nov. spee. Taf. I, Fig. 1—5. Diese Form ist eine hochgewölbte und schwach geflügelte ; vom Schnabel steigt die Wölbung steil, fast senkrecht an und ist hier steiler als der entgegengesetzte Abfall zur Stirnseite, auf welchem sich eine bemerkbare Abflachung zeigt, die im Zusammenhange steht Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Helft. (A. Bittuer.) 1 2 A. Bittner. [2] mit dem fast geradlinigen Verlaufe des Stirnrandes. Die kleine Klappe ist bis auf das Wirbelchen und die Ohren zu beiden Seiten desselben tief concav. Die Umrisse erscheinen stumpfeckig, der Schlossrand ist ziemlich schmal, erreicht ungefähr die Hälfte der Breite des Gehäuses; ihm entspricht an der grossen Klappe eine ebene, niedrige Area mit einem geschlossenem Deltidium, das leicht erhöht ist. Die Schnabelöffnung ist endständig und greift ein wenig auf den Rücken der grossen Klappe zurück. Die Schalenstructur ist srobfaserig. Auch vom inneren Baue konnte einiges beobachtet werden, Schon von aussen fallen, den Ohren der grossen Klappe entsprechend und von da am Rande fortziehend, dunkle Randpartien auf, die an den Ohren selbst am deutlichsten und breitesten sind und in welchen durch Anätzen eine Anzahl von parallelen, wimperartigen, dunklen Strichen oder Linien hervortreten. Durch Anschleifen vom Schnabel her überzeugt man sich, dass diese dunklen Randpartien Verdickun- sen der kleinen Klappe sind, die bei dieser Art nächst der Schloss- region in ganz besonders kräftiger Weise zur Entwicklung gelangen, sich aber entfernter davon sehr rasch reduciren. Die wimperartigen dunklen Linien sind auch im Schliffe sichtbar und dürften nicht, wie ich früher (für Amphiclinodonta) glaubte '), auf Ligamentpartien, sondern auf ein eigenes Canalsystem in diesen Randverdiekungen zu beziehen sein. Die grosse Klappe besitzt schwächere solche Rand- verdickungen, resp. Schwielen, und greift mit ihnen in die Verdickun- gen der kleinen Klappe in einer Weise ein, die einen sehr festen Verschluss der Seitenränder zu erzielen geeignet ist. Die Abfälle der Randschwielen, die gegen aussen gerichtet sind, hängen bei dieser Art förmlich über, so dass unter ihnen scharfe, einspringende Winkel entstehen, die bei der früher beschriebenen Koninckodonta Fuggeri kaum angedeutet sind. Ob der Abfall der Schwiele nach aussen (bei der kleinen Kiappe) eine verticale parallele Riefung besitzt, wie sie bei verwandten Arten vorkommt, konnte bei K. Kastneri bisher nicht erhoben werden. Diese verticale Riefung am äusseren, senkrechten Abfalle dieser schwielenartigen Randverdickung der kleinen Klappe konnte ich in ausgezeichneter Weise wahrnehmen an einer isolirten kleinen Klappe einer Koninckodonta aus dem mittleren Lias von Narni, die ich vor einiger Zeit von Herrn Prof. M. Cana- vari zur Ansicht erhielt. Hoffentlich kommt Herr Prof. Canavari bald in die Lage, die schöne Suite von Lias-Koninckiniden, die er von der genannten und anderen italienischen Localitäten besitzt, beschreiben zu können. Reste der festen Spiralkegel wurden bei angeschliffenen Stücken wiederholt beobachtet; sie besitzen den bekannten Bau, d. h. sind diplospir und bestehen aus zwei convergirenden, aber nicht zusammen- stossenden Lamellen. K. Kastneri unterscheidet sich durch ihre auffallend hohe Wölbung von allen bisher beschriebenen verwandten Arten des nord- alpinen Lias, die sämmtlich weit flacher sind und auch andere Um- !) Abhandl. d. k. k. geol. R.-A., Bd. XIV, 1890, S. 306. [3] Ueber zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosaukreide, 3 risse besitzen. Auch mit keiner der Arten aus dem italienischen Lias scheint unsere Form übereinzustimmen. Dagegen erinnert sie in ihren Umrissen und Wölbungsverhältnissen einigermassen an die obertriadische Amphielina Haberfelneri m. der Opponitzer Kalke!), — ohne aber engere verwandtschaftliche Beziehungen zu dieser zu besitzen — und ausserdem an gewisse Koninckiniden des ausseralpinen Lias, vor Allem an Koninckella liasina, die aber nie annähernd so gross zu werden scheint, dabei flacher und gerundeter im Umriss bleibt und nicht die kräftigen Randschwielen der kleinen Klappe ent- wickelt. Koninckodonta Kastneri ist eine der grössten Arten dieser Gruppe, die bisher aus dem nordalpinen Lias bekannt wurden. Vorkommen: In einem rothen, brachiopodenreichen Liaskalke ‘vom Wiesergsenk im südlichen Gehänge des Glasenbaches südöstlich bei Salzburg. Herr Geyer bestimmte unter den mitvorkommenden Brachiopoden folgende Arten: Spiriferina alpina Opp., Sp. efr. obtusa Opp., Ihynchonella subeostellata Gemm., Terebratula Adnethensis Suess, T. gracilicosta Böse, T. Gozzanensis Par., T. ascia Gir., T. Schlosseri Böse, Waldheimia Thurwieseri Böse. Das stratigraphische Niveau dürfte daher von jenem der rothen mittelliasischen Kalke, die am Ischler Schafberge so verbreitet sind, kaum wesentlich verschieden sein. Es scheint vergesellschaftet mit dieser Art noch eine zweite, weit flachere, ziemlich schmale Koninckodonta vorzukommen, von der mir aber bisher nur ungenügendes Materiale vorliegt. Die zweite, hier zu beschreibende Art stammt aus der Gosau- kreide von Salzburg. Sie gehört einer Terebratulidengruppe an, die bisher aus den Gosaubildungen der Alpen nicht bekannt war. Brachiopoden gehören keineswegs zu den gewöhnlichen Vor- kommnissen in unseren alpinen Gosauablagerungen. Nur wenige Punkte machen hierin eine Ausnahme. Das geht am deutlichsten aus der Mittheilung von E. Suess (bei K. Zittel: Die Bivalven der Gosaugebilde; Denkschr. d. kais. Akad. d Wiss. XXIV, S. 80-83 Wien 1864) hervor, wo nur acht Arten von Br: ıchiopoden aufgezählt werden: Terebratula biplicata Sow. (von Starhemberg), Terebratulina gracilis Schloth, sp. (Traunwand), striata Wahlb. (Starhembereg), Waldheimia tamarindus Soc. sp. (Abtenau und Traunwand), Argiope ornata Suess (Hofergraben der Gosau), Theeidium Wetherelli? Morris (Traunwand), Iehynchonella compressa Lam. (Starhemberg, Neue Welt, Gosau und Abtenau), Orania spec.? (Gosau). Bereits Suess gibt die ZAhynchonella (die vielleicht mehrere verwandte Arten umfasst) als häufigsten und verbreitetsten Brachio- !) Abhandl. d. k. k. geol. R.-A., Bd. XIV, 189), 8. 149. I* 4 A. Bittner. [4] poden der alpinen Gosaukreide an; neben derselben ist noch etwa Terebratula biplicata und Terebratulina striata als allgemeiner vor- kommend zu nennen. Diese Arten treten vergesellschaftet besonders in gewissen roth oder gelb gefärbten Strandbildungen der Gosaukreide auf, die sich von Piesting — Starhemberg längs des Südostabsturzes der Hohen Wand erstrecken, aber auch am Kalkalpenrande gegen die Wr.-Neustädter Niederung (Kirchbüchl bei St. Lorenzen, Gahns- bauer bei Prüglitz) weit verbreitet sind. In meiner Arbeit über die geologischen Verhältnisse von Hern- stein, findet man 8. 238, 246, 250, 262 viele Angaben über die Verbreitung und das interessante, theilweise taschenförmige Auftreten dieser brachiopodenreichen Strandbildungen der Gosaukreide. S. 283 ist auch eine Aufzählung der mir daraus bekannt gewordenen Brachio- poden gegeben und es ist neben den bereits oben hervorgehobenen drei Arten auch eine Morrisia spec.? angeführt. Rhynchonellen zum Theile von bedeutender Grösse sind mir später auch von Salzburger Gosaufundstellen, insbesondere vom Untersberge, bekannt geworden, während Gümbel, der in den Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. zu München 1866, II, S. 164, eine lange Liste von Gosauarten der Fundstelle Glaneck aufzählt, Brachio- poden von dieser Localität nicht erwähnt. Auch bei Fugger und Kastner in deren „Naturwissensch. Studien und Beobachtungen aus und über Salzburg“ 1885 finden sich nur ganz spärliche Angaben über das Vorkommen von Brachiopoden in den Salzburger Gosau- ablagerungen. Vor Kurzem erhielt ich von Professor Fugger einen Tere- bratuliden aus der Gosau des Untersberges zugesandt, der mich an eine Anzahl von ähnlichen Formen erinnerte, die aus alter Zeit in der Sammlung der geologischen Reichsanstalt liegen und als von Glaneck und Morzg stammend bezeichnet sind. Dass sie wirklich aus der dortigen Gosau stammen, das wurde mir in genügender Weise be- stätigt durch den Umstand, dass Professor Fugger dieselbe Art auch aus sicheren Gosaubildungen des Gersberges an der Nordwest- abdachung des Gaisberges erhalten hat: Terebratella (Kingena?) Caroli magni nov. spec. Taf. I, Fig. 7—24. Die, wie es scheint, hie und da in den Gosaubilduugen Salzburgs nicht seltene Art ist für die alpine Gosau neu; sie gehört zu der Terebratulidengruppe der Terebratellen im weiteren Sinne, zu jenem vielgestaltigen Formenkreise also, der durch die Verbindung seiner Armschleife mit dem Medianseptum der kleinen Klappe ausgezeichnet ist. Der Umriss der Art ist annähernd, kreisrund oder gerundet vierseitig (rhombisch), die Breite entweder der Länge gleich oder (in selteneren Fällen) geringer als die Länge; gegen die Stirn tritt meist eine auffallende Verschmälerung ein, welche fast bei allen grösseren Exemplaren mit einer sehr leichten Entwicklung einer Stimmzunge der grossen Klappe zusammenhängt, wodurch die Stirn [5] Ueber zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosaukreide. 5 aufgebogen oder gehoben erscheint. Vor dieser Hebung erscheint die Mitte der kleinen Klappe zumeist ein wenig eingedrückt, so dass .es bei Exemplaren, deren Stirnzunge noch nicht entwickelt ist, sogar zu einer leichten mittleren Depression der Stirncommissur kommen kann (Fig. 8). Die seitliche Erstreckung der Stirnaufbiegung ist meist nur eine sehr geringe, nur ausnahmsweise (Fig. 11, 23) wird diese Aufbiegung breiter und sondert sich ein ‚wenig stärker von den -Seitentheilen ab. Die kleine Klappe ist im Allgemeinen etwas flacher sewölbt als die grosse, was besonders nächst der Stirn auffällt; nur bei sehr schmalen Exemplaren wird der Unterschied in der Wölbung beider Klappen ein stärkerer (Fig. 12, 13). Der Schnabel der grossen ‚Klappe ist breit, mit endständiger Oeffnung, die meist breiter als hoch zu sein scheint; die Schnabelkanten sind deutlich, aber sehr stumpf nnd unter ihnen erscheinen Areolen, die fast als ein wenig concav oder ausgehöhlt zu bezeichnen sind. Die untere Begrenzung der Schnabelöffnung wird allem Anscheine nach durch in der Mitte zusammenstossende Deltidialstücke gebildet. Die Schale ist ziemlich diek und aus abblätternden Lagen ge- bildet. Jede dieser Lagen ist von dicht gedrängt, reihenweise ange- ordneten runden Erhabenheiten raulh, die selten erhaltene äusserste Oberfläche der Schale besteht aus einer weniger rauhen Lage, die sich wie ein dünnes Häutehen über jene Rauhigkeiten legt und diese durchscheinen lässt; auf ihr selbst erscheinen die Höckerchen weniger kräftig ausgebildet und jedes derselben von einer feinen Oeffnung durehbohrt. Auch der Steinkern weist noch die Rauhigkeiten der Schale auf. Am Steinkerne zeigt sich ein Septum, das bis zur Mitte der kleinen Klappe reicht und aus zwei Lamellen gebildet wird, die im Wirbel der kleinen Klappe ein wenig auseinander treten. Im Schnabel der grossen Klappe erscheinen zwei kräftige, weit von einander entfernte und nach aussen divergirende Zahnstützen. Das Septum der kleinen Klappe nimmt vom Wirbel derselben bis zur Mitte der Klappe allmälig an Höhe zu und fällt von jenem Punkte an rasch ab, wie man sich sowohl dureh Querschlifte (Fig. 15) als durch völliges Blosslegen des- selben (Fig. 16) überzeugen kann. An der höchsten Stelle des Septums heftet sich ein Verbindungsstück zur Brachialschleife an, wie durch mehrfache Schliffe von der kleinen Klappe her mit voller Sicherheit nachgewiesen werden konnte, obschon es der ungünstigen, sandigen Beschaffenheit des Gesteins wegen nicht möglich war, durch Schliffe ein genügendes Bild der Brachialschleife selbst zu erhalten. Die absteigenden Aeste der Schleife reichen sicher bis zu zwei Dritteln der Länge der kleinen Klappe hinab, was den Verhältnissen bei Terebratella und Kingena entspricht. Ist somit durch die Anheftung der Schleife an das Septum die Zugehörigkeit zur Gruppe Terebratella im weiteren Sinne sichergestellt, so bleibt allerdings noch die genauere Stellung bei einem der Sub- ‚genera oder Genera dieser Gruppe zu fixiren. Hier kommen wohl Terebratella selbst, ferner insbesondere Kingena und Magas in Betracht. Dem Typus von Magas, der bekannten Art Magas pumilus Sow. ist die hier beschriebene Form kaum näher zu vergleichen; schon der 6 A. Bittner: [6] abweichende Bau des Schnabels. und der Mangel eines durchgreifen- den Septums bietet hinlängliche Unterschiede. Viel näher steht die in der böhmischen Kreide 'weitverbreitete Art Magas Geinitzü. Schlönb. (U.Schlönbach Palaeontogr. XIII, Tab. II, Fig. 4—8), sie ist indessen ebenfalls nicht identisch mit der Salzburger Art, sondern, .. wie sehr gut erhaltene Stücke vom Hoblikberge bei Laun zeigen, bei weit ge- ringerer Grösse schmäler und beträchtlich aufgeblähter. und: ‚besitzt, worauf auch Schlönbach besonders Gewicht legt, eine'/nieder- gebogene Stirn Davidson bezweifelt übrigens: die Zugehörigkeit dieser Schlönbach’schen Art zur Gattung Magas- (British Brach., Vel. IV, S. 24). Mehr Verwandtschaft scheint gegenüber Kingena zu bestehen. Hier ist es insbesondere die typische Kingena lima Defr., mit welcher unsere Art schr nahe verwandt zu sein scheint; indessen dürfte der Salzburger Art mit Bestimmheit die für K. lima charakteristische Oberflächenverzierung fehlen oder doch gewiss nicht in dieser präg- nanten Weise ausgebildet sein. Ihre Rauhigkeiten der Oberfläche sind feiner und. stehen weit dichter gedrängt als bei Kingena lima. Auch dürften Aufbiegungen der Stirne, wie sie bei der Salzburger Art gewöhnlich sind, nur bei besonders grossen Exemplaren von Kingena lima.individuell auftreten. Noch weit verschiedener als von Kingena lima ist unsere Salzburger Form von jenen norddeutschen Kreidebrachio- poden, insbesondere aus dem Galeritenpläner von Salzeitter, die Urban Sehlönbach mit K. lima Defr. identifieirt und die auch RK. v. Zittiel (Palaeontologie I, S. 707) in. einem allerdings nicht typischen Exemplar abgebildet hat. Diese Hannoveranische Art dürfte unbedingt weit näher als der K. lima Defr. der Kingena Hebertina d’Orb. stehen, bezüglich welcher auch Davidson in einer seiner spätereu Publicationen (British Brach. Vol. IV. S. 29) die Frage aufwirft, ob sie nicht als eigene Art zu betrachten sei. Was die Form von Salzgitter anbelangt, so würde ich dieselbe unbedingt von K. limad trennen. Von der hier beschriebenen Salzburger Art unterscheidet sie sich ausser der weit geringern Wölbung ihrer kleinen Klappe und der zum Pentagonalen hinneigenden Form, die durch die fast constant geradlinig abgeschnittene Stirn hervor- gebracht wird, noch ganz prägnant durch die Anordnung ihrer Zahn- stützen, welche von der Sehlosslinie her gegen die Aussenseite des Schnabels merklich convergiren und an der Aussenseite des Schnabels durch ein Oallosität der Schale mit einander verbunden sind; diese Callosität reicht mehr oder weniger tief in das Innere des .Schnabels zwischen die Zahnstützen hinein, so. dass sie selbst nach Wegnahme der Schale noch erhalten bleibt; besitzt sie dann in der Mitte eine Einfurchung, so erhält man das Bild, das Zittel's Jurassische Kingena Friesenensis Schrüfer sp. darbietet. Dieser Bau des Schnabels (Taf. I, Fig. 25—27) allein unterscheidet die norddeutsche Kreideart hinlänglich von der hier beschriebenen Salzburger Form. Wie sich die echte Kingena lima Defr. in dieser Hinsicht verhält, weiss ich nicht, aber es scheint, als ob sie sich darin enger -an die Salzburger Art anschliessen würde. a 3 Y rk A a ee .— [7]. Ueber zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosaukreide. 7 ‘Ich habe auch die von mir seinerzeit!) als Morrisia? spec. an- geführten Gosaubrachiopoden, deren äussere Gestalt eine überein- stimmende. ist, mit der Salzburger Form verglichen. Diese winzigen Schälchen besitzen indessen eine ganz andere Schalenstructur; die- selbe erscheint durch tiefe, ziemlich grobe und nicht besonders nahestehende, nadelstichartige Vertiefungen ausgezeichnet punktirt. Es dürfte‘ diese Form somit nieht identisch sein mit der hier be- schriebenen Salzburger Art. Noch ist mir ein Zweifel geblieben bezüglich der von E. Suess angeführten, oben erwähnten Waldheimia tamarindus Sow. spec. aus der Gosaukreide von Abtenau und von der Traunwand. Suess bezieht sich ausdrücklich auf die Uebereinstimmung dieser Form mit Leymerie’s Terebratula lentoidea (Mem. Soc. Geol. France I. Ser., tome V., tab. XV, Fig. 10) und diese 7. lentoidea Leym , deren Zu- gehörigkeit zu Waldheimia tamarindus Sow. sp Suess als unzweifel- haft ansieht, stimmt so auffallend mit unserer Salzburger Form überein, dass es nicht völlig ausgeschlossen erscheint, dass auch in den Stücken von Abtenau und der Traunwand etwas hiehergehöriges vor- liegen möge. Leider war ich nicht im Stande, von diesen beiden Localitäten stammende Exemplare in den Wiener Sammlungen auf- zufinden. Es ist vielleicht nicht unangezeigt, darauf hinzuweisen, dass U. Schlönbach auch in Waldheimia tamarindus Sow. eine Kingena erblicken wollte, wogegen sich indessen schon Davidson in Brit. Brach. vol. IV, S. 49 entschieden erklärt hat. Die echte Waldheimia tamarindus Sow., die mir von zahlreichen ausseralpinen Fundorten zum Vergleiche vorliegt, besitzt nur eine oberflächliche Aehnlichkeit mit der hier beschriebenen Salzburger Art und ist schon durch ihre Schalenstructur unterscheidbar. Vorkommen der Art. In der Salzburger Gosaukreide, wie es scheint, local gar nicht selten, und bisher von folgenden Fund- orten bekannt: „Glaneck* im Südwesten von Salzburg, am nördlichen Fusse des Untersberges; eine geringe Anzahl von Stücken in der Sammlung der: geologischen Reichsanstalt. „Goiserberg bei Murzg (Morzg) und Schloss Glaneck;* unter dieser Bezeichnung eine grössere Anzabl von Exemplaren in der Sammlung der geologischen Reichsanstalt. Die Gosauhügel von Glaneck und Morzg gehören offenbar einem und demselben Zuge an, der früher gewiss zusammenhing, jetzt aber durch das Flussthal der Salzach, beziehungsweise Berchtesgadener Ache (Alm) getrennt ist. Die Fund- orte Glaneck und Morzg (südlich von Salzburg) sind etwa 3 Kilo- meter von einander entfernt und der isolirte Hügel von Morzg bildet zugleich ein Verbindungsglied zwischen den Gosaubildungen des Untersberges und jenen des Gaisberges (Aigen, Gersberg) im Osten des Salzachthales. Es ist bemerkenswerth, dass diese Suite von Brachiopoden von Glaneck und Morzg als „Waldheimia tamarindus“ bezeichnet war. 1) „Hernstein“, S. 283. 8 A. Bittner. [8] „Oberhalb Gersberg am Gaisberge“, östlich von Salzburg; zwei Exemplare, die sicher hieher gehören, aus dem Salzburger Museum Carolino-Augusteum; mit einer Anzahl sicherer anderer Kreidepetre- facte neuestens von Professor E. Fugger gesammelt, wodurch der Beweis erbracht ist, dass auch die Stücke von Glaneck und Morzg der Gosaukreide angehören. Endlich ein Exemplar von Wolfschwang, am nordwestlichen Fusse des Untersberges, im Museum Carolino-Augusteum in Salzburg. Dieses Exemplar (abgebildet Taf. I, Fig. 24) weicht ein wenig sowohl in der Erhaltung als in der äusseren Beschaffenheit von denen der drei erstgenannten Localitäten ab; seine Stirne ist ein wenig nieder- gebogen, was bei der Grösse des Exemplars auffällt, und beide Klappen besitzen seitlich nächst der Commissur sehr feine, unregelmässige Berippung. . Sonst stimmt es ganz mit den übrigen Stücken, von denen es wohi kaum als specifisch verschieden gelten kann. Der Name der Art wurde gewählt nach der Volkssage, welcher der Untersberg als der Sitz Kaiser Carls des Grossen gilt. Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara (Rumänien). Von Jon Simionesen. Mit 4 Zinkotypien im Text. Vorwort. Das von mir im Sommer 1896— 1897 mit der Unterstützung der rumänischen Akademie der Wissenschaften studierte Gebiet befindet sich zwischen dem östlichen Ende der Fogarascher Alpen und der krystallinischen Insel des Leotagebirges. Die Grenzen dieses Gebietes sind folgende: Gegen Norden die Landesgrenze, gegen Westen der Rand der Fogarascher Alpen, gegen Süden der Dragoslavelebach und gegen Osten eine Linie, die von dem Ghimbavulbache bis an dem westlichen Abhang des Sintilieberges gezogen ist. Ausserdem wurde theilweise des Vergleiches wegen, theilweise als Ergänzung, die längs des rechten Ufers der Dimbovitza von Dragoslavele bis Stoienesti sich erstreckende Kalkmasse von Matiesch näher untersucht und die Umgebung von Bädeni, Nämäesti in Rumänien und von Kronstadt in Siebenbürgen besucht. Bei der geologischen Aufnahme dieses Gebietes hatte ich manche Schwierigkeiten zu überwinden; die grösste war der Mangel einer guten topographischen Karte. Mir stand nur die österreichische Specialkarte (Blätter: Törzburgerpass und Kimpulung, Zone 24, Col. XXXII; Lisa und Zernesti, Zone 23, Col. XXXII) zur Verfügung, auf welcher der in rumänisches Gebiet fallende Theil fehlerhaft ist und seit der ersten Aufnahme nicht mehr revidirt wurde. Für eine allgemeine Orientirung ist die Karte hinreichend, für eine geologische Speeialaufnahme ist sie jedoch vollkommen ungenügend. Bei der Bearbeitung des Materiales wurden mir manche be- lehrende Rathschläge seitens meines hochverehrten Lehrers Herrn Prof. Ed. Suess zu theil, wofür ich demselben meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Ebenso bin ich den Herren Dr. G. v. Arthaber, Privatdocent und Assistent an dem palaeontologischen Institute, und meinem guten Freunde Othenio Abel, Assistent an der Lehrkanzel für Geolosie, zu Dank verpflichtet; Herrn Dr. v. Arthaber für seine Bereit- Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1893, 48. Band, 1. Heft. (Jon Simioneseu.) 9) 24 10 Jon Simionesenu. [2] willigkeit, mit der er mir immer das Vergleichsmaterial und die gebrauchte Literatur zur Verfügung stellte, Herrn O. Abel für die Mühe, die er sich gab, mir bei der sprachlichen Verbesserung dieser Arbeit zu helfen. Geschichtliches. Specielle Arbeiten über die Gegend, die uns interessirt, fehlen fast gänzlich, weil genauere geologische Studien über Rumänien erst vor kurzer Zeit begonnen wurden und meistens über die neueren Formationen handeln, deren Ausdehnung und Reichthum an Fossilien die Aufmerksamkeit der Geologen auf sich lenkten. Kurze Notizen oder einfache Erwähnungen einiger allgemeiner Erscheinungen unseres Gebietes finden sich verstreut, besonders in den zahlreichen Auf- sätzen, die sich auf den südlichen Theil Siebenbürgens beziehen; da sie kein unmittelbares Interesse zum Nachweise der Entwicklung besitzen, welche die geologische Erforschung der Gegend genommen hat, und um die Wiederholung zu vermeiden, sollen sie im Laufe dieser Arbeit an den betreffenden Stellen genannt werden. Hier werden nur diejenigen Studien berücksichtigt, die sich eingehender auf unser Gebiet beziehen. Den ersten Bericht über die geologische Beschaffenheit des Quell- sebietes des Dimbovicioara verdanken wir Prof. Gr. Stefaneseu)) als Erläuterung zu der gleichzeitig erschienenen geologischen Karte Rumäniens. Prof. Stefaneseu erwähnt nur die auftretenden Ge- steine, ohne sich näher über die Lagerungsverhältnisse auszusprechen. Der Juraformation reiht er die weissen, dichten, weit verbrei- teten Kalke an, und zwar entsprechen sie nach ihm dem „Corallien des mittleren Jura“. In der Kreide unterscheidet er: a) die untere Kreide, „deren Hauptvertreter das Neocom ist (es wird daraus eine kleine Versteinerungsliste angegeben), und welches sich bei Dimbovicioara, Valea Muerei, Valea Cheii findet“; b) die obere Kreide ist durch Conglomerate und Sandsteine vertreten. Als Miocän sieht er die Mergel von Rucär und Podul Dim- bovitzei an. Ein Jahr später beschrieb Herbich?) in „Anuarul biurou- lui geologie* die Neocomfauna aus dem Dimbovicioaragebiet. Nach den von ihm angegebenen Fossilien sollten die Mergel von Valea Muerei eine vollständige Reihe vom Neocom bis zur oberen Kreide repräsentiren. !) Geologiea Judetului Muscel. Anuarul biuroului geologie, An. II, 1884 Bucuresti. ?) Date paleontologice din Carpatii romänesti. An. biur. geol., An. III, 1585 (rumänisch und französisch) a Zu en ud End. a un SE a 3 Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. | 8 It Cobalcescu!) und Kilian?) versuchten, nach den Herbich- schen Abbildungen eine sicherere Altersbestimmung der betreffenden Schiehten zu geben. Nach Kilian „entspricht die Neocomfauna aus Rumänien dem Hauterivien und überhaupt dem Barröme“. Zu derselben Schlussfolgerung ‘gelangte auch Uhlig®), der _ Gelegenheit hatte, Herbich’s Originale, die sich im Universitäts- museum zu Klausenburg befinden, einer näher en Betrachtung zu unter- ziehen. Nach Uhlig "besitzt die Neocomfauna aus Rumänien einen mediterranen Typus; die meisten Formen gehören dem Barr&me, wenige dem Hauterivien an und nur zwei zweifelhafte Formen könnten für Vertreter des Valangiens gelten. Die mittel- und obercretacischen Fossilien, die Herbich namhaft machte, beruhen durchaus auf irrigen Bestimmungen. Im Jahre 1895 hat Redlicht) auf einer Studienreise durch die rumänischen Gebirge auch unsere Gegend besucht; er bringt aber nichts Neues als den Fund von Wirbelthierknochen in der Höhle von Dimbovicioara und lenkt die Aufmerksamkeit auf einige orogra- phische Erscheinungen. Ein Jahr später (1896) widmete Prof. Toula>) einen Theil der Zeit, die er in den Karpathen , verbrachte, dem genaueren Studium dieses Gebietes. Sein Reisebericht ist die einzige Arbeit, die mir von Nutzen war und meine Feldaufnahmen erleichterte. Hier werde ich nur die Hauptpunkte der Beobachtungen Prof. Toula’s erwähnen; ich werde im Laufe der Darstellung auf die Einzelheiten zurückkommen. Prof. Toula nimmt die Anwesenheit älterer Juraschichten“ auf dem westlichen Abhange des Königsteins als wahrscheinlich an und betont das tithonische Alter aller hier auftretenden Kalke. Von be- sonderer Wichtigkeit ist die Entdeckung von Versteinerungen in den Sandsteinen von Podul Dimbovitzei, die ich !) als mitteleretacisch be- stimmt habe. Bezüglich der Orographie gibt Prof. Toula eine kurze Beschreibung der Höhle von Dimbovicioara und erwähnt die zahl- reichen Karsterscheinungen, die .hier wahrzunehmen sind. ') Observatiupi asupra depositelor neocomiene din basenul Dimbovicivarei. Arhiva soc. literare si stiintifice, Vol. I, Jassy. ?) Terrain cretace. Annuaire geol. universel, Vol. IV, 1888. ®) Ueber F. Herbich’s Neocomfauna aus dem Quellgebiete der Dimbo- vicioara. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. XLI, 1891. *) Geologische Studien in Rumänien. Verhandl. d. k. k.'geol. R.-A. 1896. 5) Eine Beh Reise in die transsylvanischen Alpen Rumäniens. Neues Jahrb. der Min., Geol. u. Pal. 1897, Bd. I. Eine geol. Reise, as Vorträge des Vereines zur Verbreitung naturwiss. Kenntnisse, Ba. XXXVIl, Wien 1897. !) Ueber eine Untercenomanfauna aus den Karpathen Rumäniens. Verhandl. d. &k. k. geol. R.-A,, 1897. 2% 12 Jon Simioneseu. [4] Morphologie der Oberfläche. Allgemeines. Wenn man bei der ersten Eisenbahnstation nördlich von Kronstadt einen Blick auf den aus der Ebene empor- ragenden Rand der Südkarpathen wirft, so bekommt man ein oro- graphisches Profil, welches, nur wenig verändert, bis in der Nähe von Rucär sich gleichbleibt. Zwischen dem schroffen Königstein im Osten und der Bucegimasse im Westen erstreckt sich eine plateau- artige, flache Niederung, die der tiefen Bucht von Rosenau und Tohan entspricht. Eine Linie, welche man sich von der Ortschaft Weidenbach durch den Törzburgerpass bis nach Rucär gezogen denken kann, würde uns die Verlängerung dieser Niederung auf unserem Gebiete zeigen, dessen gesammten Ueberblick man von dem Gipfel des etwas südlicher vom Törzburgerpasse gelegenen Berges Votarnitza bekommt. Von hier sieht man, dass die uns beschäftigende Region gegen aussen von dem krystallinischen Schiefergebirge mit seinen sanften, regel- mässigen Formen begrenzt ist, und zwar im Westen von der Boteanu- kette, welche durch Capitanu die Dimbovitza bei Dragoslavele er- reicht, im Osten durch die secundären Ketten der Leotamasse. 7/wischen der die Mitte einnehmenden Einsenkung und diesen krystallinischen Bergen heben sich die schroffen, ruinenförmigen Kalk- massen des Königsteins auf einer Seite und der Zabava und Ghim- bavu auf der anderen Seite empor. Das ganze Gebiet ist in jene Abtheilung der Südkarpathen ein- zureihen, welche von Binder!) Burzenländergebirge genannt wurde und deren Grenzen er — und nach ihm Bielz?, Hauer und Stache) — zwischen dem Altschanzpass und dem westlichen Ab- hange des Königsteins annahm. Später vereinigte Lehmann) die ganze Königsteinmasse mit den Fogarascher Alpen, indem er die östliche Begrenzungslinie derselben durch U)J-Sinka, Törzburg und Rucär führte. In der neuesten Zeit vertrat Rehmann’) in seiner Arbeit über die Karpathen eine andere Auffassung über das Burzen- ländergebirge. Er begreift unter diesem Namen alle Gebirge, die zwischen Predeal und Prähowathale im Osten und Burzenbach, Dim- bovitzaquellbach und Doamna im Westen liegen, so dass er der Königstein- und Bucegimasse den imposanten Gebirgsstock des Jezeru und Papuscha einverleibt. | In allen diesen Versuchen, diese Gebirge zu gruppiren, wurde das geologische Moment, von welchem die Oroplastik eines Gebietes !) Die Höhenverhältnisse Siebenbürgens. Sitzungsber. der k. Akademie der Wissensch. in Wien, Bd. VI, 1851, pag. 608. ?) Handbuch der Landeskunde Siebenbürgens. Hermannstadt 1857, pag. 51. ?) Geologie Siebenbürgens. Wien, 1863, pag. 269. *) Die Südkarpathen zwischen Retjezat und Königstein (mit einer Karte), Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Bd. XX, pag. 326. °) Die Länderkunde des ehemals polnischen Gebietes. I, Die Karpathen. Lemberg 1895 (polnisch); ausführlich referirt von E. v. Roemer: Prof. Dr. A. Rehmann’s (Lemberg) neues Karpathenwerk. Mittheil. der geogr. Gesellschaft in Wien 1896, pag. 277. [5] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 13 in hohem Masse beeinflusst wird, nicht berücksichtigt. Es ist nicht genügend, nur die grossen Depressionslinien zu verfolgen, sondern „das Gebirge ist so zu gruppiren, dass stets solche Gebirgstheile in einer Gruppe sich zusammenfinden, welche in allen ihren wesent- lichen Eigenschaften, also Gestalt, Höhe, Material, Aufbau und An- ordnung, Aehnlichkeit und Beziehungen erkennen lassen“ !). Wenn ich die Burzenländergebirge auf dem rumänischen Gebiete zwischen dem Tömöspasse, Prahowathale östlich und Dimbovitza, Tomaschelulbache und Burzenbache westlich, einfasse, so glaube ich eine Gebirgsgruppe begrenzt zu haben, die in allen ihren Eigenschaften von den benach- barten Gebirgen sich unterscheidet. Während die aus krystallinischen Schiefern zusammengesetzten Fogarascher Alpen sich durch ihre regelmässigen, sanften, pyramiden- ähnlichen, fast immer in Reihen angeordneten Formen auszeichnen, sind die Burzenländergebirge infolge ihrer geologischen Zusammen- setzung von ganz verschiedenem Aussehen. Hauer und Stache saben eine sehr präcise Charakterisirung dieses Gebirgstheiles: „Die Hochgipfel krönen ungeheuere, aber durch tiefe Sättel von einander geschiedene Bergcolosse, die sich theilweise zu bedeutenden Hoch- plateaus erweitern, wie man sie so häufig in den Kalkketten der Alpen antrifft, und so wie diese in prallen Wänden, deren Höhe nach Tausenden von Fussen misst, gegen die Thäler oder gegen das niedrige Bergland, aus dem sie emporragen, abdachen“ (l. ce. pag. 269). Jenseits des Prahowathales wiegen die Karpathensandsteine vor und verleihen dem Bodzaergebirge ein einförmiges Gepräge. Dieses Ge- birge besitzt keine so bedeutenden Höhen, sondern nur sanftere Abhänge und Rücken, so dass es sich von der westlich gelegenen Bucegimasse in sehr charakteristischer Weise unterscheidet. Orographie. Man kann in dem Quellgebiete der Dimbovicioara orograpbisch drei Zonen unterscheiden. Eine mittlere Zone in der Richtung Rucär-Törzburgerpass und beiderseits, nach Aussen von Schiefergebirgen begrenzt, zwei Kalkzonen. In der ersteren, die als Depressionszone bezeichnet werden kann, könnten weiter eine plateauartige Niederung, welche von der Grenze bis an den Podul Dimbovitzei hinreicht, dann die Einsenkungen von Podul Dimbovitzei und Rucär unterschieden werden. Von der Landesgrenze, welche gleichzeitig auch die Wasser- scheide bildet, nehmen die Höhen allmälig ab, so dass Possada bei Ruecär nur ungefähr SOO m emporgehoben ist. Der obere Theil dieser Zone, welcher durch tiefe Thäler begrenzt ist und eine ziemlich regelmässige Oberfläche besitzt, kann man als eine Tafellandschaft bezeichnen. Podul Dimbovitzei ist als eine ovale Einbruchwanne zu betrachten, die tektonisch gebildet und durch die hier in Dim- bovitza ausmündenden Bäche erweitert wurde. Ringsumber ist sie von steilen Wänden begrenzt und geht nur im östlichen Theile all- mälig in das Valea Cheii über. !) A. Boehm. Eintheilung der Ostalpen in Penck’s geogr. Abhandlungen. Edi, 1837, pag. 331. 14 Jon Simionescu. [6] Rucär liegt in einer länglich trichterförmigen Einsenkung, welche nördlich und südöstlich von schroffen Kalkfelsen umgeben ist, während im Westen durch die cretacischen Berge ein lang- samer Uebergang in das Schiefergebirge vorhanden ist. Von Podul Dimbovitzei ist der Kessel von Rucär dureh die horstartige Kalk- decke der Possada getrennt und dagegen im NW durch das Riuschora- thal und im SO dureh das Thal der Dimbovitza weit geöffnet. Die beiderseits dieser Depressionsaxe befindlichen Kalkmassen sind ungleichartig. Gegen W ragt der imposante Königstein empor, welcher in Siebenbürgen unweit Zernesti anfängt und, nach einer weiten, bogenförmigen Krümmung fast in nordsüdlicher Richtung sich nach Rumänien verlängert. Die grösste Höhe findet sich bei der Kreu- zung mit der Landesgrenze (2241 m) und nimmt rascher gegen Süd (Petrieica 1802 m), dagegen langsamer gegen N (oberhalb Curmatura 1925 m) ab. Bis in der Nähe von Petrieica behält diese Gebirgsschneide eine wallähnliche Entwicklung bei, mit einem sanften Abfallen in O, das mit dem Schichtfallen übereinstimmt und mit einer schroffen, mauerartisen Wand im W abbricht, die dem Schiechtabbruche ent- spricht. Seine südliche Verlängerung (Sparietu, Berile, Plaiu) zeigt denselben Charakter wie die anderen Kalkmassen der östlichen Zone, die keine ansehnliche Höhe erreichen (1313 m bei der Grenze, I017 »» im Glhimbavul) und die durch wildzerissene Wände, tiefein- geschnittene Schluchten und plateauartiege Gipfel ausgezeichnet sind. Der Einfluss der Atmosphärilien auf die gebirgs- bildenden Gesteine macht sich durch verschiedene, nicht uninteressante Erscheinungen bemerkbar. In den Regionen, wo die Conglomerate und die grobkörnigen Sandsteine die Oberfläche bilden, zerfallen dieselben infolge der chemischen und mechanischen Einwirkung des ‚Wassers in ihre Ele- mente. Dort, wo die sanfte Böschung es erlaubt, häufen sich die letzteren als Grus an den Oberflächen der Schichten (Podischorul bei Rucär) oder bilden Schutthalden am Fusse der Felsen, die manch- mal (Stroischan, Valea Zambelei) bei der fortwährenden Abspülung als kahle, gelbe Wölbungen auf den grünen Wiesen verstreut erscheinen. Die steilen Gehänge des in die Conglomerate tief eingeschnittenen Valea cu Tzapa sind durch (das Regenwasser erodirt und es kommt zur Bildung von Erdpyramiden, die theilweise ganz isolirt oder noch mit dem Gesteine verbunden sind. Die Erscheinungen, welche in dem Kalkgebiete zu beobachten ‚sind, stimmen mit den Karstphänomenen sehr gut überein. Auf dem Petriciea. wo die Kalke entblösst und stark geböscht sind, kann man sehr viele karrenförmige Erosionsfurchen beobachten, die durch «die chemische Einwirkung des rinnenden Wassers erklärt werden müssen. Tricehterförmige Einsenkungen, die mich an die kleinen Dolinen des Karstlandes erinnerten, sind nicht ‚selten. Auf dem Petrieica erscheinen sie vereinzelt, während sie auf dem Ciocan der Oberfläche ein wellenförmiges Aussehen verleihen. Prof. Toula') Drlrespag. 167. Ze ln 1 0 22. 2 Be: Sn Zee [7] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovieioara. 15 erwähnt solche Vertiefungen SO von Rucär und zahlreicher auf dem Wege von der Grenze nach dem Königstein (Virful Groapelor). Die Umgebung von Peatra Struntzilor oberhalb Stoinesti ist durch die zahlreichen zerstreuten Kalkblöcke und durch die vereinzelten weiten Dolinen, deren Boden lehmig und bepflanzt ist, bezeichnet. Weitere Erscheinungen sind Höhlungen und Höhlen. Die ersteren sind auf den verticalen Wänden der Dimbovicioaraschlucht zu sehen. Einige von diesen Höhlungen (oberhalb Peschtera) sind infolge der localen Beschaffenheit des Kalkes entstanden, der in kleinen Stücken von dem abrinnenden Wasser abgebröckelt wird. Von den vorhandenen Kalkhöhlen ist die Höhle von Dimbo- vieioara, oberhalb Isvorul, auf der linken Seite des Baches, die inter- essanteste. Sie war schon im vorigen Jahrhunderte bekannt; Frid- walzky!) erwähnt, dass sie von dem damaligen Commandirenden von Siebenbürgen, Andreas Graf Hadik, besucht wurde. Die Oeffnung dieser Höhle liegt einige Meter über dem Boden der Schlucht und entspricht der Mächtigkeit der Kalkschichte. Die Höhle beginnt mit einem weiten Gange, von dessen Decke wenige, von den Besuchern zerbrochene Tropfsteine herabhangen. Von diesem weiten Gange gehen drei Einbuchtungen in den Kalk aus, von denen sich nur die gegen NO gerichtete weiter ausdehnt und mehrere Biegungen macht. Die Höhlenwände sind mit einer dünnen Kalksinterdecke überzogen. Unter der Bodendecke findet sich ein sandiges, slimmerreiches Material, das mit den Elementen der cretacischen Gesteine der Oberfläche identisch sein dürfte. Ich fand in einigen tiefen Ein- buchtungen rinnende Wasser und eine Menge kleiner Kalk- und (uarzgerölle, die mit denjenigen des äusseren Conglomerates iden- tisch sind, was mir zu der Vermuthung Anlass gegeben hat, dass diese Höhle durch Klüfte mit der Oberfläche in Verbindung steht. In dem Höhleulehme fand Redlich?) zahlreiche Knochen von Ürsus spelaeus, Sus scrofa;, auch mir gelang es, unter der Bodendecke mehrere Wirbel und Rippen von Ursus spelaeus, wie auch ein Becken und Beinknochen eines kleinen Säugethieres zu finden, welche aber nicht bestimmt werden konnten. Ausser dieser Höhle befinden sich in unserem Gebiete noch andere, die nicht näher untersucht wurden. So sieht man die weite Oeffnung einer Höhle auf der schroffen Wand des Ghimbavu, wenn man den Weg von Dragoslavele nach Sintilie nimmt. Eine Kluft- höhle findet sich in der Nähe von Rucär in dem Kalke der Pleascha Pesterei. Der schmale hohe Eingang führt in einen engen Raum, der sich bald in eine einfache Kluft fortsetzt. Das stets ungünstige Wetter erlaubte mir nicht, die Höhle, welche auf dem mauerartigen Abhange des Königsteins sich befindet), zu besuchen. ') Mineralogia magni Principatus Transylvaniae. Olaudiopoli 1767, pag. 181. al. €. par. 88 3) Siehe A. Bielz: Beitrag der Höhlenkunde Siebenbürgens in Jahrb der siebenb. Karpathenvereines, Bd. IV, 1354, pag. 25. 16 Jon Simionescn. f [8] Thäler. In unserem beschränkten Gebiete kann man von Thälern sprechen. nur wenn man sie in weitem Sinne auffasst, näm- lich als „langgedehnte und dabei verhältnissmässig schmale Einschnitte der Erdoberfläche, welche theils geradlinig, theils gewunden mit sleichsinnigem Gefälle nach den Binnenbecken führen ')*. Auch in der rumänischen Sprache umfasst (das Wort „Vale* (Thal) einen sehr weiten Begriff, indem es für jeden Wasserriss in den Berggehängen wie für grosse Thäler gebraucht wird. Fast alle Thäler unserer Region gehören den von Wasser ge- bildeten Thälern (Sceulpturthäler im Sinne Richthofen’s) an. Mit tücksicht auf die Bruchlinie, die das Valea Cheii begrenzt, konnte man dasselbe als ein tektonisches Thal annehmen. Nur diejenigen Thäler, welche in Conglomerate, Mergel und Schiefer eingeschnitten sind, besitzen sanfte, bald symmetrische (Riuschoara), bald unsymmetrische (Dimbovitza, westlich von Königstein) Gehänge. Solange sie aber im Kalke verlaufen, nehmen sie den Öharakter einer Schlucht mit steilen oder convexen, hohen Gehängen und schmalem, nur auf die Breite des Gewässers redueirten Boden an. Die längste und schönste Schlucht ist diejenige, in welcher die Dimbovicioara von ihrer Quelle bis zu ihrer Mündung in die Dimbo- vitza läuft; sie erreicht eine Länge von fast 8 km. Bis Isvorul besitzt diese Schlucht eine mittlere Breite von 2—4 nm; unterhalb dieses Dorfes konnte jedoch eine schmale Strasse neben dem Fluss- bette gebaut werden. Es gibt noch zahlreiche Schluchten, die den Kalk in verschie- denen Richtungen schneiden, so die Dimbovitzaschlucht zwischen Berile und Podul Dimbovitzei und von hier bis Rucär; dann die schmale, wildzerrissene Schlucht des Valea Crovului und die der Rudaritza zwischen Capitanul und Zacote, die Schlucht der Ghim- bavu etc. Der Entstehung nach gehören sie höchstwahrscheinlich zu den epigenetischen Thälern im Sinne Riechthofen’s?), wie es auch von Uhlig für die in den Jaworkiklippen vorkommende Schlucht ange- nommen wurde (der penninische Klippenzus, |. ec. pag. 675). Das Wasser machte sich ein Bett in dem über dem Kalke lagernden Sandsteine, welchen es erodirte, bis es an das Kalkgerüst gelangte; durch Klüfte und den minderen Widerstand des Gesteines begünstigt, setzte das Wasser seine Erosionskraft in verticaler Richtung bis in die jetzige Tiefe fort. Man kann in der versunkenen Kalkscholle des Podul Dimbovitzei das Stadium beobachten, in welchem der Fluss sein Bett in dem Kalke zu bauen angefangen hat. Hydrologie. Die meisten hydrologischen Verhältnisse unseres (Gebietes stimmen mit denjenigen überein, welche für die Karstland- schaften bezeichnend sind®). Oberflächliche, schwache Bäche findet man nur dort, wo der Kalk von Mergeln und Conglomeraten bedeckt ') Siehe Penck: Morphologie der Erdoberfläche. Bd. II, 1894, pag. 58. °) Führer für Forschungsreisende 1891, Berlin pag. 647. °») Vergl. Ovijie: Das Karstphänomen in Penck’s geographische Ab- handlungen 1893, Bd. V, Heft III, pag. 278. 2 ER RER [9] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 4 ist (Isvorul, Valea Saghischtei, Valea mare). Das Regenwasser wird durch zahlreiche Klüfte aufgesogen und bildet unterirdische Wasser- adern, die nur dann zu Tage treten, wo sie durch die tiefen Schluchten abgeschnitten werden (Lauf der Dimbovicioara). Fin anderer Theil des Wassers verliert sich, nachdem es eine Weile oberflächlich geflossen ist, langsam in dem Kalke, so dass das Fluss- bett trocken liegt. In dem Oberlaufe des Rudaritza verschwindet das ganze Wasser unter dem Berge Capatzina und tritt in solcher Menge wieder heraus, dass es ihm möglich ist, gleich einige Sägemühlen in Bewegung zu setzen. In der Umgebung von Rucär, wie auch bei Arsitza und Berile finden sich Sauglöcher, in welchen grössere Bäche sich in die Tiefe verlieren, Die ganze Wassermenge unserer Region wird in die Dimbovitza abfliessen und die Wasserscheidelinie dieses Flusses mit derjenigen der Aluta in Siebenbürgen fällt mit der Landesgrenze zusammen. Die Dimbovitza selbst fliesst nur wenig durch unser Gebiet. Sie hat ihre Quelle an dem Nordwestabhange des Gebirgsstockes Papuscha, läuft zuerst wahrscheinlich in einem Längsthale gegen NE, um sich gegen SE zu richten, wo sie die Gebirgsfalten schief durch- schneidet. Dort, wo sie die südliche Verlängerung des Königsteins trifft, schneidet sie eine tiefe Schlucht in den Kalk ein, durchquert dann die Einsenkung von Podul Dimbovitzei und tritt von hier wieder in eine enge Schlucht bis Rucär ein, indem sie eine gegen NW offene Biegung macht. Bei Rucär gelangt sie in das schöne, weite Thal, in welchem sie weiter fliesst. Von ihren Zuflüssen auf der rechten Seite ist Riuschora (nicht Schiru, wie sie von Prof. Toula genannt wird) die bedeu- tendste. Dieser Bach entspringt auf dem östlichen Abhange des Tiefeloaga und läuft in einem in krystallinischen Schiefern einge- schnittenen symmetrischen Thale bis oberhalb Rucär, wo die ÜCon- glomerate und Sandsteine seine Ufer bilden. Die Zuflüsse der Dimbovitza auf der linken Seite sind: Dimbo- vicioara, Valea Saghistei, Valea Cheii und Ghimbavul. Die Dimbovicioara, der grösste, ganz unserem Gebiete anzehörende Bach, entspringt an dem östlichen Theile des König- steins, vereinigt sich bald mit einem anderen kleinen Bache (Brusturet), und setzt seinen Lauf in der schönen engen Schlucht fort, welche sich nur unter- und oberhalb Isvorul auf kurze Distanz erweitert. Sie mündet bei Podul Dimbovitzei in die Dimbovitza. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Mündung früher etwas weiter gegen Osten gelegen war, und infolge der fortschreitenden Erosion des Kalkes von Plaischor höher hinaufgerückt wurde, so dass die Dimbovicioara jetzt vor ihrer Mündung in die Dimbovitza ein scharfes Knie gegen S längs dem Rande des Kalkplateaus macht. Diese Meinung wird durch die kleine, aus Geröllen gebildete Terrasse bestätigt, deren Erstreckung die Richtung des alten Flussbettes gibt. Das meiste Wasser enthält die Dimbovicioara von unterirdischen Strömen. Von den oberflächlichen Bächen könnte nur der Isvorul erwähnt werden, welcher von der Nordwestseite des Votarnitza Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (Jon Simionescu.) 3 18 Jon Simionescu, [10] entspringt, und, durch Padina Sirnei und Valea Muerei verstärkt, neben dem Dorfe Isvorul in die Dimbovicioara sich ergiesst. Valea Saghischtei verläuft auf dem westlichen Abhange des Dealu Sassului in Neocommergeln bis hinter dem Cetatea Neamtzului, wo es eine kleine Schlucht (Klamm) in den Kalk einschneidet. Valea Cheii (in dem oberen Laufe Rudaritza genannt), aus mehreren Bächen entstanden, läuft zuerst in der engen Schlucht zwischen Capatzina und Zacote; nachdem fast das ganze Wasser unter dem ersteren Berge verschwunden ist, tritt es oberhalb Valea Urdei wieder heraus. Von hier verläuft der Fluss bis zu seiner Ver- einigung mit Valea Crowului in einem engen, schluchtartigen Thale, welches sich bei dem Auftreten der cretacischen Ablagerungen erweitert. Stratigraphischer Theil. Fast alle Ablagerungen, die in dem Quellgebiete der Dimbo- vicioara auftreten, gehören der mesozoischen Gruppe an, von denen die ältesten die rothen Urinoidenkalke von Valea Lupului zu sein scheinen. Das Tithon, durch weisse, dichte Kalke vertreten, hat eine erosse Verbreitung und bildet die Grundlage der anderen Schichten, welche grösstentheils der unteren und mittleren Kreide zuzuschreiben sind, während das Vorhandensein der oberen Kreide wahrscheinlich, aber nicht sicher nachgewiesen ist. Die petrographische Facies dieser Schichtenserien ist ver- schieden. Während das Tithon mit seinen Korallen, Echinodermen, Gastropoden und dickschaligen Bivalven einen Riffcharakter zeigt, entspricht das Neocom mit seiner reichen, fast nur aus Cepha- lopoden bestehenden Fauna der Schlammfacies (facies vaseux; facies sublittorale ou subpelagique Kilian). Die Conglomerate und grob- körnigen Sandsteine der mittleren Kreide deuten in Verbindung mit der Meerestransgression auf Uferbildungen hin. in der Behandlung dieses Theiles des Stoffes wurde die chrono- logische Ordnung gewählt, weil die geologische Zusammensetzung der Oberfläche nicht so grosse Verschiedenheiten bietet, um die reeionale Beschreibung nothwendig zu machen. Bei jeder Abtheilung wird angegeben: die petrographische Beschaffenheit der Schichten, ihre Verbreitung, die vorkommenden Versteinerungen, die Fest- stellung ihres Alters und der Vergleich mit anderen Ablagerungen der Karpathen. Das Neocom wurde einer näheren Betrachtung unterzogen, da es sehr gut entwickelt ist und eine reiche Fauna enthält, deren Be- schreibung ich in der kürzesten Zeit zu veröffentlichen gedenke. uk [11] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 19 Die Juraformation. Auf der neuen geologischen Karte Ungarns !) wie auch auf der geologischen Karte Rumäniens Dräghiceanu’s werden zwischen Königstein und den Fogarascher Alpen einige Trias-, Lias- und Dogger- bänder besonders ausgeschieden. Es war mir unmöglich, in der mir zur Verfügung stehenden Literatur Erläuterungen darüber zu finden. Weder die früheren Arbeiten von Hauer und Stache, Bielz u. A., noch de Meschendörfer’sche?) ausführliche geologische Beschreibung des Kronstädter Gebietes enthalten eine Erwähnung älterer Ablagerungen als Tithon in diesen Gegenden. Die Erforschung des westlichen schroffen Abhanges des König- steins ist infolge der vielen riesigen Blöcke und Schutthalden sehr erschwert, die bis auf die krystallinischen Schiefer hinüberreichen, so dass es unmöglich erscheint, die unteren Lagen des weissen Kalkes zu beobachten. Es ist nieht unwahrscheinlich, dass hier auch ältere Schichten vorhanden sind, da man in dem kleinen Thale des Baches Valea lui Ivan neben schiefrigen und tithonischen Geröllen auch solche findet, die eine gewisse Aehnlichkeit mit den von mir gefundenen Kalken von Valea Lupului besitzen. Prof. Toula (l. e. pag 169) sammelte aus einigen dieser Blöcke wohlerhaltene Posidonomyen, die er an Ort und Stelle für Posidonomya alpina zu halten geneigt war, eine Form, die, wie später gezeigt wird, eine grosse verticale Verbreitung hat. Wenn von dem noch nicht bewiesenen Auftreten des Trias und des Doggers abgesehen wird, erscheint der unterste Malm als das älteste in dem Quellgebiete der Dimboviceioara anstehend ‘gefundene Glied der Juraformation, welcher auch die ausgedehnte, bisher allein bekannte Masse des tithonischen Kalkes anzureihen wäre. Das Gallovien. Das Vorkommen dieser Stufe beschränkt sich auf den Berg Gruiul Lupului, an der Quelle des kleinen Baches Valea Lupului, der etwas nördlich von Rucär auf der linken Seite des Riusoara mündet. Die Schichten, von den Wildwässern wenig aufgeschlossen, zeigen folgende Anordnung: a) Roth oder rothbraun gefärbte Kalke, mit zahlreichen Kalk- spathausscheidungen, die in den Luftkammern der Ammoniten oder als feine Adern vorkommen. Sie erscheinen an der Basis conglo- meratisch mit kleinen Urgebirgsgeröllen oder als Muschelbreccien, indem die Versteinerungen ordnungslos beigemengt und zerbrochen sind. Nicht selten findet man auch wahre Crinoidenkalke, fast nur aus Zerreibsel von Crinoidenstieleliedern zusammengebacken. Er- wähnenswerth ist das Vorkommen von Coneretionen aus Braun- eisenstein. !) Geologische Karte von Ungarn. Herausgegeben von der ung. geol. Ge- sellsch., Budapest 1896. ?) Der geologische Bau der Stadt Kronstadt und ihres Gebietes. Aus dem: „Beiträge zu einer Monographie der kgl. freien Stadt Kronstadt“. Festschrift für die Mitglieder der 26. Wanderversammlung ung. Aerzte und Naturforscher 1392. g% 0 Jon Simionesen. [12] b) Dichte, gelbe oder hellgraue, wohlgeschichtete, splitterige Hornsteinkalke mit dünnen, dunkelgefärbten, ausgeschiedenen Horn- steinbändern. Unter dem Mikroskop zeigen sie iu der feinkörnigen Masse nur spärliche, zerbrochene Crinoidenstielglieder. c) Grobkörnige, oolithartige, röthliche Kalke, die den ganzen oberen Theil des Berges zusammensetzen und welche unter dem Mikroskop aus kleinen Körnern von Glimmerschiefer und Quarz sich gebildet zeigen, die mit einem hellen Kalkcement verbunden sind. Alle diese drei Gesteinsarten stehen in engem Zusammenhange und sind durch Uebergänge miteinander untrennbar verknüpft. Sie liegen unmittelbar auf den krystallinischen Schiefern; ihre Bezie- hungen zu den jüngeren, weissen, tithonischen Kalken sind nicht zu enthüllen, weil der ganze Berg mit Wäldern und Wiesen be- deckt ist. Versteinerungen lieferten nur die unteren und oberen Schichten; die aus den letzteren befinden sich in so schlechtem Erhaltunes- zustande, dass sie nicht specifisch bestimmt werden konnten. Der Vollständigkeit wegen werden sie hier erwähnt. Es sind dies: Lima sp. aus der Gruppe der L. proboseidea Sow. 1 Exemplar. Peeten sp., sehr ähnlich dem P. demissus Goldf. 3 Exemplare. Pecten sp. 1 Exemplar. Ostrea sp. 1 Exemplar. Terebratula sp. 1 Exemplar. Eine schärfere Altersbestimmung der in Rede stehenden Schichten ermöglichen die zahlreichen und verschiedenen Versteinerungen, welche aus den am Fusse des Berges herumliegenden Blöcken auf- sesammelt wurden; die Zusammengehörigkeit derselben mit den unteren Crinoidenkalken steht bei der petrographischen Aehnlichkeit ausser Zweifel. Die Formen erscheinen in grosser Menge, mit dem Gestein durch Kalkspath verbunden, welcher theilweise die Luftkammer der Ammoniten erfüllt. Es wurden folgende Fossilien erkannt: Sphenodus longidens Ag. 5 Stück. Belemnites (Hibolites) semihastatus Blainv. 2 Stück. Phylloceras (BRhacophyllites) tortisuleatum d’Orb. 50 Stück. Nach dem Verlaufe der Einschnürungen und dem Vorhanden- sein der Verdickungen auf der Externseite entsprechen sie mehr dem A. protortisuleatus Pompeckj (Beiträge zu einer Revision der Ammo- niten des Schwäb. Jura, Lief. I, 1893). Phylloceras cf. ptychoicum (uenst. 2 Stück. BERE mediterraneum Neumayr 1 Stück. Oppelia sp. 1 Stück. w-_: m #7 [13] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 21 Perisphinctes sp. Nach dem weiten Nabel, den flachen Flanken und den regelmässig gespalteten Rippen, die auf der Siphonalseite etwas nach vorne gerichtet sind, steht diese Form sehr nahe dem Perisphinetes nov. sp. ind. aus dem Kelloway der Nordkarpathen (v. Uhlig, Kellöway etc. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1881, Taf, VI, Fig, 5), 1 Stück. Lima (Plagiostoma) rupieola Uhl. 3 Stück. Pecten cf. subarmatus Münst. 1 Stück. Pecten sp. 1 Stück. Astarte cf, subterminalis Uhl, 2 Stück. Arca sp. 1 Stück. Isoarca sp. 3 Stück. Macrodon sp. 1 Exemplar. Terebratula dorsoplicata Suess 2 Stück. } sp. 4 Stück. Waldheimia margarita Oppel 5 Stück. Ihynchonella penninica Uhl. 2 Stück. Diese Form ist sehr ähnlich der Rh. Atla’Opp. aus den Klausschichten, mit welcher sie aller- dings indentifieirt wurde (Rothpletz, Geol.-palaeont. Monoe. der Vilser Alpen. Paleontogr. Bd. XXXII, pag. 87). RBhynchonella Zisa Oppel 3 Exemplare. ? cf. contraversa Oppel 1 Stück. f defluxoides Uhl.) 10 Stück. Pentacrinus (in Dünnschliffen). ' Montlivaltia 1 Stück. Aptychen. Ein Blick auf diese Liste zeigt uns die grosse individuelle Zahl einiger Ammoniten, den relativen Reichthum an Brachiopoden und fein verzierten Bivalven. Keine von den angegebenen Formen sehört aber zu denen, die eine Feststellung der Altersbestimmung ermöglichen könnten. Es gibt darunter Arten, die eine grosse Ver- breitung besitzen. A. tortisuleatus und mediterraneus finden sich von den Klausschichten bis in das untere Tithon ?); Ph. Zisa, von Oppel ı) Wie Prof. Uhlig (Kelloway ete., l.c. pag. 419) vermuthet hat, herrschen bei dieser Art dieselben Variationen, wie bei Rh. defluxa Oppel. Zwischen Formen mit rimos gespalteten Rippen, die allerdings auch bei Ah. defluca vorkommen (in dem Museum des geol. Institutes der Universität konnte ich eine solche von Sette Commune herstammende Form beobachten), liegen mir mehrere Exemplare vor, welche dieselben äusseren Verhältnisse zeigen, wie die von Oppel beschrie- bene Art, von welcher sich Rh. defluxoides nur durch die abgerundeten Rippen und eine wellige Stirnlirie unterscheidet. In dem k. k. Hofmuseum fand ich zahlreiche, aus Illowa und Puchow (Ungarn) stammende Exemplare, die als Rh. Hausmanni Zeuschner etiquettirt sind, obwohl sie sehr verschieden von der Abbildung sind, die Zeuschner gegeben hat (Nowe lub niedokladenie opisane gatunki skamienialoseci Tatrowych 1846, Taf. III, Fig. 3@—c). Diese Formen unterscheiden sich von den rumänischen nur durch die geringere Dicke des Gehäuses. Ich behalte aber den von Uhlig vorgeschlagenen Namen bei, weil Rh. Hausmanni nicht sichergestellt erscheint. ?) Neumayr M. Die Phylloceraten des Dogger und Malm. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1871, Bd. XXI, pag. 245. 99 Jon Simionesen. [14] aus den Posidonomyenschiefer beschrieben, findet sich auch höher (v. Rothpletz, 1. e. pag. 87). Die Klausschichten, mit welchen ich die betreffenden Kalke zuerst zu identificiren geneigt war, erscheinen in den Ost- und Südkarpathen mit einer ganz verschiedenen Fauna. Durch Herbich') wurden sie bekannt von dem östlichen Abhange des Nagy-Hagymaser Gebirges in dem Querthale des Vörösköpatak; Prof. Suess?) und Hauer?) erwähnen eine ähnliche Fauna von dem westlichen Theile der Bucegi und in der letzten Zeit lenkte Redlich®) die Aufmerksamkeit auf die Fauna von Strunga (kaum 30 km östlich von Rueär), die zahlreiche, wohlerhaltene Formen enthält. Im vorigen Herbst hatte ich Gelegenheit, eine grosse Suite, die ich für die hiesigen Museen von dieser Localität aufsammeln liess, zu beobachten, und war im Stande, beide Faunen näher zu vergleichen. Es gibt keine Form, die beiden gemeinsam wäre. Unter den Ammoniten, welche fast allein die Fauna von Strunga zusammensetzen, findet sich Am. tortisulcatus nicht. Von den Brachiopoden erwähnt Redlich nur Terebratula ventricosa Ziet, welcher noch die von mir erkannte Ichynchonella eoarclata Oppel (var. miscella Opp.) beizufügen ist; beide erscheinen nicht unter den vielen Brachiopoden der Schichten von Valea Lupului, die also nicht den Klausschichten gleichzustellen sind, sondern jünger zu sein scheinen. Dagegen wird es uns eine Erleichterung bei der Alterbestimmung der hier in Rede stehenden Ablagerungen gewähren, wenn wir die seologischen Verhältnisse der Nordkarpathen in's Auge fassen. Seiner- zeit beschrieb Uhlig°) die reiche Fauna des rothen Kalksteines von der Klippe Babierzöwka in Westgalizien, welche aus zahlreichen Ammoniten, Brachiopoden, feinverzierten Bivalven und Gastropoden besteht. Bei der Besprechung dieser Fauna wurde von Uhlig ihre Zu- sehörigkeit zum Kelloway festgestellt, trotz mancher mit den Klausschiehten gemeinsamen Formen, welche aber solchen Typen angehören, die wenig Neigung zur Variation besitzen. Einige Jahre später bestätigte Parona®) diese Annahme, indem er eine ähnliche Fauna von Acque Fredde am Gardasee beschrieb. Die beiden Fundorte in den Karpathen haben folgende ge- meinsame Formen: Sphenodus longidens Phyll. tortisuleatum „. mediterraneum !) Szeklerland, pag. 128. ?) Der braune Jura in Siebenbürgen. Verhandl. der k. k. geol. R.-A. 1867, pag. 28. °) Petrefacten aus dem braunen Jura von Buescees bei Kronstadt Ibidem 1867, pag. 136. *) Geologische Studien in Rumänien Ibidem 1896, pag, 79. °) Beiträge zur Kenntniss der Juraformation in den karpathischen Klippen. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1898, Bd. XXVIII, pag. 641—658 und über die Fauna des rothen Kelloway-Kalkes der penninischen Klippe Babierzöwka bei Neumarkt in West-Galizien. Ibid. 1881, Bd. XXXT, pag. 481 —424. °) La fauna fossile (Calloviana: di Acque Fredde sulla sponda Veronese del Lago di Garda. Mem. Acad. dei Lincei, Serie 4a, Vol. III (1894 Separatabdruck). [15] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 23 Lima rupicola Astarte terminalis Ichynchonella penninic« e defluwxoides. Diese Liste wäre gewiss länger, wenn der bessere Erhaltungs- zustand der Versteinerungen eine nähere Bestimmung ermöglicht hätte, da die zahlreichen, nur generisch bestimmten Bivalven eine grosse Aehnlichkeit in dem gesammten Gepräge der Schale nicht nur mit den Formen aus den Nordkarpathen, sondern auch mit denjenigen von Norditalien besitzen. Auffallend ist das Fehlen der Gastropoden, die bei Babierzowka und Acque Fredde in überwie- gender Zahl auftreten. Auch diejenigen Formen, welche in Westgalizien nicht vor- kommen, aber in unserem Gebiete vorhanden sind, sprechen für das Gallovien. Terebratula dorsoplicata, die von Szajnocha aus dem Jura von Balin beschrieben wurde, ist eine der bezeichnendsten Versteinerungen der französischen Kellowayschichten ’); Waldheimia margarita ist durch Oppel?) aus dem weissen Vilser Kalk bekannt geworden. Nach diesen Erwägungen sollen die unteren Schichten von Valea Lupului als dem Callovien von Westgalizien und Norditalien entsprechend, betrachtet werden. Was die darüber folgenden, hornstein- und oolithartigen Kalke betrifft, so bin ich nicht im Stande, wegen des Mangels an Ver- steinerungen, etwas, wenn auch nur Wahrscheinliches, darüber zu sagen. Die Thatsache, dass aus den Blöcken von Valea lui Ivan, die eine grosse petrograpbische Aehnlichkeit mit dem Hornsteinkalke des Valea Lupului haben, von Prof. Toula Posidonomyen auf- gesammelt wurden, die er für P. alpina zu halten geneigt war, bringt uns keine Lösung für die Altersfrage, ‘da diese Art eine der verbreitetsten ist und von der Zone mit A. opalinus bis in das Callovien aufgefunden wurde). Tithon. Vom Königstein im W bis Zabava im O und von der Grenze im N bis Dragoslavele im S ist die Oberfläche des Gebietes aus emem weissen, dichten Kalkstein zusammengesetzt, welcher nur in beschränkten Partien unter den jüngeren Ablagerungen verborgen ist. Bei der grossen petrographischen Aehnlichkeit wird er im Ganzen hier behandelt werden, obwohl ein Theil von ihm sehr wahrschein- lich schon der Unterkreide angehört. Die Ausdehnung dieses Kalksteines wurde auf der geologischen Karte der rumänischen Anstalt im Grossen und Ganzen richtig an- gegeben, mit Ausnahme des östlichen Theiles, der zu weit in die !) E. Deslongeschamp. Mem. sur les Brach. de Kellowayrock dans le N.O. de la France. Mem. soc. Linnenne de Normandie. Bd. XI, Gaen 1559, pag. 17. 3 ä > 2 : a , > f ?) Ueber die weissen und rothen Kalke von Vils in Tyrol. Separatabdruck pag. 35. ») W. Kilian. Montagne de Lure. Annales des sciences geolog. 1385. 3 en x Vol. XIX, pag. 83. 24 Jon Simionescu. [16] Phytlite eingreift. Ein Zusammenhang zwischen den Kalkmassen von Königstein und den von Strunga — wie es auf der Karte Dräghi- ceanu’s eingezeichnet ist — ist nicht vorhanden; die krystallinischen Schiefer des Leotagebirges setzen sich nördlich bis etwas über die Grenze fort. Die petrographische Beschaffenheit ist scheinbar uniform. Die Hauptmasse besteht aus einem dichten, weissen, hellgelb (Königstein), selb oder hellgrau (Dimbovieioara, Coculetz bei Rucär) oder röthlich- gelb gefärbten Kalkstein, welcher in Valea Urdei marmorartig er- scheint. Er besitzt eine gleichartige Structur, mit mehr oder weniger ausgeprägtem muscheligen Bruch und ist von zahlreichen, dünnen Caleitadern durchsetzt, die man am besten auf der verwitternden Oberfläche beobachten kann. Unter dem Mikroskop sieht man zahl- reiche Foraminiferengehäuse (Rotalidae und Textularidae) in der fein- körnigen Masse zerstreut. Nicht uninteressant sind die Kalkconglomerate und Kalkbreccien, die in geringerer Menge auftreten. Die Kalkconglomerate bestehen aus abgerundeten Kalk- knollen, abgerundeten Nerineen- und Dicerasfragmenten, welche mit einem kalkigen Bindemittel zusammengekittet sind; auch wenige kleine Urgebirgsgerölle fehlen nicht. Diese Conglomerate erscheinen nicht in Lagen, sondern in Form abgerundeter grosser Gerölle in der übrigen Kalkmasse eingebettet, die, obwohl scheinbar dicht, sich unter dem Mikroskop fein conglomeratisch gebildet zeigt. Sie wurden indem neuaufgeschlossenen Kalkofen von Coculetz bei Rucär anstehend gefunden, sowie auch in der Dimbovieioarakalkmasse. Von Wasser herabgetragene Blöcke finden. sich in grosser Zahl in dem unteren Laufe des Valea Muerei, woher auch wahrscheinlich die von Herbich sesammelten Handstücke stammen, die in dem Museum der Klausen- burger Universität aufgestellt sind. Solche Kalkceonglomerate wurden zum ersten Male durch Zeuschner!) von Inwald bekannt, und sind für die Stramberger Schichten charakteristisch. Ausser Inwald wurden sie in den Karpathen von Hauer und Stache (Siebenbürgen, 1. e. pag. 160) bei Felsö- Vacza, westlich von Körösbänya, von Meschendörfer?) von Königstein (Coltzul Gäinei), von Herbich?) bei 'Toroezko erwähnt. Die Kalkbrecceien bestehen aus unregelmässigen Kalk- stücken von sehr verschiedener Grösse, welche durch ein oft wech- selndes, kieseliges, mit Salzsäure wenig aufbrausendes Bindemittel verkittet sind. Die meisten Kalkknollen sind hellgrau, weiss oder gelblich gefärbt, doch findet man nicht selten Kalkbreceien, die Kalkstücke von verschiedenen Farben enthalten (Piatra Crucei, Mätiesch). Die Beschaffenheit des Bindemittels variirt sehr viel; feinkörnig, elimmerreich, bläulichgrau in Valea Preotului; dicht, röthlichbraun. !) (seognotische Beschreibung des Nerineenkalkes von Inwald und Roczyny. Haidinger’s Naturwiss. Abhandl. 1850, Bd. III, pag. 13#. ‘) Kronstadt, 1. e. pag. 20. °) Stramberger Kalk bei Toroczko aus einem Schreiben an v. Hauer, Verhandlungen der k. k. geol. R-A 1870, pag. 227. u ee a au [17] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimboviecioara. 25 mit kleinen Quarz- und Urschiefergeröllen in Piatra Crucei, Valea Cheii ; grobkörniger und sandiger im Törzburgerpass. Der Charakter des Bindemittels, verbunden mit der Anordnung dieser Kalkbreccien, gibt Anlass zu der Meinung, dass sie nicht ur- sprünglich, sondern durch nachträgliche Zertrümmerung des Kalk- steines entstanden sind, und wenn sie hier erwähnt wurden, so ge- schieht es wegen ihres engen Zusammenhanges mit dem Kalksteine. Bei der Verschiedenheit der Farbe gewinnen sie ein gewisses Interesse auch für die industrielle Verwendung, obwohl sie nur dort gebrochen werden, wo das Bindemittel keine Schiefergerölle enthält. Es wurde mir gesagt, dass man sie als innere Wandverkleidung an- sewendet hat, während der gegenüber des Gasthauses von Rucär befindliche Brunnenstein zeigt, dass sie nicht lange dem zersetzenden Einfluss der Atmosphärilien widerstehen können. Im Allgemeinen erscheint der Kalkstein als massig und von vielen Klüften durchsetzt. Gut wahrnehmbare Schichtung ist nur in wenigen Orten zu sehen (Königstein, Cheia Dimboviciorei, Oratia hinter den Ruinen des deutschen Schlosses). Es gibt Orte, wo man stundenlang gehen kann, ohne eine Spur von Fossilien zu finden; dagegen erscheint an anderen Stellen der Kalk- stein — wie auch Prof. Toula erwähnt — dicht mit Muscheln er- füllt, die aber nur als Durchschnitte auf den ausgewitterten Ober- flächen der von den Felswänden herabgefallenen Blöcke oder der Schichten zu sehen und sehr schwer, fast unmöglich aus der dichten Masse zu lösen sind. Dank einiger günstiger Umstände, wie der Bau eines neuen Kalkofens bei Rucär und die Renovirung der Strasse, welche zu der Höhle der Dimboviecioara hinführt, war ich in der Lage, eine ziemlich grosse Suite aufzusammeln. Der Erhaltungs- zustand der Versteinerungen lässt leider viel zu wünschen übrig, ermöglicht aber die nähere Bestimmung einiger Formen, die mass- sebend für das geologische Alter sind. Aus den anstehenden Conglomeraten von Coculetz bei Rucär wurden folgende Formen aufgesammelt: Heterodiceras Lucii Defr. : sp. Itieria Staszycii Zeuschn. nr Ptygmatis carpathica Zeuschn. : Bruntrutana Thurm. R cf. excavata GFemm. = cf. pseudo-Bruntrutana Gemm. R aus der Gruppe der P. carpathica Z. Nerinea Schloenbachti Gemm. Turritella sp. Chilodonta ceurta Zitt. Cerithium Suessi Gemm. Pileolus siculus Gemın. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (Jon Simionescu.) 4 26 Jon Simionesen. i | [18] Auf der Oberfläche des Kalksteines von dem, Törzburgerpasse wurden folgende Formen gefunden, die infolge atmosphärischer Ein- tlüsse theilweise bis in die feinsten Details ausgewittert, sind: Opis sp. Mytilus sp. Avicula sp. Nerinea subscalaris Mstr. Y Plassenensis Peters. Pygaster sp. Pseudodiadema sp. Salenia (Acrosalenia ?). Diese Form besitzt wahrscheinlich eine abnorme Bildung des Scheitelschildes, welche die wahre Gattungsbestimmung erschwert. Das linke vordere Genitaltäfelchen ist herausgeschoben, so dass es nicht mit der Centralplatte in Berührung kommt, und die benach- barten Genitaltäfelchen nebeneinander zu liegen kommen. Ithabdocidaris-Stachel. Pentacrinus-Stielglieder. Convexastraea sexradiata Gldf. Einzelne Korallen. Die meisten mir vorliegenden Formen wurden aus zerstreuten Blöcken oder aus den Schotterhaufen, die auf der Strasse nach dem Törzburgerpass liegen, aufgesammelt. Höchst wahrscheinlich stammt dieser zur Strassenbeschotterung verwendete Kalk von Dealu Sassului. Ausser zwei Abdrücken von Ammoniten, die aber nicht einmal senerisch bestimmt werden konnten, wurden weiters gefunden: Arca Uhligi boehm. ” Sp. Pecten af. wimineus So. T'ylostoma sp. Thamnastraea confluens (Quenst. Theecosinilia cf. Virgulina kt. Amphiastraea sp. Oyathophora ef. tithonica Ogilvie. . sp. 2 2. 20 fe: 4 % [19] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. DT Als Ergänzung können noch die von Popovici-Hatzeg') erkannten Arten erwähnt werden. Unter anderen, nur generisch be- stimmten Formen sind zu nennen: Lithophagus Beneckei Boechm. ieh avellana dOrb. Lima mistrovitzensis Doehm. Nerita chromatica Zitt. Pseudomelania Gemmellaroi Zitt. Oidaris glandifera Goldf. Der Kalkstein von Matiesch scheint sehr reich an Versteine- rungen zu sein, die aber — überhaupt auf dem westlichen Abhange — nur als Durchschnitte zu sehen sind. Es wurden nur eine Nerinea aus der Gruppe der N. (Itieria) Moreana d’Orb. und Sfylina Labechei E. et H. erkannt. Besonderes Interesse besitzen die Versteinerungen, welche aus den zerbröckelten Blöcken der Dimbovicioara-Masse aufgesammelt wurden. Diese Fauna ist mehr aus Brachiopoden und Bivalven zu- sammengesetzt und trägt ein cretacisches Gepräge, so dass es zweifelhaft erscheint, ob die ganze Kalkmasse des Dimbovicioara- Quellgebietes nur dem Jura angehört. Aufgesammelt wurden fol- gende Formen: Duvalia sp. Requwienia sp. Isoarca sp. Lithophayus (Keule). Pecten sp. Spondylus sp. Ihynchonella cf. Astiert Suess. irregularis Pictet. cf. Gibbsiana So. a cf. lata d’Orb. Terebratula sella Sow. » SP: lichinospatangus. Rhabdocidaris-Stachel. „ ” Wie man aus diesen Listen ersehen kann, zeichnet sich die Fauna des betreffenden Kalksteines durch die schwache Vertretung der Gephalopoden und die überwiegende Zahl der dickschaligen Bivalven, Gastropoden, Echiniden und der Korallen mit zusammen- gesetzten Stöcken aus. Der Mangel an Cephalopoden scheint be- zeichnend für die jurassischen Kalke des südlichen und östlichen Siebenbürgens zu sein?). Aus Nagy-Hagymas ist der Contrast auf- !) Note preliminaire sur les calcaires tithoniques et neocomiens des Di- striets de Muscel, Dimbovitza et Prahowa (Roumaine). Bul. soc. geol. France, Tom. XXV, 1897, pag. 550. 2) E. A, Bielz. Die in Siebenbürgen vorkommenden Mineralien und Ge- steine. Verh. und Mitth. des Siebenbürg. Vereins für Naturwiss. Bd. 39, pag. 68. 4* 28 Jon Simionescu. [20] fallend zwischen der ammonitenreichen Fauna der Zone mit A. «canthicus und derjenigen der daraufliegenden Strambergerkalke, welche Herbieh!) nichts anderes als Diceras, Nerineen und Echiniden ge- liefert haben. Erwähnungswerth in unserem Gebiete ist die Isolirung der Nerineen auf Coculetz, wie es auch in Inwald von Zeuschner?) sezeigt und von Prof. Suess®) als eine durch besondere physi- kalische Verhältnisse hervorgerufene Absonderung erklärt wurde. Die betreffenden Kalksteine und deren Verlängerung im Burzen- lande wurden verschiedenen Formationen zugeschrieben. Man be- trachtete sie theils dem Lias®), theils dem „Corallien“®®), theils der unteren Kreide®) angehörig, bis einige Versteinerungen in Bucegi und Zinne bei Kronstadt aufgesammelt wurden, welche ver- anlassten, sie den Stramberger Schichten gleichzustellen, eine Annahme, die durch meine Beobachtungen bestätigt wird. Mit Aus- nahme derjenigen Versteinerungen, die in dem Dimboviciorakalke sefunden wurden, deuten alle anderen auf das tithonische Alter der Kalke hin. Stratigraphisch erscheint mit Sicherheit ein Theil dieser Kalke als das Liegende des Neocoms; man sieht es am besten am südwestlichen Ende des Dealu Sassului, hinter den Ruinen des „deutschen Schlosses“ (Cetatea Neamtului), wo die wohlgeschichteten Kalklager in CGoncordanz mit den hangenden neocomen Mergelkalken lagern; ferner auf der Spitze einer Klippe, wo die Strasse oberhalb (des Aufseherhauses sich nach West umbiegt und wo es mir gelang, eine kleine verdrückte Neocomscholle zu finden. Dieselbe sehe ich als Rest der an Brüchen auf beiden Seiten der Klippen abgesunkenen untercretacischen Mergel an. Es ist also sichergestellt, dass ein grosser Theil des in unserem Gebiete anstehenden Kalksteines als ober- tithonisch betrachtet werden muss, und zwar entspricht derselbe den Kalken von Inwald und Roczyny mehr als denjenigen von Strambere. Andererseits rechtfertigen dieaus den Dimbovicioara-Kalkblöcken stammenden Versteinerungen den von mir in einer kleinen Notiz ”) ausgesprochenen Zweifel über das tithonische Alter des ganzen, in unserem Gebiete vorkommenden Kalkes, indem sie mehr einen eretacischen Charakter besitzen. Von den ziemlich vielen Brachiopoden, die aufgesammelt wurden, ist keine Art (vielleicht mit Ausnahme der !) Szeklerland, pag. 191. ?) Palaeont, Beiträge zur Kerntniss des weissen Jurakalkes von Inwald bei Wadovice. Abhandl. der kgl. böhmis-hen Gesellsch. d. Wiss. 1857, pag. 6 (Separat- abdruck). °) Die Brachiopoden der Stramberger Schichten. Hauer’s Beitr. für Pal. 1858, Bd. I, pag. 19. ‘) E. A. Bielz. Handbuch der Landeskunde Siebenbürgens. Hermann- stadt 1857, pag. 51. ) Gr Stefaneseu, le. pas 31, ‘) Lillde Lilienbach. Journal d’un voyage geol. fait ä travers toute la chäine des Carpathes 1833. pag. 269. „De Törzburg jusqu’ä la frontiere valaque, ” il n’y a que des aglomerats secondaires recens, et sur la limite des deux pays, du caleaire compacte crayeux inferieur.* ‘) Asupra barr&mianului in basenul Dimbovicioarei. Buletinul soc. de sciinte din Bucuresci 1897. An. VI. [21] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovieioara. 29 Ph. Astieri) den Stramberger Formen ähnlich; keine von den Formen, die aus den benachbarten tithonischen Kalkfelsen angegeben wurden (Terebratula lacunosa, nucleata, substriata von Bucsees; T. bisuffar- cinata von Zinne bei Kronstadt !), sind unter den mir vorliegenden Formen vertreten, welche dagegen denjenigen sehr nahe stehen, die aus den Aptien Frankreichs und "der Schweiz beschrieben worden sind. Die diekschaligen, fragmentarisch erhaltenen Bivalven, welche mit den Brachiopoden vergesellschaftet sind, wurden infolge eines ge- naueren Vergleiches mit den wohlerhaltenen Exemplaren von Orgon (Bouches-du-Rhöne) und denjenigen, die mein Freund Sava Atha- nasiu in Raräu (Moldau) aufsammelte, als Peqwienia bestimmt. Es ist alsohöchst wahrscheinlich, dass die Kalksteine aus dem Quellgebiete der Dimbovicioara nicht nur dem Jura, sondern auch der unteren Kreide anzureihen ‘sind. Solche Uebergänge von tithonischen Kalken in Caprotinen- kalke wurden auch in anderen Regionen der Karpathen wahrge- nommen. Herbich?°) machte sie aus den Persanyer- und Nagy- Hagymasgebirgen bekannt, und neuerdings erwähnt Uhlig?’) als eines der Ergebnisse seiner Beobachtungen in den Ostkarpathen, dass vom oberjurassischen Korallenkalk ein allmäliger Uebergang zum neocomen Caprotinenkalk vorhanden ist. Die Kreideformation. Sicher konnten nur die untersten Abtheilungen dieser Formation nachgewiesen werden, nämlich: l. Die untere Kreide (Neocom s. 1.) überhaupt, durch Mergel, 2. die mittlere Kreide, durch Conglomerate und Sand- steine vertreten. Das Vorhandensein der oberen Kreide wird infolge man- gelnder sicherer Beweise nur als wahrscheinlich angenommen. In einer Notiz gab Popovici-Hatzeg*), der Meinung Aus- druck, dass auch das Infravalangien (Berriasschichten) vorhanden wäre, indem er Pecten lineatocostatus, Cidaris punctatissima und Holco- diseus Caillaudi auf dem Dealu Sassului erwähnt. Das mir vorliegende Material gestattet nicht, etwas darüber zu sagen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass keine von den erwälnten Versteine- rungen für die Zone des A. oceitanicus und Boissieri bezeichnend sind. Peeten lineatocostatus und Cidaris punctatissima gehören solchen Typen an, die in mehreren Horizonten heimisch sind, während Holco- disens Caillandi, eine barr&mische Form, meines Wissens hier das erstemal in einer so tiefen Stufe vorkommen würde. Natürlich 2) Hose; und Stache, Siebenbürgen, pag. 161. R, Szeklerland, pag. 47. °, Ueber die Beziehungen der südlichen Klippenzone zu den Ostkarpathen. Sitzungsbericht der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. OVI, 1897, pag. 3 (Separatabdruck). *) Cale. tithoniques etc., 1. c. pag. 551. 30 Jon Simionescu. [22] wäre es nicht ausgeschlossen, dass auch. in unserem Gebiete das obere Tithon allmälig in das untere Neocom überginge, wie es fast in allen mediterranen Regionen zu sehen ist; die bis jetzt ange- führten Beweise sind aber ungenügend. ; Das Neocom. Die erste Erwähnung dieser interessanten Ab- lagerungen findet man in. einem Schreiben, welches Herbich') an F. v. Hauer gerichtet hat; einige Jahre später gibt Prof. Stefanesceu darüber eine kurze Beschreibung und fast in derselben Zeit erschien die ausführliche Arbeit Herbich’s über die Fauna der Neocom- mergel der Dimbovicioara, mit welcher er die Aufmerksamkeit der Geologen auf sie lenkte. Die Verbreitung dieser Mergel beschränkt sich »ur auf die Umgebung des kleinen Dorfes Näsipurile. Sie bilden den westlichen Abhang des Dealu Sassului (siehe die‘ Kartenskizze) vom Cetatea Neamtzului bis la Uluce. Gegen West gelangen sie bis an die Dimbo- vieioara bei Isvorul und können noch längs des Padina Sirmei- baches verfolgt werden. Ich konnte sie weder in der Einsenkung von Podul Dimbowitzei, noch in derjenigen von Rucär entdecken. In Valea Cheii kann man sie bis an die Mündung der Valea Crowului verfolgen ; weiter aufwärts — wie es auf der geologischen Karte der rumänischen Anstalt angegeben wird — konnte ich sie nicht beob- achten. In dem oberen Laufe der Dimboviecioara (la Gilgoae) kommen dieselben Mergel nur auf einige Meter weit zum Vorschein. Die Aufeinanderfolge der Schichten kann man nur auf Dealu Sassului wahrnehmen, begünstigt von den zahlreichen Windungen, welche die schöne, nach dem Törzburgerpasse hinführende Strasse macht. Andere Aufschlüsse sind nur auf eine kleine Distanz beschränkt; in Valea Muerei, woher fast alle Versteinerungen stammen, die Herbich beschrieb, sind die Schichten sehr wenig aufgeschlossen. Auf Dealu Sassului findet sich folgende Schichtenreihe: «) Ueber dem jurassischen Kalke liegen dichte, dickbankige, hornsteinreiche, gelblich oder gelblichgrau gefärbte, mergelige Kalke. | ») Eine Wechsellagerung von Mergelkalkbänken und schieferigen ddünnplattigen Mergeln. Die letzteren überwiegen und sind durch ihre Eigenschaft, in kleine Stücke zu zerbröckeln, gekennzeichnet. -In diesen Schichten treten zahlreiche eylindrische Körper von verschie- dener Grösse auf, welche wahrscheinlich organischer Natur sind. c) Kalkige Mergel, die im Innern bläulichgrau, auf der ver- witterten Oberfläche aber gelblichgrau gefärbt erscheinen und. mit dünneren Mergelschiefern abwechseln. Nicht selten findet man in ihnen kleine verkohlte Pflanzenreste, die nach Dr. Krasser?) Coni- ferenstructur besitzen. ') Fr. v. Hauer, Newe Beobachtungen aus dem östlichen Siebenbürgen von Fr. Herbich. Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1872, pag. 28. „Dagegen gewinnen die Mergel des unteren Neocomien über den Törzburgerpass in dem Thale der Dimbovicioara eine weite Ausdehnung, sie sind da stellenweise dicht mit Ver- steinerungen angefüllt“. -) In Redlich, Tier P32 780. le ee ee. u er ee [23] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovieioara. 31 i Wie schon früher angeführt wurde, kann man am südlichen Ende des Dealu Sassului sehr gut die Concordanz . zwischen diesen Mergeln und den darunterliegenden tithonischen Kalken beobachten; nicht dieselben einfachen Beziehungen sind bei Isvorul zu sehen, wo. infolge ‘der tektonischen Erscheinungen, oder des verschiedenen Alters des Kalkes, die Beobachtung sehr erschwert wird. Blöcke oder Linsen (?) von Kalk scheinen bei der Biegung der Dimbovicioara eingekeilt zu sein. Ueber den Mergeln liegen überall transgredirend die ceretacischen Conglomerate und Sandsteine. Die Neocomfauna aus unserem Gebiete ist eine der reichsten Faunen Europas und steht hinter der von Südfrankreich nicht viel zurück. Wenn auch die Formen zahlreich und verschieden sind, lässt ihr Erhaltungszustand sehr zu wünschen übrig. Die meisten sind nur fragmentarisch und alle als Steinkerne erhalten. Obwohl die Scheidewandlinie bei den Ammoniten oft sichtbar ist, lässt sie sich doch nur selten verfolgen. Wie man aus den weiter angeführten Versteinerungslisten beur- theilen kann, ist die Neocomfauna aus dem Quellgebiete der Dimbo- vieioara, nach dem mediterranen Typus entwickelt und zeichnet sich überhaupt durch die reiche Vertretung der Phylloceras, Lytoceras, Desmoceras und der evoluten Ammonitiden aus, iin Gegensatze zu der nordischen Provinz, deren Fauna fast nur aus Hopliten, Holco stephanus, Amaltheen und Perisphineten sich zusammengesetzt zeigt. Man nahm früher an, dass die faunistischen Eigenthümlichkeiten dieser beiden Provinzen während der untereretaecischen Zeit sehr verschieden waren. Nachdem aber die reiche Fauna des südöstlichen Frankreichs einer näheren Beobachtung unterzogen wurde, ergab sich, dass die gemeinsamen Formen viel zahlreicher sind und einen weiten Zu- sammenhang beider Meere vermuthen lassen. In dem Valangien aus der Umgebung von Sisteron ') ist die Gruppe des Hoplites regalis Pavloı, “welche für Hils und das englische Neocom bezeichnend ist, durch eine Menge Arten vertreten. Im Hauterivien nimmt die Zahl der gemeinsamen Formen nur sehr wenig ab. Hoplites radiatus, Leopoldi, longinodus, Astieria Atherstoni (Sisteron), dann Bel. jaculum, Hoplites regalis, Frantzi Kil. (= Ottmeri N. und U.), Orioceras Seeley ?) sind Versteinerungen, die auch in dem nördlichen Neocom vorkommen. Mit dem Barr&ömien erscheinen diese Verhältnisse verändert. Die Ver- schiedenheit der Meeresbewohner ist auffallend, doch finden sich Formen, die in den Ablagerungen beider Provinzen auftreten. Urioceras barremense Kil., von Uhlig aus Gardenazza als Crioceras n. sp. «af. Roemeri beschrieben, steht dem Crioceras Roemeri ungemein nahe beide wurden in Frankreich, der letzte auch in Spanien aufgesam- melt. Andererseits kennt man in dem germanischen Neocom Ver- steinerungen, die in der mediterranen Provinz zu Hause sind. Ausser 1) W. Kilian. Note stratigraphique sur les environs de Sisteron. Bul. soc, geol. de France 1895, Bd. XXIII, pag. 726. ?), W. Kilian et Leenhardt. Sur ie neocomien des environs de Moustiers Ste. Marie «Basses Alpes). Ibid. 1895, Bd. XXIII, pag. 975. 39 Jon Simioneseu. [24] Nautilus plicatus, weleher schon von Uhlig!) erwähnt ist, wurde auch das Auftreten des Belemnites Grasi bei Timmern und des Ürioceras Emmerici bei Hildesheim und Scheerenbortel von Müller?) nach- gewiesen. Wir werden es jetzt versuchen, die nähere Eintheilung des Neocoms in unserem Gebiete zu verfolgen. Das Valangien (Zone des Hoplites pexiptychus und neocomi- ensis, Kilian). Das Vorhandensein dieser Zone erscheint sehr zweifel- haft. In dem mir vorliegenden Materiale befindet sich keine Form, die dieser Stufe eigen wäre. Uhlig?) erwähnt unter den von Her- bich gesammelten Fossilien Phytloceras semisulcatum und Hoplites cf. pexiptychus, aber der mangelhafte Erhaltungszustand verhinderte eine vollkommen sichere Bestimmung. Wie sich aus der Aufeinander- folge der Schichten ergibt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die mer- seligsen Kalke, die zwischen dem Tithon und den mittelneocomischen Mergeln liegen, das versteinerungsleere Valangien repräsentiren. Das Hauterivien (Zone der Duvalia dilatata und des Orio- ceras Duvali, Kilian) ist durch einige wohlerhaltene Versteinerungen sicher nachgewiesen. In den schiefrigen Mergeln des Dealu Sassului wurden folgende Formen aufgesammelt: Nautilus pseudoelegans d’Orb. Divalia dilatata Blainv. Belemnites jaculum Phillips Phylloceras infundibulum d’Orb. s Tethys Orb. Haploceras Grasi d’Orb. Orioceras Duvali Lev. : cf. Moutoni Astier Desmoceras cf. diffieile d’Orb. Hoplites romanus Herbich 2 cf. regalis Dean. Holcodiscus incertus d’Orb. Wenn von solehen Arten (A. infundibulum, Tethys, difieile) ab- gesehen wird, die auch in die oberen Stufen hinaufgehen, so bleiben immer einige Formen übrig (Dur. dilatata, Am. Grasi, incertus, Crio- ceras Duvali), welche nur in dem Mittelneocom heimisch sind. Wenn wir einen Blick auf das Vorkommen dieser unteren Stufe des Neocom in den Karpathen werfen wollen, so erscheint es ') Wernsdorfer Schichten, pag. 37, siehe auch Weerth: Die Fauna des Neocomsandsteins im Teutoburger Walde, Pal. Abhdl. Bd. II, Berlin 1834—1885, pag. 7. °) Briefliche Mittheilungen in Zeitschrift d. deutsch. geol. Gesellsch. 1894, Bd. XLVI, pag. 491, und Beitrag zur Kenntniss der unteren Kreide im Herzog- thum Braunschweig. Jahrbuch der geol. preuss. Landesanstalt 1896, Bd. XVI, pag. 100, 105. °) Ueber F. Herbieh’s Neocomfauna aus dem Quellgebiete der Dimbo vicioara in Rumänien. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. XLI, 1891, pag. 220. [25] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 33 als auffallend, dieselben Verhältnisse wie in unserem Gebiete wieder- zufinden. Nirgends würden die Valangienformen mit Sicherheit nach- gewiesen, während die Fossilien des mittleren Neocom eine grosse Verbreitung besitzen. Es wurden bisher nur von sehr wenigen Locali- täten zweifelhafte Versteinerungen des unteren Neocom bekannt. Ausser von Schlesien erwähnt Uhlig in der Gegend von Rogoznik Hoplites cf. pexiptychus, die Formen, welche von Prakolwce bei Przemysl stammen, und die nach der Bestimmung Niedäwiedzki’s dem Valangien zugeschrieben werden konnten (Hopl. cf. neocomiensis, Lyt. cf. Jullieti), gehören nach Uhlig') der oberen Kreide an. Als ebenso zweifelhaft ist die Anführung von Formen anzusehen, welche aus einem Kalksteine mit Monopleuren und Korallen von Podeni (Rumänien, Jud. Prahowa) aufgesammelt wurden ?). Ganz anders verhalten sich die mittelneocomischen Versteine- rungen; sie sind aus allen Regionen der Karpathen sicher nachge- wiesen. Im Norden erstrecken sich die Grodischter Sandsteine, welche unter den Wernsdorfer Schichten in Schlesien vorkommen, gegen Osten bis in die Gegend von Wieliezka. Belemnites dilatatus, bipartitus Apt. Didayi, wurden in dieser Region aufgefunden ?). In der piennini- schen Klippenregion gehören Fundorte von Versteinerungen in den neocomen Hornsteinkalken nicht zu den Seltenheiten. Von Maruszyna- Kurzöwka liest eine ganze Reihe von Fossilien vor, die von Neu- mayr#*) bestimmt worden sind. Unter anderen findet man erwähnt: Bel. dilatatus, bipartitus, Am. Grasi, incertus, also Formen, die auf Hauterivien hinweisen. In dem Arvaer- und Tatragebiete ist das Vorhandensein dieses Horizontes als sicher anzunehmen. Von der letzteren Localität wurden erwähnt): A. Grasi, Astieri, incertus, Crioceras Duvali. In den Ostkarpathen sind nur wenige Fundorte angegeben, woher Neocomversteinerungen stammen. Aptychus Didayi wurde von manchen Punkten der Bukowina, A. Grasi, Bel. dilatatus aus dem östlichen Siebenbürgen (Herbich’s Szeklerland, pag. 204) erwähnt. Weiter aus dem Süden kennt man schon seit langer Zeit die von Meschendörfer‘) aufgefundenen und von Hauer und Stache beschriebenen Neocomschichten aus der Umgegend von Kronstadt (Rittersteige am Westabhange des Kapellenberges und Valea Dracului, südlieh von Kronstadt), die als die nördliche Ver- längerung unserer Ablagerungen zu betrachten sind. Es wurden von dort bel. dilatatus, A. Grasi, intermedius bestimmt. Gegen Westen, !) Bemerkungen zur Gliederung karpathischer Bildungen. Jahrb. d. k. k. geol. R-A., Bd. XLIV, 1894, pag. 215. ?) „Delemnites aus der Gruppe B. latus, Phylloceras, Hopl. ef. pexiptychus“ in Sabba Stefanescu: Oaleaire de Podeni, Vallde de la Lopanda, distriet de Prahowa (Roumanie). Bul. soc. g6ol. de France, Vol. XXV, 1897, pag. 309. >) V. Uhlig. Die Sandsteinzone zwischen dem penninischen Klippenruge und dem Nordrande. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Bd. XXXVIII, 1888, pag. 210. *#) Jurastudien, III. Folge. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Bd. XXI, pag. 456. >) V, Uhlig. Die Geologie des Tatragebirges. I. Theil. Denkschriften der math.-naturw. Classe der kais. Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. LXIV, 1897, pag. 673. %) Das Neocomienvorkommen bei Kronstadt. Mitth. d. siebenbürg. Vereines für Naturwiss. Jahrg. X, 1859, pag. 236 und Hauer und Stache, Siebenbürgen, pag. 157. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 1. Heft. (Jon Simionescn.) 5 34 Jon Simioneseu. [26] in dem Banater Gebirge bei Swinitza, nimmt Schafarzik!) die unter der Zone des Maeroscaphites Yvani liegenden Kalksteine mit A. Astieri als Hauterivien an. Barr&ämien (Zone des Desmoceras difieile und Macroscaphites Yvani, Kilian). Zu diesem Horizonte gehören die oberen Mergel- schichten, welche eine grosse Mächtigkeit besitzen und in Valea Muerei, Valea Cheii, Dealu Sassului und im oberen Laufe der Dim- bovicioara aufgeschlossen sind. Von den fast 100 Arten, die ich aus dem ganzen Neocom aufsammelte, sind die meisten (90) dieser Zone zuzuschreiben. Das Barr&me unserer Localität hat bis jetzt folgende Formen geliefert ?): Fischzähne. Nautilus neocomiensis d’Orb. 5 bifurcatus Oost. ; plicatus Fitr. Belemnites (Hibolites) jaculum Phillips h n cf. pistilliformis Blainv. % r minaret Rasp. ” » sp. Belemnites beskidensis un Pirylloceras infundibulum d’Orb. x Tethys d’Orb. Ernesti Uhl. Lytoceras Phestus Math. R anisoptychum Uhl. 5 subfimbriatum d’Orb. h densifimbriatum Ull. x crebrisuleatum Uhl. Mwuierense Sim. Costidiseus reeticostatus (?) d’Orb. b Rakusi d’Orb. cf. nodosostriatus Uhl. Kösmaiiee Haweri UNl. 5 cf. acuarius UNl. R cf. subeinetus Uhl. e sp. ind. sp. Ptychocer as Poni Sim. " inornatum Sim. 1) Die geologischen Verhältnisse der Umgebungen von Eibenthal-Ujbänya, Tiszovieza und Svinyieza. Jahresber. d. k. ung. veol. Anst. 1892, pag. 135. ?) Die im Vorjahre angegebene Liste (die Barr6mefauna in dem Quell- gebiete der Dimbovicioara, Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1897, pag. 131) ist durch die in diesem Sommer aufgesammelten Fossilien um Vieles angewachsen. Die wenigen neuen Arten werden in einer palaeontologischen Arbeit beschrieben, welche schon der rumänischen Akademie der Wissenschaften eingereicht wurde. Hier wäre die gesignete Stelle, Herrn Prof. Dr. J. Szadetzky in Klausenburg meinen besten Dank auszusprechen für die Bereitwilligkeit, mit welcher er mir die Herbich’sche Sammlnng zur Verfügung stellte. [27] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 35 Amaltheus (?) af. clypeiformis d’Orb. Desmoceras difficile d’Orb. R hemiptychum Kil, 2 cassidoides Uhl. Mr pstlotatum Uhl, . Waageni Sim. r Karakaschi Sim. 3 aff. Boutini Math. sp. ind. Puzosia Melchioris Tietze }) » Liptoviensis Zeuschner. Oleoniceras cf. strettostoma Uhl. 5 Suessi Sim. Silesites Seranonis d’Orb. 5 Vulpes Cogq. Holcodiseus Gastaldii d’Orb. { Van-den-Heckei d’Orb. cf. Seunesi Kil. diverse-costatus Cogq. Pach ydiscus Neumayri Haug. Hoplites Treffryanus Karst. n Borowae UNl. Pulchellia compressissima d’Orb. h pulchella d’Orb. E provincialis d’Orb. (Lindigi Karst). N ln Herm. sp. af. pulchella d’Orb. PER as Albrechti- Austriae Uhl. Crioceras Emmerici Lev., A cf. Mojsisoviesi Haug. f Uhligi Sim. N Kiliani Sim. dissimile d’Orb. trinodosum d’Orb. Furcatum d’Orb. Leptoceras Beyrichi Karst. & Studeri oost. 2 cf. eirtae Sayn. 4 sp. Helicoceras sp. Heteroceras Leenhardti Kil. cf. Tardieni Kil. Giranudi Kil. cf. Astieri d’Orb. n. sp. ind. (Se sp. ') Für die Einreihung dieser beiden Formen zu der Gattung Pırzosia, siehe: Quelques consid@erations sur les genres Hoplites, Puzosia, Sonneratia, Desmoceras. Bul. soc. geol. France 1897, Vol. XXV, pag. 793. Sarasin, 5* 36 Jon Simionescu. [28] Pleurotomaria Dupiniana d’Orb. Aporrhais obtusa Pictet. h cf. Dupiniana d’Orb. Pecten Coltaldinus d’Orb. Hinnites rumanus Sim. Arca Haugi Sim. Pholadomya barremensis Math. Neaera interstriata Sim. Iehynechonella lineolata Phillips. 4 cf. multiformis Roemer. Terebratula sella So. Waldheimia Rucarensis Sim. Serpula parvula Münst. Die Barr&mefauna aus dem Quellgebiete der Dimbovicioara be- sitzt eine grosse Aehnlichkeit mit derjenigen von Schlesien, aber auch mit derjenigen der Ostalpen und Südfrankreich, und zwar ent- hält sie neben Formen, die alle diesen Localitäten gemeinsam sind, auch solche (Jleteroceras-Arten), die in dem schlesischen Neocom nicht mit Sicherheit vertreten sind. Die meisten der oben angeführten Formen sind für das Barr&mien sehr bezeichnend (Bel. beskidensis, Nautilus plicatus, Am. difficilis, cassidoides, Didayi, Seranonis, vulpes, Crioceras Emerici, dissimile, Heteroceras Leenhardti). Dazwischen gibt es auch viele Arten, die schon in den älteren Stufen zu erscheinen beginnen (Bel. jaculum, Nautilus neocomiensis, pseudo - elegans, Am. infundibulus, Tethys, sub- fimbriatus, Neumayri!). Andere Formen (Am. Albrechti - Austriae, Treffryanıs, strettostoma, Melchioris) dagegen gehören dem Aptien an, was Kilian Anlass gegeben hat, zu vermuthen, dass bei Werns- dorf wahrscheinlich diese Formen, welche von Uhlig mit denjenigen des Barr&miens beschrieben worden sind, auf einen eigenen Horizont beschränkt sind. An unserer Localität treten diese Versteinerungen in den obersten Lagen des Valea Muerei auf, und zwar in Schichten, die sich nieht von den anderen unterscheiden und in welchen auch Barr&meformen aufgefunden wurden. Man kann hier an dieselben Verhältnisse erinnern, die bei Swinitza herrschen, wo in einer dünnen Lage von Mergel zahlreiche, in Brauneisenstein verwandelte Am- moniten aufgesammelt wurden. Unter diesen Ammoniten fanden sich neben solchen, die für Barr&ömien bezeichnend sind, auch Formen (Am. striatisuleatus, Annibal), die im Aptien auftreten. Auffallend für unsere Fauna — wie schon Uhlig?) bemerkte — ist das Fehlen von Macroscaphites Yvani, einer der typischen Formen dieses Horizontes. Dasselbe gilt für Costidiseus reeticostatus, dessen Auftreten als zweifelhaft angegeben wurde; es liegt nämlich nur ein Bruchstück vor, welches allerdings die für diese Art be- zeichnende Ornamentation hat. !) Diese Art, welche Haug aus dem Barr&mien von Gardennaza beschrieb, wurde auch im Hauterivien Südfrankreichs aufgefunden. Siehe Kilian und Leenbardt, Moustiers ete., I. e. pag. 976. ”) Ueber Herbich’s Neocomfauna ete., 1. ce. pag. 2. [29] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 37 Die faunistische Aehnlichkeit mit den Wernsdorfer Schichten wird noch grösser durch das Vorhandensein von Formen, die aus Columbien (Karsten, Gerhardt) bekannt geworden sind (Am. compressissimus, Lindigi, Treffryanus, Leptoceras Beyrichi). Als inter- essant erscheint das Auftreten der Pulchellia Sauvageami und Hol- codiscus diverse-costatus, die in Westeuropa heimisch sind. In den Karpathen kennt man das Barr&mien von verschiedenen Localitäten. Der Fossilienreichthum der schlesischen Schichten ist durch Uhlig’s!) Arbeit, in welcher auch die Verbreitung dieser Stufe in den Karpathen meisterhaft behandelt wurde, berühmt ge- worden. Um die Wiederholung zu vermeiden, werde ich nur die- jenigen Daten vorbringen, die nach dem Erscheinen des classischen Werkes von Uhlig angedeutet worden sind. In Osten Schlesiens sind hie und da barr&mische Formen auf- funden worden. Aus der Sandsteinzone, zwischen Rybic und Rzegocina, führt man?) Nautilus plicatus an; bei Kalvarya hat Hohenegger Am. recticostatus und Hopkinsi aufgefunden, während Tietze?) aus der Umgebung von Krakau, bei Gaj, Silesites Seranonis erwähnt; aus der Gegend von Wieliezka hat Szajnocha®) Macroscaphites Yvani und Hamulina Uhligi beschrieben. Aus der Klippenregion (bei Maruszyna) werden angegeben): Pictetia inermis, Crioceras Villersense, Ptychoceras Morloti und Am. cf. pstlotalum. Wenn bisher aus den Ostkarpathen keine Barr&ömefauna angeführt wurde, so ist das mehr den tektonischen Verhältnissen zuzuschreiben. In den Südkarpathen wurde ausser in unserem noch in dem Kronstädter Gebiete das Barräme mit Cr. Emeriei aufgefunden, während weiter gegen West schon seit langer Zeit die Fauna von Swinitza von Tietze beschrieben ist. Das Vorkommen von Barr&meformen ist auch südlich von Swi- nitza nachgewiesen, wo Zujovic®) in einem mergeligen Kalkstein Silesites Seranonis, Lytoceras Phestus gefunden hat. Weiter im öst- lichen Balkan, wie sich aus den Beobachtungen Toula’s”?) ergibt, tritt die Barr&emestufe wieder mit zahlreichen gut bestimmbaren Versteinerungen (A. difieilis, Percevali, Urioceras dissimile, Suesst, Heteroceras) auf. Die mittlere und obere Kreide. Die Ablagerungen, welche diesen Abtheilungen angehören, haben eine selbstständige Ver- breitung und liegen transgredirend auf den älteren Schichtengruppen ; bald füllen sie die Einsenkungen von Rucär und Podul Dimbovitzei, !) Die Cephalopodenfauna der Wernsdorfer Schichten. Denkschrift der kais. Akad. der Wissensch. Wien 1883, Bd. XLVI. 2) V. Uhlig. Sandsteinzone ete., 1. c. pag. 212. 3) Die Gegend von Krakau. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1887, Bd. XXXVII, pag. 691. #) Przyezynek do znajomosci fauny cephalopodow etc, in Verhandl. der Krakauer Akademie 1884, Bd. XI. 5) V. Uhlig. Der penninische Klippenzug. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1890, Bd. XI, pag. 771. °) Note sur la eröte de Greben in Annales geol. de Ja Peninsule Balcanique. Tom. III. Belgrad, 1891, pag. 56. ') Geologische Untersuchungen im östlichen Balkan. Denkschriften d. math.- naturw. Classe d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Bd. LVII, 1890, pag. 393. 38 Jon Simioneseu. [30] bald erscheinen sie zwischen Kalkfelsen eingeklemmt, bald decken sie die Kalkgebirge oder lehnen sich an deren Abhänge an. Der allgemeine petrographische Charakter weist auf eine litorale jildung und bietet eine sehr grosse Mannigfaltigkeit, in Verbindung mit der Verschiedenheit älterer Ufer und mit den damals herrschenden physikalischen Verhältnissen des Meeres. Die Gesteine, welche vor- kommen, sind überhaupt Conglomerate, Sandsteine und sandige Mergel. Die Con slomerate treten in mehreren Varietäten auf, von denen die verbreitetsten folgende sind: a) Die Varietät, welche man als polygene bezeichnet, besteht aus grossen, wenig abgerundeten Blöcken von verschiedenen Urgebirgs- arten und Quarzen, die mit einem in Salzsäure wenig aufbrausenden, quarzitischen Bindemittel verfestigt sind. Der Kalkstein fehlt nicht, ist aber verhältnissmässig in viel geringerer Quantität als die anderen Bestandtheile des Conglomerates vorhanden. Die weitaus leichter lösbaren Kalkbrocken dienten dazu, die Quarzkörner des Bindemittels miteinander zu verkitten, oder nachträglich die Kluftwände in Form von Kalkspathkrystallen zu bedecken (Valea lui Ecle). b) Die Varietät des Conglomerates, welche eine grössere Ver- breitung besitzt, besteht aus kleinen, ganz abgerundeten Stücken von Urgebirgsgesteinen, Quarzen und Kalksteinen, welche mit einem kieseligen Bindemittel verbunden sind. In Folge der Verwitterung lösen sich die kleinen Partien los und liegen zerstreut auf der Ober- fläche des Gesteins, oder, wenn die Felsen stark geböscht sind, häufen sich die gelösten Bestandtheile am Fusse desselben zu grossen Schutthaufen an. c) Die dritte Varietät des Conglomerates, die in unserem Ge- biete vorkommt, ist nur auf Grindu am östlichen Abhange des König- steins beschränkt, und besitzt eine viel grössere Aehnlichkeit mit den Bucegiconglomeraten als mit den oben angeführten Gesteinsarten. Sie bestehen aus Geröllen von verschiedener Grösse und Art. Die meisten sind kalkig, mitunter aber auch schiefrig und kieselig. Sie sind durch ein festes, kalkiges Zwischenmittel cementirt. Uebergänge von diesem Conglomerat zu demjenigen von Rucär konnten nicht be- obachtet werden. Die Sandsteine treten so verschiedenartig auf, dass von einer Gruppirung derselben sehr schwer die Rede sein kann. Von echten, feinkörnigen Conglomeraten bis zu losen Sanden kann man alle Uebergänge wahrnehmen. Sie bestehen fast nur aus Glimmer- schüppchen und kleinen Quarzkörnern. Das kalkige Element tritt zurück und dient mehr als Bindemittel oder kommt in dünnen Adern vor. Die Farbe dieser Gesteine ist abhängig von den massgebenden Elementen. Im frischen Zustand sind sie entweder weisslich (Podul Cheii), geiblichbraun oder bläulichgrau (Pravätz). Auf der verwitterten Oberfläche erscheinen sie meistens rostbraun. Wo sie grobkörnig und mehr quarzitisch sind (Valea lui Eele), werden sie als Pflaster- oder Mühlsteine verwendet. Erwähnenswerth sind die vielen Braun- eisenstein-Concretionen, die hie und da (Rucär, Podul Cheii) vor- kommen; überhaupt sind sie sehr reich an Eisenoxyden, so dass nicht selten dünne Sandsteinschichten ganz rothbraun gefärbt er- [31] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 39 scheinen. Auffallend ist das Auftreten einer fettigen, grünen Substanz, die als dünne, kurze Fäden in den Sandsteinen eingebettet ist. Sandige, glimmerreiche Mergel sind sehr stark ent- wickelt nördlich von Rucär (Brädätzelul). Die verticale Aufeinanderfolge dieser verschiedenen Gesteine kann nur in der Einsenkung von Rucär völlig beobachtet werden. Die Basis ist von den polygenen Conglomeraten oder von denjenigen der Varietät 5b) gebildet. Darauf liegen die grobkörnieen Sandsteine in engem Zusammenhange. Man kann in dem Valea Preotului gut beobachten, wie die feinkörnigen Conglomerate in die Sandsteine in horizontaler Richtung übergehen, und zwar in Form auskeilender Lager. Ueber diesen Complex folgt eine Wechsellagerung von dichten und lockeren Sandsteinen mit Brauneisenstein-Concretionen und der oben genannten fettigen Substanz. Dünne mergelige Schichten be- gleiten (Podul Cheii) die festen Sandsteinbänke. Die glimmerreichen Mergel von Brädätzelul bilden den höchsten Theil. Wie schon gesagt wurde, ist die vollständige Schichtenfolge nur in der Umgebung von Rucär und auf Pravätz zu verfolgen. Im Podul Dimbovitzei wurden die oberen Mergel vom Wasser weggetragen, während in anderen Gegenden nur die Conglomerate und die unteren Sandsteine übrig geblieben sind. Die Verbreitung dieser Ablagerungen ist gross, obwohl sie in manchen Orten nur als eine dünne Decke auf den Kalkspitzen erscheinen ; die grösste Mächtigkeit besitzen sie in der Nähe von Rucär, indem sie die Berge bilden, welche sich an das öst- liche Ende der Fogarascher Alpen anlehnen und die ganze Einsenkung ausfüllen. Von Rucär über Possada gelangen sie nach Podul Dim- bovitzei, wo sie über dem Kalk lagern und den schroffen Wänden des Einsturzbeckens eine sanftere Neigung verleihen. Durch Podul Cheii verbreiten sie sich in Valea Cheii, wo sie theils auf dem Neocom, theils auf dem Kalk liegen. Sie erscheinen gegen Westen bei Näsipurile, indem sie von Valea Säghischtei bis an Isvorul sich ausdehnen, von wo sie auf das Dimbovicioara-Kalkplateau gelangen ; andererseits kann man sie längs des Baches Isvorul und Padina Sirnei aufwärts verfolgen. Auf Berile, der südlichen Verlängerung des König- steins, wurden Spuren bemerkt. Die Conglomerate von Grindu bilden eine isolirte Insel, welche bei der Vereinigung der Dimbovicioara mit Brusturetul verschwindet. (Siehe die umstehende Fig. 2.) Unterhalb Rucär erreichen dieselben Ablagerungen eine grosse Verbreitung. Wenn man den verlassenen Pfadweg, welcher von Dra- soslavele bei Nämäesti hinüberführt, hinaufsteigt, so trifft man in dem Einrisse des Baches Pravätz und seiner Zuflüsse dieselben Schichtenserien wie in Rucär, nur weniger entwickelt. Ueber den krystallinischen Schiefern liegen polygene Conglomerate, auf welchen bläulichgraue, glimmerreiche Sandsteine und sandige Mergel folgen. Wenn man den nördlichen Abhang des Pravätz in das Areischelthal hinabsteigt, trifft man wieder mächtige Conglomeratmassen, die bei Nämäesti eine so grosse Mächtigkeit besitzen, dass es möglich war, in ihnen eine Kirche zu bauen. Weiter gegen Süden, bei Bädeni neben Stoenesci, auf dem linken Ufer der Dimbovitza, fangen wieder die poiygenen Conglomerate in grosser Entwicklung an. 40 Jon Simionesen. [32] Die Wichtigkeit dieser Ablagerungen in unserem Gebiete besteht in den wohlerhaltenen Versteinerungen, die sie lieferten und welche eine sichere Altersbestimmung ermöglichen, im Gegensatz zu denselben DERIU Sassu Ta Kartenskizze der Umgebung von Rucar und Podul Dimbovitzei. Maassstab 1:75.000. Erklärung: Die horizontalschraffirten Flächen bedeuten krystallinische Schiefer, die horizontal- und dichtschraffirten tithonischen Klippenkalk, die punktirten cretaeische Klippen- decke, die diagonalschraffirten Neocommergel. Die schwarze Fläche zeigt das Vor- kommen des Malmes, die weisse das Thalalluvium. Die Kreuzchen bedeuten die verschiedenen Versteinerungsfundorte. fossilleeren Schichten aus den anderen Regionen der Karpathen. Ein Jahr vor mir gelang es Prof. Toula,. bei dem Besuche der in Rede stehenden Gegend in den Sandsteinbänken von Podul Cheii [33] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 41 Organismenresten zu entdecken, deren kurze Erwähnung er in seinem Reiseberichte gab"). Den zweiten Fundort verdanke ich meinem treuen und eifrigen Führer Die Grancea, welcher in der Nähe seiner Wohnung Ver- steinerungen aus den Conglomeraten von Valea lu Ecle aufgefunden hat. Die interessantesten sind die Ammoniten, welche ich aus Podul Cheii aufsammelte. Sie erscheinen als Steinkerne mit wohlerhaltener Ornamentation und Spuren der Scheidewandlinie. Sie bilden manchmal den Kern einiger abgerundeter Sandsteinstücke, welche zerstreut am Rande der Strasse liegen, so dass die Versteinerungen nur mit einem Hammerschlag entdeckt werden können. Eine kurze palaeontologische Beschreibung dieser wohlbekannten Formen gab ich vor kurzer Zeit?), so dass hier nur ihre Erwähnung stattfinden wird. Die aufgesammelten Formen sind: Nautilus sp., 1 Stück. Lytoceras (Gaudriceras) Sacya Forbes, 4 Stück. Puzosia planulata Sow, sehr zahlreich. ; cf. Austeni Sharpe, 1 Stück. Schloenbachia inflata Sow., 2 Stück. Hamites armatus Sow., 4 Stück. h (Anisoceras) sp., 1 Stück. Baeculites Gaudini Pictet, 10 Stück. Scaphites Meriani Pictet, 2 Stück. Von besonderem Interesse erscheint die Auffindung des Gaudry- ceras Sacya, einer Art, die bisher noch nicht in Europa nachgewiesen wurde. Sie war bis jetzt nur aus dem pacificischen Genoman erwähnt und für dasselbe sehr bezeichnend; man kannte sie aus Indien (Odium), Yesso, Sachalin, Queen Charlotte Islands, California ?), und zwar im ersteren Gebiete aus der unteren Utaturgroup (Zone der Schloenbachia inflata). Aus Europa sind allerdings von verschiedenen Gebietefi Formen bekannt geworden, welche nach Kossmat zu der Gruppe des Lytoceras Sacya gehören; so beschrieb Sharpe') aus dem Grey Chalk von Ventnor den ZLyf. leptonema,; ferner erwähnt Uhlig?) aus den Inoceramenmergel von Glodu (Rumänien) eine Form, die auch dieser Serie angehört. Ausserdem hat Grossouvre‘) 1!) Neues Jahrb. 1. c., pag. 159: „.... gelang es mir, eine grössere Anzahl von zum Theil wohlerhaltenen Fossilien zu sammeln, vor Allem Ammoniten (aber auch einen Nautilus von ganz ansehnlicher Grösse).... „An einer zweiten Stelle, am Steilhange der Strasse, fanden sich neben Ammoniten auch Scaphiten (?), Baeuliten und Belemniten“. ?) Ueber eine Untercenomanfauna aus den Karpathen Rumäniens. Vernandl. d.k. k. geol. R.-A. 1897, pag. 269. ®) Siehe Fr. Kossmat. Untersuchungen über die südindische Kreidefor- mation. I. Theil: Beiträge zur Pal. und Geol. Oesterreich-Ungarns. Wien 1895. Bd. IX, pag. 119. #) Mollusca of the Ohalk. Palaeontographical Society of London 1853. °) Bemerkungen zur Gliederung ete., ]. ce. pag. 219. °) Ammonites de la eraie superieure de France. Paris 1833, pag. 225 ff. Jahrb. d. k. k. geol. Rteiclısanstalt, 1893, 48. Band, 1. Heft. (Jon Simionescu.) 6 42 Jon Simioneseu. [34] eine Anzahl hierher gehöriger Arten aus der oberen Kreide von Frankreich beschrieben und abgebildet. Wie man aus der oben angeführten Liste ersehen kann, ent- hält die Fauna von Podul Cheii solche Versteinerungen, die für das Vraconnien Renevier’s!) bezeichnend sind. Diese Zone wird von den meisten Geologen als oberes Gault angesehen, eine An- nahme, die in verschiedensten Gebieten durch stratigraphische Er- gebnisse bestätigt wird. Fastüberall, wo man dieselbe Fauna gefunden hat, zeigt sie einen viel engeren Zusammenhang mit den älteren unter- eretacischen Formen, als mit dem Cenoman s. str. (Zone des Am. thotomagensis). Schloenbachia inflata, welche diesem Horizonte den Namen gegeben hat, wurde mehr in Gesellschaft gaultischer als cenomaner Arten gefunden. Sie wird begleitet von A. auritus in den Flammenmergel Deutschlands; in Folkestone befindet sie sich neben A. lautus, varicosus, die eigentliche Formen des Gault sind. Kilian?) erwähnt A. inflatus und inflatiformis (Arten, die in dem oberen Gault von Angola?) mit A. mammillaris vorkommen) an der Basis des Gault, unter den „gres sus-aptiens“, in Gesellschaft von A. Mayori, Dutemplei; die Fauna von Clansayes®) (A. varicosus, inflatus, Mayori, dispar) ist als eine „faune albienne caracterisee“ angenommen. In der neuesten Zeit wurde das Vraconnien mit einer der unserigen sehr ähnlichen Fauna von Karakasch?°) auf dem nördlichen Abhange des Kaukasus, in dem Thale von Kislowodsk gezeigt, und zwar in Schichten, die zwischen dem fossilreichen Aptien und der cenomanen, mergeligen Kalke mit A. Mantelli und Ikhotomagensis liegen. Aber auch ausserhalb Europas behält diese Fauna dieselben Eigenschaften bei. Aus den südindischen Kreide- ablagerungen, an der Basis der Otatoorgroup, ist eine Fauna bekannt, in welcher sich fast alle rumänischen Formen finden (A. inflatus, dispar, planulatus, Sacya, BDac. Gaudini, Ham. armatus). Es wurde von Kossmat°) betont, dass in dieser Zone alle bezeichnenden Formen des mittleren und höheren Öenoman noch völlig fehlen, während Formen, welche solchen aus dem Gault sehr nahe verwandt sind, vorkommen. Der Zusammenhang der Zone mit A. inflatus mit dem Gault ist auch in den nordischen Provinzen so eng, dass J. Browne und Hill auf Grund ihrer vergleichenden Studien in Nord-Frankreich und Süd-England den Vorschlag machen, unterhalb des Cenoman in ; !) Monographie des hautes-Alpes vaudoises. Mat. p. la carte geol. de la Suisse 1890. Vol. VII, pag. 337. ?) Note sur le gault de la Montagne de Lure (Basses-Alpes) et le Schloen- bachia inflatiformis Szajnocha. Bul. soc. geol. Fr. 1837, Bd. XV, pag. 464. °) Choffat et Loriol. Materiaux p. l/’&ude strat. et pal de la province d’Angola. Mm. de la soc. de physique et d’hist. nat. de Geneve, p. 1888, T.XXX, p. 50. ‘) Kilian et Leenhardt. Notes sur les sables de la vallde d’Apt. Bul. de la Charte g6ol. de France 1890 - 91, Vol. IT, pag. 14. °) Depöts eretaees du versant septentrional de la chaine prineipale du Oaucase et leur Faune. St. Petersburg 1897, pag. 201 (russisch mit franz. Resume). °) Untersuehungen über die südindische Kreideformation. III. Theil. Bei- träge zur Pal. und Geol. Oesterreich-Ungarns 1897, Bd. XI, pag. 130. [35] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 45 engerem Sinne (mit A. Bhotomagensis und Mantelli) eine besondere „Gault and Greensandgroup“ auszuscheiden )). Der andere Fundort aus den Conglomeraten von Valea lui Eele bei Rucär lieferte mir nur indifferente Formen, welche grössten- theils aus hochspiraligen Gastropoden, Brachiopoden, einzelnen Echinidenstacheln und Bivalven bestehen. Der Erhaltungszustand ist kein besonders guter. Sie sind mit dem Bindemittel durch Kalk so fest verbunden, dass es nur selten gelingt, sie ganz aus dem Gestein zu befreien. Es wurden gefunden: Ostrea sp. Pecten Raulini d’Orb., 4 Stück. Euchrysalis Laubeana Geinitz (Elbthalgebirge, Palaeontogr. Bd. XX, pag. 242, Taf. 55, Fig. 1). Unsere Formen sind von etwas grösseren Dimensionen; sie unterscheiden sich von E. amphora Orb. da- durch, dass der Gewindewinkel spitzer ist. 12 Stück. Terebratula Dutemplei d’Orb. (Ter. eret., Bd. IV, Taf. 511, Fig. 6,7), 2 St. köhynchonella cf. depressa Sow.?), 10 Stück. Cidaris vesieulosa Gldf., 2 Stück. Ausserdem wurden einzelne Cidaris-Stachel und eine Ostrea in den Sandsteinen von Valea lui Andriesch aufgesammelt. Die angegebene Fauna gewinnt dadurch grosses Interesse, weil sie uns zeigt, dass die betreffenden Conglomerate von Rucär und ihre Aequivalente nicht tertiär, sondern sicher cretacisch sind. Für die nähere Altersbestimmung genügen die Fossilien kaum, weil sie solchen Typen angehören, die nicht auf einen Horizont be- schränkt sind. Terebratula Dutemplei, aus der so verbreiteten Gruppe der Biplicaten, ist aus der unteren wie auch oberen Kreide bekannt. Pecten Raulini, sehr schwer von den P. interstriatus, Dutemplei, Galliennei zu unterscheiden, findet sich in Vraconnien, wie auch in höheren Stufen. Kuchrysalis Laubeana wurde aus dem unteren Pläner Schlesiens beschrieben, während Cidaris vesiculosa aus dem schweizer Gault (Loriol, Ter. cret. de St. Croix, VI Serie), wie aus dem deutschen Cenoman bekannt ist. Während die palaeontologischen Ergebnisse uns nicht erlauben, weitere Schlüsse auf das Alter dieser Conglomerate zu ziehen, geben uns die stratigraphischen Verhältnisse wichtige Beweise dafür in die Hand. Es wurde gezeigt, dass die betreffenden Gesteine in der Um- !) A delimitation of the Cenomanien. Quart. Journal of the geol. Soc. of London 1896, Bd. LVI, pag. 171. 2) Wahrscheinlich gehören unsere Formen einer neuen Art an. »>ie stehen der Rh. depressa Sow. (in Noetling: Die Fauna der baltischen Cenoman- geschiebe in Palaeontol. Abhandl. 1885. Bd. II, Taf. XVI, Fig. 13— 17) ungemein nahe, von welcher sie sich aber durch den Mangel einer Depression auf der durch- bohrten Klappe unterscheiden, so dass die Stirncomissur geradlinig und etwas stumpfig ist. Von der Rh. Mantelliana unterscheidet sie sich durch die geringere Wölbung der ventralen Klappe und durch die geringere Anzahl von Rippen. 6* 44 Jon Simionescu. | [36] sebung von Rucar unter Sandsteinbänken mit Brauneisenstein- Coneretionen und der erwähnten fettigen Substanz liegen. Diese Sandsteine sind mit den fossilführenden gleichen Sandsteinen in petrographischer Hinsicht gleichzustellen. Von heteropischer Aequi- valenz zwischen den Rucärconglomeraten und den Ablagerungen von Podul Cheii kann nicht die Rede sein, weil es bei der kleinen Distanz der beiden Localitäten schwer zu erklären wäre. Wenn auch die fossilführenden Sandsteine nicht für Gault ge- halten werden können, sondern als die Vertreter des untersten Ceno- man, so müssen doch die darunterliegenden polygenen Conglomerate als Gault aufgefasst werden. Ueber das Alter dieser Ablagerungen, die weit und breit auf grossen Flächen in der Karpathenregion auf- treten, wurden verschiedene Meinungen ausgesprochen. Während Hauer und Stache sie als Eocän betrachteten, wurden sie von Meschen- dörfer, Bielz, Uhlig mehr aus stratigraphischen Gründen als obercretacisch angenommen. Neuerdings hat Popovici-Hatzeg eine Notiz veröffentlicht, in welcher er das cenomane Alter dieser Ablagerungen betont). In Siebenbürgen sind dieselben Conglomerate sehr verbreitet, und Koch >) hat sie in der letzteren Zeit auf Grund stratigraphischer Irgebnisse als Gault betrachtet. Das Profil von Urmos, welches Herbich?) seinerzeit gab, stimmt ziemlich gut mit den Verhält- nissen überein, die in unserem Gebiete wahrzunehmen sind. Ueber den neocomen Mergeln folgen die polygenen Conglomerate, welche in einen grobkörnigen Sandstein übergehen; darüber folgen sandige Mergel mit einer reichen Fauna (darunter A. Mantelli, Ham. armatus, Inoceramen). Auch am östlichen Abhange der Persanyergebirge er- scheinen also die Conglomerate älter als die Zone des A. Mantelli. Auf der neuen ungarischen geologischen Karte wurden dieselben Ablagerungen von der unteren und oberen Kreide verschieden gefärbt. ') In seiner Notiz: Sur l’äge des conglom@rats de Bucegi (Roumanie) Bull. soe. geol. de France 1897, T. XXV, p. 669, gibt Popovici-Hatzeg der Meinung Ausdruck, dass die Conglomerate von Bucegi gleichaltrig wären mit den uns be- schäftigenden Ablagerungen, und er gebraucht diesen Namen für alle Conglomerate, die westlich von Bucegi verbreitet sind. Es wäre dies eine sehr interessante That- sache, wenn er sichere Beweise vorgebracht hätte. Seine Meinung stützt sich aber nur auf eine Belemnitella, die er in den grauen Mergeln von Oomarnie (SE von Bucegi) aufsammelte und die er in die Nähe der B. mucronata stellte. Es scheint, dass es Popovici-Hatzeg nicht bekannt war, dass in derselben Localität Paul einen Ammoniten fand, welcher von Vacek als Ace. Mantelli bestimmt wurde (Die neueren Fortschritte der Karpathen-Sandsteingeologie. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1883, Bd. XXXIII, pag. 687), und dass noch früher in der Umgebung von Sinaia Robescu und Stefanescu Ace. mammilare (s. Pilide, Verhandl. der k. k. geol. R.-A. 1877, pag. 71) auffanden. Wenn wirklich die Mergel von Oomarnie und Sinaia den Conglomeraten von Bucegi auflagern (wie es Popovici er- wähnt), dann ergibt sich daraus, dass diese Ablagerungen etwas älter sind als die Zonen des Ac. Mantelli und mammilare. Das wäre für meine Schlussfolgerungen eine Stütze; aber die Verhältnisse zwischen den Conglomeraten von Bucegi und anderen Ablagerungen sind noch ebenso unbekannt, wie zu der Zeit, als Paul die erwähnte Arbeit publieirte. °) A. Koch. A. Brassöi Hegys6g földtani szerkezeteröl. Schriften der k. ung. Akad. d. Wissensch. XVII, 1887, pag. 8. °) Ueber Kreidebildungen der siebenbürgischen Ostkarpathen. Verhandl. 1356, pag. 368. "ch [37] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 45 Wenn das Gault in den Südkarpathen mehr auf stratigraphischem Wege anzunehmen ist, gibt es in den Nordkarpathen viele Localitäten, wo es sicher bestimmbare Versteinerungen lieferte. Aus dem Godula- sandstein, welcher manchmal in grosse Conglomeratbänke übergeht, kennt man seit langer Zeit: Del. minimus, Am. mammilatus, Dupinianus, Mayorianus. Am. Hugardianus, cristatus, Buchardianus wurden in dem Treneziner Comitate aufgesammelt. Aus der nördlichen Arva gibt Paul!) Am. tardefurcatus, mammillaris, Velledae an. In dem Revucä- tlıale erwähnt Stur?) A. splendens. Weiter noch, in dem Bakonyer- walde, beschrieb v. Hauer?) neben Formen die dem Vraconnien angehören (A. dispar, planulatus, inflatus, Dac. Gaudini, Ham. armatus), auch solche, die im Gault sieh finden. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass in manchen Orten der Nord- wieder Südkarpathen die grosse ceno- mane Transgression etwas früher angefangen hat), wie es auch in vielen anderen Localitäten der Fall ist. Die sandigen Mergel, welche bei Brädätzelul so stark ent- wickelt sind, lieferten mir keine näher bestimmbaren Versteinerun- gen. Am Fusse des Pleascha fand ich undeutliche Ammonitenspuren mit starken, runden Rippen, die an A. Mantelli erinnern. Ebenso salı ich auf Pravätz in gleichen Gesteinen Spuren von Ammoniten, Baculiten und Bivalven, die aber bei der Zerklüftung des Gesteines nicht erhalten sein konnten. Die Ammoniten deuten an, dass diese Mergel nicht dem Tertiär — wie es auf der geol. Karte der rumänischen Anstalt angenommen ist — sondern sicher der oberen Kreide zuzu- schreiben sind. Wahrscheinlich sind dies dieselben Ablagerungen, in welchen Popovici-Hatzeg?’) Sequoia Reichenbachi fand, eine Pflanze, die für das Cenoman bezeichnend ist. Tertiär (?). Da ich in den schiefrigen Mergeln, die auf beiden Seiten der Possada auftreten und welche petrographisch von den anderen Mergeln verschieden sind, keinen Rest von Organismen fand, halte ich nothgedrungen die Ansicht von Prof. Stefanescu®) auf- recht, welcher sie, ohne jeden Beweis, als Tertiär annimmt. Prof. Toula’”) verglich sie mit den sehr ähnlichen tertiären Mergeln von Bogatesti. !) Die nördliche Arva. Jahrb. der k. k. geol. R.-A., Bd. XVIJI, 1865, pag. 241. >) Bericht über die geol. Aufnahme im oberen Waag- und Granthale. Wien, 1868, pag. 337. ’) Ueber die Petrefaeten der Kreideformation des Bakonyerwaldes. Sitzungs- bericht d. math.-naturw. Olasse d. kais Akademie d. Wiss. Wien 1861. Bd. XVI, pag. 640. #) Siehe auch Uhlig, Pienninischer Klippenzug, 1. e. pag. 785. °») L’äge du conglomerats ete. ]. e., pag. 672. 1 °) Anuarul biuroului geologie. 1884, pag. 35. Delsc!,.pass 153. oe un nm mu 46 Jon Simioneseca. [38] Tektonischer Theil. Fassen wir kurz die stratigrapbischen und tektonischen Ver- hältnisse und ihre Beziehungen zu der Orographie unserer Localität zusammen. | Iı der Umgebung von Rucär sind diese Verhältnisse sehr ver- wickelt. Gegen NO ragt die längliche Kalkdecke von Possada bei 200 m über Rucär empor; sie bildet mit ihren schroffen, verticalen Wänden eine Art Horst, welcher als Rest jener Kalkmasse zu be- trachten ist, durch deren Herabsenkung in die Tiefe das Becken von Rucär und Podul Dimbovitzei gebildet wurde. Die Possada verbindet den Ghimbavu mit der Mägura, indem sie sich gegen Westen in die Pleascha fortsetzt, welche von den Fig. 3. Durchschnitt des Valea Preotului bei Rucar. 1. Klippenkalk. — 2. Kalkbreceien. — 3. Conglomerate. — 4. Sandsteine der Klippendecke. Kreideablagerungen, wie eine Insel aus dem Meere hervortritt. Der gegen Rucär abgesunkene Theil des Kalksteines erscheint in den tiefen Einrissen der kleinen Bäche als Vorsprünge, welche von den Kreideablagerungen umgeben und überdeckt sind (Fig. 5). Kalk- breecien begrenzen den äussereren Rand des Einsturzbeckens und lassen sich verfolgen von Piatra Crucei auf der rechten Seite der Dimbovitza bis nach dem Valea Preotului. Die mittel- und ober- eretacischen Ablagerungen füllen die ganze Finsenkung und sind gegen die krystallinischen Schiefer hauptsächlich als polygene Con- glomerate stark entwickelt. Sie lehnen sich an den Abhang der Pleascha an, decken die Possada und hängen mit denselben Ablage- rungen des Podul Dimbovitzei eng zusammen. Die letztere Localität ist ein schor auf den ersten Blick er- kennbares Einsturzbecken. Prof. Toula nannte sie „einen gross- artigen Kessel im Kalk, eine riesige Pinge“, welche nach allen Richtungen von hohen schroffen Kaikwänden begrenzt erscheint. Es entstand durch Brüche und wurde von den in ihm zusammentreffenden Bächen erweitert; wie in Rucär, erscheint auch hier der abgesunkene Kalk in dem Bette der Dimbovitza und über ihm die cretacischen [39] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 47 Ablagerungen, welche das ganze Becken füllen. Folgt man der zum Törzburgerpass hinführenden Strasse, so wird man oberhalb des Auf- seherhauses zu einem Orte gelangen, wo Bruchlinien beobachtet werden können. Wie das Profil (Fig. 4) andeutet, sank hier der öst- liche Theil des Kalkes von Dealu Sassului sammt den daraufliegenden Neocommergeln in die Tiefe und bildete so die Niederung von Valea Cheiil. Gegen Westen bemerkt man ebenfalls einen Bruch, welcher längs der Strasse bis zu dem Orte la Uluce sich verfolgen lässt, so dass der wahrscheinlich in seiner ursprünglichen Lagerung befindliche Kalk den Rücken des Berges mit seinen kleinen, zackigen, nadel- förmigen Klippen gebildet hat. Wie schon früher erörtert wurde, fand ich auf einer solchen Klippe einen Rest der Neocommergel, die einmal den ganzen Berg bedeckten. In Folge der mechanischen Gewalt, welche die Entstehung der Brüche bewirkte, sind überhaupt die Neocommergel stark verändert; sie sind geschliffen, besitzen eine schalige Structur und die Trennungsfläche der Schalen wurde durch Fig. 4. Nasipurile DealuSassului Iso oru VSagischtei ; IM verer aan: MW. So. Durchschnitt von Dealu Sassului bis an die Dimbovicioara bei Isvoru. 1. Klippenkalk. — 2. Neocom. — 3. Oretacische Klippendecke. dicke, langgezogene Kalkspathausscheidungen bedeckt. Andere, über- haupt die hornsteinreichen mergeligen Kalke, erscheinen von einem Netz von Kalkspathadern durchsetzt und zeigen zahlreiche Risse, sehr ähnlich denjenigen Erscheinungen, die Haug!) in den Puezalpen nach- wies. Zwischen dem 86. und 87. km sieht man die mergeligen Kalke mit einem Fallen von 45—50°, während die daraufliegenden schiefrigen Mergel mit harten Kalkmergelbänken ein Fallen von kaum 15° be- sitzen. Die Schichtköpfe des Mergels sind abgebrochen und liegen zertrümmert in der Verwerfungskluft. Die Neocommergel, welche den westlichen Abhang des Dealu Sassului bilden, fallen in NW ein, während sie sich in dem Valea Muerei ein wenig aufwölben und bei Isvorul gegen SE einfallen. Wir haben es hier wahrscheinlich mit einer flachen Synklinale zu thun, deren Flügel in Folge einiger Verwerfungen von dem Kalke abstossen ?). Auch im Westen konnte ich in dem kleinen Bache Valea Fruntzilor !) Die geologischen Verhältnisse der Neocomablagerungen der Puezalpe bei Corvara in Südtirol. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1887, Bd. XXXVIJ, pag. 264. ?) Vergleiche auch das Profil, welches A. Koch (A. Brass6i ete. 1. e.) aus der Umgebung von Kronstadt gibt. 48 Jon Simionescu. [40] neben Isvorul dieselben mechanischen Erscheinungen beobachten, wie auf dem Dealu Sassului, die zur Vermuthung veranlassen, dass wir es auch hier mit einer Bruchlinie zu thun haben, die leider wegen der die ganze Gegend bedeckenden Wälder nicht zu verfolgen ist’). Das Verhalten der eretacischen Ablagerungen oberhalb Podul Dimbovitzei ist ganz bezeichnend, indem sie überall den Reliefver- hältnissen folgen. Bald finden sie sich in dem viedrigen Valea Cheii, bald in dem Valea Urdei, von wo sie über einen Sattel nach Valea Muerei hinüberreichen, wo sie den Fuss des spitzigen Votarnitza umschliessen, um über Isvorul und Padina Sirnei auf das hohe Kalk- plateau der Dimbovicioara zu gelangen. Es ergibt sich aus den oben gezeigten Verhältnissen, dass bei der Umgestaltung unseres Gebietes die Hauptrolle die durch Senkungen verursachten Bewegungen spielten; Rucär, Podul Dimbovitzei und Valea Cheii sind durch Brüche entstanden, deren Spuren man hie und da auch in anderen Kalkpartien beobachten kann. Der Beginn der Entstehung dieser Brüche dürfte nach der Ablagerung des Neocoms, welches concordant auf dem Jurakalke liegt, und zwar theilweise vor der mitteleretacischen Transgression stattgefunden haben, wie aus den Beziehungen der Strandeonglomerate und anderer Kreide- ablagerungen zu den älteren Schichten zu schliessen ist. Diese Beobachtungen stimmen vollkommen mit den Vorkomm- nissen überein, die man aus der Klippenregion der Nordkarpathen kennt, und bestätigen dadurch die Annahme Uhlig’s?), welcher das uns beschäftigende Gebiet als die Fortsetzung der Klippenzone be- trachtet. Dort wie hier bedeuten die nach dem Neocom stattgefundenen Dislocationen schon den Beeinn der Individualisirung der Klippen, welche erst später ven den ceretacischen Meereswogen umgeben oder auch überfluthet wurden. Während aber die penninischen Klippen in den meisten Fällen als Nadeln, Schroffen oder als Felskegel von kleinen Dimensionen in Reihen oder Gruppen angeordnet?) auftreten, erscheinen die Klippen in dem Quellgebiete der Dimbovicioara als ausgedehnte Kalkmassen mit abstürzenden Wänden und plateauartigen Gipfeln, deren Oberfläche oft den Schichtenflächen entspricht. Ein Unterschied besteht auch in der Klippenhülle. Während im Penninen- klippenzug sie mehr aus stark gefalteten Schiefern besteht, die nur den Fuss der Klippen umgeben, so dass ein hervorragender orogra- phischer Unterschied entsteht, bilden in unserer Region die ereta- eischen Ablagerungen ‚hauptsächlich Decken, indem sie sich über die Kalke ausbreiten oder an die Abhänge sich anlehnen. Nach einem glücklichen Ausdrucke Uhlig’s „verhalten sie sich wie ein etwas durehsichtiger und halb durchlöcherter Schleier, der einen Gegen- stand nur nothdürftig maskirt und das geistige Auge nicht lıindert, die Hauptformen darunter zu erfassen“ (l. e. pag. 10). ‘) Bei der Besprechung der Verhältnisse zwischen den Neocommergeln und dem Kalke nimmt auch Popovici-Hatzeg (Cale, tithoniques ete., ]. ce. pag. 551) an, dass die Mergel in Folge einer Verwerfung sich an die Kalke anlehnen (viennent buter par faille contre le caleaire). °) Die Beziehungen der südlichen etc., 1. c. pag. 3. °) Uhliz. Der penninische Klippenzug, 1. c. [41]: Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 49 ‘Durch diese Eigenschaften gleichen die Klippen unserer Region mehr denjenigen im Arva- und Waagthale, die einerseits gleichfalls- als mächtige, selbstständige, hochaufragende Gebirge erscheinen, während andererseits die Klippenhülle ebenfalls als Decke auftritt. Die Aehnlichkeit wird noch auffallender dadurch, dass hier, wie bei uns, die Transgression etwas früher angefangen hat und die Kalk- masse innig an die älteren Gebirge angelehnt ist. Die letzte Er- scheinung lässt sich auch in der Walachei wahrnehmen. Das Ostende der Fogarascher Alpen, wie auch die krystallinische Insel des Leota- gebirges, welche für nichts anderes als für deren Verlängerung an- zusehen ist, stehen in engem tektonischen Zusammenhange mit den Kalkmassen von Dimbovicioara und von Bucegi. Sie haben eine ge- meinsame Decke; gegen Ost verlieren sie sich unter den ungeheueren Conglomeratbildungen, gegen Süd sind sie von den cretacischen Ab- lagerungen theilweise begrenzt, theilweise bedeckt. Bei Rucär ziehen sich die letzteren ununterbrochen von den Kalken auf die Phyllite des Capitanuberges hinüber, wie dies auch auf dem Pravatz westlich von Dragoslavele der Fall ist. Bei Nämäesti und Bädeni kommen die Conglomerate mit den krystallinischen Massen in Berührung; am Rande derselben, etwas weiter unten gegen Westen, kommen bei Albesti die Mergel mit Inoceramus Cripsi und Larmarcki!) zum Vorschein. Dieselben Er- scheinungen wurden von Uhlig in der Moldau’schen Masse gezeigt, wodurch er sich veranlasst glaubte, dieselbe nicht als die Fortsetzung des Tatragebirges, sondern als eine grosse Klippe zu betrachten, die mit den penninischen Klippen in Verbindung steht. Nach Uhlig setzt sich die Klippenregion gegen Süd in das Hagy-Nagymas-, Per- sanyer- und Burzenländergebirge fort, die in unmittelbarem Zu- sammenhange mit unseren Gebirgen stehen. In allen diesen letzteren Gegenden herrschen, nach den Beobachtungen von Hauer und Stache, Herbich und Koch, dieselben stratigraphischen und tektonischen Verhältnisse wie bei uns. Für die Erklärung des Klippenphänomens in den Karpathen bestehen zwei Hypothesen. Klippen, mehr orographisch angenommen, finden sich auch in anderen Gebirgsregionen, wie in den französischen und schweizerischen Alpen. Unter den Klippen versteht man hier?) grosse, wurzellose Massen älterer Gesteine, die auf geologisch Jüngeren Ablagerungen liegen. Diese werden erklärt durch gewaltige Ueber- schiebungen älterer Schichten, welche dann durch Erosion zerstückelt und von den anstehenden Gesteinen abgetrennt wurden (Lambeaux de recouvrement). Uhlig hat die Unanwendbarkeit dieser Erklärung für die karpathischen Klippen betont (l. e. pag. 14), welche durch andere Erscheinungen entstanden sein sollten. !) Fr. Wähner. Inoceramenmergel von Albesti bei Campolung in Rumänien. Annalen des k. k. naturhist. Hofmuseum in Wien 1893, VIII, Notizen, pag. 84. ?) Siehe Lugeon. Region de la Breche du Chablais. Bull. de la Carte geologique de la France 1895— 96, Vol. VII, pag. 254 ff. Jahrb. d. k.k. geol Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Ileft. (Jon Simionescn.) 7 50 Jon Simioneseu. [42] Neumayr!') betrachtet die penninischen Klippen „als Trümmer und Reste eines geborstenen Gewölbes, welche als Blöcke oder Schichtköpfe von Schollen und anstehenden Schichtmassen in Jüngere Gesteine, von welchen sie überwölbt werden, in discordanter Lage- rung hinein- oder durch dieselben hindurchgepresst worden sind.“ Er nimmt also an, dass die Klippen in Folge starker Faltungen und ungleichartigen Widerstandes der Gesteine gegen Biegung, entstanden sind, und dadurch, meint Neumayr, wird auch die Discordanz zwischen dem Klippenkalk und deren Hüllen (zu welchen er auch das Neocom zählt) verursacht. Wenn sich diese Hypothese für die penninischen Klippen scheinbar genügend zeigte, ist sie für die Klippen des Waagthales, wie auch für die unseres Gebietes, wo Spuren einer gewaltigen Faltung ganz fehlen, nicht anzuwenden. Beim längeren Studium der Nord- und Ostkarpathen gelangte Uhlig zu einer Ansicht, die durchaus von derjenigen Neumayr’s verschieden ist, und welche den Vortheil besitzt, für die ganze Klippenregion der Karpathen zu gelten. Es sind dieselben grund- legenden Anschauungen, die Stache zur selben Zeit wie Neu- mayr für die Erklärung der Klippen im Waagthale ausgesprochen hatte, und welche in Folge der neueren geologischen Angaben er- weitert wurden. Nach dieser Uhlig’schen Hypothese?) sind die Klippen, „an deren Zusammenhang alle Formationsstufen von der Trias bis ins Neocom betheiligt sind, keineswegs als regellos aus einer geologisch jüngeren Hülle aufragende Schollen, sondern als zwar individualisirte, jedoch mit ihrem örtlichen Ganzen in tek- tonischem Zusammenhange stehende Theile eines älteren Gebirges zu betrachten, welche sich durch einen ihnen eigenthümlichen und von der Tektonik der Klippenhülle abweichenden geologischen Bau auszeichnen.“ In einer im vorigen Jahre veröffentlichten Arbeit versuchte Uhlig?) seine Hypothese auf den ganzen karpathischen Bogen aus- zudehnen, indem er die ganze Moldau’sche Masse bis zum Burzen- lande und den Fogarascher Alpen als Klippen betrachtete. Die Hauptpunkte dieser so erweiteten Hypothese sind folgende: In der ganzen Klippenregion sind die Neocomablagerungen in engem Zusammenhange mit den darunter liegenden Schichten. Die Individualisirung der Klippen wurde durch Dislocationen bewirkt, welche mehr durch Einsenkungen als durch Faltungen verursacht wurden und vor der cretacischen (mittleren oder oberen) Meeres- transgression stattfanden. Als diese begann, wurden die schon indi- vidualisirten Klippen theilweise von Fluthen bedeckt oder ragten als Inseln über den Meeresspiegel empor. Die bereits gefalteten und zerstörten Juraklippen mussten mit den jüngeren Hüilbildungen eine gemeinsame Faltung erleiden, welche sehr oft eine scheinbare Concor- danz zwischen Hüllschiehten und Klippen veranlasst hat. !) Jurastudien, III. Folge (Der penninische Klippenzug‘. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1871, Bd. XXI, pag. 526 #R °) Der penninische Klippenzug, 1. e. pag. 801. °) Die Beziehungen der südl. Klippenzone zu den Ostkarpathen, 1. e. pag. 17. [43] Ueber die Geologie des Quellgebietes der Dimbovicioara. 51 Wie man sieht, könnte für die Erscheinungen, die in unserem Gebiete zu beobachten sind, nur diese Uhlig’sche Hypothese eine Aufklärung bringen, und sie erhält dureh die hier vorgeführten Thatsachen wirklich eine Bestätigung. Die Concordanz zwischen den Jura- und Neocomablagerungen, die in den Nordkarpathen in Folge verwickelter tektonischer Verhältnisse schwer zu beobachten ist, weswegen eine mehr als lebhafte Discussion darüber entstand, er- scheint in unserem Gebiete als sicher bewiesen, wo scheinbar die Dislocationen nicht so mannigfaltig waren und so gewaltige Dimen- sionen annahmen. Die Anordnung der Strandconglomerate, Kalk- breeecien und Sandsteine könnte nur durch eine Transgression in dem schon modellirten Gebiete erklärt werden. Was die posthumen Faltungen betrifft, welche für die heutige Anordnung der Gebirge massgebend waren, so konnte hier, wegen der kleinen Oberfläche des Gebietes und der vorwiegend massigen Kalksteine, zu dem, was schon Prof. Suess in seinem „Antlitz der Erde“ !) darüber sagt, nichts Neues hinzugefügt werden. An den einzigen Stellen (Königstein, Dimbovicioaraschlucht), wo die Kalke geschichtet auftreten, ist das Fallen der Schichten immer nach SO, bezw. O, und die Streichriehtung dieselbe, wie im Persanyergebirge und am östlichen Ende der Fogarascher Alpen, nämlich NO-SW, im Gegensatze zu den übrigen Theilen dieses Gebirges, wo die Streichrichtung beinahe O-W ist. Unser Gebiet, wie auch die be- nachbarte Region des Leotagebirges und der Bucegimasse bilden einen interessanten Theil der rumänischen Karpathen, wo das Streichen der Schichten nicht dem gesammten orographischen Streichen der Gebirgskette entspricht. Die auf umstehender Seite befindliche Tabelle gibt eine Ueber- sicht über die in dem Quellgebiete der Dimbovicioara auftretenden Gesteine, deren geologisches Alter und deren Aequivalente in den anderen Regionen der Karpathen. 1) Bd. I, pag. 615. Franz. Uebersetzung: 1897, Vol. I, pag. 635. Jon Simionescu. [44] Die Stufen Dimbovicioara- Quellgebiet Karpathen Versteinerungsarme, Kalke Cenoman sandige Mergel von _ Brädätzelul, Pravätz Sandsteine von Podul Die Sandsteine von Cheii mit Lytoceras Sacya, Ürmos (z. Th.). Vraconnien Puz. planulata, Schl. in-| _. ... 4 flata, Ham. armatus, Bac. | Pi® Schichten v. Penzeskut Gaudini, Scaphites Meriani (Bakonyerwald). Polygene Conglomerate, a ärkiebt 3 7 ; grobkörnige Sandsteine Conglomerate v. Urmos. Gault von Rucär mit Tereb. 8 i Dutempleana, Pecten Rau- ? Godulasandstein. lini, Cidaris vesiculosa . rm . g . s 5 ; mn Caprotinenkalk von Per- Aptien EHE ; sanyergebirgen und Ost- equwienia, Brachiopoden, Karnatkı SACEERE: arpathen. Echiniden N. Biene er .., Die Wernsdorfer Schichten ; In diffeile ; ran 15), mit Bel. beskid,, Am. dif- Barr&mien prbrnals Alb en. fieile, Seran., provine,, Be ee ee as Me | Albr.- Austriae, Borowae, Emmeriei md En. Cr, Emmerici, dissimile, | ns HR ER HIER, Leptoceras Beyrichi. Beyrichi, Heter. Giraudi => y Die Mergel von Valea | ' Draeului bei Kronstadt | Schiefrige Mergel mit | mit Crioceras Duvali, on: ' Crioceras Duvali, Am. in- Am. Grasi Hauterivien Re : e>i i : | certus, Grasi, romanus, |Die Grodischter Sandsteine | Duvalia dilatata mit D. dilatatus. Die Kalke von Maruszyna mit BD. dilatatus, A. Grasi. Valangien Fossilleere, mergelige u Berriasschichten ? ? Ein Theil des unter- stehenden Kalkes mit Holcodiseus Caillaudi | | Die Kalke von Inwald, . | Diceras Luei, Nerinea Tithon en NE nn Toroeczko, Persanyer- Staszyei, carpathica, Ceri- . i > „= A gebirgen. ‚thium Suessi, Korallen ur 2 ‚ Oolithenartige, röthliche Br Kalke, Hornsteinkaike Callovien ı Crinoidenkalke von Valea Lupului mit Am. tortisul- ‚ catus, Lima rupicola, Rh. penninica, defluxoides, Wal. margarita Krystallinische Schiefer. Der rothe Kalk von Babierzoweca (W.-Galizien) mit Lima rupicola, Rh. penninica, defluxoides. Der Wienerwald. Ein Beitrag zur Kenntniss der nordalpinen Flysch- bildungen. Von €. M. Paul. Mit einer geologischen Karte im Farbendruck (Taf. Nr. II), 4 Tafeln mit Auto- typien (Taf. Nr. III—VI) und 27 Zinkotypien im Text. Einleitung. Wie jedem Fachgenossen bekannt ist, erstreckt sich der aus- gedehnte Zug sandiger und mergeliger Gesteine, der den Nordrand der Alpen begleitet, und den wir die „nördliche alpine Sandstein- oder Flysehzone“ zu nennen pflegen, aus der Schweiz bis in die Gegend von Wien, und werden die östlichen, in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg gelegenen Partien dieser Zone speciell als „Wienersandstein-Zone“ bezeichnet. Es ist dies, wie hier gleich bemerkt werden kann und aus dem Inhalte der vorliegenden Mittheilung noch des Weiteren sich ergeben wird, im Allgemeinen eine ziemlich ungenaue Bezeichnungs- weise, indem neben eigentlichen Sandsteinen auch thonige, mergelige und kalkige Gesteine in dieser Zone vielfach vertreten sind und überhaupt die so häufig in unserer älteren Fachliteratur betonte geologische „Einförmigkeit* dieser Zone in Wirklichkeit durchaus nieht in diesem Grade vorhanden ist, wie vielfach geglaubt wird. Der „Wienersandstein* umfasst ferner, abgesehen von der eben- berührten petrographischen Mannigfaltigkeit der unter diesem Namen zusammengefassten Gesteine, wie schon längst bekannt ist, Bildungen des Alttertiär, der Oberkreide und (wie ich in dem Folgenden nachzuweisen versuchen werde) auch der Unterkreide, repräsentirt somit auch in stratigraphischer Beziehung durchaus keine Einheit. Aehnlich verhält es sich mit dem in topischer Beziehung weiteren Begriffe „Flysch“; wir bezeichnen mit diesem Namen Ge- steinsbildungen, welche die den Nord- und Südrand der Alpen, sowie den Nord-, Ost- und Südrand der Karpathen begleitenden Zonen niedrigerer Vorberge zusammensetzen, aus einem Wechsel von Quarz- sandsteinen, Kalksandsteinen, vielgestaltigen Schiefern, Thonen und Kalkmergeln — mit Ausschluss mächtigerer Kalk- und Dolomit- “ massen — bestehen und dureh das in einzelnen Lagen massenhafte Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 54 C. M. Paul. [2] Auftreten von Fucoiden und den unter dem Namen der „Hieroglyphen“ zusammengefassten Reliefzeichnungen charakterisirt sind. Eine den meisten alpinen wie karpathischen Flyschsandsteinen semeinsame Eigenthümlichkeit ist’ die, dass das im Bindemittel der- selben stets in grösserer oder geringerer Menge vorhandene Eisen- oxydul sich an’der Luft. verhältnissmässig rasch in Eisenoxyd ver- wandelt, wodurch zunächst die im frischen Innern des Gesteins ge- wöhnlich blaugraue Färbung sich in eine bräunliche oder gelbliche ändert, dann aber im weiteren Verlaufe des Verwitterungsprocesses das Gestein sich mit einer zuerst abblätternden, dann zu einer schlammigen, wasserundurchlässigen Masse zerfallenden Kruste über- zieht. Diese Art der Verwitterung bedingt, wie E. Suess!) näher auseinandersetzt, in erster Linie die gerundeten Bergformen, die Vegetations- und Quellbildungsverhältnisse der Flyschgebiete, und macht die Flyschsandsteine, trotz ihres im frischen Bruche oft sehr festen Ansehens, doch stets zu minderwerthigen Baumaterialien. In dieser Erscheinungsform, sowie in dieser Verbreitung treten Bildungen verschiedener Formationen auf, die, wenn auch unter sich durch mehrfache feinere petrographische Merkmale unterschieden, doch im Ganzen durchaus den erwähnten Charakter an sich tragen. Dem Namen „Flysch“ kann sonach nur eine facielle Bedeutung zu- erkannt werden, und man sollte daher wohl von einer „Flyschfacies“, nicht aber von einer „Flyschformation“ sprechen. Alle derartigen rein nomenclatorischen Fragen sind indessen nebensächlich, und man kann ganz gut bei den einmal sprach- gebräuchlich gewordenen Bezeichnungen bleiben, wenn man nur keine Unklarheit darüber bestehen lässt, in welchem Sinne man dieselben gebraucht, was man unter denselben verstanden wissen will. Es sollen also im Folgenden als „Wienersandsteine* be- zeichnet werden: Die der Kreide und dem Alttertiär angehörigen, dden östlichen, nach Oesterreich fallenden Theil der „nördlichen. alpinen Flyschzone* zusammensetzenden Gesteinsbildungen, insoferne sie in der Flyschfacies auftreten, also wenn es auch nicht durchaus wirkliche Sandsteine sind (z. B. die sogenannten „Ruinenmarmore*‘). Dagegen sind andere, in der Gegend von Wien auftretende Sand- steine, die anderen geologischen Bildungsperioden und nicht der Flyschzone angehören (so z. B. die die triadischen und liassischen Alpenkohlen begleitenden Sandsteine, die Sandsteine des Wiener Neogenbeckens ete.), sowie einzelne, in der allgemeinen Streichungs- linie der Flyschzone auftretende mächtigere Kalkmassen (so z. B. die alttertiären Korallenkalke der Gegend von Stockerau), auch wenn sie irgend einem Niveau der Flyschreihe stratigraphisch äquivalent sind, von dem Begriffe ausgeschlossen. Aus dieser Fassung des Begriffes ergibt sich auch, dass es un- thunlich wäre und zu Irrungen führen könnte, wenn man, wie es in den meisten älteren bezüglichen Arbeiten geschieht, eine petrogra- phische Beschreibung des „Wienersandsteins“ im Allgemeinen zu ') Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungs - Commission des Gemeinderathes der Stadt Wien 1864. Bi 4 \ [3] Der Wienerwald. 55 geben versuchen würde. Als für alle Glieder des Wienersandsteins eiltige Merkmale könnten eben nur diejenigen aufgeführt werden, die soeben als Charakterisirung der „Flyschfacies“ erwähnt wurden. Ein einigermassen geübter Beobachter, der z. B. die bekannten grossen Steinbrüche bei Greifenstein und die bei Sievering besucht, wird sofort erkennen, dass man es bei den verschiedenen Wiener- sandstein-Localitäten durchaus nicht mit petrographisch gleichen Ge- steinsbildungen zu thun habe; namentlich die Vergesellschaftung der einzelnen Gesteinstypen, von denen ja einige im Handstücke sich untereinander sehr ähnlich sein können, pflegt nach den einzelnen stratigraphischen Niveaus der Wienersandsteine eine verschiedene zu sein. Diese Vergesellschaftung dient daher meistens bei der Seltenheit leitender Fossilreste als wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Niveaus. Im Allgemeinen pflegt der Flyscheharakter bei den jüngeren (alt- tertiären) Gliedern des Complexes minder ausgesprochen zu sein als bei den älteren (eretacischen) '). Alles Nähere muss der speciellen Beschreibung der Niveaus, respective einiger besonders typischer Aufschlusslocalitäten derselben überlassen bleiben. Das zwischen dem allbekannten Donaudurchbruche bei Wien und dem Traisenthale in Niederösterreich gelegene Stück der Wiener- sandsteinzone nun bildet das unter dem Namen des Wienerwaldes bekannte Bergland. Der erwähnte Donaudurchbruch zwischen Höflein und Nussdorf bei Wien im Osten, das Traisenthal zwischen den Orten Traisen und Wilhelmsburg im Westen und das obere und hügelige Land der Donauniederung südlich und südwestlich von Tulln, etwa bis an die Linie Greifenstein, St. Andrä, Königstetten, Wilfers- dorf, Ollern, Anzbach, Unter-Dambach, Furth, Pyhra, Ochsenburg im Norden (oder genauer Nordwesten) werden so ziemlich allgemein als Begrenzung des „Wienerwaldes“ angenommen, während bezüglich der Südgrenze (respective Südostgrenze) desselben wohl zwischen Geologen und Topographen einige Meinungsverschiedenheit herrschen kann. Vom rein geologischen Standpunkte nämlich erscheint es wohl am naturgemässesten, die Südgrenze des „Wienerwaldes* mit der Grenze zwischen der alpinen Kalk- und Flyschzone zu- sammenfallen zu lassen, dieselbe sonach von Traisen über St. Veit a. d. Gölsen, Hainfeld, Kaumberg, nördlich bei Altenmarkt und Al- land vorüber, über Sulz, Kaltenleutgeben nach Kalksburg zu ziehen. Von hier weiter ist dann die Grenze des Wienerwaldgebirges natur- gemäss durch die des Wiener Neogen-Beckens gegeben, ver- läuft sonach etwas westlich von Mauer, Speising und Lainz über ‚St. Veit, Baumgarten, Dornbach, Pötzleinsdorf und Sievering nach Nussdorf. Die Berggruppen des „Hohen Lindkogel“ oder „Eisernen Thores“ bei Baden, des „Anninger“ bei Mödling und des „Höllenstein“ und „Föhrenberges“ bei Perchtoldsdorf, die sonst in topographischen und touristischen Werken dem Wienerwalde zugezählt werden, gehören nicht der Flysch-, sondern der Kalkzone an, bestehen aus durchaus anderen Gesteinsbildungen, steigen zu bedeutenderen Höhen an als ') Für die Karpathensandsteine gilt dieser Satz nicht. 56 6. M Paul. [4] die ihnen benachbarten Bergzüge des Flyschgebietes, bieten vermöge ihrer geologischen Verschiedenheit auch wesentlich abweichende Landschaftsbilder, Vegetations-, Wasserführungs- und Quellbildungs- verhältnisse und müssen daher — von unserem Standpunkte aus — von dem Begriffe des „Wienerwaldes“ ausgeschieden werden, wollen wir nicht diesem zu Gunsten der Zuziehung eines Kalkgebirges, das im Verhältnisse zu der auf das Flyschgebiet fallenden Area nur un- sefähr den vierten Theil der Flächenausdehnung bedeckt (eirca 294 Quadratkilometer Kalkgebirge gegen 876 Quadratkilometer Wienersand- steingebirge), seine relative geologische Einheitlichkeit als ausge- sprochenes und ausschliessliches Flyschgebirge einbüssen lassen ). Dieses Wienerwaldgebirge nun habe ich im Laufe der letzt- verflossenen Jahre, von der Direction der k.k. geologischen Reichs- anstalt mit der Neuaufnahme desselben betraut, etwas eingehender und mehr im Zusammenhange, als es bisher geschehen war, begangen, und will nun in dem Folgenden in gedrängter Kürze über die Haupt- resultate meiner bezüglichen Studien berichten. Von einer topographischen Beschreibung des Gebietes, wie sie sonst wohl gewöhnlich den geologischen Schilderungen der unter- suchten Aufnahmsgebiete vorausgeschickt zu werden pflegt, und auch bei weniger bekannten Gebieten zweifellos nützlich und wünschens- werth erscheint, glaube ich in unserem Falle absehen zu können; der Wienerwald, dieses unserer Stadt so nahegelegene Ziel zahlloser Touristen, ist in dieser Beziehung vollständig bekannt und in einer Reihe topographischer und touristischer Werke auf das Genaueste beschrieben worden ?2); es könnte also hier nur Oftgesagtes wieder- holt werden. So viel und ausführlich aber auch über die orographischen und hydrographischen Verhältnisse, die landschaftlichen Schönheiten ete. unseres Gebietes geschrieben wurde, so kurz und fragmentarisch er- scheinen dagegen die vorliegenden Angaben über die eigentliche geologische Beschaffenheit desselben und wenn auch die Reihe der diesbezüglichen Mittheilungen keine ganz kurze ist, so sind es doch meistens nur anhangsweise der ausführlicheren Behandlung der fossil- reicheren und daher dankbareren alpinen Kalkgebilde angeschlossene Bemerkungen oder kürzere Notizen, die wir hier zu verzeichnen haben. Ohne ein annähernd vollständiges Literaturverzeichniss anzu- streben ?), will ich in dem Folgenden eine kurze Uebersicht der !) Auch Neumayr (Erdgeschichte, Leipzig 1837, 2. Bd., pag. 664) sagt mit Bezug auf den Wienerwald, dass derselbe „ausschliesslich aus den hier be- sprochenen.Gebilden („\Wienersandstein“) zusammengesetzt ist“, und ebenso spricht Kittl (Oesterr. Touristenzeitung 1887, Nr. 21) von der „Flyschzone, welche die nordöstlichsten Ausläufer der Alpen, den Wienerwald bildet“. Diese Geoiogen fassen hiernach den Begriff des „Wienerwaldes* in demselben Sinne wie ich, d. i. mit Ausschluss des Kalkgebirges. ?) Siehe z.B. Der Wienerwald, herausgegeben von der Section „Wiener- wald“ des österr. Touristenclub, Wien 1857 (mit einer kurzen geologischen Skizze von F. Karrer). — Förster’s Touristenführer in Wiens Umgebungen, herausgegeben von K. Ronniger. Wien 1895 ete. ») Ein solches (bis zum Jahre 1876) liegt bereits in F. Karrer’s grossem Werke „Geologie der Kaiser Franz Josefs-Hochquellen-Wasserleitung, Wien 1877“ vor. [9] Der Wienerwald. 57 Entwicklung unserer Anschauungen und Kenntnisse über die Sandsteingebilde des Wienerwaldes zu geben versuchen, wobei ich aber die ältesten, auf das Gebiet bezugnehmen- den Mittheilungen, in denen noch Standpunkte vertreten sind, die von unseren gegenwärtigen Anschauungen und Resultaten allzuweit abstehen, um ein anderes als ein blos historisches Interesse erregen zu können, hier wohl übergehen zu dürfen glaube. Noch in den „Erläuterungen zur geognostischen Karte der Umgebungen Wiens von J. CZ2jZek, Wien 1849“, mit denen ich, da sie schon manche benützbaren Details enthalten, hier unsere Uebersicht beginnen will, wurde der Wienersandstein mit den die Alpenkohlen begleitenden Sandsteinen zusammengefasst und „im Vergleiche mit dem -Alpenkalke als älter“ bezeichnet. Diese Anschauung, die aus der obenerwähnten Vermischung der eigentlichen Flyschsandsteine mit den ziemlich ähnlichen Liassand- steinen von Gresten ete., sowie aus dem an der Grenze zwischen Kalk- und Sandsteinzone häufig beobachteten scheinbaren Einfallen der letzteren gegen die erstere hervorgegangen war, ist nun wohl seither durch eine Reihe beweiskräftiger Fossilfunde in unseren Wienersandsteinen als unrichtig erwiesen worden, doch finden wir in dieser für ihre Zeit jedenfalls verdienstlichen Arbeit schon mehr- fache Angaben über das Vorkommen der hydraulischen Kalke und sogenannten Ruinenmarmore!), über den Uebergang zwischen den Schieferthonen und Mergelschiefern in die hydraulischen Kalke, über einzelne Hornsteinvorkommnisse, über Flyschfucoiden, die sogenannten Chelonierfährten ete. Die Karte enthält viele Einzeichnungen von Vorkommnissen hydraulischer Kalke, von Streichen und Verflächen ete., die sich später meistens als richtig erwiesen. Dagegen ist in Folge der obenerwähnten irrigen Grundanschauungen die Grenze zwischen Kalk- und Sandsteinzone auf dieser Karte vielfach ver- schoben und ungenau, und aus ebendemselben Grunde sind auch die beigegebenen Profile heute nicht mehr acceptabel. C.v. Ettingshausen berichtete im nächsten Jahre 2) über die Resultate einer mikroskopischen Untersuchung derKohlen- theile im Wienersandstein von Sievering, in denen er Fragmente von Blättern und Stengeln von Pferophyllum longifolium Brogn. zu erkennen glaubte, daher er diesen Wienersandstein dem Lias zurechnete. Heute müssen wir den Sandstein von Sievering wohl sanz anders deuten, ich glaubte jedoch diese Mittheilung hier nicht isnoriren zu dürfen, da in derselben der erste Versuch erscheint, der Altersbestimmung der Wienersandsteine auf mikroskopischem Wege beizukommen, ein Versuch, der, wie sich hier schon zeigt, zu sehr bedenklichen Resultaten führen kann. Einen wesentlichen Schritt nach vorwärts bezeichnete im selben Jahre (1850) die Arbeit F. v. Hauer’s „Ueber die geognosti- schen Verhältnisse des Nordabhanges der nordöst- !) Mergelkalke, die angeschliffen, eigenthümliche ruinenähnliehe Zeichnungen zeigen. ®) Haidinger’s Ber., VI. Bd., 1850. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 8 58 GC. M. Paul. [6] lichen Alpen zwischen Wien und Salzburg“). Es erscheinen zwar auch hier noch die die Alpenkohlen begleitenden, als „Keuper“ oder „Unterlias“ bezeichneten Sandsteine den Wienersandsteinen zugezogen; doch wird die Altersbestimmung dieser Gesteine nicht mehr auf die ganze Hauptmasse der Wienersandsteine über- tragen, diese vielmehr als Neocom und Eocän gedeutet und dabei hinzugefügt, es seien „ausser den berührten Formationen viel- leicht noch manche andere in den Wienersandsteinen verborgen“. Directe Nachweise aus den östlichen Alpen für diese Formationsbe- stimmungen lagen damals noch nicht vor, dieselben beruhten vor- wiegend auf der Analogie mit den schon etwas besser bekannten Karpathensandsteinen, aus denen bereits Neocomfossilien aus der Teschner Gegend, Exogyra columba aus dem Trenesiner Comitate etc. bekannt waren und in denen, sowie in westlicheren Alpenge- bieten, bereits nahe Beziehungen von Flyschsandsteinen zu Nummu- litengesteinen, zu eocänen Menilit- oder Fischschiefern etc. constatirt worden waren. Die blosse Ueberlagerung von Nummulitengesteinen durch Flyschsandsteine, aus welcher in älteren Arbeiten gewöhnlich auf ein jüngeres Alter dieser letzteren geschlossen zu werden pflegte, ist allerdings nach unseren heutigen Erfahrungen an sich ebensowenig beweiskr äftie, wie das Einfallen von Flyschsandsteinen unter Alpen- 'kalke, da wir heute die Ueberschiebung und Ueberkippung der Schichten in der Flyschzone als ein sehr” häufiges, meistens sogar als herrschendes Lagerungsverhältniss kennen selernt haben. Jeden- falls ist aber die erwähnte Arbeit v. Hauer’s (wenn wir von der Zu- 'ziehung der Keuper- und Liassandsteine absehen) als der eigentliche Ausgangspunkt rationellerer Anschauungen über die stratigraphische "Deutung der Wienersandsteine anzusehen, denn die hier zuerst an- sedeutete Gliederung derselben in eine eretacische und eine eocäne Gruppe erlangte bald durch einige glückliche Fossilfunde feste Be- stättigung. Es sind dies die Funde von Aptychen bei Stollberg und an einigen anderen Punkten des Wienersandsteingebietes, von Ino- ceramen am Kahlenberge und von Nummuliten bei Greifenstein. Ueber die erstgenannten gab J. C2jZek im Jahre 1852 in seiner Arbeit: „Aptychenschiefer in Niederösterreich“) die erste Nachricht. C2jZek bestimmte die von ihm bei Stollberg nordöstlich von Hainfeld im hydraulischen Kalke gefundenen Fossil- reste als Apfychus lamellatus Park. und Belemnites canaliculatus Schloth. und deutete demnach die sämmtlichen, von ihm mit diesem Stoll- berger Vorkommen identifieirten und zusammengezogenen Züge hydrau- lischer Kalke und Kalkmergel des Wienerwaldes als Jura). Die Aptychen der hydraulischen Kalkzüge des Wienersand- steines wurden jedoch schon im Jahre 1884 von Dr. K. Peters !) Jahrb. d, k. k. geol. R.-A., I. Jahrg., Heft 1, pag: 17. °), Jahrk. d.'k. k. geol. R.-A., III. Jahrg., Heft 3, pag. 1—7. ’) Wir werden später Gelegenheit haben en ehe dass diese vielfach auf ältere Uebersichtskarten übergegangenen „Züge hydraulischer Kalke ‘ oder „Aptychen- züge* oft sehr Verschiedenartiges, Nichtzusammengehöriges verbinden, so z.B. sicher der Oberkreide zugehörige Fucoiden- Kalkmergel und Kuinenmarmore mit umfassen ete, [7] Der Wienerwald. 59 nach eingehender Untersuchung eines grösseren Materiales von: zahl- reicheren Fundorten in seiner Arbeit: „Die Aptychen der österreichischen N&eocomien- und oberen.Jura- sehichten“ ) (mit Ausnahme von drei Formen, die theils den be- kannten Juraklippen bei St. Veit und Lainz, theils dem schon in’s Innere der Kalkzone fallenden Fundorte Haselhof bei Hainfeld ent- stammen) durchaus als Neocomienformen, nämlich: Apt. Didayi Coqu., A. angulicostatus Pet., A. pusillus Pet., A. rectecostatus Pet., A. striatopunctatus Emmr., A. aplanatus Pet., Ant. giganteus Pet. bestimmt und die Hauptmasse des Wienersandsteins galt hiernach durch längere Zeit als neocom. j Mittlerweile (im Jahre 1855) waren auch die ersten Inoce- ramen des Wienersandsteins, und zwar am Abhange des Kahlenberges;, in dem gegen Kahlenbergerdorf herabführenden Graben, aufgefunden worden. Das erste Exemplar hatte G. Petter, das zweite F. v. Hauer an derselben Stelle gefunden?). Es war .da- durch, wenn auch die Inoceramen nicht näher bestimmbar waren, doch das ceretacische Alter eines Theiles des Wienersandsteins noch weiter erhärtet. Im Jahre 1887 besprach F. v. Hauer in seiner Arbeit: „Ein geologischer Durchschnitt von Passau bis Duino“?) den damaligen Stand unserer Kenntnisse über die stratigraphische Deutung und Tektonik der Wienersandsteinzone und gab hier auch Nachricht von dem Vorkommen von Nummuliten im Wienersandsteine von Höflein und Greifenstein an der Donau, das er dann im nächsten . Jahre („Die Evcängebilde im Erzherzogthume Oesterreich und Salzburg“ *) noch näher beschrieb. v. Hauer betonte schon damals, dass die durch diese Nummuliten als eocän sichergestellten Partien des Wienersandsteins mit gleichem Streichen und Verflächen unter die cretacischen Sandsteine des Kahlengebirges einfallen, eine Ueberkippung der Schichten sonach mit Sicherheit constatirt sei. Als Unterscheidungsmerkmale zwischen den eocänen und den älteren, „der Neocomienformation zugezählten Wienersand- steinen® gibt v. Hauer an: Das gänzliche Fehlen von Aptychenkalk (hydraulischem Kalk, Ruinenmergel), die Seltenheit von Fucoiden und das Auitreten sehr mächtiger (bis über 10 Klafter), nicht weiter geschichteter Sandsteinbänke. „Diese Bänke unterscheiden sich dureh hellere Färbung, durch zahlreiche grössere und kleinere Poren, sowie weiters durch geringere Festigkeit von den gewöhnlichen Varietäten des Wienersandsteins.* In Beziehung auf die chemische Zusammen- setzung des Bindemittels wurde kein wesentlicher Unterschied zwischen eocänen und älteren Wienersandsteinen constatirt. Alle diese Angaben (mit Ausnahme der Bezeichnung der Sandsteine des Kahlengebirges als neocom) sind auch nach unseren heutigen Erfahrungen als voll- kommen zutreffend zu bezeichnen. 1) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., V. Jahrg., 2. Hft. ?) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1853, pag. 637. 3) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch., Bd. XXV. #) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., IX. Jahıg., 1. Heft. 60 C. M. Paul. [8] Im Jahre 1857 erschien auch eine geologische Karte von Nieder-Oesterreich von F. Foetterle (als erstes Blatt eines nicht zur Vollendung gelangten geologischen Atlasses von Oesterreich). Auf derselben ist der Wienersandstein (mit Ausnahme der kleinen Partie bei Greifenstein, von wo die eben erwähnten Nummuliten stammten), sowie die hydraulischen Kalkzüge desselben durchaus als neocom bezeichnet. Im Jahre 1859 gab Dr. J. N. Woldrich eine Mittheilung über „die Lagerungsverhältnisse des Wienersandsteins auf der Strecke von Nussdorf bis Greifenstein“!). Der Ver- fasser trennt den „Wienersandstein ohne Nummuliten“ vom „eocänen Wienersandstein“ und bezeichnet, der damals herrschenden Anschauungs- weise gemäss, nach dem Vorgange CZjJZek’s gewisse Mergelschiefer seines Durchschnittes als „Aptychenschiefer“, obwohl hier in diesen ‘ Bildungen Aptychen nicht gefunden wurden. Wir werden auf diese Arbeit, sowie auf die vorerwähnte v. Hauer’s bei der specielleren Besprechung des Donaudurchschnittes noch näher zurückkommen. Ungefähr gleichzeitig mit den letzterwähnten Arbeiten wurde im Laboratorium der k. k. geol. R.-A. durch Carl v. Hauer eine Reihe von Analysen des Bindemittels der Wienersandsteine von zahlreichen Localitäten durchgeführt und darüber berichtet ?). Schon früher hatte Pohl?) eine chemische Analyse des dem Wiener- sandsteine eingelagerten hydraulischen Kalkes von Sievering (mit Rücksicht auf seine Eignung zur Gementerzeugung) veröffentlicht. Im Jahre 1860 erschien ‘die „Geologische Karte der Umgebungen Wiens von CZ2jZek, rectificirtund neu auf- senommen von D. Stur“. Auf dieser Karte erscheint das ge- sammte Wienersandsteingebiet des Wienerwaldes als „mittlere Kreide“ bezeichnet. In demselben sind — wohl etwas zu schema- tisch — fünf grössere und einige kleinere Parallelzüge von „Mergel- kalk (hydraulischem Kalk,“ ausgeschieden, die ebenfalls der Mittel- kreide zugezählt und — im Gegensatze zu der älteren Anschauung — vom neocomen Aptychenkalk unterschieden werden. Als Eocän ist von der Hauptmasse (wie auf der obenerwähnten Foetterle’schen Karte) nur eine kleine Partie an der Nordostspitze des Wienerwaldes, wo eben die mehrerwähnten Nummuliten gefunden worden waren, ohne weitere Fortsetzung gegen Westen ausgeschieden. Die Grenze der Sandsteinzone gegen die Kalkzone, sowie weiterhin gegen das Neogen des Wiener Beckens ist hier schon ziemlich genau an- gegeben. Die erwähnte Trennung eines Theiles der im Wienersandsteine eingelagerten hydraulischen Kalke und Mergel von den neocomen „Aptychenschiefern* war, wie spätere Erfahrungen ergeben haben, Jedenfalls ein richtiges Prineip; da dasselbe jedoch auf der Karte nicht durchgehends richtig durchgeführt und ausserdem durch keine näheren erläuternden Angaben motivirt erschien, so fand es im Laufe !) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., X. Jahrg., 2. Heft. ?) Jahrb. d. k. k. geol. R-A. 1855 u. 1859. °») Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch., Bd. VI, 1851. [9] Der Wienerwald. 61 der nächsten Jahre von Seite der Fachgenossen nicht die verdiente Berücksichtigung. So bezeichneten die meisten Geologen, die im Laufe der Sech- zigerjahre in dem Wienerwalde benachbarten Gebieten der nordöst- lichen Alpen beschäftigt waren ), den Wienersandstein, wo sie den- selben berührten, nach wie vor als neocom und ebenso erscheinen auf der Farbenerklärung der grossen geologischen Ueber- sichtskarte der österreichisch-ungarischen Monarchie von F. v. Hauer (1867 —1874) die sämmtlichen Züge hydraulischer Kalke und Mergel des Wienersandsteins als neocome „LRossfelder Schichten (Aptyehenschichten)“ eingezeichnet, wenn auch in den bezüglichen Erläuterungen ?) nur für Zuziehung eines Theiles des Wienersandsteins zur Kreideformation überhaupt plaidirt wird., Letztere Anschauung schien eine neue Bestätigung erlangt zu haben, als F. Karrer?) aus dem Schlammrückstande eines dem Wienersandstein von Hütteldorf eingelagerten Mergels eine kleine Foraminiferensuite beschrieb, von der er bemerkte: „Es sind zu- meist Genera, die eine sehr tiefe verticale Verbreitung haben und in den Kreideablagerungen besonders häufig getroffen werden.“ Später nahm jedoch Karrer diese Deutung ausdrücklich zurück, indem er diese Foraminiferenfauna nun (auf Grundlage von zwei Formen, die mit solchen des Oligocäns von Nikolschitz übereinstimmen) als oligocän erklärte). Karrer schloss seine letzteitirte Notiz mit den Worten, dass sich „fortwährend die Anzeichen dafür mehren, dass man in dem Wienersandsteine es durchwegs mit einer tertiären Bildung zu thun habe“. . Ungefähr in dieselbe Zeit mit den vorerwähnten Publicationen fällt C. v. Ettinghausen’s sorgfältige Arbeit über „Die fos- silen Algen des Wiener- und Karpathensandsteins?) und die bereits oben citirte Mittheilung vom E. Suess über die Wasser: führungs-, Quellbildungs- und Verwitterungsverhältnisse der Wiener- sandsteine 6), die wir auch heute noch als das Massgebendste, was wir in dieser Beziehung in unserer Wienerwald-Literatur besitzen, be- zeichnen können. Im Jahre 1869 sprach C. L. Griesbach seine Ansichten über die stratigraphische Deutung der Wienersandsteine aus, bei denen wir etwas verweilen müssen, da es sich hier wieder um die Capitalfrage handelt, ob der. Wienersandstein zum Theile cretacisch, oder in seiner Gänze eocän sei. In seiner Arbeit „Die Klippen im Wienersandstein“?) betont Griesbach (was allerdings, wie oben bemerkt wurde, schon !) Stelzner, Umgebung von Scheibbs. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1865. — Hertle, Lilienfeld—Payerbach. Ebendaselbst. 2, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1868. 3) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch., Bd. LII, 1865. #) Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1869, Nr. 13. 5) Sitzungsbericht der kais. Akademie der Wissenschaften 1863. °) Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungs-ÖOommission der Stadt Wien 1864, pag. 63 und 64 ") Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1869, pag. 217. ö2 C. M. Paul. [10] auf der Ö2jzek-Stur’schen Karte im Prineipe durchgeführt war), dass die „Aptychenzüge* von den dem Wienersandsteine eingelagerten hydraulischen Fucoidenmergeln zu trennen sind. Die aptychenführenden Gesteine, die jurassischen wie neocomen, betrachtet er, gleichwie einige kleine, von ihm näher untersuchte liassische und rhätische Inseln, die im k. k. Thiergarten bei Wien im Wienersandsteine auf- tauchen, als „Klippen“ und bemerkt hinzu: „Selbstverständlich kawn eine solche Klippe auch zur Richtigstellung der Lagerungsverhält- nisse des Sandsteins nichts beitragen, da der Sandstein in keinem weiteren Verbande mit den Klippen auftritt.“ An einer anderen Stelle derselben Arbeit bemerkt Griesbach jedoch, es unterliege „nicht dem geringsten Zweifel, dass das Auftreten dieser isolirten Partien von Kalksteinen älterer Formationen auf Antiklinal- linien in der Flyschzone hinweist.* Hierin scheint mir nun wohl ein Widerspruch zu liegen. Wenn das Auftreten solcher „Klippen* wirklich Antiklinallinien im Wienersandsteingebiete andeutet, was ich selbst für richtig halte. (was jedoch Uhlig!) bezüglich der karpathischen Klippen nicht zugibt), dann ist nicht wohl. einzusehen, wie eine solche Antiklinallinie. die Lagerungsverhältnisse der Sand- steine nicht beeinflussen soll. Jede energischere Antiklinale zeigt uns einen Aufbruch älterer Schichten innerhalb eines Complexes jüngerer ; eine Antiklinale in der Flyschzone wird uns also..die relativ älteren Sandsteine an die Oberfläche bringen und kennen lehren. Die älteren Kalkinseln markiren dann (insoferne es nicht lose Blöcke sind) die Central- oder Scheitellinie der Antiklinale, und da in jeder Antiklinale bekanntlich die der Scheitellinie zunächst lie- genden Schichten die älteren, die entfernteren die jüngeren sein müssen, so trägt das Auftreten solcher älterer Kalkklippen wohl sehr wesentlich zur Richtiestellung der relativen Niveaus der Sandsteine und damit mittelbar auch zur Richtigstellung der Lagerungsverhält- nisse derselben bei. Man kann ja die Lagerungsverhältnisse eines solchen Complexes, wie unsere Flyschsandsteine, überhaupt nur dann deuten, wenn man einmal weiss, welche Theile desselben die älteren, welche die jüngeren sind. Zu den „Klippen“ rechnet Griesbach, wohl etwas zu weit gehend, auch die Neocomfleckenmergel; meine neueren Beobachtungen haben ergeben, dass man von diesen durchaus nicht behaupten könne, sie stehen „in keinem weiteren Verbande“ mit den Sandsteinen. Sie finden sich vielmehr, wie später gezeigt werden soll, mehrfach in engster Verbindung und Wechsellagerung mit den älteren Theilen der Wienersandsteine und sind daher auf die Deutung dieser letzteren jedenfalls von Einfluss. Ueber die stratigraphische Stellung der Wienersandsteine spricht sich Griesbach in dieser Arbeit noch nicht direct aus, er thut dies aber in einer zweiten Mittheilung: „Bemerkungen über die Alterstellung des Wienersandsteins“ >) welche er mit den Worten schliesst: „Viele Punkte bestimmen eine Linie, und die zahlreichen Beweise für das eocäne Alter des Sandsteins, !) Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1890. ?) Verhandl. der k. k..geol. R.-A 1869,.Nr. 13. [11] Der Wienerwald. 63 die man längs der ganzen Zone sammeln kann, sind wohl im Stande, wenigstens bessere Anhaltspunkte zu liefern, als es das einzige Vor- kommen eines „undeutlichen“ und deshalb „unbestimmbaren“ Ino- ceramenbruchstückes war. Alles zusammen — sprechen viel mehr Gründe für das Eoeänalter des Wienersandsteins als für Kreidealter — es ist offenbar nichts anderes als eine Fortsetzung des Flyschzuges der Westalpen.*“ Als Argumente für diese Ansicht werden angeführt: dass dieselben Fucoiden auch in sicher eocänen Schichten vor- kommen; dass der als eocän anerkannte Greifensteiner Sandstein „als ein ganz isolirter Punkt mitten im petrögrapbisch wohl gleichen, aber sonst ungleichaltrigen Sandstein sich sehr sonderbar ausnimmt“ ; dass vv Mojsisovies und Schlöenbach (Verh. 1868) den Wienersandstein zwischen Traun- und Landachsee bei Gmunden für Jünger als die eocänen Nummuliten-Grünsande erklärten, und keine Anzeichen. von einem etwa der Kreideformation angehörigen Gliede des Wienersandsteins fanden; dass (ausser bei Greifenstein) auch im Kierlingerthale und bei Laab Nummuliten, und bei Neulengbach eine von Rolle als eocän bestimmte Teredina gefunden wurden; ‘und dass endlich die (oben berührten) Foraminiferen von Hütteldorf, ‘die Karrer untersuchte, mit Oligocänformen von Nikolschitz über- ‚einstimmen. | Einen sehr ähnlichen Standpunkt nimmt auch noch Th. Fuchs in den „Erläuterungen“ zu seiner „geologischen Karte der Umgebung Wiens“) ebenfalls unter Berufung auf die Hütteldorfer Foraminiferen, ein. Alle diese Argumente scheinen mir nun ziemlich hinfällig zu sein. - Die Fucojden kommen sicher in älteren Schichten ebensowohl als in eocänen vor, beweisen also nichts, und werden auch nie als direetes Beweismittel für eretacisches Alter angeführt. Die neuen Nummulitenfunde beweisen ‘nichts anderes, als dass der ohnedies als eocän längst bekannte Greifensteiner Sandstein eine grössere Ver- '‚breitung gegen Westen habe, als auf den älteren Karten dargestellt ist. Die vollkommene petrographische Gleichheit des Greifensteiner Sandsteins mit der übrigen Hauptmasse der Sandsteine existirt in Wirklichkeit nicht. Die angeführte Teredina wurde am Bahnhofe von Neulengbach, ausserhalb der Flyschzone, gefunden, ist also für die Deutung der letzteren irrelevant. Die Foraminiferen- von Hütteldorf können meiner Ansicht nach nicht einmal für die Localität, von der sie stammen, geschweige denn für den ganzen Wienersandstein oligocänes Alter beweisen. Karrer hatte in seiner ersten bezüglichen Arbeit ausdrücklich bemerkt: „Es sind zumeist Genera, (die eine sehr tiefe verticale Verbreitung haben und in den Kreideablagerungen besonders häufig getroffen werden.“ Wer beweist uns nun, dass die zwei Formen die später mit Nikolschitzer Oligocänarten identifieirt wurden, und nun das Alter der ganzen Fauna bestimmen sollen, nicht ebenfalls eine „tiefe verticale Verbreitung“ haben und schon 'in der Kreide vorkommen? Mir scheint aus dieser ganzen Foramini- ferenuntersuchung mit ihren schwankenden Resultaten nichts anderes ') Herausgegeben von der k. k. geol. R.-A. 1873. 64 C. M. Paul. [12] hervorzugehen, als dass mikroskopische Foraminiferen, mindestens in dem Erhaltungszustande, wie sie in Flyschbildungen aufzutreten pflegen, sich zur Altersbestimmung dieser Gesteine sehr wenig eienen und daher, zur Vermeidung schädlicher und verwirrender Fehlschlüsse, besser ganz beiseite gelassen werden sollten. Uebrigens hält Karrer, wie aus seinen neueren Mittheilungen !) ersichtlich ist, seine damals ausgesprochene Ansicht von „durchwegs“ tertiärem Alter des Wienersandsteins heute selbst nicht mehr aufrecht. Ebensowenig thut dies v. Mojsisovies bezüglich der oberösterreichischen und Salzburger Flysehbildungen, welche er, auf Grundlage der In o- ceramenfunde von Fugger und Kastneram Muntigl bei Salzburg, sowie seiner eigenen Inoceramenfunde am Nunnberge bei Mattsee, nun ebenfalls als eretacisch erklärt ?). Da ich hier den oberösterreichischen und Salzburger Flysch berühre, scheint es mir am Platze zu sein, einzuschalten, dass ich selbst im Jahre 1895 Gelegenheit hatte, unter freundlicher Führung des Herrn Prof. Dr. G. A. Koch, die Flyschbildungen am Nordfusse des Traunsteins bei Gmunden, im Gschliefgraben und am Grünberge aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Ich sah hier die durch zahlreiche Inoceramen, Ananchyten, Belemnitella mucronata ete. als Oberkreide charakterisirten und längst bekannten Nierenthaler Schiehten einerseits von nummulitenreichem Eocänsandstein über- lagert, andererseits von Flyschbildungen unterlagert, die den die Hauptmasse unserer Wienerwaldsandsteine zusammensetzenden voll- kommen gleichen und nördlich im Liegenden der Nierenthaler Schichten ddes Gsehliefgrabens eine Antiklinale bilden, also jedenfalls älter sind als die letzteren. Ich vermeide es, hier näher auf diesen Gegenstand einzugehen, da ich den von den Herren v. Mojsisovies, Koch und Fugger über diese Flyschgebiete zu erwartenden Mittheilungen nicht vorgreifen will). Aber auch in unserem Wienerwalde selbst vermehrten sich im Laufe der letzten Decennien die Funde eretacischer Fossilreste, und zwar ist zu bemerken, dass dieselben durchgehends nicht aus fremdartigen Gesteinsbildungen, die etwa als „Klippen“ gedeutet werden könnten, sondern aus dem echtesten, typischen Flysch mit Fucoiden, Hieroglyphen und hydraulischen Mergelkalklagen, wie er eben den grösseren Theil unseres Flyschgebirges constituirt, stammen. Zunächst berichtete D. Stur®) über die Wiederauffindung des Petter’'schen Jnoceramus vom Kahlenberge (der durch einige Zeit verlegt gewesen war) in unserem Museum. „Das betreffende Stück umfasst circa zwei Quadratzoll Fläche und enthält einen nam- !) Geologie der Wiener Hochquellenwasserleitung, Wien 1877. — Geologische Skizze des Wienerwaldes in „der Wienerwald“, herausgegeben vom Oest. Touristen- club, Wien 1887. ?) Verhandl. der k. k. geol. R.-A. 1890, Jahresbericht. °) Den genannten Autoren, die sich bereits durch längere Zeit mit dem Gegenstande zu beschäftigen Gelegenheit hatten, glaube ich, auch die Stellung- nahme zu den seinerzeit von Gümbel, Böhm, Frauscher u. A. über den bayrischen und Salzburger Flysch verlautbarten Ansichten überlassen zu sollen. *) Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1872, Nr. 4. [13] Der Wienerwald. 65 haften Theil einer Jnoceramus-Schale im Abdruck. Die Schale ist concentrisch gestreift und die Streifen selbst sind schwach wellig — wonach das betreffende Schalenstück wohl dem JInoceramus Cuvieri Sow. angehören dürfte“. Gleichzeitig theilte hier Stur den Fund eines Cephalopoden in der Gegend von Weidlingau (?) durch Herrn Redtenbacher mit, „dessen Erhaltung es im Zweifel lässt, ob er zu Örioceras oder zu einem anderen Geschlechte der Amoneen gehöre“. Das Jahr 1875 brachte uns eine wichtige Mittheilung von Heinrich Zugmayer: „Ueber Petrefactenfunde aus dem Wienersandstein des Leopoldsberges bei Wien“). Zu- nächst berichtete Zugmayer über einen Ammonitenfund. „Der- selbe betrifft einen kleinen, schlecht erhaltenen, gerippten, flachen, ziemlich involuten, nicht näher bestimmbaren Ammoniten, der aber durch Lobenspuren hinreichend als solcher erkennbar ist. Das den- selben umgebende Gestein ist bräunlichgrauer, ziemlich dichter, dick- schieferiger Wienersandstein, mit kleinen, schwarzen, von Pflanzen- resten herrührenden Flecken; sein Fundort, das Ende des kleinen Thaleinschnittes, welcher von der Mitte des Ortes Weidling sich gegen den Leopolds- und Kahlenberg hinanzieht und nach einigen hundert Schritten zwischen Wald- und Weinbergen ausläuft.“ | Ein weiterer Fund, der sich durch Grösse und theilweise vor- treffliche Erhaltung des Objeetes auszeichnet, glückte Zugmayer auf einem Bauplatze in der Nähe des Wiener Nordwestbahnhofes. Hier fand sich auf einem Wienersandstein-Bruchsteine ein Inoceramus „von nicht gewöhnlicher Grösse, fast kreisrundem Umriss und beinahe vollständig. erhaltener Schalensubstanz. Die Schale ist sehr flach, nur in der Wirbelgesend schwach concentrisch gerippt, ungefähr 24 cm hoch und 26 cm breit, mit ziemlich entgegenstehenden, sehr regelmässig concentrisch verlaufenden Streifen bedeckt und von sehr geringer, übrigens nicht ganz gleichmässiger Dicke; die senkrecht- faserige Structur derselben aufs Beste ersichtlich“. Zugmayer be- ‚nannte denselben /noc. Haueri. Als Fundort desselben wurde mit ‚Sicherheit der Steinbruch des Herrn W enisch zwischen Kahlenberger- dorf und Klosterneuburg-Weidling (der zweite vom ehemaligen Bahnhof der Drahtseilbahn stromaufwärts nächst der Cementfabrik gelegene Steinbruch) eruirt. In den folgenden Jahren gelangten von diesem Fundorte noch zahlreiche weitere Exemplare dieser selben Inoceramus- Art in .die Wiener Sammlungen?). In der nächsten Nähe dieses Steinbruches wurde auch ein Fragment einer „austerartigen Muschel* (durch R. Hoernes) gefunden. ‘Ein kleines Stück der Flyschgebilde des Wienerwaldes (die Gegend ‚zwischen Alland und Hainfeld) fiel auch auf das Gebiet, welches Dr. A. Bittner?) im Jahre 1882 beschrieb. Bittner widmet dem Wienersandstein nur einen kurzen Abschnitt seines 2 Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1875, Nr. 15. 2) Stur. Eine flüchtige, die Inoceramenschichten des De: be- treffende Studienreise nach Italien. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1889, 3. u. 4. Heft. ®) Die geologischen Verhältnisse von Hernstein in Ned ereteh Wien 1882, Holzhausen. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (c. M. Paul.) 9 66 C. M. Paul. [14] grossen und inhaltsreichen Werkes. „Die Hauptmasse (des Wiener- sandsteines) in den Nordostalpen muss wohl gegenwärtig nach den spärlichen Petrefactenfunden, die in neuerer Zeit wieder durch einige vermehrt wurden, der Kreideformation zugezählt werden.“ Das vorwiegend südlich (gegen die Kalkzone) gerichtete Einfallen der Wienersandsteinschichten dieser Gegend wird betont, die Grenze zwischen Kalk- und Flyschzone bei Hainfeld auf der Profilkarte als scharfe, senkrechte Bruchlinien eingezeichnet. Weiter erwähnt der Verfasser „die thatsächlich vorhandene Schwierigkeit, die im Vor- gebirge entwickelten Gosauablagerungen mit Schärfe von den Flysch- gesteinen zu scheiden“. Fine engere Gliederung der Wienersandsteine wird nicht versucht. Im Jahre 1885 theilte G. Starkl den Fund eines fossilen Harzes (Copalit) im Wienersandsteine des Rosenthals bei Hütteldorf mit und beschrieb die petrographischen und Lagerungsverhältnisse der betreftenden Localität )). Es folgten nun einige werthvolle Mittheilungen über Fossilfunde im Flysch des Wienerwaldes von H. Keller. Zuerst theilte der Genannte?) den Fund zahlreicher Inoceramen bei Pressbaum (in dem Steinbruche rechts von der Elisabethbahn, kurz ehe man, von Wien kommend, die Station Pressbaum erreicht) mit; dieselben liegen zusammen mit vielen Nemertilites maeandrinus Sav. und Men. und erinnerten Keller an /noc. Oripsi, daher er die bezüglichen Schichten für obercretacisch hielt. Ueber einen weiteren Inoce- ramenfund bei Kilometer 47 der Kahlenberger Zahn- radbahn berichtete Keller im nächsten Jahre); zugleich werden hier die zahlreichen Nemertiliten- und Helminthoidenvorkommnisse aus dem Sieveringer Steinbruche und vom Mühlberge bei Weidlingau beschrieben. Im Jahre 1886 berichtete F. Toula über einen neuen Inoce- ramenfund im Wienersandstein des Leopoldsberges®). Die Fundstelle (nunmehr bereits der fünfte Inoceramenfundort im Wienerwalde) befindet sich an der ehemaligen (jetzt aufgelassenen) Drahtseilbahn auf den Kahlenberg, und zwar „an der nordwest- lichen, zur Donau niederblickenden linken Seite des Einschnittes, etwas oberhalb der Holzbrücke des Klosterneuburger Waldweges, welche darüber hinführt“. Das Gestein ist Sandstein mit Fucoiden- kalkmergeln wechselnd; der Inoceramenfund stammt aus einer an- stehenden Sandsteinschichte. Die Schichten sind steil, beinahe vertical aufgerichtet, „in eigenthümlicher Weise gedreht“ und gestört. Auf den Schichtflächen fand sich neben einigen zerbrochenen Inoceramen- schalen und Östreen (Ostr. semiplana Sow.?) „ein zum grossen Theile mit der Schale erhaltener /noceramus, mit ziemlich derben concen- trischen Runzeln und feiner Zwischenstreifung. Der gerade Schluss- rand ist zum Theile ganz wohlerhalten und lässt die seichten Band- grübchen deutlich erkennen. Dieselben erscheinen etwas weiter und ') Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1883. °) Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1883, Nr. 12. °) Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1884, Nr. 12. *) Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1886, Nr. 6. [15] Der Wienerwald. 67 flacher, als Zittel (Biv. d. Gosaugeb., Taf. XIV, Fig. 14) bei /noe. Öripsi Mant. angibt. In den übrigen Eigenschaften, in Grösse, Form und Wölbung und auch in der Runzelung der Schale würde unser Exemplar mit der eitirten obercretacischen Form, und zwar mit der von Zittel als var. typic« bezeichneten Form recht wohl überein- stimmen, wenngleich die Runzelung gegen den Hinterrand zu bei unserem Exemplare noch weniger scharf erscheint.“ Am selben Tage fand Toula auch oberhalb des „grünen Kreuzes“ am Fahrwege auf den Kahlenberg eine ähnliche Ostraea. Eine noch wichtigere Mittheilung machte Prof. Toula über einen „Ammonitenfund (Acanthoceras Mantelli Sow.) im Wiener- sandstein des Kahlengebirges bei Wien“). Der Fundort ist „etwas unterhalb. des Einschnittes der ehemaligen Drahtseilbahn“, oberhalb des Gasthauses Mondl’s, also unweit der vorerwähnten Fund- stelle, ohne mit derselben identisch zu sein. Die Lagerung wird als eine stark verbogene, mit mehrfachem Wechsel des Streichens an- gegeben. „Die Schichten sind hier ziemlich dünnplattige, gelblich- braun gefärbte Sandsteine mit Hieroglyphen auf der oberen Seite.“ Etwas tiefer als die Schiehte mit den Ammoniten wurde ein Inoce- ramenbruchstück gefunden. Der Ammonit konnte „mit ziemlicher Sicherheit“ als Ac. Mantelli Sow. bestimmt werden (am nächsten übereinstimmend mit einem Exemplare des naturhistorischen Hof- museums aus dem „Lower Chalk* von Dower) und spricht mit Wahrscheinlichkeit für Obercenoman. Diese Ammonitenfunde Toula’s und Zugmayer’s (der Redtenbacher’sche muss wegen Unsicher- heit des Fundortes ausser Betracht bleiben) haben eine besondere Bedeutung, da nach denselben wohl niemand mehr an dem creta- eischen Alter der so zahlreichen, in denselben Schichten liegenden Flysch-Inoceramen wird zweifeln können. In derselben Notiz theilte Toula auch den Fund einer Alveolina oblonga Desh. im nummuliten- führenden Greifensteiner Sandstein bei Höflein mit, und erwähnte, dass M. v. Hantken von dieser Localität Num. striata d’Orb. und Num. contorta d’Arch. bestimmt habe. Während durch die erwähnten Mittheilungen (bei denen es sich nicht mehr um undeutliche oder unsichere, sondern um wohl- erhaltene, von zahlreichen Fundorten, und aus echten, typischen, anstehenden und weitverbreiteten Flyschgesteinen stammende creta- eische Funde handelte) der wirklich als alttertiär zu deutende Theil unserer Wienersandsteine für jeden unbefangenen Beurtheiler sehr bedeutend eingeengt und dadurch unser Verständniss der Stratigraphie der Wienersandsteine wesentlich gefördert wurde, waren indessen von anderer Seite auch die genetischen und tektonischen Verhältnisse unserer in Rede stehenden Gebilde, sowie die in denselben auftretenden Einschlüsse altkrystallini- scher Gesteine in Erörterung gezogen worden. Unter dem Titel „Ueber die Natur des Flysches“ hatte Th. Fuchs?) eine Abhandlung veröffentlicht, welche in dem Satze !) Neues Jahrb. für Mineralogie ete. 1893, Bd. II. ?) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Bd. LXXV, I. Abth., Märzheft 1877. 9% 68 C. M. Paul. 1 6] gipfelt, „dass der ganze Complex von charakteristischen Eigenthüm- lichkeiten, welche die Flyschbildungen aufweisen, sich nur unter dem Gesichtspunkte vereinigen lassen, dass man den gesammten Flysch nicht für eine Detritusbildung, sondern für das Produet eruptiver Vorgängeerklärt, deren beiläufiges Analogon in der Jetztzeit die sogenannten Schlamm- vulkane darstellen“. In einer zweiten Mittheilung: „Ueber den Flysch und die Argille scagliose* !) modifieirte er diese Ansicht etwas. „Die Argille scagliose*, heisst es hier, „verhalten sich zum Flysch genau so, wie nach v. Richthofen die ZAhyolite zum eigentlichen Trachyt.“ Der Flysch sei „ähnlich wie der Trachyt mit seinen Tuffen aus Masseneruptionen hervorgegangen und setzt selbst- ständig ausgedehnte Gebirgssysteme. zusammen“, während die Argilie scagliose, die mehr local auftreten, den Eindruck machen, „als ob sie durch Zertrümmerung, Auflösung und Umformung des Flysches her- vorgegangen wären“ und „die grösste Aehnlichkeit mit den noch jetzt thätigen Schlammvulkanen“ zeigen. Ich habe mich bemüht, die Gründe, die Fuchs für diese eigenthümlichen Ansichten beibringt, in einer speciellen Arbeit ?) möglichst eingehend und objectiv zu beleuchten, daher ich hier auf den Gegenstand nicht weiter einzugehen brauche. Ich will nur kurz erwähnen, dass ich mich genöthigt sah, diese Ansichten vollständig abzulehnen, wobei ich mich auch der Zustimmung der gewiegtesten Fachgenossen zu erfreuen hatte °). Die Tektonik der Wienersandsteinzone bespricht F. v. Hauer kurz in seiner „Geologie“ %) und gibt hier von derselben auch eine schematische Skizze. Wir haben es „in der ganzen Zone der Wienersandsteine wohl vielfach mit sich wiederholenden, völlig zu- sammengebogenen und überkippten Falten zu thun“*. Die Falten erscheinen bei vorwiegend südlichem Fallen der Schichten meist gegen Norden übergeneigt; die Wienersandsteinschichten fallen oft an der Südgrenze der Zone scheinbar unter die älteren Alpenkalke ein, sowie sie häufig im Norden — ebenso scheinbar -- von nummu- litenführendem Eocän unterteuft werden. Für die wirkliche Existenz des Faltenbaues, bei dem dieselben Schichtglieder wiederholt in Parallelzügen an der Oberfläche erscheinen, führt v. Hauer unter Anderm die Breite der Zone an. Man würde, „wollte man die in irgend einem Querschnitt entlang der ganzen Breite der Sandstein- zone über einander folgenden Schichten in der That als stets jüngere und jüngere Gesteine betrachten, eine Gesammtmächtigkeit der Ab- lagerung erhalten, die allen sonstigen Erfahrungen über die Mäch- tigkeit gleichartiger Schichteneomplexe widerspricht“. Die Art, wie die Grenze zwischen Wienersandstein und Nummulitenschichten im Norden der Sandsteinzone auf der schematischen Skizze gezeichnet ist, scheint mir das thatsächliche Verhältniss dieser beiden Glieder, !) Ebenda, Octoberheft 1877. ?) Ueber die Natur des karpathischen Flysches. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1877, 4. Hft. °») Vergl. F. v. Hauer, Die Geologie etc. II. Auflage, Wien 1878, pag. 514. *) Ebenda, pag. 563. 17] Der Wienerwald. 69 sowie die bezügliche Ansicht des Autors selbst, nicht gut zum Aus- drucke zu bringen. Wir sehen auf dieser Zeichnung den Wiener- sandstein mit einer Synklinale auf den Nummulitenschichten auf- liegen ; die Fortsetzung dieser letzteren könnte nach dieser Darstel- lungsweise nur unter allen Flyschsynklinalen, also im wirklichen, nicht im scheinbaren Liegenden der Wienersandsteine gedacht werden ; diese müssten sonach durchaus jünger sein, als die Nummuliten- schichten. Dies entspricht aber durchaus nicht der wirklichen An- sicht v. Hauer’s, der im Texte (l. c. pag. 510) einen Theil des Wienersandsteines ausdrücklich als eretacisch erklärt und denselben auch unter dem Capitel „Kreideformation* abhandelt. Wir haben es also bei dieser graphischen Skizze wohl mit einem übersehenen Missver- ständnisse des Zeichners zu thun. Ueber ‚„altkrystallinische Gesteineim Wiener- sandsteine“ berichtete FL. Berwertht). Diese Vorkommnisse (die sogenannten „exotischen Blöcke“), die vorwiegend in der Gegend des Troppberges bei Gablitz auftreten und schon früher von Morlot, Cz2jZek und v. Hauer erwähnt worden waren, werden als Quarz- diorit, Biotit-Amphibolgneiss und Biotitgneiss bestimmt und mit Sicherheit als in den Sandstein eingeschwemmte Blöcke bezeichnet. Sie sind von den sogenannten „blauen Hartkugeln“, welche nur concretionäre Sandsteinbildungen sind, zu unterscheiden. Die Frage nach der Heimat der exotischen Blöcke wird offen gelassen, da erst der Nachweis des Vorkommens gleichartigen Gesteinsmaterials im böhmischen Massiv (an welches man bezüglich der Provenienz dieser Vorkommnisse zunächst zu denken geneigt wäre) erbracht werden müsste. In derselben Arbeit theilt Berwerth auch einen neuen Nummulitenfund am Steinhartberge zwischen Rekawinkel und Eich- graben mit. Sehr überraschend musste nach allen vorliegenden Fossilfunden, tektonischen Daten und Analogien mit anderen Flyschgebieten die stratigraphisch-tektonische Grundanschauung erscheinen, die D. Stur in seiner „geologischen Specialkarte der Umgebung von Wien“ ?) zum Ausdrucke brachte. Nach dieser Karte wäre unser Wienersandsteingebiet überhaupt gar kein Faltengebirge. Von einem wiederholten Wiederauftauchen derselben Bildungen in parallelen Faltenaufbrüchen, wie es von allen anderen Autoren und in allen anderen Flyschgebieten als der herrschende tektonische Charakter der ganzen alpin-karpathischen Sandsteinzone constatirt wurde, ist hier nichts zu sehen. Die gesammte Breite der Zone (hier eirca 7—18 Kilometer) ist vielmehr als eine regelmässig übereinander liegende Lagerfolge von drei Alttertiärgliedern aufgefasst, von denen das älteste (Stur’s Wolfpassinger Schichten) im Norden, das mittlere (der Greifensteiner Sandstein) in der Mitte, das jüngste (Stur’s Bunte Schiefer und Sandsteinschichten) im Süden der Zone ent- wickelt ist. Die „Inoceramenmergel und Sandsteine* (die im. Ver- !) Annal. d. Naturhist. Hofmuseums, Bd. V, Hft. 3, 1890. ?) Aufgenommen 1889/90, herausgegeben nach dem Tode des Autors von der k. k. geol. R.-A., Wien 1894. 70 C. M: Paul. [18] hältnisse zum Alttertiär in verschwindend geringer Ausdehnung, und beinahe nur dort, von wo Kreidefossilien vorliegen, ausgeschieden sind) erscheinen aus dem erwähnten jüngsten Alttertiärgliede ganz unregelmässig, klippenförmig auftauchend. Es war mir die Aufgabe zugefallen, mit Benützung eines von Stur zurückgelassenen fragmentarischen Manuscriptes, die Erläute- rungen zu dieser Karte (insoweit sich dieselbe auf das Wienersand- steingebiet bezieht) zusammenzustellen, und ich habe schon bei dieser Gelegenheit einigen Bedenken gegen diese Auffassungsweise Aus- druck gegeben. In der That würde unser Wienerwald nach derselben im Vergleiche mit allen anderen Theilen der alpin-karpathischen Flyschzone eine sehr merkwürdige Anomalie darstellen. Der ober- österreichische und Salzburger Flysch kann nach den vorliegenden zahl- reichen Inoceramenfunden, nach seinemVerhältnisse zu den Nierenthaler Schichten etc. seiner Hauptmasse nach nur als eretacisch aufgefasst werden, und wird auch thatsächlich von allen Forschern, die sieh neuerer Zeit mit demselben beschäftigten, so gedeutet. Der Karpathen- sandstein enthält zwar wirklich viel Alttertiär, dagegen ist ein klip- penförmiges Auftreten der Oberkreide hier nirgends nachgewiesen worden. Es hatte sich zwar, wie bekannt, zwischen Prof. Uhlig und mir eine Controverse darüber entsponnen, ob der cretacische Theil des Karpathensandsteines zum Theile auch der Unterkreide oder sanz der Oberkreide zuzuweisen sei; dass aber mindestens die Ober- kreide ein integrirender Bestandtheil der Karpathensandsteinreihe sei, darüber besteht auch zwischen Uhlig und mir keine Meinungs- verschiedenheit, und eben dasselbe geht auch aus den bezüglichen Arbeiten von Tietze, Vacek etc. hervor. Nachdem nun die Stur’sche. Auffassung und kartographische Einzeichnung weder nach Westen noch nach Osten hin mit den aus den übrigen Flyschge- bieten vorliegenden Resultaten auch nur annäherungsweise in Ueber- einstimmung zu bringen war, so lag wohl das Bedürfniss nahe, diese Frage durch eine Neuaufnahme des Gebietes der Klärung näher zu bringen. Mit dieser Aufgabe wurde ich von der Direction der k. k. geol. Reichsanstalt betraut, und die Hauptresultate der bezüglichen Neuaufnahmen sind es, welche in der vorliegenden Arbeit kurz mit- getheilt werden sollen. Bevor ich jedoch zur Mittheilung dieser von den Stur’schen Anschauungen sehr wesentlich abweichenden Resul- tate übergehe, sind noch einige neuere, nach der Stur’schen Karte veröffentlichte Mittheilungen, die auf unser Gebiet Bezug nehmen, hier zu erwähnen. Zunächst muss hier der geistvollen und interessanten Studien gedacht werden, die Th. Fuchs bezüglich der Entstehungsart der Fucoiden und Hieroglyphen veröffentlichte }). Der bis nun allgemein angenommene pflanzliche Ursprung der Fucoiden wird von dem genannten Autor gänzlich geleugnet; die häufigsten der- selben, die Chondriten, werden als ein System verzweigter, hohler !) Sitzungsber. d. k. Akademie. Bd. CII, Abth. I, 1893; Bd. CIII, Abth: I, 1844; Bd. CIV, Abth. I, 1895. Denkschr. d. k. Akademie. Bd. LXII, 1895. Vgl. auch Zimmermann, Naturw. Wochenschr., Dümmler’s Verlag, Berlin, Bd. VIIL., Nr. 16 und Ba. IX., Nr. ’80, [19] Der Wienerwald. 71 Gänge aufgefasst, welche sich nach oben öffneten und von oben mit dem Materiale der darüber liegenden Schichte ausgefüllt wurden; die sogenannten „Hieroglyphen“ werden vorwiegend als Flusswülste, als Abgüsse vertiefter „Kriechspuren“, zum Theile auch als Schnecken- laich gedeutet. Als Hauptargument wird bezüglich der Fucoiden namentlich wiederholt auf den Umstand hingewiesen, dass dieselben nicht, wie es bei Algen sein müsste, mit ihren Verästelungen nach aufwärts, sondern nach abwärts im Gestein stecken, und zum Beweise, dass man diesbezüglich nicht durch überkippte Lagerung getäuscht sein könne, wird dann wieder das Vorkommen der Hieroglyphen auf der Unterseite der Schichten, wo sie als Abgüsse von Kriech- spuren bei normaler Lagerung erscheinen müssen, herangezogen. Mit diesem letzteren Beweismittel scheint man nun aber wohl etwas zu weit zu gehen. Sind auch viele Hieroglyphen, wie nicht geleugnet werden soll, solche Kriechspuren, so sind es doch nicht alle; und solche, die anderen, meistens noch ganz dunklen Ursprunges sind, können ebensowohl auch auf der Oberseite der Schichten vorkommen. Auf die diesbezüglichen Angaben Fuchs’ kann schon deshalb kein besonderes Gewicht gelegt werden, weil sich dieselben zum Theile direct widersprechen. So sagt Fuchs z. B. an einer Stelle'): „Die Zopfplatten des Lias und Dogger, sowie alle ähnlichen Bildungen treten immer auf der Unterseite der Bänke auf.“ An einer anderen Stelle?) heisst es aber: „Die im braunen Jura so häufigen, unter dem Namen Gyrochorda bekannten gegliederten Wülste (Zopf- platten) treten in der Regel nicht auf der unteren, sondern auf der oberen Seite der Schichten auf.“ Es wird also hier, wie es scheint, mit der Kritik und Sichtung der zur Stütze der verschiedenen neuen Theorien herangezogenen sogenannten Beobachtungsdaten nicht allzu genau genommen, und es ist daher wohl auch einige Reserve bezüglich anderer derartiger Angaben nicht ganz unberechtigt. Ich selbst habe in einem Steinbruche bei Pressbaum (s. spec. Th. vorl. Mitth.) Hieroglyphen — wenn auch von verschiedener Schärfe der Ausprägung — auf beiden Seiten der Schichten beobachtet und das- selbe beobachtete v. Hauer bei Kierling (Eocängebiet, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1858). Man kann daher keinesfalls ein ausschliess- liches “Vorkommen hieroglyphenartiger Reliefs an der Unterseite der Schichten als Axiom annehmen und aus demselben sichere Schlüsse auf normale oder überkippte Lagerung ziehen. Damit fällt — nament- lich bei der grossen Häufigkeit überkippter Lagerung im Flysch- gebiete -- wohl ein grosser Theil der aus der Stellung der Fucoiden im Gestein geschöpften Argumente. Uebrigens werden auch die Fuchs’schen Ansichten über die Flyschfucoiden dermalen noch nicht von allen Fachgenossen vollinhaltlich getheilt?), und ich glaube daher, ohne der bezüglichen genetischen Frage präjudieiren !) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch., Nov. 1893, pag. 557. ?) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch., Jänner 1895, pag. 7. ®) So wird z. B. von E. Suess in seiner "neuesten Arbeit („Der Boden der Stadt Wien und sein Relief“, Sep.-Abdr. aus „Geschichte der Stadt Wien“, hrsg. ‘v: Alterthumsvereine zu Wien 1897) eine Abbildung von Flyschfucoiden von Kahlen- bergerdorf mit der Unterschrift „Meerespflanzen® gegeben. 72 C. M. Paul. [20] zu wollen, die althergebrachten Bezeichnungen derselben als Chon- driten ete., die bei Acceptation des Fuchs’schen Standpunktes con- sequenter Weise ganz in Wegfall kommen müssten, vorläufig als kurzes Verständigungsmittel beibehalten zu sollen. Eine interessante Arbeit veröffentlichte 1895 Dr. K. A. Redlich über einen Ptychodus- Zahn im Wienersandstein von Hüttel- dorf). Der Zahn wird als Ptych. granulosus n. sp. bezeichnet und da alle bis jetzt gemachten Pfychodus-Funde der oberen Kreide an- gehören und speciell Ptych. polygyrus Ag., dem die Hütteldorfer Art am nächsten steht, allenthalben im Turon und Senon vorkommt, so wird dieser Theil des Wienersandsteins ebenfalls der Oberkreide zu- gezählt. Wir werden auf diese Arbeit bei Besprechung der bezüg- lichen Localität zurückkommen. Ueber die Klippe von St. Veit bei Wien veröffentlichte neuestens Dr. Egbert von Hochstetter?) eine eingehende Mono- graphie, die hier erwähnt werden muss, da die besprochene Localität mindestens räumlich in das Gebiet des Wienerwaldes fällt, , wenn auch die diese ältere Gesteinsinsel zusammensetzenden triadischen und jurassischen Bildungen dem Complexe des Wienersandsteins (nach der gegenwärtig üblichen Fassung dieses Begriffes) nicht zu- gehören. Auf den inneren Bau, die Fossilführung ete. der .in Rede stehenden Klippeninsel brauche ich, unter Hinweis auf diese Publi- cation, in vorliegender Mittheilung nicht weiter einzugehen; über die Lagerung des die Juraklippe randlich begleitenden Neocomiens, das uns hier näher interessirt, werden bei Besprechung der Gegend von ‘St. Veit. noch einige Bemerkungen Platz finden. Wenn ich nun noch die vorläufigen Reiseberichte erwähne, die ich selbst in unseren „Verhandlungen“ über die Hauptresultate meiner bezüglichen Studien gab ?), so dürfte damit die Reihe der Original- Mittheilungen, die bis heute (1897) über die Sandsteinzone des Wiener- waldes vorliegt, so ziemlich erschöpft sein. | Specieller Theil. 1. Der Donaudurchbruch zwischen Greifenstein und Nussdorf. Wie allgemein bekannt, durchfliesst die Donau mit ungefähr westöstlichem Laufe das Tullnerfeld, ändert bei Greifenstein und Höflein diese Richtung in eine südöstliche, durchbricht von hier in einem Querthale die nordöstlichen Ausläufer der alpinen. Sandstein- zone und tritt bei Nussdorf in das inneralpine Wienerbecken ein. !) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1895, Heft 2. ?) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1897, Heft 1. -®) Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1895, Nr. 6; 1895, Nr. 10; 1896, Nr. 3; :1896, Nr. 11; 1897, Nr. 2 u. 3; ausserdem in den Jahresber. d. Direction d. k. k. geol. R.-A. 1895, 1896 u. 1897. Kren [21] Der Wienerwald. 73 Die zahlreichen, leicht zugänglichen Aufschlüsse dieses Donau- durchbruches zogen begreiflicherweise stets die Aufmerksamkeit der Wiener Geologen auf sich, und die (in der voranstehenden Ein- leitung eitirten) Mittheilungen von v. Hauer, Keller, Toula, Woldrich, Zugmayer etc. bezogen sich zum grossen Theile auf dieselben. Wir wissen aus den erwähnten Mittheilungen schon seit längerer Zeit, dass die Flyschgesteine des Höhenzuges Leopoldsberg-Kahlenberg durch die Funde von Acanth. Mantelli und zahlreichen Inoceramen als Oberkreide charakterisirt sind, dass dagegen die im nördlichen Theile des Durchschnittes bei Höflein und Greifenstein entwickelten Sandsteine nummulitenführend, somit dem Alttertiär zuzuweisen sind, und dass die letzteren mit südöstlicher B allrichtung widersinnig gegen die Kreidegesteine einfallen. Der Durchschnitt lehrt aber, Hirte etiih bei Combination der Aufschlüsse beider Thalseiten, noch mehr; er lehrt uns das relative Niveau einzelner Wienersandstein-Glieder kennen, bildet dadurch in mancher Beziehung geradezu ein Normalprofil für den Wienerwald, und muss daher hier wohl noch einmal kurz besprochen werden, weniger um zahlreichere neue Details hinzuzubringen, als vielmehr der Ergebnisse wegen, die sich aus den sich hier darbietenden Einzelbeobachtungen ziehen lassen. Von Süden ausgehend, erreicht man die Grenze des Wiener Neogenbeckens gegen das Wienersandsteingebirge an der längs der Franz Josefsbahn führenden Hauptstrasse, unmittelbar nach den nörd- lichsten Häusern von Nussdorf )). Was wir von hier bis Kahlenbergerdorf am Ostgehänge des Nussberges und Burgstallberges, westlich von der Strasse, sehen, sind durchgehends Gesteine, die mit den Inoceramen und Ammoniten führenden Gesteinen des Leopoldsberges petrographisch vollkommen übereinstimmen, und daher jedenfalls mit diesen identisch sind. Auch Stur giebt dieselben auf seiner Karte (wenn auch mit anderer Begrenzung gegen Westen) als „Inoceramenschichten* an. Die Gesteine sind Sandsteine und Mergel. Die ersteren sind entweder plattig und dann auf den Schiehtflächen mit zahlreichen Glimmer- blättchen bedeckt, oder mehr compact, mit Kalkspathadern durch- zogen. Häufig erscheinen auch ganz dünnblättrige, harte Sandstein- schiefer. Einige Lagen sind grobkörnig. Hieroglyphen sind ziemlich häufig; ich fand darunter Formen, die nicht nur Reliefs auf den Schichtflächen, sondern stengelförmige Gebilde mit kreisförmigem Querschnitt darstellen, die aus einem etwas abweichenden, weicheren Sandsteinmateriale bestehen, beim Schlagen leicht ganz von der ') Das ehemalige Dorf Nussdorf ist gegenwärtig der Wiener Stadtgemeinde zugezogen und mit den Ortschaften Heiligenstadt, Döbling, Sievering , Grinzing, Kahlenbergerdorf und Josefsdorf zum XIX. Wiener Gemeindebezirke” „Döbling“ vereinigt. Da jedoch die alten Ortsnamen noch allgemein spracheebräuchlich sind, auf den bei meinen Aufnahmen benützten Specialkarten des k. u. k. militär- geographischen Institutes eingetragen sind, und eine raschere Auffindbarkeit der berührten Localitäten ermöglichen als die Ziffern der umfangreichen Wiener Gemeindebezirke, so glaubte ich die ersteren, wenn sie auch bereits einigermassen veraltet sind, hier in Anwendung bringen zu sollen. Jalırbuch d. k. k. geel. lteichsanstalt, 1893, 48. Band, 1. Heft. (C. M Paul.) 10 74 C. M. Paul. [22] Gesteinsfläche abfallen und sicher keine Fährten sein können. Sie finden sich mit den gewöhnlichen Reliefhieroglyphen vergesellschaftet vor. Ebenso finden sich hier ziemlich häufig die vielfach verschlungenen, dermalen als Frassspuren von Gastropoden gedeuteten Zeichnungen, die man sonst als Helminthoidea, Nemertilites ete. zu bezeichnen pflegte. Mit den Sandsteinen stehen vielfach Mergelbänke in Wechsel- lagerung, und zwar scheinen diese gegen unten, die Sandsteine gegen oben vorzuherrschen. Die Mergel sind meistens grau oder bläulich- grau und schieferig oder splitterig; der Uebergang derselben durch Zunehmen des Kalkgehaltes in muschelig brechende Kalkmergel (hydraulische Mergel, Ruinenmarmore), wie sie sonst an anderen Localitäten der obercretacischen Wienersandsteine allerorts auftreten und geradezu als charakteristisch für dieses Niveau bezeichnet werden können, ist hier nur selten und in geringerem Masse, aber doch stellenweise deutlich genug zu beobachten. In den Mergeln, sowie auf den Sandsteinschiefern sind Flysch- fucoiden häufig; ich fand hier: Chondrites Vindobonensis var. cupressi- formis Ett., Ch. Vindobonensis var. intricatus Ett. und Ch. Vindobonensis vor. Targionii Ett. Woldrich!) erwähnt auch von hier das Vor- kommen von Sphärosideritconeretionen in den Schiefern. Die Schichtenlagerung ist auf der Strecke von Nussdorf bis Kahlenbergerdorf ziemlich undeutlich; zuerst, an der Grenze des Neogen, scheinen die Schichten (wie auch Woldrich einzeichnet) ziemlich horizontal zu liegen, bald aber zeigen sich bis Kahlenberger- dorf mehrfache wellenförmige Biegungen. An der grossen Entblössung (ungefähr in der Mitte zwischen Nussdorf und Kahlenbergerdorf) zeigen die Schichten im Allgemeinen eine Tendenz zu süd-südöstlicher Neigung, sie sind hier in den höheren, mehr sandigen Partien flach wellig gebogen, weiter unten in dünner geschichteten, schiefe- rigen Gesteinen zuweilen zu ziemlich scharfen Falten zusammen- seschoben. Der Uebergang zwischen den beiden Faltungsformen ist jedoch ein allmäliger, so dass zwischen den oberen und den unteren Lagen keine wirkliche Discordanz besteht. An der Strasse selbst nicht aufgeschlossen, aber doch in ziem- licher Nähe des Donaudurchbruches, nämlich östlich neben dem Meierhofe „Eichelhof“, unmittelbar an der Grenze zwischen Neogen und Wienersandstein, treten rothgefärbte Schiefer auf, von denen man zwar hier an der Oberfläche nicht viel anstehen sieht, die aber bei einigen Brunnengrabungen aus der Tiefe heraufgebracht wurden. Sie bilden hier jedenfalls das erste Wienersandstein-Glied an der Grenze des Neogenbeckens. Von ihrer Lagerung und ihrem Ver- hältnisse zu dem Schichteneomplexe, den wir soeben beschrieben und den Inoceramenschichten des Leopoldsberges parallelisirt haben,, ist hier nichts zu sehen. Woldrich zeichnet auf seinem Durchschnitte diese rothen Schiefer- am Nussberge als eine flache Lage ungefähr in der Mitte unserer Inoceramenschichten ein, ein Verhältniss, was ich allerdings weder hier, noch sonst irgendwo im Wienersandstein- - ‘) Die näheren Citate der hier im spee. Theil erwähnten älteren Publicationen siehe Einleitung. es 72 ; . } { ec a 4 [23] Der Wienerwald. 75 gebiete bestätigt fand. Sollte diese Einzeichnung wirklich auf einer sicheren Beobachtung beruhen, dann müsste wohl entweder der darüber oder der darunter liegende Theil von den Inoceramenschichten ‚getrennt werden. Es ist übrigens zu bemerken, dass Woldrich weiter sagt: „Am nördlichen Abhange des Nussberges erscheinen die Schichten gehoben und von denen des anstossenden Hügels abgebrochen. Man kann fast Schicht für Schicht in derselben Höhe auf beiden Seiten verfolgen, und als einst zusammenhängend er- kennen.“ Es ist nun sehr auffallend, dass an der dem Nussberge zugekehrten Seite dieses anstossenden Hügels, wo eben die Schichten des Nussberges, wie Woldrich ganz richtig bemerkt, sich vollständig wiederfinden und sogar wiederfinden müssen, gerade die auffallendste dieser Schichten, die rothen Schiefer, die man selbst bei mangel- haftestem Aufschlusse an der Farbe des Humus erkennt und gar nicht übersehen kann, vollständig fehlt, und auch von Woldrich hier nieht angegeben wird. Die Einzeichnung der rothen Schiefer als eine etwa die Mitte des Nussberges durchsetzende Schicht beruht hiernach wohl jedenfalls auf einem Irrthume. Ebenso ist die Wol- drich’sche Angabe von Leithakalk an der Spitze des Nussberges nicht richtig. Woldrich meint mit diesem Leithakalkvorkommen zweifellos dasjenige, auf dem der Eichelhof liegt; dies ist aber nicht die Spitze des Nussberges, sondern nur eine kleine Vorstufe am Süd- sehänge dieses Berges. Die Höhe des Nussberges selbst fällt bereits sanz in das Wienersandsteingebiet. —— Ebensowenig als mit dem Woldrich’schen Profile .konnte ich mich mit den kartographischen Darstellungen der hier in Rede stehenden Gegend auf den geologischen Karten der Umgebung Wiens von Fuchs (1875) und Stur (1894) vollkommen befreunden. Fuehs unterscheidet in dem auf seine Karte fallenden Flysch- gebiete „Wienersandstein“ und „hydraulische Mergel“, begreift aber unter letzterer Bezeichnung nicht nur die echten hydraulischen Kalk- mergel, sondern so ziemlich alle mergelig-schieferigen Gebilde des Wienersandstein-Complexes. Nun ist aber ein Wechsel von Sandstein- und Mergelschichten ein allgemeiner Charakter der ganzen Flysch- gruppe, jedes Niveau hat seine Sandstein- und seine Mergelfacies. Wenn man nun einerseits Sandsteine, andererseits Mergel ganz ver- schiedener Niveaus zu zusammenhängenden Zügen verbindet, so kann eine derartige kartographische Ausscheidung (wie jede rein petro- graphische) den stratigraphisch-tektonischen Bau eines Gebietes un- möglich richtig zum Ausdrucke bringen. Mit Stur’s Darstellung des in Rede stehenden Gebietes auf seiner geologischen Specialkarte (Blatt II) stimme ich nur insoferne überein, als wir Beide die am Ostgehänge des Nussberges und Burg- stallberges zwischen Nussdorf und Kahlenbergerdorf an der Strasse anstehenden Gesteine dem obercretacischen Theile des Wienersand- stein-Complexes zurechnen. Stur zeichnet jedoch diese Partie als eine von NNW nach SSO (also geradezu senkrecht auf das allgemeine Gebirgsstreichen) gestreckte Klippe ein, während ich in derselben nichts anderes erkennen konnte, als einen der gewöhnlichen, südwest- lich oder westsüdwestlich streichenden Parallelzüge des Wienersand- 10* 76 C. M. Paul. [24] steins, der hier an der Donau abbricht. Ich konnte zwar leider, der Terrainverhältnisse wegen, ebensowenig als Stur unsere frag- liche Gesteinspartie direct gegen Westen oder Südwesten verfolgen, doch erwies sich das Schichtenstreichen in derselben durchaus als ein ostwestliches oder ostnordost - westsüdwestliches; nirgends ist nordsüdliches oder nordnordwest - südsüdöstliches Streichen (wie es der Stur’schen Auffassung entsprechen würde) zu beobachten. Auch findet sich, wie wir später sehen werden, in dem nächsten, kaum 1°5 Kilo- meter entfernten Paralleldurchschnitte (an der Strasse von Nussdorf auf den Kahlenberg) die Fortsetzung unserer Gesteinspartie mit dem- selben Schichtenstreichen und genau an derjenigen Stelle, wo sie unter Zugrundelegung meiner Anschauungsweise gesucht werden muss, vor; die von mir an der Stur’schen Einzeichnung vorgenommene Aenderung ist daher wohl einigermassen begründet und keinesfalls willkürlich. Weit instruetiver und interessanter als der bisher betrachtete Theil des Donauprofiles ist derjenige bei Kahlenbergerdorf und von hier donauaufwärts. Westlich von Kahlerbergerdorf, in der Depression zwischen dem eben berührten Burgstallberge und dem Höhenzuge Leopoldsberg-—-Kahlenberg, finden wir Gesteine entwickelt, die von den bis jetzt erwähnten (den Inoceramenschichten zuge- zählten) sehr merklich abweichen. Neben verschiedenartigen, minder charakteristischen Sandsteinvarietäten findet sich hier: dunkelgrauer bis tiefschwarzer, seidenglänzender oder lebhaft glasglänzender, sehr dichter und feinkörniger Sandstein ohne Spathadern (wir werden den- selben in Hinkunft als „schwarzer, glasiger Sandstein“ bezeichnen); dunkler, zuweilen grüner Sandstein mit Caleitadern ; dunkle Sandstein- schiefer mit dünnen, meist geradlinig verlaufenden Kalkspathadern; einzelne dünne Lagen von hellem Mergelkalk und dunklerem Mergel mit einigen seltenen Fucoidenspuren; rothe Schieferthone mit Bänken von dünnem, hieroglyphenreichem, ebenfalls rothgefärbtem Kalksand- stein (namentlich an der kleinen Terrasse an der Strasse, unmittelbar unterhalb des steileren Anstieges des Leopoldsberges); endlich ein besonders charakteristischer schwarzer oder dunkelbrauner, glanzloser Sandstein mit scharfkautigem, splitterigem Bruch, der mit Kalkspath- adern derart durchsetzt ist, dass die letzteren der Sandsteinmasse gegenüber an einzelnen Stellen beinahe prävaliren. Man könnte sich versucht fühlen, dieses Gestein seines von anderen Sandsteinen sehr abweichenden Ansehens wegen als Quarzit zu bezeichnen, doch wäre dies nach der eingehenden chemischen und mikroskopischen Unter- suchung, die Herr v. John auf meine Bitte in unserem Laboratorium durchführte, nicht richtig. Herr v. John theilte mir darüber freund- lichst die folgende Notiz mit: „Das Gestein kann wohl am besten als ein schwarzer, dichter Sandstein mit Caleitadern bezeichnet werden. Es macht den Eindruck, als ob der schwarze, dichte Sand- stein durch Druck in einzelne unregelmässig begrenzte Stückchen zerbrochen worden wäre und zwischen diesen dann nachträglich kohlensaurer Kalk, meist in Form von Adern, an den entstandenen Sprüngen sich abgelagert hätte, wodurch dann wieder eine Art Ver- kittung des Gesteins erfolgt wäre. Die schwarzen Partien des Gesteins [25] Der Wienerwald. 77 zeigen im Dünnschliff zahlreiche kleine Quarzkörner, die durch eine kieselig-thonige, eisenschüssige Bindemasse fest verkittet erscheinen. Sie sind also unbedingt als Sandstein zu bezeichnen. Eine Kiesel- säurebestimmung in diesen schwarzen Partien, die aber doch noch an feinen Sprüngen kohlensauren Kalk enthielten, ergab 76'650), Kieselsäure, welcher Kieselsäuregehalt sich, auf den reinen Sandstein bezogen, natürlich noch höher stellen würde. Ausserdem ist noch ziemlich viel Eisen und Thonerde vorhanden.“ Wir werden das Ge- stein in Hinkunft „schwarzer splitteriger Sandstein mit CGaleitadern“ nennen. Alle die erwähnten Gesteinsvarietäten finden sich auf ganz engem Raume beisammen, an den Rändern der Weingartenwege etc. in kleinen Partien anstehend oder auf den Feldern in ausgewitterten und ausgeackerten Stücken untereinander gemischt vor. Sie bilden ganz sicher einen zusammengehörigen Complex und wir werden auch dieselben Gesteine ganz in derselben Vergesellschaftung auf meilenweite Erstreckung gegen Südwesten im Streichen derselben Gesteinszone immer wiederfinden. Die Schichten fallen bei Kahlen- bergerdorf deutlich nach NW, also unter die den Leopoldsberg zu- sammensetzenden Lagen ein. Mit dem Steilanstieg des Leopoldsberges (der sogenannten „Nase“) erreichen wir nun wieder den Complex der „Inoceramen- schichten“, und zwar sind eben die den Leopoldsberg und Kahlenberg zusammensetzenden Gesteinsbildungen diejenigen, die durch das hier verhältnissmässig häufigere Vorkommen der Inoceramen zu dieser Be- zeichnung Veranlassung gaben und gewissermassen den Typus der Abtheilung darstellen. Zunächst über den rothen Schiefern und Kalksandsteinen von Kahlenbergerdorf folgen graue Mergel, die wie die ersteren nord- westlich einfallen und denen sich bald in vielfachen Uebergängen und Wechsellagerungen die lichten, ‚muschelig brechenden, hydrau- lischen Kalkmergel (Ruinenmergel, Ruinenmarmore), sowie kalkige Sandsteine und glimmerreiche, plattige Sandsteine und Sandstein- schiefer zugesellen. Der schwarze, splitterige Sandstein, der dunkle, glasige Sand- stein, die rothen Schiefer ete., wie wir sie südlich unterhalb des Leopoldsberges bei Kahlenbergerdorf sahen, fehlen hier gänzlich. Alle Mergelvarietäten und Schiefer am Ostabhange des Leopolds- berges sind sehr fucoidenreich und wir finden hier namentlich die- selben Chondriten und Frassspuren (Helminthoiden), wie am Nussberge, in zum Theile ausnehmend schönem Erhaltungszustande wieder. Die Sandsteine — namentlich diejenigen mit kalkigem Bindemittel — zeigen auch häufig die unter dem Namen der „Hieroglyphen“ be- kannten Reliefzeichnungen auf den Schichtflächen, und zwar vor- wiegend auf der unteren, stellenweise aber auch auf der oberen Seite der Schichten. Schon am südlichen Steilgehänge des Leopoldsberges fand Stur (Manuseript) Inoceramen-Bruchstücke. | Die ersten drei grösseren Entblössungen (von Kahlenbergerdorf aus) zeigen nordwestlichen Schichtenfall; noch bevor man die ehemalige Drahtseilbahn erreicht. zeigt ein Steinbruch jedoch ent- gegengesetztes (südöstliches) Einfallen. Wir haben bis hieher 18 C. M. Paul. [26] sonach eine Schiehtenmulde verquert und gelangen hier an einen Sattel, denn südlich von dem ehemaligen Stationsgebäude der Draht- seilbahn (in den Steinbrüchen nächst der Cementfabrik) folgt schon wieder nordwestliches Fallen. Die Scheitelregion dieses Sattels, die ungefähr in die Nähe der ehemaligen Drahtseilbahntrace fällt, erscheint mehrfach gebrochen und zusammengedrückt und dadurch sind die localen Irregularitäten des Streichens ete. bedingt, welche Toula in der Umgebung dieser alten Bahntrace (von wo sein wichtiger Fund von Acanth. Mantelli und eines /noceramus stammt) beobachtete und näher beschrieb (s. Einleitung). Nördlich von der Drahtseilbahn, in den beiden aneinander- srenzenden Steinbrüchen, nächst der Pobitsch’schen Cementfabrik, sieht man von derartigen secundären Knickungen und Verschiebungen des Streichens nichts mehr; es herrscht in diesen Steinbrüchen regel- mässiges südwestliches Streichen bei nordwestlichem Einfallen, und zwar sieht man im zweiten Bruche sehr deutlich, dass -die Schichten oben steiler stehen, gegen unten zu abersich allmälig flacher legen, so dass jede Schichte gewissermassen eine gekrümmte, gegen NW con- cave Fläche darstellt. Dieser zweite Bruch ist der erste Fundort von Zugmayers Jnoceramus Haweri, und es wurden hier auch später noch zahlreiche Exemplare einer ähnlichen Form gefunden. In dem mehrerwähnten fragmentarischen Manuscripte, das D. Stur zurückliess, findet sich eine genaue Beschreibung dieser neueren Funde, die ich hier wörtlich einschalten will, da sie nirgends publi- eirt wurde, und es bei dem Interesse, das der Gegenstand für die Wienersandstein-Geologie besitzt, jedenfalls schade wäre, derartige, sorg- fältig gesammelte Details verloren gehen zu lassen. Stur schreibt: „Am 26. März 1889 schrieb mir der k. k. Commissär Heinrich Keller eine Üorrespondenzkarte, worin er die Anzeige machte, dass im Steinbruche unweit der Drahtseilbalın stromaufwärts, im eigentlichen Steinbruche der Pobitsch’schen Cementfabrik, in welchem die Bau- unternehmung Ziwalski für das zweite Geleise der Strecke Wien— Tulln gegenwärtig Steine bricht, auf einer Stelle zehn Inoceramen bemerkt wurden. Da die Schichte im Abräumen begriffen ist, so wäre es erwünscht, die Inoceramen bald abzuholen. Ich fuhr am nächsten Tage an Ort und Stelle, und habe die besagten Inoceramen eingesammelt. Es waren darunter bis 40 cm im Durchmesser messende Exemplare, in guter Erhaltung. Zwei Exemplare zeigten das Aeussere ihrer Schalen ganz bedeckt mit Schalen der Ostrea Couloni. Bei dieser Gelegenheit habe ich den Steinbruch eingehend besichtigt. Derselbe ist von der Donaustrasse an in WSW-Richtung eirca auf 150 m Länge in das Gehänge des Leopoldsberges steigend hinein- gearbeitet und circa 75 m breit. Derselbe hat die Inoceramenmergel eirca unter 45° nach NW fallend aufgeschlossen, und zwar ist das Fallen der Mergel an der Basis des Steinbruches flacher, während dieselben höher oben am oberen Rande des Steinbruches steiler, bis über 50°, auf- gerichtet erscheinen, so dass man auf den Schichtflächen der Mergel unten im Steinbruche ganz bequem herumgehen, am oberen Steinbruch- rande sich nur mühsam stehend und gehend erhalten kann. Auf den Schichtflächen der Mergel trifft man die Inoceramen parallel der Schich- [27] Der Wienerwald. 79 tung lagernd, und man sieht an den mit dem Gestein herausgemeisselten Inoceramenstücken die Schichtung der Mergel ganz wohl. Die Ino- ceramen lebten daher am Meeresboden horizontal liegend. Ein Exemplar des Inoceramus, das sehr reichlich mit Schalen der Ostrea Douloni bedeckt war und das ich mit grosser Mühe in einer Höhe von eirca 28 m über dem Boden des Steinbruchs in der Mergelwand lagernd fand und herausmeisseln liess, lag derart auf der betref- fenden Schichtfläche, dass der /noceramus mit der unteren Schale auf dem Mergel lag und die Schalen der Ostrea Couloni über der oberen Schale des J/noceramus klebten. Die beiden Thierarten wurden also in ihrer natürlichen Lage gefunden — von einer Um- kippung der Mergelschichten war also hier nichts zu bemerken. Die betreffende Mergelschichte des Steinbruchs war sehr schütter mit den colossalen Inoceramenschalen bedeckt, so dass man die meisten mehrere Meter weit auseinander eingelagert beobachten konnte; aber auch Fälle von nahem Beisammenliegen einzelner Exemplare sind beobachtet worden. Noch ist zu erwähnen, dass einzelne Inoceramen- exemplare zerbrochen vorgefunden wurden. Darunter fielen Exem- plare auf, deren Schalen einfach zerdrückt erschienen von der Schwere der darauflagernden Mergelmasse und die zugehörigen Schalenstücke als Bruchstücke nebenan lagen. Es sind aber auch zerbrochene Stücke der Inoceramen vorgekommen, bei welchen die Bruchstücke fehlten, also vor der Einlagerung abhanden gekommen sind. In diesem Steinbruche wurden nur Inoceramen von einer Species bemerkt. die man für Inoceramus Haueri gelten lassen kann.“ Diesen detaillirten Aufzeichnungen habe ich wenig hinzuzufügen. Die Beschreibung, die hier von dem Vorkommen der Inoceramen gegeben wird, stimmt vollkommen mit den Beobachtungen überein, die ich an dem bekannten Inoceramenfundorte Muntigl bei Salzburg anstellen konnte. Der Erhaltungszustand der Schalen schliesst bei deren Grösse, Dünne und Brüchigkeit hier wie dort jeden Gedanken an eine Einschwemmung, einen Transport von weiterher für jeden unbefangenen Beobachter vollständig aus. Da in dieser Stur’schen Notiz nur von Mergeln gesprochen wird, so muss ich dazu be- merken, dass wir es in diesem Steinbruche keineswegs nur mit solchen zu thun haben, dass vielmehr mit den gewöhnlichen Mergeln in Wechsellagerung auch vielfach kalkige Gesteine (die sogenannten Ruinenmarmore), sowie Kalksandsteinbänke auftreten. Auch das erste Zugmayer’sche Exemplar von /noc. Haueri sitzt auf einer Kalk- sandsteinplatte mit vielen Hieroglyphen auf. Zur Zeit meines Be- suches der Localität waren übrigens die inoceramenreichen Schichten vollständig abgebaut, und ich konnte nur mehr einige schlechte Bruchstücke in den alten Schutthalden finden. Von hier stammt auch ein schönes Fundstück von Helminthoidea crassa Heer., einer jener auffallenden, 'gewundenen Zeichnungen, die man neuerlich (Fuchs, Denkschrift. d. k. Akad. d. Wissensch. 1895) als Frassspuren von Gastropoden zu deuten pflegt, und die im Wienerwalde, speciell im Niveau der Inoceramenschichten, sehr ver- breitet sind. Das Stück zeigt die Zeichnung auf beiden Seiten einer dünnen Sandsteinschichte, und zwar auf einer Seite etwas vertieft, 80 C. M. Paul. [28] auf der anderen in sehr flachem Relief. Die beifolgende Abbildung (Fig. I) stellt die letztere Seite dar. Gehen wir nun weiter stromaufwärts, so gelangen wir bald (am Östgehänge des Flohbügels') an einen kleineren Steinbruch, in welchem die Schichten wieder südöstlich, also gegen die Schichten Fig. I. des vorbeschriebenen Steinbruches, einfallen. Wir haben hier also wieder eine zweite Schichtenmulde verquert. Schon Woldrich er- kannte, dass die Schichtfolge dieses Steinkruches mit derjenigen bei der ‘) Mit diesem Namen ist die Localität in den Original - Aufnahmssectionen des k. u. k. milit.-geogr. Institutes (im Massstabe von 1:25.000) bezeichnet; auf der verkäuflichen „Specialkarte“ (1: 75.000) erscheint diese Bezeichnung nicht. [29] Der Wienerwald. 81 Cementfabrik genau übereinstimme, nur in umgekehrter Reihenfolge, und gab hievon eine kleine Skizze (l. e. pag. 8), die ich hier repro- ducire, da sie dieses Verhältniss ganz richtig darstellt ') (s. Fig. T). Auch in diesem Steinbruche wurden (Stur, Manuscript) Ino- ceramen gefunden. Es folgt nun noch vor der Einmündung des Weidlingthales in das Donauthal (an welcher der Bahnhof Klosterneuburg— Weidling liegt) noch ein weiterer Steinbruch, in welchem die Schichten, wie in dem vorhergehenden, südöstlich fallen. Fig. II. Schematische Darstellung der Lagerungsverhältnisse in den Steinbrüchen : bei der Cementfabrik und am Flohbügel. Nach Woldrich. 2. Merttöllkafk. —.2, Sandstein. — 3. und 5. Mergelschiefer. - 4. Kalk. Werfen wir nun einen Rückblick auf die von Kahlenbergerdorf bis hieher zu beobachtenden Verhältnisse (siehe die umstehenden Profile Fig. II und IV). Wir "sehen hier zwei Schichtenmulden (Synklinalen) mit einem dazwischenliegenden, viel schmäleren Sattel. Dieses an zahlreichen Aufschlüssen mit voller Deutlichkeit er- sichtliche Lagerungsverhältniss ergibt, dass auf dieser Erstreckung von einer Schichtenüberkippung in grösserem Massstabe durchaus keine Rede sein kann; und aus dieser Erkenntniss folgen dann einige weitere Erwägungen von allgemeinerer Bedeutung. Zunächst wird es hiedurch mind estens höchst unwahrscheinlich, dass das von Toula an einer Stelle nächst der Drahtseilbahn beob- 1) Nur die Orientirung der Profillinie ist (wohl infolge eines Druck- oder Schreibfehlers) bei Woldrich unrichtig angegeben. Das’ ganze Don: auprofil von Höflein bis Nussdorf verläuft von NW nach SO, und da das in dieser Skizze Dargestellte ein Stück dieses Profils repräsentirt, so kann es nur ebenso orientirt sein, nicht von SW nach NO. Wo also bei Woldrfich SW steht, soll SO, wo NO steht, soll NW stehen. Ich habe diesen Lapsus bei meiner obigen Bepro- duction corrigirt. Jahrbuch d. k. k geol. Reichsanstalt, 1898, 48.'Band, 1. IIeft. (CM. Paul.) 11 [30] C. M. Paul. 82 "MNN SHELL AOSupIoM SOp FSunpunn 9p pun FJIOPAOFIIqUoTyey UAYISIAZ'STOFUNEUOLL UI. SOp PIIASSUIYISFUY "uOWEISDOUT uoA sYyandpung '% "yIgepuaWwa) 9 "uggaflssygeigt uadıeways 19p Apnygqadsuoryelg 'q ‘OPISSIOqUOgeY Isyoyu assngasgny ayyoy © (‘HOpsıozug-Suwr] TOq NBU0ol] A9Pp AaJf) USNUI WOA USYaSIK)) -[eyL A03urpro A "319qspjodoat "OpAa310quo]yey III "314 83 ("ura9spueg JautalsuajIarIg —= g pun F ‘g) "uouraJspuwg U9I01 WI UIOISPUES USSIUIONUT} wWOqMm U0x [OsysoA "G "PUSUISLIOUIOA UTSISpuBS Ioydıfqfas zaqınw 7 "ogyLaJargogs uay9laM WONBIZ[SFJUnp pun ulsIsSpueS MOSISLIS ‘uISJOTYISUTaIspURS uSSLIEMWI> Houunp JTur uro4spurg IOdtuıoyurs} “Toyarqfos “Toaınm 'E ‘(usggdıyosuswmersdou]) axfeI[faSIa pun [adrsp ayasımmeıpÄy ayaraauaproaany pun »uragspurg 'Z ‚uayugquisgspugsyfey uapusaynyusydA]sorsıyg usuunp w Tojeryas ayJoy "I "UIDYOH SIY FJIOPAOSAHqQUSTUEY WOA SOYONIqUIANpnEUu0og Sp Sur] IYodd :0SS Der Wienerwald. Rerishpliree J.10p -198.19U9][UB MI _ r [e:] (>) e = o) 9; eo T} un z = {r} 8 IrUL A9SUL III M] ‚WUuL DSUPPM « -uaBoH zsıaqspunyg 19303s3ue] JIOP uazyLIM S19dT8d1 "AL 'SId u a ah ru u ae ee a ee en 118 34 C. M. Paul. [32] achtete Vorkommen von Hieroglyphen auf der Oberseite der Schichten auf eine Ueberkippung hinweise, vielmehr scheint hier abermals ein Beleg für die Ansicht vorzuliegen, dass die Position der Hieroglyphen an der Ober- oder Unterseite der Schichten überhaupt für die Frage, ob irgendwo überkippte oder normale Schichtenstellung anzunehmen sei, nur eine sehr geringe Beweiskraft besitze. Immerhin könnte aber möglicherweise an der fraglichen Stelle eine ganz locale, das allgemeine Lagerungsverhältniss nicht weiter beeinflussende, kleine Ueberschiebung oder Abrutschung vorliegen; ich will demnach auf diesen Gegenstand hier kein weiteres Ge- wicht legen. Viel wichtiger für das Verständniss des Baues des gesammten Wienerwaldes ist aber ein anderweitiges, aus den erwähnten Lage- rungsverhältnissen abzuleitendes Ergebniss. Wenn die Inoceramenschichten des Leopoldsberges im Ganzen zwei aneinandergereihte, regelmässige und nicht überkippte Mulden darstellen, somit normal gelagert sind — und dass dies so sei, ist hier mit genügender Sicherheit constatirt — dann sind wir wohl berechtigt anzunehmen, dass auch das Verhältniss dieser Inoceramenschichten zu den rothen Schiefern von Kahlenbergerdorf, auf welchen die süd- lichere Schichtenmulde der Inoceramenschichten ganz regelmässig auf- liegt, ein normales sei, mit anderen Worten, dass die rothen Schiefer sammt den mit ihnen verknüpften Gesteins- varietäten wirklich und nicht nur scheinbar das Liegende der Inoceramenschichten, somit älter als diese letzteren seien. ! . Dieses Verhältniss würde sich wohl noch markanter und über- zeugender darstellen, wenn wir, ebenso wie an der Südseite der Doppelsynklinale des Leopoldsberges bei Kahlenbergerdorf, so auch an der Nordseite derselben bei der Eisenbahnstation Klosterneuburg— Weidling, die rothen Schiefer als Liegendes der Inoceramenschichten hervorkommen sehen würden. Dies ist leider wegen der hier am Ausgange des Weidlingthales herrschenden Bedeckung mit Löss und Culturland auf dieser Seite der Donau nicht möglich. Dass diese rothen Schiefer oder deren Aequivalente und Begleitgesteine hier nichtsdestoweniger wirklich vorhanden sind, erscheint aber mindestens höchst wahrscheinlich durch den Umstand, dass gerade gegenüber auf der linken Donauseite bei Lang-Enzersdorf diese Schichten thatsächlich anstehen und deren südwestliche Streichungsrichtung genau auf die Einmündungsstelle des Weidlingthales hinweist. Wir werden auf dieses Vorkommen, durch welches die Beobachtungslücke beim Ausgange des Weidlingthales in sehr befriedigender Weise ausgefüllt wird, bei Besprechung des linken Donauufers noch näher zurückkommen, und wollen nun die Betrachtung des Donauprofiles am rechten Ufer weiter stromaufwärts fortsetzen. Der Buchberg zwischen dem Weidl’nger und Kierlinger Thale besteht bis an die Donau herab ganz aus Inoceramenschichten, die aber vielfach von Löss bedeckt sind. Verfolgt man von der Eisen- balınstation Klosterneuburge— Weidling die Strasse nördlich längs der Donau gegen die Stadt Klosterneuburg, so findet man (etwa bei [33] Der Wienerwald. 85 der Stelle, wo sich die Strasse in die „Oberstadt“ von der längs der Donau in die „Unterstadt“ fortführenden abzweigt) nordwestliches Einfallen, wie auch Stur auf seiner Karte einzeichnete. Diese .hier bemerkliche Fallrichtung ist von einiger Bedeutung, da wir südlich vom Weidlingthale in den Steinbrüchen am Flohbügel südöstliche Fallrichtung hatten, so dass dieses Thal (mindestens in der Nähe seines Austrittes in das Donauthal) wirklich, wie es der oben ange- deuteten Anschauungsweise entspricht, eine Antiklinalregion darstellt. Gleich etwas weiter nördlich (östlich unterhalb der Pionnier- kaserne) folgt wieder südöstliches Fallen und diese Fallrichtung bleibt nun von hier an längs des ganzen Donauprofiles die herrschende; nur an einer Stelle (etwa 0°5 Kilometer stromaufwärts von der Einmündung des Kierlingthales, etwas nördlich unterhalb St. Martin) zeigt sich noch eine kleinere locale Kniekung mit nordwestlichem Fallen, das aber ebenso schnell wieder in die allgemeine Südostfallrichtung über- geht. Die wechselnden Antiklinalen und Synklinalen der Flyschzone sind eben von hier nordwärts nicht mehr normal gelagert, sondern fast durchaus gegen Norden (resp. Nordwesten) überkippt. Die punktirte Linie auf der verstehenden Skizze (Fig. IV) soll diese Art der Faltenstellung schematisch veranschaulichen !). Die Hauptgrenze zwischen den Inoceramenschichten und den sich nördlich anschliessenden jüngeren (alttertiären) Wienersandsteinen | möchte ich in naher Uebereinstimmung mit der Stur’schen Karte etwa unterhalb der letzten (nördlichsten) Häuser der Stadt Klosterneu- burg (beim Mechitaristenkloster) ziehen; doch beobachtete ich noch etwas weiter nördlich (beim Wachhause am Ausgange des Thälchens von Unter-Kritzendorf) noch einmal einen kleinen Aufbruch von lichten Mergeln, die ganz mit Chondr. Vindobonensis var. intricatus Ettingsh. angefüllt und den Fucoidenmergeln der Inoceramenschichten so gleich sind, dass sie wohl nur als solche gedeutet werden können. Sie kommen in sehr geringer Ausdehnung als liegendste Schichte in einem kleinen Steinbruche hervor, der an der Südseite des Thälchens, an der Eisenbahn, situirt ist; auf ihnen liegt weisslicher Quarzsand- stein, auf diesem grober bis breccienartiger, buntpunktirter Sandstein, der vollkommen demjenigen gleicht, in welchem anderwärts Orbitoiden etc. gefunden wurden und der daher wohl dem Alttertiär zugehören dürfte. Das Fallen ist hier sehr flach SO. Jenseits dieses Thälchens bleibt zwar durchaus dieselbe Fall- richtung, doch stehen die Schichten von hier an steiler. Bei Ober-Kritzendorf (in einem Steinbruche nächst der gleichnamigen Eisenbahnstation, südlich vom Kahlleitenthale) beginnen die Aufschlüsse in denjenigen Sandsteinbildungen, die man mit dem Namen „Greifensteiner Sandsteine* zu bezeichnen pflegt und die durch das seit längerer Zeit in denselben bekannte Vorkommen von Nummu- liten als alttertiär sichergestellt sind. !) Auch in der karpathischen Flyschzone erscheinen, wie die Beobachtungen mehrerer Autoren in den letzten Decennien ergeben haben, in vielen Durchschnitten die Falten im südlichen Theile der Zone normal, gegen den Nordrand derselben aber nach Norden überschoben. 36 C.M Paul. [34] Der ersterwähnte Steinbruch zeigt den charakteristischesten Gesteinstypus dieses Niveaus, nämlich einen mürben, feinkörnigen, selblichen Sandstein mit eigenthümlichen grauen, thonigen Einschlüssen (Thongallen) in mehrfachem Wechsel mit minder mächtigen Lagen von glimmerigen Sandsteinschiefern, gröberem Sandstein, dunkelgrauem Schieferthon und einem harten, etwas glasigen, grünlichen oder braunen Sandstein, der an die oben erwähnten glasigen Sandsteine des unteren Wienersandstein-Niveaus (bei Kahlenbergerdorf) erinnert, ohne den- selben jedoch vollkommen gleich zu sein. So salhı ich z. B. beim alt- tertiären glasigen Sandstein niemals die tiefschwarze Färbung und den intensiven Glanz, den die ähnlichen Sandsteingebilde des tieferen Niveaus häufig erreichen. Jedenfalls ist aber die Wiederkehr der- artiger correspondirender Gesteinsfacies in verschiedenen Niveaus der Wienersandsteine eine sehr beachtenswerthe Thatsache, welche uns lehrt, dass man bei den Versuchen, diesen Complex zu gliedern, sich nicht ausschliesslich von der lithologischen Aehnlichkeit einzelner Handstücke leiten lassen darf, sondern hiebei stets die tektonischen Verhältnisse, sowie die Vergesellschaftung der einzelnen Gesteins- typen berücksichtigen muss. Die letztere ist nun allerdings hier im Greifensteiner Sandstein von Kritzendorf, wie gezeigt wurde, eine ganz andere als bei Kahlen- bergerdorf. x Von hier gegen Höflein herrschen die dickschichtigen, mürben, selblichen Sandsteine vor, denen sich gegen unten häufiger Lager gröberer, grauer Sandsteine einschalten. Diese Strecke ist insoferne wichtig, als die ersten, sowie die häufigsten späteren Nummulitenfunde aus derselben stammen; es mögen daher hier noch einige nähere Details über dieselbe Platz finden. Zunächst nördlich von dem nächst der Eisenbahnstation von Ober-Kritzendorf einmündenden Kahlleitenthale sind ziemlich hoch am Gehänge des Hundsberges zwei grössere, nur durch einen schmalen Weingarten von einander getrennte Steinbrüche situirt; aus dem zweiten derselben führt eine Schleppbahn über eine grosse Schutthalde ins Thal herab. Es sind hier sehr dickschichtige, gelbliche Sandsteine, zuweilen in feines Quarzconglomerat übergehend, aufgeschlossen. Das Fallen ist im zweiten Bruche 45—55° nach SO, im ersten steiler; Nummuliten sind meines Wissens .von hier noch nicht bekannt. Der erste Fundpunkt CZjZek’s folgt etwas stromaufwärts. Es ist ein unten nächst der Strasse gelegener kleinerer Bruch, der gegenwärtig aufgelassen ist und nur mehr verwittertes Gestein zeigt, daher ich die Angaben v. Hauer’s (Eocängeb., Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1858, pag. 22 d. Aufs.) über denselben hier reprodueiren will: „Der Steinbruch des Herrn K. Maurer, in welchem Herr Bergrath Johann CZjZek Orbituliten und Spuren anderer organischer Reste aufland, liegt etwa eine Viertelstunde vor Höflein. Die organischen Reste fanden sich in einer grobkörnigen Varietät des Sandsteines. Die bis erbsengrossen Körner bestehen zumeist aus Quarz von ver- schiedenen Farben und verschiedenen Graden der Durchsichtigkeit, ausserdem aus krystallinischen Schiefern, Glimmerschiefern u. s. w. [35] Der Wienerwald. 87 Nebst den Orbituliten (?) fanden wir bei einem späteren Besuche in diesem Bruche Bruchstücke einer kleinen Austernschale, alles völlig unbestimmbar. Noch verschiedene andere Sandsteinvarietäten lassen sich in diesem und in den benachbarten Brüchen unterscheiden. Einige sind sehr fein- und gleichkörnig, sie werden zu Werksteinen verarbeitet; andere sind sehr glimmerreich, der Glimmer besonders auf den Schichtflächen in grosser Menge ausgeschieden. Bei noch anderen stecken in einer feinkörnigen Grundmasse einzelne gröbere Körner.“ Die hier noch als Orbituliten bezeichneten Reste sind sehr un- deutlich und wohl wahrscheinlich nicht als solche, sondern als Orbi- toiden zu deuten, wie sie später noch an mehreren Stellen im Eocän- flysch gefunden wurden. Auch Fucoiden (dem Chondr. intricatus ähnlich) gibt v. Hauer von hier aus einer Schieferzwischenlage an. Es ist dies eine be- merkenswerthe Angabe, da ich meinerseits in den Schieferlagen der echten und zweifellosen Greifensteiner Sandsteine gar keine Fucoiden, oder nur sehr undeutliche Spuren von solchen auffinden konnte. Im Vergleiche mit dem geradezu massenhaften und nirgends zu über- sehenden Auftreten dieser Gebilde in den Mergellagen der Inoce- ramenschichten müssen dieselben im alttertiären Wienersandstein daher jedenfalls bedeutend seltener sein; und die Bemerkung v. Hauer’s, der (l. ce. pag. 2) „die Seltenheit der Fucoiden“ geradezu als ein Unterscheidungsmerkmal der alttertiären Wienersandsteine erklärt, bleibt trotz derartiger vereinzelter Vorkommnisse immerhin vollkommen richtig. Uebrigens gehen die Mergel der Greifensteiner Sandsteine niemals in muschelig brechende, hydraulische Kalkmergel oder Mergelkalke (Ruinenmarmore) über, wie dies bei den eigent- lichen Fucoidenmergeln der Inoceramenschichten beinahe stets der Fall ist. Eine Verwechslung wird. daher trotz des eventuellen ver- einzelten Vorkommens ähnlicher Fueoiden in den ersteren nicht leicht platzgreifen. Es folgt nun weiter stromaufwärts ein grösserer Steinbruch, der zur Zeit der Publication v. Hauer’s (1858) noch nicht eröffnet ge- wesen zu sein scheint, da er denselben nicht erwähnt. Derselbe schliesst in den höheren Lagen gelblichen, sehr diekschichtigen Sand- stein, in den tieferen grauen, dünner geschichteten Sandstein auf. Das Fallen ist (flacher als in den ersten Brüchen) südöstlich. In beiden Sandsteinvarietäten fand ich, sowie Stur (Manuscript), ver- einzelte Nummuliten, Unmittelbar vor Höflein folgt nun noch ein Steinbruch, jeden- falls derjenige, aus dem v. Hauer’s Nummulitenfunde stammen. Der Genannte schreibt (l. e. pag. 23) über diese Localität: „Die Nummuliten fanden wir in einem grossen, unmittelbar vor. Höflein gelegenen Bruche. In demselben stehen ungemein mächtige Massen eines hellweissgrauen, bald gröberen, bald feineren Sandsteines an, der hin und. wieder Geschiebe von Schiefer eingeschlossen enthält, oft aber auch, wohl infolge des Auswitterns dieser Schiefereinschlüsse, voll von grösseren und kleineren Höhlungen erscheint. Auf einer Schichtfläche fanden wir Würfel von Brauneisenstein, pseudomorph 88 C. M. Paul. [36] nach Eisenkies. Die sehr seltenen Zwischenlagen im Sandstein be- stehen aus grauem, sehr thonigem Schiefer, in dem wir keine Fucoiden fanden. Eine andere Zwischenlage bestand aus sehr schiefrigem Sandstein mit zahlreichen Glimmerblättehen auf den Schieferungs- flächen. Die Schichten fallen unter etwa 30° nach Süd-Südost. Die Nummuliten zeigen sich nur vereinzelt, nie massenweise angehäuft, wie dies doch sonst so häufig bei diesen Körpern vorzukommen pflegt. Sie bestehen ganz aus weisser, mürber Kalksubstanz und zerfallen leicht an der Luft.“ Von Höflein stromaufwärts gegen Greifenstein ist das Donau- thal kein Querthal mehr, das Donauprofil schliesst somit eigentlich bei Höflein ab; doch findet man von hier aufwärts am südlichen Donaugehänge noch eine Reihe grossartiger Aufschlüsse im Greifen- steiner Sandstein. Nach einigen kleineren Entblössungen nächst Höflein gelangt man ungefähr in der Mitte zwischen Höflein und Greifenstein an den grossen Holitzer’schen Bruch, der neuerer Zeit zum Zwecke der Donauregulirungsarbeiten exploitirt wird. Man sieht hier vorherrschend den typischen gelblichen, bald feinkörnigen, bald gröberen Greifen- steiner Sandstein in ausserordentlich dicken Bänken entwickelt; ein- zelne Lagen sind dünner geschichtet und diese wechseln mit grauen, bald mehr thonigen, bald sandigen Schiefern. Der gelbliche Sandstein enthält die oben erwähnten thonigen Einschlüsse, und ist an den Schichtflächen meist mit einem grauen, glänzenden Beschlage be- deckt; Hieroglyphen sind ziemlich häufig. Die gröberen, in Con- glomerat übergehenden Bänke enthalten Bruchstücke von Glimmer- schiefer und anderen krystallinischen Schiefergesteinen, die häufig eckig erscheinen, während die Quarzgeschiebe gerundet sind. Das Fallen ist unter 20—30° nach SSO. Ein weiterer, näher zu Greifenstein gelegener, grösserer Bruch, legt in seinen unteren Partien eine Sandsteinbank blos, die in einer Mächtigkeit von etwa 20 m keine weitere Schichtung zeigt; der Sand- stein ist gegen oben feinkörniger, gegen unten gröber. Auf ihm liegen dünner geschichtete Sandsteinbänke und Schiefer, über diesen folgt wieder eine ähnliche mächtige Sandsteinbank wie unten. Es ist dies der Aufschluss, von welchem v. Hauer (l. ce. pag. 24) eine schöne Zeichnung mittheilte, die später auch in dessen Geologie (2. Aufl., pag. 564) reprodueirt wurde. In einem Bruche unmittelbar südlich von der Ruine Greifen- stein ist ebenfalls der gelbliche, beinahe ungeschichtete Sandstein aufgeschlossen; hier kommen in demselben wie bei Höflein verein- zelte Nummuliten vor. Derselbe Sandstein wird auch. am Wege von areifenstein nach Hadersfeld, nördlich vom Schloss Greifenstein, ge- brochen. Das Schloss selbst steht auf grobem Conglomerat aus Quarz- und krystallinischen Geschieben. Noch ist der ausgedehnte Steinbruck zu erwähnen, der nächst der Eisenbahnstation Greifenstein— Altenberg eröffnet ist. Ueber den- selben finden sich in Stur’s mehrerwähntem, nicht zur Publication gelangtem Manuscripte einige Details, die ich hier wörtlich wiedergeben will: „Man sieht (schreibt Stur) in dem Steinbruche einen groben [37] Der Wienerwald. 89 Sandstein anstehend, der keine Schichtung zeigt. Erst in einer Höhe von eirca 20 m bemerkt man in dem weissgrauen oder gelblich- grauen Sandsteine eine von Ost nach West streichende, eirca 1 m Mäch- tigkeit messende, flach südlich einfallende, wellig gebogene Schichten- reihe von dunkelgrauem, angefeuchtet fast schwarzem Schiefermergel, der im grösseren Theile seiner sichtbaren Erstreckung aus zwei übereinander lagernden, von einer dünnen weissgrauen Sandstein- lage getrennten Schichten zusammengesetzt erscheint. Der Schiefer- mergel erscheint durch senkrechte Klüfte verworfen. Zur Zeit des Abbaues des Sandsteines wurde der Schiefermergel über die Wand herabgeworfen, und man hatte Musse genug, dessen Beschaffenheit zu untersuchen. Derselbe war dickschichtig im Detail, in Folge der Verwerfungen zerknittert und seine Schichten zeigten spiegelnde Rutschflächen, die befeuchtet, leicht aufgeweicht werden konnten. Während der Gewinnung des Sandsteines hatte man Gelegenheit wahrzunehmen, dass auch ausserhalb des Schiefermergelzuges, ober- halb und unterhalb desselben, gerundete, ovale oder längliche Massen des Schiefermergels, vom Sandstein umschlossen, einzeln oder zu zwei und drei gruppirt, vorkamen. Sie waren kopfgross und weit srösser und waren aus demselben Schiefermergel gebildet. Diese Rundmassen, die man gegenwärtig nicht mehr besehen kann, da die Sandsteinwand unersteiglich ist, sahen wie geknetet aus und waren in sehr charakteristischer Weise an ihrer Oberfläche mit eingekneteten erbsen- bis haselnussgrossen Geröllen wie bespickt. Man gewann die Ansicht, dass die Schiefermergel-Rundmassen zur Zeit ihrer Ablage- rung von anderswoher, wahrscheinlich von bewegtem Wasser herge- bracht, auf dem Sande gerollt wurden, wobei die grösseren hervor- tretenden Körner des Sandes auf der aufgeweichten Schiefermergel- masse haftend blieben, und vom reichlich hergeschwemmten Sande endlich, gerade wie sie bei ihrem Transporte zu liegen kamen, völlig umhüllt wurden“. Blicken wir nun zurück auf die Beobachtungen, die sich an dem besprochenen Durchschnitte durch den Zug der Greifensteiner Sandsteine gewinnen liessen, so sehen wir, dass diese Abtheilung der Wienersandsteine überall durch eine Reihe von Merkmalen charakterisirt ist, durch welche, wenigstens bei grösseren Aufschlüssen, die Unterscheidung derselben von den cretacischen Gliedern unseres Flyscheomplexes wohl in den meisten Fällen ohne besondere Schwie- rigkeit durchführbar erscheint. Ueberall sehen wir den charakteristi- schen gelblichen, mürben Sandstein, die thonigen Einschlüsse, die Untermischung des Materials mit eckigen Bruchstücken von krystal- linischen Schiefergesteinen, die Neigung zur Bildung ausserordentlich mächtiger Schichten, das gänzliche Fehlen der in den Inoceramen- schichten beinahe stets vorhandenen hellen, muschelig brechenden Kalkmergel und Ruinenmarmore, überhaupt ein merkliches Zurück- treten des kalkigen Elementes etc. In tektonischer Beziehung sahen wir eine sehr merkliche Ab- nahme in der Steilheit der Schichten des Greifensteiner Sandsteins von Kritzendorf gegen Höflein, so dass die Schichten von Kritzen- dorf, in ihrem Fallwinkel gegen unten projieirt, mit denen von Höflein Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (C. M Paul.) 12 90 C. M. Paul. [38] in der Tiefe zusammenstossen müssen. Dies ergibt, dass der hier geschnittene Zug von Greifensteiner Sandstein aller Wahrscheinlich- keit nach eine schiefgestellte (gegen Nordwesten überschobene) Mulde (Synklinale) darstellt, die südöstlich unter die gegen Nord- westen überkippten Inoceramenschichten eingreift. 2. Die linke Seite des Donauthales. Wir wollen nun zum Austritte des Donauthales in die Niede- rung von Wien zurückkehren und, wieder stromaufwärts von SO gegen NW vorschreitend, die am linken Donauufer sich darbietenden Verhältnisse kurz betrachten. Die erste Wienersandsteinhöhe am linken Donauufer ist der sogenannte Lanerberg südöstlich von Lang-Enzersdorf. Derselbe besteht, wie schon ä priori zu vermuthen war, da er die Fortsetzung des Leopoldsberges darstellt, aus Inoceramenschichten, zeigt alle die oben erwähnten charakteristischen Gesteinsvarietäten dieser Abtheilung und es wurde hier auch (Keller, Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1892, Nr. 6) „in dem Steinbruche bei dem Riegel, welcher 600 »n westlich vom Klausgraben liegt* ein /noceramus, ähnlich dem /noc, Haueri Zugm. gefunden. Am unteren Theile des Weges, der nordwestlich von Strebers- dorf gegen Norden vom Donauthale abzweigt, und nahe dem Ost- rande des Berges durch den Klammgraben gegen die ehemalige Cementfabrik und den Magdalenenhof hinanführt, beobachtet man deutlich nordwestliches Einfallen. Aber schon oberhalb der Cement- fabrik, sowie im ganzen nordwestlichen und westlichen Theile des Lanerberges herrscht ebenso deutliches südöstliches oder süd-süd- östliches Fallen. Wir haben also hier wieder eine ausgesprochene Synklinale vor uns, und zwar repräsentirt dieselbe die genaue nord- östliche Fortsetzung der Schichtenmulde, die wir am gegenüber- liegenden Ufer durch die Steinbrüche bei der Pobitsch’schen Cementfabrik und am Flohbügel aufgeschlossen sahen, und die auf der obigen Skizze (Fig. I) dargestellt ist. Steigen wir vom Laner- berge gegen Westen in die kleine Terraindepression. hinab, welche den Lanerberg vom Bisamberge trennt, und durch welche der Weg von der Kirche von Lang-Enzersdorf zum Magdalenenhof führt, so finden wir, etwa neben der Mitte dieses Weges rechts, am Nordwest- hange des Lanerberges aufgeschlossen, als Liegendes der typischen Inoceramenschichten, zunächst schwarze, etwas glimmerige, sandig- thonige Schiefer, die wie die Inoceramenschichten süd-südöstlich einfallen. (Diese Fallrichtung ist hier auch von Stur‘auf seiner Karte eingezeichnet.) Nördlich von diesem Wege, sowie westlich vom Magdalenenhofe sieht man diese Schiefer, ohne weitere Aenderung ihrer Gesteinsbeschaffenheit, eine rothe Färbung annehmen, und mit ihnen vergesellschaftet findet man überall die von Kahlenbergerdorf bekannten knolligen, dunklen und grünen, weissgeaderten Sandsteine, geradlinig geaderte Sandsteine etc. in ausgewitterten Stücken herum- [39] Der Wienerwald. 91 liegen. Wir haben mit einem Worte wieder genau den Gesteinscom- plex von Kahlenbergerdorf vor uns. Verqueren wir die kleine Terraindepression, so finden wir nächst Lang-Enzersdorf, unterhalb des Südostabhanges des Bisamberges, wieder genau denselben dunklen Schiefer mit einzelnen Bänken von festem knolligen Kalksandstein, hier aber nordwestlich unter die den Bisamberg zusammensetzenden Inoceramenschichten einfallend. Wer überhaupt tektonische Verhältnisse unbefangen zu beobachten und zu deuten gewöhnt ist, der kann hier nicht einen Augenblick darüber in Zweifel sein, dass wir es hier mit einem Antiklinal- aufbruche von Schichten zu thun haben, die jeder- seits regelmässig von oberceretacischen Inoceramen- schichten überlagertsind; und da wir genau dieselben Schichten auch bei Kahlenbergerdorf (in einem südlicheren Parallelaufbruche) unter die Inoceramen führenden Gesteine des Leopoldsberges ein- fallen sahen, so dürfte es wohl als genügend erwiesen angesehen Fig. V. Dorf i ä Kirche von N un Bisamberg. Bisamberg. _ Lang-Enzersdorf. ‚anerberg. SO 1. Rothe Schiefer und Begleitgesteine. 3. Inoceramenschichten. werden können, dass wir in diesen Gesteinen nicht (wie Stur annahm und auf seiner Karte einzeichnete) das jüngste, sondern im Gegentheile das älteste Glied unseres Wienersandstein-Complexes zu erkennen haben. Wir können dieselben in Hinkunft, um ohne grössere Umständlichkeit von denselben sprechen zu können, kurz als „untere Wienersand- steine“ bezeichnen (Ss. Fig. V). Es ist bemerkenswerth, dass die Antiklinal- Aufbruchsregion von Lang-Enzersdorf auch durch das Auftreten noch älterer Bildungen bezeichnet ist; so gelang es Herrn Keller (l. e. pag. 170) im Jahre 1891, „in dem Riegel, welcher sich parallel mit dem vom Magdalenen- hofe herabkommenden Klausgraben, 370 m westlich von diesem Graben herabzieht, einen Kalkstein mit mehreren Ammon. Amaltheus zu finden“. Es war mir leider nicht möglich zu erheben, ob dieser Fund aus sicher anstehendem Gesteine, oder etwa aus einer sogenannten „Block- klippe“ stammt, daher ich alle weiteren theoretischen Folgerungen, zu denen derselbe sonst wohl Veranlassung bieten könnte, hier lieber beiseite lassen will. 12* 92 | ©. M. Paul. [40] Nördlich am Donaugehänge vorschreitend, gelangen wir nun an den Bisamberg. Derselbe besteht wieder ganz aus den typischen und unverkenntlichen Gesteinen der Inoceramenschichten (glimmerige Sandsteine, blaugraue, kalkige Sandsteine, graue und hellgefärbte, hydraulische, muschelig brechende, chondritenreiche Mergel, Ruinen- marmore ete.), welche rechts von der Strasse zwischen Lang-Enzers- dorf und Bisamberg in einer Reihe von Steinbrüchen aufgeschlossen sind. Sie erstrecken sich von hier nordöstlich in einer Breite von etwa 25—3 Kilometer (senkrecht auf das Streichen gemessen) über den Veitsberg, Klein-Engersdorf und Fradenberg bis Hagenbrunn und Königsbrunn, wo sie an der Diluvialniederung abbrechen. Das Vorkommen kreideweisser Fucoiden, die Fuchs (Sitzb. d. kais. Akad. d. Wissensch., Bd. CI, Abth. I.) aus der Gegend westlich von Hagenbrunn erwähnt, gehört diesem Zuge an. Die Schichten liegen am Südostrande des Bisamberges bei Lang-Enzersdorf zunächst sehr deutlich, wie bereits oben bemerkt wurde, mit nordwestlichem Fallen auf denen des unteren Wiener- sandsteines. Dann folgen einige Faltungen und kleinere Knickungen, wie die obige Skizze (Fig. V) zeigt. Beim Dorfe Bisamberg und von hier an überall im nördlichen Theile des Zuges fallen die Schichten südöstlich. Wir haben hier wieder die Region der allgemeinen nord- westlichen Faltenüberschiebung erreicht, die wir oben bei Schilderung des gegenüberliegenden Donauufers bereits zu erwähnen Gelegen- heit hatten. Bei Bisamberg entfernt sich der Zug der Wienersandsteine vom Donauthale und setzt in einem schmäleren Gebirgsrücken zwischen den Neogenniederungen von Ulrichskirchen im Osten und Korneuburg— Karnabrunn im Westen gegen NNO fort. Bei Hornsburg spaltet sich dieser Zug in einen östlicheren, der bei Nieder-Kreuzstetten, und einen westlicheren, der nördlich von Gross-Russbach endet. Mit Aus- nahme der erwähnten nordöstlichen Zunge von Nieder-Kreuzstetten fällt die angegebene Erstreckung dieses Wienersandsteinzuges durchaus nicht mit dem Schichtenstreichen zusammen; dieses ist anfangs ONO und biegt sich erst weiter nördlich gegen NO. Zunächst auf das bisher betrachtete Stück folgt nun bei Flan- dorf eine kleine Einsattlung, welche die Berggruppe des Bisamberges und Fradenberges von der nördlich sich erhebenden des Stetterberges trennt. Der Weg von Flandorf nach Enzersfeld führt über diese Ein- sattlung. Dieselbe besteht nicht mehr aus Inoceramenschichten. In einem alten, aufgelassenen Schotterbruche bei den sogenannten „Iränk-Aeckern“ findet man, mit graubraunen Schiefern vergesell- schaftet, zerstreute Stücke des grünlichen oder braunen, glasigen Sand- steines, wie wir ihn (am anderen Donauufer) in dem Steinbruche südlich beim Bahnhofe Kritzendorf kennen gelernt haben, und da wir uns hier genau in der Streichungslinie der dort aufgeschlossenen Schichten befinden, so haben wir hier jedenfalls die Fortsetzung der- selben vor uns. Wir haben bei Kritzendorf gesehen, dass dieser glasige Sandstein in enger Verbindung mit dem gewöhnlichen typi- schen Greifensteiner, Sandstein auftritt und daher bereits dem Alt- tertiär angehört. [41] Der Wienerwald, 95 Auch bei Flandorf finden wir in den Steinbrüchen am Stetter- berge den typischen Greifensteiner Sandstein, namentlich die gelb- liche, mürbe Varietät desselben wieder. Das Streichen ist hier von WSW nach ONO, das Einfallen SSO. Die Schichten vom Stetterberge orientiren in ihrer Streichungs- erstreckung genau auf die Aufschlüsse am Hundsberge (nördlich der - Eisenbahnstation Kritzendorf), mit denen sie auch petrographisch übereinstimmen. Von hier nord-nordöstlich (schräg auf die Streichungs- richtung) bestehen dann noch der Donaubrunnberg und Matzbrunn- berg (zwischen Klein-Rötz und Plöding), sowie der Pflock-Glocken- berg (zwischen Unter-Olberndorf und Würnitz) vorwiegend aus dem- selben gelblichen, meist mürben und feinkörnigen, nur selten gröberen Greifensteiner Sandstein. Im Thale des Russbaches, der den hier in Rede stehenden Wienersandsteinzug nördlich von dem letzterwähnten Berge in west- östlicher Richtung durchschneidet, ist der Greifensteiner Sandstein wieder in einem Steinbruche (östlich von der Louisenmühle, an der südlichen Thalseite, gegenüber der Einmündung der von Norden her- kommenden Hornsburgerstrasse in die Strasse Weinsteig-Unter-Olbern- dorf) sehr typisch aufgeschlossen. Die Sandsteine sind hier, wie beinahe überall, vorwiegend gelblich oder lichtbräunlich, feinkörnig, enthalten thonige Einschlüsse oder die von der Auswitterung derselben herrührenden Hohlräume, und fallen — im Gegensatze zu den bisher ge- sehenen Aufschlüssen dieses Gesteinszuges — unter 23>—50° nach WNW. Die Schichten sind meistens sehr dick und senkrecht auf die Schiehtung zerklüftet. Wir gelangen nun an die obenerwähnte Spaltung des Wiener- sandsteinzuges. Der westliche, nahezu gerade, gegen Norden über den Haberfeld- berg und die Hipplinger Haide ziehende Arm besteht in seiner Haupt- masse bis zu seinem Ende bei Hipples aus Greifensteiner Sandstein, der jedoch nur in einem kleineren Steinbruche östlich von Gross- Russbach aufgeschlossen ist. Der östliche, gegen Nieder-Kreuzstetten ziehende Arm zeigt uns jedoch einen hier einigermassen überraschenden aber un- verkenntlichen Aufbruch von Inoceramenschichten. Schon an der Hornsburgerstrasse, bald nach ihrer Abzweigung vom Russbachthale, bemerkt man in einigen kleinen, westlich neben der Strasse angelegten Schotterbrüchen graue Kalkmergel mit Chon- driten, wie sie in den bisher betrachteten grösseren Aufschlüssen im Greifensteiner Sandsteine nirgends vorkamen. Die Schichten fallen unter 45° nach NW, und werden in dieser Richtung (gegen Horns- burg zu) von ebenso fallendem gewöhnlichen Greifensteiner Sandstein überlagert. Nördöstlich, genau im Streichen dieser Schichten, nämlich am Einschnitte der Staatsbahn, südöstlich von Nieder-Kreuzstetten, findet sich ein noch deutlicherer Aufschluss. Man sieht hier, von slimmerreichen, wellig gebogenen Sandsteinen und Sandsteinschiefern begleitet, die wohlbekannten, hellgefärbten, muscheligen, chondriten- reichen Kalkmergel (Ruinenmergel) der Inoceramenschichten sehr 94 C. M. Paul. [42] typisch entwickelt. Sie bilden eine nicht sehr mächtige Schichte im Sandstein, deren Ausgehendes man am Bahneinschnitte sehr gut verfolgen kann. Die hier gesammelten Sandstein- wie Kalkmergel- stücke stimmen sowohl einzeln als in ihrer Vergesellschaftung mit den Gesteinen vom Leopoldsberge und Bisamberge so vollständig überein, dass man sie — ohne Fundortsbezeichnung — einfach als von dort stammend bezeichnen würde. Der Schichtenfall ist nordwestlich. Eine zweite ähnliche Stelle findet sich am Östrande des, wie bereits erwähnt, sonst ganz aus Greifensteiner Sandstein bestehenden westlicheren Wienersandsteinarmes. In einem kleinen Schotterbruche nordwestlich von Hornsburg, zwischen dem Haberfeldberg und Kreutzberg, an der Grenze zwischen Wienersandstein und Neogen, kommen ganz dieselben Ruinenmergel und welligen Sandsteinschiefer, beide mit Chondriten, vor. Ob und wie sich diese cretacischen Aufbrüche gegen Südwesten oder Westen fortsetzen, konnte ich leider, der in dieser Gegend sehr mangelhaften Aufschlüsse wegen, nicht erheben. Jedenfalls scheinen sie bis an das Donauthal selbst nicht herabzuziehen. Ein zweiter, mit dem Bisamberg—Russbacher Zuge ungefähr paralleler aber noch schmälerer Zug von Wienersandsteinen beginnt an der Donau mit dem Schliefberge (bei Leobendorf, unweit von Korneuburg) und setzt von hier nord-nordöstlich über Schloss Kreutzen- stein, den Doblerberg und Karnabrunner Wald bis gegen Naglern fort. Dieser Zug wird auch zuweilen mit dem Namen „Rohrwald“ bezeichnet. Der grosse Steinbruch am Schliefberge schliesst gewöhnlichen, sehr typischen Greifensteiner Sandstein auf. Derselbe ist hier, wie beinahe überall, gelblich, gelbgrau oder lichtbräunlich gefärbt, meist feinkörnig, vorwiegend aus Quarzkörnern mit wenig Glimmer bestehend. In einigen Stücken erkannte v. Hauer Theilungsflächen von Feld- spatlı. Der Sandstein entspricht demjenigen, den wir gewöhnlich als „gelblichen, mürben Sandstein“ zu bezeichnen pflegten, ist jedoch hier meistens nicht mürbe, sondern ziemlich fest. Es fallen hier ziemlich zahlreiche kugelige Conceretionen auf, die aus härterer, blaugrauer Sandsteinmasse bestehen. Wir werden diese Kugel- econceretionen im alttertiären Wienersandstein noch häufig wieder- finden. Nach v. Hauer zeigte sich hier „zwischen zweien der mäch- tigen Sandsteinbänke eine etwa 2 Fuss mächtige Schichte von ab- weichender Beschaffenheit. Dieselbe besteht aus einem grobkörnigen, mehr mürben, dunkler bräunlich gefärbten Sandstein, der unzählige, meist eckige Mergelschiefer-Fragmente eingeschlossen enthält. Sie wechseln im Durchmesser von wenigen Linien bis zu einem Fuss und darüber, und gleichen ganz den Fucoidenmergeln, welche so häufig den Schichten des älteren Wienersandsteins eingelagert sind. Wenn sie, was häufig der Fall ist, ausgewittert sind, so erscheint das ganze Gestein porös“. Bei meinem Besuche der Localität, der etwa 35 Jahre nach der Veröffentlichung der v. Hauer’schen Mittheilung stattfand, sah ich von dieser Schichte hier nichts mehr aufgeschlossen. Man wird sich erinnern, dass ich thonige Kinschlüsse und Hohlräume im Sand- [43] Der Wienerwald. 95 stein nach Auswitterung dieser letzteren wiederholt von verschiedenen Localitäten angab und als charakteristisch für diese Abtheilung der Wienersandsteine hervorhob; die Analogie mit dem hier von Hauer ‚beschriebenen Vorkommen beschränkt sich jedoch auf die Hohlräume ; die Einschlüsse selbst, die ich sah, sind stets reine Thon- oder Schieferthonbrocken, die mit den kalkigen Mergeln der Inoceramen- schichten nichts gemein haben. Chondriten wurden hier nicht gefunden. Zoophycos (Taonurus, Oancellophycos) sind nicht selten. Ausserdem glückte es mir, einige, allerdings ziemlich schlecht erhaltene Nummuliten hier aufzu- finden. Sie waren nicht in dem feinkörnigen, sondern etwas gröberen Sandstein enthalten. Die Schichten streichen hier NO und fallen unter circa 40° nach SO; in den höheren Partien ist das Gestein, wie dies im Greifensteiner Sandstein so häufig vorkommt, beinahe ungeschichtet, in den tieferen in Schichten von eirca 2 m Mächtigkeit getrennt. Gesteinsbeschaffenheit, Nummulitenführung und Streichungs- richtung lassen die am Schliefberge aufgeschlossenen Schichten als genaue Fortsetzung derjenigen von Höflein und Greifenstein erscheinen. Nordwestlich vom Steinbruche am Schliefberge, südöstlich von Unter-Rohrbach, westlich vom Schloss Kreuzenstein, tritt am Donaugehänge, mit plattigem, stark glimmerigem Sandstein wechselnd, ein mergeliger, ziemlich harter Schiefer auf, der im Innern braun, auf den sehr ebenen Schieferungsflächen weiss, ziemlich vollkommen den in den Karpathen so verbreiteten Menilitschiefer- (Amphysilen- schiefer-) Typus an sich trägt. Es ist dies der südwestlichste, mir bekanntgewordene Punkt des Auftretens dieses Gesteinstypus, der dem eigentlichen Wienerwalde (westlich der Donau) vollständig fehlt. Das Fallen dieser Schiefer ist südöstlich. Nord-nordöstlich von diesem Punkte . ist ein zweites Vorkommen von Menilit- oder Amphysilen- schiefer schon seit längerer Zeit (E. Suess, Untersuchung über den Charakter der österr. Tertiärabl. Sitzb. d. kais. Akad. d. Wissensch., LIV. Bd., I. Abth., 1866) bekannt, welches bisher als der südlichste Punkt des Auftretens dieser Bildung galt. Dasselbe befindet sich südlich von Ernstbrunn und östlich von Simonsfeld, und kommen hier auch, wie fast überall in diesen Bildungen, zahlreiche Fisch- reste vor. Dieses Vorkommen ist vollständig isolirt, allseitig von Jüngeren Neogen- und Diluvialbildungen umgeben und mit dem Wiener- sandstein nicht im Contacte. Im Wienersandsteinzuge des Rohrwaldes selbst fand ich, vom Schliefberge denselben gegen NNO verfolgend, Gesteinsaufschlüsse beim Schlosse Kreutzenstein, woselbst ich (im Gegensatze zu einer älteren Angabe C2jZek’s) anlässlich der tieferen Grabungen, die zum Zwecke der Renovirung des Schlosses im Schlosshofe und an der Strasse zum Schlosse vorgenommen wurden, ganz deutlich südöstliches Fallen der Schichten (wie am Schliefberge) beobachtete. Weiter nord-nordöstlich findet sich ein grösserer Steinbruch am Kirchberge bei Karnabrunn. Er schliesst den gewöhnlichen, gelblich, bräunlich oder grau gefärbten, meist ziemlich mürben Greifensteiner Sandstein. mit thonigeu Einschlüssen und Spuren von verkohlten 96 C. M. Paul. ' [44] Vegetabilien auf. Fucoiden finden sich hier ebensowenig als am Schliefberge und den meisten grösseren Aufschlüssen des rechten: Donauufers. Das Streichen ist beinahe nordsüdlich, das Fallen unter 70° nach ©. In der Gegend von Naglern löst sich der Sandsteinzug des Rohrwaldes in einige isolirte Partien auf, die ebenfalls durch einige Steinbrüche aufgeschlossen sind. Es ist hier auch wieder der ge- wöhnliche, gelblichgraue, meist mürbe und feinkörnige Sandstein, mit ziemlich steilem südöstlichen Fallen aufgeschlossen. Ueber dem- selben, dann zwischen Naglern und Klein- Ebersdorf und noch an mehreren isolirten Punkten dieser Gegend findet sich ein meist lichtgrauer, oft beinahe weisser Mergel; ein sehr ähnlicher Mergel kommt auch bei Karnabrunn im Hangenden des Sandsteins vor. Weiter westlich im eigentlichen Wienerwalde habe ich diesen Ge- steinstypus nirgends beobachtet. Wenn wir nun einen Rückblick auf die Lagerungsverhältnisse des Rohrwaldzuges werfen, so sehen wir im Westen als liegendstes Glied die Menilit- oder Amphysilenschiefer mit den dazu gehörigen plattigen, stark glimmerigen Sandsteinen, als mittleres, die Haupt- masse des Zuges bildendes Glied den gelblichen, nummulitenführenden Greifensteiner Sandstein, zuoberst die letzterwähnten Mergel. Da die Menilitschiefer im Allgemeinen bekanntlich wiederholt als Aequivalente der Septarienthone bezeichnet, speciell diejenigen von Nikolschitz von Rzehäk (Erläut. zur geol. Karte von Brünn, Brünn 1883) mit Wahrscheinlichkeit in die tongrische Stufe gestellt wurden, so könnte nun vielleicht der Schluss naheliegend erscheinen, dass unseren Greifensteiner Sandsteinen, die hier im Hangenden der Menilitschiefer liegen, ebenfalls kein höheres Alter zukommen könne. Ein solcher Schluss wäre aber meiner Ansicht nach aus mehrfachen Gründen unzulässig. Erstlich befinden wir uns hier in der Region der nördlichen (respective nordwestlichen) Faltenüberschie- bungen, und können nicht sicher wissen, ob wir hier nicht gerade eine überkippte Faltenseite, also umgekehrte Lagerfolge vor uns haben. Ferner bezeichnen in den Karpatheu, wie ich schon vor längerer Zeit hervorhob und wie gegenwärtig auch so ziemlich von allen Karpathenforschern übereinstimmend angenommen wird, die Menilitschiefer gar kein fixes, einheitliches Niveau innerhalb des Complexes der Karpathensandsteine; sie treten vielmehr in einzelnen Bänken und Linsen bald höher, bald tiefer, im älteren. „Özensko- witzer Sandsteine* sowohl wie im jüngeren „Magurasandsteine* auf, ohne dass es bisher gelungen wäre, irgend ein constantes Unter- scheidungsmerkınal zwischen diesen einzelnen, keinesfalls vollkommen gleichalterigen Menilitschieferlagen festzustellen. Ich habe in meinen Arbeiten über die Karpathensandsteine wiederholt Gelegenheit ge- habt, dieses Verhältniss, das ich die „verticale Dispersion der Menilitschieferfacies‘ nannte, zu betonen; und es scheint mir daraus zu folgen, dass man dem Vorkommen derartiger Schiefer als Orien- tirungsbehelf für eine schärfere Horizontirung der Flyschgesteine dermalen keinen allzugrossen Werth beilegen sollte. [45] Der Wienerwald. 97 Ungefähr parallel mit den beiden besprochenen Wienersand- steinzügen tritt weiter nordwestlich noch ein dritter, in zahlreiche einzelne Inseln aufgelöster Zug älterer Gesteine aus dem Neogen- lande hervor. Es ist dies der altbekannte Zug alttertiärer Kalke, der, am Waschberge nordöstlich von Stockerau beeinnend, sich in mehreren isolirten Kuppen bis in die Gegend von Nieder-Fella- brunn erstreckt und im Nordwesten noch von einigen anderen älteren Gesteinsinseln begleitet. ist. Dieser Zug gehört nicht mehr dem Faltensysteme der Wiener- sandsteinzone an; die Gesteine desselben sind nicht mehr in der Flysch- facies entwickelt und finden westlich der Donau im Wienerwalde keine Fortsetzung. Eine nähere Besprechung dieser Vorkommnisse fällt daher ausserhalb des Rahmens vorliegender Mittheilung. Wer sich über dieselben informiren will, findet nähere Angaben in den eitirten älteren Arbeiten von F. v. Hauer (Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1858) und E. Suess (Sitzungsberichte der k. Akademie 1866), ferner in den Erläuterungen zur Stur’schen geologischen Special- karte der Umgebung von Wien (1894), woselbst ich mit Benützung der Stur’schen manuscriptlichen Aufzeichnungen, der von Prof. Mayer-Eymar bestimmten Fossillisten, sowie der Foraminiferen- studien Prof. RZehak’s und Prof. Uhlig’s ein kurzes Excerpt der wichtigsten, bis dahin über diese Vorkommnisse vorliegenden Daten zu geben versuchte, endlich in den neueren Mittheilungen von Dr. A.v.Krafft (Verhandl. der k. k. geol. R.-A. 1897, Nr. 9) und Oth Abel (Verhandl. der k. k. geol. R.-A. 1897, Nr. 17 und 18) über die neu entdeckten Tithonbildungen der Gegend von Bruderndorf. 3. Nussdorf—St. Andrä. Wir wollen nun die Betrachtung des eigentlichen Wienerwaldes vom Donauthale gegen Südwesten fortsetzen. Der Weg von Nussdorf nordwestlich über den Kahlenberg, Weidling, Kierling und Gugging nach St. Andrä ergibt eine ziemlich genaue Wiederholung des Donaudurchschnittes. Wenn man, von Nussdorf ausgehend, an der östlich von der Zahn- radbahn nach Josefsdorf (am Kahlenberg) hinanführenden Strasse das Neogengebiet verlassen hat, gelangt man zunächst am Südabhange des Nussberges an einen schmalen Zug von gröberen und feineren, zuweilen kalkigen und meist mit Spathadern durchzogenen Sandsteinen und rothen Mergelschiefern, der sich von hier gegen Westen, über den oberen Theil des.Ortes Grinzing bis Bellevue erstreckt, bei Sievering durch weiter nach Nörden eingreifendes Neogen etwas unterbrochen ist, westlich von letztgenanntem Orte aber wieder erscheint, und über Neustift und Salmannsdorf fortzieht, woselbst er sieh mit einem nördlicheren Zuse derselben Gesteine (die wir später zu er- wähnen haben werden) vereinigt. Gegen Osten hängt dieser Zug mit dem Auftreten von rothen Schiefern zusammen, die, wie bei der Schilderung des Donaudurchschnittes erwähnt wurde, beim Meierhofe Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 43. Band, 1. Ieft. (C. M. Paul.) 13 98 C. M. Paul. [46] Eichelhof durch Brunnengrabungen zu Tage gefördert wurden. Die Sandsteine dieses Zuges sind nirgends in grösseren Entblössungen aufgeschlossen; die rothen Mergelschiefer verrathen sich zwar an vielen Stellen durch die rothe Färbung der Dammerde, bieten uns jedoch an sich noch kein sicheres Merkmal zur Erkennung des Niveaus, in dem wir uns befinden, denn rothe Schiefer oder Thone — die man bei mangelhaften Aufschlüssen voneinander nicht unterscheiden kann — lernten wir in den Karpathen, wie ich in meinen bezüglichen Arbeiten oft genug zu betonen Gelegenheit hatte, in sehr verschie- denen Niveaus kennen. Der Vorgang Stur’s, der überall, wo er rothe Dammerde constatirte, sofort ein bestimmtes Niveau annahm und auf seiner Karte einzeichnete, verdient durchaus keine Nach- ahmung. Wir finden jedoch zur Deutung unseres Gesteinszuges einen Anhaltspunkt in einer älteren Angabe C2ZjZek’s, der (Aptychen- schiefer ete., Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1852) erwähnt, dass „bei Salmannsdorf die rothen Mergel eine grosse Menge von Aptychus lamellosus P. meistens in kleineren Exemplaren führen“. Peters, der später (Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1854) mit Benützung des Cz2j%ek’schen Materiales die Aptychen der österreichischen Neocomien- und oberen Jurasschichten bearbeitete, erwähnte Apf. lamellosus nicht ‘mehr; diese Bestimmung muss sich daher wohl als unrichtig erwiesen haben. Feststehend bleibt aber jedenfalls, dass die rothen Mergel unseres Zuges Aptychen enthalten; denn C2jäek konnte zwar in der specifischen Bestimmung der Aptychenformen sich irren, dass er aber überhaupt Aptychen nicht gekannt, irgendwelche andere Reste mit solcher Bestimmtheit als Aptychen erklärt oder einen falschen Fundort angegeben haben sollte, das muss bei diesem Autor wohl als ausgeschlossen betrachtet werden. Wir haben es daher nach diesem Funde hier mit Schichten zu thun, die nicht jünger als Kreide, wahrscheinlich nicht jünger als Unterkreide, keinesfalls aber eocän sein können, wie sie von Stur aufgefasst und eingezeichnet wurden. Es ist, kurz gesagt, wieder unsere Gruppe der „unteren Wienersandsteine“, wie wir sie an der Donau bei Kahlenbergerdorf, Lang-Enzersdorf ete. kennen gelernt haben. Die Lagerungsverhältnisse dieses Zuges entsprechen vollkommen dieser Deutung. Es herrscht in demselben von Nussdorf bis Salmanns- dorf nordwestliches oder nord-nordwestliches Einfallen und im Han- senden folgt, mit gleicher Fallrichtung, ein Zug von Inoceramen- schichten, derselbe, den wir an der Donau am Nussberge und Burg- stallberge (zwischen Nussdorf und Kahlenbergerdorf) geschnitten haben. Derselbe zieht von hier westlich in sehr wechselnder Breite bis an den Dreimarktstein nördlich von Salmannsdorf. An der uns hier zunächst beschäftigenden- Strecke von Nussdorf auf den Kahlenberg markirt sich dieser Zug von Inoceramenschichten durch einige orographisch etwas hervortretende kleine Kuppen und zeigt hier (östlich von der Strasse in mehreren kleinen Schotter- brüchen) das nordwestliche Einfallen der Schichten sehr deutlich. Die Gesteine sind die typischen, für dieses Niveau charakteristischen hellen, muscheligen, chondritenreichen Kalkmergel mit gröberen Sandsteinen wechselnd und von einer Lage weisslicher, mürber Mergel überlagert. [47] Der Wienerwald. 99 Nach Verquerung dieses hier ziemlich schmalen Zuges weiter aufwärts schreitend, finden wir (noch vor dem Steilanstiege des Kahlenberges) wieder zu beiden Seiten der Strasse rothgefärbte Dammerde. Wir befinden uns hier in der Streichungsfortsetzung des Zuges unterer Wienersandsteine von Kahlenbergerdorf, der sich auch gegen Westen und Südwesten weit forterstreckt und in allen Durch- schnitten durch den Wienerwald, bis an sein südwestliches Ende am Gölsenthale, als eine der wichtigsten tektonischen Orientirungslinien wiederzufinden ist. Ausser den rothgefärbten Schichten finden wir hier auch andere, für dieses Niveau charakteristische Gesteins- varietäten, so (am Wege gegen Kahlenbergerdorf) plattige Sandstein-. schiefer und geäderte Sandsteine mit einer Lage von lichtem Mergel- kalk ete. Im Muckenthale, westlich vom Gasthause „zur Wild- srube“, stehen die schwarzen und rothen Mergelschiefer an; sie stehen hier in Verbindung mit lichteren, etwas kalkigeren, mit dunk- leren, runden oder ovalen Flecken bedeckten Mergeln, den sogenannten Fleckenmergeln. Wir werden diesen Gesteinstypus in dieser Zone im Wienersandsteingebiete noch häufig wiederfinden und wollen hier, wo wir denselben das erste Mal zu erwähnen haben, gleich einige Worte über denselben einschalten. Die Fleckenmergel sind ein jedem Alpengeologen sehr wohlbekanntes Gestein und Jedermann weiss, dass sich dasselbe in unseren nordöstlichen Alpen vorwiegend in zwei Formationen findet: im Lias und im Neo- comien. Petrographisch sind Lias- und Neocom-Fleckenmergel oft voll- kommen gleich. In palaeontologisch sichergestellten jüngeren Bildungen (Gosauformation, Muntigler Flysch oder Inoceramenschichten, Niern- thaler Schichten, nummulitenführendem Eocän etc.) wurden diese echten typischen Fleckenmergel meines Wissens bisher niemals nachgewiesen. Da wir nun hier im Flyschgebiete wohl kaum an Lias denken können, so gibt uns das Auftreten derartiger Gesteine immerhin einen werth- vollen Anhaltspunkt zur Bestimmung der mit ihnen verknüpften Ge- steinsserien als Unterkreide. Auch gehen die Fleckenmergel der Wienersandsteinzone gegen Westen vielfach in die hellen, muschelig brechenden Mergelkalke über, die ihrerseits durch das stellenweise Vorkommen von Aptychen ebenfalls als neocom charakterisirt sind. Dieser Uebergang ist ein so allmäliger, dass überhaupt eine Grenze zwischen den beiden Gesteinen nicht zu ziehen ist, umsomehr, als auch die kalkigeren Varietäten oft noch dieselben Flecken zeigen, wie die mergligeren oder sandigeren. Aptychenkalke und Flecken- mergel mussten daher bei meinen Aufnahmen als vollständig zu- sammengehörig vereinigt werden !). Nördlich (also im Hangenden) der rothen und schwarzen Mer- gelschiefer und Fleckenmergel, unmittelbar unter dem Steilanstiege des Kahlenberges, folgen dann glasige oder stark glitzernde Sand- steine (z. B. beim Gasthause zur „eisernen Hand“) und dann folgen 1) Auf meinen Original-Aufnahmsblättern (1:25.000) und der Reduction aus denselben auf den Specialkarten (1:75 000) sind Aptychenkalke und Fleckenmergel von den übrigen unteren Wienersandsteinen getrennt; auf dem hier beigegebenen Uebersichtskärtchen erschien eine solche Ausscheidung des kleinen Massstabes wegen undurchführbar. 13* 100 C.:M. Paul. [48] mit dem erwähnten Steilanstiege die Inoceramenschichten, derselbe breite Zug dieser Gesteine, den wir an der Donau am Leopoldsberg kennen lernten und der sien von hier weit gegen Südwesten fort- erstreckt. Von der Neogengrenze bei Nussdorf bis hierher sehen wir also mit durchaus gleichem nordwestlichen Einfallen zuerst untere Wienersand- steine, dann Inoceramenschichten, dann wieder untere Wienersand- steine, endlich am Kahlenberge wieder Inoceramenschichten. Diese Erscheinung könnte nun auf zweierlei Art erklärt werden: entweder durch schiefe Faltenstellung oder durch einen Längsbruch. Der ersteren Annahme steht der Umstand entgegen, dass wir bei der herrschenden nordwestlichen Fallrichtung hier eine nach Süden (resp. Fig. VI. Kahlenberg = Gasthauszur RER in . ersern er Hand Napa i "er Nussberg i 0) & B ! ? \ TI: : 3 RE .NW. 1. Neogen. 2. Rothe Mergel und Sandsteine (unterer Wienersandstein). 3. Helle muschelige Chondritenmergel und Sandsteine (Inoceramenschichten). 4. Rothe und schwarze Mergelschiefer, Fleckenmergel, glitzernder Sandstein (Unterer Wienersandstein). 5. Inoceramenschichten des Kahlengebirges (Leopoldsberg — Kahlenberg — Hermannskogel). B. = Bruchlinie. Südosten) gerichtete Faltenüberkippung annehmen müssten, was mit der allgemeinen Erfahrung im Widerspruch stünde, dass in der ganzen alpin-karpathischen Flyschzone alle als überkippt eonstatirten Falten durchaus gegen den Aussenrand der Zone (also nach Norden, resp. Nordosten oder Nordwesten) übergeneigt sind, niemals gegen den Innenrand. Wir müssen also hier wohl: eine kleine Bruchlinie an- nehmen, die zwischen dem ersten Zuge der Inoceramenschichten und dem zweiten Zuge der unteren Wienersandsteine verläuft, gegen Nordosten etwa durch den Schablergraben warkirt ist und südlich bei Kahlenbergerdorf mit dem Nordrande des Burgstallberges die Donau erreicht. Die beifolgende Skizze (Fig. VI) möge dieses Ver- hältniss erläutern. Einen ergänzenden Paralleldurchschnitt zu dem eben gegebenen bietet (etwa 1 Kilometer westlich) derWegvonGrinzingdurch das Stein- bergerthal und über das sogenannte Krapfenwaldl gegen das Kahlen- [49] Der Wienerwald. T01 gebirge (so bezeichnen wir den Höhenzug, der, orographisch ziemlich scharf von dem südlich vorliegenden niedrigeren Hügellande sich abhebend, vom Leopoldsberge über den Kahlenberg, Vogelsangberg, Langenberg und Hermannskogel bis an den Sauberg zieht). Bei Grinzing sieht man in den Weingärten vielfach Stücke von dunklen, kalkigen, weissgeaderten Sandsteinen herumliegen; wir sind hier in .der Fortsetzung des südlichsten Zuges unterer Wiener- sandsteine. | Ein kleiner Steinbruch gleich nordwestlich bei Grinzing schliesst mit nord-nordwestlichem Fallen sehr typische Inoceramenschichten auf, nämlich einen Wechsel heller, zuweilen bläulichgrauer oder weiss- licher, chondritenreicher Mergel und Kalkmergel - mit plattigem slimmerreichen Sandstein und Sandsteinschiefer. Es ist dies die Fort- setzung des ersten Zuges von Imoceramenschichten des vorigen Durehschnittes. Bald darauf folgt ein zweiter grösserer Steinbruch. Die Schichten fallen in demselben ebenfalls nach NNW und bestehen in den tieferen Lagen aus blauen Thonen, blaugrauem Sandstein und- blättrigen Schiefern mit Chondriten. Ob diese Lagen noch zu den Inoceramen- schichten (denen sie allerdings lithologisch nicht mehr sehr ähnlich sind) oder schon ins Alttertiär zu stellen sind, kann ich nicht ent- scheiden. Ausser diesen schliesst jedoch der Steinbruch (in den höheren Lagen) gelbliche und bräunliche Sandsteine auf, die dem typischen, alttertiären Greifensteiner Sandsteine, wie wir ihn an der Donau so genau kennen zu lernen Gelegenheit hatten, in allen Details so vollkommen gleichen, dass ich keinen Anstand nehme, sie ohne weiters mit diesen zu identificiren, wenn wir uns auch hier nicht im Streichen des Hauptzuges dieser Abtheilung befinden. Wir werden übrigens weiter gegen Südwesten noch sehr häufig typische und zum Theile auch palaeontologisch sichergestellte Alttertiärschollen im süd- licheren Theile des Wienerwaldes, ausserhalb des Hauptzuges der Greifensteiner Sandsteine, den cretacischen Wienersandsteinen auf- gelagert und eingefaltet finden }). Gehen wir von diesem Steinbruche gegen die unter dem Namen „Krapfenwaldl“ jedem Wiener bekannte Restauration, so finden wir, zwar nicht steinbruchsmässig, aber am Wege mehrfach aufgeschlossen, ganz andere kalkige und grobe Sandsteine, die wieder den Typus der unteren Wienersandsteine an sich tragen, so dass hier die ältesten Glieder des Wienersandstein-Oomplexes ganz unvermittelt an die jüngsten anzustossen scheinen. Wir haben hier ersichtlich wieder die Bruchlinie geschnitten, die bei Besprechung des vorigen Durch- schnittes erwähnt wurde. Dieselbe ist hier auch (südlich vom Krapfen- waldl) durch eine in westsüdwest-ostnordöstlicher Richtung ver- laufende Terrainstufe markirt. Nordwestlich vom Krapfenwaldl finden sich (beim Armenhause) weissliche Mergel, von denen ich allerdings nicht entscheiden kann, ob sie noch den unteren Wienersandsteinen 1) Die in Rede stehende Partie von Greifensteiner Sandstein ist auf dem beigegebenen Uebersichtskärtchen der geringen Ausdehnung wegen nicht aus- geschieden, 102 C. M. Paul. [50] angehören, und dann mit dem steiler ansteigenden Gebirge die typi- schen, mit glimmerigen Sandsteinen wechselnden Chondritenkalk- mergel der Inoceramenschichten. Die Fallrichtung bleibt überall nach NW oder NNW (s. Fig. VD). Mit diesen Inoceramenschichten (Fig. VI, 5. und Fig. VII, 73 haben wir nun wieder den grossen Zug dieser Abtheilung erreicht, der, wie bereits mehrfach erwähnt wurde, den Höhenzug des Kahlen- gebirges, vom Leopoldsberge bis an den Sauberg bei Weidlingbach, Fig. VI. Vog ., e, Steinbruch KÄrapfenwaldel : Grinzing Armenhaus ! } Sternbruch A ÄB 7 Ä \ | 177, TÜR er | | 6 5 er 999 BZ? My "2. 2% FR DIE aRE NW. | 80. Durchschnitt von Grinzing auf das Kahlengebirge längs des Steinberger Thales. 1. Dunkler geaderter Sandstein (Unterer Wienersandstein). 2. Chondriten - Kalkmergel und glimmerreicher Sandstein (Inoceramen- schichten). 3. Blaue Thone, blaugrauer Sandstein, blättrige Schiefer mit Fucoiden (Inoceramenschichten oder Eoecän ?). 4. Gelblicher feinerer und gröberer Sandstein (Greifensteiner Sandstein). 5. Geaderte und grobe Sandsteine (Unterer Wienersandstein). 6. Weissliche Mergel (Neocom oder Inoceramenschichten ?). 7. Chondriten-Kalkmergel mit Sandsteinbänken (Inoceramenschichten des Kahlengebirges). ; B. — Bruchlinie. zusammensetzt. An der Zahnradbahn (zwischen den beiden letzt- beschriebenen Durchschnitten) wurde auch seinerzeit von Keller (s. Einleitung) ein /noceramus in denselben gefunden. Ueberschreiten wir den Kamm des Kahlengebirges und steigen nordwärts in das Weidlingthal hinab, so gelangen wir beim Orte Weidling an die Stelle, von welcher der von Zugmayer mitgetheilte Ammonitenfund stammt. Es ist dies nach der Beschreibung Z ug- mayer’s (s. Einleitung) wahrscheinlich das untere Ende des auf den Karten mit „Siedersgraben“ bezeichneten Thälchens. Ich fand an dieser Stelle, sowie überhaupt an der Südseite des Weidlingthales wenig gut aufgeschlossene Schichten. Erst etwas westlich von Weid- ling, an der Mündung eines vom Hermannskogel herabkommenden Thälchens (gerade nördlich von der Aussichtswarte am Hermanns- kogel) stehen typische Inoceramenschichten mit flachem, nahezu süd- [51] Der Wienerwald. 103 lichem Einfallen an. Ich sahı hier zu unterst harten Sandstein, darüber grauen und lichten Mergel, dann Chondriten-Kalkmergel mit einzelnen Lagen von kalkigem Sandstein, dann eine Lage von blätterigem, lichten Schiefer, zu oberst wieder Chondriten-Kalkmergel mit unter- geordneten Sandsteinschichten. Ueber diesem ganzen Complexe folgt dann im Stiftwalde am Südabhange des Hermannskogels eine Partie von bunten Schiefern und Sandsteinschiefern, die Stur auf seiner Karte dem Eocän zuzählt. Wir hätten — die ebensowenig erweisliche als zu negirende Richtigkeit dieser Deutung vorausgesetzt — hier eine von Westen her tief in das Gebiet der eretacischen Wiener- sandsteine eingreifende Eocänzunge vor uns; dieselbe ist jedenfalls ziemlich schmal, denn die Höhe des Hermannskogels selbst besteht, wie bereits erwähnt, wie das ganze Kahlengebirge aus Inoceramen- schichten. Wir verqueren nun das Weidlingthal und setzen unseren Durch- schnitt jenseits (auf der Nordseite desselben) fort. Wir bewegen uns nun bis in das Kierlingthal vorwiegend in Inoceramenschichten, welche hier, wohl in Folge mehrfach sich wiederholender Falten, eine bedeutende Breitenentwicklung erlangen. Sie bilden den Kammers- berg (zwischen dem Weidlingthal und Rothgraben), die „Lange Gasse“ und wenigstens den grösseren südöstlichen Theil des Haschberges. Gute Aufschlüsse derselben findet man in einem Steinbruche am Nordgehänge des Rothgrabenthales (unweit der Einmündung desselben in das Weidlingthal, schon innerhalb der zum Orte Weidling ge- hörigen Häuser), ferner in einem Steinbruche am Südgehänge des Höhenzuges „Lange Gasse“. Das Fallen an diesen Entblössungen ist durchaus südöstlich. Wir befinden uns hier in der Streichungsfort- setzung der Inoceramenschichten des Buchberges bei Klosterneuburg, die bei Besprechung des Donaudurchschnittes erwähnt wurden. Auch am Haschberge (südlich vom Haschhofe) stehen in einem kleinen Schotterbruche Inoceramenschichten an; nordöstlich vom Haschhofe aber sieht man rothe Schiefer, die flach westlich zu fallen scheinen. Ihr Verhältniss zu den südöstlich fallenden Inoceramenschichten der „Langen Gasse“ ist unklar. Westlich von diesen rothen Schiefern (im Hangenden derselben) sind in einigen kleinen Schottergruben grau- braune, etwas glasige, stark verwitterte Sandsteine aufgeschlossen, die den mehrfach erwähnten, die untere Partie der Greifensteiner Nummulitensandsteine begleitenden Sandsteinen mehr gleichen als dem schwarzen, glasigen Sandstein der unteren \Wienersandsteine. Noch weiter westlich, im Stiftwalde und Rothgrabenwalde, finden sich grobe, breceienartige Sandsteine mit krystallinischen Gesteins- brocken, die den Typus der Alttertiärsandsteine noch ausgesprochener an. sich tragen. Die Deutung dieser rothen Schiefer ist nun ziemlich schwierig. Wir befinden uns hier nicht, wie es bei flüchtiger Betrach- tung den Anschein haben könnte, in der Streichungslinie des Anti- klinal-Aufbruches rother und schwarzer Schiefer von Lang-Enzersdorf; die ganze Partie der Inoceramenschichten der „Langen Gasse“ und des Buchberges schiebt sich dazwischen ein. Berücksichtigen wir dann auch noch die Nähe der Eocängrenze, so wird es zweifelhaft, ob wir hier nicht rothe Gesteine eines jüngeren, zwischen Inoceramen- 104 C. M. Paul. [52] schichten und sichererem Alttertiär sich einschaltenden Niveaus vor uns haben, und-dies umsomehr, als ein:solches jüngeres Niveau rother Gesteine (wie wir BE sehen werden) im Wienerwalde thatsächlich vorkommt. Von dieser: Kernen; zweifelhaften Gesteinspartie abgesehen, haben wir bis in das Kierlingthal, das wir nun im weiteren Verfolge unseres Durchschnittes erreichen, Inoceramenschichten. Dieselben stehen- westlich -bei Klosterneuburg, an der Südseite des Thales in der Nähe der Militärschiessstätte, an der Nordseite ungefähr Bee über der Villa Medek, mit süd- südöstlichem Einfallen an. Weiter aufwärts gegen Kierling biegt sich das Thal nach WNW und wird dadurch zu einem Querthale. Von dieser Thalkrümmung an aufwärts bis etwa zum Beginne des Ortes Kierling finden wir — jedoch nur unten im Thale, während die Höhen aus Inoceramen- schiehten. bestehen — eine kleine, ‚wenig aufgeschlossene Partie schieferiger Gesteine, die von den gewöhnlichen Inoceramenschichten etwas verschieden zu sein scheinen, ohne jedoch irgendwelche charak- teristischere Gesteinstypen zu zeigen, welche. hinreichen ‚würden, um sie, mit Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit in eines der be- kannten Wienersandstein-Glieder einzureihen; ich habe sie, da man sich für die. Karte doch für irgend etwas entscheiden muss, PR risch als untere Wienersandsteine ausgeschieden. Die Hauptgesteine dieses Theiles des Thales bleiben: aber immer die Inoceramenschichten, und zwar reichen sie gegen Westen bis in den Ort Kierling, wo ich:sehr typischen Ruinenmarmor mit Chondr. Vindobonensis: var. intricatus Ettingsh. an der, rechten (südlichen) Thal- seite, beim unteren :;Ende der. sogenannten „Dietschen-Stiege“, mit südöstlichen Fallen anstehend beobachtete. Aber auch auf der linken Thalseite sind die Inoceramenschichten noch in ziemlicher Ausdehnung entwickelt. Sie setzen hier den ganzen Freiberg bis etwas westlich vom Freiberghofe zusammen und: sind in der östlichen Umgebung dieses Hofes, sowie an dem von demselben gegen das „Käferkreuz* führenden Wege in allen ihren charakteri- stischen 'Gesteinsvarietäten ‚mit süd-südöstlichem bis‘ südlichem Ein- fallen aufgeschlossen. Stur scheint hier nicht gewesen zu sein, sonst hätte er diese Aufschlüsse am Freiberge unmöglich übersehen und hier Eocän. einzeichnen können. Die westliche und nördliche Grenze der Inoceramenschichten ver- läuft westlich vom Haschhofe zuerst in nördlicher Richtung nach Kierling, schneidet ungefähr durch die Mitte dieses Ortes, zieht dann nordöstlich, westlich beim Freihofe vorbei, dreht sich am Nordgehänge des-Freiberges nach SO und erreicht die Donau zwischen Unter-Kritzendorf und Kloster- neuburg, :wo wir sie "bereits im Donauprofile geschnitten haben. Die Inoceramenschichten reichen sonach (von den obenerwähnten, räum- lich‘. sehr beschränkten Partien zweifelhafter Bildungen 'abgesehen) um mehr als einen Kilometer: weiter ‚nach: Westen und a, als es auf der Stur’schen Karte. dargestellt ist. An die Inoceramenschichten schliesst sich’ zunächst: eine schmale Zone: von thonigen Schiefern und groben Sandsteinen, die aber. hier nirgends in. grösseren Entblössungen aufgeschlossen sind. :Sie ziehen [53] Der Wienerwald. 105 durch den Ort Kierling, nördlich über den „Weissen Hof“, und von da südöstlich an die Donau, sind wahrscheinlich mit den Gesteinen identisch, die wir (im Donauprofile) beim Bahnhofe Kritzendorf auf- geschlossen sahen und sind infolge ihrer Position zwischen Inoceramen- schichten und typischem Greifensteiner Sandstein wohl als unterstes Alttertiärglied zu deuten. Dann folgt — schon im westlichen Theil des Ortes Kierling — der echte Greifensteiner Sandstein und zwar der breite Hauptzug dieser Gesteine, den wir zuerst an der Donau zwischen Ober-Kritzendorf und Höflein kennen gelernt haben und der sich nun weit gegen Südwest durch das ganze Wienerwaldgebiet fortverfolgen lässt. Westlich von Kierling spaltet sich das Thal. Der südlichere Arm (der Haselberg) ist ein Längenthal und bietet keine Schichten- verquerung; wir folgen daher dem nördlichen Arme gegen Gugging. Etwa 1'5 Kilometer nördlich von diesem Thale, im Marbach- graben (einem bei Kierling einmündenden Seitenthale), an der Ost- seite des Sonnberges, ungefähr in der Mitte zwischen Kierling und Hadersfeld, ist der Greifensteiner Sandstein durch die altbekannten Fig. VIII. grossen Schleifsteinbrüche aufgeschlossen, welche bereits v. Hauer (Eocängeb. 1858) beschrieb. „Der schon sehr ausgedehnte Bruch“ (sagt der Genannte) „wird nach dem Streichen der Schichten be- trieben, indem man nur bestimmte Schichten verfolgt. Dieses Streichen ist nach Ost 20° in Nord gerichtet. Das Fallen beträgt bei 70% in Süd. Nur am Ausgehenden der Schichten brechen diese entsprechend dem Gebirgsabhange um ungefähr 90° um, wie die Zeichnung Fig. VII zeigt, so dass an der Oberfläche selbst, in einer weniger als eine Klafter tiefen Aufgrabung ein scheinbares Fallen nach Nord zu beob- achten wäre. Ein ähnliches Verhältniss, offenbar hervorgebracht durch den an der Oberfläche allmälig wirkenden Druck dem Abhang ent- lang, gewahrt man nicht selten im Wienersandsteine, so dass man Schichtungen, die nur an der Oberfläche zu beobachten sind, immer mit einiger Vorsicht zu beurtheilen hat. Das in diesem Bruche 'auf- geschlossene Gestein ist ein sehr fein- und gleichkörniger, nicht sehr fester, ziemlich glimmerreicher Sandstein, mit dem sehr feiner, schieferiger, blaugrauer durch Verwitterung bleichender Mergel- schiefer wechsellagert. Die meisten Schichten des Sandsteines sind nicht über 1 Fuss mächtig, nur zwei Schichten, die man hauptsächlich verfolet, sind 3-4 Fuss mächtige. Auf der Hangendfläche mancher Schichten finden sich zahlreiche Wülste und Hervorragungen, darunter auch die merkwürdigen, schlangenartig gewundenen Körper, deren Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 14 106 C. M. Pau). [54] schon Herr Bergrath C2jZek (Erläut. z. geol. Karte der Umgeb. Wiens, pag. 85) Erwähnung macht. Sie stimmen vollkommen überein mit den von Meneghini unter dem Namen Nemertilites Strozzüi beschriebenen Fossile (Consid. sulla Geologia Toscana, pag. 145), welches sich in Toscana sowohl im eocänen Flysch als auch im Neocom findet. Nur an einer Platte beobachtete ich auch an der Liegendfläche wulstförmige Hervorragungen, welche ungefähr den Körpern gleichen, die Haidinger mit den Fährten von Cheloniern vergleicht (Ber. über d. Mittheil. v. Freunden d. Naturw. III, pag. 285), doch sind sie bedeutend kleiner und minder regelmässig gefaltet. Auf vielen Stücken des Sandsteines gewahrt man Rinden von Eisen- oxydhydrat.“ Besonders bemerkenswerth bei diesen Aufzeichnungenv. Hau er’s scheint mir die Angabe, dass hier wulstförmige Hervorragungen (Hieroglyphen) auf beiden Seiten der Schichten vorkommen, eine Thatsache, die Beachtung verdient mit Bezug auf die in neuerer Zeit wiederholt aufgetauchte Ansicht, dass diese Hieroglyphen ein sicheres Merkmal der unteren Schichtflächen, und daher zur Ent- scheidung der Frage, ob man es mit überkippter oder normaler Lagerung zu thun habe, verwendbar seien. Die vorliegende Beob- achtung v. Hauer’s spricht jedenfalls gegen eine solche Verwend- barkeit (vergl. Einleitung). Weiter sind die Greifensteiner Sandsteine dann noch an der Strasse von Gueging nach St. Andrä, sowie bei St. Andrä selbst in einigen Steinbrüchen mit ostnordöstlichem Streichen und süd-süd- östlichem Einfallen aufgeschlossen. Zwischen Gugging und St. Andrä finden sich einzelne Lagen bräunlicher, dünnplattiger, sehr glimmer- reicher Sandsteine mit sehr ebenflächigen Schichten, welche mit dem Gesteinstypus, den ich in Mähren „Steinitzer Sandstein“ nannte, und der dort mit der Menilitschieferfacies engstens verknüpft auf- tritt, petrographisch vollkommen übereinstimmen. Bei St. Andrä findet sich namentlich die feinkörnige, gelbliche Sandsteinvarietät wieder, die wir von Höflein, Greifenstein ete. wiederholt beschrieben haben. Auch Nummuliten liegen von St. Andrä vor )). Bevor wir die Donauebene erreichen, schneiden wir noch im Orte St. Andrä, am äussersten Nordrande des Wienerwaldgebirges, eine hier noch sehr schmale Partie einer vom Greifensteiner Sand- steine merklich verschiedenen Gesteinszone, die, von hier südwestlich sich verbreiternd, über Wolfpassing, den Tulbingerkogel, Ried, südlich bei Rappoltenkirchen vorbei, nach Anzbach an der Westbahn und das Laabenthal bei Christofen fortsetzt, bis hieher den Nordwest- rand des eigentlichen Wienerwaldes gegen das sich anschliessende neogene Hügelland bildend. Es ist dies die Gesteinszone, die Stur auf seiner geolo- gischen Specialkarte der Umgebungen Wiens unter dem Namen ı) Die Nummuliten der Greifensteiner Sandsteine wurden auf Veranlassung Sturs von Prof. Uhlig untersucht, und darüber in den Erläuterungen zu Stur’s Specialkarte der Umgebungen von Wien berichtet. Ich werde diese Untersuchungs- resultate Uhlig’s in den den Schluss vorliegender Mittheilung bildenden, zusam- menfassenden Bemerkungen reproduciren. | [55] Der Wienerwald. | 107 „Wolfpassinger Schichten“ ausscheidet und als unterstes Eocänglied bezeichnet. Ich habe kein positives Beweismittel, um diese Deutung direct als unrichtig zu bezeichnen; wahrscheinlich erscheint sie mir jedoch nicht, und ich konnte mich daher auch nicht veranlasst sehen, sie für meine Karte zu acceptiren. Wir haben zur Lösung derartiger Fragen drei Behelfe: die Fossilführung, die Lagerungsverhältnisse, und — wenn diese beiden nichts ergeben — die petrographische Analogie mit sicherer deut- baren Gliedern desselben Gebirgssystems. Was zunächst die Fossilführung der sogenannten einber Schichten“ betrifft, so liegen aus denselben nur Fucoiden und (aus dem Steinbruche „auf der Riesen“ bei St. Andrä) „opake Blättchen‘“, die Stur als Fischreste ansprechen zu können glaubte, vor. Diese Reste geben gar keinen Anhaltspunkt für eine stratigraphische Deutung. Die Lagerung der „Wolfpassinger Schichten“ zeigt, wie Stur angab und wie ich selbst überall im ganzen Zuge bestätigt fand, durchaus flachen, südöstlichen Schichtenfall, also eine Neigung unter den südlich sich anschliessenden Greifensteiner Sandsteinzug. Wenn wir auch hier, der sehr flachen Lagerung wegen, nicht an eine Ueber- kippung denken, sondern normales Verflächen annehmen wollen, so beweist dieses Lagerungsverhältriss doch ebenfalls nicht viel, denn das Einfallen unter den Greifensteiner Sandstein kann ebensogut auf obere Kreide, als auf unterstes Eocän hindeuten. Es bleiben also noch die petrographischen Verhältnisse. Wir finden in unserem fraglichen Zuge die folgenden Gesteine, meist in rascher Wechsellagerung und durch mannigfache Uebergänge mit- einander verbunden: feinkörnige, glimmerreiche, lichtgraue, bräun- liche oder grünliche Sandsteine, in kalkigeren oder mergeligeren Varietäten mit Chondriten und Hieroglyphen; schiefrige Mergel und muschelige, bräunliche Mergel mit Chondriten ; Kalksandstein mit Spath- adern, durch Zurücktreten der Sandkörner und Prävaliren des kalkigen Bindemittels übergehend in weissgeaderten Kalk; endlich hie und da schichförmige Hornsteinlagen. Dietse Hornsteinbänke sind allerdings ein Typus, den wir in den anderen Gliedern des Wienersandsteins, insoweit wir sie bisher betrachtet haben, nicht fanden; dieselben treten aber nicht überall, wie es scheint, überhaupt nur im nordöstlichen Theile des Zuges auf, und wo sie fehlen, ist dann der Gesteinscomplex von dem der gewöhn- lichen Inoceramenschichten nicht unterscheidbar, eine Trennung der- selben einfach willkürlich. Aus diesen Gründen glaube ich, in dem Wolfpassing-Christofener Gesteinszuge nichts anderes als den nördlichen Gegenflügel des den Greifensteiner Sandsteinzug im Süden begren- zenden Zuges von Inoceramenschichten erkennen zu können. Es spricht hiefür auch der Umstand, dass die Hornsteinlagen, das einzige Charakteristische dieses Gesteinscomplexes, an der Süd- erenze des Greifensteiner Sandsteinzuges, wo sie — wenn zum Eocän sehörig — zwischen Greifensteiner Sandstein und Inoceramenschichten auftreten sollten, vollständig fehlen. Was dort (z. B. beim Bahnhofe 14* 108 C. M. Paul. [56] Kritzendorf) an der Grenze zwischen Inoceramenschichten und typischem Greifensteiner Sandstein liegt, ist mit letzterem engstens verknüpft und hat nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Wolf- passinger Schichten. Zwischen den beiden Zügen von Inoceramen- schichten erscheinen dann — etwa nacli dem auf der beifolgenden Skizze (Fig. IX) dargestellten Schema — die Greifensteiner Sandsteine in einer schiefen Mulde zusammengeschoben. Mit apodictischer Bestimmtheit will ich, wie ich hier ausdrück- lich betonen muss, diese Ansicht nicht hinstellen, doch dürfte wohl allgemein zugestanden werden können, dass sie mindestens mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, als die Stur’sche Deutung. Eine Zusammenstellung der Skizze Fig. IX mit einem der früher gegebenen Durchschnitte (Fig. V oder Fig. VI), die, von der anderen (südlichen) Seite aus, ebenfalls bis an den Hauptzug der Inoceramen- Fig. IX. D. Donauebene. W. Wolfpassinger Zug. G. Greifensteiner Sandstein. J. Hauptzug der Inoceramenschichten. schichten reichen, ergibt uns nun das vollständige Bild des in diesem Abschnitte geschilderten Wienerwalddurchschnittes von der Neogen- niederung bei Nussdorf und Grinzing bis an die Donauebene bei St. Andrä und Wolfpassing. | 4. Sievering— Weidlingbach. Der im vorigen Abschnitte besprochene südlichste Zug von rothen Mergeln und deren Begleitgesteinen (Nussdorf—Salmannsdorf) ist beim Orte Sievering durch etwas weiter gegen Norden hinauf- sreifende neogene Sande gedeckt, so dass der Rand des Wienersand- steines hier schon durch das zweite Glied, die Inoceramenschichten des Zuges Nussberg— Dreimarktstein, gebildet wird. Diese stehen an der Strasse nach Weidlingbach, die wir hier verfolgen wollen, gleich nordwestlich won Ober-Sievering, in den grossen, in der älteren Literatur wiederholt erwähnten Sieveringer Steinbrüchen aufgeschlossen an, und setzen rechts die Höhen „am Himmel“ und Pfaffenberg, links den Neuberg und Dreimarktstein [57] Der Wienerwald. 109 zusammen. Sie zeigen hier, wie überall, die bekannten und schon wiederholt beschriebenen Gesteinsvarietäten dieser Abtheilung, die Zwischenlagen der chondritenreichen Ruinenmergel, zahlreiche Hel- minthoiden ete. Auffallend ist, dass der Schichtenfall im ersten Bruche ein steil südlicher ist, während wir in diesem Zuge in den östlicheren Durch- sehnitten bisher überall nördliches (respective nordwestliches) Ein- fallen sahen, und auch in der westlichen Streichungsfortsetzung (im Steinbruche am Neuberge bei Salmannsdorf) die nördliche Fallrichtung deutlich zu beobachten ist. Ich kann diese Erscheinung nur durch die Annahme einer localen Ueberkippung erklären. Nach Verquerung dieses hier circa 1 Kilometer breiten Ino- ceramenschichtenzuges gelangen wir, noch vor der scharfen Krümmung der Strasse nach West, an den zweiten, aus den Durchschnitten Fig. V und Fig. VI bekannten Zug der rothen Mergel und dazu- gehörigen olitzernden und geaderten Sandsteine. Die ersteren verrathen sich (links von der Strasse) vielfach durch intensiv roth gefärbten Humus. An zwei Stellen innerhalb dieses Zuges, nämlich links von der Strasse, vor der Krümmung nach West, sowie am Südfusse des Sau- berges, vor dem Beginne der Strassenserpentinen, finden sich lichte Mergelkalke, die von den bekannten Neocom-Aptychenkalken nicht unterscheidbar sind, und die ich daher unbedenklich als solche an- sprechen zu können glaube. Es ist an diesen Stellen nicht zu entnehmen, in welchem Ver- hältnisse diese Kalke zu den rothen Mergeln und deren Begleit- gesteinen stehen, ob sie denselben linsen- oder bankförmig ein- gelagert sind, oder etwa klippenförmig aus denselben auftauchen. Es muss jedoch hier gleich auf den gewiss nicht belanglosen Umstand hingewiesen werden, dass überall im ganzen Wienerwalde, wo wir auf einen Zug der rothen Mergel und ihrer Begleitgesteine treffen, diese Neocomkalke im Bereiche derselben auftreten. Es gibt keinen solchen rothen Mergelzug, in welchem man nach diesen Kalken lange vergeblich suchen würde, während man sie im Verbreitungsgebiete der Inoceramenschichten und Greifensteiner Sandsteine niemals findet. Wenn sich nun diese Kalke auch nicht wie die rothen Mergel und dazugehörigen Sandsteine zu meilenweit verfolgbaren Zügen verbinden, sondern mehr in kleineren Partien auftreten, so ist dieses con- stante räumliche Zusammenvorkommen doch jedenfalls an sich schon ein Wahrscheinlichkeitsargument für die stratigraphische Zusammen- gehörigkeit und meine Deutung dieser Gruppe als untere, vorwiegend der Unterkreide angehörige Abtheilung der Wienersandsteine, die ich aus den Lagerungsverhältnissen bei Lang-Enzersdorf, Kahlenberger- dorf, Nussdorf, Grinzing etc, sowie aus dem Aptychenfunde in den rothen Mergeln von Salmannsdorf ableitete, erhält hiedurch neue Festigung. Uebrigens werden wir im weiteren Verfolge unserer Wienerwald- durchschnitte gegen Südwest auch noch Punkte finden, welche das lagenförmige Vorkommen dieser Kalke deutlich genug zeigen und die 110 C. M. Paul. [58] Annahme eines klippenartigen Auftauchens derselben vollständig aus- schliessen '). Die Breite dieses Zuges der rothen Mergel beträgt hier (senk- recht auf das Streichen) etwa 0°5 Kilometer. Am Nordrande desselben, am Südfusse des Sauberges, ist nord-nordwestliches Einfallen, also unter den oftberührten Inoceramenschichtenzug des Kahlengebirges, den wir hier wieder treffen, zu beobachten. Wir schneiden diesen letzterwähnten Zug von Inoceramen- schichten mit der Strasse nach Weidlingbach westlich vom Sauberge. Derselbe setzt von hier nach Südwesten weiter fort, endet nicht (wie es auf der Stur’schen Specialkarte dargestellt ist) mit dem Simons- berge, sondern ist im Walde westlich vom sogenannten „Holländer- dörfel“ (oder „Hameau“) noch deutlich zu sehen und verbindet sich in dieser Weise mit dem Exelberge, wo wir ihn im nächsten Durch- schnitte (Dornbach—Königstetten) wiederfinden werden Die Breite dieses Zuges, der, wie wir gesehen haben, in seinem nordöstlichen Theile (am Leopoldsberge an der Donau) eine so be- deutende Entwicklung erreicht, beträgt hier bei Weidlingbach kaum 1 Kilometer. Nach Verquerung des Höhenzuges Sauberg— Simonsberg erreichen wir das Thal von Weidlingbach. Am südlichen Rande dieses Thales trifft die bisher verfolgte Strasse mit einer von Nordosten (von Weidling) herkommenden Strasse zusammen. Am Vereinigungs- punkte stehen noch Inoceramenschichten mit südöstlichem Einfallen an. (Gehen wir aber auf der Weidlingerstrasse nur wenige Schritte nordostwärts, so treffen wir bald ganz abweichende Gesteine. Wir sehen rechts an der Strasse, am Nordiusse des Sauberges anstehend, sehr eigenthümliche kieselige Mergel, wie ich sie bisher noch nicht zu erwähnen Gelegenheit hatte. Dieselben sind innen grau, gelblich verwitternd, und dadurch besonders charakterisirt, dass sie beim Schlagen in parallel begrenzte, längliche Stücke zersplittern. Mit ihnen in Wechsellagerung stehen Bänke von sehr grobem bis breccienartigen, buntpunktirten Sandstein, zuweilen mit etwas glasigem Bindemittel, in dem man nicht allzuselten Reste von leider meist undeutlichen Fossilien bemerkt. | Ich fand Bryozoen und Orbitoiden. Stur gibt von hier (nach Bestimmung von Prof. Uhlig) an: Operculina cf. complanata Defr. Oristellaria sp. (Gruppe der Ur. rotula) Orbitoides sp. (Gattungsbestimmung sicher) Textilaria sp. Bryozoen ?). ') Auf meinen grösseren Aufnahmskarten (1: 25.000 und 1:75.000) sind die Aptychenkalke und Fleckenmergel ausgeschieden; auf dem der vorliegenden Mit- theilung angeschlossenen Uebersichtskärtehen schien eine solche Ausscheidung des kleinen Massstabes wegen undurchführbar und sind dieselben daher mit den übrigen Gesteinsvarietäten der unteren Wienersandsteine vereinigt. > ?) Wir werden auf die bezüglichen näheren Angaben Prof. Uhlig’s, die sich in den nachgelassenen Papieren Stur’s fanden, in den zusammenfassenden Schlussbemerkungen zurückkommen. [59] Der Wienerwald. 11 Nach dieser kleinen Fauna haben wir hier zweifellos Alt- tertiär vor uns. Das Einfallen dieser Schichten ist südöstlich, also gegen die ebenso fallenden Inoceramenschichten gerichtet, so dass hier wieder eine der in unserem Gebiete so häufigen Ueberkippungen vorliegt. Stur hat sich zweifellos durch die Entdeckung dieses fossil- führenden Punktes in dem sonst so petrefactenarmen Wienersandsteine ein nicht zu unterschätzendes Verdienst erworben, leider ging er aber in der Verwerthung dieser Funde viel zu weit, indem er diese fossil- führenden Schichten mit seinen „bunten Schiefern und Sandstein- schichten“, d. i. mit unseren roten Mergeln und den dazugehörigen Gesteinen, zusammenzog und demgemäss die letzteren durchaus eben- falls als alttertiär betrachtete und einzeichnete. Dementgegen muss eonstatirt werden, dass von den rothen Schiefern, schwarzen, weiss- geaderten Sandsteinen etc., wie wir sie in den bezüglichen, von mir als „untere Wienersandsteine® bezeichneten Gesteinszonen sahen, in Verbindung mit den fossilführenden Schichten bei Weidlingbach absolut nichts zu sehen ist, obwohl gerade diese rothen Mergel selbst bei mangelhaften Aufschlüssen sich durch die Färbung des Humus stets verrathen und nicht leicht übersehen werden können. Auch fällt der Fundpunkt von Weidlingbach nicht einmal annähernd in die Streichungslinie eines rothen Mergelzuges, sondern ist von dem nächstgelegenen durch den Inoceramenschichtenzug des Kahlengebirges getrennt. Es liegt sonach keinerlei Berechtigung zu einer Zusammen- ziehung vor. Ebensowenig haben die Alttertiärgebilde von Weidlingbach irgend eine Aehnlichkeit mit Wolfpassinger Schichten. Am ehesten könnten sie noch mit den etwas glasigen, braunen und grünlichen Sandsteinen beim Bahnhofe von Kritzendorf verglichen werden, die dort, mit ge- wöhnlichen Greifensteiner Sandsteinen enge verknüpft, ebenfalls nächst der Grenze der Inoceramenschichten auftreten. Die Gegend nördlich von Weidlingbach (Tafelberg, Windisch- hütte, Gsängerhütte, Hohenaubersg, Kirlingerforst, Hintersdorf, Plöcking- berg, Hagenbachklamm) bis an den (im vorigen Abschnitte besprochenen) Wolfpassinger Zug habe ich auf meinen Karten durchwegs als alttertiär eingetragen, und dies dürfte wenigstens bezüglich des nördlichen Theiles dieses Gebietes, wo wir uns im Streichen des Hauptzuges der Greifensteiner Sandsteine befinden, wohl jedenfalls richtig sein. Bezüglich des südlichen T'heiles möchte ich jedoch nicht mit Sicher- heit behaupten, dass hier nicht stellenweise noch eretacische Auf- brüche vorkommen, zu deren Ausscheidung ich allerdings in dieser durchaus bewaldeten und schlecht aufgeschlossenen Gegend keine genügenden Anhaltspunkte fand. So könnte z. B. möglicherweise die Inoceramenschichtenzunge des Kammers- und Rahmberges sich noch weiter westlich gegen den Tafelberg erstrecken; im obersten Theile des Rothgrabens (östlich von der Gsängerhütte), wo wir uns in der Streichungslinie der Antiklinale von Lang-Enzersdorf befinden und wo ich auch Spuren von rothem Humus beobachtete, könnte ebenfalls ein eretacischer Aufbruch angedeutet sein ete. Ich glaubte es jedoch vorziehen zu sollen, derartige problematische Vorkommnisse, deren t12 C. M. Paul. [60] Begrenzung ganz willkürlich wäre, auf der Karte lieber ganz weg- zulassen und mich bezüglich derselben auf die obige Andeutung zu beschränken. Dieser Durchschnitt durch den Wienerwald unterscheidet sich von den früher betrachteten insoferne, als hier mehr als zwei Dritt- theile der Breite des Wienersandsteingebietes auf die alttertiären Glieder des Complexes entfallen, während wir iu den nordöstlicheren Durchschnitten das entgegengesetzte Verhältniss, nämlich bedeutendes Prävaliren der cretacischen Glieder beobachten konnten. Dies hat seinen Grund jedoch nicht etwa in einer namhaften Mächtigkeits- zunahme der einen und Mächtigkeitsabnahme der anderen Abtheilung, sondern darin, dass an der’Donau die cretacischen Glieder in einer Reihe paralleler Wellen an der Oberfläche erscheinen, von denen jedoch nur die südlichste gegen SW weiter fortsetzt, während die nördlicheren dem Streichen nach bald unter der Alttertiärdecke ver- schwinden. Wir finden jedoch, wie ein Blick auf die Karte zeigt, die rudimentären Spuren dieser — als zusammenhängende Zonen verschwundenen — Wellen weiter im Südwesten noch wiederholt in der Form kleinerer cretacischer Aufbrüche, die in der ungefähren Streichungslinie der Axen dieser Wellen hie und da im Haupt-Alttertiär- gebiete auftauchen, wieder. 5. Dornbach-—-Königstetten. Da die Grenze des Wiener Neogenbeckens gegen das Wiener- sandsteingebiet nicht parallel mit den Zügen dieses letzteren ver- läuft, sondern dieselben in nordnordost-südsüdwestlicher Richtung scharf abschneidet, so treffen wir im weiteren Verfolge dieser Grenze gegen SSW auf Wienersandsteinzüge, die in den nordöstlicheren Durchschnitten noch nicht vorkamen und die uns daher auch wieder neue Fragen in Beziehung auf ihre stratigraphische Deutung zu lösen geben. So liegen die um Dornbach entwickelten Wienersandsteine nicht in der Streichungslinie einer der in den früheren Durch- schnitten erwähnten Gesteinszonen, sondern gehören einem Zuge an, der sich zwar gegen SW weit forterstreckt, gegen NO aber (schon bei Pötzleinsdorf) an der Neogenniederung abschneidet. Die Sandsteine sind in Dornbach in dem grossen Steinbruche in ‘der Pichlergasse, sowie in dem ebenfalls sehr ausgedehnten Conrad’schen Bruche aufgeschlossen. In ersterem Steinbruche sieht man mittel- bis grobkörnigen, glimmerigen, blaugrauen, in der Ver- witterungskruste bräunlichen Sandstein mit verkohlten Pflanzenspuren und wenig thonigen Einlagerungen. Chondriten und Hieroglyphen fehlen oder sind wenigstens sehr selten. Die Schichten zeigen deut- liche muldenförmige Lagerung. Nördlich wie südlich von dem Bruche verrathen sich rothe Schiefer und die mit denselben stets vergesell- schafteten Kalksandsteine durch die Färbung des Humus und die in den Feldern herumliegenden Stücke. Der Sandstein des Steinbruches in der Pichlergasse liegt hiernach diesen Schichten auf. [61] Der Wienerwald. 113 Weiter thalaufwärts an der anderen (nördlichen) Thalseite, im Conrad’schen Steinbruche, stehen ähnliche, manchmal sehr dunkle, mittel- bis grobkörnige Sandsteine, mit rothen und schwarzen Schiefern wechselnd, an. Die Schichten sind sehr gestört, zuweilen nahezu senkrecht aufgerichtet; im Allgemeinen kann eine Neigung gegen Norden erkannt werden. ‘ Die Zugehörigkeit dieses letzteren Sandsteins zu den rothen Schiefern, die auch an dieser Thalseite (an der Kreuzwiese, bei der Schafberg-Restauration ete.) vielfach zu sehen sind, kann wohl nicht zweifelhaft sein; bezüglich des Sandsteins in der Pichlergasse könnte seiner Lagerung nach wohl vielleicht angenommen werden, dass er eine jüngere Auflagerung auf den rothen Schiefern repräsentire. Da jedoch seine petrographische Beschaffenheit weder mit Greifensteiner Sandstein, noch mit den Gesteinen der Inoceramenschichten irgend- welche Aehnlichkeit zeigt, so glaubte ich, auch diesen Sandstein vorläufig von dem Complex der rothen Schiefer nicht trennen zu sollen. Wichtig ist der (auch von stur eingezeichnete) nördliche und nordwestliche Schichtenfall in Conrad’s Steinbruch und bei der Schafberg-Restauration, denn derselbe zeigt uns wieder ganz deutlich die Position der rotlıen Schiefer und der dazugehörigen Gesteine im Liegenden eines sich nördlich (am Schafberge) anschliessenden Zuges typischer Inoceramenschichten, und demnach die Zugehörigkeit dieser rothen Schiefer zu den unteren Lagen des Wienersandsteincomplexes. Das Vorherrschen nördlicher und nordwestlicher Fallrichtung sieht man übrigens nicht nur an den erwähnten Punkten nördlich von Dornbach, sondern auch südlich von genanntem Orte, so im Liebhartsthale in dem Steinbruche bei Dachler’s Restauration (grober Sandstein, südöstlich im Liegenden desselben rothe Mergel und Kalksandsteine), ferner an der Strasse von Ottakring über den Stein- hof auf den Galitzinberg. An letzterer Route sind die Schichten ziemlich gut auf- geschlossen. Ottakring liegt noch auf neogenem Sand und Schotter. An der zuerst südwestlich, dann westnordwestlich auf den Galitzinberg füh- renden Strasse sieht man bald nach der Strassenkrümmung, noch vor dem Gasthause „Steinhof“, rothe Mergel mit Kalksandsteinbänken. Beim Steinhof selbst sind in einem kleinen Steinbruche harte, zu- weilen kieselige Sandsteine aufgeschlossen, die stellenweise schwache Spuren von dunkieren, runden oder ovalen Flecken zeigen, und da- durch einen Uebergang zu dem petrographischen Typus mancher sandigerer und kieseligerer Varietäten der Neocom -Fleckenmergel andeuten. Das Fallen ist nordwestlich. Etwas höher hinauf stehen im Strassengraben rothe und graue, mit Hieroglyphen führenden, ge- wöhnlich blaugrauen Kalksandsteinbänken welchselnde Mergelschiefer — ganz wie unterhalb des Steinhofs — an; sie fallen ebenfalls nordwestlich, so dass der Sandstein beim Steinhof nur eine mäch- tigere Bank in diesem Complexe zu sein scheint. Weiter hinauf folgen, mit immer gleichbleibendem nordwestlichen Schichtenfall grobe Sandsteine, hie und da mit seltenen Spathadern, und über Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 15 114 C. M. Paul. [62] diesen dann endlich an der Höhe des Galitzinberges feinkörnigere, dünngeschichtete Sandsteinlager (s. Fig. X). Die Sandsteine vom Galitzinberg und bei Dachler’s Restauration scheinen denjenigen von der Pichlergasse in Dornbach zu entsprechen. “ Setzen wir den Durchschnitt vom Galitzinberge noch weiter gegen NW fort, so finden wir (nördlich und nordwestlich vom „Lempel*) wieder Spuren rother Schiefer, die ihrerseits denjenigen von Conrad’s Steinbruch und der Schafberg-Restauration nördlich von Dornbach entsprechen, und dann (an der sogenannten „Vogeltenn- wiese“) Inoceramenschichten, denselben Zug dieser Abtheilung, den wir (nördlich von Dornbach) bereits erwähnten, der hier mit dem Schafberge beginnt und sich südwestlich über Neuwaldegg, den Heu- berg, die Vogeltennwiese an den Satzberg und das Wienthal bei Hütteldorf erstreckt, und jenseits der Wien noch weiter südwestlich fortsetzt. Fig. X. Galitz 77 berg S/einhof Olfakrır I 5 h GR, Ne GR 7 « Z DEIN ' NNW. Ss50: . Neogensand und Schotter. . Rothe und graue Mergel mit Hieroglyphen-Kalksandstein. . Kieseliger Sandstein. Rothe und graue Mergel mit Hieroglyphen-Kalksandstein (wie 2). . Grober, diekschichtiger Sandstein. . Feinkörniger, dünnschichtigerer Sandstein. samomr Kehren wir nun auf die nördliche Seite des Dornbacherthales zurück. Wir sehen die Inoceramenschichten am Südgehänge des Schaf- berges, links von dem Wege, der ungefähr gegenüber der fürstlich Schwarzenberg’schen Meierei gegen Osten vom Thale abzweigt und dann (sich spaltend) nach Gersthof oder Weinhaus führt, in einigen kleinen verlassenen Steinbrüchen aufgeschlossen. Sie zeigen hier die wiederholt beschriebenen charakteristischen Gesteinstypen dieser Ab- theilung, die Lagerung ist hier weniger deutlich. Der Inoceramen- schichtenzug reicht (in einer Breite von eirca 1 Kilometer) bis etwas über die Strasse von Neuwaldegg nach Pötzleinsdorf, dann schliesst sich mit dem Höhenzuge des Michaelerberges eine andere Ge- steinsbildung an. Ir Es ist ein grober, buntpunktirter, zuweilen durch ein etwas glasiges Bindemittel verkitteter, durch Auswitterung und Ausfallen einzeiner Bestandtheile löcheriger (nach Stur’s Bezeichnung „luckiger“) Bi. de: [63] Der Wienerwald. 115 Sandstein, in- welchem Stur Spuren von Fossilresten fand. Es sind (nach gefälliger Mittheilung von Prof. Uhlig) „verschiedene kleine Foraminiferen, ‚sehr fest im Gestein eingewachsen, schlecht erhalten; die Hohlräume und Abdrücke des einen Gesteinsstückes könnten viel- leicht theilweise auf Orbitoiden zurückzuführen sein“. Nach , diesen Resten an sich wäre zwar eine stratigraphische Bestimmung des, Gesteins vom Michaelerberge nicht zulässig, denn die Orbitoiden, ‘die ausserdem unsicher sind, könnten sowohl auf Alt- tertiär als auf’ Oberkreide hindeuten; da das Gestein jedoch petro- graphisch vollkommen übereinstimmt mit dem Sandsteine von Weid- lingbach, der ebenfalls Orbitoiden führt, und durch das Vorkommen von Operculina complanata sicherer als alttertiär charakterisirt ist, so glaube ich, dasselbe wie Stur ebenfalls dem Alttertiär zuweisen z müssen. Rothe Mergel stehen am Michaelerberge ebensowenig als bei Weidlingbach mit dem Orbitoiden führenden Sandsteine in unmittel- barer Verbindung; eine Zusammenziehung dieses letzteren mit dem Complexe der rothen Mergel, wie sie auf Stur’s Karte überall vor- senommen ist, findet sonach hier ebensowenig eine Rechtfertigung. Die Alttertiärscholle des Michaelerberges findet, soviel ich be- obachten konnte, gegen SW, an der westlichen Thalseite im Dorn- bacher Parke, keine Fortsetzung. Dagegen erstreckt sie sich vielleicht gegen Osten in einem schmäleren Zuge bis in die Gegend zwischen Pötzleinsdorfund Neustift. Ich fand südlich vom letztgenannten Orte einen harten, feinkörnigen, grauen, etwas glasigen Sandstein, von dem Herr Prof. Szajnocha, der sich gegenwärtig viel mit dem Studium der Foraminiferen der Karpathensandsteine beschäftigt, auf meine Bitte ein Dünnschliftpräparat anfertigen liess. Dasselbe zeigte einen Rest,: den Prof. Szajnocha als Nummuliten bezeichnete, Ich habe diesen Rest wiederholt selbst unter dem Mikroskope be- sichtigt, er erschien mir jedoch zu einer stratigraphischen Bestimmung des Gesteins doch allzu undeutlich. Echte, generisch von alttertiären nicht trennbare Nummuliten kommen bekanntlich auch in der Kreide, im Jura, ja sogar im Kohlenkalke vor!) und nicht nur alle derartigen, sondern auch manche andere verwandte Foraminiferenformen würden bei solchem Erhaltungszustande im Dünnschliffe ganz ebenso ausschen, wie der Rest von Neustift. Ueberhaupt können, wie ich glaube, alle specifisch nicht sicher bestimmbaren mikroskopischen Foraminiferen- funde für die stratigraphische Deutung der Flyschgesteine nur in dem Falle irgend eine Bedeutung haben, wenn die Altersbestimmung, auf welche sie hinzudeuten scheinen, noch durch anderweitige Fossil- funde oder in Ermanglung solcher durch die Lagerungs- und petro- graphischen Verhältnisse erhärtet wird, wie dies am Michaelerberge der Fall ist. Wir gehen nun zur Betrachtung der anderen Thalseite (westlich von Neuwaldegg) über. !) Dr. E. Tietze hat in seinen „Beiträgen zur Geologie von Lykien“ (Jahrb.‘ d. k.k. geol. R.-A. 1885, 2. u. 3. Heft, pag. 311) die in. der Literatur über diesen Gegenstand vorliegenden Daten kurz zusammengestellt. fy 15° 116 C. M. Paul. [64] Der Inoceramenschichtenzug Schafberg—Heuberg grenzt hier nordwärts nicht, wie am Schafberge, an jüngere, sondern an ältere Schichten. Man sieht im Bachbette des Dornbaches, wo derselbe, am Nordfusse des Heuberges, zwischen diesem und der sogenannten „Marswiese“, die grosse Allee im Dornbacher Park schneidet, hell- gefärbte weissliche oder lichtgraue Mergelkalke, ganz vom Typus der bekannten Neocom-Aptychenkalke, mit kalkigen, weissgeaderten Sand- steinen und schieferigen Lagen wechselnd, anstehen. Sie fallen südlich, unter die Inoceramenschichten des Heuberges. Die Uebereinstimmung dieser Kalke mit dem Neocom-Aptychenkalk ist so unverkenntlich, dass sie sogar von Stur als neocom auf seiner Karte eingezeichnet wurden, obwohl der Genannte sonst ähnliche Vorkommnisse, die natürlich zu seiner Deutung meines Complexes der „unteren Wienersandsteine* als alttertiär nicht passen, auf seiner Karte consequent ignorirt. Sie erlangen hier übrigens eine viel grössere Verbreitung, als Stur an- gibt, und sind weiter im Thälchen des Dornbaches aufwärts bis in die Gegend östlich vom Schottenhof (also etwa 1'5 Kilometer weit) dem Streichen nach gegen WSW zu verfolgen. Dass die Kalke nicht klippenförmig aus dem Sandsteine herausragen, sondern mit dem dunklen, weissgeaderten Kalksandsteine, einem der verbreitetsten Gesteinstypen der cretacischen Wienersandsteine, wechseln und engstens verknüpft sind, ist hier sehr deutlich zu sehen. Nach Verquerung der Marswiese gelangen wir an den Ver- einigungspunkt der Hütteldorferstrasse mit der nordwestlich nach Königstetten führenden Strasse. An der Hütteldorferstrasse findet man (bevor dieselbe auf die Südseite des Dornbaches übertritt) einen weiteren bekannten Gesteins- typus unserer unteren Wienersandsteine, nämlich den tiefschwarzen, stark glasglänzenden, feinkörnigen Sandstein, den wir schon bei Kahlenbergerdorf kennen lernten und der mit dem ebenfalls etwas slasigen, aber nie schwarzen, meist grobkörnigen und löcherigen ÖOrbitoidensandstein nicht verwechselt werden darf, wenn auch einzelne verwitterte Gesteinsstücke sich ziemlich ähnlich sehen. An der Königstettener Strasse, die wir nun weiter verfolgen wollen, findet man, bald nach dem Vereinigungspunkte mit der Hütteldorfer- strasse, links Sandsteine von unausgesprochenem Typus, die zuerst süd-südöstlich, dann nord-nordwestlich fallen, somit eine deutliche Antiklinale bilden. Etwas weiter nordwestlich aufwärts trifft man an der Strasse wieder auf eine kleine Partie von weisslichem Neocom- Aptychenkalk, der nord-nordwestlich einfällt. Combiniren wir dieses Vorkommen mit dem der Aptychenkalke im Bette des Dornbaches, so sehen wir, dass die Aptychenkalke jederseits von dem antiklinal gestellten Sandsteine abfallen, dieser letztere somit das älteste Glied des Durchschnittes sein muss. Die nachfolgende Skizze (Fig. XI) möge dieses Verhältniss erläutern. Die auf derselben dargestellten Schichten- stellungen sind durchaus in Uebereinstimmung mit den Fallrichtungen, die Stur hier auf seiner Karte einzeichnete, allerdings ohne die mir unvermeidlich scheinenden Schlüsse daraus zu ziehen. Etwas weiter aufwärts gegen die bekannte Restauration „zur Rohrerhütte“ sieht man an der Strasse noch an einer Stelle festen | | [65] Der Wienerwald. 6 feinkörnigen Kalksandstein mit südlichem Fallen, sonst ist an der Strasse selbst bis zu der Stelle, wo sich dieselbe nach einer Krüm- mung gegen SW in steilen Serpentinen auf die Höhe des 'Exelberges hinanzieht, nichts mehr zu sehen. Oestlich von dieser Strasse, an dem mit derselben ungefähr parallelen Fahrwege von Neuwaldegg zum Hameau, fand ich an einer Stelle wieder schwarzen, glasigen Sandstein und (zwischen Lasey’s Grab und der kleinen Meierei) auch rothe Mergelschiefer. Unmittelbar vor dem Hameau stehen blätterige Sandsteinschiefer, am Gränberge De; am Östgehänge des Exelberges grobe, stark glitzernde Sand- steine an. Fig. XI. Marswiese Kxelberg Heu Berg Dorn -Bach - 1. Inoceramenschichten. 2. Weisser Neocom - Aptychenkalk mit geadertem Kalksandstein und Schieferlagen. 3. Sandstein, antiklinal geschichtet. 4. Weisser Aptychenkalk. 5. Fester, feinkörniger Kalksandstein. 6. Inoceramenschichten, Mit dem Steilanstiege der Königstettener Strasse auf den Exel- berg kommen wir nun wieder auf Inoceramenschichten, die durchaus nord-nordwestlich einfallen. Zwischen dem Heuberge und Exelberge haben wirsonach eine ausgesprochene Antiklinalzone seschnitten, von welcher die Inoceramenschichten jJederseits regelmässig abfallen und die aus den Ge- steinen der unteren Wienersandsteine, mit Neocom- Aptyehenkalken vergesellschaftet, besteht (s. Fig. XD. Es ist dies die wichtigste Aufbruchszone älterer Bildungen im Wienerwalde, welche das ganze Gebiet von Kahlenbergerdorf an der Donau bis Rohrbach bei Hainfeld im Gölsenthale durchzieht und die wir daher weiter gegen SW noch wiederholt antreffen und überall von den charakteristischen Neocomkalken begleitet finden werden. Gegen NW ist diese Zone begleitet von einem ebenso con- stanten Zuge von Inoceramenschichten, der die beiden Haupt-Inoce- ramen-Fundpunkte des Wienerwaldes (Leopoldsberg an der Donau und Pressbaum im Wienthale) miteinander verbindet. 118 "-0.:M. Paul.: [66] Wir schneiden diesen Inoceramenschichtenzug mit der hier .in Rede stehenden Dornbach—Königstettener Strasse am Exelberge. Die Breite desselben beträgt hier etwas über 1 Kilometer, nimmt jedoch segen Westen (am Hochbruckenberge und Kolbeterberge und im Mauerbachthale) wesentlich zu. Gegen Nordosten findet man seine Fortsetzung im Walde westlich vom Hameau, wodurch die Verbindung mit.dem in den früheren Durchschnitten erwähnten Zuge des Sinions- : Sauberges und Kahlengebirges hergestellt ist. Das Fallen ist am Exelberge, sowie westlich vom Hameau nee NNW,. ‚die Gesteine sind die gewöhnlichen hellgefärbten, bläulichen oder gelblichweissen, chondritenreichen Mergel und Kalkmergel a el) mit seaderten Kalksandsteinen und glimmerigem Sand- stein wechselnd. Weiter die Strasse verfolgend, finden wir in einigen kleinen Entblössungen und verlassenen Steinbrüchen vom rothen Kreuz an bis gegen den Rosskopf grobe, etwas glasige, löcherige Sandsteine, die den Orbitoiden führenden Gesteinen von Weidlingbach und Michaeler- berg vollkommen gleich sind, und auch zahlreiche, aber sehr undeut- liche Petrefactenspuren (nach Prof. Uhlig besonders Bryozo@n und Foraminiferen) enthalten. :Sie stehen vielfach mit kieseligen Mergeln (denen von Weidlingbach ähnlich) in Verbindung. Wir haben hier zweifellos wieder das Gebiet der alttertiären Wienersandsteine erreicht; es ist zu bemerken, dass hier wieder derselbe Gesteinstypus an der unmittelbaren Grenze der Inoceramen- schichten auftritt, wie beim Bahnhofe von Kritzendorf, bei Weidling- bach, am Michaelerberge ete:;, und dass hier wieder von rothen Mer- geln und deren Begleitgesteinen keine Spur zu sehen ist. Weiter gelangen wir dann, etwa vom Scheiblingstein an, in die Streichungserstreckung des Zuges der echten Greifensteiner Sand- steine. Am Heuberge, sowie vor- und nach der Einmündung der von Kirchbach herkommenden Strasse sieht man dieselben süd-südöstlich einfallen. Herr Baron Camerlander fand in dieser Gegend (nach mündlicher Mittheilung) Nummuliten, die jedoch leider für unsere Sammlung nicht aufbewahrt wurden. | Nach Verquerung des Greifensteiner Sandsteinzuges gelangen ‚wir an den schon in den früheren Durchschnitten besprochenen Zug :der Wolfpassinger Schichten, deren wahrscheinliche Zugehörigkeit zu ‘den Inoceramenschichten bereits erörtert wurde. Dieselben fallen (wie überall in diesem Zuge) gegen SSO. Ueber: dieselben führen die Strassenserpentinen nach Königstetten in das Donauthal hinab. ‘Vor Königstetten schaltet sich noch eine: schmale Partie von meogenem Schlier zwischen die Flyschgesteine des Wienerwaldes und ‘die Donauebene ein. Etwas südwestlich von diesem Durchschnitt, ‘südöstlich von Tulbing, tritt zwischen dem Schlier und den sonst in ‘dieser Gegend die Nordgrenze der Wienerwaldgesteine bildenden Wolfpassinger Schichten eine kleine Partie von grobem Conglomerat mit flachem südöstlichen Fallen auf, welches Stur als. Sotzkacon- glomerat bezeichnet. Dasselbe stösst südwärts, wie es scheint, :mit ‚einer Bruchlinie gegen die steiler südöstlich fallenden. Wolfpassinger Schichten des Tulbinger Kogels ab. | [6 7] Der Wienerwald. 119 Auch in dem hier besprochenen Wienerwalddurchschnitte von Dornbach nach Königstetten nehmen die dem Alttertiär zuzuweisenden Wienersandstein- Glieder den bei Weitem grösseren Theil der Gesammt- breite des Gebirges ein. 6. Das Wienthalgebiet und die Westbahnstrecke bis Anzbach. a) Nördliche "Thalseite. Im Wienthale beginnt das Flyschgebiet (an der nördlichen Thal- seite) beim Orte Unter-Baumgarten, und wird hier der Ostrand des Wienersandsteingebirges durch die Fortsetzung des ausgedehnten Gebietes rother Mergel und Kalksandsteine gebildet, die wir bei Dornbach, westlich von Ottakring und östlich vom Galitzinberge kennen lernten. Man findet die hiehergehörigen Gesteine vielfach an dem von Ottakring nach Hütteldorf führenden sogenannten „Flösser Steige“, sowie auch sonst noch in der Gegend nördlich von Baum- garten theils anstehend, theils durch die rothe Färbung des Humus sich verrathend. Das Einfallen dieser Schichten ist hier wie bei Dornbach ein vorwiegend nordwestliches, doch sieht man stellenweise auch nord- östliche Fallriehtung zur Geltung kommen. | Diese Schichten halten thalaufwärts an bis etwa in die Mitte von Hütteldorf, dann findet man am nördlichen Gehänge die chon- dritenreichen Ruinenmergel und dazugehörigen kalkigen und glim- merreichen Sandsteine der Inoceramenschichten sehr deutlich vor. Geht man im Bereiche dieser Gebilde durch das hier einmündende Rosenthal nordwärts, so gelangt man (etwa 1 Kilometer vom Wien- thale) an die grossen Steinbrüche im Rosenthale, die durch den seinerzeit von G. Starkl hier gefundenen, und neuerer Zeit von Dr. K A. Redlich (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1895) beschrie- benen Piychodus-Zahn ein besonderes Interesse erlangten. Diese Steinbrüche entblössen Sandsteine, die von Starkl und Redlich, mit meinen Beobachtungen ganz übereinstimmend, folgen- dermassen beschrieben werden: „Es wechseln hier Sandsteinschichten mit dazwischenliegenden feinschuppigen glimmerreichen Schiefer- und Mergellagen. Der Sand- stein ist von blaugrauer Farbe, in manchen Partien sehr grobkörnig und auf der Kluftfläche von einer gelblich braunen Verwitterungs- rinde umgeben. Die Sandsteinschichten erreichen eine Mächtigkeit von 05 m bis 6 m, während die dazwischenliegenden sandigen Schiefer und thonigen Mergellagen im Maximum 02 m dick sind. Der Sandstein ist ziemlich reich an Glimmer und manchmal von feinen Caleitadern durchsetzt. Die zwischen den Sandsteinbänken sich vorfindenden thonigen Mergelschichten sind theils fest, von blaugrauer, blauschwarzer oder grüner Farbe, theils weich, leicht 120 C. M. Paul. [68] zerreiblich und von Pyritknollen durchsetzt. In den sehr feinkörnigen Sandsteinschiefern mit Copalinvorkommnissen finden sich zahlreiche Pflanzenreste und aus ihnen stammt nach brieflichen Angaben Starkl’s der Ptychodus-Zahn, der auf seiner Unterseite noch einige anhaftende Spuren der glimmerreichen, blaugrauen Matrix zeigt“. Ich kann dem nur hinzufügen, dass nach meinen Beobachtungen der grobe Sandstein hier vorwiegend unten, der feinere oben ent- wickelt ist, dass ich Pyritkrystalle nicht nur im Schiefer, sondern auch auf den Schichtflächen eines plattigen, innen dunkleren, äusserlich blaugrauen Sandsteines sah, der gewissen Varietäten der Inoceramen- schichten (z. B. im Sieveringer Steinbruch) vollkommen gleicht, und dass ich hier auch seltene Hieroglyphen von kornährenähnlicher Form, wohl in die von Fuchs (Denkschr. d. kais. Akad. 1895) als Laichstöcke gedeutete Formengruppe gehörig, auffand. Der Schichtenfall ist, wie auch Stur auf seiner Specialkarte einzeichnete, nach NW (nicht, wie Redlich angibt, „gegen S 72° E*). Den Ptychodus-Zahn beschreibt Redlich (wie schon in der Einleitung erwähnt wurde) als neue Species (Pt. granulatus) und da alle bis jetzt gemachten Piychodus-Funde der oberen Kreide ange- hören und speciell die nächstverwandte Art (Pt. polygonus Ag.) allent- halben im Turon und Senon vorkommt, so wird daraus der ganz berechtigte Schluss gezogen, dass wir es auch hier mit Oberkreide zu thun haben. Unrichtig ist es jedoch, wenn Redlich von einer „Einreihung dieser Partie in den Complex der obercretacischen Inoceramen- schichten, wie sie Stur auf seiner Specialkarte vornahm“, spricht, und sich deshalb mit seiner Deutung der Sandsteine des Rosenthals als obercretacisch in Uebereinstimmung mit Stur zu befinden glaubt. Stur hat gerade im Gegentheile die Steinbrüche im Rosenthale nicht zum Inoceramenschichtenzuge des Satzberges, sondern zu seinem jüngsten Alttertiärgliede (den „bunten Schiefern und Sand- steinschichten“) gezogen, und diesen Punkt auch demgemäss mit der Farbe dieses Gliedes auf seiner Karte colorirt, wie ein auch nur einigermassen aufmerksamer Blick auf diese Karte ergibt. Wenn sich aber Dr. Redlich mit seiner erwähnten Deutung auch nicht in Uebereinstimmung mit Stur befindet, so stimmt die- selbe dafür umso besser mit meinen Beobachtungen und Anschau- ungen, die ich in dieser Gegend gewann. Ich habe dieselben auf der nachfolgenden Skizze (Fig. XII), auf welcher die Position des Ptychodus führenden Sandsteines im unmittelbaren Hangenden der gewöhnlichen Inoceramenschichten ersichtlich ist, zu veranschaulichen gesucht. Kehren wir nun vom Rosenthale an das Wienthal zurück und gehen dann im Halterthale aufwärts, so finden wir hinter der Hüttel- dorfer Schiessstätte wieder einen grösseren Steinbruchaufschluss. Derselbe legt blaugrauen Sandstein mit bräunlicher Zersetzungsrinde, zuweilen grobkörniger, mit seltenen Caleitadern blos. Das Fallen ist nordwestlich. Rechts (östlich) neben dem Steinbruche, sowie in den tiefsten Schichten der durch denselben aufgeschlossenen Sandsteine erscheinen rothe Mergel, die auch Stur hier einzeichnete. [69] Der Wienerwald. ! 121 Etwa 300 Schritte weiter im Halterthale aufwärts (süd-südwest- lich von der Spitze des Satzberges) gelangen wir an einen zweiten Steinbruch, der gewöhnliche Inoceramenschichten (Chondritenmergel, starkglimmerige und kalkige Sandsteine etc.) aufschliesst. Das Fallen ist ebenfalls nordwestlich, etwas steiler als bei der Schiessstätte, und zwar fallen die Schichten oben flacher, und stellen sich gegen unten steiler, so dass sie gegen Nordwesten convex erscheinen. . Die Fall- richtung in diesem weithin sichtbaren Steinbruche ist selbst beim Vorüberfahren auf der Eisenbahn deutlich zu sehen. Wir haben hier den im vorigen Abschnitte erwähnten Inoceramenschichtenzug erreicht, der mit dem Schafberge bei Neuwaldeog beginnt, sich über den Heu- berg hieher an den Satzberg zieht, über das Halterthal und den ‚Wolfersberg an das Wienthal fortsetzt und jenseits des letzteren noch weit gegen Südwesten zu verfolgen ist. Fig. XI. ‚Satfsber i 4 Skernbruiche ’ ber der Sehre E- > ZIPR. i erRLessylalte NT Bei von Hiiffeldarf [ZLose 724 Lale EEE WNW. 050. 1. Rothe Mergel und Kalksandstein. 2. Blaugrauer Sandstein mit wenigen Spathadern. 3. Chondriten-Kalkmergel mit kalkigem und starkglimmerigen Sandstein (Inoceramenschichten). 4. Sandstein, unten gröber, oben feinkörniger, mit Pfychodus. 6b. — Bruchlinie. Werfen wir nun einen Rücklick auf den hier skizzirten Durch- schnitt, so sehen wir sowohl die rothen Mergel als die Inoceramen- schichten zweimal in demselben auftreten; es kann hier somit nicht eine einheitliche Uebereinanderfolge von Schichten vorliegen. Durch eine schiefe Faltenstellung kann dieses Verhältniss hier nicht erklärt werden; erstlich nicht, weil bei einer schiefen Falte die Schichten in umgekehrter Reihenfolge sich wiederholen müssten, was hier nicht der Fall ist, und zweitens nicht, weil bei dem allgemeinen Nord- westfallen der Schichten eine nach Südosten übergeneigte Falte an- genommen werden müsste, eine Art der Faltenbildung, wie sie’ der ganzen alpin-karpathischen Flyschzone, welche, soweit mir bis jetzt bekannt wurde, nur gegen den nördlichen Aussenrand der Zone ‚über- schobene Falten zeigt, vollkommen fremd wäre. Wir müssen daher zur Erklärung der hiesigen Verhältnisse eine Bruchlinie zu Hilfe nehmen. TE Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1398, 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 16 1293 €. M. Paul. [70] "Wenn wir von den Steinbrüchen im Rosenthale gegen Nordost im genannten Thälchen aufwärts gehen, so sehen wir die von den Ptychodus führenden Sandsteinen vollkommen verschiedenen caleit- reichen Sandsteine, wie sie in den Inoceramenschichten und im Complexe der rothen Mergel aufzutreten pflegen, im Thale tief gegen Norden hinaufgreifen, während die Höhe westlich vom Thale noch durch den Ptychodus-Sandstein gebildet wird. Es findet also hier eine wirkliche Ueberlagerung der ersteren durch den letzteren, keinesfalls aber ein Abstossen an einer Bruchlinie statt. Diese kann also nicht östlich, sondern nur westlich vom Aufschlusse des Ptychodus- Sandsteins im Rosenthale verlaufen, also etwa an der, auf der oben- stehenden Skizze (Fig. XII) mit D bezeichneten Stelle. Nach Analogie der beim Krapfenwaldl (vergl. Fig. VII) beobachteten Verhältnisse würde es auch gar nicht überraschend erscheinen können, wenn im unmittelbaren Hangenden des Pfychodus-Sandsteins hier vielleicht auch noch einmal eine kleine Eocänscholle als Abschluss der Reihen- folge gefunden werden würde; ich sah selbst zwischen dem Rosen- thale und der Schiessstätte stellenweise Stücke herumliegen, die einigermassen an Alttertiärgesteine erinnerten, jedenfalls könnte es sich hier aber nur um eine ganz kleine Partie solcher Bildungen handeln, daher ich auf unserer Skizze (Fig. XI), die nur sicher Beobachtbares darstellen soll, auf dieselben nicht Rücksicht nahm. Verfolgen wir das Halterthal vom grossen Steinbruche aufwärts, so finden wir nach etwa 500 Schritt am Fusswege gegen Kordon’s Restauration wieder typische, chondritenreiche Inoceramenschichten anstehend, die aber nunmehr südöstlich fallen. Der Inoceramen- schichtenzug des Satzberges bildet sonach hier eine Synklinale. Nach Verquerung derselben gelangen wir an die grosse Anti- klinal-Aufbruchszone der unteren Wienersandsteine (Kahlenberger- dorf— Rohrbach), die wir im vorhergehenden Durchschnitte (Dorn- bach— Königstetten) zwischen dem Heuberge und Exelberge geschnitten und dort besprochen hatten. Sie ist hier im Halterthale wenig auf- geschlossen, doch sieht man bei Kordon’s Restauration, und im Thälchen „Steiniger Weg“ rothgefärbte Stellen, die das Auftreten der rothen Mergel andeuten. Mit deni Anstieg gegen die Rieglerhütte zwischen den Hoch- bruckenberg und der „Steinernen Lahn“ kommen wir nun wieder an den Häuptzug der Inoceramenschichten (Kahlengebirge — Pressbaum), von dem ebenfalls schon im vorigen Abschnitte die Rede war. Wir kehren nun an das Wienthal zurück und verfolgen dasselbe von Hütteldorf aufwärts. Wir gehen hier wieder vom Inoceramenschichtenzuge des Satz- berges aus, der das Wienthal im westlichen Theile von Hütteldorf schneidet. Etwas ausserhalb Hütteldorf, rechts an der Strasse nach Mariabrunn, beim Gasthause „zum Wolfen in der Au“ liegt der kleine, bereits ziemlich verwachsene Steinbruch, aus welchem Karrer’s ofterwähnte Foraminiferenfunde stammen. Derselbe zeigt nord-nord- westlich fallende Sandsteine mit Mergeln wechselnd, welche letztere den Ruinenmergeln der Inoceramenschichten vollkommen gleichen. Ich habe bereits in der Einleitung die Gründe auseinanderzusetzen [71] Der Wienerwald. 198 gesucht, die mir die geänderte Deutung dieser, früher als eretacisch, später als oligocän bestimmten Foraminiferen nicht als sehr beweis- kräftig erscheinen lassen. Ich kann diesen Punkt sowohl seiner Lage, als der petrographi- schen Beschaffenheit nach nur den IJnoceramenschichten zuzählen und es ist bemerkenswerth, dass selbst Stur, in dessen Deutung der Hauptmasse unserer Wienersandsteine diese neuere Foraminiferen- bestimmung vortrefflich passen würde, gerade den hier in Rede stehenden Punkt nicht zum Alttertiär rechnet, sondern ihn auf seiner Karte mit dem Inoceramenschichtenzuge des Satzberges vereinigt. Das eretacische Alter der Inoceramenschichten, einer von den anderen Gliedern der Wienersandsteine leicht unterscheidbaren, von der Donau bis Salzburg verfolgbaren Schichtgruppe, kann nun aber, nicht nur der in denselben weitverbreiteten Inoceramen, sonder» auch der aus denselben vorliegenden Ammonitenfunde wegen, heute wohl von keinem ernst zu nehmenden Geologen mehr in Zweifel ge- zogen werden, und wir stehen somit hier vor einem Falle, wo Fora- miniferenbestimmungen mit anderweitigen palaeontologischen, durch zahlreiche beweiskräftige Lagerungsverhältnisse bestätigten Resultaten in direetem Widerspruche stehen. Man könnte zwar möglicherweise annehmen, dass der in Rede stehende Steinbruch in seinen tieferen Schichten eretacische, in seinen höheren alttertiäre Lagen aufschliesse — ich meinerseits fand jedoch keine genügenden Anhaltspunkte für eine solche Trennung, und will daher lieber, statt zu einem derartigen bequemen Verlegenheitsbehelfe zu greifen, offen gestehen, dass ich diese neuere Deutung der Hüttel- dorfer Foraminiferen einfach. für irrig halte, dass meiner Ansicht nach die feineren Unterschiede zwischen eretacischen und alttertiären Foraminiferenformen, die unsere Mikroskopiker herausgebracht zu haben glauben, nicht in allen Fällen in der Natur thatsächlich con- stant vorhanden, und daher alle auf solche Vorkommnisse gebauten Schlüsse, wenn man nicht sehr reiche und tadellos erhaltene Suiten zur Verfügung hat, gänzlich unverlässlich sind. Weiter das Wienthal aufwärts verfolgend, gelangen wir nun (bei Mariabrunn und Hadersdorf) an die ofterwähnte Haupt- Aufbruchszone der unteren Wienersandsteine. Dieselben sind hier an der nördlichen Thalseite sehr wenig aufgeschlossen. In der Nähe des Friedhofes, gegenüber der Forstakademie von Mariabrunn, wurden bei einer Brunnengrabung bunte Mergelschiefer mit blaugrauen, Hiero- elyphen führenden Kalksandsteinen heraufgebracht, die vollkommen mit denjenigen übereinstimmen, die oberhalb des Steinhofes zwischen Ottakring und dem Galitzinberge beobachtet wurden. Eine Fallrichtung sieht man hier nicht, dagegen findet man etwa 1 Kilometer nordöstlich von diesem Punkte, südlich von der bekannten Restauration „Knödel- hütte“, einen Steinbruch in plattigen, aussen lichten, inwendig manch- mal röthlichen Schiefern, die deutlich südöstlich unter die Inoceramen- schichten des dem Satzbergzuge angehörigen Wolfersberges einfallen. Oestlich von den neuen Cottagehäusern von Hadersdorf, am Wege gegen die „Knödelhütte“, sieht man, in nordöstlicher Richtung über den Weg streichend, schwarzen, glasigen Sandstein mit einer 16* 124 C. M. Paul. [72] ganz dünnen Lage von weissem, hydraulischen Mergelkalk (Neocom- Aptychenkalk) und grobem Sandstein. Der letztere ist überhaupt in dieser Gegend herrschend. Das Wienthal dreht sich von Mariabrunn aufwärts gegen WSW und ist von hier an kein Quertbal mehr; wir müssen daher, um instruetivere Schiehtenverquerungen zu erlangen, die von Norden her einmündenden Seitenthäler in Betracht ziehen, und zwar zunächst das Mauerbachthal, welches bei Hadersdorf in das Wienthal mündet und eigentlich die directe nordwestliche Fortsetzung des bis hieher betrachteten Wienthaldurchschnittes bietet. Bei Hadersdorf sind wir, wie bereits erwähnt, im Bereiche der unteren Wienersandsteine. Hinter den letzten (nordwestlichsten) Häusern der Hadersdorfer -Ortsstrasse, bei Alexander Laudon’s Grab, haben wir ıneist dunkle, glasige und glitzernde Sandsteine, die ich noch der unteren Abtheilung zurechne. Ich muss hier bemerken, dass wir am Nordrand der hier in Rede stehenden Zone unterer Wienersandsteine an mehreren Punkten (die sich jedoch nicht zu einem zusammen- hängenden Zuge zu vereinigen scheinen) sehr ähnliche solche Sand- steine antreffen, die stets an der Grenze zwischen dem Complexe der rothen Mergel und den nördlich folgenden Inoceramenschichten liegen. Wir erwähnten dieselben schon beim Gasthause „zur eisernen Hand“ äm Südfusse des Kahlengebirges und am Gränberge und Exelberge bei Neuwaldegg, und finden sie nun hier bei Hadersdorf in derselben Streichungslinie wieder. Sie scheinen auch am Südfusse des Kolbeter- berges und am „Steinernen Weg“ vorzukommen. Ich 208 dieselben meistens zur unteren Abtheilung, kann jedoch nicht sicher behaupten, ob sich ihre Aequivalente nicht anderwärts enger an die Inoceramen- schichten anschliessen und in diesem Falle dann mit diesen vereinigt wurden. Die Gesteinsbeschaffenheit dieser Sandsteine erinnert in einzelnen Handstücken sehr an die mancher Godulasandsteine Schlesiens, und da ihre Position zwischen unterer und oberer Kreide zu einem solchen Vergleiche stimmen würde, so halte ich es wohl für einiger- massen wahrscheinlich, dass wir hier wirklich Aequivalente der mittel- eretacischen Godulasandsteine vor uns haben könnten. Die schwere, in schlechter aufgeschlossenen Theilen des Gebietes geradezu un- mögliche Begrenzbarkeit dieser Gebilde hinderte eine kartographische Ausscheidung derselben und ich begnüge mich daher, auf ihr locales Vorkommen und ihre wahrscheinliche stratigraphische Bedeutung hin- gewiesen zu haben. Bevor wir, den Waldweg an der Ostseite des Mauerbachthales verfolgend, zum Jägerhause gelangen, folgen auf die erwähnten Sand- steine zunächst blätterige Schiefer und dann die gewöhnlichen Inoce- ramenschichten mit ihren bekannten Kalksandsteinen, glimmerigen Sandsteinen und hydraulischen, chondritenreichen Kalkmergeln (Ruinen- marmoren). Es ist dies der ofterwähnte Inoceramenschichtenzug Kahlen- gebirg— Pressbaum. Diese Schichten stehen weiternoch typisch entwickelt an bei Gideon Laudon’s Grab, nördlich von der Einmündung des Kas- grabens, beim Gasthause „zum grünen Jäger“, endlich beim Rothen Kreuz, nordwestlich von der Einmündung des Thales von Vorder- Hainbach, wo sie ihr Ende erreichen. [73] Der Wienerwald. 125 (segenüber von Vorder-Hainbach, an der westlichen Thalseite, befindet sich ein Steinbruch, der sehr eigenthümliche Lagerungs- verhältnisse zeigt. Oben sieht man flach südwestlich und westlich fallende Fucoidenkalkmergel (Inoceramenschichten), am Nordwest- rande des Bruches aber stehen die Schichten beinahe senkrecht und streichen WSW; das Ganze scheint mir eine etwas verbogene Anti- klinalfalte darzustellen. An sie lehnt sich gegen NW eine Partie srellroth gefärbter Thone mit Muggeln von grauem Kalkmergel an, die übrigens von den rothen Mergeln und Schiefern der unteren Wienersandsteine merklich verschieden sind. Da wir uns hier an der Nordwestgrenze: des Inoceramenschichtenzuges befinden, so ist es evident, dass diese rothen Thone zwischen den Inoceramenschichten und dem nordwestlich sich anschliessenden Alttertiärgebiete situirt sind. Was nun diese rothen Thone sind, ist ziemlich schwer zu be- stimmen. Zu den Inoceramenschichten selbst dürften sie nicht ge- hören, denn wir haben diese Abtheilung an der Donau in ihrer ganzen Breite deutlich aufgeschlossen gesehen und nirgends rothe Thone darin angetroffen. Einen Aufbruch der unteren Wienersandsteine können sie auch nicht wohl darstellen, da die Hauptgrenze zwischen Kreide und Alttertiär, an der sie auftreten, im ganzen Gebiete nirgends eine Aufbruchsregion ist und weil auch ihre Anlagerung an eine Antiklinal- falte der Inoceramenschichten zu einer solchen Deutung nicht stimmen würde. Es muss also wohl eine jüngere Bildung sein. Sehen wir uns nach Analogien um, so finden wir sehr ähnliche rothe Thone in den Karpathen in verschiedenen Niveaus der alttertiären Karpathensand- steinreihe. Gegen Westen sah ich solche rothe Thone im Gschlief- sraben bei Gmunden; sie fliessen dort in weichen, schlammartigen Massen vielfach am Gehänge gegen den Gmundner See herab und ich sah sie immer nur in solchen abgerutschten und abgeflossenen Partien, nieht wirklich anstehend, so dass es mir zweifelhaft blieb, welchen der beiden dort entwickelten Niveaus, ob den senonen Niern- thaler Schichten oder dem Nummuliten führenden Eocän, sie zuzu- rechnen sind. Wir können also bezüglich unseres Vorkommens bei Vorder- Hainbach zwischen oberster Kreide oder unterem Alttertiär schwanken; mehr ist darüber nicht zu sagen. Wir betreten nun, gegen Mauerbach weiterschreitend, das Ge- biet des Hauptzuges der Alttertiärsandsteine. Die Grenze ist an der östlichen Thalseite ungefähr die Einmündung der nach Steinbach führenden Strasse. Die hier vermutheten und sorgfältig gesuchten rothen Thone konnte ich an dieser Seite nicht finden. Bis Mauerbach ist nichts aufgeschlossen ; die herumliegenden Sandsteinstücke erinnerten mehr an den löcherigen Orbitoidensandstein, als an den echten Greifen- steiner Sandstein. Der letztere erscheint erst an den Höhen um Mauerbach. Am unteren Theile des Fusssteiges von Mauerbach nach Gablitz fand ich etwas kalkige Sandsteine, wie sie im Complexe des Greifen- steiner Sandsteins sonst nirgends vorzukommen pflegen. Es scheint mir daher nicht unwahrscheinlich, dass hier ein kleiner Kreideauf- bruch vorliege. 126 C. M. Paul [74] Nördlich von Mauerbach sieht man bis an den Wolfpassingerzug nur mehr gewöhnlichen Greifensteiner Sandstein in herumliegenden Stücken; weitere Beobachtungen sind in dieser durchaus bewaldeten Gegend nicht mehr zu machen. Wir kehren vun an das Wienthal zurück und verfolgen dasselbe von der Einmündung des Mauerbachthales westlich aufwärts. Das Wienthal folgt von hier bis Purkersdorf als unvollkommenes, von da bis Pressbaum als ausgesprochenes Längenthal durchaus dem Streichen des Inoceramenschichtenzuges des Leopoldsberges. Dieselben stehen sehr schön und fucoidenreich entwickelt an bei der „Lorenz v. Stein-Warte“ nördlich von Weidlingau, an der alten, von hier nordwärts führenden Strasse, in den ausgedehnten, neuerer Zeit in grösserem Betriebe stehenden Steinbrüchen bei Purkersdorf, an mehreren Punkten an der Westbahn ete. Bei der „Lorenz v. Stein-Warte“ sieht man sie mit nord-nordwestlichem Ein- fallen überlagert von einer kleinen Partie etwas abweichender sröberer Sandsteine, die vielleicht den Piychodus führenden Sand- steinen von Hütteldorf entsprechen, oder eine aufgelagerte Alttertiär- scholle von sehr geringer Ausdehnung andeuten können. Bei Purkersdorf mündet das Querthal des Gablitzbaches ein, in welchem wir nun aufwärts gehen wollen. Wir bewegen uns hier noch etwa 1000 Schritte in Inoceramen- schiehten; zuerst am Wege sehen wir graue Mergel mit sehr vielen schönen Chondriten, mit lichten Schiefern wechselnd, dann, in einem Steinbruche mit flachem, nordwestlichen Fallen aufgeschlossen, grau- blauen Kalksandstein, mit Hieroglyphen und Calcitadern, wie er in den eretaeischen Wienersandsteinen (unteren wie oberen) häufig vor- zukommen pflegt. Dann treten wir in das Gebiet der löcherigen, grünlichen, glau- konitführenden, im frischen Bruche glänzenden Sandsteine ein, die wir schon wiederholt angetroffen und (nach dem Vorgange Stur’s) als schon der Alttertiärreihe zugehörig, bezeichnet haben. Stur fand auch hier im Gablitzthale (wie bei Weidlingbach, am Michaelerberge, beim Rothen Kreuz am Exelberge etc.) Fossilreste darin auf, und zwar (nach gefälliger Untersuchung durch Herrn Prof. Uhlig): 1. Am steilen Weg auf den Buchberg, gleich unten im Gablitz- thale, am Punkte 261 der Specialkarte, unterhalb des Ausganges des Rehgrabens: Orbitoides sp. Ein fest im Gestein eingeschlossenes Exemplar, generisch sicher bestimmbar. 2. Im verlassenen Steinbruch im Gablitzthale, linkes Ufer, oberhalb der Ausmündung des Rehgrabens: Orbitoides sp. In zahl- reichen Exemplaren, die specifisch unbestimmbar sind, da nur Ab- drücke mit theilweiser Erhaltung des Gehäuses vorliegen. Daneben kommen Bryozo&n-Spuren vor. 3. Auf dem halben Wege zur Hochrahmalpe, vor dem Punkte 376, Purkersdorf NW: Orbitoides sp., zahlreiche Abdrücke, nur generisch bestimmbar. Ein Blick auf die Karte ergibt, dass alle orbitoidenführenden Punkte (mit Ausnahme des Michaelerberges), nämlich Weidlingbach, Rothes Kreuz am Exelberge und die letzterwähnten im Gablitzthale [75] Der Wienerwald. 127 dem Streichen eines Zuges angehören, der sich dem Hauptzuge der Inoceramenschichten (Kahlengebirge— Pressbaum) im Nordwesten con- tinuirlich anschliesst. Die Zugehörigkeit derselben zum Alttertiär würde, wie schon bemerkt wurde, aus dem Vorkommen der Orbitoiden allein wohl nicht hervorgehen, doch wird dieselbe durch das Mitvorkommen von Operculina complanata in Weidlingbach, sowie durch die Verhält- _ nisse beim Bahnhofe von Kritzendorf, wo wir dieselben Gesteine in engster Verbindung mit den Greifensteiner Nummulitensandsteinen auftreten sehen, wohl mehr als wahrscheinlich gemacht. In der Mitte des Ortes Gablitz, am östlichen Gehänge an dem nach Mauerbach führenden Fusswege aufgeschlossen, treffen wir nun mit einemmale wieder auf ganz echte und unverkenntliche Ino- ceramenschichten, nämlich gelbliche, muschelig brechende,. hydraulische Kalkmergel (Ruinenmergel) mit Chondr. Targion’ und intricatus, mit Bänken grauer Mergel und Kalksandsteine wechselnd etc. Wir haben hier einen ganz zweifellosen Kreideaufbruch, während ich weiter nordöstlich, in der ungefähren Streichungslinie dieses Vorkommens (bei Mauerbach, nördlich von Weidlingbach ete.) das mögliche Vor- handensein solcher Aufbrüche nur vermuthungsweise andeuten konnte. Auch Dr. Rediich spricht in seiner obeneitirten Mittheilung über den Piychodus-Zahn des Rosenthales bei Hütteldorf mit Bezug auf die Gegend von Gablitz eine ganz übereinstimmende Ansicht aus, indem er (l. e. pag. 222 |4]) schreibt: „Ich möchte noch auf eine andere Localität aufmerksam machen, die durch ihre Copalin- und Kohlenvorkommnisse sowohl, als auch durch ihren ähnlichen petro- graphischen Charakter mit den Kreidevorkommnissen des Rosenthales in Zusammenhang zu stehen scheint. Es ist der Pallerstein bei Gablitz, welchen wir auf der Umgebungskarte von Stur als Eocän verzeichnet finden. Die sich hier findenden Copalin- und Kohlenvorkommnisse sind nach Krasser’s Untersuchungen Aequi- valente der Funde im Rosenthale, und da wir nun durch unseren Ptychodus einen sicheren Anhalt für das Alter des Hütteldorfer Vor- kommens besitzen, so liesse sich vielleicht der Pallerstein als gleich- alterig ausscheiden.“ Allzu ausgedehnt dürfen wir uns übrigens dieses Kreidevor- kommen von Gablitz wohl nicht denken. Die Sandsteine, die süd- westlich von Gablitz (westlich von der Brauerei) in grossen Stein- brüchen gewonnen werden, sind gewöhnliche grobe Greifensteiner Sandsteine mit thonigen und krystallinischen Einschlüssen; sie fallen süd-sudöstlich, liegen also über den Gesteinen des Pallersteins. Ebenso sind die Sandsteine, die in den von Dr. F. Berwerth (Ann. d. naturh. Hofmus. Bd. V, Hft. 3, 1890) erwähnten Steinbrüchen an der Südseite des Troppberges aufgeschlossen sind, durch ihre altkrystallinischen Einschlüsse, Kugeleoneretionen etc. als echte Alt- tertiär-Sandsteine charakterisirt. Dieselben Sandsteine treten auch wieder im Hebelsbachthale nördlich vom Pallerstein auf, so dass die in dieser Gegend der Kreide zuzuweisende Wienersandsteinpartie ziemlich eingeengt erscheint. Von Gablitz aufwärts am Riederberge durchschneidet man die Hauptwasserscheide des Wienerwaldes zwischen dem Wienerbecken 128 C. M. Paul. [76] und Tullnerbecken, welche hier mit dem Hauptzuge der Greifen- steiner Sandsteine zusammenfällt. Man sieht dieselben im Steinbruche an der Nordseite des Hebelsbachthales mit süd-südöstlichem, an der Hauptstrasse südlich bei der kleinen Häusergruppe Allhang mit ostsüdöstlichem Einfallen anstehen. Von der Höhe des Riederberges mit den Strassenserpentinen hinab nach Ried verquert man den oft erwähnten Wolfpassinger Gesteinszug. Die hieher gehörigen Gesteine sind an der untersten Serpentine in einem Schotterbruche aufgeschlossen; sie bestehen aus einem Wechsel von sandig - kalkigen, mit Caleitadern durch- zogenen Lagen, Hornsteinbänken und bräunlichen Mergeln mit Chon- driten. Eine. Lage rother Erde (an die Terra rossa erinnernd) be- deckt die Schichtenköpfe. Das Fallen ist, wie überall in diesem Zuge, südöstlich. Sie bilden hier den Nordrand des Wienersandstein- gebirges. Der Ort Ried liegt schon im neogenen Schlier des Donau- beckens. Zurückkehrend an das Wienthal und dieses weiter dem Streichen des Inoceramenschichtenzuges nach gegen SW verfolgend, gelangen wir bei der Eisenbahnhaltestelle Unter-Tulmerbach an die Einmün- dung des Tullnerbachthales (auch als „Irenenthal“* bezeichnet). In diesem Thale aufwärts gehend, verqueren wir zunächst, in ähnlicher "Breite wie im Gablitzthale (etwa 1000 Schritt), noch Ino- ceramenschichten, an deren Nordwestrande, in der Nähe der ersten grösseren Krümmung der Strasse gegen links, östlich an der Strasse, Schichten von interessanter petrographischer Entwicklung anstehen. Es sind lichtgraue Mergel, nur selten etwas kalkig, meist weich, mit groben Fucoiden und Frassgängen (Helminthoiden), dazwischen seltene, bräunlich geaderte Kalksandsteine. Die Scherben der grossen Caleitadern liegen, ganz ähnlich wie im Gschliefgraben bei Gmunden, vielfach ausgewittert herum. Ueberhaupt gleichen diese Gesteine bis ins Detail in auffallender Weise denen der senonen Niernthaler Schichten, wie ich. sie im Gschliefgraben kennen zu lernen Ge- legenheit hatte. Wir befinden uns auch hier genau in der Strei- ehungslinie der rothen Thone von Vorder-Hainbach, die ich bei Be- sprechung des Mauerbachthales erwähnte, und die uns auch dort an die rothen Thone des Gschliefgrabens erinnerten. Auch die Position würde stimmen, denn auch hier im Tullnerbachthale folgen unmittelbar nordwärts auf die den Niernthaler Schichten ähnlichen Gesteine (beim Jägerhause von Unter-Tullnerbach) mürbe, im Innern festere, grobe, sehr ungleichkörnige Sandsteine mit blätterigen Schiefern, die ganz den Typus der Alttertiärsandsteine an sich tragen. Es wird somit immer- hin sehr wahrscheinlich, dass am Nordwestrande des Haupt- zuges der Inoceramenschichten im Wienerwalde eine schmale, wohl auch vielfach unterbrochene Zone von Niernthaler Schichten vorhanden sei. Die charakte- ristischen Fossilreste, an denen diese Schichten anderwärts so reich sind, und die die Einreihung derselben ins Senon ergeben, konnte ich hier allerdings leider nicht auffinden. Bei Tullnerbach kommen wir wieder auf Gesteine der Inoceramenschichten, die man am öst- [7 7] Der Wienerwald. 129 lichen Thalgehänge aufwärts bis zur Thaltheilung bei Ober-Tullner- bach mehrfach beobachten kann. Dieselben sind auch von Stur auf seiner Specialkarte eingezeichnet. Wir befinden uns hier in der Streichungslinie des oben besprochenen Kreideaufbruches von Gablitz und haben hier jedenfalls einen ähnlichen vor uns, der sogar mög- licherweise mit dem von Gablitz zusammenhängen könnte. Nördlich von Ober-Tullnerbach ist (bis zum Wolfpassingerzuge) nur mehr ge- wöhnlicher Greifensteiner Sandstein zu sehen. Die beifolgende schematische Skizze (Fig. XIII) möge die Ver- hältnisse dieses Thales veranschaulichen, die mit denen der öst- licheren Parallelthäler von Gablitz und Mauerbach so nahe über- einstimmen, dass diese Skizze, mit wenigen unwesentlichen Modi- ficationen, ebensogut für diese letzteren passen würde, Fig. XIII. Tullnerbach Wienthal | Eisen bahn-Haltstelle en Unter-Jullnerbach {) ’ D \ ' ‘ 1. Gewöhnliche Inoceramenschichten. 2. Gesteine vom Typus der Niernthaler Schichten. 3. Alttertiärgesteine. Von der Eisenbahnhaltstelle Unter-Tullnerbach am nördlichen Gehänge des Wienthales fortschreitend, gelangen wir, noch vor der Eisenbahnstation Pressbaum-Tullnerbach, am Südostgehänge des „kleinen Wienerberges“, an den grossen Steinbruch, der durch die hier gefundenen Inoceramen eine gewisse Wichtigkeit für unsere Wienerwaldgeologie erlangt hat. Wir finden hier alle die bekannten Gesteinsvarietäten der Ino- ceramenschichten, wie wir sie in den Steinbrüchen am Leopoldsberge ete. kennen gelernt und wiederholt beschrieben haben. Die Inoce- ramen sitzen meistens auf starkglimmerigem, innen bläulichgrauen, aussen bräunlichen Sandstein, mit etwas welliger Structur und kalkigem Bindemittel, aber mit sehr wenigen Spathadern auf. Neben den Ino- ceramen erscheinen überall meist kleine, stengel- oder warzenförmige Hieroglyphenreliefs. H. Keller, dem wir die Entdeckung dieser Vorkommnisse verdanken, wurde durch dieselben an /n. Uripsü er- innert (Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1883, Nr. 12); Stur, der später hier noch weitere Aufsammlungen einleitete, bestimmte sie (nach seinen zurückgelassenen manuscriptlichen Aufzeichnungen) als Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898. 48. Band, 1. left. (C. M. Paul.) 7 130 C. M. Paul. ... 118] Inoceramus Muntieuli Fugg. & Kastn. und Inoceramus Salisburgensis Fugg. & Kastn. In Wechsellagerung mit dem Sandsteine stehen, wie überall in den Inoceramenschichten, Mergel, zuweilen hydraulisch, mit vielen und schönen Chondriten (alle Varietäten von Chondr. Vindobonensis etc.) und Helminthoiden. Ein Exemplar von Inoceramus befindet sich auch in einem Stücke von solchem Fucoidenmergel. Das Gesammt- bild des Vorkommens stimmt vollkommen mit dem von Leopolds- berge einerseits und dem von Muntigl bei Salzburg andererseits überein, und kann an der stratigraphischen Identität dieser Punkte nicht gezweifelt werden. Das Fallen ist süd-südöstlich. Bei Pressbaum besteht (am nördlichen Gehänge des Wienthals) nur mehr ein schmaler Saum aus Inoceramenschichten, an die sich nordwärts gleich Sandsteine anschliessen, die ihrer petrographischen Beschaffenheit nach, sowie wegen ihrer Lage im Hauptstreichen des Alttertiärzuges wohl nur diesem letzteren zugezählt werden können. Man sieht dieselben zunächst eirca 700 Schritte gerade nördlich vom Bahnhofe (am Nordrande der Villenanlage Lawies) in einem kleinen Steinbruche aufgeschlossen. Sie erscheinen hier nur in den innersten Partien blaugrau, sonst bräunlich, sehr ungleichkörnig, dem Greifensteiner Sandstein gleich. Sie wechseln mit blättrigem Schiefer- thon und fallen SSO. Den löcherigen Orbitoidensandstein, der hier am [Rande der Inoceramenschichtenzone vermuthet werden sollte, habe ich in dieser Gegend nicht beobachtet. In diesem Steinbruche sah ich an der Unterseite der Sandsteinbänke zahlreiche, scharf hervortretende Hieroglyphenreliefs, und zwar meist kleine, zuweilen verzweigte, stäbchenartige Formen und warzenähnliche Protuberanzen. An der Oberfläche der Schichten sah ich ganz ähnliche Warzen, jedoch minder scharf ausgeprägt. Noch besser sind diese Alttertiärsandsteine etwas weiter westlich in dem grösseren, dem Steinmetzmeister Hutterer gehörigen Stein- bruche aufgeschlossen, der an der von Pressbaum nach Rappolten- kirchen führenden Strasse, etwa eine Viertelstunde von der Eisen- bahn, gelegen ist. Es ist dies die Localität, an welcher Prof. Fuchs seine interessanten Beobachtungen über die Stellung der Spirophyten im Gestein anstellte (Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. Bd. CH, Abth. 1). Unter den Namen Spirophyton, Taonurus oder Zoophycus wurden bekanntlich jene eigenthümlichen körperlosen Ge- bilde beschrieben, welche sich am besten mit einer archimedischen Schraube vergleichen lassen, die Masse des Gesteines stets senk- recht zur Schichtungsfläche durchsetzen und vorwiegend in Sand- steinen, in den verschiedensten Formationen gefunden werden. Sie wurden bisher von den meisten Naturforschern für Algen gehalten und namentlich mit dem im Behringsmeere vorkommenden T'halassio- phyllum elathrus verglichen. Fuchs ist nun bezüglich dieser Gebilde zu einer anderen Ansicht gelangt. Da der Gegenstand nicht ohne allgemeineres Interesse ist, glaube ich die Details, die der Genannte über die in Rede stehende A 0 re A rn A [79] Der Wienerwald. 131 Localität mittheilte, hier wörtlich reproduciren zu sollen und will daran nur eine kurze Bemerkung knüpfen. Fuchs schreibt: „Die Gesammthöhe des Steinbruches dürfte beiläufig 30 »m betragen. Man sieht ein System von lichten Sand- steinbänken, welche bald dicker, bald dünner geschichtet, mitunter mit Mergelzwischenlagen wechseln und beiläufig unter 45% gegen Süden einfallen.“ „Die genauere Schichtenfolge ist von oben nach unten folgende: 1, Lichte, massige Sandsteine, in dieke Bänke gesondert, ohne mergelige Zwischenmittel, 16 m. 2. Dünngeschichtete, mitunter plattige Sandsteinbänke, mit reich- lichen Mergelzwischenlagen. Die Unterfläche der Sandsteinplatten ist über und über mit den mannigfachsten Hieroglyphen im Relief bedeckt, 4 m. 3. Massiger, lichtgelber Sandstein, in dieke Bänke gesondert, mit schwachen Mergelzwischenlagen. Die Unterseite der Bänke zeigt mannigfache gerade oder gewundene oder auch klauenartige Wülste, sowie die verschiedenartigsten Hieroglyphen in kräftig ausgebildetem Relief, 12 nn. „Dieser untere Complex von lichten diekbänkigen Sandsteinen ist es nun, welcher die Spirophyten führt, und zwar sind es die drei obersten Bänke unmittelbar unter den plattigen Sandsteinen, welche diese Fossilien enthalten.“ „In der obersten, beiläufig 1 m dicken Bank kommen die Spirophyten in der unteren Hälfte derselben vor. Es sind langge- streckte Formen mit zahlreichen Umgängen, welche vollkommen regelmässig, wie die Orgelpfeifen, parallel nebeneinander stehen und zwar ohne Ausnahme die Basis nach oben, die Oeffnung der flach kegelförmig ausgebreiteten Umgänge nach unten gerichtet. Die Ober- fläche der Windungen ist von einer schwärzlichen Substanz bedeckt. Die obere Hälfte der Sandsteinbank, in welcher diese Spirophyten stecken, ist von federstieldicken Gängen durchzogen, welche parallel mit der Oberfläche oder etwas schief gegen dieselbe aufsteigend verlaufen und ebenfalls von der schwärzlichen Substanz wie die Spirophyten bedeckt sind. Bisweilen sieht man, dass ein solcher Gang sich an die Basis eines Spirophytons anlegt, gewissermassen einen umgebogenen Stiel desselben bildend.“ „Niemals sieht man ein Spirophyton schief stehen, umgefallen, zerbrochen oder verbogen.“ „In den zwei tieferliegenden Bänken, welche eine Mächtigkeit von 15 und 2 m besitzen, finden sich die Spirophyten in der obersten Schichte, und zwar sind es hier Formen, welche nur wenige, dicht gedrängte Umgänge besitzen und in Folge dessen eine mehr tellerförmige Gesammtgestalt zeigen. Auch hier aber ist die Basis ausnahmslos nach oben, die Oeffnung des „Tellers* (wenn ich mich so ausdrücken darf) nach unten gerichtet.“ „Die Oberfläche dieser flachen Spirophyten ist braun, die Schichte, in welcher sie vorkommen, enthält zahlreiche Thongallen.* Soweit die thatsächlich zu beobachtenden Verhältnisse. Fuchs zieht nun aus der constanten Stellung der Spirophyten mit nach 17: 132 C. M. Paul. [50] unten geöffneten „Tellern* den Schluss, dass dieselben keinesfalls Algen oder überhaupt Pflanzen sein können, da in diesem Falle die spiralen Windungen sich nach oben entfalten müssten. Dass man es hier aber nicht mit überkippter Schichtenstellung zu thun habe — in welchem Falle die natürliche Stellung der Spirophyten selbstverständ- lich eine gerade umgekehrte, und diese Conclusion daher unzulässig wäre — dies hält Fuchs durch das Vorkommen der Hieroglyphen auf der Unterseite der Schichten als mit genügender Sicherheit erwiesen. Ich habe im Contexte vorliegender Mittheilung bereits wiederholt meine Ansicht über die Verwendbarkeit der Hieroglyphen zur Lösung der Frage, ob man es mit normaler oder überkippter Lagerung zu thun habe, ausgesprochen und durch mehrere Beispiele von zweifel- losen Hieroglyphenvorkommnissen auf beiden Schichtseiten meinen Standpunkt zu motiviren gesucht, nach welchem wir aus der Position der Hieroglyphen höchstens einen Wahrscheinlichkeitsschluss, kaum jemals aber einen absolut sicheren Schluss in dieser Richtung ziehen können. Ich bezweifle nicht einen Augenblick, dass ein Theil der mannigfaltigen, unter dem Namen der Hieroglyphen zusammengefassten Reliefzeichnungen der Gegendruck vertiefter Kriechspuren sei und in diesem Falle wohl sicher die normale Unterseite der Schichten an- deuten möge. Wo aber ist die Grenze zwischen solchen Hieroglyphen, bei denen eine derartige Provenienz mit einiger Sicherheit angenommen werden kann, gegen solche, bei welchen dies höchstens wahrscheinlich, oder endlich gegen solche, bei welchen es ganz unmotivirbar erscheint ? Wo ist in unserem speciellen Falle der Beweis, dass gerade die Hieroglyphen des Pressbaumer Steinbruches sicher solche Unter- seite-Hieroglyphen und nicht vielleicht ganz anderer Provenienz seien ? Es ist möglich, dass Herr Prof. Fuchs Stücke von dieser Localität besitzt, die in dieser Beziehung beweiskräftig sind — in seiner eitirten Mittheilung führt er solche nicht an, sondern spricht nur im Allge- meinen von. Hieroglyphen. Das Stück, welches er in seiner grösseren Abhandlung (Denkschr. d. k. Akad. d. Wissensch. 1895, Taf. I, Fig. 3) von Pressbaum abbildet, scheint mir zu einer sicheren Bestimmung doch allzu undeutlich; und was ich selbst dort sah, waren neben sanz undeutlichen Wülsten zahlreiche, zwar scharf ausgepräste, aber in ihrer Form ziemlich indifferente, theils gerade, theils gebogene, zuweilen verästelte Stämmchen, die man mit gutem Willen für Fährten halten kann, die aber möglicherweise auch ganz etwas Anderes sein können. Es liegt mir gewiss ferne, den Werth und die Verdienstlichkeit der interessanten und fleissigen Studien, die Fuchs, Nathorstu. A. über die Problematica der Flyschbildungen anstellten, irgendwie ver- kennen zu wollen, so weit sind wir aber doch dermalen noch nicht, um mit Hilfe derselben jedes Hieroglyphenrelief mit Sicherheit deuten und dann weitergehende Schlüsse auf eine solche Deutung basiren zu können; auch auf einem richtigen Wege kann man zu weit gehen. Sehen wir nun von den Hieroglyphen ab, so würden die Ver- hältnisse bei Pressbaum wohl jedem unbefangenen Geologen eher den [81] Der Wienerwald. 133 Eindruck überkippter, als den normaler Lagerung machen. Die Sand- steine des in Rede stehenden Bruches sind echte, typisch entwickelte und im Streichen des Haupt-Alttertiärzuges gelegene Greifensteiner Sandsteine; sie fallen gegen SSO (nicht gegen Süd, wie Fuchs an- gibt), neigen sich sonach unter die ganz ebenso streichenden und verflächenden eretacischen Inoceramenschichten, die wir im Bruche östlich vom Bahnhofe deutlich und fossilführend aufgeschlossen sahen. Eine concordante Lagerfolge von Kreide über Alttertiär ist nun an sich schon nicht sehr einladend für die Annahme normaler Schichten- stellung. Es kommt aber in diesem Falle noch hinzu, dass wir uns hier in der Nähe jener Hauptgrenze zwischen Kreide und Alttertiär befinden, die von Kritzendorf an der Donau bis hieher zu verfolgen ist und an der (wie v. Hauer bezüglich des Donauprofiles schon vor 40 Jahren erkannte) überall überkippte Schichtenstellung zu herrschen scheint. Ich gestehe übrigens selbst gerne zu, dass dies ebenfalls nur Wahrscheinlichkeits-Argumente und keine Beweise sind. Der in Rede stehende Steinbruch ist von der Kreidesrenze doch immerhin eirca 800 m entfernt, es wäre also in dieser Distanz möglicherweise Raum für eine nochmalige Aufbiegung der Alttertiärschichten und es könnten in diesem Falle die Schichten des Hutterer’schen Steinbruches der normalliegenden Nordflanke einer Synklinale entsprechen, deren nicht aufgeschlossene Südflanke sich überkippt an die Kreidegesteine anschliesst. Eine weitere Möglichkeit, die für normale Schichtenstellung an unserer Localität herangezogen werden könnte, wäre die Annahme eines Abstossens des Alttertiärs an der Kreidegrenze mit einer Bruch- linie. Dies wäre aber meiner Ansicht nach eine noch willkürlichere Annahme, da wir weder hier noch anderwärts längs der in Rede stehenden Formationsgrenze irgend einen Anhaltspunkt zur Erhärtung derselben finden. | Wir stehen also hier vor verschiedenartigen Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten und müssen uns wohl bescheiden, die Frage, ob im Hutterer’schen Steinbruche bei Pressbaum normale Schichten- stellung herrsche und wie demgemäss die Spirophyten ursprünglich im Gestein stecken, als eine vorläufig ungelöste zu betrachten }), Der Wienfluss entsteht bei Pressbaum aus der Vereinigung der Bäche Pfalzau und Dürrwien, das eigentliche Wienthal hat also hier sein westliches Ende. Wir wollen von der Station Pressbaum aus noch die Elisabeth-Westbahn westwärts bis zu deren Austritt aus dem Wienerwalde verfolgen. Wie bereits oben erwähnt, ist hier bei Pressbaum am nördlichen Thalgehänge nur mehr ein schmaler Streifen von Inoceramenschichten an der Oberfläche zu sehen, hinter welchem nordwärts gleich der Alttertiärsandstein folgt. Man sieht dieses Verbältniss sehr gut bei der nächsten Haltestelle (Pressbaum—Pfalzau). Hier sind mit südlichem Fallen Inoceramenschichten, denen des oben beschriebenen Inoceramenfundortes ganz gleich, aufgeschlossen und hinter ihnen stehen, ebenso fallend, also dieselben scheinbar unterteufend, grobe, ') Ueber die Spirophyten- und Chondritenfrage vergl. auch E. Zimmer- mann (Naturwissensch. Wochenschr., IX. Bd, Nr. 30, Berlin 1894). 134 €. M. Paul. [82] dem Haupt-Alttertiärzuge angehörige Greifensteiner Sandsteine an. Man kann sich hier von der anormalen Lagerung mit genügender Deutlichkeit überzeugen (s. Fig. XIV). Vor der Station Rekawinkel tritt die Bahnlinie in den Zug der Alttertiärsandsteine ein, steigt in demselben zur Wienerwald- wasserscheide hinan, verquert diese mit dem Tunnel am Steinhard- berge und senkt sich dann in das Thal des Anzbaches hinab, der schon ins Tullnerfeld hinaustfliesst. Am Steinhardberge wurden von Dr. Berwerth Nummu- liten gefunden (Ann. d. naturhist. Hofmus., Bd. V, Hft. 3, 1890). Das Verflächen ist hier wie überall in diesem Theile des Zuges nach SSO, geht aber weiter gegen Westen (in der Gegend nördlich von Alt- Lengbach) in ein südliches über. Am Eichgraben gelangen wir mit der Eisenbahnlinie in das Liegende des Alttertiärsandsteines des Steinhardberges hinab. Wir Fig. XIV. Hisenbahn-haltstelle Pressbaum-Pfalzanu EAN 4 JS NM. 1. Blaugrauer, glimmerreicher Sandsteinschiefer mit ver- kohlten Pflanzenresten. - Inoceramen- 2 Linse von weissem Chondritenkalk. schichten. 3. Glimmerreicher Sandstein. 4. Grober Sandstein (Alttertiär). haben hier wieder den ofterwähnten Wolfpassingerzug erreicht. Süd- westlich von der Haltestelle Eichgraben an der Eisenbahn sieht man die Schichten desselben entblösst. Sie bestehen aus gelblichgrauen Fucoidenmergeln, weniger kalkig als die Ruinenmergel des Press- baum—Kahlenbergerzuges, aber auffallend ähnlich den Mergeln der Niernthaler Schichten, wie ich sie im Gschliefgraben bei Gmunden kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Ausser Chondr. intricatus fand sich hier auch ein breiter Fucoid (etwas breiter als die gewöhnliche Form von Ch. Targioni), den ich ebenfalls aus den Niernthaler Schichten des Gschliefgrabens kenne. Diese Mergel wechsellagern mit Sandsteinschiefer und etwas schaligem Hieroglyphensandstein, der genau wie die Inoceramenschichten der Westkarpathen (Uhlig’s Ropaschichten) aussieht. Die weiter östlich in diesem Zuge stellen- weise auftretenden Hornsteinbänke fehlen hier und habe ich dieselben überhaupt weiter gegen Westen in der Fortsetzung dieses Zuges nicht mehr beobachtet. [83] Der Wienerwald. 135 Diese Schichten halten nun an bis Anzbach. Man sieht sie, ausser dem erwähnten Punkte, mit überall gleichbleibenden süd-süd- östlichen Einfallen an einigen Stellen an der Eisenbahn südlich von Oberndorf, sowie südlich von Anzbach anstehen. Bei Anzbach verlässt die Westbahn das Gebiet des eigentlichen Wienersandsteins. Es schliesst sich dann das schon dem jüngeren Tertiär {nach Stur den Sotzkaschichten) zugehörige Kohlengebiet von Starzing an, dessen Besprechung nicht mehr innerhalb des Rahmens vorliegender Mittheilung fällt. b) Südliche Thalseite. Wir müssen nun wieder zum Austritte des Wienthals aus dem Wienersandsteingebiete in das Wienerbecken zurückkehren, um, wieder flussaufwärts vorschreitend, die an der südlichen Thalseite sich darbietenden Verhältnisse kurz zu skizziren. Es ist, hier zunächst die altbekannte und oft in der Literatur erwähnte Juraklippe von St. Veit und ihre Umgebung, deren hier mit einigen Worten gedacht werden muss. Diese Klippe bildet das nordöstliche Ende einer Klippengruppe, die sich südwestlich im k. k. Thiergarten fortsetzt; sie tritt zunächst des Wienthales mit dem sogenannten „rothen Berge“ (Lainz NW, Ober-St. Veit SO) bis unmittelbar an den Rand des Neogenbeckens heran; der weiteren südwestlichen Fortsetzung der Klippengruppe (am Einsiedeleiberge und Gemeindeberge, sowie im k. k. Thiergarten) liegt südöstlich eine Zone von Wienersandstein vor, welche sich (westlich von Speising und Mauer) zwischen sie und den Rand des Wienerbeckens einschaltet. | Die ausführliche Arbeit über die St. Veiter Klippen von Dr. Egb. von Hochstetter (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1897, Hft. 1), in welcher auch die ältere, über den Gegenstand vorliegende Literatur eingehend berücksichtigt ist, lässt hier eine nochmalige Besprechung der inneren Constitution, Gliederung und Fossilführung dieser Klippen wohl überflüssig erscheinen; nur über ihr Verhältniss zu den sie umgebenden Wienersandsteinen möge eine kurze Bemerkung hier platzfinden. Am Nordwestrande der St. Veiter Lias-, Jura- und Malmklippe schliesst sich zunächst (wie auch Egb. von Hochstetter auf seiner Skizze Fig. 3 einzeichnete) eine schmale, zuweilen unterbrochene Zone von hellem Neocomkalk an, der Apf. Didayi Cocq. enthält, mit typischen Fleckenmergeln wechselt und in solche übergeht. Die Schichten derselben fallen ganz regelmässig gegen WNW von der Juraklippe ab. Dieselben Gesteine umsäumen die Klippe (wie auch schon bei Stur eingezeichnet erscheint) gegen NO (südlich von der Wagenfabrik, westlich von dem von dieser Fabrik nach Lainz führenden Wege) und endlich sieht man sie (schon innerhalb der Thiergartenmauer) auch an der Südostseite der Klippenlinie, am Rande der Klippe beim „Sauschwanzthürl“, hier aber ostsüdöst- lich — also wieder regelmässig von der Klippe ab — einfallend. Wir können also hier eine die Juraklippen umsäumende Neocomien- 136 C. M. Paul. [84] zone erkennen, die mantelförmig von denselben abfällt, sich denselben gegenüber gewissermassen als Hülle verhält. Diese Aptychenkalke und Fleckenmergel nun enthalten Caleit- adern, werden zuweilen sandiger und gehen in dieser Weise in die weissgeaderten Sandsteine über, die wir im Complexe der unteren Wienersandsteine schon so oft angetroffen haben. Die oben erwähnte mehrfache Unterbrechung dieser Neocomkalkzone beruht einfach darauf, dass sie eben nur dort, wo die kalkige Entwicklung gegen die sandige vorwiegt,; deutlicher markirt erscheint. Gegen oben ist dann eine scharfe Grenze gegen die prävalirenden, weissgeaderten Sandsteine kaum zu ziehen. Auch die letzteren sieht man an vielen Stellen nordwestlich von den Klippen ganz ebenso regelmässig gegen WNW von der Klippenlinie abfallen. Was also hier die Klippen umgibt, ist nichts anderes als die Fortsetzung der Zone von unteren Wienersandsteinen, die wir von Dornbach bis Baumgarten verfolgt hatten, und die nun von hier weiter südwestlich fortsetzt. Man wird sich erinnern, dass auch in den östlicheren, in den vorigen Abschnitten beschriebenen Partien dieser Gebilde die weissen Kalke und Fleckenmergel an verschiedenen Punkten constatirt werden und sogar als ein selten fehlendes Glied dieses Gesteinscomplexes bezeichnet werden konnten. Nachdem wir also hier die ältesten Glieder des Wienersandstein- complexes, regelmässig von den Klippen abfallend, als deren Um- randung entwickelt finden, so dürften die Klippen selbst wohl am natürlichsten als der Kern einer Aufbruchszone, nicht aber als die Reste eines dem Wienersandstein gegenüber präexistirenden, tek- tonisch selbstständigen, älteren Gebirgssystems aufzufassen sein. Zu einem ähnlichen Resultate gelangte auch Egb. von Hochstetter, welcher zum Schlusse seiner oben eitirten Arbeit bemerkt: „Viel- leicht haben wir in St. Veit ein Beispiel einer auf tektonischem Wege entstandener Klippe, einer „tektonischen Klippe*, bei welcher Faltung in Verbindung mit Verwerfungsbrüchen jene eigenthümliche Erscheinungsform, wie sie uns im nordöstlichsten Ausläufer der alpinen Flyschzone nicht nur in diesem einzigen Vor- kommniss entgegentritt, ausgestaltet haben.“ (Gehen wir vom nördlichen Theile der St. Veiter Klippe (dem Girzenberge) oder von der Kirche von Ober-St. Veit nordwestwärts gegen die Thiergartenmauer, so finden wir bald nach den Aptychen- kalken, Fleckenmergeln und caleitreichen Sandsteinen der Neocomien- zone (die südlich von Hacking auch Spuren rother Mergel enthalten) oberhalb des grossen Meierhofes, durch den dieser Weg führt, die wohlbekannten Gesteine der JImoceramenschichten, nämlich graue, chondritenreiche Kalkmergel mit geaderten, zuweilen schaligen, bräun- lichen Sandsteinen. Mit diesen kommen sehr harte, inwendig bläu- liche, sonst bräunlichgraue, sehr feinkörnige Sandsteine mit selteneren Spathadern und feste, feinkörnige, lichtgraue Mergel vor. Diese Inoceramenschichten setzen von hier südwestlich (im - Thiergarten) über die „Baderwiese“ an den „kaiten Bründlberg“ und „Hermannskogel“ fort, wo sie ebenfalls sehr typisch entwickelt sind, und auch schon von Stur eingezeichnet wurden. [85] Der Wienerwald. 137 Unmittelbar vor der Thiergartenmauer (südlich von Hacking) erscheint grober, glimmeriger Sandstein, der schon einigermassen dem alttertiären Orbitoidensandsteine ähnlich ist; da er jedoch in einer grösseren Entblössung, an der man nach charakteristischeren Merkmalen suchen könnte, nicht aufgeschlossen ist und grobkörnige Varietäten auch den echten Inoceramenschichten nicht fehlen, so ist eine sicherere Deutung desselben nicht möglich. Gehen wir von diesem Punkte nordöstlich längs der Thiergarten- mauer nach Hacking hinab, so finden wir, etwas nordwestlich von der Stelle, wo die Thiergartenmauer das Wienthal erreicht hat und ihre bisherige nord-nordöstliche Richtung in eine nord-nordwestliche ändert, einige Sandsteinbänke unter der Mauer hervorkommen, die sanz vollkommen mit dem Öperculinen führenden Sandsteine von Weidlingbach übereinstimmen ; neben denselben sehen wir auch die charakteristischen und nicht zu verkennenden kieseligen, in parallel begrenzte Stücke zersplitternden Schiefermergel, wie ich sie von Weidlingbach beschrieben habe. Dass wir hier Alttertiär vor uns haben, kann nicht zweifelhaft sein, wir haben sonach vom Rande der St. Veiter Jura- klippe an eine ganz regelmässige Aufeinanderfolge vonsNeocomien, Oberkreide und Alttertiär verquert undvoneinemunvermitteltenAuftauchen dieser Klippe ausAlttertiär(wiefrüherangenommen wurde) kannhier durchaus keine Rede sein. Das Alttertiär von Hacking besitzt eine sehr geringe Ausdehnung. Südwestlich dem Streichen nach findet es zwar in einigen kleinen isolirten Alttertiärschollen, die im Thiergarten den dort prävalirenden cretacischen Sandsteinen aufliegen, seine Fortsetzung; die Breite desselben beträgt jedoch nur etwa 200 m, denn bei der Nikolaikapelle im Thiergarten stehen schon wieder Inoceramenschichten an. Von hier an ergibt unsere Thalseite eine buchstäbliche Wieder- holung der gegenüberliegenden. Die Inoceramenschichten bei der Nikolaikapelle entsprechen denen von Hütteldorf; dann folgt ein schmaler Streifen von unterem Wienersandstein mit rothen Mergeln, den bei der Schiessstätte von Hütteldorf aufgeschlossenen Schichten entsprechend; dann folgen (südlich vom Auhof, gegen den Johannser- kogel und Brandberg im Thiergarten fortstreichend) wieder Inoceramen- schichten, die Fortsetzung des bei Beschreibung der Gegend von Hüttel- dorf mehrfach berührten Satzbergzuges; und dann gelangen wir endlich (südlich von Weidlingau) an die ofterwähnte langgestreckte Auf- bruchszone der unteren Wienersandsteine, die, wie bereits wiederholt bemerkt wurde, beinahe den ganzen Wienerwald, von Kahlenberger- dorf bis in die Gegend von Hainfeld, durchzieht. Man sieht die Gesteine dieser Zone am Wege von Weidlingau zum Paunzen-Gasthause und in der Umgebung dieses letzteren, zwar nicht in irgend einem offenen Steinbruche, aber doch in einzelnen am Wege anstehenden Schichten aufgeschlossen. Wenn man an diesem Wege (von Weidlingau aus) etwa 1'7 Kilometer zurückgelegt hat, sieht man rechts dunkle, weissgeaderte, sowie glasige und glitzernde Sandsteine nordnordwestlich fallen; bald darauf streichen die Schichten Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1893, 48. Band, I. Heft. (C. M. Paul.) 13 138 C. M. Paul. [86] derselben Gesteine quer über den Weg und fallen SSO, bilden somit eine Antiklinale. Unmittelbar neben dem letzterwähnten Aufschlusse sieht man helle Mergelkalke unter den Stücken des geaderten Sand- steines herumliegen. Näher gegen das Paunzen-Gasthaus treten dann grobe Sandsteine auf. Nördlich von dem genannten Gasthause,. am Wege gegen den „deutschen Wald“, sieht man auch die hellen Kalke herumliegen, in unmittelbarer Nachbarschaft rothgefärbter, auf die Anwesenheit der bekannten rothen Mergel hindeutender Terrainstellen. Am Südabhange des Feuersteinberges endlich (Paunzen westnordwest- lich) kommen, wie schon auf der alten CZjZek’schen Karte ver- zeichnet erscheint, Hornsteine vor. Wir haben sonach hier wieder so ziemlich die ganze bekannte Gesteinsvergesellschaftung dieser Ab- theilung beisammen. Fig. XV. 5 Mühlber Thierzar..n Wienthal sn Fe : WerddEi | = Hr nr ı Wegvon Weidlingau nach Pxunzen ‘ ' \ ‘ ' ' ‘ {) ' ‘ > ' n h ' ' ' 2 ÄEN 1 r SIT, NVNW. 1. Sandsteine mit Caleitadern und helle Mergelkalke (Untere Wiener- sandsteine). 2. Chondritenreiche Ruinenmergel, Sandsteine und Sandsteinschiefer (Ino- ceramenschichten). An die Aufbruchszone der unteren Wienersandsteine schliesst sich dann nord-nordwestlich, wie auf der anderen Thalseite, die Fort- setzung des-Inoceramenschichtenzuges des Leopoldsberges regelmässig an; die Inoceramenschichten sind rechts von dem erwähnten Wege von Weidlingau nach Paunzen, gleich ausserhalb Weidlingau, am Süd- gehänge des Mühlberges in einem grösseren Steinbruche aufgeschlossen. Sie zeigen alle bekannten Gesteinsvarietäten, namentlich die musche- ligen, chondritenreichen Ruinenmergel sehr schön und fallen nord- nordwestlich, liegen also, wie beinahe überall an dieser Gesteins- grenze, ganz regelmässig auf den Gesteinen der unteren Abtheilung (s. Fig. XV). Die Jnoceramenschichten begleiten dann von hier an, wie auf der nördlichen Thalseite, den Lauf des Wienflusses bis gegen Pressbaum und sind auch am Wienthalgehänge mehrfach steinbruch- mässig aufgeschlossen, so südlich der Strasse von Weidlingau nach Purkersdorf, am Nordgehänge des Mühlberges (Fällen steil nord-nord- westlich), im „deutschen Wald“, an der Mündung des Dammbach- thales etc. Ungefähr gegenüber der Haltestelle Unter-Tullnerbach ist ein grösserer Bruch am rechten Wienufer angelegt, der entgegen- gesetztes, flach süd-südöstliches Fallen zeigt. Diese Fallrichtung erklärt “ [8 7] Der Wienerwald. 139 sich dadurch, dass nordöstlich im Liegenden der hier aufgeschlossenen Inoceramenschichten, im Wienthale selbst und am unmittelbaren süd- lichen Ufer des Flusses, wieder ein kleiner Aufbruch der rothen Mergel zu Tage tritt. Es wurde hier, bei der Einmündung des Wolfsgrabens, von Seite der Wienthal - Wasserleitungsunternehmung ein Reservoir und ein Damm (das sogenannte Wolfsgrabenreservoir) angelegt und bei den Erdaushebungen zur Fundirung dieses Dammes fand man die rothen und blauen Mergel mit einigen Lagen von Kalksandstein. Nach den hier gemachten Beobachtungen, die mir von Seite der bei dieser Dammanlage beschäftigten Herren Ingenieure freundlichst zur Ver- fügung gestellt wurden, fallen unter der Sohle des Wienthales die Schichten der rothen und blauen Mergel nach NW und werden am nördlichen Uferrande von ebenso fallenden Fucoidenkalkmergeln und Sandsteinen (Inoceramenschichten) überlagert. Am Südrande des Fig. XVI. Grosser nz Ah S Wienerberg ı Steinbruch Kisenbahn \ I SL ; Wolfsgrabe ii - 1 Darnrm. \ 1. Rothe nnd blaue 'Thonmergel. 3. Inoceramenschichten. 3. Alttertiärsandsteine. Wienthales reichen die Mergel noch etwas am Gehänge hinauf und werden hier wieder von den in dem erwähnten Steinbruche auf- geschlossenen Inoceramenschichten überlagert. Nördlich vom Wien- thale überkippen die Schichten jedoch sehr bald und fallen, wie wir bei der Schilderung der nördlichen Thalseite gesehen haben, am Rande gegen das Alttertiär widersinnig gegen SSO. Der beifolgende schematische Durchschnitt (Fig. XVI) möge die Lagerung beim Wolfsgrabenreservoir veranschaulichen. Es ist dies wieder ein Punkt, welcher mir für das von mir angenommene Altersverhältniss zwischen den Inoceramenschichten und den rothen Thonmergeln beweiskräftig zu sein scheint, wenn auch diese letzteren zuweilen den rothen Thonen der senonen Niern- thalerschichten, sowie denen der alttertiären Karpathensandsteine Galiziens ziemlich ähnlich sind. Die Ausdehnung der rothen und blauen Thonmergel ist hier nach allen Richtungen hin eine sehr geringe. 18* 140 C. M. Paul. [88] Gehen wir von hier am südlichen Wienufer aufwärts, so finden wir noch vor Pressbaum, an den Gehängen des Bartberges, schon wieder Inoceramenschichten. Es tritt hier im Vergleiche mit der nördlichen Thalseite insoferne eine Aenderung ein, als der Inoceramen- schichtenzug von hier gegen SW durch einen Zug von Alttertiär- sandsteinen gespalten erscheint. Der südliche Theilzug der Ino- ceramenschichten zieht vom Bartberge südwestlich über das Brennten- maisthal an den vorderen Sattelberg, dann über das Pfalzauthal fort, an den Hollererberg und das Labenthal nördlich von Wöllersdorf, wo er sich mit dem nördlichen Theilzuge vereinigt. Der Alttertiärzug beginnt an der Wien ziemlich schmal östlich von Pressbaum, zieht über die Thäler Brenntenmais und Pfalzau an den Pfalzberg, und- setzt von hier über den Kaiserbrunnberg, Joch- grabenberg und Hochstrass bis an den Hasenriedl fort, wo er sich wieder ausspitzt, nachdem er an der breitesten Stelle (am Kaiser- brunn- und Jochgrabenberge) eine Breite von etwa 2 Kilometer er- reicht hat. Der nördliche, bedeutend schmälere Theilzug der Inoceramen- schichten, der sich diesem Alttertiärzuge nordwestlich anschliesst, ist als zusammenhängender Zug viel weniger deutlich markirt, vielmehr nur aus einigen vereinzelten Vorkommnissen hieher gehöriger Ge- steine zu erschliessen. So kommen ganz beim Eingange in das Pfalzauthal, sowie an einigen Stellen im Dürrwienthale kalkige, weiss- geaderte Sandsteine vor, die von dem groben, mürben, zahlreiche Thoneinschlüsse enthaltenden Alttertiärsandsteine des Pfalzberges wesentlich verschieden und ganz den anderwärts in den cretacischen (liedern der Wienersandsteine vorkommenden Sandsteinvarietäten gleich sind, und weiter westsüdwestlich (östlich circa 3 Kilometer von Altlengbach) treten bei den Bauernhöfen Gscheid und Streitzer kalkig-kieselige, muschelig brechende Ruinenmergel mit Chondrites in- tricatus, ganz wie am Leopolds- und Bisamberge, auf. Vor Erreichung des Labenthales scheint sich dieser schmale Zug mit dem Inoceramen- schichtenzuge des Hollererberges zu vereinigen. Nördlich vom Dürrwienthale erreichen wir nun wieder den Hauptzug der Greifensteiner Sandsteine, von dem oben erwähnt wurde, dass er von der Bahnlinie der Kaiserin Elisabeth-Westbahn mit dem Tunnel am Steinhardberge geschnitten wird, und an diesem Berge auch als nummulitenführend sich erwies. Dieser Zug setzt, gegen Südwesten und Westen sich verbreiternd, über Altlengbach an das Labenthal fort, dessen. Gehänge zwischen Nest und Laaben in einer Breite von eirca 7 Kilometer aus hiehergehörigen Gesteinen bestehen. 7. Kalksburg— Laab— Wolfsgraben. Von Kalksburg an wird der Südostrand unseres Wienersandstein- sebietes nicht mehr wie in den bisher betrachteten Gegenden durch den Rand des Wiener Neogenbeckens, sondern durch den der alpinen Kalkzone gebildet; wir lernen also von hier an die wirkliche süd- [89] Der Wienerwald. 141 östlichste Zone des Wienersandsteines kennen. Diese besteht, wie hier gleich bemerkt werden soll, durchaus aus den Gesteinen der unteren (vorwiegend neocomen) Wienersandsteingruppe und ist die directe Fortsetzung der die St. Veiter- und Thiergartenklippen um- gebenden und begleitenden Gesteinsbildungen. Gehen wir von Kalksburg, welches noch in der Kalkzone liegt, im Gütenthale nordwestlich aufwärts, so sehen wir zunächst rechts grosse ‚Steinbrüche in triadischer Rauchwacke, die ich schon vor nahezu 40 Jahren in meiner geologischen Erstlingsarbeit (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1859, II. Heft) von dieser Localität erwähnte. Stur bezeichnete sie auf seiner Specialkarte der Umgebung von Wien als „Opponitzer Rauchwacke*. Dann folgt ein schmaler Streifen von Kössener Schichten und dann das uns hier näher beschäftigende Flyschgebiet. Was wir hier zunächst am Rande der Kalkzone finden, sind erobe und glasige Sandsteine; eine kleine Partie von lichtem Kalk mit Hornsteinen und Apt. Didagi Cocy., die etwa-l Kilometer ost- nordöstlich vom Gütenthale, am Hauswurzhügel im Gemeindewalde von Mauer, sich zwischen die Kalkzone und die Sandsteine einschaltet, und die ich schon in meiner oben eitirten älteren Mittheilung er- wähnte, reicht nicht bis ins Gütenthal herab. Gehen wir von der Stelle, wo die Thiergartenmauer das Güten- thal erreicht, neben dieser Mauer nordöstlich aufwärts, so finden wir, noch vor der Militär-Schiessstätte, abermals die nämlichen Kalke: dieselben streichen in zwei Schichten von eirca 1 m Mächtigkeit quer über den Weg. Zwischen den beiden Kalkbänken liegt, etwa 5—6 m mächtig, brauner, mit Caleitadern durchzogener Sandstein; denselben sieht man auch unter und über den Kalkbänken. Alles verflächt nach NNW. Unweit dieser Stelle, beim Dreimarktstein-Thor, gibt Stur mit demselben Einfallen auch rothe Mergel an, die ich jedoch selbst nicht beobachten konnte. Dass diese Kalkbänke wirkliche Lagen oder Linsen im: Sandsteine und nicht etwa „Klippen“ sind, scheint mir hier ziemlich deutlich zu sein. Ein weiteres solches Kalkniveau im Sandsteine dürfte das — von mir nicht gesehene — Aptychenkalkvorkommen „zwischen dem Gütenbach und Faselberggraben, südöstlich vom Hornauskogel im kaiserlichen Thiergarten“ sein, von welchem Peters (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1854, II. Heft) Apt. Didayi Coeq., Apt. angulocostatus Pet., Apt. aplanatus Pet. und Apt. giganteus Pet. angibt. Apt. Didayı Coeg. ist bekanntlich eine bezeichnende Neocomienform, und die an- deren erwähnten, von Peters neu aufgestellten Arten, namentlich auch der grosse, mehr an Juratypen erinnernde Apt. giganteus, kommen, wie der Autor ausdrücklich bemerkt, zusammen mit Apft. Didayi vor. Griesbach (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1869, I. Heft) führt diese Localität, ohne die erwähnten Angaben Peters’ zu berück- sichtigen oder auch nur anzuführen, unter seinen „tithonischen Klippen“ an. Es ist nun allerdings nieht unmöglich, dass an der in Rede stehenden Stelle oder in unmittelbarer Nähe davon auch Tithon auftrete — denn der Punkt fällt ungefähr in die Streichungslinie 142 C. M. Paul. [90] der St. Veiter- und Thiergartenklippen; so ohneweiters ignoriren darf man aber die Angaben Peters’ nicht, denn dieselben beruhen nicht nur auf einer flüchtigen Bestimmung, sondern auf einem ein- gehenden Specialstudium über die Aptychen unserer österreichischen Neocomien- und oberen Juraschichten, und sind jedenfalls gewichtiger, als die ohne jede Motivirung und Rechtfertigung hingestellte Be- hauptung Griesbach’s, dass „die bei Weitem überwiegende Anzalıl der Aptychenklippen tithonischen Alters“ sei. Dieser Satz, den Griesbach mit Bezug auf alle Aptychenkalkvorkommnisse unseres Wienerwaldgebietes ausspricht, ist nur insoferne riehtie, als die wirklich klippenförmig, d. i. ohne stratigraphische Verbindung mit den Wienersandsteinen, als deren Liegendes auftauchenden Aptychen- kalkinseln allerdings durchaus tithonen oder höheren Alters sind; auf die im Wienersandsteine viel weiter verbreiteten Kalke und Fleckenmergel mit Apt. Didayi, für deren klippenförmiges Auftreten weder Griesbach noch sonst jemand einen auch nur annähernd acceptablen Beweis erbracht hat, ist er nicht auszudehnen. Es kann überhaupt nicht oft genug betont werden, dass die aptychenführenden Gesteine des Tithon und die des Neocomien, deren Auftreten in der Sandsteinzone ein ganz verschiedenes ist, nicht beständig miteinander vermischt, gewissermassen als etwas untrennbar Zusammengehöriges betrachtet, und Schlüsse, die für die einen gelten, nicht auch auf die anderen übertragen werden sollten. Gewiss war es, wie Gries- bach bei dieser Gelegenheit ganz richtig bemerkt, ein Irrthum der älteren Anschauungsweise, dass man die Aptychenkalke und -Mergel mit den Fucoidenmergeln jüngerer Wienersandsteinetagen vermischte und zusammenzog, und auf diese Weise zur Construirung unnatür- licher, sogenannter „Aptychenzüge“ gelangte; ebenso fehlerhaft und schädlich ist es aber auch, wenn man nun Bildungen, die durch deut- liche, von ernsten und gewissenhaften Forschern bestimmte Neocom- fossilien charakterisirt sind, mit faciell ähnlichen Tithonbildungen zu- sammenwirft. In jedem einzelnen Specialfalle wird freilich Niemand vor der Möglichkeit einer localen Verwechslung sicher sein. Verlassen wir nun das Gütenthal und wenden uus westnord- westlich gegen Laab, so gelangen wir, etwa mit dem vorderen Kauf- berge, an die südwestliche Streichungsfortsetzung des Inoceramen- schichtenzuges, der aus der Gegend von Hütteldorf an den Kalten- brünndlberg und Hermannskogel im kaiserlichen Thiergarten zieht, und an den beiden letztgenannten Bergen noch sehr deutlich mit allen seinen unverkemntlichen Gesteinstypen aufgeschlossen ist. Am Kaufberge bei Laab sah ich jedoch von diesen typischen Gesteinen der Inoceramenschichten leider nichts. Die ausgewitterten Gesteins- stücke, die in der durchaus mit Wald und Wiesen gedeckten Gegend hie und da herumliegen, zeigten nur ganz indifferente Sandsteine, wie sie in allen Etagen der Wienersandsteine vorkommen. Nördlich bei Laab treffen wir auf eine ausgesprochene Alt- tertiärauflagerung. Etwa 800 Schritte vom westlichen Ende dieses Ortes gegen Norden ist am Waldrande ein Steinbruch angelegt. Gehen wir vom Orte gegen diesen Steinbruch hinauf, so finden wir bald neben dem Wege die mehrfach beschriebenen unverkenntlichen, [91] Der Wienerwald. 143 lichten, kieseligen, in parallel begrenzte Stücke zersplitternden Mergel anstehen, die -wir zuerst in Verbindung mit den Orbitoiden und Opereulinen führenden Alttertiärsandsteinen bei Weidlingbach kennen gelernt haben. In dem etwas höher gelegenen Steinbruche sind blaugraue Sandsteine mit zahlreichen dunkler gefärbten, thonigen Einschlüssen aufgeschlossen. Sie sind. unten in Bänken von circa 1 m Mächtigkeit, oben dünner geschichtet, und bilden im Steinbruche eine sehr deutliche Mulde, indem sie am Nordrande nach Süd, am Südrande nach Nord fallen. Diese Mulde liegt den obenerwähnten Mergeln auf, und können diese Sandsteine daher ebenfalls nicht älter als alttertiär sein, was übrigens auch schon durch das Vorkommen der Thongallen, das ich bisher stets nur jm Alttertiärsandsteine beob- achten konnte, wahrscheinlich gemacht wird. Mit dieser Deutung stimmt auch sehr gut Griesbach’s An- gabe eines Nummulitenfundes in der Gegend von Laab (Verh. der k. k. geol. R.-A. 1869, Nr. 13). (8. Fig. XVII.) Fig. XVII. Aarnber. SSL Saas SLerinbruch => 1. Kieselige splittrige Mergel. 2. Sandstein mit Thongallen. Diese Alttertiärauflagerung hat eine Breite von etwas über 1 Kilometer, und scheint sich, insoweit dies das sehr bedeckte Terrain zu erkennen gestattet, gegen West und Westsüdwest bis über Hinter-Wolfsgraben, gegen Ostnordost in den kaiserlichen Thier- garten in die Gegend zwischen Brandberg und Hornauskogel zu erstrecken. Von Laab weiter westnordwestwärts, längs der Strasse nach Vorder-Wolfsgraben, schneiden wir nach Verquerung der Alttertiär- mulde den Höhenzug Dreihufeisenberg, Laabersteig, Roppersberg, Brandberg. Dieser Zug repräsentirt die Streichungsfortsetzung des- jenigen Inoceramenschicehtenzuges, den wir bei Hütteldorf kennen gelernt und kurz als „Satzbergzug“ bezeichnet haben. Von den für die Inoceramenschichten charakteristischen echten Ruinenmergeln etc., die dort noch so typisch entwickelt waren, sehen wir nun hier allerdings nichts mehr. Die Gesteine sind hier blau- graue, lichter verwitternde Schiefer und mittelkörnige Sandsteine. Das Fallen ist in einem Steinbruche an der Strasse südöstlich. 144 C. M. Paul. [92] Unten in Vorder-Wolfsgraben erreichen wir die ofterwähnte Aufbruchszone der unteren Wienersandsteine (Kahlenbergerdorf— Rohrbach), die sich auch sogleich durch das Vorkommen rother Mergel, mit weissgeaderten Kalksandsteinen wechselnd (gegenüber von Kiessling’s Gasthaus), verrathen. Der fragliche Höhenzug zwischen Laab und Vorder-Wolfsgraben nimmt sonach eine intermediäre Stellung zwischen der Alttertiärmulde von Laab und den unteren Wienersandsteinen ein, ebenso wie wir die indifferenten Sandsteine des Kaufberges zwischen der erwähnten Alttertiärmulde und dem südlichen Randzuge der unteren Wienersand- steine liegen sahen. Wir sind daher wohl berechtigt, in diesen Zügen die mittlere, wahrscheinlich vorwiegend obercretacische, den Ino- ceramenschichten mindestens annähernd äquivalente Abtheilung der Wienersandsteine anzunehmen. Der beifolgende schematische Durch- schnitt vom Rande der Kalkzone bei Kalksburg nach Vorder-W olfs- Fig. XVII Vorder- Wolfsgraben Hompersherg . a FE ER Oi 1. Untere Wienersandsteine mit Aptychenkalk. 2. Mittlere Wienersandsteine. 3. Alttertiär. K. = Kalkzone. graben (Fig. XVIII) möge das Gesagte veranschaulichen. Das auf demselben dargestellte nordwestliche Einfallen der unteren Wiener- sandsteine des südlichen Randzuges, die muldenförmige Lagerung des Alttertiärs, und der südöstliche Schichtenfall nordwestlich von der Alttertiärmulde, sowie in der Aufbruchszone bei Vorder-Wolfs- graben beruhen auf thatsächlicher Beobachtung. Ungefähr gegenüber (etwas südwestlich) von der Einmündung der Laaber Strasse in die Wolfsgrabenstrasse mündet ein Fahrweg ein, der von Vorder-Wolfsgraben nach Pfalzau hinüberführt, ungefähr dem Streichen der Aufbruchszone der unteren Wienersandsteine folgt und stellenweise die Gesteine derselben bloslegt. Gleich links von der Einmündung dieses Weges befindet sich ein kleiner Stein- bruch ; in demselben ist kalkiger Sandstein über stark glitzernden, kalk- armen Sandstein mit steilem süd-südöstlichen Einfallen aufgeschlossen. Weiter hinauf am Wege sieht man einzelne Schichten des glitzernden und glasigen Sandsteins mit dünnen Lagen von lichtem Mergelkalk wechseln, und noch etwas höher hinauf findet man rechts vom Wege einige verlassene, schon ziemlich stark verwachsene Steinbrüche, in Be. [93]. Der Wienerwald. 145 denen diese Mergelkalke früher gebrochen wurden. Die im ersten dieser kleinen Brüche liegenden alten Haldenstücke bestehen theils aus dem Mergelkalk, theils aus dem dunklen, glasigen Sandstein, und zwar sieht man sogar einzelne Stücke, die beide Gesteinsarten enthalten. In einem Stücke des Kalkes beobachtete ich eine Horn- steinausscheidung, die eine rundliche Partie im Kalke bildet und ohne scharfe Grenze in diesen verfliesst. Im zweiten, höheren Bruche, der noch mehr verwachsen ist, prävaliren die Kalke; es sind un- verkenntlich die gewöhnlichen Neocom-Aptychenkalke. Wer noch irgend einen Zweifel über die Zusammengehörigkeit dieser Neocom- kalke mit den dunklen, glasigen Sandsteinen der unteren Wiener- sandsteine hegt, dem kann der Weg von Vorder-Wolfsgraben nach Pfalzau zur Aufklärung bestens empfohlen werden. Das nächste Querthal, das der Reichliesing zwischen Breiten- furth und Kalksburg, sowie das der Dürrliesing bei Kaltenleut- geben, bietet bezüglich der Wienersandsteine wenig instructive Auf- schlüsse. Zwischen diesen beiden Thälern sah ich (ungefähr westlich von Mathiasruhe bei Kaltenleutgeben, an einem Fusswege von Kaltenleutgeben zum Rothen Stadel) am unmittelbaren Rande der Kalkzone zunächst eine Lage von sandigem Fleckenmergel mit sehr scharf ausgeprägten Flecken, dann den glitzernden Sandstein, der eine Einlagerung von lichten, blätterigen Mergelschiefern enthält. Das Fallen ist südöstlich, also gegen die Grenze der Kalkzone ge- richtet. Bei Kaltenleutgeben fehlt dieser Fleckenmergel; an der Grenze der Kalkzone liegen hier, ebenfalls mit widersinnigem süd- östlichen Einfallen, dunkelbraune Sandsteine mit Caleitadern. 8. Sulz —Hochrotherd— Klausen— Leopoldsdorf. Die Grenze zwischen der Kalkzone und Wienersandsteinzone zieht sich nun von Kalksburg und Kaltenleutgeben weiter südwest- lieh nach Sulz, und dann nördlich an Alland und Altenmarkt vor- über nach Kaumberg, Hainfeld ete. Es ist bemerkenswerth, dass zwar im Allgemeinen die der Kalk- zone zunächst sich anschliessenden Gebilde der Sandsteinzone durchaus derjenigen Gruppe des Oomplexes angehören, die wir bisher — wohl nicht ohne hinlängliche Motivirung —- als „untere Wienersandsteine“ bezeichnet haben; dass aber im Detail das den unmittelbaren Rand bildende Gestein, sowie dessen Lagerung sehr häufig wechselt. So sahen wir bei Kalksburg als erstes Wienersandsteinglied Sand- steine mit nordwestlichem Fallen, zwischen den Thälern der Reich- liesing und Dürrliesing Fleckenmergel mit südöstlichem Fallen, bei Kaltenleutgeben Sandstein mit südöstlichem Fallen und bei Sulz finden wir nun wieder die kalkige Facies mächtig entwickelt. Zu- nächst (südlich bei Sulz) stehen zu beiden Seiten des Mödlingbaches dunkelgraue Neocom-Kalkmergel mit vielen weissen Oaleitadern an; sie enthalten undeutliche und unbestimmbare Spuren von Ammoniten Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 1. lleft. (C. M. Paul.) 19 146 C. M. Paul. [94] und Aptychen, sind an der östlichen Seite des Thales (bei der Ver- engung desselben) in einem Steinbruche aufgeschlossen und fallen nach NNW, also von der Kalkzone ab. Ueber ihnen folgt dunkler, weissgeaderter Sandstein, dann ein Wechsel von sehr hartem Sand- stein mit kieseligem Fleckenmergel, dann (nördlich vom Sanatorium) sröberer Sandstein. Soweit sind dies durchaus Gesteine, wie wir sie sonst im Complexe der unteren Wienersandsteine wiederholt ge- sehen haben. Bei Stangau folgen, ziemlich mächtig entwickelt, eigenthüm- liche graue und bräunliche, splitterige oder grossblätterige Schiefer und dünnspaltbare Sandsteinschiefer, wechselnd mit verschieden- artigen, vorwiegend aber sehr feinkörnigen, harten, splitterigen, thonigen, dunkelgrauen Sandsteinbänken, für deren nähere Horizon- tirung ich gar keine Anhaltspunkte besitze; da sie ungefähr im Streichen des oben erwähnten Kaufbergzuges liegen, den ich mit einiger Wahrscheinlichkeit in die mittlere Gruppe der Wienersand- steine versetzen zu müssen glaubte, so habe ich sie provisorisch eben- dahin gestellt. Höher hinauf gegen Hochrotherd schneiden wir (nördlich vom Parzerhof und am Wöglerinberge) einen Zug grober, mürberer, punktirter Sandsteine, der wahrscheinlich eine ähnliche Alttertiär- auflagerung repräsentiren dürfte, wie wir eine solche bei Laab con- statiren konnten. So charakteristische Merkmale wie dort finden wir allerdings hier nicht. Dieser Zug setzt nordöstlich gegen Breitenfurth, südwestlich über das Gruberauthal bis gegen den Vorderen Bruneck- berg und Rossgipfel fort und besitzt eine ähnliche Breite und Streichungserstreckung wie der Laaber Alttertiärzug. Im Gruberau- thale, zwischen Gross-Hönigsgraben und Gruberau, sieht man, wie die groben, mürben, punktirten Sandsteine im Norden wie im Süden von thonig-splitterigen Schiefern mit ebensolchen dunkelgrauen, fein- körnigen Sandsteinen, die ganz den Stangauer Gesteinen entsprechen, synklinal unterteuft werden, ein Lagerungsverhältniss, das die ange- nommene Deutung beider Bildungen unterstützt. Die Sulz-Hochrotherder Strasse weiter verfolgend, finden wir bis Hochrotherd nichts mehr deutlich entblösst. Der dem allge- meinen Gebirgsstreichen nach von ONO nach WSW gestreckte Höhen- rücken, auf welchem der letztgenannte Ort liegt und der ein Stück der Wasserscheide zwischen den Flüssen Wien und Schwechat bildet, stellt ohne Zweifel einen kleinen Aufbruch unterer Wienersandsteine dar. Die Gesteine, die, etwas westlich von der Einmündung der Sulzer- strasse, bei der Strassenkrümmung mit süd-südöstlichem Einfallen anstehen, entsprechen ganz den altbekannten Kalksandsteinen und geaderten Sandsteinschiefern dieser Abtheilung; rothgefärbte Terrain- stellen, die, wie schon der Name des Ortes anzeigt, in der Nähe desselben vorkommen, deuten auf die Anwesenheit der rothen Mersgel und ein Hornsteinstück, das am Nordgehänge der Hochrotherder Höhe gegen Hinter-Wolfsgraben gefunden wurde, macht auch das Vorkommen der gewöhnlich Hornstein führenden Neocom-Mergelkalke wahrschein- lich. Beim westlichen Ende des Ortes, bei Schöny’s Gasthaus, wo sich die Strasse mit scharfer Krümmung nach Süden in das Gruberau- dla a I u UL u A u ii da AU > _ [95] Der Wienerwald. 147 thal hinabwendet, sieht man zu beiden Seiten wieder die feinkörnigen, dunkelgrauen, thonig-splitterigen Sandsteine und Schiefer (wie bei Stangau) mit süd-südöstlichem Fallen, welche die der unteren Abthei- lung zugezählten Gesteine überlagern. Der Aufbruch von Hochrotherd fällt nicht in’s Streichen der srossen Aufbruchslinie Kahlenbergerdorf—Rohrbach. Diese zieht erst etwa 3 Kilometer weiter nordwestlich (senkrecht auf das Streichen gemessen) vorüber. Die zwischen den beiden Aufbruchslinien gelegene Gesteinszone, die ich am Wege über den Lichteicheberg und Hengstl- berg schnitt, ergab keine instructiven Gesteinsaufschlüsse. Die Kahlen- bergerdorf—-Rohrbacher Hauptaufbruchslinie erreichte ich in der Nähe der Aggsbachklause. Etwas nördlich von dieser Klause, südlich vom Jägerhause Unter-Kniewald, ist in einem kleinen Steinbruche sehr schöner, weisslicher Neocom-Fleckenmergel mit nördlichem Ein- fallen aufgeschlossen. Wenige Schritte südlich davon an der Strasse steht kalkiger, mit Caleitadern durchzogener Sandstein mit kleinen, feinen Hieroglyphenreliefs an. Im Steinbruche selbst sieht man von einem Uebergang des Fleckenmergels in Sandstein oder von einer Wechsellagerung mit solchem nichts; es könnte sonach hier die An- nahme eines klippenförmigen Auftretens der Fleckenmergel plausibel erscheinen, wenn nicht so viele andere Punkte im Wienerwalde, die wir theils schon erwähnt haben, theils noch besprechen werden, diese Anschauungsweise ausschliessen würden. Die sehr charakteristische Gesteinsbeschaffenheit dieser Flecken- mergel lässt dieselben als vollkommen identisch erscheinen’ mit den- jenigen, die anderwärts mit den Aptychenkaiken in Verbindung stehen; was Stur veranlasste, diesen Punkt als eine kleine Insel von Inoce- ramenschichten auf seiner Karte auszuscheiden, ist mir nicht bekannt. Nördlich vom Jägerhause Unter-Kniewald schliessen sich dann die schon im Abschnitte 6b erwähnten Züge, nämlich der Inoceramen- schiehtenzug Bartberg—Hollererberg, der Alttertiärzug Kaiserbrunn- bere—Hochstrass, der Greifensteinerzug und der Wolfpassingerzug an, über die bereits das Nöthigste mitgetheilt wurde. Wir wollen daher den Durchschnitt von hier nicht weiter fortsetzen, sondern von der Aggsbachklause, das Thal des Aggsbaches abwärts, über Klausen — Leopoldsdorf an den Rand der Kalkzone zurückkehren. Man sollte glauben, dass wir hier eine ziemlich genaue Wieder- holung des Durchschnittes von Sulz und Hochrotherd sehen würden; dies ist aber im Ganzen nicht der Fall. Von der Aggsbachklause abwärts finden wir zunächst links einen kleinen Steinbruch im dunkelgrauen, harten, thonig-splitterigen Sand- stein, der hier zuweilen in thoneisensteinartige Lagen übergeht. Es ist dies das Gestein, welches wir mit den Stangauer Schiefern wechseln und am westlichen Ende von Hochrotherd die Gebilde der unteren Wienersandsteingruppe überlagern sahen. Sein Auftreten hier am Südrande der grossen Aufbruchszone stimmt also ganz mit der Position, die es sonst in der Reihe der Wienersandsteine einnimmt. Etwas thalabwärts, in der Nähe der Einmündung des Ranzen- baches, sieht man kalkige und plattige Schiefer mit sehr wechselndem Schichtenfall anstehen; etwas abwärts von der Ranzenbrücke stehen 19* 148 C. M. Pan. [96] sie im Bache ziemlich senkrecht und streichen zuerst O—W, dann NO—SW. Sie gleichen noch mehr als die thonig-splitterigen und thoneisensteinartigen Gesteine manchen Lagen der Inoceramenschichten, und es scheint mir kaum zweifelhaft, dass wir hier eine Zone der mittleren, vorwiegend obercretacischen Abtheilung der Wienersand- steine geschnitten haben. Soweit würde das mit dem vorigen Durchschnitte stimmen. Es sollte nun nach Analogie mit diesem letzteren im Aggsbachthale ab- wärts die Fortsetzung der Aufbruchszone von Hochrotherd kommen. Von dieser sah ich jedoch hier keine Spur, im Gegentheile folgen nun gegen Klausen—Leopoldsdorf zu Gesteine, deren Lagerung eine ziemlich ausgesprochen synklinale ist, die also keinen Aufbruch älterer, sondern eine Auflagerung jüngerer Schichten darstellen. Es sind dies dünngeschichtete Lagen, die aus einem raschen Wechsel weicherer, blätteriger Mergelschiefer mit Bänken von meist. srobem Sandstein bestehen. Man sieht diese Schichten an der rechten Seite des Aggsbachthales oberhalb und unterhalb der Einmündung des Lengbachthales, sowie in diesem Seitenthale selbst an der Strasse nach Hochstrass südlich fallen. Gegenüber der Einmündung des kleinen Krottenbachthales aber sind sie (an der linken Seite des Aggsbach- thales) in mehreren Entblössungen mit deutlichem, ziemlich flachem Fallen nach N und NNW aufgeschlossen. Ihre muldenförmige (syn- klinale) Lagerung ist vollkommen deutlich. Ich glaube, diese Schichten ihrer Gesteinsbeschaffenheit, sowie ihrer Lagerung wegen mit grosser Walırscheinlichkeit als eine ähnliche Alttertiärauflagerung deuten zu sollen, wie diejenige, die wir zwischen Stangau und Hochrotherd, bei Laab ete. kennen lernten. Sie erreichen hier im Aggsbachthale eine ziemliche Breite (senkrecht auf das Streichen über 2 Kilometer), setzen gegen SW in ähnlicher Breite über das Schwechatthal und ziehen dann, sich verschmälernd, durch das Riesenbachthal nach St. Corona und noch weiter bis in die Gegend von Hainfeld im Gölsenthale fort, repräsentiren somit wohl die ausgedehnteste Alt- tertiärscholle im Süden der Aufbruchslinie Kahlenbergerdorf— Rohrbach: Bei Klausen—Leopoldsdorf folgt im Liegenden dieser Schichten ein Streifen ganz anderer Sandsteine. Dieselben sind hart, stark glitzernd, wechseln mit dunklen Schiefern, enthalten sowohl im Sandstein als im Schiefer Chondriten und zeigen im Allgemeinen vielmehr den Typus der cretaeischen, als den der alttertiären Wiener- sandsteine. Sie sind gleich nördlich von Klausen—Leopoldsdorf an der zur Heimbachklause führenden Strasse in einem Steinbruche auf- eeschlossen, und fallen hier, wie die den südlichen Flügel der Syn- klinale darstellenden Bildungen nach Nord, also concordant unter diese letzteren. Die Gesteine dieser Zone sehen wir auch noch beim Zusammen- flusse des Aggsbaches mit der Schwechat, aber etwas weiter abwärts im Schwechatthale, bei der „Hauptklause“, tritt schon wieder ein Sandstein auf, der grob, bunt punktirt und durchaus dem Orbitoiden- sandsteine des Alttertiärs gleich ist. Er enthält auch, wie dieser, Fora- miniferen, die aber keine nähere Bestimmung zuliessen. Dieser Punkt liegt genau in der Streichungslinie der Alttertiärauflagerung, die wir [97] Der Wienerwald. | 149 im vorigen Durchschnitte zwischen Hochrotherd und Stangau, sowie im ‚Gruberauthale kennen gelernt haben. Weiter abwärts ist bis an den Rand der Kalkzone bei Alland im Schwechatthale nichts mehr aufgeschlossen. Etwas besser sieht man die Grenze zwischen Kalk- und Flyschzone im nächsten Thale, dem Pöllathale, aufgeschlossen. Man erreicht dieselbe, das Pöllathal von Alland an aufwärts verfolgend, etwa am halben Wege zur Glas- hütte. Zunächst an die Kalkzone stösst hier eine schmale Zone von weichen Schiefern an, dann folgt fester, kalkig - glimmeriger Sand- stein mit wenigen Caleitadern, dann stark glitzernder Sandstein mit einzelnen Schieferlagen, dem von Klausen—Leopoldsdorf ähnlich, nur — soviel ich beobachten konnte -— ohne Fucoiden. Alles fällt gegen SSO, widersinnig gegen die Kalkzone ein. Von den bei Sulz so mächtig entwickelten Aptychenkalken und Fleckenmergeln ist hier nichts mehr zu sehen. 9. Die Randzone bei Kaumberg und der Bergstock des Schöpfel. Vom Pöllathale zieht sich nun die südliche Grenze des Wiener- sandsteingebietes gegen die Kalkzone zwischen Altenmarkt und Klein- Mariazell durch nach Kaumberg, und von hier ziemlich genau westlich nach Gerichtsberg, an die Scheide zwischen den Wassergebieten der Triesting und Traisen. An der Strasse von Altenmarkt im Klosterthale nach Klein-Mariazell erreicht man bei der Braun’schen Sägemühle, etwas unterhalb der Einmündung des Coronabaches, die Wienersandsteine. Sie sind an der östlichen Thalseite gut aufgeschlossen und beginnen mit sehr feinen, in dünne Scheiben spaltbaren, ebenflächigen (nicht kleinblättrigen oder splittrigen), sandig-thonigen Schiefern, .die meist braun gefärbt, und — mit Ausnahme der Farbe — einigen Varie- täten der bekannten rothen Mergelschiefer der unteren Wienersand- steine einigermassen ähnlich sind. Sie enthalten seltene Fucoiden- spuren und eigenthümliche wurmförmige, flache Reliefzeichnungen, die an Helminthoiden erinnern. ohne aber die Regelmässigkeit dieser Formen (von denen wir auf Fig. I, pag. 80. ein Beispiel gaben) zu besitzen. Mit diesen Schiefern wechseln harte, innen blaugraue, aussen braune Kalksandsteine, die ebenfalls schieferige Struetur besitzen und sehr glimmerreich, zuweilen schalig und mit seltenen Caleitadern durch- zogen sind. Das Fallen ist, genau so wie das der zunächst angrenzenden älteren Gebilde der Kalkzone, nach SSO, also widersinnig gegen diese letzteren gerichtet. Diese Gesteine stimmen eigentlich mit keinem der bekannten typischen Gesteine einer unserer drei Hauptabtheilungen der Wiener- sandsteine vollkommen überein, sondern gleichen in den stark glim- merigen Sandsteinen mehr den Inoceramenschichten, in der Schiefer- facies mehr den unteren Wienersandsteinen. Ich entschied mich 150 GC. M: Paul. [98] wegen ihrer räumlichen Position inmitten typischer entwickelter unterer Wienersandsteine für ihre Zuziehung zu diesen letzteren. Folgen wir, nordwestlich aufwärts schreitend, dem Thale des Coronabaches, so finden wir an den Gehängen desselben (in der Nähe von Mühlbrunn) bald bekanntere Gesteinstypen, nämlich die im unteren Wienersandstein — namentlich in den höheren Niveaus des- selben — so weitverbreiteten rothen und blauen Mergel und Schiefer mit ihren nie fehlenden Bänken von weissgeaderten Kalksandsteinen. Auch glimmerige Sandsteinlagen treten hier darin auf. Die Schichten derselben sind vielfach gewunden, ihre herrschende Fallrichtung daher in diesem Thale nicht deutlich; doch sieht man im nächstwestlichen Querthale (dem Triestingthale), wo sie ebenfalls vielfach aufgeschlossen sind, dass ihre Fallrichtung nur in ihrer südlichsten Partie (bei der Eisenbahnstation Kaumberg) eine südliche, weiter gegen Norden aber durchaus eine nord-nordwestliche ist. Im Coronathale beim Bauernhause Gober, im Triestingthale bei den Bauerhäusern Koglbauer und Hofstetter beginnt mit etwas höher ansteigendem Gebirge eine Zone anderer Sandsteine. Es sind blau- graue, sehr feste Sandsteine mit wenigen Caleitadern, meist fein- oder mittelkörnig, in einigen Bänken jedoch auch grobkörnig. Bei Veitsch (St. Corona SO) sind denselben einige wenige Lagen grauer Schiefer untergeordnet. Diese Sandsteine sieht man zwischen Veitsch und St. Corona an vielen Stellen zu beiden Seiten des Thales, sowie im Bachbette selbst sehr deutlich und constant nach NNW einfallen, und zwar zuerst steiler, dann thalaufwärts flacher. Im Triestingthale ist diese Lagerung nicht so constant und deutlich, dagegen findet man hier (unterhalb Wienhof, oberhalb der Thaltheilung) in denselben graubraune Mergel eingelagert, welche die helminthoidenähnlichen Zeichnungen — ähnlich wie im Klosterthale — daneben aber ziemlich zahlreiche, scharf ausgeprägte Chondriten (vom Typus des Chondr. Vindobonensis Ettingsh.) enthalten. Die Lagerung der Gesteine dieses Höhenzuges im Hangenden der rothen Mergel, sowie ihre von letzteren sich scharf abhebende petrographische Beschaffenheit lassen in den- selben wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit die Vertretung der mitt- leren (obereretacischen) Abtheilung der Wienersandsteine vermuthen. Dieser Auffassung entsprechen auch die Lagerungsverhältnisse bei St. Corona. Hier schneiden wir die stark verschmälerte Fort- setzung der Alttertiärmulde, die wir im Aggsbach- und Schwechat- thale, nördlich von Klausen—Leopoldsdorf, kennen gelernt haben. Wir finden hier in St. Corona dieselben weichen, blättrigen Schiefer, und sehen dieselben südlich von diesem Orte von den harten, kalkigen Sandsteinen mit nord-nordwestlichem Fallen, nördlich vom Orte von ähnlichen Sandsteinen mit süd-südöstlichem Fallen unterlagert. Die synklinale Schiehtenstellung, die Position der blättrigen Mergel als höchstes Glied der Mulde, ist hier wie dort deutlich genug, und die festen Sandsteine erscheinen sonach zwischen den rothen Mergeln der unteren Abtheilung und dem Alttertiär gelagert. Wir haben also nun — vom Rande der Kalkzone aus — ge- schnitten: zuerst die Schiefer des Klosterthales, dann die rothen Mergel mit Kalksandsteinen, dann die harten Sandsteine mit wenigen [99] Der Wienerwald. 151 Spathadern und Chondritenmergeln, zuletzt bei St. Corona die alt- tertiären weichen, blättrigen Schiefer. h Von St. Corona nördlich aufwärts gegen den Schöpfel finden wir zunächst (am Ostgehänge des Miesenberges) die der mittleren Abtheilung zugezählten Sandsteine meistens grobkörnig (wie bei Veitsch), vielfach auch in auffallender Weise durch Ueberzüge kleiner Quarzkryställchen glitzernd (wie bei Klausen—Leopoldsdorf). Sie fallen südöstlich. Höher hinauf sah ich am Südgehänge des Schöpfel leider keine deutlichen Entblössungen mehr; erst auf der Höhe des genannten Berges (der mit 895 m die bedeutendste Erhebung des Wienerwaldes darstellt) fand ich mit süd-südöstlichem Einfallen grobe, ungleich- körnige, bunt punktirte, von den bisher in diesem Durchschnitte ge- sehenen ziemlich abweichende Sandsteine, die ich — allerdings ohne irgend einen positiven Beweis — für eine ähnliche Alttertiärauflagerung halte, wie wir deren in diesem Gebietstheile schon mehrere con- statiren konnten. Instruetiver ist der Nordabhang des Schöpfel, an welchem die oftberührte grosse Aufbruchszone (Kahlenbergerdorf—Rohrbach) vor- überzieht. C2jZek gibt (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1852, III. Heft) ein Bild der Schichtenfolge, die „in den Bächen, die am nördlichen Ab- hange des Schöpfelberges herabfliessen,* zu sehen ist. Die positiven Beobachtungen, die C2jZek angibt, bestätigen sich, wie ich hier anerkennend constatiren muss, in den meisten Fällen, wenn auch die Deutungen und Bestimmungen des Genannten gegenwärtig vielfach überholt sind. So stimmt auch die hier von ÜZjZek eingezeichnete Reihenfolge in allen wesentlichen Punkten mit meinen eigenen Be- obachtungen, und ich will daher umstehend seine Skizze — unter Bei- fügung einiger erläuternder Bemerkungen — reprodueiren (s. Fig. XIX). Der dort (im südlichen Theile des Durchschnittes) als oberstes Glied eingezeichnete feinkörnige Sandstein (a) repräsentirt meiner Ansicht nach die mittlere ‚(obereretacische) Abtheilung; über ihm liegt erst (südlich ausserhalb des Durchschnitts) der grobe Sandstein der Schöpfelspitze. Ob die quarzigen Sandsteine (b und c) noch der mittleren, oder, wie ich eher glauben möchte, schon der unteren Ab- theilung zuzuzählen sind, ist unbestimmt. Die darunter folgenden Lagen von hydraulischem Kalk (Aptychenkalk), kalkigem Mergel und rothen, grünen und schwarzen Mergelschiefern (d—i) repräsentiren den Aufbruch der gewöhnlichen Gesteine der unteren Wienersandstein- Abtheilung, und ebendahin möchte ich auch noch die darunterliegenden Sandsteine (« an der Nordseite des Durchschnitts) rechnen, obwohl hier möglicherweise — bei Annahme einer nach Norden überkippten Aufbruchsfalte — auch schon wieder die mittlere Abtheilung vertreten sein könnte. Die hellen hydraulischen Kalke (Aptychenkalke) sind nun von hier gegen Osten und Westen im Streichen der Aufbruchszone zu verfolgen. Gegen Osten bilden sie nördlich von der Gredl-Klause einen schmalen, aber über 1 Kilometer langen Zug mit südlichem Einfallen. 152 C. M. Paul. [100] (regen Westen vereinigen sie sich bei den Bauernhäusern Raben- hof und Etscherhof (letzterer gegenwärtig verfallen und kaum mehr auffindbar) zu einem über 2 Kilometer langen, zusammenhängenden Zuge, der bis in die Nähe des Labenthales, südlich von Wöllers- dorf reicht und dessen Schichten im östlichen Theile nach SSO, im westlichen nach SO fallen. Stur zeichnete diese Partie als „tithonischer Aptychenkalk“ ein. Da wir uns hier in einer Aufbruchsregion befinden, so kann die Möglichkeit, dass im Kerne derselben Tithon hervortrete, allerdings Fig. XIX. W R N > N 2 = N —— ann, 7 0 Z, LU Z I => NN, DE, SIIN SI «a. Wienersandstein, feinkörnig. b. Quarziger Sandstein, feinkörnig. c, Quarziger Sandstein, grobkörnig. d. Hydraulischer Kalk. e. Kalkiger Mergel. f. Sandstein. 9. Rothe Mergelschiefer. h. Grüne Mergelschiefer. i. Schwarze Mergelschiefer. nicht geleugnet werden, und dies umsoweniger, als weiter im Westen (bei Stollberg), wie wir sehen werden, thatsächlich tithonische Ap- tychenkalke in derselben Aufbruchszone vorkommen. Was ich jedoch hier bei Wöllersdorf sah, unterscheidet sich in nichts von den gewöhn- lichen Aptychengesteinen des Neocomien, wie sie anderwärts durch Apt. Didayi Cocgq. charakterisirt zu sein pflegen. Ueberall sah ich die Kalke gefleckt, in Fleckenmergel mit Fucoiden von echtestem Flyscheharakter übergehen, was ich bei wirklichen Tithongesteinen nie beobachtet habe. Auch stehen diese sefleckten Kalke, namentlich am Wege südlich vom verfallenen Etscherhofe, wo Stur sein Tithon einzeichnet, in engster Verbindung mit blaugrauen, weissgeaderten Kalksandsteinen und mit dunklem, glasglänzendem Quarzsandstein, [101] Der Wienerwald. 153 sehr charakteristischen und wohlbekannten Typen der unteren Wiener- sandsteine. Will man also nicht auch- diese letzteren als Tithon auf- fassen — eine Öonsequenz, für welche doch sehr positive palaeonto- logische Nachweise erforderlich wären — so müssen wir die Kalke bei Wöllersdorf, wenigstens ihrer Hauptmasse nach, wohl unbedingt ebenfalls dem Neocomien zuzählen. Noch einmal verquerte ich diese Schichten (etwa 1000 Schritte südwestlich von der Ruine des Etscherhofes) an dem Fusswege, der von Wöllersdorf südwestwärts am östlichen Ufer des Labenbaches hinführt. Bevor dieser Weg, auf das gegenüberliegende Ufer über- tretend, sich mit der Fahrstrasse vereinigt, sieht man quer über den- selben zwei Lagen des hellen, gefleckten Kalkes in nordöstlicher Richtung durchstreichen. Diese Lagen sind 2—-3 m mächtig und zwischen ihnen liegt, etwa 20—30 ım mächtig, harter, glimmerreicher Sandstein. Im Bachbette sieht man das Einfallen nach SO. Fig. XX. Hirche von Kaumberg l. Blaugrauer, weissgeaderter Kalksandstein. 2. Graue Schiefer mit glimmerreichem, schaligen Sandstein, K. = Kalkzone. Wir kehren nun an die Südgrenze der Flyschzone zurück, die wir oben bis in die Gegend von Altenmarkt verfolgt hatten. Unterhalb der Kirche von Kaumberg, welche südlich von der Hauptstrasse des Ortes auf der Spitze eines Hügels liegt, sieht man graue Schiefer mit Lagen von glimmerreichem, schaligen Sandstein ; offenbar dieselben Schichten, wie sie an der Flyschgrenze im Kloster- thale zwischen Altenmarkt und Klein-Mariazell aufgeschlossen sind. Sie fallen steil südlich, so dass man hier wieder eine widersinnige Neigung gegen die mehr südlich sich erhebende Kalkzone vor sich zu haben glaubt. Bei näherer Untersuchung stellt sich jedoch heraus, dass dieses Verhältniss hier nicht statthat. An dem Fusswege der südlich von dem die Kirche tragenden Hügel, ziemlich genau an der Grenze zwischen Flyschzone und Kalkzone gegen West hinanführt, sieht man nämlich die Schichten nördlich fallen, und zwar sind es zu unterst blaugraue, weissgeaderte Kalksandsteine, nördlich darüber dieselben Gesteine wie unter der Kirche. Die Flyschgesteine fallen also hier unmittelbar an der Kalkerenze normal von derselben ab und richten sich dann erst zu steilem Südfallen auf (s. Fig. XX). Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898. 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 20 154 C. M. Paul. [102] Westlich vom. Orte Kaumberg, südlich vom Thale des Kaum- berger Baches, bleibt nun südliches Fallen, stellenweise mit Ab- weichungen gegen SO und SW herrschend. An der Nordseite dieses Thales aber, längs der Eisenbahnlinie von Kaumberg bis Gerichts- berg zu beobachten, fallen die Schichten wieder durchaus nördlich. Es treten hier zu den grauen Schiefern auch vielfach rothe Mergel- schiefer hinzu, überall in dem bekannten Wechsel mit plattigen Kalk- sandsteinbänken. Es ist dies derselbe Gesteinszug, den ich oben schon aus dem Traisenthale (ebenfalls mit vorwiegend nördlicher Fallrichtung) er- wähnt habe. Von hier liegen aus den Aufsammlungen Stur’s (mit der Fund- ortsbezeichnung: „Längs der Bahntrace von Kaumberg nach Tunnel Fig. XXI. Gerichtsberg“) Stücke von dünnen harten Kalksandsteinplatten vor, die manchen Lagen der schlesischen Neocombildungen ziemlich ähn- lich sehen und sehr eigenthümliche Hieroglyphenreliefs enthalten. Es sind dies neben den gewöhnlichen Warzen und kleinen, eylindriten- ähnlichen Stengelchen ganz geradlinige, nahezu parallele, scharf aus- geprägte Leisten, die etwa an die Rippen eines grossen Pecten oder Ammoniten erinnern könnten, ohne dass ich jedoch eine derartige Deutung derselben wagen möchte. Auf einem zweiten Stücke er- scheint dieselbe Zeichnung in viel kleinerer Dimension. Da diese Hieroglyphenform mir bisher sonst nirgends in unserem Flyschgebiete bekannt geworden ist, so glaube ich eine Abbildung des grösseren Stückes (in natürlicher Grösse) hier beifügen zu sollen (s. Fig. XXJ). Auch am westlichen Eingange in den Tunnel von Gerichtsberg, mit welchem die Leobersdorf— St. Pöltner Bahnlinie aus dem Wasser- gebiete der Triesting in das der Gölsen (resp. Traisen) übertritt, sind auf den, seinerzeit beim Tunnelbau ausgeworfenen Halden die- [103] Der Wienerwald. 155 selben grauen und rothen Mergelschiefer mit ihren caleitreichen, Hieroglyphen führenden Kalksandsteinbänken zu sehen. Nördlich im Hangenden dieser Gesteine folgt (mit der Bramer- höhe) der Zug gröberer, compacterer Sandsteine, den wir schon im St. Coronathale beim Bauernhause Gober, im Triestingthale bei den Bauernhäusern Kogelbauer und Hofstetter auf dieselben folgen sahen und der mittleren Abtheilung der Wienersandsteine zutheilten. Die- selben fallen am Südgehänge der Bramerhöhe deutlich und normal nach N und NNW. 10. Das Gölsenthal. Die Quellbäche des Gölsenflusses entspringen westlich von der Wasserscheide am Gerichtsberg, und das Thal zieht von hier gegen West als Längenthal ungefähr an der Grenze zwischen dem südlichen Randzuge der unteren Wienersandsteine und dem sich nördlich an diese anschliessenden Zuge der mittleren Wienersandsteine bis in die Gegend westlich von Hainfeld. Mehrfach treten auf dieser Er- streckung von Norden her Partien der mittleren Sandsteine auf die südliche, sowie solche der unteren Wienersandsteine auf die nörd- liche Thalseite über. Gehen wir von der Wasserscheide am Gerichtsberg westlich thalabwärts längs der Strasse nach Hainfeld, so treffen wir zunächst in einem Steinbruche die westliche Fortsetzung der Sandsteine der Bramerhöhe aufgeschlossen. Sie stehen mit sandigen Schiefern und weicheren Chondriten führenden Mergeln in Verbindung, und fallen, wie beinahe überall in diesem Zuge, nach Nord, also ins Hangende der beim Tunnel anstehenden Schichten. Westlich von der Einmün- dung des Gerschbaches tritt aber wieder eine kleine Zunge der unteren Wienersandsteine von Süden her nördlich über das Thal, die Strasse und die Bahnlinie. In der Nähe des Edelhofes (östlich von Hainfeld, südlich vom Gstötter und Strassenschuster) kann man, zwar nicht steinbruch- mässig, aber vielfach an den Wegen aufgeschlossen und ausgewittert, die ganze wohlbekannte Gesteinsvergesellschaftung der unteren Wienersandsteine beobachten. Man findet echte Fleckenmergel, Horn- stein, den schwarzen, glasigen Sandstein, bräunlichen, harten, stark slitzernden Sandstein, weissgeaderten Sandstein, blaugrauen schaligen Sandstein ete. Dieselben Gesteine findet man auch etwas weiter westlich, rechts von der Einmündung des Ramsauthales in das Gölsenthal, SSO vom östlichen Ende von Hainfeld, sowie südlich vom genannten Orte, an den Wegen hinter der Kirehe, woselbst auch noch blättrige Schiefer hinzutreten, die von hieı westwärts ziemlich häufig in diesem Niveau sich einstellen, jedoch auch schon weiter im Osten (zwischen Kaltenleutgeben und Rothen Stadel) erwähnt werden konnten. Nördlich von Hainfeld, im Parke und am Südfusse des Voll- berges, reichen die unteren Wienersandsteine auf das rechte Thal- 20* 156 C. M. Paul. [104] ufer hinüber. Im Parke zeigen sich meist die dunklen, mit gerad- linigen weissen Oaleitadern durchzogenen Kalksandsteine. Ich fand hier ein Exemplar eines Spirophyton (Tuonurus, Zoophyceus) darin, welches sich übrigens von den allenthalben in allen Niveaus der Wiener- und Karpathensandsteine, namentlich in den alttertiären Gliedern, verbreiteten Spirophyton-Resten in nichts unterscheiden liess, Am Waldrande nordwestlich vom Hainfelder Bahnhofe sind die be- kannten blaugrauen oder röthlichen Mergelschiefer mit ihren Lagen von schaligen, caleitreichen Hieroglyphensandsteinen, ganz wie beim Tunnel Gerichtsberg, beim Bahnhofe Kaumberg etc. entblösst. Ueberlagert werden diese der unteren Abtheilung zugezählten Gesteine hier im Parke und am Südwestgehänge des Vollberges von sanz abweichenden, sehr glimmerreichen Sandsteinen, die ganz manchen Sandsteinlagen der Inoceramenschichten gleichen. Ich fand darin — was sonst in compacteren, nicht schiefrigen Sandsteinen selten vorzukommen pflegt — einen Chondriten, etwa an Chondr. Vindobonensis var. cupressiformis Ettingsh. erinnernd. Gehen wir nun, ‘um eine instructive Schichtenverquerung zu sewinnen, etwas gegen Osten zurück und verfolgen die Hainfeld- Laabener Strasse vom Gölsenthale nordwärts. An der Stelle, wo diese Strasse, vom Gölsenthal abzweigend, die Eisenbahnlinie schneidet, befinden wir uns noch in der Zone der letzterwähnten, stark glimmerigen Sandsteine, die wir der mittleren Abtheilung zurechneten. Sie sind hier auch, wie anderwärts im Be- reiche der Inoceramenschichten, mit geaderten Kalksandsteinen, die sich von den neocomen gewöhnlich durch mindere Geradlinigkeit der Adern unterscheiden, sowie mit schaligen Hieroglyphensandsteinen in Verbindung. ; Die Zone dieser Gesteine ist an dieser Thalseite sehr schmal, denn schon bei der ersten Strassenkrümmung nach der Bahnüber- setzung (westlich von den Bauernhäusern Wopf) kommen wir an einen Zug von groben, löcherigen (luckigen), ungleichkörnigen bis breccien- artigen Sandsteinen, die vollkommen den Typus der alttertiären Wienersandsteine an sich tragen. In. der That befinden wir uns hier in der genauen Streichungsfortsetzung der langgestreckten Alttertiär- synklinale, die wir nördlich von Klausen — Leopoldsdorf und bei St. Corona bereits kennen gelernt haben. Der Zug ist hier bereits sehr schmal (etwa 0'3 Kilometer) und scheint auch westlich von der Strasse bald sein Ende zu erreichen. Nach Verquerung dieses Zuges kommen wir an splitterige, kie- selige Sandsteine, dann (bei der Strassenkrümmung nach rechts) an südöstlich fallende, blättrige, röthlich - graue ‚Schiefer mit einzelnen Kalksandsteinlagen, dann bis in die Gegend der Bernaumühle an in dünne Scheiben spaltbare, glimmerige Sandsteinschiefer. Diese schie- ferigen Gesteine haben wieder den Typus der cretacischen Glieder des Wienersandstein-Complexes. Bei der Bernaumühle wollen wir die Strasse verlassen, da diese, von hier sich östlich drehend, keine Schichtenverquerungen mehr bietet, und das gegenüber der genannten Mühle einmündende Thälchen nördlich aufwärts verfolgen. [105] Der Wienerwald. 157 Der erste Höhenzug, den wir nun (kaum 300 Schritte von der Bernaumühle) schneiden, besteht wieder aus dem groben, mürberen, punktirten und ungleichkörnigen Sandsteine, den wir dem Alttertiär zurechnen. Er bildet zu dem obenerwähnten (bei Wopf) einen Parallel: zug von ähnlicher Breite, ist ebenfalls gegen Westen nicht weit ver- folgbar, zieht aber gegen NO weiter über den Pöckschlag und Händel- berg fort, und fällt ungefähr in die Streichungslinie der groben Sand- steine des Schöpfelkammes, die wir ebenfalls mit Wahrscheinlichkeit dem Alttertiär zuzählten (s. Fig. XXI, 1). Nach Verquerung dieses Zuges, wo der Weg auf den Kasberg aus dem Walde in freieres Wiesenterrain mit einzelnen Bauern- häusern tritt, folgen mit südöstlichem Fallen kalkige, geaderte und glitzernde Sandsteine, höher hinauf auch mit Schiefern wechselnd, durchaus wieder cretacische Gesteinstypen, und wahrschemlich der mittleren Wienersandstein-Abtheilung entsprechend (s. Fig. XXI, 2). Fig. XXI. Kasberg 1 ; Alte Clement = SEE TG fabrık Stoitderg GRELWGEEE GE T- an a kur LL B BT, GE GCCLLZR 4 G GEEEGEE 4 2 3 4% 3 5 g M. 1. Grober Alttertiärsandstein. 2. Kalkiger, geaderter und glitzernder Sandstein. 3. Geaderter Sandstein. 4. Fleckenmergel. 5. Lichter Kalk mit Aptychen. Der Kasberg besteht aus etwas feineren, ebenfalls mit weissen Caleitadern durchzogenen Sandsteinen, die schon denen der unteren Wienersandsteine viel ähnlicher sind und auch sicher dahin gehören, denn am Nordabhange dieses Berges gegen Stollberg zu sieht man in denselben eine Bank von typischem lichten Neocomfleckenmergel regelmässig. eingelagert, die U°5 bis 1 m mächtig ist und wie die Sandsteinbänke nach SSO einfällt (s. Fig. XXI, 3 und 4). Wir sind hier wieder an der ofterwähnten Aufbruchszone Kahlenbergerdorf— Rohrbach. Die Sandsteine des Kasberges liegen südlich von Stollberg auf hellgefärbten Kalken auf, welche in einem Steinbruche neben der verlassenen Cementfabrik von Stollberg aufgeschlossen sind (s. Fig. XXI, 5). Der Steinbruch war zur Zeit meines Besuches ausser Betrieb und zum Theile verwachsen; die tieferen, gegenwärtig noch deut- licher aufgeschlossenen Partien der Kalke sind spathreich, splittrig, zeigen keine Flecken, und sind überhaupt von den Neocom-Aptychen- 158 C. M. Paul. [106] kalken und Fleckenmergeln, wie man sie in der Regel zu sehen ge- wöhnt ist, ziemlich merklich verschieden. Ich sah in einem Gesteins- blocke einen Aptychus, der ziemlich deutlich als Apt. punctatus Voltz erkannt wurde, jedoch nicht aus dem Gesteine herausgelöst werden konnte. Einige Exemplare derselben Aptychenform fanden sich auch von derselben Localität in Stur’s Aufsammlungen, ebenso nicht näher bestimmbare Belemniten. Die Aptychen aus der Gruppe der Punctaten gelten ziemlich all- gemein als bezeichnend für Tithon oder Ober-Jura, die hellen Kalke von Stollberg wären also demnach ebenfalls nicht jünger als Tithon. Peters führt dagegen (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1854) aus dem „Aptychenschiefer des Wienersandsteins von Stollberg“, seinen Apt. angulocostatus an, eine bei Waidhofen an der Ybbs und ander- wärts häufig mit dem echten Apt. Didayi Cocq. zusammenvorkommende, also neocome Form. Fig. XXI. 1. Fleckenmergel. 2. Heller Kalk mit Apt. punetatus. 3. Rother Mergel. Dieser Widerspruch scheint nur durch die Annahme löslich, dass bei Stollberg im Kerne der vorwiegend Neocomgestefne enthaltenden Aufbruchszone auch einzelne kleinere Tithonkalkpartien an der Ober- fläche erscheinen, von denen wir eben eine in den unteren Lagen des Steinbruchs bei der Cementfabrik aufgeschlossen sehen, während die höheren schon ins Neocom hineinragen, und dann der Fundort von Apt. angulocostatus Pet. sein könnten. Eine gewisse petrographische Zweitheilung der hellen kalkigen Gesteine der Stollberger Gegend, die auf eine Scheidung derselben in eine tithone und eine neocome Abtheilung hinweist, beobachtete ich an einer zweiten Stelle der Aufbruchszone, etwa 1:5 Kilometer östlich von Stollberg. Es ist hier rechts neben der Strasse nach Glashütte ein kleiner Kalkbruch angelegt, der einen meist weissen oder licht- srauen, dünngeschichteten Mergelkalk — ohne Flecken — blosslegt. Er fällt steil nach SO und enthält ebenfalls Apt. punctatus Voltz (nach gefälliger Bestimmung durch Herrn Dr. A. Bittner). In seinem Hangenden liegt ein typischer Fleckenmergel, wie wir ihn im Neocom so häufig sehen. Im anscheinenden Liegenden findet sich — ohne deut- liche Sehiehtung — rother Schieferthon (s. Fig. XXI). Oestlieh im Hangenden dieses Aufschlusses sind am rechten Bachufer (etwas vor der alten Glashütte) die gewöhnlichen, dunklen, [107] Der Wienerwald. 159 weissgeaderten Neocomkalksandsteine, mit gleichem süd-südöstlichen Einfallen entblösst. Verfolgen wir nun die Aufbruchszone gegen SW, über den Dur- lasswald und die westliche Fortsetzung des Kasbergzuges nach Rohr- bach im Gölsenthale, so sehen wir dieselbe aus den gewöhnlichen oftbeschriebenen Gesteinen der unteren Wienersandsteine zusammen- gesetzt. Im Bache nördlich von Schloss Pergau findet man mit sütd- östlichem Fallen die graublauen, ebenflächigen, mit geradlinigen Caleit- adern durchzogenen Sandsteine, krummschalige Lagen, grobe Bänke ete. ; am Wege von Schloss Pergau, westlich gegen die einzelnen Bauern- häuser Ober-Rohrbach, dieselben Gesteine und mit ihnen auch den wohlbekannten schwarzen, glasigen Sandstein; beim zweiten Bauern- hause (Herbst) sieht man mit diesen Sandsteinen sehr deutlich .Dänke hellgefärbter Fleckenkalkmergel wechsellagern. Das Fallen ist hier schon nördlich. Die Fleckenmergel scheinen in zwei Parallelzügen in der Masse der Sandsteine angeordnet zu sein, wobei der eine südlich vom bewal- deten Höhenkamme, der andere nördlich von demselben verläuft, und im südlichen Zuge südöstliches, im nördlichen nordwestliches Einfallen vorherrscht, so dass hier der Charakter der Zone als Antiklinalauf- bruch ziemlich deutlich ersichtlich ist. Bei Rohrbach tritt der süd- liche, gegenüber von Rainfeld der nördliche dieser Züge an das Gölsenthal heran. Wir haben hier das südwestliche Ende der grossen, von Kahlen- bergerdorf an der Donau bis hieher ununterbrochen verfolgbaren Auf- bruchszone älterer Gesteine, den Vereinigungspunkt derselben mit der den Rand der Kalkzore begleitenden Zone derselben Bildungen er- reicht. Westlich von Rohrbach (in der Nähe des Bauernhauses Bern- reut) tritt am rechten Ufer des Gölsenthales, und zwar zwischen den beiden Fleckenmergelzügen, somit ziemlich genau in der Axenlinie des Antiklinalaufbruches, aus den Neocomienbildungen ein kleines Liasvorkommen hervor, welches hier einigermassen überraschend wäre, wenn es nicht in der älteren Literatur schon wiederholt Erwäh- nung finden würde (Lipold, Jahrb. d k. k. geol. R.-A. 1865, Hit. 1, Hertle, ebendas., Hft. 4 ete.). Es sind kohlenführende Grestener Schichten, auf die seinerzeit ein Schurfstollen getrieben worden ward; derselbe ist jedoch gegen- wärtig eingestellt, und der ganze seinerzeitige Aufschluss dermalen vollkommen verwachsen und beinahe unsichtbar. Was man früher hier sah, ist bei Hertle (l. ec. pag. 537 [87]) zusammengestellt und dort nachzulesen. Ich habe dazu nur zu bemerken, dass die Ausdeh- nung des ganzen Vorkommens an der Oberfläche nach meinen Beobach- tungen bei Weitem kleiner sein muss, als Hertle angibt, denn ich sah im Norden, Westen und Osten des Punktes überall sehr bald typische und unverkenntliche Neocomgesteine anstehen. Die Bedeutung dieses Vorkommens ist nun meiner Ansicht nach wohl keine andere, als die der Stollberger Tithonkalke (mit denen es auch genau in einer Streichungslinie liegt), der St. Veiter Klirpe ete., in denen ich, wie bereits oben erwähnt, durchaus keine präexistirenden 160 C M. Paul. [108] Inselberge, sondern einfach nur die durch local etwas energischere Antiklinalautbrüche an der Oberfläche erscheinenden Spuren der Unter- lage unseres Wienersandsteingebirges erkennen kann. Verfolgen wir nun das Gölsenthal am rechten Ufer westlich abwärts. Mit dem Höhenzuge des Himberger Kogel (westlich und nördlich von Rainfeld), auf welchem die Bauernhöfe Kohlreiter und Miesch- berger liegen, erreicht der lange Zug mittlerer (obereretaeischer) Wiener- sandsteine (Inoceramenschichten), der die Kahlenbergerdorf — Rohr- bacher Aufbruchszone im Norden begleitet, das Gölsenthal, und wir finden denselben hier sogleich ganz ähnlich ausgebildet, wie in seinen östlichen Partien, beim Inoceramenfundorte Pressbaum, im Kahlen- gebirge etc. Zuerst sieht man neben der Bahnlinie, nord-nordöstlich von Krapfsdorf, etwa 250 Schritt östlich von der Einmündung des Kerschen- bachthales, am Wege Gesteine anstehen, durch die man sich voll- kommen an unseren Leopoldsberg versetzt fühlt. Es sind kalkige Sandsteine, schalige Sandsteine, ebenflächige Sandsteinschiefer, und darin eingelagert einzelne Bänke von lichten, chondritenreichen Mergeln. Neben den Chondriten kommen die in diesem Niveau nie fehlenden Helminthoiden, auf den Sandsteinen (selten) Hieroglyphen vor. Das Fallen ist nach N (etwas in.NNW). Das unmittelbare Hangende dieser Lagen ist in einem Steinbruche (östlich) bei der Einmündung des Kerschenbachthales aufgeschlossen. Es ist hier vorwiegend blaugrauer, mittelkörniger, stark slimmeriger Sandstein mit wenig Spathadern und Chondr. Vindobonensis var. Tar- gioni Ettingsh. Ungefähr in der Mitte des Bruches befindet sich eine Lage von dunklem Thonmergel mit Chondr. Vindobonensis var. intri- catus Ettingsh. (sehr häufig) -und var. Targioniü (selten). Auch die Helminthoiden fehlen nicht. Ich gebe nachstehend (s. Fig. XXIV) die Skizze eines Exem- plares, das sich von denen anderer Localitäten durch weitere, schüt- terere Umgänge unterscheidet und daher mehr Gesteinsfläche freilässt. Im Sinne der neueren Anschauung von Squinabol und Fuchs über die Natur der Helminthoiden, nach welcher wir in derselben die Frass- spuren von Gastropoden zu erkennen hätten, „welche die auf einem weichen thonigen Boden wachsenden zarten Algenrasen abweideten“ (Fuchs, Denkscehr. d. kais Akad. d. Wissensch., 62. Bd., 1895, pag. 386) müssten wir nun wohl erwarten, dass man nun bei einem der- artigen Stücke mit. schütteren Umgängen zwischen diesen letzteren irgend eine Spur der nicht abgeweideten Algen finden sollte. Hievon sehen. wir aber an unserem Stücke absolut nichts, und es scheint mir, dass dieser Umstand gegen obige Deutung wohl einiges Bedenken zu erregen geeignet sein dürfte. Das Einfallen ist in diesem Bruche ganz wie beim letzterwähnten Aufschlusse nach N, etwas in NNW, Etwas weiter im Kerschenbachthale aufwärts treffen wir (bei der Thaltheilung) einen zweiten Steinbruch, der noch etwas hangendere Schichten aufschliesst, die sich jedoch von denen des ersten Bruches nicht unterscheiden und jedenfalls mit denselben noch zusammen- [ 109] Der Wienerwald. 161 gehören. Es sind dieselben Sandsteine mit Chondr, Targioni, mit gleichem Streichen und Verflächen. Etwas abweichende gröbere Sandsteine finden wir erst noch weiter im Hangenden, auf der nördlich vom Kerschenbachthale sich erhebenden Schwarzengruber Höhe und ich glaube vermuthen zu dürfen, dass diese, wie einige andere der höheren Kuppen und Kämme dieser Gegend, ähn- liche Alttertiärschollen darstellen mögen, wie wir solche (südlich von der Aufbruchszone) am Schöpfelkamme, bei St. Corona ete. annahmen. Gesteine der Inoceramenschichten (bisher allerdings leider ohne Inoceramenfunde) setzen nun vom Kerschenbachthale an abwärts das rechte Ufer des Gölsenthales bis zu dessen Vereinigung mit dem Traisenthale bei Scheibmühl zusammen. . Fig. XXIV. Ein sehr schöner Aufschluss ist bei der Eisenbahnhaltestelle Schwarzenbach. Hier sieht man die blaugrauen, mit vielen dicken weissen Galeitadern durchzogenen, Chondr. Targioni enthaltenden Sandsteine, die mit wenigen Lagen dünnspaltbarer Sandsteinschiefer und Mergel wechselnd, eine sehr schöne und deutliche, domförmige Auf- wölbung bilden, an der Ostseite der Haltestelle nach Osten, an der Westseite nach Westen fallen; hier, unmittelbar am Eingange in das Schwarzenbachthal, schliesst sich an die grosse Falte noch eine zweite kleinere an (s. umstehendes Profil Fig. XXV). Bei derartig deutlich aufgeschlossenen Falten ist eine Täuschung durch überkippte Lagerung u. dergl. wohl vollkommen ausgeschlossen, und es kann hier ein Zweifel über die wirkliche Ober- und Uhnter- seite der Schichten nicht bestehen. Es scheint mir daher von Inter- esse, dass ich hier Helminthoiden und Warzen-Hieroglyphen auf der Oberseite der Schichten constatiren konnte. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1393, 48. Band, 1. Heft. (C. M. Paul.) 91 162 C. M. Paul. [1 10] Die Helminthoiden, die ich hier fand, zeigten bedeutend engere Windungen, als das oben aus dem Kerschenbachthal erwähnte Exem- plar. as hier unten abgebildete Stück (s. Fig. XXVI) ist noch inso- ferne von Interesse, als die etwa 3 Centimeter dicke Mergelplatte, Fig. XXV. AHaltste/lle Schwarzenbach Sehwarzenbach ZRal DAN w. 0 1. Kalksandstein mit Helminthoiden ete. nach Ost und West fallend. 2. Schichtenköpfe derselben Gesteine nach Nord fallend. 3. Sandstein nach Nordost fallend. nicht nur oben und unten, sondern auch im Inneren an allen mit der Schiehtung parallelen Bruchflächen dieselben eigenthümlichen Zeich- nungen zeigt, so dass die Schichte in ihrer ganzen Dicke von den- selben durchsetzt zu sein scheint — ein Umstand, der sich mit der modernen Deutung dieser Gebilde als „Frassspuren“ wohl auch nur ziemlich künstlich in Einklang bringen lassen dürfte (s. Fig. XXVD. - Fig. XXVI. Gehen wir von hier im Schwarzenbachthale aufwärts, so finden wir noch mehrere Entblössungen in den Gesteinen der Inoceramen- schichten, die aber nun entgegengesetzt (südlich mit einigen Ab- weichungen gegen W und O) einfallen. [111] Der Wienerwald. 163 Diese geänderte Fallrichtung motivirt sich ziemlich natürlich durch eine kleine Aufbruchszone unterer Wienersandsteine, die nörd- lich vom Orte Schwarzenbach vorüberzieht. Auch die oben ange- nommene Deutung der Sandsteine der Schwarzengruber Höhe als jüngeres (wahrscheinlich alttertiäres) Wienersandstein-Glied findet durch den Südfall der Schichten im Schwarzenbachthale. eine weitere Erhärtung; denn die südlich fallenden Inoceramenschichten des Schwarzenbach- thales bilden mit den obenberührten, nördlich fallenden des Kerschen- bachthales eine Synklinale, in deren Mitte eben die Gesteine der Schwarzengruber Höhe als höchstes Schichtglied liegen. Von der Haltestelle Schwarzenbach abwärts haben wir nun am rechten Gehänge des Gölsenthales bis zur Vereinigung desselben mit dem Traisenthale fort Inoceramenschichten, die in mehreren Stein- brüchen und Entblössungen nördlich der Eisenbahn aufgeschlossen sind. Das Fallen ist nördlich, mit einigen kleinen Abweichungen gegen W oder OÖ. Sie enthalten hier, wie an der Donau, viele Lagen hydrau- lischer Mergel, die in der Cementfabrik nördlich von Mayerhöfen (wie früher auch am Leopoldsberge, bei Lang-Enzersdorf ete.) Verwendung finden. Die linke (südliche) Seite des Gölsenthales, von Hainfeld abwärts bis an die Traisen, wird durch den südlichen Grenzzug der unteren Wienersandsteine gebildet, hinter dem sich dann die höher ansteigenden Bergzüge der Kalkalpen erheben. Die hier entwickelten Gesteine sind die gewöhnlichen, oft beschriebenen Sandsteine dieser Abtheilung. Bei Oed, am Eingange in das Hallbachthal, wird die Grenze gegen die älteren Kalke durch eine Hornsteinlage gebildet. Typische Fleckenkalke beobachtete ich südlich von Kropfsdorf am Eingange in das Wobach- thal, am Wege vom Wobachthal nach St. Veit a. d. Gölsen (mit dem schwarzen glasigen Sandstein) und — in einer sehr dünnen Lage — beim Stegbauer, südlich von St. Veit im Brillerthale. In allen diesen Fällen liegen diese Fleckenkalke nicht an der Grenze der älteren Kalkzone, sondern sind von dieser durch Sandsteine getrennt. Das Fallen ist vorwiegend südöstlich, gegen die Kalkzone. Wir werden diese Zone der unteren Wienersandsteine nun Sso- gleich — jedoch wieder mit normaler nördlicher Fallrichtung — im Traisenthale wiederfinden, an dessen Betrachtung wir nun gelangen. 11. Das Traisenthal. Der Traisenfluss betritt das Wienersandsteingebiet beim Orte Traisen (nördlich von Lilienfeld) und durchschneidet von hier mit ungefähr südnördlichem Laufe die ganze Sandsteinzone, welche hier — an der Westseite eine Breite von etwa 8°3 Kilometer, an der Ostseite aber über 10 Kilometer erreicht, und nördlich bei Wilhelmsburg und Öchsenburg an die Neogenniederung von St. Pölten grenzt. An dem Wege, der an der rechten (östlichen) Thalseite nächst der Brücke im Orte Traisen seinen Anfang nimmt und sich am Gehänge nordöstlich gegen den Bauernhof Gstöttenebner hinzieht, kann man die 21° 164 C. M. Panl, [112] unmittelbar an die Kalkzone grenzenden Lagen der Wienersandsteine beobachten. Zuerst findet man eine schwache Lage von blaugrauem, fein- körnigen Sandstein; darüber einen Wechsel von kalkigem, weiss- geaderten Sandstein mit Mergelschiefern (wie hinter der Kirche von Hainfeld), darüber den sehr charakteristischen und unverkenntlichen schwarzen, glanzlosen splitterigen, geaderten Sandstein, den wir zuerst von Kahlenbergerdorf erwähnt und dort näher beschrieben haben; derselbe wechselt in dünnen Lagen mit Bänken von hellgefärbten, gefleckten Mergelkalken. Auch einzelne Bänke ganz grober Sandsteine treten in dieser Schichtreihe auf. Das Fallen ist durchaus deutlich nach N, also regelmässig von der Kalkzone ab. Es ist dies eine sehr lehrreiche Localität, welche den Zusammen- hang der unteren Karpathensandsteine mit den Fleckenkalken wieder recht überzeugend zur Anschauung bringt. Dass aber diese Flecken- kalke selbst niehts anderes als Neocom-Aptychenkalke sind, beweisen die Verhältnisse bei Scheibbs im Erlafthale, woselbst wir (wie ich schon in einigen vorläufigen Reiseberichten hervorhob) dieselben Fleckenkalke, genau mit denselben charakteristischen Sandsteinen wechselnd, und genau im Streichen derselben südlichen Randzone der Wienersandsteine gelegen, an mehreren Stellen aptychenführend antreffen. In einer späteren Mittheilung, welche, als Fortsetzung der vorliegenden, die westlich an den Wienerwald sich anschliessenden Wienersandsteingebiete des Erlaf- und Ybbsthales behandeln soll, werden diese Vorkommnisse noch näher beschrieben werden. Die Fleckenkalke nehmen gegen die Höhe, bevor man wieder zum Gstöttenebnerhof hinabsteigt, zu, und sind auch bei dem genannten Bauernhause noch zu finden. Im Hangenden dieser Schichten, bei der Einmündung der Gölsen in die Traisen, sind, wie bereits oben bei Besprechung des Gölsenthales erwähnt wurde, die Gesteine der mittleren Wienersandstein-Abtheilung (Inoceramenschichten, Muntigler Flysch) entwickelt. Sie stehen am nördlichen Gölsen- und östlichen Traisenufer (östlich der Eisenbahn- station Scheibmühl) vielfach an, bestehen aus den gewöhnlichen kalkigen Chondritenmergeln und Sandsteinen (die ersteren vorwiegend in den tieferen, die letzteren in den höheren Lagen, ganz wie bei Kropfsdorf und im Kerschenbachthale) und fallen ganz regelmässig (mit einigen unbedeutenden Abweichungen) nach Nord. Wir schneiden nun mit dem Traisenthale einen Höhenzug, der rechts vom Thale in der Höhe „Steinwandleiten“* gipfelt, links von demselben im Buchberge (zwischen Scheibmühl und Eschenau) endet. Den Südabhang dieses Zuges sehen wir, wie eben erwähnt, aus nördlich fallenden Inoceramenschichten gebildet; der Nordabhang — nicht am rechten, sondern besser am linken Traisenufer bei Rotheau auf- geschlossen — zeigt uns dieselben Inoceramenschichten mit entgegen- gesetztem südöstlichen Fallen, so dass der in Rede stehende Höhen- zug eine sehr schöne Synklinale darstellt. Man sieht diese Inoceramenschichten von Rotheau zunächst an der von Scheibmühl herkommenden Strasse unmittelbar südlich von Rotheau in zwei Steinbrüchen aufgeschlossen. Der erste Bruch zeigt einen Wechsel von Sandstein mit Fucoidenmergeln, südlich (etwas in [1 13] Der Wienerwald. 165 SSO) einfallend. Der zweite, näher zu Rotheau gelegene Bruch, der bei meinem Besuche weniger verwachsen und daher zu Detailbeobach- tungen geeigneter erschien als :der erste, zeigte unten steil südlich (etwas in SSO) fallende, sowohl kalkige, muschelig brechende, als auch blätterige Chondritenmergel. Diese Mergel und ihre Chondriten stimmen in ganz auffallender Weise mit denen des bekannten Inoceramen- Fundortes Muntigel bei Salzburg überein, so dass die mitgebrachten Stücke — ohne Fundortsbezeichnung — wohl von jedermann unbedenk- lich als von einer und derselben Localität stammend bezeichnet werden würden. Man sieht alle vom Muntigel bekannten Chondritenformen, besonders schön die von Ettingshausen als Chondr. Vindobonensis var. intricatus form. subtilis bezeichnete zarte Form. In einzelnen compacteren, feinkörnigen Mergelstücken sieht man auch, ganz wie am Muntiel, dunkle, gerundete Flecke, die aus dem Querschnitte von durch- setzenden Ohondr. Targioni bestehen, jedoch mit den selten so scharf abgesetzten, meist verschwommenen und in ihrer Provenienz durchaus nicht so klaren Flecken der echten Neocom-Fleckenmergel nicht ver- wechselt werden und daher auch nicht Veranlassung geben dürfen, die Gesteine von Muntigel und Rotheau etwa als „Fleclienmergel“ zu bezeichnen. Die überall in den Inoceramenschichten verbreiteten Hel- minthoiden fehlen auch hier wieder nicht. An einzelnen, den Mergeln untergeordneten Sandsteinbänken beobachtet man Hieroglyphenreliefs auf der Unterseite; die Chondriten treten hingegen auf beiden Seiten der Schichten ganz gleichmässig auf. Ueber den Chondritenmergeln liegt dickschichtiger, mittelkörniger (nicht mürber oder conglomeratartiger), hellblaugrauer, verwittert bräunlich-grüner Sandstein, ebenfalls mit Spuren von Chondr. Targioni. Wir haben also hier geradezu buchstäblich die Wiederholung der bei Kropfsdorf und im Kerschenbachthale beobachteten Verhältnisse, nur mit entgegengesetzter Lagerung. In einem dritten Steinbruche, an der Strasse von Rotheau nach Eschenau, gleich südwestlich vom erstgenannten Orte, sieht man etwas liegendere Schichten aufgeschlossen. Es sind die in den mittleren Wiener- sandsteinen so vielfach verbreiteten-starkglimmerigen, im frischen Bruche blaugrauen Sandsteine, mit Lagen von Chondritenmergeln und -Schiefern. Eine tiefere solche Lage enthält Chondr. Targioni sehr häufig, in einer höheren ist diese Form seltener, dagegen Chondr. intricatus und Hel- minthoiden häufig. Die letztere Lage ist ebenfalls den Mergellagen von Muntigel ganz auffallend gleich. Das Streichen ist WSW, das Fallen unter eirea 50° nach SSO. Diese südlich und süd-südöstlich fallenden Inoceramenschichten von Rotheau liegen im Streichen der ebenso fallenden Lagen des Schwarzenbachthales (die wir im vorigen Abschnitte kennen lernten) und bilden mit denselben zusammen die Nordflanke einer grösseren Synklinalregion, die sich nun, wie wir sehen werden, im Traisenthale, ganz ebenso wie im Schwarzenbachthale, gegen Norden an einen kleinen Antiklinalaufbruch anlehnt. Man sieht die Spuren desselben an der rechten Thalseite bei Altenburg, gleich nördlich von der Eisenbahnhaltestelle Rotheau, am Wege nördlich hinter dem Gasthause,. Der ofterwähnte, geradlinig 166 C. M. :Päul. [114] geaderte Kalksandstein, der glasige, schwarze Sandstein und damit auch Stückehen lichter, kalkiger Fleckenmergel, also durchaus bekannte Gesteinstypen der unteren (neocomen) Wienersandsteingruppe, liegen hier in ausgewitterten Stücken herum. Der Punkt fällt ziemlich genau in die Streichungslinie des Neocomenaufbruches, der (wie im vorigen Ab- schnitte erwähnt wurde) nördlich beim Orte Schwarzenbach vorüberzieht. Wenige Schritte weiter nördlich findet man (an der Bahnlinie entblösst) schon wieder die typischen Chondritenmergel der Inoceramen- schiehten, und über diesen, wie bei Rotheau, den dazugehörigen Sandstein, beides sehr deutlich und regelmässig nach NNW einfallend. Wir haben also bei Altenburg nur einen ganz schmalen Neocomienaufbruch, von dem die Gesteine der Oberkreide gegen Norden und Süden regelmässig abfallen. Von Altenburg nördlich vorschreitend, bewegen wir uns nun im Traisenthale noch etwa 1'5 Kilometer in Inoceramenschichten und treten dann in einen Zug von vorwiegend gröberen Sandsteinen ein, der sich osinordöstlich über den ziemlich geradlinig verlaufenden Kamm des Köpfelberges und der Traxelhoferhöhe forterstreekt, weiterhin das Labenthal schneidet und sich als die direete Fortsetzung des Greifen- steiner Alttertiärzuges herausstellt. Gegen Westen, auf der linken Seite des Traisenthales, erscheint er bald unterbrochen, setzt sich aber, wesentlich verschmälert, mit dem Höhenzuge Planbacheck wieder fort, um sich dann weiter westlich (zwischen Kirchberg a. d. Pielach und Kilb) ganz auszuspitzen. Die Gesteine sind südwestlich von Wilhelmsburg (beim Bösendörfel, an der Einmündung der Strasse nach Hofstetten, am linken Gehänge des Traisenthales) in einem kleinen Steinbruche aufgeschlossen. Das Fallen ist in diesem Zuge — der, wie bereits aus Östlicheren Gegenden mehrfach betont wurde, in die Resion der allgemeinen nördlichen Faltenüberschiebung fällt — beinahe durchaus nach SSO. Westlich von Wilhelmsburg (an der linken) und nordöstlich von dem genannten Orte (an der rechten Thalseite) folgt dann die Fort- setzung des in den fiüheren Abschnitten ofterwähnten, stets den Nord- rand des Greifensteinerzuges begleitenden Wolfpassingerzuges, der hier noch mehr als in den östlicheren Theilen des Wienerwaldes den typischen Gesteinscharakter der echten Inoceramenschichten er- kennen lässt. Sehr schöne Chondritenmergel, ganz wie am Leopolds- berge ete., sieht man westlich von Wilhelmsburg hinter dem Bräuhause, unmittelbar nördlich von dem letzterwähnten Aufschlusse des Greifen- steiner Sandsteines, in einem kleinen Steinbruche mit südlichem Ein- fallen entblösst. Auch bei Ochsenburg gegen Atzling zu sieht man mehrfach die hellen, hydraulischen Kalkmergel (Ruinenmarmore) der Inoceramenschichten, ebenso in der westlichen Fortsetzung des Zuges, bei Hofstätten im Pielachthale bis an den Westabhang des Kammers- berges (östlich von Kilb). Diese letzteren Vorkommnisse waren schon Ö2jZek bekannt, wurden aber von dem Genannten, der damaligen Anschauungsweise entsprechend, mit den Aptychenkalken verwechselt und zusammengezogen. Der Wolfpassinger Gesteinszug bildet hier im Traisenthale, sowie in den östlicheren Theilen des Wienerwaldes, den Nordrand der Flysch- zone (siehe nachstehend Fig. XXVID). 1 15] | Der Wienerwald. 167 Oestlich vom Traisenthale, zwischen diesem und dem Labenthale, erleidet diese Regel jedoch eine Ausnahme. Es schaltet sich hier zwischen den Wolfpassinger Gesteinszug und das Neogenland von St. Pölten und Böheimkirchen noch ein Rudiment eines nördlicheren Wienersandsteinzuges ein. Derselbe beginnt ziemlich schmal bei Schauching, übersetzt das Perschlingthal bei Pyhra und zieht am Nord- rande des höheren Waldgebirges über den Loitzerberg, Fürth (nächst dem Zusammenflusse des Michelbaches mit dem Stössingbache) und den Eichberg bis in die Gegend von Waasen, wo er, ohne das Laben- thal zu erreichen, endet. Sowohl bei Pyhra als bei Fürth sind Fig. XXVII. Steinwandleiten Buchberg. Steinbrüche südl. von Rotheau, es Ufer. bruck. link Höhenzug Köpfelberg -Göblas- Zusammenfluss der Traisen u. Gölsen, Bei Altenburg, rechtes Ufer. Thal von Eschenau. Höhenzug -.. Lindenbauerhöhe, linkes Ufer. -=----------- Rechtes Traisenufer bei Scheibmühl, nm nn nn wa | 1. Aeltere mesozojsche Kalke der Kalkzone. 2. Untere (neocome) Wienersandsteine, Ir 3. Mittlere (obereretacische) Wienersandsteine. 4. Obere (alttertiäre) Wienersandsteine. grössere Steinbrüche in diesem Zuge angelegt, welche genau dieselben Verhältnisse zeigen, nämlich blaugrauen, groben, zuweilen schieferigen und mürben Sandstein mit wenigen Schieferlagen, mit Thongallen, ohne Fucoiden, also einen ganz typischen Greifensteiner Alttertiärsandstein. Das Fallen ist in beiden Steinbrüchen, der hier am Nordrande der Flyschzone herrschenden nördlichen Schichtenüberkippung entsprechend, nach Süd, also anscheinend unter den älteren Wienersandstein. In die ostnordöstliche Streichungslinie dieses Zuges fällt auch der Punkt beim Bahnhofe Neulengbach, woselbst Rolle seinerzeit eine als alttertiär gedeutete Teredina auffand (siehe Einleitung). 168 C. M. Paul. [116] Schlussbemerkungen. Ein zusammenfassender Rückblick auf die im Vorangehenden mitgetheilten zerstreuten Einzelbeobachtungen ergibt nun die Glie- derung unserer Wienersandsteine, die ich in dem Folgenden noch einmal in gedrängter Kürze recapituliren will. Die Rechtfertigung dieser Gliederung, die der in der Stur’schen Specialkarte der Gegend von Wien zu Grunde gelegten allerdings in den Hauptzügen diametral entgegengesetzt ist, enthält der vorstehende „specielle Theil“; wer also an der Richtigkeit derselben zu zweifeln geneigt sein sollte, der wird sich wohl der Mühe unterziehen müssen, die etwas einförmigen Specialbeobachtungen, die mich endlich in ihrer Combination zu meinen Deutungen führten, mit einiger Aufmerksamkeit und ohne vorgefasste Meinung durchzulesen. 1. Obere Abtheilung der Wienersandsteine (Alttertiär). Hieher gehören zwei voneinander ziemlich merklich verschiedene Unterglieder, nämlich — als jüngeres Glied der Greifensteiner Nummulitensandstein, alsälteres der Orbitoidensandstein. Der Greifensteiner Sandstein ist theils ein grober, un- gleichkörniger bis conglomeratartiger Sandstein mit krystallinischen Brocken, theils ein feinkörniger, sehr homogener, gelblicher Sandstein, der durch ausserordentlich dieke Bänke ausgezeichnet ist. Als ziemlich allgemein verbreitetes Merkmal aller Greifensteiner Sandsteine müssen, thonige Einschlüsse (Thongallen) bezeichnet werden, die wieder von zweierlei Art sind, nämlich entweder mehr weniger eckige oder gerundete wirkliche Thonbrocken, oder ganz dünne Blättehen von Schieferthon, durch welche das Gestein zuweilen ein dunkler geflecktes Ansehen erhält. Charakteristisch für diese Sandsteine ist ferner das Auftreten altkrystallinischer Geschiebe, sowie die Neigung zur Bildung kugeliger oder sphäroidischer Concretionen aus härterer Sandsteinmasse. Schieferige und mergelige Lagen enthält der Greifensteiner Sand- stein, wie alle Flyschbildungen, niemals sind dies jedoch echte hydrau- lische Kalkmergel (Ruinenmarmore). Fucoiden (Chondriten) kommen in diesen mergeligen Lagen der Greifensteiner Sandsteine nur ziemlich selten und vereinzelt vor. Wo solche etwas häufiger gefunden wurden, ist die Zugehörigkeit des Gesteines zum Greifensteiner Sandsteine immer auch aus anderen Gründen zweifelhaft. Am häufigsten erscheinen (und zwar im Sand- steine) Spirophyten (Zoophycos, Taonurus), die übrigens in allen anderen Etagen der Wienersandsteine ebenfalls nicht fehlen. Besonders reich sind die Greifensteiner Sandsteine an den unter dem Namen der -Hieroglyphen zusammengefassten Wülsten und sonstigen Reliefs, über deren Deutung neuerer Zeit von Prof. Fuchs und Anderen eine Reihe interessanter Theorien aufgestellt wurde, ohne [117] Der Wienerwald. 169 aber dass dadurch, wie ich glaube, in allen Fällen die Provenienz der- selben mit genügender Sicherheit festgestellt werden konnte. Stur liess eine Reihe von ihm selbst gesammelter Hieroglyphen des Greifensteiner Sandsteines, ergänzt durch einige, von Herrn Direetor Prof. Fuchs freundlichst zur Verfügung gestellte Stücke des k. K. Hofmuseums, photographisch abbilden und da die in dieser Weise zu- sammengebrachte Suite wirklich ein übersichtliches Bild der am häu- fissten vorkommenden Formen bietet, so glaubte ich dieselbe nicht verloren gehen lassen, sondern der vorliegenden Mittheilung anhangs- weise einverleiben zu sollen (siehe Tafel III—VI). Die abgebildeten Stücke stammen ihren Fundorten nach sicher alle aus Greifensteiner Sandsteinen, doch muss hiezu ausdrücklich bemerkt werden, dass man sie deshalb doch nicht mit Stur (Manuscript) als „charakteristisch“ für dieses Niveau bezeichnen könne, indem mehrere dieser Formen (so namentlich die Palaeodietyon ete.), wie schon längst bekannt ist, auch in weit älteren Formationen auftreten. Wichtiger als alle diese Problematica erscheinen die Nummu- liten der Greifensteiner Sandsteine, über die neuerer Zeit Professor Uhlig (Erläuterungen zu Stur’s geol. Specialkarte der Umgebung von Wien 1894) die folgende Mittheilung gab: „Die Nummulitenlocalitäten: St. Andrä, Greifenstein, Höflein und Kritzendorf repräsentiren ein und dasselbe Vorkommen. Von St. Andrä bei Greifenstein konnten bestimmt werden: Nummulites Oosteri de la Harpe Operculina complanata Defr. in einem grossen, schönen Exemplafe. Orbitoides ephippium Schloth. in mehreren grossen Exemplaren. Orbitoides sp. Von Höflein liegen drei Nummulitenarten vor, welche merk- würdigerweise mit den Waschberg-Nummuliten in engen Beziehungen zu stehen scheinen. Eine Art kann als Numm. Oosteri de la Harpe bezeichnet werden. Die zweite ist mit Numm. Lucasana Defr. nahe verwandt und die dritte hat viel Aehnlichkeit mit Numm. Partschi de la Harpe, unterscheidet sich aber durch etwas grössere Dicke, geringere Grösse, etwas aufgeblähtere Form und entfernter stehende Scheidewände von dieser Art. Ganz ähnliche Formen liegen von der Localität Kritzendorf (2. Bruch nach Haus Nr. 53 gegen Wien, Aufsammlung von Professor Toula) vor. Einige Exemplare können wohl direct als Numm. Partschi de la Harpe bezeichnet werden, sie stehen dieser Art noch näher, als die Exemplare von Höflein. Einzelne, leider sehr schlechte Exemplare dürften auf Numm. Oosteri zu beziehen sein, und ungefähr fünf Exem- plare stehen Numm. Lucasana sehr nahe. Endlich sind noch zwei grosse Exemplare von cirea. 15 mm Durchmesser vorhanden, welche zu derselben Art zu gehören scheinen. Das eine derselben ist zer- brochen und lässt netzförmige Scheidewände erkennen. Zur näheren Bestimmung reicht das Material nicht aus. Von Kritzendorf liegt Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (C.. M. Paul.) 22 170 C. M. Paul. [118] ausserdem ein Fragment vor, das wohl auf Serpula spirulaea zu be- ziehen sein wird. Bei dem Umstande, dass das Material nicht sehr reichlich und ziemlich schlecht erhalten ist, schien es nicht räthlich, präcisere Bestimmungen vorzunehmen. Es wurden von den genannten Nummuliten- arten Schliffe angefertigt, welche die Granulirung sehr deutlich erkennen liessen. Wenn demnach auch die specifische Bestimmung dieser Formen an Schärfe viel zu wünschen übrig lässt, so ist doch soviel sicher, dass die vorliegenden Nummuliten zu den zoologisch hochstehenden, granulirten, theilweise auch zu den reticulirten Formen gehören, also zu jenen Typen, welche das echte Eocän auszeichnen.“ Ein bestimmteres Urtheil über das nähere Alter der Greifen- steiner Sandsteine glaubt Prof. Uhlig jedoch vorläufig nicht abgeben zu können, da er die Möglichkeit, dass ein Theil der Nummuliten des,Donaudurchschnittes sich auf secundärer Lagerung befinde, nicht als ausgeschlossen betrachtet. Prof. Toula giebt von Höflein Alveolina oblonga Desh. und (nach Bestimmung von Hantken) Numm. striata d’Orb. und Numm. contorta d’ Arch. an; die übrigen Nummulitenfunde im Greifensteiner Sandsteine (Schliefberg, Scheiblingstein, Steinhardtberg) sind speeifisch nicht bestimmt. Ich habe bereits bei verschiedenen Gelegenheiten in älteren, auf die karpathischen Flyschbildungen bezugnehmenden Arbeiten meine Ansicht dahin ausgesprochen, dass für die Annahme secundärer Lagerung irgend eines Fossilfundes wohl einige positive Beweisgründe (also etwa unnatürliche Vergesellschaftung, genaue Constatirbarkeit des Ursprungs, Erhaltungszustand etc.) beigebracht werden müssen, wenn sie acceptirbar erscheinen soll. Im vorliegenden Falle haben wir nun aber wirklich, wie mir scheint, für eine solehe Annahme gar keine Anhaltspunkte. Die Nummuliten sind, trotz des sehr ungünstigen Mediums (grober Sandsteine), durch welches die weicheren Kalkschalen bei weiterem Transporte wohl bis zur Unkenntlichkeit abgerollt worden wären, doch ziemlich gut erhalten, ihre Vergesellschaftung ist eine durchaus natürliche, vielmehr dafür sprechend, dass sie zusammen- gelebt haben, als dass sie zusammengeschwemmt wären. Ich sehe also wohl keinen Grund, warum man hier an secundäre Lagerung denken sollte, und dies umsomehr, als ein Vergleich mit den Karpathen ziemlich klar erkennen lässt, dass unser Greifensteiner Sandstein durchaus nicht das Aequivalent oder die Fortsetzung der höchsten — heute gewöhnlich als oligocän gedeuteten — Lagen der karpathischen alttertiären Flyschreihe (des Magurasandsteins) darstellt, sondern vielmehr einem etwas tieferen Niveau dieser Reihe entspricht, in welchem das Auftreten echt eocäner Nummulitenformen nicht allzu befremdend erscheinen kann. Der grosse Hauptzug der oligocänen Magurasandsteine, der von der. Visoka (nächst der mährisch-ungarischen Grenze) über das Mars- gebirge zieht und ungefähr auf unseren Greifensteiner Sandsteinzug hinzuweisen scheint, verschmälert sich gegen Südwesten stetig und spitzt sich schon an der Thaya bei Prittlach und Seitz (nordöstlich von Nikolsburg) vollständig aus; was wirklich noch weiter in Rudi- f | | [119] Der Wienerwald. 1:71 menten fortsetzt und die Verbindung mit den Wienersandsteinen des Rohrwaldes am linken Donauufer und dadurch mittelbar mit dem Greifensteiner Sandsteinzuge herstellt, ist kein Magurasandstein mehr, sondern es sind die nach Ausspitzung des letzteren von beiden Seiten zusammentretenden Liegendzüge desselben, also jener ziemlich umfang- reiche Complex von — im Vergleiche mit dem Magurasandsteine älteren — Alttertiärablagerungen, die ich bei meinen Arbeiten in den Karpathenländern gewöhnlich als „obere Hieroglyphenschichten“ (im weiteren, älteren Sinne) zu bezeichnen pflegte, deren einzelne Unter- abtheilungen und Facies aber seither von verschiedenen Autoren mit zahlreichen Namen belegt wurden. Speciell eine sehr verbreitete Sandsteinfacies dieser Abtheilung pflegt mit dem Localnamen „Cziezko- witzer Sandstein“ bezeichnet zu werden, und diesem Sandsteine stehen die charakteristischen feinkörnigen, dickschichtigen Varietäten des Greifensteiner Sandsteins auch petrographisch sehr nahe, während andere plattige, glimmerreiche Varietäten des letzteren wieder sehr an die (derselben Abtheilung zugehörigen) sogenannten „Steinitzer Sandsteine“ Mährens erinnern. Was nun schliesslich noch die Verbreitung des Greifensteiner Sandsteins im eigentlichen Wieneı walde betrifft, so lässt uns dieselbe eine Reihe von Parallelzügen erkennen, welche mehr oder weniger zusammengeschobenen und überkippten Synklinallinien entsprechen, und von denen der hier speciell gewöhnlich als „Greifensteinerzug“ bezeichnete der ausgedehnteste ist, indem er vom Ostrande des Wiener- waldes am Donauthale bis an und über das Traisenthal ganz ununter- brochen fortzieht und erst nördlich von Kirchberg an der Pielach sein wirkliches Ende erreicht. Der Verlauf dieses Zuges ist insoferne bemerkenswerth, als derselbe durchaus keine Spur eines Parallelismus mit der Grenze zwischen Kalk- und Flyschzone erkennen lässt; der Greifensteinerzug nimmt vielmehr an der Donau den Nordrand der Flyschzone ein, während er im Pielachthale (bei Rabenstein) schon (bis auf eine Entfernung von 0'5 Kilometer) ganz nahe an den Süd- rand der Flyschzone gegen die Kalkzone herantritt. Die dem Zuge entsprechende Faltenlinie scheint hiernach nicht von der Grenze der Kalkzone, sondern vielmehr vom Südostrande des böhmisch-mährischen Massivs direct abhängig zu sein. Wir werden ein ähnliches Verhältniss auch beim unteren Wienersandsteine angedeutet finden. Eine viel geringere Verbreitung als der Greifensteiner Sandstein erlangt im Wienerwalde die zweite Unterabtheilung des alttertiären Wienersandsteins, die wir als Orbitoidensandstein bezeichneten. Es ist dies ein — seinem Gesteinscharakter nach — vom Greifensteiner Sandsteine ziemlich verschiedener Sandstein. Derselbe ist grau, braun oder grünlich, bunt punktirt, meist grob, nur in seltenen Fällen feinkörnie, und beinahe stets durch ein auffallend glasig glänzendes, kieseliges Bindemittel verkittet. Stets erscheint er — wohl infolge des Ausfallens rascher verwitternder Bestandtheile — in auffallender Weise löcherig („luckig“ nach Stur’s Ausdrucksweise), so dass er kurz als „löcheriger, glasiger Sandstein“ bezeichnet werden kann. 22* 172 €. M. Paul. [120] In Gesellschaft mit diesem Sandstein kommen eigenthümliche kieselige, gelbliche oder braungraue Mergel, die beim Schlagen in parallel begrenzte Stücke zersplittern, vor. Fucoiden und Hieroglyphen fehlen oder sind wenigstens sehr selten. An Fossilresten liegen aus . dieser Bildung vor (nach gefälliger Bestimmung durch Herrn Professor Uhlig): Operculina cf. complanata Defr. (Weidlingbach). Cristellaria sp. (Gruppe der Or. rotula) (Weidlingbach). Orbitoides sp. (Weidlingbach, Rothes Kreuz am Fxelberge, Michaeler- berg bei Neuwaldegg, Gablitzthal). Teztilaria sp. (Weidlingbach). Bryozoen (Weidlingbach, Gablitzthal). Dieser Orbitoidensandstein erscheint als eine ziemlich zusammen- hängende Zone, die den östlichen Theil des Greifensteiner Sandstein- zuges im Süden begleitet und sich zwischen diesem und dem südlich folgenden obereretacischen Inoceramenschichtenzug des Kahlengebirges einschaltet; dieser Position nach glaube ich ihn für älter halten zu sollen, als den echten Greifensteiner Sandstein. Ausserdem erscheinen im östlichen Theile des Wienerwaldes einige kleinere, isolirte Schollen dieses Sandsteins (z. B. bei Neuwaldegg) den cretacischen Wiener- sandstein-Gliedern aufgelagert und eingefaltet. Im westlichen und süd- westlichen Theile des Wienerwaldes habe ich diese Gesteine nicht beobachtet. 2. Mittlere Abtheilung der Wienersandsteine (Oberkreide). Diese Abtheilung enthält — bezüglich ihres Gesteins- ceharakters — einige sehr distinete Typen. Die hieher gehörigen Sandsteine sind nur selten dem Greifensteiner Sandstein etwas ähnlich, enthalten aber nie die für letzteren charakteristischen krystallinischen Gemengtheile, Thongallen und Kugelconeretionen. Besonders häufig treten plattige, stark glimmerige Sandsteinvarietäten, ferner dunkel- graue, hellbläulich-grau verwitternde Sandsteine, kalkige Sandsteine mit unregelmässigen Spathadern und dünne Sandsteinschiefer auf. Die Mergellagen dieses Niveaus sind entweder die bekannten unverkennt- lichen lichtgefärbten, kalkigen, muschelig brechenden, hydraulischen Kalkmergel (Ruinenmergel, Ruinenmarmore), oder mannigfache Ueber- gänge dieser letzteren in klüftige und splitterige blaugraue Mergel. Im Osten und Westen des Wienerwaldes treten allenthalben diese typischen Gesteine auf, während sie in der Mitte des Gebietes mehr- fach von etwas abweichenden Gebilden, nämlich den plattigen Schiefern von Stangau und mit diesen verknüpften dunkelgrauen, klüftigen, splitterigen, kieseligen, in Thoneisenstein oder Thonschiefer über- gehenden Sandsteinen verdrängt werden. Die Mergel dieses Niveaus, sowie die Sandsteinschiefer desselben bilden die eigentlichen Hauptlager der Flyschfuecoiden, und zwar erscheinen neben selteneren Caulerpites, Münsteria, Halimenites, [121] Der Wienerwald. 173 Sphaerococeites ete. namentlich die Chondriten, und zwar Chondr. furcatus Strnb., sowie die sämmtlichen zahlreichen Varietäten von Chondr. Vindobonensis Ettingsh. (Ettingshausen, |. c. Taf. 1 und 2) hier in besonderer Häufigkeit und schönem Erhaltungszustande. Spiro- phyten sind nicht häufig, Nemertiliten ziemlich verbreitet. Nahezu überall aber finden wir die Chondriten mit Helminthoiden vergesell- schaftet. Ich will nicht behaupten, dass diese eigenthümlichen gewun- denen Frass- oder Kriechspuren in anderen Niveaus nicht ganz ebenso vorkommen können, muss jedoch die Beobachtungsthatsache constatiren, dass ich dieselben im Wienerwalde bisher ausschliesslich in der hier in Rede stehenden mittleren Abtheilung gefunden habe. Hieroglyphen enthalten die Sandsteinlagen dieser Abtheilung, wie alle anderen Flyschsandsteine, doch vorwiegend kleinere, stengelige Formen und Warzen; den Hieroglyphen-Formenreichthum des Greifen- steiner Sandsteins fand ich hier nicht. Besondere Bedeutung erlangte diese Abtheilung durch die schon seit längerer Zeit aus denselben bekannt gewordenen Inoceramen- funde, denen sich dann auch noch wichtigere Cephalopoden- funde anreihten. (Dieselben sind in der Einleitung zur vorliegenden Mittheilung eingehend besprochen.) Die Inoceramen treten an ziemlich zahlreichen Punkten, und stellenweise in nicht allzu geringer Individuenanzahl auf, so dass die Abtheilung nach derselben gewöhnlich mit der Bezeichnung „Inoce- ramenschichten* belegt zu werden pflegt. Eine eingehendere Bear- beitung der Wienerwald-Inoceramen liegt jedoch dermalen noch nicht vor; wir müssen uns also vorläufig begnügen, die bisher gegebenen Bestimmungen derselben zu registriren. Es sind: Inoceramus Haweri Zugm. (Zugmayer, Stur) 5 Munticuli Fugg. und Kastn. (Stur) : Salisburgensis Fugg. und Kastn. (Stur) e Cripsi Mant.(?) (Toula, Keller). Mit den Inoceramen zusammen, oft auf denselben aufgewachsen, tritt auf Ostrea semiplana Sow. (?) Obwohl das Bedenken, diese Fossilien könnten möglicherweise auf secundärer Lagerstätte befindlich sein, hier, wie bereits mehrfach betont wurde, durch die Art des Vorkommens vollkommen ausge- schlossen erscheint, so lassen dieselben doch, da die besser erhaltenen Inoceramen ausschliessliche Flyschformen, die übrigen aber nicht mit voller Sicherheit bestimmt sind, einen absolut sicheren Schluss auf das Niveau, welches wir vor uns haben, nicht zu. Es liegt wohl nahe, aus den Inoceramen auf Oberkreide zu schliessen ; wenn aber eingewendet würde, es könnten dies ja auch möglicherweise eocäne Inoceramen sein, so liesse sich — aus den Inoceramen selbst — eine solche Be- hauptung nicht direct negiren. Glücklicherweise liegt aber Toula’s hochwichtiger Fund von Acanthoceras Mantelli Sow. 174 C. M. Paul. [122] vom Leopoldsberge vor, durch welchen alle derartigen Bedenken nun- mehr vollkommen ausgeschlossen erscheinen. Ein zweiter älterer Ammonitenfund Zugmayer’s bei Weidling war zu schlecht erhalten, bewies aber doch, dass wir es mindestens nicht mit jüngeren als eretacischen Schichten zu thun haben können. Durch Acanth. Mantelli ist nun die Zugehörigkeit mindestens eines Theiles unserer Abtheilung, und zwar gerade des Inoceramen- reicheren, aus dem dieser Cephalopode stammt, zum Cenomanien ausser Zweifel gestellt. Erwähnen wir noch Redlich’s Pfychodus granulosus von Hüttel- dorf, der im Allgemeinen ebenfalls auf Oberkreide hinweist, so dürften damit die wichtigeren Fossilfunde in dieser Abtheilung recapitulirt sein. Die Hütteldorfer Foraminiferen, die einmal als obercretacisch, ein anderesmal als oligocän bestimmt wurden, werden wohl am besten ganz ausser Rechnung gelassen. ‚Die Oberkreide unseres Wienerwaldes setzt sich gegen Nordosten in die Karpathen fort. Speciell die Welle des Kahlengebirges und Bisamberges taucht (wie ich bereits in meiner Mittheilung über die Karpathensandsteine des mährisch-ungarischen Grenzgebirges, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1390, hervorhob) mit ihren charakteristischen Ruinenmergeln in der Nähe von Wessely an der March und Hluk in Mähren wieder auf, um allerdings nordöstlich ziemlich bald zwischen den dort vorwiegend alttertiären Karpathensandsteinen sich auszuspitzen. Weiterhin finden wir ihr ziemlich genaues Analogon in den Inoce- ramenschichten Westgaliziens (Ropaschichten Uhligs). Gegen Westen und Südwesten setzen unsere Inoceramenschichten ebenfalls ziemlich ununterbrochen fort und finden hier ihre Aequi- valente im Muntigler Flysch Oberösterreichs und Salzburgs. Ein Unterschied findet in dieser Richtung nur insoferne statt, als dort die senonen Niernthaler Schichten vom eigentlichen Flysch überall leicht trennbar erschienen, während wir im Wiener- walde nur an wenigen Stellen (und zwar stets an der Grenze zwischen Inoceramenschichten und Greifensteiner Alttertiärsandstein) Gesteine auffinden konnten, die petrographisch den Niernthaler Schichten ähn- licher als dem echten Muntigler Flysch erschienen, zu einer karto- graphischen Trennung von der Hauptmasse unserer Inoceramenschichten aber doch keine genügenden Anhaltspunkte boten. Wahrscheinlich bleibt es immerhin, dass wir hier wirkliche Analoga der Niernthaler Schichten vor uns haben — in welchem Falle also unsere mittlere Wienersandstein-Abtheilung die Formationsglieder vom Cenoman bis inclusive Senon umfassen würde. 3. Untere Abtheilung der Wiener Sandsteine (Unterkreide). Der Gesteinscharakter dieser Abtheilung weist sehr mannigfaltige Typen auf, deren Zusammengehörigkeit jedoch durch eine Reihe von Einzelbeobachtungen sichergestellt ist. Die markantesten derselben sind: schwarzer, glasiger, kieseliger Sandstein ohne Spathadern, von [123] Der Wienerwald. 175 dem ebenfalls oft glasigen Orbitoidensandstein durch Feinkörnigkeit, dunklere Färbung und das Fehlen des Merkmals der Löcherigkeit unterschieden. — Schwarzer, splitteriger, elanzloser Sandstein mit sehr viel breiten, unregelmässigen Caleitadern. — Grünlicher Sandstein mit Caleitadern. — Plattige, blaugraue Sandsteine und Sandsteinschiefer mit geradlinigen Caleitadern. — Grobe Sandsteine. — Glitzernde Sand- steine, nur local im oberen Niveau der Abtheilung. — Schwarze, graue oder rothe Mergelschiefer mit dünnen Bänken von Hieroglyphen führendem Kalksandstein mit Caleitadern ; die letzteren den kalkigen Sandsteinen der mittleren Abtheilung oft, wenn sie nicht intensiv roth gefärbt sind, sehr ähnlich. — Hornsteinführende helle Mergelkalke (Aptychenkalke). — Gefleckte sandige oder kalkige Mergel (Flecken- mergel) mit Spathadern, einerseits in Aptychenkalke, andererseits in geaderte Kalksandsteine übergehend. Aptychenkalke und Fleckenmergel stehen mit den ersterwähnten schwarzen glasigen und schwarzen splitterigen Sandstein in so enger Verbindung, dass man sich kaum jemals irrt, wenn man nach der Auf- findung der einen Gesteinsvarietät sofort auch die andere zu finden erwartet. Die in den Aptychenkalken gefundenen Aptychen (Apt. Didayi Cocq., Apt. angulocostatus Pet., Apt. aplanatus Pet. und Apt. giganteus Pet.) beweisen, nachdem die im speciellen Theile vorliegender Mit- theilung gegebenen Beobachtungsdaten die wirkliche Zusammengehörig- keit derselben mit den unteren Wienersandsteinen wohl zur Genüge dargethan haben, die Zugehörigkeit der Hauptmasse dieser Abtheilung zur Unterkreide, während die stellenweise (Südfuss des Kahlenberges, Exelberg, Halterthal) zwischen die typischeren Gesteine der Unter- kreide und den Oberkreidezug des Kahlengebirges sich einschaltenden slitzernden Sandsteine sowohl petrographisch als ihrer Position nach als mögliche Repräsentanten der Mittelkreide (des schlesischen Godulasandsteins) aufgefasst werden könnten. Die Verbreitung der unteren Wienersandsteine im Wienerwalde ist eine geringere, als die der höheren Abtheilungen. Wir finden sie in einer südlichen Randzone längs der Grenze der Flyschzone gegen die Kalkzone entwickelt, und von dieser zweigt bei Rohrbach, west- lich von Hainfeld, ein zweiter Zug ab, der, eine ausgesprochene Antiklinal - Aufbruchszone darstellend, das ganze Wienerwaldgebiet durchzieht und bei Kahlenbergerdorf an die Donau heraustritt. Ausser diesen beiden Hauptzügen treten hieher gehörige Bildungen nur noch in einigen, räumlich sehr beschränkten kleineren Aufbrüchen (Lang- Enzersdorf, Tullnerbach, Hochrotherd, Schwarzenbach, Altenburg) auf. Die ofterwähnte Hauptaufbruchszone Rohrbach—Kahlenberger- dorf lässt uns in ihrem Verlaufe dieselbe Unabhängigkeit von der alpinen Kalk-Flyschgrenze erkennen, die oben schon bezüglich des Greifensteiner Alttertiärzuges erwähnt wurde, und es dürfte nun viel- leicht naheliegend erscheinen, diese bemerkenswerthe Thatsache, sowie manche andere der hier mitgetheilten Beobachtungsdaten, hier schliess- lich zu irgendwelchen weitergehenden genetischen Theorien zu ver- werthen. Allzu schwer ist ja dergleichen nicht, und es ist ja bekannt- lich oft genug auf Grundlage weit geringeren Beobachtungsmateriales 176 C. M. Paul. [124] mit Derartigem debutirt worden. Ich glaube jedoch, dass dies bei unserem Gebiete durchaus noch nicht an der Zeit wäre. Ein Blick auf die geologischen Uebersichtskarten Mittel-Europas zeigt, welche tiefgreifenden Divergenzen heute noch bezüglich der stratigraphischen Gliederung und Deutung der einzelnen Theile unserer alpin-karpa- thischen Sandsteinzone bestehen, und insolange nieht dureh unbefangene, von keiner theoretischen Voreingenommenheit beeinflusste Detailstudien im ganzen Bereiche der Zone in dieser Beziehung eine mindestens annähernde Uebereinstimmung erzielt ist, haben wir keine solide Basis für weitergehende theoretische Folgerungen. Wenn diese Zeit gekommen sein wird, dann dürften vielleicht die im Vorstehenden zusammen- getragenen trockenen und nüchternen Beobachtungsthatsachen sich als Bausteine zur Aufführung eines soliden theoretischen Aufbaues nütz- licher erweisen, als manche der geist- und anspruchsvollsten Theorien, die jetzt so häufig aufzutauchen pflegen, die aber, wie die Erfahrung lehrt, gewöhnlich: ziemlich bald, oft von ihrem Schöpfer selbst, als unfruchtbar erkannt und beiseite geworfen werden müssen. Der Wienerwald. 177 Inhaltsverzeiehniss. j Sette BERNER 720, URL SIUDRE NSS TUNER or nme mn ton, 0858 Begriffsbestimmung von Wienersandstein und Flysch. — Begrenzung des Wienerwaldes. _ Literaturübersicht: O2jZiek: Geol. Karte d. Umgeb. v. Wien. — Ettingshausen: Mikroskop. Unters. — Hauer: Nordabh. d. Alpen zw. Wien und Salzburg. — C2jZek: Aptycehenschiefer in Nied.-Oesterr. — Peters: Aptychen. — Hauer: Inoceramenfund am Kahlenberge. — Hauer: Durchschnitt von Passau bis Duino. — Foetterle: Geol. Karte von Nied.-Oesterr. — Wold- fich: Lagerungsverh. zwischen Nussdorf und Greifenstein. — Hauer: Jhem. Analysen. — Pohl: Analyse d. hydr. Kalkes v. Sievering. — Stur: Neu-Ausgabe der ÖC2ZjZek’schen Karte. — Hauer: Geol. Uebers.-Karte d. Oesterr.-Ungar. Monarchie. — Karrer: Foraminiferen von Hütteldorf. — Ettingshansen: Flyschfucoiden. — Suess: Wasserführungs - Verhältnisse. — Griesbach: Klippen im Wiener- sandstein; Altersstellung des Wienersandsteins. — Fuchs: Geol. Karte d. Umgeb. v. Wien. — Karrer: Geologie d. Wiener Hoch- quellenleitung. — Stur: Wieder-Auffindung des Petter’schen /noce- vamus; Cephalopodenfund Redtenbachers. — Zugmayer: Amonitenfurd bej Weidling; Jnoec. Haueri vom Leopoldsberg. — Bittner: Gegend von Hernstein. — Keller: Inoceramen von Press- baum; Jnoceramus vom Kahlenberg. — Toula: Neuer Inoceramen- | fund vom Leopoldsberge; Acanthoceras Mantelli. — Fuchs: Natur | des Flysches. — Hauer: Seren, — Berwerth: Altkrystall. | (Gesteine im Wienersandstein. Stur: Geol. Specialkarte d. Umgeb. | v. Wien. — Fuchs Enter chung der Fucoiden und Hieroglyphen. — Suess: Boden der Stadt Wien. — Redlich: Ptychodus granu- losus von Hütteldorf. — Hochstetter: Klippe von St. Veit. — Paul: Vorläufige Reiseberichte. EICHE EEE ee Ra ED TEE TEN TR 1. Der Donaudurchbruch zwischen Greifenstein und Nussdorf . . .... 72 Nussdorf. — Kahlenbergerdorf. — Leopoldsberg. — Inoceramen- fundstellen. — Klosterneuburg. — Unter-Kritzendorf. — Ober-Kritzen- dorf. — Höflein. — Nummulitenfundstellen. — Greifenstein. BrARRe) iin keiBetter des Domantalesa NIT EI DEI Lanerberg. — Lang - Enzersdorf. — Bisamberg. — Flandorf. — Stetterberg. — Russbachthal. — Nieder-Kreutzstetten. — Hornsburg. — Schliefberg. — Unter-Rohrbach. — Kreutzenstein. — Karnabrunn, — Naglern. — Waschberg-Zug. 3. Nussdorf— St. Andrä. . . . a 2097 Nussberg. — Aptychen von De Kae) = * Muekenshal — Ehen. berg. — Girinzine. — Krapfenwaldl. — Weidling. — ua, Ammonitenfundstelle. — Rothgraben. — Haschberg. — — Kierlingthal. Gugeing. — Schleifsteinbrüche im Marbachgraben. — St. Andrä. — Wolfpassinger-Zug. 4. Sievering— Weidlingbach ... 1 BIT Ba De DE Ober-Sievering. — Zug Sauberg-- Simonsberg. — Weidlingbach. — Fossilfundort. — Gegend nördlich von Weidlingbach. Jahrbuch d. k. k. geel. Reichsanstalt, 1893, 48. Band, 1. Heft. (C. M Paul.) 93 178 C. M. Paul. [126] Seite 5. Dornbach—Königstetten . . . BR Ri; Dornbach. — Ottakring — Steinhof — “ Galitzinbere. . "Schafbere. — Michaelerberg. — Neustift. — Neuwaldegg. — Marswiese. — Hameau.. — Exelberg. —. Rothes Kreuz. — Fundorte von Alttertiär-Fossilien. — Königstetten. 6. Das Wienthalgebiet und die Westbahnstrecke bis Anzbach. . . . . .119 a) Nördliche Thalseite. Unter-Baumgarten. — Hütteldorf. — Steinbrüche im Rosenthale. — Satzberg. — Halterthal. — Foraminiferenfundort an der Strasse nach Mariabrunn. — Hadersdorf. — Mauerbachthal. — Weidlingau. — Purkersdorf. — Gablitzthal. — Riederberg.. — Tullnerbachthal. — Pressbaum. — Inoceramenfundort. — Spirophytenfundort. — Halte- stelle Pressbaum — Pfalzauu. — Rekawinkel. — Steinhardberg. — Nummulitenfunde. — Eichgraben. — Anzbach. b) Südliche Thalseite, St. Veit. — Hacking. — Weidlingau. — Paunzen. — Wolfsgraben- damm. — Gegend zwischen Pressbaum und Altlengbach. 1..Kalksburg—-Laab—Wolfegraben. u, ns „des a. et =. u 2 Gütenthal. — Aptychenfundorte. — Laab. — Vorder-Wolfsgraben. — Kaltenleutgeben. 8. Sulz—Hochrotherd—Klausen—Leopoldsdorf . . . . 145 Sulz. — Stangau. — Hochrotherd. — Unter- Kniewald. — " Aggsbach- thal. — Klausen—Leopoldsdorf. — Pöllathal. 9. Die Randzone bei Kaumberg und der Bergstock des Schöpfel . . . . 149 Klosterthal. -— Ooronathal und Triestingthal. — St. Corona. — Schoepfel. — Wöllersdorf. — Kaumberg. — Gerichtsberg. — Bramer- höhe. 10. Das Gölsenthal . . . i „155 Hainfeld. —- Bernaumühle, Kasbere. — Stollberg. _ Aptyehenkalke. — Schloss Pergau. — Rohrbach. — "Liasvorkommen von Bernreut. — Kerschenrbachthal. — Schwarzenbach. — Linke Seite des Gölsenthales. 11. Das, Traisenthal. ... \ . 163 Traisen. — Scheibmühl. -— Rotheau. — Altenburg. — Greifensteiner- zug. — W oe — Wolfpassingerzug. — Alttertiärzug von Pyhra und Fürth. Schlussbemerkungen . . . . en ee a 1. Obere Abtheilung der EHE (Altterti: E I ee: LES Greifensteiner Sandstein. — Gesteinscharakter. — Thonige Einschlüsse. — Krystallinische Geschiebe. — Kugelcon:retionen. — Keine Ruinenmergel. — Fucoiden. — Spirophyten. -—- Hieroglyphen. — Nummuliten. — Vergleich mit den Karpathensandsteinen. — Ver- breitung. — Orbitoidensandstein. — Gesteinscharakter. — Fossilfükrung. — Verbreitung. 2. Mittlere Abtheilung der Wienersandsteine (Oberkreide). . . 172 Gesteinscharakter. — Hauptlager der Flysch-Fucoiden. — “ Helmin- thoiden. — Inoceramen. — Ac. Mantelli. — Ptych. granulosus. — Fortsetzung in die Karpathen und den Muntigler Flysch. — Niern- thaler Schichten. 3. Untere Abtheilung der Wienersandsteine (Unterkreide) .. et A ee Gesteinscharakter. — Aptychen. — Verbreitung. — Schluss. Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn aus dem Gebiet nördlich Lettowitz. Von Dr. Emil Tietze. Am 23. Februar 1897 wurden mir von Herrn Burghart, Stadt- baudireetor von Brünn, die Grundlagen eines Projeetes zur Einsicht vorgelegt, welches sich. auf die Wasserversorgung von Brünn bezog und von der Bauunternehmune Carl Freiherr v. Schwarz (vertreten durch Herrn Ingenieur Baron Julius v. Schwarz) ausgearbeitet worden war. Gleichzeitig wurde mir die Abschrift eines auf dieses Projeet bezüg- lichen geologischen Gutachtens des Herrn Professor A. Makowsky übermittelt und mir angekündigt, dass demnächst eine Aufforderung des Bürgermeisteramtes von Brünn an mich ergehen werde, auch meinerseits vom geologischen Standpunkte aus eine Aeusserung über das erwähnte Project abzugeben. Das gab die erste Veranlassung zur Abfassung des wesentlichsten Theiles meiner heutigen Mittheilung. Ich schicke den folgenden Ausführungen voraus, dass die gegen- wärtige Wasserversorgung Brünns von einer Wasserleitung abhängt, welche das Flusswasser der bei Brünn in die Zwittawa mündenden Schwarzawa benützt und deren Werke sich bei dem sogenannten Schreibwalde, einem beliebten Ausflugsorte der Brünner, befinden !). Nach den mir gewordenen Mittheilungen wären diese Werke im Stande, täglich 12.000 m® Wasser zu liefern, welches Quantum indessen dem gesteigerten Wasserbedarf nicht mehr genügt, und wenn dieses Schwar- zawawasser auch vom rein hygienischen Standpunkte aus nicht gerade unzulässig gefunden wird, so entspricht es doch auch qualitativ den zu stellenden Anforderungen nicht in der Art, dass nicht der Wunsch nach einem besseren Wasser rege werden könnte. Dieser Wunsch hat schon vor etlichen Jahren zu verschiedenen Vorschlägen geführt, welche indessen nicht ohne Weiteres zusagend t) Einige kleinere ganz beschränkt localen Bedürfnissen dienende Wasser- leitungen, wie die Karthäuser- und die Zimpeln- Wasserleitung, kommen hier k: um in Betracht. Die Karthäuser- Wasserleitung liefert zufolge einer Angabe Makowsky’s (vergl. dessen Spaser eitirte Denkschrilt) täglich rund 100.000 1 (= 100 m?), die Zimpeln- Leitung gar nur 23.000 /. Das sind Ziffern, die bei einer Stadt wie Brünn nicht in’s Gewicht fallen. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (Dr. E. Tietze.) 23* 180 Dr. E. Tietze. [2] gefunden wurden. Man hat z. B. daran gedacht, durch Tiefbohrungen in der Nähe der Stadt auf Wasser zu kommen, aber das Ergebniss eines solchen Versuches schien sehr ungewiss; man hat die Quellen der Punkva bei Blansko und der Rziezka bei Adamsthal zuleiten wollen, allein das Wasser dieser mächtigen Quellen, die nichts sind als der Wiederaustritt von Bächen nach einer Strecke unterirdischen Laufes, erschien vom sanitären Standpunkte aus nicht empfehlenswerth. Endlich hat Professor A. Makowsky den Vorschlag gemacht, die reichen Quellen der Umgebung von Brüsau nach Brünn zu leiten und im Verein mit dem damaligen Landes-Ingenieur und jetzigen Professor Herrn Adolf Friedrich, der die hydroteehnische und finanzielle Seite der Frage behandelte, ein darauf bezügliches Project ausgearbeitet. Dasselbe ist in einer besonderen „Denkschrift zur endgiltigen Lösung der Trinkwasserfrage von Brünn* (Brünn 1890) entwickelt worden. Den Inhalt dieser Schrift dürfen wir hier nicht ohne Weiteres über- gehen, da sich in jener Darlegung zum ersten Male der ernst gemeinte Hinweis auf eine Gegend findet, die seitdem fortdauernd im Vorder- grunde der auf die erwähnte Frage bezüglichen Discussionen stand oder steht!). Die in diesem Projecte erwähnten Quellen gehören einem grössten- theils von Gebilden der oberen Kreideformation eingenommenen Ge- biete an, welches sich nördlich von Brünn beiderseits der mährisch- böhmischen Landesgrenze ausbreitet. Sie liegen im Thale des Zwittawa- flusses und sind von Brünn 56 bis 625 km entfernt. Insofern nun diese Quellen, wie so eben angedeutet, bei der Beurtheilung auch der in neuester Zeit aufgetauchten Vorschläge zur Befriedigung des Wasser- bedürfnisses der mährischen Hauptstadt — sei es direet, sei es indirect — immer noch eine Rolle spielen und dabei jedenfalls erwähnt werden müssen, mag es angezeigt sein, theilweise an der Hand des Makowsky- schen Elaborates das Wesentliche über dieselben gleich hier mitzutheilen. Von den in der genannten Denkschrift beschriebenen Quellen ist der Stadt Brünn am nächsten gelegen die sogenannte Mühlquelle, welche am Abhange des Grundberges entspringt und die dem Chrostauer Bache, einem Zuflusse der Zwittawa, angehört. Ihre Temperatur wurde zu 8° 0. gemessen und ihr Abiluss bildet den schilferfüllten Mühlteich von Chrostau, Beobachtungen, welche ich gelegentlich der geologischen Aufnahme jenes Gebietes angestellt habe, beweisen, dass das in dieser Gegend stets wasserführende Cenoman, welches hier auf den bei Chrostau hervortretenden Hornblendeschiefern ruht, in der nächsten Nähe des Quellenaustrittes sich befindet. Weiter nördlich und noch auf der östlichen Seite des Flusses liegen die Quellen am Brüsauer Bahnhofe, welche durch eine Stau- anlage von einander geschieden sind und die Makowsky deshalb in zwei Gruppen trennt. Die Quellen unterhalb des Wehres fliessen «direct als Bach in die Zwittawa; die oberen Quellen zeigen sich an sieben 1) Herr Baudireetor Burghart hatte allerdings schon im Jahre 1886 die Wasserversorgung Brünns aus dem Gebiet von Brüsau als das Ideal des in dieser Beziehung Erstrebenswerthen bezeichnet, dieses Ideal aber damals der angeblich unerschwinglichen Kosten wegen für unerreichbar erklärt (vergl. die oben eitirte Denkschr. Seite 9). Bee [3] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 181 verschiedenen Austrittsstellen, werden durch das genannte Wehr gestaut und sodann in einem Graben nach der Zwittawa geleitet an einer Stelle, wo dieser Zufluss die Wasserkraft des Flusses für eine dort gelegene Spinnfabrik vermehren hilft. Die Temperaturen aller dieser Quellen, welche am Südende des Bahnhofes, auf der dem Flusse zugewendeten Seite des dortigen Bahndammes entspringen, wurden zu 8-4 bis 8:6° C. ermittelt. Das Gestein, aus welchem das Wasser hervortritt, ist hier Pläner oder doch wenigstens Plänerschutt. Noch etwas weiter nördlich und schon am jenseitigen westlichen Ufer des Flusses, das ist hier schon auf böhmischem Gebiet, entspringen aus Klüften des dort anstehenden kalkigen Pläners nahe beieinander gleich nördlich der Mühle von Unterwald und etwas südsüdwestlich der Colonie Hinterwasser mehrere Quellen, die sogenannten Hinterwasser- quellen, welche sofort einen mächtigen Bach bilden. Es ist dies eine Erscheinung, welche fast an das plötzliche Hervorbrechen von Bächen in Karstgebieten erinnert. Als Temperaturen dieses Wassers wurden 87 bis 940 C. gefunden. Das ist etwas mehr als bei den übrigen Quellen dieser Gegend. Sodann darf auch der sehr reichlichen Quellen gedacht werden, welche bei der Petermühle im Orte Wiesen, nördlich von Brüsau, am Fusse des Berges hervortreten, über welchen die Kaiserstrasse von Brüsau nach Zwittau führt. Auch diese Quellen entspringen aus den tieferen Schichten des Pläners. Am nördlichsten liegen die Quellen von Mussiau, welche am rechten (westlichen) Ufer der Zwittawa, bei der kleinen Colonie Quell- hütten, ebenfalls aus Klüften des Pläners zum Vorschein kommen, neben dem Bahndamm einen kleinen Teich bilden und eine Temperatur von 8°6° C. besitzen. Die Seehöhe dieses Teiches, der den von Brünn entferntesten und zugleich höchst gelegenen der betreffenden Quell- punkte vorstellt, dürfte ca. 390 m betragen. Oberhalb Musslau kommen bis über Zwittau hinaus besonders ergiebige Quellen nicht mehr vor. Alle genannten Quellen liefern nicht allein ein reichliches Wasser- quantum, welches im Durchschnitt zusammen auf mindestens 60.000 m® täglich veranschlagt werden darf, sondern sind auch in qualitativer Hinsicht ausgezeichnet. Ihr Gehalt an organischen Substanzen ist minimal. Der Härte- erad der in dieser Hinsicht näher untersuchten Ratschitzkyquellen (beim Bahnhofe) beträgt 11'75 und ist ähnlich dem der Stixensteiner "Quelle der Wiener Hochquellenleitung (12:89). Der Kalkgehalt ist etwas grösser, nämlich 1'119 Theile auf 10.000 Theile Wasser gegen 10,9 der Stixensteiner Quelle, der Kohlensäuregehalt (1'207) indessen etwas kleiner als der des Wassers im Wiener Reservoir am Rosenhügel (1'371). Wie Professor Makowsky meinte, würde die Höhenlage der Brüsauer Quellen nebst ihrer Reinheit „jede specielle Anlage zur maschinellen Hebung und Reinigung des Wassers für eine Trinkwasserleitung für Brünn völlig entbehrlich“ machen, so dass nur die weite Entfernung von Brünn in Hinsicht auf die Leitungskosten als Uebelstand bei dem betreffenden Vorschlage erschien. Heute wird dieser Umstand freilich schon nachsichtiger beurtheilt. 182 Dr. E. Tietze. [4] Nach der damaligen Ansicht Makowsky’s wäre es übrigens nieht nöthig gewesen, auf alle die genannten Quellen zu reflectiren, danach würden vielmehr die Quellen am Bahnhofe für den angestrebten /weck genügt haben. Dieselben liefern 126—167 I in der Secunde, während der minimale Bedarf an Trinkwasser für Brünn auf 373 ! per Secunde berechnet wurde, was einem Tagesquantum von rund 3200 m? entspricht. Bei 100.000 Einwohnern würde das 32! per Kopf und Tag ergeben haben. Die Vorschläge Makowsky’s kamen nicht zur Ausführung. Es braucht immer einige Zeit, bevor sich eine Gemeinde mit einem Plane vertraut macht, welcher vielleicht ziemlich weit in seinen finanziellen An- forderungen über das hinausgeht, was man ursprünglich als ökonomisch leicht zulässig sich gedacht hat. Auch dürften schon sehr früh hie und da Bedenken aufgetaucht sein, ob nicht durch die Inanspruchnahme der Brüsauer Quellen wasserrechtliche Schwierigkeiten sich ergeben möchten, welche unter Umständen noch durch den Umstand verwickelt werden könnten, dass die Gegend von Brüsau von der böhmisch-mährischen Landesgrenze durchzogen wird, weshalb bei manchen Verhandlungen ein Einvernehmen verschiedener behördlicher Organe erforderlich sein würde. Doch will ich, wie ich ausdrücklich betone, mit dieser Aeusserung in gar keiner Weise ein Urtheil über die meritorische Berechtigung eventueller wasserrechtlicher Bedenken gegen die vorgeschlagen gewesene Inanspruchnahme der Brüsauer Quellen ausgesprochen haben. Juristische Schwierigkeiten werden ja manchmal weniger durch die thatsächliche unbedingte Berechtigung gewisser Bedenken, als durch das blosse Auf- werfen darauf bezüglicher Fragen hervorgerufen, und dagegen ist man eben niemals gesichert. Mit dem Fallenlassen des Makowsky’schen Projeetes war in- dessen die Angelegenheit der Biünner Wasserversorgung weder erledigt, noch zur Ruhe gekommen und so tauchte denn vor zwei Jahren auf Grund von vorausgängigen Verhandlungen ein neues Project auf, welches Herr Baron Julius v. Schwarz ausgearbeitet und über welches derselhe am 23. März 1896 an die Gemeinde Brünn seinen ersten Bericht erstattet hat. Eben dieses Project ist es, welches mir im vorigen Jahre zur Einsicht vorgelegt wurde. Dasselbe knüpfte in gewissem Sinne an den VorschlagMakowsky’s an, insofern es im Allgemeinen auf dasselbe von den Schichten der oberen Kreideformation eingenommene Gebiet reflectirte, in welchem die Quellen von Brüsau entspringen und welches bei Lettowitz nördlich von Brünn beginnt, um sich von da aus mit zunehmender Breite nach Norden in der Richtung von Brüsau und Zwittau fortzusetzen. Es ist ein Project, welches sich ebenfalls auf die Herstellung einer Gravitations- Wasserleitung aus dieser Gegend bezieht, indessen zunächst nicht die in dieser Gegend auftretenden Quellen, sondern die in dem dortigen Berglande vorhandenen Grundwassermengen nutzbar zu machen wünscht. Diesem Grundwasser beabsichtigte man durch die Anlage von in das Gebirge bineinzutreibenden längeren Stollen beizukommen, welche bei den Ortschaften WIkow, Lazinow und eventuell noch anderen Punkten westlich der Zwittawa angelegt werden sollten. Diese Stollenanlagen sollten durch die Anwendung hydraulischen Vorgetriebes bewirkt en Ur Aal m Sn duEE u dd a0 UL re af u 1 = u u A | u 7 . « »% [5] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 183 werden. Innerhalb der Stollen aber wären in gewissen Abständen Rohr: brunnen anzulegen und aus diesen das Wasser durch Saug-, bezüglich Hebervorrichtungen zu gewinnen gewesen. Um die Zuleitung des Wassers in die Häuser der Stadt auch für die höher gelegenen Stockwerke zu ermöglichen, wurden bei Brünn Reservoirs in der Seehöhe von 280 ın, bezüglich 260 m in Vorschlag gebracht. Das Wasser aber sollte oberhalb Lettowitz in einer Höhencöte gewonnen werden, welche der Sicherheit wegen bei der Projeetsentwicklung nur mit 380 m fixirt wurde, obschon es sich thatsächlich um Höhenlagen von nahezu 400 m handeln würde. Die Leitung von Lettowitz nach den Reservoirs oberhalb Brünn würde also dem Project gemäss ein Gefälle von 120 bis vielleicht 140 m auf- weisen und dieses Gefälle würde sich auf eine Strecke von etwa 50 km vertheilen. Der Vortheil dieser Vorschläge wurde hauptsächlich in zwei Umständen gefunden. Einmal hätte die Wasserversorgung in einem höheren Niveau bewerkstelligt werden können, als bei den Brüsauer Bahnhofsquellen, insoferne die Thalsohle der Zwittawa zwischen diesen -am Rande des Thales hervortretenden Quellen und der schrägüber gelegenen Ortschaft Brünnlitz nach Angabe der grossen Karte (Mass- stab 1:25.000) des militär-geographischen Institutes nur eine Seehöhe von 366 m aufweist, was bei der überdies grösseren Entfernung der fraglichen Quellen von Brünn ein geringeres Gefälle der Rohrleitung zur Folge gehabt hätte. Dann aber, und das schien nach der damaligen Auffassung der dabei massgebenden Kreise besonders bedeutungsvoll, sollte der Umstand, dass „nicht offen zu Tage tretendes Wasser erschlossen* zu werden brauchte, „eine einfachere und raschere juridische Zurechtlegung“ der Sache gewährleisten, insoferne über „ungenütztes Grundwasser“ die politische Behörde, der dasselbe als „Wasserüberschuss“ gilt, ein freieres Verfügungsrecht besitzt, als über offene Wasseradern. Es wurde also die Hoffnung gehegt, dass durch die Annahme jener Vorschläge ganz vorzugsweise eine schnellere Lösung der besprochenen Wasserfrage ermöglicht werden dürfte. Nachdem sodann am 9. Juli 1896 eine eommissionelle Verhandlung bezüglich dieses Projectes stattgefunden, und bei dieser Gelegenheit Herr Professor Makowsky eine kurze geologische Meinungsäusserung über dasselbe abgegeben hatte, wurden bei Wlkow nördlich von Lettowitz gewisse, für nöthig erachtete Versuchsarbeiten begonnen, welche ein anscheinend so günstiges Resultat ergaben, dass man durch die Fertigstellung der geplanten Arbeiten allein an dieser Localität eine Wassermenge von 6000—7000 m? täglich erzielen zu können meinte !). Ein Versuch auf der anderen (östlichen) Thalseite der Zwittawa wurde zunächst nicht beabsichtigt. Am 4. März 1897 erging nun an mich seitens des Herrn Dr. Ritter v. Wieser, Bürgermeisters von Brünn, thatsächlich die mir bereits früher angekündigte Aufforderung, das soeben kurz skizzirte Project nach seiner geologischen Seite hin zu prüfen, welcher freund- 1) Weder heftige noch häufire Entnahme von Wasser aus den gemachten Versuchsbrunnen vermochte die Wasserstände des Grundwassers der Umgebung wesentlich zu verändern. Doch konnten dem Versuch keine grossen Dimensionen gegeben werden. 184 Dr. E. Tietze. [6] lichen Aufforderung ich umso bereitwilliger und schneller nachkommen zu müssen glaubte, als ich durch meine vor einigen Jahren in dem betreffenden Gebiete ausgeführte geologische Aufnahme mit den Einzel- heiten des geologischen Aufbaues jener Gegend genugsam vertraut war, so dass ich nicht nöthig zu haben glaubte an Ort und Stelle besondere Studien für die Abfassung meines Gutachtens zu machen. Am 19. März 1897 war ich denn auch schon in der Lage, dieses Gutachten abschliessen und der Gemeindevertretung von Brünn unter- breiten zu können, welche dasselbe bald darauf als Manuscript in Druck legen liess. Eine eigentliche Publication desselben war anfänglich nicht in Aussicht: genommen, mochte auch nach mir gewordenen Andeutungen solange die betreffenden Berathungen gewisse Vorstadien nicht über- wunden hatten, nicht erwünscht sein, doch scheint mir der Gegenstand schliesslich so viel Interesse!) zu bieten, dass eine Erinnerung daran in einer wissenschaftlichen Zeitschrift heute nicht unpassend sein mag, nachdem genügend Zeit für jene Berathungen zur Verfügung stand und namentlich seit auch noch andere Fachmänner in dieser überdies bereits journalistisch besprochenen Angelegenheit um ihre Intervention von Seiten der Stadt Brünn ersucht wurden 2). Vielleicht gelangt man da massgebenden Orts, sei es nun im Sinne dieser oder jener Vorschläge, bald zu bestimmteren Beschlüssen, und da wird es für diejenigen, die an der Klarstellung der in Betracht kommenden Verhältnisse mitgewirkt haben, jedenfalls zeitgemäss, ihren Antheil an dieser Arbeit festzustellen. In den folgenden Seiten gebe ich nun das Wesentliche meiner Aeusserungen grösstentheils wortgetreu wieder, nachdem ich daran nur diejenigen kleinen Aenderungen vornahm, welche im Hinblick auf den etwas verschiedenen Leserkreis wünschenswerth erschienen, oder die sich aus dem durch die voranstehende Einleitung veränderten Rahmen des Aufsatzes ergaben, insofern die folgenden Ausführungen doch nicht gänzlich ohne Zusammenhang mit ‘dieser Einleitung gelassen werden konnten, welche ihrerseits für die mit der Sache vertrauten Interessenten in Brünn selbst überflüssig gewesen wäre. Wenn demnach gewisse Zusätze oder Erweiterungen des ursprüng- lichen Textes an einigen wenigen Stellen unvermeidlich waren, so wurde doch streng darauf gesehen, dass dadurch der Sinn und die Tendenz des Gutachtens in keiner Weise eine Verschiebung erlitt. 1) Das betreffende Interesse ist eben, wie sich aus dem Verlaufe der weiteren Auseinandersetzungen ergeben wird, kein ausschliesslich praktisches; vielmehr können diese Dariegungen auch als ein kleiner Beitrag zur wissenschaftlichen Er- kenntniss des in Frage kommenden (Gebietes aufgefasst werden. Vom rein prak- tischen Standpunkte wiederum käme überdies nicht blos die gegenwärtig für Brünn bestehende Wasserfrage in Betracht, insofern diese Auseinandersetzungen mutatis mutandis vielleicht später auch für andere Fälle eine Nutzanwendung zulassen. ?) Dieses Ersuchen ist (durchaus natürlich bei der Wichtigkeit der betreffenden Frage für eine grosse, ziemlich volkreiche Stadt und im Hinblick auf den Umstand, dass es sich um ein Problem handelt, dessen Lösung in jedem Falle etwas kost- spielig ausfallen dürfte. Doch war ich ein wenig überrascht davon, dass ich über jene Intervention, die, wie ich jetzt höre, schon im Herbste vorigen Jahres be- gann, von keiner der zunächst betheiligten Seiten in Kenntniss gesetzt wurde, so dass ich erst in der neuesten Zeit auf indirectem Wege diese Kenntniss erlangte. [7] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 185 Soweit mir der heutige Stand der ganzen Angelegenheit bekannt ist, wäre zu einer solchen Verschiebung auch keine Versuchung vorhanden gewesen, denn die geologischen und hydrologischen Gesichtspunkte, welche in meinem Gutachten entwickelt wurden, haben, wie es scheint, zu einem prineipiellen Gegensatze mit den Ansichten der später be- fragten Fachleute keine Veranlassung gegeben. Indem ich nun zunächst eine kurze Uebersicht der geologischen Verhältnisse der in Betracht kommenden Gegend mittheile, beschränke ich mich dabei auf die für das Verständniss der vorliegenden Ange- legenheit nothwendigsten Ausführungen, da ich mir eine eingehendere geologische Beschreibung des Gebietes im Zusammenhange mit der Darstellung eines ausgedehnteren Gebirgsstückes des böhmisch- mährischen Grenzzuges für eine andere Gelegenheit vorbehalten habe. Das von der Zwittawa durchflossene Gebirgsstück, um welches es sich diesmal handelt, wird im Östen durch einen ziemlich meridional verlaufenden Steilrand begrenzt, der sich über dem Hügelland von Mähr.-Trübau und Krönau erhebt und vom Schönhengst über Johnsdorf und Briesen bis in die Gegend von Deschna, nördlich Lettowitz zieht. Im Südwesten erstreckt sich die Umrandung dieser Partie von Mese- ritschko bei Lettowitz über Lazinow, Pori@, Bogenau und Rohozna bis Dittersbach, wobei sie im Wesentlichen dem Thale der bei Lettowitz in die Zwittawa mündenden Kretinka folet. Im Nordwesten verläuft die Grenze des uns hier interessirenden Gebietes in einer Linie, die von Dittersbach nach den zwischen Blumenau und Stangendorf sich erhebenden Hügeln gezogen wird, und im Norden brauchen wir für unsere Betrachtung über die Umgebung von Zwittau nicht viel hinaus- zugehen. Zur topographischen Orientirung genügen in dem gegebenen Falle das Blatt Brüsau—Gewitsch und die südlichsten Theile des Blattes Landskron— Mähr.-Trübau der Generalstabskarte. Wie bereits aus gewissen, früher gemachten Bemerkungen hervor- ging, ist nun die in Rede stehende Gegend ganz vorwaltend ein Ver- breitungsbezirk cretacischer Gesteine, welche selbstverständlich im Allgemeinen in der für Böhmen und Mähren eigenthümlichen Aus- bildungsweise der betreffenden Schichtabtheilungen entwickelt sind. Die böhmisch-mährische Kreideformation, welche also im Flussgebiet der Zwittawa oberhalb Lettowitz und noch weit nördlich darüber hinaus die weitaus wichtigste der an der Zusammensetzung der Gebirgsland- schaft theilnehmenden Formationen ist, besteht bekanntlich ausschliess- lich aus den jüngeren Gliedern des cretacischen Systems und bedeckt mit übergreifender Lagerung die älteren vorcretacischen Bildungen des betreffenden Gebietes. Sie bildet mit im Allgemeinen ziemlich flacher Lagerung plateauartige Landschaften, deren oberflächliches ‚ Relief mit seinen Unebenheiten hauptsächlich durch die Erosionsarbeit des fliessenden Wassers ausgestaltet wurde. Doch haben auch einige, wenn auch zumeist nur mässig starke Faltenbildungen ihren Einfluss auf jene Oberflächengestaltung ausgeübt. Die Verbreitung dieser Formation war in der geologischen Ver- gangenheit in den betreffenden Theilen von Böhmen und Mähren eine ausgedehntere als heute. Erosion und Denudation haben einen grossen Theil der fraglichen Ablagerungen bereits zerstört und einzelne der Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (Dr. E. Tietze.) 24 186 Dr. E. Tietze. [3] Zerstörung noch Widerstand leistende Partien aus dem Zusammenhange mit der Hauptmasse dieser Bildungen gebracht. Diese Hauptmasse findet jetzt bei Lettowitz ihre südlichste Zuspitzung, während südlich und seitlich davon an verschiedenen Stellen isolirte Lappen von cre- tacischen Gesteinen angetroffen werden )). Noch immer sind übrigens jene zerstörenden Kräfte bei ihrer Arbeit, und deshalb bereiten sich stellenweise weitere Abtrennungen und Theilungen im Bereich der betreffenden Plateaulandschaften vor. So ist auch die erwähnte südliche, bei Lettowitz stattfindende Zu- spitzung der eretacischen Hauptpartie keine geschlossene Masse mehr, sondern erscheint gleich unterhalb Brüsau durch die bis in das Liegende der Kreide hinabgreifende Erosionsthätigkeit des Zwittawaflusses be- reits, um mich so’ auszudrücken, in zwei Zungen gespalten. Nur die westliche dieser Zungen reicht beim Dorfe Meseritschko bis in die unmittelbare Nähe von Lettowitz, die östliche ist schon viel weiter nach Norden zurückgewichen und endet bei Skrzip. Es mag das Ver- ständniss eines Theiles der folgenden Ausführungen erleichtern, wenn auf dieses Verhalten gleich hier aufmerksam gemacht wird. Man kann die Gesteine der mährisch-böhmischen Kreideformation in mehrere Abtheilungen und Unterabtheilungen eintheilen. Unter dem Gesichtspunkte der Wasserverhältnisse kommen bei der diesmaligen Darstellung aber nur zwei Hauptglieder jener Bildung in Betracht. Dazu gehört erstlich der sogenannte Pläner, welcher aus kalkig- sandigen oder mergeligsandigen Gesteinsbänken besteht, und welcher an der Oberfläche der cretacischen Tafel allenthalben verbreitet ist. Ich nehme hier das Wort Pläner im weiteren Sinne, indem ich die sogenannten Callianassenschichten der Gegend um Zwittau dazurechne ?). Zweitens ist zu nennen die cenomane Schichtenabtheilung, welche unter dem Pläner liest und deshalb meist nur an den Rändern der be- treffenden Plateaulandschaft sichtbar wird 3). Diese Schichtenabtheilung besteht, abgesehen von der stellenweisen Einschaltung von Eisenerzen, Thonen und kleinen Kohlenflötzen, in der Hauptsache aus Sandsteinen und Sanden, welchen im böhmisch-mährischen Grenzgebirge ein Kalk- gehalt nicht zukommt, und die von relativ geringer, dabei oft wech- selnder Mächtigkeit sind. Ich kenne sogar Gegenden, wo dieses Geno- man unter dem Pläner entschieden fehlt, wie z. B. am Reichenauer !, Ich nenne hier beispielsweise die ausser Zusammenhang mit dem Ganzen befindlichen kleineren Partien von Chlum, Wisek, Kunstadt und Boskowitz. ?) Die Hauptmasse des in Frage kommenden Pläners gehört zu der tieferen Abtheilung der turonen Schichtenreihe, welche den Weissenberger und Mallnitzer Schichten der böhmischen Geologen entspricht. Die Callianassaschichten d: agegen, die ihren Namen in Folge der stellenweise sehr häufig darin gefundenen Krebs- scheeren der Gattung Callianassa erhielten, entsprechen i im Wesentlichen den Iser- i schichten der böhmischen Geologen, die von Manchen, wenn auch vielleicht nicht ganz mit Recht, schon für ein theilweises Aequivalent des Senon gehalten werden. ®) Es ist im Hinblick auf die isolirten Partien fast selbstverständlich, dass umgekehrt im Bereich des böhmisch-mährischen Höhenzuges das Öenoman stellen- weise ganz oder doch nahezu auch mit Ausschluss des Pliners vorhanden ist. Das bezieht sich aber in den allermeisten Fällen wohl kaum auf das ursprüngliche Fehlen des letzteren an jenen Punkten, sondern erklärt sich aus der in "solchen Fällen vorgeschrittenenn Abtragung der jüngeren Schichten. Gute Beispiele Pre finden sich in der Umgebung von Boskowitz und Kunstadt. [9] Bemerkungen über das Project einer-Wasserversorgung der Stadt Brünn. 187 Berge, bei Olbersdorf östlich Landskron oder bei Tattenitz nördlich Mähr.-Trübau, oder wo es auf eine sehr dünne Lage eingeschrumpft ist, wie am Schlossberge von Rudelsdorf bei Landskron. Auf die Bedeutung dieses Umstandes hinzuweisen, wird später noch Gelegenheit sein. In dem für die vorliegende Frage in Betracht zu ziehenden Ge- biete dürfte indessen das Cenoman fast durchgängig vorhanden sein, wenn es auch einzelne wenige Localitäten gibt, an denen sein Vor- kommen zweifelhaft erscheint. Für manche Punkte indessen, an welchen es sich bisher der directen Beobachtung entzogen hat, kann als Ursache davon eine die Ausbisse dieser Schichten verbergende Bedeekung durch den von den Höhen herabgekommenen Plänerschutt angenommen werden. Das uns hier interessirende Stück der grossen eretacischen Tafel liegt nun gegen Osten, das ist z. B. gegen Krönau zu auf Schichten, die zu dem sogenannten Rothliegenden gehören, anderwärts aber, wie zwischen Lettowitz und Brüsau, sowie im Südwesten längs der Kie- tinka, auf älteren krystallinischen Schiefern, welche zumeist Hornblende- schiefer sind. Aus dieser Lagerung ergeben sich gemäss der Beschaffenheit der erwähnten Schichten hinsichtlich der Wasserführung die folgenden Verhältnisse : ; Der zuoberst liegende und die Höhen krönende Pläner ist in der Regel sehr wasserdurchlässig, was theils auf seiner Zerklüftung, theils auf der relativen Löslichkeit der ihm beigemischten Kalktheil- chen beruht. Damit hängt zusammen, dass sich stellenweise in den vom Pläner eingenommenen Gebieten sogar Anklänge an Karst- erscheinungen zeigen, wie die den Karsttriehtern ähnlichen Vertiefungen auf der Höhe des Reichenauer Berges, oder das theilweise, bezüglich bei trockeneren Zeiten gänzliche Verschwinden der Wassermengen des Baches von Strfenice nordwestlich von Zwittau, ein Verschwinden, welches nicht etwa auf der Verdunstung des betreffenden Wassers, sondern auf dem ziemlich plötzlichen Einsickern desselben in das daselbst ganz aus Plänerschichten bestehende Gebirgsinnere beruht. Damit hängt weiter zusammen der unliebsame Wassermangel, an welchem viele Ortschaften der hochgelegenen Plänergegenden trotz relativ reichlicher Niederschläge ganz direct zu leiden haben, so dass man sogar Punkte treffen kann, an welchen sich die Bewohner (auch wieder ähnlich wie im Karst) theilweise mit Cisternenwasser behelfen müssen. Die Unterlage indessen der Kreideschichten wie das Rothliegende und besonders die Hornblendeschiefer ist mehr oder weniger wasser- undurchlässig. Desgleichen sind dies die dem Cenoman in seinen tieferen Lagen vielfach eingelagerten Thone. Im Uebrigen aber sind die cenomanen Sande und Sandsteine, welche zwischen dem Pläner und dem älteren Gebirge liegen, vollkommen durchlässig und zur Aufnahme von Wasser überaus geeignet. Das aus dem Pläner nach unten durchsickernde Wasser muss sich also über der undurchlässigen Unterlage ansammeln, und dieser Umstand bedingt, dass die cenomanen Schichten in der Regel durch ebenso bedeutende Wasserführung ausgezeichnet sind, als die höher gelegenen Plänergebiete durch relative Trockenheit. Mit anderen Worten, der Pläner ist sozusagen der Lieferant !des aus den Nieder: 24* 188 Dr. E. Tietze. [10] schlägen dem Boden zugute kommenden Wassers, und zwar ein Liefe- rant, der dieses Wasser möglichst rasch loszuwerden sucht, während die darunter liegenden Schichten des Cenoman sich als gute Abnehmer jenes Lieferanten erweisen. Da nun aber die noch tiefer liegenden älteren Gesteine (wie der Hornblendeschiefer) für Wasser keine besondere Aufnahmsfähigkeit be- sitzen und deshalb eine Weitergabe der gelieferten Quantitäten nur in sehr beschränkter Weise erlauben, so müssen diese- Quantitäten dem Cenoman zum allergrössten Theil verbleiben, welches in dieser Art einen Recipienten für das Wasser zu bilden gezwungen wird. Da nun dieser Reeipient nicht hermetisch nach allen Seiten ab- geschlossen ist und ihm jährlich neue Wassermengen zugeführt werden, so müssen sich die letzteren an geeigneter Stelle einen Austritt ver- schaffen und mit diesem Umstande hängt es zusammen, dass in der Nähe der Basis der cretacischen Ablagerungen vielfach Quellen auf- treten. Desgleichen hängt mit dem Wasserreichthum des Oenomans die übrigens schon von Professor Makowsky (am 9. Juli 1896) in dem betreffenden Gutachten hervorgehobere Thatsache zusammen, dass die Bergbaue auf Kohle oder Thon, die in dem Bereiche der bespro- chenen Formation angelegt wurden, fast stets viel mit Wasser zu kämpfen hatten. Da ferner die cenomanen Sande und Sandsteine jedenfalls in hohem Grade filtrirende Eigenschaften besitzen, so wird, abgesehen davon, dass auch schon beim Durchsickern durch den Pläner eine Filtration des Niederschlagswassers bewirkt wird, die gute Qualität der aus dem Cenoman hervortretenden Quellen durchaus begreiflich. Aus dem Gesagten, soweit es sich auf die Durchlässigkeit des Pläners und auf die Undurchlässigkeit der Schichten unter der Kreide bezieht, geht übrigens auch hervor, dass in Fällen besonders starken Wasserzuflusses nach einer bestimmten Region hin und namentlich bei redueirter Mächtiekeit der cenomanen Schichten ein (Quellenaustritt auch aus den tieferen Lagen des Pläners selbst statt- finden kann. Das wird, wie ich der Deutlichkeit wegen gleich hier hin- zufügen will, besonders für den Fall denkbar sein, dass die von jenem Zufluss abhängige Höhe der im Gestein stattfindenden Wasseransamm- lung die Mächtigkeit der cenomanen Sande und Sandsteine übersteigt. Wir wollen darauf etwas später nochmals zurückkommen. Es ist bereits angedeutet worden, dass die Kreideschichten des mährisch - böhmischen Grenzgebirges trotz im Allgemeinen ziemlich flacher Lagerung nicht ohne weiteres als horizontal gelagert aufgefasst werden dürfen, dass diese Schichten vielmehr einer nachträglichen Faltung unterworfen waren, die an einigen Stellen, wo die Schichten sogar merklich geneigt sind, mehr, an anderen weniger zur Geltung gelangte. Diese Faltung, welche, nebenbei gesagt, zu einem ungefähr nordsüdlichen Streichen der Schichten geführt hat, äusserte sich in der Bildung von Schichtensätteln und Schichtenmulden. Eine solche Mulde aber haben wir im Flussgebiet der Zwittawa vor uns, wie sich das schon aus der etwas erhöhten Lage der Kreideschichten an den Rändern des betrachteten Gebirgsstückes im Osten und Westen, sowie aus dem Auftreten der sogenannten Callianassenschichten als eines fl 1] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 189 jüngeren Gesteinsgliedes in angemessener Entfernung von jenen Rän- dern ergibt !). Diese zunächst in rein geologischem Sinne muldenförmige An- ordnung des Gebirgsbaues in der betreffenden Gegend bedingt, dass das darin vorkommende Wasser oberirdisch und unterirdisch der Mul- denmitte zuströmt oder zusickert. Dort musste sich also auch ein Fluss entwickeln, der dann bei der neben jener muldenförmigen Lagerung noch bestehenden flachen südlichen Abdachung des Terrains zwischen Zwittau und Lettowitz seinen Weg nach Süden nahm. Das ist die Zwittawa. Dem oberflächlich sichtbaren Flusssystem mit seinen Verzwei- gungen entspricht hier jedenfalls auch annähernd die unterirdische Wassercireulation?) und das ist einer der Gründe, weshalb gerade die meisten und mächtigsten Quellen des ganzen fraglichen Gebietes in der Gegend der Mittelzone jener Mulde, nämlich im Zwittawathale selbst, zum Vorschein kommen. Dies ist aber besonders zwischen Musslau und Brünnlitz der Fall, das heisst also in jener Gegend, wo der von Zwittau herabkommende Fluss sich schon tief genug in die Plänerschichten eingeschnitten hat, um in die Nähe der cretacischen Basis zu kommen. Dort gerade triftt man auf jene Quellen, von welchen schon in den einleitenden Bemerkungen zu diesem Aufsatz die Rede war, und auf welche Professor Makowsky zuerst die allgemeinere Aufmerksamkeit lenkte. Unterhalb Brünnlitz gibt es dann auch noch ganz ansehnliche Quellen. Dieselben können sich aber nicht mehr so tief abwärts gegen die Thalsohle drängen, weil der Fluss sich dort schon in das Liegende der Kreide eingeschnitten hat. Die Basis der letzteren und mit dieser die natürlichen Ausflusspunkte des cenomanen Grundwassers behaupten sich dort also an den Gehängen oder in Seitenschluchten in ent- sprechender Höhe über dem Thalboden. Auch sind schliesslich die daselbst zum Austritt gelangenden Wassermassen im Ganzen schon deshalb geringer, weil die Breite des erhalten gebliebenen südlichen Stückes der besagten Kreidemulde gegen Süden zu beständig abnimmt. Bezüglich des Hervortretens der Quellen zwischen Musslau und Brünnlitz, die man nach der bedeutendsten Ortschaft in jenem Theile des Zwittawathales auch kurzweg als Quellen der Gegend von Brüsau be- zeichnen könnte, sei es gestattet, jetzt noch einige specielle Bemerkungen zu machen, die mir für das allgemeine Verständniss unseres Gebietes um so weniger überflüssig erscheinen, als es sich dabei theilweise auch um die Richtigstellung, bezüglich Einschränkung gewisser von anderer Seite aufgestellter Vermuthungen handelt. Es treten jene Quellen nämlich, gleichviel, ob sie direet im an- stehenden Gestein oder sozusagen secundär in den Bach - Alluvionen sichtbar werden, im Bereiche des Pläner zutage und nicht in dem des !) Die Verbreitung dieser letztgenannten Schichten in dem für uns in Betracht kommenden Gebiete ist im Wesentlichen auf die Umgebung der Orte Zwittau, Vierzighuben, Greifendorf und Rothmühl beschränkt, welche sozusagen im Innern dieses Gebietes liegen. 2) Eine solche Wechselbeziehung zwischen dem oberirdischen Laufe der Bäche und der Strömungsrichtung des unterirdischen Grundwassers wird, wenn schon nicht durchgängig in allen Gebirgsgegenden, so doch vielfach die Regel sein. 190 Dr. E, Tietze. 1 2] Cenomans, welches in den voranstehenden Bemerkungen doch als der hauptsächlichste Grundwasserträger des beschriebenen Gebietes hin- gestellt wurde. Wenigstens wird kein kartirender Geologe im Stande sein, das Auftreten des Cenomans oberhalb Brüsau in einer die ober- flächlich sichtbaren Verhältnisse darstellenden Karte anzugeben. Unter den am Eingange dieses Aufsatzes aufgezählten Quellen ist es in der That nur die unterhalb Brüsau und Brünnlitz befindliche Quelle von Chrostau, welche der unmittelbar sichtbaren Nachbarschaft des Cenomans theilhaftig ist. Man hat nun seitens der projectirenden Bauunternehmung jene Thatsache auch ohne Weiteres anerkannt, sobald man überhaupt auf den geologischen Unterschied zwischen Pläner und Cenoman aufmerksam geworden war. Man glaubte aber trotzdem annehmen zu dürfen, dass jene Abwesenheit des Cenoman keinem ursprünglichen Verhältniss ent- spreche. Man glaubte nämlich, dass die leichter beweglichen Sande des Cenoman an den Punkten des Quellenaustritts anfänglich vorhanden, aber später durch die Thätigkeit der Quellen selbst local fortgeschwemmt worden seien, was ein Nachsinken der bedeckenden Plänermasse zur Folge gehabt habe. Auf diesen Vorgang wurde dann auch die stellen- weise Zerklüftung des Pläners zurückgeführt. | Zu dieser Auffassung gelangte man, wie es scheint, besonders bei den nach der ersten comissionellen Verhandlung des Projectes bei Wlkow (zwischen Chrostau und Lettowitz) vorgenommenen Versuchen. Bohrungen, die einen Theil dieser Versuche bildeten, zeigten nämlich, dass das Cenoman daselbst von der Höhe des Plateaus her gegen den Thalweg der Zwittawa zu stets schwächer und schwächer wird und schliesslich nur mehr aus mit weissen Sanden durchsetzten Thonen besteht. Da nun, wie schon einigemale gesagt werden musste, in jener Gegend des Zwittawathales die ältere Unterlage der Kreide entblösst. und damit eine Verbreitungs-Grenze für die letztere her- . gestellt wird, welche im Hinblick auf die gegen das Thal gerichtete schwache Neigung der Kreideschichten zu Austritten des betreffenden Grundwasserstromes führen muss, so lag es allerdings nahe zu ver- muthen, dass nach dieser Richtung hin auch eine Abschwemmung von Material stattgefunden habe. Gegen die erwähnten Beobachtungen und ihre Deutung will ich, soweit es sich eben um die Gegend unterhalb Brüsau handelt, nichts einwenden. Nur von einer zu weit gehenden Verallgemeinerung dieser Anschauungsweise möchte ich entschieden abrathen. Es könnte nämlich gemäss der letzteren fast den Anschein gewinnen, als ob das Öenoman jener Gegenden grossentheils aus leicht beweglichen Schwimmsanden bestehen würde, was keineswegs der Fall ist. Die loseren sandigen Partien der fraglichen Schichtgruppe spielen im Bereich des böhmisch - mährischen Höhenzuges zumeist eine viel geringere Rolle als die festen Sandsteinbänke, zu denen beispielsweise der zu Mühlsteinen verarbeitete Quader von Blosdorf bei Mährisch- Trübau und der für monumentale Zwecke verwendbare Sandstein von Moletein gehören, Gesteinsbänke, die für die zerstörende Thätigkeit des - Wassers oft viel weniger angreifbar sind als der das Cenoman bedeckende Pläner. Auch würden, wenn die im Cenoman stattfindende Wasser- [13] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 191 eireulation durch Quellen so zerstörend auf diese Unterlage des Pläners wirken würde, die Fälle weniger häufig sein, in denen gerade umgekehrt der bedeckende Pläner zerstört, das Cenoman aber erhalten geblieben ist. Für die Umrandungen der verschiedenen Kreidepartien, die aus den beiden Gliedern Cenoman und Pläner bestehen, bilden diese Fälle in ganz eminenter Weise sogar die Regel und auch die früher bereits kurz erwähnten Beispiele, denen zufolge bei gewissen isolirten Kreidelappen das Cenoman ausschliesslich übrig geblieben und der Pläner ganz beseitigt erscheint, sprechen nicht dafür, dass die im Laufe der geologischen Zeiten vor sich gegangene Zerstörung der Kreide zuerst deren Basis betroffen habe. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass an gewissen theilweise bereits oben erwähnten Punkten, wie in der Gegend östlich von Landskron, jede Spur des Cenomans zwischen dem dortigen älteren Gebirge und dem davon deutlich wegfallenden Pläner fehlt, obwohl Quellen, welche eine Auswaschung der cenomanen Sande hätten bewirken können, im Hinblick auf die erwähnten Schichtenneigungen an jener Formations- grenze begreiflicherweise kanm vorkommen. Die Abwesenheit des Ceno- mans kann also in diesem Falle gewiss nicht der Ursache zugeschrieben werden, die man sich im Zwittawathale als wirksam gedacht hat. So erscheint es mir daher noch immer am natürlichsten, die Ver- schiedenheiten in der Mächtigkeit des mährisch-böhmischen Cenoman und die damit zusammenhängende und bis zum localen völligen Ver- schwinden der ganzen Ablagerung vorgeschrittene Einschrumpfung der letzteren für ein im Wesentlichen ursprüngliches Verhältniss anzu- sehen, welches schon vor dem Absatz des Pläners bestand und seinen Grund in dem litoralen Charakter der betreffenden Ablagerung findet. Dieser litorale Typus spricht sich ja auch in den bisweilen schon nach kürzeren Entfernungen eintretenden faciellen Verschiedenheiten dieses Cenomans aus, über welche an dieser Stelle zu sprechen indessen zu weit führen würde. Ich gehe bei dieser Betrachtung von der Ansicht aus, dass in derartigen Fragen die Entscheidung weniger abhängt von vereinzelten localen Beobachtungen, namentlich wenn dieselben für allgemeine Fol- gerungen nicht von völlig zwingender Natur sind, als von der Gesammtheit. der auf den Gegenstand bezüglichen Erfahrungen. Was nun aber die Nutzanwendung des Gesagten auf die Quellen der Gegend von Brüsau anlangt, so ergiebt sich, dass die blosse Existenz dieser Quellen die unmittelbare heutige (oder, im Falle seiner Aus- waschung, ehemalige) Nachbarschaft des cenomanen Grundwasser- trägers im Höhenniveau dieser Quellen nicht zur absolut nothwendigen Voraussetzung hat, so grosse Stücke man auch mit Recht auf diesen Grundwasserträger halten mag. Da man nun doch thatsächlich, wie schon früher bemerkt, oberhalb der Station Brüsau von cenomanen Bildungen im Zwittawathale nichts mehr sieht, müsste man auch im Sinne der hier nicht durchwegs zustimmend erörterten (wenn auch nicht a limine abgelehnten) Hypothese von der im Vergleich zum Pläner vor- zugsweisen Auswaschung des Oenoman annehmen, dass diese unterirdische Auswaschung sich thalaufwärts wenigstens bis zu den Musslauer Quellen erstreckt habe, die doch eirca 5 Kilometer vom Brüsauer Bahnhofe 192 Dr. 'E. Tietze. 14] entfernt sind. Das würde eine ziemlich starke Inanspruchnahme der von jener Hypothese als wirksam gedachten Kräfte bedeuten. Thalaufwärts von dem genannten Bahnhofe nehmen im Allgemeinen, je weiter man nach Norden kommt, desto jüngere Schichten des unteren turonen Pläners an der Zusammensetzung der Thalwände theil, bis die letzteren dann jenseits Musslau bei Greifendorf von den noch jüngeren Callianassenschichten gebildet werden. Da nun auch der Thalboden selbst nach dieser Richtung nicht so unmerklich ansteigt, ist es schwer denkbar, dass die oberhalb Brüsau auftretenden Quellen ihrem Niveau nach dem Cenoman direct angehören, welches im Falle seines Vor- kommens in jener Region hypsometrisch viel tiefer als der betreffende Thalboden liegen müsste. Das wurde augenscheinlich ganz übersehen. Es mag ja sein, dass diejenigen Recht haben, welche wenigstens betreffs der sogenannten Bahnhofsquellen von Brüsau an eine Unter- waschung des Pläners und an ein dadurch bedingtes Ueberschieben desselben über das darunter vorausgesetzte Cenoman denken, dem diese Quellen demnach eigentlich angehören sollen, und ich will an dieser Stelle darüber nicht rechten; für die höher gelegenen (Quellen von Musslau, Wiesen und Hinterwasser jedoch scheint es mir nach dem Gesagten unmöglich, eine derartige Hypothese ohne Ein- schränkung zuzulassen. Da muss vielmehr der oben bereits als theo- retisch möglich hingestellte Fall eines mehr oder minder directen Austrittes aus den tieferen Lagen des Pläners als zweifellos eingetreten angenommen werden. Das heisst, um Missverständnisse zu vermeiden, soviel, als dass auch die im Thale selbst aus dem sogenannten Quartär hervorkommenden Wassermengen zunächst eben aus dem Pläner in dieses Quartär gelangen. Es soll damit keineswegs gesagt sein, dass das Cenoman gerade an den genannten Punkten in der Tiefe gänzlich fehlt, obschon das theilweise wenigstens für kürzere Strecken nicht ausser dem Bereich der Möglickeit liegt, es soll demnach auch keineswegs angenommen werden, dass der Austritt jener Quellen die unmittelbare unterirdische Nähe des Grundgebirges, z. B. des Hornblendeschiefers anzeige, wohl aber dürfte das dortige, unter der Terrainoberfläche verborgene Öenoman, gleichviel, ob nun seine Mächtigkeit daselbst mehr oder weniger redueirt ist, nicht im Stande sein, den von den Seitenflügeln der Kreidemulde herabkommenden Wasserzufluss vollständig auf- zunehmen. Der bewusste Recipient, den die cenomanen Sande und Sandsteine darstellen, muss unter solchen Umständen gegen die Tiefe der Thalfurche zu zum Ueberlaufen disponiren ?). !) Diese Discussion der Vorstellungen, die sich auf die angebliche Wegspülung des Oenoman durch Quellen beziehen, wurde in dem der Stadt Brünn übermittelten (Gutachten weniger eingehend durchgeführt als hier, da es für den nächsten Zweck jenes Gutachtens nicht erforderlich schien, sich in weitgehende akademische Er- örterungen einzulassen; die Hervorhebung der wesentlichen, dabei in Betracht kommenden Gesichtspunkte konnte da genügen. Rein praktisches Interesse schien mir die genauere Erörterung der betreffenden Meinungsungleichheiten umso weniger zu besitzen, als über die Thatsache des Auftretens jener Quellen im engeren Be- reiche des Pläners an und für sich kein Zweifel bestand oder bestehen konnte und nur die geologische Auffassung der Ursache dieser Erscheinung eine etwas ver- schiedene war. [15] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 193 Da aber der Pläner, wie gezeigt wurde, eine durchlässige Bildung ist, so muss er unter dazu zwingenden hydrostatischen Verhältnissen den Eintritt des Wassers von seiner geologischen Unterlage her gerade so gestatten wie von seiner Oberfläche aus, und das auf diese Weise dem Pläner übermittelte Wasser, welches sich mit dem direct aus den zunächst benachbarten Plänerbergen der Zwittawafurche zustre- benden Wasser vereinigt, muss sich in Form von Quellen Luft machen, welche aus eben diesen Plänersehichten entspringen. Weil nun der Pläner, wie früher ebenfalls bereits gezeigt wurde, in einem gewissen leichten Grade auch zur Hervorbringung von Karst- erscheinungen geneigt ist, so erklärt sich wohl die überaus grosse Mächtiekeit einzelner der hier in Frage kommenden Quellen. Solche Quellen nämlich, welche wie die von Hinterwasser unmittelbar nach ihrer Entstehung schon eine Mühle zu treiben vermögen, kommen in der Regel nur in den zur Verkarstung geneigten Kalkgebirgen vor, welche ein unterirdisches Ansammeln des Wassers in grösseren Corridoren vor seinem Austritt gestatten !) und welche dadurch bisweilen in der reichlicheren Ausstattung der tieferen Regionen mit Wasser eine Art von Üompensation für die Wasserarmuth bieten, an welcher die höheren Partien jener Gebirge zu leiden pflegen. Die eigenste Beschaffenheit jener Quellen spricht also dafür, dass wir in ihnen keine direeten, sondern nur indirecte Ausflüsse aus dem cenomanen Grundwasser vor uns haben. ‚Damit wäre mit besonderer Rücksicht auf hydrologische Verhält- nisse die allgemeine Schilderung des Terrains erledigt, aus welchem nach den neuerdings in den Vordergrund getretenen Ansichten die . Wasserversorgung Brünns bewirkt, bezüglich vervollständigt werden soll Jedenfalls war es im Prineip ein höchst verdienstlicher und be- achtenswerther Gedanke des Herrn Professors Makowsky, als er, ‚wie oben mitgetheilt, schon vor einigen Jahren die Aufmerksamkeit auf dieses Terrain lenkte, nachdem er die Schwierigkeit, aus anderen, näher an Brünn gelegenen Gebieten geeignetes Wasser zu beschaffen zur Genüge dargethan hatte. Ob man dabei in erster Linie an Quellen oder an das die Quellen speisende Grundwasser und dessen Träger dachte, bleibt von diesem. rein prineipiellen Standpunkte aus gleichgiltig. Da handelte es sich nur darum, auf eine Region hinzuweisen, in welcher geeignetes Wasser gesucht und gefunden werden konnte. Der ursprüngliche Gedanke des Professors Makowsky, wie er ihn in der bereits erwähnten gedruckten Denkschrift näher ausführte, war aber nicht blos prineipiell, sondern auch bezüglich mancher Einzelheiten bedeutungsvoll. Aus den von dem Genannten gelieferten !) Die etwas höhere Temperatur der Hinterwasserquellen (vergl. die früher darüber gemachten Angabeu) ist möglicherweise auch ein Beweis dafür, dass ihr oberflächliches Erscheinen noch weniger als bei den übrigen Brüsauer Quelleu mit dem ganz unmittelbaren Hervortreten dieser Wassermassen aus dem geschlos- senen Gesteine zusammenfällt. Vielleicht machen sich da Einflüsse einer etwas höheren Lufttemperatur in den supponirten unterirdischen Hohlräumen geltend. Doch würden wohl zahlreicheıe Messungen der Quellentemperaturen zu sehr verschiedenen Jahreszeiten und ein entsprechender Vergleich mit gewissen Einzel- heiten der in Betracht kommenden meteorologischen Verhältnisse erforderlich sein, bevor da weitergehende Folgerungen gezogen werden dürften. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (Dr. E. Tietze) 925 1A ;: Dr. E. Tietze. [16] Angaben lässt sich berechnen, dass die daselbst bezüglich ihrer Er- giebigkeit untersuchten Quellen des Brüsauer Gebietes im Durch- schnitte ein Tagesquantum von etwa 45.000 m? Wasser zu liefern ver- möchten, wobei die reichen Quellen bei Wiesen (Petermühlquellen) noch gar nicht eingerechnet sind. Unter Berücksichtigung dieses letzteren Umstandes wird man von der Wahrheit nicht viel abweichen, wenn man die durchschnittliche Lieferungscapaeität der Quellen um Brüsau auf rund 60.000 m? täglich schätzt !). Das ist jedenfalls viel mehr, als für die Wasserversorgung Brünns in absehbarer Zeit nöthig wäre, und das Quantum, welches nach dem Makowsky’schen Pro- jecte für jenen Zweck ausreichend befunden wurde, 3200 m®, repräsen- tirte von jenem Reichthum nur einen geringen Bruchtheil, weshalb auch nur die sogenannten Bahnhofsquellen für das Projeet in Betracht gezogen wurden. Zur weiteren Illustration der Reichhaltigkeit der Quellen zwischen Musslau und Chrostau mag auch der Hinweis auf die Thatsache dienen, dass ihre gesammelte Wassermenge nach den für solche Rechnungen üblichen Voraussetzungen und in Berück- sichtigung der in jenen Gegenden fallenden Niederschlagsmengen mindestens zwei Fünftel des Wasserquantums ausmacht, welches im Flussgebiete der Zwittawa oberhalb Lettowitz für die Speisung von Quellen der Natur jährlich überhaupt zur Verfügung steht. Bei dieser Schätzung ist der Flächeninhalt jenes Flussgebietes nach einer allerdings nur rohen Bemessung auf etwa 250 [km veranschlagt worden ?). Dass auch die Qualität des Wassers jener Quellen eine sehr gute ist, geht ebenfalls aus den darüber von Professor Makowsky gemachten und weiter oben schon mitgetheilten Angaben hervor. Bedenken betreffs der Quantität oder der Qualität des Wassers der betreffenden Quellen können es also nicht gewesen sein, welche bei dem neuen Projecte des Herrn Baron Schwarz dazu geführt haben, jene Quellen für die Wasserversorgung Brünns vorläufig in zweite Linie zu stellen. Vielmehr dürften es hauptsächlich juridische Gesichtspunkte und der bereits früher erwähnte Wunsch nach mög- lichster Vermeidung wasserrechtlicher Streitigkeiten gewesen sein, welche es wünschenswerth erscheinen liessen, diese Wasserversorgung von jenen Quellen thunlichst unabhängig zu machen. So entstand die Idee, den Wasserbedarf Brünns aus einem Grund- wasserträger ganz oder theilweise zu decken, und diese Idee wurde überdies durch einige andere Erwägungen unterstützt. Vor Allem stellt ein solches Grundwasser einen constanteren Factor vor, als eine !) Diese Annahme, welche absichtlich sehr vorsichtig gemacht wurde, ist nach den neuesten Erfahrungen wohl noch zu niedrig gegriffen, da die Musslauer Quellen, bei welchen Makowsky in seiner Denkschrift die maximale Mächtigkeit auf 300 Secundenliter annahm, nach ganz neuerlichen Messungen in diesem Früh- Jahre sogar 420 Liter per Secunde lieferten. Die minimale Mächtigkeit derselben Quellen hatte Makowsky mit 175 Secundenliter beziffert, was "allerdings auf starke Schwankungen des betreffenden Wasserzuflusses deuten würde. ?) Für diese Schätzung können die späteren, das betreffende Prineip ge- nauer erläuternden Hinweise verglichen werden, welche sich auf die Abschätzung des jährlichen Grundwasserzuflusses in der Kreidezunge von Meseritschko be- ziehen werden. Im Sinne dieser Abschätzung würde der betreffende Zufluss Jähr- lich 200.000 m? Wasser per [km betragen. 1 7 Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 195 in ihren Wassermengen veränderliche Quelle; es spielt die Rolle eines Reservoirs, welches einen Ausgleich der durch die wechselnde Stärke des Wasserzuflusses bedingten Ungleichheiten gestattet. Bei der Inanspruch- nahme der Gesammtheit oder doch eines grossen Theiles der Brüsauer Quellen wäre zwar, wie aus dem vorher Gesagten erhellt, die Rück- sicht auf einen solchen Ausgleich unnöthig; da sich aber die Wasser- versorgung doch nur mit einer oder der anderen jener Quellen be- helfen würde, so fällt der angedeutete Gesichtspunkt immerhin ins Gewicht. Ausserdem ermöglicht die Heranziehung des Grundwassers in gewissen Fällen, die gerade in der fraglichen Gegend eintreten, den Gewinn einer merklichen Höhendifferenz gegenüber den in Be- tracht kommenden Quellen, was für den bei einer Gravitations- Wasser- leitung gewünschten Druck nicht zu unterschätzen ist. Gerade darauf konnte weiter oben schon hingewiesen werden. Endlich wird die Qualität des Grundwassers, welches im ge- gebenen Falle vom Cenoman getragen wird, im Allgemeinen gewiss nicht schlechter, sondern vielmehr mindestens ebensogut sein, als die von Quellen, welche vor ihrem Austritt den Pläner oder den Pläner- schutt passiren und die daher (namentlich im letzteren Falle) dem Zutritt oberflächlicher Sickerwässer ausgesetzt sind !). Da das Cenoman ganz local auch Eisenerze führt 2), ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass man bei den vorzunehmenden Aufschlüssen in dieser Formation zufällig einmal auf eine Stelle trifft, an welcher das betreffende Grundwasser etwas eisenhältiger erscheint, als vielleicht gewünscht wird. Solche Stellen werden indessen im Grossen keine Rolle spielen und die Ausschaltung der betreffenden Wässer aus dem der Leitung zuzuführenden Wasser wird voraussichtlich keine Schwierig- keit verursachen. In der Regel liefern die dem Cenoman direct entspringenden Quellen, wie z. B. das Silberwasser oberhalb Porstendorf oder die Quellen unter dem Schönhengst, ein geradezu ausgezeichnetes Wasser, worauf hier nochmals hingewiesen werden soll. Folglich ist auch die Beschaffenheit des in den cenomanen Schichten eirculirenden Grund- wassers ebenso allgemein als eine vortreffliche vorauszusetzen 3). !) Um Missverständnisse zu vermeiden sei übrigens bemerkt, dass speciell bei den Brüsauer Quellen diese Sickerwässer nicht bedenklich erscheinen, insofern daselbst besondere Ursachen der Verunreinigung des Bodens fehlen. ?®) Das ist z. B. ganz in der Nähe von Lettowitz bei der kleinen isolirten Scholle von Havirna der Fall, wo sogar ein Abbau derartiger Erze besteht. ®) Hier mag auch der Ort sein, mit einer allerdings nur ad usum Delphini gemachten Bemerkung der irrthümlichen Vorstellung entgegen zu treten, die sich bei manchen Personen an den Ausdruck Grundwasser knüpft. Namentliclı Bewohner breiter, von Flüssen durchzogener Thalböden verstehen unter Grundwasser bis- weilen das in den Alluvionen die Flüsse seitlich begleitende Wasser, welches in- soweit es von den Flüssen selbst herrührt, aber richtiger als Seihwasser bezeichnet wird (vergl. z. B. Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884, pag. 244). Die Folge dieser Ungenauigkeit des Sprachgebrauches ist, dass Mancher, wenn er von der Wasserversorgung einer Stadt durch Grundwasser hört, mit einem gewissen Schaudern an zweifelhaftes, im Untergrund eines Gebietes eingesickertes und wenig filtrirtes Flusswasser denkt. Derartige Bedenken konnte man denn auch bezüglich der in Rede stehenden Angelegenheit vernehmen, Dem gegenüber sei also ausdrücklich nochmals betont, dass man unter Grundwasser vor Allem das in den Klüften und Poren der Gesteine eirculirende oder angesammelte Wasser 25* 196 Dr. E. Tietze. [18] Ich selbst- habe daher schon im Jahre 1396, als Herr Baron Julius v. Schwarz als der derzeititige Chef der Carl Schwarz’schen Bau- unternehmung einmal die geologische Reichsanstalt besuchte, um Ein- sicht in die geologische Aufnahme des Blattes Brüsau—Gewitsch zu nehmen, das dortige Genoman als einen vorzüglichen Grundwasserträger empfohlen, indem ich dabei auf die petrographischen Verschiedenheiten der tieferen und höheren Kreidehorizonte in jener Gegend hinwies und die Bedeutung dieser Thatsachen für die betreffenden Wasserverhält- nisse hervorhob. Ich sehe nun mit Vergnügen, dass in dieser Bezie- hung unter den seither in der vorliegenden Angelegenheit zum Wort gelangten Experten volle Einigkeit herrscht. Nicht allein Baron Sch warz nämlich, der auf jenes Grundwasser bei seinem Plane reflectirte, sondern auch Professor Makowsky, der diesen Plan zuerst zur geologischen Aeusserung vorgelegt erhielt und der dabei die Vorzüge des betreffenden . Wassers, wie des cenomanen Grundwasserträgers überhaupt anerkannte, stimmen mit meiner Auffassung hier durchaus überein. Doch bemerke ich, dass mir, als ich zuerst in meinem Gespräch mit Herrn Baron Schwarz auf das Cenoman und seine Wasserführung hinwies, die Einzelheiten des betreffenden, erst später genauer ausgearbeiteten Projectes, wie namentlich die Höhe der für Brünn geforderten Wasser- mengen noch nicht bekannt waren. Die Bauunternehmung des Herrn Baron v. Schwarz hat nun vorgeschlagen, das Grundwasser des Cenoman zunächst aus dem zwischen der Zwittawa und der Kretinka gelegenen Zipfel der Kreide- formation zu entnehmen, wo sich die Angriffspunkte für eine solche Entnahme angenehmerweise noch auf mährischem Gebiet finden lassen. Die genannte Unternehmung hat auch bereits die Prineipien der technischen Modalitäten dieser Entnahme auseinandergesetzt. Auf eine Discussion dieses letzten Punktes kann ich mich hier be- greiflicherweise nicht einlassen, weil dies nicht in mein Fach schlagen würde. Man kann indessen voraussetzen, dass eine in dergleichen Dingen so erfahrene Unternehmung, wie die genannte, sicherlich die besten Mittel anwenden wird, um zu dem gewünschten Ziele zu ge- langen, und dass sie auch die Schwierigkeiten überwinden wird, welche in der projectirten Anlage längerer Stollen in einem vielfach losen Material begründet sind. Es ist da wohl erlaubt, darauf hin- zuweisen, dass in dem mährischen Cenoman vielfach Bergbau bestanden hat oder noch besteht, der ja zum Theil mit ähnlichen Schwierig- keiten sich abfinden musste und dem ausserdem noch die Bewälti- gung des Wassers als Last auferlag, welche hier den Zweck und Nutzen der vorzunehmenden Arbeit ausmacht. Während also die rein technische Seite der Angelegenheit bei dieser speciell geologischen Auseinandersetzung nicht näher beachtet zu werden braucht, ist es andererseits geboten, sich die Frage vor- zulegen, welchen Effect die vorgeschlagene Procedur im Bereich des oben erwähnten Gebirgsstückes zum Vortheil des geplanten Unter- versteht, dem die Quellen ihr Entstehen verdanken, dass also die vorzügliche Beschaffenheit gewisser Quellen einen Rückschluss auf das Grundwasser gestattet, dessen oberflächlicher Abfluss gerade diese Quellen sind, 19] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 197 gung nehmens haben könnte und ob mit den zunächst in Aussicht genom- menen Massregeln der beabsichtigte Zweck voll oder nur theilweise erreicht werden kann. Dieser Zweck ist, der Stadt Brünn vorläufig ein Quantum guten Wassers von 8000 m? täglich zuzuführen, welches Quantum nach den mir vorliegenden Berichten für die nächste Zeit dem Be- darf der Bewohner genügen würde. Da jedoch eine Vergrösserung der Stadt und ihrer Bewohnerzahl in der Zukunft zu erwarten ist, so wird beabsichtigt, die Leitung so zu dimensioniren, dass dieselbe 20.000 m® Wasser täglich zu befördern im im Stande wäre. Es ist ja auch zweifellos richtig, dass eine Wasserleitung stets mit einiger Voraussicht für die Zukunft gebaut werden soll. Dabei soll aber ge- mäss ‘den dem Projeet beigegebenen Ausführungen die bereits beste- hende Wasserleitung von Brünn (nämlich die Schreibwald-Leitung) insbesondere für den Bedarf der Industrie erhalten bleiben, was ich, wie ich vorgreifend bemerke, durchaus billige. Das erwähnte Quantum von 20.000 m? scheint enorm zu sein, wenn man es mit dem von 3200 m® vergleicht, die noch vor einigen Jahren als ausreichend galten, und es erscheint bei einer Stadt, die heute circa 100.000 Einwohner zählt, auch dann noch sehr bedeutend, wenn man es mit den Anforderungen vergleicht, welche noch vor etlichen Jahrzehnten an die Wasserversorgung gewisser Grossstädte gestellt wurden. Aus dem bekannten Bericht der Wasserversorgungs- Commission von Wien (gedruckt im Jahre 1864) ist zu ersehen (vergl. S. 10 dieses Berichtes), dass amtliche Autoritäten noch im Jahre 1860 in Paris die Menge von 180.000 m? für eine Bevölkerung von 1), Millionen Seelen „für lange Zeit hinaus als eine excessive“ ansahen, und auf ungefähr die Hälfte dieser Menge (rund 90.000 m?) schätzte die erwähnte Commission den Bedarf für Wien unter Zugrundelegung einer Bevölkerungsziffer von 1 Million Seelen. Dabei war aber nicht nur an die Bedürfnisse der Hauswirthschaft, sondern auch an das Wasser für die Bespritzung der Strassen und Gärten, für Bäder und sogar für die Industrie gedacht. Andererseits haben die Erfahrungen der letzten Zeit gelehrt, dass der Wasserbedarf, oder vielleicht besser gesagt, der Wasserverbrauch seitens der Bevölkerung von Städten sich mehr und mehr steigert, namentlich wenn durch eine moderne Was- serleitung die Zugänglichkeit des Wassers für Jedermann grösser wird, wo dann allerdings auch die Wasservergeudung eine nicht un- wesentliche Rolle spielt So liest man z. B. heute, dass in Odessa, welches gegenwärtig angeblich 380.000 Einwohner zählen soll, das dortige Wasserwerk mit einer Leistungsfähigkeit von 34.000 m® nicht mehr genügt, oder dass eine relativ nicht bedeutende Stadt wie Rust- schuk (mit ca. 30.000 Seelen) das Verlangen nach einer Trinkwasser- leitung ausspricht, welche 6000 bis 10.000 »m® täglich liefern soll !). Es mögen deshalb die heute für Brünn geforderten Quantitäten zwar !) Diese letzteren Angaben sind der allgemeinen österreichischen Ohemiker- und Techniker-Zeitung Nr. 5 (Wien, 1. März 1897) entnommen. Bezüglich Odessas ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass in dem dortigen Bedarf das Industrie- wasser inbegriffen sein dürfte, ebenso wie das nicht unbedeutende (Quantum, welches für die Versorgung der den Hafen verlassenden Schiffe gebraucht wird, 198 Dr. E. Tietze. [20] hoch, sogar sehr hoch, aber doch in Rücksicht auf die Zukunft keineswegs exorbitant hoch bemessen worden sein. Die Frage der Deckung eines grossen Erfordernisses ist aber natürlich schwieriger zu lösen, als die eines bescheideneren Bedarfes. Dass nun die geforderte Quantität aus dem Kreidegebiet der (Gegend nördlich von Lettowitz überhaupt, und zwar reichlich geliefert werden kann, ist nach Allem, was vorher gesagt wurde, unzweifelhaft, wenn wir dieses Gebiet in seiner weiteren Ausdehnung auf- fassen. Wie weit jedoch die gewünschte Menge bei localer Beschränkung der Angriffspunkte gewonnen werden kann, ohne auf gewisse Schwierig- keiten zu stossen, muss noch einer Erörterung unterzogen werden. Es wird sich wohl Niemand der Illusion hingeben, dass man mit einigen Eingriffen in die das Grundwasser führenden Ablagerungen im Stande sei, die ganze Masse des Grundwassers herbeizuziehen, welche in dem mährisch-böhmischen Kreidegebiet (soweit es eine zusammen- hängende Masse bildet) aufgestapelt ist. Es wird auch Niemand im Ernste glauben, dass dies wenigstens für den in Betracht kommenden Theil des Zwittawaflussgebietes zwischen Zwittau und Lettowitz möglich sei. An jedem einzelnen Punkte wird durch einen solchen Eingriff, wie er in der Anlage von Wasserstollen und Heberbrunnen besteht, eben immer nur ein Theil jener ganzen Grundwassermasse zum Vor- schein gebracht werden können. Wenn man also für solche Stollen- bauten, wie das die Bauunternehmung vorschlug, zunächst den süd- lichsten, zwischen der Kretinka und der Zwittawa gelegenen Zipfel der Kreideformation ins Auge fasst und das Grundwasser dieses Ge- bietes durch einige entsprechende Anlagen, z. B. bei Wlkow und bei Lazinow, anzapfen will, so ergibt sich die Frage, auf welche Wassermengen man in diesem speciellen Falle für die Entnahme zu rechnen hat. Sehen wir da vor Allem zu, welche Ausdehnung man dem be- treffenden Gebiete in Rücksicht auf seine grössere oder geringere Unabhängigkeit von der Wasserführung der benachbarten Landstriche zuerkennen darf. Es handelt sich hier, näher gesagt, um das Terrainstück, welches im Osten von der Zwittawa zwischen Brünnlitz und Meseritschko, im Südwesten von der Kretinka zwischen Bogenau und Meseritschko, im Westen durch das Thal von Heinzendorf und Bogenau und im Norden durch das Bielauer Thal zwischen Neu-Bielau und Brünnlitz begrenzt wird und welches nur im äussersten Nordwesten zwischen Neu-Bielau und Heinzendorf mit der breiten Masse des grossen Kreideplateaus ohne merkliche in den Oberflächenverhältnissen begründete Scheidung zusammenhängt. Ich will in dem Folgenden der Kürze wegen dieses Terrainstück als die Kreidezunge von Meseritschko bezeichnen, da Meseritschko der Lettowitz nächstgelegene, südlichste Punkt dieser Zunge ist. Zunächst jedoch mag es angezeigt sein, die vorgeschlagene Begrenzung dieses Gebietstheiles in Rücksicht auf die Selbstständigkeit seiner Grundwassereireulation mit einigen Worten näher zu motiviren. Da das Kretinkathal ohnehin (und zwar weit über die mährische Grenze bei Bogenau hinaus) eine der natürlichen Grenzen des ganzen grossen Kreideplateaus bildet, so ist es von vornherein klar, dass ein [21] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 199 Aufschluss im Cenoman, der bei Lazinow oder bei Porit, oder bei Bogenau gemacht werden würde, von der anderen Seite des Thales, wo sich nur gegen Kunstadt hin eine gänzlich isolirte Kreidepartie befindet, kein Wasser erhalten kann. Aehnliches gilt aber in ebenso selbstverständlicher Weise auch bezüglich der Ostgrenze der in Rede stehenden Kreidezunge, da sich das Zwittawathal unterhalb Brünnlitz, wie früher schon einmal hervorgehoben wurde, bereits in die ältere Unterlage der Kreide einschneidet. Die dort hervortretenden Horn- blendeschiefer nebst einigen anderen mit denselben verbundenen, älteren Gesteinen unterbrechen in jedem Falle den Zusammenhang der Kreide- schiehten der Zunge von Meseritschko mit der Kreidepartie, die auf der anderen Seite des Thales bei Rossrain und Mährisch-Chrostau als gesonderter Ausläufer des grossen Kreideplateaus aufzufassen ist. Ein Wasseraufschluss im Cenoman bei Wlkow oder an einem anderen Punkte des westlichen Zwittawathales unterhalb Brünnlitz kann also auf Zuflüsse von Rossrain herüber nicht berechnet sein. Da aber auch oberhalb Brünnlitz, wo die Kreide in ihrem Zusammenhange durch eine Entblössung der Hornblendeschiefer nicht mehr unterbrochen erscheint, die Zwittawa eine Tiefenlinie vorstellt, der das Wasser von beiden Seiten zuströmt, um dort einen Ausweg zu suchen und auch theilweise zu finden, so entfällt für unsere Betrachtung von vornherein überhaupt die ganze östliche Hälfte der bewussten Kreidetafel, und jede Aussicht, durch irgend welche Arbeiten im Bereich der Kreide- zunge von Meseritschko von der Ostseite der Zwittawa herüber auch nur einen Tropfen Wasser zu erhalten, wird hinfällig. Mit dem westlichen Theil der grossen Kreidetafel hängt nun allerdings unsere Kreidezunge von Meseritschko in der Gegend zwischen Bogenau, Bielau und Brünnlitz direet und ohne geologische Unter- brechung zusammen. Da nun eine schwache Abdachung der grossen Kreidetafel nach Süden angenommen werden darf, so könnte es scheinen, als ob man durch Anzapfung des Grundwassers in der be- sagten Zunge wenigstens einen grossen Theil der Wassermengen her- beiziehen könnte, welche dem ganzen, westlich der Zwittawa sich aus- breitenden Kreideplateau angehören. Das ist aber trotzdem nicht an- zunehmen. Im Sinne der schon früher gemachten Bemerkung, wonach in der fraglichen Gegend die unterirdischen Grundwasserströme den an der Oberfläche sichtbaren Wasserläufen zumeist annähernd correspondiren dürften, entsprechen auch das Thal von Heinzendorf—bogenau und namentlich das tiefer eingeschnittene Thal von Bielau solchen Grundwasserströmen, welche sich gegen die Kretinka, beziehungsweise gegen die Zwittawa bewegen, nicht aber gegen Meseritschko hin, und dadurch wird die Kreidezunge von Meseritschko bezüglich ihrer Grundwassermengen wenn nicht völlig, so doch in hohem Grade isolirt. Damit ist andererseits aber auch die Berechtigung der Grenzen er- wiesen, welche wir diesem Gebietstheil zuerkannt haben. Es handelt sich also jetzt nur mehr darum zu ermitteln, welche Wassermengen speciell in dieser Zunge dem Ingenieur zurVerfügung stehen. Diese Wassermengen hängen, abgesehen von dem Flächeninhalt des betreffenden Gebietes, selbstverständlich von der Summe der jähr- 200 | Dr. E. Tietze. [22] lich daselbst fallenden Niederschläge ab, und in dieser Beziehung macht es sich unangenehm geltend, dass mit Ausnahme der umgeben- den höheren Gebirge Mähren und Böhmen im Allgemeinen zu den weniger stark benetzten Gegenden Europas gehören, insofern sie mit 50 bis 60 cm jährlichen Niederschlages ombrometrisch so ziemlich auf eine Linie mit dem ungarischen Tieflande zu stehen kommen. Von einem Vergleich etwa mit den in dieser Richtung weitaus günstiger situirten alpinen Gebieten, wo der jährliche Regen- oder Schneefall stellenweise einer Wasserschicht von 200 cm und darüber entspricht, kann hier leider nicht die Rede sein. In seinen an das Project des Baron Schwarz anknüpfenden Aeusserungen hat Professor Makowsky nach den Berichten der meteorologischen Commission des Brünner naturforschenden Vereines die wichtigsten Daten über die uns in dem vorliegenden Falle interessiren- den Niederschläge bereits zusammengestellt. Danach beträgt die be- treffende Summe für Lettowitz 510 mm, also nur wenig mehr als in Brünn selbst, für das in der Regel eine Ziffer von 500 mm angegeben wird. In Vierzighuben bei Zwittau, das ist die Zwittawa aufwärts, steigt der Niederschlag auf 542 mm und in Bistrau, einer kleinen, dem frag- lichen Gebiete sehr benachbarten Stadt, im Quellgebiet der Kretinka wurde derselbe mit 625 mn ermittelt, was eben wieder mit der etwas reichlicheren Benetzung der zu grösserer Höhe ansteigenden Landstriche zusammenhängt. i Nach einer ungefähren Schätzung hat nun das nach den oben an- gedeuteten Einschränkungen in Betracht bleibende Terrainstück (nämlich die Kreidezunge von Meseritschko) einen Flächeninhalt von etwas über 30 km?. Nimmt man nun auf Grund der soeben mitgetheilten meteoro- logischen Angaben die jährliche Niederschlagsmenge zu '/; m Höhe (in runder Zahl) an, so ergibt das für das besprochene Terrain einen Ge- sammt-Niederschlag von 15 Millionen m? jährlich, Berücksichtigt man ferner, dass nach den für dergleichen Fälle geltenden allgemeinen An- nahmen von den Niederschlägen in unseren Gegenden nur etwa ein Drittel dem Boden verbleibt und dem Grundwasser, beziehentlich den Quellen zugute kommt, während der Rest durch directen oberirdischen Ablauf und durch Verdunstung verloren geht, so blieben nur 5 Millionen m® jährlichen Zuschusses für das abzubauende Grundwasser übrig. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass diese Menge in dem gegebenen Falle etwas zu niedrig taxirt ist. Erstens erweisen die meteorologischen Ausweise, dass die Niederschlagshöhe, die in Lettowitz allerdings wenig über !/, m beträgt, gegen Zwittau wie gegen Bistrau zu nicht unbeträchtlich ansteigt, was dem in Rede stehenden Terrainstück zweifellos zugute kommt. Zweitens ist aber nicht ausser Acht zu lassen, dass der Pläner, welcher zunächst an der Oberfläche dieses Terrains die Niederschläge auffängt, ein, wie schon öfter bemerkt, sehr durch- lässiges Gestein ist und deshalb grössere Wassermengen einsiekern lässt, als sehr viele andere Gesteine. Wir können deshalb den oben mit 5 Millionen berechneten Wasserzuschuss vielleicht ohne wesentlichen Fehler auf 6 Millionen m® jährlich erhöhen; eine weitergehende Annahme erscheint mir jedoch unzulässig. [23] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 201 Nun ist klar, dass es unmöglich ist, mit einigen Stollen die Gesammtheit dieses Quantums aus einem Gebiet von 30 km? zu gewinnen. Aus dem doch nicht hermetisch verschliessbaren Reservoir, welches von dem Cenoman dieser Regiön dargestellt wird, wird sich das Wasser immer noch andere Auswege ausserhalb jener Wasserstollen offen halten, und nicht alle, sondern höchstens einige Quellen des betreffenden Gebietes würden nach Abschluss der in Aussicht genommenen Arbeiten versiegen, bezüglich eine sehr namhafte Abnahme zeigen, wie denn ein solches Versiegen ja auch aus anderen Gründen nicht einmal wünschens- werth wäre. Man wird nämlich die von jenen Quellen abhängigen Ort- schaften doch nicht gern gänzlich auf's Trockene setzen wollen. Auch wäre, wie ich hier beifügen will, vielleicht noch zu be- denken, dass ja die unterirdischen Grundwasserströme im ÜCenoman keineswegs ein völlig frei fliessendes Wasser vorstellen, dessen Zufluss nach einigen bestimmten Punkten hin durch stärkere Wasserentnahme daselbst beliebig, d. h. dem Bedarf entsprechend, beschleunigt werden könnte. Solch ein Grundwasserstrom ist jedenfalls in der Regel nur in langsamer Bewegung und so zu sagen einer zähflüssigen Masse ver- gleichbar ; die Drainage eines grösseren, in der projectirten Weise durch Stollen angezapften Gebietes wird deshalb schwerlich eine vollständige sein, wenn sie eben nicht an relativ zahlreichen Stellen gleichzeitig” in Angriff genommen wird. Man wird also von jenen 6 Millionen auf die Dauer durch die projectirten Stollen und Heberbrunnen bei Wlkow, Lazinow und eventuell bei Bogenau vielleicht nur 2 oder höchstens 2!/, Millionen m? jährlichen Wassers zu gewinnen im Stande sein. Jedenfalls ist es rathsam, bei dergleichen Dingen nicht allzu sanguinisch zu denken. Ich sage dabei absichtlich „auf die Dauer,* weil die Sachlage im Anfang sich anders verhält als später. Im Anfang hat man das ganze natürliche Reservoir zur Verfügung, welches von den wasser- führenden Cenomanschichten des betrefienden Gebietes gebildet wird; später verfügt man immer nur über den jährlichen ergänzenden Zufluss, der aus den Niederschlägen resultirt. Jenes Reservoir über das Mass dieses Zuflusses oder dieser Ergänzung anzuzapfen, wäre aber dem Vorgehen jemandes vergleichbar, der sein Capital angreift, statt sich mit seinen Ausgaben auf seine jährlichen Bezüge zu beschränken. Davon darf ernstlich doch nicht die Rede sein. Vergleichen wir jetzt die in den vorstehenden Betrachtungen abgeschätzte Leistungsfähigkeit des Grundwasserträgers in der Kreide- zunge von Meseritschko mit den für die Wasserversorgung Brünns als wünschenswerth bezeichneten Quantitäten. Die 20.000 m® Wasser täglich, welche das Erforderniss der späteren Zukunft vorstellen und welche den Massstab für die dem Leitungswerk zu verleihenden Dimensionen abgeben, repräsentiren in runder Summe eine Menge von 7 Millionen m® jährlich. Das ist schon etwas mehr, als der natürliche jährliche Zufluss von 6 Millionen des Grundwassers in dem fraglichen Terrainstück überhaupt beträgt. Von diesem Zufluss wurden aber nur 2 bis 2!/, Millionen als thatsächlich gewinnbar oder verfügbar angenommen. Da nun für die erste Zeit und für das gegenwärtige Bedürfniss Brünns nur 8000 m® täglich als Jahrbuch d. k. k geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. (Dr. E. Tietze.) 26 202 Dr. E. Tietze. [24] nöthig angesehen werden, was einer jährlichen Wassermenge von 2,900.000 m? entspricht, so ergibt sich, dass man durch die im Bereich der Kreidezunge von Meseritschko geplanten Eingriffe bei Wlkow, Lazinow und eventuell bei Bogenau zusammen ein Quantum erzielen könnte, welches knapp das anfängliche Bedürfniss zu decken vermag, wenn man nämlich den neueren Ansichten über den Wasserverbrauch der Bevölkerung sich anschliessen will. Das wäre immerhin ein Gewinn, und man hätte zu einer rationellen Wasserversorgung der Stadt wenigstens einen guten Anfang gemacht. In wasserrechtlicher Beziehung hätte man bei diesem Anfang . voraussichtlich keine besonders schwierigen Verhältnisse zu überwinden. Namentlich könnten diejenigen, die etwa durch früher besessene Rechte an dem intacten Bestande der Quellen der Gegend um Brüsau interessirt sind, gegen eine Entnahme von Grundwasser aus der Kreidezunge von Meseritschko keine sachlich begründeten Einwände erheben, selbst wenn nach dem Gesetz das entnommene Grundwasser nicht ohnehin als Wasserüberschuss gelten würde. Denn auf das Speisungsgebiet jener Quellen hat nach dem früher Gesagten die Wasserbewegung in jener Kreidezunge keinen wesentlichen Einfluss. Es erwächst aus dieser Erwägung also ‘wenigstens die Hoffnung, dass durch die Inangriffnahme der entsprechenden Arbeiten bei WIkow oder an anderen Punkten der bewussten Kreidezunge keine Rechtslage geschaffen wird, welche den Beginn des Betriebes der neuen Wasser- leitung wesentlich verzögert. Es entsteht aber gleichzeitig die Frage, in welcher Weise später weitere Wassermengen zur Completirung des in der angegebenen Weise beschafiten Quantums herbeigezogen werden können. Da läge es nahe, zuerst an die Brüsauer Bahnhofsquellen zu denken, welche, wenn ich die mir darüber vorliegenden Mittheilungen richtig verstehe, der Stadt Brünn ohne sehr belangreiche Opfer zur Verfügung stehen würden, und die allein im Stande wären, reichlich die Hälfte des diesmal für die Zukunft präliminirten Gesammt- erfordernisses zu liefern. Professor Makowsky berechnet ja in seiner gedruckten Denkschrift die Ergiebigkeit dieser Quellen im Maximum mit 15.200 und im Minimum mit 10.900 m® pro Tag. Selbst nach Abzug eines kleineren Quantums für gewisse, vermuthlich schon jetzt aus jenen Quellen.zu deckende, locale Erfordernisse gäbe das zusammen mit der aus der Kreidezunge von Meseritschko zu gewinnenden Wasser- menge beinahe schon die Deckung für den ganzen Zukunftsbedarf, namentlich wenn man für gewisse Öffentliche Zwecke, wie Strassen- und Gartenbespritzung, nicht auf die neue Wasserleitung reflectiren, sondern die Befriedigung dieser Bedürfnisse der alten, schon bestehenden Wasserleitung überlassen wollte. Ich muss es indessen den . Technikern anheimstellen, zu entscheiden, ob und inwieweit eine Combination der Grundwasserleitung aus dem Cenoman der Kreidezunge von Meseritschko mit einer Quellenleitung von Brüsau her in Rücksicht auf die grössere Entfernung und die etwas niedrigere Höhenlage der Brüsauer Quellen bequem und vortheilhaft zu bewerkstelligen wäre. Man kann übrigens auch versuchen, den Lappen der Kreide- formation, welcher östlich der Zwittawa unterhalb Brüsau vorhanden [25] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 203 ist, in derselben Weise anzugehen, wie man die Kreidezunge von Meseritschko anzugehen beabsichtigt. Dieser Lappen reicht nicht so- weit nach Süden, wie die Kreidezunge von Meseritschko; sein süd- liehster Punkt befindet sieh bei der Ortschaft Skrzip, wie das weiter oben schon einmal auseinandergesetzt wurde. Durch den obersten Theil des Zawadilkathales bei Deschna wird dieser Lappen überdies an seiner Südostgrenze in zwei Theile zerschnitten. Das zwischen Rauden und Mährisch - Chrostau verlaufende Thal des Chrostauer Baches spielt nun für die Begrenzung dieses Kreidelappens ungefähr dieselbe Rolle, wie das Bielauer Thal für die Kreidezunge von Mese- ritschko. Im Norden nehme ich den Mittelberge bei Rauden als äusserste Grenze für das fragliche Terrainstück an, weil jenseits des Mittel- berges die Gewässer schon dem Thale von Ober-Heinzendorf zuströmen. Auf diese Weise stellt sich der Flächeninhalt dieser östlichen Kreide- partie, soweit sie für den erwähnten Versuch in Beträcht käme, als etwas kleiner heraus als der des Kreidelappens von Meseritschko und dürfte auf nicht mehr als 20 [km geschätzt werden. Legen wir nun für die Berechnung des aus diesem Terrain zu gewinnenden Wasserquantums bezüglich des aus den Niederschlägen und der Durchlässigkeit des Pläners resultirenden Grundwasserzu- flusses dieselben Voraussetzungen zu Grunde, wie wir sie bei der Kreide- zunge von Meseritschko in Anwendung gebracht haben, so ergibt sich, dass der natürliche Zufluss hier jährlich auf 4,000.000 m® berechnet, die gewinnbare Wassermenge aber auf rund 1,700.000 »n? angenommen werden kann, so dass es durchaus nicht rationell wäre, auf viel mehr als 5000 m® täglich aus dem fraglichen Gebiet zu zählen, wenn man dasselbe bei Rossrain, Mährisch-Chrostau oder Deschna anzapfen wollte. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass mir Deschna als ein für den Erfolg einer solehen Anzapfung besonders günstiger Punkt erscheint, weil das dort entspringende Thal der Zawadilka jedenfalls auf einen wichtigen Grundwasserstrom hinweist. Es zeigt sich also, dass man durch die in dem neuen Project vorgesehenen Anlagen im cenomanen Grundwassergebiet der südlichsten Zipfel des grossen Kreidegebietes von Zwittau und Brüsau dem Wasserbedürfniss der Stadt Brünn für eine Reihe von Jahren würde entsprechen können. Aber es zeigt sich auch, dass man die ganze Grösse des für eine fernere Zukunft präliminirten Bedarfes von 20.000 m? täglich auf diesem Wege und ohne eine wenigstens partielle Zuhilfenahme des Brüsauer Quellgebietes nicht als gedeckt ansehen darf, wenn man einigermassen vorsichtig rechnet, und dass soll man ja thun. Ergibt das thatsächlich ausgeführte Experiment mehr als die hier angestellte Rechnung, so kann man sich ja darüber freuen. Vorläufig aber halte ich die früher erwähnten knappen 8000 m? täglich aus der Kreide- zunge von Meseritschko und die zuletzt herausgerechneten 5000 m? aus dem gespaltenen Kreidezipfel von Rossrain und Deschna für das Maximum der in diesen südlichsten Ausläufern der Kreide zu machenden Wasserausbeute, die in Summe also nicht mehr als 13.000 m® betragen würde). 1) Die betreffenden Ziffern sind z. Thl. sogar etwas nach oben abgerundet worden. 26* 204 Dr. E. Tietze. [26] Nach den dem Project beigegebenen Tabellen würde das unge- fähr dem im Jahre 1920 vorauszusetzenden Bedürfniss entsprechen, wenn das Qualitätswasser auch für communale Zwecke herhalten soll. Ohne die letztere Bedingung würde man damit wahrscheinlich noch bis zum Jahre 1940 das Auslangen finden. Will man sich nun mit den genannten (Quantitäten begnügen, dann ist‘ es nicht nöthig, die Wasserleitung für eine Zufuhr von 20.000 m? täglich einzurichten ; will man jedoch rationellerweise jetzt schon der künftigen grösseren Entwicklung der Stadt Rechnung tragen, dann ist es geboten, den Blick über die fraglichen Kreidezipfel hinaus etwas weiter nach Norden zu richten. Dann weisen die Verhält- nisse schlieslich doch wieder auf die@egend der oberen Zwittawa bei Brüsau hin. Dort würde man entweder direct auf die betreffenden Quellen zu reflectiren oder wieder durch Eingriffe in den Grundwasserträger das nöthige Quantum zu gewinnen haben. Inwieweit im letzteren Falle wasserrechtliche Schwierigkeiten ganz vermieden werden könnten, bin ich nicht berufen zu sagen. Vom geologischen Standpunkte aus müsste nämlich berücksichtigt werden, dass solche Eingriffe für das Verhalten der betreffenden Quellen nicht absolut gleichgiltig bleiben würden. Jedenfalls aber wären jene juridischen Schwierigkeiten geringer als bei einer direeten Inanspruchnahme der Quellen selbst. Wenn es sich dann ausserdem nur um einen relativ unbedeutenden Theilbetrag des ganzen Erfordernisses handeln würde, so käme das für die Reich- haltigkeit der Quellen im Ganzen nicht viel in Betracht und könnte höchstens je nach der Localität, an der der Eingriff geschieht, für die eine oder andere jener Quellen von einigem Belang sein. Es ist wahrscheinlich, dass schon ein Eingriff in den Grund- wasserträger auf der nördlichen Seite des Chrostauer Baches (etwa an den Abhängen des Fiebigsberges) ein ausreichendes Resultat haben würde, welches allerdings theilweise auf Kosten der Ergiebigkeit der Chrostauer Quelle und der Brüsauer Bahnhofsquellen erzielt werden dürfte. Andere Quellen, wie die von Hinterwasser oder Musslau, würden unter diesem Eingriff sicher noch nichts zu leiden haben. Weitere Einzelheiten und Möglichkeiten in dieser oder ähnlicher Richtung zu besprechen, würde indessen über den Rahmen meines Themas binausgehen. Das mag den Sachverständigen der Zukunft vor- behalten bleiben, welche sich mit den bei solchen Fällen eventuell auf- tauchenden Rechtsfragen werden abzufinden haben. Zum Schlusse sei es mir nun gestattet, die wichtigsten der in der voranstehenden Auseinandersetzung gewonnenen Gesichtspunkte in Rück- sicht auf die von dem wohllöhlichen Bürgermeisteramte mir vorgelegte einzige Hauptfrage nochmals kurz zusammenzufassen. Diese Frage ging dahin, „ob und inwieweit das nach den Vor- schlägen der Bauunternehmung des Herrn Varl Freiherrn v. Schwarz in Aussicht genommene Gebiet in geologischer Beziehung die Gewähr bietet, dass die den Projeetsentwicklungen zu Grunde gelegten Wasser- quantitäten stets und verlässlich zur Verfügung stehen werden?* Da- rauf lässt sich das Folgende antworten: [27] Bemerkungen über das Project einer Wasserversorgung der Stadt Brünn. 205 1. Das Kreidegebiet südlich von der Brüsauer Quellengegend, das ist südlich von den Einmündungen des Bielauer Baches und des Chrostauer Baches in die Zwittawa, enthält, wenn man beide Seiten des Zwittawathales berücksichtigt, zwar genügend Grundwasser und einen mehr als genügenden jährlichen Grundwasserzufluss, um dem angenommenen Zukunftserforderniss von 20.000 »n® täglich in reichem Masse zu entsprechen, sofern man den blossen Thatbestand der natür- lichen Wasserführung in Betracht zieht; allein es ist nicht als wahr- scheinlich vorauszusetzen, dass man durch die vorgeschlagenen Anlagen, das ist durch die Anzapfung jener Wassermassen an einigen wenigen Stellen die Ableitung der Hauptmasse jenes Zuflusses vollständig er- reichen wird, und es kann vorsichtshalber nicht angenommen werden, dass man im Maximum und auf die Dauer mehr als die kleinere Hälfte jenes oben auf rund 10 Millionen m? jährlich veranschlagten Zuflusses!) wird abbauen können. 2. Da nun aber diese kleinere Hälfte des jährlichen Grund- wasserzuflusses nahezu zwei Drittel des gesammten Zukunftserforder- nisses von 7 Millionen m? jährlich ergibt, so würde mit einem solchen Abbau das nächste Bedürfniss der Brünner Wasserversorgung für eine Reihe von Jahren zu decken sein und dieser Abbau böte den Vortheil, das Werk ohne wesentliche Hindernisse bald in Angriff nehmen zu können. Man würde dann auch sehen, inwieweit die gemachten Voraussetzungen etwa zu vorsichtig waren, oder ob die zu gewinnenden Erfahrungen eine grössere Leistungsfähigkeit der betreffenden Anlagen hoffen lassen. 3. Insofern aber Hoffnungen und blosse Möglichkeiten aus einer Berechnung ausgeschaltet werden sollen, wird es für Jie Zukunft wünschenswerth sein, auch auf das Brüsauer Quellengebiet zu reflec- tiren, sei es durch die directe Einbeziehung eines Theiles jener Quellen in die Wasserleitung, sei es durch ähnliche Anzapfungen des Grund- wasserträgers, wie sie für die Gegend südlich von jenen Quellen in Aussicht genommen sind. 4. Aus dem Gesagten erhellt in Uebereinstimmung mit dem Vorschlage der Bauunternehmung die Nothwendigkeit, die bereits be- stehende Wasserleitung aufrecht zu erhalten, und es darf als wünschens- werth bezeichnet werden, wenigstens für die erste Zeit der Activirung des neuen Unternehmens dieser bereits bestehenden Wasserleitung auch die Deckung des Wasserbedarfes für communale Zwecke anzuver- trauen, um in anderer Hinsicht mehr Spielraum zu haben und bei- spielsweise im Hinblick auf die bei der allmäligen Weiterentwicklung des Werkes eventuell nothwendig werdenden wasserrechtlichen Ab- machungen nicht vor Zwangslagen gestellt zu werden. Mit dieser Darlegung glaube ich, dem Verlangen nach einer un- parteiischen Aeusserung über das vorgelegte Project nach bestem Wissen entsprochen zu haben. Nur wenige Bemerkungen sind es, die ich «dieser Aeusserung heute bei deren Veröffentlichung noch hinzufügen will. !) Für die Kreidezunge von Meseritschko wurden 6 und für das Gebiet um Deschna 4 Millionen berechnet, wie ich hier kurz recapitulire. 206 Dr. E. Tietze. [28] Es ist ja möglich, dass die im Vorstehenden diseutirten Vor- schläge des Herrn Baron Schwarz nicht oder nur theilweise zur Ausführung gelangen, und es ist denkbar, dass gerade das obige Gut- achten dazu führt, jene Vorschläge, soweit sie sich auf die Entnahme des Grundwassers aus der fraglichen Gegend beziehen, abzulehnen, denn ich habe dieselben zwar mit der gebührenden Werthschätzung, ich möchte hinzufügen sogar mit Wohlwollen, besprochen, konnte jedoch andererseits den Hinweis auf gewisse Unzukömmlichkeiten, bezüglich Unzulänglichkeiten, besonders hinsichtlich der gewünschten Quantitäten nicht vermeiden. Wer kann da wissen, wie schwer solche Hinweise bei der Abwägung der Schwierigkeiten des vorliegenden Problems seitens derer ins Gewicht fallen, denen es obliegt, aus den verschieden- artigen, den Gegenstand betreffenden Ermittlungen gleichsam die Re- sultante zu ziehen! Eine solche Abwägung der verschiedenen hier in Frage kummenden Interessen, eine genaue Abschätzung jener Unzulänglichkeiten im Ver- gleich mit Vortheilen oder Nachtheilen, welche auf nicht geologischem Gebiete bei der Durchführung der bewussten Vorschläge sich ergeben könnten, war jedenfalls nicht meine Sache. Vor Allem aber bitte ich den Leser, bei der Beurtheilung der voranstehenden Darlegungen im Auge zu behalten, dass es nicht in der mir gestellten Aufgabe lag, einen neuen selbstständigen Vorschlag zu machen, dass diese Aufgabe vielmehr durchaus eine eng umschriebene war und sich eben nur auf die Kritik des mir zur Ansicht vorgelegten Projeetes bezog. Ein solcher neuer Vorschlag konnte von mir nur als ferner liegender Eventualfall betrachtet und deshalb auch nur in allgemeinen Umrissen angedeutet werden. An dieser Andeutung freilich habe ich es nicht fehlen lassen. denn wie ein rother Faden zieht sich durch meine Aus- führungen der Hinweis auf die Bedeutung der Brüsauer Quellen, und zwar nicht überall im Sinne einer blos platonischen Erwähnung. Ein absolut neuer Gesichtspunkt wird damit allerdings nicht aufgestellt, denn im Prineip handelt es sich dabei nur um die ursprüngliche Idee Makowsky’s, die ja in veränderter Form immer wieder aufgegriffen werden kann. Sollten also die vorgenommenen Untersuchungen nebst den Ergebnissen meiner obigen Darstellung bei den massgebenden Factoren zu Bedenken gegen die Entnahme des cenomanen Grundwassers im vorliegenden Falle führen, dann würde sich derjenige sicher ein Verdienst erwerben, der einen geeigneten Weg zu zeigen wüsste für die Beseitigung der wirklichen oder vermeintlichen Schwierigkeiten, die einer rationellen Ausnützung des Brüsauer Quellgebietes noch vor Kurzem entgegen zu stehen schienen. Jedenfalls darf man wünschen, dass die Frage der Wasserver- sorgung von Brünn auf Grund der verschiedenen, zu diesem Behufe sei es bereits gemachten, sei es für die nächste Zeit in Aussicht ge- nommenen technischen, juridischen, geologischen und finanziellen Vor- studien baldigst so weit gefördert werde, als nöthig ist, um sie noch im Verlauf der nächsten Jahre aus dem Stadium der Vorberathungen heraus in das der thatsächlichen Lösung zu bringen. Tafel 1. Ueber zwei neue Brachiopoden aus dem Lias und der Gosau- kreide von Salzburg. Erklärung zu Tafel 1. Fig. 1—6. Koninckodonta Kastneri n. sp. — Fig. 1 ein loses Exemplar in natür- licher Grösse und vergrössert in vier Ansichten; Fig. 2 Exemplar mit sichtbar gemachter Seitenverdickung in zwei vergrösserten An- sichten (rechts Abdruck der kleinen Klappe auf dem Gestein mit etwas zu stark wiedergegebener Anwachsstreifung); Fig. 3 das grösste, bisher bekannte Exemplar dieser Art in vier Ansichten in natürlicher Grösse; Fig. 4 und 5 vier Schliffe vom Wirbel her nach den alphabetischen Buchstaben geordnet, um die Verschlussschwielen im Durchschnitte zu zeigen; Fig. 6 ein Schliff durch ein anderes Exemplar weiter vom Wirbel entfernt als der Schliff 5d; die Schliffiguren sämmtlich in zweifacher Grösse. Fig. 7—24. Terebratula (Kingena?) Caroli magni nov. spec., und zwar Fig. 7—17 nach Exemplaren von Morzg, Fig. 18-22 nach Exemplaren von Glaneck, Fig. 23 nach einem Stücke vom Gersberg (Gaisberg), Fig. 24 von Wolfschwang. Die Exemplare von Morzg sind theils Schalenexemplare, theils (Fig. 12 und 13) Steinkerne, bei letzteren ist das Septum sichtbar; Fig. 14 ein Steinkern mit Septum und Zahnstützen; Fig. 15 ein Schliff durch die höchste Stelle des Sep- tums; Fig. 16 das freigelegte Septum der kleinen Klappe; Fig. 17 ein Schliff von der kleinen Klappe her, mit der Verbindungsstelle des Septums mit der Armschleife; Fig. 18 ein schönes Schalen- exemplar mit wohlerhaltenem Schnabel, Fig. 19 und 20 Steinkerne von Glaneck; Fig. 21 Schalenstruetur der Aussenfläche, Fig. 22 Schalenstructur des Innern der Schale, stark vergrössert; Fig. 23 ein Steinkern vom Gersberg, stark vorgezogen an der Stirn; Fig. 24 das Exemplar vom Wolfschwang mit deprimirter Stirn und Andeu- tungen feiner radialer Berippung (vergl. übrigens auch Fig. 8 von Morzg wegen der deprimirten Stirn )). Fig. 25, 26,27 das Zahnstützensystem der sogenannten „Kingena lima“* von Salz- gitter nach drei verschiedenen Exemplaren dieser Art; Fig. 25 An- sicht von der Oberseite des Schnabels (Steinkern); Fig. 26 und 27 der Schnabel von der kleinen Klappe her angeschliffen. Zum Ver- gleiche mit Fig. 14. Die Originale zu den Fig. 2, 23 und 24 befinden sich in dem Salzburger Museum Carolino-Augusteum, zu allen übrigen in der Sammlung der k. k. geol. Reichsanstalt in Wien. | A.Bittrier : Brachiopoden aus Salzburg. 2. IR Swoboda n.dNat gez.ulith. Lith.Anst v. Th Bannwarfh Wien. Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt. Band XIVIll.1898. Verlag der kk.Beologischen Reichsanstalt.Wien‚Ill.Rasumoffskygasse 23. % . = } - u ' r E - k 2 > D . Ve, A FE KTZ X L - E “ > “ ce 2 ß j t- e i m se ar ; PR Lo To Fre ae nt, ä } ; 5@ & 2 “ DR “ r & y y [4 5 [0 . } e J Tafel II. Quartär (Alluvial- und Diluvial-Bildungen) Jüngere Tertiärbildungen des inner- und j f ; AP) £ S A ausser-alpinen Wienerbeckens, Kohlenabla- Neogen gerungen bei Neulengbach und Starzing Alttertiäre Wienersandsteine, Greifen- steiner Nummulitensandstein, Orbitoiden führende Sandsteine Palaeogen Inoceramen führende Sandsteine und Mergel (Muntigler Flysch), hydraulische Kalkmergel, Hauptlager der Flyschfucoi- den, Aquivalente der Niernthaler Schichten, Gosaubildungen Sandsteine, Fleckenmergel, Hormnsteine PS (vielleicht inclusive der Mittelkreide) Unterkreide As Be BR ori lee ae Formationsglieder vom Jura abwärts Geologische Übersichtskarte des WIENERWALDES von C. M. Paul nach eigenen, in den Jahren 1893—1896 durchgeführten Neuaufnahmen. Alle Rechte vorbehalten ! Mafsstab 1:200.000 d.N.oder Icm- 2km_ Ausgeführt im k. und k. militär-geographischen Institute F 4 3 2 1 0 5 10 ıskm. L. 1 L Fo So a 2719 s000 1000 15000 20000 Schritte Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Band XLVIH, 1898. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III., Rasumoffskygasse 23. } i j) | Tafel Ill. Der Wienerwald. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 1. Heft. 27 Erklärung zu Tafel III. . Aus dem westlichsten Steinbruch in Greifenstein, südlich von der Station. Helminthopsis. Vergleiche: Helminthoida helminthopsoidea Sacco. Artegno, Eocän. — Dott. Frederico Sacco: Note di Paleoienologia italiana. Milano 1888, pag. 32, Taf. II, Fig. 7. Im ersten Steinbruche unterhalb des unteren Wirthshauses in Greifen- stein, unweit der Dampfschiffstation. Troppberg bei Gablitz. Wanuer coil. Nr. 84, 1890. — K. k. naturh. Hofmuseum. Kritzendorf, Dritter Steinbruch an dem Donaugelände D. 2222, 1884. Coll. Kittl. — K. k. naturh. Hofmuseum. Troppberg, Steinbruch bei Gablitz. Wanner coll. Nr. 84, 1890. — K.k. naturh. Hofmuseum (auf derselben Platte mit Fig. 3 dieser Tafel). Paleodietyon. Vergleiche: Paleodietyon sp. Saeco. Stampiano; Gron- dona. — Dott. Frederico Sacco: Note di Paleoienologia italiana. Milano 1880, pag. 13, Taf. I, Fig. 1. C. M. Paul: Der Wienerwald. Taf. TII. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. XLVIIl, 1898. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, III, Rasumoffskygasse 23. u v ı% a E3 ER RETTET Erklärung zu Tafel IV. Fig. 1. Steinbruch im Poppenwalde, westlich von Gugging, südlich von St. Andrä bei Greifenstein. Coll. Kittl, 1888. — K. k. naturh. Hofmuseum. Paleodictyon. Vergleiche: Paleodietyon majus Meneg. Buttrio, Eocän. — Dott. Frederico Sacco: Note di Paleoienologia italiana. Milano, 1888, pag. 9, Taf. I, Fig. 7—11. Fig. 2. Friedrich’s Steinbruch im Poppenwalde, westlich bei Gugging, südöst- lich von St. Andrä-Wördern bei Greifenstein. Coll. Kittl, 1888. Phyliochorda. Vergleiche: Phyllochorda sinuosa Ludw. sp. Zittel, Schimper und Schenk, Handbuch der Palaeontologie, II. Abth., Palaeophytologie, pag. 50, Fig. 38. Fig. 3. Schleifsteinbruch von Kierling, im Gehänge des Sonnberges zwischen Kierling und Hadersfeld, südlich von Greifenstein. Phyllochorda. Vergleiche das Citat zu der vorhergehenden Figur. C. M. Paul: Der Wienerwald. Taf. IV. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. XLVIll, 1898. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, IIl., Rasumoflskygasse 23. Ast er E AHLEN RR} 5 & “4 b3 F: 7} "z r vr Fig. 2 Fig. 3 Erklärung zu Tafel V. Höflein, Holitzer’s Steinbruch.‘ Coll. Fuchs, 1880. — K. k. naturh. Hofmuseum. Ceratophyeus. Vergleiche: Ceratophyceus Sch. Zittel: Handbuch der Palaeontologie, II, pag. 59. — Münsteria bicornis Heer. Flora fossilis helv., pag. 165, Taf. XLVI, Fig. 1, 6 und 2. Im Flysch. — Münsteria bicornis Heer. Dott. Frederico Sacco: Note di Paleoicnologia italiana. Milano 1888, pag. 21, Taf. III, Fig. 4 und 12. — Münsteria involutissima Sacco. — Ibidem pag. 20, Taf. II, Fig. 14. Steinbruch an der Strasse östlich vom Kreuz, westlich bei Gugging. Im ersten Steinbruche unterhalb des unteren Wirthshauses in Greifen- stein, unweit der Dampfschiffstation. Ce. M. Paul: Der Wienerwald, a TE a ET ee ne Taf. V. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. XLVIll, 1898. Verlag der k. k. geologischen Reichsaustalt, III, Rasumoffskygasse 23. ’ z 2 ie % r y ei = da x . M " * Pr Be PER RL ob Der $ er , Le « EL Met a en ueli, . r are ) - £) RR e. 2 0 | er) nz un h - + - Rn bs I - > f en Rh 4 ” ‚ ur e B » 1 ‚1 AS S War, \ Wer ' iz e LH“ ri; +3 v9 { Pe > f uf * Mr | \ j Ü & . 0 N Y \ [1 u a } 4 ‘ = i « hl 5 ! 1 .. th. j Gr ud ö ai . nz - : - - ’ IR er J E ib 1 , ae" . - u “ “ * & „es A ” f / ai ‚ ° » f Z n p] Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Erklärung zu Tafel VI. Im ersten Steinbruche unterhalb des unteren Wirthshauses in Greifen- stein, unweit der Dampfschiffstation. Höflein, Holitzer’s Steinbruch. Coll. Fuchs. 1888. — K. k. naturh. Hofmuseum. Schleifsteinbruch von Kierling, im Gehänge des Sonnberges zwischen Kier- ling und Hadersfeld, südöstlich von Greifenstein. Steinbruch an der Strasse östlich vom Kreuz, westlich bei Gugging. C. M. Paul: Der Wienerwald. a Taf. VI. Su N 7 N‘ Fr € 0} SR x EN ST RRNENARN Fig. 3. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. XLVIll, 1898. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, III., Rasumofiskygasse 23. 7 = { { I B Pa Yy Er > NT u u RN: j“ Mr a BEE De ev PO Sn " —— a DR s } r ‚ & j j F } } ® v j u R Fi ee Heft 1. Te Ueber zwei neue Va aus dein Lias Kin % BIS di von # Salzburg. Von A. Bittner. Mit einer ‚lithographirten Tafel u 2 er Br ‚die Geologie des Quellgebi ietes der Dimbovieioara ' Von. Jon Simion eseu Mit 4 Zäukotypien im Text ERS mtniss der uordalpinen Fly c Der Wienerwald. Ein Beitrag En ‚bildungen. Von O, M. Paul. Mit . Farbendruck (Taf. Nr m, ek Tex z a er 5 NB. Die a i at dich, am I. September 18.00. | KAISERLICH-KÖNIGLICHEN Bee | ee ee HRGANG 1898. XLVIL. BAND. en SE TRIER. 2 BER =.’ wien, 1898.» | | ä Verlag. derk. k. Geologischen Reichsanstalt. mmission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung, | | SEE | ‚ I.,.Graben 31. = € EISEN TR BE Kar | 3 i at Die Silurformation im östlichen Böhmen‘). Von Dr. Jaroslav J. Jahn. Im Eisengebirge?) befinden sich Schichten, die bereits seit A. E. Reuss’ Zeiten als palaeozoisch angesprochen werden. Sie bilden hier im Gebiete des Archaeischen zwei grössere, zusammen- hängende und einige kleinere Inseln. Das eine von diesen Hauptgebieten liest im nordwestlichen Theile des Eisengebirges. Es beginnt am nördlichen Rande des Nassa- berger Granitmassives, erstreckt sich in nordwestlicher Richtung gegen Elbeteinitz hin, wo es mit seiner archaeischen Unterlage unter die jüngeren Sedimente der Elbthalebene einfällt. Das zweite, grössere Depöt von palaeozoischen Ablagerungen umfasst einen länglichen, fast elliptischen Raum zwischen dem süd- östlichen Rande des erwähnten Granitmassives und dem nordwestlichen Rande des grossen Gneissgebietes, in dessen Mitte Svratka gelegen ist. Die Ausdehnung dieser palaeozoischen Ablagerungen des Eisen- gebirges, sowie der genannten kleineren Inseln ist auf der VI. Section der geologischen Karte Böhmens von Krej&t?), auf die ich hin- weise, übersichtlich dargestellt. Diese gegenwärtig in mehrere Inseln getrennten palaeozoischen Ablagerungen waren in früheren geologischen Perioden ohne Zweifel zusammenhängend und bildeten eine einheitliche Decke auf der archaeischen Unterlage. Erst durch die Eruption der Nassaberger, Proseter u. a. kleinerer Granitmassen, sowie durch die zerstörende Wirkung (Abrasion) der später eingetretenen Transgressionen (in der Permocarbon- und Cenoman-Periode) und Denudationen wurde diese Decke in die heutigen Inseln auseinander gerissen ®). Die palaeozoischen Ablagerungen des Eisengebirges sind haupt- sächlich aus Conglomeraten, Grauwacken, Quarziten, Schiefern und Kalksteinen zusammengesetzt. Während die erstgenannten Gesteine im Eisengebirge stark verbreitet sind, beschränkt sich der Kalk, !) Diese Arbeit gelangt gleichzeitig in böhmischer Sprache in den Sitzungs- berichten der kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag zur Ver- öffentlichung. 2) Unter dem Eisengebirge verstehe ich mit Prof. Krejei den beiläufig 65 Kilometer langen Gebirgszug, der sich zwischen Elbeteinitz und Vojnüv Möstee erhebt, wo er in das böhmisch-mährische Grenzgebirge übergeht. 3) Archiv für naturwissenschaftliche Landesdurchforschung von Böhmen. VII. Band, Nr. 6, Prag 1891. #) Vergl. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien 1892, Band 42, pag. 452 ff. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898. 48. Band, 2. Heft. (J. J. Jahn.) 28 208 Dr. Jaroslav J. Jahn. [2] abgesehen von ganz unbedeutenden Inselchen (möglicherweise ver- schiedenen Alters), fast nur auf das nordwestliche palaeozoische Gebiet. In diesem Gebiete bildet der palaeozoische Kalk zwischen Kalk-Podol und Prachovic ein zusammenhängendes, linsenförmiges Lager, dessen Länge (O—W) nach Krejcti?°) 3%, Kilometer, bei einer Breite von 2/;, Kilometer (N—S), beträgt. A. E. Reuss®) betrachtet die Schiefer, Grauwacken und Con- glomerate des Eisengebirges als eine Fortsetzung des mährischen Devon, vom Podoler Kalkstein geschieht bei ihm keine Erwähnung. F. v. Andrian-Werburg?’), der die betreffende Gegend im Jahre 1861 für die k. k. geologische Reichsanstalt aufnahm, zählt einen Theil unserer palaeozoischen Ablagerungen im Eisengebirge zu den „Grauwackengebilden“ und stützt sich hiebei auf die oberwähnte Ansicht Reuss’. Einen anderen Theil dieser Ablagerungen, darunter die ganze südöstliche Insel (bei Skutet und Hlinsko), theilt Andrian dem Urgebirge zu. Joh. Krej&1®) bemerkt im Aufnahmsberichte über diese Gegend (gemeinschaftlich mit R. Helmhacker), dass die Conglomerate, Sandsteine und Kalksteine des Eisengebirges dem mährischen Devon angehören. In den Podoler Kalksteinen fand Krejci auch die ersten Versteinerungen, Crinoidenreste. In seiner „Geologie*?) beschreibt Krej6t die betreffenden Ablagerungen ausführlich. Im Podoler Kalksteine fand er an mehreren von ihm angeführten Orten undeutliche Ringe und Crinoidenglieder. Auf dem Abhang unterhaib Nutie fand Krejci in den Kalkcon- eretionen. die in den „graphitischen Schiefern“ bei ihrem Contact mit dem Kalkstein zahlreich auftreten, ausser den erwähnten Cri- noidenresten auch „Abdrücke von Muscheln, Korallen und Gephalo- poden !°), jedoch von so undeutlichem Aussehen, dass eine nähere Bestimmung nicht möglich ist. Möglicherweise gehören sie dem Silur an, könnten jedoch auch devonisch sein, da die dortigen Verhältnisse an das Devon im österreichischen Schlesien erinnern. Die Podoler Kalke sind daher nur interimistisch hier (beim Silur) eingereiht, da es den Anschein hat, dass die sie in einer gewissen Entfernung be- sleitenden Quarzite ein Analogon des mittelböhmischen Silur vorstellen und dass sie daher hier das Obersilur vertreten könnten“. 5) Krej@i und Helmhacker: „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisengebirges ete.* Archiv für naturwissenschaftliche Landesdurchforschung von Böhmen. V. Band, Nr. 1 (Geol. Abthle.), Prag 1882, pag. 58. 6) „Kurze Uebersicht der geognostischen Verhältnisse Böhmens.“ Prag 1854, pag. 32, 53. ”) „Geologische Studien aus dem Chrudimer und Cäslauer Kreise.“ Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Band XIII, pag. 202—203. ®) „Ueber die im sogenannten Urkalke bei Podol, südlich von Chrudim, zahlreich vorkommenden Orinoidenreste.* Sitzungsber. d. kgl. böhm. Gesellschaft d. Wissenschaften. Prag 1873, pag. 297 ff. e ®) Prag 1877, pag. 451—453 (böhmisch). ‘°%) In der nachfolgenden Arbeit beschreibt Krejdti eingehend die im Podoler Kalke gefundenen Versteinerungen, ohne jedoch von diesen Korallen und Cephalopoden Erwähnung zu thun, weshalb ich der Meinung bin, dass sie in der „Geologie“ nur irrthümlich angeführt worden seien. [3] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 209 Unsere Ablagerungen erfuhren eine sehr eingehende Beschrei- bung in den „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisengebirges“, die im Jahre 1882 Krej6öt und Helmhacker veröffentlichten '). Ohne mich in die Details dieser Beschreibung einzulassen, bemerke ich lediglich, dass dieser Schrift nach Krejcf im Eisengebirge (und zwar hauptsächlich in der nordwestlichen palaeozoischen Insel) fol- sende Barrande’sche Stufen des mittelböhmischen Silur vorzufinden glaubte: 1. Etage A — schwarze, graphitische Schiefer mit linsenförmigen Lagern von Kieselschiefer, stellenweise auch Quarz und Kalk. 2. Etage B und © — Grauwacken, quarzitische Grauwacken- conglomerate, Grauwackenschiefer und einige untergeordnete Gesteine. 3. Dd, — schwarze Thonschiefer ohne Kieselschiefer und der Podoler Kalk (!!!). 4. Dd, — graue, feinkörnige Quarzite mit Röhren von Wür- mern (?) Seolithus. 5. Dd, — Ottrelit- oder Chloritoidschiefer. Krejöf erwähnt auch in dieser Publication die von ihm in den Podoler Kalksteinen gefundenen Versteinerungen: d. i. undeutliche Reste von Crinoidenstielen mit kreisrunder oder pentagonal stern- förmiger Nahrungscanalöffnung, dünne, sehr spärlich vorkommende Molluskenschalen von undeutbarem Charakter. Das Eisengebirge fällt auch, wie bereits erwähnt, in den Bereich der VI. Section von Krej&äf’s geologischer Karte von Böhmen !?). Die von uns behandelten Schichten sind auf dieser Karte folgenderweise eingetheilt: B — Phyllit. Silur: C, — untere Grauwacken und Conglomerate. de. dy +4 Die Phyllite der Etage B zählt Krej&tf nicht mehr zum Silur. Von der Etage A geschieht überhaupt keine Erwähnung, die Podöler Kalksteine schlägt hier Krej&@t zu dem Urgebirge („krystallinischer Kalkstein“). A. Fri& Fritsch) bemerkt in den „Bemerkungen zu den auf der geologischen Karte Section VI auftretenden Formationen‘, dass die Auffassung (Krej&öfs und Helmhacker’s) der betreffenden Schiehten „als Silur nur in der Petrographischen Aehnlichkeit mit gewissen, wohl gekannten Schichten unseres Mittelböhmischen Silurs ihre Begründung hat, und dass palaeontologische Belege für die Rich- tiekeit einer solchen Deutung bisher nicht vorliegen“ "). 11) Siehe Anmerkung °), pag 55—59 u. a. 12) Siehe Anmerkung °). 13) Ibid. pag. 6. DD [0 0) * 210 Dr. Jaroslav J. Jahn. E3 In dem Werke „Geologie von Böhmen“ '#) bespricht Katzer eleichfalls die palaeozoischen Ablagerungen des Eisengebirges. Er bemerkt diesfalls, sie seien „höchst wahrscheinlich palaeo- zoischen Alters, welcher Formation sie aber einzureihen wären, ist nicht ganz sichergestellt und lässt sich vielleicht gar nicht sicher ent- scheiden“ (l. e., pag. 999). Der Autor will also die oberwähnte Parallelisirung dieser Ablagerungen mit der Etage D nach Krejei und Helmhacker vorläufig gelten lassen, obwohl ihm gewichtige Gründe dafür zu sprechen scheinen, „dass man diese Gebilde mit srösserer Berechtigung an die Grenze zwischen Unter- und Obersilur stellen sollte“ (l. e., pag. 1000). „Die dunklen Schiefer sammt den quarzitischen Einschaltungen könnten durchwegs der Stufe d, ange- hören“, „die ziemlich dünn spaltbaren, schwarzen Schiefer im un- mittelbaren Liegenden der Podoler Kalkzone könnten recht wohl mit e, und die Kalksteine selbst mit e, parallelisirt werden“ (l. e., pag. 1004). Im Jahre 1892 veröffentlichte ich den Pericht über meine Unter- suchungen der palaeozoischen Ablagerungen des Eisengebirges 5). In diesem Bericht wies ich zuerst darauf hin, dass im Podoler Kalkstein zwei stratigraphisch vollständig unabhängige Zonen zu unterscheiden seien: 1. Der untere, ältere, dunkelgraue, blauschwarze bis schwarze, dichte, geschichtete, stellenweise fast schieferartige Kalkstein, dessen ehemaliger Bitumengehalt durch den von den gewaltsamen tektonischen Umwälzungen herrührenden Druck die Umwandlung in den in diesem Kalkstein enthaltenen Graphit (eventuell Anthraeit) erlitt. In diesem Kalkstein, der lebhaft an gewisse Kalksteine der Stufe # im mittel- böhmischen Silur erinnert, fand ich bei Podol ausser den von früher- her schon bekannten Crinoiden auch Orthoceren (Art unbestimmbar) ; 2. der obere, jüngere, weisse oder graufleckige, gestreifte und — wie Krej@i treffend sagt '%) — wolkige bis lichtgraue, körnig krystal- linische, stellenweise deutlich geschichtete, grösstentheils jedoch massige, stark metamorphosirte Kalkstein mit undeutlichen Korallen- resten und Crinoidenstielen. Auf Grund ‘des äusseren Habitus der unteren dunklen Kalk- steine, ihres ehemaligen Bitumengehaltes, der zahlreichen in ihnen enthaltenen Crinoiden und Orthoceren, äussere ich in dem eitirten Berichte die Ansicht, dass diese unteren Kalke der Stufe #& im mittelböhmischen Silur entsprechen, während ich die auf denselben ruhenden, weissen bis hellgrauen Kalke mit undeutlichen Korallen- und Crinoidenresten als Analogon der Kon&pruser Kalksteine der Stufe F (fs) betrachte. Die erwähnten Orthoceren erscheinen beim Zerschlagen des besagten schwarzen Kalksteines in Längs- oder (Querschnitten. Ihr Durchmesser beträgt 1-—4 cm. Da sie sich aus dem Muttergesteine “) Prag 1892. Vergl. Verhandl. d. k. k. geolog. Reichsanst., Wien 1893, pag. 205—206 und ibid. pag. 378—379. 15) Siehe Anmerkung *). 16) „Geologie*, pag. 451. [5] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 214 nicht herauspräpariren lassen, sind sie unbestimmbar. Die äussere Schale, sowie die Scheidewände der Luftkammern bestehen aus schwarzem, dichtem Kalksteine (d. i. dem Muttergesteine) und heben sich sehr deutlich von dem weissen, krystallinischen Kalkstein ab, der die Kammern dieser Orthoceren ausfüllt. Die Anhäufungen von weissem, krystallinischem Kalkstein, die zahlreich in diesem schwarzen Kalke vorkommen, rühren von bis zur Unkenntlichkeit zerstörten Ortho- ceren her. Als ich im vorigen Jahre den wichtigen Fund silurischer Ge- steine und Fossilien im der Basalttuffbrececie bei dem Meierhofe Semtin unweit Pardubitz beschrieb !9), hatte ich abermals Gelegenheit, über das Alter der palaeozoischen Ablagerungen des Eisengebirges zu sprechen. Der auf der Generalstabskarte mit der Cöte 228 bezeichnete Hügel besteht aus Basalt, der am Südfusse des Hügels in Basalt- tuff und Tuffbreccie übergeht, in der sich zahlreiche Bruchstücke und Geschiebe von archäischen, präcambrischen, eambrischen, silu- rischen und Kreidegesteinen vorfinden. Der Semtiner Basalt hat nämlich bei seinem Empordringen aus dem Erdinnern Stücke der in der Tiefe unter der Kreidedecke verborgenen Urgebirgs- und palaeozoischen Schichten unterwegs losgelöst und mitgerissen, diese Fragmente wurden beim Aufsteigen des Magmas abgerieben (Reibungs- breecie), mitunter ausgebrannt und durch die tuffartige Basaltmasse zu der heutigen Breccie zusammengeknetet »). So treffen wir dort bei Semtin, ziemlich weit nördlich vom Eisengebirge, auf palaeozoische Gesteine, wie wir sie aus dem 17, „Basalttuffbreccie mit silurischen Fossilien in Ostböhmen.*“ Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanst. Wien 1896, Nr. 16, pag. 441 ff. Vergl. meinen Artikel „O siluru ve vychodnich Öechäch“ (Ueber das Silur in Ostböhmen) im „Sbornik cesk@ spole@n. zemevedne.“ Jahrg. III, pag. 32. 15) Ueber den Semtiner Fund veröffentlichte Herr Dr. Jar. Perner in der populären Zeitschrift „Vesmir*“ einen, wie die Redaction bemerkt authentischen“ Bericht („Vesmir“, Prag 1397, pag. 58—59, vergl. auch pag. 46 und 156). Meine früher erwähnte Arbeit war bereits im Druck fertiggestellt, als Perner’s Bericht erschien, und war es mir also nicht mehr möglich, in meiner Arbeit auf die in ihm enthaltenen Fehler hinzuweisen. Ich thue dies daher nun nachträglich. Die Semtiner Fundstätte ist eine Grube am Fusse des Hügels Uöte 228 der Generalstabskarte. Dieser Hügel wird, wie schon in meiner Arbeit zu lesen ist, von Basalt gebildet, der an der Stelle, wo die erwähnte Grube sich befindet, in Basalttuffbreecie übergeht. Herr Perner behauptet dem entgegen un- richtigerweise, der besagte Hügel bestehe grösstentheils aus sogenannter Teich- kreide. Diese angebliche „Teichkreide* Perner’s ist in Wirklichkeit eine „weisse, thonige Kalkerde* von kaolinischem Habitus (siehe pag. 445 meiner Arkeit), ein Zersetzungsproduct des Basalttuffes! Dass diese Perner’sche „Teichkreide“ auf dem Semtiner Fundorte nur in ganz untergeordneter Weise auftritt, davon vermag sich Jedermann aus meiner Abbildung \„K*, Fig. 1) der betreffenden Grube in meiner vorerwähnten Arbeit zu überzeugen. „Blöcke von tuffähnlichem Basalt“ habe ich dort nirgends bemerkt und weiss nicht, was sich Herr Perner darunter denkt. Wo im Eisengebirge auf ursprünglicher Lager- stätte die Schichten der Bande d, zu suchen sind, habe ich oben erklärt. Herr Perner sagt, es sei ihm „bekannt gewesen, dass in der dortigen Gegend unter der Kreideformation da und dort das Siiur direct unterlagert sei.“ Dies ist eine sehr interessante und wichtige Neuigkeit! Es wäre sehr zu wünschen, dass Herr Perner sich des Näheren darüber äussere, wo und wie er diesen Umstand zu constatiren vermochte. 212 Dr. Jaroslav J. Jahn. [6] Eisengebirge kennen und die mit den analogen Gesteinen des mittel- böhmischen Silur übereinstimmen. Unter den Geschieben der Semtiner Basaltbreecie fand ich folgende ältere Gesteine: Urgebirge: 1. Felsitbreeeie. 2. (?) Gefritteter, feinkörniger Sandstein und Thonschiefer, felsitartig. Präcambrium: 1. Sehwarzer Thonschiefer der Etage B, vollkommen über- einstimmend mit dem analogen Gesteine des mittelböhmischen Präcambrium. 2. Schwarzer Kieselschiefer (Lydit) der Etage B und Quarz, der im Kieselschiefer Adern bildet. Gleichfalls ganz den mittelböhmischen Kieselschiefern gleichend. 3. Schwarzer Quarzit mit zahlreichen weissen Quarzadern, ver- wandt mit dem Kieselschiefer. Cambrium: Grobkörniges Quarzeonglomerat, vollkommen übereinstimmend mit dem Tremosnä-Conglomerat im mittelböhmischen Cambrium. Untersılur: l. Schwarzer Thonschiefer der Bande d, (nach Krejtf’s Be- stimmung). ' 2. Quarzite der Bande d, (vielleicht auch der Bande d,?), übereinstimmend mit den analogen Gesteinen derselben Stufen im mittelböhmischen Silur. 3. Schwarzer Thonschiefer der Bande d, mit zahlreichen Fos- silien dieser Bande, vollständig übereinstimmend (auch die Fossilien) mit dem Schiefer der Bande d, von Vinice, Zahoran, Trubin ete. im mittelböhmischen Silur. 4. Thonschiefer, Grauwackenschiefer und Kalksandstein der Bande d, mit Fossilien; Gesteine und Fossilien stimmen mit den Analogen von Nucie, Zahoran, Podeäpel, Vräz, Radotin ete. der Stufe d, im mittelböhmischen Silur überein. OÖbersilur: Minette, dem Gesteine ähnlich, das in Gängen den obersilurischen Kalkstein bei Podol durchsetzt; findet sich auch in dem Basalte des Kuneticer Berges bei Pardubitz eingewachsen vor. [7 Die Silurformation im östlichen Böhmen. 215 Nach Schluss der heurigen Aufnahmen ’®) in der Mitte Octobers unternahm ich eine Exeursion in das nordwestliche Gebiet des Eisen- sebirges, um nachzuforschen, ob dort sämmtliche palaeozoische Ge- steine, die ich im Vorjahre in der Semtiner Breccie gefunden habe, vorhanden und wie sie dort gelagert seien. Bei dieser Exeursion begleitete mich College Ingenieur A. Rosiwal, dem es sich wieder hauptsächlich um einige Schiefer im Liegenden des Podoler Kalksteines handelte. Vor Allem nahm ich abermals die Kalksteinbrüche bei Podol, Boukalka und Prachovie in Augenschein, worauf ich die Schichten- folge im Liegenden dieser Kalksteine von Podol bis Hermanmeöstee verfolgte. Ich schreite jetzt zur eingehenden Besprechung der Resultate dieser Studien und der hiebei gemachten Funde, sowie auch der Wichtigkeit der letzteren für die Frage des Alters der palaeozoischen Ablagerungen im Eisengebirge. Die Podoler Kalkzone. Diese Zone erstreckt sich zwischen Citkov und Prachovie in der Richtung von OÖ nach W und ist rundum von Schiefern ein- geschlossen. Der obere lichte Kalkstein, der der Stufe F(f,) im mittel- böhmischen Silur entspricht, findet reichliche praktische Verwendung einestheils als geschätzter weisser, grauweisser bis lichtgrauer Marmor zu Steinmetz- und Bildhauerarbeiten (besonders die grau gestreiften und wolkigen Abarten werden hiezu vorgezogen), hauptsächlich jedoch als vorzüglicher Weiss- und Mauerkalk, sowie als Saturations- kalk für die zahlreichen ostböhmischen Zuckerfabriken. Dieser Eigenschaften halber ist der Podoler Kalkstein längs der ganzen Zone in zahlreichen, mitunter sehr ausgedehnten Stein- brüchen aufgeschlossen, unter denen gegenwärtig die Prachovicer Brüche den ersten Rang einnehmen. Diese Umstände wären der Erforschung der Lagerungsverhältnisse der Podoler Kalksteine günstig, wenn nicht die Kalksteine selbst durch ihr Gefüge diese Aufgabe erschweren würden. Der Kalkstein der Stufe Z’(/,) in unserer Zone ist nämlich sehr selten deutlich geschichtet; gewöhnlich weist er massige Structur auf und ist fast dicht, so dass es nicht angeht, sein Streichen und Fallen zu bestimmen. Die an den Orten, wo Streichen und Fallen gemessen werden konnte, angestellten Beobachtungen ergaben ferner, dass die Lagerungsverhältnisse des Podoler Kalksteines ungewöhnlich com- plicirter Natur sind. Streichen und Fallen der Schichten ändert sich öfters, es kommen zahlreiche Verwerfungen etc. vor — mit einem Worte, wir befinden uns auf dem Schauplatz grosser, gewaltsamer 1%) Das Vorstehende habe ich im December 1897 niedergeschrieben ; meine danach eingetretene längere Krankheit trägt Schuld daran, dass das Manuscript erst im März beendigt werden konnte. 214 Dr. Jarostav J, Jahn. [8] tektonischer Umwälzungen, denen dieser Theil des Eisengebirges ausgesetzt war. Bei dieser Sachlage gelang es mir bisher nicht, festzustellen, ob die Angaben Krejcrs?), dass der Podoler Kalkstein eine Anti- klinale mit östlichem Streichen und schroff südlichem Fallen der Schiehten vorstelle, wenigstens im grossen Ganzen Geltung haben. Krej&t veröffentlichte zwei Profile der Podoler Kalkzone: in seiner „Geologie“ und in den „Erläuterungen zur geologischen Karte des KEisengebirges“ ?)). Jedes dieser Profile veranschaulicht die Lagerungsverhältnisse in der Podoler Kalksteinzone absolut anders, aber keines davon ist richtig, wie ich demnächst anderen Orts nach- weisen werde. Die Folgen des ungeheuren Druckes, der mit den erwähnten tektonischen Umwälzungen verbunden war, zeigen sich nicht nur in den vielfach complieirten Störungen der Schichtenlage, sondern auch im petrographischen Charakter des betreffenden Gesteines. Der Kalkstein der Etage #, der in der Podoler Zone überall das Liegende des oberen weissen Kalkes bildet, scheint in den unteren Schichten (e & — siehe weiter unten) nicht so bedeutend verändert zu sein, wie der obere Kalkstein. Die in ihm enthaltenen Versteinerungen sind ziemlich gut erhalten und auch der Gesteins- charakter selbst dürfte nicht sehr modificirt sein, denn dieser krystallinische bis feinkörnige Kalkstein stimmt mit vielen Kalksteinen der Etage # im mittelböhmischen Silur überein. Von den Wirkungen des besagten Druckes legt jedoch der Umstand Zeugniss ab, dass der ehemalige Bitumengehalt dieser Kalksteine in Graphit (oder Anthraeit) verwandelt erscheint, dass die Verwerfungsspalten in diesen Kalk- steinen häufig mit einer glänzenden Rinde zermalmter Graphitschiefer überzogen erscheinen ?) und dass die darin vorkommenden Urinoiden- stiele und Orthoceren entzweigerissen, die Fragmente davon durch- einandergeworfen und zusammengedrückt sind. Gelegentlich der Erörterung der Altersfrage dieses unteren dunklen Kalksteines werde ich weiter unten eine eingehende Beschreibung seines Habitus liefern. In den oberen Schichten (e, — siehe weiter unten) hat auch dieser Kalkstein bedeutende Veränderungen erlitten, ist umkrystallisirt und in ein gleichartig, zuckerähnlich körniges, graues Gestein um- gewandelt. Ungeachtet dessen blieb jedoch seine deutliche Schichtung erhalten, wie z. B. in den Prachovicer Steinbrüchen gut wahr- zunehmen ist. Noch viel grössere Veränderungen erlitt der obere lichte Kalk- stein vom Alter der Stufe (fs). Es geht dies schon aus seiner früher erwähnten Structur hervor. Auch das Gestein selbst erscheint 2°) „Geologie“, pag. 452; „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisen- gebirges“, pag. 53. 1) „Geologie“, pag. 452; „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisen- gebirges*, pag: 59. 2, Vergl. Krej&i: „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisengebirges“, pag. 58. ee ce [9] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 215 uns jedoch nicht in seinem urprünglichen Zustande. Dieser Kalkstein ist in späterer Zeit umkrystallisirt, grösstentheils wie Zucker körnig krystallinisch, stellenweise feinkörnig, meistentheils ganz weiss, stellenweise grau gefleckt, gestreift, wolkig, ja selbst in ganzen Stücken grau. Seine Flächen sind mit einer rostfarbenen Ocker- schichte bedeckt. Mitunter kommen in diesem Kalksteine dünne Einlagen oder eckige Stücke eines grauen, phyllitähnlichen Gesteines von serieitischem Aussehen vor. Es sind dies vermuthlich einge- schwemmte Ueberreste der zertrümmerten alten Schiefer. Versteinerungen vermochte ich in diesem weissen Kalksteine, mit Ausnahme der bereits erwähnten, undeutlichen Korallenreste, nicht aufzufinden. Auf polirten Flächen dieses Kalksteines bemerkte ich-häufig kleine, kreisförmige Crinoidenstielquerschnitte mit einer engen Nahrungscanalöffnung in der Mitte. Auf den Spalten und in den Höhlungen des Podoler lichten Kalksteines finden sich häufig tropfsteinartige Gebilde und Caleit- krystalle vor. Die dortige Bevölkerung bewahrt sie sorgfältig auf, nennt sie Versteinerungen und ich ging einige Male diesen sogenannten „Versteinerungen“, auf die ich aufmerksam gemacht wurde, auf weite Entfernungen nach, um mich schliesslich stets zu meiner Ent- täuschung davon zu überzeugen, dass damit solche sinterartige Ge- bilde gemeint waren. Die Oberfläche der aus diesen lichten Kalksteinen bestehenden Anhöhe zwischen Podol und Prachovie erinnert in ihrem Aussehen — Boden und Vegetation — sehr an die Oberfläche der bekannten Berge Zlaty küh und Kobyla bei Kon&prus im mittelböhmischen Silur, die von den weissen Kalksteinen der Bande fs gebildet sind. Beson- ders charakteristisch .in dieser Hinsicht ist die rotnbraune bis ziegel- rothe Erde (terra rossa), welche diese Kalksteine bedeckt, mitunter in ziemlicher Mächtigkeit (z. B. bei Prachovie). In den dunklen und schwarzen Kalksteinen und Schiefern im Liegenden der weissen Kalke fand ich schon im Jahre 1891 und heuer abermals ungemein zahlreiche Crinoidenreste und auch Ortho- ceren. Ich beschrieb die letzteren bereits in meiner Arbeit vom Jahre 1392 und habe nichts Neues hinzuzufügen. Betreffs der Crinoiden in diesen Kalken und Schiefern bemerke ich im Vorhinein, dass ich bisher nicht einen einzigen Kelch und auch keine den Crinoidenkelch bildende Täfelchen gefunden habe. Die Crinoidenreste in diesen Schichten bestehen blos aus Stielen und ihren Bruchstücken, aus einzelnen Stielgliedern und selten aus Arm- gliedern oder Pinnulen. Manche Gesteinsstücke sind voll von solchen Resten und Trümmern des Crinoidenskelettes, unter denen ganz kleine Glieder (der Stiele oder Pinnulen) von kreisförmigem oder elliptischem Querschnitt vor- herrschen, die oft zu Tausenden an einer Stelle angehäuft sind. Beinahe in jedem Gesteinsstücke, das ich zerschlug, fanden sich Crinoidenreste vor. Allerdings sind die wenigsten davon gut erhalten, -oft sind sie zusammengedrückt, ja zerquetscht, zerbrochen und die Bruchstücke im Gestein zerstreut. Die Oberfläche der Stiele und isolirten Glieder pflegt infolge der Verwitterung sehr undeutlich zu Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (J. J. Jahn.) 29 216 Dr. Jaroslav J. Jahn. [10] sein. Vereinzelte Glieder finden sich viel häufiger als die Stiele selbst und Bruchstücke derselben. Von Stielen und Stielgliedern kommen in Anbetracht der Form des sie durchsetzenden Nahrungscanales drei Typen vor. Der Nahrungscanal hat nämlich entweder 1. kreisförmigen, oder 2. fünf- lappigen, oder 3. fünfstrahligen Querschnitt. Die Stiele mit centralem (selten excentrischem), gewöhnlich engem Nahrungscanale von kreis- förmigem Querschnitte kommen am häufigsten vor. Die anderen zwei erwähnten Formen erscheinen viel seltener. Manche Stiele besitzen einen kreisförmigen Querschnitt, andere einen elliptischen. Der Nahrungscanal ist bei sämmtlichen Querschnitts- formen entweder inmitten des Stieles oder excentrisch gelegen, und ent- weder eng oder von verschiedener Breite. Er pflegt von der schwarzen Masse des Muttergesteines ausgefüllt zu sein und hebt sich infolge dessen sehr deutlich von der weissen Kalkmasse des Stieles ab. Sämmtliche Crinoidenstiele, die ich in diesen Kalksteinen und Schiefern beobachtet habe, bestehen aus niedrigen, ja selbst sehr niedrigen, gleichen Gliedern von glatter, entweder ebener oder schwach gewölbter Aussenfläche. Blos einmal sah ich einen aus un- gleichen Gliedern zusammengesetzten Stiel: zwischen zwei grösseren, hervorragenden Gliedern sind drei kleinere eingeschaltet; die Aussen- flächen aller dieser Glieder sind ohne Verzierungen. Die hervor- ragenden Glieder haben gewölbte Aussenflächen, bei den kleineren, eingeschalteten Gliedern sind sie eben. Die Gelenkfläche der Glieder ist fast immer fein radial gestreift, sehr selten ist sie glatt. Die Dimensionen dieser Orinoidenreste in den erwähnten Ge- steinen sind verschieden. Ich theile hier einige beobachtete Fälle mit (in Millimetern): Länge des Stiel- Durchmesser Durchmesser des Höhe eines bruchstückes: eines Stielgliedes: Nahrungscanales: Stielgliedes: 1 6 23) 1 (kreisförmig) 0:5 , 5—6'523) 3 (fünflappig) 10—7 nicht erhalten ’ 8 6 ” » v 10 6 . f 15 45 6 j 2 5—4 3 (fünflappig) 4—2 25 4 3°C 1 (kreisförmig) 9 6) nicht erhalten i 20 ee 3 k 2:5—15 1 (fünflappig ; 33%) 2:5 (kreisförmig 1) 7 4 (fünfstrahlig) 55 4 1:5 I 85—5 75—4 (elliptisch) ; >) Bei den Stielgliedern von kreisförmigem Querschnitt gebe ich die Länge des Durchmessers an, bei den elliptischen die Länge beider Axen. N [11] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 917 Von den Armgliedern, die ich in den erwähnten Gesteinen sefunden habe, sind blos zwei deutlich erhalten. Das eine von Huf- eisenform, mit tiefer Ambulacralfurche misst 35 mm im Durchmesser. Das andere ist halbmondförmig, hat eine seichte Ambulacralfurche und 2 mm im Durchmesser. Sämmtliche hier beschriebene Crinoidenreste aus den Kalksteinen und Schiefern im Liegenden der weissen Podoler Kalksteine stimmen vollkommen über- ein mit den analogen Grinoidenresten aus den Banden e8 und eg im mittelböhmischen Silur. Ob sie da und dort denselben Arten angehören, vermag man allerdings nicht zu ent- scheiden, weshalb ich auch die Podoler Crinoidenreste einstweilen unbenannt lasse, in solange nicht bestimmbare Kelche vorgefunden werden. Ich habe die Crinoiden des mittelböhmischen Silur als Fort- setzung des bekannten Barrande’schen Werkes bearbeitet. In dieser in Druck befindlichen Publication begründe ich ausführlich, warum solche vereinzelt vorkommende Theile des Crinoidenskelettes (Stiele und Arme, Glieder derselben etc.) weder speeifisch noch generisch bestimmbar sind. Aus den dort angeführten Gründen ist es gleichfalls unzulässig, solche vereinzelte Crinoidenreste aus dem Eisengebirge mit analogen Resten desselben Habitus aus dem mittel- böhmischen Silur zu identificiren. An derselben Stelle, wo ieh im Jahre 1891 die soeben beschrie- benen Crinoiden und Orthoceren fand, gelang es mir heuer, in dem- selben unteren, dunklen Kalksteine auch einen sogenannten Lobo- lithen zu entdecken. Ueber die Bedeutung dieses Fundes für die Altersfrage der Podoler Kalksteine muss ich mich an dieser Stelle ausführlicher ÄUSSErn. Die Lobolithen sind in kugelförmige bis unregelmässig knollen- förmige Körper (im lebenden Zustande Blasen) angeschwollene Orinoi- denwurzeln. Ihre äussere Oberfläche bedecken unzählige polygonale Kalktäfelehen. Inwendig sind die Lobolithen in mehrere unregel- mässige Kammern durch Zwischenwände getheilt, die sich äusserlich als Furchen zeigen. An der unteren Seite der Lobolithen ist oft noch die eigentliche Crinoidenwurzel erhalten, die nur selten auch in Verbindung mit dem zugehörigen Crinoidenstiele vorkommt. J. Hall hat diese Versteinerungen aus dem amerikanischen Silur zuerst unter dem Namen Camaroerinus beschrieben und sie als Schwimmapparat der Crinoiden bezeichnet 2%). Vor ihm gab ihnen Barrande°) im Jahre 1867 (?) den Namen Lobolithus (Michelini barr.) und betrachtete sie als fossile Vertreter einer besonderen Echinodermenclasse 2%), 4) Notice of some new and remarkable Forms of Crinoidea from the Lower Helderberg Group of New-York and Tennessee. 28th. Annual Report of the State Mus. of Nat. Hist. of the State of New-York State Museum. Edition 1879. Albany 1880. °°) Nach J. Bigsby’s „Thesaurus silurieus“. ‘®) Syst. silur. du centre de la Boh@me, VII. Vol., pag. 1. 29* 218 Dr. Jaroslav J. Jahn. [112] Ich kann die Ansicht Hall’s nicht in vollem Umfange gut- heissen, da ich davon überzeugt bin, dass die Lobolithen in, vielen Fällen den COrinoiden als Brutbefestigungsapparat gedient haben ?”). Ich befasse mich zur Zeit mit dem eingehenden Studium der Lobo- lithen aus dem mittelböhmischen Silur und werde daher Gelegenheit haben, meine Ansichten von der physiologischen Bedeutung desselben anderen Orts ausführlich auseinanderzusetzen. Hier sei blos bemerkt, dass ich die Benennung Barrande’s als zweckmässig und richtig anerkenne und auch weiterhin von ihr Gebrauch machen werde. Auf Grund isolirt vorkommender Skeletttheile, bezüglich derer gar nicht sicher gestellt werden kann, zu welchem bestimmbaren Crinoiden- kelche sie gehören, geht es nicht an, neue Gattungen aufzustellen, wie dies Hall gethan hat. So wie man anderen isolirt vorkommenden Crinoidenresten, die generisch nicht bestimmbar sind, allgemeine Namen beilegt — z. B. Entrochus, Trochites u. dgl. — empfiehlt es sich auch für die isolirt auftretenden, kugelig angeschwollenen Crinoidenwurzeln den allgemeinen Namen Lobolithus anzuwenden. Das von mir in dem schwarzen Podoler Kalksteine gefundene Exemplar stimmt mit den Lobolithen des mittelböhmischen Silur voll- ständig überein. Es ist von ellipsoidförmiger Gestalt; der längere Durchmesser beträgt 90 mn, der kürzere beinahe 70 mm. Die ganze Oberfläche bedecken unregelmässig polygonale Kalktäfelchen, die an einigen Stellen sehr deutlich erhalten sind. Der Untertheil unseres Lobolithen, wo sich die Crinoidenwurzel befand, ist abgebrochen, einzelne Theile (Aestchen und starke Aeste) der Wurzel kommen in dem benachbarten Gesteinsstück zerquetscht vor. Die Gelenkfläche dieser Wurzeläste ist fein radial gestreift, in der Mitte derselben findet sich bei allen von mir untersuchten Gliedern eine kreisförmige, nicht sehr breite Oeffnung, die dem die Wurzeläste durchsetzenden Nahrrungscanale entspricht. Der Durchschnitt unseres Lobolithen weist blos eine Kammer auf, die ursprünglich wohl Luft enthielt, und nun mit weissem Caleit ausgefüllt ist. Die kKalkige Gesteinsmasse im Innern des Lobolithen ist stark umgewandelt, umkrystallisirt, infolge dessen vermag man am Querschnitt unseres Lobolithen weder die Scheidewände der Kammern, noch die eigentliche Stärke «der äusseren Schalenwand zu unterscheiden. In Erwägung dessen, dass sämmtliches Bitumen dieser schwarzen Kalksteine in den das jetzige Gestein durchdringenden Graphit (even- tuell Anthraeit) verwandelt erscheint, dass der Kalkstein selbst stellen- weise grosse petrographische Veränderungen erlitten hat, dass die Schichten dieses schwarzen Kalksteines vielfach verworfen und ge- faltet, gewaltsam umgebogen, entzweigerissen, durcheinander geworfen sind, können wir uns nicht der Ueberzeugung verschliessen, dass die betreffenden Ablagerungen in früheren geologischen Perioden einem ungeheuren Drucke ausgesetzt waren, den die gewaltsamen Umwäl- zungen bei der Entstehung des Eisengebirges verursacht haben. Dieser °?) Ich habe diese meine Ansicht seiner Zeit Prof. E. Haeckel mitgetheilt, der sie in seiner Arbeit „Die Amphorideen und Oystoideen“ (Leipzig, 1896, pag. 169) eitirt. | [13] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 219 Druck hat auch meistentheils die in diesen Kalksteinen versteinerten Thierreste vernichtet. - Dass eben unser Lobolith, obgleich ziemlich umfangreich, diesen Druck aushielt und sich relativ sehr gut erhalten hat, spricht für die beträchtliche Festigkeit des Kalkskelettes dieser kugelig angeschwöllenen Crinoidenwurzeln. Der Fund dieses Lobolithen in den schwarzen Podoler Kalk- steinen ist von grosser Bedeutung für die Stratigraphie der palaeo- zoischen Ablagerungen des Eisengebirges. Ziehen wir vorerst in Betrachtung, wo man bisher Lobolithen ausserhalb Böhmens gefunden hat. Fr. Frech fand einen Lobolithen am Wolayer Thörl in den karnischen Alpen in einem Plattenkalk mit hornsteinartigen Einlage- rungen 28). Diese Kalke sind nach Frech unter den eigentlichen Kalk- steinen der Bande e, und über den Graptolithenschiefern (e,) gelegen, entsprechen daher der Uebergangszone zwischen den Ban- den e, und «% im mittelböhmischen Silur, die ich seinerzeit mit e,ß bezeichnet habe 2). Ich erwähne, dass ich auch im mittel- böhmischen Silur in den grauen und schwarzen, plattenförmigen, ver- steinerungsarmen Kalksteinen dieser Zone bei Kon£&prus, Lochkov und a. O. gleichfalls hornsteinartige Ausscheidungen beobachtet habe. Ausser den gedachten Lobolithen fand Frech iin den betreffenden Kalksteinen blos noch unbestimmbare Orthoceren und Crinoidenstiele —- also dasselbe wie ich bei Podol. Die vorerwähnten amerikanischen Lobolithen J. Hall’s stammen gleichfalls aus dem Obersilur, aus den Kalksteinen der Lower Helder- berg Group, die unserer Etage % entspricht. Frech meint zwar in seiner oberwähnten Arbeit 3°), dass die Lower Helderberg Group der unteren Grenze des Unterdevons entspräche (derselben Ansicht sind auch viele andere Geologen). Dem entgegen erklärt mir Prof. Hall selbst, er habe nie in einer seiner Arbeiten das untere Helder- berg für Unterdevon ausgegeben. Es ist ihm zwar bekannt, dass mehrere Geologen diese Ansicht zu verbreiten suchen, er legt jedoch in seiner Zuschrift dagegen Protest ein, unter Hinweisung auf den Umstand, dass die Fauna des unteren Helderberg mit jener der Niagaragruppe übereinstimme, weshalb er überzeugt ist, dass das untere Helderberg derselben Formation — dem Obersilur — an- gehöre wie die Niagaragruppe. Prof. Lapparent erwähnt in seinem Werke „Traite de Geologie“ 31) einen Lobolithen aus den Pyrenäen, aus Schichten, die der Bande e, im mittelböhmischen Silur ent- sprechen. Mit Lobolithus findet sich dort Seyphocrinus elegans, Cardiola interrupta und gibbosu, Orthoceras bohemicum, pyrenaicum ete., welche Fossilien auch im mittelböhmischen Silur mit den Lobolithen für ‚die Oberabtheilung der Ftage # charakteristisch erscheinen. 5) „Ueber das Devon der Ostalpen ete.“*, Zeitschr. d.. deutsch. geolog. (Gesellsch. Berlin 1887, Band XXXIX, pag. 683. Vergl. die Schrift von demselben Autor: „Die karnischen Alpen“, Halle 1894, pag. 293, 225 u. 2. ®) Jahrb. d. k. k. geolog. Reichsanst. Wien 1892, Band 42, pag. 451. 0°) „Die karnischen Alpen“, pag. 222. »1) „Traite de Geologie“, Paris 1883, pag. 699. 290 Dr. Jaroslav J. Jahn. [14] Sämmtliche, überaus zahlreiche Exemplare von mittelböhmischen Lobolithen, die ich entweder selbst gefunden oder in Sammlungen gesehen habe, sowie auch die ungemein zahlreichen, in Barrande’s Werk abgebildeten Lobolithen, stammen entweder aus der Ueber- gangszone zwischen den Banden e, und e, (z. B. bei Dvorce, Kuchel- bad, Budnan), oder aus der Bande e, (z. B. Radotin, Lochkov, Dlouhä Hora, St. Johann unter dem Felsen). Wederin höheren, noch in tieferen Stufen als #E sind bisher Lobolithen überhaupt, sowohl in Böhmen als anderswo, gefunden worden. Da die Lobolithen in den Alpen, in Nordamerika, in den Pyre- näen und in Mittelböhmen stets in demselben Horizonte auftreten, erweist sich Lobolithus offenbar als ein sehr charakteristisches Fossil für die Etage #&, d. i. für das Obersilur. Durch meinen Fund einesLobolithen im schwarzen Podoler Kalksteine ist daher zum ersten Male ganz un- zweifelhaft festgestellt, dass die dunklen Podoler Kalksteine mit Orthoceren, Crinoiden und ZLobolithus der Etage Z im mittelböhmischen Silur entsprechen, woraus weiterhin folgt, dass der mächtige Schichten- complex der weissen Podoler Kalksteine mit undeut- lichen Korallen und Crinoiden, der diese dunklen Kalksteine überlagert, als Aequivalent der Etage F oder der Kon&pruser Kalksteine (f,) anzusprechen ist. So ist denn heute die Richtigkeit der Ansicht, die ich bereits in meiner Arbeit vom Jahre 1892 bezüglich der Gliederung und des Alters der Podoler Kalke geäussert habe, vollständig bestätigt. In Erwägung dessen, dass das Silurmeer im östlichen Böhmen einst init dem mittelböhmischen Silurmeer im Zusammenhange war, was jetzt wohl Niemand mehr in Zweifel zieht, finden wir es ganz natürlich, dass da wie dort die Etagen % und F eine gleiche Ent- wieklung aufweisen. Und eben im Himblick auf diesen sozusagen handgreiflichen Zusammenhang ist es mir bei den Geologen, die sich bisher mit der Altersfrage der Podoler Kalksteine befasst haben, seradezu unbegreiflich, dass sie 1. alle die eine selbstständige Stufe bildenden, dunklen Podoler Kalksteine übersehen haben, und dass 2. die Analogie der Podoler Kalksteine mit den Etagen E und # im mittelböhmischen Silur ihrer Beachtung entging. Besonders nimmt mich das Wunder bei Krej6t, der doch ent- schieden für die Hypothese betreffs des ehemaligen Zusammenhanges der beiden böhmischen Silurgebiete eintrat und dementsprechend wirklich bemüht war, im Silur des Eisengebirges Analogien der Etagen und Banden des mittelböhmischen Silur aufzufinden 3°). Es — ‘ ») Krej@i sagt in den „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisen- gebirges“: „Auf der Grundlage dieses palaeontologischen Merkmales (d. i. der Crinoidenreste), sowie noch anderer Merkzeichen ist die Annahme die plausibelste, dass die Podoler Kalksteine und die sie begleitenden Schiefer dem Untersilur angehören. An Devon kann schon deshalb nicht gedacht werden, weil der Zu- sammenhang des Gebirgszuges mit dem centralböhmischen Silurbeeken bis bei- nahe zur Sicherheit wahrscheinlich ist“ (pag. 55). On u = [15] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 221 „nimmt mich Wunder, dass er in seiner ausführlichen Arbeit über das Eisengebirge eben die Podoler Kalksteine nicht mit dem mittel- böhmischen Obersilur parallelisirte, sondern sie für eine Analogie der Stufe d, erklärte! Im gesammten mittelböhmischen Untersilur kommen keine Kalke vor und insbesondere die Bande d, besteht im Mittel- böhmen aus Grauwacken, Quarziten und Schiefern, während das Obersilur dort überwiegend von Kalksteinen gebildet wird. Krej&i meint: „Da im mittelböhmischen Silur die Minette das Alter der Zone d, besitzt, so muss sie allerdings auch ältere Schichten sangförmig durchsetzen, was, auf die hiesigen (d. i. im Eisengebirge) Verhältnisse angewendet, dafür sprieht, dass das Podoler Kalkstein- lager mit den Thonschiefern älter sein kann, als die Zone d,, und dass mithin dieser Kalkstein der Zone d, angehören kann“ #3). Diesem Ausspruch Krej@r’s nach würde es den Anschein haben, als ob die Durchsetzung der Podoler Kalke durch die Minette ent- schieden gegen das obersilurische Alter dieser Kalke sprechen würde. Im mittelböhmischen Silur geschah die Eruption der Minette allerdings in der Periode der Ablagerung der Schichten der Zone d,. Wie ich jedoch bereits früher bemerkt habe3®), braucht sich die Giltigkeit dieser Regel keineswegs auch auf das ostböhmische Silur zu erstrecken, wenn es auch im genetischen Zusammenhange mit dem mittelböhmischen stand, denn im Allgemeinen fallen die Minette- eruptionen in anderen Ländern eher in die zweite Hälfte der palaeozoischen Periode, namentlich in die Culmperiode. Meine Studien der palaeozoischen Ablagerungen des Eisen- gebirges sind bisher absoluten Zeitmangels wegen noch nicht so weit gediehen, dass ich schon in der vorliegenden Arbeit mit voller Sicherheit und Ausführlichkeit die Gliederung der Etage # in ähn- licher Weise, wie dies in Mittelböhmen geschah, durchzuführen ver- möchte. Ich vermuthe jedoch schon heute, dass auch im Eisengebirge sämmtliche Zonen der Stufe %, d.i. e,%, e,ß und e, vertreten seien. Der Bande e, entsprechen hier ganz entschieden die dunkel- grauen Kalksteine im Liegenden der lichten und weissen Kalke, die jetzt in dem Prachovicer Hauptbruch in mächtigen Bänken aufge- schlossen sind. Die Uebergangsschichten zwischen den Banden e, und e, d. i. die Zone e,ß, bestehen im mittelböhmischen Silur in den unteren Lagen aus Thonsehiefern mit eingelagerten Kugeln bituminösen Kalkes (Antraconitkugeln), in den oberen Lagen dagegen aus plattenförmigen Kalksteinen in Abwechslung mit Thonschiefern. Diese gesammte Zone ist im mittelböhmischen Silur durch die dunkle Farbe der sie bilden- den Gesteine und deren starken Bitumengehalt charakterisirt. Ich behaupte, und wohl mit Grund, dass ich diese Zone im Eisengebirge bei Podol und Boukalka an mehreren Stellen angetroffen habe. Dort stossen wir nämlich auf schwarze, weiche, bröckelige, schlecht spaltbare Thonschiefer, die Graphit und Anthraeit (das ehemalige Bitumen) enthalten, welche auch Rinden und Ueberzüge »>, „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisengebirges“, pag. 59. »') Jahrb. d. k. k. geol, Reichsanst, Wien 1892, 42, Band, pag. 460, 299 Dr. Jaroslav J. Jahn. [16] auf den durch Druck geglätteten, glänzenden Flächen dieses Schiefers bilden. Diese Schiefer enthalten mitunter Stiele und Stielglieder von Crinoiden. In denselben sind schwarze, stellenweise stark graphi- tische (= ehemals bituminöse) Kalksteine eingelagert. Diese Kalk- steine kommen in Gestalt abgeplatteter Kugeln von kreisförmiger oder elliptischer Contour 5) vor, oder in Form von mehr oder weniger dieken Platten. Ihre Oberfläche pflegt, so wie im mittelböhmischen Silur, von einer glänzenden, graphitischen oder anthracitischen Rinde überzogen zu sein. Beinahe jedes Stück dieser Kalksteine enthält Crinoidenreste; manche Platten enthalten solche Mengen von Skelett- theilen dieser Wesen, dass man sie direct als „Crinoidenkalk“ bezeichnen kann. Vergleicht man die soeben gelieferte Schilderung der fraglichen Schichten mit der Beschreibung der Uebergangsschichten e,ß im mittelböhmischen Silur, wie ich sie z. B. auf pag. 414 meiner erwähnten Arbeit bringe, so bemerkt man die vollständige Ueberein- stimmung beider: Habitus und Eigenschaften des Schiefers und des in ihm eingelagerten Kalksteines sind da und dort durchaus gleich, auch das häufige Vorkommen von Crinoidenresten ?%) in dieser Zone trifft in beiden böhmischen Silurgebieten zu. Wenn ich nun noch hinzufüge, dass die Orthoceren, die ich bei Podol eben in den Kalk- steinen dieser Zone gefunden habe, in ihren Dimensionen mit den Orthoceren aus den Kalksteinen der Uebergangsschichten e,% im mittelböhmischen Silur übereinstimmen, und wenn ich schliesslich hervorhebe, dass ich in denselben im Schiefer eingelagerten Kalk- steinen bei Podol auch den oberwähnten Lobolithus gefunden habe, der eine so häufige Erscheinung in der Zone e,5 im mittelböhmischen Silur z.. B. bei Budnan (Karlstein) und Kuchelbad bildet, wird wohl niemand mehr das übereinstimmende Alter dieser Ablagerungen in Zweifel ziehen. Ueber das Analogon der Graptolithenschiefer e,z im Eisen- sebirge vermag ich heute noch keine bestimmte Erklärung abzugeben. Es ist möglich, dass zu dieser Bande die schwarzen, dünn spaltbaren Schiefer (oder wenigstens ein Theil derselben) gehören, die bei Podol, Boukalka und Prachoviec das Liegende der soeben beschriebenen Schichten der. Etage E bilden. Leider vermochte ich bisher in diesen Schichten weder Graptolithen, noch andere Versteinerungen zu finden. Ich zweifle auch daran, dass dies dort je der Fall sein wird, da dieser Schiefer durch den durch tektonische Vorgänge verursachten Druck so sehr verändert ist (seine Schichtflächen sind fein, parallel gefaltet), dass in ihm diese zarten Fossilien gar nicht erhalten bleiben 3) Es sind dies wohl dieselben Kalkconcretionen, von denen Krejti in seiner „Geologie* bemerkt, dass sie „insbesondere auf dem Hange unter Nutie bei Podol in den graphitischen Schiefern häufig auftreten, wo diese Schiefer mit dem Kalksteine (d. i. dem weissen) im Contact sind. Ausser den Encriniten- gliedern“ — sagt Krejti— „sieht man dort auch undeutliche Muschel-, Korallen- und Cephalopodenabdrücke, jedoch von so undeutlicher Art, dass sie eine nähere Bestimmung nicht zulassen“ (l. c. pag. 452). 6) Einige Stücke von diesem schwarzen Podoler Kalksteine mit häufigen Crinoidenresten vermag man von Stücken desselben Gesteines aus den Uebergangs- schichten e, % von Karlstein kaum zu unterscheiden. [17] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 223 konnten. Ueberdies sind auch die Lagerungsverhältnisse der palaeo- zoischen Schichten, wie ich schon früher erwähnt habe, gerade in diesem Theile. des Eisengebirges so verworren, dass es nicht angeht, bei eberflächlicher, flüchtiger Besichtigung derselben die Frage auch nur in dieser Weise zu lösen. Die bisherigen Profile aus diesem Gebiete entsprechen nicht den thatsächlichen Verhältnissen, und zur Construction eines vollständigen, eingehenden und richtigen Profiles der Gegend von Podol fehlte mir bisher Zeit und Musse. Ueber die das Liegende der Podoler Kalksteinzone bildenden Schichten. Als Krej&t an die Bestimmung des Alters der verschiedenen palaeozoischen Gebirgsarten in dem uns berührenden Theile des Eisengebirges ging, fusste er auf der ganz unrichtigen Voraussetzung, dass in der Mitte dieses Gebirgszuges (also etwa in der Umgegend von Podol) die ältesten Gesteine lagern, worauf dann gegen Norden, der Elbethalniederung zu, immer jüngere Gesteine folgen. Zu dieser unrichtigen Bestimmung des Alters der palaeozoischen Ablagerungen im Eisengebirge,.bewog Krej@t wohl hauptsächlich eben der Umstand, dass er die stratigraphisch selbstständige Zone der dunklen Kalksteine von den lichten nicht zu unterscheiden wusste. Krejöt beobachtete richtig, dass die dunklen Kalksteine mit Thon- schiefer wechsellagern (vergl. vorn meine Beschreibung der Zone e,® bei Podol). In diesen Schiefern fand er dieselben Crinoidenreste wie in den genannten Kalksteinen. Weil jedoch Krejti diese Schiefer für ein Analogon der mittelböhmischen Bande d, ansah, erkannte er auch allen Podoler Kalken das Alter der Zone d, zu. Dieser Irrthum bewog nun Krej6t dazu, die der mittelböhmischen Bande d, analogen Quarzite für Jünger als die Podoler Kalke zu erklären 3”). Da nun diese Quarzite nördlich von den Podoler Kalken gelegen sind, betrachtete Krej6f alle Schichten nördlich von Podol als das Hangende der Podoler Kalksteine. Der Fund eines entschieden obersilurischen Leitfossiles, Lobo- ithus Michelini Barr., in den schwarzen Podoler Kalken liefert nun den Beweis, dass in Wirklichkeit dort gerade die entgegengesetzte Schichtenfolge zutrifft, dass bei Podol die jüngsten palaeo- zoischen Ablagerungen entwickelt sind und nach Norden hin immer ältere Gesteine folgen: Untersilur, Cambrium, Präcambrium, Urgebirge. »”) Krejti sagt in den „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisen- gebirges“: „Durch dieses Vorkommen (d. i. der Scolithen) wird für den Quarzit des Eisengebirges die Einreihung in die Zone d, mit beinahe völliger Sicherheit bestimmt, woraus nun folgt, dass die schwarzen Thonschiefer, welche das Kalklager von Podol einschliessen und unter den Quarziten liegen, der Zone Dad, angehören müssen.“ Und weiter sagt er: „Es könnten zwar diese schwarzen Thon- schiefer auch als d, gedeutet werden, doch dem widersprechen die Lagerungs- verhältnisse, da diese Thonschiefer unter den Quarziten ruhen“ (I. c., pag. 56). Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (J. J. Jahn.) 30 224 Dr. Jaroslav J. Jahn. [18] Dass sich die Dinge thatsächlich so verhalten, wurde mir auch einleuchtend, als ich mit dem Herrn Collegen Ingenieur A. Rosiwal die Schiehtenfolge von Podol nach Norden gegen Hermanmeösteec hin untersuchte. : Wenn wir die Kalksteinzone verlassen haben, gelangen wir vorerst in eine ziemlich mächtige Zone schwarzer, dünnblätteriger Schiefer, über die ich soeben die Ansicht äusserte, dass sie wenigstens zum Theil der Zone ex angehören. Die Lagerung dieser Schiefer ist stark gestört; ihre Schichten sind gefaltet und vieifach verworfen, stellenweise senkrecht gestellt; anderen Orts fallen sie nach NW oder aber nach SO ein. Auch das Streichen der Schichten dieser Schiefer ändert sich mitunter. Dieser Schiefer kommt auch in der Semtiner Basalttuffbreceie vor. In meiner oben eitirten diesbezüglichen Arbeit betrachtete ich diesen Schiefer als d, ®®) mit Berufung auf Krej&t, der in seiner Abhandlung über das Eisengebirge diese „schwarzen, auf den Schich- tungsflächen oft schwach parallel gefältelten Thonschiefer* ?%) insge- sammt zur Bande d, rechnet. | Unter diesen Schiefern folgt gegen Norden eine Zone dunkler Grauwackenschiefer, die mit schwarzen, dünnblättrigen, glimmerhaltigen Schiefern wechsellagern, deren Schichtflächen stellenweise uneben, anderswo — wie bei dem vorigen Schiefer — fein parallel gefaltet sind. Aehnliche Gesteine finden sich ‚in der Semtimer Breceie und enthalten dort zahlreiche, für die Zone d,. , bezeichnende Fossilien. Hier im Eisengebirge gelang es mir bisher noch nicht, in diesen Schiefern auf Versteinerungen zu stossen; allein diese Schiefer pflegen auch im mittelböhmischen Silur sehr oft versteinerungsleer zu sein und bergen Fossilien in grösserer Zahl nur stellenweise, an den bekannten Fundstätten. Man muss daher auch im Eisengebirge solehe Fundstätten, die dort wohl schwerlich fehlen, aufzufinden trachten. Sowie im mittelböhmischen Silur die schwarzen, dünn- blättrigen Schiefer der Barrande’schen Bande d, mit dunklen, gröber geschiehteten, durch unebene Schichtenflächen gekennzeichneten Grauwaeken- und Thonschiefern der Bande d, wechsellagern ®°), scheinen auch hier im Eisengebirge die beiden Banden verschmolzen zu sein: Schichten der Bande d, sind in die Schichten der Bande d, eingelagert. Die sodann folgende Zone schwarzer, dünn geschichteter, glim- merhaltiger Schiefer würde den geschilderten Lagerungsverhältnissen semäss den Vinicer Schiefern (d,) entsprechen. Diese Deutung hat für sich auch den Umstand, dass unter diesen Schiefern die Dräbover Quarzite, Bande d,, gelegen sind. Diese Bande wird im Profile Podol-Hermanmöstee von licht- grauem, feinkörnigem, sehr hartem und festem Quarzit mit ebenen Schichtungsflächen gebildet, der mit dem Dräbover Quarzite (d,) an ») Verhandl. d. k. k. geol. R.-A., Wien 1896, Nr. 16, pag. 447. »*) „Erläuterungen zur geol. Karte des Eisengebirges“, pag. 57. *#°%) Siehe meine Arbeit im Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Wien 1892, Bd. 42, pag. 409—411. — Vergl. Verhandl. d. k. k. geol. R.-A., Wien 1896, Nr. 16, pag. 449 — 450. [19] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 225 vielen Stellen des mittelböhmischen Silur vollkommen übereinstimmt. Dasselbe Gestein findet sich auch in der Semtiner Breccie ; ich habe es in meiner betreffenden Arbeit auch wirklich als d, bezeichnet. Aehnlich wie im mittelböhmischen Silur (Ostry, Ded u. a. O.) sind auch hier in der Quarzitbande d, stellenweise dunkle, glimmer- haltige Grauwacken- und Thonschiefer mit rostfarbenen, ebenen Schichtungsflächen eingelagert. Die sodann im Norden folgenden Gesteine sehe ich als ein Analogon des mittelböhmischen Cambrium an. Es sind dies: Ein Quarzit- bis Grauwackenconglomerat, das mit dem Tremosnä- Conglomerate des mittelböhmischen Cambrium übereinstimmt. Dieses Conglomerat ist bald feinkörnig, bald grobkörnig, dunkel oder lichter, stellenweise röthlich gefärbt, seine Schichtflächen pflegen mit Ocker bedeckt zu sein. Die Uebereinstimmung mit dem Conglomerat des Skrej-Tejrovicer Cambrium ist daher vollständig. Dieses Conglomerat kommt auch in der Semtiner Basalttuffbrececie vor. Es geht in den oberen Schichten in meist dunkelgrauen Quarz- und Quarzitsandstein über, der bis auf seine Farbe vollkommen mit dem analogen Gesteine des Skrej-Tejrovicer Cambrium übereinstimmt. Weiter nach Norden hin folgen Grauwacken und Grauwacken- sandsteine, die entschieden zum Präcambrium zu zählen sind. Der dortige schwarze, feinkörnige, sehr feste Grauwackensandstein gleicht vollständig dem analogen Gesteine im Liegenden des Skrej-Tejrovicer Cambrium, insbesondere dem Grauwackensandsteine am rechten Beraunufer gegenüber von Slovie ?!). Dasselbe Gestein bildet eine mächtige Zone bei Richenburg im Eisengebirge. Die graugrüne Grau- wacke, die unser Profil im Norden abschliesst, ähnelt in petrographischer Beziehung gleichfalls den analogen Gesteinen im Liegenden des Skrej-Tejfovicer Cambrium. , Von da nach Norden hin sind die archäischen Schichten, die folgen sollten, von den Kreideablagerungen bedeckt. Im Liegenden der Podoler Kalksteinzone sind daher vertreten: Bande e, (muthmasslich), Bande d, ı ,, Bande d,, Cambrium und Prä- cambrium. Bei Vergleichung mit dem mittelböhmischen Silur fehlen daher: Bande d, (Kosover Quarzite und Königshofer Schiefer), Bande d, (d, #, &, y) und die Skrej-Jinecer Paradoxidesschiefer. Ich werde im Folgenden noch nachweisen, dass einige dieser Banden doch im Eisengebirge vertreten sind, wenn sie auch nicht gerade im Liegenden der Podoler Kalksteine auftreten. Uebersicht der bisher bekannten Silurstufen im Eisengebirge. Aus dem im Vorhergehenden Mitgetheilten ist ersichtlich, dass durch meine heurigen Untersuchungen in der Gegend zwischen Podol #1) Vergl. meine diesbezügliche Arbeit im Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1895, Jahrg. 45, Hft. 4, pag. 729. 30* 226 Dr. Jaroslav J. Jahn. [20] und Hermanmöstee unser Wissen betrefis der palaeozoischen Ab- lagerungen im Eisengebirge eine bedeutende Erweiterung erfahren hat. Wenn man die Resultate meiner heurigen Untersuchungen mit den früheren diesbezüglichen, von mir anderen Orts publicirten Mit- theilungen zusammenfasst und unter Einem die bis nun sicher- gestellten Stufen der palaeozoischen Ablagerungen im Eisengebirge mit den bekannten Etagen und Banden des mittelböhmischen Silur vergleicht, bietet unser gegenwärtiges Wissen vom ostböhmischen Silur das nachfolgende Bild: Liegendes: Präcambrium. Etage B: 1. Schwarze Thonschiefer mit Kieselschiefer- (Lydit-) Einlage- rungen, an vielen Stellen des Eisengebirges (und auch in der Semtiner Breccie, sowie im Basalte des Kunöticer Berges, hier stark verändert). Uebereinstimmend mit denselben Gesteinen im Liegenden des Skrej-Tejrovicer Cambrium. 2. Schwarzer, feinkörniger Grauwackensandstein, nördlich von Podol, bei Richenburg u. a. O. im Eisengebirge. Uebereinstimmend mit dem betreffenden Gestein im Liegenden des Skrej-Tejrovicer Cambrium. 3. Graugrüne, grobkörnige Grauwacke, südlich von Herman- möstee u. a. O. im Eisengebirge. Aehnlich einigen Grauwacken im Liegenden des Lohovic-Skrej-Tejrovicer Cambrium. Cambrium. ‚ Etage ©: 1. Tremosnä-Conglomerate:: Quarz- und Grauwackenconglomerate bis Quarzite, an vielen Orten im Eisengebirge (z. B. nördlich von Podol, zwischen Brloh und Zdechovic, besonders bei Spitovic, Öertova skäla ete.); das Quarzconglomerat ist auch in der Semtiner Breccie, der Quarzit im Basalte des Kunöticer Berges vertreten. Diese Ge- steine stimmen mit den analogen Gesteinen im Skrej-Tejrovicer und Jinecer Cambrium überein. 2. Skrej-Jinecer Schiefer: Blaugraue und grünliche Thonschiefer mit Einlagerungen von grauen und rostfarbenen Grauwackensand- steinen, zZ. B. bei Labetin, im Ausläufer des Eisengebirges. Die Lab£tiner Schiefer sind vollkommen übereinstimmend mit den Skrej- Jinecer Schiefern, die darin eingelagerten Grauwackensandsteine gleichen vollständig den in den Paradoxidesschiefern des Skrej- Tejrovicer und Jinecer Cambrium eingelagerten Grauwackensand- steinen #2). *?) Schon Krej&i betont zu wiederholten Malen in seiner Monographie des Eisengebirges die auffallende Aehnlichkeit, ja vollständige Congruenz der die cambrischen Oonglomerate im Eisengebirge begleitenden Thonschiefer mit den Jinee-Skrejer Schiefern. Diese Schiefer gehen auch hier im Eisengebirge ebenso wie bei Tejrovic in Oonglomerate über und wechsellagern mit ihnen (l. ce. pag. 43 ete.). > 3 - 8 ; [21] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 227 Untersilur. Etage D: d,: Krej&t zählt in seiner Monographie des Eisengebirges zur Bande d, die Podoler Kalksteine und die schwarzen Thonschiefer im Liegenden derselben. Aus meinen Untersuchungen ergibt sich, dass diese Ansicht vollständig unrichtig ist. Späteren eingehenden und systematischen Untersuchungen im Bereich des Palaeozoicum im Eisengebirge bleibt es überlassen, nachzuweisen, ob dort diese Stufe vertreten ist, und durch welche Gesteine. Im Profil Podol- Hermanmöstee kommt diese Stufe nicht vor, denn dort ruhen die Dräbover Quarzite direct auf dem Cambrium. d,: Licht- bis dunkelgraue Quarzite, die stellenweise Scolithus- Röhrchen enthalten, durch welche diese Bande im mittelböhmischen Silur charakterisirt ist. An vielen Stellen im Eisengebirge (auch in der Semtiner Breccie vertreten). Vollkommen übereinstimmend mit den Dräbover Quarziten im mittelböhmischen Silur. ds: Schwarze, selten graue, glimmerhaltige Thonschiefer, die in der Semtiner Breccie zahlreiche, für diese Bande charakteristische Fossilien enthalten (Trinucleus ornatus Sternb. sp., Cheirurus elaviger Beyr., Dalmaniten, Hyolithen, zahlreiche Bivalven, Orthis altera Barr. etc... Zu dieser Bande gehört entschieden ein Theil der schwarzen, glimmerhaltigen Schiefer im Hangenden der Dräbover Quarzite im Eisengebirge. Diese Schiefer stimmen mit den analogen Schiefern der Bande d, von Vinice, Trubin, Zahoran ete. im mittel- böhmischen Silur vollständig überein. d,: 1. Schwarzer, grünlichgrauer, manchmal auch bräunlicher, glimmerhaltiger Thonschiefer mit unebenen, knotigen Schichtungs- flächen, vertreten in der Semtiner Breccie, vollkommen überein- stimmend mit demselben Gestein z. B. bei Nucie (schwarz), Zahoran (grünlichgrau) und Pod&äpel (bräunlich) im mittelböhmischen Silur. 2. Grauer, glimmerhaltiger, auf den unebenen, knotigen Schich- tungsflächen fostfarbener Grauwackenschiefer, vertreten in der Sem- tiner Breccie, vollkommen übereinstimmend mit dem analogen Gesteine, z. B. bei Zahoran, Nu@iec, am Belvedere u. a. O. im mittelböhmi- schen Silur. >. Dichter, schwarzer Kalksandstein von concentrisch schalen- förıniger Structur, vertreten in der Semtiner Breccie; ähnliche Kugeln von schwarzem Kalksandstein sind in den Schiefern der Bande d; bei Beraun, Trubin u. a. OÖ. und der Bande d, bei Vräz, Lod£nie, Radotin u. a. O. im mittelböhmischen Silur eingelagert. In diesen in der Semtiner Breccie häufig vorkommenden Ge- steinen habe ich dort auch Petrefacte gefunden (Trinucleus ornatus Sternb. sp., Pleurotomaria sp., Leda sp. und drei Nucula-Arten). Zu dieser Bande, die jedoch von der vorhergehenden Bande nicht geschieden werden kann, gehören wohl sicher die schwarzen, glimmerhaltigen Thonschiefer mit Einlagen von dunklen Grauwacken- schiefern- und Sandsteinen im Liegenden der Podoler Kalksteine (vergl. das früher Gesagte). 298 Dr. Jaroslav J. Jahn. [22] d,: Diese Bande besteht im mittelböhmischen Silur aus weichen, bröckeligen, lichtgrünlich- und gelblichgrauen, bis dunkelgrauen, dünn- blättrigen Schiefern (Königshofer Schiefer) und grauen Quarziten (Kosover Quarzite). Ob diese Bande im Eisengebirge vertreten ist, vermag ich heute noch nicht zu entscheiden. Einige von mir in der Semtiner Breccie gefundene Quarzite erinnern stark an die Kosover Quarzite des mittelböhmischen Silur. Katzer sagt: „Die dunklen Schiefer sammt den quarzitischen Einschaltungen könnten durchwegs der Stufe Dd, angehören, wofür theils ihr Aussehen, theils ihr Pyritgehalt, besonders aber der Um- stand sprechen würde, dass die quarzitischen Gesteine den Schiefern häufiger eingelagert als aufgelagert sind“ #3). Obersilur. Etage E: e,%: Wie schon erwähnt, betrachte ich es als wahrscheinlich, dass die schwarzen, glimmerhaltigen, dünnblättrigen Thonschiefer im un- mittelbaren Liegenden des Podoler Kalksteinlagers zu dieser Bande zu zählen sind, die im mittelböhmischen Silur von thonigen Grapto- lithenschiefern mit denselben Eigenschaften gebildet wird. Die er- wähnten, auf den Schichtflächen fein parallel gefältelten Schiefer kommen auch in der Semtiner Breccie vor. e,6: Schwarze, bröckelige, mit Graphit oder Anthracit impräg- nirte, Crinoidenreste enthaltende Thonschiefer mit Einlagerungen von abgeplatteten Kugeln und Platten eines schwarzen, stark graphitischen Kalksteines, der zahlreiche Crinoidenreste, sowie Orthoceras sp. ind. und Lobolithus Michelin Barr. enthält. Im Podoler Kalksteinlager. Diese Gesteine (und auch ihre gegenseitige Lagerung) stimmen mit den Uebergangsschichten zwischen den Banden e, und e, im mittel- böhmischen Silur überein. y: Dunkelgraue, geschichtete Kalksteine im Liegenden der lichten und weissen Kalke, als mächtige Zone aufgeschlossen in den Pracho- vicer Steinbrüchen im Eisengebirge. Diese Kalksteine sind umge- wandelt, soweit mir bekannt, versteinerungsleer und gestatten keinen direeten Vergleich mit den Kalksteinen der Bande e, im mittel- böhmischen Silur. Ihre Lage oberhalb der Zone e,& und unter der mächtigen Zone der lichten und weissen Podoler Kalksteine lässt jedoch über ihr Alter keinen Zweifel zu. Hereyn ®). Etage F: fa: Lichtgraue (gestreifte, wolkige) bis weisse, krystallinische Kalksteine mit Crinoiden-, Brachiopoden(?)- und undeutlichen Korallen- *») „Geologie von Böhmen“, pag. 1004. *) In den Erklärungen der Farben auf der VI. Section der geolog. Karte von Böhmen (siehe Anmerkung °) weiter oben) führt Krejti aus Ostböhmen auch die Etage H an, Unter diesem H ist ein Ausläufer der von Krejti so :ge- [23] Die Silurformation im östlichen Böhmen. 2239 resten, die Podoler Kalke. Die diese Kalke bei Podol durchsetzende Minette findet sich auch in der Semtiner Brececie und in dem Basalte des Kunöticer Berges vor. Im letzteren kommt auch der weisse, krystallinische Kalk eingeschlossen vor. Aus der hiermit gelieferten Uebersicht und Vergleichung resultirt die offenbare Uebereinstimmung in der Facies-Ent- wicklung der silurischen Ablagerungen im östlichen und mittleren Böhmen, und zwar in petrographischer sowohl als in palaeontologischer Hinsicht. Diese Uebereinstimmung liefert den Beweis, dass diese beiden Silurgebiete, die gegenwärtig im Relief des Landes von einander getrennt und scheinbar selbstständig auftreten, Ablagerungen eines und desselben Meeres und Ueberreste ehemaliger, viel ausgedehnterer” Silurschichten vorstellen, die durch spätere Trans- gressionen zum Theil abradirt worden sind. Dieser Ansicht huldigte schon Krejöt, ihr vornehmlicher Vertreter ist jedoch Suess. Ein Blick auf die geologische Karte Böhmens macht uns diesen Zusammenhang beider böhmischer Silurgebiete vollkommen plausibel: Die mittelböhmischen Silurschichten halten das nordöstliche, die analogen Schichten im FEisengebirge dagegen das nordwestliche Streichen ein. Das mittelböhmische Silur fällt an seinem nordöst- lichen Ende unter die Kreideformation der Elbthalniederung ein und ebenso verschwindet auch der nordwestliche spornförmige Ausläufer des Eisengebirges unter der Kreidedecke der Elbeniederung und der auf ihr ruhenden quaternären Ablagerungen. Krej&t hat die Vermuthung geäussert #), dass die palaeozoischen Schichten des Eisengebirges auch nordwestlich von Elbeteinitz unter der Decke der Elbthalkreideformation und des Böhmischbroder Perm in der Richtung gegen das mittelböhmische Silur hin fortsetzen, ja dass sie weiter im Nordwesten, allerdings in bedeutender Tiefe, noch immer mit dem mittelböhmischen Silur im Zusammenhange sich be- finden. Suess wies darauf hin, dass die offenbare schwache Krümmung des nordöstlichen Ausläufers des mittelböhmischen Silur nach Osten hin, in der Richtung zum Eisengebirge, für diese Annahme spricht. In meinen Arbeiten über das Silur in Ostböhmen und über die Semtiner Breccie habe ich mich dahin geäussert, dass das Vorkommen von cambrischen und silurischen Gesteinen in der Semtiner Breceie, sowie im Basalte des Kunöticer Berges die Ansicht Krejöfs und Suess’ bestätigt, dass die palaeozoischen Ablagerungen des Eisen- gebirges auch in der Tiefe unter der Kreidedecke sich weiter er- strecken, und zwar nicht blos nach Norden, sondern auch weiter nach Nordwesten, in der Richtung zum mittelböhmischen Silur hin. deuteten Gesteine am rechten unteren Rande der genannten Section südöstlich von Landskron gemeint. Herr Oberbergrath Dr. E. Tietze, der diese Gegend aufgenommen hat, theilt mir nun mit, dass diese Gesteine mit dem böhmischen Silur absolut nichts zu thun haben; es ist dies der sogen. Tess-Gneiss nach Prof. Beceke’s Benennung. #5) „Erläuterungen zur geologischen Karte des Eisengebirges“, pag. 43, 5b. 930 Dr. Jaroslav J. Jahn. [24] Durch den Fund von für die Bande d;,ı;, charakteristischen Versteinerungen in den Geschieben von typischem Vinicer und Za- horaner Schiefer und Grauwacke in der Semtiner Breceie wurde der erste palaeontologische Beweis geliefert (allerdings auf secundärer Lagerstätte) für die Berechtigung der Hypothese vom genetischen Zusammenhange beider böhmischer Silurgebiete, die Krejti und Suess blos aus tektonischen Gründen und in Erwägung der petro- graphischen Uebereinstimmung der gleichalterigen Gesteine da und dort aufgestellt hatten. Durch den Fund eines entschiedenen obersilurischen Leitfossils — Lobolithus Michelini Barr. — in dem schwarzen Kalksteine im Liegenden der weissen Podoler Kalke ist nun heute dieser palaeonto- logische Nachweis auch auf primärer Lagerstätte erbracht und zugleich ist nın zum ersten Male, und zwar in definitiver Weise, die wirk- liche, richtige Schichtenfolge im. Palaeozoicum des Eisengebirges festgestellt. : Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. Von Max Diersche. Mit einer lithographirten Tafel (Nr. VII). Einleitung. Im Winter des Jahres 1894 unternahm Herr Geh. Bergrath Prof. Dr. F. Zirkel!) eine Reise nach Ceylon. Während seines sechs- wöchentlichen Aufenthaltes besuchte er die wichtigsten Punkte der Insel. Nach der Landung in Colombo führte der erste grössere Aus- flug in die nord-nordöstlich von dieser Stadt (über Polgohawela und Kurunegala hinaus) gelegenen Graphitgruben von Ragedara. Darauf wurde der ehemaligen Königsstadt Kandy ein Besuch abgestattet. Nun galt es, die alte Ruinenstadt Anuradhapura im nördlichen Flachland zu erreichen. Der Weg dahin führte von Kandy über Matale, Dam- bulla und Tirupane. Nach erfolgter Rückreise ging es nach Nanu Oya, ca. 4000 Fuss höher als Kandy. Omnibusverkehr liess darauf nach Nuwara Eliya (abgekürzt: Nurelia) gelangen, das noch 600 Fuss höher im Gebirge liegt, dieht am Fusse des höchsten ceylonischen Berges, des Pedurutallagalla (abgekürzt: Pedro), der 2536 m (8296 Fuss) hoch ist, aber nur ca. 2000 Fuss hoch über dem Oertchen emporsteigt. Etwas östlich von Nuwara Eliya liegt Hakgalla. Westlich dagegen befindet sich die Theeplantage Dimbula, etwa 7 Miles von der Eisenbahnstation Kotagala entfernt. Von hier aus ging es über Hatton nach Laxapane und dem in der Luftlinie nur 18 Miles nach Südwesten zu gelegenen immergrünen Felsenkegel des Adamspiks, (420 Fuss hoch. Zwei Ruhetage in Kandy und die Rückfahrt nach Colombo beschlossen diese Reise ins Innere Ceylons. Die in den ver- schiedenen Gegenden gesammelten Gesteinshandstücke und Mineralien ' wurden dem Verfasser dieser Abhandlung zur Bearbeitung überlassen. Für diese Freundlichkeit wird sich derselbe seinem hochverehrten Lehrer immer zu grösstem Danke verpflichtet fühlen. Ceylon ist trotz seiner hohen Bedeutung und vorgeschrittenen Cultur, trotz seiner grossen Anziehungskraft für Gelehrte und Reisende !) Ceylon. Vortrag, gehalten im Verein für Erdkunde zu Leipzig am 5. Februar 1896 von F. Zirkel. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt. 189.. 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 31 232 Max Diersche. [2] aller Art, in geologischer Hinsicht noch immer ein verhältnissmässig wenig bekanntes Land, von welchem noch nicht einmal eine gute, zuverlässige topographische Karte existirt. Insbesondere gilt dies im Gegensatz zu Vorder-Indien, über dessen geologische und petrogra- phische Verhältnisse das grosse „Manual of the geology of India“ weitgehenden Aufschluss gibt und an dessen weiterer Erforschung die geologische Landesuntersuchung von Indien mit grossem Eifer arbeitet. Eine ähnliche Anstalt gibt es für das als Kronland administrativ ganz anders dastehende Ceylon zur Zeit noch nicht, und was von der Insel in geologischer Hinsicht bekannt geworden, verdankt man privaten Studien. Auch hat man erst in neuerer Zeit begonnen, sich auf diesem Gebiete mit der Erforschung Ceylons zu befassen. Die Insel!) hat die Gestalt einer an dem grossen indischen Dreieck etwas rechtsseitlich fast genau von Norden nach Süden herab- hängenden Birne, deren Stiel der Jafina-Archipel ist. Vom Festlande wird sie durch eine Meerenge getrennt, welche an ihrer schmalsten Stelle nur 96 Am breit ist und noch von Inseln und den Korallen- riffen der Adamsbrücke unterbrochen wird. Ceylon erhebt sich von den Küsten aus zunächst ganz allmälig, so dass ein ziemlich breiter, flacher Küstensaum entsteht. Er stellt einen tbeilweise lagunen- bedeckten Landstreifen dar, welcher die üppigste Tropenvegetation aufweist und im Norden die grösste Breite erlangt. Dieser äusserste und niedrigste Theil der Insel besteht im Norden hauptsächlich aus horizontal gelagerten Bänken von Meeressand und Korallenkalk. Auf ihn folgt allseitig nach dem Innern des Landes zu, ebenfalls im Norden die grösse Ausdehnung erreichend, ein niedriges, buschbedecktes und zum Theil etwas sumpfiges Flachland, aus dem sich im Norden nur einzelne klotzähnliche Hügel oder kurze, gerundete Bergzüge erheben, während im Süden und Osten die Zahl und Höhe derselben etwas bedeutender ist, sodass man dort von einem Hüsgellande reden kann. Das Innere, namentlich des südlichen Ceylons, aber ist ein gebirgiges Hochland, in dem ungefähr 100 Bergspitzen zwischen 1000 und 2000 m Höhe erreichen und etwa 10 Piks über 7000 Fuss emporragen. Die höchsten sind der Pedurutallagalla mit 2536 m (8296 Fuss) und der Kirigallpolla 2580 m (7592 Fuss). Der Adamspik, der lange als der höchste galt, weil er vom Meere aus als der hervorragendste Berg- kegel erscheint, ist nur 7420 Fuss hoch. Die Berge des centralen Gebirgsmassivs, sowie die ihm vorgelagerten Hügel bestehen vor- wiegend aus krystallinischen Schiefern, und zwar nimmt darunter der (neiss, welcher von jeher als Hauptgestein Ceylons angesehen wurde, eine hervorragende Stellung ein; neben ihn tritt der Granulit, sowohl -normaler als auch Pyroxengranulit. Granite sollen diese Gesteine an einzelnen Orten durchbrechen. Auch Quarzit wird im Gebirge gefunden. Die Oberfläche der ceylonischen Gesteine ist gewöhnlich stark verwittert zu jenem ziegelrothen, thonigen Mulm, der eine für die Tropen charakteristische Erscheinung darstellt und als Laterit bezeichnet wird. Der Hauptrücken des Gebirges verläuft fast genau von Norden nach Süden; er fällt nach Westen zu viel steiler ab als ', Zirkel, Vortrag etc. pag. 8. [3] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 233 nach Osten. Das eigentliche rundliche, etwas excentrisch nach Süd- westen verschobene Hauptgebirgsmassiv ist sehr zerrissen durch tief eingefurchte Thäler; es nimmt etwa den fünften Theil der ganzen Insel ein. Was die mir zugängliche geologische Literatur über Ceylon im Allgemeinen, beziehentlich über Gesteine und Mineralien desselben im Besonderen enthält, ist kurz Folgendes: 1. Sir Emmersen Tennent: Ceylon, an account of the island physieal, nistorical and topographical. London 1860. 2. v. Richthofen: Bemerkungen über Ceylon. (Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, XII, 1360, pag. 523.) =. A. M. Fergsusson: a) Directory of Ceylon 1837. b) x. On Plumbago, with Special Reference to the Position occeu- pied by the Mineral in the Commerce of Ceylon (vorgetragen in der Royal Asiatie Society, 1887). ß. Gold, Gems and Pearls in Ceylon. Y. Plumbago Industry of Ceylon. Colombo 1887. 4. F. Sandberger: Beitrag zur Kenntniss des Graphits von Ceylon. (Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1887, II. Band, pag. 12.) 5. A. Lacroix: Contributions ä l’etude des gneiss & pyroxene et des roches A wernerite, chapitre VII, pag. 198. Extrait du Bulletin de la Societe Francaise de Mineralogie (avril 1889), 6. Contributions to the study of the pyroxenie varieties of Gneiss and of the Scapolite — bearing Rocks; by M. Al. Lacroix. — Ceylon and Salem. Translated by F. R. Mallet, late Superinten- dent, Geological Survey of India. (From the Records, Geological Survey of India, Vol. XXIV, Pt. 3, 1891.) 7. Joh. Walther: Graphitgänge im zersetzten Gneiss (Laterit) von Ceylon. (Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, XII, 1889, pag. 359.) 8. F. Zirkel: Ceylon. Vortrag, gehalten im Verein für Erdkunde zu Leipzig am 5. Februar 1896. 9. G. Melzi: Sopra aleune rocce dell’ isola di Geylan. Estratto dai „Rendiconti* del R. Istituts Lomb. di scienze e lettere, Serie II, VOLSRNR, 1897. Das dieser Abhandlung zu Grunde liegende Material besteht einerseits aus Gesteinen von den verschiedenen, oben kurz skizzirten Öertlichkeiten der Insel, andererseits aus Handstücken des Graphits von Ragedara, nebst darin enthaltenen Einschlüssen. Es werden daher betrachtet: I. Einige Gesteine der Insel Ceylon, II. Graphit von Ragedara nebst seinen Einschlüssen. 312 234 Max Diersche. [4] I. Einige Gesteine der Insel Ceylon. Die Handstücke dieser Gesteine entstammen dem mittleren (Kandy), nordwestlichen (Ragedara, Kurunegala) und südlichen (Dim- bula, Adamspik, Pedurutallagalla, Hakgalla) Theile des centralen Gebirgsmassivs, sowie dem nördlichen Flachlande (Dambulla, Tirupane, Anuradhapura) und der Westküste (Mt. Lavinia). Die vertretenen Gesteine sind: Normaler Granulit, Pyroxengranulit, Gneiss, Granit, Kalkstein, Quarzit, Meeressand. 1. Normale Granulite. Wenn hier von Granulit die Rede ist, so ist damit ein Vertreter jenes zu den altkrystallinischen Schiefergesteinen gehörenden Gesteins- typus gemeint, dessen Kenntniss insbesondere von dem sächsischen Granulitgebirge ausgegangen ist, nicht etwa eine Strueturvarietät des Granites, welche die Franzosen mit diesem Namen bezeichnen, der von ihnen aus auch in der englischen Literatur Eingang gefunden hat. Die hier und in der Folge Granulite genannfen ceylonischen Vorkommnisse werden von Al. Lacroix!) als Leptynite bezeichnet. Die allgemeinen Eigenschaften dieser ceylonischen Gesteine sind dieselben, wie die anderer normaler Granulite. Quarz und Feldspath sind schon makroskopisch deutlich zu erkennen; ersterer stellt farb- lose, glasglänzende, meist langgestreckte Bestandtheile oder förmliche Lagen dar, denen parallel die ebenso ausgebildeten Feldspathe von mehr weisslichem. matten Aussehen verlaufen. Dadurch entsteht die eigenthümliche, schiefrige Structur. Auch der Granat hilft diese erzeugen, zwar nicht, indem er selbständige und zusammenhängende Lagen bildet, sondern dadurch, dass seine isolirten Körner in gewissen Ebenen vertheilt liegen. Der Querbruch des Gesteines zeigt daher eine reihenweise Anordnung der Granatkörner, während sie auf der Ebene der Spaltbarkeit in ganz verschiedenen gegenseitigen Abständen hervortreten. Zuweilen ist auch noch Glimmer in kleinen Blättchen zu sehen, welcher dann in Gemeinschaft mit den Granaten an gefärbten Gemengtheilen reiche und daran arme Lagen zusammen- setzen hilft. Nie sinkt jedoch die Dicke dieser Lagen zu so geringer Ausdehnung herab, wie z. B. in den sächsischen Granuliten, sondern die Structur bleibt diekschiefrig. Meist sind die Gesteine mittel- fast grobkörnig; wird das Korn feiner, so erlangen sie mehr zucker- körniges Aussehen, und die typische Schiefrigkeit verschwindet fast ganz. Da Quarz und Feldspath den grössten Theil der Granulite ausmachen, so ist deren Farbe immer hell, licht, röthlich oder gelblich. Bunte Flecken des rothen Grauates erhöhen die Schönheit ihres äusseren Habitus. Die ceylonischen Granulite sind sehr hart und spröde. Eine besonders leichte Zerspaltung in der Richtung der Schieferung ist nieht bemerkbar, so dass sehr bequem fast cubische Handstücke geschlagen werden können, und bei der Härte einer ') Contributions etc. 1889, pag. 211 u. 212. [5] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 235 Verwendung als Pflastersteine nichts entgegensteht. Das specifische Gewicht ist durchschnittlich 276. Ausser den drei Hauptbestandtheilen tritt in einer Varietät noch reichlich Zoisit auf; als accessorisch sind anzuführen: Biotit, Rutil, Apatit, Zirkon, Spinell, Magneteisen (titan- haltig), selten Eisenkies. Feldspath tritt auf als Orthoklas (Mikroperthit) und stets auch als Plagioklas; Biotit fehlt nie. Dagegen wurden Sillimanit, Andalusit, Turmalin, Hornblende und Muscovit niemals bemerkt. Feldspath. Als wesentlichster und am meisten charakter- istischer Gemengtheil der lichten Granulite ist der Orthoklas anzusehen, welcher als Mikroperthit ausgebildet ist und als solcher keinem der ceylonischen Granulite fehlt. Ja, es scheint sogar, als wenn er auch in den übrigen gemengten, krystallinischen Gesteinen der Insel eine nicht unbedeutende Rolle spiele. Al. Lacroix!) erwähnt diese eigenthümliche, gesetzmässige Verwachsung zweier Feldspathe nicht, aber vielleicht weisen seine Angaben über eine vorhandene „Trübheit der Feldspathe“ oder die „zahlreichen slimmerigen Einschlüsse“ darauf hin, dass auch hier albitische Ein- lagerungen vorhanden sind. Schon mit blossem Auge ist der Mikro- perthit in Dünnschliffen an dem lichten, orientirten Schiller zu erkennen. Auch die Vertheilung und Menge desselben ist auf diese Weise zu überschauen. Seine Hauptmasse ist nur Orthoklas; sie verhält sich optisch stets gänzlich homogen und nirgends konnte auch nur eine Spur oder Andeutung der charakteristischen Gitter- structur des Mikroklins entdeckt werden. Durch diese Beschaffenheit stehen die ceylonischen Granulite den sächsischen nahe. Unter dem Mikroskop erscheint der Mikroperthit gewöhnlich weisslich oder gelblich trüb und faserig in Folge der sehr feinen und zahlreichen albitischen Interpositionen. Eine Auflösung derselben ist wegen der grossen Massenhaftigkeit und Feinheit auch bei stärkster Vergrösserung nicht immer möglich, während dies bei dem Pyroxengranulite meistens ausgezeichnet gelingt. Auch in dieser Hinsicht ähneln die ceylonischen normalen Granulite den sächsischen sehr. Nur zuweilen sind einzelne grössere Einlagerungen zu erblicken, die sich dann als lange, säulen- oder spindelförmige, an beiden Enden zugespitzte, oft als einseitig oder beiderseits abgestumpfte Gebilde präsentiren. Fast senkrecht zu ihrer Längsausdehnung ist eine Absonderung in der Form feiner paralleler Risse zu gewahren. Die. Länge der grössten albitischen Spindeln beträgt 0:033 mm, bei 0.001 mm Breite. Die undulöse Aus- löschung, die fast alle Durchschnitte der Mikroperthite charakterisirt, erschwert eine genauere Untersuchung. In einigen Schnitten erscheinen die Einschlüsse in der Form rundlicher oder unregelmässiger Gebilde, winziger Pünktchen und gewundener Körperchen; dieses Aussehen ist dadurch zu erklären, dass hier schief oder senkrecht zur Längs- richtung der Spindeln gehende Schnitte vorhanden sind. Die erzeugte Faserung ist gewöhnlich über den ganzen Feldspath verbreitet; selten bleibt eine nicht oder nur wenig faserige Randzone. In dieser !) Contributions ete. 1889, pag. 213. 236 Max Diersche. [6] Hinsicht herrscht keine Gesetzmässigkeit; denn manchmal ist die Mitte arm an FEinschlüssen, während dies in anderen Fällen vom Rande gilt Von einer Umwandlung ist an diesen Mikroperthiten so gut wie nichts zu sehen; sie sind vielmehr wie das ganze Gestein von grosser Frische und Reinheit. Nur manchmal sind Umwandlungs- producte in Form hellgrüner bis trübgrauer, sehr kleiner Kaolin- partikelchen an den Rändern der Albiteinlagerungen abgesetzt. Die Feldspathe bilden grosse rundliche oder unregelmässig gestaltete Körner ohne bestimmte krystallinische und nicht immer geradlinige Grenzen. Zersetzt und zerquetscht erscheinen sie durchaus nicht, was im Einklang mit ihrer Dickschiefrigkeit steht. Eine Verzwillingung der Mikroperthite fehlt ganz. Weitere Angaben über diesselben folgen bei den Pyroxengranuliten, wo sie erheblich deutlicher aus- gebildet sind. Neben den gesetzmässig angeordneten Plagioklasen enthalten sie noch regellos vertheilte andere Einschlüsse, insbesondere kleine Quarzkörner, die manchmal so zahlreich darin liegen, dass eine mikropegmatitähnliche Erscheinungsweise entsteht. Daneben fehlen auch Zirkone und Apatite nicht, sowie Blättehen von Biotit und Nädelchen oder Körnchen von Rutil. Plagioklas. Wegen des vorwiegenden monoklinen Feldspathes wird der normale Granulit von Manchen als Orthoklasgranulit be- zeichnet. Man glaubte sich früher umsomehr dazu berechtigt, weil der Plagioklas übersehen wurde. Derselbe ist zwar in den typischen Granulitvarietäten immer vorhanden, tritt aber ganz entschieden hinter dem Orthoklas zurück. So ist es auch in den ceylonischen; nie findet man ihn quantitativ so reichlich, wie z. B. in den Granuliten des ostbayrischen Waldgebirges '). Er erscheint als kleine Körnchen, mit besseren geradlinigen Contouren als der Kalifeldspath. Seine Zwillinge folgen meist dem Albitgesetz, zuweilen kommt aber noch das Periklin- sesetz hinzu. Nach F. Schuster’s Methode bestimmt, haben die einzelnen Lamellen zur Trace der Zwillingsebene eine Auslöschungs- schiefe von + 2—4°, gehören also der Oligoklas Albitreihe an; nur wenige zeigen eine grössere von — 10— 16°, würden demnach einem ' Labradorit zuzwzählen sein. Laceroix?) redet von Oligoklas; Dathe fand in den oben erwähnten Granuliten Auslöschungswinkel von 13— 20°. Der Plagioklas ist gut erhalten; selten zeigt sich eine theilweise oder lamellar abwechselnde Umwandlung in trübgrauen Kaolin. Von Ein- schlüssen ist er fast frei, was von sehr früher Entstehung zeugt. Quarz. Der Quarz tritt in ziemlich bedeutender Menge auf und stellt sowohl grössere als kleinere, unregelmässig begrenzte Körner dar, die nur selten undulirende Auslöschung zeigen. Oft bildet er im Dünnschliffe lange und breite Platten, die sich bei gekreuzten Nicols einheitlich verhalten. Sie sind es besonders, welehe schon makrosko- pisch als lange, glasglänzende Bestandtheile sichtbar werden und die Diekschiefrigkeit veranlassen. Nur zuweilen ist parallel diesen Quarz- ';, Dathe: Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. 1882, pag. 13. °) Contributions ete. 1889, pag. 212. [7] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 237 lamellen ein körniges Gemenge kleiner Quarze und Feldspathe vor- handen, was an kataklastische Structur erinnert. Gewöhnlich besitzt somit der Dünnschliff örtlich eine mehr granitische Structur, da die Hauptmasse fast grobkörnig ist und die lamellar entwickelten Quarze nicht bis zur Papierdünne herabsinken, sondern immer beträchtliche Dimensionen erlangen. Zuweilen sind die grösseren Quarzdurchschnitte nicht einheitlich, sondern bestehen aus mehreren, reihenweise ange- ordneten Körnchen. Diese Ausbildung erscheint sowohl ursprünglich als secundär, indem ein grösserer Quarz, von der Gesteinspressung ergriffen, in zahlreiche kleine Körnchen zerbrochen wurde. Der Quarz schliesst alle übrigen Gesteinselemente der Granulite ein, wodurch er sich als der Bestandtheil erweist, dessen Verfestigung am längsten angehalten hat. Besonders reich ist er an wässerigen Flüssigkeits- einschlüssen, die nicht selten Quarzgestalt haben. Er selbst bildet im Feldspath und besonders im Granat rundliche oder längliche Körnchen, auch Dihexaäder. Wohl ist zuweilen ein grobes, randliches Eingreifen des Quarzes in den Feldspath, besonders in den Kalifeld- spath zu bemerken, nirgends kommt jedoch typisch schriftgranitische Verwachsung zwischen den beiden Mineralien, wie anderweitig oft in den Granuliten, vor. Granat. Der Granat gewinnt als rother Almandin fast die Bedeutung eines wesentlichen Gemengtheiles, denn er ist sehr reich- lich, ganz constant und auch schon makroskopisch vertreten. Ueber- haupt scheint er für die ceylonischen Gesteine ausserordentlich charakteristisch zu sein; denn schon immer wurden die „Gneisse“ CGeylons als sehr granatreich bezeichnet; auch ist Granat oft als makroskopisch ausgeschiedener Gemengtheil erwähnt. Diesen auf- fallenden Granatreichthum scheinen die ceylonischen Gesteine mit den südindischen gemein zu haben. In den Granuliten erreicht der Granat gewöhnlich die Grösse eines Hirsekorns; doch gibt es auch solche, welche erbsengross werden. Seltener sind mikroskopische Granatindividuen. Das Mineral erscheint im Handstücke dunkelroth funkelnd, im Dünnschliffe hellrosa bis fast farblos. Jede Spur krystalli- nischer Begrenzung fehlt ihm; im Gegentheil sind die Contouren immer unregelmässig, meist rundlich, ausgebuchtet, auch völlig irregulär. Die grösseren Körner des Granates sind sehr reich an Einschlüssen. Als solche walten in der Hauptsache rundliche oder längliche, grössere und kleinere Quarze vor. Zwischen diesen Inter- positionen und dem umschliessenden Granat wurde unter Anderem folgendes (Quantitätsverhältniss constatirt: Granat 0'855 mm Durch- messer, der eingeschlossene Quarz 0'341 mm. Letzterer erlangt nie so bedeutende Dimensionen, dass der Granat nur noch als dünne Hülle um denselben auftritt. Neben den unregelmässig contourirten Quarzen liegen noch kleine, farblose, dodekaödrische Körperchen im Granat. Sie zeigen deutlich die Begrenzungskanten von » 0, in seltenen Fällen sogar von © O und 202 unter deutlicher Abstumpfung der Dodekaöderkanten. Diese Gebilde konnten zunächst gemäss einer mehrfach verbreiteten Auffassung für negative Krystalle ihres Wirthes gehalten werden. Das doppeltbrechende Verhalten dieser Gebilde liess 238 Max Diersche. [8] jedoch in ihnen mit Quarz erfüllte, granato@drische Hohlräume ver- muthen. Um die eventuelle Anwesenheit von echten Hohlräumen zu eonstatiren, wurden mehrere, an solchen Einschlüssen sehr reiche Dünnschliffe mit Lampenruss eingerieben. Es stand zu erwarten, dass sich derselbe in den krystallisirten Hohlräumen festsetzen würde, doch bewies der negative Erfolg dieser Manipulation, dass es sich nicht um leere Hohlräume handle. Die Adhäsion der erfüllenden Substanz gegenüber dem Lampenruss ist genau dieselbe, wie die des Quarzes im Gestein und der irregulären Quarzkörner im Granat, unterscheidet sich aber sehr deutlich von der des Granates. Hier- durch wird also die aus den optischen Figenschaften abgeleitete Vermuthung, dass die sogenannten „negativen Krystalle“ mit Quarz erfüllte, granato@ädrische Hohlräume darstellen, bestätigt. Ihre Ent- stehung dürfte in der Weise erfolgt sein, dass zunächst der Granat, erfüllt mit negativen Hohlräumen, von seiner eigenen Form aus- krystallisirte, innerhalb derer dann Quarz zum Absatz gelangte, und zwar scheint, angesichts der Frische des Granulites, letzteres noch während der eigentlichen Gesteinsverfestigung gleichzeitig mit der Bildung des eigentlichen Gesteinsquarzes erfolgt und nicht etwa ein ganz secundärer Infiltrationsvorgang zu sein. Eingeschlossene, irreguläre Quarzkörner dienen zuweilen ihrerseits einzelnen Zirkonkryställchen als Wirthe. Im Granat selbst sitzen letztere, sowie Apatite selten. Häufig enthält er dagegen Rutilnädelchen oder -Körnchen von brauner Farbe ; auch Eisenerz und Flüssigkeitseinschlüsse fehlen nicht; einzelne Vorkommnisse beherbergen selten grünen Spinell. Eine ebenso seltene Erscheinung sind Blättehen von Plagioklas und Orthoklas; weniger gilt dies von Biotitschüppchen. In einer Varietät des Granulites ist noch Zoisit als ziemlich grosser Einschluss zu constatiren. Regelmässige nadelförmige Einlagerungen, die einander unter 45° schneiden, wie sie Diller') im Granat eines Granulites von Elliott County, Kentucky, wahrnahm, fehlen. Bei gekreuzten Nicols erweist sich der Granat als völlig isotrop; nur längs der unregelmässigen Sprünge treten Inter- ferenzerscheinungen auf. Sind die Quarzeinschlüsse sehr zahlreich, so erscheint er siebartig durchlöchert. Sein Erhaltungszustand ist wie der der übrigen Gesteinsgemengtheile sehr gut, so dass eine rand- liche Umwandlungszone gänzlich fehlt. Mit diesem Mangel an Altera- tionsproducten steht auch das Fehlen der charakteristischen Er- scheinung im Einklang, dass der Granat als Strueturcentrum für radialstrahlig angeordnete gefärbte Gemengtheile dient. Biotit. Der Glimmer ist bezüglich seines Auftretens in den Granuliten eines der interessantesten Mineralien. Zwar gehört er nicht zum eigentlichen Wesen derselben, findet sich aber trotzdem meist in ihnen. In den ceylonischen Granuliten ist immer nur Biotit vorhanden. Gewöhnlich zeigt dieser die charakteristischen Formen, wie in anderen Gesteinen. Die rectangulären, prismatischen Schnitte sind ausgezeichnet durch die parallele Linien darstellende Spalt- barkeit nach OP und den äusserst markanten Pleochroismus, !) Bull. U. S. Geolog. Surv,, Nr. 38, 1837, pag. 27. u A De nn U 0 4 0 cAr u a u Zu [9] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine and Graphitvorkommnisse Ceylons. 239 indem c—=a hellbräunlich bis hellgelb ist, während « und b =c und b dunkelbraun erscheinen; die Absorption würde also durch die Formelc--b > a auszudrücken sein. Die hexagonalen Querschnitte haben nur die roth- bis dunkelbraune Basisfarbe. Derartige un- pleochrotische Durchschnitte parallel OP lassen das fast einaxige Interferenzbild des Biotits erblicken, welches einen sehr kleinen optischen Axenwinkel aufweist. Oft sind am Glimmer metallische Farben, als grünlicher, bläulicher- oder röthlicher Schiller zu sehen. Nicht selten zeigt nur das eine Ende einer Lamelle diesen metal- lischen Glanz, woraus deutlich hervorgeht, dass derselbe nur eine oberflächliche Erscheinung ist. Einschlüsse sind nicht allzuhäufig. Parallel zur basischen Spaltbarkeit liegen, besonders in Schnitten parallel ce sichtbar, dünne Rutilnädelchen, sowie vereinzelte breitere Täfelchen von Titaneisen; auch Quarzkörner werden umhüllt. Um- wandlungsproducte sind nicht vorhanden; meist fehlt sogar Entfär- bung als erstes Stadium der Alteration. Eigenthühmlich ist das Verhältniss des Biotits zum Granat. Je mehr Glimmer vorhanden ist, desto mehr tritt der Granat zurück und um- gekehrt. Nach Joh. Lehmann!) ist der Biotit in den Granuliten aus Granat entstanden. Die eigenthümlichen Beziehungen beider - Mineralien, auf die er seine Behauptung stützt, nämlich das Auftreten des Biotits als Interposition im Granat und das theilweise Hervor- ragen eines Biotitsblättchens aus demselben, wurden auch im cey- lonischen Granulit bemerkt. Doch ist ersteres kein zweifelloses Criterium für, letzteres sogar ein solches gegen die secundäre Ent- stehung des Biotites. Erscheinungen wie die, dass der Granat ganz vom Biotit umschlossen wird oder zu radialstrahliger Anordnung des- selben auf seiner Peripherie Veranlassung gegeben hat, beziehent- lich ganz durch Biotit ersetzt ist, fehlen durchgängig, was der Frische des Gesteins völlig gemäss ist. Der Biotit verbreitet sich meist reihen- oder lagenweise im ganzen Gestein und wirkt dadurch mit bei Er- zeugung des schiefrigen Structur. Rutil. Der Rutil ist in den normalen Granuliten entweder spo- radisch zerstreut oder schwarmartig angehäuft. Seine Ausbildungs- weise ist sehr verschieden. Gewöhnlich stellt er lange, prismatische Nädelchen und Kryställchen dar, an denen zuweilen © P und P zu sehen sind. Oft sind seine Krystalle modellartig scharf begrenzt, oft ist dies weniger der Fall. Quadratische Umrisse erweisen sich beim Heben und Senken des Mikroskoptubus als Endflächen langer Rutil- säulen, die durch den Quarz, Feldspath und Granat hindurchspiessen. Daneben gibt es aber auch stark verkürzte Individuen, sowie un- regelmässige Körner von Rutil. Knieförmige Zwillinge nach Po sind sehr selten; herzförmige gelangten nicht zur Beobachtung. Grössere Rutile erreichen eine Länge von 1'04 und eine Breite von 0'14 mm. Noch variabler als die Form ist die Farbe der Rutile, in welcher Hinsicht sie denen der Eklogite gleichen. Die schön ausgebildeten Kryställchen sind gewöhnlich braungelb durchscheinend; daneben !) Untersuchungen über die Entstehung ete. 1834, pag. 223. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsaustalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 32 240 Max Diersche. [1 0] eibt es aber auch hellere, gelbe bis fast farblose, andererseits roth- braune bis ganz dunkelbraune, fast schwarze, welche nicht mehr durehscheinen. An Kryställchen ist oft nur das eine Ende oder eine Stelle völlig opak, während die übrigen Theile durchscheinend sind. Im auffallenden, an kleinen Krystallen auch im durchfallenden Lichte ist zuweilen ein eigenthümlicher metallischer Glanz von röthlich- srünblauer Farbe wahrzunehmen. Zersetzung unter Ansammlung von Titanomorphit fehlt, wenn nicht schon der metallische Glanz als Anfang derselben anzusehen ist. Zuweilen stehen die Rutile in enger Beziehung zum Eisenerz, indem sie theilweise in demselben liegen, woraus geschlossen werden kann, dass es titanhaltig ist. Eisenerze: Titanmagneteisen. Dasselbe tritt auf in Form irregulär contourirter, körniger Gebilde, ohne erkennbare Krystallform; selten sind von Oktaödern herrührende Durchschnitte zu sehen. Im auffallenden Lichte erscheint es bläulich-schwarz, metallglänzend, sonst ganz opak. Dass dieses Eisenerz meist nicht reiner Magnetit ist, geht aus den Zersetzungserscheinungen und der erwähnten Verbindung mit Rutil hervor. Die Umwandlung ist gewöhn- lich recht wenig weit vorgeschritten, so dass der Rutil nicht als ein Product derselben betrachtet werden kann; sie zeigt sich nur in der Form einer Trübung, welche verursacht ist durch oberflächliche oder randliche Bildung von grauem Titanomorphit. Das Vorhanden- sein von Kies kann nur als grosse Seltenheit angeführt werden. — Eisenoxydhydrat. Auf den Sprüngen des Quarzes, sowie zwischen ihm und dem Feldspath hat sich zuweilen rothglänzendes oder rothbraun gefärbtes Eisenoxydhydrat abgesetzt in der Form wolkiger, dendritisch fetzenartiger Gebilde — Spinell. In der Nähe des Granates oder als Einschluss in demselben treten meist zu kleineren Häufchen gruppirte, dunkelgrüne Körnchen auf, von irregulärer Form, selten in sehr kleinen isotropen Okta@dern. Die- selben gehören einem Pleonast an. Accessorisch, aber stets vorhanden, sind Apatit und Zirkon. Die kurzen, schön ausgebildeten Krystalle von Apatit liegen häufig im Quarz, selten im Granat und Feldspath. Sie erreichen eine Länge von 0'535 mm. Zahlreiche Einschlüsse trüben dieselben. — Zirkon fehlt dem ceylonischen Granulit nie vollständig, wenn er auch eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Die Individuen des Zirkons erreichen zuweilen einen Durchmesser von 0'535 mm. Zahl- reiche Einschlüsse trüben ihn gewöhnlich. Krystallformen sind nur ganz ausnahmsweise vorhanden; dasselbe gilt von zonaler Ausbildung. — Zoisit tritt auf in langsäulenförmigen Formen, an denen »P und terminirende Flächen zu erkennen sind. Immer sind die Ecken und Kanten etwas abgerundet. Senkrecht zur Längserstreckung ver- läuft eine sehr deutliche Absonderung nach O P, während die Spalt- barkeit nach & P& weniger gut sichtbar wird. Sie stellt kurze Risse parallel der Längsrichtung dar. Die mehr oder weniger abgerundeten, sechseckigen @Querschnitte zeigen einen Prismenwinkel von 116°. Das Relief des Minerals ist sehr markant, was seiner starken Licht- brechung entspricht. Die Polarisationsfarben sind wenig lebhaft; nur A [11] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 241 in der Nähe der Sprünge kommen lebhaftere, grüngelbe und röthliche Farben zum Vorschein. Die übrigen Partien zeigen nur ein wenig intensives Blaugrau. Die farblose Substanz wird in ihrer Homogenität ‚unterbrochen durch zahlreiche, in Reihen angeordnete Flüssigkeits- einschlüsse. Auch kleine Zirkone, kurze Apatitnädelchen und wenige ‚grüne Spinellkörner wurden bemerkt. Zoisit selbst wird oft vollständig, oft nur theilweise von Granat ‚umschlossen. Seine Vertheilung im Gesteine ist nicht regellos. Gewöhnlich liegst er in der Nähe der Granaten und geht mit seiner Längsaxe der Schieferung parallel. ‘Von einer Trübung als Zeichen beginnender Zersetzung ist auch an den Rändern nichts zu sehen. Zoisit ist meines Wissens nach noch in keinem Granulit gefunden worden und: muss daher zur Zeit als dem ceylonischen eigenthümlich gelten. Obwohl in der "Literatur mehrfach Grap hit in krystallinischen Schiefergesteinen Ceylons angegeben wird und die Granulite das Nebengestein des. Graphites darstellen, so fehlt Graphit demselben doch als mikroskopischer Bestandtheil allenthalben. Das Vorkommen der normalen Granulite auf Ceylon wird zuerst von Al. Laecroix'!) erwähnt. Nach ihm sind sie sowohl bei Colombo, als auch bei Kandy entwickelt. Die meiner Arbeit zu Grunde liegenden Handstücke stammen theils ebenfalls aus der Gegend von Kandy, theils von Ragedara, nordöstlich von Kurunegala. Dieselben vertreten drei durch besondere Structur oder einen besonderen Gemengtheil ausgezeichnete Granulitvarietäten. Es sind das: a) Normaler Granulit von Ragedara; b) feinkörniger Granulit von Kandy, Steinbruch am Gefängniss; co) zeisitführender Granulit von der Höhe.-an der Gregory’s road bei Kandy. a) Normaler Granulit von Ragedara. (Directes Nebengestein der Graphitgänge.) Dieser Granulit ist von besonderer Bedeutung, da er das direete Nebengestein des Graphits bildet. Derselbe zeigt in jeder Hinsicht die typischen Eigenschaften der ceylonischen Granulite. Er ist ein schönes Gestein von lichter Farbe, sehr deutlicher Dickschiefrigkeit und ausserordentlicher Frische; letzteres wird bei mikroskopischer Betrachtung: von jedem einzelnen Bestandtheile bezeugt und ist insofern von Belang, als es jede Vorstellung von der Natur der Graphitgänge als Lateralsecretionen ausschliesst. Die Bestandtheile des Gesteins sind die charakteristischen und bieten in ihrem Auf-' treten keine Absonderlichkeiten dar. Nur mag hervorgehoben werden, dass die accessorischen Gemengtheile: Rutil, Apatit und Zirkon, äusserst Selten auftreten. Im Almandin spielen die Quarzinterpositionen von granatoöädrischer Form eine wichtige Rolle; daneben erscheint zu- weilen Spinell. Der Plagioklas gehört nach seiner Auslöschungsschiefe t) Contributions ete. 1889, pag. 211. 32* 249 Max Diersche. [12] der Oligoklas-Albitreihe an, hat also eine Zusammensetzung von Ab— Ab, An,. In einigen Schliffen treten ganz vereinzelte Durch- schnitte eines grünen Pyroxens auf, wodurch der enge Connex mit dem Pyroxengranulit angedeutet wird. (Siehe später.) Obwohl dieser Granulit das Nebengestein der Graphitgänge ist, sind doch mikro- skopische Blättchen oder Partikelchen dieses Minerals nicht inner- halb des festen Gesteins vorhanden. Die übrigen Granulite stammen aus der Umgebung der alten Königsstadt Kandy, welche im Innern des Gebirges in einer Höhe von ea. 1620 Fuss gelegen ist. Diese Gesteine bilden den „Kranz der Berge“, der in das singhalesische Städtchen hineinschaut. Nach allen Richtungen führen zu den Höhen um Kandy wohlgepflegte Strassen und Fusswege, die nach englischen Damen benannt sind. An der Gregory’s road wurden die Handstücke der Granulite gesammelt. b) Feinkörniger Granulit von Kandy. Dieser steht an in dem Steinbruch am Gefängniss. Sehr charakteristisch ist für ihn das kleine Korn, so dass er seiner Struetur nach als zuckerkörnig bezeichnet werden muss. Die Schiefrig- keit ist dabei fast ganz verschwunden; denn der Granat kommt makroskopisch fast gar nicht zur Geltung, wofür aber der dunkle Glimmer etwas auffälliger wird. Durch die dunklen Biotitblättehen erscheint das weisse Gestein schwarz gesprenkelt. Die Bestandtheile sind dieselben wie im Granulit von Ragedara, nur fehlt Spinell ganz. Der Plagioklas ist etwas basischer als der im Granulit von Ragedara; er ist ein Labradorit mit 10—16° Auslöschungsschiefe und häufiger doppelter Verzwillingung. Granat stellt weniger rundliche Körner, als eckige, ganz unregelmässige Individuen von geringer Grösse dar, die sehr arm an charakteristischen Einschlüssen sind. Da Granat verhältnissmässig selten ist, hat der Biotit Gelegenheit, sich aus- zubreiten. c) Zoisitführender Granulit von Kandy. Der zoisitführende Granulit stammt von der Höhe, zu welcher die Gregory’s road hinaufführt. Aeusserlich ähnelt dieses Gestein sehr dem Granulit von Ragedara, nur ist seine Farbe etwas gelblichgrau und seine Structur dickschiefriger. Auch ist der Gehalt an Zoisit sehr charakteristisch. Besonders sind es die Feldspathe, welche das gelblichtrübe Aussehen hervorbringen. Der Mikroperthit ist auffallend gelblichweiss und ausserordentlich feinfaserig. Man könnte ihn wegen ‚der Häufigkeit und Feinheit seiner albitischen Einlagerungen fast feinfilzig nennen. Spindeln von 0'158 mın Länge und 0'012 mm Breite lassen deutlich eine basische Absonderung sehen. Bei starker Ver- erösserung machen die sich an einander schmiegenden Interpositionen ganz den Eindruck eines pflanzlichen Bastfasergewebes. An Feinheit und Häufigkeit der Spindeln kommen diese Mikroperthite denen der sächsischen Granulite am nächsten. Plagioklas ist sehr selten und gehört dem Oligoklas an. Schön und charakteristisch ist der Granat entwickelt. Seine Schnitte sind oft wie siebartig durchlöchert infolge a 1 3] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 243 der sehr zahlreichen Einschlüsse von meist irregulären Quarzkörnern, welehe manchmal die Hälfte derselben erfüllen. Selten haben die Quarzeinschlüsse die Form ihres Wirthes. Eingeschlossene Zirkon- körnchen geben hier infolge Spannungs- und Druckwirkungen Veran- lassung zu eigenthümlich sternförmigen Lichterscheinungen. (Siehe später.) Ausserdem beherbergt der Granat noch Zoisit in langen Säulen, von denen meist mehrere in verschiedener Richtung neben einander liegen und oft zwei Drittel des ganzen Granatkomes durch- spiessen. Grössere Zoisite liegen oft nur zum Theil im Granat. Der srossen Menge des Granats entsprechend, ist der Biotit verhältniss- mässig selten. Der Zoisit entwickelt charakteristische, langausge- zogene Formen mit alien typischen Eigenschaften. Querschnitte finden sich in den zur Schieferung des Gesteines parallelen Schliffen nicht, da die Zoisitkrystalle an dieser Structur betheiligt sind. In den dazu senkrechten treten auch sechseckige basische Schnitte auf. Sehr typisch granulitisch und häufig ist der Rutil ausgebildet. Er durchspickt besonders die farblosen Gemengtheile. Seine Nadeln erreichen eine Länge von 1'5 mm. Nach Gestalt und Farbe sind sie ebenso variabel und eigenthümlich wie die der Eklogite. Zirkon, Apatit und FEisenerze haben die gewöhnliche Erscheinungsweise. Dunkelgrüner Pleonast wurde in diesem Granulit beobachtet. Vergleichen wir die ceylonischen Granulite mit den anderorts bekannten, so haben dieselben mit keinem Vorkommniss besondere Aehnlichkeit. Sie nehmen eine ziemlich selbstständige Stellung ein, insbesondere durch ihren constanten Gehalt an Biotit und Plagioklas, den Mangel an Mikroklin, Turmalin, Museovit, Sillimanit, Cyanit und das Vorhandensein von Zoisit. Lacroix') vergleicht den von ihm beschriebenen Leptynit seiner Structur wegen mit dem des Central- plateaus von Frankreich. Besondere Wichtigkeit erlangen die Granulite Ceylons durch die Gänge von Graphit, welche sie in Ragedara und wahrschemlich aueh anderwärts einschliessen. Vermuthlich setzt auch ein Theil der vielfach als den „Gneiss“ durchbrechend ?) erwähnten Granite als Gänge im Granulit auf, ähnlich wie im sächsischen Granulitgebirge. 2. Pyroxengranulite. Bekanntlich hat dieser Gesteinstypus seinen Namen Pyroxen- sranulit nur erhalten wegen seiner engen geologischen Verbindung mit den normalen Granuliten, nicht etwa wegen ganz analoger mineralogischer Zusammensetzung, denn die Natur und das Quanti- tätsverhältniss seiner Gemenetheile würde am wenigsten zu dieser Benennung berechtigen. Die französischen Geologen wenden den Namen Pyroxengranulit nicht an, wegen der anderen Bedeutung, die das Wort Granulit für sie hat, weshalb Al. Laceroix °) alle hierher !) Contributions ete. 1889, pag. 212. ?) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. XII, 1860, pag. 527. Zirkel: Ceylon. Vortrag ete., pag: 8. ») Contributions ete. 1889, pag. 212 und 198. 244 Max Diersche. | [14] sehörigen Vorkommnisse, auch die ceylonischen, als „Pyroxengneisse“ (Gneiss A pyroxene, Gneiss pyroxenique), einmal als Leptynite ä& pyro- xene bezeichnet. S. Melzi’) dagegen hat zuerst auch für die ceylonischen Gesteinsvorkommnisse dieser Art den Namen Pyroxen- eranulit (Granulite pirosseniche) angewendet. Die Pyroxengranulite von Ceylon sind sehr scharf von den normalen Granuliten verschieden, so dass sie schon im Handstücke kaum mit denselben verwechselt werden können, was vor Allem in ihrer makroskopisch fast ganz liehten Ausbildungsweise begründet ist. Den normalen Granuliten gegenüber sind sie sehr dunkel, und zwar dunkelgrün, nicht „raben- schwarz“ wie die sächsischen; nur an den Kanten der Handstücke, wo die Masse etwas durchscheinend ist, kommt ein helleres Grün- lichgrau zum Vorschein. Bemerkenswerth ist ferner der eigenthüm- liche, für die ceylonischen Gesteine höchst charakteristische Harz- oder Oelglanz, welcher den normalen Granuliten gar nicht, sowie anderen Pyroxengranuliten nicht in diesem Masse eigen ist. Der Bruch des Gesteines ist splitterig bis flachmuschelig. Es ist hart und spröde und hat ein durchschnittliches specifisches Gewicht von circa 283. Seine Structur zeigt makroskopisch keine Spuren von planparalleler Anordnung der Gemengtheile ; vielmehr ist die Association derselben meist recht regellos feinkörnig bis dicht. Nur an den durch- scheinenden Rändern des Gesteines ist deutlich eine Differenzirung in hellgrüne Partien wenig farbiger und dunkle intensiv gefärbter Mineralien erkennbar. Im Dünnschliffe zeigt sich ebenso schon mit blossem Auge, dass dem Gesteine nur eine sehr unvollkommene Schiefrigkeit eigen ist, veranlasst durch reihen- und lagenweise An- ordnung der dunklen Gemengtheile. Die Elemente des Pyroxen- sranulites sind nur in den grobkörnigen Varietäten zum Theil erkennbar. Man sieht da grosse funkelnde Granaten, glasglänzende Quarze und grünlich erscheinende, etwas fettglänzende Feldspathe. In den feinkörnigen und dichten Varietäten erkennt man nur zuweilen Granat. Bei mikroskopischer Betrachtung zeigt sich, dass trotz der intensiv grünen Farbe der Gesteine die gefärbten Gemengtheile doch von den nicht gefärbten überwogen werden. Die farblosen Compo- nenten der Gesteine lösen sich bei gekreuzten Nicols auf in Plagio- klas, Quarz und Orthoklasmikroperthit, sowie Apatit und Zirkon, während als gefärbte Gemengtheile entweder ein, meist aber zwei Pyroxene, blassröthlicher Almandingranat, Biotit, Eisenerze, zuweilen Amphibol und Rutil anzutreffen sind. Das Hauptinteresse beansprucht der Pyroxen. Er hat dem Gesteine zu seinem Namen verholfen. da er stets als charakteristisch angesehen wurde, und zwar gelten zur Zeit zwei Pyroxene, ein mono- kliner und ein rhombischer Enstatit oder Hypersthen als charakteri- stisch für den Pyroxengranulit. Früher redete man bei den sächsischen Vorkommnissen nur von monoklinem Pyroxen, entweder von Augit oder von Diallag. Joh. Lehmann wies zuerst auf das Vorkommen des rhombischen Enstatit hin, während Merian?) in dem vorherrschenden !) Sopra aleune etc. 1897, pag. 4. ’) Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1885, III., pag. 252. [15] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 245 pleochroitischen Pyroxen Hypersthen erkannte, neben dem noch mono- kliner von diallagartigem Charakter auftritt. Die von Lacroix!) unter dem Namen „Leptynite ä pyroxene“ und „Gneiss pyroxenique et amphibolique“ beschriebenen ceylonischen Pyroxengranulitvorkomm- nisse enthalten nach ihm nur monoklinen Pyroxen, obwohl er sogar an einem den typischen Hypersthenpleochroismus constatirt. Letzteren Pyroxen vergleicht er mit einem Arendaler Kokkolith. S. Melzi?) fand sowohl rhombischen Hypersthen, als auch wenig gefärbten und wenig pleochroitischen monoklinen Pyroxen. In den von mir unter- suchten Pyroxengranuliten wurden sowohl rhombische als auch mono- kline Pyroxene aufgefunden, und zwar: zwei rhombische, En- statit und Hypersthen, sowie zwei monokline, ein salit- artiger, nicht pleochroitischer, fast farbloser und ein diallag- artiger pleochroitischer. Der rhombische wenig pleochroitische, hellerün gefärbte Pyroxen ist ein eisenarmer Enstatit. Derselbe erscheint in der Form mehr oder weniger rundlicher oder länglicher Körnchen und ganz irregulär begrenzter Gebilde. Seltener sind längliche Leistehen mit geraden Contouren; ganz selten ist das Auftreten regelrechter Flächen. Seine Lichtbrechung ist stark, wie das markante Relief und die sehr rauhe Oberfläche beweisen. Entweder ist dieser Pyroxen ganz farb- los oder hellgrünlich. Der Pleochroismus ist in etwas dickeren Schliffen deutlicher als in dünnen. Der Erhaltungszustand des Minerals ist nicht ganz ohne Einfluss auf die Deutlichkeit dieser Erscheinung; denn etwas alterirte Pyroxenblättchen zeigen den Pleochroismus besser, als völlig unveränderte: a--« ganz hell, röthlichgelb, D — b gelblich, weiss, c —c ganz blassgrünlich. Die Nuancen sind sehr zart, manchmal fast nieht wahrnehmbar; zuweilen treten deutlicher pleochroitische Schnitte auf, welche dem Hypersthen näher zu stehen scheinen. Basische Schnitte mit gerader Auslöschung und prismatischer Spaltbarkeit, auf denen im convergenten polarisirten Lichte ein zwei- axiges Interferenzbild sichtbar wird, sind sehr selten; noch mehr gilt dies von den auch noch pinakoidale Spaltbarkeit zeigenden. Am häufigsten sind verticale Schnitte mit feiner Streifung parallel « und einer fast senkrecht dazu verlaufenden Absonderung nach OP. Die Auslöschung erfolgt, entsprechend dem rhombischen System, immer parallel zu den Spaltrissen. Senkrecht zur groben basischen Ab- sonderung oder parallel der Längsstreifung geht die bastitartige Zersetzung in grünlichbraune, faserige Substanzen. Bei gekreuzten Nicols gibt das Mineral lebhafte Polarisationsfarben. Von dem Enstatit ist der Hypersthen deutlich unter- schieden; dieser ist überhaupt am besten charakterisirt und daher am leichtesten kenntlich. Er fällt durch seinen ausserordentlich ty- pischen Pleochroismus, in welchem er nur noch vom Biotit und Amphibol des Gesteines übertroffen wird, auf. Derselbe ist selbst in sehr dünnen Schliffen noch so intensiv, dass Iypersthen kaum mit einem anderen Mineral der Pyroxengruppe verwechselt werden kann. 1) Oontributions etc. 1889, pag. 213, 223, 229. ?) Sopra alcune etc. 1894, pag. 5, 6, 7. 946 Max Diersche. [16] Die Farben sind: a—=« rothbraun, hyacinth- oder granatroth, b=b gelb bis röthlichgelb), c—= c meergrün, graugrün. Die Absorption . würde also dem Schema a> c> Db entsprechen. Die Polarisations- farben des Hypersthens sind nicht besonders lebhaft bei gewöhnlicher Dicke. Sehr gut ist die Spaltbarkeit ausgebildet, am deutlichsten die nach © P, welche einen Winkel von ca. 92% bildet. Dieser Spaltwinkel wird oft halbirt durch die Spaltungsrichtung nach » P «, wozu nicht selten auch noch die schalige Absonderung nach » P & kommt, so dass dadurch zuweilen zwei sich rechtwinklig durchkreu- zende Risssysteme sichtbar werden. Da die Spaltbarkeit gewöhnlich keine durchgehende ist, sondern rauhe, absetzende, anastomosirende visse darstellt, so bildet sie in basischen Schnitten oft ein un- entwirrbares Netz unregelmässiger Sprünge, an denen der wahre Charakter der einzelnen Risse nur zu errathen ist. In Schnitten parallel der Zone © P bilden die Spaltungsrisse lange, parallele Linien, die aber zuweilen sehr wenig regelmässig verlaufen, oft ab- setzen und daneben weiter gehen. Neben den parallelen Spalt- rissen v(rläuft in verticalen Schnitten wie beim Enstatit eine zarte Faserung. Unregelmässig werden die Spaltungstracen auch durch die fast senkrecht zu ihnen parallel O P verlaufende, grobe Zerklüftung oder Absonderung, welche bei der Zersetzung eine wichtige Rolle spielt. Die Auslöschungsrichtung des Minerals entspricht dem rhom- bischen System. Die durch Spaltbarkeit und Pleochroismus gut charakterisirten Schnitte geben auch im convergenten polarisirten Lichte ihre optischen Eigenschaften zu erkennen. Basische Schnitte zeigen Austritt der stumpfen Bisectrix, solche parallel © P & den der spitzen. Die Dispersion ist: > v. In Schnitten parallel P & ist kein Axenbild zu erlangen, folglich eP& die Ebene der optischen Axen. Die Ge- stalt der Hypersthendurchsehnitte ist viel unregelmässiger als die der übrigen: Pyroxene; es sind meist ausgedehnte, mehr oder weniger rundliche oder polygonale Formen, welche von relativ grossen Körnern herrühren müssen. Als Einschlüsse sind anzutreffen: Apatit, Zirkon, Eisenerz, Biotitblättchen, Quarzkörner, letztere von oft be- deutenden Dimensionen. Jene tafelförmigen, braunrothen, metallisch glänzenden Interpositionen,. die sonst dem derben Hypersthen viel- fach eigenthümlich sind, felılen gänzlich. Die Zersetzung des Hy- persthens beginnt wie beim Enstatit von der Absonderung nach OP aus und erstreckt sich senkrecht dazu in der Form dunkel- oder bläulichgrüner Massen in das Mineral hinein, kleine, spitzkegelförmige, stalaktitische und stalachmitische Formen repräsentirend. Die Pro- ducte bestehen, bei stärkster Vergrösserung deutlich sichtbar, aus lauter zarten, gelblichbraunen Fädchen und Fäserchen, welche senk- recht zur Längsausdehnung liegen. Es entsteht dadurch ein parallel c verlaufendes Faseraggregat von schmutziggrüner bis bräunlicher Farbe. Neben den rhombischen Pyroxenen treten zwei monokline Pyroxene auf. Es ist das zunächst ein vollständig farbloser und nicht pleochroitischer Pyroxen mit sehr irregulären Con- touren. Seine Lichtbrechung ist stark, daher das sehr markante [1 7 Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 247 Relief und die rauhe Oberfläche. Er ist ferner charakterisirt durch lebhafte Polarisationsfarben. Die Spaltbarkeit ist prismatisch, seltener pinakoidal. Schnitte parallel e sind denen des Enstatits ähnlich, indem die feine Streifung und die Absonderung nach OP nicht fehlen. Die Auslöschung zeigt, auf die Spaltungstracen bezogen, die verschiedensten Winkel. Das Maximum auf © P x wurde zu 38° gemessen, was für den monoklinen Charakter dieses farblosen Pyroxens spricht. Auf dieser Fläche tritt auch eine optische Axe seitlich aus. Nach diesen Erscheinungen dürfte der Pyroxen einem Salit nahe stehen. Er ist gewöhnlich gut erhalten; die Zersetzung beginnt von den Absonderungsrissen aus. Der andere monokline Pyroxen zeichnet sich aus durch seine intensiv grüne Farbe, welche der Axenfarbe c des rhombischen Hypersthens fast gleicht, doch hat das Grün einen Stich ins Braune. Die Durchschnitte können unschwer nach ihrer Orientirung bestimmt werden, da die Spaltbarkeit immer gut ausgeprägt ist. Der Winkel der Spaltbarkeit nach © P wird selten durchschnitten von kurzen, .sehr zahlreichen Rissen, parallel © Px, die eine feine Streifung hervorbringen; senkrecht zu dieser verläuft quer, doch nicht immer wahrnehmbar, eine grobe Absonderung nach o Pw. Auch die Streifung scheint mehr in einer Absonderung, als in durchgehender Spaltbarkeit begründet zu sein; sie wird auch veranlasst durch dünne, eingelagerte Titaneisenblättchen. Die Absonderung parallel O P ist in dieser Pyroxenart wenig aus- geprägt; parallele Streifung ist wiederum vorhanden. Die Aus- löschungsrichtung ergibt als grösste Winkel 37° und 44°. Der Pyroxen stellt grosse, breite Durchschnitte von uwnregelmässigen Contouren dar, ohne krystalline Grenzen. Der Pleochroismus ist nicht ganz so deutlich, wie am Hypersthen, doch immer noch gut wahrnehmbar. Neben nichtpleochroitischen Schnitten, die nach Spaltbarkeit und Auslöschung parallel oPx» gehen, und gleichmässig dunkelgrün bleiben, gibt es deutlich pleochroitische, die einen Wechsel von dunkelgrüner und hellgelblichgrüner Farbe zur Schau tragen; es sind dies einestheils basische, anderntheils orthopinakoidale Schnitte. Daraus geht hervor, dass a und c ungefähr gleichfarbig, beide grün bis dunkelgrün sind, während b hellgelblichgrün ist. Die Polarisations-- farben dieses Pyroxens sind sehr lebhaft; er findet sich gern in der Gesellschaft des Hypersthens und ist sehr frisch erhalten. Seine intensive Farbe lässt auf grossen Gehalt an Eisen schliessen, wie ja auch die übrigen Eigenschaften auf einen Diallag hinweisen. An Einschlüssen ist das Mineral nicht reich; es fehlen wie beim Hypersthen wiederum die braunen, rectangulären Blättchen, welche ihm sonst wohl eigenthümlich sind. Hervorzuheben ist noch, dass dieser mono- kline, diallagartige Pyroxen gern mit dem rhombischen Pyroxen verwächst (s. Taf. VII, Fig. 1). Eine derartige Durchdringung zweier Pyroxene hat zuerst Trippke!) constatirt. Rosenbusch erwähnt dieselbe von Bronzit 1) Neues Jahrbuch für Mineralogie 1878, pag. 673. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 33 248 Max Diersche. [18] und Diallag. Fr. Martin!) fand Diallag mit einem rhombischen Pyroxen verbunden in den Gabbros von Ronsperg in Böhmen. Ueberhaupt scheinen Gabbros gern derartige combinirte Pyroxene zu beherbergen. Die Verwachsung geschieht nach Trippke analog dem gewöhnlichen Zwillingsgesetze des Ausits, Po ist Zwillingsebene, d. .hiries wechseln dünne Lamellen des rhombischen Pyroxens parallel ao Pa mit solchen von Diallag parallel o#&. Merkwürdig ist an der Ver- wachsung der Pyroxene in den ceylonischen Gesteinen, dass beide Mineralien pleochroitisch und daher leicht von einander zu unter- scheiden sind. Die Lamellen des diallagartigen monoklinen Pyroxens erlangen gewöhnlich ziemliche Breite, während die des Hypersthens schmal sind und bis zu unmessbarer Feinheit herabsinken. In letzterer Ausbildung sind sie nur bei gekreuzten Nicols als feinste, haar- ähnliche, verschieden polarisirende Linien erkennbar. Der monokline Pyroxen zeigt gewöhnlich deutlich feine Spaltungstracen, während der fein lamellare Hypersthen nur von irregulären Sprüngen durch- zogen wird. Man kann das Verwachsungsgesetz der beiden Pyroxene auch so formuliren, dass man sagt: Die beiden Pyroxene sind so miteinander combinirt, dass ihre gleichen Prismenwinkel gleiche Lage haben, also © P&» parallel geht mit oPx und umgekehrt, oder von beiden Mineralien die spitzen und die stumpfen Prismenwinkel übereinanderliegen. Die Erscheinungs- weise in den einzelnen Schnitten ist folgende: 1. In basischen Schnitten sind gitterartig struirte Gebilde des: monoklinen Pyroxens zu sehen, mit der Spaltbarkeit nach © P; grobe Querrisse gehen nach P&, während eine feine Lamellirung nach oPx gerichtet ist. Die Auslöschung erfolgt parallel einem Riss- system; es tritt a = grün, b = gelblich auf. Der Hypersthen zeigt nur irreguläre Sprünge, gerade Auslöschung wie Granat. 2. Schnitte parallel © P&® löschen gerade und gleichzeitig aus, da oPx und © P» beider Pyroxene zusammenfallen., Als Farben treten für den Diallag dieselben auf wie oben, c — grün, b — gelb; für. Hypersthen, © = erün, a — 3. Schnitte parallel oo P& müssen am besten die verschiedene Natur der Componenten erkennen lassen; denn Diallag zeigt Aus- löschungsschiefe bis 40° während Hypersthen gerade auslöscht. Als Axenfarben werden hier wahrgenommen: für ersteren c = grün, a —= grün; für letzteren c — grün, b — gelb. Daraus geht hervor, dass diese Verwachsung stets als solche zu erkennen sein muss; auch schon im gewöhnlichen Lichte. Am häufigsten sind natürlich schiefgehende Schnitte anzutreffen. Sind hierbei die rhombischen Lamellen dünn und zeigen sich an deren Rändern dunkle Zersetzungsproducte, so sehen die rhombischen Pyroxene in gewöhnlichem Lichte oft wie dunkle Streifen der mono- klinen Pyroxene aus. Bei gekreuzten Nicols findet dann keine exacte Auslöschung statt, sondern es treten buntfarbige, moireartige Bänder 2) Taehärnek Min. u. petr. Mitth. XVI, 1897, pag. 116. 797 Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 249 auf. Diese sind sehr oft zu beobachten und hiernach unschwer zu erklären. Was das Auftreten der verschiedenen Pyroxene in den ceyloni- schen Pyroxengranuliten betrifft, so scheinen sich am liebsten Hypersthen und dunkelgrüner monokliner Pyroxen (auch in selbst- ständigen einzelnen Individuen) zusammenzufinden, während sich Enstatit gern mit einigen Blättchen des farblosen monoklinen Pyro- xens vergesellschaftet. Letzterer ist auch allein im Gestein vor- handen; dies scheint besonders in granatfreien oder armen Gesteinen der Fall zu sein, während die rhombischen Pyroxene in den granat- reichen das Feld behaupten. Quarz tritt in den Pyroxengranuliten quantitativ hinter dem Feldspath zurück. Nie hat er krystallinische Grenzen, sondern immer körnige, unregelmässige Gestalt mit ausgezackten oder ausgebuchteten Rändern. Flüssigkeitseinschlüsse mit beweglicher Libelle, sowie Apatit- und Zirkonkryställchen oder -körnchen, Biotit, Pyroxen und Feldspath enthält derselbe oft in reicher Menge. Auf seinen zahlreichen Sprüngen sitzt rothbraunes, dendritisches Eisenhydroxyd. Feldspath. Joh. Lehmann!) benutzt den Feldspath als Ein- theilungsprincip für die Granulite überhaupt, indem er die normalen Granulite als Orthoklasgesteine, die Pyroxengranulite als Plagioklas- sesteine auffasst und letztere daher als Plagioklasgranulite bezeichnet; .er gibt aber auch Orthoklas noch als Gemengtheil derselben an. Dathe?) legt nur dem Orthoklas der Pyroxengranulite eine classi- fieatorische Bedeutung bei, indem er orthoklasfreie und orthoklas- führende unterscheidet. Die bereits untersuchten Pyroxengesteine von Ceylon enthalten nach Al. Lacroix?) Oligoklas, beziehentlich Andesin und „Feldspath“. Melzi’s*) Gesteine führten theils beide Feldspathe, theils nur Plagioklas. Die hier zu betrachtenden Gesteine sind alle mit einer einzigen Ausnahme durch Orthoklasgehalt ausgezeichnet; der Plagioklas wird sogar in einigen sehr zurückgedrängt. Orthoklas. Die orthoklasreichen Pyroxengranulite bieten sehr schönes Material, um die charakteristische faserige oder mikroper- thitische Ausbildung derselben zu studiren; der Orthoklas ist stets in dieser Weise entwickelt. Al. Lacroix berichtet hiervon nichts, wohl aber Melzi. Der Mikroperthit tritt auf in ziemlich gut aus- sebildeten, regelmässig begrenzten Körnern, welche mit Quarz und Plagioklas die farblose, körnige Hauptmasse zusammensetzen. Schon bei schwacher Vergrösserung ist der Mikroperthit als solcher unter dem Mikroskop zu erkennen, da derselbe meist grosse und gut individualisirte Albitspindeln enthält. Dieselben zeichnen sich durch stärkere Lichtbrechung und einen erünlichblauen Schimmer aus, der sie deutlich von der farblosen Orthoklasmasse abhebt. Ihre Gestalt ist sehr variabel. Gewöhnlich sind es längliche, spindelförmige !) Untersuchungen etc. 1854, pag. 213. ?) Zeitschrift d. deutschen geol. Gesellschaft 1677, pag. 301. °) Contributions ete. 1889, pag. 213, 223, 227. *) Melzi: Sopra alcune ete. 1897, pag. 5—7. 33* 250 Max Diersche. [20] Gebilde mit beiderseitiger Zuspitzung. Oft sind sie an der einen Seite abgerundet, an der anderen tlıränenförmig ausgezogen, zuweilen beide Seiten rundlich, beziehentlich eckig, so dass sie mehr leisten- oder plattenförmiges Aussehen erlangen. Grössere haben oft ganz irreguläre Form, erscheinen treppenartig abgesetzt und senkrecht zur Längserstreckung deutlich abgesondert. In ihrer Richtung, An- ordnung und Vertheilung gleichen sie denen der normalen Granulite; da die Interpositionen hier weit seltener, aber in grösserer Ausbildung auftreten als gewöhnlich, so können sie an dem vorliegenden Materiale leicht auf ihre Natur geprüft werden. Zu einander sind sie meist parallel, wenn auch nicht immer völlig exact angeordnet. Ihre ÖOrientirung im Orthoklase lässt sich an dessen Spaltungs- und Absonderungsrichtungen erkennen. Die Spaltbarkeit nach OP bildet deutliche, durch den ganzen Feldspath gehende oder hier und da unterbrochene gerade Risse. Weniger deutlich ist die Spaltbarkeit nach M und die Absonderung nach © P? x. Letztere und die beste Spaltbarkeit nach P bilden Winkel von 114, 116, 118°, andererseits solche von 70, 68, 62°. Diese Richtungen stellen ein für die Orien- tirung wichtiges Tracensystem dar. Die Frscheinungsweise der verschiedenen Schnitte ist folgende: 1.InSchnitten parallel » P« ist die den Kanten parallele Spaltbarkeit nach OP sehr gut ausgeprägt. Im Winkel von ca. 1140 dazu geht eine weniger deutliche feine Streifung, welche der Absonderung fast parallel der Querfläche entspricht. In der Richtung derselben liegen die spindelförmigen Einlagerungen, also parallel c, während ihre Absonderungsrisse parallel O P verlaufen. Die pfriemen- förmigen Interpositionen erscheinen daher in ihrer Längserstreckung. Betrachten wir einen solchen Schnitt bei gekreuzten Nicols, so treten die Lamellen bei Duukelstellung der Hauptmasse hervor, wenn auch nicht gerade sehr deutlich, da sie verhältnissmässig klein sind. Die Auslöschung erfolgt in diesen Schnitten vollständig einheitlich. Die homogen erscheinende Hauptmasse des Mikroperthits zeigt gegen die basische Spaltbarkeit, beziehentlich die Kante P/M eine Auslöschung von 1—5", was ihrer Orthoklasnatur entspricht. Für die Lamellen wurden im Verhältniss zu den Tracen von OP 13—17° als Auslöschungsschiefe gemessen, was ihre Identität mit einem Albit oder Labradorit beweisen würde. Im convergenten polarisirten Lichte zeigt sich in diesen Schnitten ein zweiaxiges Interferenzbild, welches einen grossen Axenwinkel erkennen lässt. 2. Schnitte parallel oP%& enthalten die Einlagerungen, da sie parallel ce verlaufen. in derselben Erscheinungsweise. Die beiden, fast senkrechten Spaltbarkeiten sind höchst selten bemerkbar, besonders da der Feldspath schr frisch ist. Die undulirende Aus- löschung und der kleine opt sche Axenwinkel sind weitere Charaktere dieser Schnitte. 3. In solchen parallel OP werden die Interpositionen schräg geschnitten, so dass sie als unregelmässige, meist längliche, auch verzerrte oder mehr rundliche und wurmförmige Gebilde erscheinen. Einzelne breite Eimlagerungen lassen parallele Zwillingsstreifung erkennen; da die Auslöschung der Orthoklasmasse wiederum undulös [21] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 251 ist, wird die genaue Bestimmung erschwert. Die Hauptmasse löscht gegen die Kante P/ M, bezw. die Spaltrichtung M gerade aus; da ihr ferner jede Spur einer eitterartigen, mikroklinähnlichen Struetur fehlt, so müssen wir sie als Orthoklas bezeichnen. Die Einlagerungen weichen in ihrer Auslöschung nur wenig von der Orthoklassubstanz ab; es wurden Winkel von 2°, 4" gemessen. Daraus geht in Ueber- einstimmung mit der Auslöschung auf & P& hervor, dass die Lamellen einem Oligoklas-Albit und nicht einem Labradorit angehören. Neben ‚den regelmässigen Interpositionen liegen im Orthoklas noch kleine runde Quarzkörner ohne jegliche Regelmässigkeit in der Anordnung, oft ähnlich dem „quartz de corrosion*, selten andere Gesteins- gemengtheile. Der Plagioklas hat regelmässige Formen von geradliniger, aber nie krystallographischer Begrenzung. Er ist gut erhalten, nur selten etwas in Kaolin umgewandelt. Bei gekreuzten Nicols kommt die ausgezeichnete, meist einfache Zwillingsbildung zur Geltung. Die dem Periklingesetz folgenden Lamellen durchqueren meist nur einen Theil des albitisch verzwillingten Feldspathes, hier absetzend, dort weitergehend und so die unregelmässige Gitterstructur erzeugend, welche Winkel von 86—90° aufweist. Die chemische Natur der Plagioklase ist verschieden. Einige polysynthetische Plagioklaslamellen zeigen Auslöschungsschiefen von 2, 2'/,, 3, 4, 4'/,°; sie gehören also dem Albit-Oligoklas (Ab—Ab, An,) an. Neben diesem sauren Feldspathe ist noch einer von mittlerer Stellung (Ab, An, —Ab, Ans) vorhanden, welcher nach seiner Auslöschungsschiefe von 7—9" als Labradorit bestimmt wurde. Er ist charakterisirt durch die häufige doppelte Verzwillingung. Nach Dathe !) ist dieser für die Pyroxen- granulite typisch. An demselben wurde sogar abermalige Verwachsung nach dem Karlsbader Gesetz bemerkt. Endlich kommt noch ein basischer Plagioklas vor, der nach seiner Auslöschung an den An- fang der Bytownitreihe zu stellen ist, mit einer Zusammensetzung von Ab, An,„— Ab, An,. Interessant sind die zahlreichen Einschlüsse der Plagioklase. Es sind einestheils Quarzkörner, anderntheils Zirkone, Biotitschüppchen und Blättchen von Pyroxen. Quarz ist oft sehr reichlich vorhanden, so dass der Plagioklas bei gekreuzten Nicols wie mit gelben Körperchen übersät erscheint. Eine eigentlich schriftgranitische Verwachsung zwischen beiden Mineralien findet jedoch nirgends statt, nur hat diese Aggregation oft grosse Achnlichkeit mit dem „quartz de corrosion*. Recht eigenthümliche Einschlüsse wurden in dem basischen Bytownit bemerkt (s. Taf. VII, Fig. 3). Sie bestehen aus nieht sehr zahlreichen länglichen Lamellen, von verschiedener, meist unregelmässiger Gestalt, welche als langausgezogene Blätter erscheinen, deren Längskanten nicht gerade sind, sondern oft Buchtungen, Aus- zackungen, Absätze zeigen. Besonders unregelmässig sind die Enden ausgebildet, schief zugespitzt, abgeschrägt oder abgerundet, zuweilen gefasert, aufgeblättert, umgeknickt. Oft sind die Lamellen etwas gebogen. Untereinander verlaufen sie ungefähr parallel, doch schon ihre verschiedene Form bedingt kleine Abweichungen hiervon. Der !) Zeitschr. d. deutschen geol. Gesellschaft 1377, pag. 288. 959 Max Diersche. [22] Zwillingsebene des Bytownits gehen sie mit ihrer Längsrichtung nicht ganz parallei, sondern bilden einen Winkel von 2--6°. Bei grösserer Regelmässigkeit in ihrer Ausbildung stellen sie farblose, längliche, fast regelmässig reetanguläre Plättchen dar, die in ihrer Längser- streckung beiderseits über eine Zwillingslamelle hinausgehen. In einigen Schnitten haben sie rundliche, ovale, auch ganz irreguläre Formen, ähnlich grossen albitischen Einlagerungen des Mikroperthits. Doch sinken sie nie bis zu deren Kleinheit herab. Die Vertheilung der Einschlüsse ist so, dass sie meist den Kern der breiten, ausge- dehnten Plagioklastafeln ausfüllen, während sie am Rande seltener werden. Gewöhnlich liegen sie in mehreren Reihen neben einander. Schon im gewöhnlichen Lichte fallen sie durch ihre stärkere Licht- brechung auf, indem sie sich wie körperlich aus der sonst homogen erscheinenden Grundmasse hervorheben. Sehr deutlich treten sie im schräg auffallenden Lichte hervor. Bei gekreuzten Nicols werden die dünnen Blättchen von ihrem Wirthe so sehr beeinflusst, dass eine genaue Bestimmung derselben im Dünnschliffe unmöglich erscheint. Es sind meist nur die typischen Zwillingslamellen des Bytownits zu sehen, welche die Interpositionen überstrahlen, beziehentlich ver- dunkeln. Am besten treten letztere hervor in basischen Schnitten, wenn die Zwillingsebene des Bytownits parallel dem Nicolhaupt- schnitte geht und die verschiedenen Plagioklaslamellen gleiche Polari- sationsfarben zeigen. Da sie allem Anscheine nach gerade auslöschen, so dürften sie dem Orthoklas angehören. Nirgends ist eine von Zwillingsbildung herrührende Streifung bemerkbar und ihre Licht- brechung ist sehr verschieden von der des ebenfalls eingelagerten Quarzes, weshalb in der That die Annahme des Orthoklas richtig zu sein scheint. Doch soll nicht verhehlt werden, dass eine Täuschung betreffs des Maximums der Dunkelheit leicht möglich ist. Als Ortho- klas müssten die Lamellen primären Ursprunges sein, während die Unregelmässigkeit ihrer Form, das zerfetzte und verbildete Aus- sehen, sowie die oft sehr undulöse Auslöschung des Bytownites mehr für eine secundäre Entstehung derselben sprechen, als deren Ursache vielleicht Druckerscheinungen anzusehen sind. Eine Identificirung mit der Erscheinung des Mikroperthit, also eine eventuelle Bezeichnung als Plagioklasmikroperthit, scheint ausge- schlossen, da die Ausbildungsweise dieser Interpositionen eine von den Mikroperthitspindeln recht verschiedene ist. Der Verlauf der Bytownitlamellen erleidet durch diese Einlagerungen keine ersicht- liche Störung; daher ist kaum anzunehmen, dass es sich um etwas verschobene Lamellen dieses basischen Feldspathes handelt. Die Anordnung der Interpositionen innerhalb des Wirthes scheint parallel einer Pyramidenfläche zu sein, da ihre Längsrichtung mit o Po einen Winkel von 2—6° bildet und sie wie das Mineral schief durch- spiessend erscheinen. Wir vermuthen also in diesen lamellaren Inter- positionen im Bytownit entweder Orthoklas oder eventuell einen weniger basischen Plagioklas. Eine ähnliche Erscheinung hat jeden- falls Joh. Lehmann!) wahrgenommen. Er hält die Einlagerungen !) Untersuchungen ete. 1834, pag. 217. [23] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 253 für Quarzlamellen oder solche eines Kalknatronfeldspathes. Druck und moleeulare Umlagerung sollen die Ursache derselben sein. Unter den farblosen Gemengtheilen der Pyroxengranulite hat Al. Lacroix !) auch Cordierit gefunden. Das in seinen „Contri- butions“ erwähnte grünlichgelbliche Umwandlungsproduct des Pyroxens sah er später in einem Zusatz in der englischen Uebersetzung ?) von Mr. F. R. Mallet als ein solches des Cordierites an, da er den- selben auch in frischen Stücken entdeckt hatte, ausgezeichnet durch „alle seine optischen Eigenschaften“ und die goldgelben Aureolen um die Zirkone. Das mir zur Verfügung stehende Material ceylonischer Pyroxengranulite enthielt nirgends auch nur Spuren von pleochroitisehen Höfen um die nie mangelnden Zirkone und auch sehr dieke Schliffe zeigten bei keinem selbstständigen Gemengtheile den typischen Cor- dieritpleochroismus. Da jedoch manchmal farblose Gesteinselemente nach ihrem sonstigen Habitus Cordierit vermuthen liessen, so wurden besonders dickere Schlitfe mehrmals kurze Zeit geglüht, um even- tuell die Criterien des Cordierits zum Vorschein zu bringen. Trotz wiederholter Versuche an verschiedenen Präparaten war es nicht möglich, weder eine Spur des Cordieritpleochroismus, noch pleo- chroitische Höfe um die eingeschlossenen Zirkone hervorzubringen. Da ferner viele der cordieritähnlichen Durchschnitte, gerade die, welche am meisten Veranlassung gaben, Cordierit zu vermuthen, sich im eonvergenten polarisirten Lichte durch ihr einaxiges Interferenz- bild als Quarz documentirten, so bin ich zu der Ueberzeugung ge- kommen, dass in den untersuchten Handstücken ceylonischer Pyroxen- eranulite Cordierit nicht vorhanden ist. Granat ist, wie für die übrigen ceylonischen Gesteine, auch für die Pyroxengranulite ein häufiger und charakteristischer Gemeng- theil. In einem localen Vorkommniss fehlt er jedoch ganz. Wir werden die orthoklasführenden Pyroxengranulite nach dem Auftreten des Granats in granatführende und granatfreie eintheilen. Die Er- scheinungsform des Granates ist der in den normalen Granuliten sehr ähnlich, nur oftmals noch irregulärer. In einigen Fällen übersteigt das Korn die Grösse einer Erbse. Makroskopisch ist er gewöhnlich nur in den grobkörnigen Varietäten zu sehen. Grössere, blassrothe Durch- schnitte sind wie im normalen Granulit völlig erfüllt von zahlreichen Einschlüssen, unter denen alle Gemenstheile des Gesteins vertreten sind, was für die späte Entstehung desselben spricht. Quarz ist jedoch sehr selten in der regulären Form des Wirthes darin entwickelt. Dathe?®) erwähnt als Einschlüsse kleine Granaten in der Form von % 0, wahrscheinlich sind sie mit den oben erwähnten (vergl. pag. 257) Quarzen identisch. Die Zahl der umhüllten Quarzgebilde gibt zuweilen dem Granat ein siebartig durchlöchertes Aussehen. Mikropegmatitische Verwachsung zwischen Granat und Quarz, beziehentlich Feldspath, wie sie Al. Lacroix*) im ceylonischen Pyroxengranulit oft gesehen !) Contributions ete. 1889, pag. 213. ?) Geol. Survey of India Records 1891, pag. 169. ?) Zeitschr. ad. deutschen geol. Ges. 1882, pag. 235. *) Contributions etc. 1859, pag. 233. 254 Max Diersche. [24] und auch abgebildet hat, war nirgends vorhanden. Ueber diese Durchwachsung obiger Mineralien hat Mr. H. Holland?) in neuerer Zeit eine Untersuchung veröffentlicht, in der er an Pyroxengesteinen von Südindien zu dem Resultate kommt, dass dieses Phänomen eine secundäre Erscheinung sei, bedingt durch die gleichzeitige Entwick- lung beider nach der primären Festwerdung des Gesteins. Im Granat liegen ausserdem noch Biotit- und Hornblendeblättchen, Eisenerz und selten Spinell. Interessant sind die grossen dunkelgrünen, monoklinen Pyroxene, welche entweder in Verbindung mit Quarz oder allein, entweder ganz oder theilweise von Granat eingeschlossen werden, ebenso die Einschlüsse von Zirkon, da sie oft Veranlassung zu einer eigenthümlichen, bei gekreuzten Niecols sichtbaren 'Lichterscheinung im Granat geben. Diese ist eine zwei- oder vierstrahlige Figur, bestehend aus Lichtbüscheln, die mit den Nicolhauptschnitten einen Winkel von 45° bilden, während die dem Fadenkreuz parallelen Theile ein dunkles Kreuz darstellen. Bei Drehung des Objectes bleibt die Erscheinung unverändert. Sie scheint eine Folge von Druck- wirkung zu sein; übrigens ist der Granat in der Umgebung der Zirkonkörner nicht alterirt. Bei stärkerer Vergrösserung werden im Granat Flüssigkeitseinschlüsse sichtbar mit oft ruheloser Libelle, während grössere Rutile fehlen. Dasselbe gilt von den nadelförmigen, sich unter 60° und 120% schneidenden Rutilen, die Laeroix?) im Granat eines „Pyroxengneisses“ von Ceylon gefunden hat und die das Phänomen des Asterismus in den Granaten veranlassen sollen. H. Holland?) hat diese Einschlüsse in neuerer Zeit an Granaten aus Pyroxengesteinen von Indien ebenfalls studirt und weist nach, dass sie nicht dem Rutil, sondern einem zweiaxigen monoklinen Minerale, nämlich dem Titanit angehören. Den Asterismus sollen sie nicht veranlassen und secundär entstanden sein, ihre Orientirung wird genau bestimmt. Der Granat der Pyroxengranulite ist sehr gut erhalten, was einigermassen verwundern muss, da diese Gesteine sonst gewöhnlich sehr alterirten Granat führen. Das Verhältniss zwischen Biotit und Granat ist, in Bezug auf Anordnung und Quan- titätsverhältnisse, dasselbe wie in den normalen Granuliten. Ein gleiches existirt auch zwischen Pyroxen und Granat. Je geringer die Menge und je splittriger der Granat ist, desto grössere Quantitäten breit- blattigen Pyroxens tingiren das Gestein. Ebenso spricht die Ver- theilung der beiden Mineralien für eine gegenseitige Abhängigkeit. Kleinere Granaten befinden sich immer nur in der Nähe der Pyroxen- individuen und grössere Granatkörner werden von grünem Pyroxen umschwärmt, ohne besondere Beziehungen in ihrer Anordnung, etwa in der Form centraler Gruppirung des Pyroxens. Merkwürdig- ist, dass mit Granat eingeschlossener Pyroxen sehr oft, fasst könnte man sagen, immer in Verbindung steht mit Quarz. Noch eigenthümlicher ist das randliche Eingreifen des Pyroxens in den Granat, so dass er nur zum Theil umschlossen wird. Manchmal, in einem örtlichen !) Geol. Survey of India Records, vol. XXIX, Pt. I, 1896. ?) Contributions ete., pag. 228. °) On the acieular inclusions in Indian Garnets. Geol. Survey of India Records, vol. XXIX, Pt. I, 1896, pag. 161. [25] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 255 Gesteinsvorkommnisse immer, wird der Granat von einer farblosen Corona oder einer weissen Hülle (s. Taf. VII, Fig. 2) von lichten Mine- ralien umgeben, die sich an alle Biegungen und Ausbuchtungen der Aussenfläche des Granats anschmiegt. Dieser farblose Kranz besteht zumeist aus Quarz, der undulös auslöscht, sowie aus Feldspath. Zu- weilen steht derselbe in Verbindung mit einem grösseren Korn der betreffenden Substanz. Die Hülle ist scharf abgesetzt gegen die farb- lose Gesteinshauptmasse nach aussen, wie gegen den Granat nach innen. Auch Eisenerz und Biotit werden zuweilen in dieser Weise - umhüllt. Meist ist diese Zone von gleicher Breite, selbst bei recht abweichenden Dimensionen des Korns. Auch der Pyroxen recapitulirt, wie die farblose Hülle, die äussere unregelmässige Form des Granats in manchmal überraschender Weise. Er sitzt jedoch nie direct auf dem Granat, sondern ist entweder durch die farblose Corona oder durch das übrige Gesteinsgemenge überhaupt von ihm getrennt. Bei der Frische des Gesteins ist trotz der eigenthümlichen Gruppi- rung des Pyroxens nicht anzunehmen, dass er als Umwandlungs- product des Granates zum Theil vollständig an dessen Stelle ge- treten sei. Es fehlt dem Granat jede Spur von Alteration, besonders ist nirgends etwas Aehnliches wie eine „kelyphitische Umwandlungs- zone“ sichtbar. Biotit ist nur ein accessorischer Bestandtheil der Pyroxen- sranulite. Selten tritt er in den pyroxen- und hornblendereichen Gesteinen auf; einigen fehlt er ganz. Makroskopisch ist er nie sicht- bar. Er gleicht dem des normalen Granulites; nur hat er oft viel unregelmässigere Formen und erlangt grössere Dimensionen; auch ist er manchmal etwas verwitterter. Als erste Erscheinung der Altera- tion tritt Entfärbung ein, so dass die braune Farbe in eine grünliche, hellgrünliche verwandelt wird. Der Pleochroismus ist dann a = fast farblos, b und c — grünlich. Bei weiter vorgeschrittener Umbildung entstehen chloritische Schüppchen, sowie Caleit- und Epidotkörnchen, auch Magnetit wird ausgeschieden. Als Einschlüsse enthält der Biotit selten Apatit, Zirkon und sehr unregelmässige Quarzkörner. Der Spaltung parallel liegen lange, schwarze Täfelchen von Titaneisen. Die Verbreitung des Biotits im Gestein ist scheinbar unregelmässig. - Doch ist er gewöhnlich reihenweise angeordnet, wodurch die unvoll- kommene Schieferung entsteht. Der Amphibol ist ebenfalls nur ein accessorischer Bestand- theil. Wenn er auch manchmal in ziemlicher Menge auftritt, so fehlt er doch einigen Varietäten ganz; andere zeigen eine allmälige An- reicherung dieses Minerals. Melzi benutzt den Amphibol, um seine Pyroxengranulite in zwei Gruppen einzutheilen, was in der Folge auch hier geschehen soll. Quantitativ übertrifft die Hornblende ge- wöhnlich den Biotit, in einem Falle findet sich eine allmälige Steigerung des Amphibolgehaltes bis zum Ueberwiegen desselben. Die Hornblende dieser Pyroxengranulite ist die gewöhnliche grüne bis dunkelgrünbraune. Sie ist ausgezeichnet durch ihren sehr intensiven Pleochroismus, der in basischen Schnitten gelbliche bis honiggelbe Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 34 256 Max Diersche. [26] und braungelbe Farbe zeigt, während die prismatischen Schnitte ausser einer der genannten Farben noch tief dunkelgrünbraun oder schwarz- braun erscheinen. Demnach würde a — gelblich, b —= braungelb und c — dunkel- bis schwarzbraun sein. Die Spaltbarkeit ist so gut aus- gebildet, wie sie in keinem Gestein leicht wieder zu beobachten ist. In basischen Schnitten zeigt sich die 124° bildende Spaltbarkeit nach © P, neben der selten noch Spuren der pinakoidalen nach o Po und o Px auftreten. Schnitte parallel ce sind charakterisirt durch die parallelen Tracen jener Spaltrichtungen. Die Auslöschungs- schiefe beträgt im Maximum 12— 15°. Verhältnissmässig ist die Horn- blende sehr gut und regelmässig ausgebildet. Basische Schnitte sind sechseckig, indem sowohl © P mit dem Winkel von 124°, als auch oPw zu sehen sind. Die gerade auslöschenden, prismatischen Schnitte zeigen deutlich den Austritt einer optischen Axe, ebenso die parallel OP, woraus hervorgeht, dass o P » optische Axenebene ist. Die Dispersion ist g < v. Sehr selten sind Zwillinge nach » P «. Einschlüsse sind keine Seltenheit. Neben grossen Quarzkörnern, deren einige kleine Apatite enthalten, liegen Zirkone und Biotitblättchen im Amphibol, als dessen secundäre Producte letztere erscheinen. Eine Entwicklung des Amphibols aus Pyroxen oder Granat ist nicht wahrzunehmen. Zirkon wurde schon vielfach als Einschluss in den Gemeng- theilen des Pyroxengranulites erwähnt. Er ist oft in grosser Menge vorhanden. Laecroix und Melzi erwähnen ihn nur zuweilen. Seine Ausbildungsweise ist dieselbe wie im normalen Granulit: kleine Körner und Krystalle treten auf, erstere von O'2 mm Durchmesser, letztere mit o P und P und sehr schön entwickeltem Zonenbau. Sie erreichen eine Länge von 05 mm. Im Quarz und Granat geben sie Veranlassung zu der vorerwähnten Lichterscheinung. Gern grup- piren sich die Zirkone zu kleinen Häufchen oder kurzen Reihen. Apatit fehlt nie ganz. In den sächsischen Pyroxengranuliten tritt er nach E. Dathe überhaupt nicht auf, während er anderorts gefunden wird. Lacroix und Melzi sahen ihn in den ceylonischen (Gesteinen. Seine Krystalle erreichen oft bedeutende Grösse (0:6 mm Länge und 0'22 mm Breite). Die Kanten sind meist abgerundet. Ganz unregelmässige Körner haben einen Durchmesser bis zu 0'45 mm. Die langen, nadelförmigen Apatite zeigen zuweilen basische Absonde- rung, sind zersprengt und auseinandergerissen. An Einschlüssen sind die Apatite nicht arm, zuweilen ist deutlich ein Zirkonkorn oder ein stäbchenförmiger kleinerer Apatit zu erkennen. Eisenerze sind ein wichtiger accessorischer Gemengtheil der Pyroxengranulite und erscheinen ganz constant. Lacroix und "Melzi erwähnen in den ceylonischen Gesteinen nur Magnetit. Die Hauptmasse der opaken Bestandtheile ist allerdings dieses Eisen- erz. Es erscheint in ganz unregelmässigen schwarzen Gebilden von metallischem Glanze. Selten sind Körnchen, welche an okta&drische Formen erinnern. Gern hält sich das Mineral in der Nähe der ge- 27 Beitrag zur Kenntniss der (Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylous. 257 färbten Gesteinsgemengtheile auf, von denen es oft eingeschlossen wird. Es ist zuweilen in braunes Eisenoxydhydrat umgewandelt, das sich wie ein röthlicher Hof um das dunkle Korn herumlegt. Nicht selten wird es wie Granat und Biotit von einer farblosen Hülle aus Quarz und Feldspath umgeben (s. Taf. VII, Fig. 2). Beim Glühen erfolgt die Ausscheidung von braunem Eisenhydroxyd; es entfärbt sich aber sonst nicht; in Salzsäure löst es sich auf. Neben Magnetit ist zuweilen Eisenkies (Pyrit) wahrzunehmen, der sich durch seine im auf- fallenden Lichte speisgelbe Farbe und fast reguläre Form aus- zeichnet. Manche dunkle Erzpartikel sind Titanmagneteisen, da sie strahlige, grauglänzende Umwandlungsproducte in der Form des Leukoxens entwickeln. Noch sind sehr seltene dunkelgerüne Pleonastkörner zu er- wähnen, welche im Granat oder in dessen Nähe liegen und sich vom Eisenerz deutlich unterscheiden. Nach Lacroix!) bilden sie grosse Flocken. Graphit konnte unter den Gemengtheilen nicht nachgewiesen werden. Als Eintheilungsprineip für die Pyroxengranulite im Allgemeinen dient am besten der Orthoklas, so dass wir orthoklasführende und orthoklasfreie Pyroxengranulite unterscheiden können. Von diesen steht nur ein einziges Vorkommniss zur Verfügung, während von jenen Gesteine mit Granat und solche ohne Granat existiren. Die erste Gruppe der letzteren können wir wieder in amphibolfreie und amphibolführende eintheilen. 1. Orthoklasführender Pyroxengranulit. a) Mit Granat, aber amphibolfrei. Pyroxengranulit von Ragedara. Dieses Gestein nimmt in besonderer Weise das Interesse in Anspruch, da es mit dem normalen Granulit das directe Neben- gestein der Graphitgänge bildet. Schon von dem normalen Granulite wurde erwähnt, dass er ganz vereinzelt Pyroxen enthält. Das hier als Pyroxengranulit bezeichnete Gestein ist natürlich viel reicher daran, ist aber eigentlich kein typischer Pyroxengranulit, sondern stellt einen Uebergang zwischen den beiden Granuliten dar. Seiner Structur nach ist es äusserst grobkörnig, ohne jede eigentliche Schieferung, doch insofern mit einer Parallelstructur ausgebildet, als Differenzirung eingetreten ist, in dunkelgrüne Lagen von feinerem !) Contributions etc. 1889, pag. 213, 34* 258 Max Diersche. [28] Korn, aus Granat und dunkelgrün durchscheinendem Quarz und Feldspath bestehend, und in hellgrüne, ausserordentlich grobkörnige Gesteinspartien. letztere enthalten bis über erbsengrosse, dunkel- rothe Granaten, deren sich mehrere zusammenschaaren, so dass granatarme und -reiche Theile entstehen. Feldspath und Quarz er- scheinen hellgrün. Der ausgezeichnete Fettglanz der typischen Pyroxengranulite ist vorhanden. Das specifische Gewicht wurde zu 2:84 bestimmt. Alle Bestandtheile der Pyroxengranulite sind in diesem Gesteine zugegen, nur Hornblende fehlt. Quarz ist sehr zahl- reich vertreten, von seinen zahlreichen Einschlüssen bieten nur die Zirkone durch die hier besonders gut bemerkbaren Lichtbilder einiges Interesse. Der Plagioklas gehört nach Zwilligsbildung und Aus- löschungsschiefe meist dem Oligoklas an. Daneben gibt es breit- blätterige Plagioklase mit undulirender Auslöschung, in welchen zuerst die eigenthümlichen lamellaren, unregelmässig gestalteten Inter- positionen bemerkt wurden. Sie liegen allem Anscheine nach nur in den ganz grobkörnigen Partien des Gesteins, sind aber wegen ihrer Seltenheit und völligen Irregularität zu genauerer Untersuchung un- geeignet. Die Hauptmasse des Feldspathes wurde als ein Bytownit erkannt mit 17, 21 und 25° Auslöschungsschiefe. Ein Schnitt, der wegen seines Mangels an Zwillingsbildung und wegen seiner schief durchsetzenden Spaltbarkeit nach OP unzweifelhaft parallel © P & ging, wies einen Winkel von 31° auf, was für seine Bytownitnatur spricht. ÖOrthoklasmikroperthit ist hier viel seltener als gewöhnlich, doch sehr typisch und deutlich. Seine Albitspindeln sind gut zu beobachten, einige werden 0'12 mm lang. Eingelagerte Quarzkörner bilden mit Feldspath zuweilen mikropegmatitähnliche Verwachsungen, dem „quartz de corrosion*“ der Franzosen vergleichbar. Die farblosen Bestandtheile, besonders dieses Gesteines, wurden einer Prüfung auf Cordierit unterzogen, da es dem seiner Angabe nach Cordierit füh- renden „Leptynite A pyroxene“ Lacroix’s!) am ähnlichsten ist, und wie dieses ein Uebergangsstadium zum Pyroxengranulit darstellt. Die Durehschnitte des Almandins verdienen besondere Beachtung, da seine Zirkoneinschlüsse vortrefflieh die typischen Lichtbilder er- zeugen, welche wegen der Isotropie des Granates gut zu beobachten sind. Die für dieses Gestein charakteristischen Pyroxene sind grüner, wenig pleochroitischer, rhombischer und nicht pleochroitischer, aber lebhaft polarisirender, monokliner Pyroxen. Biotit ist selten. Apatit bildet lange Nadeln oder grosse Krystalle (1'386 mm lang, 0'088 breit). Die übrigen Gemengtheile zeigen keine Eigenthümlichkeiten. Obwohl dieser Pyroxengranulit wie der normale Granulit von Ragedara das Nebengestein der Graphitgänge darstellt, wurden Blättchen oder Schüppehen dieses Minerals nirgends eingeschlossen gefunden. Be- sonders schön sind in ihm die eigenthümlichen farblosen Zonen oder Hüllen um Granat und Maznetit, beziehentlich Biotit zu sehen, welche aus Quarz und Feldspath bestehen, und an die sich im ersten Falle der Pyroxen parallel anlegt (s. Taf. VII, Fig. 2). ') Contributions etc. 1889, pag. 212. [29] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 259 b) Orthoklasführender Pyroxengranulit mit Granat und Amphibol vom Adamspik. Dieses Gestein stammt vom Fusse des seit mehr als zwei Jahr- tausenden berühmten Bergkegels des Adamspiks, des legendenum- wobenen Heiligthums der buddhistischen Welt, das für Millionen frommer Pilger ein Wallfahrtsort war und noch ist. Dort, wo sich die Wanderer noch einmal anbetend niederwerfen, ehe sie den eigentlichen Berg besteigen, wurde ein Stück gesammelt. Das Handstück dieses inter- essanten Gesteins zeichnet sich makroskopisch durch dunkle Farbe aus, rothe Granaten sind zu sehen, und es ist wegen seiner etwas grobkrystallinen Beschaffenheit dem Gesteine von Ragedara sehr ähnlich. Die Bestandtheile sind dieselben wie in diesem, nur kommt noch Amphibol hinzu und der rhombische Pvroxen ist sehr schöner Hypersthen. Die farblosen Gemengtheile bilden etwa '/; des ganzen Gesteins; hiervon kommt der kleinste Procentsatz auf den Quarz und den Örthoklasmikroperthit. Hauptgemengtheil ist der Plagioklas, welcher in zwei verschiedenen Mischungen vorhanden ist, als saurer ÖOligoklas und als breitplattiger basischer Bytownit. Letzterer zeigt neben den gewöhnlichen seltenen Einschlüssen der Plagioklase sehr typisch die lamellaren, blättrigen Interpositionen, welche einem Ortho- klas oder einem saueren Plagioklas zugerechnet wurden (s. Taf. VII, Fig. 5). : Leider war kein weiteres Material vorhanden, um noch bessere Schliffe zu erhalten und das Phänomen genauer zu studiren. Granat bildet sowohl abgerundete Körner, wie ganz unregelmässige Fetzen oder bröckchenartige Stücke. Der neben dem typischen Hypersthen vorkommende pleochroitische, monokline Pyroxen hat diallagartigen Charakter. Ausser nicht pleochroitischen, dunkelgrünen Schnitten gibt es solche, die ausserdem gelbe Farbe zeigen. Die Auslöschungsschiefe auf Po wurde im Maximum zu 39-450 gemessen. Zwischen den beiden Pyroxenen kommen hier regelmässige Verwachsungen vor; doch ist diese Erscheinung nicht gut zu beobachten, da die rhombi- schen Lamellen .sehr schmal und am Rande verwittert sind. Bei gekreuzten Nicols erscheinen letztere als feine Linien oder dunkle, breite Bänder. Schiefe Schnitte löschen undulirend aus und lassen moireaıtige Farben erkennen. Hornblende ist braun bis grünbraun. An einzelnen prismatischen Schnitten wurden 10, 11, 130 Auslöschungs- schiefe gemessen. Nur ein Zwilling nach oPx war aufzufinden. Der Structur nach sind die beiden betrachteten Pyroxengranulite durch ihre Mittel- bis Grobkörnigkeit charakterisirt; die übrigen zeigen alle eine feinkörnige bis dichte Structur. c) Granatfreier Pyroxengranulit aus dem Steinbruch zwischen Nuwara Elya und Hakgalla. I Dieses Gestein zeigt völlig die makroskopischen Eigenschaften eines ceylonischen Pyroxengranulites. Es jst immer granatfrei; die verschiedenen Handstücke haben, trotzdem sie aus demselben Bruche stammen, so variable Zusammensetzung, dass man versucht ist, 260 Max Diersche. [30] mehrere Arten zu unterscheiden. Besonders Biotit und Hornblende sind grossen Schwankungen unterworfen. Merkwürdig ist das Vor- wiegen des Orthoklasmikroperthites, der in keinem Gestein so typisch ausgebildet ist wie in diesem, und daher Gelegenheit bot, jene Be- stimmungen über diese eigenthümliche Verwachsung zweier Feld- spathe vorzunehmen,- deren Resultate schon mitgetheilt wurden. Plagioklas tritt fast ebenso hinter dem Orthoklas an Menge zurück wie in den normalen Granuliten. Er gehört dem Oligoklas an und hat oft recht zahlreiche Quarzkörner als Einschlüsse. Die farblose Hauptmasse, welche Quarz und Feldspathe bilden, wird durch grün- liche trübe Wolken eines von dem zersetzten Pyroxen ausgehenden Infiltrationsproductes in unregelmässige Felder getheilt, indem ceircu- lirende Wässer die Zersetzungsproducte in fein vertheiltem Zustande fortführten und auf den Rissen, wie zwischen den Mineralien, wieder absetzten. Von den gefärbten Gemengtheilen des Gesteines zeigt der Pyroxen die grösste Constanz in seinem Auftreten. Er gehört der fast farblosen, nieht pleochroitischen, monoklinen Varietät an, welche salitartigen Charakter hat. Die Zersetzung in Viriditsubstanz ist oft sehr weit gediehen. Die Auslöschungsschiefe erreicht in verticalen Schnitten ein Maximum von 39--43°. Biotit bildet sehr breite Formen, deren Ränder zuweilen zerfasert sind. Er wird manchmal fast ganz verdrängt von Amphibol, so dass zwischen diesen beiden Mineralien ein eigenthümliches Wechselverhältniss leicht ersichtlich ist; denn, während in einigen Handstücken Biotit reichlich vorhanden ist, aber nur einige Blättchen von Amphibol auftreten, kehrt sich in anderen das Verhältniss völlig um. In dieser Hinsicht liessen sich sehr gut verschiedene Varietäten des Gesteines unterscheiden, doch scheint dies wegen ihrer localen Zusammengehöriekeit und der vorhandenen allmäligen Uebergänge unangebracht. Der grünbraune, ausgezeichnet pleochroitische Amphibol zeigt Auslöschungsschiefe von 15°. Zirkon- krystalle sind sehr schön zonal struirt; die einzelnen Schichten haben eine Ausdehnung von 0'055, 0°066, 0:079, 0'104, 0'127 mm Länge, bei einer Breite von 0'055 — 0'046 nm. Wenige grosse Apatitkrystalle sind vorhanden (0'55 mm lang, 0'22 mm breit); daneben gibt es auch grössere Körner von 0'3 mm Durchmesser. II. Orthoklasfreier Pyroxengranulit von Dimbula Estate. Der einzige typische Pyroxengranulit, welcher nur Plagioklas enthält aber auch Granat führt, stammt von Dimbula Estate, einer der zahlreichen Theeplantagen, die westlich von Nuwara Eliya un- gefähr 4500 Fuss hoch im gebirgigen Theile CGeylons gelegen ist. Makroskopisch stimmt dieses Gestein mit dem Pyroxengranulit von Hakgalla überein. Als Bestandtheile erscheinen in diesem echten Pyroxengranulite Plagioklas, Quarz, zwei Pyroxene, Granat, Eisenerze, Apatit und’ Zirkon. Plagioklas ist so zahlreich vertreten, dass dieses Gestein sehr wohl den Namen Plagioklasgranulit verdient. Dieser Feldspath zeigt auffallend häufig in Folge doppelter Verzwillingung gitterähnliche Streifung. Die Lamellen, welche Zwillingen nach dem Albitgesetz entsprechen, sind manchmal von bedeutender Breite (0:19, St] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 261 0:16—0°15 mm). Einige Plagioklaszwillinge sind nochmals nach dem Karlsbader Gesetz verwachsen, einmal sogar zwei schon doppelt ver- zwillingte Individuen. Diese Neigung zur Zwillingsbildung weist in Uebereinstimmung mit der Auslöschungsschiefe von 7, 8, 9% auf einen in der Mitte der isomorphen Plagioklasreihe stehenden Feld- spath, auf einen Labradorit hin, von Ab, An — Ab, Ana. Ihm fehlen die eigenthümlichen lamellaren Interpositionen. In Bezug auf den Pyroxen- gehalt ist dieser Pyroxengranulit sehr typisch; denn es ist ein rhom- bischer Hypersthen und ein der dunkelgrünen Varietät angehörender monokliner Pyroxen vorhanden, mit zum Theil pleochroitischen, zum Theil einfarbigen Durchschnitten. Besonders schön ist hier die Ver- wachsung der beiden Mineralien zu sehen, da auch die rhombischen Lamellen etwas breiter ausgebildet und gut erhalten sind (s. Taf. VII, Fig. 1). Hornblende fehlt in diesem Gesteine ganz. Granat bildet auf- fallend kleine, unregelmässig contourirte Individuen und ist arm an Einschlüssen. Er vergesellschaftet sich gern mit den übrigen gefärbten Gemengtheilen, so dass in diesem Gesteine besonders deutlich eine Scheidung zwischen gefärbten und farblosen Partien zum Ausdruck gebracht wird, wodurch die unvollkommene Schieferung entsteht. Zonal struirter Zirkon von 0'347 mm: Durchmesser schliesst wieder Zirkon ein. Apatit bildet grosse Krystalle von 045 mm Länge und unregelmässige, dieke Körner von 0'& mm Durchmesser. Die be- trachteten Pyroxengranulite sind zwar alle den von Al. Lacroix und von S. Melzi beschriebenen Gesteinen dieser Art ähnlich; keiner stimmt jedoch weder nach seinem örtlichen Vorkommen, noch nach seiner Composition vollständig mit einem derselben überein. In ihrem Auftreten erscheinen die ceylonischen Pyroxen- sranulite wesentlich verschieden von den sonst mit diesem Namen bezeichneten Gesteinen. Es ist bekannt, dass man die Pyroxengranulite besonders typisch in Sachsen, stets wechsellagernd mit normalen Granuliten, oft als centimeterdünne Lagen, meist aber als decimeter- bis l oder mehrere Meter starke, flötzartige Bänke und endlich als 100 m mächtige, linsenförmige Complexe ausgebildet findet, was ja 'Veran- lassung zu ihrer Bezeichnung gegeben hat. Von den übrigen, bis jetzt bekannten Pyroxengranuliten ist nichts erwähnt über eine der- artige enge geologische Beziehung zwischen den beiden Granulitarten. Sie scheint nicht immer vorhanden zu sein, denn es werden von einzelnen Vorkommnissen oft nur normale, oft nur Pyroxengranulite beschrieben. Den ceylonischen Granuliten scheint eine derartige Wechsellagerung der beiden Gesteinstypen, soweit bis jetzt bekannt ist, zu fehlen. Nur in Ragedara war ein Uebergang der einen Gesteins- art in die andere zu constatiren. Sonst abeı aehmen die Pyroxen- granulite allem Anscheine nach eine ziemlich selbstständige Stellung ein; ja sie scheinen sogar auf Ceylon die normalen Granulite hin- sichtlich der Verbreitung zu übertreffen; denn Lacroix fand sie bei Colombo, Melzi im südöstlichen Theile des centralen Gebirges und dem südöstlichen Hügellande, während die hier besprochenen Handstücke ausserdem noch dem südlichen und nordwestlichen Theile des Gebirgsmassivs angehören. Daraus geht hervor, dass man sie nach unseren bisherigen Kenntnissen wohl nicht mit Unrecht als 262 Max Diersche. [32] den verbreitetsten Gesteinstypus der krystallinischen Schiefergruppe auf Ceylon bezeichnen kann. Wenn nun auch von keiner typischen Wechsellagerung der beiden Granulitarten zu berichten ist, was immerhin als charakteristisch gelten muss, so findet doch wenigstens ein allmäliger Uebergang der normalen Granulite in die Pyroxen- sranulite statt. Laecroix!) redet biervon, indem er von einer Varietät des „Leptynites“, dem „Leptynite & pyroxene* saet, dass er sich durch das Auftreten des Pyroxens in den „Pyroxengneiss“ verwandele. An anderer Stelle sagt er von den Pyroxengneissen: „Sie sind eingelagert (bei Kandy) in körnige Gneisse und „Leptynite“, in welehe sie sich häufig verwandeln, durch Hinzukommen von Quarz und Verschwinden von Pyroxen.“ Melzi?) fand nicht weit vom typischen Pyroxengranulit ein Uebergangsgestein zwischen „dioritischem Gneiss“ und jenem, das accessorischen Pyroxen und mehr Quarz ent- hielt. Ein solches haben wir in dem von Ragedara kennen gelernt. Hier wurden ja schon im normalen Granulit einzelne Pyroxenblättchen wahrgenommen, wodurch die enge locale Verbindung beider Gesteine noch wahrscheinlicher wird. 3. Gneiss. Der Gneiss wurde von jeher als das Hauptgestein der Insel Ceylon angesehen. v. Richthofen?) sagt darüber schon 1860: „Die kıystallinischen Schiefer, aus denen das Gebirgsland mit allen hügeligen Ausläufern besteht, sind fast ausschliesslich Gneiss.* Nach seiner Charakteristik sind sie „tiefgrün und immer sehr quarzreich“, Wahrscheinlich sind diese „Gneisse“ mit den betrachteten Pyroxen- granuliten identisch. Zirkel*) sagt über das Vorkommen von Gneiss in seinem Vortrage: „Die Berge bestehen vorwiegend aus stark gefaltetem, oft sehr granatreichem Gneiss und anderen krystallinischen Schiefern.“ Gneissdome treten nach ihm in merkwäürdiger Isolirung südlich von Anuradhapura hervor. Al. Lacroix°) rechnet, wie schon erwähnt, die meisten seiner in Ceylon gefundenen Gesteine zum Gneiss. Einige derselben wurden jedoch im Vorhergehenden mit den besprochenen Granuliten, beziehentlich Pyroxengranuliten identificirt. Es bleiben als echte Gneisse bei ihm nur noch übrig: Ein biotit- und sillimanithaltiger Gneiss von Kandy, der selten vorkommende Anorthitgneiss und ein körniger Mikroklingneiss. In letzterem, der bei Kandy nur wenig verbreitet vorkommt, ist der Feldspath inter- essant durch seine Einschlüsse. „Er ist nicht nur verquarzt, sondern auch schriftgranitähnlich mit Quarz verwachsen (quartz de corrosion). Daneben treten noch längliche Einschlüsse auf, welche mit ihrer Hauptaxe der Verticalaxe des Feldspathes parallel gehen. Sie sind !) Contributions etc. 1889, pag. 212, 222. ?) Sopra alcune etc. 1897, pag. 4. °) Zeitschr. d. deutsch. geolog. Ges, 1860, pag. 525. *) Vortrag etc. 1896, pag. 8, 31. ) °) Contributions ete. 1859, VII, pag. 198 u. ff. * Ge en [33] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons.. 263 stärker lichtbrechend, und haben grössere Doppelbrechung als Feld- spath. Die Stärke ihrer Brechung ist so gross, dass sie den Quarz, und ihre Doppelbrechung so schwach, dass sie den Glimmer aus- schliessen. Die Eigenschaften, welche man sonst beobachtet, sind ungenügend, um ihre Natur zu bestimmen !).“ Zwei Jahre später, 1891, entschied sich Lacroix für die Auffassung derselben als Quarz, wie aus dem Zusatz für den englischen Uebersetzer seiner Schrift hervorgeht. Er sagt dort?): „Ich habe zweifellos ermittelt, dass ihre Brechung (entgegengesetzt von dem, was ich früher dachte) die- selbe ist, wie die des Quarzes im Gestein, und sie müssen vielleicht als aus Quarz zusammengesetzt betrachtet werden. Sie stellen eine besondere Form des „quartz de corrosion“ dar.“ Jedenfalls ist es ein Orthoklasmikroperthit, den Lacroix hier beobachtete. Auch Melzi?°) nimmt das an und bezeichnet diese Erscheinung in seinem mit Lacroix’s Gestein identischen Mikroklingneiss von Kandy als Mikroperthit. Melzi fand derartige Gneisse auch noch an der Ost- küste der Insel in den Provinzen Batticaloa und Hambantota; die typische Form desselben stand bei Wirawilla an. „Dioritischer Gneiss“ ist nach Melzi wenig ausgedehnt bei Kandy und Matale; derselbe ist local mit dem Pyroxengranulit durch Uebergänge eng verbunden, steht diesem also nicht fern. Westlich von Kandy, an der Strasse nach Colombo, fand Melzi einen Biotiteneiss und endlich einen Mikroperthitgneiss mit Pyroxen und Olivin in dem östlichen Theile der Insel bei Tandiadi, Tank e Komariya in der Provinz Battikaloa und bei Periya Panava. F. Sandberger*) redet von Gneiss als dem verbreitetsten Gesteine Ceylons. Nach Johannes Walther’) herrschen „graue Domgneisse, die Sich in mächtigen Blockdomen überall aus dem Urwalde erheben“, vor im südwestlichen Theile der Insel zwischen Kaltura und Ratnapura. Dieselben zeigen sehr weit- gehende Zersetzung in Laterit. ; Wir waren in der Lage, zwei ceylonische Gneisse zu untersuchen, die sich schon makroskopisch sehr von den Pyroxengranuliten unter- scheiden, weniger durch ihre Struetur, die mehr körnig als schiefrig zu nennen ist. als durch ihren Gehalt von Biotit. Es ist das: a) Pyroxenführender Granatgneiss von Tirupane, und b) Amphibolgneiss von Dambulla. a) Pyroxenführender Granatgneiss von Tirupane. Dieses Gestein entstammt dem nördlichen Hügellande von Ceylon; denn der Ort Tirupane liegt nördlich von Matale an dem Wege nach der alten Königsstadt Anuradhapura. Südlich von Anuradhapura gibt es nach Zirkel‘) merkwürdig isolirt hervortretende Gneiss- !, Contributions etc. 1839, VII, pag. 215 ?) Geological Survey of India Records, vol. XXIV, 1892, pag. 168. ®) Sopra aleune etc. 1896, pag. 9. *) Neues Jahrbuch f. Mineralogie, 1887, II, pag. 12. 5) Zeitschr. d. deutsch. geolog. Ges., 1889, pag. 360. °) Oeylon. Vortrag etec., pag. 30. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 35 264 Max Diersche. [34] dome. Einem solchen dürfte dieses Gestein entstammen. Makro- skopisch zeigt es allerdings sehr wenig gneissartigen Charakter, denn die Schieferung fehlt fast ganz; die Structur ist mittelkörnig. Sehr zahlreiche, schwarzglänzende Biotitblättchen, neben denen rothe Granaten liegen, sowie grünlich erscheinende Quarze und Feldspathe sind mit blossem Auge erkennbar. Das Gestein ist frisch, ohne Spuren von Lateritbildung. Bei mikroskopischer Untersuchung treffen wir die charakteristischen Bestandtheile wieder, welche den Pyroxen- eranuliten eigenthümlich sind; von farblosen Mineralien: Quarz, Plagioklas und Zirkon; von gefärbten: Biotit, Hypersthen, Granat und Magnetit. Wenn das Gestein auch so der Natur seiner Gemengtheile nach einem biotitreichen Pyroxengranulit sehr nahe steht, so ist es doch wegen seines grossen Glimmerreichthums und des Mangels an monoklinem Pyroxen hier als Gneiss bezeichnet worden. Die Er- scheinungsweise der Bestandtheile ist nur zum Theil eine etwas andere als im Pyroxengranulit. Hauptbestandtheil ist der Plagioklas. Seine meist dem Albitgesetz folgenden Zwillingslamellen werden zu- weilen 0'2—0'5 mm breit, selten werden sie von anderen unter fast 90° durchkreuzt! Ihre Auslöschungsschiefe beträgt nach verschiedenen Messungen 12—18—21° weshalb hier ein Labrador-Bytownit (Ab, Ans— Ab, An,) vorliegt. Orthoklas wurde nur ganz accessorisch be- merkt. Der Glimmer ist bald mehr, bald weniger der Verwitterung anheimgefallen. Auffallend häufig treten wellig unregelmässige Durch- schnitte von Biotit auf. Neben Zirkonkörnehen mit zuweilen pleo- chroitischer Aureole schliesst er längliche Plättchen von Titaneisen und unregelmässige, beziehentlich dihexaödrische Körnchen von Quarz ein. Granat ist auch in diesem Gneiss häufig und ist dem des Pyroxen- granulites ganz ähnlich; granatoädrische Quarzeinschlüsse enthält er jedoch fast gar nicht. Auch die übrigen Gemengtheile, darunter Hypersthen, sind analog ausgebildet wie die der Pyroxengranulite. b) Amphibolgneiss von Dambulla. Er entstammt demselben Gebiete wie der obige Granatgneiss; denn Dambulla liegt ebenfalls an der Strasse von Matale nach Anuradhapura, etwas südlich von Tirupane. Makroskopisch gleicht dieses Gestein bei seiner ebenfalls mittelkörnigen Structur und dunklen Farbe ganz dem Granatgneiss, nur werden die glänzenden Biotitblättchen zurückgedrängt durch die sehr deutliche Hornblende, die fast porphyrähnlich ausgeschieden ist. Der Gehalt an Amphibol, Mikroperthit und secundärem Caleit ist für diesen Gneiss charakte- ristisch. Orthoklas ist in typischer Weise mikroperthitisch, oft äusserst feinfaserig ausgebildet; an Menge kommt er dem Plagioklas gleich, Plagioklas ist sehr oft doppelt verzwillingt, was in Gemeinschaft mit der beobachteten Auslöschungsschiefe von 9—10° auf einen Labradorit hinweist. Auf seinen Sprüngen sitzt secundär eingedrungener Galeit. Den Gneisscharakter vollendet der zahlreich vorhandene grossblättrige Biotit. Er ist ebenso stark zersetzt, wie der des Biotitgneisses. Der Amphibol hat den charakteristischen Pleochroismus: a = gelbgrün Li [35] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 265 b = grün bis grünlichbraun, c = dunkelbraun bis schwarz. Die Spalt- barkeit nach © P ist meist sehr markant, seltener die nach « PP» und © P x. Zwillinge nach © ? © wurden nicht beobachtet. Oft ist die Hornblende alterirt; als Producte sind Biotit, Caleit und schmutzig grünlicher Chlorit zu erkennen; auch Eisenerz wird aus- geschieden. Als Einschlüsse enthält der Amphibol grosse Quarzkörner, Biotit und accessorische Gemenstheile. Calcit bildet hier zum ersten Male in den aufgeführten ceylonischen Gesteinen auch grössere Partien; ausserdem füllt er alle Sprünge und Hohlräume aus, und zwar fast immer als ein sehr feinkörniges, nahezu dichtes Aggregat, weniger als einzelne Körner. 4. Granite. Granite, überhaupt typische Eruptivgesteine sind von der Insel Ceylon noch nicht beschrieben. Sir Emmersen Tennent!) sagt vom Granit, dass er den Gneiss durchbreche. Diese Angabe bezeich- nete aber v. Richthofen?) als nicht ganz zuverlässig; er selbst hat im südwestlichen Theile der Insel und im Gebirgslande von Ceylon keine Granite gefunden. Eine Notiz über ein Granitvorkommniss findet sich auch bei Joh. Walther), welcher sagt: „In der Mitte des Weges zwischen Ratnapura und Kaltura sperrt ein fester Granit- riegel die Thalsohle“ (des Kaluganga). Lacroix ‘) erwähnt körnige Granite unter dem Namen „granulites eruptives“. Das als Mikroklin- sneiss bezeichnete Gestein von Kandy soll eventuell auch ein solcher eruptiver „Granulit* sein. Derartige Gesteine bilden nach ihm einen Uebergang zwischen Gneiss und Leptynit®). Zirkel®) redet von Granit, der die krystallinischen Schiefer durchbricht. Häufig muss der Granit im nördlichen Theile der Insel vorkommen. Denn in der alten Königsstadt Anuradhapura hat man denselben vor mehr als zweitausend Jahren bereits in ausgedehnter Weise als Bau- stein benutzt, wovon die heutigen Reste Zeugniss ablegen. So stehen z. B. drei Reihen schön gemeisselter und mit Capitälen geschmückter Granitsäulen um die Thuparama-Dagoba. In der Nachbarschaft der- selben erheben sich im Walde unzählige Monolithen, 12 Fuss hohe Granitsäulen, wie ein versteinerter Wald aus dem Humusboden her- vor, die ehemals als Substructionen für Paläste und andere Gebäude dienten. Der sogenannte Brazen palace ist weiter nichts als eine Versammlung von eirca 1600 derartiger Granitmonolithen. Wahr- scheinlich kommen diese Granite aus dem nördlichen Theile der Insel. Bekannt sind bis jetzt dort allerdings nur die ‚Granite von Kurunegala, welche aber in Luftlinie 51 Miles von Anuradhapura entfernt liegen. Diese Granite von Kurunegala sind nicht nur von !) Ceylon an account etec., 1860. ?) Zeitschr. d. deutschen geol. Gesellsch., 1860, pag. 527. ®) Zeitschr. d. dentschen geol. Gesellsch., XLI., 1839, pag. : 60. *) Contributions ete., 1889, pag. 214. 5) Contributions etc., 1889, pag. 211. °) Vortrag ete., 1896, pag. 9. 266 Max Diersche. [36] Interesse als unzweifelhafte ceylonische Eruptivgesteine an sich, son- dern besonders auch wegen ihrer eigenthümlichen Erscheinungsweise im Felde und wegen der sonderbaren Erosionserscheinungen, die sich an diesen Felsen ausserordentlich auffallend bemerkbar machen. Trotzdem die Handstücke von derselben Oertlichkeit kommen, sind doch zwei verschiedene Granite zn unterscheiden, die sich schon makroskopisch ohne Weiteres zu erkennen geben. Nach der Zusam- mensetzung ist das ein Biotitgranit und ein Amphibolgranit. a) Biotitgranit. Dieses Gestein stellt ein deutlich mittel- bis grobkörniges Ge- menge von farblosem, glasglänzenden Quarz und trübem, milchig- weissen und bräunlichgrauen Feldspath dar. Letzterer bestimmt die grauweisse Farbe des ganzen Gesteins; er erscheint schon makro- skopisch sehr zersetzt. Das ganze trübgrauweisse Gestein ist gesprenkelt mit schwarzglänzenden Pünktchen oder .Blättehen von Biotit. Horn- blende bildet einige makroskopische Butzen. Ausserdem wird noch slänzender Eisenkies bemerkt. Mikroskopisch erscheint Quarz, Plagioklas, Orthoklas, Mikroperthit, Biotit, Eisenerz, Zirkon und Apatit. Die grossen Quarzkörner enthalten kleinere Quarze in sich, welche zwischen gekreuzten Nicols sehr deutlich hervortreten, eine keineswegs sonst sehr häufige Erscheinung. Solche liegen auch gern in anderen Bestandtheilen des Gesteines. Plagioklas ist nach seiner 3—4° erreichenden Auslöschungsschiefe ein Albit- Oligoklas. Von wurmförmigen Quarzen wird er oft ganz durchdrungen, oder zahlreiche rundliche Körnchen desselben lassen ihn wie sieb- artig durchlöchert erscheinen. Doch fehlt den Einschlüssen die gleiche . Örientirung, so dass nur eine mikropegmatitähnliche, dem „quartz de corrosion* vergleichbare Structur entsteht. Hauptbestandtheil ist der ÖOrthoklasmikroperthit, dessen sehr kleine albitische Einlagerungen gewöhnlich den ganzen Feldspath erfüllen. Neben den bis zu unent- wirrbarer Kleinheit herabsinkenden Plagioklasspindeln liegen meist auch einige grössere, an denen schon bei gewöhnlicher Vergrösse- rung die zur Längserstreckung senkrechte Absonderung sichtbar ist. Ausserdem schliesst der Mikroperthit sehr häufig Quarzkörner ein, so dass einzelne Feldspathe wie damit übersäet erscheinen. Die übrigen Gemengtheile des Gesteins sind nur in geringer Menge vorhanden. Der Biotit stellt kleine, lang ausgezogene Schüppchen von intensivem Pleochroismus dar: a und b = hellgelb, c = dunkelbraun. Die Hauptbestandtheile dieses Granites, besonders die Feld- spathe und Biotite, sind zum grössten Theile nicht mehr frisch, was nicht zu verwundern ist, da er jedenfalls ehemals dem Einfluss des Wassers ausserordentlich ausgesetzt war. Die verschieden weit vor- geschrittene Zersetzung der lFeldspathe erzeugt trübgraue, körnig kaolinartige Massen, welche den eigenthümlichen, schon makroskopisch wahrnehmbaren Charakter derselben bewirken. Manchmal findet im Plagioklas ein abweichendes Verhalten der Lamellen bei der Um- wandlung statt. Im Mikroperthit folgt die Zersetzung mehr der Richtung, wie sie durch die albitischen Einlagerungen angezeigt wird, u 4 [37] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons, 267 während auf den Spaltrissen parallel P oft gar keine Producte abge- setzt sind und von einer netz- oder gitterartigen Anordnung der- selben nichts zu sehen ist. Auch die Albiteinlagerungen sind von der Decomposition ergriffen, welche an den Absonderungsrissen beginnt und diese sehr deutlich macht. Am Biotit ist nicht nur eine Aende- rung der Farbe eingetreten, sondern es sind auch Umwandlungs- producte entstanden, wie Epidot, Caleit, Magnetit und Eisenhydroxyd. Letzteres setzt sich in der näheren und weiteren Umgebung des Biotites als rothbraun glänzende, dendritische Substanz ab, erscheint aber auch weiter fortgeführt in die Risse und Spalten des Gesteins und der Mineralien. Es umzieht zuweilen die farblosen Bestandtheile, . besonders den Quarz, wie mit einem rothbraunen, schmutzigen Ringe. b) Amphibolgranit. Schon makroskopisch unterscheidet er sich wesentlich von dem Biotitgranit. Die sehr deutlich grobkörnige Structur wird veranlasst durch Quarz, Feldspath und Hornblende; selten ist Biotit erkennbar. Quarz hebt sich als deutliche farblose, glasglänzende Körner von dem harzig glänzenden, trübbraunen Feldspath ab. Letzterer gibt dem Gestein das eigenthümlich ölige, braunfarbige Aussehen. Dazu kommt der Amphibol, welcher in Form deutlicher schwarzer Flecken den schönen Gesteinshabitus erzeugt und diesen Granit von dem Biotitgranit unterscheidet. Da letzterer aber einige Butzen von Hornblende enthält, so gehen beide wahrscheinlich continuirlich in einander über. Der Quarz gleicht in Allem ganz dem des Biotitgranites. Plagioklas ist sehr regelmässig contourirt, einfach, selten doppelt verzwillingt. Nach seiner Auslöschung, die zu 7— 15° gemessen wurde, ist er der Labrador-Bytownitgruppe (Ab, Ang — Ab, Anz) zuzuzählen. Im Vergleich zum Plagioklas des Biotitgranites ist er sehr frisch. Mikroperthit bildet auch in diesem Granit wie in den Gneissen und Granuliten den wesentlichsten Bestandtheil, was sonst eine nicht sonderlich häufige Erscheinung ist. Er ist wiederum frischer als der des Biotitgranites; nur selten sind Streifen graugrünlichen Kaolins zu sehen. Die Albitspindeln sind von verschiedener Grösse. Deutlich ist zu beobachten, wie sie allmälig bis zu mikroskopischer Feinheit herabsinken. Ein solche enthaltender Orthoklas macht dann bei schwacher Vergrösserung ganz den Eindruck eines Quarzes; bei etwas stärkerer Vergrösserung wird seine bisher glatt und eben er- scheinende Obeifläche runzelig, rauh, noch deutlicher bei stärkster Vergrösserung, wobei manchmal noch nicht einzelne Spindeln zu unterscheiden sind, sondern die Mikroperthitnatur mehr zu ver- muthen als zu sehen ist. Im convergenten polarisirten Lichte lässt sich aber leicht der Beweis erbringen, dass wir es nicht mit Quarz zu thun haben. Es ist vielmehr eine fast submikroskopische Ausbildung des Mikroperthites, beziehentlich ein Orthoklas (Kalifeldspath), der voraussichtlichauch Na enthält. Der Amphibol hat keine krystallinischen Formen, der intensive Pleochroismus zeigt als Axenfarben a — gelb, grünlichgelb, b = hellbraun, ce — dunkelbraun bis schwarz. Die Spalt- barkeit nach © P mit dem Winkel von 124° ist äusserst typisch 968 Max Diersche. [38] entwickelt, selten von der pinakoidalen durchkreuzt. Neben Quarz- körnern enthält der Amphibol Biotitblättchen und Magnetit. Biotit stellt weniger breite als lange, leistenförmige Durchschnitte dar. Im Biotit liegen neben rundlichen oder wurmförmig gewundenen Quarz- gebilden Titaneisentäfelchen und Zirkone. Biotit steckt oft zur Hälfte im Amphibol, oft wird er ganz von ihm eingeschlossen. Eisenerze gleichen denen des DBiotitgranites. Apatit und Zirkon erlangen grössere Verbreitung. Ersterer bildet manchmal sehr schöne Krystalle, die eine Länge von 0-92 — 055 mm und eine Breite von 013—0'25 nm erreichen. Oft ist an ihnen Absonderung nach OP zu sehen. Die Granitfelsen von Kurunegala zeigen eine sehr interessante Erscheinungsform. Sie erheben sich, direct von der Ebene auf- steigend, zu bedeutender Höhe. Besonders im Osten der Stadt bildet der Granitfels einen isolirten Berg von etwa 300 m Höhe. Während der Regenzeit stürzt das Wasser über die Felsen herab und es hat (in früheren Perioden) einen grossen Geröllhaufen am Fusse des Berges abgelagert. Von hier aus steigt der wie künstlich geglättete, nackte Fels, einer Steinwand vergleichbar, fast senkrecht empor. Dieser Berg heisst bei den Eingeborenen wegen seiner eigenthüm- lichen Gestalt Atagala, d. h. Elephantenberg. Nach Nordwesten zu folgen auf ihn ganz ähnliche, so dass ein 8 miles langer Gebirgszug entsteht. Die einzelnen Berge steigen ebenfalls ohne jede Vermit- telung aus der Ebene empor und tragen auch Thiernamen, wie Schildkrötenfels, Käferfels und Aalfels. Als letzter liest im Norden ein isolirter, steiler, mit einem ungeheuren Bienenkorb vergleich- barer Berg, der Yakdessagala. Diese steilen Bergmassen erstrecken sich in gerader Richtung, einem Riesenwalle vergleichbar, von Süd- osten nach Nordwesten. Aus der Analogie ihres Auftretens, welche diese Thierberge als einheitlichen Gebirgszug auffassen lässt, kann gefolgert werden, dass auch sie alle, ebenso wie der Atagala von Kurunegala, granitischer Natur sind. Besonderes Interesse bieten diese Felsen von Kurunegala wegen ihrer Farbe und der sonderbaren Erosionserscheinungen an ihrem Fusse, die Zirkel!) der äusseren Erscheinungsweise nach mit dem glacialen Gletschergarten bei Luzern vergleicht. Gewaltige Riesentöpfe und tiefe Rinnen zeugen von der enormen Kraft, mit der das Wasser über diese Felsen herabgestürzt sein muss. Als eine Wirkung desselben muss die vollständige Glätte der Felsen, sowie ihre braunschwarze bis ganz dunkle Farbe angesehen werden; denn die Felsen erscheinen metallisch glänzend, wie mit Graphit überstrichen, weshalb sie kurz als die „schwarzen Felsen von Kuru- negala“ bezeichnet werden). Diese Farbe rührt her von einer eigen- thümlichen dunklen Rinde, welche jedenfalls dem Wasser ihre Ent- stehung verdankt. Die Oberfläche war so geradflächig eben aus- gedehnt, dass es nicht gelang, auch nur einen Scherben davon ab- zuschlagen; leider ist es daher unmöglich, die Ursache dieser Er- ı) Vortrag etc. 1896, pag. 22. ®) Von diesen scheint Joh. Walther gehört zu haben und sie für Graphit- berge zu halten. Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. XLI, 1889, pag. 360. [39] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 269 scheinung an dem Granit von Kurunegala selbst zu studiren. Doch stand ein Gestein mit ganz analoger derartiger Rinde von den Felsen des ersten Nilkataraktes bei Assuan zur Verfügung, welches eine Bemerkung über die Ursache dieser eigenthümlichen Färbung gestattet. Sie wurde schon vielfach bemerkt von PechuelLoesche!) auf Gesteinen im Gebiete des Kirilu, von Wissmann?) an schwarzen Sandsteinen in Westafrika, von Humboldt?) in Südamerika. Joh. Walther?) glaubte etwas Aehnliches im Dschungel von Ceylon gefunden zu haben, als sich zeigte, dass es nur beim Abbrennen des Urwaldes abgelagerter Russ war. Genauer beschrieb Russegger?) diese Rinde von den Granitfelsen der Nilkatarakte von Assuan. Er sagt darüber: „Die Felsen tragen an ihrer Aussenseite einen ganz dünnen, dunkelschwarzen, stark "glänzenden Ueberzug, der ihnen das Aussehen gibt, als wenn sie gepecht wären. Dieser ist so fest mit der Masse verflossen, dass er nicht davon getrennt werden kann. Besonders deutlich ist derselbe nahe dem Wasser.“ Unser Material stammt von derselben Oertlichkeit; die Gesteinshandstücke gehören dem Mikroklingranit, mit dem bekannten röthlichen Mikroklinfeldspath an; auf den Bruchflächen hat sich Eisenoxydhydrat abgesetzt, während die Oberfläche des Gesteins mit der schwarzen, graphitähnlich glän- zenden Rinde bedeckt ist. Sie umhüllt auch die Ränder an den Rissen des Gesteines und ist ein wenig in dieselben eingedrungen. In einem senkrecht auf die Felsenoberfläche geführten Dünnschliffe, welcher die dunkle Rinde grösstentheils unversehrt liess, zeigte sich, dass letztere nicht etwa ein Umwandlungsproduct der die Oberfläche bildenden Gesteinsmasse ist, sondern als ein äusserer mechanischer Absatz auf der Oberfläche selbst sitzt. Besonders deutlich ist dies in Folge der Farbengegensätze an den Stellen zu sehen, wo Quarz an der Aussenseite des Gesteins liegt; doch ist im auffallenden Lichte auch zwischen dem rothen Feldspathe und der dunklen Rinde eine scharfe Grenze sichtbar. Die Breite dieser Rinde wurde an einigen Stellen zu 0:08 mm gemessen. Eine unlösbare Verbindung zwischen dieser Hülle und dem Gestein besteht nicht, denn an einigen Stellen des starken Schliffes war sie durch die Schleifoperation bereits ab- gerissen worden, während sie an einem Schliffe von gewöhnlicher Dünne ganz verschwunden war. Mit einem spitzen Instrument lässt sie sich leicht ablösen. Einiges auf diese Weise isolirte Material wurde zu einer chemischen Analyse benutzt; dieselbe ergab folgende Zusammensetzung der Rinde: Procent N er RE 7) MO rn . ..2184 m, Ö e: O0, + Ü Os (luhverlust) | Sa, De RE Fa NEE 99:99 !) Petermann’s Mitth. XXIII, pag. 12. ®) Wissmann, Unter deutscher Flagge quer durch Afrika. °) Humboldt, Reisen. Bd. IV, pag. 217. *) Abhandl. d. kgl. Gesellsch. d. Wiss., 27. Bd., Abhandl. d. math. Ol., 16. Bd. 5) Russegger, Reisen. Bd. II., pag. 321. 270 Max Diersche. [40] Mangan ist allerdings bis jetzt erst einmal im Schlamme des Niles in Spuren aufgefunden worden. Moser!) veröffentlichte 1856 eine Analyse desselben, welche unter Anderem (7228 /, Eisenoxyd) 9:116°/, Thon und Spuren von Phosphorsäure, Mangan und Kohlen- säure ergab. Die einzige Analyse des Nilwassers, welche in der Literatur gefunden wurde, stammt von Popp); das Wasser wurde dem Nil in der Nähe von Cairo entnommen. Darnach sind im Nil- wasser gelöst: Procent U Re Be en ee Ho: SCss au. b eanelt. ae ee 3 Ogsisıyla.h suhbissahn see aueh H3-POj RE EI 0 ae a ET a er. 1 Rn AR RER ET N GasEDE iu aa ae ae Mg anne. Inrbr ed re Nr EEE ANTENNEN TESDE KR DR, MAISRCERe IA ND BRRABERCH ONE Organ. Materie und Ammoniaksalze . 12'405 100:187 HNO, in geringen Mengen. As in Spuren. Diese gelösten Bestandtheile sollen nach Popp’s wunderlicher Ansicht hauptsächlich von den Nilkatarakten, den Graniten und Syeniten, geliefert werden; er fasst die gelösten Silicate geradezu als Zersetzungsproducte der Kataraktgesteine auf. Unsere Beob- achtungen widersprechen dem; denn wir fanden den Mikroklingranit von Assuan noch frisch und müssen die schwarze Rinde dieses Kataraktgesteines als einen mechanischen Niederschlag des seit Jahr- tausenden die Felsen bespülenden Wassers ansehen. Damit hängt auch zusammen, dass der Absatz nur gerade so hoch reicht, als das Nilwasser steigt. Sicher verdanken die mit so deutlichen Erosionserscheinungen ausgestatteten schwarzen Granitfelsen von Kurunegala ebenfalls in der Hauptsache Mangan- und Eisenverbindungen als einem mechani- schen Absatz des Wassers ihre eigenthümliche Färbung. Völlig im Gegensatz zu diesen Rinden steht die vom Joh. Walther?°) als „braune Schutzrinde“ bezeichnete Hülle an zahlreichen Gesteinen in der Wüste, die nie und nimmer dem fliessenden Wasser ihre Ent- stehung verdanken kann. !) Ohem. Centralblatt 1856, Nr. 49. ®) Ann. d. Chemie u. Pharm. 155, 1870, pag. 344—345. ») Joh. Walther: Denudation in der Wüste. Abhdlgn. d. kgl. Ges. 4. 5 27. Bd.; Abh. d. mathem, Cl., 16. Bd. [41] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 271 5. Kalkstein. Kalk ist durchaus nicht selten auf Ceylon. v. Riehthofen!) erwähnt denselben schon 1860. Er sagt, dass Gmneiss immer mit körnigem Kalke innig verbunden sei und vergleicht ersteren einem „mit Wasser gefüllten Schwamme“*, wobei der Kalk die Rolle des Wassers spielt. Die im Gmeiss ausgeschiedenen kleineren Körner von Granat, sowie die meisten Edelsteine im Gneiss von Ratnapura schienen ihm an den Kalk gebunden (?). Ferner bildet der Gneiss, welcher im südwestlichen Theile Öeylons vorherrscht, Uebergänge in körnigen Kalk und tritt in grossen Zügen bei Kandy auf. Ein versteinerungsleerer gelblicher, splittriger Kalkstein von eocänem Alter, über dem ein jüngerer Cerithienkalk liegt, setzt die flache Halbinsel Jaffe zusammen. Als recente Bildungen treten an den Küsten Korallenkalke auf, welche als Korallenriffe ein gutes Bau- material, sowie den zum Betelkauen erforderlichen Kalk liefern. Landeinwärts wird dieser nicht anstehend gefunden, doch sollen die Einwohner zuweilen mitten im Felde Kalkbrüche eröffnen. Einige Kalksteine von Oeylon erwähnt Lacroix?) unter den Namen Cipollin. Einer derselben stammt aus dem sauren Gmneiss, 3!/, Meilen (17 miles = 7 lieues) östlich von Kandy; er besteht aus Dolomit, Caleit und vielen porphyrisch ausgeschiedenen Mineralien wie Apatit, Phlogopit, Spinell, Pyrrhotin. Ein anderer Cipollin wurde zu Cornigal sefunden, 8 Meilen (40 miles — 16 lieues) nordöstlich von Colombo. Der zur Untersuchung vorliegende, ziemlich feinkörnige Kalkstein stammt vom Queens palace in Anuradhapura. Als Einschlüsse liegen darin: Phlogopit, Olivin und grosse Körner von Rutil. Bekanntlich ist es nicht gerade leicht, die Carbonate in mikroskopischen Präparaten zu trennen. Viele Forscher haben sich bemüht, charakteristische Unterscheidungsmerkmale zwischen Caleit und Dolomit anzugeben. Inostranzeff?®) schliesst aus dem häufigen Vorkommen von Zwillingen nach — !/; PR auf Caleit. Doelter®) sieht die grössere Widerstandsfähigkeit gegen schwache Säuren als Kennzeichen des Dolomits an. Lagorio und Bonney) legen das Hauptgewicht auf die Tendenz des Dolomits, rhombo&@drische Formen auzunehmen. Renard?°) betont dies ebenfalls und bemerkt ausser- dem, dass der Caleit oft als Cement der Rhomboeder des Dolomits diene. Aehnliches betonten gleichzeitig Liebe und Loretz’?). Lacroix®) charakterisirt bei Beschreibung der Cipollins von Ceylon die beiden Carbonate auffallender Weise gerade umgekehrt. Er sagt: „Dolomit bildet grosse Platten ohne bestimmte Form und geradlinige Grenzen. Die Spaltbarkeit nach AR ist sehr gut ausgeprägt. Zwillinge !) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1860, pag. 525 u. ff. ?2) Contributions etc. 1889, pag. 252. ®) Tschermak, Min. u. petr. Mitt. 1873, pag. 166. > Verh. d. k. k. geol. Reichsanstalt 1875, pag. 45. ) Quart.-Journal geol. soc. 1879, pag. 167. o) Bull. Acad. royale de Belgique XoaVIl;, Ne. 5,1879. ‘) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. HIXT, 1879, pag 764. ®) Contributions ete., Paris 1889, pag. 253 u. ff. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 36 272 Max Diersche. [42] nach — !/; R sind sehr häufig und bilden oft breite, hemitrope Bänder.“ „Unter dem Mikroskop kann Caleit von Dolomit unter- schieden werden durch seine grössere Klarheit und die Seltenheit von Spaltrissen. Zwillinge nach — !/; R kommen zwar vor, aber sie sind weniger oft als wie im Dolomit.* Lemberg!) und G. Link gaben mikrochemische Methoden zur Unterscheidung an. In dem Kalkstein vom Queens palace treten die Caleite in der: Form grösserer, unregelmässig eontourirter Durchschnitte auf mit fast geradlinig polygonaler Begrenzung, welche sehr ausgezeich- nete Zwillingslamellen nach — !/,;, R zeigen. Oft findet diese Ver- zwillingung nach zwei Flächen des Rhomboöders — !/, R statt, so dass zwei einander durchkreuzende Streifensysteme zu sehen sind. Sind diese etwas schief gegen die Schnittoberfläche gelegen, so bemerkt man längs derselben Newton’sche Farbenerscheinungen. Sehr deutlich ist die rhombo&drische Spaltbarkeit wahrzunehmen; die chemische Prüfung mit Essigsäure zeigt schnelle Auflösung dieses Minerals. Dolomit ist viel seltener und stellt kleine, trübe Gebilde dar, welchen Spaltbarkeit und. Zwillingsbildung mangelt. Sie liegen unregelmässig zerstreut im Gesteine und treten dem Caleit gegen- über zurück. Gegen Essigsäure sind sie widerstandsfähiger. Als wichtigster Einsprengling tritt in diesem Kalkstein der Olivin auf. Er bildet zahlreiche, länglich-runde -Körner, ohne be- stimmte krystallographische Gontouren. Dieselben werden von krumm- linigen, sehr markanten Sprüngen durchzogen, die aber höchst un- regelmässig verlaufen. Im gewöhnlichen Lichte ist er farblos, mit einem Stich in’s Grünliche. Die rauhe Schliffoberfläche, sowie die etwas dunklen Grenzlinien lassen auf hohe Lichtbrechung schliessen. Olivin zeigt nur geringe Spuren von Zersetzungsprodueten in Gestalt srünlicher, braungelber Serpentinfasern. Bei gekreuzten Nicols kommen die schönen, lebhaft grünrothen Polarisationsfarben zum Vorschein. Ein isotroper Schnitt senkrecht zu einer optischen Axe ergab sehr schön das entsprechende Interferenzbild. Caleitblättchen mit deut- licher Zwillingsstreifung werden von Olivin eingeschlossen. Phlogopit zeigt durch die mit parallelen basischen Spalt- rissen versehenen Verticalschnitte, dass seine Individuen als hohe dicke Platten, weniger als dünne Lamellen ausgebildet sind. In basischen Schnitten hat er höchst unregelmässige Contouren; sechs- eckige Querschnitte fehlen. Die Basisfarbe der irregulären Durch- schnitte ist hellgelblichbraun, die prismatischen Schnitte zeigen ausser- ordentlich deutlichen Pleochroismus mit a —= weiss, völlig farblos, b und c = hellgelblich. Bei gekreuzten Nicols ergeben die Blättchen sehr lebhafte Farben, ähnlich wie Muscovit, mit moireartigem Schimmer. Verticalschnitte zeigen scheinbar völlig gerade Auslöschung. Basische Schnitte lassen im convergenten polarisirten Lichte die Interferenz- figur sehen, an der sich die Dispersion g < v zu erkennen gibt. Das dunkle Kreuz derselben löst sich beim Drehen viel deutlicher als beim Biotit in zwei Hyperbeln auf, was dem grösseren Winkel der optischen Axen des Phlogopits entspricht. !) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. XXXI, 1879, pag. 764. [43] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 273 Fast kein Durchschnitt ist frei von Einschlüssen. In prismati- schen Schnitten liegen sie als kurze, dunkle Linien parallel zur Spaltbarkeit. Bei stärkerer Vergrösserung geben sie sich als sehr dünne, auf der hohen Kante stehende Lamellen von braunschwarzem Titaneisen zu erkennen. In basischen Schnitten erblickt man bei ge- wöhnlicher Vergrösserung schwarze, nadelförmige Einschlüsse von Rutil, die einander unter circa 60° schneiden. Es wurden Winkel von 62, 59 und 54°, und anderseits von 127, 123 und 1240 gemessen. Die Nadeln bilden ein sagenitartiges Gewebe. Auch Kryställchen sind vorhanden, meist Zwillinge von deutlich knieförmiger Gestalt; die beiden Individuen sind gewöhnlich von ungleicher Länge, oft von gleicher, immer viel länger als breit. Sie haben als Zwillingsebene, die zuweilen recht deutlich in Form einer dunklen Naht sichtbar wird, eine Fläche von Px, weil die c — Axen der beiden Individuen einen Winkel von 114° bilden. Nach Al. Lacroix’s') auffallender Angabe soll die Zwillingsebene der Rutilkrystalle im Phlogopit aus dem ceylonischen Cipollin ’/ P, {112} sein. Eine genaue Bestimmung der Lage dieser Einschlüsse war in unseren Präparaten unmöglich, da die basischen Schnitte, wie erwähnt, der regelmässig sechseckigen Grenzen entbehrten. Es konnte nur festgestellt werden, dass ein System derselben mit der Auslöschungsrichtung zusammenfällt, also entweder in der Richtung von a oder b, beziehentlich senkrecht oder parallei o P& gelegen ist. Nach Lacroix sind sie nicht parallel zu aoP und oPx, sondern normal dazu angeordnet, also nicht parallel der Schlagfigur, sondern parallel der Druckfigur Reusch’s. Im Kalkstein treten noch einige röthlich- bis dunkelbraune, ziemlich grosse, irreguläre Körner auf, die sich durch lebhaften halb- metallischen Glanz auszeichnen; es sind grosskörnig ausgebildete Rutile. 6. Quarzit. Der kalkhaltige Gneiss von Ceylon geht nach v. Richthofen?) über in kalkfreien Gneiss, körnigen Kalk und Quarzit. Zirkel?) hat letzteres Gestein auf dem Gipfel des höchsten Berges der Insel, des Pedurutallagalla, anstehend gefunden. Dieser Berg liegt im süd- östlichen Theile des Gebirgslandes, in der Nähe von Nuwara Eliya und ist von diesem Orte aus sehr leicht zu besteigen, da der 8296 Fuss hohe Gipfel sich nur ungefähr 2000 Fuss über den Ort erhebt. Nach Melzi*) soll allerdings der Berg, sowohl an seinen Abhängen, wie auf seinem Gipfel, aus Pyroxengranulit bestehen. Der hellröthliche Quarzit ist von unregelmässigen Klüften durchzogen, auf denen sich rothbraunes Eisenoxydhydrat abgesetzt hat. Auf grösseren Höhlungen und Spalten sitzen einzelne Quarzkryställchen, welche die Flächen © P und P erkennen lassen. Die mikroskopische t) Contributions ete., pag. 297. ?) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1860, pag. 525. ®) Vortrag 1894, pag. 32. *) Melzi, Sopra alcune etc. 1897, pag. 6. 36* 274 Max Diersche. [44] Erscheinungsweise des Gesteins ist höchst einförmig; denn die ein- zelnen Stücke sind fast völlig homogen. Man sieht wiederum die unregelmässigen, mit infiltrirtem Eisenhydroxyd angefüllten Sprünge, welche sehr deutlich aus der sonst farblosen Quarzmasse hervor- treten. Secundäre Anwachsformen fehlen dem Quarz. Nur wenig wird seine Homogenität unterbrochen durch die trübe Bänder bildenden, zahlreichen, wässerigen Flüssigkeitseinschlüsse. Sie sind unregelmässig, schlauchförmig gewunden, einseitig ausgezogen, rundlich, selten in dihexaödrischer Quarzform und mit beweglicher Libelle ausgestattet. Der Durchmesser einiger grösserer beträgt 004 mm; sie sinken bis zur Punktfeinheit herab. Gasporen sind ebenfalls zahlreich. Ausser- dem liegen noch bis 0'3 mm grosse Zirkone und sehr selten Apatite in dem Quarze. Beide sind durch zahlreiche Einschlüsse getrübt. 7. Meeressand. Der Sand stammt von Mt. Lavinia an der Westküste Ceylons, wenig südlich von Colombo, einem niedrigen Vorgebirge an einer malerischen, palmenbeschatteten Bucht. Er ist ein Gemenge von gelb- lichweissen, grauen und braunen, auch einigen schwarzen irregulären Körnchen und Blättehen, unter denen besonders Quarz und Glimmer vorzuwalten scheinen. Krystalle sind makroskopisch nicht zu bemerken. Bei mikroskopischer Betrachtung sind hauptsächlich Quarzkörner zu sehen von ganz irregulären Formen; dieselben schliessen zuweilen kleine, nadelförmige Apatite ein. Feldspath erscheint ganz ge- trübt durch Kaolinsubstanz; nur selten sind Spuren von Mikro- perthit sichtbar. Leicht erkennbar und häufig treten Bruchstücke und fetzenartige hellröthliche Granate auf; diesen ähnlich sind ein- zelne deutlich pleochroitische Körnchen von Hypersthen. Daneben gibt es auch dunkelgrüne monokline Pyroxene. Sehr oft er- scheinen dunkelbraune, an den Rändern durchscheinende und etwas pleochroitische, unregelmässige Gebilde von Biötit. Auch zoogener Kalkstein, der den Sand als Foraminiferensand charakterisirt, fehlt nicht. Opake Körnchen und irreguläre Formen werden mit Magnet- eisen identificirt, während dunkelgrüner Spinell nicht mit Sicher- heit zu schen war. Apatite und Zirkone sind in kleinen Krystallen ebenfalls vorhanden. Der Meeressand enthält also die typischen Com- ponenten der ceylonischen krystallinischen Schiefergesteine. II. Graphit von Ragedara und seine Einschlüsse. Die wichtigsten Producte der ceylonischen Gesteinswelt sind die Juwelen und der Graphit. Das Hauptgebiet der ersteren ist die Gegend von Ratnapura im südlichen Theile Ceylons, wo sie theils im Gneiss, theils in den Flusssandanschwemmungen gefunden werden. In Ceylon einheimische Edelsteine sind: dunkelblaue, auch farblose, wasserklare Saphire, rothe Rubine und Spinelle, Hyacinthen, seltener [45] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceyions. 275 Chrysoberylle und Turmaline. Opale und Diamanten fehlen der Insel. Als Schmucksteine werden besonders verarbeitet: Granaten, Katzen- augen, Mondsteine, etwas trübe Saphire. Der Export dieser Produete ist nicht bedeutend im Vergleich zu dem anderer Erzeugnisse; er ist seit Jahrzehnten der gleiche geblieben und niemals über 9000 Pfund Sterling pro Jahr gestiegen. Viel bedeutender ist dem gegen- über der Werth des Graphitexportes; auch ist. derselbe stetig im Steigen begriffen. 1880 ergab derselbe nur 4,100.000 Mark, während er 12 Jahre später schon einen Werth von 8,600.000 Mark reprä- sentirte, was einem Wachsthum um mehr als 100°/, entspricht. Ueber die wichtige commerzielle und nationalökonomische Bedeutung des ceylonischen Graphites hat am besten A. M. Fergusson!) Auf- schluss gegeben. Interessante Mittheilungen über die mineralogische Beschaffenheit desselben und seine Einschlüsse machte zuerst F. Sandberger?), während Joh. Walther?) von dem eigenthümlichen geologischen Auftreten berichtete. Wichtige chemische Untersuchungen über den Graphit (darunter auch den ceylonischen) verdanken wir besonders W. Luzi®). Der Graphit ist auf Ceylon ausserordentlich häufig und weit verbreitet. Nur dem nördlichen, recenten Flachlande fehlt er. Sein Vorkommen ist schon lange bekannt, wenn man auch den einzelnen localen Vorkommnissen bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt . hat. Schon die alten Könige von Kandy sollen Graphit exportirt haben. Als die Holländer im Besitze eines Theiles der Insel waren, drang die Kunde vom Graphitreichthum Ceylons bereits nach Europa, indem der holländische Gouverneur Ryklof van Goens 1675 von Graphit- adern in den Hügeln des Flachlandes berichtete. Dasselbe geschah 1681 durch Rob. Knox und 1777 durch den skandinavischen Natur- forscher Thunsberg. In neuerer Zeit hat zuerst wieder Freiherr von Richthofen?) auf das Vorkommen des Graphites in Ceylon hingewiesen und ihn als einen nicht unerheblichen Ausfuhrartikel bezeichnet. Uebereinstimmend wird jetzt der Nordfuss des ceylonischen Gebirgslandes, die Gegend von Kurunegala, als Hauptlagerstätte des Graphites angesehen. Weitere Fundpunkte desselben sind: Travancor, Kegalla, Avisanella unweit Colombo, Nambapana bei Ratnapura (Saffragam), Kalutara, der Adamspik in der westlichen und Hamban- tota in der südlichen Provinz. Joh. Walther®) erwähnt Graphit- gruben am Kaluganga mitten zwischen Ratnapura und Kaltura, sowie 6 Stunden von letzterem Orte. Ausserdem spricht er von „wichtigsten Gruben“ in und bei Kurunegala. Erstere liegen nach ihm am Fusse des Polgolahügels, der fast ganz aus Graphit bestehen soll. (Wahr- scheinlich liegt hier eine Verwechslung mit den „schwarzen Felsen“ von Kurunegala vor (vergl. Seite 268). Es ist anzunehmen, dass mit !) On Plumbago etc. 1837. ®), N. Jahrb. für Min. 1887, II, pag. 12. ®) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1889, XLI, pag. 349. “) Ber. der chem. Ges. 1891, XXIV, pag. 4085. — Ber. der chem. Ges. 1892, XXV, pag. 214, 1379. ’) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1860, pag. 525. 6) Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1889, XLJ, pag. 359. 276 Max Diersche. [46] den Gruben bei Kurunegala die gemeint sind, aus welchen das mir zur Verfügung stehende Material stammt, da sie sogar denselben Besitzer haben sollen, nämlich die Graphitgruben in Ragedara, mehrere Stunden nordöstlich von Kurunegala, südlich, von der Strasse über Polgalla und das Rasthaus von Gokarella nach Damboula (ab bei Wetakeyygapola), die Mr. Jakob de Mel, Cinnamon Gardens in Colombo, sehören. Dieselben liegen mitten im ceylonischen Urwalde in voll- endeter, höchst malerischer Hügelwildniss, umgeben von einem Meer tropischen Grüns. Der Ort heisst nach Mr. J. J. Cooray in Pana- dure: Rajedere, nach dem jungen Richard de Mel, Ragadara, auf der guten Karte von Ceylon: Ragedara. Die dortigen bedeutenden Gruben sind jedenfalls identisch mit dem vielgenannten „wichtigsten Vorkommniss“ des Graphites am Nordfusse des Gebirges oder bei Kurunegala. Da diese Graphitbergwerke jenseits der Eisenbahn liegen, so sind sie ziemlich schwer zu erreichen; der Wee führt stunden- lang auf wenig gebahnten Pfaden durch den dichten Urwald !). Die allgemeine Ausbildungsweise des ceylonischen Graphites ist nach Joh. Walther?) feinschuppig, theilweise stengelig. F. Sand- berger?°) hatte grossblätterige, gerad-, seltener krummstengelige Aegregate zur Verfügung. W. Luzi*), untersuchte feinschuppig- erdigen und grossblätterig-holzähnlichen Ceylongraphit. Der Graphit von Ragedara, der in einer grossen Anzahl von Handstücken ver- treten ist, zeigt drei Modificationen in seiner äusseren Erscheinungs- weise. Am häufigsten ist er grossblätterig ausgebildet. Diese Kormen scheinen zu entstehen, wenn sich das Mineral vollständig frei ent- wickeln kann, während dagegen dort, wo eine Absatzfläche vorliest, wie das Salband eines Ganges oder die Oberfläche eines Einschlusses, faserige oder stengelige Gebilde entstehen, so dass man nicht ganz ohne Recht von Fasergraphit reden könnte. Die Fasern erreichen nur die Stärke eines Fadens, erscheinen zuweilen auch wie sehr dünne, schmale Blättchen; parallel ihrer Längserstreckung lassen sie sich leicht in dünnste Fäserchen zerspalten oder zerdrücken; ein bestimmter (Quersehnitt ist nicht festzustellen. Ihr Verlauf ist nicht immer gerad- linig, sondern sie sind oft etwas gekrümmt, gewellt, zuweilen flammen- artig gebogen. Sie erreichen eine Länge von 1'5—2 und mehr cm: doch gibt es auch solche von nur 0'5 cm oder nur einige Millimeter Ausdehnung. Auf ihrer soliden Unterlage stehen sie mit der Haupt- richtung senkrecht. Nicht selten folgen mehrere Lagen von verschie- dener Ausdehnung aufeinander, die verschiedene Längsriehtung haben, was weniger durch eine nachträgliche Kniekung, als durch zeitlich verschiedene Entstehung des Graphites veranlasst zu sein scheint. Sowohl die freien Enden dieses Graphites, wie die der Unterlage aufsitzenden, sind völlig ohne krystallinische Formen, und von ganz irregulärer Gestalt. Zwischen den Fasern werden zuweilen Verun- reinigungen in Gestalt von Quarzkörnchen und Erzpartikelchen !) Zirkel, Vortrag 1896, pag. 22. ?) Zeitschr. d. geol. Gesellsch. XVI, 1889, pag. 459. ®) Neues Jahrb. f. Mineral. II, 1857, pag. 12. *) Ber. d. chem. Gesellsch. XXIV, 1891, pag. 4085. [47] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 277 bemerkt. Faseriger Graphit durchsetzt auch einzelne Einschlüsse voll- ständig quer in der Form schwarzer gangartiger Schnüre und Bänder, welche die einzelnen Bruchstücke derselben fest zusammenhalten. Selten sind ganz dicht entwickelte Lagen oder grössere Stücke von Graphit. Der Farbe nach ist er grauschwarz, bleigrau, sehr leicht abfärbend und besonders in den grossblätterigen Varietäten an frischen Stellen metallisch glänzend. Das specifische Gewicht reiner faseriger Stücke beträgt 2'215, grossblätteriger sogar 2'235. Unter dem Mikroskop erscheint der Graphit schwärzlich bis grau, im auf- fallenden Lichte etwas metallisch glänzend ; auch in dünnsten Blättchen bleibt er undurchsichtig. Krystalle, wie sie F. Sandberger an ceylonischen “Graphiten so oft beobachtete und an denen er die nach von Nordenskiölä entwickelten Flächen © P «x, P, !/,P wahrnahm, waren an dem Vorkommniss von Ragedara nirgends zu beobachten. Ebenso fehlten die nadelförmigen Einschlüsse von Rutil, beziehentlich Titaneisen gänzlich. Sehr leicht lassen sich von den grossblätterigen und mehr compacten Graphitsticken vollständig glatte und ebenplattig ausgebreitete, dünne Schüppchen und Blättchen abspalten. Die Spaltungsblättchen zeigen unter dem Mikroskop oft ein eigen- thümliches System von Spaltrissen (s. Taf. VII, Fig. 5). Am häufigsten treten zwei gleichartige, einander durchkreuzende Spaltungsrichtungen auf, deren Risse sehr tief erscheinen, aber nur geringe Ausdehnung erlangen. Die Kreuzungswinkel betragen einerseits 60, 62°, 58° 10, 60°; andererseits 120, 124, 118, 123, 119, 120°, 120% 20°. Seltener aber viel länger ausgedehnt, meist durch das ganze Graphitblätichen hindurchgehend, sind Spältrisse, welche den stumpfen Winkel der obigen Spaltungsrichtungen halbiren. Sie stellen lange, gerade Linien dar, welche mit den ersterwähnten Richtungen Winkel vilden, wie 121, 125, 119, 120° und 60, 59, 58° Fast senkrecht (Winkel von 94, 92° wurden gemessen) zu den langgezogenen Spaltungstracen geht ganz selten noch eine kurze Risse darstellende Spaltungsrichtung. Dieselbe scheint schief in das Mineral hineinzugehen. Die stets und ohne Weiteres ersichtliche Ungleichwerthigkeit der verschiedenen Spaltungsrichtungen scheint mit der hexagonalen Krystallform des Graphites nicht vereinbar zu sein. Die sogenannte Flächenstreifung des Graphites nach drei Richtungen wurde auf diesen Spaltblättchen nicht bemerkt. Hj. Skögren!) führt diese Erscheinung bekanntlich auf mehrfache Zwillingsbildung zurück und fasst sie als durch rücken- ähnliche Streifen veranlasst auf. Auch durch Biegen der Graphit- lamellen wurden derartige Erscheinungen nicht hervorgebracht. Wird der Graphit von Ragedara mit rother rauchender Salpeter- säure befeuchtet und darauf in der Bunsenflamme auf einem Platin- bleche geglüht, so bläht er sich lebhaft zu grossen, wurmförmigen Gebilden auf. Er gehört demnach zu der ersten Modification des Graphitkohlenstofis, welche W. Luzi®% als Graphit bezeichnet. Alle bis jetzt untersuchten Graphite von Ceylon stimmen in dieser Hinsicht !) Groth’s Zeitschr. f. Kr. X, 1884, pag. 506. ?) Ber. d. chem. Ges. XXIV, 1891, pag. 4085; XXV, 1892, pag. 214 u. 1378. 278 Max Diersche. [48] mit dem von Ragedara überein. Nach Luzi unterscheiden sich die beiden Varietäten des Graphites weder durch ihre morphologische Aus- bildung, noch strueturell, noch durch das speecifische Gewicht oder die chemische Zusammensetzung. Neuerdings hat indessen Weinschenk!) seltend gemacht, dass die Ursache des abweichenden Verhaltens in der verschiedenen Porosität zu suchen sei, indem krystallisirte und gross- blättrige Massen mehr Salpetersäure capillar aufnehmen könnten, welche beim Erhitzen ein grösseres Aufblähen veranlasse. Der feinschuppige, erdige Graphit von Oeylon hat nach W. Luzi folgende Zusammensetzung: 99'820), C+ 017%), H—99'99;, ein anderer: 99'75°/, C+ 020 H= 99:3; ein grossblättriger, nolzähnlicher Graphit des Handels, der vielleicht mit dem von Ragedara identisch ist, erwies sich als aus: 99-950), € und Spuren von F bestehend. Im Allgemeinen ist aber der Graphit verunreinigt durch Quarzkörnchen, Kalk, Eisenkies, Eisenglanz etc. Von hervorragendem Interesse ist das zigenthümliche geo- logische Auftretendes Graphitesin Ragedara. Er bildet keine Lager, wie das gewöhnlich der Fall ist, sondern stellt dunkle, lebhaft hervortretende, echte Gänge in dem lichten granatreichen Neben- sestein dar. Von einem derartigen Auftreten des Graphites hat zuerst W. Obrutschew?) in seiner Abhandlung über „die Fundorte des Graphites im Gebirge Kara Tube unweit Samarkand“ berichtet. Nach ihm bildet dort der Graphit einen 0'15—0'45 ın mächtigen Gang im krystallinischen Kalkstein, durchzogen von weissen Adern des letzteren und auf den Klüften erfüllt von Caleitgeoden. Allerdings sagt er von anderen „Gängen“, man könne sie auch als „Lager“ bezeichnen. Nach Bauer?) soll gangförmig auftretender Graphit auch im Gouvernement Irkutsk vorkommen. Von gangförmiger Ausbildung des ceylonischen Graphites berichtete zuerst Joh. Walther®). Er fand den Graphit in einer Grube am Kaluganga bei Kaltura als ein System verästelter Gänge ausgebildet, welche in dem bis zu 12 m Tiefe zersetzten Gneiss (Laterit) aufsetzen. Zu diesem eigenthümlichen Vorkommniss gesellen sich nun die Gänge von Ragedara. Dieselben setzen nicht in einem arg verwitterten Gesteine auf, sondern sind mit typisch durchgreifender Lagerung in vollständig frischem, festen und klingenden Granulit und Pyroxengranulit (von den Leuten Granit genannt) entwickelt. Von dieser merkwürdigen Ausbildungsweise des Graphites in Ragedara hat bereits F. Zirkel?) berichtet, während den übrigen ceylonischen Graphitvorkommnissen eine derartige Entwicklung noch nicht zuge- schrieben wird. Sandberger®) sagt hierüber: „Der Graphit findet sich im Gneiss sehr häufig in Blättchen eingewachsen und scheidet sich an vielen Orten auch in ziemlich mächtigen Lagern in demselben aus“. In Ragedara bildet der Graphit dunkle, gangartige Spaltenausfüllungen, welche sich sehr deutlich von dem hellen Nebengestein abheben. Die 1) Groth’s Zeitschr. f. Kr. XXIX, III, 1897, pag. 294. ?) Verh. d. russ. min. Ges. 1. J. 1888. St. Petersburg. Groth’s Zeitschr. f. Kryst. 1889, XXV, pag. 59 u. 66. ®) Lehrb. d. Min., pag. 252. *) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. XLI, 1889, pag. 360. 5) Zirkel, Ceylon. Vortrag etc. 1896, pag. 23. °c) Jahrb. f. Min. 1887, II, pag. 12. [49] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 279 schwarze Substanz ist typisch gangartig struirt, indem sie immer senkrecht zu den Salbändern zunächst stengelig, weiter nach innen parallel-blättrig, ganz im Innern verworrenblättrig entwickelt, ange- schossen ist und sowohl Bruchstücke des Nebengesteines, wie auch andere Einschlüsse enthält. Man sieht ganz deutlich die Unabhängig- keit der Gänge von der Schichtung und Bankung des krystallinischen Schiefers. Namentlich auch in den grossen Pingen (Tagebauten) ge- wahrt man ganz offenbar die Gangnatur an den schmutzig-schwarzen Adern, die in dem Gestein umherlaufen. Die meisten Gänge stehen fast ganz senkrecht oder fallen unter 70—80‘, werden aber von anderen weit flacheren +lurchsetzt. Sie zeigen sehr deutliche Zer- schlagungen („horses“). Die grösste Dicke der Gänge beträgt 6 Fuss; sie verbreitern und verschmälern sich (bis auf 2 Zoll), theilen sich mehrfach, um sich dann wieder zu vereinigen. An der First eines Stollens, der an der Wand eines grossen Tagebaues angesetzt ist, sieht man eine Mächtigkeit von 2°/, Fuss zusammengehen bis auf wenige Zoll. Manchmal schliessen die Gänge viele Cubikmeter grosse Blöcke des Nebengesteines ein. Diese Einschlüsse und die Zonar- structur des Graphites sprechen neben der durchgreifenden Lagerung desselben für die wahre Gangnatur. Die Grenze gegen das Neben- gestein ist ausserordentlich scharf. Von dem Nebengesteine des Graphites in Ragedara wurde bereits das Nöthige mitgetheilt (siehe Seite 241 u. 257). Es besteht aus Granulit und Pyroxengranulit, welche ausserhalb Ceylons zur Zeit noch nicht als Muttergestein des Graphites aufgefunden worden sind. Es erscheint granatreich, mit wellenförmigen Schiehtenbiegungen, oben ganz zersetzt, in Tiefen von 10-20 Fuss vollständig frisch. In den anderweitigen Vorkommnissen wird der Graphit im Grossen immer beherbergt von Kalkstein, Gneiss, Glimmer- schiefer, Phyllit, Thonschiefer. Die werthvolle Graphitsubstanz wird gegenwärtig noch überall in sehr primitiver Weise durch Tagebau gewonnen. Die meisten Gruben dringen nur in geringe Tiefe (100 bis 300 Fuss) unter den Boden ein. Alle befinden sich in den Händen der Eingeborenen. Auch in Ragedara ist der Abbau in hohem Grade primitiv. Durch anfänglichen Tagebau ist eine colossale Pinge entstanden, und man geht nun sowohl an den stark geneigten Gehängen derselben dem Streichen der Graphitgänge mit Stollen und kurzen Ueberhauen nach, als auch in der Sohle der Pinge die Gänge vermittels kleiner Gesenke dem Einfallen nach verfolgt werden, wobei man gewinnt, was zu erreichen ist. Mit Wasser haben die Arbeiten vorläufig nicht zu kämpfen und die Festigkeit des Nebengesteins macht eine Zim- merung fast überflüssig; aber ohne weitere rationelle Anlagen scheint man in nicht ferner Zeit an dem Punkte anzulangen, wo der bisherige Betrieb schwerlich fortgesetzt werden kann. Die Förderung aus dem Grunde der Pinge erfolgt vermittels eines gewaltigen Krahnes und Haspels. Die Fahrten sind höchst primitiv; sie bestehen aus hängenden eisernen Ketten, mit Bambusstäben in entsprechenden "Abständen dazwischen. Die Belegschaft zählt zur Zeit circa 250 —300 Mann, meist tamilischen Stammes. Beim Abbau wird viel gesprengt. Man geht den Gängen nach, soweit sie sich in ihrem Streichen oder Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1808, 48. Band. 2. Hett. (M. Diersche.) 37 280 Max Diersche. [50] Fallen als abbauwürdig erweisen. Die leeren Räume bleiben meist offen stehen. In grössere Tiefe niederzugehen wird vorläufig durch die man- selnde Ventilation verhindert. Augenblicklich steht man vor der Frage, ob ein rationellerer unterirdischer Bau vorgenommen werden soll, zaudert aber, die Anlagekosten aufzuwenden, da man nicht mit Sicherheit sagen kann, dass die Gänge in der Tiefe vortheilhaft weiter gehen. Das in den Graphitgruben gewonnene Material gelangt nach gehöriger Reinigung von den Einschlüssen und Beimengungen in den Handel; es wird meist nach England, Amerika und Deutschland ausgeführt. Der ceylonische Graphit ist das beste nz für die Fabrikation feuerfester Tiegel (crucibles). Die Graphite von Ceylon enthalten zahlreiche Einschlüsse; diese wurden zuerst erwähnt und kurz charakterisirt von F. Sand- berger?!); er fand: Quarz, Eisenkies, Orthoklas, Hornblende, Glimmer, Apatit, Titaneisen, Kaolin (verwitterten Andesin). Im Graphit von Ragedara wurden als derartige fremde Einschlüsse gefunden: Quarz (dicht, körnig und krystallisirt), Eisenkies, Apatit, Glimmer, Orthoklas, Caleit und vor Allem einige Gesteinsfragmente. I. Von mineralischen Einschlüssen ist am häufigsten der Quarz vertreten. Er ist zunächst ausgebildet als farbloser, derber Quarz. Von Einschlüssen an Graphitblättchen erscheint er völlig frei; um ihn schiesst das breitblättrige Mineral aber in mehrere Centi- meter langen Gebilden an. Seine Form ist völlig irregulär; einmal bildet er ein viereckiges Stück von 6 cm Breite und 3 cm Höhe. In einem Falle füllt der Quarz, schon im Handstücke gut sichtbar, die Cavität des Graphitganges aus, so dass er selbst eine Spalten- erfüllung darstellt und sich deutlich als späterer wässeriger Absatz documentirt. Dieser Quarz ist 2—51/, cm mächtig und erstreckt sich durch das ganze, 15 cm lange Handstück. Ausserdem ist der Quarz in körniger Gestalt eingeschlossen; er stellt lagenförmige, grobe Aggregate dar, welche mit verwittertem Feld- spath gemengt sind. Selten ist mit ihnen ein mit grünem Kranze von Zersetzungsproducten umgebenes Granatkorn verbunden. Derartige Ein- schlüsse leiten zu den eigentlichen Gesteinseinschlüssen hinüber. Dureh chloritische Umwandlungsproducte, sowie Eisenoxydhydrat sind sie zum Theil grün und gelb, bis rothbraun gefärbt. Auf solchen lagenförmigen Einschlässen sitzt dann der Graphit als stengelige Schicht. Endlich ist der Quarz auch noch gut krystallisirt als Berg- krystall vorhanden. Die Krystalle sind zum Theil von ausserordent- licher Grösse. Die Längsausdehnung von c beträgt bis zu 10 cm, während die Pyramidenfläche eine Breite von 5—7 cm erreicht. Als Flächen sind ausgebildet: © P und P. Ein Bergkrystall zeigt an beiden Enden P, ein Bruchstück nur » P. Die Prismenflächen sind gewöhnlich durch feine Parallelstreifung senkrecht zur Längs- erstreckung charakterisirt. Die Quarzsubstanz ist sehr verschieden ı) N. Jahrb. f. Min. 1887, II, pag. 14. a Ze Zu A u A T [51] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 281 pellueid, oft durch und durch, oft nur einseitig erfüllt mit Graphit- staub; einige Krystalle sind glashell, glasglänzend und durchsichtig, während andere matt und milchigtrüb erscheinen. Ausgebildete Graphitkrystalle oder deren Abdrücke wurden nirgends wahr- genommen. Nächst dem Quarz ist der Eisenkies der verbreitetste Fin- schluss. Er haftet ausserdem in mehr oder weniger grossen Blättchen und Klümpchen an dem Graphit und den anderen Einschlüssen. Die beiden Mineralien sind jedenfalls gleichzeitig entstanden. Oft wird angegeben, dass Graphit und Eisenkies in Folge der Zersetzung eines Gemisches von Schwefelsäure mit Eisensalzen durch bituminöse Sub- stanz entstanden seien. Der Eisenkies bildet entweder rundliche Knollen und unregelmässig eckige Stücke (bis 4 cm gross) oder er ist blättrig und lagenförmig abgesetzt. Selten sind Andeutungen von Krystallflächen, und zwar von auf einigen derselben wurde eine parallele Streifung bemerkt. Eigen- thümlich sind die lagenförmigen Eisenkiese, welche als faserige, selbe Schnüre und Bänder den dunklen Graphit durchziehen. Ein Knollen von Schwefelkies ist ganz durchsetzt, wie imprägnirt mit Graphit. Bei chemischer Prüfung erweist sich das Mineral schwach arsen- und kobalthaltig. “Von Eisenverbindungen ist noch Eisenocker vorhanden, welcher rothbraune, schlackenähnliche, bröcklige, derbe Massen darstellt. Einmal vertreten ist ein olivengrüner, noch fast frischer und sehr gut krystallisirter Apatit von der Grösse eines Hühnereies. Er hat besonders © P entwickelt; zwei gegenüberliegende Flächen des Prismas haben so bedeutende Ausdehnung erlangt, dass das Mineral einem rhombischen ähnlich sieht. An dem einen Ende von ce ist P und OP entwickelt. Der Krystall ist 2°9 cm hoch, die obere Endfläche 47 em lang und 3°2 em breit. Die Winkel betragen nach Messungen mit dem Contactgoniometer: « P: o P = 120%; »P:OP ep! P —=129130, 127% 11289 40°, 130° 10°, 1279, also''ca. 22803807 OP: P’= 142% .139020, 141°10‘, 1419 10°, 140°10' — durchschnittlich 140° 40°. Die Substanz des Apatites ist nicht ganz rein; in den Ver- tiefungen und auf den Sprüngen sind Graphitstaub, gelber Eisenkies und Spuren von Eisenoxydhydrat abgesetzt. In Folge dessen ist auch der Apatit sehr wenig pellueid. Auf den Prismenflächen sind aber sehr deutlich die inneren parallelen Spaltrisse nach OP zu sehen, welche durch das ganze Mineral hindurch gehen. Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist er ein auch Fluor enthaltender Chlor- 'apatit. Ein ihm ganz ähnlicher ölerüner Apatit aus ceylonischem Graphit hat nach P. Jannasch und J. Locke!) folgende Zu- sammensetzung: !) Zeitschr. f. anorg. Chemie 1894, VI, pag. 154. 989 Max Diersche. [52] Procent Procent P5:Oernig. 13984 39-96 A105 „\de2=12-082 2:03 Pe ar 0:62 Mn 0 .2e:70522 0:22 Baustil rr53:36 53:53 M0:..:03 0:25 RO sense 30152 0:52 N,0... 04 0:42 5:08 8, 5 OA Obi aaals re 1'83 Flinte. sale 1:04 10058 10090 090 0:90 99:68 100°:00 Die entsprechende Formel des Apatites ist darnach: P, O, Ca, (FIN CHROEN: Ein weiterer Finschluss sind grosse Platten von dunklem Glimmer, welche sich nach ihrer vollkommen durchgehenden Spalt- barkeit als einzelne Individuen documentiren. Die grösste Platte erreicht eine Länge von 16 und eine Breite von. 10 cm, während die Dicke 1!/a cm beträgt; eine andere ist nur 10 cm lang, 6 breit und 1 em dick, hat aber sehr regelmässige, fast sechseckige Form. Diese beiden Individuen sind von hellbrauner Farbe, während ein weiteres kleines Plättehen von 1 mm Stärke dunkelbraun, fast schwarzbraun aussieht. Der Glimmer ist vollkommen frei von Einschlüssen ; vor Allem fehlen Graphitblättchen und Rutilnädelehen. Optisch ist die hellbraune Varietät fast einaxig, während die dunkle einen etwas grösseren Axenwinkel aufweist. Spuren von Lithion konnten nicht aufgefunden werden. Beide Glimmer sind Eisen - Magnesiaglimmer; die dunkle Varietät ist eisenreicher. Dünne basische Blättchen sind noch pleochroitisch, indem a = c der helleren Art hellbläulichgrün, b — b dunkelbraun ist. An dem Glimmer ist sehr leicht die Schlag- figur in der Form eines sechsstrahligen Sternes zu erzeugen. Der charakteristische oder Leitstrahil ist jedoch nicht immer ohne Weiteres zu erkennen. Mittels der Auslöschung und des Interferenzbildes ist er aber leicht von den gewöhnlichen Strahlen zu unterscheiden. Bei seschiekter Operation kommen in dünnen Blättchen nur drei Strahlen zu Stande. Die Strahlen sind nicht einfache Linien, sondern stellen mehrere dicht gedrängte, parallele Spältchen dar, von denen das eine etwas stärker ist und weiter vorwärts geht als die übrigen. Es biegt am Ende nicht selten etwas um; auch finden oft knieförmige Um- biegungen der Strahlen um ca. 60° in die Richtung des anliegenden Strahles statt. Vom Hauptspalt gehen ferner zuweilen feine Aestchen ab, welche parallel zu den zwei benachbarten Strahlen verlaufen. Der Schlagpunkt ist gewöhnlich ein mehr oder weniger regelmässiges, sechseckiges Loch, welches von mehreren eoncentrischen Hexagonen aufgeblätterter Lamellen umgeben wird, deren Kanten mit den [53] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 283 Strahlen der Schlagfigur parallel gehen. Die zwischen den Lamellen eingeschlossenen dünnen Luftschichten erzeugen Newton’sche Farben. Die Winkel der einzelnen Schlaglinien betragen durchaus nicht genau 60°, wie gewöhnlich angegeben wird, sondern nach mehr- fachen Messungen: 570 30‘, 58° 20°, 58°, 56% 40° und 60°, 61° 15‘, 639 30°, 64°. Die Druckfigur hat ein weniger zerstörtes Centrum; sie besteht meist nur aus 3 oder weniger Strahlen. Diese werden von zahlreichen, nieht parallelen, sondern divergirenden Rissen gebildet, zwischen denen Newton’sche Farbenphänomene erscheinen. Die eoncentrischen Hexagone sind weniger deutlich und regelmässig, aber viel weiter ausgebreitet. Zum Theil noch von breiten bis 5 cm langen Graphitblättern umschlossen ist ein grosser, grüner Orthoklas, an dem besonders OP ausgebildet ist. Diese Fläche dehnt sich 3 cm in die Breite und 10 cm in die Länge, während e ungefähr 4 cm misst. An der einen Seite ist der Feldspath zersprungen, ohne dass der ehemalige Zu- sammenhang der Theile vollständig unsichtbar geworden wäre, denn die Bruchstücke sind nur wenig auseinander getrieben und sind durch Schnüre von Graphit wieder mit dem Hauptstücke verbunden. Der Feldspath muss demnach eine frühere Bildung sein als der Graphit. Er ist dunkelgrün gefärbt, an den Kanten nur in dünneren Stückchen hellgrün, fast farblos. Sehr leicht sind die Spaltungsstücke mit den Flächen P, M und 7 zu erlangen. Der Winkel der beiden besten Spaltungsrichtungen OP und oPx wurde mit dem Reflexionsgonio- meter zu 90° bestimmt. Das specifische Gewicht beträgt bei 133/,0 C. 2'621. Im Dünnschliffe ist als färbende Ursache grünliche, chloritische Substanz zu erkennen. Von anderen Einschlüssen ist der Feldspath vollständig frei; weder albitische Einlagerungen, noch Graphitblättchen, noch Flüssigkeitseinschlüsse wurden darin bemerkt. Die Erscheinungs- weise der verschiedenen Schnitte des Orthoklas ist folgende: 1. Parallel O0 P: Die weniger vollkommene Spaltbarkeit nach M bildet ein einfaches paralleles Tracensystem, zu dem die Aus- löschung gerade erfolgt. Von der Absonderung parallel o P» ist so gut wie nichts zu sehen. Im convergenten Lichte ist der Austritt der stumpfen Bisectrix zu erkennen. Die chloritische Substanz erscheint als grünliche, unregelmässige, längliche Säulchen, uneben begrenzte \ädelchen, manchmal etwas breiter ausgebildet, ähnlich kurzen Apatiten. Sie liegt besonders gern an den Spaltrissen, von denen aus sie sich in die farblose Feldspathsubstanz erstreckt. 2. Parallel oPx: Hier kommt zunächst die beste Spalt- barkeit nach OP zum Vorschein. In der Form ganz unregelmässiger, oft gebogener Risse verläuft die Absonderung nach «ePx. Die -Tracen beider bilden Winkel von 110° 115°. Zu beiden Seiten der Absonderungsrichtung sind wiederum die länglich spindelförmigen, chloritischen Gebilde abgesetzt; sie treten auch in dendritischer Form auf. Die Auslöschungsschiefe, auf die Spaltungstracen nach OP bezogen, beträgt 4°, 5°, 6%. Im convergenten Lichte ist nur ganz seitlich ein Axenaustritt zu bemerken. 984 Max Diersche. [54] 3. Parallel oPx&: In solchen Schnitten treten deutlich zwei sich unter 90° kreuzende Spaltungsrichtungen nach ? und M hervor. Parallel, beziehentlich senkrecht zu ihnen erfolgt die Auslöschung. Die chloritische Substanz erscheint hier in der Form grünlicher Körnchen, die zu zahlreichen, kleineren Häufchen butzenartig im farblosen Mineral angesammelt sind. Im convergenten Lichte entsteht ein sehr deutlich zweiaxiges, etwas excentrisches Interferenzbild. Das dunkle Kreuz löst sich beim Drehen in zwei Hyperbeln auf, welche im Gesichtsfelde bleiben und die Dispersion g > v zeigen. Der Feld- spath ist nach diesen Eigenschaften ein typischer -Orthoklas; nichts erinnert an Mikroklin. Seine chemische Zusammensetzung ist folgende : Procent Molekularquot. St: Osas ii. Oo LS OR Als Osoal on DSH En Pe Or IT 0A Fed, 4. aan un CaO +.:..043.>::0:008 MO... 008 — 0:002 Ks Re DAT Na, 0 5352024 550.033 99-44 Auch nach dieser Composition ist der eingeschlossene grüne Feldspath ein Orthoklas; er entspricht der Formel: KA S ON Als letzter mineralischer Einschluss ist Caleit zu erwähnen. Er bildet eine Druse von 12 cm Länge und 3 cm Höhe. Aeusserlich sind Graphit und Eisenkies als kleine Bröckchen und Blättchen an- sesetzt. Der Einschluss besteht aus vielen grossen Krystallen von — ', R; oR ist nicht entwickelt. Der Polkantenwinkel wurde zu 139, 140, 142% gemessen; die Kanten sind wenig markant. Die Caleitsubstanz selbst erscheint rein; nur zuweilen -ist etwas Fisen- hydroxyd auf den Sprüngen abgesetzt. Chemisch ist leicht ein Gehalt an Magnesium zu constatiren. Plagioklas und daraus entstandene Kaolinknolllen, sowie Horn- blende und Titaneisen waren unter den Einschlüssen nicht vorhanden. Kaolin und Eisenkies finden sich auch in anderen Graphitlager- stätten. Die übrigen Einschlüsse sind jedoch charakteristisch für die ceylonischen Graphitvorkommnisse. II. Höchst merkwürdig und in anderen Graphitvorkommpissen in solcher Weise nicht enthalten sind Gesteinseinschlüsse, welche sich in den gangartig auftretenden Graphiten von Ragedara finden. a) Einige derselben tragen schon makroskopisch das Gepräge des Nebengesteines, des Granulites. Structurell unterscheiden sie sich besonders dadurch vom compacten Gesteine, dass kleine Quarzkörnchen um grössere und um andere Bestandtheile des Gesteins kranzförmig gelagert sind. Man könnte diese Einschlüsse: fast als Mikroaugen- [55] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons. 285 sranulite bezeichnen, da sich an grössere Granaten und Feldspathe eine schweifartig ausgezogene Zone von Quarzkörnern und Feldspathen, auch Caleitaggregaten und Eisenerzpartikeln augenartig anschmiegt (s. Taf. VII, Fig. 4). Alle Bestandtheile der normalen Granulite sind ver- treten, aber in so verwittertem Zustande, dass sie zum Theil kaum noch zu erkennen sind. Quarz ist besonders reich an Flüssigkeits- einschlüssen, die oft aus flüssiger Kohlensäure bestehen. Die Feld- spathe sind allesammt völlig in trübgraue Kaolinsubstanz umgewan- delt, die zum Theil völlig undurchsiehtig geworden ist, so dass sich der verwitterte Feldspath deutlich von den übrigen Gemengtheilen abhebt; im gewöhnlichen Lichte ist er fast mit dichten Carbonaten zu verwechseln. Auch die Granaten sind auf den Sprüngen und der Oberfläche sehr zersetzt. An die Granatsubstanz setzt sich zunächst eine schmale, feinfaserige Schicht von hellgelblichgrünem Chlorit an; auf diese folet eine weitere graue Schicht von farblosen Carbonaten. Diese beiden Zonen sind auf den Sprüngen leicht von einander zu unter- scheiden. Auf der Oberfläche des Granats gehen sie in den äusseren Rindentheilen in einander über, so dass die Granaten von einem hellgrünen Kranze umgeben sind. Biotit ist ebenfalls von weitgehender Zersetzung ergriffen; er bildet nur wenige entfärbte Blättchen, die unter anderen Zersetzungsproducten auch Magnetit ausgeschieden haben. Eisenerz und Rutil sind nur noch an ihrer Gestalt zu er- kennen. Ersteres ist meist als Titanmagneteisen vorhanden und hat graulichweissen Leukoxen geliefert. Die wenigen Rutilkörnchen zeigen nur undeutliche Zersetzungsproducte. Noch ist die grosse Menge secundären Caleits zu erwähnen. Er durchzieht in langen Schnüren und Bändern das ganze Gestein; theils als dichtes, körniges Aggregat, theils grosse, rhomboädrisch spaltbare nnd verzwillingte Individuen bildend. b) Andere Einschlüsse, die den Granuliten in mancher Bezie- hung nahe zu stehen scheinen, sind ausgezeichnet durch eigenthümlich verwitterten Feldspath und relativ sehr grosse Zirkone und Apatite. Ersterer erscheint makroskopisch hellgrün, bis ganz dunkelgrün. Quarz ist reich an Einschlüssen von Kohlensäure und accessorischen Ge- mengtheilen. Die Granaten sind von einer grünlichen Umwandlungs- rinde, die in der Hauptsache aus Chlorit besteht, umgeben. Die Zer- setzung ist viel weiter gediehen, als in den Granuliteinschlüssen. Merkwürdig sind insbesondere die Feldspathe durch die verschiedenen Stadien ihrer Zersetzung. Der Anfang derselben besteht in der An- häufung kurzer, blassgrünlichblauer Nädelchen, die untereinander parallel, aber nach zwei einander fast rechtwinkelig kreuzenden Rich- tungen angeordnet sind. Als Ursache ihrer Bildung muss wohl eine verschiedene Widerstandsfähigkeit des Feldspathes nach den ver- schiedenen Richtungen angesehen werden. Bei weiterer Zersetzung werden die Producte immer zahlreicher, ihre Form immer compli- eirter und unregelmässiger ; oft sind sie wurmförmig, dendritisch ver- zweigt, gewunden und zerschlitzt; zuletzt ergeben sie ein vollkommen dichtes Geflecht grüngelber, chloritischer Substanz, die nach zwei Richtungen orientirt, nach den verschiedenen Schnitten unter ver- 286 Max Diersche. [56] schiedenem Winkel sich kreuzend erscheint. Bei gekreuzten Nicols zeigt diese chloritische Substanz ähnliche Aggregatpolarisation wie der Serpentin. Bei vollendeter Alteration, wo die Feldspathe dann makro- skopisch ein dunkelgrünes Mineral darstellen, ist das Produet am besten mit einem feinfilzigen Aggregat von Pennin, dem sogenannten Pseudophit, zu vergleichen. Caleit und Eisenerz spielen in diesen Ein- schlüssen dieselbe Rolle, wie in den vorerwähnten Granuliten. Ganz merkwürdig ist das Auftreten ausserordentlich grosser Zirkone und Apatite. Der Zirkon bildet verrundete Krystalle, von denen der grösste O-787 mm misst und 0'095 mm breit ist. Noch auffallender sind die Dimensionen der Apatite, welche grosse Durchschnitte liefern und zahlreiche Einschlüsse enthalten. Der grösste Apatit „hat eine Länge von 1955 mm und eine Breite von 0'756 mm, während ein unregelmässiges Korn einen Durchmesser von 0'635 mm aufweist. Von solchen Dimensionen sind diese beiden Mineralien in dem direct angrenzenden Nebengestein nicht gefunden worden. Noch ist in diesen Einschlüssen das Auftreten von Muscovit in der Form kleiner, strahlig angeordneter, länglicher Blättehen zu erwähnen. c) Eine andere Gruppe von Gesteinseinschlüssen weist in ihrer Zusammensetzung auf die Pyroxengranulite hin. Zum Theil stellen diese Einschlüsse ein fast bröckliges, körniges Gestein dar, mit bis I cn grossen Biotitblättchen; zum Theil sind die Bestand- theile innig verwachsen, erscheinen wie vollständig durchtränkt mit Graphit. Am auffallendsten sind Granat, Hypersthen und Biotit. Die beiden ersten treten in einzelnen Partien des Gesteines so zahlreich auf, dass man an einen Granat- oder Hypersthenfels denken könnte. Merkwürdigerweise ist der Granat hier vollständig ohne Zersetzungs- producte. Monokliner Pyroxen tritt ganz zurück und ist in grünliche Viriditsubstanz umgewandelt. Auch der Biotit ist in einzelnen Partien des Gesteines sehr zahlreich ausgebildet. Seine intensiv pleochroi- tischen Durchsehnitte sind auffallend reich an schwarzen Täfelchen von Titaneisen. Die farblosen und die accessorischen Bestandtheile treten sehr zurück; der Feeldspath ist in grauen Kaolin zersetzt. d) Ein seiner Erscheinungsweise und Zusammensetzung nach recht eigenthümlicher Gesteinseinschluss stellt ein abgeplattetes, senkrecht zerklüftetes, ca. 3 cm dickes Gesteinsfragment im Graphit dar, dessen Blättchen sämmtlich senkrecht auf seine Grenzfläche gerichtet sind. Es zeigt keine Parallelstruetur, sondern erscheint wie ein heller, feinkörniger Granit. Der Quarz ist reich an Ein- schlüssen liquider Kohlensäure mit lebhaft tanzender Libelle. Die Interpositionen von Zirkon- und Apatitkryställchen widersprechen einer nachträglichen Bildung des Einschlusses. Der Feldspath ist erst im Beginn einer Zersetzung in chloritische Substanz begriffen, die als kurzsäulenförmige Gebilde auftritt. Quarz und Feldspath bilden ein granitisch körniges Gemenge. Ausserdem sind noch einige verwitterte Blättehen von Biötit vorhanden. Der Einschluss scheint also in der That einem granitähnlichen Gestein anzugehören. Vielleicht entstammt er einer tieferen Zone der Erdrinde als der Granulit. Ein bis jetzt noch ungelöstes Problem ist das der Entstehung des Graphites, geradeso, wie das der Bildung des Diamanten. [57] Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse Ceylons.. 287 Zuletzt haben sich F. Sandbergert), H.! Moissan?), und Joh. Walther?) (letzterer besonders ausführlich) hierüber geäussert. Das eigenthümliche geologische Auftreten des Graphites auf Ceylon, welches jedenfalls allgemein ein gangartiges ist, scheint geeignet, die früher gehegte Ansicht, welche im Graphit die Reste der archäischen Flora und Fauna sieht, vollständig zu widerlegen. Es ist allerdings sehr verlockend, den Graphit als das Endproduct eines progressiven Verkohlungsprocesses anzusehen, der zuletzt unter immer grösserer Anreicherung von Kohlenstoff den Graphit lieferte. Die Flötze und Bänke von Graphit, welche mit den Gesteinen der archäischen Formationen wechsellagern, sprechen zwar für eine Analogie mit den jüngeren Bildungen, den Kohlenflötzen (für sie mag vielleicht jene Ansicht Geltung behalten), aber die gangartige Ausbildung der cey- lönischen Graphite ist mit dieser Meinung unvereinbar. Betreffs der Frage nach der Entstehung der gangförmigen Graphitvorkommnisse vermögen wir heute noch nicht eine bestimmte Antwort zu geben; wir können nur das Für und Wider der einzelnen Annahmen einander gegenüberstellen. Da der Graphit auf Ceylon in der Form von Spaltenausfüllungen mit durchgreifender Lagerung das Nebengestein durchsetzt und auf Grund der Structur sowie der fremden Einschlüsse an der echten Gangnatur kein Zweifel sein kann, so konnte es zunächst als das Natürlichste erscheinen, ihn als ein ehemaliges eruptives Magma anzusehen. Dasselbe kann schwerlich ein reines Kohlenstoffmagma gewesen sein, da ja der Graphit als eines der feuerfestesten Minerale eilt und dementsprechend verwendet wird. H. Moissan®) nimmt daher an, ausgehend von der künstlichen Bildung aus mit Kohle übersättigtem geschmolzenen Eisen, dass der Graphit bei sehr hoher Temperatur aber mässigem Drucke aus einem Eisenmagma aus- krystallisirt sei, welches später durch chemische Reagentien, denen gegenüber der Graphit äusserst widerstandsfähig ist, entfernt worden sei. Das Vorkommen von Graphit im Meteoreisen, sowie in dem Eisen isländischen Basaltes scheint für diese Ansicht sehr zu sprechen. F. Sandberger hat sich gegen eine derartige Erklärung ausgesprochen, indem er auf die vorhandenen Einschlüsse, wie Eisen- kies, Rutil und Titaneisennadeln hinweist, die nieht vorhanden sein könnten, sondern bei der hohen Temperatur redueirt worden wären. Auch der Umstand scheint dagegen zu sprechen, dass die grosse Menge des Eisens, welche für diesen Process erforderlich wäre, nirgends zu finden ist. Der Graphit könnte ferner in Form einer kohlenstoffhaltigen Lösung in die entstandenen Spalten eingedrungen und dort redueirt worden sein, beziehentlich sich mit anderen Lösungen umgesetzt haben. Diese Entstehungsweise erscheint leicht denkbar, da zahl- reiche, natürlich vorkommende Lösungen dieser Art bekannt sind, z. B. Petroleum, Naphtlıa, Bergtheer, und für Asphaltgänge diese ı) N. Jahrb. f. Min. 1887, II, pag. 15. ?) Compt. rend. 1895, 126, pag. 17. 3) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. XL], 1889, pag. 359. *) Compt. rend. 1895, 120, pag. 17. Jahrbuch d. k. k, geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (M. Diersche.) 38 288 Max Diersche. [58] Bildung angenommen wird. Auch das eigenthümliche, mit Granulit in naher Beziehung stehende Gesteinsvorkommen vom Nullaberg in Wermland (Schweden) scheint für die Möglichkeit eines solchen Vorganges zu sprechen, indem dort erbsengrosse Gebilde eines bituminösen Bestandtheiles (Huminit) in einem Gesteine enthalten sind, welches von asphaltartigem Bergtheer imprägnirt ist. Die kohlenstoffreichen Lösungen könnten nun entweder aus der Tiefe stammen oder in Form der Sickerwässer von oben in die Spalten eingedrungen sein. In beiden Fällen müssten aber wenigstens die Salbänder der Gänge und die Einschlüsse von organischer Lösung imprägnirt oder von Graphitblättehen durchsetzt sein. Dies ist jedoch nirgends der Fall. Auch eine Entstehung durch Lateralsecretion ist wegen der vollständig fehlenden, bituminösen Beschaffenheit des Nebengesteins und des mangelnden Graphites in demselben, sowie der vollkommenen Frische desselben nicht annehmbar. Weiterhin könnte man den Graphit als ein Zersetzungsproduct sublimirender Kohlenwasserstoffe ansehen, die dem Innern der Erde entstammen. Diese Art der Entstehung hält Joh. Walther') für die wahrscheinlichste. Exhalationen kohlenwasserstoffhaltiger Gase spielen ja bei FEruptionen eine nicht unbedeutende Rolle; sie kommen ferner in den Kohlenbergwerken vor, liefern das Brennmaterial der Erd- feuer und fehlen auch anderen Himmelskörpern nicht. In den Schloten mancher Fabriken entstehen durch verwandte Stoffe graphitähnliche Producte. Im Innern der Spalten müsste bei einem derartigen Bildungsprocesse eine weitgehende Reduction der Dämpfe eingetreten sein. Das Wesen eines solchen Vorganges, sowie die Natur derartiger Dämpfe ist zur Zeit völlig räthselhaft. !) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. XLI, 1889, pag. 60. A m A A Da Zn u u En 0 2 u ‚ u A en nn Geologische Beschreibung des südlichen Theiles des Karwendelgebirges. Von Otto Ampferer und Wilhelm Hammer in Innsbruck. Mit einer geologischen Karte in Farbendruck im Massstabe 1:50.000 (Taf. Nr. VIIT), einem tektonischen Uebersichtskärtchen (Taf. Nr. IX) und 33 Zinkotypien im Text. Vorwort. Die vorliegende Arbeit wurde als Lösung der von der Uni- versität Innsbruck im Sommersemester 1896 gestellten Preisaufgabe durehgeführt. Der zur Verfügung seeebene Termin reichte von Mitte o o sHoke) Juli 1896 bis Mitte October 1897, eine Zeit, die mit Rücksicht darauf, dass in Folge des complieirten Baues des Gebirges einerseits und der noch complieirteren Faciesverhältnisse andererseits eine äusserst genaue Begehung sich als nothwendig erwies, gewiss nichts weniger als gross war. Besonders sind es die verschiedenartigen, weit verzweigten Dolomite, welche den Einblick sehr erschwerten, während andererseits eine ins Einzelnste gehende touristische Kenntniss der (Gegend uns Manches erleichterte. Die Begehung erforderte im Ganzen 51 ganze und 53 halbe Tage. Die Aufnahmen wurden ohne Rücksicht auf frühere Bearbei- tungen in allen Gebieten, mit Ausnahme der Glacialgebiete des Inn- thals, mit derselben Genauigkeit betrieben, um volle Gleichmässigkeit in Karte und Profile zu bringen. Denn wir mussten leider sehen, dass die sorgfältigen Aufnahmen Pichler’s, die ja am meisten in Betracht kommen, in Folge der ungenügenden topographischen Grund- lage fast nur als geordnete Verzeichnisse des Anstehenden zu ver- wenden waren. Diese Aufnahmen für die Karte zu verwerthen, wäre eine grössere Mühe gewesen, als eine neue herzustellen. Man kann ihre Angaben nur mit genauen geologischen Localkenntnissen an den richtigen Ort verlegen. Ausser diesen Karten wären noch die Auf- nahmen, welche E. v. Mojsisovies im Auftrage der k. k. geo- logischen Reichsanstalt durchgeführt hat, zu erwähnen; auch für diese stand nur die alte Generalstabskarte im Massstabe von 1:144.000 zur Verfügung und die hiedurch schon bedingten Mängel der Dar- stellung konnten selbstverständlich dureh die nachträglich vorge- nommene mechanische Uebertragung der Einzeiehnungen auf die später erschienene Specialkarte im Massstabe von 1:758.000 nieht ver- Jahrb. d.k.k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 38* 290 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [2] ringert werden. Alle die vorhandenen Vorarbeiten hatten für uns den Werth, dass sie ein Bild des Vorhandenen entwarfen und auf die vor- liegenden Probleme aufmerksam machten. Ausserdem sind in diesen früheren Werken für die besseren Aufschlüsse Versteinerungsfunde angegeben, stellenweise sogar stattliche Mengen, so dass auf diesem Gebiete tüchtig vorgearbeitet war. Einige Eigenthümlichkeiten der Arbeit müssen hier noch kurz beleuchtet und begründet werden, da sie sonst leicht statt der be- absichtigten Verbesserungen Missverständnisse erwecken könnten. Eine Neuerung in der Kartenzeichnung, die allerdings wegen technischer Schwierigkeiten nicht überall ganz zur Ausführung ge- langen konnte, soll zunächst besprochen werden: Es ist eine weit verbreitete, ja häufige Erscheinung, dass zwei aufeinander folgende Schichten nicht scharf gegeneinander abgegrenzt sind, sondern ganz allmälig ineinander übergehen. Solchen Verhältnissen tragen die uns bekannten Karten nicht Rechnung, sondern es sind ständig auch dort scharfe Grenzen eingezogen, wo solche in der Natur nicht zu finden sind. Manche Streitigkeit über Schichtzugehörigkeit mag daraus hervorgegangen sein. Wir haben uns nun bemüht, auf unserer Karte in Handcolorit solchen Uebergängen in der Natur durch Uebergehen der Farben ineinander Rechnung zu tragen. Leider ist diese Dar- stellungsmethode auf Karten in Farbendruck nicht anwendbar und wir haben daher den Ausweg gewählt, die sonst üblichen scharfen Begrenzungslinien in den durch Uebergänge charakterisirten Regionen - durch feinpunktirte Linien zu ersetzen. Die Schichtfarben haben wir in der Karte nur über Stellen gemalt, wo ein dichtes Netz von Auf- schlüssen .die Schichte offenbart. Das mag auch die im Vergleiche zu vielen Karten auffallend starke Bedeckung mit Schutt und Vege- tation erklären. Die Karte soll aber und kann nur die thatsächliche Erdoberfläche darstellen, und auf der bilden für den Geologen diese Ablagerungen völlig gleichwerthige Bestandtheile, wie die des Grund- gebirges. Da eine Darstellung der blossen Schichtzugehörigkeit. besonders in der Solsteinkette einen der charakteristischesten Züge derselben verwischt hätte, suchten wir durch verschiedene Schraffirung Dolomite und Mergel von den Kalken abzuheben. Farben wären auffälliger gewesen, hätten aber die grösseren Zusammenhänge weniger erkennen lassen, abgesehen von den technischen Schwierigkeiten. Die Einzeichnung der Verwerfungen hat sich als eine keines- wegs leichte Aufgabe gezeigt, da ihr Verlauf häufig nicht genau fest- zustellen ist. Sie werden begreiflicher Weise als eine räumlich oft nur wenig hervortretende Erscheinung durch Schutt und Vegetation noch leichter als das Anstehende einer Schichte verdeckt. Auch ist es oft, besonders im Auslaufen der Verwerfungen, schwer, die wich- tigen von den unbedeutenden zu scheiden. Wir haben zahlreiche Verwerfungen beobachtet, aber nur die weiterhin verfolgbaren und sicher erkennbaren in die Karte eingetragen. | Wenn man der Karwendelkarte Rothpletz’ den Vorwurf macht, dass sie unnatürlich viel Verwerfungen verzeichne, so ist dies eine irrige Ansicht. Ihre Anzahl ist im Karwendel zweifelsohne eine en [3] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 291 noch grössere, nur haben sich die meisten zu keiner weiteren Be- deutung durchgebrochen. Was uns an dem schönen Kartenwerke Rothpletz’ unbegreiflich ist, das ist die Möglichkeit, die Ver- werfungen längs ihrer ganzen Erstreckung überall so genau ver- folgen zu können. Uns war etwas Aehnliches nicht möglich. In den Profilen haben wir auch keine Bathyskopie betrieben und auch keine schwungvollen Luftverbindungen darüber gezeichnet. Alle sind im wirklichen Verhältnisse von Länge und Höhe nach der Karte angefertigt. Was theoretisch an ihnen ist, kann man aus der tektonischen Beschreibung entnehmen. Was die stratigraphische Beschreibung en so war es uns weniger darum zu thun, die längst beschriebenen Schichten unseres Gebietes ausführlich zu charakterisiren, als vielmehr ihre bisher wenig bekannten Faciesverhältnisse in das rechte Licht zu setzen. In dieser Hinsicht ist übrigens noch Vieles zu thun und zu prüfen. — Die interessanten Glacialgebilde, die allenthalben in der Gegend noch zu finden sind, haben wir besonders in den entlegenen und höheren Gebieten nicht ausser Acht gelassen. Bei der Zusammen- stellung der Aufzeichnungen mussten wir aber zu unserem Leidwesen gewahr werden, dass diese Beobachtungen, die natürlich nur mehr nebenher betrieben werden konnten, zur Herstellung der geplanten genaueren Vergletscherungskarte nicht ausreichten. Diese bedarf noch reichlicher weiterer Arbeit. Es mag hier noch erwähnt werden, dass wir die von Penck angegebene Höhenstandlinie der erratischen Blöcke auf diesem Gebiete durch zahlreiche Funde verdichten und in die Höhe rücken. konnten. Da wir also von einer eigenen genaueren Kartirung der Glacial- erscheinungen absehen mussten, wollten wir wenigstens, zum guten Theile gestützt auf die genaue Blaas’sche Karte der Glacial- erscheinungen des Innthals, einige Unterscheidungen in die quartären Ablagerungen bringen, indem wir interglaciale Breceien, glaciale Gebilde im weiteren Umfange und postglaciale Ablagerungen zu unterscheiden suchten. Die Ausscheidung der interglacialen Breccien geschah, um diese Ablagerungen in ihrer Verbreitung festzustellen, und weil. wir glauben, dass diese interglacialen Breecien, die eine ungeahnt grosse Verbreitung besitzen, bisher vielleicht zu wenig Beachtung gefunden haben. Die Tektonik soll so viel als möglich auch ohne Profile und Karten verständlich sein. So: war es unsere Absicht und deshalb haben wir dieselbe nicht aus der Beschreibung von Profilen auf- gebaut. Sie soll nicht Profile und Karten in Worte umsetzen, sondern auch auf Zusammenhänge hinweisen, die aus letzteren nicht so leicht erschlossen werden können. Auch den Mangel von genauen Fall- und Streichrichtungsangaben wird man als Abweichung von der üblichen Art empfinden. “Wir haben eine verhältnissmässig grosse Anzahl von Messungen gemacht, dieselben aber nur bei Zeichnung der Profile und der Karte direct angewendet, während wir in der Beschreibung viel allgemeinere Ausdrücke gebrauchen. Unserer Ansicht nach ist in einem stark ge- störten Gebirge Streich- und Fallrichtung etwas zu Veränderliches, 2923 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [4] als dass es sich durch einzelne Angaben festhalten liesse. Will man auch in der Beschreibung diese Umstände genau zum Vortrag bringen, so müsste man an sehr vielen Orten und in sehr überlegter Vertheilung Messungen anbringen. Solches zu thun fehlte uns die Zeit, und wir haben in der Beschreibung Durchschnittswerthe an- gegeben. Bei der Zeichnung der Karte und bei den Aufzeichnungen im Felde bedienten wir uns der von Blaas eingeführten Bezeichnunegs-, beziehungsweise Kartirungsmethode, welch’ letztere allerdings nur in beschränkten Fällen ganz zur Verwendung kommen konnte. (Blaas, Lage der Schnittlinien von Terrainflächen und geologischen Ebenen. Jahrb. d. geol. R.-A. 1896.) Die Nomenclatur der Gegend schliesst sich in der Arbeit möglichst an die Karte an. Wo diese nicht ausreicht, wurde die in der „Er- schliessung der Ostalpen“ (herausgegeben vom deutschen und öster- reichischen Alpenverein 1892) angewendete Namengebung verwendet. An dieser Stelle möge nun auch noch allen jenen, die durch ihre Veröffentlichungen, besonders aber jenen, die durch mündliche oder schriftliche Mittheilung und Belehrung uns hilfreich gewesen sind, unser aufrichtigster Dank erstattet werden. Besonders dem Manne, der durch lange Jahre allein das ganze Gebiet durchstreift und sozusagen der Geologie erobert hat, unserem unvergesslichen Adolf von Pichler. Hat er uns als Ersterschliesser die Pfade geebnet, so hatte uns der treftliche Vortrag, der freundliche Verkehr und die Exeursionen unseres geehrten Lehrers Herrn Professor Dr. J. Blaas die nöthige Vorbildung und eine fortwährende Anregung verschafft. Besonders verdanken wir ihm den Hinweis auf manche Verwerfung und auf manche Erosionsformen, und ausserdem die Ueberlassung aller Hilfs- mittel des hiesigen geologisch-palaeontologischen Institutes. In äusserst freundlicher -Weise hat uns Herr Prof. P. J. Gremblich in Hall seine Versteinerungsfunde benützen lassen und uns manchen Wink über die Verhältnisse des Hallthales und Walderjoches gegeben. Besonderen Dank schulden wir den Herren der geologischen Reichsanstalt in Wien, Herrn Vicedireetor Oberbergrath Dr. E. von Mojsisovies und Herrn Ühefgeologen Dr. A. Bittner, welche in dankenswerthester Weise und obwohl wir sie in unserer Eile drängen mussten, die oft schlecht erhaltenen Versteinerungen bestimmt haben. Herr Oberbergverwalter Grüner hinwieder zeigte uns in grösster Zuvorkommenheit die Aufschlüsse und Fundstücke des Hallersalzbergwerkes, und es werden uns die dort in seiner Gesell- schaft verlebten Stunden stets in angenehmer Erinnerung bleiben. Damit übergeben wir die Arbeit dem Leser und Prüfer, indem wir wohl einsehen, wie Manches unvollendet geblieben ist. Doch haben wir die Mängel nirgends verschwiegen, sondern im Gegentheil auf alles Unzulängliche hinzuweisen uns bemüht, damit eine spätere Erforschung die Hauptplätze ihres Angriffes darauf hinrichte. [5] jo on | 10. EL. 18. Er. Geol. Beschreibung des südl, Theiles des Karwendelgebirges. 2953 Specialliteratur des bearbeiteten Gebietes. .A. J. Bargmann. Der jüngste Schutt der nördlichen Kalkalpen in seinen Beziehungen zum Gebirge, zu Schnee und Wasser, zu Pflanzen und Menschen. Veröffentlichung des Vereines für Erd- kunde zu Leipzig, 5. Theil, 1894. . A. Bittner. Triasbrachiopoden von der Rax und vom Wildanger- gebirge bei Hall in Tirol. Verh. d. geol. R.-A. 1891. .J. Blaas. Der Boden der Stadt Innsbruck. Berichte des naturw.- medic. Vereines in Innsbruck 1894/95. . — Die Höttingerbreccie und ihre Beziehung zur Frage nach einer wiederholten Vergletscherung der Alpen. Bericht des naturw.-medic. Vereines zu Innsbruck 1889. . — Die Trinkwasserquellen der Stadt Innsbruck. Bote für Tirol und Vorarlberg 1890. . — Erläuterungen zur geolog. Karte der diluvialen Ablagerungen in der Umgebung Innsbrucks. Jahrb. d. geol. R.-A. 1890, mit Karte. . — Noch einmal die Höttingerbreccie. Verh. d. geol. R.-A. 1894. . Notizen über diluvial-glaciale Ablagerungen im Innthalgebiete. Berichte des naturw.-medic. Vereines in Innsbruck 1890/91. . — Ueber die Glacialformation im Innthale. I, Zeitschrift des Ferdinandeums 1885. — Ueber sogenannte interglaciale Profile. Jahrb. d. geologischen R.-A. 1889. . A. Böhm. Die Höttinger Breccie und ihre Beziehung zu den glacialen Ablagerungen. Jahrb. d. geol. R.-A. 1884. . GC. v. Ettinghausen. Ueber die fossile Flora der Höttinger- breccie. Sitzungsberichte d. k. Akad. d. Wissensch. in Wien 1884. . Geognostisch-montanistischer Verein für Tirolund Vorarlberg. Geognostische Karte Tirols 1852. .J. Heckel. Bericht über das Vorkommen fossiler Fische zu See- feld in Tirol und am Monte Bolka im Venetianischen. Jahrb. d. geol. R.-A. 1850, IV. . M. v. Isser. Die Bitumenschätze von Seefeld. Berg- und hütten- männisches Jahrbuch 1888. . — Die Montanwerke und Schurfbaue Tirols in Vergangenheit und Gegenwart. Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch 1888. Klingler. Resultat der geognost.-montanist. Bereisung des westlichen Theiles des Unterinnthaler Kreises im Jahre 1343. Bericht über die 6. Generalversammlung des geognost.-montanist. Vereines für Tirol und Vorarlberg 1844. Kner. Die fossilen Fische von Seefeld. Sitzungsbericht der K. Akad. d. Wissensch. in Wien 1866—69. Kravogl. Zusammenfassung und Lagerung des Diluviums um Innsbruck. Zeitschrift des naturw.-medic. Vereines in Innsbruck 1872 und Verh. d. geol. R.-A. 1873. 294 f Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. ° [6] 20. E. v. Mojsisovies. Bericht über die im Sommer 1868 durch die 2te Section der geolog. Reichsanstalt ausgeführte Unter- suchung der alpinen Salzlagerstätten. Jahrb. d. geol. R.-A. 1869. 21. — Faunen und Faciesgebilde in den Ostalpen. Jahrb. d. geol. R.-A. 1874. 22. — Gliederung des Trias in der Ungehihe des Haller Salzberges in Nordtirol. Verh. d. geol. R.-A. 1868. 23. — Ueber das Auftreten des oberen Muschelkalkes in der Facies der rothen Kalke von der Schreyeralm in den Kalkalpen ie von Innsbruck. Verh. d. geol. R.-A. 1888. 24. — Ueber die Gliederung der oberen Triasbildungen der Alpen. Jahrb. d. geol. R-A. 1869. 25. M. Neumayr. Das Karwendelgebirge (Reisebericht). Verh. d. geol. R.-A. 1871. 26. — Vom Haller Salzberg. Verh. d. geol. R.-A. 1871. 27. A. Penck. Die Höttingerbreccie. Verh. d. geol. R.-A. 1887. 28. — Die Vergletscherung der deutschen Alpen. Leipzig, Barth, 1892. 29. —- Interglaciale Breccien der Alpen. Verh. d. geol. R.-A. 1885. 30. A. v. Pichler. Aus der Trias der nördlichen Kalkalpen. Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1875. öl. — Beiträge zur Geognosie Tirols. Mit 1 Karte und 30 Profilen. Zeitschrift d. Ferdinandeums f. Tirol u. Vorarlberg 1859. 32. — Beiträge zur Geognosie Tirols. Mit einer Tafel Profile. Zeit- schrift d. Ferdinandeums f. Tirol u. Vorarlberg 1863. 33. — Beiträge zur Geologie Tirols. Jahrb. d. geol. R.-A. 1861/62. 34. — Beiträge zur Geologie Tirols. Jahrb. d. geol. R.-A. 1866. 35. — Beiträge zur Geognosie und Mineralogie Tirols. Jahrb. d. geol. R.-A. 1869. 36. — Beiträge zur Geognosie Tirols. Jahrb. d. geol. R.-A. 1868. 37. — Beiträge zur Geologie Tirols.- Verh. d. geol. R.-A. 1890. 58. — Garditaschichten und Hauptdolomit. Jahrh. d. geol. R.-A. 1866. 39. — Zur Geologie Tirols. Verh. d. geol. R.-A. 1890. 40. — Geologische Notizen aus Tirol. Neues Jahrb. für Minera- logie etc. 1862. 41. — Zur Geognosie der nordöstlichen Kalkalpen Tirols. Jahrb. d. geol. R.-A. 1856. 42. — Zur Geologie der nordtiroler Kalkalpen, mit Karte: 15. Pro- gramm d. k. k. St.-Gymnasiums in Innsbruck 1864. 43. — Ueber das ‚Wildangergebirge. Verh. d. geol. R.-A. 1891. | 44. H. Prinzinger. Geognostische Skizze aus der Umgebung des Salzbergwerkes zu Hall in Tirol. Jahrb. d. geol. R.-A. 1555. 45. v. Riehthofen. Die Kalkalpen von Vorarlberg und Nordtirol. Jahrb. d. geol. R.-A. 1862. 46. Rothpletz. Ein geologischer Querschnitt durch die Ostälpen. 1893, Stuttgart, Schweizerbart. 47. — Das Karwendelgebirge. Zeitschrift d. deutschen u. österr. A.-V. 1888, mit Karte. 48. Russegger. Ueber den Asphalt, sein Vorkommen in Tirol, [7] (teol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges, 295 seine technische Bedeutung und seine Gewinnung. Bericht über die 6. Generalversammlung des geognost.-montanist. Vereines f. Tirol u. Vorarlberg 1845. 49. A. R. Schmid. Ueber die Beschaffenheit und den bisherigen Aufschluss des Salzlagers bei Hall in Tirol. Zeitschrift d. Berg- und hüttenmännischen Vereines in Kärnten 1879. 50. Th. Skouphos. Die stratigraphische Stellung der Partnach- und Carditaschichten in den nordtirolischen und bairischen Alpen. Geognost. Jahreshefte d. kgl. bair. Oberbergamtes, IV, 1892. 51. D. Stur. Ueber die fossile Flora der Höttinger Brececie. Sitzungs- bericht d. k. Akad. d. Wissensch. in Wien, I, 1884. 52. — Ein Beitrag zur Kenntniss der Flora des Kalktuffes und der Kalktuffbreecie von Hötting in Tirol. Abhandl. d. geol. R.-A., XD. Bd., 1882. 53. R. v. Wettstein. Die fossile Flora der Höttingerbreecie und ihre Bedeutung für die Geschichte der Pflanzenwelt. Zeitschrift d. deutschen u. österr. A.-V. 1892. 54. v. Wöhrmann. Die Fauna der Cardita- und Raiblerschichten. Jahrb. d. geolog. R.-A. 1889. Nachtrag: 55. W. Hammer. „Draxlehnerkalke“ bei Innsbruck. Verh. d. geol. R.-A. 1897. Historischer Ueberblick. Die ersten. geognostischen Aufnahmen auf dem Gebiete der südlichen Karwendelketten gehen vom geognostisch-montanistischen Vereine für Tirol und Vorarlberg aus. Im Jahre 1843 machte Klingler im Auftrage dieses Vereines die Aufnahme im Innthal und gab 1844 darüber einen Bericht (Lit. 17), begleitet von einer kleinen Uebersichtsskizze, heraus. In dieser finden sich ausser einer allge- meinen Kalküberdeckung fast nur die nutzbaren Ablagerungen: die „Kreide“ im Gleierschthal und bei Scharnitz, das Salzlager in Hall, die Höttinger Breccie und die Seefelder Asphaltschiefer, ausgeschieden. Ueber die letzteren berichtete 1845 Russegger (Lit. 48) eigens. Diese Schichten sind fast die ersten unseres Gebietes, welche eine eingehende wissenschaftliche Bearbeitung erfahren haben. 1850 be- schreibt:sie Heckel (Lit. 14). Vor den Seefelderschichten noch lenkte natürlich das Haller Salzlager die Aufmerksamkeit auf sich, doch vorherrschend nur von bergmännischen Kreisen. |[Aeltere Literatur siehe bei Richthofen (Lit. 48) und Prinzinger (Lit. 44)|. In dritter Linie ist es der Versteinerungsfundort Lafatsch, welcher die Augen der Naturforscher auf sich zog. 1852 erschien die geogenostische Karte des geognostisch- montanistischen Vereines für Tirol und Vorarlberg (Lit. 15). Die Triasstratigraphie damaliger Zeit ist noch wenig ent- wickelt: Rother Sandstein und Rauchwacke, unterer, mittlerer und Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 39 296 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [8] oberer Alpenkalk sind die wichtigsten Ausscheidungen des südlichen Karwendelgebietes. Die jüngeren Ablagerungen am Walderjoch sind noch nicht angegeben. Die Umgrenzungen der einzelnen Schichten . sind sehr ungenaue und summarisch. Dagegen sind alle alten und neuen Bergbaue sehr fleissig eingetragen. 1855 gab Prinzinger (Lit. 44) eine beschreibende Uebersicht über die geologischen Ver- hältnisse in der engeren und weiteren Umgebung des Haller Salz- bergwerkes, welches eingehend besprochen wird, ohne aber eine feste Ansicht über das Alter desselben zu geben. 1856 trat zum erstenmale A. Pichler mit einer Veröffent- lichung über die geologischen Verhältnisse des Karwendels hervor (Lit. 41). Damit beginnt die eigentliche wissenschaftliche Erforschung dieses Gebietes. Von 1856 bis in die letztvergangenen Jahre hat A. v. Pichler fortwährend in kleineren und grösseren „Beiträgen zur Geognosie Tirols“ seine Aufmerksamkeit diesem Gebiete zuge- wendet. Pichler’s Arbeiten zeichnen sich besonders durch die Schärfe der Beobachtung aus und sind für dieses Gebiet grundlegend. Dieser ersten Arbeit von 1856 ist auch eine kleine Kartenskizze beigegeben, die gegenüber der Karte von 1852 bedeutende Fort- schritte aufweist. Die Schichtenfolge ist: Buntsandstein, Rauchwacken und Gyps, unterer Alpenkalk und Dolomit (Steinsalz und Asphaltschiefer) ; — der ganze Dolomit der Seefelderberge mit den Asphaltschiefern, deren angeblich liasisches Alter er bezweifelt, und alle anderen Dolomite der Solsteinkette sind mit einbegriffen — Carditaschichten (als deren ständiger Bestandtheil schon hier die Sandsteine bezeichnet werden), oberer Alpenkalk, Kössenerschichten, Lias. Hier wird zum erstenmale der Lias und Jura des Walder- kammes angeführt und beschrieben. Die Profile sind stark überhöht und geben daher keinen Einblick in den Bau des Gebirges, der auch im Text wenig besprochen wird. 1859 erschien eine grössere, grund- legende Arbeit Pichler’s (Lit. 31), in der besonders die stratigraphi- schen Verhältnisse — die tektonischen Verhältnisse sind bei Pichler gegenüber den stratigraphischen durchwegs stark vernachlässigt — eingehend besprochen werden. Das Salzlager, das bisher und von da an eine Hauptfrage aller geologischen Untersuchungen dieser Gegend bildet, wird eingehend beschrieben, in Betreff des Alters aber hält sich Pichler zurück, „der Ansicht der österreichischen Geologen, welche es der unteren Trias zurechnen, widerspricht er nicht“, doch mit Zweifeln. Das Normalprofil zeigt folgende Neuerungen: Die Car- ditaschichten liegen ober den oberen Alpenkalk oder wechsellagern mit ihm. Der Seefelder Dolomit erscheint als Mitteldolomit zwischen Cardita- und Kössenerschichten. Die Höttingerbreccie wird als tertiäres Conglomerat bezeichnet und Pichler veröffentlicht hier [9] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 297 zuerst seine Pflanzenfundorte aus dieser Breccie, die später zum Gegenstande so eingehender Untersuchungen geworden sind. Die Bestimmungen sind von Unger. Auch dieser Arbeit sind eine srössere Zahl abermals stark überhöhter Profile beigegeben und eine colorirte Karte. Im gleichen Jahre veröffentlichte Freiherr von Richthofen (Lit. 48) im ersten Theile seiner „Kalkalpen von Vorarlberg und Nordtirol“* die Ergebnisse der von ihm und Franz von Hauer für die k. k. geologische Reichsanstalt gemachten Auf- nahmen. Wir erfahren, dass diese Herren auch speciell Pichler zu der gleichzeitigen Neubearbeitung seines Gebietes anregten. Im ersten Theile werden die stratigraphischen Verhältnisse für die ganzen Nordalpen gemeinsam behandelt. Wir finden da eine der heutigen in ihren Grundzügen völlig analoge Gliederung: Untere Trias: Werfener- und Gutensteinerschichten ; Obere Trias: Virgloriakalk, wobei auf das Vorkommen am Kerschbuchhof hingewiesen wird; Partnachschichten, Hallstätterkalk oder Arlbergkalk, Raiblerschichten; Lias: unterer Dachsteindolomit und -Kalk, Kössenerschichten, oberer Dachsteinkalk u. s. w. Die Besprechung des tektonischen Baues der einzelnen Theile erscheint für unser Gebiet im zweiten Theile der Arbeit im Jahre 1862 (Lit. 95). Hier wird zum erstenmale der tektonische Bau ein- sehender besprochen; die Untersuchung ist aber eine so summarische, dass den Geologen der Reichsanstalt die südlichen Ketten des Kar- wendels sehr einfach gebaut erscheinen. Aus drei durch die Sol- steinkette gezogenen Querprofilen wird folgender Bau abgeleitet: Es sind „unter schiefem Winkel zwei gewölbeartige Aufbiegungen, welche sich gegen Osten in eine vereinen“; die complicirten Verhältnisse des Salzberges werden ausschliesslich durch die Quellung und das Empordringen des Salzstockes erklärt und als classisches Beispiel einer durch chemische Ursachen hervorgerufenen Störung im Ge- birgsbaue bezeichnet, die bei dem so einfachen Bau des Gebirges ringsherum sonst nicht erklärlich erscheine. Ein beigegebenes Ideal- profil versinnbildlicht diesen Bau. Unterdessen hatte Pichler seine Aufnahme fortgesetzt und veröffentlichte 1863 abermals eine grössere Arbeit (Lit. 32) über die Stratigraphie des Karwendel. Pichler gliedert hier folgendermassen: Buntsandstein, unterer Alpenkalk (Muschelkalk), dabei wird auf die Profile am Kerschbuchhof und an der Pfannenschmiede hingewiesen, mittlerer Alpenkalk (Knollenkalk, Virgloriakalk Ricehthofen’s), hieher werden auch die schwarzen Mergel und Sandsteine mit Versteinerungen der „echten Oarditaschichten* gerechnet (die erste Andeutung der unteren Carditaschichten), z. B. bei Rattenberg und in der Mühlauerklamm, ferner wird hieher ein Dolomit gerechnet, 39° 298 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [10] „der in einem ununterbrochenen Bande von Absam bis Kranabitten zieht“. Zur Erklärung werden Profile beschrieben durch den Höttinger- sraben, Weiherburggraben, Mühlauerklamm, Vintlalpe, Thaurerklamm und Zunderkopf und einige ausser dem Gebiete liegende; der ganze Complex wird als Aequivalent der Cassianerschichten bezeichnet, dem die Partnachschichten als local entwickeltes Glied angehören, die aber in dem Gebiete ausdrücklich als nicht vorhanden bezeichnet werden. Der mittlere Alpenkalk wird als erstes Stockwerk des unteren Alpenkeuper bezeichnet; der darüber folgende obere Alpenkalk als zweites und darüber die „eigentlichen Carditaschichten“ als drittes. Darüber folgt dann Mitteldolomit (Hauptdolomit Gümbel’s) und Lias. Die zu dieser Abhandlung gehörige Karte erschien 1864 (Lit. 42). Es ist die letzte bis jetzt erschienene Karte. Leider verringern die schlechte kartographische Unterlage und die schlechte technische Ausführung ihren Werth bedeutend. 1866 erschien die umfassende Arbeit Kner’s (Lit. 18) über die Fische der Seefelder Fischschiefer. Im gleichen Jahre schrieb Pichler über „Carditaschichten und Hauptdolomit“ (Lit. 28). Be- trefis der Partnachschichten wird dasselbe wie 1863 angegeben: „sie kommen zwischen Ellmau und Landeck nicht vor“; andererseits wird die Aehnlichkeit ‚des „mittleren Alpenkalkes“* und der Cardita- schichten hervorgehoben, zu deren Unterscheidung nur kleine petro- graphische Unterschiede verwendbar sind, die Carditaschichten werden in ihrem Vorkommen in der Zirlerklamm eingehend beschrieben. Durch Hinzurechnung mehrerer grosser Dolomiteomplexe wegen der über ihnen noch vorkommenden Mergel erreichen seine Carditaschichten hier eine Mächtigkeit, die Pichler vermuthen lässt, dass alle Dolo- mite, die im Innthale zwischen Telfs und Zirl vorkommen, noch zu den Carditaschichten zu rechnen sind. Bei Aigenhofen weist sie Pichler noch sicher nach. Schliesslich schlägt Pichler vor, mitt- leren und oberen Alpenkalk und Carditaschichten zusammen Wetter- steingruppe zu nennen, und theilt diese Gruppe in: a) Untere Schichten der Cardit« crenata (untere, Cardita- schichten — St. Cassianschichten mit Pterophyllum Jägeri) ; b) Schichten der Chemnitzia Rosthorni (Wettersteinkalk), c) obere Schichten der Cardita crenata (obere Cardita- schichten — Raiblerschichten). Diese Gruppe wird dann als „unterer Keuper“ in die „obere Trias“ eingereiht. 1868 entdeckte Pichler (Lit. 35) bei der Kumer- alpe die Bactryllienmergel der Carditaschichten. 1868 machte E. v. Mojsisovics (Lit. 20) geologische Auf- nahmen in der Solsteinkette, und besonders in der Umgebung des Salzbergwerkes. Nach einer vorläufigen Mittheilung 1868 wurden 1869 die Untersuchungsergebnisse zusammen mit Untersuchungen in anderen Theilen der Ostalpen herausgegeben. v. Mojsisoviecs Lit. (22, 24) brachte eine ganz neue Auffassung in die Profile der Solsteinkette und zieht daraus Schlüsse für die gesammte Gliederung der Trias. Wenn wir das Endresultat vorausnehmen, so ist es die Einbeziehung der „Partnachschichten* Gümbel’s in die Schichtfolge, [11] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 299 welche diesen Umsturz hervorruft. v. Mojsisoviecs stellt folgende Schichtenreihe in der Solsteinkette auf: Muschelkalk, Partnachschichten (vorherrschend dunkle Mergel, in den oberen Theilen Sandstein; die Versteinerungen sind die der unteren Cardita- schichten Pichler’s), nach oben übergehend in Partnachdolomit. Darüber folgt das Haselgebirge von Hall und darüber dunkle Kalke; Carditaschichten, Wettersteinkalk, Seefelder Dolomit, discordant über den älteren Schichten; und die jüngeren Schichten. Sehen wir nun die beigegebenen Profile an, so sind alle Mergel und Sandsteine im Gehänge der Solsteinkette, auch die rothen Sand- steine der Thaureralpe und im oberen Göttingengraben als Part- nachschichten bezeichnet, der Dolomit des „mittleren Alpenkalks“ Pichler’s als Partnachdolomit und ebenso ist der Dolomit des ‚Zunderkopfes, der ganze Kalk und Dolomit des Höchenbergs und der Kalkzug der Thaureralpe und am Zunderkopf als Partnachdolomit eingezeichnet. Die rothen „Draxlebnerkalke“ Pichler’s an der Martinswand werden als rothe Sandsteine mit eingebetteten Kalk- knollen den Partnachschichten zugewiesen. Dieser Ausdehnung der Partnachschichten zufolge erscheint der Bau des Gebirges noch einfacher als bei Richthofen, dessen Doppelfalte zu einem Muldenschenkel geworden ist! Für den östlichen Theil dieser Mulde ist der Gegenflügel im Hinterauthale (Lafatschthal). Das Salzbergwerk wird eigens behandelt. Seine Stellung ist durch die oben angegebene Schichtfolge schon bezeichnet. Zu gleicher Zeit zog E. v. Mojsisovies auch die Ammoniten fauna des Kerschbuchhofes in seine Untersuchungen über die Cephalopoden des unteren Muschelkalkes mit ein. — Nach einem Uebergangsstadium mit drei Carditahorizonten (1871) (unter dem Part- nachdolomit, unter und ober dem Wettersteinkalk) und nach Aufgeben des mittleren Horizontes (1872) vereint Mojsisovies 1874 (Lit. 21) die unteren mit den oberen wegen Gleichheit der Faunen und stellt damit den Salzstock über den Wettersteinkalk. 1872 wird zum erstenmale das Alluvium der Umgebung Inns- brucks näher beschrieben von Kravogl (Lit. 19). 1874 wählt Mojsisovies (Lit. 21) speciell auch unser Gebiet zur Darlegung seiner Studien über „Faunen und Faciesgebilde*. Mojsisovics hat hier das Verdienst, zum erstenmale in unserem Gebiete auf diesen hier sehr einschneidenden Umstand, der für die tektonische Erklärung von entscheidender Wichtigkeit ist, hingewiesen zu haben. Ohne näher auf einzelne Profile einzugehen, gibt er für die Solsteinkette zwei Faciescom- plexe an; einen südlichen, längs des Innthales verlaufenden, mit folgender Schichtreihe: 300 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. Ei [12] Virgloriakalk (Kerschbuchhof und Thauer), Partnachschichten, Dolomit und Kalk (Arlbergkalk), Carditaschichten ; und einen zweiten, das Wettersteingebirge und den Karwendel bis zum Kamm der Innthalkette umfassend (Wildanger) : Muschelkalk, Draxlehnerkalk, Wettersteinkalk, Carditaschichten. Mittlere Partnachschichten und Wettersteinkalk sind verschiedene Facies derselben Schichte. Pichler’s „untere Garditaschichten® sind nicht die Partnachschichten, sondern fallen mit den „oberen Carditaschichten* zusammen und liegen demnach immer ober dem Wettersteinkalk oder dessen Aequivalenten. 1874 veröffentlichte A. R. Schmid (Lit. 49) mehrere Arbeiten über den Salzberg vor Allem vom bergmännischen und dann vom historischen Standpunkte aus. Pichler stimmte den Ansichten Mojsisovies nicht bei (Lit 30), sondern hält seine früher gegebenen Gliederungen mit ge- ringen Aenderungen aufrecht. Auch er verwendet gerade das Profil von Thauer zur Darlegung seiner Ansicht, das sonst den Darlegungen von Mojsisoviecs am meisten entspricht. Pichler führt folgende Schichtreihe an: Auf den Muschelkalk, der aus a) Schichten des Natica stanensis (Gutensteiner Kalk), b) : „. @yroporella paueiforata (Mühlau), c) S „ Arcestes Studeri (Virgloriakalk) besteht, folgen: untere Carditaschichten (Partnachschichten Gümbel’s), Draxlehnerkalk und auf diese die Chemnitzienschichten, die hier in zwei Unter- abtheilungen gethbeilt werden — ein Zeichen von Pichler’s genauer und fleissiger Beobachtung: eine tiefere Zone „aus grauen, split- trigen, dolomitischen Kalken mit Halobia obligua und Halobia Lomellit, und eine höhere aus „lichtem, fast dichten, feinkörnigen Kalk und Dolomit mit Halobia Pichleri und Megalodonten* bestehend. Darüber liegen dann die oberen Carditaschichten. Unterdessen tritt eine andere Frage und ein anderer Schicht- complex in den Vordergrund und nimmt die Geologen und die geo- logische Literatur dieses Gebietes intensiv in Anspruch. Durch Penck’s 1882 erschienene „Vergletscherung der deutschen Alpen“ (Lit. 28) wird die Aufmerksamkeit der Geologen auf die diluvio- glacialen Ablagerungen und besonders auf die Höttingerbreccie, die bisher als tertiäres Conglomerat angesprochen wurde, hingelenkt. Die Frage des Alters der von Pichler in der Höttingerbreccie ge- fundenen Pflanzenresten wird von verschiedenen Palaeophytologen mit verschiedenen Resultaten beantwortet. Ettinghausen (Lit. 12) . [13] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 301 und Stur (Lit. 51 und 52) sind es, welche sich besonders diesen Untersuchungen widmeten und später v. Wettstein (Lit. 53). Die Mehrzahl der Stimmen und die letztausgesprochenen sprechen für das quartäre Alter der Funde. Vom stratigraphischen und tek- tonischen Standpunkte aus sind es Penck (Lit. 27 und 29) und Böhm (Lit. 11) und vor Allem Blaas (Lit. 3—10), die als Specia- listen dafür auftreten. Wir wollen hier nicht auf die Entwicklung der einzelnen Ansichten eingehen, denn dies ist in Blaas’ Schriften weit besser und genauer, als es hier möglich wäre, geschehen. Be- sonders hervorheben wollen wir die 1885 erschienene grössere Arbeit Blaas’ (Lit. 9), in der das ganze Gebiet der Solsteinkette und Um- gebung zusammenhängend und eingehend beschrieben wird. Jeden- falls ist das Gebiet der Solsteinkette durch alle diese Untersuchungen zu einem „elassischen* Orte für Glacialgeologie geworden und die Reihe der grossen geologischen Fragen und Entdeckungen, welche serade von unserem Gebiete ausgingen oder für die unser Gebiet besonders wichtig ist, um eine weitere vermehrt worden. 1888 erschien Rothpletz’ Arbeit (Lit. 47) über das Kar- wendelgebirge und die dazu gehörige geologische Karte. Beide reichen im Süden aber nur bis zum Hinterau- und Vomperthal. Trotzdem ist diese Arbeit aber auch für die beiden südlichen Ketten des Kar- wendels von Bedeutung, und zwar besonders für die allgemeine Auffassung ihres tektonischen Baues. Das Karwendelgebirge wird von Rothpletz als ein gefaltetes Schollengebirge dargestellt; die Karte zeigt uns eine ins Kleinste gehende Zertrümmerung, die Profile und der Text geben uns das Bild complicirter Hebungen, Senkungen und Ueberschiebung, durch die hindurch nur verschleiert die grossen Faltungszüge zu erkennen sind. Damit ist auch für das südlich an- stehende Gebiet ein naheliegender Fingerzeig gegeben in Rücksicht auf die vollständige Zugehörigkeit dieses Theiles zum ganzen Kar- wendel. In stratigraphischer Hinsicht ist es die Einführung der Myo- phorienschichten, welche ein neues Moment in die Stratigraphie des Karwendelgebirges bringt und für welche auch die Uebertragung auf den restlichen Theil des Karwendels nahe läge, zu dem an der Pfannenschmiede diese Schichten direet auf unser Gebiet übertreten. Im selben Jahre gibt uns v. Isser (Lit. 15) eine genaue Be- schreibung des Seefelder Asphaltvorkommens und seines Abbaues. Im Uebrigen wendete sich die geologische Forschung der neueren Zeit mehr anderen Gebieten zu, und nur ab und zu wurde unser Gebiet noch durch Fragen allgemeiner Natur gestreift. Die grösste Aufmerksamkeit bleibt den glacialen Vorkommnissen zugewandt. 1890 gab Blaas (Lit. 6) eine genaue Karte der diluvialen Ablage- rungen in der Umgebung Innsbrucks heraus; 1892 erschien Wett- stein’s (Lit. 55) Arbeit über die fossile Flora der Höttinger- breceie. Von anderen geologischen Problemen ist es das alte Problem der Triasgliederung, durch das unser Gebiet öfters gestreift wurde. So ist der Wildanger (Lit. 2) durch seine Versteinerungen für die Frage des Alters des Wettersteinkalkes bedeutend geworden. Als ein geradezu celassisches Gebiet für das Studium der Raiblerschichten 302 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [14] finden wir die Fundstellen Erlsattel und Halleranger eingehend in v. Wöhrmann’s (Lit. 54) Arbeiten über diese Schichten behandelt. Rothpletz stellte 1893 als Umnterabtheilung der Raiblerschichten die „Hallerschichten“ auf nach ihrem besten Vorkommen am Haller- anger. Auch Skouphos (Lit. 50) streift bei seinen Untersuchungen über Partnach- und Raiblerschiehten unser Gebiet. In seinem „Quer- schnitt dureh die Ostalpen* suchte Rothpletz {Lit 46) die Höttinger- breccie alsneogene Meeresablagerung zu erklären, eine Ansicht, die bei ortskundigen Kennern (Lit. 7) keinen Beifall fand. Endlich hat noch J. A. Bargmann (Lit. 1) in letzter Zeit interessante Unter- suchungen über die jüngsten Alluvionen im Gleirschthale angestellt. Stratigraphie. An dem Aufbau des Gebirges betheiligen sich folgende Schichten: 1. Buntsandstein. | «) Reichenhallerschiehten, Myo-] #, phorienschichtenRothpletz’, == | Schichten mit Natica Stanensisı © & eTa I Pichler, (2° | IS=E 9 Muschelkalk ! ” a Roth- E 2 c) Brachiopodenhorizont Rothpletz’ Recoarokalk Stur’s d) Ammonitenhorizont Rothpletz’ Reitlinger Kalk. ’ mittlerer u | : 3. Partnachschichten. 4. Wettersteinschichten. 5. Raiblerschichten. 6. Hauptdolomit und Plattenkalk. 7. Kössenerschichten. 8. Lias. Olara: 10. Quartäre Ablagerungen. 1. Buntsandstein. Die älteste, noch aufgeschlossene Ablagerung ist der Buntsand- stein. Das Liegende desselben tritt nirgends zu Tage. Petrographische Beschreibung. Diese Schichte ist nur durch den petrographischen Charakter und ihre Lagerung gekennzeichnet, da Versteinerungen in unserem Gebiete nicht vorkommen. Der Buntsandstein besteht hier aus vor- herrschend rothem, aber auch hellgrünem oder weisslichen, festen Sandsteine, der meist mehr oder weniger feinkörnig ist, in den Auf- schlüssen ober dem Purenhofe aber auch ein grobeonglomeratisches [15] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 303 Gefüge zeigt. Er ist vorherrschend Quarzsandstein. In seltenen Fällen findet man in ihm auch kleine Stückchen von krystallinen Gesteinen. Zwischen den Sandsteinen liegen dann noch intensiv rothe, weiche Mergel. Einen constanten Horizont bilden dieselben aber nieht. Schichtung zeigt der Buntsandstein nur in den festen Bänken, z. B. im Höttingergraben oder bei der Vintalpe und ober dem Purenhof. Die rothen Mergel machen den Buntsandstein zu einem ausge- zeichneten Quellenhorizont im Gehänge der Solsteinkette und machen sich in der Bodenform als Terrassen und feuchte Plätze bemerkbar. 2. Muschelkalk. Unterer Muschelkalk. a) Reichenhallerschichten. (Myophorienschichten Rothpletz’.) Petrographische Beschreibung. - Ueber dem rothen Sandstein liegt fast durchwegs eine gelbliche Rauchwacke, die stellenweise noch Stückchen von rothem Sandstein enthält. Bei der Thaureralpe liegen ober dem Buntsandstein Rauch- wacke, dolomitische Breecien und Kalke (dunkle). Am Gehänge ober dem Kerschbuchhofe und am Achselkopf liegen bedeutende Dolomit- complexe zwischen Buntsandstein und deutlichem Muschelkalk. Ebenso liegt unter dem Muschelkalk des Thaurerschlosshügels Dolomit. Im oberen Theile der Mühlauerklamm liegen zwischen Buntsandstein und Muschelkalk Rauchwacken und dunkle Kalke. Im unteren Theile des Höttingerthales endlich liegen im Zusammenhang mit Rauchwacken auch schwarze Mergel, ähnlich wie an der Pfannenschmiede. Versteinerungen liegen aus diesen Gesteinen keine vor. Sie bilden in unserem Gebiete schon wegen der eigenartigen Zusammen- setzung eine selbständige Erscheinung, über deren Altersverhältnisse sich ausser der Einschaltung zwischen Buntsandstein und mittlerem Muschelkalk wenig Sicheres sagen lässt. Wenn man die östlicheren Alpen zum Vergleich heranzieht, so dürfte man, worauf uns Dr. A. Bittner freundlichst aufmerksam machte, nicht fehl gehen, wenn man sie den Reichenhallerschichten gleichstellt. Aehnliche Gebilde wurden im Karwendelgebirge von Rothpletz als Myophorienschichten bezeichnet. Das Haller Salzlager. In diesen Schichten liegt an der Buntsandsteingrenze als lager- förmiges Glied der Salzstock des Hallthales, der aus Gyps, Anhydrit, Salzthon, reinem Salz in geringen Mengen und einigen in Folgendem angeführten Bestandtheilen zusammengesetzt ist. Die Gründe, welche für eine Einreihung des Salzstockes in diese Schichte sprechen, sind folgende: 1. Die Lagerung des Salzstockes — das Nähere derselben siehe im tektonischen Theile der Arbeit — ist so, dass sie mit der der Reichenhallerschichten gut vereinbar ist, während die Auffassung des Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 40 304 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [16] Salzlagers als Theil der Raiblerschichten, denen man dasselbe sonst zurechnen könnte, so grosse Ueberstürzungen und Ueberschiebungen nöthig macht, dass in der Umgebung keine hinreichende Spuren dafür vorhanden sind. Das Salzlager liegt ganz unter den Muschelkalk- Wettersteinkalkmassen des Wildanger; im Bergwerk wurden im Hangenden Rauchwacke und heller Kalk, wie er im mittleren Theile des Muschelkalkes am Wildanger vorkommt, angefahren. Man müsste also eine vollständige, weit ausgedehnte Unterlagerung des Muschel- kalkes und Wettersteinkalkes durch die Raiblerschichten annehmen. 2. Es sind im Westverlauf des Buntsandsteines in der Nähe der Thaureralpe zwischen Buntsandstein und den Dolomiten und Rauchwacken im Liegenden des Muschelkalkes und Wettersteinkalkes Salzthone aufgeschürft worden. 3. Im Bergwerke selbst sind im Haselgebirge häufig kleinere und grössere Stücke grüner und rother Sandsteine enthalten, wie sie in genau derselben Entwicklung der Buntsandstein der Umgebung zeigt, während sie in den Raiblerschichten des Karwendels nicht vorkommen. Von den in der ganzen Umgebung des Bergwerkes äusserst charakteristisch, versteinerungsreich entwickelten Raibler- schichten ist nach Aussage der Bergbeamten keine Spur bisher in der Grube gefunden worden. Die dunklen Kalke, die häufig wohl- seschichtet im dolomitischen Anhydrit eingeschlossen liegen, haben auch mit den Kalken der Reichenhallerschichten mehr Aehnlichkeit als mit den Raiblerschichten. 4. Während im übrigen Karwendel in den Myophorienschichten Rothpletz’ mehrfach ausgelaugte Salzstöcke liegen, ist in den Nordalpen in den Raiblerschichten bisher kein Vorkommen eines Salzlagers bekannt geworden. 5. Das Profil in der Mitterbergrunse, das von Mojsisovies (Lit. 24) als besonders beweisend für seine Einreihung des Salzlagers direet unter die Carditaschichten eingehend beschrieben wird, be- rechtigt nicht zur Annahme, dass die dort vorkommenden Salzthone in oder direct unter den Raiblerschichten liegen, weil es eine Stelle grosser Gestörtheit ist, die allerdıngs Rauchwacken und Salzthone mit Wettersteinkalk und Raiblerschichten in nächste Lagerbeziehung bringt. Die tief eingebrochene, westliche Cartellserscholle erreicht dort ihr Ende. Nordwestlich erscheinen Rauchwacken des Salzlagers in bedeutend höherer Lage. In der Gegend des Issjöchls und seiner nordwestlichen und nördlichen Umgebung ragt offenbar der Rauch- wackenmantel aes Salzstockes höher herauf oder ist weniger erodirt und kommt so an Verwerfungen mit Sandsteinen und Oolithen und mit Stücken dunklen und lichten Kalkes der Raiblerschichten in ein Niveau. So liegen in der Mitterbergrunse auf den ausgehenden Raiblersandsteinen Salzthone, daneben dolomitische Breceie und höher als beide eine Bank grellweissen Kalkes, während gegen das Issjöchl ein Thurm dunklen Kalkes den Rauchwacken entragt. Aus diesem Aufschlusse kann man doch schwer einen Schluss auf die Zugehörigkeit des Salzlagers ziehen, zu dem es auffallend ist, wie die regelrecht entwiekelten Raiblerschichten fast genau dort auf- hören, wo die Wettersteinkalkbank im Liegenden abbricht. Es müsste | | [117] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 305 diese scheinbare Ueberlagerung durch Salzthone, die S—-10 m weit reicht, gerade das Ende der salzhältigen Facies der Raiblerschichten darstellen. b) Gastropodenhorizont Rothpletz’. Petrographische Beschreibung. Ueber den Gesteinen der Reichenhallerschichten erscheinen zu- nächst dunkelgraue bis schwarze Kalke, die meist gut geschichtet und manchmal dünnbankig sind. Stellenweise besitzen sie auch eine kleinknollige Oberfläche. " Von vVersteinerungen liegen nur nicht näher bestimmbare Korallen und die Gyroporella aequaliss von Gümbel vor. Sie können ihrer Gesteinsbeschaffenheit und Lagerung nach als Gastropodenhorizont nach Rothpletz bezeichnet werden. Mittlerer Muschelkalk. c) Brachiopodenhorizont Rothpletz’. Petrographische Beschreibung. Ueber den dunklen Kalken des unteren Muschelkalks treten fast durchgehends hellgraue Kalke auf, die an den meisten Stellen durch den Reichthum an Crinoidenstielgliedern gekennzeichnet sind. Gleich- zeitig damit tritt eine krystalline Ausbildung des Kalkes ein. Palaeontologische Beschreibung. Dünne Lagen dieses Kalkes sind reich an Versteinerungen. Aus diesen Kalken sind die von Dr. Bittner bestimmten Muschelkalk- brachiopoden des Wildanger, deren Fundort irrthümlich in den Wettersteinkalk verlegt worden war (Lit. 2), wie uns Herr P. J. Gremblich, der dieselben gesammelt hat, ausdrücklich bemerkte. In diesem Horizont sind auch die etwas rauchwackigen Kalke der oberen Mühlauerklamm, in welchen wir eine Anzahl Brachiopoden fanden. Man kann diesen Horizont seiner Versteinerungen halber mit Rothpletz als Brachiopodenhorizont des Muschelkalkes bezeichnen. Versteinerungen. Von P. Gremblich am Wildanger gesammelt und von Dr. A. Bittner veröffentlicht: Waldheimia af. angustaeformis Boeckh. Rhynchonella decurtata Gir. var. vivida Bittn. Spirigera trigonella Schloth. sp. Spiriferina Mentzeli Dkr. sp. . manca Bittn, h spec. ind. 40* 306 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [18] | Von uns in der Mühlauerklamm gesammelt: Waldheimia angustaeformis Boeckh. er nov. spec. ? Ihynchonella aus der decurtata-Gruppe nov. spec.? Spiriferina (Mentzelia) Köveskallensis Suess. Pecten sp. aus der Verwandtschaft des Peeten Margheritae Hauer Pecten, Aviculopecten sp. Oberer Muschelkalk. d) Ammonitenhorizont Rothpletz’, Reiflinger Kalk. Petrographische Beschreibung. Ueber dem Brachiopodenhorizont liegen dichte, hellgraue oder gelblichrothe bis dunkelrothe Kalke, deren Schichtflächen grossknollig sind. Das Gestein ist von ganz dünnen, fleckig angeordneten, rothen, grünen oder gelben Mergelschlieren durchzogen, die manchmal so überhand nehmen, dass der Kalk in lauter einzelne, linsenförmige Knollen von der Grösse kleinerer Muschelkalk-Ammoniten aufgelöst erscheint; manche Bänke sind aber auch aus ganz kleinen, etwa bohnen- grossen Knollen zusammengesetzt. An anderen Stellen tritt der knollige Charakter zurück und die Schichtflächen sind mit länglichen, eigen- thümlich geschlungenen und sich kreuzenden Wulsten von Federkiel- dicke bedeckt, während die wulstigen Schichtflächen gelbbraun gefärbt sind. Die eingelagerten Mergel erlangen stellenweise eine be- deutende Mächtiekeit, so z. B. am Kerschbuchhofe, oder die grünen, porzellanartigen Mergel am Wildanger, welche eine Mächtigkeit von mehreren Metern besitzen. — In den höchsten Horizonten der mergelfleckigen Kalke verliert sich der Mergelgehalt meist, dafür nimmt hier der Gehalt an Hornsteinknollen, der für diesen ganzen oberen Muschelkalk charakteristisch ist, zu; diese treten dann als gelb- liche, runzelige Warzen an die Oberfläche hervor oder sind wie am Höchenberg auch roth gefärbt. Im Muschelkalkzuge vom Kerschbuch- hofe bis zur Arzlerschärte treten unter den mergelfleckigen Kalken röthliche Rauchwacken auf, die in der Gegend der Wasserschroffen bis zur Arzler Jägerhütte eine grosse Mächtigkeit erlangen. Mächtigkeit: Die Mächtigkeit der mergelfleckigen Kalke ist meist ziemlich gering, etwa 5—30 m; im Ganzen erreicht der obere Muschelkalk, besonders dort, wo Rauchwacken stark entwickelt sind, wohl eine Mächtigkeit von 150 m. Da nicht überall alle Theile des Muschelkalks entwickelt oder nicht nachweisbar sind, ist eine Schätzung der Mächtigkeit schwer möglich. Am constantesten sind die roth- oder grünmergeligen Kalke und die hornsteinreichen Kalke entwickelt, so dass diese Gesteine einen der best zu verfolgenden Horizonte in den tektonischen Labyrinthen der Solsteinkette bilden. Palaeontologische Beschreibung. Die linsenförmigen Knollen, welche die knollige Oberfläche hervorrufen und bei stark mergeliger Entwicklung sich absondern, scheinen fast durchwegs auf Ammoniten zurückzuführen zu sein, da [19] _Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 307 man alle Uebergänge von deutlichen Ammoniten zu den Knollen findet, und andererseits in vielen dieser sonst undeutlichen Knollen durch Anschleifen die Kammerscheidewände sichtbar machen kann. E. v. Mojsisovies (die Cephalopoden der mediterranen Triasprovinz, Abhandl. d. geol. R.-A., X. Bd.) veröffentlichte aus diesem oberen Muschelkalke vom Kerschbuchhote: Arcestes Studeri Hauer N Bramantei Mojs. Nautilus Pichlert Hauer $ quadrangulus Pleuronautilus Mosis Mojs. Pichler fand am Kerschbuchhofe: Ceratites binodosus Orthoceras sp. Spirigera trigonella in den „wulstigen Kalken der Seegrube“ Enerinus liliformis und in den „Draxlehnerkalken* der Martinswand (Lit. 37) Daonella Taramelli parthanensis. ” Bei Bittner (Lit. 58) finden wir angegeben vom Kerschbuchhofe Rhynchonella trinodosi. Im geologisch-palaeontologischen Institute der Universität Innsbruck liegen: Nautilus bidorsatus (Kerschbuchhof) Ammonites Studeri 5 Nautilus Pichleri 4 Im Museum Ferdinandeum in Innsbruck liegt vom Kerschbuchhofe eine Ichynchonella semiplecta (identisch mit Rh. trinodosi Bittn., siehe oben) vor. Herr P. J. Gremblich in Hall fand am Wildanger: Orthoceras campanile Mojsisov. Pleuronautilus Pichleri „ ) | Arcestes Bramantei . Ptychites flexuosus R Ceratites trinodosus Sturia Sansovinü a Eigene Funde: ‘Höchenberg: Orthoceras sp. Mühlauerklamm: (Schusterberg) : 3 Proarcestes sp. ind. . Atractites Orthoceras sp. 308 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [20] Megaphyllites sp. ind. Meekoceras (.Beyrichites) sp. ind. Ptychites fleeuosus Mojs. Klammeck: Daonella parthanensis Schafh. Höttinger Alpe: Spirigera cf. Sturi Boeckh. Ichynchonella (Norella) cf. refractifrons Bittn. trinodosi Bittn. Spiriferi ina cf. ptychitiphila Bittn. Rhynchonella vivida Bittn. Terebratula cf. vulgaris Schloth. Lima sp. Pecten (Entolium) sp. Macrodon sp. Gehänge der Kaminspitzen und Mühlauerklamm: Pleuronautilus semicostatus Beyr. 2 ind. Orthoceras campanile Mojs. Atractites sp. ind. Ceratites trinodosus Mojs. ® Beyrichi re 5 nov. f. Meekoceras (Beyrichites) ZOeenL Beyr. R maturum Mojs. ? Ptychites flexuosus Mojs. n acutus n R gibbus * 3 megalodiscus Mojs. Gymnites incultus Beyr. Palmai Mojs. ? Monophyllites sphaerophyllus Hau. Pinacoceras sp. ind. Psilocladiscites molaris Hauer Proarcestes Bramantei Mojs. 5 Escheri h, ind. » Diese Kalke repräsentiren also in Folge ihrer Fauna genau die Zone des Ceratites trinodosus Mojs. (Schreyeralmschichten Mojsiso- vies’), was bisher nur von dem Vorkommen am Kerschbuchhofe be- kannt war. Diese Kalke hat Pichler als Draxlehnerkalke bezeichnet. Da aber das Alter der zu dieser Namensgebung verwen- deten Kalke von Draxlehen bis jetzt noch nicht sicher steht, so kann dieser Name nicht verwendet werden und wir schlagen vor, diese Kalke, da sie dem Ammonitenhorizont in Rothpletz’ „Karwendelgebirge“ (Lit. 47) entsprechen, sie auch mit diesem Namen zu bezeichnen. Im Uebrigen sei hier auf die Mit- theilungin den Verhandlungen der geologischen Reichs- Anstalt 1898 verwiesen. he 1 E > [21] Geo]. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 309 In den auf den Muschelkalk folgenden Ablagerungen tritt eine mächtige Verschiedenheit der Ablagerungsgebiete ein, die zunächst näher besprochen werden soll. Faciesbildungen. (Partnachschichten, Wettersteinkalke.) Die Solsteinkette ist zur Beleuchtung jener Faciesschwankungen, die im obersten Muschelkalke beginnen, in den Partnach- und Wetter- steinschichten ihre grösste Ausbildung erlangen und mit den Raibler- schichten wieder ausgeglichen werden, besonders geeignet. Es sind hauptsächlich zwei verschiedene Faeies, die hier auftreten und gegen Osten Uebergänge zu einer dritten zeigen. Beschreibung der einzelnen Facies. I. Karwendelentwicklung. Muschelkalk, in den oberen Lagen als Ammonitenhorizont in den verschiedenen Abänderungen entwickelt; darauf folgen wieder dunkelgraue Kalke, die meist schon zum Wettersteinkalk gerechnet werden — Pichler’s unterer Theil des Wettersteinkalkes — da sie ähnlich verwittern, die aber Ver- steinerungen der Partnachschichten führen und also wohl die Partnachmergel vertreten. (Näheres darüber später.) Diese grauen Kalke gehen nach oben in den hellgrauen Wettersteinkalk über, der dann scharf gegen die Raiblerschichten abgrenzt. II. Innthalentwicklung. Auf die knolligen Bänke des oberen Muschelkalkes folgen mehrere Mergelzüge (im grossen Ganzen zwei) durch Kalkbänke getrennt: die gewöhnlichen Partnach- schichten (näheres später). Darauf folgt bei Thauer (einziger guter Aufschluss der Facies) ein grauer, zertrümmerter Dolomit, über den eoncordant mit Partnachschichten und Muschelkalk die sicheren Raiblerschichten folgen. Dieser Dolomit scheint daher den oberen Wettersteinkalk zu vertreten, während die Partnachmergel und Kalkcomplexe die unteren Theile des Wettersteinkalkes (Partnachkalke) vertreten dürften. Bei Martinsbühel ist eine Stelle gegeben, wo die Partnach- schichten noch zwischen Wetterstein- und Muschelkalk jenes Schicht- zuges liegen, der im östlichen Verlauf die Karwendelfacies zeigt. Sie bilden dort zwei mächtige Mergelzüge, die östlich von Martins- bühel völlig auskeilen, während im östlichen Theile des Höchen- berges zwischen Muschelkalk und hellem Wettersteinkalk die dunklen . unteren Kalke der Wettersteinschichten liegen. Gleichzeitig sind wir bei Zirl in einem Theile des Wetterstein- kalkes angelangt, der zwischen Raiblerschichten und Partnachmergeln auf etwa 400 m einschrumpft; dann versinkt er unter den Alluvionen der Thalsohle und taucht nicht mehr auf, während seine ihn ein- schliessenden Begleiter bei Mötz in concordanter Lagerung er- scheinen (Lit. 50). Zwischen den beiden so verschiedenen Zügen der Karwendel- facies, welche den Kamm der Solsteinkette bildet, und der Innthal- 310 Otto Ampferer and Wilhelm Hammer. [22] .facies, welche die unteren Gehänge derselben einnimmt, taucht ein schmaler Streifen von Wettersteinkalk auf, der von der Vintlalpe bis zum Hackl ober Absam streicht und durch seine auffallend ge- ringe Mächtigkeit einen Uebergang zwischen den grossen Verschiedenheiten der beiderseitigen Entwicklungen bildet. Zwischen den zu diesem mittleren Zuge gehörigen Part- nachmergeln und dem Wettersteinkalk liegt zwischen Gaschaffl und Weiss-Reissen ein schmaler Dolomitzug, den man wohl auch als Uebergangsglied zur Karwendelfacies auffassen kann, indem hier die Wettersteinschichten noch theils durch Dolomit, theils durch echten Wettersteinkalk vertreten sind. Oestlich von Thauer tritt noch ein Uebergang zu der von Schlosser und Böse nachgewiesenen Triasentwicklung') des Unterinnthales ein. Ueber den Partnachschichten folgt ein grauer, zerklüfteter Dolomit, auf den in der Thaurerklamm die Raiblerschichten folgen, die aber gleich nördlich vom Romedius- kirchlein (ober Thauer) in der Winterkühl in Dolomit übergehen, der sich mit dem darunter liegenden und dem darauffolgenden Dolomit zu einer gewaltigen, nur durch einen schmalen Rauchwackestreif getrennten Masse vereint, die den ganzen Vorberg des Zunderkopfes bildet; die Verhältnisse sind also denen von Böse von Ramsau in Berchtesgaden ähnlich, was die westliche Grenze dieser Facies bis Thauer herauf verlegen würde. Daraus ersieht man, wie die Gegend der jetzigen Solsteinkette in der Zeit der Ablagerung der oberen Trias vom Muschelkalke auf- wärts der Schauplatz grosser Verschiedenheiten der Ablagerungs- bedingungen war. Es nähern sich hier von West und Ost zwei weit- ausgedehnte Faciesgebiete, während die Richtung. des Gebirges die Östwestgrenze einer weiteren Entwicklungsverschiedenheit ist: von West die Vorarlberger Entwicklung bei Mötz (Muschelkalk, Partnach- schichten, Raiblerschichten 2), von Ost die Unterinnthaler - Entwick- lung, wo der Dolomit mit nur stellenweiser Einlagerung von Mergel- schichten vom Buntsandstein bis zum Dachsteinkalk reicht — beide Entwicklungen mit dem Gemeinsamen, dass der Wettersteinkalk nicht als solcher entwickelt ist; — dem gegenüber die Karwendelfacies mit den gewaltigen Massen des hellen Kalkes. 3. Partnachschichten. Hier sind zunächst die Partnachschichten im engeren,. älteren Sinne gemeint, also die Kalkmergeleomplexe, während die auch hier- her gehörigen unteren Horizonte des Wettersteinkalkes, des Zu- sammenhanges mit den früheren Auffassungen wegen, bei den Wetter- steinschichten besprochen werden sollten. !) E. Böse. Weitere Beiträge zur Gliederung der Trias in Berchtesgaden und in Salzburg. Verh. d. k. geol. R.-A. 1895. — Zur Gliederung der Trias in Berchtesgaden. N. J. f. Min. ete. 1895. Schlosser. Zur Geologie Nordtirols. Verh. der k. k. geol. R.-A. 1895. ?) Th. Skouphos. Die Entwicklung und Verbreitung der Partnachschichten in Vorarlberg und Liechtenstein. Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1893. [23] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 311 Petrographische Beschreibung. Die Partnachschichten i. e. S. bestehen aus Mergeln, Kalken und Dolomiten. Sandsteine fehlen diesen Schichien vollständig, was ein zur Unterscheidung von den petrographisch ähnlichen Raibler- schichten sehr werthvolles Merkmal ist. Die Mergel sind schwarz und fein geschiefert und von zahllosen Sprüngen und Spalten durch- setzt, so dass sie an festeren Partien der Schichten in griffelförmige Stücke, an weicheren in seidenglänzende Blättchen und Grus zer- fallen, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass sich an ihnen die gebirgsbildenden Kräfte am meisten geltend machen und ausgleichen. Zwischen diesen schiefrigen Partien liegen in Abständen feste, muschelig brechende Bänke von schwarzem Mergelkalk von 1—2 dm Dicke. Häufig liegen diese mergeligen Kalke aber auch als deeimeter- dicke, linsenförmige Stücke zwischen den Mergeln eingeschlossen und diese Lagerung ist besonders charakteristisch für die Partnachschichten. Die Kalke der Partnachschichten. Die Kalke der Partnachschichten sind feste, graue Kalke, die diekbänkig geschichtet sind. Ueber ihnen liegt: in der Thaurerklamm ein Dolomit, der sich wenig von den anderen Dolomiten dieser (Gegend unterscheidet. Die Reihenfolge der Gesteinselemente in den beiden hauptsächlich in Betracht kommenden Aufschlüssen dieser Schiehte in der Thaurerklamm und am Hochenberg, kurz östlich vom Martinbühel ist ziemlich analog; zwei grössere Mergel- eomplexe, die von einem Kalkzug, der bei Thauer ungefähr 20 m, am Höchenberg aber sehr gering mächtig ist, getrennt werden. Am Höchenberg folgen auf den zweiten Mergelcomplex dickbänkige, graue Kalke, die nach oben allmälig in die hier ungeschichtete Masse des Wettersteinkalkes übergehen, während bei Thauer der oben genannte Dolomit folgt. Mächtigkeit. Am Höchenberg ungefähr 150 m,.bei Thauer un- gefähr 500 m, wovon ungefähr 300 m auf den Dolomit entfallen. Von Fossilien fanden wir nur in der mittleren Kalkbank bei Thauer die Daonella parthanensis, die auch Pichler an eben dem- selben Fundort gefunden hat. Ausserdem gibt Pichler von diesem Ort an: Chondrites prodromus Bactryliium canaliculatum. Die Mergel geben schon wegen ihrer ausserordentlichen Zer- trümmerung wenig Aussicht auf Auffindung von Fossilien. 4. Wettersteinschichten. Partnachkalke und Wettersteinkalk. Petrographische Beschreibung. Es liegen in dieser Stufe fast durchwegs graue Kalke mit blei- grauer Verwitterungsfarbe vor. Doch fehlen auch nicht eine ganze Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 41 512 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [24] Menge von Farbenabänderungen von feinkörnigem, fast weissem Kalk bis zu dunkelgrauen Lagen. Häufig findet sich auch, besonders bei recht zersplittertem Gesteine, gelbe bis grellrothe Verwitterungs- farbe. In den obersten Horizonten treten stellenweise, z. B. am Höchenberge, Dolomit und dolomitische Kalke ganz von der Farbe des hellen Wettersteinkalkes auf. Sie gehen nach unten allmälig in den Kalk über. Die Kalke brausen mit Säure stark auf. Sie brechen leicht in kleinere, würfelähnliche Stücke, die, wenn die Kanten abgestossen sind, leicht ins Rollen gerathen. Die Folge davon sind die langen hellen Schuttströme im Gleierschthale, die eine solche Riesenentfaltung gewonnen haben, dass sie Bargmann (Lit. 1) zu seinen Studien über jüngste Ablagerungen als Musterausbildung ver- wendete. Auch die Kare sind fast ausschliesslich in die Wetter- steinschichten eingelagert, von ‘denen das Gleierschthal zu beiden Seiten wunderschön ausgebildete enthält. Die Dolomite zeigen Zer- spaltung und Verwitterung in ganz kleine Stückchen und geben daher dem Pflanzenwuchse besseren Boden. Die Wettersteinschichten sind in unserem Gebiete fast ausnahmslose schön geschichtet, nur am Höchenberge liegt ein grösstentheils ungeschichteter Block vor. Die grossoolithische Strucetur dieser Kalke ist schon oft erwähnt worden. Sie ist auch in unserem Gebiete überall zu sehen; am schönsten auf den Kaminspitzen. Auch die Versteinerungen sind oft von Oolithrinden umschlossen, und umgekehrt füllen oft oolithische Gebilde die Hohlräume der Versteinerungen aus. Mächtigkeit. Der gesammte Wettersteinkalk ist der mächtigste Schiehteomplex des Gebietes. Er erreicht an den Nordhängen der _ Solsteinkette eine Mächtigkeit von mindestens 1500 m, stellenweise wohl bis zu 1500 m, wobei die unteren Horizonte am Hauptkamm der Solsteinkette nicht mitgerechnet sind. Nur am -Höchenberg ist seine Mächtigkeit auf wenige 100 m beschränkt und noch mehr an dem oben erwähnten mittleren Zuge. Gliederung der Wettersteinschichten. Leicht kann man schon blos mit petrographischen Merkmalen den ganzen Wettersteincomplex in zwei Theile zerlegen. Allerorts macht man die Beobachtung, die wohl Pichler zuerst gethan, dass im Liegenden dunklere Kalke auftreten, die gegen das Hangende zu lichter werden und dann stellenweise in Dolomit übergehen. Diese dunkleren Kalke sind es auch, die weit eher Versteinerungen liefern, als die oberen helleren Lagen. Vom Frauhüttsattel bis beinahe zum Thörl krönen diese Kalke die Höhen des Innthals und sind in unserem Gebiet nur auf diesen zu sehen. Sie zeigen die oolithische Struetur in der schönsten Ausbildung. Palaeontologische Beschreibung. Ebenso wie sich die zwei Stufen dem Gesteine nach unter- scheiden, unterscheiden sie sich nach den Versteinerungen. Die unteren dunklen Kalke enthalten eine Fauna, welche gutentheils der der Partnachschichten entspricht. Die hellen oberen Kalke [25] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. a3 dagegen enthalten fast nur die dickwandigen Thurmschnecken, die dem Wettersteinkalk den Namen der Chemnitzienschichten gegeben haben. Ausserdem enthalten sie besonders im Gleierschkamme noch zahllose, 1 cm lange oder noch kleinere, oft sternförmig ange- ordnete, messerstichartige Vertiefungen, die im frischen Bruch oft zum Theil mit einer röthlichen, porösen Masse erfüllt sind, z. B. im Riegelkar. Versteinerungen der Partnachkalke (unterer Horizont des Wettersteinkalkes). Von den von Pichler veröffentlichen Fossilien des Wetter- steinkalkes dürften ziemlich sicher aus den unteren Horizonten sein: Inoceramus oenipontanus, Höttingergraben (Lit. 30) Pichler. Monotis salinaria (Halobia Lommeli) (Lit. 31) Monotis lineata Arzlerscharte (Lit. 34) Avicula lineata (Lit. 31) Terebratula angusta „untere Chemnitzienschichten“, Höttinger- alm (Lit. 30). Nullipora annulata de ee Ohaetetes annulatus ang! (Lit. 32) Ebenso gehört hieher der von Mojsisovics (Gephalopoden der mediterranen Triasprovinz 1. e.) am Höttingerberg gefundene Megaphyllites oenipontanus Mojs. In dem geologisch-palaeontologischen. Institute der Universität Innsbruck liegt: Ammonites Jarbas, Frauhütt. Pecten formosus, Hötting. Pinacoceras aus der Verwandtschaft der P. san- dalinum Mojs., Hötting. Ob diese 3 letzteren Stücke aus dem unteren Wassersteinkalke sind, ist nicht sicher! Eigene Funde: Sattelspitze: Daonella parthanensis. Gehänge des Wildangers: Aviculopecten cf. Wissmanni Münster. Cidaris spec. nov.? Ellipsactinia. Mühlauerklamm (Arzlerreise): Orthoceras sp. Atractites sp. Megaphyllites oenipontanus Mojs. ? Sageceras sp. Mysidioptera sp. nova (verwandt mit Mysi- dioptera fassaensis Salom. u. M. Klipsteiniana und Ampezzoana Bittner). 41* 314 Otto Ampferer und Wilhelım Hammer, [26] Pecten ef. stenodictyus Salomon. Rhrjnchonella protractifrons Bittn. (die Form Salomon’s von der Marmolata). Spiriferina Cassiana Laube. Aulacothyris cf. angusta Schloth. Daonella obligqua Mojs. (desecata Schafh.) Daonella Pichleri Mojs. Terquemia sp. (nov.?) Calamophyllia sp. Colospongia. Traumatocrinus sp. (Poroerinus). Gyroporella annulata. Hafelekar: Anoplophora nov. spec. Daonella parthanensis. Schafhäutlia sp. Pecten spec. nov.? Terebratula spec. no». Rhynchonella sp. Spirigera ex af. Wissmanni Seegrube: Spirigera ex af. Wissmannt. Avieulopeceten sp. Terquemia sp. Lima sp. Pecten sp. (nov.?) Pecten aff. stenodietyus Salomon. Pecten sp. Mesalodonartige Bivalve, ähnlich gewissen kleinen Cassianer-Arten. Pecten nov. sp. Colospongia Cidaritenstachel. Versteinerungen des oberen Wettersteinkalkes: Chemnitzia Rosthorni, Wildanger, Arzlerscharte. - eximia, i tumida, Hohe Warte. 5. Raiblerschichten. Petrographische Beschreibung. Die Entwicklung der Raiblerschichten ist in unserem Gebiete sowohl in Bezug auf Mächtigkeit als auch Gesteinsart eine sehr mannigfaltige. Ein ständiger und charakteristischer Bestandtheil sind Sandsteine von blaugrauer oder grünlicher Farbe des frischen Bruches und mehr weniger ockerfarbener Verwitterungsfarbe. Sie sind feinkörnig, meist von bedeutender Härte, enthalten kohlige Reste von Pflanzen und an manchen Stellen kleine, kugelige Erz- [27] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 515 eoneretionen. Meist sind sie ziemlich dünn gebankt. Ausser diesen Sandsteinen kommen dunkelgefärbte Mergel und Thonschiefer vor von meist feinblättriger Absonderung. Zwischen den Mergeln liegen oft dünne Kalkbänke von brauner Verwitterungsfarbe. Ein stark ver- tretener Bestandtheil der Raiblerschichten sind ferner schwarze, feste Kalke, meist in 1--2 m dicke Bänke geschichtet, von zahlreichen Caleitadern durchzogen. In der Thaurerklamm zeigen diese Kalke auch ein knollige Oberfläche, was aber nur an dieser Stelle beob- achtet wurde. In den tieferen Horizonten kommen auch hellere Kalke vor. Die schwarzen Kalke sind oft als Oolithe, deren Korn 1-10 mm Durchmesser hat, entwickelt. In den höheren Theilen nehmen die Dolomite stark überhand. Zwischen den Dolomiten liegen oft Rauchwacken, die besonders im Hinterauthale stark ent- faltet sind. Diese Dolomite machen auch eine scharfe Abgrenzung der Raiblerschichten gegen den Hauptdolomit sehr schwer, ja gar nicht durchführbar. Mächtigkeit. Diese ist in diesen Ablagerungen schwankender als bei allen anderen Schichten, wenn auch einzelne anscheinende „Mächtigkeiten* durch Lagerungsstörungen beeinflusst sind. An manchen Stellen, z. B. in der oberen Thaurerklamm, sind sie nur in einem wenige Meter breiten Sandstein- und Mergelstreifen vor- handen, während in der unteren Thaurerklamm sie eine Mächtigkeit von circa 650 m ergibt. Sehr mächtig sind sie in der Zirlerklamm entwickelt in Folge der grossen Dolomitzüge, die noch dazu gezählt werden müssen; hier sind die Raiblerschichten ungefähr 700 m (3000 Fuss bei Pichler) mächtig. Im Hinterauthal schwankt die Mächtigkeit zwischen 300—700 m. | Verbreitung und Ausbildung. Die Reihenfolge der einzelnen Gesteinsglieder ist nur in den Hauptzügen an den verschiedenen Stellen gleich. Durchwegs liegen Sandsteine und Mergel in den tieferen Horizonten, Dolomit und Rauchwacke in den höheren. In einzelnen herrscht auf kurze Strecken starker Facieswechsel. In der Thaurerklamm z. B. ist die Reihen- folge: Kalk (5—10 m); Sandstein (circa 30 m); Kalk (eirca 10 m); Scehieferthon, Mergel und Sandstein (eirca 15 m) — in dieser Gruppe, speciell in den Sandsteinen wurden die Versteinerungen gefunden ; — Kalk mit knolliger Oberfläche; Mergel (circa 1 m); Kalk; Mergel; Dolomit und weiter westlich auch Rauchwacke in bedeutender Mächtigkeit. Gegen Westen (von der Thaurerklamm aus) schwellen die Sandsteinzüge zuerst zu noch bedeutenderer Mächtigkeit an, nehmen dann aber rasch ab, so dass bei der Rumeralpe nur noch ein circa 1 m breiter Streifen davon zu finden ist. Gegen Osten (von der Thaurerklamm aus) treten an die Stelle der Mergel und Sand- steine Dolomite, wie schon früher bemerkt wurde. Der Raibler- schichtenzug der Mühlauerklamm zeigt, hintereinander sechsmal wechselnd, Kalk- und Mergelsandsteinzüge und darüber noch eine dolo- mitische Breccie. Im Höttingergraben finden wir in stark gestörter Lagerung dunklen Kalk, Sandstein, schwarzen Kalk, Dolomit. Die von 316 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [28] Wöhrmann ausgeführte Gliederung. der Raiblerschichten ist am voll- ständigsten entwickelt in dem Zuge der Raiblerschichten Zirl—Erlsattel —Gleierschthal— Hinterauthal— Halleranger. Das Profil von Zirl hat Piehler (Lit. 38) genauestens beschrieben, den Frlsattel finden wir bei Wöhrmann (Lit. 54) eingehend geschildert. Der Haller- anger ist von demselben und mehreren anderen Autoren beschrieben worden, so dass wir diesbezüglich auf die Literatur (Lit. 50, 54, 24, 44, 47 u. a.) verweisen können. Die Entwicklung des Halleranger setzt sich gegen Westen fort am grossen und kleinen Gschnierkopf und bei P. 1903 ober der Lafatscheralpe, nur etwas schmächtiger ent- faltet. Im nördlichen Zuge der Raiblerschichten der Hinterauthaler- mulde treten die Carditaschichten — um mit Wöhrmann zu sprechen — sehr zurück, während die Torerschichten (Opponitzer- schichten) eine auffallend starke Entwicklung zeigen, z. B. bei Hinteröd. Auf der Südseite des Gleierschthales ist die Entwicklung der am Erlsattel ganz ähnlich; auf der Südwestseite des hohen Gleiersch bietet die Lagerung kein Profil durch den ganzen Schicht- complex, doch scheinen die dunklen Kalke sehr stark entwickelt zu sein. Prinzinger (Lit. 44) erwähnt von der Nähe der Amtssäge ein Vorkommen von opalisirendem Muschelmarmor, doch scheint der Aufschluss derzeit verschüttet zu sein, was auch P. Gremblich bestätigte. Im Hallthale, dessen Raiblerschichten am Kartelser Jöchl zu denen des Gleierschthales in einer gewissen Beziehung stehen, ist die Entwicklung auch der an diesen Orten ähnlich (Lit. 24). Die Fortsetzung der Hallthaler Raiblerschichten gegen Osten am Walder- kamm ist in so gestörter Lagerung, dass immer nur einzelne Theile der ganzen Schicht zum Vorschein kommen. Im Ganzen zeigt sich, dass auch in den Raiblerschichten noch die zwei grossen Faciesbezirke der oberen Trias sich bemerkbar machen: Der Zug Zirl—KErlsattel—Gleierschthal— Hinterauthal und Hallthal — Walderkamm gehört der Karwendelfacies an, die im Einzelnen geringe Faciesschwankungen zeigt, und die Raiblerschichten des Innthalgehänges gehören der Innthalfacies an, in der besonders die Sandsteine neben den Dolomiten sehr stark entwickelt sind. Eine Gliederung in Unterabtheilungen und Horizonte ist in Folge der schwankenden Entwicklung und des Versteinerungsmangels vieler Theile mit Ausnahme einzelner Stellen, wie Zirl, Erlsattel, Halleranger nicht durchführbar. In Thauer dürften die versteinerungs- führenden Sandsteine den Versteinerungen nach theils dem Horizont e Wöhrmann’s (Anaplophora recta, Cardita erenata, Equisetites arend- ceus u. a.), theils den Torerschichten (Pecten filosus, Pecten sub- alternans, Placunopsis fissistriata, Ostrea montis caprilis u. a.) ange- hören. Auch die Sandsteinbank mit Abdrücken von Megalodon und Cardita ist da. Das Vorkommen des Halobia rugosa in den Sand- steinen ober dem Galzanhofe kann der Lage nach auf Horizont «a gedeutet werden, doch liegen andere begleitende Versteinerungen als Beleg nicht vor. Betreffs der Hallerschichten Rothpletz’ schliessen wir uns der Ansicht Wöhrmann’s von der technischen Unmöglichkeit der Abtrennung an. [29 Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 317 Versteinerungen. Zirlerklamm (ausser den überall vertretenen Leitfossilien sind angegeben): | Pichler (Lit. 37, 38); Terebratula vulgaris Cardita decussata Nueula expansa Dentalium arctum Pterophyllum Haidingeri Pecopteris Steinmülleri Equisetites arenaceus Acrodus-Zahn. Bei v. Wöhrmann'’): Avieula aspera Pichl. Cassianella Sturi Wöhrm. Megalodus complanatus Wöhrm. Sageceras Haidingeri. Hittner?): Spiriferina gregaria Terebratula Wöhrmanni Thecospira Gümbeli. Eigener Fund: Pecten filosus. t Erlsattel (ausser den gewöhnlichen Leitfossilien): v. Wöhrmann?): Omphalophyllia boletiformis Münster Thamnastraea Zitteli Wöhrm. 2 Richthofeni Wöhrm. Montlivaultia tirolensis Wöhrm. Cidaris Braunii Desor. „ Buchü Münster Ampbhielina seitula Bittner Terebratula Zirlensis Wöhrm. Placunopsis fissistriata Winkler Hinnites Ombonii Parona Cassianella Sturi Wöhrm. Tretospira multistriat« Wöhrm. Amauropsis paludinaris Münster P sanctae erueis Wöhrm. Ptychostoma pleurotomoides Wissm. Scalaria fenestrata Wöhrm. | Patella Böhmi Wöhrm. | Acrodus angustissimus Agass. !) v. Wöhrmann, Die Raiblerschichten. Jahrb. d. geol. R.-A. 1893. ®) Bittner, Brachiopoden der alpinen Trias. Abh. d. geol. R.-A. 1890 u. 93. °,; v. Wöhrmann, Die Raiblerschichten. Jahrb. d. geol. R.-A.: 1893. 318 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [30] Gleierschthal (ausser den Leitfossilien gibt an): Piechter (li& >31): Cidaris alata Dentalium arctum Terebratula vulgaris. v. Wöhrmann!)): Montlivaultia tirolensis Cidaris Gümbeli Wöhrm. Avicula gea d’Orb, „ aspera Pichler Astartopis Richthofeni Stur. Hallersalzberg (ausser den Leitfossilien sind angegeben): Pichler (Lie 31). Calamophora sp. Seyphia sp. Astraea sp. Achilleum sp. Urania Gümbeli Oidaris dorsata Enerinus granulosus Naticella plicata 5 rugosa Turritella conica Dentalium arctum Ammonites Joannis Austriae 5, Aon, floridus, robustus. Bei vv. Wöhrmann?): Thamnastraea Zittei Wöhrm. Montlivaultia tirolensis Wöhrm. Cidaris Buchii Münster „. Gümbeli Wöhrm. Ostrea rudicostata Wöhrm. Placunopsis Rothpletzi Pecten Schlosseri Wöhrm. Cassianella Sturi Wöhrm. Halobia Lommeli Wissm. Nucula Telleri Wöhrm. Opis Hoeninghausii Klipst. Pleuromya musculoides Schloth. Tretospira multistriata Wöhrm. Scalaria fenestrata Wöhrm. Nautilus Sauperi Wöhrm. 2 oenanus Mojs. Arcestes cymbiformis Wulf. Trachyceras medusae Mojs. !) Siehe oben. ?) Siehe oben. [31] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 319 Bittner!):: Spiriferina gregaria Suess. Hoernesia Sturi Wöhrm. spec. Myophoria inaequicostata Klipst. a Wöhrmanni Bittn. S Rosthorni Boud Myophoricardium lineatum Wöhrm. Macrodon jutensis Pichler Nucula subaequilatera Schafh. . „ Telleri Wöhrm. Leda tirolensis Wöhrm. Mysidioptera incurvostriata Gümb. spec. Cardita Gümbeli Pichler. P..Gremblich?): Katosyra proundulata. Halleranger, siehe Literatur. Mühlauerklamm : Prehler.(Lıt/ 32): Ostrea montis caprilis Pentacrinus propinqwus Cardita erenata Myophoria Kefersteini. Weiherburggraben: nuchler; Ostrea montis caprilis. tumeralm: Pichler (Lift. 35): Corbis Mellingt Ostrea montis caprilis Baetryllium canalieulatum. Galzanhof: Prchier: Myophoria Kefersteini Ammonites Aon? Eigener Fund: Halobia rugosa. Thaurerklamm: Preliler (Lit. 31, 32): Östrea montis caprilis Perna Bouei Corbis Mellingi Myophoria Kefersteini Cardita cerenata Pentaerinus propingwus Equisetites arenaceus Bactryllium canaliculatum. !) Bittner, ZLamellibranchiata der alpinen Trias. Abh. d. geol. R.-A. 1895. ®) Mündliche Mittheilung. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 49 320 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer, [32] Im geologisch-palaeontologischen Institut der Universität Inns- bruck liegt: Myophoria lineata Pecten filosus. Eigene Funde: Placunopsis fissistriata Winkler Pecten subalternans d’Orb. Anoplophora recta Gümbeli Megalodon sp. Pecten Schlosseri Wöhrm. Bactryllium canaliculatum. 6. Hauptdolomit (u. Plattenkalk). a) Hauptdolomit. Petrographische Beschreibune. Aus den Opponitzer Kalken geht concordant der Hauptdolomit hervor. Er ist im frischen Bruche blau- oder bräunlichgrau, an der Verwitterungsfläche gelblichgrau. Er ist meist gut geschichtet in /a—2 m dieken Bänken. Innerhalb der Schichtbänke zerbricht er in kleine polygonale Stückchen, da er von zahllosen, in allen Richtungen sich Kreuzenden Spalten durchsetzt ist; die Spaltflächen sind dann oft mit einem milchigweissen Häutchen von Carbonatausscheidung überdeckt. Er besitzt fast immer einen mehr oder weniger starken Gehalt an Bitumen, der sich in kalkigen Einlagerungen des Haupt- dolomites bis zur Ausbildung von Stinkkalken und Asphaltschiefern steigert. Diese Einlagerungen liegen concordant zwischen den Dolomit- bänken, sind dünnbankig bis schiefrig und keilen allmälig in Dolomit aus. Auch in verticaler Richtung findet ein allmäliges Verschwinden durch Dünnerwerden der bituminösen Schichten und Dickerwerden der Dolomitzwischenlagen statt. Auch Breeeien von Schiefern und Dolomit, beziehungsweise Kalk, die ganz zu einem festen, dichten Gestein umgebildet sind, kommen bei den Seefeldergruben (zwischen Seefeld und Scharnitz) vor. Im Kleinen zeigt der Asphaltschiefer als plastisches Material zwischen den festen Dolomitbänken meist eine intensive Fältelung. Grössere Züge von bituminösen Schiefern und Kalken treten nur in den oberen Horizonten des Hauptdolomites auf. Die Asphaltschiefer werden an mehreren Punkten bergmännisch abgebaut zur Gewinnung des Asphaltes und seiner Nebenproducte. Näheres darüber siehe bei Isser (Lit. 15). Im Grossen genommen sind hauptsächlich drei Züge von Schiefern da. Der südlichste: Asphaltfabrik (Hamoni)—Schoasgrat — Ursprung— Eppzirl—Moderkarl- spitz—Zirmalpe, der mittlere, schmächtige, am Seefelderjoch und Sonntagsköpfl und der dritte nördliche des Seefelderjoches. Diese drei Züge ziehen fast durch das ganze Gebiet der Seefelder Berge. Zur Verfolgung derselben im Einzelnen fehlte besonders bei den beiden nördlichen im nordöstlichen Theile die Zeit. [33] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 321 Mächtigkeit. Diese lässt sich in dem Gebiete nicht bestimmen, da an keiner Stelle das Hangende und Liegende in eoncordanter Schichtfolge zu sehen ist, oder eines von beiden fehlt. Jedenfalls ist die Mächtigkeit in den Seefelderbergen eine sehr srosse, die der des Wettersteinkalkes ähnlich sein dürfte. Palaeontologische Beschreibung. Versteinerungen haben im Hauptdolomit bisher nur die Asphalt- schiefer gegeben, die wegen der in ihnen gefundenen Fischreste auch „Fischschiefer* genannt wurden. An diesen Fossilien wurde auch das rhätische Alter des Dolomits festgestellt. Die Fische der Seefelder Asphaltschiefer hat zuerst Heckel (Lit. 14) beschrieben, der sie für liasisch hielt, und dann Kner (Lit. 18) eingehend bearbeitet, auf dessen Arbeit wir statt einer Aufzählung verweisen. b) Plattenkalk. An der Nordseite des Absamer Zunderkopfes und des Hochmahd- kopfes liegt zwischen Hauptdolomit und Kössenerschichten ein dichter, hellgrauer Kalk, aus dem wir keine Versteinerungen besitzen. Die Mächtigkeit ist gering. Da er kein weiteres Kennzeichen als seine Lagerung hat, so kann er nur mit Wahrscheinlichkeit als Plattenkalk angesehen werden. Auf der Karte ist er nicht eigens ausgeschieden, sondern mit der Farbe des Hauptdolomites bezeichnet. 7. Kössenerschichten. Petrographische Besehreibung. Die Kössenerschichten bestehen ausschliesslich aus Bänken von dunklem Kalke und festen, schwarzen Mergeln, die ziemlich regelmässig miteinander wechseln. Die Mächtigkeit ist gering, von 5—30 m. Die Kössenerschichten bilden einen guten Quellenhorizont und sind daran auch bei Ueber- wachsung leicht zu erkennen. Palaeontologische Beschreibung. Sie sind fast überall reich an Versteinerungen; die Zahl der Arten ist aber eine verhältnissmässig geringe, da meist in ganzen Bänken eine Art fast allein vorhanden ist. Pichler (Lit. 31) fand in den Kössenerschichten: Fischwirbel (b. St. Magdalena i. .Hallthal) Spiriferina uncinata 5 Emmrichi Spirigera oaycolpos Terebratula piriformis 5 cornuta Ichynchonella fissicostata 42* 3233 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [34] Ihynchonella subrimos« Modiola Schafhäutli Gervillia infleta Ostrea Haidingeri Hi 7 interhornalpe Plicatula ek ! Herr P. Gremblich theilte uns mit: Ophiura sp. (Hinterhornalpe, Kaspermahd) Choristoceras debile (Fallbachklamm) ausserdem mehrere der früher angegebenen Fossilien. Eigene Funde (ausser mehreren von Pichler angeführten): Hallthal: Anomia alpina Winkler Spiriferina uncinata Schafh. Modiola minuta (?) Goldf. Avicula Kössenensis (?) Ditmar. Cardium rhaeticum Mer. Anatina praecursor Qu. Anomia fissistriata Winkl. Fallbachklamm: | Choristoceras sp. Cardita austriaca Hauer Ohondrites Avieula efr. Kössenensis Dittmar. Spiriferina Suessi Winkler Walderalm: Terebratula gregaria Swess Spiriferina Emmrichi , ? Cassianella speciosa Mer. 8. Lias. I. Adnether Entwicklung. Petrographische Beschreibung. Ueber den Kössenerschichten liegen am Walderkammgebirge dichte, feste Kalke von rother oder grauer Farbe. Stellenweise sind sie marmorartig entwickelt (besonders die dunkelrothen), auf der Walderalpe sind sie Marmorbreccien ähnlich. Die Farbe wechselt an manchen Stellen fleckenartig zwischen roth und grau, z. B. in der Schlucht neben der Ganalpe. Die grauen Kalke sind entweder ganz hellgrau oder dunkel- bis schwärzlichgrau, z. B. östlich von der Walderalpe. Der Bruch ist muschelig, die Härte durchwegs sehr gross. Auf der Nordseite des Walderjoches und bei der Hinter- hornalpe liegen metallischblau-schwarze Schiefer zwischen den Kalken, die früher auf Mangan ausgebeutet wurden. An diese Kalke dürfte auch der weissliche, stellenweise körnige Kalk, der auf der Walder- alpe neben den Liaskalken liegt, sich anschliessen. Versteinerungen sind aus demselben keine gefunden worden. Besonders spricht die We Beschreibung des südl. Theiles des aan ec a 323 ordante ein dieses Kalkes in der Ganschlucht für seine »hörigheit zum Lias. Die Mächtigkeit aller dieser Kalke ist gering, zwischen 20 und (00, m. ; 4 F En; -. Palaeontologische Beschreibung. SE ichler (Lit. 31) fand in diesen Schichten: > Spiriferina uncinata, Fallbachschlucht. belemnites sp. re Toren lieh theilte uns mit: neeklamm: R- Te sp. Wantlalpe: ps Spiriferina gregaria. Terebratula Aspasia. Be ‚Waldheimia Engelhardti Oppel. 3 Fallbachklamm : De. x Spiriferina Dariini Rothpl. 3 Wantlalpe ! R& Harpoceras cf. Masseanum d’Orb. var. er mediterraneum Gemmellaro. % Rhacophyllites diopsis Gem. E Nautilus cf. latidorsatus d’Orb. = Eigene Funde: _ Walderjoch: = Ichynchonella plicatissima (Quenst. Belemnites sp. = Pentacrinus, Enerinus. @ Schlucht zwischen Fallbachklamm und Wantlalpe: Atractites sp. Aegoceras (Schlotheimia) efr. angulata. Terebratula Aspasia. Rhynchonella, _ Wantlalpe und Umgebung: e: Spiriferina alpina Oppel Waldheimia mutabilis. Terebratula Adnethensis Suess. Spiriferina sp. Pecten sp. Inoceramus ? j II. Allgäuerschiefer-Entwicklung. Petrographische Beschreibung. Ueber diesen Kalken liest von der Fallbachschlucht bis zur Usterbachklamm (Schneeklamm) und bei Hinterhorn (Kaspermahd) ein 324 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [36] Complex von 2-5 dm dieken Bänken dunkelgrauen, dichten, merge- ligen Kalkes mit muscheligem Bruch und gelber Verwitterungsfarbe und schwarzen Mergel, in geringer Dicke zwischen den Kalkbänken liegend. Die Kalke enthalten häufig Hornstein, Sie sind am stärksten in der Fallbachklamm entwickelt, nehmen von hier gegen Osten an Mächtigkeit ab. Bei Hinterhorn sind sie aber wieder mächtiger. In der Fallbachklamm und bei Hinterhorn sind sie in kleine, gebrochene Falten gelegt. Von Versteinerungen sind bisher nur Belemniten ge- funden worden. Während die letztbeschriebenen Gesteine mit der Facies der Allgäuerschiefer (Liasfleckenmergel) ziemlich genau überein- stimmt, zeigt die zuerst beschriebene Ausbildung der rothen und grauen Kalke viel Aehnlichkeit mit den Adnetherschichten. Die Facies I liegt in unserem Gebiete stets unter II. Die Ver- steinerungen zeigen, dass diese untere Facies den oberen Horizonten des unteren und den unteren des mittleren Lias entspricht. 9. Jura. Ueber den Schichten der Lias folgen von der Fallbach- bis zur Usterbachklamm buntgefärbte (schwarz, roth und grün), dünnbankige Mergelkalke von sehr geringer Mächtigkeit. Ihre Mächtigkeit nimmt von West gegen Osten zu, was mit der Abnahme der darunter liegenden Fleckenmergel in dieser Richtung auffallenderweise Zzu- sammenfällt. 1 In der Usterbachklamm führen diese Gesteine ziemlich zahl- reich Aptychen, so dass diese Schicht wohl als Jura-Aptychen- schiefer anzusehen ist. 10. Quartäre Ablagerungen. Eine sehr grosse Bodenfläche des bearbeiteten Gebietes nehmen die quartären Ablagerungen ein. In der Karte werden glaciale, inter- glaciale und postglaciale (einschliesslich der recenten Bildungen) Ablagerungen ausgeschieden. Das Gebiet der südlichen Karwendelketten ist für die diluvial- und speciell glacial-geologischen Studien ein ausserordentlich geeignetes; denn im Süden haben wir die Ablagerungen des grossen Innthaler- eletschers, gerade gegenüber liegt die Mündung des Wippthalglet- schers und im Westen fluthete über den Seefelderpass ein gewaltiger Seitenzweig des Innthalgletschers. Das Gebiet des Innthales wenigstens ist daher auch Gegenstand zahlreicher Arbeiten und Streitfragen der Glacialgeologen geworden und es kann daher bezüglich der diluvial- elacialen Ablagerungen der Gehänge des Innthales von Zirl bis Gnadenwald auf die erschöpfenden Arbeiten Blaas (Lit. 3—10) ver- wiesen werden. Hier mögen nur noch einige die höheren Theile des Innthalgeländes und die nördlich gelegenen Gebiete betreffende Notizen Platz finden. [37] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 325 I. Glaciale Ablagerungen. Ein besonders stark von glacialen Bildungen bedecktes Gebiet ‚stellt die Seefelder Gebirgsgruppe dar. Diese hat den Eckpfeiler gebildet, an dem die grossen Massen des Innthaleises sich theilten, um theils vereint mit dem Wippthalergletscher nach Osten zu ziehen, wo sich erst am Achensee wieder ein Thor nach Norden öffnet, theils direct in breitem Flusse über den Seefelderpass nach Norden zu strömen. Nach den oberen Grenzen des erratischen Geschiebe- materials zu schliessen, haben diese Berge wohl nur als niedere Felsgrate in ihren höchsten Theilen vereinzelt aus dem Eise heraus- geragt, da am Erlsattel ein Eisstrom sie auch von der Masse des Karwendels trennte, mit der sie sonst ja eng zusammenhängen und deren Schutzwehr sie gleichsam dem Andrang des Eises gegenüber bildeten. Im ganzen Westgehänge der Reither- und Seefelderspitze findet sich ausgedehnte Moränenbedeckung von der Moränenhochfläche See- felds bis zu einer Höhe von ungefähr 1400 m stellenweise, beson- ders nordöstlich des Seefelderjoches. Besonders schön entwickelt sieht man aber die glacialen Ablagerungen im Eppzirlerthale. Geht man durch das Thal hinein, so sieht man auf beiden Seiten hohe Terrassen von Moränen und fluvial-glacialen Massen gebildet und überall gut aufgeschlossen. Im Bachbette findet man fast nur Urgebirgsge- rölle, so dass man in einem Bachbette der Oentralalpen zu wandern glaubt. Es ist eine Sammlung der allerverschiedensten krystallinen Gesteine; die Grösse der Blöcke ist durchwegs eine sehr bedeutende, einzelne haben bis zu 3 m Höhe und 4—5 m Länge und Breite. Die Moränen sind stellenweise conglomerirt; an einer Stelle zeigt sich eine auffallende Discordanz zwischen ziemlich steil südfallenden geschichteten Lagen feinen Moränenmaterials mit den horizontal darüber gelagerten, wohl fluvial-glacialen Ablagerungen, die einen Wechsel von grobem und feinem Material zeigen. Weiter thaleinwärts, an der Stelle, wo sich das Thal gabelt, liegen grosse Lagen von festem feinen Lehm; der Bach fliesst auf ungefähr 100 m Länge über die glatten Felsplatten ähnlich sehenden Lehmlagen; er er- reicht überhaupt erst am Ausgange des Thales den Felsboden. Die Fortsetzung des Thales nach Süden ist ober der Theilung durch einen hohen Ringwall, hinter dem das Wasser zu einem See gestaut ist, abgesperrt. Auf diesem Walle aber befindet sich kein erratisches Geschiebe der Centralalpen, sondern nur Gerölle des Seefelder Dolomits. Vor der Alpe Eppzirl liegt ein zweiter Wall und ganz oben im Kar unter der Kuhlochspitze scheint ein dritter zu liegen. Diese mächtigen Lagen von glacialem Material ziehen sich dann in starker Ausbreitung um die nördlichen Ausläufer der östlichen See- felderberge herum, meist eine oft mit Mähdern bedeckte Terrasse bildend, bis zur Amtssäge im Gleierschthale, auf beiden Seiten dieses Thales. Die ganz fein geschlemmten Partien dieser Glacialgebilde, die eine fast felsartige Festigkeit besitzen, werden südlich von Scharnitz und bei der Amtssäge schon von altersher als „Kreide“ abgebaut und zu verschiedenen technischen Zwecken verwendet; 396 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. ; [38] schon 1558 finden wir sie in einem alten Landreim erwähnt (Lit. 36). Im Steinbruch bei der Amtssäge fanden wir mehrere krystalline Irrblöcke und gekritzte Geschiebe in dieser „Kreide“ eingeschlossen. Im Riegelkar und im Mandlthaie, ferner besonders bei den Alpen Hinteröd, Kasten und Lafatsch im Hinterauthale finden sich wohl ausgebildete Moränenringe als Zeugen einstiger localer Gletscher. Ober diesen Ringen ist dann meistens eine kleine Wasseransammlung oder ebener Weidegrund. Das Gleierschthal von der Amtssäge auf- wärts, das Hinterauthal ober der Mündung des Gleierschthales und das Eppzirlerthal in seinem oberen Theile waren also von eigenen Gletschern erfüllt, da sich in diesen Gebieten keine erratischen Blöcke der centralalpinen Gletscherströme finden. Die so mächtige Ablagerung der Eiszeit im Eppzirlerthale kann als eine Art Rück- stauung angesehen werden, die der breite Eisstrom, der sich über die Seefelder und Leutascher Hochfläche ausbreitete, bei seinem Durchtritt durch die engen Thalschluchten von Scharnitz (und Unter- leutasch) erlitt; denn über die südlich von Eppzirl gelegenen Höhen kann gar kein oder nur ein sehr schwacher Eisstrom in dieses Gebiet gekommen sein, der nicht im Stande war, solche Felsmassen zu transportiren, und die beiden Seitenkämme des Eppzirlerthales wurden auch erst an weiter nördlich gelegenen Punkten überfluthet, als die Lehmlager im Thale liegen. Der Hintergrund des Thales war mit einem eigenen Gletscher erfüllt, ehe die grossen centralalpinen Gletscher das Gebirge erreichten. Ueber die obere Grenze der Eisüberdeckung des südlichen Karwendels mag das folgende Verzeichniss erratis cher Blöcke einigen Einblick gewähren: Auffallend stark mit Irrblöcken, theilweise grössten Calibers, sind die südlich laufenden, kleinen Thäler des Innthalgehänges ver- sehen: z. B. das Thal des Dirschenbaches, die beiden Zirlerklammen und die Winterkühl bei Thauer, in der der grösste Block beobachtet wurde (circa 5 m hoch, 8-10 m lang und 3 m breit). Das Thal Eppzirl wurde schon-früher erwähnt. Einzelne hochgelegene Blöcke: Scharte zwischen Sehoasgrat und Rauchenkopf (Generalstabs- karte) 1860 m (eine etwa 1 m2 X !; m messende Platte von Ver- rucano); Unter dem Gipfel des Rauchenkopfes circa 1900 m, ‚Erlsattel 1804 m (in Mehrzahl), Kirchbergalm ungefähr 1800 m, Höttingeralm ungefähr 1700 m, Nazhütte (Achselkopf) 1774 ın, Arzlerhorn 1729 m, Ober der Arzler Jägerhütte ungefähr 1750 m, Ober dem (Thaurer) Thörl eirca 1830 m, Hochmahdkopf 1730 m, Guggermauer circa 1600 m, Ober der Hinterhornalpe bei ungefähr 1600 m, und auf der Walderalpe 1650 m. a ne Zahn [39] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 397 In den tiefer gelegenen Gehängen finden sich an zahlreichen Stellen Erratica in grösserer Menge, z. B. auf der Terrasse am Süd- abhange des Achselkopfes, bei der Wantlalm, im Öberbrunnerthal u. 8. w. II. Interglaciale Breccien. I. Höttingerbrececie. Gesteinsbeschreibung. Die Höttingerbreccie ist eine verkalkte Vereinigung ungleicher Mengen von dunklen und hellen Kalken, Dolomiten, Mergeln, grauem und rothen Sandstein, deren Heimat die Solsteinkette als Untergrund und Umgebung ist. Zu diesen scharfkantigen Bestandtheilen treten noch da und dort erratische Geschiebe, die manchmal auch Gletscher- schliff und Kritzung zeigen. Die eckigen Stücke tragen selten Ver- witterungsoberfläche und keine Spuren längeren Wassertransportes, sondern sind echte Bruchstücke. Grösse und Anordnung der Bestand- theile ist fast genau wie bei wasserreichen Murgängen, worauf auch besonders das viele, feinzerriebene Material deutet, das oft Schlamm- lagen bildet, meistens aber die grösseren Brocken mörtelartig um- krustet; das gilt besonders von den unteren Theilen der Breeccie. Die Bestandtheile der Breccie zeigen eine strenge Abhängigkeit von dem darüber Anstehenden. Besonders schön zeigt dies die Zone des rothen Sandsteines, welche die Breccie in den oberen hellen und den unteren rothen Theil sondert. Von einer Altersverschiedenheit dieser beiden Theile ist demnach bekanntlich keine Rede. Die Brececie ist fast überall gut geschichtet, die flach liegenden Theile dicker, die steil am Gehänge aufsteigenden dünner. Die dicken, fast horizontalen Lagen sind von grosser Regelmässigkeit auf längere Strecken und haben vielfach grössere Schlammlagen zwischen sich. Die steilen Lagen zeigen deutlich ausspitzende und anschwellende Lagen, und die ganze Ablagerung hat hier die unruhige Art vielfach sich überdeckender und lange wiederholter Aufschüttung an einem steilen, ungleich geformten Gehänge. Zwischen den festeren Bänken sind weiche Lagen herausgebrochen und dadurch Ursache von Höhlen- bildung geworden. Oefter scheint die Terrainbildung der jetzigen Schichtung zu widersprechen. Grössere Veränderungen der Breceie seit ihrer Ablagerung scheinen nicht vorzuliegen. Zahlreich aber sind schollenartige Absenkungen und Spalten, die besonders in den schwächer geneigten Theilen die Schichten senkrecht durchschneiden und dadurch basteienartige Bildungen schaffen, z. B. in der Mühl- auerklamm. Verbreitung. Das Ausdehnungsgebiet der Höttingerbreceie ist weit. grösser als in den bisherigen Veröffentlichungen angenommen wurde. Obwohl durch eine langdauernde und scharfe Erosion ihr Bestand gewaltig verringert wurde, ist sie doch vom „oberen Boden“ am Klammegg bis zum Thörl oft noch in Höhen von 1900 m (Brandjochgehänge), Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. IIft. (Ampferer u. Hammer.) 43 328 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer, [40] fast durchwegs aber bis 1500 m aufwärts, in schmalen Resten am Gehänge zu finden. Denkt man sich die Höttingerbreccie aus dem Relief der Sol- steinkette herausgenommen, so würde dieses dadurch wesentlich ver- ändert. Die Breccie ist nämlich durchaus nicht als gleichförmige Decke ausgebreitet, sondern sie erreicht bei 950—1000 m Meeres- höhe ihre stärkste Mächtigkeit; bergab bleibt sie dann fast gleich dick oder wird schmächtiger, bergauf verschmälert sie sich rasch. Die Gegend ihres mächtigsten Auftretens ist gleichzeitig die Austrittszone des Buntsandsteines. Es macht lebhaft den Eindruck, als ob vor Ab- lagerung der Breccie in der Gegend des rothen Sandsteines eine kleine, ebene Terrasse gewesen wäre, hinter der sich die Berge wandartig steil erhoben. Die Breccie füllt diese Terrasse auf und hört jetzt an den steilen Wänden des Muschelkalkes mit grosser Mächtig- keit fast plötzlich auf. Mehr oder weniger ist das längs der ganzen Gebirgskette hin zu sehen, z. B. am Wasserschrofen, Schusterberg in der Mühlauerklamm, Vintlalpe. Die untersten Theile der Breecie enden als breite, ebene Terrasse mit den charakteristischen Wänden nördlich von Innsbruck, während die obersten Theile in der Neigung des jetzigen Berghanges auskeilen. Dadurch erhalten die zwei grössten Thalrinnen der Solsteinkette, das Höttinger- und Mühlauerthal, ein eigenthümliches Bachbett; es besteht, von unten nach oben, aus Schuttkegel — Breccie — Anstehendes — Breccie — Anstehendes. Wenn man die jetzigen Reste und ihre Erhaltungslage berück- sichtigt, besonders die höher gelegenen Theile, so sieht man, wie diese fast ausnahmslos, in schmale Streifen zernagt, von Höhlen unterbaut, einer raschen Abwitterung entgegengehen. Von den höheren Theilen ist jedenfalls nur ein kleiner Theil mehr vorhanden; diese Reste sind aber so über das ganze Südgehänge ausgebreitet, dass man auf eine zwar ungleichmässige, aber vollständige, einstige Be- deckung schliessen kann. Man sollte daher, statt von Schuttkegeln, von einem Schuttgehänge reden. Dafür spricht auch die weit- hingehende Gleichheit der Bankung im horizontalen Theile. 2. Andere interglaciale Breccien. Diese Breecienbildung ist nicht blos auf die Solsteinkette be- schränkt; die „versteinerten Knappen“ im Hallthale und das Con- slomerat am Wege zum Lafatscherjoch zeigen eine völlig ähnliche Zusammensetzung und bedürfen zu ihrer Ablagerungserklärung ge- waltiger Schuttmassen am Speckkargehänge. An den Breceien am Thörl sind zwei Umstände bemerkenswerth; die wohlgeschichteten Bänke hängen gegen den Abhang zum Herrenhaus mächtig über und zeigen durch ihre ganz dem Innthal zugesenkten Schichtung ein Ab- koller- und Ablegergebiet an, das seitdem verschwunden ist (auch Penck, Lit. 28). Weiters ist auffallend, wie an der tiefsten Stelle des Thörls sich die Schuttkegel des Wildangergebirges, die aus Wetterstein- und Muschelkalk bestehen, mit denen des Zunderkopfes, die auch Werfenersandsteine, Rauchwacken, dunkle Kalke und Dolo- mite führe, begegnen. Es müssen ganz gewaltige Schuttmassen | | [41] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 329 angehäuft gewesen sein. — Dass solche .vorhanden waren, zeigt das Vor- kommen eines ganz aus dem Gesteine der nördlichen Thalseite be- stehenden, conglomerirten Schuttkegels im oberen Eibenthale. In einer Erosionsfurche des Hauptdolomits liegt, völlig im Gehänge des Zunderkopfes, eine 80 — 100 m mächtige Wettersteinkalkbreccie, deren Neigung genau auf das thalüberliegende Bettelwurfgehänge hinauf- zieht. Sie verdankt ihre Erhaltung der Abseitsverlegung der Thaltiefe. Es war also das ganze Hallthal von immensen Schuttmassen bedeckt, die jetzt grösstentheils wieder entfernt worden sind. Ferner ist sicher noch der grosse verfestigte Schuttkegel am Vomperbache hieher zu rechnen. Dieser besitzt in seinem (tiefsten) südlichsten Theile ein so steiles Südfallen, dass es auf eine frühere, grössere Tiefe des Innthales schliessen lässt. Schutthanggebilde gleicher Art und Ursprungs wie die Höttinger- breccie finden sich auch an den Südabhängen des Hochnissl bei Schwaz und an der Südseite der Miemingerberge bei Telfs (besonders „im Kar“ und auf dem höchsten Judenköpfl 2194 m, wo auch Ur- gebirgsgeschiebe eingeschlossen gefunden wurden) und im Südabfall der Wettersteinkette vom Gatterl bis zum Schoanitzjoch. Auffallend ist der Mangel solcher Bildungen in den Seefelder Dolomitbergen — vielleicht, weil hier das festigende Cement fehlte. Die kleinen Reste einer Breccie, mit Einschlüssen von gekritzten Geschieben und erratischem Material, bei Schwarnitz (an dem Süd- ufer der Isar, wo dieselbe in das Scharnitzerbecken eintritt), dürften auch zu den interglacialen Breccien zu stellen sein. Entstehungshypothese dieser Breccien. Dass die bisherige Auffassung, speciell der Höttingerbreccie, als einzelner Schuttkegel unhaltbar ist, fliesst aus dem Vorhergesagten. Die Ansicht Rothpletz’ (Lit. 40) aber, dass die Höttingerbreccie eine neogene Meeresablagerung sei, ist völlig aus der Luft gegriffen, wegen der Abhängigkeit der Breccie vom Untergrund, ihrer Lagerung am Gehänge, ihrem Mangel auf der anderen Thalseite des Innthales und manchen anderen Gründen. Es waren wohl starke, wasserreiche Muren, die längs des ganzen Gebirgshanges mit grösserer "oder kleinerer Gewalt niedergingen. Es muss eine niederschlagsreiche Zeit gewesen sein, als diese Ab- lagerung gebildet wurde, wo die Erosion stark thätig war im Ab- tragen und Anhäufen. Vielleicht war dies eine Zeit knapp nach dem ersten Gletscherrückzug. Alle Bedingungen zum Anlass eines solchen Phänomens waren wenigstens vorhanden: eine jedenfalls verhältniss- mässig warme, niederschlagsreiche Zeit traf einen von jeder Vege- tation entblössten Hang, der aus abgescheuerten Felsecken und den schlammigen und schotterigen Ueberbleibseln eines Gletscherbettes aufgebaut war. Die Vegetation fand einen äusserst leicht abkollernden, ungünstigen Grund, die Erosion einen ausgezeichneten Boden. Tiefe Furchen wurden aufgerissen, gewaltige Murgänge stürzten nieder und begruben die wenige Vegetation unter ihren Trümmern, die später zur Breecie verkittet wurden. Es wurden auch bis jetzt wenig Vege- 43* 330 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [42] tationsreste gefunden: ausser den auf kleinem Raum enthaltenen Pflanzenresten der „Schaferhütte* (Rossfall) wurden nur einzelne Blatt- und Nadelspuren in feinlehmigen Zwischenlagen und Abgüsse von Baumstämmen (in den Steinbrüchen) gefunden. Ein offenbar sehr breites Thal, in dem die Schuttablagerung auslief, schützte sie vor zu rascher Entfernung. Der Inn frass nur Theile der horizontalen Decke an, die ihn wahrscheinlich bis an’s Urgebirge drängte. Nach dieser Auffassung wären diese Breccien postglaciale, beziehungsweise interglaciale Erscheinungen, jedenfalls Bildungen im Gefolge der gewaltigen Eiszeit. Ob jeder Vergletscherung solche Spuren folgten, oder wohl nur den grössten und rasch sich zurückziehenden ? Betreffs der Altersfrage der Höttingerbreccie, die wohl end- siltig auf interglacial beantwortet wurde, siehe die Literatur. III. Postglaciale und recente Bildungen. Bezüglich des Innthales möge hier wieder auf die Arbeiten von Blaas (Lit. 5, 6, 8, 9) verwiesen werden; betreffs der jüngsten Ablagerungen auf Bargmann (Lit. 1). | Im nördlichen Theile des Gebietes sind die ganz jungen, alluvialen Bildungen vorherrschend in Gestalt von Schuttkegeln und Karen ent- wickelt. Für Thalalluvionen ist nicht der hinreichende Platz gegeben, und das Gefälle der Bäche ist meist ein zu starkes. Hier wird das Material der recenten Ablagerungen in den oberen Theilen der Ge- birge geschaffen und zum Weitertransporte aufgestapelt. Vor Allem sind es die gewaltigen Schuttkegel und Schutthänge der Thalflanken, z. B. im Hallthale und im Samerthale, wo das Material von den Felshängen abrollt und am Fusse vom Wasser fortgeführt wird. Ausser diesen regelmässigen Gesteinsbahnen sind als Bildner und Bildungen neuester Zeit Bergstürze, Muhren und allenfalls Schnee- lahnen zu nennen. Ein Beispiel für beide Erstgenannten ist die Rumermuhr; ein ausgezeichnetes Bergsturzgebiet ist auch das Hall- thal. Sammelstellen des Gebirgsschuttes, bei denen die Weiter- beförderung der aufgehäuften Massen grösstentheils stille steht, sind die Kare. Es sind dies die wannenförmigen, oberen Endigungen von Thälern, die nach oben auf drei Seiten von Steilwänden eingeschlossen werden und deren Ausgang durch eine Bodenschwelle theils aus festem Fels, theils aus Schutt abgesperrt ist. Von den einschliessenden Wänden gehen die Schutthänge in gleichmässiger Steigung zum beckenartigen Boden ‘des Kares nieder. Einer der wesentlichsten Factoren dieser eigenthümlichen Thalbildung dürfte in den Eigen- schaften des Gesteins liegen, denn wir finden typisch ausgebildete Kare nur im Wettersteinkalk — im Hauptdolomit sind keine solchen vorhanden, und in den anderen Schichten ebenso nicht; andererseits enden fast alle Thäler, die im Gebiet, wo nur Wetter- steinkalk ansteht, endigen, als Kare, die aber in manchen Fällen verwachsen sind, z. B. Pfeis, und dann nicht mehr den vollen Cha- rakter der Kare besitzen. Nichtsdestoweniger reicht aber die blosse petrographische Beschaffenheit wohl kaum aus, um z. B. die auf- fallend senkrechten Begrenzungswände: zu erklären, die fast an tek- [43] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 331 tonische Störungen denken lassen. In einzelnen Fällen sind wohl auch einzelne Wände der Kare durch Verwerfungen gebildet, z. B. im Jägerkar. Die Eiszeit kann nur zur Erklärung der Thalschwellen am Ausgange der Kare herbeigezogen werden; diese zeigen oft deut- liche Moränenbildungen, z. B. im Riegelkar, bei der Angerhütte u 0. Tektonik. I. Die Gleiersch-Hallthalkette. (Bettelwurfgewölbe und Gleierschkammfalte.) Die Gleiersch-Hallthalkette stellt sich vom geologischen Stand- punkte im Anschluss an die nördlich angelagerten Thäler als ein gewaltiger Faltenzug dar, der nach seiner Entfaltung in drei ver- schiedene Theile zerlegt werden kann 1. Das Bettelwurfgewölbe. Im Osten am Walderjoch beginnen flachliegende Schollen von Wettersteinkalk und Raiblerschichten den Zug. Wie Stufen steigen sie gegen Westen in die Höhe. Es sind drei grosse, durch Ver- werfungen getrennte, gut erkennbare Schollen; die am tiefsten liegende ist die Ganalpscholle, die mit mächtiger Verwerfung als ein- gesunkener Gewölbefirst an die Liasschichten des Walderjochs stösst. Sie ist so tief eingebrochen, dass sie noch grösstentheils von con- cordant aufliegenden Raiblerschichten bedeckt ist, die stellenweise gut entwickelt sind und die charakteristischen Leitfossile führen. Wald überdeckt die Grenze dieser Scholle mit der bedeutend höher stehen gebliebenen Walderspitzscholle. Ihre flache Lagerung ist an dem kecken Gipfel des genannten Berges weithin sichtbar. Sie trägt keine Raiblerschichten mehr. Die verworrenen Verhältnisse an dem Südrande dieser Schollen werden später besprochen werden. (Es liegen dort Rauchwacken, die in dieser Gegend den Raibler- schichten anzugehören scheinen und auf der Ganalpscholle stark entwickelt sind.) Gegen die noch höher gehobene, westlich daran stossende Trattenscholle ist die Walderspitzscholle durch eine Verwerfung abgegrenzt, die im Terrain gut ausgeprägt ist. Diese überschneidet den Hauptkamm; gegen das Vomperloch hinab bildet sie eine äusserst glatte, hervortretende Wand. welche von Rinnen begleitet wird, die wahrscheinlich einer Trümmerzone folgen. Gegen das Innthal hinab folgt sie wahrscheinlich der Schlucht zwischen Tratten und Walderspitz. Die schon steiler gegen die Gewölbehöhe aufsteigenden Platten der Tratten stossen in der Nähe des Ostgipfels des Walderkamm- spitzes an die sehr steil dem Innthal zufallenden Schichten des Walderkamms: des Südflügels des Gewölbes. Eine Verwerfung trennt abermals diese beiden Schollen. Auf der Seite des Innthales tritt 332 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [44] sie nicht so stark hervor, wohl aber auf der Seite des Vomper- baches; an der Verwerfungsfläche schiebt sich ein jäher Felsthurm in die Wände hinaus, glatte Verwerfungswände fahren, von roth ver- witternden Trümmerzonen begleitet, zu Thal hinab. In dem Gebiet des Fallbachkares (Profil 10) sind Südflügel und Gewölbefirst zu sehen. Noch im Gipfelgebiet der Walderkamm- spitze beginnt auf dem Hauptkamme die ebene Lagerung, welche besonders die Fallbachthürme (im Hintergrunde des gleichnamigen Kares) umfasst. Von Weitem schon ist sie sichtbar; Gesimse und Bänder umspannen die klotzigen Thürme, zwischen denen rechteckige Scharten ausgebrochen sind. Im Hintergrund jenes Kars ist aber auch der Uebergang dieser flachliegenden Firsttheile in die steilgestellten Schichten des Südflügels sichtbar. Es bilden nämlich die fast saigeren Schichten des Bettelwurfosteckes und in der Fortsetzung desselben nach Süden .die Schichten des Fallerhochspitzes (Fallbachkarspitzes) mit den flachen Platten der Fallbachkarthürme ein wenig gestörtes Gewölbe. Ebenso ist an der Ostwand des Kares im hinteren Theil der Gewölbefirst, im vorderen der steilstenende Südschenkel des Walderkamms zu sehen. Eine weitere Querverwerfung trennt diesen Theil von den beiden Haupteipfeln dieser Bergkette, dem grossen und kleinen Bettelwurfspitz. Diese zeigen am schönsten in grossartigen Ver- hältnissen einen gebrochenen Gewölbebau. Flache, von Sprüngen durchsetzte Schichten bilden den First, ins Hallthal und ins Vomper- thal jäh abfallende Platten stellen die Schenkel dar. Dabei ist schon hier der Nordschenkel steiler als der Südschenkel. Der geo- logische Bau ist auch in der Verwitterungsform des Berges prächtig hervorgekehrt. Den hochstrebenden Schichten des Bettelwurfosteckes gegenüber erscheint der First der Bettelwurfspitzen entschieden an einer Verwerfung abgesunken. Am kleinen Bettelwurfspitz brechen die Firstschollen im Westen mit einer glatten Wand ab, die wohl eine Querverwerfung bezeichnet. Von da ab beginnt jetzt die eigentliche vollständige Falte der Gleiersch-Hallthalkette. Während bisher nur ein Gewölbe oder Theile eines solchen zur Ausbildung kamen, an dessen Nordfuss nur da und dort im Vomperloch Reste von Raiblerschichten liegen, ist von der Querverwerfung am Westeck des kleinen Bettelwurfspitzes an eine vollständige Falte entwickelt, indem ungefähr oberhalb des Lochhüttls im Vomperloch beginnend, eine meist gut entwickelte, ein- seitige Mulde sich dem Wettersteingewölbe im Norden anlegt. 2. Die Gleierschkammifalte. (Profil 1—4 auf pag. 334 [46].) a) Die vollständig entwickelte Falte (Speckkarspitz— Kaskarspitz). An der Verwerfung des kleinen Bettelwurfspitzes scheint das ganze Gewölbe gegen Norden verschoben zu sein. Während zuletzt mit der geographischen Scheitelhöhe auch die tektonische zusammenfiel, ist dies in dem Speckkargewölbe nicht mehr der Fall; der Grat wird zum grössten Theile noch von südlich fallenden [45] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 333 Schichten gebildet, die entschieden zum Südschenkel zu zählen sind. Besonders schön sieht man dies, wenn man das Lafatscherjoch über- schreitet und den Speckkarspitz betrachtet: deutlich bilden die Platten des Gipfels den Südschenkel. Fast im Nordabhang kommt das jetzt schon stark einseitige Gewölbe zum Aufschlusse. Die Schichten des Südschenkels gehen in ziemlich scharfem Bug in den saigeren Nordschenkel über; es ist eine wirkliche Abbiegung, an der die äusserlichen Theile aufgerissen erscheinen. Von der Ausbildung einer Firstscholie ist keine Spur mehr vorhanden. Gegen die Verwerfungsfläche am kleinen Bettelwurfspitz hin sind die sonst südfallenden Schichten im Speckkar gegen Südost eingesunken. Die Gleiersch-Hallthalkette bildet nun ein ganz ausgezeichnetes Beispiel eines Faltengebirgszuges, dessen geographischer Scheitel mit dem tektonischen divergirt. Das Bettelwurfgewölbe ist jene Stelle, wo sich beide Scheitel decken, die Gleierschkammfalte jene, wo sie divergiren, indem die Faltenachse mehr ostwestlich, die Gebirgsachse mehr nordost-südwestlich streicht; die Divergenz ist also nach Westen offen. Der ganze Wettersteinkalkzug, soweit er der Falte angehört, ist ein Gewölbe, das anfangs saiger, im Westverlauf nach Norden überkippt ist und dessen Scheitel nach Westen zu so stark sinkt, dass es bereits im Gewänd der Kaskarspitze die Schutthalden der Nordseite erreicht, während es noch am kleinen Rosskopf, einem Nordabsenker des kleinen Lafatscherspitzes, etwas unter P. 2525 m liegt. In den flachen Südschenkel, der sich als mächtige Platte im Südgehänge der Gebirgskette aufbaut, sind die Kare des Hall- und Gleierschthales eingelagert. Während der Gewölbescheitel sinkt, nimmt zugleich auch die Ueberkippung zu, so dass man im weiteren Verlaufe des Gewölbes gegen Westen kaum mehr mit Sicherheit sagen kann, ob man es mit den Schichten des Südfügels oder mit jenen des Nordflügels zu thun hat, der durch Ueberkippung eine jenem fast gleiche Neigung angenommen haben könnte. Der Wettersteinkalk, der in diesem Bergzuge au den zugänglichen Orten auftritt, ist durchaus der obere, helle, versteinerungsarme oder -leere Horizont desselben. Vom Gebiet des Speckkarspitzes an entspricht dem Wetterstein- kalkgewölbe eine nördlich angebaute Mulde. Im obersten Theile des Vomperlochs, am Ueberschall und auch noch im Lafatscherthale wird der Nordflügel dieser Mulde von Wettersteinkalk des Hoch- kanzel-Sunntigerkammes gebildet. In der Mulde liegen regelrecht die Raiblerschichten, welche die bekannten Fundplätze am Haller- anger und Gschnierkopf enthalten, und Dolomit. Im Westverlauf der Mulde tritt eine eigenthümliche Erosions- erscheinung auf. Der Nordflügel, den bisher der Sunntigerkamm bildete, setzt sich in völlig ungebrochener Richtung, an Höhe stetig abnehmend, nach Westen fort; der Bach folgt aber nicht der in seiner ursprünglichen Weerichtung liegenden Mulde von Raibler- schichten und Dolomit, sondern durchbricht mit fast rechtwinkeliger Wendung seines Laufes den Wettersteinkalk des Muldennordflügels, 334 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [46] 4 VagerkKarsp. Gleierschthal Hinteraus thal Praxmarerk.sp: > wR - Dy Zeigerkop£ 72 Gleierschthal 1959 1963”% - N %k Hinteraus thal Haskarsp. p 2466’ $ Glerersch= Zhal Bachofensp, Abes * N Erklärung der Abkürzungen für diese und die nachfolgenden Profil- zeichnungen: . Bs — Buntsandstein. — my — Reichenhallerschichten (Myophorienschichten Roth- pletz’.) — mk —= Die folgenden fossilführenden Abtheilungen des Muschelkalkes. — pk — Kalk der Partnachschiehten. — pm —= Partnachmergel. — pd = Dolomit der Partnachschichten. — wk — Wettersteinkalk. — r = Raiblerschichten. — rd — Dolomit der Raiblerschiehten. — hd — Hauptdolomit und Plattenkalk, — K, Kö —= Kössenerschiehten. — ik — Lias. — j — Jura. — gl —= Glaciale Ab- lagerungen. — br — Höttingerbreeeie. — s = Postglaciale und recente Bildungen. [47] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 335 11 Fallbachkarsp. 2324, 7 Haller ZunderKopf I 10 Walderkamsp. 2 2562 m Jnnthal Ss N . I Vormperthal Unnthal z Schlucht zwischen Fallbach = Klamm und Wantlalpe Vomperloch N NY ad ; Gnadenwald N 2 Gnadenwald g: Walderjoch Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 44 336 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [48] trotz der gerade entgegengesetzten Schichtenneigung desselben, und folgt dann dem in diesen Nordflügel eingeschnittenen Längsbruch des Hinterauthales. Bis zum Fuss der Kaskarspitze ist die Mulde regelrecht vorhanden. Die Raiblerschichten sind von wechselnder Mächtigkeit, der Hauptdolomit nimmt stark geknickte Stellungen ein. Obwohl die Raiblerschichten abwechselnd aus Mergeln und Sandsteinen zwischen Kalkbänken bestehen, zeigen sie doch im Mittelschenkel wenig Anzeichen einer starken Zusammenpressung, wogegen schon der Umstand spricht, dass sie längs der ganzen Strecke gut erhaltene Versteinerungen führen. Im Mittelschenkel sind die Raiblerschichten aber doch auffallend geringer mächtig als im Nordschenkel. b) Die gestörte Falte (Kaskarspitz—Hoher Gleiersch). Zugleich mit der starken Ueberkippung und Senkung des Scheitels des Gewölbes beginnen die Raiblerschichten des Mittelschenkels zu verschwinden. Während noch im Anschlusse an die Wand des hinteren Backofenspitzes ein prächtiger Aufschluss die Raiblerschichten in voller Entfaltung zeigt, liegen westlich davon zwischen Wetterstein- kalk und Hauptdolomit nur noch wenige kalkige Schichten, die wohl wahrscheinlich noch den Raiblerschichten zugehören, aber in ihrer völlig gestörten Lagerung nur mehr als Reste der verschwindenden Schichten zu betrachten sind. Die letzte dieser Spuren liegt unter den lothrechten Wänden der Praxmarerkarspitzen und fällt flach nach Süd. Von da ab tritt längs der Wände bis zur Mündung des Gleierschbaches ins Hinterauthal nirgends mehr eine Spur von Raiblerschichten auf. In annähernd gleichem Streichen und Fallen mit dem Wettersteinkalk liegt an allen aufgeschlossenen Stellen der Hauptdoldmit im Berggehänge und zieht längs den Wänden des Gleierschkammes bis zur Mündung des Gleierschthales, wo er an die Raiblerschichten stösst, die auf dem gegen Westen in die Tiefe sinkenden Gewölbe liegen. Die Raiblerschichten im Nordflügel der Mulde verlassen westlich der Hinterödalpe diese Thalseite und setzen zum Kienleitenkopf hinüber. Dieser thatsächlichen Lage entsprechen in Hinblick auf die ganze Entstehung der Falte zwei Deutungen: 1. Man kann annehmen, dass die stark überkippte Falte durch eine Verwerfung durchschnitten und so aneinander verschoben wurde, dass der Wettersteinkalk des aufliegenden Sattels neben den ein- gefalteten Hauptdolomit der Mulde zu liegen kommt. Die Lage der Verwerfungsfläche würde wahrscheinlich steil sein. Die Sprunghöhe der Verwerfung nimmt gegen Westen stark zu, so dass die auf dem Gewölbe liegenden Raiblerschichten und endlich sogar Hauptdolomit an den eingefalteten Hauptdolomit stossen. Man könnte auch an eine Ueberschiebung denken; doch die eigenthümliche Schollung der Raiblerschichten vor ihrem Ver- schwinden, dann das allgemeine Untersinken des Wettersteingewölbes gegen Westen lassen eine Verwerfung natürlicher erscheinen. Zudem ist in der Fortsetzung dieser Linie in dem Hauptdolomitgebiet eine Verwerfung erkennbar, und während eine einfache Zunahme der [49] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 337 Sprunghöhe im Westen das Zusammenstossen der Raiblerschichten des Südschenkels des Gewölbes mit dem Hauptdolomit des Mittel- schenkels erklären kann, wird dies bei Annahme einer Ueber- schiebung schwer. Dieses UntertauchendesGleierschkammes unter den Hauptdolomit erklärt wohl auch das Auftreten einer Verwerfung, besonders wenn man bedenkt, dass das nächst- nördliche Wettersteinkalkgewölbe, das des Hinterauthalkammes, nicht untertaucht, sondern in gleicher Höhe weiterzieht. Der nörd- liche, höher gebliebene Muldentheil scheint mit dem daran schlies- senden Südflügel des Hinterauthalkammes mehr Zusammenhang ge- habt zu haben, wohl weil für ihn die Hauptdolomitdepression nicht mehr hinreichend stark bei der Faltung in Betracht kam. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die schmächtigere Entwicklung der Raiblerschichten für das Einschneiden eines Bruches ortsbestimmend wurde. Endlich darf man nicht auf den gleichlaufenden Längsbruch des Hinterauthales vergessen. 2. Wenn also eine Verwerfung auch höchstwahrscheinlich vor- liegt, so kann aber auch die Annahme einer Verwerfung, .die älter als die Faltung ist, zum Ziele führen; man stelle sich in noch wenig gefaltetem Lande eine Verwerfung vor, ungefähr von der jetzigen Länge, deren nähere Ausbildung unbekannt ist. Tritt nun starke Pressung und Faltung ein, so ist es denkbar, dass im Banngebiete der Verwerfung die andrängende Wölbung der südlichen Wetter- 44* 338 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [50] steinkalkmasse nur eine Hebung gegen den Hauptdolomit erfährt, während sich östlich der Verwerfung eine einseitige Faltung aus- zubilden vermag. Nachtrag: In der Gleierschkammfalte zeigt sich trotz der sonstigen theilweisen Unvollständigkeit des Sattels eine Wölbung, in der gewisse eigenthümliche Verhälnisse schärfer ausgesprochen sind als im Bettelwurfgewölbe. Schon dort wurde dargestellt, wie die sanze Gewölbebildung scheinbar stückweise zu Stande kommt, indem die höheren Schollen gegen die niedrigeren mit Verwerfungen ab- brechen. Dadurch wird gewissermassen auch eine Verlängerung des eigentlichen Gewölbefirstes erzielt, da sich mehr Schollen an seiner Bildung betheiligen können. In wirklich grossartiger Weise kommt dies in der Gleierschkette zum Ausdruck. Dieselbe bildet nämlich auch in der Ostwestrichtung eine weite, gewölbeartige Aufbiegung, Far Pa, ER. deren Enden in den Lafatscherbergen und in der Gruppe Jägerkar- spitz— Hoher Gleiersch liegen; die zwischen diesen liegende Strecke wird von südostfallenden Schollen gebildet, von denen die Schicht- köpfe der höchstragenden Schollentheile die Gipfel bilden, während in den Einschartungen meist eine oder zwei Spalten das Absitzen be- sorgen. Es ist dies ein durch Brüche zergliederter Gewölbebau. Man könnte diese Erscheinung mit den Staffelbrüchen, die Rothpletz im Hinterauthalkamm angibt, in Analogie bringen; die nördlich angelagerte Mulde spricht in ihrem Verhalten aber nicht sehr dafür, und ausserdem scheinen diese Brüche nicht die ganze Masse des Wettersteinkalkes zu durchsetzen. Sie sind wahrscheinlicher die Folge einer theilweise gehemmten und verschleppten Aufwölbung, die ebenfalls am nächsten mit der Seefelder Hauptdepression in Zusammenhang zu bringen ist. [51] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges, 339 II. Das Hallthal. (Kartelserschollen und Grabenbrüche des Hallthales.) (Profil 12—16 auf pag. 340 [52].) Das Hallthal ist in seinem inneren, weitaus grösseren Theile ein tektonisch vorgebildetes, von einer mächtigen Erosion stark ausgefressenes Thal. Sein vorderer Theil, die Hauptdolomitschlucht, ist, abgesehen von kleinen Störungen, ein Errosionsthal. Verfestigte Breccien im Eibenthal, bei den „verzauberten Knappen“ am Thörl und am Lafatscherjoch geben ein Bild einer ehemaligen gewaltigen Zuschüttung des ganzen Hallthales, der eine mächtige Auswaschung folgte. Seitdem aber haben sich schon wieder gewaltige Schuttkegel an den Wettersteinkalkfianken heruntergebaut und ist von der „hohen Wand“ ein gewaltiger Bergsturz niedergebrochen, den man an der Mündung des Issthales bewundern kann. Die Vermuthung Wöhrmann’s u. A., dass als die herabgestürzte Scholle dieses Berg- sturzes das Kartelserjöchl zu betrachten sei, ist wohl unmöglich, da diese Scholle viel grösser und weiter gegen Westen reichend ist, als der herausgebrochene Theil an der „hohen Wand“, für den die ausgedehnten Bergsturzmassen im unteren Issthale Ersatz bieten. Im Issthal selbst ist bei einer Bohrung in 40 m Tiefe noch kein Felsgrund getroffen worden, und die ganze Thalschwelle dieses Thales besteht, soweit sichtbar, aus grobem Schutt und bergsturzartigen Trümmern. 1. Die Grabenbrüche. Zwei gewaltige Flankenbrüche leiten dieses Thal ein und ge- leiten es bis zur Umbiegung nach Süden, dem Beginn der Haupt- dolomitschlucht. Es sind das: erstens die Gleierschthalbrüche, die am Stempeljoch und den Gratscharten zwischen der grossen und kleinen Stempeljochspitze ins Hallthal herübersetzen, die den Wildanger vom Gewölbe des grossen Lafatschers trennen, dann das Bettelwurf- gewölbe im Süden begrenzen und, nach Osten weiter ziehend, am „Wechsel“ als mächtiger Riss den Hallerzunderkopf von dem Fallbach- karspitz lostrennen. Diese gewaltige Bruchlinie läuft aber nach Osten noch bedeutend weiter; sie ist die grosse Kluft, längs der die nach Süd absinkenden Theile des Walderkammgewölbes und dessen öst- liche Schollen an die Lias-Juravorlagen des Walderjoches stossen. Es ist dabei nicht zu denken, dass diese und ähnliche grosse Ver- werfungszüge aus einer einzigen,- direct verbundenen Bruchfläche be- stehen; es sind vielmehr eine grössere Menge von annähernd gleich- laufenden Brüchen, die sich aneinander stücken und so ihre locale Selbstständigkeit zu Gunsten einer weit verbreiteten Erscheinung verlieren. Auch sind sie auf grössere Strecken derart von Schutt und Vegetation bedeckt, dass im Kleinen eine falsche Verbindung leicht unterlaufen kann. Doch hat dieser ganze Verwerfungszug eine leicht erkennbare, charakteristische Eigenschaft: er bildet nämlich die Begrenzung der südlichen Abbruchstellen der Gleierschkammfalte und des Bettel- 340 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [52] Mandisjsitz 19 0 23Yy2’72 z \ EWR N PK Ü 18 N Westgrat des Rumerspitz k 100° Mühlauerklamm BE Say 5 dr —r ES ME ni 99 1 Purenhof 9 ? ET Te > 16 Wildanger (Hohelatte) N Galkanhofgraben gi wE Ze er a 9 RK r rd I R N mk ER > my h IL ul "Bs 1 N INNTRAN S Thaurerflarm = >> KH Distelbödele Ö4+Romedius gar f I am nr Winterkühl SL Bom . Ss E" HEHE AN Kartelsenjöchl Hallthal Jssthal I I; IL rREHRRTL TEN Zi une pin hd [53] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 341 wurfgewölbes. Beide Gewölbe bilden eine zusammenhängende, ost- westlich verlaufende Aufwölbung, deren geologische Südgrenze eben diese Verwerfungszone ist. Die zweite grosse Bruchzone betritt am Thörl das Hallthal. Es ist jene für die Solsteinkette so bedeutungsvolle Bruchlinie, welche die hochgehobene und wenig gestörte Frauhütt-Wildangerplatte von den darunterliegenden zerbrochenen und überschobenen, enggefalte- ten Höttingerschollen trennt, wie später näher beschrieben werden wird. Diese Linie läuft meist in der Nähe des Buntsandsteins der oben erwähnten Wildangerplatte. In diesem Horizont stellt sich von der Vintlalpe (ober Rum) östlich eine Zone von Rauchwacken und dolomitischen Breccien und schwarzen Kalken ein. Am Thörl theilt sich die Verwerfung, indem sie eine ziemlich flach liegende Scholle von Rauchwacken, Breceien und schwarzen Kalken umspannt. Diese eingebrochene Scholle zeigt den Beginn grösserer Zertrümmerung und Einsenkung an; die sonst etwa 40—50° N fallenden Muschel- kalkbänke des Wildanger biegen nördlich vom Thörl so um, dass sie nach Süd fallen. Doch ist diese Schwenkung durchaus nicht tiefgehend, sondern nur an den äussersten Enden entfaltet. Die Ab- senkung ist auf der ganzen Thalseite längs dieser Verwerfung noch bedeutender als an der Nordseite des Thales. Die Hauptdolomit- und Plattenkalkschichten des Zunderkopfes, die in einer Neigung von 50—80° längs der ganzen Bergwand tangential zu dieser ver- flächen, fahren bis in’s Thal hinunter, wo an ihrem Fuss die Rauch- wacken des Salzstockes zu Tage treten. Diese steilen Schichtplatten erscheinen häufig wellig gebogen (besonders schön die Wände ober dem Pulverthurm bei St. Magdalena) und an Verschiebungen abge- sunken, die Stufen im Gehänge bilden. Die längste und bedeu- tendste solche Stufe, die in dem Graben zwischen dem Pulver- thürmcehen und St. Magdalena beginnt und mit Unterbrechungen bis an die Bergkante, die zum Bettelwurfbründl absinkt und das Eibenthal im Süden begrenzt, reicht, trägt reichlich Reste von Kössenerschichten. Dieselben liegen beinahe rechtwinkelig einge- faltet, schön geschichtet und fossilreich auf dieser Stufe. Die Erosion hat den ohnedies nicht mächtigen Zug dieser Schichten mehrfach fast unterbrochen oder sehr geringfügig gemacht. Der beste Auf- schluss liegt östlich ober St. Magdalena, oberhalb der Dolomitwand- stufe, die hoch über St. Magdalena hinzieht. Dort sieht man auch auf dem Dolomituntergrund der Kössenerschichten schöne Rutsch- flächen. Eine noch tiefer eingesunkene Scholle stellt ein bisher un- bekanntes Stück rothen Liaskalkes dar, das unter der obgenannten Dolomitstufe liegt. Reichliche, aber nur theilweise gut erhaltene Orthoceras-Reste sind in dem Kalke enthalten, der einen kleinen Kopf im Gehänge bildet. Undeutliche Mergel (Pichler hielt sie für Kössenerschichten; Lit. 31) liegen etwas höher. Der weitere Verlauf der Hauptverwerfung ist von St. Magdalena an im Hallthal verdeckt. Doch dürfe sie das Thal übersetzen und mit den Brüchen bei der Winkleralpe (am Haller Zunderkopfe) zusammenhängen. Dieselben trennen dort eine Scholle Raiblerschichten vom Wettersteinkalkgipfel 342 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [54] des Haller Zunderkopfes und vom Hauptdolomit der zur Alpe ge- hörigen Mahd. Die tektonische Oeffnung des Hallthales wäre über die Winkler- alpe, längs des Lias-Juralager zur Walderalpe gegangen. Die starke Biegung des Thales bei der Bettelwurfreise zeigt die Stelle an, wo das tektonische Thal in das erosione übergeht. Es sind dies ähnliche Verhältnisse, wie im Vomperthal, wo auch der Bach an seinem unteren Ende den Hauptdolomitwall durchbricht, wennhin auch hier (Querverwerfungen eine bedeutendere Rolle spielen als im Hallthal. Diese zwei, im Vorhergehenden besprochenen, grossen Ver- werfungszonen begrenzen ausser den schon beschriebenen seitlichen Einbruchschollen zwei in der Mitte liegenden eingesunkenen Theile: die Schollen des Kartelserjöchls (womit der ganze kleine Kamm zwischen Hall- und Issthal gemeint ist) und die Scholle des Salz- stockes. 2. Die Kartelserschollen. Der Wettersteinkalk - Raiblerzug des Kartelserjöchls ist nicht. von ganz einheitlichem Bau. Unschwer erkennt man, dass der Kamm aus zwei Schollen im Wesentlichen besteht, von denen die östliche ihre gut ausgeprägten Schichtflächen dem Herrenhause zusenkt, während die westliche ihre bedeutend weniger deutlichen Schichtflächen dem Issthale zuwendet. Die westliche Scholle dürfte tiefer eingesunken sein, da sie im Gegensatz zur östlichen bei geringem Unterschied an Höhe noch Raiblerschichten trägt. Wo nun durch die Verschie- bung der beiden Schollen eine tiefe Einsattlung entstanden ist, liegen die Raiblerschichten des Bergangerls eingesunken. In den Raibler- schichten des Kartelserjöchls liegen mehrfache dunkelgraue, bitumi- hnöse Kalke, besonders im oberen Theile des Bergangerls; aber auch sehr helle, weisse Kalke liegen auf den Raiblersandsteinen, so be- sonders in der Nähe des Issjöchls. Das Profil der Mitterbergerrunse, an dessen oberen Ende eben diese helle Kalkbank ansteht, ist von v. Mojsisovies (Lit. 24) genauestens beschrieben worden. Jetzt sind von den damals hergestellten künstlichen Aufschlüssen manche verschüttet oder überwachsen, das Wesentliche jedoch ist noch sicht- bar. Es fiel nur auf, dass v. Mojsisovics die Bank hellen Kalkes, die in direeter Verbindung mit der grossen Wettersteinkalkwand der westlichen Kartelserscholle (ober den Herrenhäusern) steht, nicht nach ihrer Bedeutung hervorhebt. Ueber die tektonischen Wirren an der Verwerfungszone gegen die Scholle des Salzstockes, die den zweiten, am wenigsten einge- brochenen Theil darstellt, siehe im stratigraphischen Theile (Reichen- hallerschichten, Salzstock). | | | [55] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 343 III. Das Walderjoch und das Gehänge des Walderkamms. (Gnadenwald - Walderjochschollen.) (Profil 5—11 auf pag. 335 [47].) Die Tektonik der jüngeren Schichten, die vom Gehänge des Haller Zunderkopfes über das Walderjoch in’s Vomperloch ziehen, ist bisher völlig verkannt worden, obwohl im Hallthale die ganze Erscheinung mit breit auseinandergelegten Bestandtheilen förmlich wie im Entstehen begriffen zu sehen ist. Der steil nordfallende Hauptdolomit der Zunderköpfe mit seinen darauf liegenden Kössener- (und Lias-) Schichten einerseits, die steil nach S fallenden Platten des Wettersteinkalkes des Bettelwurfge- wölbes andererseits und die dort noch wohl sichtbaren, dazwischen eingebrochenen Schollen von Wettersteinkalk- und Raiblerschichten stellen auch in ihrer Ostverlängerung die Glieder des hier eng zu- sammengedrängten Einbruches dar. Die Fortsetzung des Haupt- dolomits der Zunderköpfe ist die hier tiefer gesunkene Gnadenwald- Walderjochscholle — der Plattenkalk ist verschwunden. Die Fort- setzung des Bettelwurfgewölbes ist das Walderkammgebirge, wie schon oben geschildert wurde, die Kartelserschollen finden in dem schmalen, zwischen die genannten beiden Gebilde eingeklemmten Streifen von Raiblerschichten ihre Fortsetzung. Von der muldenförmigen Lagerung, welche Pichler (Lit. 31, 32) annimmt, ist nichts zu sehen. Bis zur Usterbachschlucht liegen die Lias- und Juraschichten ziemlich eoncordant mit dem darunter- liegenden Hauptdolomit mit mittlerer Neigung bergein fallend; ein Gegenflügel ist nicht vorhanden. So einfach die unmittelbar dem Hauptdolomit auflagernden Theile gebaut sind, so verwickelt ist die Lagerung gegen die nörd- liche Verwerfungszone zu. Es läuft dort parallel dem Gebirgskamme eine mächtige Störungs- linie, die besonders im Hintergrunde der Fallbachschlucht gut zu sehen ist. Sie besitzt dort eine vielleicht 10 m breite, vollständig zu Mörtel zerdrückte Begleitzone, zu der besonders die äusserst schmächtigen Raiblerschichten und eine Dolomitstufe beitragen, welch’ letztere mit dem Hauptdolomit des Haller Zunderkopfes in Verbindung steht. Südlich von der genannten Verwerfungszone, auf dem innersten linksseitigen Gehänge der Schlucht, liegen in flacher, manchmal bergein fallender Lagerung zum Theil noch auf der erwähnten Dolomitstufe rothe und grüne Mergelschiefer, die ganz den Aptychenschiefern der Usterbachklamm gleichen. Auf diesen liegen in sehr gestörter Stellung hellgraue Kalke, die in ihrer Fort- setzung gegen Osten ober der Wantlalpe und in der Asterbachklamm eine auffallende Terrainstufe bilden. Die Aptychenschiefer der Fall- bachschlucht zeigen in dieser an einer Wand in fast horizontaler Lagerung eine äusserst intensive Fältelung, die einem heftigen Druck von Süd oder Nord entspricht. Deuten schon die Verhältnisse der inneren Fallbachschlucht eine in die Höhe gepresste Scholle an, so tritt uns in der Klamm Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., 1895, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 45 344 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [56] zwischen dem Fallbach der Wantlalpe hinter den Aptychen- schiefern der grossen Gnadenwald-Walderalmscholle eine bedeutende Thalstufe von hellem Kalk entgegen, auf der wieder Aptychen- schichten liegen, die stark gestört und zerknittert sind (ein Aptychen- fund bestätigte das jurassische Alter dieser buntfarbigen Mergel). Auf diese Schiefer folgen aufwärts im Graben Rauchwacken und Breccien, die wohl den Raiblerschichten angehören. Auch diese sind sanz durcheinander geworfen. Die oben erwähnte Stufe hellen Kalkes zeigt am schönsten in ihrem Verhältniss zu den Aptychenschiefern der Hauptdolomit-Lias-Jurascholle die Usterbachklamm (Schnee- klamm). Von unten nach oben folgt zuerst die regelmässige Schicht- folge vom Hauptdolomit zum Jura. Besonders gut sind in dieser Klamm die Aptychenschiefer entwickelt, welche an dieser Stelle ziemlich häufig Aptychen führen. Von den dunkelrothen Aptychen- schiefern durch eine gut sichtbare Verwerfung getrennt, ragt hier wieder jene Stufe hellgrauen Kalkes auf. Ober dieser sind hier keine Aptychenschiefer mehr deutlich zu sehen, vielmehr folgen in bunt durcheinander geworfenem Wechsel Rauchwacken, blaue Mergelthone, schwarze Mergel und Kalke, bituminöse und andere Dolomite, wahr- scheinlich alles Vertreter der zertrümmerten Raiblerschichten. Gegen Osten weiter verdecken auf eine weite Strecke hin Geröllmassen und Stücke einer Wettersteinkalkbreceie alle Aufschlüsse, die erst wieder auf dem Höhenrücken der Alpe Hinterhorn beginnen. Hier liegt nun eine ausgesprochene Wiederholung der Schichtfolge vor: eine Kössener-Liasscholle liegt wenig nordfallend auf dem Haupt- dolomit und besitzt geringe Horizontalerstreckung. Auf diese Scholle folgt bergauf wieder Hauptdolomit, auf dem bei der Alpe Lias mit Manganschiefer liegt. Die Kössenerschichten sind bei der Alpe selbst noch wenig bemerkbar, treten aber weiter östlich stärker auf (Kaspar- mahd). In der Hasenbachschlucht (östlich von der Hinterhorn- alpe) erscheint diese obere Scholle an einer Querverwerfung tiefer gerückt. Mächtig senken sich im Gehänge die Liasbänke über die Kössenerschichten gegen die Schlucht des Hasenbaches hinab und ziehen dann zum Gehänge des Gunglkopfes hinüber. Ober den rothen Liaskalken kommen die Fleckenmergel stark gefältelt zu Tage. Höher im Gehänge als diese obere Liasscholle stehen zwischen Hinterhorn und Walderalm dunkle und helle Kalke an, eine Terrasse - bildend. Unter dem Steilabhang dieser Terrasse liegen am oberen Ende der Hasenbachschlucht bläuliche Thone mit Rauchwacken- stückchen und dolomitischen Brocken, welche Thone den Salzthonen ähnlich sehen, aber in ebenso ähnlicher Ausbildung auch in den Raibler- schichten der hintersten Usterbachklamm zu finden sind. Etwas | sicheres lässt sich über dieses sehr eng begrenzte Vorkommniss nicht sagen. Auf der obengenannten Terrasse zieht von der Alpe Hinter- horn bis Wald hin ein Streifen von wohl lHasischen, rothen und weissen Kalkblöcken. Es ist die wahrscheinlichste Erklärung, diese Blöcke mit den darunter liegenden Kalken als eine weitere Lias- scholle zu betrachten, zudem sie nördlich vom Gunglkopf bei der Walderalpe auch von Kössenerschichten unterlagert wird. Ober diesem obersten Liasstreifen folgt eine Rauchwacke, die wahrscheinlich [57] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 345 den Raiblerschichten zuzurechnen ist, und dann die Walderspitz- scholle des Wettersteinkalkgewölbes. Die sumpfigen Wiesen um die Walderalpe herum bedecken grösstentheils leichte Moränenlager, welche den Einblick auf das Anstehende verdecken. Am Walderjoch haben wir wieder die Verdoppelung der Schichtfolge vor uns. Wahrscheinlich in Verbindung mit dem Lias des Gunglkopfes zieht südlich des Joches ein Streifen Lias, von ganz schmächtigen Kössenerschichten unterlagert, auf dem Hauptdolomit von West nach Ost, erreicht die Kammhöhe und geht hier vollständig in die Luft aus. Nördlich von diesem Liaszug tritt nun wieder, den höchsten Kamm des Joches bildend, Dolomit auf, der dort, wo der südlichere Liaszug ausgeht, mit dem Hauptdolomit, der unter jenem Zuge liegt, in vollständige Berührung tritt. Nördlich des Kammes folgt dann der entsprechende zweite Liaszug. Wenn man von der Walderalpe gegen die aufgelassenen Mangangruben, die in den Liasmanganschiefern liegen, hinausgeht, so findet man am Wege öfter Stücke von dunklem Kalk mit den Leitfossilien der Kössener- schichten. Ihr Anstehen war nicht zu ermitteln, doch ist es wahr- scheinlich, dass auch hier zwischen Lias und Hauptdolomit Spuren von Kössenerschichten liegen, da sonst das Vorkommen jener Blöcke sehr eigenthümlich wäre. Die Manganschiefer dieses nördlichen Lias- zuges werden von einer grell weissen Kalkbank begleitet, die mit ihnen gleiches Streichen und Fallen theilt. Dieser Kalk scheint — die Vegetation bedeckt hier fast alles — wohl an einer Verwerfung an die Rauchwacken der Raiblerschichten der Ganalpscholle zu stossen; der Lias zieht gegen die Alpe Gan hinunter, wo sein Verlauf verdeckt ist, so dass man sein Verhalten zu den grossartigen Liasaufschlüssen in der Schlucht östlich unter der Alpe nicht sicher erkennen kann, doch ist es wahrscheinlich, dass eine die Ganalp- scholle gegen die Liasscholle abschneidende Verwerfung diese Ver- schiebung nach sich zieht. Der Liasstreifen, der östlich von Gan zum Vomperbach hinunterstreicht, ist auf beiden Seiten von Verwerfungen begrenzt; im Norden trennt ihn eine solche längslaufende Verwerfung un- mittelbar vom Wettersteinkalk, der dasnördliche Ufer des Vomperbaches dort bildet, im Süden eine kleinere und undeutlichere vom Hauptdolomit. Kössenerschichten sind hier nicht mehr zu sehen, das Haufwerk bunt gefärbter, zerquetschter Mergel, das ganz am Ufer des Vomperbaches liegt, dürfte wahrscheinlich als Aptychenschiefer anzusprechen sein. Die Fortsetzung der Lias-Juraschichten ist längs der dem Bache folgenden Bruchlinie stark nach Osten verschoben. Alle diese im Kleinen und Einzelnen besonders in der Nähe grosser Verwerfungszüge so verworrenen und unklaren Lagererschei- nungen haben doch gemeinsame Züge. Man sieht eine gegen das nördliche Wettersteinkalkgewölbe abgesunkene und zugeneigte Haupt- dolomitplatte mit daraufliegenden jüngeren Schichten, welche Platte von mehreren annähernd parallelen Staffelbrüchen durchzogen ist. Schon die Brüche am Haller Zunderkopf, in der Fallbachschlucht und in der Usterbachschlucht deuten eine solche Staffelverwerfung an, welche bei Hinterhorn und am Walderjoch schön ausgebildet ist. Mit den nacheinander immer tiefer gelagerten Schollen des Wetter- 45* 346 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [58] e steinkalkgewölbes an der Tratten, am Walderspitz und bei der Ganalpe bricht auch der anliegende Liaszug in die Tiefe. Zwischen den jungen Schichten einerseits und dem Wettersteinkalk andererseits herrschen längs der ganzen Strecke die grösstmöglichen Discordanzen der Lagerung. Die Raiblerschichten sind von Haller Zunderkopf bis zur Walderalpe immer in nächster Nähe grosser Störungslinien und dementsprechend nie schön erhalten. Bedeutende Querbrüche kommen in der Gnadenwald-Walderjochscholle, ausserdem im Hasenbachgraben und oberhalb der Ganalpe nicht vor. Dass die Verschiebung am Aus- gang des Hasenbachgravens mit dem Querbruche des Walderkamm- sewölbes an der Mandl- und Weiblscharte in Beziehung steht, ist unwahrscheinlich und nicht nachweisbar. Der Hauptdolomitrücken des Ummelberges ist wohl auch nicht einheitlich. aufgebaut, worauf schon die verworrene und stellen- weise verschwindende Schiehtung und die häufige breccienartige Constitution des Dolomites hindeutet. Im Süden der Hauptdolomit- scholle, durch Verwerfungen davon getrennt, tritt bei der Pfannen- schmiede noch die ältere Trias in sattelförmiger Aufbiegung zu Tage. Der auf dem Ostufer des Baches in Nordflügel des Sattels eingebrochene Wettersteinkalk ist auf dem westlichen Ufer nicht mehr sichtbar und scheint durch eine Querverwerfung abgeschnitten zu sein. IV. Die Zunderköpfe. (Zunderkopfscholle und Thaurer- scholle.) (Profil 12—19 auf pag. 340 |52].) Der (Thaurer und Absamer) Zunderkopf stellt die Verkop- pelung von zwei Schichtgruppen dar, die in langen Zügen von Ost und West kommend, in seinem Bereich aneinander lagern. Die eine dieser Schichtgruppen haben wir als Gnadenwald-Walderjochscholle kennen selernt und sie erhebt sich, über das Hallthal herüberziehend, zu den Zunderköpfen; ihr mächtigstes Glied ist der Hauptdolomit, von Kössenerschichten und Lias über-, von Raibler-Wettersteinkalk und Muschelkalk unterlagert: die Zunderkopfscholle. Die andere Scehichtgruppe kommt von Westen her und enthält alle Schichten vom untersten Muschelkalk bis zu den Raiblerschichten in der Inn- thalfacies: die Thaurersch.olle. 1. Die Zunderkopfscholle. Ihr Verhalten als Walderjoch-Gnadenwaldscholle wurde oben besprochen. War dort ihr Zug eine Aufeinanderfolge mehrerer Schichten, deren Zusammengehörigkeit trotz mannigfacher Störungen überall durchblickt, so stellö die Zunderkopfscholle, soweit sie von jenem Schichtzuge gebildet wird, uns eine steil aufgerichtete Schichtgruppe von Muschelkalk bis Lias dar, welche von starken Störungen uud häufigen Mächtigkeitsschwankungen unterbrochen wird. | | , [59] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 347 Die Hallthalflanke des Zunderkopfes ist schon oben beschrieben worden. Wenn man die Schichtung dieses Abhanges, abgesehen von den kleinen Unregelmässigkeiten in der Nähe der Kössener- schichten betrachtet, so findet man, dass sich dieselbe bis in die Nähe der Hauptdolomitschlucht des Hallthals etwas umwendet. Es macht den Eindruck, als ob die steile Schichtstellung am Zunder- kopf in die flachere des Haller Zunderkopfes übergehen würde. Die nördliche Grenze der Zunderkopfscholle ist jene mächtige Verwerfung, welche vom Hallthal übers Thörl zur Thaureralpe läuft. Ihre nähere Beziehung, soweit sie dem Hallthale angehört, wurde an jener Stelle dargelegt. Vom Thörl westwärts ist die Offenbarung dieser Ver- werfung nicht mehr ganz deutlich. Es zieht nämlich zwischen Haupt- dolomit und Werfenerschichten noch ein Streifen weisslicher Kalke hin, in denen schwarze Suturlinien verlaufen. Ihr Alter ist uns voll- kommen dunkel geblieben; Versteinerungen sind keine zu bekommen, und mit dem blossen petrographischen Bild, das am ehesten auf Wettersteinkalk hinweist, ist nicht viel gethan. Es fehlt dieser Schicht jeder erklärende Zusammenhang. Nach unten ist sie durch: Verwerfungen vom Dolomit getrennt; über ihr liegen dünnbankige, dunkle Kalke und dann der bunte Sandstein, der schon zur Wild- angermasse gehört. Dieser helle Kalk hört westlich der Thaureralpe auf und der Hauptdolomit stösst dann direct an den Buntsandstein. Immer schmächtiger ist der an den Zunderköpfen so gewaltige Hauptdolomit gegen Westen zu geworden. Westlich der Vintlalpe verschwindet auch dieser schmächtige Streifen gänzlich. Dieses starke Abnehmen und Verschwinden der Schichten des Zunderkopfes gegen Westen ist für diese Schichtzüge geradezu charakteristisch. Die grosse Mächtigkeit des Hauptdolomits der Zunderköpfe ist sehr wohl durch verschiedene Störungen und Verbiegungen erklärlich. Mehrfach kann man in dem im Allgemeinen steilen Schichtgefälle flache und entgegenfallende kleine Schollen beobachten. Ueberhaupt ist das Gestein, besonders im Abhang gegen die Gaschafflreise und Weissreise, von zahlreichen Brüchen und Zertrümmerungen durch- setzt, was sich hier schön an der Zerbrechung des unterliegenden Raibler-Muschelkalkzuges zeigt. Dieser Zug beginnt am Westufer der Hallthalschlucht, beim „Hakl“, als erstes Anstehendes mit hellem Wettersteinkalk und dunklen Raiblerkalken aufzutauchen. Im Weiterverfolgen dieser Schichten ist es recht bemerkens- werth, wie eben in der Weissreise und im Gaschaffl ein ruckweises Verrücken nach Norden eintritt. Am Ostufer der Weissreise stehen zutiefst Kalke an, die am besten zu den Raiblerkalken zu stellen sind, dann folgt auf dieser Thalseite aufwärts ununterbrochen Haupt- dolomit. An der anderen Thalseite dagegen stehen zu unterst Dolo- mite an, die wegen ihrer Verbindung im Westen zu Raiblerschichten der Thauerscholle gezogen werden müssen. Auf diese Dolomite folgt dann schön entwickelter Knollenkalk des Muschelkalkes, der in prächtig sichtbarer Weise längs des Thales herabgezerrt ist. Dies schon beweist die Verschiebung, welche längs der Weissreise statt- 348 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [60] gefunden hat und die weiter oben noch besser zum Ausdruck kommt. Höher als der Muschelkalk liegt ein schmächtiger Aufschluss von Partnachmergeln vor, die wieder im Norden an hellen Kalk grenzen, welcher eine hervortretende Rippe bildet, hinter der, stark einge- wittert, eine schmale Zone völlig zerdrückten grauen Dolomites an- steht. Nördlich grenzt dieser Dolomit an die gewaltige Wand des Wettersteinkalkes, die längs des ganzen Zunderkopfes hinzieht und ober sich die die spärlichen Mähder bedingenden Spuren von Raibler- schiehten trägt. Die Bachläufe schliessen sich theils dem Wandver- laufe an, theils bildet dieser noch nicht vollständig durchgearbeitete Stufen in ihrem Lauf. Mit der Wettersteinkalkwand findet das breite Thal der Weissreise sein oberes Ende. Der östliche Graben ihrer weiteren Thalfortsetzung ist dadurch bemerkenswerth, dass in ihm der Wettersteinkalk der Wand und Raiblerschichten jäh an riesigen Rutschflächen gegen den Hauptdolomit abbrechen. Es ist hier die Weissreisenverschiebung vollständig blossgelegt, welche die eigen- thümliche Verschiedenheit der beiden Thalseiten durch ein gegen- seitiges Verrücken derselben erklärt. Ueber den Scheidekamm zwischen Gaschaftil und Weissreisen setzen alle Schichten des west- lichen Ufers der Weissreisen und die darüber liegenden Schichten etwas verbogen über. Auch im Gaschaffl ist in Folge einer ähn- lichen Verschiebung eine starke Verschiedenheit der Thalwände vor- handen. Die östliche Thalwand ist, wie schon gesagt, der Westseite der Weissreisen vollends ähnlich. Auf dieser Seite ist nur die Ver- werfungslinie zwischen dem Muschelkalk und den der Thauerscholle angehörigen Raiblerdolomiten viel mehr ausgebildet, ebenso sind die Partnachmergel weit besser zu sehen. An die Thalwand ist südlich der grossen Wettersteinkalkwand ein dreieckiges Stück hellgrauen Kalkes angelagert, dessen Schichtung nicht mit der der grossen Wand übereinstimmt. Die Nordflanke der inneren Gaschafflreise zeigt deutlich eine stark ruckweise Hinaufzerrung der Schichten: neben den Raibler- schichten, die auf der ganzen Wand des Wettersteinkalkes liegen und vom Thalverlauf schief angeschnitten werden, lagert eine Scholle Wettersteinkalk, während der zu dieser Scholle gehörige Muschel- kalk auf der anderen Seite des Thales entsprechend tiefer unten zu sehen ist. Ueber den Raiblerschichten streicht in langer Wand- fiucht der Hauptdolomit aus, an den sich bei der Scharte nördlich der Guggermauer ohne Zwischenlage von Raiblerschichten Wetter- steinkalk vorlegt. Auf der anderen Thalseite kommt ober dem Muschelkalk jener mittleren Scholle wieder Dolomit hervor, der wohl zu den Raiblerschichten der Thaurerscholle gehört. An der Gugger- mauer, wo beide Thalflanken ihr Ende erreichen, tritt steilgestellt Muschelkalk und Partnachschichten an den Wettersteinkalk heran. Hier ist an der Zusammenstossstelle des Muschelkalkes der Zunder- kopfscholle und des Raiblerdolomits der Thaurerscholle eine gross- artige, gewölbte Rutschfläche mit stark entwickelter, anliegender Trümmerzone zu sehen. Die Rutschfläche bildet noch der Dolomit. Auch eine andere tektonische Sehenswürdigkeit besitzt die Gugger- mauer. Es liegt nämlich annähernd horizontal auf den saigeren a A Be u a ee Ze ui a [61] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 349 Partnach- und Muschelkalkschichten wie ein Deckel eine räthselhafte Dolomitplatte von ziemlicher Ausdehnung: Im Gebiet der Winterkühlklamm und der inneren Thaurer- schlucht sind die Raiblerschichten zwischen Wettersteinkalk und Hauptdolomit wieder vorhanden und im Abhang der Kaisersäule sogar gut ausgeprägt. Mehrfach durchsetzen den Wettersteinkalk-Raibler- schichtenzug Querverwerfungen. Die Raiblerschichten verschwinden in der innersten Thaurerklamm vollständie. Ebenso ist von der Guggermauer an wenig mehr von typischem Muschelkalk zu verspüren, wenn sich auch in der Thaurerklamm unter der Wand des Wetter- steinkalkes in den schwarzen Mergeln, die wir wegen ihrer petro- graphischen Aehnlichkeit als Partnachschichten aufführen, knollige Bänke dunklen Kalkes finden. Gleichzeitig mit dem Ausgehen der Raiblerschichten oberhalb des Wettersteinkalkzuges tritt auch das der Partnachmergel ein, während der Wettersteinkalk noch bis zur Rumermuhr unverändert fortläuft, wo wiederum schmächtige, schwarze ‘ Mergel unter ihm liegen, vielleicht eine Fortsetzung der Partnach- schichten. Der Wettersteinkalk ist unter allen Gliedern dieses Schichteomplexes dasjenige, welches in der ganzen Erstreekung von gleicher Mächtigkeit bleibt. 2. Die Thaurerscholle. Die einheitliche Betrachtung dieser Scholle hat zur Voraus- setzung, dass die Dolomite, welebe nach dem Aufhören der Mergel- -sandsteinentwicklung der Raiblerschichten in der Thaurerklamm genau in deren Ostfortsetzung eingreifen, wirklich gleichzeitige Ge- bilde sind. Dass nicht Verwerfungen allein das Aufhören der Sand- steine und Mergel besorgen, bezeugt der Umstand, dass die concor- dant darunter liegenden Partnachschichten ungestört über die Klamm hinausziehen. Zweitens muss man noch annehmen, dass der Dolomit zwischen Partnachschiehten und Raiblerschichten den Wettersteinkalk vertrete. Dann ist eine vollständige Schichtfolge da, die mit dem Dolomit der Myophorienschichten beginnt und mit einem Dolomit ab- schliesst, der in der Thaurerklamm ober den Raiblerschichten ansteht und entweder zu diesen oder zum Hauptdolomit zu rechnen sein dürfte. Der ganze Schichtverband befindet sich in saigerer oder über- kippter Lage. Das höchste Glied dieser Reihe taucht, wie schon angeführt, zuerst in der Weissreise an der grossen Nordverschiebung auf und bildet dort den kleinen Scheiderücken zwischen Gaschaftl und Weiss- reise zum grössten Theile. Ebenso besteht fast der ganze Vor- berg aus einem Dolomit, der dort fast die ganze Schichtfolge vertritt. Oestlich vom Romediuskirchlein bei Thauer treten die Partnachschichten zu Tage, in der Nähe der Klamm die Muschel- kalkbänke und an ihrem Umfang sogar noch der Dolomit des untersten Muschelkalkes. Dieser Schichtencomplex, der seine beste Erschliessung in der Thaurerklamm hat, setzt sich gegen Westen fort, wo er gleich- zeitig an Mächtigkeit seiner Glieder verliert. Da er dabei aber in der Höhenlage nicht abnimmt, so treten immer tiefere Schichten her- 350 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [62] vor, der unterste Muschelkalk und endlich der Bundsandstein, aller- dings erst knapp vor dem Verschwinden der ganzen Scholle am Purenhof. Eine nähere Besprechung dieser Grenzverhältnisse bceson- ders in der Rumermur wird in dem Abschnitt über die mittlere Solsteinkette gegeben werden. Während noch im Galzanhofgraben prächtige Mergel und Sandsteine der Raiblerschichten aufgeschlossen sind, nimmt diese Ausbildung, gegen die Rumermur hin, sehr ab. Dafür setzen stellenweise Rauchwacken ein, deren gewaltigem Vor- herrschen die Rumermur ihre Entstehung verdankt. | Wir haben gesehen, wie zwei grosse Schollen an dem Aufbau des Zunderkopfes betheiligt sind. Die mächtigere, nördliche. Scholle, die auch die gipfelbildende ist und allein das ganze Hallthalgehänge zusammensetzt, ist bei Weitem die stärkere. Zahlreiche Querschübe und Brüche sind nachweisbar, zahllose undeutliche durchsetzen sie. Ihre Störungen häufen sich gegen den Südrand, wo sie an die kleinere, südliche Scholle stösst. \ Was das Verhältniss der beiden Schollen zueinander anlangt, so lehrt ein Blick auf die Karte, dass wir es hier mit zwei Ge- bilden zu thun haben, die wie Schuppen übereinander liegen. Beide sind dabei fast saiger aufgerichtet. Eigenthümliche Facieswechsel scheinen in diesem Gebiete vorzuliegen, die wohl auch zu dieser merkwürdigen Bauart beigetragen haben mögen. Im Norden be- srenzen mächtige Verwerfungen die Zunderköpfe und legen ihre jungen Schichten an alte, im Süden wird wohl die grosse Innthal- spalte nicht allzufern vorüberziehen. V. Die Solsteinkette. A. Frauhütt bis Wildanger. Frauhütt-Wildangerscholle, Höttingerscholle, Gleierschthalmulde. Bei der Untersuchung des Solsteins wird näher beschrieben werden, dass wir dort ein Gewölbe aus Wettersteinkalk vor uns haben, dessen Nordflügel sich längs der ganzen Solsteinkette hinzieht, während sein Südflügel westlich vom Brandjoch nicht mehr vorhanden ist. Dieser Nordflügel — ein mächtiger, steil aufgestellter Schichtenbau — ist eine der auflallendsten geologischen Eigenthümlichkeiten dieses Gebirgszuges. Im hellen Gegensatz zu den geschlossenen, wenig ge- störten Schichtzügen, die in der Hochregion und den Nordabsenkern vorherrschen, besteht die tiefere Innthalflanke aus bunten Sehicht- trümmern, deren genaueren Zusammenhang zu erkennen, gewaltige Störungen, eine tiefeingedrungene Erosion und dichte Bewachsung zur Unmöglichkeit machen. Nach dieser verschiedenen tektonischen Aus- bildung wollen wir in der Finzelnbeschreibung zuerst den Kamm nnd die nördlichen Seitenäste als deutlichst erkennbare Erscheinung be- schreiben und dann die Verhältnisse des Gehänges in ihrer Beziehung zu dem östlich und westlich Angrenzenden zu schildern versuchen. [63] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 351 I. Die Frauhütt-Wildangerplatte. (Profil i6—22 auf pag. 340, 352 und 353.) Mit dem Frauhüttsattel betritt der Nordflügel des Solsteinge- wölbes den Kamm und behält ihn inne bis zum Niederbruch des Wildangers ins Hallthal. Alle Glieder dieses Zuges haben gewaltige ‘Dimensionen und sind gut entwickelt. Beginnen wir mit dem Auf- zählen im Süden, so sehen wir vom Thörl bis ins Höttingerthal her- auf mehrfach als Tiefstliegendes den bunten Sandstein auftreten. Ueber ihm liegen fast ständig Rauchwacken, dunkle Kalke oder‘ Dolomite, die wir zusammen als Reichenhallerschiehten hervorhoben. In ihrem Hangenden treten schön entwickelt die verschiedenen Kalke des höheren Muschelkalkes auf. Auch in diesem Horizont sind an der oberen Grenze Rauchwacken eingeschaltet. Darüber folgen die Partnachkalke, die in den hellen Wettersteinkalk übergehen. Damit haben wir schon den Kamm überschritten, der meist aus hellem Wettersteinkalk erbaut ist, in seinem westlichen Theil aber, besonders von der Hafelekarspitze bis zur Sattelspitze hin aus dunklen Partnachkalken besteht. Die Nordabzweiger hingegen führen nur oberen Wettersteinkalk und geben in ihrer wohlgeschichteten, EN Lage ein gutes Bild von seiner grossen Mächtigkeit. So einheitlich gewiss im Grosse der Bau dieser Triasplatte sein mag, so sind doch gerade im Abfall des Kammacher- gegen das Höttingerthal mehrere kleine Gewölbe zu sehen, die von den Muschel- kalkschichten gebildet werden: ein bedeutenderes, gerade östlich der Höttingeralpe, ein anderes schon im Gipfelbereich des genannten Berges. Die Rauchwacken und mergeligen Kalke, die im vberen Muschelkalk ziemlich häufig sind, zeichnen sich ins Terrain als Ein- witterungen ein. Längs der ganzen Kette, besonders zwischen Arzler- scharte und Höttingerthal, verdanken viele kleine Eckenbildungen, Terrassen und Gruben, z. B. die Seegrube, diesem Umstand ihre Ent- stehung. Auch die Stufen in der Nähe des Wasserschroffens sind durch Tieferwittern weicher Schichten entstanden. Die heftigen Störungen und Verbiegungen im Kleinen, welche oberhalb des Wasserschroffens dünnblättrige Kalke und Rauchwacken zeigen, stehen wohl mit dem ‚nahen Solsteingewölbe und den Schichtverbiegungen jenes Muschel- -kalkzuges, der zur Nazhütte hinauszieht, in ursprünglichem Zusammen- hang. Diese kleinen Unregelmässigkeiten erklären auch die ganz un- -gewöhnliche Mächtigkeit des Muschelkalkes im Höttingergehänge wenigstens theilweise. Auch die Schiehtneigung ist im Einzelnen gar „nicht regelmässig. Doch bleibt sie meist zwischen 40% und 80° Nord- ‘fallen. Andererseits macht diese Triasplatte trotz ihrer bedeutenden :Längserstreckung den Eindruck grosser Widerstandsfähigkeit wegen der grossen Schichtmächtigkeit und. dem Vorherrschen fester Kalke. Thatsächlich dürften auch keine Störungen vorliegen, die sie in "wirklich grossem Massstab beherrschen würden. Nur längs der Arzler- reisen scheint ein Querbruch zu verlaufen, an dem der Klotz der Stumerspitze verrückt wurde. Auch am Frauhüttsattel setzt eine kleinere Querverwerfung über. Jahrb, d. k. k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 46 352 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. . [64] Aber auch diese Störungen verlieren im Anblick der ganzen Masse ihre Grossartigkeit, denn sie vermögen den einheitlichen Charakter nicht zu durchbrechen. 2. Die Gleierschthalmulde. (Profil 20—21.) Die Nordgrate der Solsteinkette, der Kumpfkar- uud Hippen- kopfkamm haben an ihrem nördlichen Abfall schön entwickelte, steil stehende Raiblerschichten anlagern. Schon am Kumpfkarkamm besitzen sie nicht mehr jene mächtige Entfaltung wie am Hippenkämm; in der Nähe der Angerhütte verschwinden sie. Längs des Frauhüttthales scheint eine tüchtige Schichtschwankung die Verschobenheit der beiden Raibleransätze hervorgebracht zu haben. Nördlich davon steht der Hauptdolomit an, der ebenfalls bei der Angerhütte ausgeht. Beide Schichten sind hier gutentheils an Störungen abgeschnitten. Dass solehe vorliegen, sieht man daran, dass neben saigeren Raibler- schichten fast horizontal eine Bank hellgrauen Kalkes liegt. Der Hauptdolomit des Fuchsschwanzes zeigt noch eine Art Muldenstellung, die am Wiedersbergausläufer nicht mehr erkenntlich -ist. Bei der ÜChristeneckalpe beginnt ganz am Fusse jener Seiten- kämme der Solsteinkette ein Zug von Wettersteinkalk als ein Theil des Nordschenkels dieser Mulde, der durch Verwerfungen vom Süd- fiügel des Gleierschkammgewölbes getrennt ist, ähnlich wie der Wetter- steinkalkzug im Nordschenkel der Hinterauthalmulde. Auch der Birk- kopf auf dem rechten Bachufer dürfte dazu zu nehmen sein. Dieser ganze Wettersteinzug stösst ohne Zwischenlage sicherer Raiblerschichten an den Hauptdolomit, also wahrscheinlich dureh eine Verwerfung in diese Lage gebracht. Dieser Wettersteinkalkzug der Mulde baut dann weiter östlich auch den Kamm des „niederen Brandjoches“ auf. Dieser Höhenzug schliesst sich in bogenförmigem Verlauf dem Nordgrat der Mandlspitze an. Der weitaus grössere Theil dieses Kammes ist gut geschichtet, und zwar hat der dem Gleierschthal gleichgerichtete Theil 399 Geo]. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. re! Ne) Ne) Lk TERN. 6 d fe \ EN Be I EEE Au u Bungsebung G 3 ur Er Sg 4q ge Z94]1499.28 797,9 ar... ge 7 I YMm zw R 9 ZPYIIP WE ed S Ga NS S N NN wr3sezv Sy sg “g E) ao Au S_ anne $ ZOYJoJ2FJeoH ® Lin Ans 8 I 8% 2 re Au sad N | ESEE z RR; Dr EZ zu C=E > HN ei RU EI ZoyrzoßurgoH 49 55 YAM EN, z EN N: Daagoasburmey N Yu SS 91724872702 2% 46* 354 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [66] schwach südfallende Neigungen, während das Kammstück, das an die Hauptkette anknüpft, eine flache Mulde darstellt, deren Achse zugleich die des Mandlthales ist. Die steiler nordfallenden Schichten des Hauptkammes gehen als Südschenkel der Mulde in immer weniger nordfallende Neigungen über. Im Gebiet des Ueberganges ist eine Gratscharte eingebrochen. Das Mandlthal selbst ist von weiten Schutt- halden erfüllt. Die ganze Mulde steigt gegen Osten stetig in die Höhe und läuft am Stempeljoch in der Luft aus. Die nördlichen Seitenkämme der Solsteinkette, welche den Südflügel der Mulde bilden, haben im Kumpfkargrate, soweit es den Wettersteinkalk angeht, ihre mächtigste Entfaltung. Der nächste Kamm östlich, der der Grubreisenthürme, ist ihm an Mächtigkeit noch fast gleich, die weiteren Nachfolger aber nehmen rasch ab. Im Kamm, der von den Spitzen des Wildangers zum Stempeljoch zieht und so die Verbindung mit dem Gleierschkamm herstellt, ist der Südflügel der Mulde äusserst kurz und kaum mehr bemerkbar; eine Verwerfung trennt ihn von dem durch Brüche zer- stückelten Südschenkel des Gleierschkammes. 3. Die Höttingerschollen. (Profil 20, 231, 18,19, 22.) Eine tektonische Besprechung der unteren Gehänge der Solstein- kette muss sich auf die Aufschlüsse des Höttingerthales, der Mühl- auerklamm und der Rumermuhr beschränken, weil in den dazwischen liegenden Gebieten die Abschlüsse in einer Weise spärlich und weit voneinander entfernt sind, dass man dieselben nur mehr völlig speeulativ verwenden könnte, eine ziemlich werthlose Mühe! In dieser Region kann man kaum mehr thun, als die einzelnen Aufrisse be- schreiben. Bis zu jener Bergkante, welche knapp westlich vom Höttinger- bild zum Achselkopf sich aufschwingt, reichen später zu beschreibende Dolomite der Reichenhallerschichten von Westen her. Sie brechen an dieser Kante ganz unvermittelt ab; im Höttingerthal treten zwar ähn- liche Dolomite auf, aber sie nehmen meist eine andere Stellung ein oder sind sehr wenig mächtig. An diese Verwerfungsgrenze jener Myophoriendolomite stossen etwas oberhalb des Höttingerbildes typische Mergel und Sandsteine der Raiblerschichten. Höher hinan stehen stark zerdrückte, dunkle Kalke an. Auch Dolomit wechselt mit den Kalken, die in total zertrümmertem Zustande, von Klüften und Rutschen durchbrochen, vorliegen. Ueber all’ diesen Trümmern bricht rother Sandstein hervor, der sich dann längs des Gehänges in’s Höttingerthal hineinzieht. Seinem Terrainanschnitt nach muss er eine flach nord- fällige Lage einnehmen. In dem Graben, der neben der Ochsenhütte herabsinkt, liegt unter dem bunten Sandstein noch ein hellgrauer Dolomit. Die erste Brandjochrinne, die unterhalb eines Wasserfalles des Höttingerthales in dasselbe einmündet, zeigt wieder die Sandsteine, darunter Dolomit, dann schwarze Mergel, Sandstein und dunkle Kalke in einer den später zu besprechenden Aufschlüssen dieses Thales ähn- lichen Lage. An der Mündung der ersten Brandjochrinne sind Rauch- 2 2 7 A Zi [167] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 355 wacken zu sehen, die wahrscheinlich auch den nächsten Theil des Hauptthales bilden, der ganz von Schutt und Vegetation bedeckt wird. Unter dieser ganz verdeckten Stelle kommt in einem kleinen Gewölbe fester Buntsandstein hervor, nach unten von Rauchwacken bedeckt, die schwarze Schiefer umschliessen und schwer von der tiefer ver- tretenden Höttingerbreceie zu trennen sind. Steigen wir wieder thalauf, so steht beim Wasserfall, wo sich auch die Mundlöcher eines alten Bergbaues öffnen, an der Ostseite des Thales ein eigenthümlich dünn- schichtiger, auf den Flächen mergeliger Dolomit an, der auf der anderen Thalseite nicht deutlich bemerkbar ist. An diesen flach süd- fallenden Dolomit schliesst sich eine ziemlich ungeschichtete, vielleicht saiger stehende Dolomitmasse an, über die der Bach stürzt. An diesen Dolomit stösst eine Zone dunklen Kalkes, dem ein Mersgelstreifen benachbart ist, der täuschende Aehnlichkeit mit Partnachschiefern besitzt. Ueberdies hat der Kalkzug auf der einen Thalseite knollige Kalkplatten, die sehr an Muschelkalk .erinnern. Die breite Einsenkung, die thalauf folgt,. besteht grösstentheils aus Mergeln, doch gelang es uns durch Aufgraben Sandsteine, wie sie die Raiblerschichten führen, darin zu entdecken. Die höher gelegene Thalstufe besteht aus flach gelagerten, dunklen Kalken, auf denen in der Ostflanke des Thales Mergelspuren liegen. Aehnliche Lagerungsdiscordanzen wie hier, sind auch in der ersten Brandjochreise zu sehen, mit denen diese Auf- schlüsse in direeter Verbindung stehen Den weiten, aufschlussarmen Raum bis zu dem nun thalauf kommenden Buntsandstein, der von der ersten Brandjochreise herüberzieht, scheint ein ziemlich heller Dolomit auszufüllen, ähnlich wie der unter der Ochsenhütte. Die besten Auf- schlüsse dieses Gesteins sind am Weg von der Gramart zur unteren Höttingeralpe. Der Buntsandsteinaufschluss an der Thaltheilung ist der zweitmächtigste seiner Art in dem ganzen Gebiet. Er wird von flachen Lagen vun Rauchwacken der Reichenhallerschichten überdeckt. Doch gehören diese zwei letztgenannten Schichten schon eher zur Triasplatte des Hauptkammes. In dem Zwischenstück vom Höttingerthal zum Mühlauergraben lässt sich keine Schichte mit Sicherheit verfolgen. Sehr wahrscheinlich ist es, dass der Buntsandstein der unteren Höttingeralpe mit dem der innersten Mühlauerklamm in Verbindung steht. Es kaun das aus dem Austreten der Quellen längs dieser Zone und aus der Buntsandstein- führung der Breceie folgern. Auch ist er noch bei der Umbrückleralpe und am Titschenbrunnen aufgeschlossen. An letzterem Orte liegen über ihm helle Dolomite. Von anderen durchlaufenden Schichten ist in dem Waldgebiet nichts zu sehen. Am bedeutendsten sind noch in einem Hohlweg zum Titschenbrunnen splittrige, schwarze Mergel aufgeschürft. Ebenso ist im Weiherburggraben ein zertrümmerter Dolomit vorhanden; tiefer sollen daselbst, nach Pichler’s Angabe, in einem jetzt ver- schütteten Mergelaufschluss Raiblerversteinerungen zu finden gewesen sein. Das macht es auch wahrscheinlich, dass die Dolomite, die bis zum Inn herabreichen, diesen Schichten angehören. In der Mühlauerklamm findet eine ganz merkwürdig häufige Wiederholung von Mergel und Sandsteinzügen mit Kalkbänken statt. Die Züge des vorderen T'heils nehmen fast ausnahmslos steile Lagen 356 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [68] ein, im mittleren Theile sind flache Neigungen neben steilen vor- handen. Den innersten Theil nimmt die Höttingerbreceeie ein, unter der verborgen der Buntsandstein liest. Fast in allen Mergelzügen, mit Ausnahme des allerersten auf der Ostseite, lassen sich begleitende Sandsteine nachweisen, die ganz denen der Raiblerschichten gleichen. Unmittelbar hinter der vom Bach durchnagten Thalsperre eines her- vortretenden Kalkzuges, wo der Weg zum Purenhof den Bach über- setzt, sind die mächtigsten Sandsteinvorkommnisse, die auch die Leit- fossilien der Raiblerschiehten in sich führen. Im nächsten Klamm- gebiete herrschen die Kalke vor. zu denen sich auch dolomitische Breecien gesellen Von Mergeln kommen nur mehr wenige Aufschlüsse vor. Die innersten, tagliegenden Grundfelsen sind graue Kalke, denen die Breceie aufliegt. Bei den Wurmbachquellen und durch die Stollen der Innsbrucker Trinkwasserleitung auch unter der Breceie ist der Buntsandstein in grosser Ausdehnung aufgedeckt. Leider unterbricht gegen Osten hin eine dieke Breceiendecke jeden Einblick auf das Grundgebirge bis zur Bergkante hinaus, die die breite Absenkung des Rumeralpgehänges vom Gebiet des Mühlauergrabens trennt. Dort tritt nun wieder als tiefstes Glied bunter Sandstein auf, der auch steil nordfällige Schiehtung verräth. Er bildet einen längeren Streifen, bis er wieder östlich der Buchenalpe vom Schutt verhüllt wird. Er wurde bereits als Sohle der Thaurerscholle beschrieben. Ueber dem Buntsandstein folgen in dem Graben, der zur Rumeralpe hinaufzieht, die Glieder der Thaurerscholle, als: dunkle Kalke, die stellenweise dolomitisch werden und auch Mergel enthalten, — sie sind gewölbeartig aufgebogen und Dolomit bildet den Kern — alsdann knapp unter der Wand, auf der die Alpwiesen liegen, gut entwickelte Raiblerschichten. Diese fallen mässig steil bergein. Auch die dunklen, geschichteten Kalke der Wand dürften dazu zu nehmen sein. Ueber ihnen in Alphöhe stehen Dolomite an. Von da aufwärts bis zur Muschelkalkstufe wird alles von Schutt und Breceie verdeckt. Die im NRumeralmgraben anstehenden Schichten lassen sich mit Ausnahme des Buntsandsteins dem Gehänge nach in die Rumer- mur — auf die nun näher eingegangen werden soll — hinein verfolgen. Die Kalke, die gleich ober dem Buntsandstein im Rumeralm- graben liegen, bilden als Felseingang das erste Anstehende der Mur, wenn man dem Weg nach zu ihr emporsteigt. Auch hier sind es dunkle, von vielen weissen Adern durchzogene Kalke, die offenbar zu ihnen gehörigen Mergelsparen von drüben sind hier als mächtige, stark zerknitterte Mergellager entfaltet, die entschieden den Partnach- mergelcharakter an sich tragen. Es folgt aufwärts darauf grauer, weissadriger Kalk, stark nordfallend, und dann Kalk und Mergel- bänke. Der mächtigste dieser Mergelstreifen, der wie alle anderen bisherigen Züge fast saiger steht, enthält Raiblersandsteine mit Bactryllium canaliculatum und Ostrea montiscaprilis. Darüber lagert Rauchwacke, die gegen die Mitte der Mure zu mit einem Verkittungs- product der feineren Schuttmassen ganz verwachsen erscheint. Die höher folgende Kalklage ist im unteren Theil dolomitisch, nach oben mehr durch dünnblätterigen Mergel gebankt. Dieser Kalk nimmt auf einmal eine andere Lage ein, indem er mässig steil nach Nord- [69] Geol, Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 357 west einfällt. Dieser Kalk ist völlig auf die Ostseite der Mure be- schränkt. Ober dem Kalk folgen Kalke und Rauchwacken mehrmals bis hinauf zur Wandstufe des Wettersteinkalkes, welehe nach oben den Abschluss der Mur bilde. Am Südrand des Wettersteinkalkes läuft eine gut ausgebildete Verwerfung, an der ein Streifen steilste- heuder, ganz zermalmter Mergel da und dort erhalten ist. Unter diesen steht in der mittleren Wasserrunse wohlgeschichteter Dolomit an. In der Nordostecke der Mur werden Mergel und Dolomit durch eine Verwerfung von der Rauchwacke abgeschnitten. Die hier vom östlichen Graben geschilderten Verhältnisse finden in den westlichen Rinnsalen keine Nachbildung, zudem das aus- sgedehnte Schuttgebiet fast keine zusammenhängende Aufschlüsse bietet. Auf den dunklen Kalk am Eingang folgt hier zunächst eine weite, anbruchlose Zone, aus”deren spärlichem Grundgestein man nur schliessen kann, dass die Partnach- und Raiblerschichten hier durch- ziehen. Höher oben am Beginn des mittlere‘; Grabens steht noch ein dunkler Kalk an, auf den dann mächtige, meist stark zertrümmerte Dolomitmassen folgen. Dieselben bauen den ganzen westlichen Theil der Rumermur auf. In ihnen findet sich stellenweise Rauchwacke. ein- ‚gelagert, was man am besten im mittleren Graben sieht, der östlich ‘der Rauchwackenthürme herabzieht, welche aber schon dem Rauch- wackenzuge am oberen Ende des Dolomits angehören. Auch hier liegt . wieder eine ausgesprochene Verwerfung vor: Während westlich die Rauch- wacken in die Rinne hereinziehen, stossen sie in dieser — in der Nähe eines grösseren Wasserfalles — unter stumpfem Winkel auf jenen gut geschichteten Dolomit und die Mergel, welche den Südrand des Wettersteinkalkes umsäumen. Die Verschiebung ist von der Art, dass die Rauchwacken auch von dem Wettersteinkalk abstossen, an den auch ein darüberliegender Dolomitkeil andrängt. Der Dolomit, weicher den ganzen übrigen westlichen Theil der Mur bildet, steht mit dem der Rumeralpe in direetem Zusammenhang, während die Rauchwacken, welche im östlichen Theil so sehr vor- herrschen, mit denen des Galzanhofgrabens im Verband liegen. ‘ Ober der abschliessenden Wand des Wettersteinkalkes folgen Rauchwacke, Dolomit und dann die prächtigen Aufschlüsse des Bunt- sandsteines bei der Vintlalpe. Dieser Sandstein aber stellt schon das tiefste Glied der Wildangerscholle dar, während die tieferen Schichten noch zur Zunderkopfscholle gehören. Die Erforschung der Rumermur hat mit grosser Sicherheit hervortreten lassen, dass die beiden Schollen, die in reichen Schichtverhältnissen den Zunderkopf aufbauen, auch, wenngleich bedeutend verarmt, die Rumermur zusammensetzen. Die südliche Scholle geht noch weiter; sie ist durch den Rumer- alpgraben noch in ziemlicher Vollständigkeit aufgeschlossen. Direct verfolgen lässt sich in der ganzen Erstreckung nur die Raiblerschichte, obwohl auch die darüber- und darunterliegenden Schichten trotz ihres Entwicklungswechsels ziemlich zusammenhängen. Auffallend ist in dem Zuge die gegen Westen gerichtete Mächtigkeitsabnahme. Die Art der Verbindung mit den Schichten der Mühlauerklamm -ist unsicher. Ist der Buntsandstein der Mühlauerklamm die Fortsetzung der bunten Sandsteine des Purenhofes — dafür spricht der Umstand, 358 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [70] dass längs der muthmasslichen Verschneidüngslinie der Schichte mit dem Hang die Breceie unter der entsprechenden Höhe wirklich rothe Sandsteine führt — so kann man in den Schichten der Mühlauer- klamm mit einiger Wahrscheinlichkeit den Südschenkel eines Ge- wölbes sehen, dessen Nordschenkel die Schichtreihe der Thaurerscholle darstellen würde. Gegen diese Anschauung spricht die flache Lage des Buntsandsteines, welche sich aus der Verbindung der Aufsehlüsse der Mühlauerklamm und des Purenhofes ergäbe. Zieht man die Buntsandsteine der Mühlauerklamm als tiefstes Glied zur oberen Triasplatte, so stehen die Raiblerschichten der Mühlauerklamm und die hinter ihnen liegenden fraglichen Gesteine mit den Schichten des Höttingerthales in der Aehnlichkeitsbeziehung, dass auch dort unter dem Buntsandstein der unteren Höttingeralpe Raiblerschichten, sowie Kalke und Dolomite unbestimmten Alters an- stehen. Zudem ist auch der directe Zusammenschluss der beiden Buntsandsteinlager sehr wahrscheinlich. Das Höttingerthal bildet, mit dem unteren Buntsandstein anfangend, bis zum oberen Aufschluss des- selben eine wahrscheinlich ziemlich vollständige Schichtfolge, in der nur. Jede Andeutung des Wettersteinkalkes fehlt. Dass der obere Buntsandstein besser zu den darüberfolgenden Schichten der Frau- hütt-Wildangerplatte gezählt wird, geht wohl daraus hervor, dass er am unteren Gehänge des Achselkopfes, beim Höttingerbild, eine Lage einnimmt, als wenn er dem Brandjochgewölbe als Unterlage dienen sollte. Wenn man die Schichten der Mühlauerklamm in dieser Weise trennt, dass der Buntsandstein zur oberen Schichtplatte gehört und die Raiblerschichten durch eine Verwerfung davon abgeschnitten sind, so gelingt es, mit Hilfe einer nicht unwahrscheinlichen Annahme, die Verhältnisse des Rumeralmgrabens, der Mühlauerklamm und des Höttingerthales in Zusammenhang zu bringen. Denkt man sich nämlich, wie es auch der Wirklichkeit entspricht, die Schichtfolge der Rumer- spitze im Gegensatz zu denen der Mühlauerklamm gehoben und nach Norden gedrängt, was sich besonders in den unteren Schichten mehr ausspricht, so ist es gut denkbar, dass die Raiblerschichten der Mühlauerklamm die höchsten Theile der Thaurerscholle vorstellen ; der unterste Theil der Klamm würde in diesem Falle Partnachschichten, Muschelkalk und Buntsandstein verhüllen. Der Zusammenhang mit dem Höttingerthale wäre alsdann ein einfacher, indem dortselbst eben dieselbe Scholle mit allen ihren Gliedern aufgeschlossen erscheint. Sichere Kriterien für die eine oder andere Annahme fehlen. Bemerkenswerth ist das Streichen der Schichtzüge in diesem Gebiet. Vom Höchenberg her streichen dieselben nordöstlich „schief aufwärts“ gegen das Höttingerthal, vom Zunderkopfe streichen die Schollen nordwestlich oder fast ostwestlich gegen das Höttingerthal hinein. Dieses bildet eine geologische Einbuchtung. Die Schichten der Zunderkopfscholle verschwinden dabei alle unter der mächtigen Frau- hütt-Wildangerplatte. Im Gebiet zwischen Mühlauergraben und Höttinger- thal laufen die Schichten mehr parellel zu der Triasplatte, am Achsel- kopf beginnt das entgegengesetzte Verhalten. In welcher Beziehung die gewaltige Triasplatte der oberen Ge- hänge zu den Schichten des unteren Gehänges steht, ist nicht ganz Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 359 [71] "uodunpfig 97u9991 pun oferan[29sog — $ -uodunIosefqy Sfeneig) = If ‘Amojopdnegd = PY "usgyargdszafgtegy — AerUoIsIsyNaM — IN ‚uoggaryasgoguptug Top Je] = 47 "SONEITOgOSnL sap uasunfıaqgqy ustayoy AI = ‘(z397[dyIoy uoyyaryasuarıogdoA) usıyoıgasaspegragdruy — fun :ZuUnIe[N19uU9U9197Z JLOHI2SyaY 20851 JeloyjosyYy ed 7& HM Ipupugyosnngz 47 Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 360 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [72] sicher. Zwischen beiden Theilen laufen jedenfalls mächtige Störungen hin, wenn auch Facieswechsel einen Theil der gegenseitigen Unregel- mässigkeiten zu erklären vermag. Längs der ganzen Bergkette herrscht also eine schuppen- artige Gebirgsbildung, die besonders im Gebiete des Wild- angers wohl ausgeprägt ist, wo wir drei Schiehtplatten hintereinander sehen. Gegen Westen wird der Bau einfacher, dadurch, dass eine der Platten unter der mächtigsten, höchstgestauten, verschwindet. Von Westen her zieht das Solsteingewölbe mit seinen Vorlagen; im mittleren Stück herrscht tektonische Unsicherheit wegen mangelnder Aufschlüsse. Die Erosion hat hier einen Einblick in verhältnissmässig tiefe Theile geschaffen, vielleicht aber auch zur vollständigen Erklärung nöthige Theile zerstört. B. Erlsattel—Frauhütt. Solsteingewölbe, Zirlermähderschollen, Höchenbergscholle und Kranabitterscholle. Die südlichste Dergkette des Karwendelgebirges, die Solstein- kette, steigt im Westen mit dem grossen Solstein aus der Haupt- dolomitniederung der Seefelderberge empor. Die Solsteinkette im engeren Sinn — Erlsattel—Frauhütt — welche sich aus der ganzen Längskette durch ihre bedeutende Höhe hervorhebt, verräth durch ihren ganzen Aufbau in der Zusammengeschlossenheit der Gipfel und im Abfall der Flanken ihre geologische Einheitlichkeit, ihren Bau als Gewölbe. Es ist auch das Solsteingewölbe von allen tektonischen Baustücken der ganzen Kette das bestausgebildete und deutlichst erkennbare. Wenn man das Solsteingewölbe beschreiben will, so geht dies kaum ohne Mithineinziehung der niedrigen Vorberge, welche dasselbe unmittelbar vom Innthal trennen. Unter diesen Vorbergen hat nur der Höchenberg Anspruch auf Selbstständigkeit. Seine geologische Fortsetzung, das Klammeck und der Achselkopf, sind völlig in den Flankenbereich der Hauptkette getreten. Diese Vorberge bilden im Vereine mit dem Solsteingewölbe eine Art Falte, deren Mulde als eingebogene Scholle an den Zirlermähdern so ziemlich am besten er- halten ist. Ost- und westwärts davon ist sie undeutlicher ausgebildet. I. Das Solsteingewölbe. (Profil 26 auf pag. 361 [73].) Das Solsteingewölbe ist wie alle grossen Wölbebauten unseres Gebietes stark einseitig, und zwar ebenfalls in der Weise, dass der Nordschenkel steil oder saiger steht, während am Südschenkel mässigere Steigungen vorherrschen. Es taucht, nämlich wie der Gleierschkamm, mit breitem Rücken in einer seinem jetzigen Abhang fast gleichen Neigung unter den Raiblerschichten und dem Hauptdolomit des Erl- sattels auf. Der Nordflügel, der aus steil gestellten Platten hellen Wettersteinkalkes, aus ebenso liegenden Raiblerschiehten und aus Hauptdolomit besteht, ist nicht nur am Solsteingewölbe, sondern, wie wir oben gesehen haben, längs der ganzen Solsteinkette bis zum [75] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 361 Hallthale entwickelt, wo die Kartelserschollen den letzten einge- brochenen Rest desselben darstellen. Freilich verliert er im Osten zuerst den begleitenden Hauptdolomit und dann die Raiblerschichten, dafür sind in der Innthalflanke die tieferen Glieder bekanntlich auf- geschlossen. Während im Gebiet Erlsattel—Frauhütt der Nordflügel stark im geographischen Nordgehänge verbleibt, betritt er mit dem Fraubüttsattel den Hauptkamm, «den er bis zu seinem Ende innebehält. Im westlichen Theil des Gewölbes geht der Nordflügel mehr allmälig in die flachen Wölbetheile über, weiter östlich findet das nicht mehr statt. An den steilen Platten des Nordabfalles lagern dann 26 Gr Solstein N 5 A_2 542 Hochen berg Gelbe aN N Xirlerm ihder and Klameck IY unvermittelt annähernd horinzontale Lagen, welche die Gipfel bilden. Am schönsten sieht man dies im Nordgewände des kleinen Solsteins ; in steile Pfeilergrate zernagt, streben die fast senkrechten Platten des Unterbaues hoch hinan; wo sie ilır Ende erreichen, nimmt plötzlich die Steilheit etwas ab — es hat sich sogar ein kleines Kar einge- nistet — und darüber ragt fast senkrecht die horizontal gebänderte Gipfelwand auf. Auch in dem Solsteingewölbe sind echte Firstschollen ausge- bildet. Sie beginnen mit dem kleinen Solstein und haben nach Süden durchaus einen weniger schroffen Abbruch als gegen Norden. Im Süd- gehänge der hohen Warte, im Gebiet des Gamsangerls und des Schneekars und im Brandjochgehänge bis hinüber zum Frauhüttsattel 47* 362 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [74] treten im Liegenden dieser Firstscholle noch die dunklen, versteine- rungsführenden Horizonte des Wetitersteinkalkes, die Partnachkalke, zu Tage. Im Gehänge des Brandjoches. gegen Hötting tauchen unter diesen Kalken die Muschelkalkbänke auf, die in einer gebrochenen Linie von der Nazhütte ungefähr gegen das Gewände der Sattelspitzen hinstreben, welche sie nicht erreichen, da sie in der Frauhüttrinne an einer Verwerfung tiefer geschoben werden. Der grosse Solstein besitzt auch einen deutlichen Südschenkel. Derselbe besteht aus mehreren auseinandergebrochenen Schollen, die gegen die Zirlermähder- und gegen die Kranabitterklamm abbrechen. Im Gebiete der hohen Warte zieht vom Gamsangerl ab gegen das Klammeck eine mässig südfallende Scholle hinunter, ebenso wie das Durachgehänge (zwischen Klammeck zum Achselkopf) durch eine tief hinabgreifende Scholle hellen Wettersteinkalkes gebildet wird, der oben an die im Liegenden der Firstscholle noch zu Tage tretenden Partnachkalke stösst. Diese Durachscholle zeigt nirgends eine durchgreifende Schichtung, aber nach ihrer ganzen Verwitterung zu schliessen, dürfte sie eine ziemlich steile Neigung einnehmen. Ostwärts von dieser Scholle ist wenig mehr von einer Andeutung des Südschenkels zu sehen. Der flache Theil des Achselkopfes und die oberen Theile seiner Abstürze bestehen zwar aus hellem Wettersteinkalk, aber die Lagerung ist nicht sicher erkennbar. Zudem sind in seinem oberen östlichen Gehänge dunkle Kalke aufgeschlossen. Seine Erklärung wird sich besser im Anschluss an die Zirlermähderscholle finden lassen. 2. Die Zirlermähderschollen. (Profil 26, 25 auf pag. 361 [73].) Die Aufschlüsse der Zirlerklamm zeigen einen völlig saigeren südlichsten Theil, der, wenn man sich die Aufschlüsse von Martins- bühel ein wenig herauf verlängert, folgende Schichtglieder aufführt: Muschelkalk, Partnachschiefer, Wettersteinkalk und -Dolomit, Raibler- schichten. Fast im rechten Winkel dagegen nun stossen dann Dolomite, die wahrscheinlich schon nahe dem Hauptdolomit sind. Unter diesen erscheinen bald thalauf die Mergel und Sandsteine der Raiblerschichten. Dieselben fallen ganz flach gegen Westen oder Südwesten und sind mehrfach in die Höhe geschleppt. Unter diesen Schichten, die sich an den Seitenhängen der Zirlerklamm in die Höhe erheben, tauchen ganz im nördlichsten Theile der Klamm helle, dolomitische Kalke auf, die, flach südfallend, sich dem Solsteingewölbe anschliessen. Diese Kalke, die am schönsten im untersten Theile des Wörgelthales bei seiner Einmündung in die Ehnbachschlucht (Zirlerklamm) zu sehen sind, zeigen sich vom Südflügel des Solsteingewölbes, besonders auf den Zirlermähdern, durch heftige Verwerfungen, an denen Fetzen von Raiblermergeln und Sandsteinen zurückgeblieben sind, abgeschnitten. Diese Störungen scheinen gegen Westen hin sich mehr zu verlieren, während dieselben in starker Ausbildung die Zirlermähder an ihrem Nordrand übersetzen und in prächtiger Weise durch die Schlucht, welche längs der „gelben Wand“ in die hintersten Theiläste der Kranabitterklamm hinabzieht, aufgeschlossen sind. Der südfallende se Se er. eu 1 he Hu eu ee ee ee [75] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 363 Wettersteinkalk des Solsteingewölbes wird von einer mächtigen Längs- verwerfung abgeschnitten, während er zugleich an einer Querver- werfung, die die Längsspalte durchsetzt, verschoben ist. Der Wetter- steinkalkwand liegt eine starke Trümmerzone an, die aus meist zu Mörtel zerriebenem Material von beiden Seiten besteht. An diese Zone schliessen sich saiger stehende, mit der Verwerfung nicht ganz gleich streichende Raiblerkalke. Diese streichen soweit die Schlucht hinab, bis durch die Querspalte der Wettersteinkalk vorgeschoben erscheint. Diese saigere Stellung der Raiblerschichten bezieht sich nur auf diese unmittelbar dem Längsbruche anliegende Scholle. Im unteren Theile der Schlucht liegen Raiblersandsteine und Dolomite in ziemlich flach südfallender Lage an der Trümmerzone. Südlich der saiger stehenden Raiblerscehichten folgen, ebenfalls durch eine Verwerfung getrennt, mässig südfallende Kalkbänke, wahrscheinlich auch zu den Raibler- sebichten gehörig. Alle diese Raiblerablagerungen werden aber von Wettersteinkalk unterlagert, der durch die Endschluchten des „kurzen Lehner* (des westlichen Enjlastes der Kranabitterklamm) aufge- schlossen ist. Während so im Norden der Zirlermähderschollen die Verwerfungs- höhe und Stärke entschieden von Westen nach Osten zunimmt, scheint auf der Südseite das entgengesetzte Verhältniss stattzuhaben. Die deutliche Störung, welche in der Zirlerklamm den steilgestellten Höchenbergschichten-Öomplex von der flachen Zirlermähderscholle trennt, lässt sich bis unter die Kirehbergeralpe verfolgen. Von dort an nörd- lich macht es ganz den Eindruck, als ob die Raiblerschichten, wenn auch mehrfach gestört, flach auf den oberen dolomitischen Wetterstein- 'schiehten liegen würden, was ja, da das Gefälle des Wettersteinkalkes am Höchenberg überhaupt stark abgenommen hat, nur eine Fortsetzung der Verhältnisse der Zirlerklamm bedeutet. In Folge dieser viel ge- ringeren Nordneigung des Wettersteinkalks des Höchenberges ist die Verschiedenheit zwischen Höchenbergscholle und Zirlermähderscholie an der Südgrenze der letzteren bedeutend geringer als an deren Nord- grenze, im Verhältniss zum Solsteingewölbe. In der Flanke, welche vom Höchenberg gegen die innere Kranabitterklamm abfällt, sind die Dolomitschichten des Wettersteinkalkes zu einer flachen Mulde ver- bogen. In der Ostfortsetzung des Zirlermähderbruches liegt in der Wei- ‚tung der inneren Kranabitterklamm bis zum „langen Lehner“ hin flachliegender Wettersteinkalk als abgetrennte Scholle. Es scheint dies die directe Fortsetzung jenes Wettersteinkalkes zu sein, der die Grund- lage der Raiblerschichten der Zirlermähder bildet. Der „lange Lehner“ bezeichnet aber nicht das Ende des Einbruches, sondern nur das seiner deutlichen Ausbildung. Auch im Gehänge des Klammeckes liegt zwischen dem Süd- scherkel des Gewölbes der hohen Warte und der nordfallenden Muschelkalk-Wettersteinkalkscholle des Höchenberges, beziehungsweise Klammeckes, eine Zone, welche stellenweise flache Schichtung aufweist, meist aber ungeschichtet ist und von mächtigen Klüften durchsetzt wird. Als letzte Spur dieses eingebrochenen Theiles kann man viel- leicht den flachen Scheitel des Achselkopfes ansehen. Eine deutliche 364 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [76] Sehichtung ist an diesem nicht vorhanden, doch ist so die ungeschichtete Masse zwischen den Gewölbeschichten des Brandjoches und den steil nordfallenden Schichten des Achselkopfgehänges am besten erklärt. 3. Höchenbergscholle und Kranabitterscholle. (Profil 23—26 auf pag. 359 und 361.) Diese zwei Schollen, in denen nur saigere oder steil nordfal- lende Lagen der Schichten vorkommen, stehen in nahem Zusammen- hang. Erstere ist jener Schichtenzug, der oberhalb der Zirlerklamm beginnt, den Martinsbühel und den ganzen Höchenberg umfasst und am Südabhang des Klammeckes zum Achselkopf hinüberzieht. Dort ist derselbe so ziemlich abgeschnitten; die zweite Scholle beginnt am Ausgange der Kranabitterklamm, bildet den Felsuntergrund der Kersch- buchhofterrasse und zieht von dort gegen das Höttingerthal hin, wo sie ebenfalls von Verwerfungen abgeschnitten wird. Die Höchenbergscholle. Es ist ein auffallender Zug der Tektonik des Innthales, dass weithin und häufig die unteren Trias- schichten, welche an seinem Gehänge anstehen, saigere oder doch steile Stellungen einnehmen. Ein Theil dieser geologischen Nordwand des Innthales ist auch der Höchenberge. Er beginnt geologisch eigent- lich mit den steilgestellten Bänken der Raiblerschichten bei Aigen- hofen. Im Ostverlauf tauchen unter den Raiblerschichten zwischen Schloss Fragenstein und dem Zirler Calvarienberg ganz helle Dolomite auf, die zum Wettersteinkalk gerechnet wurden. Erst ungefähr beim Kalkofen zwischen Zirl und Martinsbühel treten die echten Wetter- steinkalke auf, unter denen bei Martinsbühel der Muschelkalk und die Partnachsehichten erscheinen. Wenig östlich von Martinsbühel keilen die Partnachmergel aus und ein dunkler Horizont des Wetterstein- kalkes vertritt sie weiterhin. Im Gebiete des Höchenbergs geht die saigere Stellung der Zirlerklamm in ein mittleres Bergeinfallen über; diese Aenderung der Neigung tritt aber nicht allmälig, sondern ruck- weise ein. Zahlreiche, aber nur unbedeutende Störungen verräth der in diesem Gebiet sehr gut ausgebildete Ammonitenhorizont. Am Ein- schnitt der Kranabitterklamm taucht unter dem Muschelkalke Dolomit auf, den wir zu den Reichenhallerschichten rechnen. Am rechten Ufer der Kranabitterklamm ist zunächst wenig von einer direeten Fort- setzung des Dolomites zu sehen, da will durcheinander gewürgte dolomitische Kalke, die vielfach ganz breccienhaft sind, die dortigen Wände bilden. Den Muschelkalkzug scheinen diese Störungen nicht stark betroffen zu haben. Jenseits des Kerschbuchhofes aber treffen wir fast unvermittelt unter dem besprochenen Muschelkalkzug einen mächtigen Dolomiteomplex, in einem tiefen Graben knapp östlich vom Kerschbuchhof sogar noch unter demselben Rauchwacken und Buntsand- steine. Mit einer Verwerfung grenzen diese an die tiefer liegende Kranabitterscholle. Während näher der Klamm im Klammeckgehänge der Muschel- kalk noch ganz schön entwickelt sich zeigt, wird er gegen Osten zu sehr undeutlich ; besonders die so bezeichnenden Knollenbänke mit den Horn- De [77] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges, 365 steinen verlieren sich fast ganz. Im Gebiet des Rauschbründls („Thal- trögl*) tritt noch eine weitere Verwicklung hinzu. In den Muschel- kalkzug, der hier fast nur aus undeutlichen, dunklen Kalken und rothen Rauchwacken besteht, ist gerade im Quellgebiete des Rausch- bründls ein Dolomitkeil eingeschoben, aus dem die Wässer fliessen. Im Achselkopfgehänge bildet dieser Muschelkalkzug eine vorragende Felsstufe, unter der wieder die schon erwähnten Dolomite herüber- ziehen. Ober den Kalken liegen rothe Rauchwacken. Im Abhang des Achselkopfes gegen das Höttingerbild scheint dieser Muschelkalk- streifen in Stücke aufgelöst zu sein, die in verschiedener Lage vor- kommen. Die diehte Bewaldung hindert den Ueberblick auf die weit auseinander stehenden, kleinen Aufschlüsse; den übrigen, höheren Theil des Achselkopfes setzt heller Kalk, wohl Wettersteinkalk, zusammen. Der Dolomit im Liegenden des Muschelkalkes nimmt immer an Mächtigkeit zu und zieht sich bis über den Buntsandstein der Ochsenhütte hin. Die Kranabitterscholle. Diese Scholle besteht, soweit sicht- bar, nur aus den Gesteinen des Muschelkalkes und dem Dolomit im Liegenden desselben. Ihr Beginn liegt in dem schon erwähnten Graben östlich vom Kerschbuchhof. Unterhalb der dort anstehenden Buntsand- steine sind noch dunkle Kalke aufgeschlossen, die in ihrer Ostver- längerung die Steinbrüche enthalten, in denen bezeichnende Ammoniten des oberen Muschelkalkes gefunden wurden. Tiefer als dieser Muschel- kalk ist nach Pichler früher nochmals Buntsandstein zu sehen gewesen. Jetzt ist die Stelle nicht mehr offen. Der Muschelkalk, der fast saiger steht und von zahlreichen Rutschflächen durchzogen ist, grenzt im Norden an den Dolomit des oberen Muschelkalkzuges. In dem ersten Steinbruch vom Kerschbuchhof her sind in dem dunklen Kalk allmälige Uebergänge in Dolomit bemerkbar. Gegen Westen wird der Zug von Schutt und Wald ganz überdeckt, erst in dem vom Rausch- bründl herabziehenden Graben treten wieder Xnollenbänke auf, die nun auch von Dolomit unterlagert werden. Ein Steinbruch zeigt, dass die saigere Stellung in eine stark nordfallende übergegangen ist Der Muschelkalk zieht dann deutlich längs des Achselkopfhanges weiter, hört aber westlich des Höttingerbildes sehr merkwürdig urplötzlich auf, während die Dolomite zu seinen Seiten sich zusammenschliessen und vor dem Höttingerbild von einer Verwerfung schief abgeschnitten werden. Wenn wir jetzt noch einmal die letztbesprochenen Gebilde der Solsteinkette zusammen betrachten, so sehen wir ein mächtiges Ge- wölbe vor uns, dessen Achse sich gegen Osten hebt und das im Süden von Längsbrüchen abgeschnitten wird. Eingebrochene Schollen liegen hier zu seinen Füssen, die sich ihrer Lage nach als eine zum Ge- wölbe gehörige verstümmelte Mulde deuten lassen. Diese Schollen hin- wieder stossen an ihrem eigenen Südschenkel ab, der steil aufgerichtet wurde und sich ebenfalls gegen Osten aus dem Innthal erhebt. ‚Unter diesem Zuge taucht ein ihm ähnlicher auf, dessen Verhältniss zum andern nicht sicher steht. Sehr wahrscheinlich sind diese beiden Züge durch einen Sprung so getrennt, dass derselbe knapp hinter dem unteren Muschelkalk einsetzt, wodurch Schichtwiederholung ent- steht. Unklar ist der Anschluss an die Höttingerscholle. 366 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [78] VI. Die Seefelder Gebirgsgruppe. Seefeider Faltengebirge. (Zeindikopfgewölbe, Eppzirlermulde, Oberbrunnergewölbe.) (Profil 27—29 auf pag. 367 [79).) Die Achsen des geologischen Aufbaues der zwei südlichen Kar- wendelketten senken sich nach Westen. Während in der Solsteinkette und im Gleierschkamm der Wettersteinkalk die Gipfel bildet, bestechen die durchaus niedrigeren Seefelderberge aus Hauptdolomit, unter dessen Decke die gesammte ältere Trias verschwindet, Die Lagerung dieser Decke aber zeigt, dass der im Osten herrschende Bau sich nach Westen in gleicher Weise fortsetzt. Wir hahen dementsprechend hier zwei Gewölbe — die Fortsetzungen des Solsteingewölbes und des Gleierschkammgewölbes, eine Mulde in der Mitte; die Fortsetzung der Gleierschthalmulde und je eine Art Mulde im Süden wie im Norden — die Fortsetzungen der Hinterauthalmulde und der Zirlermähder- schollen. Die im Süden durch eine Verwerfung abgeschnittene Mulde des Hinterauthales tritt uns bei Scharnitz in etwas vollständigerer Form wieder entgegen. Am Fuss der Berge, südlich von genanntem Orte, haben wir den durchschnittlich 600 südfallenden Nordschenkel der Mulde, der in seinem Liegenden noch die Raiblerschichten enthält. Den Mittelschenkel der Gleierschkammfalte haben wir in den 80° nach Norden fallenden Schichten am Eingang ins Eppzirlerthal vor uns. Der in die Tiefe gesunkene Kamm des Gleierschkammgebirges macht sich als sattelförmige, flache Aufbiegung der Schichten am Karlgrat und am Nordausläufer des Seefelderjoches als einseitig aus- gebildete Antiklinale bemerkbar. Während der Südflügel dauernd eine geringe Neigung der Schichten aufweist, geht die Schichtstellung im Nordflügel rasch in eine fast saigere über. Im Nordflügel dieses Ge- wölbes liegen die Asphaltschiefer, die zwischen Seefeld und Scharnitz abgebaut werden. Die Gleierschthalmulde behält annähernd ihre Richtung bei. Am Grat Erlspitze—Modereck sind die Muldenschenkel eng zusammengepresst: am Erlspitz und auf der Fleischbank stehen die Dolomitplatten saiger und am Moderkarlkamm fallen sie sehr steil gegen Süden. Weiter gegen Norden erst verflacht sich das Süd- fallen etwas. Sehr schön ist diese Mulde aber zwischen Reitherspitze und Seefelderjoch und am Harmelesgrate zu sehen, wo sie flacher ausgebreitet ist. Die beiden Flügel dieser „Eppzirlermulde* sind sehr mächtig. Der Südflügel reicht von der Scharte zwischen Reitherspitz und Seefelderjoch, in weleher Einsenkung die Muldenachse liegt, bis zum Rauhenkopf, ungefähr 2 km. Der Nordflügel besitzt geringere Ausdehnung. Auch diese Mulde ist einseitig, der Nordflügel flacher gelegen — mittlere Neigung 450 — während der Südflügel vorherr- schende Neigungen von 60-—-80° zeigt. Im Südflügel dieser Syn- klinale ist der reiche, südlichste Asphaltzug eingebettet, im Nord- flügel der schmächtige, mittlere. Die Fortsetzung des Solsteingewölbes gegen Westen zeigt sich zugleich mit der der Zirlermähderschollen im „Zeindlkopfgewölbe‘, dem Kamme der Zeindlköpfe und am Turschkopf in den ebenen oder Basel. he ; Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 367 [79] AJTUERYIS [2 H EREEITR Ir f 87 PURE /* zuS6LZ Z71ÄASJLOHY wu06#L” sopoyj.zajzıxce, [o] sep Bupbsny 27, m &doxıpurez wu 2022 dS7po]yRHY "8% 0122 3 ie 3/8 Y,ERE lea y712Y 6% SLÜOHZIYNRY. ZE217229 Braquaruvayayy Rey 329 zeyzuup 48 Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanst., 1898, 48. Bd., 2. Hft. (Ampferer u. Hammer.) 368 | Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [80] wenig südfallenden Schichtlagen; diese stossen fast ohne Uebergang im Norden an den Südtheil der Eppzirlermulde. Ebenso wie das Sol- steingewölbe und die Zirlermähderschollen im Süden an grossen Bruch- linien abbrechen, so stossen auch diese Schichten der Zeindlköpfe und des Turschkopfes an die die Höchenbergschollle im Norden begrenzende Sprungzone. Wenn wir im Vorstehenden von Mulden und Sätteln sprechen, so ist damit gemeint, dass an den betreffenden Stellen antiklinale oder synklinale Schichtstellung vorliegt; in dem ganzen Gebiet der Seefelder Dolomitdecke erfolgt aber der Uebergang der verschiedenen Fallriehtungen ineinander nie allmälig, sondern sprungweise, so dass wir eigentlich eine Menge von Felsstücken haben, deren Profil eine gebrochene Faltenlinie darstellt. So haben wir an der Synklinale von Eppzirl am Grat vom Reitherspitz zum Seefelderjoch von Nord nach Süd folgende Neigungen der Schichten: zuerst 55° S, unmittelbar daran stossend 45° N, dann plötzlich 60—70° N. Solche ruckweise Veränderungen geben sich ebenso an allen anderen tektonischen Ge- bilden kund. Querbrüche sind keine nennenswerthen bemerkbar. Das Schichtstreichen ist fast durchaus ein ostwestliches. Stärkere Abwei- chungen von dieser Regel ergeben sich nur an den Stellen, wo die östlichen Gewölbe in die Tiefe tauchen. Allgemeine tektonische Erscheinungen. Das im Vorhergehenden behandelte Gebirge ist ein völlig ge- störtes Stück der Erdoberfläche. Alle Gesteinsschichten mit Ausnahme der quartären Ablagerungen befinden sich in Lagen, in denen sie un- möglich abgesetzt worden sein können. Die Bewegungen, welche die Lageänderungen nach sich gezogen haben, haben dabei gewisse Stücke als Einheiten behandelt, freilich als Einheiten in sehr weitem Sinne, nämlich im Gegensatz zum ganzen Gebirge. Solche Gebirgsstücke, die in ihrem Gebiete einen mehr gleichartigen Bau aufweisen, haben meist scharf bestimmte Grenzen. Ihre Abgrenzungsursache dagegen ist sehr häufig unbekannt; man kann nicht nachweisen, warum die Falte gerade da eingebrochen ist, dort die Wölbung einseitig wurde. Und doch bestimmen diese Verhältnisse die Unterabtheilungen des Gebirges. Die Ausbildung der Lageveränderungen hat sich zweier Mittel hauptsächlich bedient, die, so verschieden sie auch sein mögen, neben- einander auftreten. Wir meinen Faltung und Verrückung an Gleitflächen. Brechung und Zertrümmerung erscheint im Gefolge beider Vorgänge, wenn auch bei jedem Mächtigkeit und Auftrittsart verschieden ist. Während nämlich ausgesprochene Trümmerzonen die Brüche be- gleiten, werden unsere Mulden und Gewölbe, die nicht als Curven- stücke, sondern als Sehnengebilde entwickelt sind, von Sprüngen durchzogen. Die Grösse der von diesen Veränderungen betroffenen Gesteinsstücke ist eine sehr verschiedene, und sie tritt besonders in [81] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 369 ihren beiden Extremen häufig auf, obwohl alle Zwischenstufen durch- laufen werden. Der fast überall vorhandenen, je nach der Natur des Gesteines und seiner Behandlung entweder als Zertrümmerung, oder als Fältelung, oder als Vereinigung beider auftretenden Kleinumformung steht eine Verschiebung und Faltung von Objecten gegenüber, die berggross sind. Gibt die letztere Umformung mit ihrer Grösse die mächtigen, weithin gestaltenden Formen dem Relief, so zeichnet die erstere, die bei der Gebirgsstauung vielleicht nur Aushilfsdienste ge- leistet hat, der feinen Wassermodellirung ihre Wege vor. Wir wollen nun in unserem Gebiete die Ausbildung der tektonischen Vorgänge und ihre Einflussnahme auf die Erosion in den Hauptzügen besprechen. 1. Faltungserscheinungen. Eine bruclılose Faltung im Sinne Heim’s hat in unserer Gegend gewiss nur in sehr kleinem Ausmass stattgefunden. Was wir an grösseren Mulden und Sätteln beobachteten, zeigte durchaus eine zer- brochene Ausführung. Man wird daraus vielleicht den Schluss ziehen wollen, dass die Bestandtheile unserer Berge ohne besonders grosse Belastung aus ihren Ablagerungsplätzen zusammengeschoben wurden. Es ist aber auch noch eine andere, entschieden wahrscheinlichere Er- klärung naheliegend. Wenn auch zu Beginn der alpinen Umwälzungen weithin mächtig dicke Schichtverbände zur Versenkung kamen und dann von der Faltung ergriffen wurden, so hat sicher im Fortschreiten die Erosion immer mehr und mehr stellenweise Luft geschaffen und die bewegten Massen in ihrem Bestande und Zusammenhalt verändert. Es ist gar nicht zu verkennen, wie sehr bestimmend im entstehenden Gebirge die gleichzeitig wirkende Erosion die ganze Ausbildung durch ihre ungleiche Zerstörung und Wiederablagerung mitbedingt hat. Es ist ja nur die Mehrproduction der senkenden und stauenden Kräfte gegen die Wassergewalten, welche dem Gebirge ein Dasein gönnen. Typische Bruchausbildurg zeigen besonders die Gewölbe. Sie sind meist aus drei Schollen in der Weise zusammengesetzt, dass der höchste Gewölbetheil auf beiden Seiten gegen die Schenkel abbricht. Die äusserlichen Bestandtheile machen dann den Eindruck, als ob auf zwei eng zusammengedrückten, steilen Schollen wie ein First eine dritte, flache, oben läge. Die Stellen des Abbruches sind oft stark eingewittert und tragen kleine Kare, z. B. am Bettelwurfgewölbe. Ge- wölbe wie Mulden zeigen an Stellen starker Biegungen und in der Nähe von Faltenbrüchen Zertrümmerung und Drucksuturen. Im Uebrigen ist es fast durchaus wahrnehmbar, dass in grossen tek- tonischen Baustücken Kleinzertrümmerung seltener ist als in kleinen Schollen oder im Bruchgebiete. Gewölbe und Mulden erreichen meist Spannweiten, genügend, um ein Thal oder einen Bergkamm in sich zu fassen. Sie besitzen daher eine beträchtliche Wölbungshöhe. Die Richtung der Faltenachsen ist eine ungenau ostwestliche, ihre Anordnung hintereinander eine nicht völlig gleichlaufende. Es weichen nämlich die zwei herrschenden Faltenläufe des Gleierschkammes und 48* 370 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [82] des Solsteines gegen den Eintritt des Hauptdolomites im Westen auseinander. Wechselbeziehung von Faltung und Relief. Der Umstand, dass die Spannweiten der Gewölbe und Mulden mit Berg- und Thalweiten zusammenfallen, ist wohl der heste Beweis gegenseitiger Abhängigkeit. In der That hat sich in unserem Gebiet die Erosion der tektonischen Vorzeichnung in den grössten Verhält- nissen angeschlossen. Es sind die Hauptwölbungen als Bergkämme belassen, die Mulden bilden, wenn nicht Thäler, doch Terrassen. Dabei sind sowohl bei den Mulden, wie auch bei den Sätteln die tektonischen Achsen nicht genau mit deren Erosion zusammenfallend. Im Einzelnen sind die Bäche dann häufig vom geologisch best vorgebildeten Wege abgewichen, so z. B. die Isar im Hinterauthal, der Weissenbach im Hallthal und der Ehnbach bei Zirl, der den Wettersteinkalk bei der Alpe Solen in einer gewundenen Klamm durchbricht, die aus einer Hintereinanderfolge von Bohrlöchern besteht, während knapp westlich die weichen Raiblermergel einen bequemen Durchlass gewährt hatten. Fast deutlicher als im Bachverlauf spiegelt sich der geologische Unterbau in der Ausbildung der Bergflanken. Schön nach ihren Klüften und Unregelmässigkeiten bearbeitete Gewölbe zeigen Solstein und Bettelwurf. Je tiefer die Erosion hineinarbeitet, desto undeutlicher wird ihre Beziehung zum Bau der Unterlage. Stärker als die Schicht- neigungen beeinflussen die Verwitterungswiderstände der einzelnen Gesteine das Relief und selbst das nur in geringem Ausdruck. Solche Verhältnisse zeigt das Südgehänge der mittleren Solsteinkette. 2. Rutsch- und Brucherscheinungen. Wo Verschiebungen in grösserem Umfange vorgegangen sind, stellen sich Rutschflächen und Zertrümmerungszonen ein. Je nach Grösse und Gewalt der Verschiebung treten diese Erscheinungen in verschiedenem Masse auf. Kleine, unbedeutende Rutschungen bringen es kaum zur Entfaltung einer Trümmerlage, während grosse Verwer- fungen oft 6—8 m dicke, zu Mörtel zerriebene Anlager haben. Auch einheitliche Rutschflächen bis zu Hauswandgrösse sind stellenweise er- halten. Die gewaltigste Fläche dieser Art liegt an der Ostseite der Guggermauer. Ueberhaupt haben wir eine Verwerfung nicht als völlig erschlossen betrachtet, wo diese Anzeichen fehlen, wenn nicht gerade deutliche Lagestörungen ihre Annahme fast aufzwangen. Die Verwer- fungen unseres Gebietes sind aber sehr gut damit ausgerüstet. Meist geben die auf der Gleitfläche angebrachten Zerrungen ausserdem noch einen Anhalt über die Verschiebungsrichtung. In unserem Gebiete stehen die meisten Glitsche steil, besonders die grossen und langen. Die Streifungen sind dabei häufig gegen das Erdinnere gerichtet. Ab- gewitterte Rutsche zeigen natürlich sehr wenig. Die Trümmerzonen sind für die Erosion treffliche Anhaltsstellen, und sie zeigen sich neben den Rutschwänden meist als Rinnen eingegraben. [83] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 371 Bei den Faltungserscheinungen haben wir gesehen, dass eine Reihe von Brüchen damit in ursächlichem Verbande steht, so dass man sie nicht von der Biegung lostrennen kann. Diese Sprünge finden ihre Erklärung eben leicht und ungezwungen in der Faltung selbst. Ebenso können bei überschobener Faltung Rutschflächen in demselben nahen Zusammenhange mit ihr stehen. Es kommen aber auch Verschiebungen vor, die man sich nicht nothwendig im Schlepptau von Faltungen denken muss, ja die oft sich gar nieht mit derselben vereinen lassen. Als Verwerfungen solcher Art möchten wir die Bruchlinien des Hallthales und des Walderjoches, im Südabfall der Zunderköpfe, die gewaltige Störung an der Nord- erenze der Höttinger- und Thaurerschollen, die Verwerfung der Kranabitterscholle und die Zirlermähderbruchzone angeben. Um sie mit einiger Sicherheit von den Faltungsbrüchen unterscheiden zu können, wollen wir die charakteristischen Eigenheiten derselben hervor- heben. Da sich diese Sprünge nur zur Auslösung übermässiger oder ungleicher Spannung einstellen, so ist es von vornherein schon sehr wahrscheinlich, dass sie parallel den Faltenzügen am häufigsten auf- treten werden; bei kuppelartigen Gewölben werden sie dagegen mehr radiär oder unregelmässig vertheilt sein. Auf den Seiten der mit der Faltungsachse parallelen Brüche wird meist ein entgegengesetztes Ein- fallen der Schichten statthaben. Diese Brüche, die meist leicht aus dem ganzen Schichtbau hervorspringen, eryeichen selten eine grössere Tiefe und lassen sich in ihrem Verlauf ganz gut begründen. Aller- dings können anfängliche Faltenbrüche durch eine spätere, erfolg- reiche Weiterfaltung ihren Charakter verlieren. Wenn wir in dieser Hinsicht die Brüche unseres Gebietes prüfen, so müssen wir die schon augeführten Verwerfungen als solche bezeichnen, deren Entstehen man aus den Faltungserscheinungen ihrer Umgebung wohl kaum folgern kann. Es scheinen durchaus selbstständige Versenkungsvorgänge zu sein, die allerdings von der Gebirgsfaltung stark verändert wurden. Die Annahme von Einbrüchen, die vor der Alpenfaltung sich vollzogen, hat sehr grosse Wahr- scheinlichkeit für sich und löst die sonstigen Schwierigkeiten einfach und befriedigend. | Die Sprünge des Solsteingewölbes, des Bettelwurfgewölbes, der Gleierschkammfalte, sowie die Brüche der Seefelderberge sind typische Faltungssprünge. Besonders schön ist das in der Seefeldergruppe zum Ausdruck gebracht, die das Bild eines bei der Faltung zerbrochenen Gebirges macht. Auffallend ist in unserem Gebiete, dass das Auftreten junger Schichten, sobald es einigermassen unvermittelt geschieht, immer in die Nachbarschaft präalpiner Verwerfungen verlegt ist. Diese bilden eben auch meistens Grenzen verschieden schichtreicher Schollen. Auch das wird weit verständlicher, wenn man annimmt, dass vor der Faltung das Gebiet durch Einbrüche bereits stark uneben gemacht wurde, so dass die Erosion die höheren Schollen heftig bearbeiten konnte, während die tieferen verhältnissmässig geschützt waren. Auch die weitgehendste Kleinschollung findet sich in solchen Zonen. Die Annahme von präalpinen Hebungen und Senkungen führt alle diese 372 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. [84] verwickelten Erscheinungen einer Erklärung näher. Das gilt besonders von den Verhältnissen am Walderjoch und in der mittleren Solstein- kette. Es scheinen längs des Innthales lange, tiefeingesunkene Schollen den Rand der Sedimentäralpen gegen die krystallinen Schiefer gebildet zu haben. Ob Mächtigkeitsschwankungen oder Facieswechsel bei der Abgrenzung der Schollen thätig waren, ist nicht sicher erkenntlich. Die Zunderkopfscholle hat vielleicht ihre Nordgrenze dem Facieswechsel des Wettersteinkalkes zu danken. Als Reste jener Schollen wären Gnadenwalderschollen, die Schollen des Zunderkopfs und die Höttinger- und Thaurerschollen anzusehen. Ihre West- fortsetzung mag die höchstliegende Muschelkalkscholle von Kranabitten gebildet haben. Diese Schollen erfuhren durch die Auffaltung eine heftige Pressung und Zertrümmerung ihrer Ränder, ja es kam zu einer schuppenartigen Aufstellung derselben im Zunderkopfgebiete, während sich nördlich davon das Land in Falten legte. Ob die Ein- senkung der Zierlermähder auch mit diesen alten Einbrüchen in Verbindung steht, ist: nicht sicher. Die Seefelder Depression gehört wohl auch hieher, doch ist sie gegen die Innthaleinbrüche noch geradezu gering. Wenn man in diesen Einbrüchen stellenweise die jüngsten Schichten unseres Gebietes noch erhalten sieht, so kann man wohl denken, dass eine besonders tiefe Einsenkung ihre Auf- bewahrung besorgte. Jedenfalls haben solche Einbrüche etwas gegen die Erosion Conservirendes an sich. Die alten Bruchlinien zeigen sich in ihrer Anordnung viel unabhängiger von der Faltung, und wenn Beziehungen zwischen ihnen und derselben bestehen, so äussert sich das darin, dass die Bruch- linien der Faltenbildung gleichsam als Ansatzstellen dienten. Die prä- alpinen Brüche scheinen fast durchwegs nur Längsbrüche zu sein, die manchmal von unbedeutenden Querbrüchen durchsetzt werden, z. B. Zirlermähder — Zunderkopf — Ganalpschollen. Was den Einfluss der Verwerfungen auf das Relief anbelangt, so ist es auffallend, dass viele, ganz bedeutende Störungen völlig eingeebnet wurden und im Reliefe sich gar nicht hervorthun. Die Verwerfungen haben auch nicht so wie die Faltungen thal- und bergbildend gewirkt. Meist schufen sie nur Stufen und Terrassen. Durch Brüche veranlagte Thalungen sind theilweise das Hallthal und vor Allem das Innthal. Die Erforschung der tektonischen Verhältnisse unserer Gruppe hat ein wichtiges Ergebniss gebracht, nämlich die Bestätigung der Ergebnisse, welche Rothpletz von dem nördlichen Theil dieser Gruppe gewann. Auch wir können sagen, dass höchstwahrscheinlich unser Gebiet vor der Alpen- faltung wie in einem entgegengesetzten Vorspielin Schollen zerlegt wurde, die verschieden eingesunken sind und deren Längserstreckung den späteren Längs- falten annähernd gleich war. Als die Alpenfaltung diese Gebilde ergriff, wurden die schmäleren zer- drückt und verschoben, während die breiteren zur Faltung verwendet wurden. [85] Geol. Beschreibung des südl. Theiles des Karwendelgebirges. 373 Die Erosion hat Alles gleichhin niedergearbeitet, stellenweise in eigenthümlicher Art, die Eiszeit umwallte das Gebiet mit Schottern und Moränen, eigene Gletscher lagen in den Hochkaren und flossen den Thälern entlang. In der Interglacialzeit bildeten sich mächtige Schutthänge und dann umflutheten neue Eismassen das Gebirge. So gewaltig auch alle diese Vorgänge gewirkt haben, alle haben sie Spuren und Probleme hinterlassen, lösenswerth und lösbar. Und sind gewisse Stellen nieht mehr entzifferbar, so liegt darin eine Charakteristik der Erosion, die Alles zerstört. 974 Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. Inhaltsverzeichniss. Vorwort . Specialliteratur des bearbeiteten Gebietes . Historischer Ueberblick Stratigraphie . I" eMuschelkalke Seren . Partnachschichten . . Wettersteinschichten . . Raiblerschichten . Hauptdolomit (und Plattenkalk) . . Kössenerschichten . . ... . oa PoMX ©): 10. Buntsandstein . . . De TR N ARE Taster: ee a le Jura. Sue a len Ai: N A falte) Re . .. . Ef Sr ee A a BR CH = ou 0: ie) (ermleuns II. Das Hallthal. (Kartelderechollen und Grabenbanehe, ee Hallthales) III. Das Walderjoch und das Gehänge des Walderkamms. (Gnaden- wald-Walderjochschollen) . IV. Die Zunderköpfe. (Annderkeriechalle, De Aeeehelie V. Die Solsteinkette VI. Die Seefelder Go Allgemeine tektonische Erscheinungen ill 2. Faltungserscheinungen . € Rutsch- und Bruchersh en [86] . Ueber die chemische Zusammensetzung ver- schiedener Mineralwässer Ostböhmens. Von €. v. John. In den letzten Jahren hat Herr Seetionsgeologe Dr. J. J. Jahn an der geologischen Aufnahme Ostböhmens gearbeitet und bei dieser Gelegenheit die zahlreichen Mineralwässer, oder Wässer, die für Mineral- wässer gehalten werden, dieser Gegend kennen gelernt und mich ver- anlasst, die wichtigsten derselben chemisch zu untersuchen. Er hat über die hauptsächlich von ihm untersuchte Gegend eine Arbeit in unseren Verhandlungen !) erscheinen lassen und darin auch über die Bildung der Mineralwässer dieser Gegend, besonders des Wassers von Kobilitz, seine Ansichten ausgesprochen, mit denen ich mich vollkommen einverstanden erkläre und auf die ich noch zum Schlusse der vorliegenden Arbeit zu sprechen kommen werde. Herr Dr. Jahn hat veranlasst, dass verschiedene Herren mir Mineralwässer zusandten, und zwar: Herr Fr. Hocke, Forstmeister der Domaine Chlumetz an der Cidlina, die Wässer von Michnovka und Straschov; Herr Karl Kalhous, Lehrer in Opatovitz an der Elbe, die Wässer von Bucina und Javürka (Östretin); Herr Ant. Sluga, Lehrer in Kunötitz, das Wasser von Lukovna, und endlich Herr Wenzel Vodäk, Bürgerschullehrer in Bohdane£, die beiden Wässer von Boh- danec. Ich erlaube mir hier, den genannten Herren für die freund- liche Zusendung der angeführten Wässer meinen besten Dank auszu- sprechen. Die chemische Analyse wurde im Allgemeinen nach den von Bunsen angegebenen Methoden durchgeführt. Da von vielen der ein- gesendeten Wässer angenommen wurde, dass sie einen Jodgehalt be- sitzen, so wurde besonders auf die Prüfung und Bestimmung des Jod- gehaltes ein besonderer Werth gelegt. Trotz mehrmaliger Prüfung konnte jedoch nur in dem Wasser von Lukovna Jod nachgewiesen werden. Die Prüfung auf Jod und Bestimmung desselben wurde durch !) Dr. J. J. Jahn: Bericht über die Aufnahmsarbeiten im Gebiete zwischen Pardubitz, Elbeteinitz, Neu-BydZ2ow und Königgrätz in Ostböhmen. Verh. d. k. k. geol. R.-A. 1896, pag. 159. Jahrbuch d. k. K. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (C. v. John.) 49 976 C. v. John. [2] Freimachen desselben mit Schwefelsäure und salpetrigsaurem Kali und Aufnehmen des freigewordenen Jodes durch Schütteln mit Schwefel- kohlenstoff durchgeführt. Der das Jod enthaltende Schwefelkohlenstoff wurde mit unterschwefeligssaurem Natron in der bekannten Weise titrirt. Die Bestimmung des Jodes in dem Wasser von Lukovna wurde dreimal vorgenommen und ergab fast vollständig übereinstimmende Resultate. Bei der Berechnung der Analysen wurde so vorgegangen, dass zuerst die Salpetersäure, Schwefelsäure und Chlor an Alkalien gebunden wurden, dann, im Falle noch Alkalien überschüssig waren, dieselben ebenso wie Kalk und Magnesia an Kohlensäure gebunden berechnet wurden. War jedoch noch Schwefelsäure zu binden, indem die Alkalien zur Sättigung derselben nicht hinreichten, so wurde die Schwefelsäure an Magnesia, eventuell noch an Kalk gebunden berechnet. Die noch übrig bleibenden Mengen von Basen, meist nur Kalk, Magnesia und Eisen, in einigen Fällen jedoch auch Natron, wurden dann als Carbo- nate, resp. Bicarbonate in Rechnung gestellt. Ich gehe nun zur Anführung der einzelnen Wässer und deren chemischer Zusammensetzung über. Lukovna. Diese Quelle tritt aus den Mergeln der Priesener Schichten her- vor, welche Mergel viele in Schwefelkies verwandelte Fossilien ent- halten. Der Ursprung dieser Quelle liegt in der Nähe des Tephrit- berges Kunßtitz, nördlich von Sezemitz bei Pardubitz. Das Wasser von Lukovna ergab bei seiner chemischen Unter- suchung folgende Resultate: In 10 Liter des Wassers sind enthalten Gramme: Kaeselsäure TRAleHr rel an eeelt Thonerde te an in! nr re RR ERBEO Iuisentoxyae nee man IT INERFENDEDESD Kalk. Ye ee 2 Maonesiar 3... 0 Ra. Eee OL Kal se a Dee 2 u 00 2er 10 Natrane ut Saar Schwefelsäure ah. had dr u009,30 294470 Chlor? N 20 ZRNSERE EN UREUEENIENERU Od, IE: oe an 2.2000, BUSEBURZ Salpetersäure . . . RAR. |}; Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstofi, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . » - - 00032 Trockenrückstand bei 180° C. . . . . 624100 [3] Ueber die chem. Zusammensetzung versch. Mineralwässer Ostböhmens. 377 Zu Salzen gruppirt, erhält man in 10 Liter Wasser Gramme: A. Die Carbonate als einfaehkohlensaure Salze gerechnet: Schwefelsaures Kali . Schwefelsaures Natron . Schwefelsaure Magnesia . . Chlornatrium . Jodnatrium Kohlensaurer Kalk. Kohlensaure Magnesia Kohlensaures Eisenoxydul . Kieselsäure RN Thonerde , Summe der fixen Bestandtheile . Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . 27783 . 38'5412 85937 50794 0:0156 65286 04465 0:0261 01140 0:0040 . 62:1274 00032 B. Die Carbonate als doppeltkohlensaure Salze gerechnet: Schwefelsaures Kali . Schwefelsaures Natron Schwefelsaure Magnesia . Chlornatrium Jodnatrium e Doppeltkohlensaurer Kalk . Doppeltkohlensaure Magnesia Doppeltkohlensaures Sl . . Kieselsäure Thonerde . Summe der fixen Bestandtheile . . Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist 2:7783 . 38'5412 85937 50794 00156 9-4012 0.6804 0:0360 01140 0.0040 65: 2438 0:0032 Von dem Wasser von Lukovna liegt mir eine ältere Analyse von Dr. v. Payr als Manuscript vor, welche derselbe im chemischen Laboratorium der Universität Prag unter Aufsicht des Prof. Dr. Fr. Rochleder im Jahre 1859 durchführte. In dieser Analyse wurde von einer Bestimmung des Kalis abge- sehen und ergab dieselbe folgende Resultate: In 10.000 Gewichtstheilen sind enthalten Gramme: Kieselsäure . Ph Kisenoxydalı r Zain sad Kalk ! Magnesia Natron 0:130 0:069 1'536 0903 . 18-683 49* 3783 C. v. John. [+] Schwefelssure‘ii ualged aliile Hu10:8856 Chlor zz JR AH U 0900 JToU N RWr N Te Ve. AU ENTER EIEOAUNH Trockenrückstandg1 I a2, \# Br 743780 Gruppirt zu Salzen, und zwar die Carbonate als einfach kohlen- saure Salze gerechnet, sind in 10.000 Gewichtstheilen enthalten Gramme: Sehwefelsaures Natron . . . . ......19'322 Ghlornatrium 7: "TREND 7 Ol Jodnatrium'. "TA mtr A ee 20 Kohlensaures Natron 27.220 ea 577205 Kohlensaure Kalkerde”. . .-. „7. .,.....2:745 Kohlensaure 'Magnesia . % %: 297,79, 7,21.398 Kohlensaures Eisenoxydul . . ..... 011 Kieselsäure. - FIERITERR PT N RR Organische Substanz a TE TETRFNGHTEZ 43'964 Bei Vergleichung der beiden Analysen ist sofort ein grosser Unterschied in der chemischen Zusammensetzung bemerkbar. Die Summe der Bestandtheile hat ungemein zugenommen, ebenso besonders der Gehalt an Schwefelsäure, dagegen hat der Chlorgehalt sich be- deutend verringert, der Jodgehalt dürfte in der alten Analyse nicht richtig gefunden worden sein, da er nach einer Methode (Bestimmung des Silbers in dem zugleich gefällten Chlor- und Jodsilber) bestimmt wurde, bei der leicht ausserordentlich grosse Fehler gemacht werden, besonders dann, wenn, was bei Mineralwässern doch meist der Fall ist, die Menge von Chlor sehr gross, die von Jod jedoch eine sehr kleine ist. Die Bildung der Quelle ist höchst wahrscheinlich eine locale und erscheint daher eine Aenderung der chemischen Zusammensetzung im Laufe der Jahre nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Besonders auffallend ist der Gehalt an schwefelsaurer Magnesia, der in der alten Payr’schen Analyse Null beträgt, während er in der von mir durchgeführten Analyse auf 85957 Gramm in 10 Liter gestiegen ist. Das Wasser ist nach seiner jetzigen chemischen Zusammensetzung als ein an fixen Bestandtheilen sehr reiches zu bezeichnen. Von seinen Bestandtheilen ist besonders der hohe Gehalt an schwefelsaurem Natron und schwefelsaurer Magnesia hervorzuheben. Es kann als ein jod- hältiges Bitterwasser bezeichnet werden. Michnovka. Diese Quelle entspringt aus den Thonen der Priesener Schichten bei dem neuen Forsthaus am östlichen Ende des Dorfes Michnovka, südwestlich von der Eisenbahnstation Dobrenic-Syrovätka. Das Wasser vom. Forsthaus Michnovka ergab bei seiner chemischen Untersuchung folgende Resultate: [ . 19) ] In 10 Liter des Wassers sind enthalten Gramme: Eee ee TERRA RN OP US BIER SOG REIT ee he de Aa NEE en LS OL ERS N) Ser ie 3 0200) LEE seen VA 60-10) Masnesia „ LARWBRIENF) SRIDTER > 550170 I ET RE Va REIT CHRHEYORN 0:4970 HERD be A TE TERRAIN DIR Sa 18 6896 Schweteleaure,:t 0. #0 sc . 30: 3696 U DE En en ara 2 Fe 08 Salpetersäure . . . Yuan Organische Substanz, ausgedr ückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 00039 Trockenrückstand bei 1800 C . . . .60:6400 gerechnet: Ueber die chem. Zusammensetzung versch. Mineralwässer Ostböhmens. 379 Zu Salzen gruppirt, enthält man in-10 Liter Wasser Gramme: 4. Die Carbonate als einfachkohlensaure Salze Schwelelsgures Kali‘... ... .. %2..:09a71 Schwefelsaures Natron -. . . ... .....285695 Schwefelsaure Magnesia . . . . . . .15'0510 Schweielsaurer Kalk '. . » „20... *, 36.4879 Salpetersaures Natron 7. 2.2 ,...257770:0296 Chrlornatrium: +... Bogen. = m, .,29745 Konlensaurer Kalk. 122. %.3.0,.,7807397°0508 Kohlensaures Eisenoxydul . . . . . . 0'0290 Kieselsaureri. vn are EN ann IRIT FERNENSHO honerde- .. ’./. .. 1 0:0093 Summe der fixen Beetiniichene en Bu; 5030 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 00039 B. Die Carbonate als doppeltkohlensaure gerechnet: Salze Schwefelsaures Kali . ums sau... .20:9241 Schwefelsaures Natron. . “usr2 ......28:5695 Schwefelsaure Magnesia . . . . . . . 150510 Schweielsaurer Ralk . ......% 2.21.:.10°4849 Salpetersaures Natron. . . .. . ...0:0296 Chlornatrium . . a a an BT Doppeltkohlensaurer Kalk REN NE 0A 5 2. Doppeltkohlensaures Eisenoxydul . . . 0:0400 Kieselsaure 7 0 wu Sa rn an Thonerde . . . . er on 00 Summe der Bextändtheile ul Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . .„ 0:0039 380 C. v. John. [6] Das Wasser von Michnovka ist ein an fixen Bestandtheilen reiches Wasser und ist ebenfalls sowie das Mineralwasser von Lukovna als ein Bitterwasser mit grossem Glaubersalzgehalt zu bezeichnen. Javürka (Ostretin). Diese Quelle entspringt aus den Mergeln der Priesener Schichten, südöstlich von Holie, zwischen Holie und Ostretin. An der Stelle, wo das Wasser entspringt, befindet sich ein Bad. Das Wasser wird in Flaschen versendet. An der Quelle selbst setzt sich, entsprechend dem verhältnissmässig hohen Kalkgehalt, Kalktuff ab. Das Wasser von Javürka (Östretin) ergab bei seiner chemi- schen Untersuchung folgende Resultate: In 10 Liter des Wassers sind enthalten Gramme: Kisselsäure H U RR na Hkliar. sit 0r0402 Thonerde: 1.4... 2.4 vente ee PASENOXYÜ - 2. zepaakanuer 8, DEOIAEN Kallererr...: uf; Ben null Mapnesia +. u. Kir Free zu DA Kali so1.> Saas ee et Natton. ds irn. wa leere Schwelelsäure „ar. ds. plane Bates: 7eaz Oblors... was ee!’ Are eh En Salpetersäure. . . . 8000 Organische Substanz, ausgedrückt i in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist : . . . . 0'0003 Trockenrückstand bei 180° C.. . . . . 6'6439 Zu Salzen gruppirt, erhält man in 10 Liter Wasser Gramme: A. Die Carbonate als einfachkohlensaure Salze gerechnet: Schweteleanures Kal. „ern... 01788 Schwefelsaures Natron’. ... 7°: 2.7,79°°0:7840 Salpetersaures Natron . . . . .... ..0:1401 Chlornatrium. . . ee Perg di le) Schwefelsaure Magnesia er Pu 3125, Schwefelsaurer Kalk U a a Ley) Kohlensaurert Kalk rm. N ZT00 Kohlensaures Eisenoxydul . . . . . . 0:0203 Kieselsänre;, 1. PERS rn BE ERBEN EISEN NRENNE Thonerdeu:. © Ku a: 2 AR Summe der fixen Bestandtheile . . . 6°6085 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstofi, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . » . . 00003 [7] Ueber die chem. Zusammensetzung versch. Mineralwässer Ostböhmens. 381 B. Die Garbonate als doppeltkohlensaure Salze gerechnet: Sehwelelsaures Kalk... 7.2. .2°.2-4 08788 Schwefelsaures Natron . . . . . . . . 07840 Salpeiersaures Natrön”.".'- - ... ,,. 01301 Chlornatrium. . . Er FETNOERO TO Schwefelsaure Magnesia I N EA Schwefelsaurer Kalk, De a Doppeltkohlensaurer Kalk . . . . . . 4.6224 Doppeltkohlensaures es wie) Kieselsäure . . . NAD UN ee ER Sie EEE EU 075: Summe der Bestandtheile . . . . . 8:0286 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 0'0003 Dieses Wasser enthält nicht unbedeutende Mengen von schwefel- sauren Alkalien, besonders Natron und ziemlich viel schwefelsaure Magnesia, so dass es als ein schwaches Bitterwasser bezeichnet werden kann. Bucina. Auch dieses Wasser entspringt aus den Thonen der Priesener Schichten, und zwar in dem Forstbestand „Bucina*“ im Vysokaer Forst- revier, süd-südöstlich von Königgrätz. Es wird von den Leuten der Umgebung diesem Wasser purgirende Wirkung zugeschrieben. Wie die folgende Analyse zeigt, ist jedoch die chemische Zusammensetzung keine dem entsprechende. Das Wasser von Bu&@ina ergab .bei seiner chemischen Unter- suchung folgende Resultate: In 10 Liter des Wassers sind enthalten Gramme: Kieser di HT HRBEIN. sei 00640 BRonerdennakiiiiisal. sasaal er > 1r5:0:0040 Insenoxyd' Wr „ 7.2... sehe sr OD CO RE N 3 5 0908 MasHesias Eee a rn. 0SITIO KalersumrnEnpnuEe Tee: 74 01228 Natrom 79, DER ESE SE SATIN 02T Schwerelkaurei" 377 14er. leader 02ER Ohlorasr 4 daD. 9043, eisastoii 2. 010518 Salpetersäure. . . Spur Organische Substanz, "ausgedrückt i in ı der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist : . ... . 00038 Trockenrückstand bei 1800 C. . .. . ..3:1002 382 C. v. John. [8] Zu Salzen gruppirt, erhält man in 10 Liter Wasser Gramme: A. Die Carbonate als einfachkohlensaure Salze gerechnet: Schweielsaures Ralil. .. ......t1. „.. ....0:2622 Schwefelsaures Natron . . . .-. » . ..0:0458 Chlornattiim 77a ETUI ONE Kohlensäutes Natron. .-.a...5r 2. 0:01.94 Kohlensanrer Kalk #2. Sir asskarn HarDZEn Kohlensaure Maconesia.yr....., . "2 1.10. (2881 Kohlensaures Eisenoxydul . . . . . . 00130 Kıeselsäure. Sn. UA Thonerde u... san 0. au a En Summe der fixen Bestandtheile . . . 3:0056 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . ... . . 00038 B. Die Carbonate als doppeltkohlensaure Salze gerechnet: Schwefelsaures. Kali... ...... * .. „02622 Schwefelsaures Natron . . . . . . . . 0:0453 Chlornatrium. . . 08) Doppeltkohlensaures Natron Eee a Doppeltkohlensaurer Kalk . . . . . . 24170 Doppeltkohlensaure Magnesia . . . . . 0'3552 Doppeltkohlensaures Eisenoxydul . . . 00179 Kieselsäure, ,... Sr ran Pan ar Thonerde .. ana rn er ee ODE Summe der Bestandtheille . . . 4:1282 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist ....,.'%u.ns5 0058 Das Wasser von Butina ist durch seinen verhältnissmässig grossen Alkali-, speciell Natrongehalt ausgezeichnet und kann daher wohl als ein schwach alkalisches Mineralwasser bezeichnet werden. Der Gehalt an freier Kohlensäure, von dessen Bestimmung äbgesehen werden musste, ist jedenfalls ein geringer. Straschov. Dieses: Wasser entspringt bei dem Jägerhause süd-südöstlich vom Dorfe Straschov, nord-nordwestlich von Prelout. Es befindet sich dort ein Torfmoor, der als Untergrund Thon der Priesener Schichten hat. Diese Quelle enthält daher auch ziemlich viel organische Substanzen und färbt sich beim Abdampfen lichtgelbbraun. Diese Quelle wird von den Leuten der Umgebung für jodhältig gehalten. Deshalb wurde mehrmals in der genauesten Weise auf Jod geprüft, aber nie eine Spur desselben gefunden. [9] Ueber die chem. Zusammensetzung versch. Mineralwässer Ostböhmens. 383 Das Wasser von Straschov ergab bei seiner chemischen Unter- suchung folgende Resultate: In 10 Liter des Wassers sind enthalten Gramme: Kerl gRenee Be... VD ionerdecse Bann. a ee BIenomla. 2er IL ea Nrdra u a TISO Mana. EEE 7, 0TICGA Wal ee Mena an ae ROSS Baron aan ah san sutdpir rn... 1: 0°5008 Sohwetelsarer 7 0 6. nee uns 08487 Wu ee ne en a Lg Salpetersäure. . . . 0'5215 Organische Substanz, ausgedrückt in n’der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . er 0.0082 Trockenrückstand bei 180° C. . 239840 Zu Salzen gruppirt, erhält man in 10 Liter Wasser Gramme: A. Die Carbonate als einfachkohlensaure Salze gerechnet: Schmwetelsaures.Kali.. .4 . 21. sam... 1758 Chlornatrium 5 2 et] Salpetersaures Natron ee RZ Kohlensaurer Kalk ee er PUR Kohlensaure Magnesia . . . . 2. 2 2 ...0'3494 Kohlensaures Eisenoxydul . . .» . . . 0'0205 Kieselsänre .. vor... tunen ante 00900 IEnotierde>,.. 0. dl. al HiisHann. N Summe der fixen Bestandtheile . . . 40554 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstofi, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 0'0082 B. Die Carbonate als doppeltkohlensaure Salze gerechnet: Schweielszures’ Kalt... 2°... .. 0:7584 Chlornatrium. E EA. es 25 OTTO Salpetersaures Natron... el \ wage Doppeltkohlensaurer Kalk . . . . . . 20520 Doppeltkohlensaure Masnesia.. . . . . 05324 Doppeltkohlensaures Eisenoxydul . . . 0'0280 Tees aumenent et VON 1 IDEE a ee ie), Summe der Bestandtheille . . . . . 48731 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 0:0082 Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 2. Heft. (C. v. John.) 50 ® 384 C. v. John. [10] Das Wasser von Straschov ist nach der vorliegenden Analyse ein Wasser, das nicht ganz die Zusammensetzung gewöhnlicher Quell- wässer hat, da es etwas mehr schwefelsaure und Chlor-Alkalien ent- hält, als dies bei denselben der Fall ist. Es ist überdies ziemlich reich an organischen Substanzen und Salpetersäure. Bohdanec, Kapelle. Diese Quelle tritt aus den Thonen der Priesener Schichten her- vor, und zwar bei der Kapelle, die an der Strasse von Bohdanet nach Pardubitz, östlich von der Stadt Bohdane£, liegt. Das Wasser von der Bohdaneter Kapelle ergab bei seiner chemischen Untersuchung folgende Resultate: In 10 Liter des Wassers sind enthalten Gramme:; Kueselsäure . . ya bass Ihonerde . 2 SSR Nisenoxyd; #: ar: gr ange en... aaa DEN IK ale KH 9, Re er ER RON) Masnestar HU AIR 2302 00216 Kali a SER NBIEIN ER... >. 00839 Natron... on... a alle a Schwefelsäure +». .. sus 0... SUR. Ohlorl. 2.7: zen eert ai, FR Salpetersäure. . . . ..202.0'0582 Organische Substanz, ausgedr ückt i in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 00010 Trockenrückstand bei 1800 C. . . . .. 18080 Zu Salzen gruppirt, erhält man in 10 Liter Wasser Gramme: A. Die Carbonate als einfachkohlensaure Salze gerechnet: Schwelelsaures@Kalı an 2, 2.0 Ze, AAN 1H68 Salpetersaures Natron . -. . . » 2... 00847 Chlornatrium . . . a Sa Tr Kohlensaures Natron a Kohlensaurer Kalk. Ze... „R2s2r 2857 Kohlensaure Magnesia. =... . ......:00454 Kohlensaures Eisenoxydul . . . . . . 00102 Kıeselsaure men, 0 a aa Ihonerde: m... en. mw, 7 DER) Summe der fixen Bestandtheile . . . 1:7968 Organische Substanz, ausgedrückt in der - Menge von Sauerstoff, die zu ihrer uxydation nothwendig ist. . -. . » . 0:0010 111] Ueber die chem. Zusammensetzung versch. Mineralwässer Ostböhmens. 385 B. Die Carbonate als doppeltkohlensaure Salze gerechnet: Sehmelelsauzes Kal... ur 1... av... ,.0°1868 Salpetersaures Natron. : » . =... 0.847 Chlornatrium . ERBETEN TS Doppeltkohlensaures Natron 2.22... 0177 Doppeltkohlensaurer Kalk . .. .. . 18514 Doppeltkohlensaure Magnesia . . . . . 0:0692 Doppeltkohlensaures Eisenoxydul . . . 00141 Kiepelsaure :, a 3%... RABEN VERRAT Thanerde,». + .. ..., AUSTADNSSER. PIIERIEHOAG Summe der Bestandtheille . . . . . . 2:4418 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 00010 Das Wasser von der Bohdanecer Kapelle enthält, wie vorliegende Analyse zeigt, verhältnissmässig wenig fixe Bestandtheile, ist aber doch seiner Zusammensetzung nach kein ganz gewöhnliches Trinkwasser, da die Mengen von Alkalien, speeiell von schwefelsaurem Kali und kohlen- saurem Natron etwas grösser sind, als gewöhnlich; trotzdem wird man das Wasser kaum als Mineralwasser bezeichnen können. Bohdanec, St. Georg. Das Wasser tritt aus Wiesengründen, die auf Thonen der Prie- sener Schichten aufsitzen, hervor, und zwar am Fusse des St. Georg- hügels, südlich von der Stadt Bohdanet. Es soll von schwach puregi- render Wirkung sein, obschon der Gehalt an schwefelsaurer Magnesia ein sehr kleiner ist. Das Wasser von Bohdaneö, St. Georg ergab bei seiner chemischen Untersuchung folgende Resultate: In 10 Liter: des Wassers sind enthalten Gramme: Keeselsäure » 1...4.,,.184 ADUSPELION. ls 072000 Ronerdes ed ann tens: 00050 Kisenosnal ZuIRTEnanH 19, NOV. IHR7E N 00099 Rakete e, SOSDHRMSRUIDA th 923540 Maptesia, IISDHREgE 90DaL INHz2 218270, 30%4423 KallaW. 39119830 ZIHBERMIBTIR LEE AD. 215 00927 IN TAUEON N me» RAR RBERORLN RESORT, DUO Schwelelszure ea men N SSBER, BO: Shlomisyn Pl. ratl Basstireazl SION Salpetersäure . . . 5 .9:1032A0 Organische Substanz, ausgedrückt t in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist ‚ıaulase 0.0002 Trockenrückstand bei 180° GC. . ... 34720 386 C. v. John. [12] Zu Salzen eruppirt, erhält man in 10 Liter Wasser Gramme: A. Die Carbonate als einfachkohlensaure Salze gerechnet: Schwefelsaures Kali. . . » sık en OU Schwefelsaures Natron . . . » » = =.» 0'0937 Schwefelsaure Magnesia . . . . . . . 0:2844 Salpetersaures Natron . » . » . . 2... 04714 Chlornatrium. . - las Mina Konlensaurer. Kalk /:.....n. 1. va augen l2:2ade Kohlensaure Magnesia . . . . . ... ..0:1085 Kohlensaures Eisenoxydul on = au Kieselsäure: er. PA Var 20 I EEE Thonerde ar III ODE Summe der fixen Bestandtheile . . . 34963 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . - . - 0:0002 B. Die Carbonate als doppeltkohlensaure Salze gerechnet: Schwefelsaures Ralit. . - . . . ....elzus Schwefelsaures Natron. . . . . . . .. 0:0937 Schwefelsaure Magnesia . . . . . . .. 0:25844 Salpetersaures Natron .- . . ..%....::.. 04714 Chlornatmlum -2..0.. 0.0. sie an Doppeltkohlensaurer Kalk en RER Si: © Doppeltkohlensaure Magnesia. . . . . 0:1577 Doppeltkohlensaures Eisenoxydul . . . 00179 Kieselsähre #02 Mio VOR JEIEMUO Thonerde, .2: srlıik enger sie ER ER Summe der Bestandtheille . - . . . 45407 Organische Substanz, ausgedrückt in der Menge von Sauerstoff, die zu ihrer Oxydation nothwendig ist . . . . . 0:0002 Das bei dem Wasser von der Bohdanecer Kapelle Gesagte gilt auch für diese Quelle, die Beimengungen an schwefelsauren Alkalien und hier auch an Bittersalz sind jedoch bedeutend grösser, so dass das Wasser schon eher als ein Mineralwasser bezeichnet werden kann, als das von der Kapelle. Fasst man die Resultate dieser Untersuchungen zusammen, so sieht man, dass keines der vorliegenden Wässer die Zusammensetzung normaler Quellwässer hat. Bei allen ist besonders der Gehalt an Schwefelsäure ein nicht normaler, ebenso ist der Gehalt an Alkalien überall ein mehr weniger weit über das Normale hinausgehender. Besonders in den Wässern von Michhovka und Lukovna tritt dies | [13] Ueber die chem. Zusammensetzung versch. Mineralwässer Ostböhmens. 387 deutlich hervor und stempelt diese Wässer zu echten Mineralwässern mit hohem Gehalt an Sulphaten. Die von Herrn Dr. J. J. Jahn gegebene Erklärung der Bildung dieser Wässer durch Einwirkung gewöhnlicher Wässer auf die Schwefel- kies führenden Priesener Plänerthone und Mergel erscheint mir voll- ständig plausibel. Der Process der Bildung dieser Wässer ist also ein localer und erklärt sich daraus auch die grosse Veränderung, die z. B. in der Zusammensetzung des Wassers von Lukovna seit, dem Jahre 1859 bis jetzt erfolgt ist. | | Die auffallenden Regenwässer treten als Quellen zu Tage, die die Schichten der Kreideformation durchsickern mussten und dabei sich an Sulphaten, Chloriden und in einem Falle auch Jodiden ange- reichert haben und so je nach der Menge der aufgenommenen Bestand- theile als mehr weniger an diesen Bestandtheilen reiche Mineralwässer zu Tage treten. In vielen Fällen enthalten diese Wässer ziemlich viel organische Substanzen und Salpetersäure, die daher rühren, dass auf den Thonen des Pläners sich Torfmoore gebildet haben, so dass die aus den Thonen austretenden Quellen leicht organische Substanzen (besonders Humussäuren) und Salpetersäure aufnehmen können. Anhanesweise sei hier des Wassers aus der Fasanerie Beh Hodes$ovic erwähnt, das von Herın Ad. BeneS an der k. k. Hochschule für Bodeneultur im Jahre 1:91 untersucht wurde. Dieses Wasser entspringt auch aus den Thonen der Priesener Schichten. Herr Dr. Jahn gab mir folgende Bestimmungen an: Das Wasser von Hodesovie enthält in 10 Liter Gramme: Kieselsäure . . . 0:1480 Schwefelsäure . . 2:5000 Chlor 2.25.00 Salpetersäure . . 0'0882 Kalle ar a. 2°2:4900 Magnesia . . . . 12410 Zehn Liter dieses Wassers brauchten zur Oxydation der vorhan- denen organischen Substanzen 0:14657 Gramm Sauerstoff. Leider fehlt eine Bestimmung des Trockenrückstandes und der Alkalien. Trotzdem dürfte man schliessen können, dass auch dieses Wasser nach dem verhältnissmässig hohen Schwefelsäuregehalt sich an die hier untersuchten Wässer anschliesst. Auffallend ist der enorm hohe Gehalt an organischen Substanzen. Zum Schluss sei hier eine Tabelle gegeben, die die chemische Beschaffenheit der hier untersuchten Wässer, sowie diejenige des Wassers von Kobilitz, welches von Prof. Dr. J. Lereh!) im Jahre 1882 untersucht wurde, übersichtlich zusammenfasst, wobei die Car- bonate als einfachkohlensaure Verbindungen gerechnet erscheinen: ı) K. Ninger in Neu-BydZov, Benedietiner-Stiftes Kobilitzer Bitterwasser. Kolin 1382. 388 €. v. John. [14] In 10 Liter sind enthalten Gramme: | | I | I | | | | | | 1 | ; Ä e & sale 2 301188 s = > euz) & = ES =8 = 5 = 32 5 15 SE | 8 E 4 - ro 7 | m” An Schwefelsaures Kaltier. Sr% 2:7783| 09211) 01788) 0'2622| 07584 0'1568| 0'1716| 2155 Schwefelsaures Natron... ./38°541228°5695| 07840, 0:0458 — — 0'937, 75'300 Salpetersaures Natron... .| Spur | 0'0296| 0:1401| Spur | 07592 0:0347, 0:4714| — Chlornatrium .| 5'0794| 2'2748| 0'1”30) 0:0856| 0'6131| 0'0734| 0'0144| 4'326 Jodnatrium . .| 0:0156| — — — E E — — Schwefelsaurer Kalletal — 64879] 07829) — —— — — 8012 Schwefelsaure Magnesia ..| 8:5937|15°0510| 13269 — — _ 0'2344| 44'436 Kohlensaures Natron — — — 06194 _ 01241 — 2:503 Kohlensaurer Kalk an: 6°5286| 7'0508| 3°2100| 1'6785| 14250) 1'2857| 22393] 5'009 Kohlensaure Magnesia . .| 04465 - — 02331 0:3494 0'0454| 0'1035| 0'151 Kohlensaures Eisenoxydul .|| 0:0261| 0'0290| 0'0203| 0'0130, 0'0205| 0'0102, 0:0130, 0'124 0'017 9) Kieselsäure . .|| 0'1140, 0:0800 0°:0402| 0':0640| 0°0900| 0:0145| 0°1000| 0'800 Thonerde .. .| 00040) 00093) 00023) 0:0040| 0:0400| 0°0026| 0:0050| 0'035 ?) Summe der fixen Bestand- bReilenn ger: 62°1274 605030) 6'6085| 3°0056| 40554) 1'7968| 3°4963| 142868 !) Kohlensaures Manganoxydul. ?) Basisch phosphorsaure Thonerde. Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, Wien, III., Erdbergstr. 3. Tafel VIl. Beitrag zur Kenntniss der Gesteine und Graphitvorkommnisse ‚eylons. Erklärung zu Tafel VII. Fig. 1. Verwachsung von Diallag und Hypersthen. Fig. 2. Granat und Eisenerz des Pyroxengranulites mit farbloser Corona. Fig. 3. Plagioklas des Pyroxengranulites mit Interpositionen. Fig. 4. Structur des Granulites (Graphiteinschluss). Fig. 5. Spaltbarkeit des Graphites. a — Apatit. b — Biotit. ca Galeit: chl — Chlorit. dg = Diallag. esz — Eisenerz. f = Feldspath. gr — Granat. h — Hypersthen. i — Interpositionen. p — Pyroxen. pi = Plagioklas. qu = Quarz. Zirkon. Ü | Taf. Vi. Lit Anstv.Ih.Bannwarth,Wien. Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt. Band XLVIII.1898. eylon. a J M. Diersche : Gesteine u. Graphite von ( Verlagderkk.beologischen Reichsanstalt,Wien.II.Rasumoffskygasse 23. ‚Autor dez. Geologische Karte des südlichen Theiles des Karwend Otto Ampferer und Wilhelm Hammer. ) DE Aller Au 9) LAN u Ne ya ON AR Tadl Be Ts po ? Se 8 5 BP rd Mid Kr ve Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill, Rasumoffskygasse 23 Reichenhallerschichten (Schichten mit Natica Stanensis Pichler, Myophorienschichten Rothpletz) Hauptdolomit (und Plattenkalk), Tüsbe OR 4 Asphaltschiefer Kössenerschichten Kalke der Partnachschichten } der Partnachschichteil Gesammter übriger Muschelkalk Mergel Buntsandstein Dolomitische Entwicklung der Reichenhallerschichten Lias und Jura Allgäufleckenmergel 7 Ds Fiese Breccien Maßstab 1:50.000. so 0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 \ Q "|Rothe, graue und weiße Kalke (Adnetherfacies) Geologische Karte des dlichen Theiles des Karwendel-Gebirges. Tafel VIII. Be, Photolithographie und Druck des k. und k. militär-geographischen Institutes. aiblerschichten, Kalk und Rauchwacken Kalk- unbestimmten Streichen und Fallen Dolomit . Alters der Schichten Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Band XLVIII, 1898. Z omi E = Dolomitische Entwicklung Kalke der Partnachschichten TE ne der Partnachschichten Were des Wettersteinkalkes Quartär i 5 Glaciale Ablg., Moränen und Postglaciale Bildungen, z Aptychenschiefer [tert Breccien | Auvioplcciail Bildungen Be Alluvionen und Vegetation Maßstab 1:50.000. 50 zo 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 000 Dolomit der Raiblerschichten Dislocationslinien 4500 5000m — — IE a a u ee; zn $ & Sg Tafel IX. O. Ampferer und W. Hammer: Der südliche Theil des Karwendelgebirges ER q vi N % \ Scharrit N ; AHinkerken BZ 3 Kasten \\ \ en. | a ed! Me = I F il Ba 5 N 74 m. j IE RE EN men \ x N Bi RE EN Y a ! A Suntiger = 3 L EN 5 A /Hi P ı | \ 3 > Sa Pa Hoher ee 7 Bier er 1 ee ee es zz = IN 2 BR {8 El sch Eee Fun Oberdrunngewölbe r ah afa : Sr „S ee fi NS % N 8 ber. brunn 5 > eze ZROSE: ER Kerze m. mE en Ubersehall N DS: Wu H S NN . re UIRIGE Fee Ira ‘ 1. IS ! S N LIST, N pre AN IDE BEN ® ı ! Be == — } } f N Buchofensp Ian 0 7 la a er T Bl Pe : seholle | er-\ „Jaratpscholle 815, 2 z i el IR Tarsfecler >. Wpechkarsp. VO H ER Xresengite. el an i IBetteljwurt] | Shen Bi = ee 2 \ Dettelwurfgewöföde ai _L- Ve er Sen BR ""Hinterhorn DE Bd e — Salzberg ZB Nee aTSEn Ha MeEhat “u a un, N EN { GRp=R, dermwulh ! Seefeld I ar x a f ! ne N Epp Mi Zirler Christen n I en ne ö Zunderkope nid ‚ KReitherspitz-._ Nu Ä dei 'e Ne 8% alpmneılde f a Tante en a e } RR, Erispit \ Anditnar a ge 7 _-Zunderkope eins EEE. 2 IN “u EN N /Aralerscharte ] E maurg Te ee, f I i N Nee ger X rn derKopfscholleri zielen \ EN RP HafelekKar Z ıd ar er = x Balsıadkı Feau Hürt Warten jptb Es Gr: BER A IE N gra® As 29%. RT N ee Eee a . ze Warte Brandjoch SF ER 2 Solsgeingewo ZBe \ d(Höttingeraim \ . De N % £ a\ s N Y Be , En “und, ——® u“ N a ErSaRoLLERE BE \ . d Re 2 mu = 3 A En. 300 Se rn Achselkope 37 z Le ! N Eigenhofen ——n = N sicher. Berg | . aa p? h x SSI N = “ BST ES EB ge Z 0 s ) S Q ‚„ue" Hötting SS / bV 2 rn 2 E Innsbruck FEN ZH Tektonisches Uebersichtskärtchen P im Maassstab 1 : 105,000. Ss N Q N Autor del Sn _ )) — — — - — Gebirgskämme. ——— Verwerfungslinien. Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstait. Band XLViil. 1898, Verlag der k.k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III. Rasumoffskygasse 23 DRUCK VON JOHANN N. VERNAT IN WIEN > re ee | | | 8, ichsanstalt. k. u. k, Hotbuchhandlun ller), ie I., Graben 31. ‘der K k; ‚Geologischen Re bei R. Lechner (Wilh. M lag 5 io) eh #7 Ver mmis u o Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen des piemontesischen Tertiärs mit denen des Wiener Beckens. (Nach Studien ausgeführt im Frühjahre 1898.) Von Franz Schaffer. Mit 2 Profilen im Texte. Ueber zwanzig Jahre sind es her, dass Herr Director Th. Fuchs zum letzenmale die classischen, so oft eitirten, aber leider so wenig studirten Tertiärbildungen Ober-Italiens, insbesondere die Umgebung von Bologna und das Becken von Piemont besuchte, um sich „auf dem Wege eigener Erfahrung ein Urtheil über jene Localitäten zu bilden, welche bei Vergleichung der jüngeren Tertiärbildungen stets als Normalpunkt angesehen werden“ !). In seiner unten eitirten Arbeit betonte er damals mit vollem Rechte die traurige Thatsache, dass dieses durch die Entwicklung der vollständigen Schichtfolge in vielen Profilen und durch seinen Fossilreichthum so ausgezeichnete Gebiet in stratigraphischer Hinsicht noch fast unerforscht war, ein Umstand, der jeden Versuch einer Gleichstellung mit den tertiären Ablagerungen anderer Länder sehr erschwerte. Aber gleichwohl hatten sich schon damals verschiedene Forscher diese Aufgabe gestellt und sie auch durchgeführt. Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, zwanzig Jahre emsiger Arbeit und er- treulichen Fortschrittes. Viele Resultate der Forschung früherer Jahre müssen denen der neuen Untersuchungen weichen und mit ihnen die daraus abgeleiteten Folgerungen. So ergeht es nun auch der bisher seltenden Parallelisirung des piemontesischen Neogens mit dem anderer Gebiete, die einst auf Grund des damaligen Standes der Kenntnisse der in Betracht kommenden Verhältnisse durchgeführt, natürlich nur einen interimistischen Werth besass, aber doch von vielen Fachgelehrten in ihren Werken angeführt wurde und schliess- lieh als ausgemachte Thatsache galt. Die derzeit viel umstrittene Frage der Stellung der Neogen- bildungen von Piemont und deren Nomenclatur bewog mich, diesem für Wiener Geologen wohl etwas fernliegenden Gebiete meine !) Th. Fuchs: Studien über die Gliederung der jüngeren Tertiärbildungen Ober - Italiens. LXXVIL. Bd. d. Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wiss., I. Abth. 1878 Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, #8. Band, 3. Heft. (Fr. Schaffer.) 51 390 Franz Schaffer. [2] Aufmerksamkeit zuzuwenden und mich seinem genaueren Studium zu widmen. Meine Absicht war es, den durch die Arbeiten in den öster- reichischen Tertiärbildungen gewonnenen Maasstab auf die fremden Verhältnisse anzulegen und so geleitet von den Gedanken der Alt- meister der Wiener Schule, insbesondere meiner hochverehrten Lehrer, der Herren Prof. E. Suess und Dir. Th. Fuchs, nach Kräften mein Scherflein zu dem grossen Werke einer eingehenderen Parallelisirung beizutragen. Der Schwierigkeiten, die sich einem solchen Beginnen entgegen- stellen, war ich mir wohl bewusst; ich hatte aber doch mit mehreren unvorhergesehenen Hindernissen zu kämpfen, die ich erst an Ort und Stelle über der Arbeit erkennen konnte. Wenn es mir aber doch gelungen ist, ihrer einigermassen Herr zu werden, so ist es Dank der Liebenswürdigkeit und Zuvorkommen- heit, mit der alle italienischen Fachgenossen, mit denen ich in Be- rührung kam, mich in Rath und That unterstützten. Ich erachte es daher als eine angenehme Pflicht, ihnen an dieser Stelle meinen ver- bindlichsten Dank zum Ausdrucke zu bringen. Es sind dies die Herren Dir. CO. Parona,,. Prof, FE. Sa6cco und F. Yirgeilio md rn E. Forma in Turin, Dr. @G de Alessandri in Mailand, Monsig- nore Oan. G. Raiteri, Director des Seminars in Casale Montferrato und Cav. Luigi Rovasenda in Sciolze. Zu ganz besonderem Danke bin ich Herrn Director Th. Fuchs verpflichtet, der mir bei der Bearbeitung des umfangreichen Mate- riales in liebenswürdigster Weise seinen werthvollen Beistand ange- deihen liess. Wer das piemontesische Tertiär nur aus der Literatur und nicht vom Augenschein kennt, der hat sicher eine ganz falsche Vor- stellung von dem Grade seiner Erforschung und Vielen dürfte es er- gehen wie mir, der ich mich durch die Kenntnissnahme einer grossen Anzahl der dabei in Betracht kommenden Werke auf den Besuch dieser elassischen Localitäten vorbereitete. Ueber 600 Schriften haben nach dem von F. Sacco im Jahre 1889 gegebenen Literaturverzeich- nisse!) zur Kenntniss des in Frage stehenden Gebietes beigetragen, und seitdem ist ihre Zahl beträchtlich gewachsen. Wer die geo- logischen Specialkarten, die grossentheils im Maassstabe 1:25.000 er- schienen sind, kennt, der wird nicht anstehen, das Tertiärbecken von Piemont für einen der besterforschtesten Landstriche Europas an- zusehen. Auch ich war der Meinung, in dem zu untersuchenden Gebiete hinreichend aufgeklärte stratigraphische Verhältnisse und eine gut bekannte Fauna zu finden und an der Hand der vorliegenden Faunen- listen ein paar typische Profile begehen zu können, um mir darüber Gewissheit zu verschaffen, ob sich die für unser heimisches Tertiär- becken mit so grossem Scharfsinne aufgestellte, aber immer noch ') F. Sacco: Il bacino terziario del Piemonte. Milano 1889, [3] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 391 bestrittene Schichtfolge auf Grund einer genauen Vergleichung der Fauna auch hier feststellen lasse. Insbesondere war es meine Ab- sicht, mich mit der vielfach ventilirten Frage zu beschäftigen, ob man hier die directe Ueberlagerung einer älteren mediterranen Fauna durch eine jüngere nachweisen könne. Aber ich hatte da mit Voraussetzungen gerechnet, die zu meinem Bedauern durchaus nicht zutrafen. So gibt es nur von wenigen Loecalitäten ausführlichere Faunenlisten, und ich war gezwungen, sie mir durch Ausbeutung einzelner Fundstätten und aus den Samm- lungen selbst zusammenzustellen. Weiters macht sich der Mangel einer vollständigen, geordneten Beschreibung der tertiären Mollusken unangenehm bemerkbar. Das umfangreiche, von L. Bellardi begonnene und von F. Sacco fort- gesetzte Werk: „I molluschi dei terreni terziarii del Piemonte e della Liguria* umfasst jetzt erst die Gastropoden; die Bivalven harren noch der Bearbeitung. Diese Umstände waren es hauptsächlich, die meine Unter- suchungen ganz ausserordentlich erschwerten und mich nöthigten, fast die ganze, mir zur Verfügung stehende Zeit auf diese Vorarbeiten zu verwenden. Denn ich erkannte, dass die jetzt für das nördliche Montferrat geltende Schichtfolge, nicht auf faunistischer Grundlage beruhend, eine grosse Unsicherheit bei der Vergleichung mit unseren mediterranen Stufen aufweist, und ich sah mich daher gezwungen, die Abgrenzung der aufeinanderfolgenden Faunen selbst vorzunehmen. Diese bis jetzt bestehende Schichtgliederung des unteren Neogens wird freilich durch die Ansicht, dass man es nur mit Facies- ‚bildungen derselben chronologischen Stufe zu thun habe, gerecht- fertigt. Es ist auch sehr verlockend, ein 1000 m mächtiges Conglo- merat, ein paar hundert Meter eines einförmigen Kalkmergels als Etagen auszuscheiden, und zudem sind solche petrographische Merk- male viel augenfälliger. Die Folge davon ist, dass jetzt mit der Kenntniss der Fauna und der Bedeutung facieller Unterschiede die Unhaltbarkeit der gegenwärtig geltenden Systematik immer mehr zu Tage tritt, und eine hitzige Oontroverse in der Frage der Nomenelatur entbrannt ist. Aber ausserdem tragen noch verschiedene Umstände mit die Schuld an der Unsicherheit der Etagenbezeichnung. Vor Allem ist es die beispiellos mannigfaitige facielle Ausbil- dung, die verwirrend wirkt, und die oft ungeheuer mächtigen Ein- schaltungen von systematisch ganz unwesentlichen Schichtgliedern. Der Mangel an Arbeitskräften lässt zudem das ganze Gebiet des piemontesischen Tertiärs stark vernachlässigt erscheinen, denn die Localitäten, die mit der erforderlichen Gründlichkeit untersucht und bekannt gemacht wurden, sind sehr wenige. Prof. F. Sacco hat sich eine überwältigende Lebensaufgabe in der Erforschung dieses tausende von Quadratkilometer umfassenden Tertiärbeckens gestellt, und wenn man bedenkt, dass er jetzt so ziem- lich der einzige ist, der sich ganz mit dessen Studium beschäftigt, so wird man seine insbesonders bei kartographischen Werken ange- wandte Methode begreifen. Es liegt ihm hauptsächlich daran, die 51° 392 Franz Schaffer. A] allgemeinen stratigraphischen Umrisse nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung zu skizziren, und so die Uebersicht über das so aus- eedehnte und complieirte Gebiet zu erleichtern. ‘Jeder der an der Hand dieser Karten durch das Schichtenlabyrinth des Montferrats sewandert ist, wird ihren Werth anerkennen, da bei ihnen die Vor- theile des für die Orientirung nothwendigen kleinen Maasstabes nicht durch die Wiedergabe von verwirrenden Details geschmälert werden. Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle auf eine Frage zu sprechen zu kommen, die von prineipieller Wichtigkeit ist. Es ist dies die Nomenclatur des ober-italienischen Neogens, in welcher jetzt srossentheils die von C. Mayer um das Jahr 1860 eingeführten Namen geläufig sind. Der genannte Forscher beschränkte damals einige der bestehenden Etagenbezeichnungen auf engere Schicht- sruppen und unterschied auf Grund seiner hauptsächlich in Ligurien gemachten Studien weitere Schichtglieder, für die er theils fremden Gebieten entlehnte, theils neu geschaffene Bezeichnungen verwendete. Eine Anzahl der bedeutendsten Geologen des Landes konnte sich aber seiner in Bezug auf die stratigraphische Gliederung aus- gesprochenen Meinung nicht anschliessen, und erst in neuerer Zeit hat sich z. B. E. Fallot auf das Entschiedenste gegen die Identi- fieirung des Aquitaniano mit dem Aquitanien des Gironde- beckens ausgesprochen '). Es würde zu weit führen, die lehrreiche Geschichte dieser stratigraphischen Nomenelatur zu geben, deren fortwährender Wechsel mit die Schuld an der gegenwärtig in Schwebe befindlichen Con- troverse tragen, ich will nur zeigen, dass die jetzt geltende syste- matische Schichtgliederung und deren Nomenclatur weit entfernt sind, den thatsächlichen Verhältnissen zu entsprechen und wohl in kurzer Zeit wieder einer zweckmässigeren werden weichen müssen. Für das ältere Neogen gilt jetzt ziemlich allgemein die Schicht- folge: Aquitaniano, Langhiano, Elveziano, Tortoniano und Messiniano. Ueber die verticale Ausdehnung und den stratigraphischen Werth dieser Etagen rücksichtlich aequivalenter auswärtiger Bildungen sind die Acten noch keineswegs abgeschlossen, und die bedeutendsten Kenner dieses Gebietes stehen sich in ihren Meinungen schroff gegen- über. Für gewöhnlich wird die Parallelisirung mit den Ablagerungen des Wiener Beckens folgendermassen durchgeführt ?): Aquitaniano — Horner Schichten, Langhiano -—- Schlier, Elveziano -- Schichten von Grund, Tortoniano — Tegel von Baden, Leithakalk- und Sandbildungen, Messiniano -- Sarmatische Stufe. !) E. Fallot: Sur la classification du neogene inferieur. Bull. Soc. g£ol. France, 3. ser. tom. XXI, pag. LXXVTII. >) ©. Dep@ret: Note sur la classification et le paralllisme du systeme miocene. Bul. Soc. g&ol. Frane. III. ser., tom. XX, pag. OXLV. — Sur la classification et le parallelisme du systeme miocere. Bull. Soc. geol. France. IH. ser, tom. XXI, pag. 170. [5] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 393 So verlockend es auch ist, dieser so einfachen Gleichstellung das Wort zu reden, ist doch darüber‘eine lebhafte Controverse ent- brannt, die nicht früher beigelegt werden kann, bevor nicht auf Grund einer genauen Erforschung der in Frage stehenden Verhält- nisse weitere Aufschlüsse über die grossentheils noch dunkle Schicht- gliederung und deren locale Aequivalente gegeben werden. Es ist hier nicht der Ort und auch gar nicht meine Absicht, die verschie- denen Phasen dieser von den hervorragendsten Forschern geführten Controverse näher zu berühren; ich will nur an der Hand eines Bei- spieles die Unhaltbarkeit der gegenwärtig geltenden stratigraphischen Gliederung darzuthun versuchen. Wenn man von Serralungo-Crea (basso Montferrato), das selbst auf einem ansehnlichen, von Kalksandsteinbänken des Elveziano (Pietra da cantoni) gebildeten Hügei steht, gegen Süden wandert, so trifft man an der Basis steil stehender, überaus mächtiger Mergel- und Sandsteinlagen des Langhiano auf ein grobes Conglomerat, das die steile Anhöhe des Santuario di Crea zusammensetzt und eine individuenreiche Pectenfauna liefert; Pecten rotundatus Lam., Pecten Northamptoni Micht. und P. Haweri Micht. können zu Dutzenden darin sesammelt werden. Nach den Lagerungsverhältnissen und den charak- teristischen Fossilien wird diese Ablagerung dem Aquitaniano oder dem untersten Langhiano zugezählt). Ungefähr “ km östlich von dieser Localität befinden sich die reichen Petrefactenlager von Rosignano, die in der dem Vorkommniss von Serralungo gleichen, aber viel fossilreicheren pietra da can- toni, eine ungemein mannigfaltige Fauna von Fischsäugern, Fischen — besonders Selachiern — Mollusken, Echinodermen, Bryozoen und Rhizopoden geliefert haben?) und als dem „Elveziano“ zugehörig be- zeichnet werden. Ich führe daraus an: Pecten Holgeri Gein. „. . solarium Lam. ?) „.. revolutus Micht. Bburdigalensis Lam. Northamptont Micht. „ Haweri Micht. rotundatus Lam. sr. „Gray Micht. Te. Während diese für die ältere Mediterranstufe so bezeichnenden Pectenarten in grosser Individuenzahl auftreten, fehlen jüngere Formen vollständig. Es kann also einerseits über die Altersgleichheit der beiden !) F. Saeco: Il bacino terziario del Piemonte. Milano 1889, pag. 299. ’) G. de Alessandri: La pietra da Cantoni di Rosignano e di Vignale. Mem. di Mus. civ. di stor. nat. Milano. Tom. VI, fase. ]. 2.Bacıco, 1i’6, Pag. 391 f: °, Ich bemerke, dass ich der Angabe de Alessandri’s folge, der |]. c. P. solarium Lam. mit dem vonM. Hörnes (Die fossillen Mollusken des Tertiär- beckens von Wien, pag. 403, tav. 60, 61) als P. solarium Lam. bezeichneten Stücke identifieirt, das aber als P. gigas Schloth. wohl zu unterscheiden ist. Ich selbst kenne die Exemplare von Rosignano nicht. 394 Franz Schaffer. [5] so äusserst charakteristischen Vorkommnisse von Rosignano und Ser- ralungo kein Zweifel sein, anderseits finden wir indem Aquitaniano vom Santuario di Crea die gleiche Pectenfauna wieder. Wenden wir uns westwärts, so bietet uns das ungeheuer mäch- tige, fossilarme Conglomerat der Superga im weiteren Sinne eine sanz eigenartige Ausbildung des Aquitaniano, als das es nach den spärlichen Fossilresten bezeichnet wird. Darüber folgt das Lang- hiano, das, wie es sich jetzt immer mehr herausstellt, nur eine unter- geordnete facielle Bildung darstellt, und über diesem die berühmten Serpentinsande der Superga (Elveziano), die den ganzen welt- bekannten Fossilreichthum bergen. Leider machte man in dem so abwechslungsreichen Complexe von Sand-, Mergel- und Conglomerat- bänken keine weitere Unterscheidung, ja vernachlässigte in früherer Zeit die Angabe der Localitäten, als welche immer „colli Torinesi“ -— ein sehr allgemeiner Begriff — angeführt ist, und erschwerte dadurch die Klarstellung der faunistischen Schichtgruppen ganz be- trächtlich. Wie sich nun bei einer genaueren Vergleichung der Faunen der einzelnen Fundstätten ergibt, führt das Elveziano inferiore noch die Fauna unserer ersten Mediterranstufe. Insbesondere ist es der durch sein massenhaftes Auftreten interessante Pecten prae- scabriusculus Font., auf den C. Deperet so grosses Gewicht legt ?!). Besonders bei Sziolze ist die Ueberlagerung des Langhiano durch die Schichten mit P. praescabriusculus auf das Deutlichste zu er- kennen. Diese Verhältnisse sind auch der Grund, warum E. Fallot?) das Langhiano in ein tieferes Niveau stellt als den Schlier von. Oberösterreich und Bayern. Es freut mich, dass Herr Professor Saeco, dem ich meine diesbezüglichen Beobachtungen mittheilte, meiner Ansicht beipflichtete, dass eine wichtige faunistische Demarkationslinie beiläufig in die Mitte des Elveziano falle. Um noch ein Beispiel anzuführen, erwähne ich den Calcare di Acqui, der nach Mayer und Sacco dem Aquitaniano zugezählt wird3). G. Trabucco, der ihn zum Gegenstande einer ausführlichen Abhandlung) machte, vereint das Aquitaniano, Langhiano und einen Theil des Elveziano, indem er sich auf palaeontologische Gründe stützt, unter dem Begriffe Langhiano und bezeichnet daher den Kalkstein von Acqui als langhisch. Von seiner reichen Fauna erwähne ich nach den Angaben des genannten Forschers: Pecten Holgeri Gein, „.. solarium Lam. „ Durdigalensis Lam. 1) ©.Dep&ret: Surla classification et le parall&lisme du systeme miocene, Bull. Soc. geol. France. III. ser., tom. XXI, pag. 170. °?) E. Fallot: Sur la classification du n&ogene inferieur. Bull. Soc. g£ol. France. 3. ser., tom. XXI, pag. LXVII. ®) Oh. Mayer: Zur Geologie des mittleren Ligurien ete. Vierteljahrsschrift der zürcherischen nat.-forsch. Ges, 1878, Bd. XXIL. F. Saeco: 1] bacino terziario del Piemonte. Milano 1889, pag. 286. *) G. Trabueeo: Sulla vera posizione del calcare di Acqui. Firenze 1891. — Se si debba sostituire il termine di Burdigaliano a quello di Langhiano nella serie miocenica. Proc. verb, soc. Tosc. Sc. Nat. Adun., 13. genn, 1895, [7] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 39 Pecten Haweri Micht. »„ Malvinae Dub. „ revolutus Micht. De Stefani"), der Langhiano, Elveziano und Torto- niano nur für die Tiefsee-, Strand- und Corallenfacies desselben Meeres erklärt hat, weist besonders darauf hin, dass sich unterhalb des Langhiano, im Aquitaniano, dieselbe Fauna, wie in dem unmittelbar darüberliegenden Elveziano, findet. Ich glaube, nach meinen Beobachtungen betonen zu müssen, dass diese Anschauung für das Elveziano inferiore volle Geltung hat, wie es der Ansicht Trabucco’s entspricht. Nach der von ©. Mayer in seiner Classification der Tertiär- gebilde (1884) gegebenen Eintheilung entspricht aber das unterste Helvetian wseren Grunder Schichten ?), während doch das Elveziano inferiore ausschliesslich die Fauna unserer Horner Schichten führt. Da ich bei der Besprechung der einzelnen Localitäten noch auf diese so wichtige Frage zurückkomme, glaube ich an diesem Beispiele den strittigen Stand der jetzigen Schichtgliederung des unteren Neogens im Becken von Piemont genug dargethan zu haben, und wenn man dies erwägt, versteht man, wie gut die deutschen Forscher thaten, als sie sich. gegen die allgemeine Einführung der daselbst gebräuchlichen Nomenelatur so ablehnend verhielten, was ihnen von verschiedenen Seiten als Unduldsamkeit vorgeworfen wurde). Dass diese strittigen Fragen in Stratigraphie und Nomenclatur meinen Untersuchungen grosse Schwierigkeiten bereiteten, ist leicht erklärlich, da ich die conträren Meinungen der verschiedenen Forscher aus der Literatur genügend kannte und mich deshalb senöthigt sah, die für meine Zwecke nothwendigen Vorarbeiten selbst vorzunehmen, um ohne Vorurtheil meine Aufgabe verfolgen zu können. Ich musste mich also zuerst darauf beschränken, einige reiche Fundstätten zum Zwecke der Aufstellung genauer Faunenlisten auszubeuten, wobei ich meine besondere Aufmerksamkeit auf die Unterscheidung einer älteren und einer Jüngeren Fauna richtete. Die verhältnissmässig kurze Zeit, die ich bisher auf diese Untersuchungen verwenden konnte, muss ich als Milderungsgrund bei der Beurtheilung unvermeidlicher Irrthümer anführen. Aber einen sicheren Erfolg habe ich bis jetzt aufzuweisen, nämlich die Erkenntniss, dass das besuchte Gebiet in seiner enormen und reichen Entwicklung der vollständigen Schichtreihe des Tertiärs und in Folge des Reichthumes !) ©. de Stefani: Les terrains tertiaires sup@rieurs du basin de la Medi- terranee. Liege, Uormanne 1895. — Sulla posizione del Langhiano nelle Langhe. Proc. verb. Tosc. Sc. Nat. Adun. 5 maggio 1895. ®) Munier-Ohalmas et de Lapparent: Note sur la Nomenclatur des terrains söedimentaires. Bull. Soc. geol. France. 3. ser., tom. XXI, pag. 438, 1893. C. W. von Gümbel: Die miocänen Ablagerungen im oberen Donaugebiete. T. Theil. Sitzb. der math.-phys. Cl. der k. bayer. Akad. d. Wiss. 1887, Heft II. ®) Ch. Mayer: Zur Geologie des mittleren Ligurien ete. Vierteljahrsschrift der zürcherischen nat.-forsch. Ges. 1878, Bd. XXIII. 396 Franz Schaffer. [8] an faciellen Unterschieden noch berufen sein wird, viele wichtige bionomische und oceanographische Fragen zu lösen, die mit dem Fortschritte der Forschung immer mehr an Bedeutung und Interesse gewinnen. Um in dem so ausgedehnten Gebiete gleich anfangs eine zweckmässige Auswahl zu treffen, beschränkte ich meine Unter- suchungen auf den nördlichen Theil des Montferrats zwischen Turin und Casale, ohne den Südflügel der Synklinale des Beckens vorder- hand in Betracht zu ziehen. Ein kurzer Besuch nur galt der er- wähnten Localität Acqui. Was den Namen Montferrat betrifft, so gehen die Meinungen darüber weit auseinander, indem ihn manche von mons ferax, andere von mons ferratus abgeleitet wissen wollen. Ohne Rücksicht auf ethymologische Gründe kann ich mich nur für das „Hufeisengebirge“ erwärmen, denn mit dem „fruchtbaren Bergland“ sieht es heutzutage wenigstens traurig aus. Wer die wirthschaftlichen Zustände dieser Provinzen kennen gelernt hat, denen Industrie ganz, Ackerbau und Viehzucht beinahe fehlen, deren sonnige, baumlose Höhenrücken mit Weinbergen bedeckt sind, die in guten Jahren einen Ueberfluss von Wein liefern, der dann in Folge Mangels eines ausgedehnten Absatzgebietes keinen Werth hat, deren Bevölkerung in mageren Jahren aber oft von Noth und Theuerung heimgesucht wird — der wird über die Herkunft des Namens nicht lange im Zweifel sein. Zudem entspricht die Bezeichnung Hufeisengebirge in ganz treffender Weise der Anlage des ganzen Berglandes, das mit der Superga aus der oberen Po- Ebene sich jäh erhebend, zuerst in leicht NO- geschwungenem Bogen bis gegen Bassignana zieht, um dann in grossem Halbkreise südwärts wendend, in die OW - Richtung zurück- zukehren und sich an die Vorberge des Apennin anzuschliessen. Die von F. Saeco im Maasstabe 1:100.000 publicirte Karte des Beckens von Piemont lässt deutlich den muldenförmigen Bau erkennen, dessen Nordrand eine äusserst complieirte Reihe von selbstständigen tektonischen Elementen bildet. Mein erster Besuch galt dem nordöstlichen Ende des Hügel- landes, das bei Casale Montferrato hart an den Po herantritt und dann gegen Osten plötzlich unter die jungen Bildungen der Ebene hinabsinkt. Hier dehnt sich südiich von der alten Hauptstadt des ehe- maligen Herzogthumes Montferrat ein weites, welliges Hügelland aus, das mit seinem spärlichen Baumwuchse und den eintönigen Reben- gsehängen in früher Jahreszeit einen äusserst öden Anblick gewährt. Wenn man von der Höhe dieser Hügelzüge gegen W und S blickt, so schweift das Auge weit über ein abwechslungreiches und scharf ausgeprägtes Relief, das mit seiner geringen absoluten Höhe, die 500 m nicht übersteigt, in gar keinem Verhältnisse steht. Scharfe Rücken, Zinnen und Spitzen, wie man sie an unseren alpinen Kalk- bergen zu finden gewohnt ist, enge Schluchten, steile Hänge und senkrechte Abstürze wechseln in reicher Folge ab und verleihen der Landschaft einen ganz pittoresken Charakter. Die kahlen Vor- [9] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 397 berge, die unvermittelt aus den Alluvien des Po auftauchen, und der ferne Zug der Alpen, die sich mit ihren schneeigen Hochgipfeln wie eine Mauer gegen 4000 m über die Ebene erheben, tragen noch dazu bei, die Täuschung zu vervollständigen. Aus den vielfachen Störungen, denen dieses Gebiet unterworfen war, lässt sich doch ein antiklinaler Bau erkennen. Die Schichten fallen gegen N ziemlich steil unter die Ebene ein, gegen S ist ihre Neigung nur gering, und sie werden hier von jüngeren Bildungen überlagert. Ein grauer, fester Mergel mit Bänken eines weissen Kalk- steines von glattem Bruche, den die italienischen Forscher als argille scagliose bezeichnen !), bildet die Höhen südlich von Casale. Stellen- weise sind Bänke blätterigen Kalkes von verschiedener Färbung, Sandstein und plastische Mergel von jüngerem Habitus in wechselnder Mächtigkeit eingelagert. Dass alle diese Bildungen sedimentären Ursprunges sind, steht in Folge der Lagerungsverhältnisse und der eingeschlossenen Fossilreste ausser Zweifel. Neben Fucoiden, die sich auf den Schichtflächen in grosser Anzahl finden, erkennt man im Dünnschliffe zahlreiche kleine Foraminiferen, und nach ver- lässlichen Angaben sollen Fischreste, nach F. Sacco auch Num- muliten darin gefunden worden sein. Ein genaueres Studium dieser Fossilreste wäre deshalb von besonderem Interesse, weil es geeignet wäre, weitere Aufschlüsse über die Stellung und Natur dieser Ablagerungen zu geben, die als argille scagliose gelten und dem Liguriano zugezählt werden. Meiner Meinung nach wären sie eher als marne frammentarie oder zum Theil als alberese zu bezeichnen, da unter dem Namen der argille scagliose in dem nördlichen Apennin eine von vielen Fachgelehrten als ein Zersetzungs- product des Serpentins angesprochene Bildung gilt. Auf die vielen diesbezüglichen von einander weit abweichenden Ansichten näher einzugehen, liegt ausserhalb des Rahmens meiner Arbeit. Vom ökonomischen Standpunkte sind diese Kalke und Mergel des Liguriano von besonderer Bedeutung für die ganze Umgebung von Casale. In zahlreichen Schächten werden sie in grossem Maass- stabe abgebaut und zur Kalk- und Cementbereitung verwendet. Ein beträchtlicher Theil der Bevölkerung des armen Landes ist auf diese Erwerbsquelle angewiesen. Da meistens Sandsteinbänke und zersetzte Mergelschichten an die Oberfläche treten, müssen die brauchbaren Kalklagen bergmännisch angefahren werden. Mitten in den Weinbergen sieht man oft eine kleine Hütte, ein Schutzdach, das das Eindringen des Regenwassers in den Schacht verhindern soll und darunter eine hölzerne Winde mit einem Eimer zur För- derung der Arbeiter und des Materiales — das ist meistens die sanze technische Anlage einer solchen Grube. Und in der feuchten, dunklen Tiefe arbeiten die „cavatori“ in steter Gefahr, von den mangelhaft oder gar nicht gestützten Hangendschichten verschüttet zu werden. Denn um die todte Arbeit zu ersparen, wird aus jedem Schachte so viel als möglich gefördert. Eine der von mir besuchten !) F. Sacco: L baecino terziario del Piemonte. Milano 1889, pag. 79. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (I'r. Schaffer.) 52 398 Franz Schaffer. [10j Gruben besass eine Tiefe von ungefähr 15» und eine glockenförmige Gestalt. Der Boden war durch eindringende Tagwässer fusstief aufgeweicht. Wer einen der steilen Wege, die den Verkehr zwischen den einzelnen Landhäusern vermitteln, zur Zeit der Dürre und dann wieder nach einem längeren Regen beschreitet, dem wird die auf- fallende Veränderung des Bodens nicht entgehen. Wer wird den blendend hellen, von Rissen durchsetzten Grund, der überall zu Tage tritt, und der unter dem Tritte zerstäubt, in dem fusstiefen, schmutzig grauen Moraste wiedererkennen? Allenthalben sind tiefe Geleise aus- gefahren, und mühsam schleppen die drei hintereinander gespannten Maulthiere den Karren durch den zähen Boden. Dann legt man Stamm an Stamm quer über die Strassen, um an den schwierigsten Stellen den Verkehr zu ermöglichen, und grosse Bündel Schilfrohres werden in den haltlosen Grund eingebettet, um ihm Festigkeit zu geben — und dies in einer Gegend, wo weit und breit keine grössere Baumpflanzung zu erblicken ist, und man Schilf anbauen muss, um es als Stütze der Weinreben zu verwenden. Bei andauerndem Regen geräth der Boden an steilen Stellen ins Gleiten, und überall zeigen sich kleine Bergschlipfe, die nur zu oft die Weinberge verheeren. Die Rinnsale der kurzen, periodischen Wildbäche sind tief einge- rissene, kleine Schluchten, die den Verkehr ausserordentlich er- schweren. Man kann sagen, dass das Relief dieser Hügelzüge durch jeden Regen verändert wird. Gegen S überlagern graue, plastische Mergel diese älteren Ab- lagerungen. Fossilreste sind daraus nicht bekannt, und sie werden dem Aquitaniano zugezählt. Ich kann mich über ihre Stellung nicht „weiter aussprechen. Auf diesen Mergeln liegen nun bei St. Giorgio, Rosignano, Treville, Ozzano und weiter südlich bei Vignale die Tiefsee- und Strandbildungen der ersten Mediterranstufe. Diese Vorkommnisse wurden in letzterer Zeit von G. de Alessandri') einer leider nur palaeontologischen Untersuchung unterzogen, und ergaben eine un- gemein reiche Fauna, die nach meiner Ansicht der des Elveziano inferiore der Umgebung von Turin identisch ist. Dass de Ales- sandri sie schlechtwegs als dem Elveziano zugehörig bezeichnet, habe ich schon in Vorhergehendem hervorgehoben. Von technischem und ökonomischem Standpunkte besitzt die Gegend grosse Bedeutung in Folge der ausgedehnten Gewinnung eines ausgezeichneten Bau- materiales — der sogenannten „pietra da cantoni“. Ks ist dies ein feinkörniger, durch Sand mehr oder weniger verunreinigter Globi- serinenkalk, der in frischem Zustande äusserst leicht zu bearbeiten ist, ja geschnitten werden kann, Luft und Sonne ausgesetzt aber einen hohen Grad von Festigkeit erlangt und daher als Bruch-, Bau- und Ornamentstein eine ausgedehnte Verwendung findet. In dieser Gegend kann man das seltsame Schauspiel geniessen, dass Zimmer- leute mit der Axt steinerne Häuser bauen und die Steinblöcke wie ')G. de Alessandri: La pietra da cantoni di Rosignano e di Vignale. Mem, Mus. civ. stor. nat. Milano, tom, Vl, fase. I. [11] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 399 Holz behauen. Ein ganz ähnliches Vorkommniss ist der „untere Globigerinenkalk* von Malta, die „pietra Leccese“ von Lecce in Apulien und die „pietra cantone“ und die „pietra forte* verschiedener sardinischer Localitäten (San Guglielmo, San Michele, Monte Urpino, Sassari ete.), auf die ich bei der Besprechung der Fauna noch zurückkommen will. Was die durch die geologische Natur der Gegend bedingten orographischen Verhältnisse betrifft, so kann die de Alessandri’s Arbeit beigefügte geologische Kartenskizze keine gute Vorstellung davon verschaffen. Der Mangel jeder Schraffirung oder hypso- metrischer Linien macht sich unangenehm geltend und die ein- gezeichneten trigonometrischen Höhenquoten sind nur ein schwacher Behelf, das prägnante Relief zur Darstellung zu bringen. Auch hier ist die ÖOberflächengestalt eine ungemein abwechslungsreiche, und besonders auffallend zeigt sie den Einfluss der geologischen Ver- hältnisse. Denn da die jüngeren Kalk- und Sandsteinbildungen der Denudation besser Widerstand leisten konnten, als der sie unter- teufende Mergel, treten sie im Relief scharf hervor und bilden eine ringförmige, nur an wenigen Stellen unterbrochene Zone, die die Localitäten St. Giorgio, Torre Veglio, La Colma, Rosignano, Cellamonte, Treville und Ozzano umfasst und einen durchschnittlichen Durchmesser von 4 km hat. In ihr liegen die höchsten Erhebungen dieser Gegend, die meistens Ortschaften, Schlösser und Landhäuser tragen. In senkrechten, 20—30 m hohen Abstürzen fallen diese kleinen Plateaus gegen die Mitte zu ab und zeigen hier in prächtigen Aufschlüssen den Wechsel von Lithothamnienkalk und Kalksandstein. Gegen aussen dachen sie entsprechend dem Fallen der Schichten allmälig ab. Der Mangel jeder ausgedehnten Bodenbedeckung durch Vegetation erleichtert den Einblick ‘in die stratigraphischen Verhältnisse ungemein. Besonders die frühe Jahreszeit ist dies- bezüglichen Untersuchungen günstig, wann die Weinberge noch kahl sind, und kein knurriger Wächterhund den Zutritt: verwehrt. Das Fallen der in ihrer Mächtigkeit sehr schwankenden Ab- lagerungen — bei Rosignano beträgt sie etwa 60 m — ist wie schon erwähnt überall gegen die Aussenseite der kreisförmigen Zone gerichtet und beträgt im OÖ und S 15—20°. Bei Treville und Ozzano machen sich grössere Störungen bemerkbar, und die Schichten fallen eirca 45—60° gegen NW und N ein. Diese steile Aufrichtung mag wohl mit den weiter unten zu besprechenden complieirten Lagerungsverhältnissen in dem Profile von Serralungo-Crea in Ver- bindung stehen, das etwa 7 km weiter westlich gelegen ist. Die kleinen Denudationsreste, die das Castel und den Friedhof von St. Giorgio tragen, zeigen nur untergeordnete Störungen und sind wie auch das Vorkommniss von Ozzano von geringer faunistischer Bedeutung. Der ganze Complex macht den Eindruck, als ob es sich hier um eine Strandbildung handle, die sich rings um eine Insel anlagerte.e. Nach dem Rückzuge des Meeres wurde das leichter zerstörbare Material, wo es nicht die widerstandsfähigen Kalkbänke schützten, denudirt, und die Strandbildungen ragen jetzt wie ein ringförmiges Riff — sit venia verbo — über die Umgebung empor. 52* 400 Franz Schaffer. [12] Die Schichtfolge ist im Ganzen eine einheitliche, obgleich sie nicht in vollständiger Entwicklung zu Tage liegt. So herrscht im OÖ die Sand- und Nulliporenkalkfacies vor, gegen S treten der Kalk- sandstein und die typische „pietra da cantoni“ in den Vordergrund, und gegen W und N gewinnen die Mergel der Basis die Oberhand. Bei St. Giorgio überwiegen wieder die phytogenen Kalke. Es folgen von oben nach unten: 1. Grauer Mergel, 2. zersetzter Sandstein, grober Sandstein, Lithothamnienkalk, lichtgelber Globigerinenkalkstein (pietra da cantoni), grauer, sandreicher Globigerinenkalkstein, Lithothamnienkalk, 8. grauer Tegel, 9. gelber Sandstein (wenig mächtig), 10. grauer Tegel. Wir sehen hier einen reichen Wechsel von Strand- und Tiefseebildungen. Ich betone das Wort Tiefseebildungen, weil, wie ich zeigen werde, die reine „pietra da cantoni* die grösste Aehnlichkeit mit dem „lower globigerina limestone“ von Malta besitzt, den John Murray, der ‘beste Kenner recenter Tiefsee- Ablagerungen, unter allen ihm bekannten Sedimentgesteinen allein als solche gelten lässt !). Wir können uns daraus einen Begriff von den Schwankungen der Strandlinie machen, die in dieser kurzen Spanne Zeit vor sich gegangen sind. Es mögen wohl damals steile Küstenstriche sich jäh aus den Fluthen dieses Archipels erhoben haben, Landpflanzen wurden in die Sedimente der Tiefe eingebettet, in denen die zarten Gehäuse der Tiefseeforaminiferen, besonders Globigerinen und Pulvinulinen in ungeheurer Menge auftreten. Der Formenreichthum, der aus den verschiedenen Faciesbildungen bekannten bentho-nektonischen Fauna ist ein ausserordentlicher. Leider wurde bei dessen Bearbeitung auf facielle Unterschiede keine Rücksicht genommen, wodurch das so reiche Material einen grossen Theil seines Werthes verlor. Denn die hier in Wechsellagerung auftretenden, so heterogenen Ablagerungen wären gewiss geeignet, manche Aufklärungen über noch dunkle bionomische und stratigraphische Fragen zu geben. ‚In den stillen Buchten mögen hier Schaaren von Knochenfischen — hauptsächlich Gadoiden — sichere Schlupfwinkel gefunden, Herden gefrässiger Haie mögen hier ihr Unwesen getrieben haben, gewiss sehr zum Schaden der Fischsäuger, Sirenen und Robben, deren Reste häufig gefunden werden. Auf den Kalk- und Sandbänken der Küste sassen grosse Pecten und Austern, und Stachelhäuter, Crusta- ceen und Panzerechsen bevölkerten die küstennahen Meerestheile in Menge. ') Ueber die Lebensweise fossiler Meeresthiere, von Prof. Dr. Johannes Walther. Zeitschrift der deutsch. geol. Ges., Jahrg. 1897, Heft 2. [13] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 401 Es muss ein arten- und individuenreiches Leben damals hier geherrscht haben. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur auf das locale Vorherrschen der Globigerinenschalen hinweisen, das sich hier besonders bemerkbar macht. Auch in den jetzigen Meeren bilden sich stellenweise aus- gedehnte Anhäufungen von Diatomeen, Radiolarien oder Foraminiferen — besonders Globigerinen —, wie sie öfter von Tiefsee-Expeditionen nachgewiesen wurden. Sie werden nach der Meinung hervorragender Kenner der oceanographischen Verhältnisse nicht auf bionomische Ursachen, sondern auf mechanische Anhäufung durch Meeres- strömungen zurückgeführt. Es ist bezeichnend für den Reichthum dieser Localitäten, dass es mir gelang, treffliche Reste von Gadoiden und einer Trionyx daselbst zu erbeuten, die alle bisher von dieser Fundstätte nicht beschrieben sind, obgleich diese als eine der reichsten schon oft und eingehend ausgebeutet wurde. Was die Parallelisirung dieser Neogenbildungen mit anderen Vorkommnissen betrifft, so ist vor Allem die Uebereinstimmung der typischen „pietra da cantoni“ mit dem mehrfach erwähnten „lower globigerina limestone“ von Malta und Gozzo zu erwähnen !). Auch dieser ist eine entschiedene Tiefseebildung von hohem Kalkgehalte (65—-95°/,), von gelblicher oder röthlicher Farbe und besitzt die gleiche ökonomische Bedeutung für die beiden Inseln. Auch er wird von Nulliporenkalken (coralline limestone) begleitet und von einem blauen Mergel, der von Th. Fuchs?) als Schlier angesprochen wird, überlagert. Sein Alter dürfte nach den aus ihm bekannten Fossilresten auch mit dem des Kalksteines von Rosignano übereinstimmen. Th. Fuchs erwähnt den Pecten Haueri, Spratt fand in ihm den P. Burdigalensis, und auch die Lagerungsverhältnisse lassen auf ein unseren Horner Schichten entsprechendes Alter schliessen. Murray führt das Vorkommen von Resten von Walthieren und anderen Meersäugern, von Haien in grosser Zahl, von Teleostiern, Schild- kröten und Crustaceen an. Besonders die sogenannten „nodule beds“, Zwischenlagen von braunen, auf organischen Ursprung zurück- zuführenden Phosphatknollen, bergen zu Tausenden die Zähne von Selachiern. In welcher Häufigkeit sich diese auch in den recenten Tiefsee- ablagerungen finden, dafür gibt eine Stelle des Challengerwerkes einen guten Beleg. Es wurden bei einem Zuge mit dem Schlepp- netze mehr als 1500 Haifischzähne aus der Tiefe des pacifischen Oceans heraufbefördert?). !) On the geology of Malta and Gozzo by Th. A. B. Spratt, 1854. \ Th. Fuchs: Das Alter der Tertiärbildungen von Malta. Sitzb. d. kais. Akad. d. Wiss., 70. Bd., 1874. | John Murray: The Maltese Islands with their special reference to their geological structure. The Scottish geographical Magazine, Vol. VI, pag. 449 (Literatur). i ®) Th. Fuchs: Ueber den sogenannten „Badner Tegel“ auf Malta. Sitzb. d. kais. Akad. d. Wiss., 73. Bd., 1876. ®) Narr. Chall. Exp. vol. i. pag. 809, 402 Franz Schaffer. [14] Auch bei Rosignano sind diese widerstandsfähigen Fossilreste in ungeheurer Menge zu finden, und unter der von hier beschriebenen reichen Fischfauna herrschen Selachier bei Weitem vor. Von Säuge- thieren führt de Alessandri an: Pristiphosa oceitanica Ger. Metaxytherium sp. Balaenoptera sp. Tursiops miocaenus Port. Schizodelphis sp. Ein drittes Vorkommniss dieser Art ist die „pietra Leccese !)“, die auch eine ähnliche Rolle spielt, wie der Globigerinenkalk von Malta. Auch in ihr ist das Vorherrschen der Gattung Globigerina gegenüber den anderen Rhizopoden zu bemerken, und ebenso auf- fällig ist die fast durchwegs aus Selachiern bestehende, individuen- und artenreiche Fischfauna, und das Auftreten mariner Säuger, von denen folgende Genera erwähnt werden: Felsinotherium, Halitherium, Priscodelphinus, „ Campsodelphis, Schizodelphis, Physodon, Phocodon. Auf Sardinien bietet die „pietra forte* und „pietra cantone“ von San Michele, San Guglielmo, Sassari, Monte Urpino, Cagliari und Monreale del Bonaria ein weiteres Beispiel. Die reiche Fauna dieser ökonomisch wichtigen und wissenschaftlich interessanten Localitäten hat hervorragende Bearbeiter?) gefunden, nach deren Beschreibung über das gleiche Alter und die gleiche facielle Aus- bildung auch dieser Ablagerungen kein Zweifel ist. Auch in den sardinischen Vorkommnissen finden sich die meerbewohnenden Säugethiere und die grosse Zahl der Selachier wieder. Diese so auffallende petrographische und faunistische Ueber- einstimmung dieser vier neogenen Tiefseebildungen, die nach der ') G. Capellini: Della pietra Leecese e di alcuni suoi fossili. Mem. dell’ Ace. Sc. dell’ Ist. Bologna. Ser. ılI, Vol. IX, 1878, pag. 227. 0. G. Costa: Ricerche dirette a stabilire l’eta geologiea della calcarea tenera a grana fina di Lecce, detta volgarmente Leecese. Giornale Seient. „U Giambatista Vico.“ Napoli 1857. C. de Giorgi: Cenni di stratigrafia e idrograßa provinciale. Boll. del Comizio argrario di Lecce. Lecce 1871. — Note geologiche sulla provineia di Lecece. Lecce 1876. G. di Lorenzo: La fauna bentho-nektonica della Pietra Leccese. Rend. d. R. Accad. dei Lincei. Vol. II, ser. 3. Roma 1893. °) Literatur bei de Alessandri: La pietra da cantoni di Rosignano e di Vignale. Mem. mus. civ. stor. nat. Milano, Tom VI, fase. I, pag. 9. [15] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 403 von J. Murray über den älteren Kalkstein von Malta ausgesprochenen Ansicht in einer Tiefe von 300— 1000 Faden abgelagert sein dürften, wäre wohl geeignet, das besondere Augenmerk der Fachgelehrten auf sich zu ‚lenken. Da, wie schon erwähnt, die Beschreibung der Fauna von Rosi- gnano ohne Rücksicht auf facielle Unterschiede vorgenommen wurde, bemühte ich mich, in der kurzen Zeit deren Sichtung in strati- graphischer Hinsicht durchzuführen. Was ich dabei erkennen konnte, ist etwa Folgendes: Die beiden faunistisch gleichen Lithothamnienkalkbänke kommen in Wechsellagerung mit Sandbänken vor, die allmälig in die kalk- reiche „pietra da cantoni* übergehen. Die darunter liegenden Tegel und die Sandsteinbänke sind bei Treville, der darüberlagernde Mergel bei Vignale reich entwickelt. Die von de Alessandri gegebene Faunenliste enthält die für die erste Mediterranstufe charakteristischen Formen: Pecten Holgeri Gein. a Gray Lam. „ solarium Lam. !) „. rotundatus Micht. BDurdigalensis Lam. £ Haweri Micht. » Northamptoni. Micht. Diese benthonische Fauna findet sich ausschliesslich in den Sandstein- und Nulliporenkalkbänken und es entspricht ihr Alter dem der Horner Schichten des Wiener, der Hidalmäcser Schichten des siebenbürgischen Beckens. Die darunter liegenden Tegel beherbergen eine reiche Fauna von Rhizopoden und Pteropoden. Ich fand darin: (2) Pecten (Amussium) denudatus leuss. (1) Cassidaria echinophora Lam. Tellina sp. Lucina sinuosa Don. Solenomya Doderleini May. Balantium pedemontanum May. Zahlreiche Foraminiferen. Es scheint diese Ablagerung hier eine ähnliche Stellung inne zu haben, wie der Foraminiferentegel von Ketösmezö in Siebenbürgen, als eine Tiefseebildung der älteren Mediterranstufe. Der jüngere Mergel, der bei Vienale und, wie ich bemerkt zu haben glaube, auch in dem Thale nordöstlich von La Colma (bei Rosignano) auftritt, hat eine umfangreiche Fauna geliefert, deren Ver- zeichniss ich nach einer mir von Dr. F. Vaschetti in Vignale freundlichst gemachten Mittheilung gebe. Ich erlaube mir, ihm hiefür an dieser Stelle meinen geziemenden Dank zum Ausdrucke zu bringen. ') Siehe Anmerkung pag. 393 [5]. 404 Franz Schaffer. [16] Fossilien aus dem Mergel von Vignale. Pristiphoca oceitanica Ger. Diodon Italicus De-Al. Ohrysophrys eincta Ag. Oxyrhina hastalis Ag. & Desorü Ag. n crassa Ag. Odontaspis cuspidata Ag. Hemipristis Serra Ag. Sargus Oweni Sism. Carcharodon megalodon Ag. R auriculatus Ag. Cirsotrema crasstcostatum Desh. var. Teredo sp. Strombus sp. Conus sp. Ficula sp. Turbo rugosus Linn. Pecten Burdigalensis Lam. var. » Donifaciensis Loc. Terebratula Rovasendiana eg. Echinolampas plagiosomus Ag. Auf Grund dieser Fauna und der einfachen Lagerungsverhält- nisse glaube ich, diese Mergel in den Horizont unseres oberöster- reichischen Schliers stellen zu können. De Alessandri hält sie für der tortonischen Stufe angehörig, was unserem Badner Tegel entsprechen würde. Sind also diese Vorkommnisse „von pietra da cantoni“ von hohem wissenschaftlichen Interesse, so haben sie doch auch vom volkswirthschaftlichen Standpunkte für einen grossen Theil der Be- völkerung ihre Bedeutung. Ihre Gewinnung erfolgt theils durch Tagbau, wie bei Rosignano selbst, theils in horizontalen Gallerien, wie bei Casa del Brie, oder in Schächten, ähnlich dem Abbau des Kalkmergels von Casale. Der Stein wird in eirca !/; m lange, pris- matische Stücke zerlegt und an der Sonne getrocknet. Einen wesentlich anderen Habitus zeigen die äquivalenten Bil- dungen im Profile von Serralungo-Crea, eirca 7 km westlich von Rosignano. Die kurze Zeit, die ich auf die Untersuchung dieser Gegend verwenden konnte, machte es mir leider unmöglich, genauere Einsicht in deren geologischen Bau zu nehmen, und wenn ich es doch versuche, Weniges darüber zu berichten, so ist es nur, um die interessanten tektonischen Verhältnisse, die in diesem Profile zu Tage treten, kurz darzulegen. Der schematische Durchschnitt, den ich durch den in Frage stehenden Höhenzug gebe, ist an der nach Moncalvo führenden Strasse aufgeschlossen. 405 Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 17] | ONN "OBUNJELIAS "[OSI9W 'YEI9WOLSUON pun uroIspureg 'B.I9WO]SU0/) "urolspurg ' "[O319W "PEIIUOLSUON) ‘(») uoyurqursIspuwg ru [ogtopL ERAEI N ‘(TU0JuUB) BP 8ı1JOLT) ULOISpuBsy[ey HERZEN :Z00nIB[JI4 *BILJ-OZUNJELIIS UOA 9ZZIY4SIYOLA "OISIULOA . aa © -— Hanmascon a SE 8 = an © CS ie 2 eaag) IP OLIENJUBS MSS 53 Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt 1898, 48. Band, 3. Heft. (Fr. Schaffer.) 406 Franz Schaffer. [18] Nördlich von Serralungo liegt als oberstes Glied ein grauer Mergel, der mir nur sehr schlecht erhaltene makroskopische Fossil- reste lieferte und über dessen Stellung ich mich nicht weiter aus- sprechen kann. Er steht in steilgestellten Bänken an der nach Mom- bello führenden Strasse an. Darunter liegt in ziemlicher Mächtigkeit ein sandiger Kalkstein, der an die „pietro da cantoni“ von Rosignano erinnert, aber nicht so rein und fest ist wie diese und daher auch nur minderwerthiges Material liefert. Sein Fallen ist 50—60° NNO. Doch sind östlich und westlich von dem Orte weitere tektonische Störungen zu bemerken. Stellenweise finden sich darin abgerollte Nulliporenkalkbrocken. Orographisch tritt dieses härtere Gestein stark hervor. Es bildet den langen Höhenzug, der die Ortschaft Serralungo trägt und sich gegen OÖ und W weiter fortsetzt. Ich glaube, auf die petrographische Beschaffenheit hin und auf Grund einiger spärlicher fossiler Reste — der Fossilreichthum von Rosignano fehlt hier voll- ständig — dieses Vorkommniss mit denen der eben besprochenen Localitäten gleichstellen zu können. Es folgen dann gegen S ebenso steil nach N fallende plastische blaue Mergel in ungeheurer Mächtig- keit. Sie bilden den Untergrund des Thales südlich von Serralungo und haben eine reiche Fauna geliefert. Leider erschwert das Fehlen einer ausführlichen palaeontologischen Beschreibung der Bivalven des piemontesischen Tertiärs deren Bestimmung ungemein. Ich bestimmte daraus: Trochus turritus Bon. Siliquaria anguina Linn. Dentalium Badense Partsch. Teredo Norvegica Spengler, Venerupis decussata Phil. Venus clathrata Du). Lucina cf. Dujardini Desh. „. sinuosa Don. (riesige Exemplare) „ Mojsvari R. Hoern. Solenomya Doderleini May. Leda clavata Cale. Nucula Mayeri Hoern. Limopsis anomala Eich. Lima miocenica Micht. Limatulella langhiana Saeco. Pecten denudatus Reuss. „. duodecimlamellatus Bronn. Ostrea cochlear Pol. Terebrarula sp. Balantium sp. Ausserdem finden sich Einzelkorallen, Rhizopoden und Spongien- nadeln in Menge. Diese dünnbankigen Mergel wechseln, wenn man auf der südwärts gegen Ponzano führenden Strasse fortschreitet, mit Sandbänken, die allmälig überhand nehmen. Oberhalb des Dorfes 19] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc, 407 Forneglio (Furnaglio) ist die Schichtstellung lothrecht und geht dann in ein steiles SSW-Fallen über. Der Neigungswinkel beträgt etwa 70°. Bei der Capelle S. Eusebio nehmen fast ausschliesslich Sandsteinbänke an dem Aufbaue der Schichten Antheil, und knapp oberhalb erblickt man an einer senkrechten Wand gut aufgeschlossen eine enggefaltete Antiklinale, wie man sie sonst in so jungen Ablagerungen zu sehen nicht gewohnt ist. Ich musste mich erst durch den Fund von Fossil- resten von dem neogenen Alter dieser Bildungen überzeugen, so unerwartet und fremdartig war der Anblick dieser so stark gestörten Schichten für mich, der ich meine Studien in dem nur durch nach- trägliches Absinken gestörten Tertiärbildungen des Wiener Beckens machte. Den Kern der Antiklinale bildet ein homogener, grauer Mergel, der ausser Foraminiferen Exemplare von Lueina sinuwosa Don., Lima- tutella langhiana Sacco und anderer kleiner, stark verdrückter Bivalven enthält. Darüber folgen Conglomerate, die weiter in Sandstein über- gehen. Der Südschenkel der Falte steht senkrecht und lehnt sich, in den folgenden Schichten allmälig steil nach NNO fallend, auf Sand- stein- und Oonglomeratbänke, die sich jäh bis 440 m -— etwa 200 m über die Thalsohle — erheben und die Wallfahrtskirche der Madonna di Crea tragen. In etwa 60° Neigung stehen die wohl 50 m mächtigen Conglomeratbänke wie eine schiefgestellte Platte da, zum grössten Theil durch die Denudation von der leicht zerstörbaren Mergel- und Sandsteinhülle befreit. Das Conglomerat ähnelt ganz dem der Superga bei Turin und besteht wie auch die Sande aus groben Serpentin- und Quarzitgeröllen. Es führt eine individuenreiche, aber artenarme Fauna von grossen strandliebenden Pecten und Austern, die stellenweise in grosser Zahl auf den Bänken aufsitzen. Besonders häufig finden sich: Pecten rotundatus Lam. »„ Northamptoni Micht. „ Haueri Micht. Ostrea cochlear Poli. „. digitalina Eichw., die diese Bildung als eine typische Strandbildung der älteren Medi- terranstufe charakterisiren. Tektonisch darunterliegend, folgen Sand- steine und Mergel, deren Einfallen immer geneigter wird, und die auf Bildungen des älteren Tertiärs auflagern. Die Gesammtmächtigkeit aller in dem Profile aufgeschlossenen, insgesammt der älteren Mediterranstufe angehörigen Schichten mag circa 2000 m betragen ; doch glaube ich, dass stellenweise eine Wieder- holung durch Ueberschiebung eingetreten ist. Es wäre gewagt, auf Grund meiner nur oberflächlichen Unter- suchungen eine eingehende Erklärung der tektonischen Verhältnisse — die ganz ausserhalb der mir gestellten Aufgabe liegt — versuchen zu wollen. Ich muss das dazu Berufeneren überlassen. Insbesondere 53* 408 Franz Schaffer. [20] wird es sich darum handeln, festzustellen, ob die beiden Conglomerat- bänke eine stratigraphische Einheit bilden, oder ob eine Wechsel- lagerung verschiedener Faciesbildungen stattgefunden hat. Mir lag es nur daran, die so mannigfaltige facielle Entwicklung dieser einen stratigraphischen Horizont repräsentirenden Schichtfolge auseinander zu setzen und die auffälligen tektonischen Erscheinungen hervor- zuheben. Gegen O setzt sich der durch die Conglomerat- und Sandstein- bänke gebildete Höhenzug in gradlinigem Streichen bis gegen Castel- lazzo fort. Weiter gegen S folgen Bildungen des Palaeogen in ungeheurer Mächtigkeit, grossentheils steil aufgerichtet und in verschiedenster facieller Ausbildung. Fossilreste sind nur äusserst spärlich vorhanden. Oberhalb der kleinen Ortschaft Sopra Ripa zieht sich ein orographisch stark hervortretender Bergrücken in beiläufig O—W-Streichen hin, der von einem mächtigen Conglomerat von Quarzit-, Serpentin- und Kalkgeröllen gebildet wird. Die Grösse der einzelnen Blöcke ist sehr verschieden. Doch sah ich manche von mehr als ein Cubikmeter Inhalt. Gegen Moncalvo fortschreitend, gelangt man in stets jüngere Schichten, die eine vollständige Mulde!) bilden, in deren Centrum Moncalvo selbst auf einem von pliocänen Sanden aufgebauten Hügel liest. Das im Thale des Rio Crosio gut zu verfolgende Profil durch einen grossen Theil der Randbildung, besitzt weder stratieraphisch noch faunistisch eine grössere Bedeutung. Nur eine Stelle unterhalb des Ortes Sotto Ripa verdient Beachtung, an der ein graublauer, fester Mergel an der linken Thalseite in den Weinbergen ansteht und eine reiche Fauna führt, die der des Mergels von Serralungo identisch ist. Auch hier fand ich zahlreiche Pteropoden, die grosse Lueina sinuosa, die vielen Amussien, die Dentalien und Limutulella langhiana und von Foraminiferen überwiegen die Gattungen Globi- gerina, Pulvinulina und Nodosaria. Auch hier liegt über diesen Mergeln Sandstein und die „pietra da cantoni“, doch in ähnlich sand- reicher und fossilarmer Ausbildung, wie am Hügel von Serralungo. Erst die Pliocänbildungen in unmittelbarer Nähe von Moncalvo sind fossilführend und haben die bekannte reiche Fauna von Asti geliefert. Eine der am häufigsten genannten und am häufigsten missver- standenen Localitäten des oberitalienischen Tertiärs ist die Superga bei Turin. Ihren Ruf verdankt sie ganz unrechtmässiger Weise der berühmten „Fauna der Superga“, mit der sie aber gar nichts zu thun hat. Denn die Superga sensu stricto ist ein colossaler, aufgewölbter Conglomerathaufen mit untergeordneten Steinmergelbänken und hat bis Jetzt nur äusserst schlecht erhaltene Reste von Fossilien, besonders !) F. Sacco. Il seno terziario di Moncalvo. Atti R. Accad. delle Seienze di Torino, vol. XXIV, [21] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 409 Bruchstücke von Pecten und Austern, die meistens nicht zu bestimmen sind, und Korallenstöcke geliefert. Bis vor Kurzem gaiten diese dem Aquitaniano zugezählten Ablagerungen für fossilleer und erst in neuester Zeit ist dank der eifrigen Untersuchungen des Herrn E. Forma eine armselige Fauna aus diesem für die Erhaltung fossiler Reste sehr ungünstigen Materiale bekannt geworden, deren Verzeichniss ich mir nach der Sammlung des Turiner Museums zusammenstellte. Cassidaria echinophora Lam. Trochus turritus Bon. Tugurium postratensum Sacco. Fusus sp. Ostrea sp. Pecten denudatus Feuss. RR Lucina sinuwosa Don. Pentacrinus sp. Die im N und S zu beiden Seiten der Antiklinale auflagernden Mergel des Langhiano führen eine individuenreiche aber artenarme Fauna, in der kleine Bivalven und Pteropoden vorherrschen. Fora- miniferen sind darin häufig und auf den Schichtflächen finden sich Pflanzenreste oft in grosser Menge. Ich gebe in Folgendem eine Liste der daraus bekannten Versteinerungen, die mir Herr E. Forma nach den Sammlungen des Turiner Museums in liebenswürdigster Weise übermittelte. Verzeichniss der Fossilien aus den Mergeln des Langhiano der Colli Torinesi. Dentalium Badense Partsch var. Natıca sp. Trochus turritus Bon. Fusus semirugosus Bell.? Ancillaria Sismondana d’Orb. Pleurotoma cf. rotata Broce. 2 sp. Cassidaria (Galeodea) cf. eingulifera Hoern. et Awing. Ostrea negleeta Micht. Propeamussium anconitanum Foresti. Lueina cf. columbella T,. (grosse Exemplare) Limatulella langhiana Sacc. Lucina sinuosa Don. Venus sp. Solenomya Doderleini May. N gigantea May. Aturia Aturi Bast. 410 Franz Schaffer, [22] Clio pedemontana May. „ sulcosa Bon. Vaginella depressa Daud. » Calandrellii Micht. Die Grenze der Conglomerate und Sande des Aquitaniano gegen die Mergel des Langhiano ist keine scharfe, sondern wird durch den Wechsel von Mergel- und Sandbänken vermittelt, wie sie auch an der oberen Grenze des Langhiano gegen das Elveziano auftreten. Auch dieses begleitet die beiden Flanken der Antiklinale, ist aber nur im Süden fossilreich und hat hier die bekannte reiche Fauna der Superga geliefert. Der Monte dei Cappuecini, schlechtweg „il monte“ genannt, die Val Salice (Rio della Batteria), beide noch zum Stadt- sebiete von Turin gehörig, und die Aufschlüsse bei der Villa Termo- furä sind reiche Fundstätten einer unseren Grunder Schichten ent- sprechenden Fauna. Nach F. Sacco gehören .diese Localitäten dem „Elveziano medio“ an. Die Mächtigkeit dieser am Aufbaue der westlichen Antiklinale von Turin-Rivalba theilnehmenden Schichten ist im Vergleiche zu den Ablagerungen des Wiener Tertiärbeckens eine ganz ungeheuere. F. Sacco schätzt das Aquitaniano des nördlichen Montferrats auf eirca 2000 m, das Elveziano stellenweise auf ebensoviel. Gegenüber dieser Zahl verschwinden die dazwischen liegenden Mergel des Langhiano mit ihrer im W 100—150, bei Sciolze 40—50, bei Al- bugnano nur mehr wenige Meter betragenden Mächtigkeit vollständig. Oestlich von letzterem Orte fehlen sie ganz. Zudem treten mehrere, oft ebenso mächtige, ganz ähnliche Mergelbänke im Elveziano inferiore auf, wie es bei Pino der Fall ist. Auch führt das „Langhiano“, wie oben gezeigt, kein Fossil, das als charakteristisches Leitfossil gelten könnte, sondern nur die auf weite, verticale Erstreckung. hin gleich- . bleibenden Formen der Ablagerungen grösserer Tiefen. Dieser im Allgemeinen doch ziemlich beständige Horizont leicht spaltbarer, lichter Steinmergel war wohl sehr geeignet, eine feste Marke in dem in Folge facieller Ausbildungen so schwierig zu gliedernden Schiehtsysteme abzugeben, und hat in dieser Richtung auch wesent- liche Dienste geleistet. Aber als stratigraphischer Begriff hat das Langhiano des nördlichen Montferrats nur geringe Bedeutung. Gross ist die Zahl der Forscher, die sich mit dem Baue der Colli Torinesi eingehender beschäftigt haben. Die Namen der bedeutendsten italienischen Fachgelehrten sind an sie geknüpft. Ich erwähne nur Brocchi, . Collegno, Sismonda, Bellardi, Gastaldi, Portis, Mazzuoli, Saeco und Baretti. Aber=ım vollendester Weise wurden sie von F. Virgilio zum Gegenstande einer ausführlichen und von den weitesten Gesichtspunkten geleiteten Darstellung gemacht )). Der Verfasser bespricht . die Herkunft dieser ungeheueren Conglomerat- und Sandmassen und die Bildung der Antiklinale der ') F. Virgilio: La’ Collina di Torino in rapporto alle Alpi, all’ Apennino ed alla pianura del Po. Torino 1895. (Literatur!) [23] Beiträge zur Parallelisirang der Miocänbildungen etc. 411 Superga im weiteren Sinne auf Grund der von :E. Reyer auf- gestellten Theorien ’). Nach ihm stammen die Geschiebe und Gerölle zum grössten Theile aus den Alpen östlich bis zum Lago Maggiore, der Rest aus dem Apennin. Die in den ersten beiden Faltungs- perioden, im Perm und in der Kreide, aufgewölbte, alpine Kette bildete das Hinterland für eine grosse Anzahl wohl kürzerer Fluss- läufe, die bei dem gewiss bedeutenden Gefälle eine grosse Menge | von Detritus an ihren Mündungen als gewaltige Schuttkegel mit dem | Maximum des -Neiguneswiukels ablagerten. Diese rasche Sediment- / bildung, sowie die dadurch bewirkte starke Trübung des Meerbusens mögen die Ursache der so auffälligen Verarmung der Fauna gewesen sein, die wohl stellenweise ganz erlosch. Nach meiner Meinung kann aber diese Fossilarmuth auch eine nur relative sein, indem bei der gewiss rasch vor sich gehenden Sedimentation die Fossilreste der Masse des Sediments gegenüber sehr zurücktraten; zu ruhigeren Zeiten aber stellte sich mit den äusseren Existenzbedingungen auch das organische Leben wieder ein, und in den den Conglomeraten eingeschalteten Sand- und Mergelbänken finden wir die Reste einer wenn auch armseligen Fauna. Die Grösse der Blöcke kann 5 m im Durchmesser betragen ; das Material besteht vorwiegend aus Serpentin, dann aus Diorit, Granit, Porphyr, Gabbro, Calcare alberese etc. Spuren von Glacial- schrammen konnten bis jetzt mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden. Da gegen Osten das Conglomerat in mächtige Sande und bei Sziolze in Mergel mit Sandbänken wechselnd übergeht, scheinen sich die Geschiebekegel von W her aus den Meeralpen, den Lepon- tinischen und den Graischen Alpen gegen die Mitte des Beckens vorgeschoben zu haben, während in grösserer Entfernung von den Flussmündungen nur leichtere Sedimente zur Ablagerung gelangten. Durch die fortdauernde Zufuhr neuen Materiales wurde endlich der durch die Grösse der einzelnen Elemente und die Beschaffenheit des Bindemittels bedingte Neigungswinkel des .Deltakegels über- schritten, und die Massen begannen gegen die Tiefe des Beckens zu gleiten. Als nun vollends in der dritten und bedeutendsten Faltungsperiode der Westalpen, zur Mioeänzeit (v. Mojsisovies und Diener?) die gebirgsbildenden Kräfte das Gleichgewicht dieser Ablagerungen störten, geriethen diese in gleitende Bewegung, mengten sich in der Mitte der Bucht mit den vom Apennin stammenden Geröllen, und wurden unter dem Drucke der nach- sitzenden Massen zu einer Antiklinale aufgewölbt, die dem Verlaufe des Höhenzuges Turin—Rivalba entsprach. Durch diese gewaltige Massenbewegung wurden die Fossilreste grösstentheils zerstört. Die Aufwölbung dürfte schon zum Beginne des ÖOligocäns begonnen haben und setzte sich bis in das Pliocän fort, dessen Ablagerungen eine wenn auch geringe Störung aufweisen. Diese während fort- schreitender Aufrichtung des Meeresbodens stattfindende Sediment- 1) O. Diener: Der Gebirgsbau der Westalpen. Wien 1891. ?) E. Reyer: Deformation und Gebirgsbildung. Leipzig 1892. 412 Franz Schaffer. [24] bildung erklärt die fast zwischen allen Etagen bestehende, mehr oder weniger ausgesprochene Discordanz der Schichten. Mögen auch diese tektonischen Vorgänge hauptsächlich in der älteren Mioeänzeit Platz gegriffen haben, wie uns die bedeutend reichere und manniefaltigere Fauna des Elveziano verräth, so traten doch auch später Zeiten gewaltiger Bewegungen ein, als deren Zeugen ausgedehnte Block- und Conglomeratanhäufungen stellenweise einge- schaltet sind. Ich habe mit Absicht eine längere, grösstentheils auf F. Vir- &ili0o’s Darstellung fussende Beschreibung dieser so bemerkenswerthen stratigraphischen Verhältnisse gegeben, um den Charakter dieser ungeheueren Conglomeratanhäufungen zu kennzeichnen und die merk- würdige faunistische Sonderstellung gegenüber den äquivalenten Bil- dungen des östlichen Montferrats zu erklären. Da in Folge dieser Umstände jedes durch diesen Theil der Colli Torinesi gegebene Profil nur localen Werth hat, ohne aber zu einer Vergleichung zweck- dienlich zu sein, verlasse ich die Gegend von Turin und wende mich ostwärts zu dem berühmten und wohl einzig dastehenden Profile von Gassino. Es dürften nicht viele Profile, wenn überhaupt eines, die Schicht- folge des marinen Tertiärs in solcher Ausdehnung und Vollständig- keit geben, wie das von Gassino über Sciolze gegen S gelegene. Denn vom Eocän bis in das jüngste Pliocän folgt die ganze Serie von Ablagerungen übereinander in grossentheils reicher Entwicklung. Aber auch hier ist der Mangel einer genauen Kenntniss der den einzelnen Etagen eigenthümlichen Fauna bei einer eingehenderen Untersuchung sehr hindernd. Die ungemein reichhaltige und präch- tige Tertiärsammlung des Cav. Luigi Rovasenda in Sciolze enthält die Fossilreste aller in diesem Profile auftretenden Horizonte, ist aber leider nur zum geringen Theile bearbeitet, und würde gewiss geeignet sein, noch äusserst interessante Aufschlüsse in stratigraphischer und palaeontologischer Hinsicht zu geben. Ich muss mich daher darauf beschränken, die durch Augenschein gewonnene Erfahrung und die mir in liebenswürdigster Weise von Cav. Rovasenda gemachten Mittheilungen bei der folgenden Schilderung zu verwerthen. Da wie in dem ganzen Höhenzuge Turin—Rivalba auch hier der Nordflügel der Antiklinale sehr steil gegen die Ebene einfällt, und nur die älteren Miocänschichten noch zu Tage treten, die zudem nur äusserst spärliche Fossilreste liefern, so beschränke ich mich ganz auf den Südschenkel. Ein schematisches Profil mn NW—SO-Richtung über die Costa Battaina und das Schloss des Cav. Rovasenda gelegt, zeigt infolge der vielen guten Aufschlüsse und des steilen, mit dem geologischen er abnehmenden Neigungswinkels der Schichten folgende Einzel- reiten: [25] "OUBTUOLLWE, Bura}%3gl ' 81809 —-— ao. en "OUBLIZUOL ‘ouerueymbYy -oueIysur] "9Z[0TDg "OUBIZIAIT "OUBTUONOLT, "OUBIUISSON Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen ete. - / Teen, 9924090111 0) 2399 EAN 2 DMUNgS € Prpanız Bi ee lat eng "aD "u0S% urg PIPuRg your 108.19 . 719 989 are I ROT, rue UA a9 u) a Perowmors Vyurgpurg tur k SOYOrTIO.1 sog sat "ur !99spurg TSOTTSSO 7 tpuase Ri BAO 9p eaouroy Sul "u9LIE ZEN BITOJs FUOE yg \ ED pun 3705 U9podo 2 ?oPtopog Nulsam 777 ?Pp1v7s» 99% £ Nnasnıu iz -I9ULOTS o RSSEH1T I Puxeg 193. “(U ( Unageurogg ‘ POnDUOR K W OPpreyuon a ae ‘(ua PURIOJ.I0 (uOpeg) "Fl sep ja, -udre Q san, JONKIgr “(yası; Rn LIosereT, Heunves) 9 gr Son [7 Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (Fr. Schaffer.) 1n0. isches Profil von ass Schemat 54 413 414 Franz Schaffer. [26] Den Kern der Antiklinale bildet der berühmte Lithothamnien- kalk von Gassino, der in sieben verschieden mächtigen Bänken mit einem blauen, plastischen Mergel wechsellagert und einer der um- strittensten Punkte in der ganzen Tertiärliteratur des piemontesischen Beckens ist. Während nämlich einige Forscher geneigt sind, ihn dem Bartoniano zuzuzählen !), wird von anderer Seite seine Zugehörigkeit zum Tongriano vertheidigt ?). Es liegt ausserhalb des Rahmens meiner Arbeit, mich mit dieser Altersfrage zu beschäftigen, ich will nur auf den auffallend jungen Habitus der zwischenlagernden Mergel und ihrer Fauna hinweisen. Di Rovasenda führt u. a. daraus an: Aturia Aturi Bast. Nautilus deeipiens Micht. Lima miocenica Sism. Pecchiola Gastaldi Micht. n Meneghini (Chama arietina Broce.) Pecten Philippi Stopp. Th. Fuchs?), der dieser Localität auch einen Besuch abstattete, stellte den Calcare von Gassino auf Grund einiger in den Mergel- bänken gefundener Fossilien (Cassidaria echinophora, Xenophora sp. und Pholadomya cf. Puschii) dem Alter nach dem Kalksteine von Acqui und Schio gleich. Damals waren aber die Aufschlüsse noch nicht so ausgedehnt, und die Sammlung des Cav. Rovasenda in 1) F. Sacco: Il bacino terziario-del Piemonte. Milano 1889. — Le Ligurien. Bull. Soc. g6ol. France, III. ser., tom. XVII, 1889. — L’Age des formations ophiolitiques recentes. Bull. Soc. Belge de g£ol. de paleont. etc., tom. V, 1891. — Eseursione geologica eseguita il 21 Settembre 1893 attraverso i colli terziarii di Torino. Boll. Soc. geol. It., vol. XII, fasc. 3. — Le trias dans ’Apennin de !’Emilie. Bull. Soc. Belge de geol., de paleont. etc., tom. VI, pag. 199, 1892. — L’Apennino dell’ Emilia. Boll. Soc. geol. It., vol. XI, pag. 519, 1392. A. Portis: Sulla vera posizione del calcare di Gassino nella collina di Torino. Boll. Com. Geol. d’It., vol. XVII, 1886. A. Tellini: Le Nummulitidee terziarie dell’ alta Italia Oceidentale. Boll. Soc. geol. It., vol. VII, 1888. L. di Rovasenda: I fossili di Gassino. Boll. Soc. geol. It., vol. XI, 1892. ?) G. Trabucco: Sulla vera posizione dei terreni terziari del Piemonte. Proc. verb. Soc. Tosc. di scienze nat. Adun, 5 febbraio 1893. — Sulla vera posizione dei terreni terziari del bacino Piemontese. Parte prima. Atti Soc. Tosc. di scienze nat., Vol. XIII, Memorie. Pisa 1894. — Sulla vera etä del calcare di Gassino. Boll. Soc. geol. It. Vol. XII, fasc. 2, 1894. C. Mayer: Olassification des terrains tertiaires conforme ä l’&quivalence des P£erihelies et des Etages. Zurich 1884. G. Seguenza: Intorno ai vrachiopodi mioceniei delle provincie Piemontesj. Ann. degli Aspiranti Natural. di Napoli, ser. III, Vol. VI, 1866. °) Th. Fuchs: Studien über die Gliederung der jüngeren Tertiärbildungen Öber-Italiens. Sitzb. d. kais. Akad. d. Wiss. 1878, LXXVII. Bd., I. Abth. [27] Beiträge zur Parailelisirung der Miocänbildungen etc. 415 Sciolze keineswegs so reichhaltig, wie heute nach 20 Jahren eifrigen Sammelns, und wer die mit so plastischen Mergeln wechselnden Nulliporenkalkbänke sieht, wird sicher geneigt sein, ein weit jüngeres Alter für sie in Anspruch zu nehmen. Doch ist besonders in letzter Zeit eine so reiche Fauna hauptsächlich von Nummuliten, Mollusken und Fischen aus diesen Schichten bekannt geworden, dass über ihr höheres Alter kein Zweifel mehr sein kann. Da Trabucco und di Rovasenda in den oben genannten Schriften eine genaue Zu- sammenstellung dieser fossilen Fauna gegeben haben, so kann ich mich darauf beschränken, auf die reiche Flora dieser Localität hin- zuweisen, deren Reste — leider noch unbearbeitet — eine der Haupt- zierden der Sammlung des Cav. Rovasenda sind. Ueber diesen Calcare di Gassino folgt eine sehr mächtige Mergelschichte, die dieselben, früher erwähnten jungen Formen geliefert hat, und ihrerseits von einer Sandbank mit Nummulites Fichteli Micht., N. Tschihatschefi D’Arch. et Haime, N. intermedia D’Arch., N. striata var. pedemontana Tell. u. a. überlagert wird. Auf eine nur wenig mächtige Mergel- und Sandbank folgt in enormer Entwicklung das Tongriano, als steil aufgerichtete Conglomerat- und Sandbänke. Erstere besitzen eine röthliche Färbung und bestehen aus Serpentin, Quarzit, Granit, Gabbro, Calcare albarese etc. Das nächste Glied sind ausgedehnte fossilleere Mergel mit eingeschalteten Sandsteinbänken, die dem Aquitaniano zugezählt werden. Das Lan- ghiano, in gleicher Ausbildung wie bei Turin, bildet hier eine nur etwa 40 m breite Zone und enthält dieselben Fossilreste wie im W (siehe pag. 409) in grosser Zahl. Im Hangenden dieser Mergel tritt ein lichter Sandstein von ein paar Meter Mächtiekeit auf. Ich fand in ihm Pecten Burdigalensis Lam. Ausserdem wird P. Beudanti Bast. und P. Josslingii Sow. erwähnt. Darüber folgt eine starke Bank fossil- leeren, feinkörnigen Sandsteines, auf der dann die merkwürdige Ablagerung mit der „Fauna der Villa Rovasenda“ liegt, deren Verzeichnis Th. Fuchs ausführlich gegeben hat). Da aber in neuerer Zeit durch weitere Erdarbeiten der Aufschluss vergrössert wurde, und von diesem so auffälligen Vorkommnisse noch keine eingehendere Darstellung existirt, so halte ich es nicht für überflüssig, einiges Weniges darüber zu berichten. Die fossilführende Schichte ist eine ungefähr 1 m mächtige Conglomeratbank von faustgrossen Geröllen, unter denen Serpentin vorherrscht. Der Garten der Villa Rovasenda ist auf einer kleinen, plateauartigen Erhebung gelegen, die sich in Folge der grösseren Widerstandsfähigkeit dieser Schichte gegenüber den Mergel- und Sandbildungen der Umgebung im Relief stark ausprägt. An einer Bergwand im Hofe der Besitzung ist ein kleines Profil aufgeschlossen, das diese Conglomerate auf einem ein paar Meter mächtigen, ausser- ordentlich harten, fossilleeren Sandstein auflagernd zeigt. Im Han- genden tritt ein grauer Mergel mit spärlichen Fossilresten auf, der !) Th. Fuchs: Studien über die Gliederung der jüngeren Tertiärbildungen Ober-Italiens. Sitzb. d. kais. Akad. d. Wiss. 1878, LXXVIi. Bd. I. Abth,, pag. 49. 54* 416 Franz Schaffer. [28] den Uebergang zu einer später noch zu besprechenden, mächtigen Lage von typischem Pteropodenmergel bildet. Die horizontale Ausdehnung der in Frage stehenden Ablagerung ist nur eine sehr beschränkte und soll über den Ort Seiolze nicht hinausreichen. Ihre reiche Fauna findet sich aber nicht in dem Conglomerate selbst, sondern in darin häufig auftretenden Mergel- linsen, die die Fossilien in einer ganz erstaunlichen Menge enthalten. Welcher Formenreichthum hier herrscht, lässt sich am besten daraus entnehmen, wenn ich bemerke, dass schon vor 20 Jahren Th. Fuchs einen Cephalopoden, 210 Gastropoden, 70 Bivalven, 3 Brachiopoden, 5 Bryozoen, 23 Anthozoen und 130 Foraminiferen daraus anführte. Die grosse Anzahl von Arten, die m unserem Badener Tegel heimisch sind, einerseits, anderseits das Auftreten mehrerer, für die ältere Mediterranstufe charakteristischer Formen, sowie die Lagerungsverhältnisse gestatten es, in dieser Ablagerung eine Tiefsee- bildung der ersten Mediterranstufe zu erblicken. Das nummerische Vorherrschen der Pleurotomen, sowohl der Art, als auch dem Individium nach, bestimmt mich, sie direct als deren Pleurotomen- facies zu bezeichnen. Das grobe Sediment spricht dafür, dass seine Bildung in der Nähe der Mündung eines kurzen Flusslaufes stattfand; die Fauna weist auf eine schon bedeutendere Tiefe hin. Um diese beiden Forderungen zu verbinden, müssen wir das Vorhandensein einer Steilküste annehmen, was auch mit der fortschreitenden Aufwölbung des Terrains und dem der Zerstörung sehr unterworfenen Gesteins- charakter des ganzen Berglandes in Einklang steht. Die als nächstfolgende Etage ausgeschiedenen festen Mergel führen eine reiche Fauna von Pteropoden (Balantium, Vaginella), mehrere grosschalige Bivalven, wie Solenomya Doderleini und Lucina pomum, und unter den Foraminiferen herrschen ganz auffällig die Cristellarien vor. Es folgen darüber Serpentinsande mit eingestreuten Blöcken und Conglomeraten. Ihre interessante, aber leider nur wenig bekannte Fauna bietet manche bemerkenswerthen Einzelheiten. So findet sich eine nur wenige Decimeter mächtige Bank mit Millionen einer kleinen Pectenart, die als P. praescabriuseulus Font. gilt. Die ganze Schichte ist fast aus deren kleinen Schalen aufgebaut. Ausserdem sind mehrere Arten von Crinoiden zu bemerken. Pentaerinus Gastaldi ist ziemlich häufig, ebenso sind die Gattungen Oonocrinus und Miero- poerinus vertreten. Auch Ostreen, Spatangiden und Hemicidariten- stacheln gehören zu den gewöhnlichsten Fossilresten. Von charakte- ristischen Leitfossilen konnte ich aber keines finden. Doch würde, falls die Bestimmung der hier so vorherrschenden Pectenart als P. praescabriusculus richtig ist, diese ganze, äusserst mächtige Ablagerung nach Deperet!) noch unseren Eggenburger Schichten entsprechen. Eine Bank festen Mergels, die nur wenige Fossilreste, hauptsächlich Foraminiferen liefert, schliesst die so manigfaltige Schichtfolge des Elveziano gegen oben ab, und es folgen die Strand- ‘) C. Deperet: Sur la classification et le parallelisme du syst6me miocöne., Bull. Soe. geol. France, III. ser., tom. XXI. -[29] Beiträge zur Parallelisirung der Mioeänbildungen etc. 417 bildungen des Tortoniano, feiner Sand und Sandsteinbänke mit unbedeutenden Tegeleinschaltungen, die eine zusammenhängende, orographisch gut ausgeprägte Zone von Montaldo über Marentino und Avuglione ostwärts bis Moncucco bilden und an zahlreichen Stellen eine ausgezeichnete Strandfauna, ähnlich der aus unseren Leithasanden bekannten, in reicher Entwicklung enthalten. Ich unterlasse es, an dieser Stelle die Liste der hier vorkommenden Molluskenfauna zu geben, da ich im Folgenden die Resultate einer umfangreicheren Aufsammlung an der Tetti Borelli genannten Localität unterhalb der Ortschaft Moncucco bringen will. Darüber lagern feste, graue Tegel, das Aequivalent unseres Badener Tegels, die auch dessen bezeichnendste Fossilien führen, und besonders in dem Thale des Rio di Baldissero gut aufgeschlossen sind. Gegen oben wird die Serie der miocänen Ablagerungen durch die Mergel des Messiniano abgeschlossen, die einen äusserst gut charakterisirten, sich stets gleich bleibenden Horizont in dem ganzen piemontesischen Becken bilden und in Folge reicher Gypslager eine hervorragende ökonomische Bedeutung besitzen. Ihre Lagerung und ihr Alter entspricht vollkommen dem unserer sarmatischen Bildungen, und wir können also auch hier einen Rückzug des Miocänmeeres constatiren, der sich nach den von Dr. v. Bosniazki gesammelten Erfahrungen weit über das Gebiet der italienischen Tertiär- ablagerungen bemerkbar macht. An fossilen Resten scheinen diese Bildungen sehr arm zu sein, wenigstens gelang es mir an keiner der besuchten Localitäten bestimmbare Petrefacten zu erbeuten. In Verbindung mit den Gypslinsen treten schwefelhaltige Quellen auf, die einen wenn auch nur localen Ruf als Gesundbrunnen besitzen. Um das Profil zu vervollständigen, bemerke ich, dass über diesen messinianischen Mergeln das Pliocän in allenthalben reicher und typischer Entwicklung folgt. In dieser so jungen, rein marinen Bildung lässt sich überall die als graue, plastische Tegel entwickelte Tiefseefacies, das Piacertino und die darüberlagernden Sande der Strandbildungen, das Astiano, unterscheiden. Deren Petrefactenreich- thum ist ein ganz ausserordentlicher und genugsam bekannt. Wenn wir nun die ganze Reihe der so mannigfachen Ab- lagerungen, die wir dem Miocän zuzählen müssen, durchgehen, so er- kennen wir die Schwierigkeiten, die sich in diesem Profile einer Classification nach den uns geläufigen Horizonten des Wiener Beckens entgegenstellen. Die so wechselnden, synchronen Faciesbildungen und das Fehlen einer typischen Strandfacies der älteren Mediterranstufe, wie ich sie an anderen Orten gefunden habe, erschweren eine durch- zuführende Parallelisirung ungemein. Doch gestatten uns immerhin die bei der Villa Rovasenda zu Tage tretenden Conglomerat- und Sandsteinbänke, eine ältere Formen enthaltende Fauna von der jüngeren des Tortoniano zu unterscheiden. Oestlich von dem Profile von Gassino tritt eine Theilung der bisher einheitlichen Leitlinie des Höhenzuges ein, und mit ihr so viele weitere tektonische Complicationen, die einzeln und in ihren gegenseitigen Beziehungen betrachtet, eine Fülle interessantester Er- 418 Franz Schaffer. [30] scheinungen für den Geologen bieten müssten, und ein reiches, noch unbebautes Arbeitsfeld erschliessen dürften. Diese Störungen machen sich in dem nun zu besprechenden Profile von Albugnano — etwa 8 km östlich von Sciolze — sehr deutlich bemerkbar. Wenn man von Castelnuovo—Asti gegen N wandert, so führt die Strasse zuerst durch die fossilreichen Sande des Astiano, die von den Mergeln des Piacentino unterteuft werden. Diese beiden Ab- lagerungen sind in der Nähe des Städtchens von einem ganz aus- gezeichneten Fossilreichthume, der dem von Val d’Andona bei Asti durchaus nicht nachsteht. Es ist als ob das Meer erst vor Kurzem gsewichen wäre; einen so recenten Eindruck machen die Bänke von Terebrateln, Austern und Pecten in den Sanden, die zahllosen Schalen von Arca, Venus, Amussium, Dentalium, Natica ete. in den tiefer- liegenden Mergeln. Hier an diesen 10—20 m hohen Aufschlüssen kann man Einblick nehmen in das am Meeresgrunde herrschende gesellige Leben, in die scharfen zwischen Sand- und Tegelfacies bestehenden faunistischen Gegensätze. Das Fallen der Schichten ist etwa SSW. Der Neigungswinkel nimmt mit dem Alter der Ablage- rungen zu. Unter diesen pliocänen Bildungen folgen die Mergel des Messi- niano, die gerade an dieser Stelle Gypslinsen einschliessen und von einer Schwefelquelle begleitet sind. Der darunter liegende Tegel des Tortoniano besitzt hier nur eine geringe Mächtiekeit und wird bei Moncucco von den Strandbildungen unterteuft. Diese bestehen aus lichten Sanden, die gegen oben in festen Sandstein übergehen, der die Anhöhe des Ortes und Castells Moncucco bildet und in dem ich Ostrea digitalina und Panopaea Menardi sitzend fand. Die Sande sind in einem Hohlwege unterhalb des Ortes (Tetti Borelli) in einer wenig mächtigen, aber sehr fossilreichen Schichte aufgeschlossen. Fossilien aus dem Sande von Moncuceco. Lamellibranchiata. Ostrea digitalina Dub. Anomia costata Brocc. Pecten Besseri Andr. „ aduncus KEichw. Arca diluviüi Lam. Nucula nucleus Linn. Leda pellueida Phil. „ nitida Broce. Cardita Jouanneti Bast. Cardium Turonicum May. H obsoletum Eichw. Venus multilamellata Lam. Öytherea pedemontana Ag. Ervillia pusilla Phil. Corbula gibba Olivi. 2 in di Me re TG ee [31] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 419 Scaphopoda. Dentalium Bowei Desh. Gastropoda. Turbo rugosus Linn. Trochus patulus Broce. Turritella Archimedis Brong. a bicarinata Eich. 5 turris Bast. Natica helieina Broce. „ redempta Micht. »„ Josephinia Risso. Cerithium vulgatum Brug. n minutum Serr. E pietum Bast. Cassidaria echinophora Lam. kanella marginata Brong. Buceinum prismaticum Broce. Rosthorni Partsch. en semistriatum BDrocc. Columbella subulata Bell. = thiara Bon. Fusus longirostris Brocc. % Valenciennesi Grat. Marginella miliacea Lam. Mitra pyramidella Broce. Ancillaria glandiformis Lam. Cancellaria cancellata Lam. Terebra fuscata Brocc. „. pertusa Bast. Pleurotoma Suessi Hoern. a Coquandi Bell. x turrieula Broce. Conus ponderosus Brocc. Ringicula buceinea Desh. Bulla lignaria Linn. $)] Es können diese Sande also als Aequivalent unserer Leithakalke und -Sande gelten, was auch mit den Lagerungsverhältnissen über- einstimmt. Gegen O verschwindet die in der Landschaft so deutlich aus- geprägte Zone von Strandbildungen, und es folgen dann mächtige graue, plastische Mergel, die nur spärliche Fossilreste liefern und bereits dem Elveziano zugezählt werden, direct im Liegenden der Tegel des Tortoniano. Ostwärts keilen auch diese mergeligen Schichten aus, und in der wilden Schlucht nördlich von Pino d’Asti besitzen sie nur mehr eine relativ geringe Mächtigkeit. Ihr Fallen ist sehr steil (etwa 50 —60°) SSW senkrecht zu ihrer Streichungsrichtung. 420 Franz Schaffer. [32] Ein unbedeutender, nur zur Regenzeit mehr Wasser führender Bach hat sich in die in Folge ihrer petrographischen Beschaffenheit und ihrer Lagerung leicht angreifbaren Mergel einen tiefen Caüon ge- eraben, wie ich ihn selbst in dem so arg zerrissenen Relief der nächsten Umgebung von Turin nicht gefunden habe. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle auf die allenthalben so innigen Beziehungen von Structur und Relief hinzuweisen. Wir sehen die widerstandsfähigeren Bildungen, wie Sandsteine, Conglomerate und Kalke, die Höhenrücken und Kämme bilden, während die leichter zerstörbaren Ablagerungen, wie Mergel und lose Sande, in ganz auf- fälligem Zusammenhange mit der Thalbildung stehen. Ich glaube, diese Erscheinung zum grossen Theile auf den Mangel einer reicheren Vegetation zurückführen zu können, der den meteorischen Wässern den direeten Angriff gestattet. Jenseits der Schlucht folgen als nächstes tieferes Glied ausser- ordentlich mächtige Serpentinsande mit eingestreuten, gewaltigen Blöcken. Sie setzen den n NW—SO-Richtung über Villa Pianfierito und Casa Lucia gegen Albugnano streichenden Höhenzug zusammen. Ihr Fallen ist im SO etwa 60°, bei dem letztgenannten Orte nur mehr circa 40° senkrecht auf das Streichen. Wie weit sie sich über Albugnano hinaus erstrecken, konnte ich nicht feststellen. Diese Sande führen eine ungemein reiche Fauna, die in ihrer Mischung älterer und jüngerer Formen das Aequivalent unserer Fauna von Grund und Niederkreuzstätten ist. Die reichsten Fundstellen sind die ausgedehnten Aufschlüsse in der Nähe der beiden erstgenannten Localitäten, die an der Strasse, in den Weinbeıgen, kurz überall, wo diese dunkel- grünen Sande zu Tage treten, eine Fülle der gut erhaltenen Petrefacten liefern, die unter einem Mantel von Kalkspath die kleinsten Details ihres Reliefs bewahrt haben. Fossilien aus dem Serpentinsande von Albugnano. (h = häufig, hh = sehr häufig. Echinodermata. Olypeaster sp. Lamellibranchiata. Östrea cochlear Poli. h. » Doblayi Desh. „. erassissima Lam. Anomia costata Broce. h. Spondilus miocenicus Micht. Lima miocenica Bism. Pecten Besseri Andr. »„ eegans Andr. „ Beudanti Bast. „ ‚substrialus d’Orb. [33] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen etc. 421 Pecten Haweri Micht. „. scabrellus Lam. „ aduneus Eichw. „. Northamptoni Micht. »„ Josslingüi Sow. „ latissimus Broce. Pectunculus pilosus Linn. h. Limopsis anomala Eich. Cardita Jouanneti Bast. Lueina globulosa Desh. Venus multilamella Lam. Uytherea pedemontana Ag. Dosinia orbieularis Ag. Teredo Norvegica Spengler. hh. Scaphopoda. Dentalium Bouei Desh. au) Badense Partsch. + inaequale Bronn. Gastropoda. Patella neglecta Micht. Trochus patulus Broce. ei turritus Bon. Solarium carocollatum Lam. Sthenorytis proglobosa Sacco. Turritella vermicularis Broce. ” turris Bast. 5 subangulata Broce. S Archimedis Brong. cathedralis Brong. bicarinata Eichw. Siliquaria angwina Linn. Xenophora Deshayesi Micht. Natica millepunctata Lam. 4 Josephinia Risso. »„ helieina Broce. Polinices submamillaris d’Orb. Ampnullonatica repressa Rov. Cerithium taurinium Dell. et Micht. 4 lignitarum Tichw. Strombus Bonelli Brong. Sulcogladius Collegnoi Bell. et Micht. CUypraea pyrum Gmelin. . h amygdalum Broce. Cassis vreticulata Bon. „. saburon Lam. h. Cassidaria (Galeodea) echinophora Lam. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (Fr. Schaffer.) 55 492 Franz Schaffer. [34] (raleodea miocristata Sacco. Oniscia eithara Sow. Triton apenninicum >Sassi. » Tarbellianum . Grat. Ranella marginata Brong. hh. Buceinum baccatum Bast. Burgadinum Grat. h. polygonum Brocc. y Philippi Micht. Colzimbella Klipsteini Micht. Fusus virgineus Grat. „. costulatus Bell. „ bilineatus Partsch. „. longirostris Broce. „. corneus Linn. Pollia subpusilla R. Hoern. .. . sublavata Bast. Murex spinicosta Bronn. L Vindobonensis Hoern. „. erinaceus Linn. R angulosus Droce. „ labrosus Micht. „. Austriacus R. Hoern. „ goniostomus Partsch. Persona tortuosa Bors. Mitra serobieulata Brocc. „ striatula Broee. Voluta taurinia Bon. „ rarispina Lam. Oliva clavula Lam. Olivella major Bell. Ancillaria glandiformis Lam. hh. 5 obsoleta Broce. N canalifera Lam. Terebra acceuminata Bors. „. fuseata Broce. h. „ pertusa Bast. Pleurotoma votata Brocc. monilis Broce. ” ” 4 consobrina Bell. £ descendens Hilb. 2 vermicularis Grat. \ semimarginata Lam. " asperulata Lam. h. r Emmae R. Hoern. 5 Barbarae R. Hoern. h spiralis Serr. pP 5 ramosa Bast. R praecedens Bell. " cataphraeta Brocc..h. [35] Beiträge zur Parallelisirung der Miocänbildungen ete. 423 Pleurotoma subterebralis Bell. Allionü Bell. perlonga Bell. r coronifera Bell. ” turricula Broce. R obeliscus Des Moul. Pusionella pedemontana Sacco. Conus ponderosus Broce. „ elatus Micht. Dujardini Desh. h. „ degensis May. Puschi Micht. »„ Mercati Broce. » Mediterraneus Hass. „ deperditus Brug. » Neumayri R. Hoern. „ elavatus Lam. „. . striatulus: Brocec. „ subnicobaricus d’Orb. Dazu kommt noch eine reiche Anthozoenfauna, von der sich zahlreiche Arten in meiner Aufsammlung befanden. Die Ortschaft Albugnano liegt auf diesem steilen Bergrücken von Sanden und Conglomerateinschaltungen, und nördlich von ihr an der gegen Berzano führenden Strasse erkennt man, wie diese all- mälig in einen lichten, blätterigen Mergel, wohl das Aequivalent unseres Schliers, übergehen. Mir war es leider nicht möglich, das Profil, wie beabsichtigt, bis gegen Berzano zu verfolgen und wo- möglich die tiefer liegenden Serpentinsande an dieser Localität selbst auszubeuten. Ich muss dies einer späteren Zeit vorbehalten. Ebenso will ich jetzt nicht auf meine nur oberflächlichen Untersuchungen in dem südlichen Theile der piemontesischen Tertiärmulde zu sprechen kommen, deren tektonische und stratigraphische Verhältnisse so ver- schieden von denen des nördlichen Montferrats sind, dass sie im Zusammenhange studirt und bearbeitet sein wollen. Schlusswort. Wenn ich jetzt zum Schlusse in Kurzem die durch meine Unter- suchungen gewonnenen Erfahrungen zusammenfasse, so ergibt sich etwa Folgendes: Das Aquitaniano ist in Folge seiner Fauna dem Miocän zuzu- zählen. Das Aquitaniano, Langhiano und das untere Elveziano sind ais synehrone Faciesbildungen, als Aequivalent unserer älteren Medi- terranstufe zu betrachten. 55* AA Franz Schaffer. [36] Es lassen sich im nördlichen Montferrat zwei faciell gleich- werthige, aber durch verschiedene Faunen charakterisirte Horizonte (erste und zweite Mediterranstufe) und eine die beiden verbindende Mischfauna unterscheiden. Die wichtige, diese beiden Etagen trennende Demarkationslinie fällt beiläufig in die Mitte des Elveziano, das in seinem oberen Theile eine von den tieferen Schichten verschiedene Fauna besitzt, weshalb seine weitere Gliederung zweckmässig wäre. Studien über unterirdische Wasser- bewegung. Von Dr. Franz E. Suess. Mit 3 Tafeln (Nr. X—XII) und 4 Zinkotypien im Text. I. Die Thermalquellen von Teplitz und ihre Geschichte. Einleitung. Indem ich mich entschlossen habe, die beiden grossen Gruben- ereignisse, die Wassereinbrüche von Dux— Teplitz und die Schwimm- sandeinbrüche von Brüx, vom geologischen Gesichtspunkte übersicht- lich zu schildern, bin ich einer vom Herrn Hofrath Hermann Hallwich ausgehenden Anregung "gefolgt, und nur der vielseitigen Unterstützung des genannten Herrn habe ich es zu danken, dass die Durchführung der Arbeit überhaupt möglich wurde. Von den Herren Centraldireetor G. Bihl und Inspector H. Muck der Brüxer Kohlen- bergbau-Gesellschaft wurde mir das Actenmaterial, sowie die ‚betref- fenden Profile und Karten zur Verfügung gestellt. Auf meiner im Sommer 1897 auf diese] Anregung hin unternommenen Reise in die Umgebung von Teplitz und nach Brüx fand ieh allenthalben die weit- gehendste Unterstützung, und bin für zahlreiche Auskünfte besonders den Herrn N. Marischler, Ingenieur in Teplitz, Herrn Philipp Schiller, Besitzer der Zinnwerke in Graupen, verpflichtet. Allen den genannten Herren spreche ich hiermit für die mir erwiesenen Dienste meinen wärmsten Dank aus. Die ausserordentlichen Schwierigkeiten, welche dem Braunkohlen- bergbaue im Brüx—Teplitzer Gebiete durch die unterirdischen Wässer zeitweise bereitet werden, haben zu grossartigen Sanirungsmassnahmen geführt. Namentlich bei der Rettung der Teplitzer Thermen nach er- folgtem Einbruche sind montanistisch - hydrotechnische Experimente vorgenommen worden, welche an Kühnheit und Grossartigkeit der Anlage vielleicht nicht ihres Gleichen haben. Dabei sind natürlich in den vielen theils technischen und theils geologischen Schriften und Gutachten über den Gegenstand sehr viele Beobachtungen nieder- gelegt worden, welche für den Geologen in mancher Beziehung lehr- reich sind, Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 496 Dr. Franz E. Suess [2] Eine kurze zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Einbrüche der Teplitzer Thermen und der Schwimmsandeinbrüche von Brüx, deren Einzeldaten in sehr zahlreichen Schriften von Inge- nieuren und Geologen zerstreut sind, dürfte es dem ferner stehenden geologischen Publikum erleichtern, sich über diese Fragen zu unter- richten. Im ersten und zweiten Capitel wurde der Standpunkt des Geologen in der Auffassung der Entstehung der heissen Quellen dargethan, der vielleicht der Aufmerksamkeit des Bergmannes und des Ingenieurs würdig erscheinen mag. Zu den technischen Fragen, in denen gerade die Herren Ingenieure der Brüxer Kohlenbergbau- Gesellschaft sich in beiden Fällen in hervorragender Weise auszu- zeichnen Gelegenheit gefunden haben, auch nur ein Wort mitzu- sprechen, liegt dem Verfasser vollkommen ferne. I. Allgemeine Bemerkungen. Die Thermen von ÜCentralfrankreich und die Thermenlinie von Nordböhmen. Die Wirksamkeit des an der Erdoberfläche bewegten Wassers, welches den Detritus von den Höhen der Continente herniederführend, in den Meeren mächtige Formationen anhäuft und dadurch die Bedin- sungen zur Entstehung der Kettengebirge vorbereitet, ist längst als der bedeutendste geologische Factor erkannt worden. In neuerer Zeit hat sich aber auch die Erkenntniss immer mehr Bahn gebrochen, dass die in der Tiefe der Erde resorbirten Wassermassen den grössten Antheil nehmen an den geologischen Phänomenen der Tiefe, nicht nur an der Entstehung der Erzgänge, sondern auch an den vulkani- schen Erscheinungen, an den Erstarrungsformen der Tiefengesteine, an den Erscheinungen des Contactmetamorphismus und des regionalen Metamorphismus. Was die Bewegung derjenigen Wassermassen betrifft, welche den atmosphärischen Niederschlägen entstammend, in die Erde ein- dringen und nach einem relativ kurzen Wege wieder an die Ober- fläche gelangen, so ist deren Deutung doch im Principe ziemlich ein- fach trotz aller Schwierigkeiten, die sich je nach der Beschaffenheit der Oertlichkeit darbieten mögen und trotz der grossen Mannigfaltig- keit, in welcher die wasserführenden und die undurchlässigen Gesteine miteinander in Beziehung treten können; sie ist meistens schon zu- gleich mit der genauen Erkenntniss der geologischen und meteoro- logischen Verhältnisse der betreffenden Oertlichkeit gegeben. Nur wo es sich um Grundwasserströme grösserer Flüsse handelt, welche entfernteren Niederschlagsgebieten entstammen, kommt auch die geologische Beschaffenheit der letzteren theilweise in Betracht. Sonst wird immer eine örtliche Erklärung der Verhältnisse als zureichend erachtet werden können. Wenn aber Wässer mit höherer Temperatur, als die normalen Quellen, an die Oberfläche treten, — Wässer, von denen man an-. [3] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 497 nehmen muss, dass sie aus grösseren Tiefen empordringen, so werden die örtlichen Verhältnisse keine befriedigende Erklärung für die Frage bieten. warum sich gerade hier eine warme Quelle befindet und ört- liche Erklärungsversuche müssen insbesondere dann abgelehnt werden, wenn sich ein höheres Gesetz in der Vertheilung der Thermen auf eine grössere Strecke nachweisen lässt, wenn sie in Zonen auftreten, welche von der Tektonik eines grösseren Gebietes in deutlicher Ab- hängigkeit stehen. Es sind überhaupt tiefer liegende Ursachen, denen sie ihr Auftreten zu verdanken haben und nur durch weiter gehende Schlüsse können wir einige Aufklärung über ihre Entstehungsbedin- sungen erhalten. Hier kann nicht die Rede sein von jenen Thermen und Geysiren, welche die activen Vulkane so häufig begleiten. Ueber den Ursprung dieser kann wohl kein Zweifel bestehen und sie machen unmittelbar den Eindruck von condensirten heissen Dämpfen, welche ebenso wie die übrigen verschiedenartigen Gasexhalationen in tieferen Regionen einem noch flüssigen Magma entströmen. Ihr mittelbarer Zusammenhang mit dem Vorhandensein grosser Verwerfungen ist unzweifelhaft, indem diese die Bedingung für eine lebhaftere Communication des Erdinnern mit der Oberfläche und für das Entstehen der Vulkane darbieten. Längst bekannt sind die Beziehungen zwischen Thermen und Erz- und Mineralgängen. Daubree!) und später Posepny?) u. a. haben diesen Gegenstand sehr ausführlich behandelt. Sehr viele Mineralgänge lassen sich wieder auf Eruptivstöcke zurückführen, aus denen die Metalle und sonstige mehr flüchtige oder leichter lösliche Substanzen entweder in Gasform oder als wässerige Lösung entwichen sind. Es muss heutzutage für höchst wahrscheinlich gelten, dass die Tiefengesteine ebenso, wie die an der Oberfläche emporquellenden Laven, von Wassermassen durchtränkt waren, welche sie bei ihrer Erstarrung zugleich oder nach der Entwicklung der saueren Gänge in das Nebengestein entsendet haben. Die Literatur über Erzgänge bietet zahllose Beispiele für Gangvorkommnisse, die unzweifelhaft mit dem Empordringen eruptiver Magmen in Zusammenhang stehen und von denen ein grosser Theil unter Mitwirkung von Wasser gebildet worden sein muss. An vielen Stöcken der verschiedenartigsten Tiefengesteine kann man beobachten, dass die begleitenden Eruptivgänge in pegmatitische Gänge, deren Bildung unter Mitwirkung von Wasser sehr wahrschein- lich gemacht wurde, und fernerhin in Quarzgänge mit oder ohne Erz- führung übergehen; die letzteren sind ohne Zweifel aus wässerigen Lösungen hervorgegangen. Man hat hieraus geschlossen, dass auch die Tiefengesteine mit Wasserdämpfen durchtränkt waren, welche bei der Erstarrung zuerst in Verbindung mit kieselsauren Lösungen, gleichsam von diesen in Dampfform absorbirt und später nach Er- starrung der feldspäthigen und quarzigen Substanzen als Lösung dieser in überhitztem Wasser emporgedrungen sind. Nichts steht 1) A. Daubre&e. Les Eaux souterraines aux epoques anciennes. Paris 1887. ?) F. PoSepny. The Genesis of Ore Deposits. Transaect. of the. American. Institution of Mining Engineers. New-York 1893. Vol. XU. 498 Dr. Franz E. Suess ; £3 der Annahme entgegen, dass solche Wässer hie und da bis an die Oberfläche empordringen, wie das z. B. in den vulkanischen Geysir- gebieten von Island und Neuseeland ohne Zweifel der Fall ist. In anderen Gegenden wieder, wo die vulkanische Thätigkeit an der Oberfläche seit längerer Zeit bereits aufgehört hat, mögen solche Wässer zur Erwärmung der absinkenden Grundwässer dienen und indem sie eine Verminderung der geothermischen Tiefenstufe hervor- rufen, die Entstehung der Thermen begünstigen. Wenn die Thermen nicht mit eruptiven Vorkommnissen in Zusammenhang stehen, so treten sie doch fast stets in Gruppen auf, welche mit den allgemeineren tektonischen Verhältnissen in Beziehung stehen, und es kann auch dann nicht das Auftreten der einzelnen warmen Quellen irgendwelchen örtlichen Zufälligkeiten zugeschrieben werden. Insbesondere sind es grosse Verwerfungen und Bruchzonen, in welchen den Wässern der Tiefe das Aufsteigen in einzelnen Canälen ermöglicht wird. Das bekannteste Beispiel eines solches Falles ist die oft eitirte Thermenlinie von Baden bei Wien; hier steigen an dem NS-streichenden Abbruche der Alpen die warmen Quellen von Mödling (Spuren‘, Baden, Vöslau empor; weiter südlich setzt sich die Linie in den warmen Quellen von Fischau, Brunn und Seilerbründl fort: Eine ähnliche Rolle wie diese Quellen am Westrande des inneralpinen Wienerbeckens spielt die Therme von Deutsch-Altenburg am östlichen Ab- bruche. Nach älteren Angaben ist in früherer Zeit an diesem Abbruche auch bei Mannersdorf nächst Hof am Fusse des Leithagebirges eine warme Quelle zu Tage getreten. Ganz analog verhalten sich die natürlichen und die erbohrten warmen Quellen von Ofen und Pest. Das vom Bakonyer- Walde gegen NO streichende Mittelungarische Gebirge bricht in seinen hauptsächlich aus rhätischen Gesteinen bestehenden Ausläufern an der Donau in ganz ähnlicher Weise ab, wie die Zone der Kalkalpen südlieh von Wien. Dass man es hier wirklich mit einem Abbruche zu thun hat, beweisen die Verwerfungen, welche donauwärts staffel- förmig absetzen. Gegenwärtig treten mehrere Thermen mit Tem- peraturen bis 50° C. am Fusse der Berge, knapp am Rande der Donau, in einer Seehöhe von 100-106 m zu Tage. Sehr mächtige Ablagerungen von Kalktuff am Gehänge des Gebirges: welche bis in eine Seehöhe von 228 m reichen !), beweisen, dass zahlreichere Thermen früher hier einen bedeutend höheren Ausfluss besessen haben. Der Tuff enthält Reste von diluvialen Säugethieren 2). Die ehemals so bedeutend höhere Lage dieser Quellen spricht jedenfalls nieht für die sehr verbreitete Theorie. welche die Thermalwässer ausschliesslich durch den hydrostatischen Druck der in einem benach- barten Gebirge infiltrirten Tagwässer emporsteigen lassen will. Es ist klar, dass bei den mannigfachen Verlegungen der Mündung, ') W. Zsigmondy. Der artesische Brunnen im Stadtwäldchen zu Budapest. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1878, 28. Bd., pag. 664. °) Elephas primigenius, Rhinoceros tichorhinus, Cervus megaceros U. a. K. F. Peters. Geologische Studien aus Ungarn. Jahrb. d..k.k. geol. R.-A. 1857, Bd. 8, pag. 332. [5] Studien über unterirdische Wasserbewegung, 429 welche eine Quelle theils durch Erosion ihres Laufes und theils durch wiederholte Verstopfung ihres Canales durch ihren eigenen Sinter hervorruft, mit der Zeit die tiefste Stelle an der Oberfläche als Ausflussöffnung erreichen wird. So sind auch diese Quellen vom Gehänge des Gebirges bis an dessen Fuss oder auch bis unter die Alluvien der Donau gewandert. Dass auch unter den Alluvien der Donau warme Wässer emporsteigen, wird durch die artesischen Boh- rungen auf der Margaretheninsel und im Stadtwäldchen bewiesen. Aehnliche Thermengruppen, welche mit. Verwerfungsspalten zusammenhängen, liessen sich leicht in grösserer Zahl anführen; ich will hier aber nur noch auf ein Beispiel näher eingehen, welches einerseits deutlich die Beziehung zu einem ehemaligen Vulkanismus erkennen lässt und anderseits die grösste Aehnlichkeit aufweist mit jener grossen Thermengruppe, welcher die hier zu besprechende Therme von Teplitz angehört. Es ist bekannt, dass das französische CGentralplateau in geologischer Hinsicht grosse Analogien aufweist mit dem böh- mischen Massiv; beide sind Theile ein und desselben palaeo- zoischen Gebirges, welchem auch die Horste des Schwarzwaldes und der Vogesen angehören. In beiden Gebieten herrschen die altkrystal- linischen Schiefer und Massengesteine vor und in beiden Gebieten ist die Auffaltung während der mittleren Steinkohlenformation erfolgt. Hier und dort liegen an Bruchrändern eingesenkt die Ablagerungen der oberen Steinkohlenformation und des Rothliegenden, und auf den Höhen liegen die Reste der einstmals über beide Gebiete trans- sredirenden Jura- und Kreideformation. Aber beide Gebirgsstücke haben noch später wiederholt Störungen und Brüche erlitten. Durch solche Brüche wurden nach der jurassischen Epoche die Vogesen und der Schwarzwald von dem Centralplateau abgetrennt. Eine lebhaftere Bewegung ist sowohl im französischen Central- plateau als auch in der böhmischen Masse im oberen Oligocän und im Miocän eingetreten, zur selben Zeit, als die Alpen aufgerichtet wurden; damals sind neuerdings einzelne Senkungsfelder eingebrochen, und zwar in Nordböhmen der Abbruch des Erzgebirges, welcher Ver- anlassung geboten hat zur Entwicklung der Vulkanreihe des böhmi- schen Mittelgebirges und der Duppauer Basaltmasse. Im französischen Centralplateau wurden Ende der Oligoeänzeit (Aquitanische Stufe) NS-streichende Spalten aufgerissen, durch welche die Trachyt- und Basaltmassen der Vulkanketten der Auvergne und des Velay emporgequollen sind, Im französischeu Centralplateau treten die SW-streichenden Schichtenzüge, welche von der böhmischen Masse, vom Schwarzwalde und den Vogesen herkommen und das variscische Gebirge bilden, an die SO-streichenden Züge des sogenannten armoricanischen Gebirges, welchem weiter im NW die Halbinsel der Bretagne an- gehört. Michel-Levy!) hat einmal die Ansicht ausgesprochen, !) A. Michel-Levy. Situation stratigraphique des regions voleaniques de ’Auvergne. Bull. de la Soeiete Geologique de France. 3° Ser. t. XVII. 1890, pag. 691. A Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 56 450 IDOL] GC ELLE GGG, [0) 722222222225 GALLE: POLE. 222222225222, LE: % 10h VOFSLIEEE DEGLLLLLL = NIELS ELLE DE EDEL LEE DOLL. wenn 2 2 ZZGL wire 22222 72227, DZ a, 22 CL EEE CZ : ELLE EOEIIEITE LER HELLE EEE Z BER DZ Ze, 707 722: Tertiär und Quaıtär. Mesozoische Formationer. Palaeozoische Formationen. Dr. Franz 'E. Suess. Fig. 1. & Gi, —-ı Ganna AulerriveY o N Aa elguyon azeze. IT OE 722028, 222277 > 2. l m. y Fougues = ° a, FELL HE FED > u 2 2 Z GOCH EEE GG, >} — 77,2% LE le [) EIER 9 = LAN RE a GH GÄ ED EEG “ser, 4 EG EEE wrieger GDC Steinkohlen-Formation. Krystalli: ische Schiefer und Eruptivgesteine des Central- massivs. Tertiäre Eruptivgesteine. 6 [7] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 431 dass bei der Aufrichtung der alpinen Ketten auf die variseischen Falten in der Weise ein Druck ausgeübt wurde, dass sie sich weiter nordwestwärts bewegen mussten; während das armoricanische Gebirge diesem Drucke nicht ausgesetzt war. In der Schaarung, in der die beiden Faltungsrichtungen zusammenstossen, soll dadurch ein Aufreissen des Gebirges an NS-streichenden Spalten hervorgerufen worden sein, welche den unmittelbaren Anlass zur Entwicklung des Vulkanismus gegeben haben. Die Vulkane, welche dem späteren Tertiär, z. Th. auch der Quartärzeit angehörig, nehmen in der That ein etwa dreieckiges Gebiet ein, welches genau in die Schaarung fällt; die beiden längeren Seiten des Dreieckes sind quer auf die im Winkel zusammenstossenden Streichungsrichtungen gestellt. Der Scheitel fällt etwa in die Ebene des Allier bei Vichy. Im Süden finden sich auch noch Spuren der vulkanischen Eruptionen, jenseits der Causses von Aveyron in den Cevennen. R Zahlreiche warme Quellen brechen aus den Urgesteinen des Centralplateaus hervor, und es ist gerade wieder dasselbe Feld, auf welchem sich die alten Vulkankegel befinden, ‚welches die meisten Thermen enthält.- Auch das Gebiet nördlich der Auvergne, die Senkungen der Limagne, ferner die Ebene von Roanne, die Ebene des Forez bei Montbrison, weisen an ihren Rändern warme Quellen auf. Ja noch jenseits’ des Nordrandes des Oentralplateaus im Tertiärgebiete finden sich einzelne schwache Thermen. Es mächt den Eindruck, wie wenn das Gebiet der warmen Quellen sich über das Feld der Vulkane noch weiter gegen Norden fortsetzen würde; etwa in der Form eines noch höheren Dreieckes, dessen Scheitel in der Nähe von Pougues an der Loire liegt. Die grosse Häufigkeit der Thermen in dieser Region steht ohne Zweifel mit dem Vulkanismus in Zusammenhang; denn diejenigen Theile der alten Massen, in denen die jüngeren Eruptionserschei- nungen fehlen, wie z. B. die Bretagne, sind frei von dieser Erschei- nung. Die Vulkane stehen, wie längst bekannt, meist auf Spalten, u. zw. sind sie häufig auf kleinen Querspalten reihenweise geordnet, welche an einer grösseren Spalte aneinander gereiht sind. Michel- Levy hat das von dem mittleren Theile der Chaine des Puys gezeigt '). | Von den Quellen des nördlich vorliegenden Gebietes scheint dasselbe zu gelten; wenigstens werden einige von ihnen auf kleinere Gangspalten zurückgeführt, welche gruppenweise in paralleler Rich- tung eine grössere Verwerfung in schiefem Winkel schneiden. Der Mte. du Forez bildet einen sporenartig vorspringenden Horst von archäischem Granit, welcher auf beiden Seiten durch mitteltertiäre Ebenen begrenzt ist. Im Westen dehnt sich die weite Ebene Limagne aus, welche von dem Allier durchströmt wird; im Osten durchfliesst die Loire die kleinere Ebene von Roanne. Beide Abbrüche sind von Mineralquellen begleitet. Und zwar befinden sich am Rande der Limagne von Süden nach Norden fortschreitend, die Thermen von Chäteldon, Saint-Yorre, Hauterive, Vichy und Cusset, !) l. ce. pag. 700. 56* 432 Dr. Franz E. Suess. [8] am Rande der Ebene von Roanne die ärmeren Mineralquellen von Saint-Alban, Renaison und Sail-les-Chäteaumorand. Die wichtigste Thermengruppe unter den genannten ist die- jenige von Vichy mit Temperaturen von 35—45°, welche Voisin) genauer beschrieben hat. Sie brechen bereits im Tertiärgebiete (Ton- srien) hervor und setzen reichliche Mengen von Travertin ab, welche namentlich in den Quellgängen der Cölestiner Quelle in Vichy in Form von abwechselnden Blättern von Caleit und Aragonit gut ausgebildet sind. Diese Absätze, deren Lamellen senkrecht stehen und als Spaltausfüllungen parallel den Salbändern aufgefasst werden, dienen dem genannten Beobachter dazu, eine WNW—OSO-streichende Spalte zu verfolgen, welcher die Quellen entströmen. Denkt man sich die Linie nach OSO verlängert, so trifft man zunächst bei Beau- dechet auf Bildungen, welche nach Voisin Geysirabsätze der Pliocänzeit darstellen; weiterhin setzt sie sich in Form einiger Fluss- spath und Baryt führender Quarzgänge fort, folgt dann auf eine Strecke von 2!/, Kilometer genau dem Thale des Sichon und trifit zuletzt genau auf den Basaltaufbruch des Mt. Peiroux. Verlängert man dagegen diese Linie gegen WNW, so trifft man am jenseitigen Rande der Ebene auf die kohlensauren Thermen von Jenzat. Die Thermengruppen, welche im Norden in Vichy selbst und dann nahe der Mündung des Sichon bei Cusset in den Alluvien aufsteigen, werden mit anderen Spalten in Verbindung gebracht, welche nahezu in derselben Richtung wie der angeführte Oölestinergang streichend, im Thale des Sichon oberhalb Cusset angetroffen werden. Voisin nimmt vier parallele Spalten an, welche zwar dort, wo sie gegen- wärtig im Porphyr und in den Gesteinen der Steinkohlenformation gesehen werden, kein Wasser liefern, deren Verlauf aber, sowie deren Reichthum an Flussspathkrystallen bei dem verhältnissmässig hohen (Gehalt an Fluor in jenen Thermen, direct auf die jetzigen Quellen hinweisen. Das Wasser ergiesst sich jetzt zunächst in die auflagernden Mergel der Tertiärformation, durch die es sich entweder einen Weg bahnt, oder in einer Wasser führenden Schichte ein unter- irdisches Becken speist, und durch Bohrungen zum Aufsteigen ge- bracht werden kann. Im Allgemeinen treten wie gewöhnlich die Wässer dort zu Tage, wo die Gangspalte die Oberfläche im tiefsten Punkte trifft; das ist in den Thalwegen des Allier und des Sichon der Fall. Auch die schwachen Thermen von Hauterive und St. Yorre weiter im Süden durchdringen das auflagernde Miocän; ebenso die- jenigen von Brugheas weiter westlich in der Ebene. Vielleicht geht Voisin zu weit, wenn er auch noch die Thermen von St. Alban am Rande der Ebene des Forez mit derselben Spalte in Verbindung bringen will, welche die Cölestiner Quelle in Vichy und den Basalt des Mt. Peiroux verbindet, da sie genau in der Fort- setzung derselben liegen; aber auch de Launay hat die Thermen ') M. H. Voisin. Memoire sur les Sources Minerales de Vichy et des En- virons. Annales des Mines. Paris 7&me Serie. 1879, Tome XVI, pag. 488. [9] | Studien über unterirdische Wasserbewegung. 433 von Neris und von Evaux weiter im Westen auf zwei mächtige, NW--SO-streichende Quarzgänge zurückzuführen gesucht, von denen sich wenigstens der von Evaux auf eine lange Strecke verfolgen lässt, die verschiedensten krystallinischen Gesteine durchsetzend )). So viel steht wohl fest, dass es, wenn auch nicht ausschliess- lich, so doch zum grossen Theile die Ränder der im alten Massive eingesenkten Ebenen sind, an welchen die Thermen auftreten; so liegt an demselben Rande der Limange wie die angeführte Quellen- reihe noch weiter südlich die Therme von COhateldon; an dem gegenüberliegenden Rande liegen südlich von Gannat die Thermen von St. Myon, Gimeaux und Chatelguyon. Gewiss spielt bei dieser Erscheinung auch der Umstand eine grosse Rolle, dass die Quellen, wie erwähnt, den tiefsten Punkt des Austrittes der Gang- spalte zur Oberfläche aufsuchen. Die Ränder der Ebenen selbst stellen aber eben so sicher in vielen Fällen Verwerfungsspalten dar; ander- seits ist es gar nicht selten, dass die Horste nicht durch peripherische Brüche begrenzt sind, sondern dass eine Reihe von Verwerfungen in schiefem Winkel gegen den Rand hinausstreicht, so dass eine Anzahl von streifenförmigen Stufen entsteht, deren äusserer Flügel unter die umrandende Ebene hinabsinkt. In Folge dessen zeichnet sich öfters der Rand des Horstes gegen die jüngeren Bildungen des Liegend- . Flügels in zackigen Umrissen ab, welche man mit den Umrissen einer zerbrochenen und theilweise ins Wasser gesunkenen Eisdecke ver- glichen hat. Als das grossartigste Beispiel eines derartigen Abbruches ist der Westrand der böhmischen Masse bekannt, mit den weit vor- springenden Ecken und dem mächtigen Quarzgange des bairischen Pfahles, welcher sich vom Quellgebiete des Mühlbaches in Ober- österreich bis nach Amberg in Baiern verfolgen lässt 2). Mögen nun die Thermen auf den Hauptdislocationen empor- steigen, oder auf kleineren Spalten, welche diese kreuzen und durch ihre Anhäufung in Reihen geordnet, den gesammten Abbruch be- wirken — in jedem Falle kann ihr Zusammenhang mit den Verwer- fungen nicht bezweifelt werden. Von diesen ist andererseits ebenfalls das Auftreten der Vulkane abhängig. Einzelne Ausbrüche sind höchst wahrscheinlich auf denselben Spalten vor sich gegangen, auf welchen heute noch heisse Quellen zu Tage treten. Die Zurückführung der Thermen auf die eruptiven Vorgänge der späteren Tertiärzeit wird noch durch den Umstand gestützt, dass Voisin einzelne Theile der Ablagerungen des Alttertiär der Limagne als alte Geysirbildungen erkennen konnte. Es sind das Sande an der Basis der lacustren Ab- lagerungen der Limaene; manchmal sind die eckigen Quarz- und Feldspathkörner durch ein kieselsaures, jaspisartiges oder auch durch ein kalkiges Cement verbunden. In den verschiedensten Stufen findet sich ausserdem eine Art kalkiger Oolithe, welche in den Centren Quarz- !;, B. de Launay. Les sources Thermales de Neris (Allier) et d’Evaux (Creuse). Annales des Mines. Paris. 9eme Serie. 1895. Tome VI, pag. 576. ?) Ein schönes Beispiel dieser Art bildet auch der Westabbruch der Cevennen bei Charolles. Michel-Levy und Delafond, Blatt 147, Charolles, der geologischen Specialkarte von Frankreich. % 434 Dr. Franz E. Suess. 110] körner enthalten. Diese Bildungen können nach Voisin ihre Ent- stehung nicht den absickernden Tagwässern, sondern nur den auf- steigenden warmen Wässern verdanken, welche die gelösten Sub- stanzen in den Sedimenten abgesetzt haben. Sie werden als harte und nicht verwitternde Steine namentlich in. der Umgebung von Hauterive und im Thale des Sichon gebrochen. Auch in der Umge- bung von Vichy zeigen die Süsswasserkalke einige besondere Er- scheinungen. Während sie sonst einförmig weiss sind, gibt ihnen hier eine Beimengung von Eisenoxyden meist eine rothe Farbe. Ferner sind sie häufig oolithisch oder enthalten kieselsaure ÜConcretionen. Voisin führt, wie bemerkt, alle diese Vorkommnisse zurück auf die Thätigkeit von Geysiren zur Miocänzeit. Gar manche Vergleichspunkte bieten sich zwischen dem cen- tralfranzösischen Thermengebiete und der langgestreckten Zone in Nordböhmen, welche durch das Auftreten einer Reihe von Thermen und zahlreichen Säuerlingen ausgezeichnet ist und welche Laube unter dem Namen. der böhmischen Thermalspalte in vortrefflicher Weise beschrieben hat!). Nahezu gleichzeitig — und wie man an- nimmt, veranlasst durch die Auftrichtung und Vorschiebung der Alpen gegen Norden — haben sich in beiden Gebieten die Senkungsfelder sebildet, welchen die tertiären Vulkane und die heissen Quellen ihre Entstehung verdanken. Die französischen Vulkane stehen, wie erwähnt, in einer N—S- streichenden Zone von Brüchen, welche mit der Schaarung der amori- canischen und variscischen Falten zusammenfällt. Die nordböhmischen tertiären Vulkane dagegen, begleiten in dem Höhenzuge des böh- mischen Mittelgebirges bis zur Duppauer Basaltmasse und zum Kammerbühl ein NO—SW seerichtetes Senkungsfeld, welches in dem fast geradlinigen Abbruche des Erzgebirges von Teplitz bis in das Tertiärbecken von Eger sehr scharf zum Aus- drucke gelangt. Die grosse Verwerfung wiederholt eine Richtung, welche schon hin und wieder in früheren Zeiten die tektonischen Bewegungen im westlichen Theile der böhmischen Masse beherrscht hat, wie das besonders deutlich in der Form und in den tektonischen Leitlinien des mittelböhmischen Silurdevons hervortritt, und welche im Gegensatze zu den Querbrüchen, denen unter anderen die mächtigen Störungen des böhmischen und bairischen Pfahles angehören, dem variseischen Streichen folet. Das Erzgebirge stellt nach Laube ein der Länge nach ein- gebrochenes Gewölbe dar. Der Südrand wird durch ‘eine scharfe Bruchlinie gebildet; gegen Norden senkt es sich in allmäliger Ab- dachung zum sächsischen Granulitgebirge. An dem Einbruche haben noch die Ablagerungen der Kreideformation theilgenommen; ihm folgte die Bildung grösserer Seen in den Becken von Saaz—Dux, von Falkenau und von Franzensbad— Eger. Ebenso wie in den Einbruchsfeldern von Centralfrankreich, beginnt auch hier die .9.G. C. Laube. Geologische Excursionen im böhmischen Thermalgebiete. Leipzig 1884, pag. 3 ; 11] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 435 Schichtserie mit Ablagerungen der tongrischen und der. aqui- tanischen Stufe. In beiden Fällen hat man es mit nahezu gleich- alterigen: Süsswasserbildungen zu thun; nur mit dem Unterschiede, - dass diejenigen Böhmens sehr. mächtige Braunkohlenflötze enthalten. Den Südrand der miocänen Mulde begleitet von Nordosten ..her, schon am Rande des Elbesandsteingebirges beginnend und in paral- leler Richtung dem Abbruche des Erzgebirges folgend, die Vulkan- kette des Böhmischen Mittelgebirges. Im Nordosten bildet sie einen ziemlich breiten, zusammenhängenden Rücken: in der Gegend von Brüx und Postelberg löst sie sich aber rasch in einen Zug: von einzelnen Kegelbergen auf. Bei Karlsbad erscheint als Fortsetzung wieder ein grösseres zusammenhängendes Basaltgebiet in der Dup- pauer Masse, deren Ströme bis auf das gegenüberliegende Gehänge des Erzgebirges sich ergossen haben. Bis an den Rand des Fichtel- gebirges in Baiern setzt sich diese Reihe von Vulkanen in einzelnen Aufbrüchen von kleineren Basaltpartieen fort. Aber auch auf den Höhen des Erzgebirges sind die vulkanischen Spuren der Tertiärzeit nicht selten anzutreffen. Als Beispiel sei hier nur genannt der schöne Kegel des Gaisingberges bei Annaberg in Sachsen. Die altkrystallinen Gesteine des Erzgebirges tauchen stellen- weise im Süden der Kette neuerdings aus den Jungen Ablagerungen hervor; so ist bereits im Elbethale zwischen CUzernosek und Libo- ehowan eine kleine Insel verschiedener krystallinischer Schiefergesteine unter der Bedeckung von ‚Kreidebildungen aufgeschlossen. Aehnliche Aufbrüche erscheinen im Wopparnerthale und in einer kleinen Gneiss- insel bei Milleschau. Weiter im Osten findet sich als Fortsetzung dieser Vorkommnisse das unregelmässige Gneissgebiet von Bilin, in dem der gesunkene Gegenflügel des Erzgebirges zu Tage tritt. Diesem Flügel gehören auch die Porphyrkuppen von Teplitz an, von denen weiter unten die Rede sein wird. Zahlreicher und ausgedehnter werden die Aufbrüche des Ur- gebirges weiter im Westen zwischen Klösterle und. Kaschwitz am Rande der Duppauer Basaltmasse, wo das Thal der Eger in Granulit und Hornblendegesteine eingeschnitten ist. Jenseits der Duppauer Masse ist der Gegenflügel des Erzgebirges im Karlsbader Gebirge und im Kaiserwaldgebirge vollständig erhalten geblieben. Das bezeugen der Neudecker und der Karlsbader Granit, welche an beiden Seiten der Tertiärmulde angetroffen werden; und noch deutlicher be- kundet die Zusammengehörigkeit beider Gebirgstheile der mächtige Quarzgang des böhmischen Pfahles, der, ebenso wie die zahl- reichen Quarzgänge der Umgebung von Grasslitz, Neudeck und Joachimsthal im allgemeinen Nordwest—Südost streicht; unweit Franzensbad verschwindet er unter der Tertiärbedeckung, erscheint aber wieder bei Sandau jenseits der Mulde, von wo er sich weithin gegen Süden verfolgen lässt. Eine jüngere tektonische Bewegung, im Sinne der NNW--SSO-streichenden Quarzgänge und Querbrüche scheint in der geradlinigen östlichen Begrenzung des Beckens von- Eger zwischen Schönbach und Miltigau zum Ausdrucke zu gelangen. Mit Sicherheit können wir annehmen, dass am Südrande des Erzgebirges nicht nur eine einzige grosse Verwerfung entstanden ist, 436 Dr. Franz E. Suess. NE [12] sondern, dass die miocäne Decke eine ganze Zone von Brüchen ver- birgt. So sind auch die Basaltketten nicht unmittelbar dem Rande des Gebirges angelagert, sondern sie folgen demselben in einer ziem- lichen Entfernung; sie sind auf südlicheren Parallelspalten empor- gequollen. Auch im Erzgebirge selbst haben jüngere Spalten dem basaltischen Magma den Weg zu Tage eröffnet. Die Thermen und Säuerlinge Nordwestböhmens folgen ähnlich wie die breite Zone der jungen Eruptivgesteine dem Rande des Ab- bruches. Sie liegen aber nicht in dem Eruptivgebiete selbst. Die sasförmigen und wässerigen Exhalationen der Tiefe mussten sich — wie Laube bemerkt — nachdem die Hauptgänge durch erstarrtes Magma verstopft waren, die Nebenspalten erwählen, um zur Ober- fläche zu gelangen. Zumeist treten sie dort zu Tage, wo das ältere Gestein unter der tertiären Decke hervortaucht. So entspringen den Porphyrkuppen die Thermen von Teplitz—Schönau, dem Gneisse von Bilin der bekannte Säuerling, ebenso entspringen dem Gneisse die Wässer von Tschachwitz und Kronau; im Granite jenseits der Dup- pauer Basaltmasse befinden sich die bekannten Säuerlinge von Giess- hübel und, die weitaus bedeutendste aller dieser Quellen, der be- rühmte Sprudel von Karlsbad. Weiter im Süden entquillt demselben Granitstocke die Therme von Marienbad. Zwischen Karlsbad, Marienbad und Sandau liegt eine ganze Reihe von Säuerlingen. Anders verhält es sich aber mit den zahl- reichen Säuerlingen von Franzensbad, welche einem Tertiärgebiete entspringen. Die Gesammtheit der geologisch n Verhältnisse der nordböh- mischen Thermalzone lehrt neuerdings, — namentlich unterstützt durch den Vergleich mit dem Thermalgebiete des französischen Centralplateaus —, dass das Auftreten heisser Wässer nicht von ört- lichen Zufälligkeiten, sondern von der geologischen Geschichte ganzer Länderstriche abhängig ist, und sie muss uns warnen vor etwaigen Versuchen, die einzelnen Quellen für sich, blos durch die zufälligen Verhältnisse der näheren Umgebung erklären zu wollen. Es scheint, dass in beiden Gebieten an zahlreichen Spalten warmes Wasser empordringt, dass es aber in vielen Fällen von den auflagernden Tertiärschichten zurückgehalten wird, sich hier vielleicht mit dem Grundwasser vermengt und nicht bis an die Oberfläche gelangen kann. Das ist zum Beispiele bei dem Säuerlinge der Fall, der in der Nähe der Stadt Brüx an der Basis des miocänen Tegels er- bohrt worden ist). Die Tagwässer, welene die überlagernden Kreide- und Tertiär- schichten erfüllen, vermengen sich mit den aufsteigenden Thermal- wässern; beide treten miteinander in hydrostatische Wechselbeziehung. Wie weit die gegenseitige Beeinflussung gehen kann, haben in grosser Deutlichkeit die wiederholten Wassereinbrüche in den Braunkohlen- le von Dux und Osseg geiehrt, welche sich stets in einem Sinken der !) D. Stur. Der zweite Wassereinbruch von Teplitz—Osseg. Jahrb. d, k. K. geol. R.-A., XXXVIII. Bd., 1888, pag. 490. [13] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 437 Quellen von Teplitz bemerkbar gemacht haben. Die Sanirungsarbeiten haben zu den eingehendsten vergleichenden Beobachtungen der Wasser- stände geführt und es wird sich wohl kaum irgendwo ein zweites Ge- biet finden lassen, welches eine bessere Gelegenheit bietet, die Wechsel- beziehungen zwischen Grundwasser und Thermalwasser zu beobachten, als das Gebiet von Teplitz— Schönau. II. Zur Geologie der Umgebung von Teplitz — Schönau und die Thermen. Kaum ein Theil unseres Vaterlandes ist so oft und eingehend von verschiedenen Fachmännern beschrieben worden, wie die Um- sebung von Teplitz—Schönau. Hier sollen nur wenige Bemerkungen Platz finden, welche sich auf den Zusammenhang des geologischen Aufbaues mit den Thermen beziehen. Aus dem im vorigen Capitel Gesagten geht hervor, dass man dreierlei geologische Einheiten unter- scheiden kann, welche in das Teplitzer Gebiet eingreifen: 1. das Erz- sebirge; 2. das böhmische Mittelgebirge und 3. das Braunkohlen- becken von Dux und Brüx. Das Erzgebirge verdient bei der Frage nach der Herkunft der Teplitzer Thermen Berücksichtigung wegen des Zusammenhanges des postearbonischen Porphyrzuges, welcher weit von Sachsen her süd- wärts ziehend, am Gebirgsrande zwischen Klostergrab und Graupen abbricht, mit den Porphyrkuppen zwischen Schönau und Janegg. Es sind gerade diese Kuppen, in welchen sich die warmen Quellen von Teplitz befinden. Dieser Zusammenhang hat schon zu den mannig- fachsten Discussionen Anlass gegeben. Wiederholt wurde die Frage auf- geworfen, ob der Porphyr einen deckenförmigen Erguss auf dem Gneisse oder einen bis zur ewigen Teufe niedergehenden Gang im Gneisse darstellt. An die erstere Auffassung wurde die Vorstellung geknüpft, dass der Porphyr des Erzgebirges auf seinen Spalten die Tagwässer zur Tiefe führe bis an die Grenze gegen den Gneiss, an welcher sie dann thalwärts gegen Süden absinken und in den Teplitzer Porphyr- hügeln durch den hydrostatischen Druck emporgetrieben werden. Zur Beleuchtung dieser Frage sind auch die Lagerungsverhältnisse des Porphyrs weit im Norden, im Erzgebirge von Bedeutung. Von anderer Seite wurde dem Mittelgebirge eine ähnliche Rolle als Sammler der Wässer zugeschrieben !). Auf den allgemeinen Zu- sammenhang der Thermalerscheinungen mit- dem jungen Vulkanismus wurde schon im vorigen Capitel hingewiesen. ) Norb. Marischler. Studien über den Ursprung der Teplitz—Schönauer Thermen. Teplitz, 1888. Selbstverlag des Verf. — Derselbe: Die Ergebnisse der Teplitzer Tiefbohrungen in geologischer und bohrtechnischer Beziehung. Anhang. Teplitz. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess) 57 438 Dr, Franz E. Suess. [14] Die jüngeren Ablagerungen der Umgebung von Teplitz sind als hauptsächliche Behälter des Grundwassers für die hier behandelten Fragen von höchster Wichtigkeit. 1 Die Lagerungsverhältnisse des Teplitzer Porphyrs im Erzgebirge. G. ©. Laube hat die Auffassung, dass der Stock des Teplitzer Quarzphorphyres eine Gangmasse darstellt, welche an den Rändern stellenweise übergequollen ist, am deutlichsten ausgesprochen und am eingehendsten begründet. Ohne Zweifel hat diese Auffassung weitaus die grösste Wahrscheinlichkeit für sich und es sind auch in erster Linie Laube’s Argumente, welche in der vorliegenden Darstellung Platz finden sollen. Die Aufschlüsse an den beiden Rändern des Porphyrzuges sind leider derart mangelhaft, dass sich die Lagerungsverhältnisse nur an wenigen Punkten beobachten lassen. Beim Bahnhofe von Kloster- srab, am Westrande der Porphyrmasse und am Rande der Ebene hat Laube die Ueberlagerung des Porphyres über dem Gneiss auf eine kurze Strecke nachgewiesen !). Schon unweit NO von Klostergrab sind in dem grossen Thier- sarten von Niklasberg an den Fahrwegen einige Aufbrüche in einer eigenthümlichen schieferigen Randbildung des Porphyrs zu sehen; das Gestein ist blassroth und ölgrün gefleckt und gestreift und hat oft ein breccienartiges Aussehen. Reyer-hat diese Bildungen für eine Art von Tuff angesehen ?). Nach Laube und Dalmer haben wir es aber hier mit pechstein- artigen Bildungen zu thun, und der letztere Autor erwähnt noch, dass diese Randbildungen allmälig in die eigentliche Porphyrmasse übergehen?). Diese Umstände, sowie auch das Auftreten von flaserigen Vitroporphyren, welche bei Zaunhaus an der sächsischen Grenze in den Porphyr übergehen, sind von Laube mit Recht dafür ange- führt worden, dass wir uns an diesen Punkten an den Salbändern und an dem wirklichen Rande des Porphyrstockes befinden. An der Strasse von Klostergrab nach Niklasberg kann man beobachten, dass der Gneiss circa 30° O unter den Porphyrstock einfällt. Am Nordausgange des Hirschberg-Tunnels bei Niklasberg sind die bunten Randbildungen des Porphyrs besonders gut aufgeschlossen. Sie werden hier zunächst von Bildungen der unteren Steinkohlen- formation und dann vom Gneiss unterteuft. Beim Bau des Tunnels war ein anthraeitisches Steinkohlenlager mit undeutlichen Resten von Calamiten und Sigillarien aufgeschlossen worden; es lag, 200 West- fallend, über dem Muscovitgneiss. Jetzt ist dasselbe nicht sichtbar. Sehr deutlich sieht man aber die Ueberlagerung der bunten Porphyre an einem Schotterbruche unweit über dem Nordausgange des Tunnels. ') G. C. Laube. Geologie des böhmischen Erzgebirges. II. Theil. Prag, 1887, pag. 204. ?) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1879. pag. 5 und Laube, Verhdl. 1883, pag. 249. °) Erläuterungen zur geol. Specialkarte des Königreichs Sachsen. Section Altenberg—Zinnwald, pag. 25. Studien über unterirdische Wasserbewegung. 439 Fig. 2 DIPPOLDISWALD Rx III > Du N N Oberfrau ende, \ Zr IN ————— IN N NNN S N N N NN NSS SUN N SSSNN NN SANS AN IIIISN NS SS N EN GRAUPEN Ihm: Alluvium, Tertiär N ; Steinkol - For- und Kreidefor- a idnan ir nation. id ni} = . 4r3 it Tertiäre Eruptionen. ea Granit-Porphyr. nen nitit). Anisc-Hier 5 GODDDR, Postearbonischer l Gneiss-Formation. WER Ganıd von Quarzporphyr im Nörden. [4 A 4 ” £7 Phyllit-Formation. mm Teplikzeu: Qusaz: porphyr. 57* Plattig-schiefrigeRand- ausbildung des Tep- litzer Quarzporphyrs. Gänge und Quellkuppen 440 Dr. Franz E. Suess. [16] Sie liegen über einem kleinen Anthraecitflötze, welches von kohligem Letten und sandigen Lagen mit Quarzitgeröllen begleitet wird!). Zur Zeit meines Besuches (Juni 1897) kam über dem kohligen Letten am Rande des bunten Porphyrs eine mächtige Quelle hervor. Eine Erscheinung, die gewiss nur dazu beitragen kann, das Einfallen des Letten unter den Porphyr zu bestätigen. Durch diesen Aufschluss wird das postearbone Alter des Porphyrs bewiesen. Nach einer aufschlusslosen Zwischenstrecke findet das Carbon seine Fortsetzung in einem kleinen Aufbruche von Anthracit, Stein- kohle und krystallinischem Kalkstein bei Zaunhaus nahe der sächsischen Grenze. Auch hier wurden Sigillarien und Calamitenreste gefunden. Noch weiter im Norden ist die Porphyrgrenze nicht mehr deut- lich aufgeschlossen und Schalch vermuthet aus dem nahen Zusammen- fallen der Porphyrgrenze mit den Höhenlinien, dass in der Gegend von Schmiedeberg der Porphyr den Gneiss deckenförmig überlagert 2). Deutlicher ist die deckenförmige Ueberlagerung zu constatiren weiter westlich in den isolirten Porphyrvorkommnissen von Hennersdorf— Ammelsdorf und von Schönfeld. Hier liegt nach Schalch und Beck der Porphyr stets auf den Kuppen und Höhen, während tiefer an den Gehängen der Gneiss ausstreicht. Von Graupen an begleitet den Ostrand des Teplitzer Quarzpor- phyrstockes ein ca. 2 Kilometer breiter Zug von Granitporphyr bis in die Gegend von ÖOberfrauendorf, westlich von Glashütte in Sachsen. Hier bricht der Teplitzer Quarzporphyr plötzlich ab und an seinem Nordende biegt gegen Westen der Zug des Granitporphyrs um. Der letztere setzt sich in Form eines schmäleren Ganges SW- streichend nach Hartmannsdorf fort, wo er sich in zwei Aeste theilt, von denen der schmälere die ursprüngliche. Streichungsrichtung bei- behält und sich in sanftem Bogen immer mehr südwärts wendend und immer schmäler werdend, in der Gegend von Nassau auskeilt. Der mächtigere Gang wendet sich bald zu streng südlicher Richtung und durchquert, ziemlich stark anschwellend, die Granitmasse von Fleyh; schwächere und parallele Seitentrümmer begleiten ihn. Er endigt SSO- streichend südlich vom Wieselstein, unweit Oberleutensdorf am Bruch- rande des Erzgebirges. Die gangartige Natur dieser Vorkommnisse kann nicht bezweifelt werden. Ihre Beziehung zum Teplitzer Quarzphorphyr ist jedoch noch nicht vollkommen klargestellt. Von einzelnen Forschern wurden beide Gesteine nur als Erstarrungsmodificationen eines und desselben Mag- mas angesehen. Dafür sprechen nach Schalch einzelne Vorkomm- nisse aus der Umgebung von Oberfrauendorf, wo sich ein Uebergang zwischen beiden Gesteinen beobachten lässt, ferner noch das Vor- kommen einzelner isolirter Partien von Quarzporphyr innerhalb des Granitporphyrs. !) Das dürfte vielleicht der Steinkohlensandstein sein, welchen Jokely (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1858, pag. 549 ff,) anführt, und der während der Zeit, als Laube das Gebiet aufnahm, nicht aufgeschlossen war (Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1883, pag. 249). 2) Erläuterungen zur geol. Specialkarte des Königreichs Sachsen. Section Glashütte—Dipoldiswalde, pag. 39. . [17] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 441 Dalmer hält den Granitporphyr entschieden für jünger als den Quarzporphyr, da er diesen gangförmig durchsetzt. Breite Uebergangs- zonen zwischen beiden Gesteinen solien nicht existiren. Der Granit- porphyr durchkreuzt die verschiedenen Structurmodificationen des Teplitzer Porphyrs und steht mit ihnen in keinerlei Beziehung. Seine Ansicht fast Dalmer dahin zusammen, dass der Granitporphyr wohl jünger ist als der Quarzporphyr, dass er zwar zu einer Zeit hervorgebrochen sein muss, in welcher sich im Quarzporphyr bereits eine Differenzirung in verschiedenen Erstarrungsmodificationen voll- zogen hatte; hingegen scheint es, dass der Quarzporphyr noch nicht vollständig verfestigt war, so dass eine randliche Verschmelzung zwischen den beiden Gesteinen stattfinden konnte. Auf jeden Fall hat man es hier, wie bereits erwähnt, mit einer mächtigen Gang- bildung zu thun. Der Umstand, dass dieser Gang fast in seiner ganzen Ausdehnung an den Teplitzer Quarzporphyr unmittelbar anschliesst und eine grosse Strecke weit mit diesem parallel verläuft, berechtigt zu dem Schlusse, dass auch dieser ebenso wie der Granitporphyr, der Hauptsache nach einen Gang darstellt. Die Porphyrhügel von Teplitz bilden die Fortsetzung dieser breiten Gangbildung. Am weitesten westlich wurde der Quarzporphyr bei der Katastrophe 1879 im Döllinger-Schachte im Liegenden der Tertiärschichten bei Dux angefahren. , Dies sind im Wesentlichen die Gründe, welche Laube und mehrere seiner Vorgänger veranlasst haben, die Porphyrmasse von Teplitz als einen Gang aufzufassen, welcher an den Rändern über- geflossen ist. Von der Decke mag der grösste Theil durch Erosion entfernt worden sein, und der jetzige Porphyrstock dürfte hauptsäch- lich aus der Gangmasse bestehen. Diese Anschauung- ist insoferne von Bedeutung für das Studium der Wasserverhältnisse von Teplitz, als sie mit der auch jetzt noch bei einzelnen Autoren verbreiteten Ansicht in Wiederspruch steht, dass das Thermalwasser an der Basis einer Porphyrdecke vom Gneisse aufgehalten wird, dann auf einer geneigten Fläche gegen Teplitz zu hinabsinkt und dort durch ein- fachen hydrostatischen Druck emporsteigt. Sie entspricht vielmehr der Anschauung, dass die Thermalerscheinungen allgemeinere Ursachen haben, und dass die warmen Wässer einfach diejenigen Wege ein- schlagen, welche sich ihnen bieten; in diesem Falle sind das die zahl- reichen Klüfte, welche den gangartigen Porphyrstock bis in grosse Tiefen. durchsetzen. | 2. Kreide- und Tertiärbildungen. Der Porphyr von Teplitz bildet eine Reihe von Kuppen, welche sich von der Stefanshöhe östlich von Teplitz bis Janegg er- strecken. Während er in Teplitz selbst und in den umliegenden Höhen eine zusammenhängende Partie darstellt, löst er sich, im Osten durch die überlagernden jüngeren Bildungen unterbrochen, in einzelne kleinere Entblössungen auf. Die circa 4 Kilometer breite Mulde zwischen den Hügeln von Teplitz und dem Erzgebirge wird ausgefüllt von unter- miocänen Bildungen. Nördlich von Teplitz etwa halbwegs zum Gehänge 442 Dr. Franz E. Suess. [18] des Erzgebirges, taucht der Porphyr noch einmal auf in dem Luisen- felsen bei Weisskirchlitz. Unmittelbar über dem Porphyr liegen die Ablagerungen der Kreideformation, welche dem Cenoman und dem Senon angehören. Dem Cenoman gehören zunächst die kleinen Sandsteinpartien an, welche bei Graupen und Rosenthal dem Gneisse des Erzgebirges un- mittelbar angelagert sind, sowie der harte, lichte Quarzsandstein des Herrenhübels von Janegg; vor Allem aber die Conglomerate, welche in der unmittelbaren Umgebung von Teplitz allenthalben dem Porphyr auflagern, dessen Unebenheiten ausfüllen und in breitere Spalten eingedrungen sind. Sie bestehen aus rundlichen und eckigen Porphyrstücken, welche durch Hornstein verkittet sind, und enthalten in den Hohlräumen häufig schöne Drusen von weingelbem und honig- selbem Baryt. Darüber lagern die senonen Bildungen des Pläner- kalkes. Der centrale Theil der Stadt Teplitz ‚liegt auf diesem dichten, hellgefärbten und splitterig brechenden Kalkstein, welcher die einzelnen Porphyrkuppen umrandet. Die Schichtbänke - liegen horizontal oder flach von den Kuppen gegen die Mulden zu einfallend. Diese Bildungen, vor Allem aber die Conglomerate, sind in hohem Grade wasserführend. Sie sind es in erster Linie, welche die Tag- wässer aufnehmen, die dann nur viel langsamer in den Porphyr selbst eindringen können. Im Gegensatze hiezu bestehen die Bildungen der Braunkohlen- formation in der Umgebung von Teplitz hauptsächlich aus undurch- lässigen Schichten. Sie sind nahezu gleichalterig mit den älteren Theilen der Tertiärbildungen, welche die vulkanischen Bildungen im französischen Oentralplateau begleiten, d. h. sie gehören der ton- grischen, aquitanischen und helvetischen Stufe an. Nach Laube lassen sich folgende Glieder unterscheiden: 1. Braunkohlensandstein, 2. unterer plastischer und bunter Thon, 3. Braunkohle, 4. Hangend- letten, 5. Braunkohlenschotter, Conglomerate und Hangendsand. Das mächtigste dieser Glieder ist der Hangendletten unmittelbar über dem meist 10—20 m, manchmal auch 30-40 m (Brüx, Ober- leutensdorf, Bilin) mächtigen Flötze. Mit ihm wechsellagern die Braunkohlenschotter, Conglomerate und Sande; ausserdem enthält er die unregelmässigen flachen Linsen von Schwimmsand, welche dem Bergbau so grosse Schwierigkeiten bereiten können und von denen in dem nächsten Aufsatze eingehender die Rede ist. Dem Rande der älteren Bildungen folgt ringsum der Ausbiss des Kohlenflötzes, welches sich von hier aus gegen das Muldentiefste ziemlich rasch senkt. Der schmale Saum von Tertiär zwischen dem Erzgebirge und dem Porphyr von Teplitz trennt im Wesentlichen zwei Mulden; die nordöstliche von Karbitz—Mariaschein, in welcher das Flötz im Britanniaschacht südlich von Graupen in 170 m Tiefe angetroffen wurde, und die grosse westliche Mulde von Brüx—Dux, in welcher das Flötz bei Oberleutensdorf und Ratschitz mehr als 350 m tief hinabsinkt. Zwischen Eichwald und Teplitz dagegen liegt das Flötz nur 75 m, zwischen Kostin und Nondorf nur 25 m tief. Es ist bezeich- nend für die Natur des Abbruches am Erzgebirgsrande, dass das Mulden- tiefste in jedem Falle bedeutend dem Gebirgsrande genähert ist. Tr ie [19] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 443 Ebensowenig wie im Porphyr des Erzgebirges, fehlen auch im Teplitzer Porphyr Gänge von jüngeren Eruptivgesteinen, welche ja in den verschiedenen Stufen des umliegenden Miocän eine so grosse Rolle spielen. So finden sich Basaltgänge im Thiergarten NO von Strahl und auf der Teplitzer Königshöhe. Ein Phonolitgang wurde im Jahre 1891 gelegentlich der Tiefbohrung im Schlossgarten in einer Tiefe von 360 m angetroffen. 3. Spuren früherer Thermalthätigkeit in der Nähe der Teplitzer Quellen. An verschiedenen Punkten des Thermalgebietes von Nordböhmen können die Spuren von heissen Quellen beobachtet werden, welche den vulkanischen Eruptionen gefolgt sind. So führt z. B. Hibsch das Auftreten der verschiedenen Erze in der Umgebung des Dolerit- stockes von Rongstock auf die Thätigkeit von Solfataren und Fumarolen zurück ). Mit den Quellen stehen auch ohne Zweifel die Hornsteingänge und Kalksinterbildungen der Umgebung von Giesshübel in Zusammenhang?). Die Gänge der sogenannten jüngeren Erzfor- mation (Kobaltsilbererz, barytische Bleierze und Eisenmanganerz- formation) des Erzgebirges sind zwar nach Dalmer?°) im Allgemeinen älter als die tertiären Eruptionen und sollen vielmehr mit den jJung- palaeozoischen Granitmassen in Beziehung stehen — eine Anschauung, welche derjenigen Müller’s®), der diesen Gängen ein mitteltertiäres Alter zuschreiben will, wiederspricht; aber auch der erstere Autor führt Beispiele an von Gängen, welche ohne Zweifel als Folgeerschei- nungen der Basalteruptionen aufzufassen sind. Laube hat in seiner neueren Schfift über die Quellen von Giesshübel betont, dass diese Säuerlinge, welche im Thale des Eger- flusses dem Karlsbader Granitstocke entströmen, nicht früher an die Oberfläche gelangen konnten, als bis die überlagernde, undurchlässige Basaltdecke vom Flusse bis auf die Granitmasse durchgesägt war. In ähnlicher Weise sind die Teplitz—Schönauer Thermen von dem wasser- dichten tertiären Letten abhängig, der sich in früherer Zeit weiter auf die Porphyrkuppen hinauf erstreckt haben muss. Gegenwärtig liegt die Thermengruppe von Teplitz im Porphyr und die Wässer der Gruppe von Schönau werden ebenfalls aus dem Porphyr geschöpft unter einer wenig mächtigen Decke von Pläner und cenomanem Conglomerat. Nirgends haben die Wässer eine mächtigere Pläner- oder Tertiärdecke zu durchdringen vermocht. Bei der Abteufung der Quellschächte, welche nach dem Wasser- einbruch vom Jahre 1879 in den Jahren 1880 -1882 durchgeführt !) J. E. Hibsch. Verhandlungen d k. k geol. R.-A. 1889, pag. 204 ft. °) @. C. Laube. Die geologischen Verhältnisse des Mineralwassergebietes von Giesshübel-Sauerbrunn. H. Mattoni, Selbstverlag. Giesshübel-Sauerbrunn 1898. 9) K. Dalmer. Ueber das Alter der jüngeren Gangformationen des Erz- gebirges. Zeitschrift für praktische Geologie. Berlin 1896, pag, 1. *) Ebenda 1894, pag. 313 und 1895. pag. 228. 444 Dr. Franz E. Suess. j [20] wurde, fand man allenthalben die Conglomerate über dem Porphyr in Schönau mit Hornstein verkittet und im Hornstein sowohl wie auf den Hohlräumen, Krystallisationen von Baryt, dessen schön spalt- bare Individuen manchmal ziemliche Grösse erreichten (4 Centi- meter). Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass wir es hier wie an anderen Orten, wo Hornstein und Baryt auftreten, mit den Bildungen aus dem warmen Wasser zu thun haben. Dabei spielen die Hohlräume in dem Conglomerate dieselbe Rolle, wie eine plötzliche, sehr bedeutende Erweiterung der Spalte, welche den Absatz der Mineralbestandtheile aus dem zu einem relativen Still- stande gebrachten Wasser im höchsten Grade begünstigt. Dazu kommt noch das Zuströmen wilden Wassers, welches das Conglomerat von der Oberfläche her aufgenommen hat und welches eine Herab- minderung der Temperatur und dadurch vielleicht eine leichtere Fällung des schwerlöslichen Baryumsulfates veranlasst. Aber nicht nur in den Quellschächten selbst, sondern auch sonst sind allenthalben die Porphyrstücke des Conglomerates, wo dasselbe heute trocken zu Tage liegt, durch Hornstein verkittet, welcher ziemlich reichlich Baryt enthält. Man kann das an fast allen Porphyrkuppen beobachten, wo sie von Pläner überlagert werden. An der Strasse von Teplitz gegen Settenz kann man gleich bei den letzten Häusern der Stadt, rechts vor dem Meierhof, im Por- phyreonglomerate die Barytkrystalle sammeln. In den Steinbrüchen beim Meierhofe kann man recht gut die Eigenthümlichkeiten des Hornsteinvorkommens beobachten. Hier wird die unregelmässig wellige Oberfläche des rothen Porphyrs von einer wenige Meter mächtigen Decke von Plänerkalk überlagert, an deren Basis stellenweise ein Band des Conglomerates eingeschaltet ist. Der Porphyr ist von sehr zahlreichen, geradlinigen Klüften durchsetzt, an denen das Gestein in schmalen hellen Rändern durch Kaolinisirung gebleicht ist. Wo sich diese Klüfte nahe aneinander drängen, ist der Porphyr sehr stark zersetzt und mürbe. Das sind übrigens Erscheinungen, die auch durch Tagwässer hervorgerufen sein könnten. Zwischen Porphyr und Pläner findet sich meistens eine dünne Lage von rothbraunem, gebändertem Hornstein, die farbigen Streifen verlaufen im Allgemeinen den Contouren der schmalen Linsen und der Unterlage parallel. Nur selten und ganz nahe der Oberfläche dringen dünne Aederchen von Hornstein auch in den Porphyr ein. In den tieferen Porphyrpartien ist nirgends Hornstein zu sehen. Sehr schön aufgeschlossen ist das Hornsteinconglomerat in einer Kuppe südwestlich von Settenz, dem sogenannten Settenzer Hübel, wo ein grosser Steinbruch angelegt ist. Die in Hornstein ver- wandelten cenomanen Versteinerungen sind von hier und von anderen Punkten seit Langem bekannt. Auch an dieser Stelle kann man beobachten, dass der Hornstein hie und da in dünnen Aederchen bis auf 2 Meter Tiefe vertical oder horinzontal wellige Klüfte im Porphyr ausfüllt und in den tieferen Partien nicht mehr vorhanden ist. Der I: ') Becke. Barytkrystalle in den Quellbildungen der Teplitzer Thermen. Tschermak’s Min. Mithlg. V. 1882, pag. 82. I Zn a m u a na - Er ne | | [21] Studien über unterirdische Wasserbewegune. 445 Baryt ist häufig in den kleinen Hohlräumen des Conglomerats zu finden. In den zahlreichen Steinbrüchen bei Janegg und bei Ullersdorf lassen sich weiterhin ganz ähnliche Beobachtungen machen; und ebenso sind ‚auch östlich von Teplitz die Conglomerate über dem Porphyr auf der Stefanshöhe und am Sandberge, begleitet von Baryt, ganz durchtränkt von Hornstein und die Fossilien in Hornstein verwandelt. Diese Vorkommnisse lehren, dass zur Zeit, als die Kuppen von Teplitz noch mit jüngeren Ablagerungen bedeckt waren, die Thermal- wässer in die Kreideschichten, die Conglomerate und den Pläner eingedrungen sind, ebenso wie das heute der Fall ist in den Quellen von Schönau, und man kann annehmen, dass auch heute die Kreide- schichten, wo sie unter der tertiären Decke begraben sind, das Thermalwasser aus verschiedenen Klüften aufnehmen. Der Umstand, dass der Porphyr selbst meist frei von Hornsteingängen ist, weist darauf hin, dass sich das Wasser im Pläner und im Conglomerate horizontal weiter bewegen konnte, und nicht am Aufschlusspunkte selbst empor- gedrungen sein musste. Diese Annahmen werden im Folgenden bei der Betrachtung der Wassercireulation im Porphyr eine Bestätigung finden. Unweit des später noch näher zu besprechenden Quellen- schachtes der seit 1878 versiegten Riesenquelle zwischen Loosch und Janegg und nordöstlich von Loosch befanden sich zur Zeit, als Wolf die Grubenkarte verfertigte (1879/80) und zum Theil auch noch, als Stur die Gegend (1883) besuchte, rundliche, trichterförmige Einsenkungen in dem den Plänerkalk überdeckenden Oberflächenlehm; eine Erschei- nung, welche an die viel grossartigeren Dolinenbildungen der Karst- gebiete erinnert. Wolf hat sie auf seiner Karte mit I—IV bezeichnet; III soll nach Stur nur eine künstlich hergestellte Grube sein. Ein fünfter Trichter soll früher eine ausgiebige Quelle geliefert haben, welche im Herbste 1578, also fast zugleich mit der Riesenquelle, verschwunden sein soll. Jedenfalls deuten diese Einsenkungen auf eine frühere Wasser- eireulation unter der Plänerdecke; und namentlich durch die in der Nähe befindliche ehemalige Riesenquelle wird die Vermuthung nahe- gelegt, dass auch hier sich im Pläner eine. Bewegung von Thermal- wasser vollzog; denn dem Thermalwasser muss in Folge seines Kohlen- säuregehaltes !) und seiner höheren Temperatur, eine bedeutend höhere Lösungskraft zugeschrieben werden, als dem gewöhnlichen Grundwasser. Der Kohlensäuregehalt ist nach der Bestimmung von Dr. Wrany zwar bedeutend geringer als Stur angenommen hatte; bekanntlich ist es aber auch der geringe Kohlensäuregehalt der Fluss- wässer allein, welcher bei langer Zeitdauer die grossartigen Karst- erscheinungen hervorruft. Wären die Trichter der Thätigkeit der Grundwässer allein zuzuschreiben, so hätten diese an anderen Punkten im Pläner ebensolehe Trichter hervorbringen müssen. Das ist jedoch nirgends der Fall. !) D. Stur, ].c. Bemerkungen über die Riesenquelle, pag. 485. — H. Höfer. Gutachten über die Hintanhaltung von Thermalkatastrophen in Teplitz—-Schönaun. Dux 1893, pag. 35. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 58 :qUISsse N ‘00099: 1 "uog bum u je ae 29 A : on er en 1 =. 5o Inn; L — Ein- bruchs- stellen. Yoydsznauy..., \ na ZN 9 3 4 %“ a 2,8 RE: 2-5 2o> SB= ®©* © ke In En [ & opjenbıan °ı -uapfonbuslıes) 'z | "ıÄydıod -ZIeNd dezjıyda, 7, n | S. N Mer ZUS "I9URTd "UOTJBULIOF -UOTTONUNBAIg 19p Dr. Franz E. Suess. apurg pun 9notLL, EA ZUaJT7 "yes I s (nn N EN NEN N [ RN | | SNEIT ° N - INTERN NN | ) rg B* 3 = = 5; = 2 3 =) i. = [=] = 3 oo} © o BIuruyanz Täyuesıno7 "E31 [23] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 447 4. Die Quellen von Teplitz und Schönau. Seit Langem hat man schon die Quellen im Stadtgebiete von Teplitz— Schönau in zwei Gruppen unterschieden, in die west- liche, die Teplitzer und die östliche, die Schönauer Thermen. Sie sind in zwei gesonderten Partien der engen Thäler vertheilt, welche zwischen den Porphyrkuppen des Judenberges und Mont de Ligne, ferner der Königshöhe und dem Stefansberge eingeschnitten sind. In das Stadtgebiet von Schönau tritt von Norden her ein wenig mächtiger, | horizontal gelagerter Streifen von kalkig-thonigem Pläner; er wendet | sich in der Einsenkung der verlängerten Elisabethstrasse gegen SW, | zieht sich etwas verschmälernd über den Mont de Ligne, und breitet sich unter dem inneren Stadttheile von Teplitz aus; weiter gegen | Westen und Süden gewinnt dann der kalkige Pläner grosse Ausdeh- nung, nur wenige emporragende Porphyrkuppen freilassend. Gegenüber der Königshöhe bleibt eine kleine Felspartie des sanften Gehänges frei vom Pläner, und hier befinden sich die bedeu- tendsten Quellen der Teplitzer Gruppe. Von diesen sind wieder die wichtigsten die Stadtbadquellen, nämlich die Ur- oder Männer- quelle und die Frauenquelle. Die erstere lieferte vor der | Katastrophe 1879 in der Minute 0°52 Cubikmeter Wasser, mit einer Temperatur von 392° R. und die zweite 0 28 Cubikmeter von 384" R. Wärme. In der unmittelbaren Nähe liegen. die ebenfalls bedeutenden Fürstenbadquellen, nämlich die Sandbadquelle und die Frauen- badquelle (35° R.), und etwas weiter nördlich die kühleren (224° R.) Gartenquellen (Augenquelle und Trinkquelle) ; diese Quellen waren ohne Zweifel mit dem Grundwasser des kalkigen Pläner ge- mengt, welchen sie zu durchdringen hatten. Weniger bedeutend, sowohl was die Wassermenge, als auch was die Temperatur betrifft, sind die Quellen von Schönau. Sie ent- sprangen vor der Abteufung (1880—1882) einer wenig mächtigen Plänerdecke über dem Porphyr. Sie zerfallen in eine Gruppe von nahe beieinander liegenden kleineren Quellen mit Temperaturen von 25—50° R. Unter ihnen seien erwähnt: die Steinbadquellen, das Militärsandbad, die Stefansquellen, die Schlangen- badquellen und die Neubadquellen!). Die Teplitzer—Schönauer Wässer sind sehr arm an gelösten Bestandtheilen und gehören zu den sogenannten indifferenten Thermen. Man hat in früherer Zeit öfters den Versuch gemacht, aus der Vertheilung der Quellen ein System von Spalten im Porphyr zu con- struiren, dem sie entströmen sollen. Die Gruppen der Schönauer Quellen liegen nämlich in einer nahezu geradlinigen Zone — sie folgen eine Strecke weit der Richtung des Saubachthales — und die Zone trifft in ihrer Verlängerung beiläufig auf die Hauptquellen von Teplitz. Die Annahme einer Hauptspalte ist einerseits schon durch die bei der Abteufung der Quellenschächte gemachten Erfahrungen '!) Nach Wrany war im Jahre 1563 die Gesammtergiebigkeit der Teplitzer Quellen 909 Liter per Minute und der Schönauer Quellen 737 Liter per Minute. Höfer, Gutachten, page. 33. 58* 448 Dr. Franz E. Suess. [24] überholt. Ferner ist noch zu betonen, dass auch sonst an verschie- denen Punkten unter der Plänerdecke ohne Zweifel Thermalwasser emporsteigt, wie einerseits die beiden Quellen im Curgarten beweisen, dann noch verschiedene schwache Thermen, welche in einzelnen Häusern seiner Zeit hervorbrachen, wie z. B. im Hötel de Ligne am Schlossplatze und im Hause „zur weissen Rose“ in der grünen Ring- strasse, dadurch sah sich bereits Reuss genötligt, den Hauptspalten noch mehrere sich in rechten Winkeln kreuzende Nebenspalten anzu- oliedern; ferner hat schon Wolf die Beobachtung gemacht, dass manche Brunnen in Teplitz bei starkem Schöpfen ihre Temperatur um 5—-6° R. erhöhen, und dass das Wasser der Brunnen im Porphyr meist um 10 R. wärmer ist, als das der Brunnen im Pläner. Diese und noch eine Reihe von weiteren Umständen, — wie z. B. das gleichzeitige Versiegen aller Brunnen in Teplitz nach dem Wassereinbruche 1879, und die Erbohrung einer artesischen Therme in Wisterschan SO von Teplitz — beweisen, dass das Thermalwasser nicht an gewisse Hauptspalten gebunden ist, sondern den Porphyr auf seinen zahlreichen Klüften durchdringt. Für das Hervortreten des Wassers an den be- stimmten Stellen ist gewiss das Vorhandensein von Klüften im Por- phyr massgebend, nur lassen sich dieselben einerseits nicht in ein bestimmtes System bringen, anderseits ist ohne Zweifel auch die Ober- flächenconfiguration für die Vertheilung der Thermen von grosser Bedeutung. Das Wasser sucht vor Allem die tiefsten Punkte der Ober- fläche auf, deswegen treten auch die Schönauer Thermen im Thale des Saubaches zu Tage. Ausserdem bietet aber die Bedeckung mit jüngeren Schichten (Pläner, Alluvialschotter) häufig dem Wasser ein Hinderniss, und ebenso wie in Wisterschan könnten noch durch geeig- netere Bohrung an anderen entsprechend tiefliegenden Punkten neue Quellen erschlossen werden. Freilich wäre damit auch die grosse Gefahr einer möglichen Beeinflussung der alten Quellen verbunden. SW von Teplitz, eirca 6 Kilometer entfernt, liegt nahe der Strasse nach Dux, zwischen Loosch und Janegg der jetzt versiegte Schacht der ehemaligen Riesenquelle; es war dies eine sehr wasserreiche Therme von einer nach den alten Angaben schwankenden Temperatur von 11—27° R., welche noch vor dem ersten Wasser- einbruche im Jahre 1878 wahrscheinlich in Folge der Wasserhebungen in den benachbarten Gruben verschwunden ist. Stur hat in seiner Abhandlung über die Katastrophe 1888 die Daten, welche er haupt- sächlich Herrn Ingenieur Tobitsch in Dux verdankte, über die ehemalige Riesenquelle zusammengestellt und Beobachtungen aus dem Quellschachte bekannt gemacht. Die Wassermenge soll 27—42 Liter per Secunde betragen haben. Schon 1874, oder nach anderen An- gaben schon seit 1872, soll eine Abnahme des Wassers bemerkbar gewesen sein, welche stetig zunahm, bis die Quelle Ende Juni 1878 vollkommen versiegte. Damals ahnte man noch nicht den Zusammen- hang dieser Erscheinung mit den Bergbauten; noch weniger ver- muthete man, dass diese Quelle mit den so weit entfernten Thermen von Teplitz in hydrostatischer Beziehung stehen könnte. Bei der Schachtabteufung im Jahre 1881 fand man zuerst unter der Rasensohle 5 m Schotter und Gerölle, dann stand auf der einen u a [25] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 449 Seite der Plänerkalk an, und nach weiteren 3 Metern bewegte sich der ganze Schacht im Pläner; hier war die Quelle einer kreisrunden Röhre im Pläner gefolgt, welche an den Wänden von Hornsteinpläner mit einem Anfluge von Baryt überzogen war. In 15'°8 m Tiefe traf man auf den Porphyr, und fand in diesem eine 105" streichende, 075 m breite Spalte. Nach Stur ist auch zwischen dem Pläuer und dem Porphyr das hornstein- und barytführende Conglomerat vorhanden. Dieser ‚Autor hat auch bereits sehr richtig bemerkt, dass der Röhre im Pläner ohne Zweifel das Thermalwasser selbst ihre jetzige Form gegeben hat. Das unter Druck aus der Porphyrspalte emporgepresste Thermalwasser mochte durch die verhältnissmässig wenig mächtige Plänerdecke an- fangs an feinen Spalten nach oben hindurch filtrirt und sich erst nach und nach durch seine Lösungskraft, die mit seinem grossen Kohlen- säuregehalt zusammenhängt, die Röhre ausgeweitet haben. II. Die Geschichte der Thermen von Teplitz. Bei der Nachteufung des Urquellenschachtes im Jahre 1879 wurden ausser verschiedenartigen Zierrathen von Bronce und Eisen auch keltische und römische Münzen, letztere aus der Zeit Hadrians, aufgefunden, welche von den Römern als Dankopfer für die Quellen- nymphe in die Kluft gestreut worden sein mochten. Diese Funde beweisen, dass die Quellen schon lange vor der sagenhaften Auf- findung im Jahre 762 bekannt und benützt worden sind !). Durch Jahrtausende dürfte die Quelle ununterbrochen und gleichmässig an derselben Stelle geflossen sein, mit Ausnahme einer kleinen Unter- brechung von fünf Minuten zur Zeit des grossen Erdbebens von Lissabon (1. November 1755), eine Erscheinung, auf welche ich noch in einem späteren Aufsatze zu sprechen kommen werde. Zu Beginn der Siebzigerjahre, als sich auf allen Gebieten eine regere Unternehmungslust bemerkbar machte, begann auch ein leb- hafteres Treiben in den die Teplitzer Porphyrhügel umlagernden Braunkohlengebieten. Ueberall trachtete man Freischürfe zu er- werben. Wohl beeilte man sich, für die Thermen einen Schutzkreis zu erwerben, aber niemand dachte daran, dass eine Beeinflussung derselben durch die Gruben auf eine so grosse Entfernung möglich wäre, wie es die wiederholten Wassereinbrüche später dargetlıan haben. Von Südwesten her waren die Grubenfelder des Döllinger-, Gisela-, Vietorin- und Fortschrittschachtes, alle in der Gegend zwischen Osseg und Dux gelegen, am nächsten an die Porphyrhügel von Janneg und an das Gebiet der Riesenquelle herangerückt. 4) Dr. H. Hallwich. Töplitz, eine deutsch-böhmische Stadtgeschichte. Leipzig, 1886, pag. 4. — A. A. Naaff. Die Dux—Teplitzer Gruben- und Quellen- Katastrophe vom Jahre 1879, pag. 50. 450 Dr. Franz E. Suess. [26] Ganz überraschend war im Februar 1879 der plötzliche Ein- bruch im Döllinger-Grubenfelde erfolgt, welcher umso mehr Bestürzung hervorrief, als er von einem Versiegen der Teplitzer Quellen begleitet war. Damals stand man einem ganz neuen und überraschenden Phä- nomen gegenüber; und es schien durchaus zweifelhaft, ob es gelingen werde, sowohl die kostbaren Quellen, als auch die nach Millionen zu bewerthenden Kohlenschätze der ersäuften Gruben wieder zu retten. Dem rastlosen Eifer der tüchtigen Ingenieure ist dies gelungen, und man konnte im Hinblick auf den früheren Erfolg die Sanirung der später erfolgten Einbrüche im Vietorinschachte (1888 und 1892) mit erösserer Zuversicht und Beruhigung in Angriff nehmen. Heute, nachdem man die Beziehungen der Grubenwässer und der Quellen so genau kennen geleınt hat, kann kaum mehr von einer ernstlichen Bedrohung der Thermen durch Bergwerke gesprochen werden. Man hat jetzt einen Einblick gewonnen in die Bewegung von aufsteigendem Thermalwasser und absinkendem Grundwasser in einem srösseren Gebiete und ihre Wechselbeziehungen, von dem wohl kaum irgendwo auf der Erde sich ein ähnliches Beispiel wird finden lassen. Nieht nur vom montanistischen und speciell hydrologischen, sondern auch vom allgemein geologischen Standpunkte sind diese Verhältnisse höchst lehrreich. Bevor aber die Erscheinungen in ihrer jetzigen Gestalt nach, wie wir sie gegenwärtig überblicken können, beschrieben werden, ist es nothwendig, die einzelnen stattgehabten Katastrophen in ihrer historischen Reihenfolge zu besprechen. 1. Der Wassereinbruch im Döllingerschachte am 10. Februar 1879. Der Schachtkranz des Döllingerschachtes lag in 234 m S. H., die Tiefe der Schachtsohle betrug 5445 m, die der Sumpfsohle 98:89) m. Am 10. Februar 1879 zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittag wurde in einem von der nordsüdlichen Grundstrecke nach Ost ab- zweigenden Seitenschlage in 156°45 m S. H.!) das Wasser angefahren, welches nach Aussage der Arbeiter als armstarker Strahl aus der oberen Ortsbrust hervorbrach. In 5--10 Minuten waren alle offenen häume der Döllingergrube im dritten, im zweiten und zum Theil auch im ersten Horizont (5445 m Teufe) mit einem Fassungsraume von 20.000 Cubikmetern angefüllt. In Folge des ausserordentlich raschen Eindringens des Wassers konnte nicht die ganze Befahrung gerettet werden und 21 Arbeiter mussten in den überschwemmten Gruben umkommen. Nach Höfer’s?) Berechnung entspricht der angenommenen Druckhöhe von 64 m —- die Berechtigung dieser Annahme ergibt sich aus der später erreichten Inundationshöhe der ') Nach späterer Messung. Wolf, Wochenschr. d. Ing.- u. Arch.-Verein. 1879, gibt 152 m an. °) Höfer, Gutachten 1893, pag. 47. Ein Verzeichniss der reichen älteren Literatur über diesen Einbruch befindet sich bei Stur, Jahrbuch d. k. k. geol. R.-A. 1888, pag. 419 ff, [27] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 451 Schachtwässer bis zu 202:36 m S. H. — eine Ausflussgeschwindigkeit aus dem Querschlage von 30 ın per Secunde. Nimmt man die ganze Breite des Querschlages als Durchflussöffnung an, so würde schon eine Geschwindigkeit von 925 m per Secunde genügen, um die Grubenräume in 10 Minuten, und eine Geschwindigkeit von 18'5 m, 'um sie in 5 Minuten auszufüllen. Die Angabe, dass sich die Räume in 5—10 Minuten gefüllt hätten, erscheint also nach Höfer’s Be- rechnung durchaus nicht als ganz unwahrscheinlich. Die südlich anschliessenden Grubenfelder, „Fortschritt“ und „Nelson“, standen in Verbindung mit der Döllingergrube und wurden, da ihre Sohlen noch bedeutend tiefer liegen (13616 u. 8488 m S. H) sehr rasch vom Döllinger aus überschwemmt; auch dort sind zwei Menschen todt geblieben. In der mehr westlichen Vietoringrube, welche mit den ange- führten in keiner directen Verbindung stand, kamen die Wässer erst etwas später hervor: erst am 11. Februar konnte man sie spärlich durchsickernd wahrnehmen; später traten sie reichlicher auf, sie waren aber bis zum 15. Februar nur 8 m über der Füllortsohle (15068 m) gestiegen. In den ersten 24 Stunden, als die Victorin- und die nördliche Giselagrube noch trocken waren, hatte das Wasser schon in. der Fortschritt- und Nelsongrube 147 und 150 m S. H. erreicht. Am 12. Februar, 2 Uhr Nachmittags hatten sich die Unter- schiede in den Schächten bereits bei 167 m S. H. ausgeglichen. Ihr späteres, noch höheres Ansteigen wird weiter unten noch zur Sprache kommen. Das in die Gruben gedrungene Wasser soll unmittelbar beim Einbruche nach den Angaben der Arbeiter milchig-weiss und kalt gewesen sein. Am 13. Februar wurden jedoch 15° und am 17. bereits 18° R. (nach Wolf) gemessen. In den späteren Tagen sank wieder die Temperatur in Folge der zusitzenden Grubenwässer. Nach erfolgtem Einbruche richtete der Stadtverordnete, Herr Oberingenieur A. Siegmund, sofort sein Augenmerk auf die Thermen von Teplitz; er konnte aber am 12. Februar und auch in der Nacht vom 12. auf den 13. noch ‘keine Veränderungen an denselben be- merken. Damals floss die Urquelle noch mit dem unverändert starken Wasserstrahle aus den „Löwenköpfen“ (in 203'15 m S. H.) im Stadt- bade. Gegen Morgen des 13. Februar wurde ein sehr rasches Ab- nehmen der Wassermenge bemerkt, und am 13. Februbar um 6 Uhr Früh — 64 Stunden nach dem Einbruche — floss kein Wasser mehr aus den „Löwenköpfen“. Die (Quellenkammer wurde geöffnet und nun konnte man in den folgenden Tagen ein langsames und stetig zunehmendes Sinken des Wassers in der Quellfassung beobachten. Zu gleicher Zeit sank die Temperatur ganz allmälig von 38% auf 32° R. Am 14. Februar, 7 Uhr Früh, verschwand das Wasser der Urquelle ganz aus dem Raume der alten Quellenfassung mit einem Wasserstande von 1'755 m unter der ursprünglichen Ausflussöffnung (20315 m S. H.). Schon vorher, am 13. Februar, 10 Uhr 30 M. Abends, war die fürstlich Clary’sche Frauenquelle versiegt; zur selben Zeit wie die Urquelle war auch die fürstlich Clary’sche Sandquelle verschwunden. In der Augenquelle im Schlossgarten hörte der 452 Dr. Franz E. Suess. [28] Wasserzufluss erst am 14. Februar, 8 Uhr Abends vollkommen auf. Die Schönauer Quellen flossen ohne Veränderung weiter. Für die eiligst herbeigerufenen Sachverständigen, Bergratl H. Wolf und Prof. G. ©. Laube, konnte kein Zweifel bestehen über den Zusammenhang der beiden Ereignisse, dem Wassereinbruche im Döllingerschachte und dem Versiegen der Teplitzer Quellen. Die Wässer des Tertiärgebietes über den Gruben und insbesondere der Kühteieh, welcher unmittelbar über der Einbruchstelle liegt, zeigten gar keine Veränderung. Dagegen war eine grosse Anzahl der Haus- brunnen in Teplitz im starken Sinken begriffen. In der Zeit vom 13. Februar bis 50. Mai sind 45 Hausbrunnen in den verschiedensten Strassen versiegt'). Die Sachverständigen, zu denen sich am 19. Februar noch der Director der geol. Reichsanstalt Hofrath F. v. Hauer und Professor E. Suess aus Wien gesellten, hatten ihre Ansichten im Wesentlichen bald dahin geeinigt, dass die Quellen nicht unter die Seehöhe des Wasserstandes in den Gruben gesunken sein konnten. Die Höhen- differenz zwischen dem ursprünglichen Ausflusse der Urquelle und dem damaligen Wasserstande in den überschwemmten Gruben betrug nach damaliger Annahme 22 m (eigentlich nur 18 m), und man konnte hoffen, durch eine Vertiefung des Quellenschachtes um etwa 20 m das Thermalwasser wieder anzutreffen. Die Abteufung der Urquelle wurde am 22. Februar in Angriff genommen. Schon am 24. Februar machten sich warme Dampfausströmungen in der leeren Quellenspalte bemerkbar. Mit zunehmender Tiefe nahm auch die Temperatur in der Hauptquellenspalte zu; bis am 3. März um 7 Uhr Morgens das Wasser in der Spalte wieder angetroffen wurde. Das Wasser stand in der Spalte 1325 m unter dem Strassenhorizonte (— 205 m) in 1927 m S. H. mit einer Temperatur von 3720 R. In der Döllingergrube befand sich der Wasserspiegel zur selben Zeit in 186 m S. H.; das Wasser der Urquelle stand also um 6°5 m höher als dieses. Der Auftrieb blieb zwar für die Quellen gegenüber den Grubenwässern immer positiv, aber sehr schwankend in seinem Betrage; hievon wird im Schlusscapitel noch die Rede sein. Noch vor Beginn der Badesaison wurde der Schacht bis auf 1475 m Teufe (190'25 m S. H.) gebracht. Auf Veranlassung der Sachverständigen Wolf und Laube wurde bereits am 22. Februar ein provisorisches Verbot der Sümpfung über die Gruben verhängt, damit der Wasserspiegel der Thermen nicht noch tiefer hinabgedrückt werde, später wurde dies Verbot mit Giltigkeit bis zum 15. September 1879 von Seite der Berghauptmannschaft in Prag bestätigt, und somit schien der Wasserbedarf der Stadt Teplitz für die Saison 1879 gesichert. Nun begannen begreiflicher Weise auch die Bergwerksbesitzer nach einer Rettung der Gruben zu streben, die sich in stets zu- nehmender Ueberschwemmung befanden. Nachdem der Zusammen- hang der Wasserstände in den Gruben und in den Quellen ausser Zweifel stand, handelte es sich in erster Linie um die Frage, wie eine Auspumpung der Grubenwässer und „eine Abschliessung der Ein- ') Naaff, l. c. pag. 103. Li: [29] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 453 bruchstelle bewerkstelligt werden könne, ohne den Bezug des Thermal- wassers in Teplitz zu stören und anderseits, wie der Bezug des Ther- malwassers zu bewerkstelligen sei, ohne die Abschliessungsarbeiten, "wenn sie bei abgezapften Bauen stattfinden müssen - (was jedoch nicht unter allen Umständen erforderlich ist), zu be- hindern?“ Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass eine Wasserhebung in den ersäuften Gruben sofort den Spiegel der Urquelle zum Sinken bringen und aus dem bisher abgeteuften Schacht herausziehen würde. Das Ergebniss reichlicher Ueberlegung war der Beschluss, im September, nach vollendeter Cursaison, die Gruben zu sümpfen und die Einbruchstelle zu verdämmen; zur selben Zeit aber den Ur- quellenschacht, während das Wasser zugleich mit dem Niveau der geschöpften Grubenwässer hinabsinkt, bis unter das Niveau der Ein- -bruchstelle (156°45 n S. H.) d. i. auf 60 m Teufe zu bringen und dadurch die Quelle im Falle eines Missglückens der Verdämmung - vorläufig vom Bergbau unabhängig zu machen. Die Zeit bis zum 15. September wurde von den Werksbesitzern dazu benützt, alles vorzubereiten, um an diesem Tage das grosse Werk der Sümpfung mit aller Energie in Angriff nehmen zu können. Die Bewältigung der colossalen Wassermengen nahm — in Folge von Unterbrechungen durch mannigfache Zwischenfälle — einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren in Anspruch !). Zahlreiche unvorhergesehene Schwierigkeiten stellten sich der grossen Arbeit entgegen; so war z. B. die Ableitung der gehobenen Wassermengen durchaus nicht leicht durchzuführen, und die Beschaffung von Trinkwasser für die Colonien der Duxer Kohlenwerke war gestört, indem natürlich Niemand das Wasser aus den Gruben trinken wollte, in welchem sich noch die Leichen der Verunglückten befanden. Trotzdem schritt die Auspumpung Anfangs mit gutem Erfolge vorwärts. Das Wasser war bis zum 15. September in den Gruben bis auf 2023 m S. H., also bis nahe an die Höhe des ursprünglichen Aus- flusses der Urquelle gestiegen (s. das Graphicon bei Stur, 1. ec. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., 1888, Taf. V). Bis 30. Juni 1880 war der Wasser- stand um 36 m (bis 166°16 m S. H.) gesenkt worden. Der Wasser- spiegel sank an den einzelnen Tagen sehr ungleich, einerseits war das eine Folge von Unregelmässigkeiten der Arbeit an den einzelnen Schächten, Unterbrechungen in Folge von Reparaturen u. s. w. und anderseits eine Folge der complicirten Form der manmnigfach ver- zweigten Grubenräume. So scheint es auch bei Betrachtung der eitierten graphischen Darstellung, wie wenn die Sümpfung zu Anfang rascher vor sich gegangen wäre als später. während jedoch der Wasserspiegel nur desshalb zu Anfang rascher sank, weil die Wasser- menge hauptsächlich auf den Fassungsraum der Schächte beschränkt war und später mehr der Fassungsraum der horizontalen Strecken zur Geltung kam. Ausserdem war auch, wie Zechner bemerkt, der A a ee Ti re !) F.Zechner. Die Entwässerungsarbeiten auf den inundirten Dux—Osseger ‘ Kohlenwerken und die Arbeiten zur Sicherung der Teplitzer Thermen. Oesterr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen, XXIX. Jahrg., 1881. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48, Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 59 454 Dr. Franz E. Suess, [30] zu überwindende hydrostatische Druck, welcher sich in der Differenz der Wasserstände der Thermen und der Gruben ausdrückt, in der Tiefe immer grösser, in Folge dessen konnte während des Sümpfens verhältnissmässig mehr Thermalwasser durch die Einbruchstelle zu- fliessen. Da sich am 20. Juni 1880, zur Zeit des höchsten Ganges der Saison in Teplitz, Wassermangel in dem schon tief gesenkten Quellen- schachte (2968 m) fühlbar machte, wurde von der politischen Behörde zunächst eine Beschränkung des Pumpbetriebes und später am 2. Juli eine vollständige Einstellung der Sümpfung veranlasst. Am 15. August wurde die beschränkte Wasserhebung wieder gestattet, mit der Be- dingung, dass die Quellenspiegel in Teplitz nicht zu sehr gesenkt werden dürften, und erst am 15. September konnte wieder die Bewäl- tigungsarbeit in ihrem vollen Umfange aufgenommen werden. Während dieser Zeit waren die Grubenwässer wieder von 16577 m S. H. auf 17437 m S. H., d. i. um 8'6 m, gestiegen. Bis 1. Jänner 1881 war es gelungen, das Niveau wieder auf den alten Stand (165'94 m S. H.) herabzudrücken. Die ganze Zeit, von der Einstellung am 20. Juni 1880 bis 1. Jänner 1881, kann demnach als verlorene betrachtet werden. Von hier an leisteten aber die Wassermengen ihrer Senkung stärkeren Widerstand und es gelang in der nächstfolgenden Zeit nicht, sie wesentlich herabzudrücken. Zudem hatte sich noch die Noth- wendigkeit der Abteufung eines weiteren Schachtes in der Nähe der Einbruchstelle herausgestellt. Das 14 m mächtige Flötz ist nämlich in der Nähe der Einbruchstelle um 5°5 m an einer Flexur in die Tiefe gesenkt. Wie gewöhnlich, hat man es auch hier vorgezogen, das Flötz in einer Liegendstrecke anzufahren, um den Abbau mit einem Hiebe bewerkstelligen zu können; diese Liegendstrecke, d. i. der dritte Horizont der Döllingergrube, ist nur mit dem zweiten und ersten Horizonte derselben Strecke in Verbindung gewesen; so dass die an der Einbruchstelle einfliessenden Wassermengen, welche auf durch- schnittlich 11'7 Cubikmeter berechnet waren, zu den höheren Hori- zonten des Döllinger aufsteigen mussten, bevor sie zu den tiefer lie- senden Gruben abfliessen konnten. Man musste also, um zur Einbruch- stelle gelangen zu können, die genannte Wassermenge mit entsprechend starken Maschinen in deren Nähe zu gewältigen trachten. Der Schacht wurde 120 m westlich von der Einbruchstelle auf die Strecke des dritten Horizontes gerichtet, um für allfällige mehrfache Verdäm- mungen Raum zu gewinnen. Er wurde mit dem Namen Döllinger- Hilfsbauschacht belegt. Am 27. August 1880 war mit der Abteufung dieses Schachtes begonnen worden. Nach mehreren kleineren Zwischen- fällen konnten die Maschinen am 9. März 1881 eingreifen; ihre Thätigkeit erlitt aber bald wieder eine Unterbrechung in Folge eines Hochwassers, das wegen starken Schneefalles und Thauwetters über Dux und Umgebung hereingebrochen war. Man befürchtete ein gefahr- drohendes Ansteigen des Wassers im Barbarateiche bei Dux, in den die gehobenen Grubenwässer abgeleitet wurden. Glücklicherweise dauerte die Unterbrechung nicht lange; am 15. März waren die Maschinen am Döllinger Hilfsbau wieder in voller Thätigkeit und [31] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 455 Anfangs Juni 1881 war die Einbruchstelle blosgelest. Es wurde daselbst ein Wasserzufluss von 12 Cubikmeter per Minute beob- achtet. Im Jänner 1882 wurden trotz des Protestes der Grubenbesitzer die Verdämmungsarbeiten vom Ingenieur Siegmund in Angriff ge- nommen und bereits am 20. Mai konnten die Ventile geschlossen werden. Damals stand das Wasser im Urquellschachte 10'453 m über der Einbruchstelle und in der Folgezeit stieg es sehr rasch empor, wie die von Stur wiedergegebene graphische Darstellung zeigt. Zu gleicher Zeit mit der Sümpfung der Gruben wurde die Ab- teufung des Urquellenschachtes durchgeführt, welchen man bis unter das Niveau der Einbruchstelle bringen und dadurch die Therme von dem Resultate der Verdämmungsarbeit unabhängig machen wollte. Am 29. December 1879 wurde die Teufung begonnen und bis 20. Juni 1880 um 29:68 m (auf 1755 m S. H.) niedergebracht: dann wurde wegen Wassermangels zur Cursaison die Teufung unterbrochen, zur selben Zeit, als das zeitweilige Auspumpungsverbot für die Gruben erlassen wurde. Nach einer neuerlichen Teufung bis auf 1609 m S. H., welche nach Schluss der Saison bis zum 24. Jänner 1881 durchgeführt worden war, ging man daran, den Schacht aus- zumauern; diese Arbeit wurde am 24. Februar beendigt, und während dieser Zeit war das Thermalwasser auf 13 m über der Schachtsohle gestiegen, eine Höhe, welche einem Auftriebe von 8 m gegenüber dem Stande der Grubenwässer entsprach. Das Streichen der Spalte, aus welcher das warme Wasser empor- stieg, war seiner Zeit an der alten Quellfassung unterhalb der Löwen- köpfe von verschiedenen Beobachtern mit 6" 11% (Zechner), 6" 14° (W olf) und Th (Laube) mit einem steilen Einfallen von 82—85° gegen Süd gemessen worden. Die Abteufung wurde wegen des südlichen Einfallens derart bewerkstelligt, dass die Spalte zu Anfang in den nördlichen Schachtstoss fiel. Mit zunehmender Tiefe rückte sie immer mehr gegen die Mitte des Schachtes und schloss sich in einer S.H. von 179 m mit 8!/,° steilem Südfallen an den südlichen Schachtstoss; in noch grösserer Tiefe trat sie nun vollkommen aus-dem senkrechten Schachte und musste deshalb in südwärts gerichteten Querschlägen angefahren werden). Solche Querschläge wurden in den Höhen von 175:0 m, 165°0 m, 160°6 m und dann wenige Meter über der Schacht- sohle in 15352 m S. H. durchgeführt und dadurch Schritt für Schritt die Abweichungen der Thermalspalte im Streichen und Fallen verfolgt. Die complieirten Verhältnisse der Spalten hat Höfer in seinem Gutachten (S. 15 £.) eingehend auseinandergesetzt; der wesentlichste Umstand ist der, dass die Hauptspalte in einer Tiefe von 160 m, nachdem sie bereits aus dem Schachte herausgetreten ist, eine Wendung im Streichen nach 4" (um 31°) vollzogen hat, so dass sie eine windschiefe Fläche bildet und im letzten Querschlag in 155 m S. H. bereits ganz verschwunden oder wenigstens nicht mehr !) Bericht des Oberingenieurs Freyer. Stur. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1838, pag. 446. 59* 456 Dr. Franz E. Suess. [32] wasserführend zu sein scheint; dagegen wurde daselbst eine weiter südwärts liegende, sehr wasserreiche Spalte mit ostwestlichem oder nordost-südwestlichem Streichen angefahren. In dem tiefsten Quer- schlage wurde die wasserführende Spalte am 16. Jänner 1882 an- oefahren und es konnten die Teufungsarbeiten als in gelungener Weise beendigt angesehen werden. In ähnlicher Weise wie die Urquelle wurden in der Folgezeit. auch an den übrigen Quellen auf verschiedene Tiefen Schächte niedergebracht. Hiebei ergaben sich manche interessante geologische Beobachtungen, welche ich jedoch hier nicht im Einzelnen beschreiben will, da Stur bereits in diesem Jahrbuche die detaillirten Berichte über diese Arbeiten veröffentlicht hat. Erwähnt sei aber z. B. der Umstand, dass der Schacht der Frauenquelle unweit.der Ur- quelle, welcher in der Zeit von Februar bis December 1881 von 203 auf 166 m S.H. gebracht wurde, ganz trocken und ohne Wasser- hebung abgeteuft werden konnte; das Wasser in der Frauenquelle sank nämlich zu gleicher Zeit mit der Senkung des Wasserspiegels im Urquellenschachte; ein Beweis, dass auch die Spalten der beiden nahe beieinander gelegenen Quellen in sehr naher Verbindung mit- einander standen. Ganz dasselbe war bei der bedeutend kühleren (21° R.) Augenquelle im Curgarten der Fall; auch sie konnte in Folge des niederen Wasserstandes im Urquellenschachte trocken ab- seteuft werden; ein Beweis, dass die Thermen von Teplitz einem semeinschaftlichen Netze entstammen, trotzdem ein Theil derselben (Augenquelle und Frauenquelle) durch örtlich zuströmende Grund- wässer abgekühlt wird. Die steil einfallende Quellspalte der Augen- quelle konnte bis zum.Sumpfe des Schachtes gut verfolgt werden; sie durchsetzt ohne Aenderung die eirca 5 m mächtige Ueber- lagerung des Porphyrs von hornsteinführendem Conglomerat und Plänerkalk. Man wird hier ebenso wie bei der Riesenquelle an- nehmen können, dass sich das aufsteigende Thermalwasser, welches sich ursprünglich durch dünne Risse im Kalke empordrängte, durch seine lösende Kraft allmälig eine Spalte ausgeweitet hat. Sowohl in der Augenquelle,_ wie bei der Frauenquelle wurde als Auskleidung von Klüften und Spalten Hornstein und Baryt gefunden. Die Schönauer Thermen verschwanden zwar nach dem Döllinger Einbruche nicht, wie die Teplitzer Thermen; aber auch auf sie blieb die Katastrophe nicht ohne Einfluss; namentlich an der Therme des Steinbades zeigte sich ein geringerer Auftrieb und es lieferte die Quelle auch bei künstlicher Hebung nicht mehr die nöthige Wassermenge. Man entschloss sich deshalb, auch die Schön- auer Thermen abzuteufen. Auch in der Folgezeit während der Ab- teufungsarbeiten konnte man die Rückwirkung der Wasserstände in den Gruben namentlich an der genannten Quelle sehr gut beob- achten. So stieg z. B. zur Zeit des Pumpverbotes im Sommer 1880 die Therme von 17844 m S. H., auf welches Niveau sie durch die ener- sische Wasserhaltung in den Gruben herabgedrückt worden war bis auf 183°52 m S. H. -—— In gleicher Weise wie die Steinbadquelle be- wegten sich auch die benachbarte Sandbad- und Schwefelquelle. [33] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 457 Es wurde schon oben bemerkt, dass die Schönauer Thermen aus einer Decke von Pläner über dem Porphyr hervorkommen, Die Teufungsarbeiten haben dargethan, dass die Plänerdecke eine sehr wechselnde Mächtigkeit von 2 bis mehr als 20 m besitzt, und dass zwischen dieser und dem Porphyr stets die wenige Meter mächtigen hornstein- und barytführenden Conglomerate eingeschaltet sind; als das wichtigste geologische Ergebniss, welches auch Stur und Höfer in erster Linie hervorgehoben haben, muss der Umstand bezeichnet werden, dass man hier in dem festen Porphyr keine eigentliche Thermalspalte angetroffen hat, und dass sich ohne Zweifel die Haupt- wassermengen in einer Seehöhe von 160—169 m in den sehr durchlässigen Zwischenschichten zwischen Porphyr und Pläner. in den hornsteinführenden Conglomeraten bewegen. Hier dürfte sich das Thermalwasser mit dem Grundwasser mischen und dadurch die bedeutend niedrige Temperatur der Schönauer Quellen gegenüber den Teplitzer Quellen zu erklären sein. Der innige Zusammenhang dieser Quellen mit dem Grundwasser hat sich im December 1881 aufs Deutlichste geoffenbart, als mit der fortschreitenden Teufung des Steinbadschachtes, welcher damals ca. 16 m tief war, fast alle Brunnen im Schönauer Thalbecken versiegten. Nachdem die Grube wasserfrei gemacht worden war, konnte man zur Einbruchstelle gelangen und dieselbe besichtigen. Sie wurde zwar in den Einzelheiten von verschiedenen Autoren etwas ver- schieden geschildert, in den Hauptpunkten herrscht aber vollkommene Uebereinstimmung. Zunächst ist zu bemerken, dass die Einbruch- stelle vollkommen in der Kohle lag. Unweit des Querschlages, welcher zur Einbruchstelle führte, war das Flötz an einer 7" 120 streichenden und 34° NO fallenden Kluft um 5'3 m verworfen; eine grössere Verwerfung war aber nicht vorhanden. Nach den Angaben von Siegmund floss das Wasser am 11. Juni in einer Menge von 12 Cubikmeter per Minute aus einer Spalte in der Sohle der Strecke. In der Firste konnte sie in Form einer trockenen, anscheinend aus- keilenden Kluft verfolgt werden. Im Streichen bildete sie nach Ullrich einen Winkel von 9b zu 10h 6%; nach PoSepny wurde sie von einer in 11" streichenden und 5h fallenden Russkluft abge- schnitten und an ihr verworfen. Bemerkenswerth ist jedenfalls, dass die wasserführende Spalte in den nördlichen Seitenstrecken, auf welche ihr Streichen hindeutete, nicht als offene Kluft angetroffen worden ist, sondern dass man daselbst nur eine Reihe von 7® bis 8b streichenden, kleineren Klüften angetroffen hat. Ob nun die Hauptspalte nach PoSepny verworfen ist und vielleicht in der oben angegebenen Verwerfung ihre Fortsetzung findet, oder ob sie sich sehr rasch zu geschlossenen Klüften verengt, in jedem Falle muss man annehmen, dass die Wassereirculation nicht auf einer ausge- dehnten offenen Spalte, sondern nur auf einer kleinen Ausweitung in einem Systeme von geschlossenen Klüften vor sich ging. [7 458 Dr. Franz E. Suess. [34] 2. Der erste Wassereinbruch im Vietorinschachte am 28. November 1887. Nachdem sich die Verdämmung im Döllingerschachte voll- kommen bewährt hatte, konnte eine Reihe von Jahren dahingehen, ohne dass die Betriebe der an das Porphyrgebiet von Teplitz, Dux und Osseg anschliessenden Gruben eine Störung durch das Thermal- wasser, noch die Thermen durch jene erfuhren. Im Jahre 1887 er- folgte aber in dem an das Döllinger Grubenfeld westlich anschliessende Vietoringebiet ein neuerlicher Einbruch von ebenso nachtheiliger Wirkung auf die Gruben und begleitet von derselben Rückwirkung auf die Thermen. In manchen Einzelheiten unterschied sich diese Katastrophe von der ersten. Während im Jahre 1879 das Wasser aus der frisch angeschlagenen Ortsbrust urplötzlich hervorbrach, erfolgte der Einbruch im Vietorinschachte scheinbar spontan auf einer schon seit 40 Tagen in Betrieb stehenden Abbaukammer, ohne dass irgend ein warnendes Anzeichen vorhergegangen wäre. Das 12—14 m mächtige Kohlenflötz verflächt an der Sohle des Vietorinschachtes, dessen Füllort 1879 in 150°:68 m S. H. lag, sanft gegen West. Um hier die westlicheren Flötztheile ohne ansteigende Strecken abbauen zu können, vertiefte man im Jahre 1881, als nach erfolgter Sümpfung der Betrieb der Gruben wieder aufgenommen worden war, den Schachtsumpf; hiebei wurde unter der Kohle 8:9 m kalkiger Plänerletten durchstossen; darunter traf man in einer See- höhe von 13128 m auf Porphyr. Die Teufung wurde sofort unter- brochen und es wurde erst nach einer commissionellen Erhebung und auf Grund des Gutachtens zweier Sachverständiger, welche die Teu- fung wegen der vollkommenen Trockenheit des Porphyrs für gefahrlos _ hielten, ein 2 m tiefer Sumpf in den Porphyr niedergebracht. In der Seehöhe von 131'98 m wurde von der Grenze zwischen Porphyr und Pläner ausgehend ein Querschlag von 170 m Länge im Plänerletten gegen Südwest getrieben, bis der Querschlag wieder das Flötz traf; dabei wurden zur Vorsicht stets Vorbohrungen von 4 m nach allen Seiten in den Pläner bewerkstelligt. Weder im Porphyr, noch im Pläner waren bei diesen Operationen Anzeichen von bedeutenderer Wasserführung bemerkt worden. Der Abbau der östlich und südöstlich vom Schachte, theilweise jenseits der Duxer Bezirksstrasse gelegenen Flötztheile war schon seit 1384 in Angriff genommen worden und bis auf 100 m Entfernung vom Vietorinschachte heimwärts abgebaut worden. Hier sollte die am Schutzpfeiler gegen die Duxer Bezirksstrasse gelegene Abbaukammer Nr. 984 auch gegen den Schachtschutzpfeiler die letzte sein. Schon seit dem 9. November wurde die Kohle deckenweise herabgelassen und gefördert, und während dieser Zeit bis zum 28. November war gar kein Wasserzufluss in diesen Räumen beobachtet worden. Ueber- haupt war auch in den umliegenden Strecken, welche schon seit vielen Jahren in Betrieb waren, niemals ein Ausschwitzen der Kohle oder sonst irgend etwas Bedenkliches wahrgenommen worden. [35] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 459 Am 28. November um !/9 Uhr Früh hatten die Arbeiter, da man ein zu Bruchegehen des Abbaues befürchtete, die Schienen heraus- genommen und sich zum Frühstücke gesetzt, da vernahmen sie plötz- lich einen schussartigen Knall und ein Geräusch, wie wenn etwas rutschen würde, dann ein Säuseln, wie wenn Wasser durch enge Spalten zischte und später das dumpfe Brausen von grossen Wassermassen. Das Wasser drang aus der Sohle des Abbaues und trieb die leeren Hunde vor sich her. Die Arbeiter wandten sich eiligst zur Flucht und es gelang auch diesesmal den Bemühungen des Directors Klier durch eiligste Abberufung die gesammte Mannschaft der Vietorin- gruben zu retten. Die tieferen Grubenstrecken füllten sich sehr rasch. Die Ein- bruchstelle blieb aber anfänglich noch zugänglich. Nach der Angabe des Herrn A. Siegmund brach am 28. November an der Sohle des Abbaues ein schäumender Sprudel schmutzigen Wassers von 1!/, m Höhe und !/; m Breite hervor. Man versuchte die Ausflussöffnung durch mit Sand oder Letten, und mit groben Eisenfeilspänen gefüllte Säcke zu verstopfen, sie wurden jedoch von aufströmendem Wasser emporgewirbelt und zur Seite geschoben. Bald stellten sich auch schlechte Wetter ein und die Bergbehörde musste die Befahrung des Abbaues und der umliegenden Grubentheile untersagen. Die Temperatur des Wassers wurde wie beim Döllinger Ein- bruche mit 17° R. gemessen und die Menge wurde auf 50— 60 Cubik- meter per Minute geschätzt. Durch vier Tage wurde von dem Wasser massenhaft Sand und auch grössere Porphyrstücke von 1—2 Kilo- gramm Gewicht emporgebracht. Die Einbruchstelle lag in 145 m S. H., also 5'94 m tiefer als die Sohle des Urquellenschachtes in Teplitz, Ilm tiefer als die Ein- bruchstelle im Döllingerschachte und 680 m von dieser entfernt. Der Wasserzufluss war zwar anfangs durchaus kein so gewaltiger, wie der im Jahre 1879; damals wurden 20.000 Cubikmeter Gruben- räume innerhalb 10 Minuten ausgefüllt, während beim ersten Victorin- Einbruche nach 17 Minuten, als in der tiefsten Strecke das Wasser 2 m hoch stand, erst 3000 Cubikmeter erfüllt waren. Beim Döllinger Einbruche wurden die Nachbargruben Fortschritt, Nelson, Vietorin und Gisela innerhalb 24 Stunden inundirt, während im Jahre 1887 noch am 30. November die Tiefbauschächte Gisela und Döllinger noch intact waren; in der Nelsongrube ersoffen die Baue noch am 28. November durch Zufluss aus dem Alten Mann: In die Nelson- grube war ein Durchbruch bereits am 29. erfolgt. Erst am 5. December erreichte das Wasser die Höhe der Einbruchsstelle. Nach den Berechnungen des Herrn Bergingenieurs J. Krisch!) war aber die Gesammtmenge des Wassers, welche sich mit der Zeit in die Gruben ergoss, zum mindesten ebenso bedeutend, wie beim Döllinger Einbruche, sie hat sich aber durch eine viel kleinere Aus- flussöffnung viel langsamer ergiessen können, trotzdem diese um 11 m tiefer lag als damals. ') Zu den Dux—Osseger Grubenkatastrophen vom Jahre 1879 und 1897. „Kohleninteressent“, Bd. VI, Nr. 5, 6 und 7. 460 Dr. Franz E. Suess. [56] Schon vom 28. auf den 29. November sank das Wasser im Urquellenschachte ein wenig (4 OCentimeter); das Ausmass der Sen- kung nahm von Tag zu Tag zu; bis 5. December war der Spiegel um nahezu 3 m (von 201'28 auf 18936 m S. H.) und bis 16. De- cember um 9'2 m gefallen. Am 2. Februar war er auf 18282 m S. H. (um 18°46 »n) gesunken; von da an hatten sich die Wässer in den Spalten mit einem Ueberdruck von 7’48 m von Seiten der Thermen wieder ins Gleichgewicht gestellt, und die Therme begann wieder anzusteigen. Die Schönauer Quellen wurden auch in diesem Falle viel weniger beeinflusst und waren bis Mitte Februar nur um 056 m gesunken. Was die Sanirung dieses Einbruches betrifft, drängten sich natürlich dieselben Fragen auf, wie im Jahre 1879. Eine Verdäm- mung der Einbruchsstelle schien unbedingt geboten; eine vorher- gehende Sümpfung würde einerseits, wie die Erfahrung lehrte, eine sehr bedeutende Zeit in Anspruch nehmen, und anderseits den Thermenspiegel ausserordentlich herabdrücken, ja, da die Einbruch- stelle tiefer lag, als der bis auf 150 m S. H. abgeteufte Urquellen- schacht, war die Gefahr vorhanden, dass nur ein Sumpf von wenigen Metern den Pumpen zur Verfügung stehen würde, wenn auch das Wasser wegen des zu erwartenden Unterschiedes von mindestens 10 m nicht völlig aus dem Schachte gewichen wäre. In jedem Falle konnte eine bedeutende Herabdrückung der Therme, wie die Er- fahrung gelehrt hatte, in Folge des reichlicheren Nachströmens der kalten, wilden Wässer leicht sehr nachtheilige Folgen für die Eigen- schaften des Wassers haben. Nach sehr eingehenden Ueberlegungen und mannigfachen Vor- schlägen einigten sich die Besitzer der Thermalquellen und die Besitzer der inundirten Osseger Schächte Mitte Juli 1883 zu einem Vergleiche, welchem ein Projeet der Ingenieure Pata und Ullrich zu Grunde gelegt worden war. Der leitende Grundsatz dieses Ver- gleiches sollte die unbedingte Intacthaltung der Teplitz—Schönauer Thermen sein. Die Grubenbesitzer sollten verhalten sein, sobald als möglich und vor dem Beginne einer Auspumpung vier Bohrlöcher in die Abbaukammer Nr. 984, in welcher der Einbruch stattgefunden hatte, niederzubringen, und durch Einführung von Beton mittelst eines cylindrischen Löffels sowohl die Abbaukammer selbst, als auch sämmtliche in dieselbe einmündenden Strecken des oberen und unteren Horizontes zu verstopfen. Sobald man annehmen konnte, dass der Beton erhärtet und die subaquatische Absperrung der Einbruchstelle gelungen sei, sollte die Hebung der Wassermassen sofort in Angriff genommen und zunächst bis unter die Einbruchstelle durchgeführt werden; hierauf sollte erst die Einbruchstelle und die in die betref: fende Kammer mündenden Strecken durch entsprechende Mauerwerke endgiltig abgedämmt werden. Erst nach gelungener Vollendung dieser Arbeit durften die tiefer liegenden Theile der Gruben gesümpft und wieder in Betrieb gesetzt werden. Eine wesentliehe Bedingung des Vergleiches war auch die, dass der Wasserspiegel im Urquellen- [37] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 461 schachte durch diese Arbeiten während der Saison bis zum 15. Sep- tember 1888 nicht unter die Seehöhe von 180 m und während der Zeit vom 15. September bis zum 31. September nicht unter 175 m S. H. gesenkt werden durfte. Ganz entsprechend diesem Vorhaben wurde auch die Sanirung in gelungener Weise in viel kürzerer Zeit, wie beim. Döllinger Ein- bruche durchgeführt. Schon am 5. November konnte mit der Beto- nirung durch die Bohrlöcher begonnen werden; bis 16. November war sie bereits vollendet (nach Einführung von 1094 Cubikmeter Beton). Am 22. December, als man annehmen konnte, dass der Beton genü- gend erhärtet sei, wurde auf allen Schächten bei einem Wasserstande von 195 m S. H. die Sümpfung in Angriff genommen. Bei Unter- suchung der Einbruchstelle erwies sich die Verdämmung als gelungen; nur eine kleine Menge von Wasser (1—2 Liter) floss an zwei Stellen mit Temperaturen von 17° und 15'5° R. aus, auch nach Herstellung des endeiltigen Dammes floss wenig Wasser mit der genannten Tem- peratur constant aus. Die Wassermassen konnten einerseits wegen bedeutend vermehrter maschineller Anlagen, andererseits aber auch, weil nur ein sehr geringer Zufluss durch die Einbruchstelle erfolgte, viel leichter bewältigt werden als beim Döllinger Einbruche. Die rasche Senkung des Wasserspiegels übte keine Wirkung mehr auf die Teplitzer Quellen. Am 23. März 1889 konnte bereits die Förde- rung in den Vietoringruben wieder aufgenommen werden, nachdem bereits früher Gisela und Fortschritt damit begonnen hatten. Mit der Instandsetzung der tiefsten Gruben des Nelsonschachtes, deren tiefste Sohlen in 60'837 m S. H. gelegen waren und in denen der Betrieb noch bis Juni 1839 verzögert worden war, konnte die erste Vietorinkatastrophe als in ihrem wesentlichen Umfange sanirt betrachtet werden. Die eommissionellen Untersuchungen hatten bei den Sachver- ständigen die Ueberzeugung hervorgerufen, dass die unmittelbare Ursache der Einbrüche in der Anfahrung eines Punktes mit örtlicher, aussergewöhnlicher oder abnormer geologischer Beschaffenheit zu suchen sei. Die Bergbehörde trachtete deshalb für die Zukunft Anordnungen zu treffen, welche es vielleicht doch möglich machen sollten, die gefähr- lichen Punkte zu vermeiden. Dazu war es nöthig, mehr Klarheit über die Beschaffenheit des liegenden und des seitlich umgebenden Ge- birges zu gewinnen und wurden deshalb behördliche Vornahmen von Bohrungen angeordnet, welche gleichzeitig mit der Eröffnung der Grubenfelder vor sich gehen sollten. Zunächst sollten sehr tiefe Bohrungen in das Liegende von Fall zu Fall bewerkstelligt werden und zwar sollte ihre Lage und Teufe für jeden Fall speciell be- stimmt werden; ferner Bohrungen bis zu je 12 m Teufe unter allen Liegendstrecken an der Sohle des Flötzes in einer Maximalentfernung von je DO m und ausserdem sollte die Sohle jedes Abbaues mindestens 12 nm tief angebohrt werden. Die Wässer, welche durch solche Boh- rungen oder sonst irgendwie erschrottet werden, mussten sowohl in Bezug auf ihre Menge, als auch in Bezug auf ihre Temperatur genau gemessen und die Messungen gebucht werden. Ein tiefer Schacht, in Jahrbuch d. K. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr, Fr. E. Suess.) 60 462 Dr. Franz E. Suess». [38] den Nelsongruben abgeteuft, sollte als Centralwasserhaltung in den Gruben dienen und eine leichtere Bewältigung der Wasser- massen bei einem allfälligen neuerlichen Einbruch gestatten. Zu gleicher Zeit mit der oben angeführten Vereinbarung wurde von Besitzern der Quellen der Beschluss gefasst, ein Bohrloch auf 500 m Tiefe im Stadtgebiete von Teplitz niederzustossen. Man hoffte vielleicht eine ergiebige Quellspalte in der Tiefe anzutreffen und die Thermen von weiteren Zufälligkeiten in den Bergwerken unabhängig zu machen, ja sogar eine wärmere, reichere und vielleicht dauernd selbständig ausfliessende Therme zu erhalten; eine Anschauung, welche von der Mehrzahl der Sachverständigen getheilt wurde. Leider muss gesagt werden, dass der Erfolg dieser Bohrung nicht den Erwartungen entsprach. Nachdem ein erster Versuch mittelst Freifallbohrers an einer Bohrung im Curgarten missglückt war, wurde eine neuerliche Bohrung am Schlossplatze am 6. Mai 1890, in einer Seehöhe von 211 m in Aneriff genommen. Der Bohrer durchteufte sehr rasch die oberen Schichten, bestehend aus 65 m diluvialem Letten und 15 m Pläner und Hornstein und bewegte sich dann langsamer bis in grosse Tiefen im Quarzporphyr. Mancherlei Schwierigkeiten, hauptsächlich hervorgerufen durch die steilen, von kaolinartigen, thonigen Zersetzungsproducten begleiteten Klüfte im harten Porphyr, verzögerten die Arbeit. So durchdrang der Bohrer bis Anfang April 1891 unter dem Pläner 352 m Porphyr, dann traf man auf einen weissen, völlig zersetzten Phonolitgang von 16 m saigerer Mächtigkeit. Nach weiterer Durchdringung von 105 m harten Porphyrs musste die Arbeit in einer Tiefe von 3865 m abgebrochen werden. Während der Erweiterung des Bohrloches von 6 Zoll auf 8 Zoll war das Bohrgezähne vom Seile gefallen und hatte sich derart verklemmt, dass ein Weiterteufen mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Schon während des Bohrens war bei Vielen die Hoffnung auf eine selbstthätige Therme geschwunden. In der Tiefe von 95 m wurde eine Spalte von 342° R. angefahren, dann aber zeigte die Temperatur des Wassers keine wesentliche Zunahme mit der Tiefe. Nur bis zur Tiefe von 55 Metern war sie noch von 34'8% auf 386° R. gestiegen, blieb constant bis 73 m Tiefe, und sank dann mit grösseren und kleineren Schwan- kungen mit zunehmender Tiefe. Bei 355 m Tiefe kehrte sie noch einmal auf 38° R. zurück; in der allergrössten Tiefe von 386 ın betrug sie aber nur 280 R. Das Wasser zeigte keinen Auftrieb, sondern stand immer gleich mit dem Wasserspiegel im Urquellenschachte. Da so die Hoffnungen keine Nahrung fanden und auch die in Vor- anschlag genommenen Kosten bereits überschritten waren, wurde das Bohrlochprojeet vorläufig wieder fallen gelassen )). Das Schwanken der Temperatur im Bohrloche bei verschiedenen Tiefen lässt darauf schliessen, dass man an verschiedenen Stellen 5) Norbert Marischler. Die Ergebnisse der Teplitzer Tiefbohrung in geologischer und bohrtechnischer Beziehung und Vorschläge zur Erreichung eines Sala ‚Nebst einem Anhang: Studien über den Ursprung der Teplitzer Thermen. eplitz. ae wm un ” [39] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 463. Thermalwasser führende Spalten angetroffen hat. Diese Spalten müssen mit der Hauptspalte im Urquellenschachte in Verbindung stehen, da sich das Wasser im Bohrloche mit dem Wasser im Schachte in’s hydrostatische Gleichgewicht gestellt hatte. Die Geschichte. dieses Bohrloches beweist, dass der Hauptzug des Thermalwassers an gewisse - mächtigere Spalten gebunden ist, und dass es bei deren unregelmässigem Verlauf vom Zufalle abhängen muss, ob durch. die Bohrung solche Spalten angetroffen werden. In den schwächeren Nebenspalten, in welchen das Thermalwasser nicht ständig strömend bis an die Oberfläche dringt, rufen die vom Tage zusitzenden wilden ‘ Wässer eine Herabminderung der Temperatur hervor. Der Vollständigkeit halber muss hier noch der Erbohrung von artesischem Wasser in Wisterschan östlich von Teplitz gedacht werden. Sie war bereits vor der Inangrifinahme der Teplitzer Bohrung bewerkstelligt worden und hat auch mit dazu beigetragen, die Hoff- nungen auf das Gelingen dieser zu stärken. Der Ort der Bohrung, welche von den Gebrüdern Grohmann nächst ihrer Fabrik unter- nommen wurde, liegt in dem Thale des Teplitzer Baches 3100 m von der Urquelle entfernt, bereits ausserhalb des Teplitzer Porphyrgebietes, und umgeben von den eruptiven und sedimentären Hügeln der Ter- tiärformation in einer Seehöhe von 175 m. Das Wasser stieg aus der erbohrten Tiefe von 17210 m empor, und floss auch noch bei Ansatz eines 8 »n hohen Steigrohres in der Menge von 4—5 Liter in der Secunde frei aus. Die Temperatur betrug 24°C. (19'2° R.), sein Härte- grad betrug blos 4—5 und seine chemische Zusammensetzung war, abgesehen von dem etwas grösseren Gehalte an freier Kohlensäure, nur wenig verschieden von dem der Teplitzer Quellen. Unter einer 5°8m mächtigen Decke von Humus, Lehm und Kies, welche sehr kalk- reiches Wasser führte, wurde eine sehr mächtige Lage verschieden- artiger, theils mehr lettenartiger, theils fester und kalkiger Pläner- bildungen durchfahren. Das liegendste, wasserführende Gestein in 172 m Tiefe ist ein harter, kalkreicher und quarzitischer Sandstein, und wird von Laube zum Isersandstein gestellt’). Nach Marischler (l. e. pag. 20) ist das Gestein theils thoniger, theils krystallinischer Kalkstein, enthält keinen Quarz und wurde von ihm für Pläner ge- halten. Es ist hier, wie man wobl mit Laube ganz gut annehmen kann, ein Thermalwasser angetroffen worden, welches aus irgend einer Spalte des Porphyrs in der Umgebung von Teplitz ausströmend, sich an der Grenze von Pläner und Porphyr bis auf die Seehöhe von 24 m, abwärts bewegt hat; der Auftrieb ist derselbe, wie der bei einem artesischen Brunnen, in welchem eine wasserführende Schicht unter einer undurchlässigen Decke angefahren wurde. Allerdings . muss dabei der starke Auftrieb überraschen, welcher fast an: die Ausfluss- höhe der Urquelle heranreicht. Er deutet darauf hin, dass das Wasser einem Spaltensysteme entstammt, welches mit dem von Schönau und Teplitz in keinem engeren Zusammenhange steht. ') Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1888, pag, 491. e 60* 464 Dr. Franz E. Suess. [40] 3. Der zweite Wassereinbruch im Vietorinschachte am 25. Mai 1892. Anscheinend ganz spontan erfolgte nach einer Unterbrechung von nicht ganz drei Jahren an derselben Stelle, wie im Jahre 1887, ein neuerlicher Wassereinbruch, welcher abermals seinen eigenen Charakter besass. Die Wässer brachen nicht mit der Plötzlichkeit hervor, wie beim ersten Victorin- Einbruche, geschweige wie beim Döllinger Einbruche; es erfolgte vielmehr ein anfangs allmäliges Zu- sickern und ein später immer rascher zunehmendes Einströmen der Grubenwässer, welches von den zahlreichen Pumpanlagen, die seit den vorhergehenden Einbrüchen bestanden, nicht gewältigt werden konnte. Während der Zeit seit Abschluss der Verdämmung war nur ein sehr geringer Wasserzufluss von 37—-97 Litern per Minute und 13°6° R. (170 C.) an derselben zu beobachten gewesen. Am 25. Mai 1892 morgens gewahrte man, dass der Wasserzufluss an einzelnen Ausflussrohren zugenommen hatte und trübe geworden war; durch die Kugeldämme und durch die Kohle begann bald das Wasser durchzusickern; nachdem dieser Zustand 5 Stunden gedauert hatte, erfolgte um 10 Uhr Morgens der hauptsächliche Wassereinbruch und es ergoss sich das Wasser durch die alten Baue in die benachbarten Nelson-, Fortschritt- und Giselagruben, in welchen schon früher ebenso wie in der Vietoringrube die Mannschaft aus Sicherheitsrücksichten zum Ausfahren veranlasst worden war. Am ersten Tage betrug der Wasserzufluss 70—-S0 Cubikmeter per Minute, verringerte sich aber schon am folgenden Tage und am 29. wurde er mit 24 Cubikmeter per Minute geschätzt. Allmälig stieg der Wasserstand in den Gruben trotz des Pumpens mit allen Maschinen bis 24. Juni auf 130 m S. H. und hat bis 14. Juli die Höhe der Einbruchstelle (145 m) erreicht; während dieser Zeit war das Wasser im Teplitzer Urquellenschachte auf 18672 m S. H. gesunken. Da die Einbruchstelle wegen der Verdämmung nicht zugänglich war, ist es nicht erwiesen, ob dieser Einbruch genau an derselben Stelle erfolgt ist, wie der erste, oder in einer Nachbarkammer, welche, wie sich später herausgestellt hatte, durch Herausschwem- mung des Versatzmaterials zu Bruche gegangen war. Untersuchungen, welche durch Bohrungen vorgenommen wurden, ergaben, dass der Beton- körper der subaquatischen Verdämmung zum Theil über einem Hohbl- raume stand, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich der Beton- körper in Folge einer mangelhaften Unterstützung, theilweise gesenkt und gespalten hatte. Es kann aber auch angenommen werden, dass, nach genügender Anstauung der Wässer und nach Erreichung derselben Druckhöhe, wie beim ersten Einbruche, ein ähnlicher Durchbruch der Sohle in der benachbarten Abbaukammer (Nr. 963) erfolgt ist, wie damals. Die ungenaue Kenntniss der Verhältnisse an der Ein- bruchstelle war somit einer der Hauptpunkte, welche eine neuerliche subaquatische Verdämmung nicht thunlich erscheinen liessen. ‘ Das Wasser in den Schächten stieg weiter unter gleichzeitigem Sinken des Quellenspiegels bis August 1892 bis auf eirca 162 m [41] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 465 S. H. und wurde bis Juni 1895 in diesem Niveau gehalten. Als da- mals die Quellen während der Saison unter den früher vereinbarten Wasserspiegel von 180 m bis auf 178°65 m gesunken waren, wurde auf behördliche Anordnung die Wasserhebung eingestellt. Der Beginn der Wasserhebung mit Ende der Saison (14. September) brachte die Grubenwässer bald wieder von 170°68 »ı, auf welehe Höhe sie gestiegen waren, bis auf 160 m. Die Thermalwässer befanden sich während der folgenden Monate, in denen die Grubenwässer in der genannten Höhe gehalten wurden, je nach dem Pumpbetrieb in 173— 180 ın S. H. Trotzdem es gelungen war, bei den vorhergegangenen Wasser- einbrüchen die Gruben sowohl als auch die Thermen wieder zu retten, schien es in diesem Falle, als ob sich die Schwierigkeiten in dem Masse gesteigert hätten, dass man auf eine Sanirung ohne Schädigung einer der beiden Interessengruppen nicht hoffen könnte. Es war nicht möglich, dieselben Mittel anzuwenden, wie bei den vorhergegangenen Katastrophen. Gegen eine Sümpfung der Gruben bis zur Einbruch- stelle verwahrten sich die Quellenbesitzer ebenso wie im Jahre 1885, da die Einbruchstelle bedeutend tiefer lag (145 m S. H.) als die im Döllingerschachte (156 m S. H.) und da, wenn die Thermen durch die Sümpfung auf so grosse Tiefen herabgedrückt würden, nach den bisherigen Erfahrungen n»icht garantirt werden konnte, dass die Quellen in Bezug auf Temperatur, Zusammensetzung und Wasser- menge keinen Schaden erleiden würden. Man musste auch fürchten, dass möglicherweise sich die Nothwendigkeit einer weiteren Teufung der Quellenschächte herausstellen könnte; ebenfalls ein Umstand, der nach den bisherigen Erfahrungen über den Verlauf der durchaus nicht leicht zu verfolgenden Thermalspalten nieht wünschenswerth erscheinen konnte. Ausserdem musste befürchtet werden, dass sich eine derartige Action nicht im Verlaufe eines Winters durchführen liesse und dass möglicherweise eine Saison für die Bäder verloren sehen müsste. Ein solcher Verlust würde natürlich einen sehr schweren, vielleicht nicht mehr zu überwindenden Schlag für jede Badestadt bedeuten. $ Auch an eine subaquatische Verdämmung, wie sie beim ersten Vietorin-Einbruche durchgeführt worden war, konnte in diesem Falle nicht gedacht werden. Die Lage der Einbruchstelle und deren Natur waren nicht bekannt. Ein Vorschlag, mittelst Caissons zur Einbruch- stelle zu gelangen, konnte, da hiezu ein zu grosser Atmosphärendruck benöthigt worden wäre, welcher das Leben der Arbeiter hätte ge- fährden können, keine Anwendung finden. Die folgenden Jahre vergingen nun unter Verhandlungen zwischen den Grubenbesitzern und den Quelleninteressenten, welche aber zu keinem Resultate führten. In einem Theile der inundirten Schächte, Nelson und Fortschritt, wurde späterhin die Wasserhebung ganz ein- gestellt. Nur in den höchstgelegenen Grubenteldern des Gisela- schaehtes wurde das Wasser in 161—165 m S. H. gehalten, wodurch hier der Weiterbetrieb des Abbaues und der Förderung ermöglicht wurde. So war der Zustand als Ende 1394 die bisher drei verschie- denen Besitzern gehörigen Gruben von der Brüxer Bergbaugesell- 466 Dr. Franz E. Suess. [42] schaft angekauft wurden, deren Centraldirector G. Bihl den Quellen- besitzern ein neuerliches Project vorlegte. Im Februar 1895 kam mit Zugrundelegung dieses Projectes zwischen beiden Interessenten- gruppen ein Vertrag zu Stande, welcher, wie das nicht anders denk- bar ist, ausser der grossen technisch-montanistischen Hauptfrage eine ganze Reihe von pekuniären Bestimmungen enthielt, die uns aber hier nicht interessiren. So wie bei früheren Verträgen war auch diesem der Grund- sedanke vorausgeschickt, dass bei der durchzuführenden Sanirung eine Berührung der Heilquellenfassung in Teplitz, insbesondere eine tiefere Abteufung der Quellenschächte ausgeschlossen sein müsse, und dass nach gelungener Durchführung rücksichtlich der Wasser- stände ein den ordnungsmässigen Bäderbetrieb gewährleistender Zu- stand aufrecht erhalten werde. Das neue Project stützte sich auf folgende Beobachtungen be- züglich der Gruben- und Quellenwasserstände: Als mit Ende der Saison 1893 das Pumpverbot wieder aufgehoben wurde, waren die Inundationswässer bald von 170 bis auf 160 m S. H. niedergebracht worden, ohne dass sich diese Senkung im Urquellenschachte fühlbar gemacht hätte, im Gegentheile, das /Thermalwasser war in dieser Zeit — trotz des Bäderbetriebes — um einen Meter gestiegen. In der vorhergegangenen Zeit waren am Döllinger Hilfsbau 3—4 Oubik- meter per Minute gehoben und dadurch die Wässer in Seehöhe 161 m ständig gehalten worden. Eine gleiche Wassermenge hatten die Pumpen schon vor der Katastrophe als wilde Wässer zu bewältigen gehabt. Die Ergiebigkeit der Teplitzer Thermen war schon früher mit 3—4 Cubikmeter per Minute bekannt gewesen. Wenn das Thermalwasser den Gruben zufliessen würde, so hätten die Pumpen daselbst, um das Wasser auf gleichem Niveau zu halten, 6—8 Cubikmeter per Minute zu bewältigen gehabt. Da nun der Thermalspiegel trotz der Wasser- haltung in fortwährendem Ansteigen begriffen war und sich bereits 20:6 m (182:15—161'6 m. 8. H.) über dem Niveau des Inundations- wassers befand, schloss man aus diesem und aus den vorhergenannten Umständen, dass keinerlei Wasserzufluss vom Thermalgebiete gegen die Gruben mehr stattfand. Im Verlaufe des Jahres 1893 hatten sich bedeutende obertägige Senkungen über der Einbruchstelle gebildet, zur selben Zeit, als der Zusammenhang zwischen den Thermalwässern und den Grubenwässern bereits unterbrochen schien. Man schloss daraus, dass die seinerzeit versetzte Abbaukammer Nr. 963 wieder ausgeschwemmt und zu Bruche gegangen war, dass sich vielleicht der theilweise über einem Hohlraume schwebende Betonkörper neuerdings gesetzt hatte, und dass ferner die wasserführenden Spalten durch Lehm und Letten ver- legt worden waren, so dass sich auf diese Weise die Einbruchstelle von selbst wieder verstopft hatte. Nichtsdestoweniger konnte man eine einfache Sümpfung der Grube nicht wagen, da eine stärkere Belastung der Einbruchstelle durch weiteres Senken des Gruben- wasserspiegels höchst wahrscheinlich einen neuerlichen Durchbruch zur Folge gehabt hätte. [43] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 467 Auf die Controle der Wasserstandsverhältnisse und die damit verbundene Regelung des auf der Einbruchstelle lastenden Druckes bezog sich der erste Hauptpunkt des neuen Projectes, welcher die Anlage eines Pegelscehachtes betraf. Es sollte ein Schacht in der Nähe der Döllinger Einbruchstelle bis auf deren Höhe (15645 m) niedergebracht und wasserdicht abgemauert werden. Durch eine wasser- dichte Communication soll der Schacht mit der Verdämmung an der Döllinger Einbruchstelle in Verbindung gebracht werden, so dass die im Schachte angestaute Wassersäule den Massstab gibt für den auf dem Verdämmungsventil lastenden Druck; auch gestattet diese Wasser- säule, die Bewegung des Wasserspiegels in diesem Theile des Ther- malgebietes direet zu beobachten, und eine 7 Kilometer von Teplitz entfernte, sehr werthvolle Zwischenstation gestattet, die Wechsel- beziehungen zwischen Inundations- und Thermalwässern viel genauer im Auge zu behalten. An der Schachtsohle sollten Reserve - Ventile angebracht werden, welche zu jeder Zeit geöffnet und geschlossen werden können, und es dadurch ermöglichen, den Wasserabfluss aus dem Pegelschachte zum Döllinger Hilfsbau nach Wunsch zu re- suliren. Nach Vollendung des Pegelschachtes sollte das Ventil an der Döllinger Verdämmung geöffnet und dem hinter demselben auf- gestauten Wasser ein freier " Ausfluss nach den Grubenräumen gewährt werden. Dabei sollte gestattet werden, beide Wässer bis auf 1 m unter der Döllinger Einbruchstelle zu sümpfen. Der Zweck dieser Massnahme ist der, den auf der Vietorin - Einbruchstelle lastenden Druck um 21 Meter zu entlasten, so dass eine weitere Sümpfung kaum mehr eine Gefahr bezüglich eines neuerlichen Durch- bruchs enthalten konnte. Allerdings wurde dadurch ein Zustand geschaffen, wie er zur Zeit der Verdämmung der Döllinger Einbruch-' stelle durch 11 Monate (vom Juni 1881 bis Mai 1882) bestanden hatte; aber in einer Weise, welche die Quellen in viel geringerem Masse bedrohen konnte. Denn einerseits sollte nicht wie damals auch in den Quellschächten gesümpft werden, dann war eine viel raschere Vollendung der Sanirungsaction zu gewärtigen wie damals und ferner eine Abschliessung jederzeit durchführbar. Man nahm an, dass das Thermalwasser nicht unter 170 m S. H. sinken werde, welche Voraussetzung auch zutraf. Von der Döllinger Einbruchstelle bis auf die Vietorin-Einbruch- stelle waren nur mehr 11 m Wasser zu sümpfen, was mit den seit dem ersten Einbruche hergestellten Anlagen, wobei in diesem Falle auch der Döllinger Hilfsbau mit in Betracht kommt, voraussichtlich in sehr kurzer Zeit durchgeführt werden konnte. Die Einbruchstelle hatte, wie oben bemerkt, schon früher einem höheren Drucke (21m) zu widerstehen gehabt; und so konnte man wohl annehmen, dass sie auch bei der weiteren Sümpfung die im Thermalgebiete bis zur Höhe des Döllinger Ventiles aufgestaute Wassersäule ertragen würde. Zunächst sollte nur bis auf zwei Meter unter die Vietorin-Einbruch- stelle (1453 m S. H.) gesümpft werden; dann die Freilegung der Einbruchstelle. und die endgiltige Verdämmung derselben bewerk- stelligt werden. Erst nach Vollendung aller Sicherheitsmassnahmen 468 Dr. Franz E. Suess. 2 [44] durfte an die weitere Sümpfuvng und Wiederinstandsetzung der tiefer gelegenen Grubentheile geschritten werden. _ Ueber den zeitlichen Verlauf der Durchführung dieser gross- artigen, in allen Theilen als gelungen zu bezeichnenden Sanirungs- action gibt das Graphicon auf Taf. X Aufschluss. Abgesehen von geringfügigen Störungen sind die Arbeiten ganz regelmässig vor sich gegangen. Im Februar 1395 war das Werk begonnen worden, und nach nicht ganz einem Jahre, am 30. Jänner 1896 fand die Collau- dirung der Verdämmung an der Vietorin- Kinbruchstelle statt. Zu gleicher Zeit wurde auch das Ventil an der Döllinger Einbruchstelle wieder geschlossen. Die Förderung in der Fortschritt- und Vietorin- grube hatte schon im November und December beginnen können, da wegen des geringen Einflusses der Wasserhebung auf die Thermen einer tieferen Sümpfung in den Gruben unter die Vietorin-Einbruch- stelle nichts im Wege gestanden war. 4. Wassereinbruch im Giselaschachte am 24. April 1897. Noch einmal ist das Wasser aus den Plänerschichten in die Grubenräume durchgebrochen, und zwar an einer dritten, weiter gegen Norden gelegenen Stelle. Diesesmal ist es aber gelungen, die Ausflussöffnung in so rascher Zeit zu versperren, dass kein merk- barer Einfluss auf die Quellen beobachtet wurde. Unweit nördlich des Füllortes am Giselaschachte ist das Flötz an einer WSW-—-ONO -streichenden Kluft um 32 m saigerer Höhe nach Norden verworfen.. Zur Ausrichtung war seit Mai 1896 vom Füllorthorizonte aus ein Fallort vorgetrieben worden. Bereits am 25. Jänner, nachdem diese Strecke auf 90 m weit getrieben war, wurde hier etwas Wasser durch ein Bohrloch erschrottet. Der Vor- schrift gemäss (s. S. 458) wurde nämlich von Zeit zu Zeit sowohl vor Ort als auch in der Firste und in der Sohle um 4 »n vorgebohrt. Das betreffende Bohrloch war auf 42 m in Sohle getrieben worden und hatte 1 m Mergel, 31 m blauen Letten, und 01 m Sandstein durchbohrt. Die Strecke befand sich im Liegendletten. Aus dem Bohrloch floss Wasser von 15°5° R. in der Menge von 3'3 Liter per Minute. Noch in derselben Schicht war es gelungen, die Boh- rung wasserdicht zu verstopfen. (Als weitere Sicherheitsmass- nahmen sollte in der Weise vorbohrt werden, dass die Bohrung stets mindestens 4 m parallel der Fallortaxe, dem Streckentrieb vorauseilt. In beiden Ulmen und in der Firste sollte in Abständen von wenigstens 3 m auf mindestens 2 m vorgebohrt, und bei even- tueller Wasserschrottung die betreffende Bohrung sofort wasserdicht verschlossen werden.) Der Fallort war aber nicht weitergetrieben worden. Am öl. Jänner Morgens wurde in der Sohle des Fallortes ein Wasser- ausfluss von 7°6 Liter per Minute bemerkt; er wurde durch Einbau einer Monski-Pumpe gewältigt, dauerte aber in der Folgezeit von 10°2 bis 6°7 Liter per Minute schwankend fort. Man schritt deshalb im Februar an die Herstellung eines Keildammes, welcher das Fallort absperren sollte. | | - [45] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 469 Anfang März begann auch aus der Firste aus dem letzten Bohrloche Wasser zu fliessen, der Letten war um dieses Bohrloch herum „ganz aufgeweicht und löste sich breiartig ab“. Am 8. März lösten sich auch Lettenpartien von der Firste und fielen herab. Damals wurde der gesammte Wasserzufluss an der Firste und an der Sohle mit 11 Liter per Minute gemessen. Am 24. April um 11 Uhr Vormittags erfolgte der Wasserein- bruch. Nachdem kurz vorher die Strecke noch befahren worden war, ohne dass etwas Auffälliges bemerkt worden wäre, vernahmen die am Füllorthorizonte beschäftigten Arbeiter um die genannte Zeit das Rauschen des Wassers, das aus dem Kopfe des Fallortes (Seehöhe 15935 m) herausdrang und gegen den Schachtsumpf abfloss. Die Wassermenge wurde auf 1!/, Cubikmeter per Minute geschätzt und ein sofortiges Ausfahren der Mannschaft veranlasst. Die Temperatur ‚betrug 14—14!/,° R. Bis Nachmittag hatte der Wasserzufluss noch zugenommen und betrug nach verschiedenen Schätzungen 2—4 Cubik- meter per Minute. Am Kopfe des Fallortes sollte rasch ein Balkendamm mit ge- stampftem Letten errichtet werden, und man hoffte ihn noch fertig- stellen zu können, bevor das Fallort unzugänglich geworden ist; nach- dem das ersteingesetzte Rohr. von 250 mm den Wasserzufluss nicht fasste, musste noch ein zweites von 200 mm beigefügt werden; der Lettendamm konnte bis auf 50 Centimeter Höhe gebracht werden. Da die Wasserhaltung des Giselaschachtes nur auf 1'/, Cubikmeter eingerichtet war, hatten sich die Tiefbauten des Schachtes bis 8 Uhr Abends ganz mit Wasser gefüllt. Der Wasserzufluss nahm noch stetig zu und wurde am 29. a auf 38 Cubikmeter per Minute geschätzt. Als einzig mögliche Sani- rungsmassnahme wurde vorgeschlagen, im Giselaschachte möglichst rasch starke Pumpen einzubauen, durch welche der Kopf des Fall- ortes freigehalten und verdämmt werden konnte. Gleichzeitig sollte auf das Fallort von Tage aus eine Bohrung von 200 mm Weite ge- trieben, und später auf 600 mm nachgeschnitten werden, durch welche Lehmkugeln eingeführt und dadurch die Erstickung des Wasserzulaufes gefördert werden konnte. Das Wasser war bis zum 25. nicht in dem Masse gestiegen als man gefürchtet hatte, und es konnte am Kopfe des Fallortes noch weiter gearbeitet werden. Ja, es gelaug noch ‘an demselben Vor- mittage, an Stelle des Lettendammes, dessen Herstellung zu zeit- raubend schien, einen Damm aus Ziegeln und Cement herzustellen. Das Wasser brach aber am östlichen Stosse durch die lockere Kohle durch und man beschloss, in der Oststrecke an der nächsten noch wasserfreien Stelle einen zweiten Damm zu errichten. Die Pumpen sollten in einem im Füllort des Wasserschachtes auszubrechenden Raum aufgestellt werden; da die Ueberschwemmung: des Füllortes bei einem stündlichen Steigen des Wasserstandes um 3 Centimeter in 63 Stunden zu gewärtigen war, wurden, um Zeit zu gewinnen, an allen zum Förderschachte und zum Wasserschachte führenden Strecken 1 m hohe Lettendämme errichtet. Damit konnte man auf 4 Tage Zeitraum für die der Sümpfung vorangehenden Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 61 ATo Dr. Franz E. Suess. [46] Arbeiten rechnen. Am 26. April stieg jedoch das Wasser noch stärker, um 3'7 Centimeter per Stunde, und man entschloss sich, die an den Streeken aufzuführenden 6 Dämme bis an die Firsten zu erhöhen, sodass der Förderschacht und die nähere Umgebung kammerartig abgesperrt wurden. Bis 29. April war das Wasser bis auf 1:35 hinter diesen Nothdämmen gestiegen. Inzwischen war auch die Ein- richtung der Pumpen vollendet und man hoffte, in derselben Nacht mit der Sümpfung beginnen zu können. Die genannten Nothdämme hatten sich also vortrefflich bewährt. Am 1. Mai Morgens hatten die Inundationswässer mit 163°60 m S. H. ihren höchsten Stand erreicht. Von da an. wurde er durch den Pumpenbetrieb, der anfangs wohl durch schlechte Wetter an der Sohle des Förderschachtes einige kleine Unterbrechungen erlitten hatte, stetig herabgebracht. Am 14. Mai war der Füllorthorizont (161°41 m) wieder wasserfrei. Das Bohrloch hatte am 12. Mai die Fallortstrecke erreicht und es wurde sofort mit der Einfüllung von Lehmkugeln. begonnen; ausserdem wurde 20 »m nördlich ein zweites Bohrloch auf den Fall- ort begonnen, das am 19. Mai fertiggestellt war. Ein grosser Theil des massenhaft eingeführten Materials wurde offenbar fortgetragen und an den Dämmen abgesetzt. Am 1. Juni stand die Sümpfung bereits 70 Centimeter unter dem Kopf des Fallortes (in 158'6 m.). Mit der Herstellung der definitiven Cementverdämmung daselbst war schon früher begonnen worden. Die definitive Schliessung der Einbruchstelle fand am 3. Mai, 2 Uhr Nachmittags statt. Der Wasser- zufluss hatte inzwischen, wahrscheinlich in Folge der Material- einführung durch die Bohrlöcher, bedeutend nachgelassen. Am 8. Juni wurde die Förderung wieder im vollen Umfange aufgenommen. Am 13. Juni waren auch die Tieibaue der Grube wieder wasserfrei, und am 15. war die Verdämmung vollkommen fertiggestellt. Wie bereits hervorgehoben wurde, hatte dieser Einbruch keine merkbare Wirkung auf die Teplitzer Thermen ausgeübt. Nichtsdesto- weniger kann an dem Zusammenhange des in die Giselagrube er- gossenen Wassers mit dem Thermalgebiete nicht gezweifelt werden. Dies geht aus dem deutlichen Sinken des Wassers im Pegelschachte (Döllinger Bohrloch), im Vietorin-Bohrloch und im Riesenquellen- schachte hervor. Doch war die Wechselwirkung keineswegs von der Lebhaftigkeit, wie bei den früheren, namentlich beim ersten Ein- bruche. Zum Theil mag das aber mit dem Umstande zusammen- hängen, dass die Thermalwässer einen tiefern Stand (180°68 mn S. H.) hatten, indem ja erfahrungsgemäss nach allen früheren Beobachtungen mit dem tieferen Stande die Wechselbeziehung zwischen Gruben- wässern und Thermalwässern eine zunehmende Erlahmung zeigen. Die Urquelle war vom 24. April bis zur Verdämmung der Ein- bruchstelle am 3. Juni von 180°68 m auf 17918 m, also um eirca 1:50 m gesunken. Es wurde aber geltend gemacht. dass daselbst zum Bäderbetriebe 1'7 Cubikmeter Wasser per Minute gehoben wurden, was eine Senkung von 3/, m während des Tages verursachte, die sich aber während der Nacht wieder bis auf 3—4 Centimeter erholte. Man kann also diese Senkung auch auf den Bäderbetrieb [47] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 471 allein zurückführen, welcher nach obiger Schätzung eine Senkung des Wasserspiegels von 120—160 Centimeter zur Folge gehabt haben müsste. Für die Riesenquelle und für das Pegelbohrloch können aber dieselben Argumente nicht gelten; erstere war seit dem Ein- bruch von 17490 auf 17283, d. i. um 2:07 m, und letzteres von 17353 auf 162°06, d. i. um 147 m gesunken. Das der Einbruch- stelle näher gelegene Victorin-Bohrloch zeigte eine stärkere Senkung, nämlich von 16941 auf 16742 m S. H., d.i. um 1'99 m. (S. Taf. X.) In demselben Sinne ging auch das Ansteigen der Wässer nach Verschliessung der Einbruchstelle vor sich; in den unmittelbar hinter der Verdämmung gelegenen Bohrlöchern, welche auf den Fallort ge- trieben waren, staute sich das Wasser sofort hoch an bis zur Höhe der Riesenquelle und der Bohrlöcher, auf welche die Verdämmung weniger plötzlich, aber doch sehr deutlich wirkte. Obiger Deutung ent- sprechend, nach welcher die Wasserhebung im Quellenschachte auf dessen Wasserspiegel einen viel grösseren Einfluss ausübte, als der stattgehabte Einbruch, machte sich auch die Schliessung der Ein- bruchstelle am Urquellenschachte nicht bemerkbar. IV. Beziehungen zwischen Thermalwasser, Inundations- wasser und Grundwasser. Mit der grossartigen Unternehmung, welche die Gewältigung des zweiten Vietorin-Einbruches zu Stande brachte, war es gelungen, einen Zustand herzustellen, in dem man mit grösserer Ruhe den eventuellen neuerlichen Wassereinbrüchen entgegensehen konnte. Man konnte das Aufstauen der Wässer in der Thermalzone im Pegel- schachte und in der Riesenquelle überwachen, und durch zeitweises Ablassen derselben durch das Ventil beim Döllinger Hilfsbau den Ueberdruck der Wässer und die Gefahr für die Gruben vermindern, oder auch im Falle eines Einbruches die Gewältigung des Wassers durch Oeffnen dieses Ventils und durch Zuhilfenahme weiterer An- lagen beschleunigen. Vergleicht man den kurzen Zeitraum und die Sicherheit, mit der man des letzten Einbruches im Giselaschachte Herr geworden ist, mit dem Schrecken und der Rathlosigkeit der ersten Katastrophe am Döllingerschachte, bei der man schon die Gruben und die Quellen verloren glaubte, so erkennt man, ein wie grosser Einblick während der seither verflossenen Jahre in die Wechselbeziehungen der Wässer gewonnen worden ist, und auf welch’ vollkommene Weise man sie beherrschen gelernt hat. Bis man in Bezug auf die hydrologischen Verhältnisse zu dem gegenwärtigen Zustand der, wenn auch noch „nicht vollkommenen Klarheit, gelangt ist, waren begreiflicherweise zahlreiche verschie- dene Anschauungen zur Deutung derselben in geologischer Hin- sicht im Umlaufe. Manche Annahmen sind durch spätere Ereig- nisse von selbst beseitigt worden. So dachte Wolf im Jahre 1879, ‚dass man in der Richtung von der Döllinger Einbruchstelle 61* 472 Dr. Franz E. Suess. [48] zu den Teplitzer Thermen eine thermalwasserführende Verwerfungs- spalte annehmen müsse, welche unter dem Kühteiche von einer NNO-—-SSW-streichenden zweiten Verwerfung (dem Osseger Verwurf) in gleichem Winkel geschnitten wird. Die Kreuzungsstelle der bei- den Spalten wurde — nach Wolf’s Auffassung — angefahren und dadurch das Wasser der Thermalspalte entleert. Die späteren Ein- brüche haben gezeigt, dass auch an anderen, nördlicher gelegenen Punkten dieselbe Gefahr von Wassererschrottung bestand. Nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnisse scheint die Anschauung, welche PoSepny bereits im Jahre 1880 hegte und im Jahre 1888 äusserte, die grösste Wahrscheinlichkeit zu besitzen, nämlich, dass die dem Porphyr unmittelbar aufgelagerten Conglomerate und zum Theile auch die Plänerschichten mit grossen Mengen von Grundwasser und Thermal- wasser erfüllt sind, die sich gelegentlich der ersten Einbrüche zu- nächst plötzlich entleert haben. Erst etwas später hat eine Rück- wirkung 'auf die mit dem Pläner- und Conglomerat-Reservoire in Verbindung stehenden Thermalspalten stattgefunden. Die braunkohlenführenden Tertiärschichten, welche im Westen den Pläner und den Porphyr überlagern, sind an zahlreichen, haupt- sächlich NS-streichenden Verwerfungen westwärts abgesunken; es lässt sich bei der Mächtigkeit einzelner Störungen wohl annehmen, dass sie sich theilweise in das liegende Gebirge fortsetzen, und dass die tiefere Lage des Porphyrs unter den Kohlengruben tektonischen Beziehungen zugeschrieben werden muss. Die Einbrüche können aber, wie die Aufschlüsse an den Einbruchstellen gelehrt haben, nicht einem Hauptverwurfe zugeschrieben werden, welcher das Teplitzer Porphyrgebiet im Westen abschneidet, wenn auch angenommen werden muss, dass kleinere Klüfte den Weg geboten haben zur Entleerung der unter hohem Druck stehenden Wassermassen in den Liegend- schichten. Schon oben wurde (darauf hingewiesen, dass sich ein Theil des Thermalwassers ohne Zweifel aus dem Porphyr in die Conglomerate und in den Pläner ergiesst, dass die Augenquelle und die Schönauer Thermen aus hornsteinführendem Pläner kommen, ohne dass unmittel- bar darunter Thermalspalten angefahren wurden, und dass die Horn- steine und Baryte in den Conglomeraten der Umgebung von Teplitz darauf hindeuten, dass sich in diesen zur Zeit, als die Thäler von Teplitz-Schönau noch nicht so tief eingeschnitten waren, Thermal- wässer bewegt haben. In der Bohrung von Wisterschan wurde Thermalwasser, welches ohne Zweifel ebenfalls aus höheren Theilen des Porphyrs stammt, in den sandigen Liegendschichten des Pläner angefahren. PoSepny hat bei Untersuchung der Einbruchstelle im Döllingerschachte im Jahre 1881 grosse Mengen von rundlichen Porphyrstücken angetroffen, welche von den Wassermengen mitge- rissen worden waren und, wie er wohl richtig geschlossen hat, den Porphyrconglomeraten entstammen dürften. Im Giselaschachte wurde in dem Fallorte, der den Einbruch eröffnet hat, hornsteinführender Pläner erbohrt. Etwas anders liegen die Verhältnisse an der Ein- bruchstelle im Vietorinschachte; dort war nicht nur der Porphyr vollkommen trocken angefahren und 2 m tief abgebaut, sondern [49] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 4713 es war sogar auch im Pläner eine ganze Strecke ohne Wasser- führung getrieben worden. Als in der östlichen Strecke aus der Sohle einer Abbaukammer der Einbruch erfolgt war, vermuthete man, dass unmittelbar unter der Strecke der Porphyr anstehe; eine Vermuthung, die auch hier durch den Umstand unterstützt wurde, dass eine Menge von Porphyrgrus mit 1—2 Kilogramm schweren Porphyrstücken hereingeschwemmt worden war. Die Thatsachen vom Victorineinbruche beweisen, dass durchaus nicht überall der Pläner und Porphyr von Wasser durchtränkt sein müssen, während die anderen Fälle gerade nur auf diese Gesteine hindeuten. Bei den zwei ersten grossen Einbrüchen haben sich ohne Zweifel grössere Reservoirs plötzlich entleert; es scheint, dass die grossen Wasseranhäufungen in grösserer Tiefe abnehmen, dass die zahlreichen Hohlräume dort nicht mehr vorhanden sind, welche die Reservoire und Verbindungswege für die Wässer bilden, und es spricht alle Wahrscheinlichkeit für die bereits oftmals geäusserte Annahme, dass sich bei den ersten Einbrüchen das im Pläner und in den Conglomeraten in grosser Menge angestaute Wasser ent- leert hat. — Eine allzu schematische Vorstellung wird aber nament- lich in geologischen Fragen in den Einzelheiten sehr leicht auf Widersprüche stossen und es muss auch der Annahme Höfer’s Raum gegeben werden, dass manche Partien des liegenden Gebirges durch verschiedentliche Störungen von der westlichen thermalwasserführenden Zonen in der Weise abgetrennt sind, dass sie vollkommen trocken bleiben konnten. Wenn sich in der Nähe des Porphyrs Gesteinspartien im Tertiär befinden, welche im Stande sind, Wasser aufzunehmen und mit jenem durch Klüfte in Ver- bindung stehen, werden auch sie sich vollgesogen haben und bei ihrer Entleerung gelegentlich eines Einbruches die Wässer aus dem Porphyr oder dem überlagernden Öonglomerate nach sich ziehen, Ein solcher Vorgang äusserte sich bei allen Einbrüchen darin, dass die Temperatur der Einbruchswässer bei den einzelnen Katastrophen nach einigen Tagen um einige Grade gestiegen war. Im Porphyr steigt das warme Wasser aus einer Menge von Spalten hervor, welche sich nicht in ein System einordnen lassen. Wohl scheint die Vertheilung der Quellen auf eine bestimmte Thermen- zone hinzudeuten, die Richtung der Quellspalten, welche man bei den Schachtabteufungen angetroffen hat, lassen sich aber nicht in bestimmte Beziehungen zueinander bringen. Bei den Schachtabteu- fungen wurden auch häufig Spalten mit kühlerem Wasser angetroffen ; es treten an einzelnen Klüften von oben sogenannte wilde Wässer zum Thermalwasser. Die Erfahrungen bei der Tiefbohrung am Schlossplatze haben vollends gelehrt, dass es bei der Systemlosig- keit des Spaltennetzes auch noch in grösserer Tiefe ganz vom Zu- fall abhängt, ob man auf ergiebige Thermalspalten trifft oder nicht. Ein getreues Bild der Geschichte der Teplitzer Thermen bietet das von Stur im Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1888, Taf. V wieder- gegebene Graphicon der Wasserstände in den Quellenschächten und in.den inundirten Gruben, welches von der beigeschlossenen Dar- 474 Dr. Franz E. Suess. [50] stellung auf Taf. X bis in die neuere Zeit ergänzt wird. An diesen Curven lässt sich am besten der Modus der Wassereirculation zwischen den in den Spalten im Porphyr und den in den künstlichen grossen Hohlräumen im Tertiärgebiete angestauten Thermalwässern erläutern. In dem raschen Ausfteigen der Inundationscurve beim Döllinger Ein- bruche kann man die plötzliche Entleerung einer grösseren Wasser- menge aus erfüllten Spalten und Hohlräumen erkennen. Erst etwas später erfolgt die Rückwirkung auf die Quellen. Als am 3. März, 7 Uhr Früh die Therme im Urquellenschachte angetroffen wurde, war sie wahrschein- lich bereits wieder im Steigen beeriffen; es war schon eine Rückwir- kung von den bereits angefüllten Grubenräumen auf die Wasserstände in den Porphyrspalten eingetreten. Dafür gibt ein Umstand einen An- haltspunkt, auf welchen W olf!) aufmerksam gemacht hat. Wie bereits erwähnt, war eine grosse Anzahl von Hausbrunnen in Teplitz zugleich mit. der Urquelle versiegt; unter diesen auch der 350 m NW von der Urquelle gelegene, nach dem Besitzer benannte, Frohnebrunnen. Nach seiner hohen Temperatur (17° R.) zu schliessen, enthielt er Thermalwasser dem Grundwasser beigemengt. Er begann zwei Tage nach dem Versiegen der Urquelle zu sinken und verschwand in kurzer Zeit vollkommen. Aber er füllte sich bereits am 27, Februar, bevor noch die Therme im Quellenschachte angetroffen war, neuer- dings mit Wasser; die Grubenwässer waren damals bis 15:56 m unter der Sohle dieses Brunnens gestiegen. Wolf schloss, dass bereits damals der Abfluss gegen die Schächte um so viel abgenommen hatte, dass ein Theil des aus der Tiefe emporsteigenden Wassers zur neuerlichen Aufstauung im Teplitzer Gebiete verwendet wurde. Vor der Katastrophe war der Spiegel des Frohnebrunnens in 204 m S. H., d. 1.085 m über dem Ausflusse der Urquelle gestanden; bei der Auffindung der Urquelle befand er sich aber 963 m über dieser; die Grundwässer konnten also hier nicht so rasch nachgezogen werden, als das Thermalwasser sich entleert hatte. Jedenfalls ist der Rückstau auf das Thermalwasser schon zu einer Zeit einge- treten, als dieses noch um mindestens 6°5 m höher stand als die Inundationswässer. Letztere waren beim Döllinger Einbruch im September 1879 auf 202 m gestiegen. Diese Höhe wurde bei keiner der folgenden Katastrophen mehr erreicht, und zum Theil ist das darauf zurück- zuführen, dass später grössere Grubenräume zur Ausfüllung gelangten. An den absteigenden Curven, welche die Gewältigungsarbeiten dar- stellen, sieht man, wie bei sinkenden Wasserständen die Linien für die Quellen und für die Inundationswässer immer mehr auseinandertreten. Nach dem Pumpverbote im Juli 1880 steigt der Wasserstand in den Gruben bedeutend rascher als der Thermenspiegel; die Ueberhöhung der Thermen nimmt aber nur scheinbar so rasch ab, indem das Wasser im Urquellenschachte durch den Bäderbetrieb unter seinem natürlichen Ueberdrucke gehalten worden war. ') Wolf, l. e. pag. 6. Wochenschrift des österr. Ingenieuren- und Archi- tekten- Vereines 1879. [51] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 475 Die Sümpfung in den grösseren Tiefen im Winter 1880—1881 ging, wie bereits oben bemerkt wurde, anscheinend langsamer vor sich, weil sich hier der Spiegel der Inundationswässer in die tieferen verzweigten Grubenräume über eine grössere Fläche ausdehnte. Damals wurde auch die Therme .von den Sümpfungsarbeiten wenig beeinflusst und man musste im Quellenschachte durch Pumpen nach- helfen, um die Weiterteufung zu ermöglichen. Dem wahren Bilde des Wasserstandes nähert sich hier eine Verbindungslinie zwischen den Spitzen, welche die Pumpenstillstände im Quellenschachte be- zeichnen. Am deutlichsten wird die Steigerung des Ueberdruckes im Quellenschachte in dem Zeitabschnitte vom Juni 1881 bis Mai 1882, in welchem das Wasser an der Einbruchstelle frei ausfloss. Das Thermalwasser fiel aus der steil einfallenden Quellspalte in 170m S. H. in den Schacht; der Ueberdruck betrug demnach wenigstens 15 m. Die Ursache dieser Erscheinung wird unten noch eingehender besprochen werden. Beim ersten Vietorineinbruche füllten sich die Gruben lang- samer als beim Döllinger Einbruche, trotzdem die Einbruchstelle tiefer gelegen war; einerseits wegen des geringeren Wasserzuflusses, d. h. wegen .des kleineren Querschnittes der Einflussöffnung, und anderseits, da grössere Grubenräume zur Ausfüllung gelangten. Die Gesammtwassermenge soll nach den Berechnungen des Herrn Direc- tors Klier grösser gewesen sein als das erste Mal. Der Rückstau und der Beginn des Steigens im Quellenschachte: trat damals schon bei tieferen Wasserständen ein (2. Februar 1888); es war der Ueberdruck in den Thermen dementsprechend grösser, nämlich 182.82 — 17531 = T51l m. Die ansteigenden Öurven nähern sich einander sehr rasch, weil der Wasserstand der Thermen durch das Pumpen während der Badesaison herabgedrückt war. Sehr rasch ging die Sümpfung der Einbruchswässer, nach erfolgter subaqua- tischer Verdämmung, vor sich, da die maschinellen Anlagen vermehrt worden waren und man nicht wie beim Döllinger Einbruche auch das constant aus dem Thermalgebiete zufliessende Wasser mitzu- sümpfen hatte. Als an der verdämmten Stelle der zweite Vietorineinbruch erfolgt war, stiegen die Wässer noch langsamer an. Sie wurden in 161 m Höhe gehalten, damit die Giselagruben den Abbau weiter betreiben konnten. In dieser Seehöhe war der Ueberdruck der Thermen noch bedeutender, nämlich 18—20 mn. Der Ausfluss aus dem Thermalgebiete scheint mehr behindert gewesen zu sein, als bei den früheren Einbrüchen. Wie in dem Sanirungsvorschlage des Centraldirectors der Brüxer Kohlenbergbau-Gesellschaft, Herrn G. Bihl, ausgedrückt ist, war bereits im September 1895 nur mehr eine sehr beschränkte Verbindung zwischen beiden Gebieten vor- handen, denn nachdem man während der Saison 1895 die Gruben- wässer hatte bis auf 17068 m S. H. ansteigen lassen, bewirkte die darauf folgende Senkung keinerlei Beeinflussung der Quellen- spiegel, im Gegentheil war bereits im Winter 1895 —1894 die Urquelle in neuerlichem Ansteigen begriffen. Anderseits kann man aus der Tabelle ersehen, dass die Wasserhebung im Urquellenschachte, welche 476 Dr. Franz E. Suess. [52]: am 26. September 1895 begonnen worden war, keinen Einfluss auf den Wasserstand der Grubenwässer ausübte. Vor Beginn der Sümpfung der Gruben wurde, :um die Einbruch- stelle nieht zu sehr zu überlasten, der Wasserspiegel in Teplitz von’ 182 m S. H. auf circa 177 m S. H. herabgedrückt. Nach Oeffnung des Döllinger Ventils am 29. April wurde die Wasserhebung am Ur- quellenschae hte wieder eingestellt; zunächst stieg die Quelle neuer- dings an bis auf 179 m, später aber sank sie wieder conform der. W asserhebung in den Gruben, mit einem constanten Ueberdrucke von eirca 22—25 m. Der Ueberdruck nimmt mit zunehmender Tiefe in dem Masse zu, dass es fast scheint, die Therme könne überhaupt nicht durch ‘die Entleerungen in den Kohlengruben unter 170m S. H. hinabgedrückt werden, wenn nicht das Wasser im Quellenschachte selbst gehoben wird. | Im Jahre 1883, geraume Zeit nach Sanirung des ersten Ein- bruches, wurde zur erleichterten Controle der Wasserstände die Riesenquelle um 16 m, d. i. auf 191'86 m S. H. abgeteuft, in welcher Höhe man auf Wasser traf. Wie das Ansteigen in diesem Schachte bewies, füllten sich die westlichen Spaltenräume im Porphyr allmälig, bis sie im Juli 1387 die Höhe des damaligen Standes, d. 1.201 mS. H. erreicht hatte. Wenige Monate nachher erfolgte der erste Vietorin- einbruch; in dem raschen Verschwinden des Wassers aus dem Riesen- quellenschachte (vom 28. November bis 1. December 1887) spiegelt sich das plötzliche Entleeren des Wassers aus den westlichen Spalten. Die Urquelle sank viel langsamer und noch später wurden die Schönauer Quellen beeinflusst. Gelegentlich der Sanirung des zweiten Vietorineinbruches wurde im Jahre 1881 auch der Riesenquellenschacht zum Behufe der Con- trole auf eine kleinere Seehöhe (191045 ») niedergebracht. Selbst nach erfolgter Verdämmung der Döllinger Einbruchstelle (20. Mai 1882) war die Schachtstolle bis Ende December 1885 trocken geblieben. Die Wasserstandschwankungen verhielten sich an diesen drei Beobachtungspunkten sehr ähnlich und bewegten sich während der Sümpfungsarbeiten beiläufig zwischen den Inundationswässern und dem Urquellenspiegel. Sehr deutlich sieht man in dem Graphicon auf Taf. X die rasche Einwirkung des Oeffnens des Ventils am Pegelschachte, zunächst auf das Döllinger Bohrloch und dann auf. die Riesenquelle (20. Juli, 23. August 1895), ebenso die der neuerlichen Wasserhebung am. 15.. September. Nach Abschliessung der Einbruchstelle steigen sofort alle Curven rasch an; die mit Hochwasser verbundene Schneeschmelze im März 1896 verursacht eine leichte, nach oben convexe Ausbuchtung in allen Linien, d. h. eine vorübergehende Beschleunigung im Processe der neuer- lichen Anfüllung des Thermalgebietes. Die verschiedenen Zweige dieses Systems suchen sich in gleiches Niveau zu stellen und die Curven des tiefer stehenden westlichen Wassergebietes, welches dem Ausflussterrain zunächst lag. drängen in Folge dessen rascher empor und nähern sich denen der östlichen Wasseransammlung. Um das Wasser nicht in gefahrbringender Weise anstauen zu lassen, wird am 16. Juli 1896 das Ventil im Pegelschachte geöffnet | | [53] Studien über unterirdische Wasserbewegung. A77 und das Wasser gehoben, wodurch ein Sinken des Wasserspiegels im Pegelschachte und in den Bohrlöchern und eine Verzögerung des Ansteigens im Urquellenschachte verursacht wird. Die Be- schränkung des Pumpbetriebes im Februar 1897 verursachte dagegen sofort ein neuerliches Ansteigen der Wasserstände. Die Wasser- hebung an der Urquelle und Frauenquelle, geht conform der Saison und stört in Folge ihrer ziemlichen Gleichförmigkeit das Gesammtbild nur wenig. Dasselbe Bild der Beeinflussung zeigt sich auch bei dem Wasser- einbruche im Giselaschachte, welcher so auffallend rasch bewältigt wurde. Nur wird das Sinken des Wasserstandes an der Riesenquelle und an den Bohrlöchern weniger deutlich, da sie durch die starke Wasserhehung im Pegelschachte in tiefem Niveau gehalten worden waren und nach erfolgtem Einbruche natürlich die Wasserhebung eingestellt worden war. Die Rückwirkung auf die Teplitzer Thermen ist, wie oben bemerkt, eigentlich fraglich, da durch den gesteigerten Däderbedarf der Wasserspiegel in den Quellschächten ohnehin etwas herabgedrückt war. In stets höherem Niveau als die Teplitzer Quellen hielten sich die Quellen von Schönau, als deren Vertreter die Hügelquelle auf dem Graphicon eingetragen wurde. Sie zeigt in Folge ihrer grösseren Entfernung in ihren Wasserstandsverhältnissen noch geringere Empfind- licbkeit gegen die wechselnden Ausflussverhältnisse aus dem Thermal- gebiete in die Grubenräume. Herr Bergingenieur W. Poech hat in einer sehr anregenden Schrift!) eine Erklärung gegeben für die in mancher Hinsicht eigenthümlichen, hydrostatischen Beziehung der verschiedenen Beobachtungspunkte, wie sie sich bis zum Jahre 1888 dargestellt haben. Er verglich das Wassergebiet von Teplitz, das der Riesen quelle und die Grubenräume mit drei gesonderten Gefässen, zwischen denen eine verhältnissmässig nur beschränkte Verbindung besteht. Die grössere Ergiebigkeit der Riesenquelle vor ihrem Versiegen, soll einen grösseren Zufluss, der nach Poech’s Anschauung nur aus dem Grundwasser der Umgebung der Quelle stammt, für dieses Gebiet, als jener des Gebietes von Teplitz—Schönau andeuten. Als die Quellen noch vollkommen intact waren, sollen diese beiden Gebiete (Gefäss I und II) vollkommen gefüllt gewesen sein und die zufliessenden Wassermengen in den betreffenden Quellen ihren Ausfluss gefunden haben, ohne dass trotz der vorhandenen Verbindung, ein Austausch zwischen beiden Gebieten stattgefunden hätte. Als den Wässern der Riesenquelle im Jahre 1876—1879 allmälig schwache Abflüsse gegen die Grubenräume (Gefäss III) eröffnet wurden, verschwand diese allmälig, ohne auf die Teplitzer Thermen einen Einfluss auszuüben, was ebenfalls dafür sprechen soll, dass keine Verbindung zwischen den Gefässen I und II geherrscht hat. Bei dem Wassereinbruche nach !) W. Poech.: Die hydraulischen Vorgänge in den Spalten des Teplitz- Erzgebirgischen Porphyrs. „Oesterr. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen“, Wien. XXXVI. Jahrg., 1888. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft (Dr. Fr. E. Suess.) 62 AT8 Dr. Franz E. Suess. [54] Gefäss III entleerte sich plötzlich Gefäss II, während sich das Ab- nehmen der Wassermenge in Gefäss I erst später fühlbar machte; denn es konnte aus diesem Gefässe, nach dem Spaltensystem der Riesenquelle, wegen des kleinen Querschnittes der Verbindungsöffnung nur eine geringere Wassermenge nach II abfliessen, als sich von hier segen die Grubenräume ergoss. In dem Masse, als sich das Gefäss II allmälig füllte, stiegen auch in gleichem Niveau die Wässer im Gefässe II. Dadurch verminderte sich der Druck der höher stehenden Wässer in Gefäss I. Es konnte nicht mehr die ganze Wassermenge, welche hier zufloss, d.i. das Quantum der Ergiebigkeit der Teplitzer Therme, welche Poech mit 1'’5 Cubikmeter per Minute berechnet, gegen ]I ausfliessen. Das Wasser begann also auch im Gefäss I, d.i. im Urquellenschachte neuerdings zu steigen. Es ist das der Zeit- punkt, in welchem, wie oben gesagt wurde, der Rückstau der Gruben- wässer gegen die Thermalwässer eintrat. Beim ersten Einbruche be- trug die Ueberhöhung in diesem Zeitpunkte 6°5 oder 7 m. Aus der Aus- flussmenge von 1'5 Cubikmeter (Ergiebigkeit der Teplitzer Thermen) und aus der Ueberhöhung von 7 m berechnete Poech den Querschnitt der Durchflussöffnung mit 36 Quadratcentimeter. Das Wasser in den Gefässen II und III stieg rascher an, als das im Grefässe I, woraus Poech schliesst, dass der horizontale Flächenquerschnitt in letzterem erösser ist, als in jenen beiden zusammen. Durch das raschere Ansteigen der Grubenwässer wird theoretisch der Zeitpunkt eintreten, in welchem sie sich mit den Teplitzer Quellen gleichstellen. Dann wird von dieser Seite gar kein Zufluss mehr gegen das Össeger Spaltensystem (Gefäss II und III) stattfinden, und in Folge des hier angenommenen grösseren Grundwasserzuflusses würde man nach Poech das höhere Ansteigen der Riesenquelle über den Teplitzer Thermen und dann wieder das Eintreten der ursprünglichen Zustände erwarten können. So einleuchtend auch diese Erklärung von Poech erscheint, so kann sie doch nur als eine stark schematische Umschreibung der natürlichen Verhältnisse angesehen werden. Zunächst kann die Riesen- quelle mit ihrem Spaltensystem nicht in dem von Poech angenom- menen Sinne als besonderes, von dem Teplitzer System unabhängiges Gefäss mit eigenen Zuflüssen betrachtet werden. Der höhere Ausfluss der Riesenquelle kann dafür nicht als Beweis gelten; denn solange auf beiden Seiten das Wasser ausfliesst, wird es nur von dem Querschnitte der unterirdischen Wasseradern abhängen, auf welcher Seite die grös- sere Wassermenge ausfliesst, und die nur wenig verschiedene Ausfluss- höhe wird bei vollkommener Spannung der Wässer keine Rolle spielen können. Aber auch als die Riesenquelle seit dem Jahre 1876 all- mälig abnahm, wird es für die Teplitzer Quellen in Folge der Spannung des unterirdischen Wassers gleichgiltig geblieben sein, ob sich das Wasser der Riesenquelle nach der Oberfläche ergiesst, oder ob es seitlich gegen die Grubenräume durchsickert. Erst wenn be- deutendere Wassermengen als diejenigen der alten Riesenquelle dem westlichen Theile der Spalten im Porphyr entnommen werden, wird sich das bei gleichmässiger Verbindung zwischen Teplitz und der Riesenquelle äussern können. In der That scheint das bereits 10 [55] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 479 vor dem ersten Einbruche der Fall gewesen zu sein; denn nach den von Poech eitirten Angaben Dr. Eberle’s litt die Teplitzer Bäder- versorgung bereits vor dem Jahre 1879 zeitweise an Wassermangel. Wir kennen die Spaltensysteme und ihre gegenseitigen Be- ziehungen nicht so genau, als dass wir uns eine bestimmte Vorstellung von den jeweiligen Wasserzuflüssen durch Oeffnungen mit berechen- baren Querschnitten machen könnten. Nur das eine wissen wir, dass sich dem Abflusse des Thermalwassers aus dem Urquellenschachte ein bestimmter Widerstand, eine Hemmung entgegensetzt, die bei verschiedenen Wasserständen verschieden ist, und bei einem be- stimmten Wasserstande auch durch die Annahme einer Ausfluss- öffnung von geringerem Querschnitte als der der Zuflussöffnung zur Urquelle einen rechnerischen Ausdruck gewinnen kann. In diesem Sinne ist wohl auch nur die Berechnung von Poech gemeint. — Es stellt sich aber heraus, dass wir bei verschiedenen Wasserständen verschieden grosse Ausflussöffnungen annehmen müssten. Poech nahm an, dass sich die Spalten gegen die Tiefe zu verengen und in Folge dessen bei tieferem Wasserstande nur ein kleinerer Aus- flussquerschnitt vorhanden ist. Bereits Höfer hat in seinem Gut- achten ausgedrückt, dass diese Annahme nicht nothwendig ist und sich durch eine einfachere ersetzen lässt. Er verglich die gegen die Gruben geneigte Curve, welche der Spiegel der in den Spalten- systemen angestauten Wässer darstellt, sehr richtig mit der gegen einen Fluss geneigten Curve, welche der Spiegel des gegen den Fluss abziehenden Grundwassers darstellt. Je tiefer der Wasserstand des Flusses, desto grösser die Differenz zwischen dem Niveau des Flusses und dem eines Brunnens am Thalgehäng, d. h. bei tiefem Wasserspiegel ist die Grundwassercurve steiler als bei hohem Wasser- stande. Dasselbe ist bei dem im Teplitzer Porphyr angestauten Wasser der Fall. — Dem Abzuge des Grundwassers gegen den Fluss stellt sich auch ein Widerstand, eine Art Hemmung entgegen, welche derselben Art ist, wie diejenige, welche das Wasser hinter einem Damme anstaut, durch den es nur langsam hindurchsickern kann. Die Stauhöhe entspricht einem gewissen Drucke, der nöthig ist, um die ganze zufliessende Wassermenge durch die Spalten des vorge- lagerten Dammes hindurchzupressen. Einer grösseren Wassermenge entspricht ein grösserer Widerstand, und es wird sich in Folge dessen das Wasser hinter dem Damme umso höher aufstauen, je grösser die zufliessende Wassermenge ist, trotzdem die ganze Wassermenge durch den Damm hindurchsickern kann. Welche Provenienz man immer für die Thermalwässer von Teplitz annelımen will, darüber kann kein Zweifel sein, dass das Wasser in den Thermalspalten nicht von oben zufliesst, sondern von unten emporsteigt, und welche auch die Ursache des Auftriebes sei, man kann sie sich in der Form eines imaginären, communieirenden Rohres vorstellen; die Kraft, welche. das Wasser in den Spalten emportreibt, wird einem gewissen Wasserstande in dem communi- eirenden Rohre entsprechen. Die Geschwindigkeit, mit welcher eine Flüssigkeit in ein Gefäss aus einer communicirenden Röhre über- strömt, ist bei einem bestimmten Querschnitte abhängig von dem 62* 480 Dr. Franz E. Suess. [56] Wasserstande in der letzteren, d. h. von dem durch diese ausgeübten hydrostatischen Druck. So lässt sich auch die in den Teplitzer Thermen zuströmende Wassermenge vergleichsweise auf einen ange- nommenen hydrostatischen Druck in der imaginären, communieirenden Röhre zurückführen, in welcher aber der Wasserstand constant bleibt und stets ausreichend ist, um das Wasser, falls es nicht seitlieh abfliesst, bis zur Höhe der Löwenköpfe (202 m) zu heben. Bei freiem Abflusse des Wassers aus der Einbruchsöffnung in die Gruben, wie zur Zeit vor Abschluss der Döllinger Verdämmung, fliesst die ganze Menge des Thermalwassers den Gruben zu. Durch die Spalten des Porphyrs, welche als vielfach mit Letten und Kaolin verlegt gedacht werden können, hat das Wasser einen gewissen capillaren Widerstand zu überwinden. Dieser Widerstand findet seinen Ausdruck in der Wassersäule, welche sich im Urquellenschachte an- staut. resp. welche nach erfolgter Sümpfung im Schachte stehen bleibt. Erst wenn hier durch eine entsprechende Wassersäule der nöthige Druck ausgeübt wird, kann die gesammte einströmende Wassermenge den Widerstand überwinden und gegen die Gruben durchgepresst werden. Die nöthige Ueberhöhung beträgt bei der Seehöhe der Ausflussöffnung von 156°45 m 65 m; diese Zahl drückt direct den Widerstand aus, den die bei der Döllinger Einbruchstelle abfliessen- den Wassermassen zu überwinden haben. Wird das Wasser in den Gruben nicht gesümpft, so erfüllen sich ihre Räume und das Wasser steigt an; ebenso steigt auch das Wasser im Urquellenschachte. Um die Höhe, in welcher hier das Niveau gestiegen ist, muss nun der durch die ideale communieirende Röhre ausgeübte Druck vermindert gedacht werden. Dem geringeren Drucke entspricht eine geringere zufliessende Wassermenge; eine Erscheinung, die sich, wie allgemein bekannt, darin äussert, dass sich ein Gefäss aus einem communicirenden Rohre anfangs rasch, und mit steigendem Wasserspiegel immer langsamer anfüllt. Da eine geringere Wassermenge zufliesst, kann auch gegen die Gruben nur eine geringere Menge abfliessen; der geringeren Menge entspricht ein kleinerer capillarer Widerstand in den Spalten des Porphyrs und naturgemäss auch eine kleinere Ueberhöhung der Wassersäule im Urquellenschachte gegenüber den Inundationswässern. In je höherem Niveau sich die Wasserspiegel befinden, desto geringer wird die Differenz sein, in der sie sich ausgleichen; ein Verhältniss, das, wie bereits oben betont wurde, den Thatsachen vollkommen entspricht. Daraus erklärt es sich auch, dass, je tiefer die Wasserspiegel stehen, desto mehr die gegenseitige Beeinflussung beim Sümpfen erlahmt. Man hat es eben mit einer Winkelfuncetion zu thun, bei der die Niveaudifferenz der Tangente eines mit der Tiefe der Wasserstände stets zunehmenden Winkels entspricht. -— Die so gewonnene Vor- stellung erklärt es auch, dass, trotzdem wir ein Ansteigen der Thermen aus der Tiefe annehmen müssen, in der Tiefbohrung am Schlossplatze beim Anfahren von neuen Spalten kein Ansteigen des Wasserspiegels beobachtet wurde. Alle Spalten bilden ein zusammen- hängendes Netz, dem natürlich auch die Thermen von Schönau an- gehören; aber der Circulation des Wassers von diesen gegen Teplitz a ur De [57] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 481 stehen ganz dieselben Hemmungen entgegen, wie von Teplitz gegen die. Gruben. Ueber dem Thermalwasser ceireuliren mit derselben Schwer- fälligkeit die kalten Tagwässer in den Porphyrspalten und in den auflagernden Plänerschiehten. In den zahlreichen Ilohlräumen des Porphyrconglomerates mögen sie häufig mit jenen zusammentreten und die Ausscheidung der Baryte und Hornsteine befördern Im Allgemeinen sind sie einem lebhafteren Wechsel unterworfen, als die Thermalwässer, da sie ganz unmittelbar von den Nieder- schlägen und dem Wasserstande der Flüsse abhängig sind. Insoferne sie zur Tiefe sinken können, werden sie eine Abkühlung des Thermal- wassers herbeiführen, und das wird besonders dann der Fall sein, wenn der Thermalwasserspiegel sich senkt und dadurch Raum in den Spalten für ihren rascheren Zutritt geschaffen wird. Dementsprechend sinkt auch die Quellentemperatur mit sinkendem Wasserspiegel (vgl. die Temperaturcurve auf Taf. X); besonders ist das dann der Fall, wenn durch starkes Pumpen im Quellenschachte der Wasserspiegel rasch gesenkt wird; dann wird besonders viel kaltes Grundwasser in den Schacht gezogen. Es entsteht um den Schacht herum ein Depressionstrichter (s. Höfer, Gutachten S. 44), dessen Wand- neigung die Hemmung darstellt, welche das gegen den Schacht ab- fliessende wilde Wasser erfährt. Sehr viele Brunnen in Teplitz haben eine Temperatur, welche grösser ist als die normale Bodentemperatur (14—18° R.); ein Be- weis, dass dem Grundwasser Thermalwasser beigemengt ist. Teuft man hier in geringer Tiefe ab, so wird man bald den wechselnd mächtigen Grundwassermantel durchstossen haben und in die Thermal- wasserzone gelangen. Viele Hausbrunnen zeigen auch bei starkem Pumpen eine Zunahme der Temperatur; ein unzweifelhafter Beweis, dass durch den im Depressionskegel verengten Grundwassermantel, der diffus in die wärmeren Regionen übergeht, eine grössere Menge von Thermalwasser nachgezogen wird. — Bei den einzelnen Fin- brüchen nahm stets nach einiger Zeit die Temperatur der Einbruch- wässer um circa 1PR. zu (14—15° R.); ein Beweis, dass zuerst mehr wildes Wasser, dann mehr Thermalwasser nachgeflossen ist. Alle diese Erscheinungen, sowie die Bohrung in Wisterschan, lehren, dass eine weit grössere Menge Thermalwasser aus der Tiefe emporsteigt, als in den einzelnen Quellen und oberflächlichen Thermen zum Aus- flusse gelangt, und dass sich auch bei ganz normalen Verhältnissen ein grosser Theil des Thermalwassers in seitlichen Grundwasser- strömen verliert. Bei verschiedenen Thermen wurde die Beobachtung gemacht, dass mit zunehmender Niederschlaesmenge nicht nur die Ergiebig- keit, sondern auch die Temperatur der Thermen zunimmt). Es wurde diese Erscheinung als Beweis betrachtet, dass die 'Thermal- wässer nichts anderes seien als an Ort und Stelle erwärmte Grund- ) Siehe A. Rosiwal: Ueber neue Massnahmen zum Schutze der Karls- bader Thermen. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A, 1895, pag. 694. 189 Dr. Franz E. Suess. [58] wässer. Was Teplitz betrifft, spricht gegen diese Annahme, abgesehen von den in der Einleitung hervorgehobenen allgemeinen Gesichts- punkten, vor allem die sehr verschiedene chemische Zusammensetzung von Grundwasser und Thermalwasser, von denen die ersteren bei ihrem Durchgang durch den Pläner einen sehr hohen Härtegrad er- langen, während diese überhaupt nur sehr geringe Mengen fester Substanzen gelöst enthalten. Wenn mau annimmt, dass eine Therme stets starke seitliche Ergiessungen in die Grundwasserregion besitzt, welche Theile des Thermalwassers den Hausbrunnen und den Flüssen zuführen, wofür die diffuse Vertheilung der‘ Temperatur in den Hausbrunnen der meisten Thermalquellengebiete geltend gemacht werden kann, so glaube ich, dass obige Erscheinung auch auf andere Weise erklärt werden kann. Man denke sich als extremsten Fall das Grundwassergebiet als ein ähnliches Gefäss wie die Gruben- räume gegenüber den Teplitzer Quellen, welche einen Theil des Thermalwassers an sich ziehen. Würden die Grubenräume rasch vom Tage aus angefüllt, so wird selbstverständlich der Abfluss an Thermal- wasser abnehmen und eine grössere Wassermenge im Quellenschachte selbst emporsteigen können. Jeder Thermalquellenausfluss, als in einer Terrainvertiefung, meist an einer 'Thalsohle gelegen, ist stets rings umgeben von dem zu Tage zusitzenden Grundwasser, dessen Spiegel, wie nicht anders zu erwarten, über dem Thermalspiegel steht und unter einem gewissen Drucke demselben zuzuströmen trachtet. Dieser Druck dient aber auch dazu, das seitliche Ausströmen des unter noch grösserem Drucke in der Quellenspalte aufsteigenden Thermalwassers einzuschränken. Wird der Druck durch Ansteigen des Grundwassers erhöht, so kann weniger Thermalwasser nach den seitlichen Spalten austreten und die Ergiebigkeit der Quelle wird ohne Zweifel zunehmen. Dass dabei auch die Temperatur zunimmt, rührt daher, dass die Therme in den obersten Schichten weniger Zuflüsse aus der Region der wilden Wässer erhält. Die Beziehung zwischen Grundwasser und Thermalwasser ist jedoch wechselseitig. Das Thermalwasser steigt in unzähligen Spalten empor und tritt an der tiefsten Stelle, welche das Spaltennetz durch- kreuzt, zu Tage. In den seitlichen Spalten wird es so hoch ansteigen, als es der für die betreffende Entfernung und durch die Gesteins- beschaffenheit bedingte Abflusswiederstand gegen die Therme gestattet. Ueber dem unebenen Wasserspiegel in den seitlichen Thermalspalten baut sich, stets erneut durch die Niederschläge und andere Zuflüsse, der Mantel der kalten, wilden Wässer auf. Der durch das Thermal- wasser in den seitlichen Spalten gegen oben ausgeübte Druck ver- ursacht im allgemeinen einen höheren Stand des Grundwasserspiegels, als wenn das Thermalwasser nicht vorhanden wäre. Eine starke Sümpfung in der Haupttherme wird das Wasser aus den seitlichen Spalten und das darüber stehende Grundwasser nachziehen. Umge- kehrt wird eine Verstärkung des Grundwassermantels bei starken Niederschlägen einen Druck auf das darunter angestaute Thermal- wasser ausüben und dasselbe gegen die Hauptspalte zurückpressen, wo es dann in erhöhter Menge ausfliessen kann. So würde z. B. höchst- wahrscheinlich in Teplitz im Urquellenschachte ein erhöhter Wasser- | | | [59] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 483 zufluss eintreten, wenn es gelänge, grosse Wassermengen in alle Haus- brunnen von Teplitz einzugiessen. Aber nicht durchaus alle Thermen werden sich so verhalten, denn eine Therme, welche schon bei nor- malen Verhältnissen grosse Mengen von Tagwasser enthält, und sich so in ihrer Beschaffenheit den normalen Grundwasserquellen nähert, wird bei stärkerer Niederschlagsmenge gewiss eine Verminderung der Temperatur zugleich mit der Zunahme der Wassermenge aufweisen )). Die Ereignisse in Teplitz und Osseg haben gezeigt, auf wie weite Strecken in einem mit dem Thermalwasser erfülltem Netze die unterirdischen Wässer in engster Beziehung zu einander stehen können. Man kann daraus ersehen, dass bei der Beeinflussung einer Quelle durch die Niederschläge im obigen Sinne sehr grosse Flächen in Betracht kommen können, so dass die mögliche Rückwirkung als Zunahme der Thermalwassermenge durch Verstärkung des Grund- . wassermantels, nicht ausser dem Verhältnisse mit der Ursache steht. II. Die Schwimmsandeinbrüche von Brüx. I. Einige Bemerkungen über Schwimmendes Gebirge. Der eben geschilderte Fall, in welchem den Bergwerken von unten durch hydrostatische oder durch Gasdruck aufsteigende Wässer starke Schwierigkeiten bereitet werden, ist ein ganz besonderer, der zu den grossen Ausnahmen gehört. Dagegen gehört es zur Regel, dass die Bergbaue mit den vom Tage zusitzenden Wässern zu kämpfen haben. Wenn die Niederschlagswässer in den Boden einsickern, so werden sie stellenweise durch weniger durchlässige Schichten auf- gehalten, welche sie nur nach Massgabe des auflastenden Druckes durchdringen können. Ueber solchen Schichten sammeln sich grössere Wassermengen. Aber auch durch die sogenannten undurchlässigen Schichten drängt sich das Wasser langsam und in geringer Menge nach den tieferen Regionen, und sammelt sich dann vielleicht in einer tieferen Lage neuerdings, welche gegen unten abermals von einer undurchlässigen Schichte begrenzt wird. Das Wasser sinkt gleichsam staffelweise zur Tiefe, sich über gewissen Horizonten oder Lagen ansammelnd, zwischen denen sich relativ wasserfreie Schichten befinden. Da das Wasser rascher zufliesst, als es abzusinken im Stande ist, wird das höchstliegende dieser übereinander liegenden Reservoire bald gefüllt sein und überfliessen, d. h. das Wasser wird an dem am tiefsten eingeschnittenen Furchen wieder zu Tage treten. Das hindert aber nicht, dass auch in grössere Tiefen das Wasser langsam und stetig absinkt und auch diese allmälig erfüllt, voraus- !) Z. B. die Therme von Brunn bei Wien. Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungs-Commission des Gemeinderathes der Stadt Wien. Wien, 1864, pag. 114. — Das Gegentheil wurde wieder bei der nahe gelegenen Therme von Fischau beobachtet. 484 Dr. Franz E. Suess. [60] gesetzt, dass keine Complieationen durch Schichtenstörungen oder artesische Abflüsse ein directes Ausfliessen des Wassers aus den tieferen Schichten ermöglichten. Es gibt bekanntlich alle Abstufungen zwischen wasserfreien und wasserführenden Schichten. Kein Gestein ist vollkommen undurch- lässig, es sammelt sich sogar in den massigen Graniten in Brunnen von verhältnissmässig geringer Tiefe Wasser an). Im Vergleiche zu der steten Bewegung, in welcher sich das quellenspeisende Grundwasser über den höchsten, undurchlässigen Schiehten befindet, hat sich in den tieferen Regionen im Laufe der Jahrtausende ein Gleichgewichtszustand hergestellt, und das Wasser ist in den einzelnen tieferen Reservoirs relativ unbeweglich. Durch die künstlichen Eingriffe beim Bergbaue werden unvermeidlich nicht nur die Circulationsvorgänge in der Nähe der Oberfläche, sondern auch häufig die Gleichgewichtszustände in den Durchtränkungsgraden der tieferen Regionen gestört, und manche Schichten müssen sich rascher entleeren, als sie sich neuerdings zu füllen im Stande sind. Aber nicht nur der Gleichgewichtszustand der Grundwässer, sondern auch der des Gebirges selbst kann gestört werden, wenn dieses theilweise bei grosser Wassercapacität auch ein so lockeres Gefüge besitzt, das von dem bewegten Wasser selbst mitgerissen werden kann. Im höchsten Masse ist das bei dem sogenannten „schwimmenden Gebirge“ oder dem „Schwimmsande“ der Fall?). Es ist das ein feiner, hauptsächlich aus Quarz bestehender Sand meist geologisch jungen Alters, welcher mit Wasser durchtränkt, in unregelmässigen Linsen zwischen undurchlässigen Tegel oder Schiefern eingeschlossen ist. Solange das Bassin vollkommen um- schlossen bleibt, dient der angehäufte Sand als Träger für die überlastenden Schichten; sobald aber durch irgend ein plötzliches Ereigniss dem Wasser ein Ausfluss nach unten oder auch. unter hydraulischem Druck nach oben eröffnet wird (wie das z. B. bei der bekannten Katastrophe von Scheidemühl im Jahre 1893 der Fall war®), so reisst das bewegte Wasser die feinen Sandpartikelchen mit sich und beraubt durch unterirdische Unterwaschung die Deck- schichten ihrer Unterlage; es entsteht ein Hohlraum, welcher in den meisten Fällen einen sofortigen Einsturz der Decke zur Folge hat. Es ist klar, dass das Vorhandensein eines solchen Lagers im Hangenden eines Abbaues für diesen, falls er nieht durch eine zähe, mächtige Zwischenlage undurchlässiger Schichten von ihr getrennt ist, die grösste Gefahr mit sich bringt. Man trachtet deshalb darnach, ihnen nach Möglichkeit auszuweichen oder sie auch unschädlich zu machen. !) Sir Clemenis R Markham. Discovery by Baron Nordenskjöld that Fresh Water will be found by boring tlırougL Hard Cristalline Rock for 30 or 35 Metres. Geographical Journal. London. Vol. X, '897, pag. 465. ”) Die meisten Gesteine besitzen im feuchten Zustande eine geringere Widerstandsfähigkeit und Zähigkeit als im ausgetrockneten. Verg]. M. O. Keller. Satnration hygrometrique de l’ecorce du globe. Annales des Mines, 9. Ser., Tom. XII, 1897, pag. 59 ft. °) A. Jentzsch. Zeitschrift für praktische Geologie, 1893, pag. 347 und F. M. Stapff ebenda, pag. 383 und 1894, a. a. O. | [61] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 485 Im trockenen Zustande ist dieser Sand vollkommen fest, er lässt sich in den Sandgruben, welche zu Tage über dem Niveau des Grundwasserstandes liegen, in sehr steilen Wänden abgraben. Die trockenen Körner können, durch ihr eigenes Gewicht zusammen- sebacken, in fast senkrechter Mauer stehen bleiben. Wo es irgend thunlich ist, sucht man deshalb den Schwimmsandlagern das Wasser zu entziehen. Man öffnet dem Wasser des Bassins einen Ausweg nach unten, während der Sand durch geeignete Filter zurückgehalten wird. Durch die Schaffung einer derartigen künstlichen Quelle wird das Schwimmsandbassin aus der Region der statischen Wasserfüllung in die Region des schwankenden Grundwasserstandes gerückt, und der Erfolg der Entwässerung hängt dann nur mehr davon ab, ob es gelingt, einen genügend grossen Abfluss herzustellen, welcher sich nicht aus einem grösseren Niederschlagsgebiete ersetzt; d. h. wenn die geologischen Verhältnisse derartige sind, dass mit dem Entleeren tiefer liegenden Wassers nicht das Grundwasser anderer Regionen ebenso rasch nachzufliessen im Stande ist. Das Entwässerungs- verfahren ist an verschiedenen Orten schon mit gutem Erfolge angewendet worden )). Das Abteufen eines Schachtes durch eine mächtigere Schwimm- sandlage, wenn sie nicht entwässert werden konnte, erschien früher als eine Unmöglichkeit; erst nachdem Herr Ingenieur Poetsch ein sinnreiches Verfahren ersonnen hatte, sind solche Abteufungen, wenn auch mit grossen Kosten, durchführbar. Es wird bei diesem Ver- fahren. der abzuteufende Schacht von einem Kranze von Bohrungen mit eingesenkten Röhren umgeben, durch welche eine Kältemischung geleitet und dadurch das Wasser des schwimmenden Gebirges zum Gefrieren gebracht wird. In dem auf diese Weise gefestigten Sande lassen sich auch tiefe Schächte gefahrlos abteufen, und die Er- findung von Poetsch findet nun mit geringen Abänderungen überall Anwendung, wo stark durchwässertes und leicht bewegliches Gebirge durchsunken werden soll ?). Aber nicht nur durch die menschliche Thätigkeit, sondern auch durch natürliche Vorgänge können unterirdische Schwimmsand- lager plötzlich in Bewegung gerathen und eine grössere Verschiebung der Lagerungsweise hervorrufen. Als Beweise für solche Vorgänge in früheren geologischen Epochen kömnen die „Sandsteingänge* dienen ; es sind wahrhaftige Gänge von feinem, meist nachträglich durch Kalkspath verkittetem Quarzsand, welche anders geartete, Sedimentär- oder auch Eruptivgesteine genau in derselben Weise wie die Gänge irgend eines Eruptivgesteines durchsetzen. Das gross- artigste Beispiel solcher Gänge wurde durch Diller?) aus Nord- ) S. z. B. Bergdirector M. Rubesch, Schwimmsandentwässerungs-Methode auf der Rudiaybraunkohlenzeche in Bilin. Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen. Wien 1896. Nr. 3, pag. 27. 2) Vergl. z. B. M. Scalin, Note sur le foncage des puits a grande pro- fondeur par le pröced& Poetsch. Bulletin de la Societe de l’Industrie Mineral. Saint-Etienne. 1897. Tom. XI, pag. 647. ») J. S. Diller, Sandstone Dikes. Bulletin of the. Geologieal Society of America. New-York 1890, Vol. T, pag. 441. . Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. lleft. (Dr. Fr. E. Suess.) 63 486 Dr. Franz E. Suess. [62] Californien beschrieben. An den Nordwestgehängen des Sacramento- thales werden die Schiefer der Kreideformation (Horselown und Chico beds) in einem Gebiete von 15 englischen Meilen nord- südlicher Länge und 6 englischen Meilen Breite von 45 bisher bekannt gewordenen Sandsteingängen durchsetzt. Sie durchdringen an meist senkrechten Klüften die Schiefer .und Sandsteine ohne Störung oder Verzerrung der unmittelbar anschliessenden Schichten. Die schwächsten von ihnen sind fadendünn, die mächtigsten werden bis 8 Fuss diek; sie konnten in Längenerstreckungen von 200 Fuss bis mehr als 9 englische Meilen verfolgt werden. Die etwa tausend Fuss mächtigen Bildungen der Kreideformation liegen discordant und gegen Ost einfallend über den metamorphischen Gesteinen des Küstengebirges (Coast Range); die senkrechte Stellung der Gänge beweist, dass sie jünger sind als die Neigung der Kreide- bildungen. Sie dringen nicht mehr in die Jüngeren Ablagerungen des Sacramentothales, in die Tuffe, Sande und Thone von wahr- scheinlieh pleistoeänem Alter ein: Sie stammen also ohne Zweifel aus der Tertiärzeit, wenn auch eine nähere Altersbestimmung sich nicht durchführen lässt. Die feinere Structur des Sandsteines zeigt, dass derselbe nicht durch allmälige Ausfüllung von oben eingeführt werden konnte; und besonders die Anordnung der beigemengten Glimmerblättchen parallel der Seitenwände der Gänge deutet auf ein Eindringen des Sandes in die Spalten in einem dem flüssigen ähnlichen Zustande und lässt sich mit der Anordnung der Krystalie in einem durch Fluidalstructur ausgezeichneten Eruptivgesteine ver- gleichen. Dass die Bewegung unter einem ziemlichen Druck statt- gefunden hat, geht daraus hervor, dass sich an den Glimmern ver- schiedene Stauungs- und Verbiegungserscheinungen beobachten lassen. Hauptsächlich der Umstand, dass viele Gänge die Oberfläche nicht erreichen, sondern innerhalb der Masse der Kreideschichten abbrechen, führt Diller zu der Annahme, dass die Sandmasse in Form des schwimmenden Gebirges von unten emporgedrungen ist. (rewisse Sandsteinbänke innerhalb der Schiefer haben grosse Aehn- lichkeit mit dem Sandstein der Gänge und einzelne von ihnen er- reichen eine Mächtigkeit bis zu 100 Fuss. Sie streichen im Westen der Gänge an der Oberfläche aus und fallen circa 15° ostwärts. Die Entfernung des Tagaufschlusses der Sandsteinlager von den Gängen ist so gross, dass diese, wenn das östliche Einfallen constant bleibt, bis in Tiefen von 10.000 Fuss reichen müssen. Ihre grosse Ausdehnung an der Oberfläche in einer Länge bis zu 6 Meilen, macht aber auch diese Tiefe nicht unwahrscheinlich. Nach den Lagerungsverhältnissen kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass der artesische Druck, unter welchem sich die vom Wasser durchtränkte Sandmasse zur Tertiärzeit befand, die emportreibende Kraft gewesen ist. Die Ent- stehung der Spalten, d. i. die unmittelbare Veranlassung für die Bildung der Gänge wird von Diller auf Erdbeben zurückgeführt. Es ist eine längst bekannte und durch viele Erfahrungen bestätigte Thatsache, dass die unterirdischen Wasserbassins durch Erdbeben in weit höherem Masse bewegt werden, als die Erdoberfläche selbst; dass z. B. bei starken Erdbeben aus einer Ebene plötzlich Spring- “ [63] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 487 brunnen von Grundwasser emporquellen und im Boden plötzlich kreis- förmige, mit Wasser erfüllte Einsenkungen entstehen, dass die Brunnen überquellen und die Brunnenkreuze losgerissen und emporgeschleudert werden u.s. w. Auch die Entstehung von Spalten an der Erdoberfläche wurde häufig bei jenen starken Erdbeben beobachtet, bei welchen die Oberflächenwellen einen derartigen Grad von Intensität erlangt hatten, dass. die Elasticitätsegrenze der obersten Erdschiehten über- schritten wurde. Allerdings ist kein Beispiel bekannt, bei welchem man das Aufreissen von Spalten bis zu nur annähernd ebenso grossen Tiefen beobachtet hätte, wie die Tiefe, welche nach Diller die Sandsteingänge des nördlichen Sacramentogebietes erreichen, Bedenkt man aber, dass die Form der Sandsteingänge unbedingt ein plötz- liches Aufreissen und ein plötzliches Empordringen der Sandmassen voraussetzt und berücksichtigt man die Mithilfe, welche ihrer Ent- stehung noch zu Theil geworden ist durch den hohen artesischen Druck und die starke emportreibende Bewegung, welche erfahrungsgemäss unterirdische Wassermassen bei starken Erdbeben annehmen, so wird wohl zugegeben werden müssen, dass kaum eine andere Erklärung als die Diller’s hier angewendet werden kann. Dazu kommt noch, dass das Gebiet des Sacramentothales noch heute ein sehr bewegtes Erdbebengebiet ist, und dass man aus geologischen Gründen eine noch bedeutend lebhaftere seismische Thätigkeit daselbst zur Tertiär- zeit voraussetzen kann. Auf dieselbe Weise haben auch alle übrigen Autoren, welche Sandsteingänge in eingehender Weise beschrieben haben, deren Ent- stehung auf Erdbeben in früheren geologischen Epochen zurück- geführt, ob nun die Sandsteinmasse, wie in dem eben geschilderten Falle von unten emporgedrungen oder einfach von oben in die neu- entstandenen Spalten eingeflossen war !). Gewiss ist, dass, wenn diese Erscheinungen mit Erdbeben in Verbindung gebracht werden, sehr heftige Erschütterungen vorausgesetzt werden müssen. Die später zu besprechenden Schwimmsandgebiete in der Umgebung von PBrüx werden nicht selten von schwächeren Erdbeben heimgesucht; bei der hochgradigen Störung, welche die Gleichgewichtsgegenstände unter- irdischer Wassermassen bei solchen Erschütterungen erfahren, wäre es wohl nicht unangemessen, auch die möglichen gegenseitigen Be- ziehungen gelegentlich zu berücksichtigen. Ohne Zweifel müssen aber schon die Vorbedingungen für grössere Verschiebungen der Schwimm- sandmassen vorhanden sein, wenn sie durch eine so leichte Er- schütterung, wie sie in jenem Gebiete vorzukommen pflegen, zur Auslösung gelangen sollen. In einem anderen Aufsatze hoffe ich, auf diese Frage noch einmal zurückkommen zu können. !) E. Kalkowsky. Ueber einen oligocänen Sandsteingang an der Lausitzer Ueberschiebung bei Weinböhla in Sachsen. Sitzungsberichte und Abhandlungen der naturwissenschaftlichen Gesellschaft „Isis“, Dresden. Jahrgang 1897, Juli bis December, pag. 80. A. P. Pawlow. On dikes of oligocene sandstone in the neocomian clays of the distriet of Alatyr in Russia. Geol. Magazin. London 1896, December, Vol. III, pag. 49. W. Cross. Intrusive Sandstone dikes in Granite. Bull. of the Geol. Soc. of America. New York 1894. Vol. V, pag. 225. 63* 488 Dr. Franz E. Suess. [164] II. Lagerungsverhältnisse der Braunkohlengebilde in der Umgebung von Brüx und deren Schwimmsand- Einlagerungen. Das Braunkohiengebiet von Brüx bildet eine grosse Bucht jener grössten Ausweitung des sich am Fusse des Erzgebirges dahinziehenden Tertiärgebietes, welche als das Aussig-Teplitz-Dux-Saazer Becken bezeichnet wird. Die Tertiärgebilde des nordwestböhmischen Braun- köhlengebietes zerfallen in folgende Unterabtheilungen: 1. Die untere, oder vorbasaltische Stufe, bestehend aus Quarzsandstein mit über- lagernden, sandig thonigen Schiehten (Saazer Schichten) und Flötzen von Moor und Glanzkohle. 2. Die mittlere Stufe, in deren Bildungs- periode die basaltischen Aufbrüche fallen, und welche von den basal- tischen Tuffen, hin und wieder Conglomeraten und auch abbau- würdigen Flötzen gebildet werden. Sie ist hauptsächlich im Mittel- sebirge verbreitet und fehlt in dem genannten Becken. 3. Die dritte, nachbasaltische Stufe ist aus Thonen und Schieferthonen mit Ein- lagerungen von losem Sand (Schwimmsand) und Schotter zusammen- gesetzt. Sie enthält die allermächtigsten und werthvollsten Flötze. Das Hauptflötz wird in der Umgebung von Brüx allein ab- gebaut. So wie es vom Erzgebirgsrande her unter einem wechselnden Winkel von S—36° gegen die Muldenmitte einfällt, so senkt es sich unter der Stadt Brüx aber unter einem bedeutend flacheren Winkel (unter 8°) gegen Nordwesten. Westlich von Brüx tritt es zu Tage und es wird hier die Kohle in grossartigen Tagbauen gewonnen. Bei Kopitz (7 Kilometer NW von Brüx) liegt das Hauptflötz bereits 114 m tief, bei Rosenthal 224 m. Die tiefsten Punkte erreicht es zwischen Ober- leutensdorf und Maria-Ratschitz in 553 m unter Tag. Das Flötz ist unmittelbar bei Brüx meist S—-18 m mächtig, doch schwillt es auch hier, so wie bei Oberleutensdorf stellenweise zu 30 m Mächtigkeit an; bei Bilin wurde es 38 m mächtig gefunden, Innerhalb der je nach der Tiefenlage des Flötzes verschieden mächtigen hangenden Sand- und Lettengebilde finden sich die sehr unregelmässigen Schwimmsandeinlagerungen. Eine genaue Einzeichnung der Umgrenzung dieser Lagen ist aus verschiedenen Gründen sehr schwierig. Zunächst sind dazu sehr zahlreiche Bohrungen nöthig, und diese werden, nur wenn die Bohrlöcher sehr nahe beieinander liegen, ein verlässliches Bild über die Ausbreitung und den Zusammenhang der in verschiedenen Horizonten mit sehr unregelmässiger Umgrenzung wechselseitig auskeilenden und gegenseitig übereinander übergreifenden Lager geben können. Dazu kommen noch die zahlreichen grösseren und kleineren Verwerfungen, welche die Schwimmsandmulden stellen- weise abschneiden und wenn sie nicht sekr mächtig sind, durch die Bohrungen nur sehr schwer nachweisbar sind. In den Bohrjournalen wird nach Vereinbarung jener Sand als Schwimmsand bezeichnet, „welcher wasserführend ist, nicht steht, nieht mit dem Bohrer ge- wonnen, sondern mit dem Selhmantlöffel gehoben wird, wobei die Röhrentour einfach gesenkt wird.“ Es können aber auch Lagen von (dieser Beschaffenheit im Streichen ihren Charakter in der Weise [65] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 489 ändern, dass obige Definition nicht mehr zutrifft; abgesehen davon, dass der Wassergehalt und damit die Consistenz des Sandes in einem unregelmässigen Lager sich ändern, kann es auch vorkommen, dass einzelne Partien durch stellenweise Kalkspathverkittung. erhärtet sind und ihr Zusammenhang mit dem Schwimmsand deshalb nicht erkannt wird. Auf diese Weise konnte es kommen, dass trotz der Untersuchungsbohrungen sowohl den Bergbau-Interessenten als auch der Bergbehörde das Vorhandensein der Schwimmsandlinse unterhalb der Stadt Brüx und die damit verbundene Gefahr für die Stadt und für die Gruben entgieng. Höfer und Uhlig haben in ihrem Gutachten anlässlich des am 19. Juli 1895 erfolgten Haupteinbruches eine Probe von den in den Annahilfsbau vorgetriebenen Sandmassen untersucht. Nach ihrer Angabe enthält der lichtgraue, fast weisse Sand mehr als 90°, ziem- lieh abgerundete Quarzkörnchen, zumeist von 0'15—0'25 mm Durch- messer, denen noch Staub von unter 0'09 mm und ferner spärliche Feldspaththeilchen und Muscovitblättchen beigemengt sind. Kleine scharfkantige Kohlentheilchen sind ohne Zweifel erst während der Bewegung des Sandes von der Einbruchstelle her, durch die Gruben dazugekommen. Nach den Untersuchungen der genannten Autoren an verschiedenen Proben nimmt der Schwimmsand 31'14—33'2°/, Wasser auf. Es wird also ein Drittel des Schwimmsandvolumens von Wasser eingenommen. Nicht durchwegs hat aber der Schwimmsand so feines Korn, und die Proben aus dem Annahilfsbaue können wohl bereits als ein Aus- waschungsproduct betrachtet werden, dessen Feinheit die des Durch- schnittes übertrifft, indem die kleinsten Bestandtheile von dem Wasser weiter getragen als die gröberen und beim Einbruche durch die Gruben weiter nach vorwärts gebracht wurden. Ein gutes Bild der Lagerung der Sandschichten von gröberem und feinerem Korne bieten die Auf- schlüsse in den Sandgruben der Umgebung von Brüx. Sie geben ein vortreftliches Bild jener Art der sogenannten falschen Schichtung oder Diagonalschichtung, welche durch die fort- währende Umlagerung des Sandes im Wellenschlage eines Seegestades entsteht. Jede stärkere Welle hebt wie eine lange Schaufel einen Streifen des angehäuften Sandes heraus, wirbelt ihn empor und lässt ihn dann im Zurückgehen wieder an derselben Stelle in die eben geschaffene, nach oben concave Mulde niedersinken. Dabei ordnen sich im Zurückfallen die Sandpartikelchen; zu unterst lagern sich die gröberen Körnchen und zuletzt, nachdem die Welle wieder ganz zum Stillstande gelangt ist, fallen erst die ganz feinen Sandtheilchen in die eben von der Welle neu ausgehobene Mulde. So liegt der Sand in dünnen Streifen, welche gegen oben concave Bögen beschreiben. Zu unterst ist der Bogen am gewölbtesten und steilsten, und enthält auch die gröbsten Körnchen, welche nicht selten die Grösse eines Handschuhknopfes, ja sogar hin und wieder die einer Erbse erreichen. Gegen aussen, d. h. gegen die Richtung, in der sich die Welle zurück- zieht, liegen die Sandstreifen immer flacher, das grobe Material ist hier bereits zum Sinken gebracht worden und nur mehr der. ganz feine Sand, der eigentliche Schwimmsand, hat sich in ruhigerer Form 490 Dr. Franz E. Suess. [66] gesetzt. Die horizontale oder geneigte Ablagerungsform der einzelnen Partien ist durch eine äusserst feine Streifung von abwechselnd wenig eröberem und feinerem Materiale markirt. Eine neue Welle durchschneidet mit einer neuen Curve die eben gebildete Ablagerung, und während sich der Process immer von Neuem wiederholt. schiebt sich die ganze Sandmasse durch stetige Zufuhr Fig. 4. Julius2. ya WELT be Aulvermühle PS o i » ‚ 36 RE -.. 2 ee - SP Theresia Tiefbau { l- N ® / RS ° y FERN 8 N x Oo a se 277 & n... Anna Hilfsbau 98 8 7 Sr A o 1955 ER & A N Rn Ss Sr > 3 IR 12 \piel u BES Den! N EN) rs 105 “16 3 a N 3 m. ERDE 2 Ns. N _ a: > N oe = NN > 1293: ER 2 r 8 N N SQ EDS NIT N \ 2 N IN Ss S Maalsstab Ian ar N & 1: 23000 FRE, 93 Ru Ri g- Tepligen Bahn mr N B LITER & = S] 8 gg N x —n \CIWEITUNGEN. “ Bohrungen. Br ee &----- Projectirte Bohrungen und Bohrprofillinien. immer mehr gegen das Innere des Sees vor. Auf diese Weise entsteht das System der sich durchschneidenden gegen oben concaven Linien, welche alle in einer Richtung verflächen. Manchesmal tritt eine Unter- brechung in der Ablagerungsfolge ein durch einen Stillstand in der Bewegung; es mag ein Theil der Bucht durch irgend einen Zufall vom Hauptwellenschlage gesondert worden sein, und es setzt sich eine dünne Bank von feinem, lettenartigem Schlamm zwischen den Sanden ab; oder das ganze System wird durch eine besonders starke [67] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 491 Welle horizontal abgeschnitten und darüber beginnt eine neue Serie in der gleichen Lagerungsform. Um einen Anhaltspunkt über die Herkunft des Schwimmsandes zu gewinnen, habe ich einige besonders grosse Körnchen aus dem Sande gelöst und davon Dünnschliffe anfertigen lassen. Sie bestehen hauptsächlich aus äusserst feinkörnigem Quarz, dem hie und da ganz kleine, farblose Leistehen eines glimmerigen Minerals eingelagert sind. Einzelne Stücke sind ganz erfüllt von feinen Hämatitschuppen; andere wieder enthalten grössere Mengen von .Thonschiefernädelchen und auch hie und da ein erkennbares Korn von Rutil. Man hat es offenbar mit Bruchstücken quarzreicher Linsen und Schmitzen aus einem phyllit- artigen Gestein zu thun. Obwohl sich die Ablagerungen am Südufer des miocänen Sees befinden, kann also der Sand unmöglich aus dem Mittelgebirge stammen, wo derartige Gesteine nicht vorkommen. Seine ursprüngliche Heimat ist wahrscheinlich im Erzgebirge oder in einem entfernteren krystallinischen Gebiete zu suchen. Höchstwahrscheinlich stellt er aber nichts anderes dar als eine neuerliche Umlagerung des Materiales, aus dem der Quadersandstein gebildet ist. Die zahlreichen jüngeren Störungslinien, welche das Braun- kohlengebiet nach verschiedenen Richtungen durchqueren, gehören einer anderen Gruppe als die älteren eigentlichen tektonischen Ver- werfungen, welche bestimmend sind für den Gebirgsbau im Grossen; wie z. B. die Brüche am Rande des Erzgebirges. Betrachtet man die auf Fig. 4 dargestellten Verwerfungen in der Umgebung von Brüx, so gewahrt man in dem bogenförmigen Verlaufe und der Art und Weise der Verzweigung einen anderen Charakter als den der eigentlichen tektonischen Verwerfungen. Ja es erscheint mir zweifel- haft, ob sich diese Störungen überhaupt in das ältere, liegende Gebirge fortsetzen. Im Allgemeinen sinken an ihnen die Sedimente staffel- förmig gegen das Innere der Mulde ab; nicht selten verlieren sich kleinere Störungen des Flötzes im Hangenden; eine Erscheinung, die man auch in den kleinsten Verhältnissen an den zu Tage auf- geschlossenen Sandbänken beobachten kann. Es scheint, dass der erösste Theil der jungen Verwerfungen nur die Folge eines Zusammen- sinkens in sich selbst der tertiären Schichtenmasse ist, welches in der Mitte der Mulde, wo die Mächtigkeit die grösste ist, auch den höchsten Betrag aufweist. So bröckelt sich die Masse, niedersinkend, an dem Muldenrande parallelen Risse ab und wo eine vorspringende fremde Kuppe in die Tegel und Sandlager hineinreicht, wie z. B. die Basaltkuppe des Brüxer Schlossberges, da weichen die Verwerfungen um dieselbe in deutlichem Bogen aus. (Siehe vorstehende Fig. 4.) III. Haupteinbruch am 19. und 20. Juli 1895. Das Stadtgebiet von Brüx einschliesslich des Bahnhofes der Aussig-Teplitzer Eisenbahn wird gegen NW begrenzt von der Johns- dorferstrasse. Bei der Anlage der Abbaue im ÖOstfelde des Anna- hilfsbauschachtes wurde im Sinne der in der Verleihungsurkunde 492 Dr. Franz E. Suess. [68] enthaltenen Vorschriften zur Sicherung dieser Strasse ein Schutz- pfeiler von 40 m Breite eingehalten. In dieser Entfernung von der Stadt Brüx wurden die ersten Abbaupläne angelegt und sollte wie gewöhnlich von der Grenze des Grubenfeldes gegen den Schacht zu heimwärts abgebaut werden. Nach dem damaligen Stande der Kenntnisse über die Beschaffenheit des Hangendgebirges und der benachbarten Regionen waren die k. k. Bergbehörde und die Direction der Brüxer Bergbaugesellschaft berechtigt, diese Massnahmen. als vollkommen zureichend zur Sicherung der Strasse und der Eisenbahn anzusehen. Die zur Untersuchung vor Beginn des Abbaues nieder- sestossenen Bohrlöcher hatten zufälliger Weise eine derartige Ver- theilung, dass das Vorhandensein einer Schwimmsandlinse unterhalb des nördlichen Stadttheiles von Brüx nicht vermuthet ‚werden konnte !). Selbst das von der späteren muthmasslichen Einbruchstelle nur 50-60 m gegen Norden entfernte Bohrloch E (Taf. XD gab keinerlei Anhaltspunkte, welche auf die Nähe des bedeutenden Schwimmsandlagers hätten schliessen lassen. Man hatte hier bis auf das in 9752 m Tiefe gelegene Hauptflötz — abgesehen von einem kleinen (230 m) Hangendflötz in 3370 m Tiefe — nur verschiedene Wechsellagerungen von trockenem Sand und Letten durchbohrt. Das Bohrloch liegt nämlich bereits jenseits der erst später erkannten und dlamals noch nicht vermutheten Verwerfung, welche nahe der Grenze des Grubenfeldes vorbeistreicht und die Schwimmsandlinse in ihrer Hauptmächtigkeit gegen Westen begrenzt. - Ein weiteres Bohrloch S, beim Kaiserbade in Brüx, 330 —340 m südwestlich von der muthmasslichen Einbruchstelle und 12 n vom Bielaufer gelegen, ergab wohl in 3 m eine 3°6 mächtige Schwimm- sandlage. Das weitere Dachgebirge bis auf das Hauptflötz in 43°6 m Tiefe bestand auch hier blos aus Letten und eingelagerten Kohlenbänken. Man hat es hier, wie weiter unten erklärt werden soll, mit dem gegen Süden auskeilenden Rande der Brüxer Schwimm- -sandlinse zu thun. Der Wasergehalt des Sandes wurde auf die Nähe des Bielaflusses zurückgeführt. Damals konnte Niemand das gewaltige Anschwellen dieses kleinen Lagers gegen Norden, oder gar einen gefahr- bringenden Zusammenhang bis auf die 330 m entfernten Abbaupläne, in welchen später der Einbruch erfolgte, vermuthen. Auch die Ver- werfung, welche zwischen den bekannten Bohrungen hindurchstreicht, konnte nicht aus den verschiedenen Höhen, in denen das Flötz an- gebohrt worden war, erkannt werden, indem sich dieser Umstand einfach durch ein sanftes Nordfallen (41/0) des Flötzes erklären liess. Vor dem Einbruch waren bereits alle zwölf unmittelbar am Schutzpfeiler der Strasse gelegenen Abbaupläne niedergelassen worden, ohne dass sich ein verdächtiges Anzeichen bemerkbar gemacht hätte. Wohl hatten einzelne Pläne und besonders der Plan 1260 (s. Taf. XD) beim Niederlassen intermittirende und nicht sehr erhebliche (3 Minuten- liter) Wassermengen gebracht; sowohl der genannte, als auch der Plan .) Prof. H. Höfer und Prof. V. Uhlig. Beantwortung der Fragen, welche an die geologischen Sachverständigen anlässlich der am 19. Juli 1895 erfolgten Schwimmsand-Einbruel.skatastrophe gestellt wurden. 6. Februar 1896, pag. 12, II. [69] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 493 1266 waren auch vorzeitig Zubruche gegangen. ohne aber Wasser zu ' bringen. Man konnte diesen Erscheinungen aber keine wesentliche Bedeutung beilegen, zumal sie sich durch örtliche Umstände, nämlich durch das Vorhandensein einer den Plan von Westen nach Osten durchsetzenden Russkluft, erklären liessen. Erfahrungsgemäss gaben oft auch ganz trockene Russklüfte Veranlassung zum vorzeitigen Zu- bruchegehen eines Abbaues. Ueberdies war auch das in den Plänen zusitzende Wasser auf seinen Sandgehalt geprüft worden; es hatte sich aber nur als lettenführend erwiesen. Kurze Zeit vor der Katastrophe war bereits die zweite Abbau- reihe in Angriff genommen; und auch der dem oben genannten Bohr- loche zunächst liegende Plan Nr. 1294 war bereits niedergelassen und ausgefördert worden. Noch am Nachmittage (4 Uhr) des Tages, an welchem der Einbruch erfolgte, war er betreten und in ganz normalem Zustande befunden worden. Gegen 9 Uhr Abends befanden sich 3 Häuer in der Nähe dieses Abbaues, von denen einer trauriger Weise durch den Einbruch um’s Leben kam. Die übrigen beiden hörten um die genannte Zeit ein Getöse, als wenn zwei Hunde zu- sammenstossen würden, und darauf ein längeres Geräusch, als wenn ein Hund über einen Bremsberg abrollen würde. Dann löschte ein Windstoss die Lichter aus und sie hörten, wie das Wasser aus dem Plane 1294 über die Mundlochstrecke herab gegen den Ulm der Streichstreeke anschlug und weiterhin über die Strecken hinunter rauschte )). Sowohl der Herr Verwalter des Annahilfsbauschachtes als auch die geologischen Sachverständigen Prof. H. Höfer und Prof. V. Uhlig waren der Ansicht, dass der Einbruch nieht in dem ge- nannten Plane 1294 erfolgt sei, da sich obige Angaben der Häuer nur auf Gehörswahrnehmungen bezogen, sondern dass der bereits oben wegen zeitweiliger Wasserführung, wegen vorzeitigen Zubruche- sehens und wegen seiner Russkluft erwähnte Plan Nr. 1260 dazu die Veranlassung gegeben hat. Derselbe liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft des Planes 1294 und ist von ihm nur durch einen 8 m breiten Kohlenpfeiler getrennt; die oben genannten Umstände, durch die der Plan sich auszeichnete, lassen auch eine bedeutende Klüftigkeit des Dachgebirges in dieser Region vermuthen. Herr Ober- bergverwalter F. Schröckenstein neigt hingegen der Annahme zu, dass der Einbruch in dem mehr südlich gelegenen Plane Nr. 1266 erfolet ist, welcher sich ebenfalls durch Russklüfte auszeichnete und auch vorzeitig Zubruche gegangen war; von hier aus hat sich nach seiner Annahme die Schwimmsandfluth gegen den Plan 1295 und weiter nach Durchbruch des schwachen Kohlenpfeilers gegen den Plan 1294 ergossen. Die muthmassliche Einbruchstelle liest in mindestens 112 m S. H., aber wahrscheinlich entsprechend der Flötzmächtigkeit und der Höhe der Abbaukammern bedeutend höher, vielleicht in 149 m S. H. !) Gutachten der mont. Sachverständigen Prof. J. Ullrich und Bergbau- ingenieur L. Stamm über die anlässlich dr am 19. Juli 1895 erfolgten Brüxer Schwimmsandkatastrophe zu treffenden Massnahmen, pag. 22 ft. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalr, 1895, 48. Bd., 3. Hft. (Dr. Fr. E. Suess.) 64 494 Dr. Franz E. Suess. [70] ‘Gegen das Füllort des Annahilfsbauschachtes senkt sich das Flötz in einer schmalen, länglichen Mulde bis auf VO'I m S. H. Von dem eben- falls tiefer liegenden Grubenfelde des Annaschachtes ist diese Mulde durch einen Sattel von 112 m S. H. getrennt; sein Füllort befindet sich in 131 m S. H. Die Sand- und Wassermassen erfüllten abwärts fliessend rasch die Strecken des Annahilfsbaues und erstickten die Wasserhaltungsmaschinen. Wegen der möglichen hohen Lage der Ein- bruchstelle konnte auch ein Uebertreten des Wassers in das Gebiet des Annaschachtes befürchtet werden. Das Wasser stieg aber nur bis 103 m S. H. und bereits am 20. Juli, 6 Uhr Morgens, konnte fest- gestellt werden, dass kein weiteres Ansteigen des Wassers mehr statt- fand, sondern im Gegentheil das Wasser schon im Sinken begriffen war. Der Schwimmsand musste sich also selbst den Weg verlegt und abgesperrt haben. Die höchstgelegenen Abbaukammern am Ostrande des Grubenfeldes, welche bis 122 m S. H. reichen, waren demnach leer geblieben, wovon man sich später durch Bohrungen auf die Kammer Nr. 1284 überzeugt hat. Der Wasserspiegel ging bald auf 102 in Seehöhe zurück, bis auf welche Höhe die Strecken mit consistenter Sand- und Schlamm- masse erfüllt waren, deren gesammte Mächtigkeit nach dem Gesagten nicht ganz 12 m betrug. Das Volumen der erfüllten Streckenräume wurde anfänglich auf 50.000, später aber auf 90.000—95.000 Cubikmeter geschätzt: Kurz nach erfolgtem Einbruche in den Gruben, d. i. um 1,10 Uhr Abends, begannen die Senkungen im nördlichen Stadttheile von Brüx; der Einbruch eing in den ersten Stunden rascher und dann mehr allmälig vor sich, und währte eirca 9 Stunden, nämlich von 9 Uhr Abends bis 20. Juli, 6 Uhr Früh. Aus der Darstellung des Herrn Oberbergverwalters F. Schröckenstein geht deutlich her- vor, dass die Pingen zuerst in dem von der muthmasslichen Ein-, bruchstelle entfernteren Theile des Bruchgebietes niedergingen und sich in einer im Allgemeinen concentrischen Reihenfolge immer mehr segen Westen vorschoben !). Zuerst ging eine Pinge nieder an der Gabel der Ziegel- und Gasgasse (beim Hause Nr. 626); und zugleich wurde ein eigenthümliches Geräusch, wie vom unterirdisch fliessendem Wasser vernommen, welches von einem erfahrenen Fachmanne sofort dahin gedeutet wurde, dass ein Schwimmsandeinbruch stattfinde 2). Immer grösser und tiefer werdend, rückten die Pingen gegen die Bahn- hofstrasse, während sich zugleich das Bruchgebiet unter fortwährendem Einsturz der Häuser erweiterte. Gegen 11 Uhr Nachts entstand die grosse, gegen 100 m lange Pinge beim Hause Nr. 689. Gegen 2 Uhr Morgens stürzten die südlich davon liegenden Häuser Nr. 639-570, und am Ende der Quergasse der Reihe nach zusammen. Inzwischen erweiterte sich das Bruchgebiet gegen. Norden und Osten durch sprungartige Senkungen. Nach einer Pause von einigen Stunden entstand noch eine grössere Pinge von 18—20 m Breite und 18 m !) F. Schröckenstein, Studien über den Schwimmsandeinbruch in Brüx. ‚Der Kohleninteressent“, Teplitz 1896, Bd. XIV, Nr. 9, pag 67, ?) Gutachten Ullrich u. Stamm, pag. 2. N SE De nal bl La anal Sl A nn un u. ni 4 ni re u [71] Studien über unterirdische Wasserbewegung 495 Tiefe im Bahnhofgebiete. Die letzte Pinge von 25 m Durchmesser und 16 m Tiefe entstand um 6 Uhr Morgens ganz nahe der Ein- bruchstelle in die Gruben. Auch im Süden, in der Nähe des Taschen- berges und der Wenzelskirche waren in den Morgenstunden noch einige kleinere Pingen niedergegangen. Das Gebiet, welches diese Pingen einnehmen, einschliesslich der sie umschliessenden langen Erdspalten im Norden und Nordosten, umfasst rund 6 Hektare Grundfläche). Innerhalb sechs Tagen war der Sand bereits entwässert und vollkommen fest geworden. In den Strecken des Annahilfsbaues wurden bald in der Ööte 106 provisorische Dämme errichtet, um eventuelle neuerliche Sandnachschübe hintanzuhalten. Ueber das Wesen der Katastrophe konnte Niemand im Zweifel sein; es war ohneweiters klar, dass der Schwimmsand eines grösseren Lagers einen Weg gegen die offenen Grubenräume gefunden hatte und dahin ausgeflossen war. Dadurch waren Hohlräume entstanden, welche den Einsturz des Deckgebirges und die Entstehung der Pingen zur Folge hatten. Da aber die Grubenräume nicht völlig ausgefüllt waren, und man neuerliche Schwimmsand-Nachschübe befürchten konnte, war es von höchster Wichtigkeit, die Ausdehnung und die ge- naueren Lagerungsverbältnisse des Schwimmsandlagers zu erforschen. Von diesen Verhältnissen musste auch die Bestimmung eines neuer- lichen Schutzpfeilers für die Stadt Brüx gegen die westlich benach- barten Gruben abhängig gemacht werden. Demgemäss wurde die Niederstossung einer grossen Anzahl von Bohrlöchern angeordnet, und die dadurch eröffnete genauere geologische Kenntniss des Ge- bietes gestattet auch ein genaueres Verfolgen des stattgehabten Vorganges. Die Bohrungen haben ergeben, dass der Schwimmsand unter: halb des nördlichen Stadttheiles von Brüx eine selbstständige, gegen Süden und Osten auskeilende Mulde bildet (s. Profil Taf. XII). In den östlichsten Bobrungen 1 und 4 wurde gar kein Schwimmsand angetroffen. Das schwache Schwimmsandlager, welches beim Kaiser- bade (Bohrung 20 im Süden) im Hangenden der Göte 206 ange- troffen wurde, ist bereits oben erwähnt worden. In dem Masse, als sich die Bohrungen der Mitte des Einbruchsgebietes nähern, sinkt die Oöte des Schwimmsandliegenden und zu gleicher Zeit nimmt auch das Schwimmsandlager an Mächtigkeit zu. So bezeichnen die Bohrungen 3, 11, 6 und Tin einem inneren parallelen Bogen gleich- sam an der Oberfläche eine innere Isohypse des Schwimmsandes, in welcher seine Basis auf 196—194 m S. H. gesunken und seine Mächtig- keit auf 11—14 m zugenommen hat. Ein zweiter Bogen noch tieferer Senkung wird dargestellt durch die Bohrungen 2, 21, 5, 8; an der Bohrung 2 liegt der Schwimmsand auf dem Liegendletten mit einer Mächtigkeit von circa 12 ın, einschliesslich einer dünnen Lettenzwischenlage in der S. H. von 189 m, im Bohrloche 8 in der- !) Eine lebhafte Schilderung der Zerstörung nebst photographischen Illu- strationen findet sich bei F. Toula, Ueber die Katastrophe von Brüx. Zeitschr. d. Ver. z. Verbr. naturwissenschaftl. Kenntn., Bd XXXVI, Heft 1, Wien 1896. 64* 496 Dr. Franz E. Suess. _ [72] . selben Höhe und mit ‘verschiedenen Zwischenlagen von festem Sand eirca 20 m mächtig; unter den Bohrlöchern 21 und 5 dagegen in 186 m in einer Mächtigkeit von 14 und 16 m. Da aber an diesen Stellen, sowie bei 8 der Schwimmsand nahe unter dem Rasen von trockenem Sande mit spärlichen Lettenzwischenlagen unmittelbar überlagert wird, kann auch die Gesammtmächtigkeit des hier nur theilweise durchfeuchteten Lagers als grösser angenommen werden. Die grössere Höhenlage des Schwimmsandliegenden in der Bohrung 9 (194m S. H.) beweist, dass hier der Liegendletten einen vorspringen- den Rücken bildet, auf welchem das 13’5 m mächtige Schwimm- sandlager aufruht. In der Bohrung 10 neben der grossen Pinge am Bahnhofe ist die Cöte des Liegenden bereits auf 168 m gesunken. Hier erscheint der Schwimmsand in mehreren Lagen von 15—3'8 ın Mächtigekeit, welche durch Zwischenlagen von Sand, sandigem Letten und dünnen Sandsteinbänken getrennt sind; die Gesammtmächtigkeit der diese Schwimmsandlagen umfassenden Schichtreihe beträgt mehr als 20 »m. Man kann auch annehmen, dass sich die Schwimmsand- linse hier in mehrere Lagen spaltet. (S. Profil Taf. XII.) Es befindet sich also unterhalb des nördlichen Stadttheiles von Brüx eine gegen Westen anschwellende, gegen Osten und Süden aus- keilende Schwimmsandlinse, welche gegen Westen geneigt ist. Bei Bohrloch 9 befindet sich ein Rücken von bedeutender Erhebung, in dessen Nähe (beim Pampl) eine kleine Häusergruppe unversehrt stehen geblieben ist. Von Bohrloch 9 fällt die Göte im Schwimm- sandliegenden einerseits gegen Bohrloch 8, so dass hier eine schmale, gegen Bohrloch 5 abfallende Partialmulde entsteht; anderseits sinkt es noch steiler gegen Bohrloch 10; auch von hier aus zieht sich eine Art Rinne gegen Bohrloch 5. In den Erscheinungen an der Oberfiäche haben sich die Vor- gänge bei der Entleerung der Schwimmsandlinse deutlich wieder- gespiegelt. In dem Masse, als der Schwimmsand gegen die Einbruch- stelle sich vorschob, wurden zuerst am äussern Rande, dann immer weiter westwärts Hohlräume geschaffen, welche der Reihe nach ein- stürzten. So entstanden zuerst die kleinen Pingen in der Gasgasse, später die grossen Einbrüche zwischen der Bahnhofstrasse und Johns- dorferstrasse; dann erst der kesselförmige Einbruch am Bahnhofe und zuletzt erst gegen 6 Uhr Morgens die grosse runde Pinge von eirca 25 m Durchmesser und 14—16 m Tiefe in der Nähe der Einbruch- stelle. Einzelne kleinere Hohlräume sind unverstürzt und theils leer, theils mit Wasser erfüllt zurück geblieben. Ein solcher Hohlraum wurde im Bohrloche 9 im trockenen Sand in 5 m Tiefe angefahren, beim Bohrloche 7 traf man auf eine Schlammblase im Schwimm- sande in 21 m und im Bohrloch 8 auf eine Wasserblase in 10 m Tiefe. Das Zusammenfliessen der Masse durch die beiden Rinnen gegen die Stelle, wo später die Bohrung 5 angelegt wurde, verur- sachte daselbst eine besonders lebhafte Bewegung des Wassers. Ein hier aufgestellter Fahnenmast war in die Tiefe gesunken und wurde durch einen unterirdischen Wirbel durch lange Zeit in drehender Bewegung erhalten. [73] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 497 Auch Mauerstücke, welche an dieser Stelle in die Tiefe gesunken waren, waren verschoben worden, wie durch vier Versuchsbohrungen in der Nähe des Hötel Siegel später nachgewiesen worden ist). Als unmittelbare Veranlassung für den Durchbruch der Schwimm- sandmasse in die tieferliegende Abbaukammer Nr. 1260 wurde von den geologischen und montanistischen Sachverständigen das nahe Vorbeistreichen eines Verwurfes an dieser Kammer, durch den das Hangendgebirge klüftig geworden war, angenommen. Für das Vor- handensein einer solchen, jetzt wegen der Unzugänglichkeit der Grubengebiete nicht mehr an Ort und Stelle constatirbaren Ver- werfung, können folgende Gründe geltend gemacht werden: 1. Das oben erwähnte vorzeitige Zubruchegehen der Kammern 1260 und 1266 an der Ostgrenze des Grubenfeldes, sowie der Zeit- weise grössere Wasserzufluss und das Vorhandensein einer Russkluft; es sind das alles Umstände, welche auf eine starke Zerklüftung des Gebirges in dieser Region hindeuten. 2. Die Vertheilung der Pingen, welche sich gleichsam zusammen- ziehend gegen die Abbaukammern 1260 und 1266 erstrecken, ohne über dieselben hinauszureichen. 3. Die Ergebnisse der Bohrungen. Jenseits der Bohrung 15 wurden zwar hin und wieder in den zahlreichen Untersuchungs- bohrungen kleine, wasserführende Sand- und Sandsteinlagen angetroffen, das mächtige Schwimmsandlager von Brüx ist aber nicht mehr vor- handen. In der Bohrung 15 hinter dem Aussig—Teplitzer Bahnhofe wurde unter dem Hauptflötze in 947 m Tiefe (127 m S. H.) eine 5 m mächtige Schwimmsaudlage durchfahren. Eine Commission unter Zuziehung der Sachverständigen constatirte einhelig, dass diese 30 m mächtige Sandlage nichts anderes sei, als die Ausfüllung einer Auskolkung im Flötze durch Schwimmsand in Folge des stattgehabten Einbruches. Ueberdies wurde in den Bohrlöchern 13 und 15 die Sohle des eirca 18°’5 m mächtigen Flötzes um 12 m höher liegend gefunden als in den unmittelbar benachbarten Abbaukammern. Es sind das weitere Umstände, welche darauf hindeuten, dass in der unmittelbaren Nähe der Bohrungen 12, 13 und 15, und zwar zwischen diesen und der Schutzpfeilergrenzen, wahrscheinlich parallel der letzteren, eine Störung etwa in der auf dem Profil Taf. XII dargestellten Weise hin- durchstreicht. 4. Das Grubenfeld des Juliusschachtes I, welches im Brüxer Ein- bruchgebiete liegt, musste seinerzeit in Folge Schwimmsandeinbruches sistirt werden. Das Schwimmsandgebiet dieses Schachtes bildet wahr- scheinlich die nördliche Fortsetzung der Brüxer Mulde und der Ein- bruch erfolgte an einer wohlbekannten Kluft, welche im Bogen den Juliusschacht I umziehend, sich gegen SSW wendet (s. Fig. 4 u. Taf. XD). Mit demselben Streichen ist sie durch einzelne Ausrichtungsstrecken, welche die Landstrasse nach Johnsdorf unterfahren, noch in ziemlicher ') Schröckenstein, |. c. pag. 74. 498 Dr. Franz E. Suess. [74] Nähe des Lagerhauses beim Bahnhofe der Aussig— Teplitzer Bahn an- gefahren worden. Diese Kluft fällt in demselben Sinne, wie man es von der hypothetischen Kluft annehmen muss, d. i. gegen WSW und W und man braucht nur eine neuerliche geringe Wendung im Streichen gegen S zuzugeben, um in dieser die Fortsetzung der Verwerfung des Juliusschachtes I zu erkennen. 5. Das verschiedene Verhalten des Grundwasserspiegels vor und hinter der angenommenen Kluft, welches weiter unten im letzten Capitel besprochen wird. 6. Die kleinen Störungen, welche in der Pinge nächst dem Bohr- loche 15 beobachtet wurden, und welche die geologischen Sachver- ständigen Prof. Uhlig und Prof. Höfer in ihrem Gutachten hervor- gehoben haben. Als ich die Stelle besuchte (Juni 1397) war die Pinge bereits verschüttet, so dass eine sichere und überzeugende Beobachtung nicht mehr gemacht werden konnte. Nach den Angaben der genannten Autoren wurde in der erwähnten Pinge eine nördlich einfallende, kleine Verwerfung beobachtet, welche vielleicht der Russkluft im Plane 1260 entsprach. Was die neuerliche Inbetriebsetzung der Annahilfsbaugruben betrifft, wurde zunächst ein Schutzpfeiler bestimmt, welcher den ganzen Raum von der Strasse zunächst dem Bahnhofe bis zu dem NS verlaufenden Bremsberg IV und dessen geradliniger Fortsetzung bis zum Durchschnitte der Schutzpfeilergrenze am Bielaflusse im Süden und dem Schutzpfeiler für die Brüx—Johnsdorfer Bezirksstrasse im Norden einnehmen sollte. Diese Bestimmung war unter der Vor- aussetzung getroffen, dass in dem Gebiete nirgends Schwimmsand gefunden wurde; nach den später erfolgten Bohrergebnissen ist diese Voraussetzung auch zugetroffen. Durch die grosse Breite dieses Schutz- gebietes, welche au der schwächsten Stelle 155 m beträgt, war im weitgehendsten Masse für die Sicherheit des Stadtgebietes gesorgt worden. Bis zu der neuen Grenze sollte vom Schachte aus durch Räumung der Strecken vorgedrungen werden und durch starke Kugel- dämme an den zum Bremsberg und in das östliche versandete Gebiet führenden Strecken einem neuerlichen Vorschube der Sandmassen vorgebeugt werden. Nur zu den südlichen, höher liegenden Abbaukammern sollte durch entsprechende Umbruchstrecken vorgedrungen werden. Dort war durch die Bohrung 14 auf die Kammer 1281 nachgewiesen worden, dass sie weder versandet noch verbrochen war. Da man es für eine ständige Gefahr halten konnte, dass ihr Zubruchegehen vielleicht weitere Folgen haben könnte, sollten sie versetzt werden’ Der Abbau- betrieb sollte nicht wie früher an der Schutzpfeilergrenze beginnen, sondern umgekehrt vom Schachte aus gegen Osten vordringen. a a nnd a na a nn be a nn un nn nn [75] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 499: IV. Nachträgliche Einbrüche und Sanirungs- Massnahmen. 1. In der Nacht vom 6. auf 7. August 1896. Nach einer Ruhepause von mehr als einem Jahre erfolgten in der Nacht vom 6. auf 7. August 1896 einige neuerliche kleinere Nach- brüche, durch welche etliche Gebäude beschädigt wurden; so beson- ‚ders eine Reihe von Häuser (Nr. 5, 6, 7 und 8) am Taschenberge NW der Wenzelskirche, wo zwei kleine Pingen entstanden waren; ferner die Gebäude im oberen Theile der Quergasse in der Richtung gegen die Bohrung Nr. 8, einzelne Tracte von diesen Gebäuden waren vollkommen eingestürzt. Ausserdem wurde noch die oben er- wähnte Häusergruppe beim Pampl an der Johnsdorfer Strasse (749, 757, 809), welche bisher auffallender Weise unversehrt geblieben war, ein wenig in Mitleidenschaft gezogen; die hier entstandenen ‚kleinen Sprünge und Haarrisse waren aber nur sehr unbedeutend. Am Bahn- körper in der Nähe des Bahnhofes hatten die unbedeutenden Sen- kungen nur eine kurze Unterbrechung des Verkehres zur Folge. Bei den Befahrungen der Gruben, in denen die Säuberungsarbeiten vom Annaschachte gegen den Annahilfsbau schon sehr weit vorgeschritten waren, wurden gar keine Veränderungen daselbst bemerkt. An den Balkendämmen, durch welche die versandeten Strecken vorläufig von _ den Grubenräumen abgeschlossen wurden, waren gar keine Verände- rungen des W asserzuflusses zu beobachten. Von den Sachverständigen war schon seinerzeit die W ahrschein- lichkeit hervorgehoben worden, dass in dem entleerten Schwimmsand- gebiete unverbrochene Hohlräume zurückgeblieben waren, deren Ein- bruch vielleicht vorläufig dadurch verzögert wurde, dass sie sich mit Wasser erfüllt hatten. Einzelne Bohrungen haben das Vorhanden- sein soleher Hohlräume auch später dargethan. Diese Wasseransamm- lungen sind in der Nacht vom 6. auf 7. August aus einem unbekannten Grunde in Bewegung gerathen, und zwar ist allem Anscheine . nach ein-Theil des Schwimmsandes gegen die Gruben geflossen, welcher in der engen unterirdischen Mulde, die sich von ‘der Bohrung.'d gegen die Bohrung 8 zieht, haften geblieben war. Das abgeflossene Quantum wurde nach den entstandenen Einsenkungen und Pingen auf 500—1000 Cubikmeter geschätzt. Diese geringe Menge wird in den noch nicht versandeten Strecken und alten Abbauen leicht Platz gefunden haben, so dass jenseits der Verdämmungen von dem. Vor- gange nichts bemerkt werden konnte. 2. In der Nacht vom 9. auf 10. September 1896. An den genannten: Tagen wurde das Einbruchsgebiet durch neuerliche bedeutendere Senkungen gegen Südwesten erweitert. Eine genauere Schilderung der Vorgänge über Tag und in den Gruben, sowie die Erläuterung der Ursachen entnehme ich dem im Stations- gebäude der Aussig—Teplitzer Eisenbahn am 14. September 1896 aufgenommenen Protokolle: 500 Dr. Franz E. Suess. [76] „In der Nacht vom 9. auf 10. September wurde um 1 Uhr von der im Bruchgebiete der Stadt Brüx bestellten Nachtwache auf ihrem Rundgange die Wahrnehmung gemacht, dass sich an der innerhalb des alten von dem Schwimmsandeinbruche des Vorjahres herrührenden Verbruchterrains gelegenen, mit dem Bahnkörper parallel laufenden Brüx—Johnsdorfer Bezirksstrassen in der Nähe des (oben schon mehr- mals genannten) Hauses des Herrn Baumeisters Pamp| neue Risse zeigen. Bald darauf gewahrten die Bahnbetriebsorgane eine Senkung der ersten, gegen die Stadt zu gelegenen Eisenbahngeleise .., Um 2 Uhr Nachts zeigten sich Senkungen südwärts vom Gehsteige, welche die Biegung der Johnsdorferstrasse abkürzend, den Bahnkörper über- setzt. Gegen 5 Uhr erstreckte sich die Senkung bis zur Strassen- überfahrt gegen Süden und von der Dammböschung zunächst dem seit der ersten Katastrophe verschütteten Viaduet bis über die Laderampe an der Johnsdorferstrasse. In dieser Zeit war die grösste Senkung bei Weiche 45 von nur 30 Centimeter Tiefe und die Risse hatten bereits eine Breite von 10 ÜCentimeter. Das Fundament des ersten Stützpfeilers des Gehsteges senkte sich um 4 Oentimeter. Nach 3 Uhr ging zwischen den beiden Hauptgeleisen eine Pinge nieder von D m Länge, 3 m Breite und 6 m Tiefe; gleichzeitig zwei Pingen in der Strassenböschung von 2 m Länge und Breite. Um !/s4 Uhr erweiterte sich die Pinge zwischen den Hauptgeleisen durch Nachfall, so dass die inneren Schienenstränge der beiden Geleise in der Luft hingen. Die zwei Pingen in der Strassenböschung erweiterten sich auf 3 m Durchmesser. Das Gehstegfundament senkte sich bis auf 10 Centi- meter Tiefe. Um 4 Uhr wurden Risse auf dem Bahnobjecte und der Johnsdorferstrasse bemerkt, die Trottoirsteine lösten sich ab Um !/)6 Uhr Früh standen beide Hauptgeleise bei der Pinge ganz in der Luft, ebenso die Weiche 42; das Fundament des Stützpfeilers des Gehsteges war um 6 Uhr bereits um 24 Centimeter gesunken, gleich- zeitig auch das Fundament des Joches des Gehsteges. Ausserdem sing um 5 Uhr Früh auf der Johnsdorferstrasse zwischen der Bahn und der Stadt eine Pinge nieder.“ Erst gegen 3 Uhr Nachmittags waren die Bewegungen zum Abschlusse gelangt. Nur ganz geringe Senkungen fanden noch am Balınkörper bis zum 12. September statt. Sie mögen durch die starken Regengüsse dieser Tage befördert worden sein. Die neuerlichen Einbrüche liegen hauptsächlich ausserhalb des Stadtgebietes, sie hatten desshalb nicht so viele Beschädigungen an den Gebäuden verursacht. Nur die schon früher ziemlich beschädigten Häuser Nr. 739, 750 und 769 in der Nähe der Bohrung Nr. 8 wurden nun theilweise zum Einsturze gebracht, Dagegen hat ein Stück des Bahnkörpers von ca. 200 m Länge eine wellenförmige Senkung er- litten; dazwischen waren Pingen angereiht, deren Dimensionen aber 6 m in der Breite und 5 m in der Tiefe nicht überschritten. Die Senkungen gingen quer über die ganzen Geleise hinweg. In der neu hergestellten Unterfahrung der Johnsdorferstrasse unter dem Bahn- körper hatten sich beide Widerlager stark gesenkt, so dass das da- zwischen liegende Trottoir gehoben schien. [77] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 501 Wie aus vorstehender Schilderung ersichtlich ist, ging dieser Einbruch in unregelmässiger Weise und sehr allmälig vor sich; aus letzterem Umstande wurde von den Fachleuten sofort geschlossen, dass die Ausflussöffnung nur einen sehr kleinen Querschnitt haben dürfte, der den Wässern nur einen langsamen Abfluss gestattet. Als um 3 Uhr Morgens des 10. September am Annahilfsbau- schachte bekannt wurde, dass in Brüx eine Erdbewegung vor sich sing, wurde die Grube sofort zunächst von Herrn Ingenieur Schwarz, dann von Herrn Bergverwalter Getschold befahren. Um die ge- nannte Zeit wurde der Wasserzufluss am Füllorthorizonte des Anna- hilfsbaues noch unverändert, wie vorher, mit 50 Liter per Minute beobachtet. Um ?/,5 Uhr befand sich der erstgenannte Herr am Schachte, als plötzlich das Licht durch schlechte Wetter verlöscht wurde; kurz nachher wurde ein prasselndes Geräusch vernommen, welches von dem aus der Hangendstrecke herabfallenden Wasser her- rührte. Um diese Zeit wurde der Zufluss auf 20 Cubikmeter per Minute geschätzt. Bald darauf stand der Füllort einen halben Meter tief unter Wasser, welches aber nur kaum merklich anstieg. Es hatte also ein plötzlicher Schub oder ein momentaner Durchbruch statt- gefunden, welcher dann wieder nachliess. Das Wasser war wohl von feinem Schlamm erfüllt, hatte aber augenscheinlich nicht so grosse Sandmassen mitgebracht, wie beim ersten Einbruche, Das Wasser war aus der südlichen Hangendstrecke gekommen und es wurde sofort beschlossen, daselbst eine provisorische Ver- dämmung zu errichten. Um circa “ Uhr Früh war ein neuerlicher, plötzlicher, grösserer Wassereinbruch, begleitet von Gasausströmungen, eingetreten, welcher eine vorübergehende Unterbrechung der bereits begonnenen Verdämmungsarbeit verursachte. Um 8 Uhr 40 Min. war der Zufluss wieder bedeutend abgeschwächt und betrug nur eirca 4—D5 Cubikmeter per Minute. Auch in den tieferen Horizonten (der tiefste in 95 m S. H.), wo stellenweise ein vermehrter Zufluss von trübem Wasser stattfand, sollten die provisorischen Holzverdämmungen theils verstärkt, theils neu errichtet werden. Die meisten von ihnen konnten aber des steigenden Wassers wegen nicht fertiggestellt werden. Vom 12. September, 6 Uhr Früh wurde an den Gruben keine auffallende Erscheinung mehr bemerkt. Das Wasser. stieg langsam weiter und erreichte am 14. September gegen Mittag den höchsten Stand 101'468 m S. H.; bis 9 Uhr fiel es auf 101'429 m und stieg dann wieder in Folge Stillstandes der Sümpfung auf 101550 m S. H. Von da an begann die energische Sümpfung mit Wasserkästen. Bei diesem Einbruche kann man sehen, wie eine anscheinend geringfügige Veranlassung eine grosse Bewegung des unterirdisch an- gesammelten Wassers hervorrufen kann; denn es kann als nachge- wiesen gelten, dass er durch emen kleinen, künstlichen Ein- griff verursacht. worden ist. Nachdem die erste Bewegung am 20. Juli 1895 von selbst zum Stillstande gekommen war, hatte man angenommen, dass sich die Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 65 509 Dr. Franz E. Suess. [78] Schwimmsandmasse durch Ausfüllung der Abbaukammern und Strecken selbst den Weg verstopft habe, dass demnach alle Abbaue theils ver- brochen, theils angefüllt seien, so dass ein weiterer Nachschub nicht mehr stattfinden könne. Der Einbruch vom 6. und 7. August, bei welchem ein neuerlicher Ausfluss stattgefunden hatte, ohne dass in den Gruben ein Vorschub des Sandes bemerkt worden wäre, liess im Gegentheile darauf schliessen, dass sich in den Grubenräumen selbst noch unaus- gefüllte Hohlräume befänden, welche eine ständige Gefahr für die über dem Schwimmsande befindlichen Stadttheile bedeuten konnten. Man beschloss deshalb, durch neuerliche Untersuchungsbohrungen den Sachverhalt zu prüfen; ausser der Bohrung 21 im Stadtgebiete, sollten zu dem genannten Zwecke die Bohrungen 22, 23, 24, 25 und 26 auf die Abbaukammern Nr. 1295, 1313, 1272, 1314 und 1265 niedergestossen werden. Die Hohlräume sollten mit Lettenmaterial ausgefüllt und dadurch die Gefahr weiterer Bewegungen beseitigt oder wenigstens verringert werden. Die Bohrung 25 (Cöte 219'66 m), welche zuerst durchgeführt wurde, ergab in der That nach Durchteufung des aus Sanden und Letten bestehenden Hangendgebirges einschliesslich des 4 m mächtigen unreinen Hangendflötzes (s. Profil Taf. XII die nahe gelegene Boh- rung 23) in einer Tiefe von 79:89 m (140 m S. H.) einen Hohlraum von 9:10 m Höhe, darunter 12:30 m Verbruchmaterial und dann in circa 1195 m S. H. den braunen Letten im Liegenden des Flötzes. Das Grundwasser war zuerst in 24 m u. T. (19566 m S. H.) angetroffen worden. Beim Anbohren einer Lettenschicht, welche dem hangenden, nicht verbrochenen Theile des Hauptflötzes in S. H. 145'1 eingelagert war, stieg das Wasser im Bohrloch um 16 m bis auf 211'6 m S. H. Der Wasserstand blieb derselbe als diese Lettenschicht von 38 Centi- meter durchsunken war, bis nach Durchbohrung von weiteren 5 m Kohle der Bohrer plötzlich in dem Hohlraum fiel. Das Wasser, welches aus der Lettenschicht emporgestiegen war, konnte nicht aus den Grubenräumen gekommen sein, denn der Bohrer war ganz trocken herausgezogen worden und das Wasser sank plötzlich auf 15958 m S. H., und füllte jetzt erst den früher leer gebliebenen Hohlraum ganz aus. Beim Anbohren des Bruchmaterials (am 8. September) wurde das Bohrloch neuerdings trocken, so dass Wasser nachgeschüttet werden musste. Um die Verfüllung des nun constatirten Hohlraumes durchführen zu können, war es nothwendig. die allzu engen Röhren zu ziehen, und mit solchen von weiterem Durchmesser nachzuschneiden. Bis 9. September, 6 Uhr Abends war die ganze innerste Verrohrung von 9 CGentimeter Durchmesser glücklich gezogen worden. Als aber die nächste Röhrentour von 12 ÜÖentimeter, welche bis auf 7In u. T. reichte, bis 41 m u. T. (178 m S. H,), wo eine kleine Sandstein- bank dem Letten eingelagert ist, gehoben war, hörte man plötzlich im Bohrloche das Wasser fliessen; die Bewegung hörte bald wieder auf, begann aber neuerdings und nahm immer mehr zu, während das Nachschneiden durchgeführt wurde. Sie wurde am stärksten, als man die oben genannte Lettenschichte in 74 m Tiefe erreichte. Der Bohrführer versuchte die Rohre von 12cm D. wieder 79 Studien über unterirdische Wasserbewegung. 503 gung ins Bohrloch zu senken, um vielleicht die Bewegung aufzuhalten; bis 6 Uhr Früh des 10. September hatte er sie bis auf 40 ın herab- gebracht, er konnte sie aber auch im Verlaufe des Tages nur auf 62 m Tiefe nachsenken; weiter liessen sich die Rohre nicht mehr hinunter- bringen. Während der ganzen Zeit hielt das Rauschen des fliessenden Wassers ununterbrochen an. Am 10. September, nachdem der Ein- bruch bereits erfolgt war, dauerte die Bewegung im Bohrloche mit ge- ringen Unterbrechungen fort, während der Wasserstand in demselben wechselte und einmal bis 63 m u. T. sank, und wieder bis über 30 mu. T. stieg. Am 10. September, 7 Uhr Abends war das Bohrloch ruhig und das Wasser stand 22'30 m u. T. Dann wurde das Betreten der Umgebung des Bohrloches verboten, da man ein Zubruchegehen der angebohrten Kammer fürchtete. Als am Il. Sept. um 7 Uhr Früh das Bohrloch neuerdings besucht wurde, war der Wasserstand 62 m u. T. und in ziemlicher Bewegung; „es wurden Wasser- und kleine Kohlentheilchen aus dem Bohrloche heraus- geworfen, 6—7 Minuten hat das Bohrloch Luft eingesogen und stiess dann eine halbe Stunde Luft wieder aus. — Am 1]. September, I Uhr p. m. Wasserstand 24m u. T.; um 3 Uhr p. m. 3lm u. T.; man hörte wieder bedeutendes Brausen aus demselben. — Um 4!/, Uhr ‚Wasserstand 22 u. T. — um 7!/, Uhr p. m. wurde der Wasserspiegel bei starkem Ausströmen der Luft 52 m u. T. constatirt. Geräusch und Zittern des Erdbodens deuteten auf ein Verbrechen des Hohlraumes.“ Am 11. September, 10 Uhr Abends wurde in der Grube wieder ein gesteigerter Wasserzufluss aus der südlichen Hangendstrecke ge- meldet. Am 12. September, 2 Uhr Früh wurde das Bohrloch wieder bis auf ein schwaches Glucksen bei einem Wasserstand von 25’5 mu. T. ganz ruhig befunden. Aber am selben Tage konnte das Rauschen im Bohrloche neuerdings wieder bereits auf 6 m Entfernung gehört werden. Von Zeit zu Zeit wurde eine heftige Erschütterung des in die Bohrung zum Zwecke der Verfüllung eingesenkten Gestänges beobachtet. Noch am 13. September, 6 Uhr Früh. wurde am Bohrloche ein leises Brodeln gehört. Die Verfüllung des Hohlraumes mit Kohlenlösche oder Letten war bereits am 12. September in Commission beschlossen und am 13. Morgens mit Lösche begonnen worden. Durch eine Verstopfung der Rohre wurde ein neuerliches Ziehen derselben veranlasst, und man be- obachtete, dass die gezogenen Rohre von 397 m u. T., d. i. von der Höhe der Sandsteinbank an, auf eine Länge von 22 m stellenweise blank ge- rieben waren. Man nahm an, dass die Rohre entweder an der harten Sandsteinschicht in 40'7—41 m u. T. gerieben, oder von dem ab- fliessenden Sand gescheuert worden waren. Bis 14. September, an welchem Tage eine neuerliche Verrohrung durchgeführt war und die Verfüllung mit Letten begonnen wurde, war im Bohrloche „ein zeit- weiliges, bald stärkeres, bald leiseres Tropfen und Gurgeln“ ver- nommen worden. Nach einigen unwesentlichen Hemmungen gingen die Verfüllungs- arbeiten vom 14. September Abends an, ungestört vor sich. Am 28. Sep- tember, nachdem 566 Cubikmeter Letten eingeführt waren, — wurde zur Beschleunigung der Arbeit neuerdings mit Rohren von 32 Uen- 65* 504 Dr. Franz E. Suess. [80] timeter Durchmesser vorsichtig nachgeschnitten. Bis 11. October waren dann im ganzen 2727 Cubikmeter Letten in den Hohlraum eingefüllt worden, während das Wasser ständig in 12'3 m unter dem Rasen stehen blieb. Ebensowenig wie der Zusammenhang der Erscheinungen im Bruch- gebiete und in den Gruben, lässt sich der Zusammenhang dieser beiden mit den am Bohrloche 25 wahrgenommenen Erscheinungen verkennen. Das Anfahren einer wasserführenden Lettenschicht in den Hangend- theilen des Hauptflötzes mag für den Verlauf der Ereignisse bedeutungs- los sein. Dagegen wurde dem Wasser einer höheren Schichte durch das Ziehen der Rohre am 9. September ein Weg nach den tiefer liegenden offenen Hohlräumen geöffnet, und zwar war diese verhängnissvolle Schichte die kleine Sandsteinbank in 178 m 8.H. (41 m u. T.),- von welcher weiter unten noch einmal die Rede sein wird. Als die Röhren bis zu dieser Höhe gehoben waren, stürzte das Wasser durch die enge neugeschaffene Communication in die Tiefe;, nachträglich mochte das Wasser durch Abspülung des knapp an den Rohren anliegenden Lettens seinen Weg auch seitlich ausserhalb der später wieder eingesenkten Röhren erweitert haben. Das blanke Abscheuern dieser Röhren bis zur Höhe der Sandsteinbank deutet auch auf eine starke Bewegung des Sandes ausserhalb der Verrohrung. Das wechselnde Aus- und Ein- strömen von Luft am Bohrloche weist auf die lebhaften Strömungen des Wassers in der engen Röhre hin, welche aber noch anhielten, als im Bruchterrain die Senkungen bereits zum Stillstande gelangt waren. Die Gesammtheit der Erscheinungen beweist aber, dass zwischen der kleinen Sandsteinbank und der Schwimmsandlinse von Brüx, ungeachtet der anzunehmenden Verw£ıfung an der alten Schutzpfeilergrenze eine Verbindung bestehen muss. 3. Neue Sanirungs-Massnahmen. Durch den Septembereinbruch hatte sich die Frage nach der möglichst raschen Sicherung des Einbruchsgebietes und besonders der Communieationen der Aussig-Teplitzer Eisenbahn neuerdings noch schwieriger gestaltet, als bisher. Nun kannte man die latente Gefahr, welche die zahlreichen Hohlräume, die in den versandeten Gruben zurückgeblieben waren, bedeuteten. Man konnte sich nicht gedulden, bis die Strecken gesäubert und am neuen Schutzpfeiler beim Brems- berg IV die Dämme errichtet waren; und selbst dann waren ja die Hohlräume und die schwebende Gefahr nicht beseitigt. Als mögliche Sicherungen wurden zunächst von verschiedenen Seiten drei Projecte ins Auge gefasst: l. Die Verfüllung der noch vorhandenen Hohlräume mit Versatz- material; diese Arbeit hätte den Vortheil, dass die verhältnissmässig rasch und ohne Gefahr durchgeführt werden konnte. Dagegen bietet die Aufsuchung der Hohlräume ziemliche Schwierigkeiten und es wird sich schwer eine Sicherheit gewinnen lassen, ob alle Hohlräume in der That verstopft sind. Natürlich musste mit der Verfüllung eine ent- sprechende Verdämmung in den Grubenstrecken, wie sie bereits nach der 'ersten Katastrophe geplant war, Hand in Hand gehen. [81] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 505 2, Durch ein Ersäufen der Annahilfsbau-Gruben die Gruben- wässer bis zur Höhe des Grundwassers im Schwimmsandgebiete an- steigen zu lassen, so dass ein Abfluss von diesem gegen jenes nicht mehr stattfinden kann. Es würde aber mehrere Jahre dauern, bis dieser Zustand erreicht wird, während welcher Zeit die Gefahr stets vor- handen wäre. Ausserdem würde die Ersäufung eine eminente, ständige Gefahr für die benachbarten Gruben, namentlich für ‘die ärarischen Juliusschächte und .die Vietoria - Tiefbauschächte bedeuten, deren Grubengebiete durch keinerlei geologische Trennungslinien von den Annaschächten gesondert sind, und bis in deren unmittelbare Nähe sich die Schwimmsandlinse von Brüx mit anscheinend noch EIuE BAIEnare Mächtigkeit fortsetzt. 3. Der dritte Vorschlag wurde von Herrn Ingenieur O.Smrecker aus Mannheim vertreten, der "als erfahrener Hydrotechniker zum Studium der Verhältnisse nach Brüx berufen worden war; sein Vorschlag ging dahin, dem Schwimmsande durch künstliche Entwässerung seine "Be- weglichkeit zu nehmen. Um eine solche Trockenlegung mit Erfolg durchführen zu können, wäre unbedingt nöthig gewesen, zuerst die genaue Ausdehnung des Schwimmsandgebietes, namentlich seine muth- masslich grössere Verbreitung im Norden des Stadtgebietes und seine Umgrenzung genau zu kennen, und dann die Grundwasserbewegung innerhalb desselben, insbesondere die Wege, auf welchem dasselbe vielleicht besondere Zuflüsse erhält, ob es mit dem Weissbache und dem Bielaflusse in Wechselbeziehung steht, zu erforschen. Zu diesem Zwecke wurde von Smrecker die Niederbringung von 55 Bohr- löchern. theils innerhalb des Stadtgebietes, theils im Norden desselben bis über den Julius-Sehacht II hinaus anempfohlen, welche 7 parallele Profile durch die Schwimmsandlinse ergeben sollten. Die Trocken- legung sollte dann durch Pumpen aus mit entsprechenden Filtern ver- sehenen Brunnen vorgenommen werden. (Siehe Fig. 4, Seite 490.) Abgesehen von den grossen Kosten, welche die Durchführung dieses interessanten Projeetes verlangt haben würde, wäre der Erfolg desselben schon deshalb unsicher, weil sich darüber hätte nach Durch- führung der Hauptarbeit, nämlich der Bohrungen, kaum eine Gewissheit gewinnen lassen, ob es gelingen würde, die Grundwasserzuflüsse zur Schwimmsandlinse abzuschneiden. Man entschied sich also für die erst- genannte Massregel, welche bei schnellster Durchführbarkeit auch die geringste Gefahr mit sich zu bringen schien; und zwar sollte dieselbe in der folgenden Weise durchgeführt werden: Die Abbaukammern 1293, 1313, 1265 und 1272 (bei Bohrg. 24) sollten durch Bohrungen mit Röhren von 230 mm lichter Weite untersucht werden, und falls sie sich nicht durch Schwimmsand angefüllt erwiesen, auf dieselbe Weise, wie die Kammer 1314 durch Letten oder Kohlen- lösche versetzt werden. Die provisorischen Dämme, welche in den Strecken der unmittelbaren Umgebung des Annahilfsbauschachtes er- richtet worden waren, sollten in der Weise verstärkt oder durch neue Objecte ersetzt werden, dass man von ihnen einen genügenden Wider- stand gegen jeden möglichen Anprall oder Wasserdruck erwarten konnte. Diese Dämme liegen aber in einer Entfernung von 600 ın von der muthmasslichen Einbruchstelle und zwischen beiden befindet sich 506 Dr. Franz E. Suess. [82] ein ausgebreitetes Streckennetz, welches ohne Zweifel zum grossen Theile offen geblieben ist und Raum bietet für neuerliche vorge- schobene Einbruchsmassen. Eine Ausfüllung dieser Hohlräume wäre nicht durchführbar; man musste deshalb darnach trachten, dieses Grubengebiet auch noch von der Sphäre der Wirksamkeit auf das Schwimmsandgebiet auszuschalten. Das wird dadurch erreicht, dass die Strecken, welche zu dem als neue Schutzpfeilergrenze bestimmten Bremsberg IV führen, möglichst nahe an diesem eine zweite, innere Reihe von Verdämmungen angebracht wird. Daran, diese Stellen vom Schachte aus durch Säuberung zugänglich zu machen, konnte natürlich nicht gedacht werden; deshalb wurde beschlossen, einen Schacht in der Nähe dieser projectirten Objeete (bei Bohrung 27, Taf. XI) nieder- zubringen und von hier aus durch Streckenauffahrung und Säuberung die Freimachung der für die Dammobjeete ausersehenen Stellen zu bewirken. Die provisorischen Verdämmungen in den tieferen Strecken am Annahilfsbauschachte standen natürlich unter Wasser. Um sie zugäng- lich zu machen und verstärken zu können, musste vorher eine Sümpfung vorgenommen werden. Eine solche Sümpfung konnte aber bei ungleicher Belastung die provisorischen Dämme zum Durchbruch bringen. Zu diesem Zwecke musste man vorher untersuchen, ein wie hoher Druck auf den Objecten lastet; dazu, sowie überhaupt um eine Regelung und Controlle der Wasserstände zu ermöglichen, wurden drei Pegelbohrlöcher niedergebracht, und zwar: |. eine Bohrung (P. I) auf die südliche Oberbaustrecke in der Nähe der neuen Schutzpfeilergrenze beim Bremsberg IV; 2. eine Bohrung (P. II) auf ungefähr zwei Drittel des Weges vom Bruchgebiete gegen den Schacht auf die Seilbahnstrecke und 3. eine Bohrung (P. III) hinter einem Dammobjeete in unmittel- barer Nähe des Schachtes. Letztere Bohrung hatte in der Strecke einen Hohlraum von 1:10 m und darunter das sandige, mit Kohlenstücken vermengte Anschwemmungsmaterial von nur 0'2 m durchfahren. Der Wasserstand war mit 101'95 m S. H. ungefähr übereinstimmend mit dem am Füll- orte des Annahilfsbauschachtes, jenseits des provisorischen Dammes, gefunden worden. Dadurch war also nachgewiesen worden, dass auf den provisorischen Balkendämmen, welche das Ostfeld vom Füllorte absperren, kein grosser Wasserdruck lastet, und man konnte sich zur Sümpfung entschliessen. 4. Weitere kleine Senkung am 6. December 1896. Die angegebenen Sanirungsarbeiten, die Sümpfung der Gruben, ferner die Anbohrung und Verfüllung der Abbaukammern, waren im besten Gange und die der Kammer 1272 durch die Bohrung 24 bereits vollendet, als durch eine gleiche Veranlassung wie im September in der Nacht vom 5. auf 6. December eine neuerliche Bewegung im Schwimmsandgebiete, diesmal aber glücklicherweise von so geringen Dimensionen hervorzerufen wurde. dass nur die weniesten Bewohner der Stadt davon überhaupt Kenntniss erhalten hatten. Die Veranlassung war das Ziehen einer Röhrentour beim Bohrloche 23 über dem Abbau- plane 1313. run sa u a Bl a De 1 u A ra m 1 ln Kl Bd a a a a ea nn nn a I SUI sue — BE [83] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 507 Die Bohrung war am 6. November begonnen und in der Tiefe 87:85— 90:65 (134:50—131°78 8. H.) ein Hohlraum angefahren worden ; darunter befand sich Lettenschlamm mit Kohlenstücken vermengt. Die Plandecke sollte sich aber erst in 96 m Tiefe befinden; es wurde des- halb weiter geteuft und nach Durchsinkung von 5 m verbrochener Kohle der in die Kammer eingedrungene Schwimmsand erreicht. Der Hohlraum konnte nur von dem Verbruche der Plandecke herrühren. Nachdem 286 Hunde Lettenmaterial in den Hohlraum eingeführt worden waren und es trotz des Nachgiessens von Druckwasser nicht mehr möglich war, weiteres Material niederzubringen, galt die Abbaukammer als vollkommen ausgefüllt. Man wollte die Verrohrung wieder heraus- nehmen, die Rohre sollten successive gehoben und nachgezogen werden. Als am 5. December, 11 Uhr Abends, zwei Röhrentouren aus der Teufe 82:54 m um 10°45 m gezogen worden waren, wurde im Bohrloche ein auffälliges Rauschen bemerkt. Zu gleicher Zeit beobachteten die Bahn- bediensteten in der zerstörten Häusergruppe der Johnsdorfer Quergasse ein bemerkenswerthes Knistern. Nach kurzer Zeit stürzte der Östliche Traect eines bereits beim Septembereinbruche zerstörten Hauses in der Nähe der Bohrung Nr. 8 ein An den in der Nachbarschaft befind- lichen Häusern wurden die bereits vorhandenen Risse merklich erweitert. Einzelne neue Pingen und Risse ‚entstanden in der Quergasse und in den östlichen und "westlichen Häusergruppen (Tafel XT). Die Senkungen gingen nirgends über das bisherige Einbruchs- gebiet hinaus, und auch "der Bahnkörper war vollkommen intact, und der Betrieb vollkommen unbeeinflusst geblieben. Um 3 Uhr Morgens war die Bewegung zum Stillstande gelangt. Um womöglich ein neuerliches Erwachen der Bewegung zu hemrien, wurde commissionell angeordnet, dass die gezogenen Röhren so rasch als möglich wieder niedergebracht werden. In den Röhren befand sich ein von der Verfüllung herrührender Lettenpfropf von 6'2 m Höhe, der mit den Röhren gehoben worden war. Dieser Pfropf sollte ange- bohrt werden und, falls das in die Kammer eingeschüttete Material in andere Streckentheile gezogen und verschwemmt worden war, eine neuerliche Füllung versucht werden. An den Dammobjecten in der Nähe des Füllloches des Annahilfs- schachtes war gar nichts Auffälliges bemerkt worden. Die Dämme waren theils ganz trocken (Object D), theils wurde der normale Wasser- zufluss (Object IV 46 Liter per Minute) constatirt. Um 2 Uhr Nachts waren die Röhren bereits wieder eingetrieben worden, und zwar um 1'16 n tiefer als vorher, d. i. auf 837 m Teufe. Das Geräusch vom fliessenden Wasser, das während der ganzen Zeit angehalten hatte, liess daraufhin nach. Am Bohrloche war ausserdem das Ausströmen von kohlensäurehältigen Gasen mit hörbarem Zischen beobachtet worden. Nach Durchstossung des Lettenpfropfens in den Röhren wurde ein neuerlicher Hohlraum von 48 m Höhe constatirt, der vielleicht zum Theil durch die auswaschende Tbätigkeit des durch das Bohrloch herabfliessenden Wassers neu entstanden war. Die neuerliche Verfüllung wurde demnach sofort begonnen. Das Ereigniss war ganz analog dem vom September 1896 und beweist «das Vorkommen derselben wasserführenden Sandschichte, wie bei Bohrung 25, auch bei Bohrung 23. 508 ’ Dr. Franz E. Suess. [84] 5. Wassererschrotung im Verdämmungsschachte am 9. December 1897. Die Arbeiten an der Verdämmung beim Füllorte bs Annahilfs! bauschachte gingen in vollster Ordnung ohne Unterbrechung vor sich ; am 8 Jänner 1897 war die Füllortsohle wasserfrei und konnte. mit den Säuberungsarbeiten begonnen werden. Am 12. August desselben Jahres fand bereits die behördliche Collaudirung sämmtlicher Damm- objecte beim Schachte statt. Die Pegelbohrlöcher II und III, welche dazu gedient hatten, den auf den provisorischen Dämmen und auf der Sandmasse lastenden Druck zu messen, konnten nun aufgelassen werden. Im Bruchgebiete wurde keine weitere Bewegung beobachtet, ausser zwei unbedeutenden Pingen nächst dem Taschenberge (15. und 22. März 1897), wahrscheinlich blosse Nachbrüche eines bereits im August 1896 entstandenen schlauchartigen Hohlraumes. Der Herstellung der inneren Verdämmungen in der Nähe des Bremsberges IV stellten sich aber unerwartete Schwierigkeiten ent- gesen, so dass dieselben erst im Herbste’ des Jahres 1898 zum end- giltigen Abschlusse gebracht werden konnten. An der Stelle des Ver- dämmunesschachtes war. ein Böhrloch 27 niedergebracht worden, welches am 9. December 1896 in 115 »» die Kohle erreicht hatte, Die Abteufung des Schachtes ging anfangs rasch vor sich und war bis Februar 1897 auf 34 m Tiefe vorgeschritten; im März mussten die Arbeiten wegen Hochwassers unterbrochen werden und konnten auch im April, da das Wasser im Schachte stets 18 bis 20 m hoch stand, nicht fortgesetzt werden. Im Mai wurden Pumpen eingebaut und mit deren Hilfe weiter geteuft. Der Wasserzufluss im Sehachte betrug im Juni und Juli constant 120 Liter per Minute. Von August bi No- vember 1897 erfolgte in Folge Hochwassers eine neuerliche Unter- brechung der Arbeit. In 42 m Tiefe war das Hangendflötz durchteuft worden; aus diesem und aus einer darüberliegenden Sandschichte stammte der Wasserzufluss, der von einer Pumpe mit.1'8 Cubikmeter grösster Leistungsfähiekeit per Minute bewältigt wurde, Der Schacht war bis auf 642 m abgeteuft und auf 52 m aus- gemauert, als am 9. December 1897 Morgens plötzlich an der Schacht- sohle ein Wassereinbruch erfolgte. Schon um 10 Uhr Abends des 8. December war ein stärkerer Wasserzufluss aus dem Schachtbohr- loche beobachtet worden, welcher stets zunahm, so dass das Wasser um 3 Uhr. Morgens bereits 3 m hoch über: der Schachtsohle stand. Um diese Zeit beobachtete ein Häuer ein plötzliches. Aufwallen und darauf folgendes rascheres Ansteigen des Wassers. Um 4 Uhr Morgens stand es bereits 22 ım hoch im Schachtraume und batte die EMDEN: kammer erreicht. Man nahm sofort. an, dass das Wasser aus einer 6°5 m unter: dar Schachtsohle gelegenen und durch die vorausgegangene Bohrung: con- statirten Sandsteinschichte gekommen sei. Es ist das ohne Zweifel dieselbe Schichte, welche die Calamitäten bei den Bohrungen 25 und 25 und die damit zusammenhängenden Einbrüche : verursacht hatte. Das unter Druck stehende Wasser dürfte sich, als durch tue [85] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 509 die Abteufung eine Entlastung hervorgerufen worden war, entlang der Verrohrung des Bohrloches einen Ausweg erzwungen haben. In diesem Falle konnte es aber glücklicherweise wegen des geringen Fassungsraumes des Schachtes keinerlei schädliche Einwirkung auf das Bruchgebiet zur Folge haben. Ebensowenig wurde irgend ein Einfluss auf die Grube constatirt; das Wasser floss an allen Verdämmungs- objecten ganz klar und in den gewöhnlichen Mengen. Der höchste Wasserstand im Schachte betrug am 10. December, 6 Uhr Früh, 19272 m S.H. (2985 m u. T.); von diesem Zeitpunkt an wurde ein langsames Fallen beobachtet. Ueber den Einfluss dieses Ein- bruches auf die Brunnenwasserstände in Brüx wird weiter unten die Rede sein. Am 26. December war der sinkende Wasserspiegel im Schachte in 31'74 u. T. stehen geblieben; über die Schachtsohle hatten sich 9 m Sand allmälig angehäuft. In Folge des nachgewiesenen Einflusses des Wassereinbruches im Schachte auf den Grundwasserspiegel wären bei der weiteren Teufung und Sümpfung der Schachtwässer neue grosse Schwierigkeiten und auch mögliche Gefährdungen der Tagobjecte im Bruchgebiete zu befürchten gewesen. Man musste sich deshalb ent- schliessen, von der weiteren Teufung abzusehen und den Schacht mit Letten und Schotter zu verstürzen. Zur Erreichung der Stellen, an welchen die innere Verdämmung durchgeführt werden sollte, wurde ein neues Project vorgelegt und dessen Durchführung in Angriff genommen. Es wurden vom Annahilfsbauschachte 11:72 m über die Füllortsohle durch doppelte (Förderstrecke und Wetterstrecke) Umbruchstrecken die alten Strecken in südlicher und südöstlicher Richtung überfahren. Die Neuanlage deren Einzelheiten rein montanistischer Natur sind, und welche 1460 m Strecken, 5 Dammthüren und 5 Mauerobjecte umfasst, war bis zum Herbste 1899 fertiggestellt worden. (S. Taf. XI, Object XV— XIX.) Die amtliche Collaudierung unter der Leitung des k. k. Oberberg- rathes Dr. J. Gattnar fand am 15. October 1898 statt, und nachdem die Sicherungen vollständig zweckentsprechend schienen, konnten die provisorischen Verdämmungen I, VI und XI—XIV aufgelassen werden. Die Säuberung des zwischen den alten und den neuen Verdämmungen liegenden Streckennetzes konnte nunmehr vorgenommen werden. Sämmtliche Strecken waren an den Punkten, wo die Verdäm- mungen angebracht wurden, vollständig mit Sand verschlämmt und ausgefüllt; nur bei der höchstgelegenen, südlichen Streichstrecke, bei Object XV, war das oberste Drittel freigeblieben. Hieraus geht hervor, dass keine bedeutenderen Hohlräume unter dem östlichen Strecken- netze mehr bestehen können, ein Umstand, der die montanistischen Sachverständigen, die Herren Ingenieure Ullrich und Stamm zu der beruhigenden Versicherung veranlassen konnte, dass keine grösseren Nachschübe von Schwimmsand aus der Linse unterhalb des nördlichen Stadtgebietes von Brüx gegen die Grubenräume möglich erscheinen. Nur in dem möglichen Vorhandensein einiger unverstürzter Hohlräume, welche von früheren Einbrüchen zurückgeblieben sind und nachträglich niedergehen könnten, ist noch eine gewisse Gefahr gelegen, welche sich aber nicht auf die Gebäude ausserhalb des Bruchgebietes erstrecken kann. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Bd., 3. Heft. (Dr. Fr. E. Suess.) 66 510 Dr. Franz E. Suess. [86] V. Grundwasser und Grubenwasser. Der erste Einbruch war von einem allgemeinen Sturz der Brunnen- wasserstände im Schwimmsandgebiete begleitet; nachher erholte sich der Grundwasserspiegel nur allmälig, kehrte aber während der ganzen nachfolgenden Zeit nicht mehr auf seine ursprüngliche Höhe zurück. Vor der Katastrophe befanden sich die Nullpunkte der Brunnen alle in eirca 213 m oder weniges darunter, der Grundwasserspiegel dürfte nahezu horizontal gewesen sein. Da sich das Terrain im All- gemeinen ganz wenig gegen die Biela senkt (vergl. die Cöten auf dem Plane Taf. XI), so war der Grundwasserspiegel annähernd parallel der Terrainoberfläche; in der Nähe des Bobbe’schen Hauses (s. Karte im SO) wurde er von dieser geschnitten, was in dem Austritte einer frei fliessenden Quelle in Cöte 212°20 m zur Erscheinung kommt. Hier hatte also das Wasser einen Abzug gegen das 3—5 m tiefer liegende Biela- gebiet, der sich auch auf die entfernter liegenden Theile des Grund- wassers, wenn auch in sehr schwacher Weise, fortgepflanzt haben wird. Ein ganz anderes Bild zeigen aber die Grundwasserstände nach der ersten Katastrophe. Nicht nur wurden alle Wasserspiegel bedeu- tend gesenkt, sondern auch ihr gegenseitiges Verhältniss ist ein ganz anderes geworden. Auf der Karte Taf. XI sind die Grundwasserstände eingetragen, wie sie im August 1895, also einige Wochen nach dem ersten Einbruche, an den Brunnen und Bohrlöchern beobachtet worden sind. Verbindet man die Punkte mit annähernd gleichen Wasserständen, so ergeben sich im Grossen beiläufig concentrische Zonen, die sich, vielleicht von O nach W fortschreitend, folgendermassen zusammen- fassen lassen: :ca. 212—213) Meter 1!Bohrloch/ 14 Kan en NR Hatte KO=66 Brumnen! der. Gasanstalt a sa 916 ” ” ” b . . . . . . . . 91157 Bohrloch: 4%: same 2. MINE TEL AST MEET ER 919,58 Brunnen, \Fischer HA I WUNRIRTE EEBSEGEN ATZE Quelle; Bobhe.) & sin ET. MER 21220 (Bassin IT) uerre Zaara art aa. BAHR EL SON (ca. 211—212) Meter 9: Bohrloch Stl!F E. ‚NEN HR BERN IRB SIT ETG Brunnen, LoosıBs lkw. TIEREN TAU a Siege WW... an tatesae I TOLLE Böhrloch f. -SIRAPR N KEN E=AO) Spittel;‘ 2.9 as see N RR AB BREI 2 217501 (ea. 211— 210) Meter 3. Bohrloch NORLL DS Fam RE =. 21053 = Eee. Barren WIR RE RAN Ah Dei 21064 a A ee NR 21003 le a ar IR ER ETF ERZETDNTN SA. (HiEE DIITERSEHAF: Ir). HIHI SAH. 210'65) 4. Bohrloch‘ 104 Kaya DmRN KELSETLEFET TER PR TEEE 20834 Die Grundwasserisohypsen ergeben also nahezu concentrische Ringe um den Mittelpunkt des Einbruchsgebietes; ein Beweis, dass das Grundwasser nun einen anderen Abzug, und zwar gegen die Gruben [87] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 511 genommen hat. Ja im grossen Ganzen haben diese Isohypsen eine gewisse Aehnlichkeit mit den Isohypsen des Schwimmsandliegenden, welche besonders markirt wird durch die ausserordentlich tiefe Lage des Grundwasserspiegels bei Bohrloch 10 (208°3 m), wo der Schwimm- sand eine Art schmalen Abzugscanal gebildet hat, und auch durch die verhältnissmässig hohe Lage desselben bei Bohrloch 9 (210'74 m) gegen Bohrloch 8 (210:03 m), bei welch letzterem das Schwimmsandliegende eine vertiefte Rinne bildet. Nur gestört wird das Bild durch die höhere Lage des Grundwasserspiegels bei Bohrloch 5 (210°:65 m). Mit Aus- nahme von Bohrloch 10, wo den Schwimmsand Letten überlagert, wird derselbe an keinem der anderen Beobachtungspunkte von einer undurchlässigen Schichte überdeckt und es kann das Schwimm- sandwasser hier füglich als Grundwasser gelten. Sein Spiegel stellt gleichsam den eines gegen ostwärts breit . erweiterten und offenen Schlauches dar, der sich gegen Westen senkend und sehr stark ein- geengt unter den wasserdichten Letten und gegen die Gruben hinab- zieht. Da der nach der Katastrophe gewonnene neue Abzug gegen die Gruben, wie schon aus der steilen Neigung des Grundwasserspiegels hervorgeht, viel bedeutender ist, als der frühere gegen die Biela, und wahrscheinlich durch die Sümpfungsarbeiten in den Gruben noch gesteigert wurde, so ist es ganz erklärlich, dass der Grundwasser- spiegel nicht mehr auf die frühere Höhe zurückkehren konnte. Noch deutlicher wurde die Beziehung des Grundwasserspiegels zu den Grubenwässern beim zweiten starken Einbruche am 10. Sep- tember 1896. Damals wurden die mehr westlich gegen die Gruben zu liegenden Brunnen viel heftiger und plötzlicher beeinflusst als die ent- fernteren. Man kann hier, vom Kerne der Schwimmsandmulde nach aussen vorrückend, leicht mehrere Gruppen verschieden starker Senkung unterscheiden. Es fiel das Wasser in folgenden Brunnen: Federle (nächst der Quergasse) (von 212'13 m auf 20654 m) um 5°59 m inner- halb einiger Tage; Siegel H. (von 21218 m auf 207°54 m) um 4'64 m innerhalb einiger Tage; Centrale (Bahnhofstrasse) (von 212'27 m auf 20955 m) um 2:69 m bis 1. October; Spittel (nächst der Wenzelskirche) (von 211'90 m auf 20873 m) um 3:15 m bis 1. October; Bassin II (von 21208 m auf 20850 m) um 3'58 m bis 20. September; Siegel W. (von 212'29 m auf 21034 m) um 1'95 m bis 1. October, später lang- samer gesunken, im Ganzen um 2 m; Loos (von 21173 auf 210 11 m) um 1:62 m bis 1 October, später langsamer ge- sunken, im Ganzen um 2 m; Administration (von 21201 » auf 210'89 m) um 1'12 m bis 1. October; Gasanstalt bis 1. October (von 21183 m auf 210'89 m) um 0'94 m, später bis November auf 21015 m, im Ganzen um 1'68 m. Die im Einbruchsgebiete gelegenen Brunnen sind nicht nur viel stärker und plötzlicher beeinflusst worden als die äusseren, sondern sie haben sich auch viel rascher wieder erholt. Während sie bereits im Ansteigen begriffen waren, hat sich in dem Bestreben, die Horizontale wieder herzustellen, der Wasserspiegel der äusseren Brunnen noch fort- dauernd gesenkt. In ganz ähnlicher Weise äusserte sich, wenn auch in geringerem Masse, der Wassereinbruch am 6. December 1896 und auch 66* 512 Dr. Franz E. Suess. [88] der Wassereinbruch im Verdämmungsschachte am 9. December 1897, nachdem sich der Wasserspiegel infolge des regenreichen Sommers bereits bedeutend erholt hatte. Auf Seite 497 wurden die Gründe angegeben, welche für das Vorhandensein einer Störung nächst der alten Schutzpfeilergrenze an der Johnsdorferstrasse geltend gemacht worden sind. Jenseits dieser Linie liegt unter dem Humus und Lehm nur wenig Sand, der mit dem Schwimmsand nicht im Zusammenhange steht; darunter der wasser- diehte Letten und das Hangendflötz. Was hier an Wasser stellenweise in den oberen Schichten angefahren wurde und als das hier in den Bohrungen heimische Grundwasser füglich zu gelten hat, steht in keiner Beziehung zu dem Grundwasser des Schwimmsandgebietes. Die Fort- setzung des letzteren zieht sich vielmehr mit dem Schwimmsand bei Bohrung 10 in die Tiefe und folgte wenigstens während des ersten Ein- bruches einer Kluft, welche zu den Grubenräumen hinabführte. Da sich das Grubenwasser nicht vollkommen entleert hatte, und da die Hohl- räume in einzelnen Abbaukammern trocken und leer angebohrt worden sind, indem sich das Wasser nach dem Annahilfsbau und seitwärts durch die Kohle verlaufen hatte, muss man schliessen, dass diese Kluft sich von selbst verstopft und geschlossen hatte. Während die Bohrungen im westlichen Gebiete dargethan haben, dass die mächtige Schwimmsandlage hier nicht mehr vorhanden ist, hat sich aber gerade an ihnen in unzweifelhafter Weise erwiesen, dass nichtsdestoweniger einzelne Sandsteinbänke im Hangenden des Haupt- flötzes das Wasser des Schwimmsandgebietes fortzuleiten im Stande sind. Das Schwimmsandlager, welches an der Verwerfung, die sich vielleicht besser als eine von Klüften begleitete Flexur bezeichnen liesse, der Hauptmasse nach auskeilt, setzt vielleicht jenseits der- selben in der Form dieser dünnen Sandsteinbank fort. Wenn ein thatsächlicher Verwurf vorhanden ist, so wird seine Sprunghöhe nicht die Mächtigkeit der wasserführenden Sandschichten übertreffen, so dass ihr Contact auch über die Störung hinaus bestehen bleibt. Bei der Katastrophe im September 1896 hat sich der Contact das erste Mal in deutlichster Weise gezeigt; beim Ziehen der Rohre im Bohr- loche 25 ist bei der Sandschichte in 41 m u. T. das Wasser aus- geflossen, dem durch die Bohrung ein Weg nach den Grubenräumen eröffnet worden war. Das neuerliche Senken der Rohre konnte die Öeffnung nicht mehr versperren, da das Wasser den Abfluss offenbar bereits ausgerissen und über den Querschnitt der Bohrung erweitert hatte. Durch den neugeschaffenen Schlauch zog nun das Grundwasser gegen die Grubenräume ab, was den starken Sturz der Brunnen im Schwimm- sandgebiete zur natürlichen Folge hatte. Da diesmal keine so rasche Verstopfung der Oeffnung erfolgt war, wie beim ersten Einbruche, was wohl dem Umstande zuzuschreiben ist, dass nicht so grosse Schwimm- sandmassen in Bewegung gebracht worden waren — haben die Grund- wasserspiegel eine noch bedeutendere Senkung erfahren als im Juli 1895. Aus derselben Sandschichte erfolgte die Wassererschrottung am 6. December 1896 in der Bohrung 23 sowie der Wassereinbruch im Verdämmungsschachte am 9. December 1897. Die wasserführende Schichte liegt im letzteren Falle in 1518 m S. H., während das [89] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 513 Schwimmsandliegende bis über 200 m ansteigt und bei Bohrung 10 noch in 168 m liegt. Der Grundwasserspiegel, der zum artesischen Auftrieb hier noch in Betracht kommt, befand sich in 211 bis 212 m. Durch den Druck der Wassersäule von eirca 50 m Höhe wurde, als sich die Schacht- sohle nur mehr 6'4 m hoch über der wasserführenden Schichte befand, das Wasser entlang der Verrohrung des Bohrloches im Schachte durch- gepresst. Schon um 10 Uhr Abends des 8. December 1896 hatte der Zufluss in der Schachtsohle begonnen; der eigentliche Einbruch erfolgte aber erst gegen 3 Uhr Morgens des 9. December und bis 4 Uhr war das Wasser im Schachte bis auf 170 m S. H. gestiegen ; bis Nachmittag 3 Uhr 30 Minuten erreichte es die Cöte 192:39 m und ging von da an wieder langsam zurück. — Um 6 Uhr Früh des 9. December war an den Brunnen noch keine Veränderung wahrzunehmen gewesen, dagegen waren bis 8 Uhr die Brunnenwasserspiegel in ähnlichem Verhältniss untereinander wie beim Septembereinbruche um 20—4 cm gesunken. Um 10 Uhr schon war kein weiteres Sinken mehr zu beobachten. Der höchste Wasserstand im Schachte wurde aber, nach vorübergehenden kleinen Senkungen, erst am 10. December, 6 Uhr Früh in 19272 m S.H. er- reicht. Um dieselbe Zeit hatten auch die Brunnen ihren tiefsten Stand, und zwar stand der tiefste unter ihnen in 21080 m S. H. Es bestand also gegen die Schachtwässer eine Differenz um circa 18 m, welche Zahl den Widerstand ausdrückt, der sich dem durch die Sandbank abfliessenden Wasser entgegensetzt. Dieser Einbruch hat auf die Grubenwässer gar keine Wirkung gehabt, denn das ganze System von wass-rführenden Schichten und Grubenräumen stellt gleichsam ein gegen Westen gesenktes Rohr vor, das sich an der Verwerfung wieder in zwei Röhren spaltet: in die höhere, welche von der wasserführenden Sandschichte gebildet wird, und in eine tiefere, die Grubenräume. In das letztere Rohr wurde ein Ab- fluss eröffnet beim ersten Einbruche durch die zu den Abbaukammern führende Kluft und später bei den Einbrüchen im September und December 1896 wurde durch die Bohrung 23 und 25 ein Abfluss aus dem höheren Rohre in das tiefere geschaffen. Beim Wassereinbruche im Verdämmungsschachte wurde aber nur das obere Rohr angeschlagen. Die Pegelbohrlöcher I bis III geben den Wasserstand in den Grubenräumen an. Nach Verstopfung der Verwerfungskluft sind die- selben wieder als ganz gesondertes System zu betrachten, wie vor dem Einbruche, das keinen Zusammenhang mit dem Grundwasser der Schwimmsandlinse aufweist. Sie zeigen dementsprechend nach Ver- sperrung der Ausflussöffnung, die durch die Bohrung 25 im September 1896 geschaffen war, von den Brunnen ganz unabhängige Wasserspiegel. Bei Pegel I stand das Wasser durchschnittlich in Höhe 122°5, also nur 80 m unter den Brunnenwasserständen; ein Beweis, dass nur sehr ge- ringe Wassermengen an der ehemaligen Einbruchstelle durchsickern konnten. Noch tiefer standen sie bei Pegel II und II (97 m und 95 m). Die Niveaudifferenzen entsprechen der capillaren Hemmung, die sich in den stellenweise ganz verschlemmten Streckenräumen auf eine Entfernung von eirca 350 m von Pegel I bis Pegel II und von eirca 8580 m von Pegel I bis Pegel III dem durchsickernden Wasser ent- gegensetzt. Als sich bei dem Einbruche am 6. December 1896 durch das Bohrloch 23 das Wasser in die Grubenräume ergoss, ist selbstver- 514 Dr. Franz E. Suess. [90] ständlich der Wasserstand bei Pegel I sofort rasch gestiegen, und zwar vom 5. December Abends bis 6. December Morgens von 12263 m bis 14466 m S. H. Das Wasser hatte sich in diesen östlichen Gruben- räumen sehr rasch wieder verlaufen, da der Zufluss durch Verfüllung des Planes unterhalb der Bohrung 23 bald wieder gehemmt worden war. Bis 7. December Abends war es wieder bis auf 125'90 m S. H. gesunken. In dieser kurzen Zeit war bei der langsamen Communication durch die Strecken die Wassermenge nicht ausreichend, als dass sie sich noch an den Pegel II und III durch Ansteigen des Spiegels hätte bemerkbar machen können. — Die Wechselbeziehung zwischen dem Grundwasser der Schwimmsandblase und Grubenwasser ist also hier, wie leicht einzusehen, keine unmittelbare; eine solche ist nur dann vorhanden, wenn zeitweilig durch einen unglücklichen Eingriff ein directer freier Abfluss gegen die Gruben geschaffen wurde. VI. Schlussbemerkungen. In der besprochenen Region zeigt der Schwimmsand als solcher nirgends einen direeten hydrostatischen Auftrieb. Die Verschlemmung des Verdämmungsschachtes mit Sand bis auf 19272 m S. H., kann ganz gut allein der erodirenden und transportirenden Kraft des durch den hydrostatischen Druck bewegten Wassers zugeschrieben werden. Stapff und Jentzsch!) haben die Möglichkeit disceutirt, ob der Schwimmsand als soleher überhaupt einen Auftrieb zeigen kann, oder ob seine Be- wegung in allen Fällen nur der Erosionswirkung des strömenden Grundwassers zugeschrieben werden muss. Seinen schärfsten Ausdruck findet das Problem in der Frage, ob es möglich ist, dass der Schwimm- sand blos durch das Gewicht des auflastenden Gebirges einen Auftrieb erleiden kann, oder ob in einem solchen Falle unbedingt die Ver- bindung mit höher gelegenen wasserführenden Schichten angenommen werden muss. Stapff hat sich der letzteren Annahme zugeneigt und es spricht für sie auch unbedingt der Umstand, dass dem Schwimm- sande sein gesammtes Wasser, das unter Umständen 40—50°/, seines Volumens beträgt, entzogen werden kann, ohne dass er sein Volumen verändert und an Tragfähigkeit gegen das auflastende Deckgebirge verliert. Nichtsdestoweniger ist auch der erste Fall theoretisch denkbar. Der Schwimmsand kann im trockenen Zustande in nahezu senkK- rechten Wänden abgegraben werden. Die Ursache dieser Haltbarkeit ist die grosse Reibung zwischen den einzelnen Quarzkörnern; sie ent- spricht der grossen Reibung zwischen zwei glattgeschliffenen Adhäsions- platten. Bekanntlich genügt eine äusserst feine capillare Wasserschichte, um die Reibung zwischen zwei solchen Platten verschwinden zu machen. Ein Haufwerk von Kugeln, welche an den Flächen keine Reibung ') A. Jentzsch. Ueber den artesischen Brunnen in Schneidemühl. Zeit- schrift für praktische Geologie, Jahrg. 1893, S.353, und F. M. Stapff, Ein paar Worte über Bodentemperatur und artesische Strömungen. Ebenda S. 383. [9 1] Studien über unterirdische Wasserbewegung. 515 zeigen, wird sich aber verhalten wie eine Flüssigkeit und auch in communieirenden Röhren dasselbe Verhältniss zeigen wie diese. Ebenso verschwindet im Schwimmsande die Reibung in Folge der Durchtränkung mit Wasser, welche sich als Capillarerscheinung bis auf die feinsten Trennungsflächen zwischen den Quarzkörnern erstrecken muss, und er verhält sich dann wie eine Flüssigkeit. Wenn man ein mit Wasser gefülltes Gefäss in der Weise mit einem specifisch schwereren Deckel verschliesst, dass dieser an den Rändern kein Wasser durchlässt und doch frei beweglich bleibt, und dann den Deckel durchbohrt, so wird das Wasser unbedingt durch die Bohrung aufsteigen, während der Deckel sinkt. In derselben Weise ist es denkbar, dass in gewissen Fällen, wie z. B. bei der Katastrophe von Schneidemühl, blos das Gewicht des auflastenden Gebirges den Schwimmsand emportreibt, während die Decke einbricht. Im Allgemeinen wird sich keine scharfe Grenze zwischen beiden Erscheinungsweisen ziehen lassen; und was die Brüxer Einbrüche im Besonderen betrifft, so wird schon durch die nach dem ersten Einbruche nachgewiesenen zahlreichen stehen geblie- benen, kleinen Hohlräume dargethan, dass der Druck des Deckgebirges keine so grosse Rolle gespielt hat. Dazu kommt noch, dass, wie oben erwähnt, der Sand sehr viele, ziemlich grobkörnige Partien enthält, die ohne Zweifel nur durch die erodirende Kraft des fliessenden Wassers entfernt werden konnten, wodurch eine Unterwaschung, ähnlich wie an dem Steilrande eines Flusses, platzgriff, und das seiner Unterlage be- raubte Deckgebirge zum Einsturze gebracht wurde. Zum Schlusse sei es mir gestattet, auf einige Erscheinungen, welche den im Prineipe ganz einfachen Vorgang der Schwimmsand- einbrüche von Brüx begleitet haben, im Besonderen das Augenmerk des Lesers zu richten, da sie vielleicht allgemeineres Interesse bean- spruchen dürfen, und zwar: 1. der Verlauf der Entstehung der Pingen beim ersten Einbruche, bei welchem die entfernteren Theile über der Schwimmsandlinse zuerst niederbrachen und die Senkungen allmälig gegen die Einbruchstelle bei der Abbaukammer Nr. 1294 vorrückten; 2. die scheinbar geringe Veranlassung, durch welche der zweite grössere Einbruch am 9. September 1896 hervorgerufen wurde; die lurch- stossung einer nur 20 cm mächtigen Sand- oder Sandsteinbank mittels eines Loches von nicht viel mehr als 150 mm Durchmesser, hatte den Ausfluss grosser Wassermassen und den Einsturz einiger Häuser zur Folge gehabt ; 3. das Leitungsvermögen für das Wasser einer nur 20 cm mächtigen Sand- oder Sandsteinschichte, welche in verschiedenen Bohr- löchern nirgends zu grösserer Mächtigkeit anschwillt. Besonders durch den beim Wassereinbruch im Verdämmungsschachte beobachteten Auf- trieb gibt sich die innige Verbindung des Wassers dieses dünnen Sand- bänkchens mit dem der Schwimmsandlinse auf eine Entfernung von eirca 200 m am deutlichsten kund. 516 Dr. Franz E. Suess. [92] Inhalts-Verzeiehniss. Seite I. Die Thermalquellen von Teplitz und ihre Geschichte . . . 425 Rinleitung ‚au. IH Nena ne RN EEE I. Allgemeine Bemerkungen. — Die Thermen von Centralfrankreich und die Thermenlinie von Nordböhmen . . 2.2.2.2 2.2.2... .426 II. Zur Geologie der ne von TE re und die Thermen . ... 20.1487. 1i:Dierk reset des Teplizer Porphyra im Hergabirgejt . 438 2. Kreide- und Tertiärbildungen . . . 441 3. Spuren früherer Thermalthätigkeit in der. Nähe der Teplitzer Quellen . . UN EEE A EL > 4. Die Quellen von "Teplitz und Schönan Wr iömny.p ul, errıy de a III. Die Geschichte der Thermen von Teplitz . . ... . 449 l. Der Wassereinbruch im Döllingerschachte am 10. Biker 1879. . 450 2. Der erste Wassereinbruch im Victorinschachte am 28. November 1887 . 458 3 Der zweite Wassereinbruch im Victorinschachte am 25. Mai 1892 464 4. Wassereinbruch im Giselaschachte am 24. April 1897 . . . ... . 468 IV. Beziehungen zwischen Thermalwasser, Inundationswasser und Grundwasser, ai Hr Ne re il. Die Schwimmsandeinbrüche von Brüx . .......... 483 I. Einige Bemerkungen über Schwimmendes Gebirge. . . 483 II. Lagerungsverhältnisse der Braunkohlengebilde in der ns von Brüx und deren Schwimmsand-Einlagerungen . . . . . 488 III. Haupteinbruch am 19. und 20. Juli 1895 .... 244 2 Rs: Kl ha IV. Nachträgliche Einbrüche und Sanirungs- hen. EN l. In ‚der ‚Nacht vom:.6, auf;7..Augpst1896 1 Klar fa sen 2. In der Nacht vom 9; auf 10.. September 1896 „0 ......, un esz 3. Neue Sanirungs-Massnahmen . . EURER IEE ABA IS AAN 4. Weitere kleine Senkung am 6. December 1896 . . . 506 5. Wassererschrotung im Verdämmungsschachte am 9. December 1897 508 V. Grundwasser und Grubenwasser . . . . 2.2 2 222. usa er bBasl VI! Schiussbemerkungen : \,:4%. 2 2 Non. nen ah ee E 4 $ r “ ! Tafel X (1.)- Fe NEN I —:.rapeJoa) \ An 7 In nerrrPer i Ä AR reiten) ee 117 516 Dr. Franz E. Suess. [92] Inhalts-Verzeiehniss. Seite I. Die Thermalquellen von Teplitz und ihre Geschichte . . . 425 Einleitung Semi isn ln. WE Dee eV I. Allgemeine Bemerkungen. — Die Thermen von Centralfrankreich und die Thermenlinie von Nordböhmen . ... 2. ......426 II. Zur Geologie der ee von gen und die Thermen . ... RR 7, 1. :Die:l. ruhesserkäline des Teplizer Prfnpbars im Retgabruan . 438 2. Kreide- und Tertiärbildungen . . . 441 3. Spuren früherer Thermalthätigkeit in der. Nähe der Teplitzer Quellen . . . SE ee 4. Die Quellen von "Teplitz und Sehönau en lu. veroe e Me III. Die Geschichte der Thermen von Teplitz . . . .. . 449 l. Der Wassereinbruch im Döllingerschachte am 10. Fer 1879. . 450 3. Der erste Wassereinbruch im Victorinschachte am 28. November 1887 . 458 3 Der zweite Wassereinbruch im Victorinschachte am 25. Mai 1592 464 4. Wassereinbruch im Giselaschachte am 24. April 1897... ..... 468 IV. Beziehungen zwischen Thermalwasser, Inundationswasser und Grundwasser. „ar Na tee ale ii. Die Schwimmsandeinbrüche von Brüx . .......... 483 I. Einige Bemerkungen über Schwimmendes Gebirge. .. 483 II. Lagerungsverhältnisse der Braunkohlengebilde in der - von Brüx und deren Schwimmsand-Einlagerungen . . . . . 488 III. Haupteinbruch am 19. und 20. Juli 1895 ..... ee. ll IV. Nachträgliche Einbrüche und Sanirungs- en 2 Be hee 1. In ;der ‚Nacht vom;6. auf,7. August1896.. „1b shi. a 2. In der Nacht vom 9. auf 10. September 1895... „....., en 3. Neue Sanirungs-Massnahmen . . EAN IR SAAL en 4. Weitere kleine Senkung am 6. December 1896. . . 506 5. Wassererschrotung im Verdämmungsschachte am 9. December 1897 508 V. Grundwasser und Grubenwasser . . . . 22 22m 2 nn nn = DO VI. Schiussbemerkungen . . 2. ..2..2... RR ai ee : 1! al BEBENE.N : I ) S l | " ; Q ;. H An IBRR 3 : Ss iin 2 3 Nr 18 (ünuzl;el) 2Bgr Tepisd uda 3 =} Se zZ | £ | | | | | sjalN u Burkaho De asseM IzPı% Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III. i: =: = 1891 = I II een —_ — = = ie Zt "30 aan Rennlan BEE ang [Aal ter Imnr [Inir Tan. Bommlacen. av Thraun]domn Suter jez —elr | 1 | | 1 I | ut un ir 4 | 5 em ni BEE - | j {I ı INBNLIBEREHEBER! 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Bcieb| & Man, ut 2 135 N 6} iR | 17 E | T, Ip ! 1 Il TITEL Tree 3, 7. L2 27 % | I L | | ereretiza| | | Er & \ EHE Ss >= Eis =aT 32 En ass ars z zE = ® oo P> mr ao. 1-0] = = o 111 35 R- vo SE zz E [=} an & US R 15 % ter De ure" : 3 Erler Döllinger eben Einbruchsteilel. ==F = SS > = 2 502 EEE Ze+ EE+ oo oz EC ur = eo. [7 en ra Pa | Victorin = \ Wassers a N r " At a BEnn IK m a Beste = SENSE es DIENEN EIOHEBTEERNETDENDEERDNNEERDEERRRNEERNTERRNEER EIMBHHERRRENE JURBRRAERNSRNDERARRRNDHEHEREE.N.n & 1*| | i Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Band XLVlll. 1898. Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III. Rasumofiskygasse 23. F. E. Suess: Studien über unterirdische Wasserbewegung. Tafel XI (2). Situations-Plan über das Schwimmsand-Bruchgebiet der Stadt Brüx. .“ Verwerfungen. & Bohrlöcher «2 Pingen und Spalten und eingesunkenes Terrain vom - 19. und 20. Juli 1895, ———ıp Ältere Strecken und Objecte. 4. Cöte: Terrain Blau: Veränderungen vom 7. August 1896 (zwei kleine ——— eh Im Jahre 1898 ausgeführte Strecken und Objecte 2%. Cöte: Bausohle, Pingen am Taschenberge, März 1897). —H m . a 4 3. Cöte: Grundwasser-Spiegel Roth: Veränderungen vom 10. September 1896. Isohypsen des Schwimmsand Liegenden L fe ff R - © Brunnen. Grün: - > 6 December 1896. nee 1. Cöte: Terrain. N \ Beschädigte Gebäude RR ll 7 1 77} Ü : Grundwasser-Spiegel im August 1895 83 Zerstörte Gebäude, Sp He (Rva ER“) Mi Q Y qy'Verdä mmungsschachb S 6 u ——A an — \ > \ | Io ee $-! N IL ID 71 / ps __ a 1 BL, | er / I | N He 5 al / | / / ; > | IS N / / Se, ae Ihirse / 2 / 11730 Object XL % EL —/209:5 nm ) > ey ka) / N > S / / Q n N NE Ru Teplitzer Str. 1:2880 400 80 SO 70 60 so 40 30 20 1p © 400 Meter Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Band XLViIll. 1898. Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III. Rasumofiskygasse 23. F. E. Suess: Studien über unterirdische Wasserbewegung. Teplitzerbahn. Johnsdorferstrasse Verladerampe der Aussig Johnsdorferstrasse Pampelhof. Quergasse Verdämmungs-Schacht Fritsch. Federle Seehöhe. EEE 222,81 n u pr a s 1 — . : 178 EHEN EM WILDLEE: GH ne BRLLCHTCCDEE TH BRECHEGHGTTEEE LG ÄÄGTEGeaa ET aa aa = TE EIER EEG Z m GG UERCUETTT an GE hrsg ER GEHE a COLE ea ag B > ru AEREERR erer. A 3 De EOCHCHHEEEEEER. DEE 142 „2 727 z zZ BSG EEIDEEEEER ver — DELETE REGEL DEKHLGEEEE 7 CH TOR c ORT? HLZLLÄLDDDZZETEDLLELÄLTEDTLLTECDLÖLLLEEE EEE: EEE, BI nase Ya E 2 EEE GE EGEGEGGE EEE EEE: DR, R EEE 1:1200 Längen-Profil. Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Band XLVlll. 1898, Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien, III. Rasumoffskygasse 23 Teplitzerbahn. Verladerampe der Aussig- Pampelhof. Johmsdorferstrasse Johnsdorferstrasse Fritsch. E EL RETEIEIERETEÄTT Ipırss \ v 1) it ‘ 1 v {rl Federle. Que rgasse Verbruchterrain. Bahnhofstrasse. SEE Tafel XII (8). hmeykalplatz. NND TE GE: 222 EEE ASIEBILLRIUE, I ITTERH BE 4GB 27 > ODE LELELÄÄEÄLLETEE : Z ONE EEE EEIEDIITERGEE Ze GA aaa 2 = 2 ZOG DE EIER, 7, er, AM BDDBIDOBERBRPLLEI TEE ILE, DIPDEGGGG GG HERE DD AGRAGEG HH EEE DL GGG DEE GGG DR ROOREEREEE een RR ee h RILBERR: 4 EL a BE ah Be WILL Zr PILLE nern nun PL WE AUTLE 5 DUO GER E . zZ EG 100”! ngen-Profil sischen Reichsanstalt. Band XLVIll 1898 n Reichsanstalt, Wien, III. Rasumoffskygasse 23 HE DREH EZ FF. ertorT an era DH DREELEITIGTIERS AG 2 ER IIHIELTT IC, DIT eine trn222E HET. bh WIRISBTE. IL YET DR GOÄ EHE LEDRIEER GT ah per rreud5h ECO en GE ZE aa BT HR, HIT ED ERREREEEE MEERE TEL, DE PM URRIRBEEE ei CIE, EEE Ich ö —— 650 ERBE; DR RD GEORGE CH EEE aaa aaa PeRT,, BERTRUN, Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. Aufgenommen und erläutert von Gejza von Bukowski. Mit Tafel XII. Einleitende Bemerkungen. Schon zu wiederholten Malen wurde es von verschiedenen Seiten als eine höchst auffallende Erscheinung angeführt, dass die naturwis- senschaftliche Erforschung Anatoliens, namentlich in topographischer und geologischer Beziehung, weit hinter jener anderer, zum Theile vielleicht ein geringeres Interesse erweckender, schwieriger zu berei- sender und entlegenerer Länder zurücksteht. Und in der That muss zugegeben werden, dass dieser Ausspruch keineswegs unberechtigt ist, denn unsere Kenntnisse über Kleinasien in seiner Gesammtausdehnung reichen, um nur bei der Geologie zu bleiben, trotzdem fast jedes Jahr neue wichtige Entdeekungen bringt, noch lange nicht so weit, als dies nach der Nähe dieser Gebiete zu Europa und der hervor- ragenden Rolle, welche dieselben einst in der Culturgeschichte gespielt haben, zu erwarten wäre. Bis zu einem gewissen Grade eine Ausnahme hievon bildet aller- dings die kleinasiatische Inselwelt. Von einer verhältnissmässig grossen Zahl von Inseln des Aegäischen Meeres liegen bereits gründlichere geologische Beobachtungen und Uebersichtsaufnahmen vor, auf Grund deren wir über die Zusammensetzung vieler Terrains daselbst ziem- lich gut unterrichtet sind, und die uns in mancher Hinsicht sogar einen Einblick in den Aufbau und die mannigfachen Bildungsphasen des ganzen Archipels gewähren. Immerhin gibt es aber auch hier noch nicht unbedeutende Lücken, deren Ausfüllung gewiss noch länger andauernder, mühsamer Untersuchungen bedürfen wird. Zu den geologisch weniger erforschten Theilen dieser Region gehört heute, falls man von den im Laufe der letzten Jahre durch mich veröffent- lichten, theilweise ziemlich ausführlichen Mittheilungen, welche aber nur als Vorberichte zu der vorliegenden definitiven Arbeit zu be- trachten sind, absehen will, auch die Insei Rhodus. Wiewohl wir nämlich über den Aufbau derselben nach den Daten, die uns durch W. J. Hamilton und T. A. B. Spratt geliefert wurden, und nach den Schlussfolgerungen, die sich bei der Bearbeitung einzelner Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (G. v. Bukowski.) 67 518 Gejza von Bukowski. [2] Fossiliensuiten durch verschiedene Forscher ergeben haben, durchaus nicht völlig im Unklaren sind, fehlte es doch bis jetzt an einer ge- naueren, auf eigentliche Aufnahmen sich stützenden Beschreibung und vor Allem an einer kartographischen Darstellung der geologischen Verhältnisse. Letzteren Mangel zu beheben, soll nun hier, so weit mein Beobachtungsmaterial dies eben möglich macht, versucht werden. In der vorliegenden Uebersichtskarte und in den nachstehenden Darstellungen, die hauptsächlich den Zweck haben, als Erläuterungen zu der Karte zu dienen, erscheinen die wesentlichsten Endresultate jener Untersuchungen zusammengefasst, welche ich in den Jahren 1887 und 1888 auf der Insel Rhodus durchgeführt habe. Der weitaus grösste Theil der genannten, vornehmlich auf die Kartirung abzielenden Untersuchungen fällt in das Jahr 1887, als mir von der k. k. Wiener Universität ein Reisestipendium zu geologischen Studien im Orient ver- liehen wurde. Die allerwichtigsten von den während der ersten Be- reisung gesammelten Beobachtungen enthält ein kurzer, im XCVI. Bande der Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien von mir veröffentlichter, vorläufiger Aufnahmsbericht. Der zweite Besuch der Insel, welcher im nächstfolgenden Jahre gelegent- lich einer mit Unterstützung der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien zum Zwecke der geologischen Durchforschung der Insel Kasos und einzelner Gebiete des festländischen Kleinasien unternommenen Reise erfolgt ist, galt einestheils Revisionen, die sich als nothwendig herausgestellt hatten, anderentheils ergänzenden Aufnahmsarbeiten. Aus der Zeit unmittelbar nach dem Abschlusse der Untersuchungen stammt der zweite, „Grundzüge des geologischen Baues der Insel Rhodus“ betitelte, gleichfalls in den obgenannten Akademieschriften, Bd. XCVII erschienene Bericht, dem behufs leichterer Verständlichkeit auch eine provisorische geologische Kartenskizze beigefügt wurde. Mit Rücksicht darauf, dass der letzterwähnte Aufsatz für eine vorläufige Mittheilung einigermassen zu ausführlich ausgefallen ist, könnte vielleicht eingewendet werden, es sei überflüssig, hier noch eine breiter angelegte Beschreibung zu geben. Es sind jedoch Gründe vorhanden, welche eine solehe Beschreibung hier meiner Ansicht nach vollends rechtfertigen. Zunächst halte ich es für zweckmässig, dass die definitive, alle meine bisherigen Publicationen über Rhodus abschliessende Uebersichtskarte von einem Texte begleitet wird, der den uns zu Gebote stehenden Stoff in möglichst erschöpfender Weise behandelt. Dann erscheint dies aber auch insofern nothwendig, als manche Fragen erst heute, nachdem die Durchbestimmung der palae- ontologischen und petrographisch-mineralogischen Aufsammlungen zu Ende geführt worden ist, endgiltig beurtheilt werden können und demzufolge eine zusammenhängende, eingehendere Darstellung direct erheischen. Eine detaillirte Schilderung der geologischen Verhältnisse möge übrigens hier durchaus nicht erwartet werden. Wie schon der Titel der Arbeit sagt, handelte es sich bei meinen Untersuchungen nur um eine die Feststellung der allgemeinen, roheren Züge des Baues ver- folgende, übersichtliche Aufnahme, durch welche gewissermassen blos die erste Grundlage für spätere, mehr detaillirte oder besonderen vr [3] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 519 Zwecken dienende Untersuchungen geschaffen werden sollte. Es ist deshalb begreiflich, dass sowohl die Stratigraphie, als auch die Tektonik keineswegs ganz, nach allen Richtungen geklärt sein können, und daher kommt es auch, dass Specialstudien in den verschiedenen Schichtensystemen, darunter namentlich in den weit verbreiteten, reicher gegliederten Pliocänablagerungen, nicht durchgeführt wurden, zumal da die von den Aufnahmsarbeiten voll in Anspruch genommene Zeit hiefür nicht ausgereicht hat. Als Grundlage für die vorliegende geologische Karte dient die photo- graphisch auf den Massstab 1: 120.000 redueirte englische Admiralitäts- karte, das einzige die topographischen Verhältnisse der ganzen Insel in einer unseren Anforderungen wenigstens im Grossen und Ganzen entsprechenden Weise veranschaulichende ÖOriginalwerk, das wir be- sitzen. Ueber Ansuchen der k. k. geologischen Reichsanstalt hat das hydrographische Departement der englischen Admiralität bereitwilligst seine Zustimmung für die Benützung dieser Karte als topographischer Grundlage in der angegebenen Weise ertheilt, und ich fühle mich verpflichtet, demselben hiefür auch von meiner Seite den Dank auszu- sprechen. An der Darstellung des Terrains, ebenso wie an der Namen- schreibung, welche allerdings der Correetur vielfach bedürftig ist, wurde aus manchen Rücksichten gar nicht gerüttelt. Dagegen habe ich es zweckmässig gefunden, im Texte für die Namen der Orte, Berge, Caps, Buchten, kleinen Eilande etc. durchgehends das von einer Commission der Pariser geographischen Gesellschaft vorge- schlagene, hauptsächlich der französischen und englischen Schreib- weise angepasste, internationale Transscriptionssystem, welches immer mehr an Verbreitung gewinnt und unter Anderem auch von Heinrich Kiepert acceptirt wurde, in Anwendung zu bringen. Um nun eine gewisse Uebereinstimmung mit der Karte herbeizuführen und die Benützung der Arbeit zu erleichtern, wurden den im Texte der Art transsceribirten Namen in Klammern jedesmal auch die auf der eng- lischen Karte stehenden Namen beigefügt. Es erschien dies schon deshalb durchaus nothwendig, weil viele von den daselbst vorkom- menden Namen in Wirklichkeit wesentlich, einige sogar ganz anders lauten, als sie die englische Admiralitätskarte angibt. Unter den Inseln des Aegäischen Meeres ist Rhodus die viert- grösste; ihr Flächeninhalt beträgt 1460 Quadratkilometer oder 26°51 geographische Quadratmeilen. Sie bildet ein Glied jenes Inselbogens, der das Aegäische Meer nach Süden, gegen das eigentliche offene Mittelmeer abschliesst, und nimmt in dieser aus Rhodus, Karpathos, Kasos, Kreta, Cerigotto und Cerigo bestehenden Kette von Inseln, welche, durch unterseeische Barrieren mit einander und mit den be- nachbarten Festländern verbunden, sich im Bogen von der südwest- lichen Küste Kleinasiens, vom Marmaras Golfe, zum Cap Malia in Morea ziehen, die östlichste Lage ein. Von der Halbinsel Dorakia. der nächstgelegenen Küste Kariens, trennt dieselbe eine nur 18 Kilo- meter breite Meeresstrasse. Der auffallende Gegensatz im Bodenrelief zwischen dem verhältnissmässig seichten Aegäischen Meere und dem tiefen, offenen östlichen Mittelmeerbecken erscheint gerade bei der Insel Rhodus am schärfsten ausgeprägt. Während westlich von Rhodus 67* 520 Gejza von Bukowski. [4] als grösste Meerestiefe blos 1097 Meter gelothet wurden, sinkt in der gleichen Entfernung Östlich der Seeboden in der sogenannten karamanischen Depression (vergl. J. Luksch und J. Wolf, Physi- kalische Untersuchungen im östlichen Mittelmeer, Berichte der Com- mission für Erforschung des östlichen Mittelmeeres, Denkschr, der kaiserl. Akad. der Wissensch. in Wien, Band LXI, 1894) bis zu 3865 Meter. Der äussere Umriss stellt sich im Grossen und Ganzen als spitz- eiförmig dar. Die Längsachse zwischen dem Cap Kumburnu im Norden und dem Cap Präso Nisi (Prasso Nisi) im Süden verläuft von Nord- ost nach Südwest. Die grösste Breite liegt ungefähr in der Mitte, Mehrere kleine, felsige Eilande im Westen, unter denen Khälki oder Khärki alle übrigen an Ausdehnung weit übertrifft, können insofern für dazugehörig erklärt werden, als sie sich auf einem gemeinsamen Sockel innerhalb der 200 Meter - Tiefenlinie erheben. Nicht minder gilt dies dann auch von den isolirten Klippen Oktönia Nisi (Oetonya- nisi), Karavolos und Khina. Nur die Klippe Paximäda wird von dem nahen Cap Lärtos (Cape Lindos or Lardos) durch eine über 200 Meter tiefe Senke des Meeresbodens geschieden. Die bergige und hügelige Terrainbeschaffenheit überwiegt auf der Insel Rhodus so sehr, dass ihr gegenüber die ebenen Flächen vollständig in den Hintergrund treten. Flachland, überhaupt ebenes Terrain findet sich nur im Bereiche der pliocänen Ablagerungen, der Paludinenschichten und des marinen Jungpliocän, und dort, wo die Alluvionen, wie in der Sumpflandschaft von Kataviä (Katabia) etwas mehr an Ausbreitung gewinnen. Vornehmlich sind es gewisse Strecken entlang der Küste, welche ihm hier zufallen; der davon eingenommene Flächenraum muss aber im Verhältniss zum Berg- und Hügelland als verschwindend klein bezeichnet werden. Es hängt mit dem geologischen Baue auf das Innigste zusammen, dass in dem Relief von Rhodus eine regellose Gruppirung der Ge- birgsmassen herrscht. Durch die Reichhaltiekeit der Sedimente wird allerdings eine grosse Mannigfaltigkeit der Terrainformen bedingt; diese vertheilen sich jedoch über das Inselareal in der Weise, dass die orographische Gestaltung nur selten in weitem Umkreise einheit- lich bleibt, sondern die verschiedenartigsten Landschaftstypen zumeist auf verhältnissmässig kurze Entfernungen hin einander folgen. Ent- sprechend der Zerstückelung, welche die einzelnen Schichtgruppen aufweisen, wechseln felsige, mit schroffwandigen Abstürzen ausgestattete Karstterrains, vielfach von hochgebirgsähnlichem Charakter, dann sanftere, bald steinige, bald einen reichen Vegetationsschmuck tragende Bergregionen, niedrige Hügelgebiete und wellige, durch tief einge- schnittene Thalfurchen stark zerrissene ' Plateaulandschaften wieder- holt und regellos mit einander ab. Die bedeutendsten Erhebungen ge- hören dem ältesten Schichtensysteme, dem Kalkgebirge an, welches durchwegs in isolirte, stockförmige Massen aufgelöst erscheint. Wohl gibt es aus jüngeren transgredirenden Absätzen aufgebaute, ziemlich hohe DBergriegel, welche zwischen diesen zerstreuten Theilen des eigentlichen Gerüstes der Insel da und dort eine Verbindung her- stellen und so gewissermassen zur Entstehung längerer Gebirgszüge [5] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 521 führen ; dieselben tragen aber in ihrem ganzen Aussehen einen so abweichenden Charakter zur Schau, dass sie, selbst vom rein geo- graphischen Standpunkte aus betrachtet, den Eindruck einer fremd- artigen Einschiebung nicht zu verwischen vermögen. Den Culminations- punkt der Insel bildet der Gipfel des Atäviros oder Atäiro (Mt. Attayaro) mit 4068 engl. Fuss. Alle übrigen Spitzen sind bedeutend niedriger, indem keine die Höhe von 3000 engl. Fuss erreicht. Ueber 2000 Fuss erheben sich blos der Akramiti (Mt. Akramytis), der grosse Eliasberg und Spiriötis Vunö (Mt. Speriolis). Die Küstenentwicklung ist namentlich im Vergleiche zu den nahen, äusserst stark gegliederten, an schlanken Halbinseln, tief ins Land einschneidenden Golfen und zahlreichen Vorgebirgen, sowie kleineren Buchten reichen Gestaden des kleinasiatischen Festlandes eine sehr einförmige. Nur dort, wo die festen Kalke der ältesten Schichtenserie ans Meer herantreten, hat die Brandung kleine Halb- inseln und weiter in die See vorgeschobene felsige Vorsprünge, welche in der Regel winzige, lediglich kleineren Schiffen Schutz gewährende Buchten umschliessen, herausmodellirt. Es zählen hieher die areal be- schränkten Gebiete des Lindosberges, des Khörti (Horti) Vunö, des Akramiti (Akramytis) und Armenisti (Mt. Arministhi), des Zambika und Arkhängelos Vunö (Mt. Archangelo) nebst den kurzen Küsten- strecken bei den Vorgebirgen Kopria, Vaja (Vahyah), Ladikö und Voidi (Voudhi). Sonst zeigt die Küste im Einklange mit ihrer Zusammen- . setzung aus weicheren, leichter zerstörbaren Sedimenten einen ziemlich stetigen Verlauf. Die Wirkungen der Abrasion auf die weicheren Ge- steine äussern sich hier in einer stärkeren, gleichmässigen Zurückdrängung des Gestades, und es hat dies unter Anderem zur Folge, dass zwischen den vorspringenden felsigen Partien weite, flache, bogenförmig ge- krümmte Rheden gebildet wurden. Von den der zerstörenden Thätig- keit der Wogen einen geringeren Widerstand entgegensetzenden Küsten besitzt blos jene des südlichsten Theiles von Rhodus eine etwas weniger einförmige Contur, indem daselbst mehrere Caps, zwischen denen etliche offene Einbuchtungen vorkommen, ins Meer hinausgreifen. Für die grossen modernen Seeschiffe mangelt es Rhodus an einem Hafen. Die beiden gut geschützten Häfen der Stadt Rhodos sind nicht besonders geräumig und überdies heute bereits stark versandet, so dass sie nur von Fahrzeugen mit geringem Tiefgang benützt werden können, während alle grösseren Segler und Dampfer ausserhalb der- selben in offener See ankern müssen. Die einstige hervorragende maritime Bedeutung hat diese Insel schon seit Langem fast völlig ein- gebüsst und dürfte sie dieselbe kaum jemals wieder erlangen. Ihr nam- hafter Werth liegt jetzt hauptsächlich in dem Landbau, für den sie sich thatsächlich in hohem Grade eignet. Aber auch hier bleiben die bisher erzielten Erfolge hinter dem wirklich Erreichbaren noch weit zurück. Bevor ich diese Bemerkungen schliesse, erfülle ich endlich noch die angenehme Pflicht, allen Denjenigen, welche meine Untersuchungen gefördert und mir die Lösung der vorgesteckten Aufgabe, sei es in der oder in jener Richtung, erleichtert haben, den wärmsten Dank aus- zusprechen. In erster Linie schulde ich denselben den Herren Professor 522 Gejza von Bukowski. [6] Eduard Suess und weiland Professor Melchior Neumayr, von denen die Anregung zu dieser Unternehmung ausgegangen ist, und die mir durch Rath und That in jeder Weise behilflich waren. Einer wirk- samen Unterstützung und .eines freundlichen Entgegenkommens habe ich mich ausserdem erfreut von Seite des Herrn Emil Otto Remy- Berzencovich von Szillas, k. und K. Generalconsuls, derzeit in Bombay und der Herren Anton CGasilli, gewesenen k. und k. Vice- consuls in Rhodus, Guillaume de Vandevelde, k. belgischen Consuls in Rhodus und Dr. Georg Manolaki, praktischen Arztes in Rhodus, welchen allen Herren hiermit gleichfalls mein verbindlichster Dank ausgedrückt sei. Literaturübersicht. Die zahlreichen, aus dem Alterthum und dem Mittelalter noch erhalten gebliebenen Denkmäler, das herrliche Klima und die land- schaftlichen Reize, welche sowohl die Küsten, als auch das Innere der Insel vor Allem in dem reichen Wechsel an Scenerien und Charakter- bildern dem Beschauer bieten, übten seit jeher eine grosse Anziehungs- kraft auf Archäologen, Geschichtsforscher und Touristen aus, und da- durch erklärt sich auch die ziemlich ansehnliche Literatur, welche über Rhodus unter obgenannten Gesichtspunkten entstanden ist. Die natur- wissenschaftliche Richtung steht in dieser Hinsicht, sofern man ohne Rücksicht auf die Zahl der Publicationen nur den Umfang des Stoffes und die erzielten Resultate zur Richtschnur nimmt, erst an zweiter Stelle. Unseren Zwecken dürfte es kaum entsprechen und würde es gewiss viel zu weit führen, wollten wir hier die gesammte über Rhodus vorhandene Literatur ins Auge fassen. Wir beschränken uns im Fol- genden deshalb blos auf die Werke geologischen und palaeontologischen Inhaltes und berücksichtigen im Ganzen nur solche Arbeiten, in denen für den Fachmann geeignete, wissenschaftlich verwerthbare Mittheilungen enthalten sind. Hiebei empfiehlt es sich, die geologischen und die palaeontologischen Publicationen getrennt von einander zu betrachten. Die ersten, von wissenschaftlichem Standpunkte aus wichtigen, geologischen Angaben verdanken wir W. J. Hamilton, der während seiner kleinasiatischen Reisen. auch Rhodus berührt und die daselbst gesammelten Beobachtungen in einem ‘kurzen Aufsatze „On a few detached places along the coast of Jonia and Garia; and on the island of Rhodes“, 1840 (Proceedings of the geological society of London, Vol. II, 1838—1842, Nr. 70) veröffentlicht hat. Zwei Jahre später erschien dann in den Transactions:of the geological society of London, ser. II, Vol. 6, 1842, unter dem Titel „On the geology of the western part of Asia Minor“ eine gemeinsam von W. J. Hamilton und H. E. Striekland verfasste grössere Abhandlung, in welcher nebst Anderem auch die geologischen Verhältnisse der Insel Rhodus be- handelt werden. Dieselbe bringt jedoch betreffs Rhodus keine neuen Daten, sondern stellt sich diesbezüglich nur als eine in geringem Aus- [7 Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 523 maasse weiter ausgesponnene Wiederholung dessen dar, was schon in der erstgenannten Arbeit W. J. Hamilton’s enthalten ist. Eine wesentliche Erweiterung erfuhren unsere Kenntnisse nachher durch die Forschungen T. A. B. Spratt’s, der gelegentlich der topo- graphischen Aufnahme von Rhodus durch den Offieiersstab des eng- lischen Kriegsschiffes Beacon im Jahre 1841 auch dem geologischen Aufbaue besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Sein Bericht „Notices eonneeted with the geology of the island of Rhodes“ 1842 (Proceedings of the geologieal society of London, Vol. III, 1838—1842, Nr. 91) bleibt ungeachtet dessen, dass sich in demselben neben sehr schätz- barem Beobachtungsmaterial einzelne irrthümliche Auffassungen, wie beispielsweise die Angaben über das Vorkommen von Glimmerschiefer und von ausgedehnten vulkanischen Strecken, verzeichnet finden, von dauerndem Werthe, namentlich als wichtige Ergänzung zu den Mit- theilungen W. J. Hamilton’s. An diese Arbeiten, deren Basis wenigstens einigermaassen um- fangreichere Studien der Autoren an Ort und Stelle pilden, schliessen sich nun solche an, die, andere Terrains behandelnd, nur ganz verein- zelte Originalbeobachtungen und kurze Notizen über Rhodus zu unserer Kenntniss bringen, oder die durch Schlussfolgerungen aus palaeonto- logischen Untersuchungen einiges Licht auf bestimmte stratigraphische Fragen werfen, und endlich Werke, in denen man wichtigen, auf Rhodus Bezug nehmenden, aber auf bereits bekannte Thatsachen sich stützenden _ originellen Auseinandersetzungen begegnet. Hieher gehören, so viel mir eben bekannt ist, vor Allem folgende Publicationen: E. Hitchcock, Notes on the geology of several parts of western Asia: founded chiefly on speeimens and descriptions from american missionaries (Proceedings and Transactions of the association of american geologists and naturalists, Boston 1840— 1842). T. A. B. Spratt, Travels and researches in Crete, London 1865. Tournou6r, Etude sur les fossiles tertiaires de l’ile de Cos (Annales seientifiques de l’ecole normale superieure, Paris 1876). P. Fischer, avec la collaboration de MM. Cotteau, Manzoni et Tournouöär, Paleontologie des terrains tertiaires de l’ile de Rhodes (Memoires de la societe geologique de France, Paris, ser. III, tome 1, 1877—1881, Mem. Nr. 2). M. Neumayr, Ueber den geologischen Bau der Insel Kos (Denk- schriften der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.- naturw. Classe, Band 40, 1880). M. Neumayr, Zur Geschichte des östlichen Mittelmeerbeckens (Virchow’s und Holzendorff’s Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, Berlin 1882, Nr. 392), E. Tietze, Beiträge zur Geologie von Lykien (Jahrbuch der k.k. geologischen Reichsanstalt in Wien, Band 35, 1885). C. Cold, Küstenveränderungen im Archipel, München 1886, E. Suess, Das Antlitz der Erde, Wien, Prag, Leipzig, Band I, 1885; Band II, 1888. 524 Gejza von Bukowski. [8] Nur damit das Literaturverzeichniss bis zum heutigen Tage ver- vollständigt erscheint, führe ich hier auch meine eigenen, während der letzten zehn Jahre über Rhodus veröffentlichten geologischen Berichte an, welche als Vorläufer der vorliegenden Arbeit sich eigentlich einer Besprechung an dieser Stelle entziehen. Dieselben sind: Vorläufiger Bericht über die geologische Aufnahme der Insel Rhodus (Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 96, 1887). Grundzüge des geologischen Baues der Insel Rhodus (Sitzungsberichte der kais,. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 98, 1889). Einige Bemerkungen über die pliocänen Ablagerungen der Insel Rhodus (Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien, Jahrgang 1892). Die Gesteinsproben und Minerale, welche ich von Rhodus mit- gebracht habe, dienten schliesslich Heinrieh Baron von Foullon zu einer interessanten petrographisch-mineralogischen Abhandlung, die den Titel „Ueber Gesteine und Minerale von der Insel Rhodus“ führt und in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band C, 1891, erschienen ist. Wenn wir uns an das eingangs aufgestellte Princip, blos die wissenschaftlich bedeutungsvollen Publicationen zu berücksichtigen, streng halten, so müssen wir nun sagen, dass hiemit die geologische Literatur über Rhodus erschöpft sei. Wohl gibt es noch eine gewisse Anzahl von Arbeiten, die sich nicht speciell mit der Geologie be- schäftigen, dabei aber ganz nebensächlich in irgend einer Richtung die geologischen Verhältnisse der Insel Rhodus berühren; dieselben tragen jedoch sämmtlich, soweit sie mir bekannt sind, in letzterer Beziehung zur Erweiterung unseres positiven Wissens entweder gar nichts oder so äusserst wenig bei, dass man von deren Erwähnung überhaupt voll- ständig absehen darf. In Folge dessen lasse ich alle jene geographischen, touristischen und archäologischen Werke unberücksichtigt, in denen sich da und dort unvermittelt eine kurze, belanglose Notiz über das Vorkommen dieser oder jener Gesteinsart findet, und deshalb stehe ich auch unter Anderem ab von der Besprechung des Werkes von E. Biliotti und Abbe Cottret, L’ile de Rhodes, Rhodes et Com- piegne, 1882, welches, einer verschiedene Wissenszweige umfassenden Beschreibung der Insel gewidmet, auch ein geologisches Capitel aus der Feder des Abbe Cottret enthält. Wie gut darin vielleicht der archäologisch-geschichtliche Theil sein mag, was zu entscheiden ich übrigens nicht in der Lage bin, so ungünstig muss das Urtheil über den geologischen Abschnitt ausfallen, der Jedermann nur insoweit zur Leetüre anempfohlen werden kann, als derselbe ein Beispiel einer ohne jede Kenntniss der thatsächlichen Verhältnisse, selbst der einfachsten Prineipien der Geologie abgefasste Schrift kennen lernen und sich an solch’ einer Schrift ergötzen will. Weiter als die eigentlichen geologischen Forschungen reichen die ersten palaeontologischen Nachrichten betreffs Rhodus in der Zeit zurück. [9] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 525 Schon im Jahre 1823, also ziemlich lange vor dem Erscheinen des ersten geologischen Berichtes W. J. Hamilton’s, erwähnt Ferussae eine fossile Melanopsis von der Insel Rhodus, und bereits im Jahre 1832 hat Deshayes in dem grossen Expeditionswerke über Morea einige Versteinerungen beschrieben, durch welehe das Vorhandensein jung- tertiärer Süsswasserbildungen auf Rhodus sicher festgestellt wurde. Der ausserordentlich grosse Fossilienreichthum, welcher die hier weite Gebiete einnehmenden pliocänen Ablagerungen auszeichnet, hat wiederholt -Anregung zu palaeontologischen Studien gegeben. Das nach Europa an einzelne Gelehrte und an Museen gelangte Fossilienmaterial bildete die Grundlage einiger wichtiger palaeontologischer Arbeiten und wurde auch vielfach zu vergleichenden Untersuchungen benützt. Zwei Sammlungen sind in dieser Beziehung besonders bemerkenswerth, zu- nächst die Oolleetion, welche das frühere k. k. Hofmineralien-Oabinet, das heutige k. k. naturhistorische Hofmuseum in Wien von dem ver- storbenen schwedischen Consul in Rhodus Hedenborg erhalten hat, und dann die im Jahre 1855 durch den französischen Vice-Consul in Rhodus Prus nach Paris an d’Orbigny eingesandte, nach dem Tode des letzteren von dem Museum d’histoire naturelle de Paris erworbene Sammlung. Erstere wurde von M. Hoernes durchbestimmt und fand in seinem berühmten Werke über die fossilen Mollusken des Tertiär- beckens von Wien weitgehende Berücksichtigung, diente aber auch noch später verschiedenen Forschern zu wichtigen Vergleichen. Aus der zweiten Fossiliensammlung in Verbindung mit der Oollection Des- hayes’, welche in der Ecole de mines in Paris aufbewahrt wird, gingen wieder die bekannten Arbeiten P. Fischer’s, Tournouäör’s, Manzoni’s und O. Terquem’s über die pliocänen Faunen der Insel Rhodus hervor. Da hier nicht der Raum ist, um den Inhalt der palaeontologischen Literatur im Einzelnen zu erörtern, stelle ich im Folgenden sämmt- liche Publieationen blos unter Angabe der Titel zu einer Liste zu- sammen, in welche ich auch meine eigenen Arbeiten, sowie jene Jüssen’s, die sich auf das von mir gesammelte Material gründen, aufnehme. Zunächst mögen diejenigen Publieationen angeführt werden, die ausschliesslich über Fossilien von Rhodus handeln. Als solche sind zu nennen: P. Fischer, Diagnoses molluscorum in stratis fossiliferis insulae Rhodi jacentium (Journal de Conchyliologie, Paris, ser. III, tome 17, Vol. 25, 1877). P. Fischer, avec la collaboration de MM. Cotteau, Manzoni et Tournouöäör, Paleontologie des terrains tertiaires de l’ile de Rhodes (Memoires de la societe geologique de France, Paris, ser. III, tome 1, 1877— 1881, Mem. Nr. 2). O0. Terquem, Les Foraminiferes et les Entomostracees-Ostracodes du pliocene superieur de l’ile de Rhodes (Memoires de la societe geo- logique de France, Paris, ser. III, tome 1, 1877— 1881, Mem. Nr. 3). E. Pergens, Pliocäne Bryozo@ön von Rhodos (Annalen des k. k. natur- historischen Hofmuseums in Wien, Band Il, 1887). Jahrb. d.K. k. geol. Reichsanstalt 1898, 48. Band, 3. Heft. (G. v. Bukowski.) 68 526 Gejza von Bukowski. [10] E. Jüssen, Ueber pliocäne Korallen von der Insel Rhodus (Sitzungs- berichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.- naturw. Classe, Band XUIX, 1890). . Bukowski, Vorläufige Notiz über die Molluskenfauna der levan- tinischen Bildungen der Insel Rhodus (Anzeiger der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Classe, 1892, Nr. 25). . Bukowski, Vorläufige Notiz über den zweiten abschliessenden Theil seiner Arbeit: Die levantinische Molluskenfauna der Insel Rhodus (Anzeiger der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Classe, 1894, Nr. 26). G. Bukowski, Die levantinische Molluskenfauna der Insel Rhodus (Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Classe, I. Theil im Bande LX, 1893; II. Theil, Schluss im Bande LXII, 1895). [ep ep Zu einer besonderen Gruppe vereinigen wir sodann solche Werke, in denen nur nebenbei einzelne neue Versteinerungen aus Rhodus be- schrieben vorkommen, die aber deshalb für uns nicht minder wichtig erscheinen. Es sind dies: Ferussac, Monographie des especes vivantes et fossiles du genre Melanopside Melanopsis, 1822 (Memoires de la societe d’histoire naturelle de Paris, tome I, 1823). Expedition seientifigue de Moree; section des sciences physiques, tome III, part. 1, zoologie, mollusques par Deshayes. 1832, J. R. Bourguignat, Amenites malacologiques, 1853—1860 (Revue et magasin de zoologie, Paris). G. Cotteau, Echinides nouveaux ou peu connus, Paris, ser. I, 1858—1880 (Revue et magasin de zoologie, Paris). Es darf ferner nicht unerwähnt bleiben, dass es eine verhält- nissmässig grosse Anzahl von Arbeiten gibt, welche einzelne, ver- gleichenden Studien entsprossene und anderen palaeontologischen Dar- stellungen eingeflochtene Bemerkungen über Fossilien von Rhodus ent- halten. Da es wohl viel zu weit führen würde, alle diese Arbeiten hier aufzuzählen, begnüge ich mich mit dem Hinweise darauf, dass es vor Allem folgende Autoren sind, in deren Werken solche Bemerkungen zu suchen sind: M. Hoernes, Th. Fuchs, M. Neumayr, Gwyn Jeffreys, de Monterosato, Tournou@r und H.C. Weinkauff. Schliesslich erübrigt es mir noch anhangsweise hervorzuheben, dass mit geologischen Untersuchungen auf Rhodus sich seinerzeit auch der schon einmal genannte schwedische Consul Hedenborg eifrig befasst hat, und dass in dem k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien auch ein von demselben eingeschicktes Manusceript zur Einsicht- nahme aufbewahrt wird, welches sich aus mehrfachen Gründen als nicht druckfähig erwiesen hat. Obzwar es eigentlich nicht in den Rahmen einer Literaturübersicht gehört, ungedruckt gebliebene Manu- scripte zu berücksichtigen, kann ich doch nicht umhin, in dem vor- liegenden Falle eine Ausnahme von der Regel zu machen, weil mir [11] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 527 die handschriftlichen Aufzeichnungen Hedenborg’s noch nachträglich einige Anhaltspunkte zu einer anfänglich aus palaeontologischen Studien abgeleiteten Vermuthung bezüglich einer wichtigen stratigraphischen Frage in dem Oberpliocän von Rhodus geliefert haben und auch schon in meinem dieser Frage gewidmeten Artikel „Einige Bemerkungen über die pliocänen Ablagerungen der Insel Rhodus* eitirt erscheinen. Geologische Beschreibung. Um die Art und Weise, in welcher hier die geologische Be- schreibung durchgeführt ist, gewissermassen zu begründen, dürfte es angezeigt sein, aus den topogeographischen Zügen in ihrem weitesten Umrisse, von denen die Darstellungsart der geologischen Verhältnisse bekanntlich nicht wenig abhängt, einen Punkt ganz kurz zu berühren, nämlich die Thatsache, dass sich die Insel Rhodus trotz ihrer ansehn- lichen Grösse und trotz der sie in hohem Maasse auszeichnenden Mannigfaltigkeit der Terrainformen als ein im Ganzen einheitlicher Landstrich darstellt. Sie lässt sich zum Mindesten, um mich präciser auszudrücken, in scharf gegen einander abgegrenzte und vor Allem natürlich abgeschlossene Gebietstheile, die man als Einheiten für sich betrachten könnte, nicht gliedern. Die Ursache hievon liegt wohl haupt- sächlich in dem Mangel an grossen, stark auffallenden Terrainfurchen, zu nicht geringem Theile aber auch in dem geologischen Baue, der zwar einen raschen ünd wiederholten Formationswechsel bietet, dabei jedoch sich auf dem ganzen Areal der Insel, höchstens die allersüdlichste Region ausgenommen, einheitlich zeigt. Als die zweckmässigste, ja man kann sogar behaupten, als die einzig richtige ergibt sich demnach hier für die geologischen Er- örterungen die schon in den vorläufigen Berichten von mir befolgte stratigraphische Darstellungsmethode, nach welcher wir, die ganze Insel als Einheit genommen, von der Betrachtung der daselbst unter- scheidbaren Schiehtgruppen ausgehen und erst innerhalb dieser einzelne Terrainabschnitte für sich näher besprechen wollen. Hiebei wählen wir die Reihenfolge von den ältesten zu den jüngsten Ablagerungen, und an die letzteren schliessen wir erst die Mittheilungen über die Eruptiv- gesteine an. Von einer Schilderung der topographischen Verhältnisse, wie solche häufig, namentlich dann, wenn es sich um weniger bekannte Länder handelt, den geologischen Beschreibungen vorausgeschickt zu werden pflegen, kann hier ohneweiters Umgang genommen werden, nachdem wir ja im Besitze einer verhältnissmässig detaillirten topo- graphischen Karte sind und es ausserdem verschiedene Werke gibt, welche die Topographie von Rhodus in ihren wesentlichsten Zügen genügend beleuchten. Der Landschaftscharakter, beziehungsweise die wichtigsten Terrainformen finden — bei ihrer Abhängigkeit vom geologi- schen Baue — jeweilig im Nachstehenden ohnehin die gebührende Würdigung. 68* 598. Gejza von Bukowski. [12] I. Cretacische und eocäne Kalke. Das älteste Schichtensystem wird gebildet durch einen mächtigen Complex von Kalken, von denen ein Theil noch der Kreideformation, ein Theil dagegen schon dem Eocän angehört. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass an der Grenze dieser beiden Formationen hier weder ein Gesteinswechsel, noch eine Faciesänderung stattfindet, dass sich mithin die marin-kalkige Entwicklung aus der Kreide in das Eocän ununterbrochen fortsetzt. Wenn auch sichere Beweise hiefür vorder- hand keineswegs beigebracht werden können, weil sich die Grenze zwischen den der Kreide zufallenden und den eocänen Kalkpartien aus mannigfachen Gründen, die aus den unmittelbar nachfolgenden Dar- stellungen wohl klar zu entnehmen sind, nicht genau feststellen lässt und, wie ich glaube, auch in Zukunft, bei etwaigen Detailuntersuchungen nicht in allen Fällen wird bestimmt werden können, so darf nach dem, was uns bis jetzt an Beobachtungen über das betreffende Terrain vor- liegt, das Bestehen eines solchen Verhältnisses zum Mindesten als überaus wahrscheinlich bezeichnet werden. Als besonders auffallend ist zunächst zu erwähnen, dass die theils eretacischen, theils eocänen Kalke auf Rhodus durchaus nicht in einer zusammenhängenden Zone auftreten und nirgends ein einigermassen weiter ausgedehntes (sebiet oder einen sich länger erstreckenden Ge- birgszug bilden. Sie ragen ausnahmslos Inseln und Klippen gleich aus der zu Folge der ausserordentlich starken Faltung, wie überhaupt der sehr bedeutenden Störungen losgelösten und grösstentheils abgesessenen Flyschhülle und aus der sehr mächtigen und weit verbreiteten Decke “ jungtertiärer Ablagerungen empor. Bald sind es hoch aufstrebende, umfangreiche Stöcke oder Massivs, so zu sagen Abschnitte einer mäch- tigen Gebirgskette, bald wieder kleinere, selbst bis zu ganz niedrigen, kaum aus den umgebenden Sedimenten hervortretenden Kuppen zu- sammenschrumpfende Aufragungen, denen man daselbst begegnet. Ihre Vertheilung ist dabei eine ziemlich regellose, so dass man kaum in der Lage ist, aus denselben den Verlauf eines deutlicher ausgeprägten Gebirgszuges zu reconstruiren. Der Mangel einer Anordnung Kommt übrigens auch schon in dem verschiedenen Kammstreichen, das bei den grösseren Stöcken herrscht, vielfach zum Ausdrucke. Es ist nun selbstverständlich, dass die Zerrissenheit dieses in petrographischer Beziehung ziemlich einheitlichen und hiebei doch Abschnitte zweier Formationen umfassenden Schichtensystems die Fest- stellung der stratigraphischen Verhältnisse ungemein erschwert. Gerade dadurch wird aber andererseits die landschaftliche Schönheit von Rhodus bedingt, welche ja, wie schon gesagt wurde, hauptsächlich auf dem raschen Wechsel an Scenerien und verschiedenen Terrainformen beruht. Die mannigfach gestalteten und sowohl was Umfang, als auch was Höhe anbelangt, zwischen sehr weiten Grenzen sich bewegenden Stöcke und Pfeiler der cretacisch-eocänen Kalkserie stehen mit ihren bald wildzackigen, felsigen, bald wieder mehr gerundeten, an gewisse Karst- terrains erinnernden Umrissen, mit ihrer grell gegen den tiefblauen Himmel abstechenden weissen oder grauen Gesteinsfärbung und in Folge ihres vorwiegend kahlen, mitunter aber doch auch durch dunkle [13] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 529 Waldstrecken angenehm unterbrochenen äusseren Gepräges in ungemein scharfem und sehr malerischem Contraste zu den wellig gerundeten, in der Regel bewaldeten, häufig sogar in üppiger Vegetation prangenden Flyschbergen und zu der vornehmlich durch fahle Lichtreflexe gekenn- zeichneten, hin und wieder auch gelb schimmernden und von tiefen Furchen, in denen Oleandergebüsch wuchert, nach allen Richtungen durchzogenen Plateaulandschaft der pliocänen Bildungen. Der wieder- holte und zugleich rasche Wechsel so verschiedenartiger Formen und Farbentöne bringt es mit sich, dass der Landschaftscharakter niemals in Monotonie verfällt. Ein sehr grosses, manchmal sogar ein geradezu unüberwindliches Hinderniss für die Bestimmung der Grenze zwischen den Kreidekalken und dem Eoeänkalk bildet ferner die allerorts herrschende überaus starke Faltung. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Vorkommnisse des in Rede stehenden Schichtensystems zeigt sich dieselbe so be- deutend, dass man blos von einer Durcheinanderfaltung sprechen kann, und sehr häufig steigert sie sich selbst bis zur vollkommenen Schichten- zerknitterung. Auf diese Erscheinung kommen wir übrigens später noch einmal zurück, sobald wir das Schichtenstreichen einer eingehenderen Erörterung unterziehen werden. Vorderhand wenden wir uns aber den petrographischen Eigen- thümlichkeiten der theils eretacischen, theils eocänen Kalke zu. Ob- wohl der Gesteinscharakter sich durchaus nicht überall gleich bleibt, und in dieser Hinsicht so manche Unterschiede sowohl zwischen den einzelnen Gebirgsstöcken, als auch innerhalb eines und desselben Massivs sich der Beobachtung darbieten, kann man doch im Allgemeinen sagen, dass die Hauptmasse aus grauen, bald helleren, bald dunkleren, mitunter ins Röthliche übergehenden, dichten Kalken mit muschligem Bruch oder solchen von körniger Structur besteht, die entweder in ziemlich dieken Bänken oder plattig abgesondert erscheinen. Neben diesen kommen dann auch stellenweise Kalke vor, die man beinahe krystallinisch nennen könnte, und die sich einem weissen Marmor sehr stark nähern; eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen endlich dunkelgraue Breceienkalke, welche sich, wie es wohl allen Anschein hat, vorzugsweise in der höheren Abtheilung vorfinden und hier da- durch, dass sie in der Regel Nummuliten führen. eine besondere Wichtigkeit erlangen. In einzelnen Gebieten sieht man die lichtgrauen dichten Kalke mit Horssteinbänken wechsellagern, was schon von Hamilton erwähnt wird, und manche Complexe schliessen ausserdem auch Kieselconeretionen in ziemlich grosser Menge ein. Ausser den bis jetzt angeführten Gesteinssorten treten in dieser Schiehtenserie auch noch andere, durchwegs kalkige Sedimentarten auf; da dieselben jedoch an gewisse besondere Niveaux gebunden zu sein scheinen, so ist es angezeigt, sie im Zusammenhange mit der Be- sprechung der stratigraphischen Verhältnisse, an die wir nunmehr schreiten wollen, zu behandeln. Während Spratt die gesammte Schichtgruppe, die uns eben beschäftigt, kurzweg der Scaglia zuweist, worunter nach damaliger Auffassung die Aequivalente der Kreideformation sammt dem Eocän zu verstehen sind, macht uns Hamilton in richtiger Erkennung der 530 Gejza von Bukowski. 114] Thatsachen auf bestimmte petrographische Unterschiede aufmerksam, welche zwischen einzelnen Gebietsstrecken hervortreten, und benützt er dieselben, um Vermuthungen über das Alter der unterschiedlichen Complexe zu äussern. Wenn ich auch nicht in allen Punkten mit den Ansichten Hamilton’s bezüglich der Altersfrage der betreffenden Kalke übereinstimme, was erst weiter unten näher erörtert werden soll, so kann ich doch wenigstens seine Angaben über die Unter- schiede in der petrographischen Ausbildung namentlich zwischen den westlichen und den östlichen Kalkterrains im Grossen und Ganzen bestätigen. In den westlichen Gebirgsstöcken, zu denen die mächtigsten und höchsten Erhebungen der Insel, der Atäviros oder Atäiro (Mt. Attayaro) und der Akramiti (Mt. Akramytis) gehören, sowie in den kleineren, mehr central liegenden Vorkommnissen herrschen lichtgraue, dick- bankige oder plattige, theilweise hornsteinführende, und zwar vornehm- lieh Kieselknollen enthaltende Kalke vor. Hier begegnet man auch den schon früher erwähnten dunkelgrauen, breceienartigen Kalken, welche fast stets durch reiche Führung von Nummuliten ausgezeichnet sind. Als besonders charakteristisch für diese Region müssen endlich rothe bis grauschwarze, gelbe und geflammte Kalkschiefer von mehr mergeliger Beschaffenheit angegeben werden. Letztere wechsellagern streckenweise mit den dichten lichtgrauen Kalken und dürften, so weit aus meinen Untersuchungen ein Urtheil über ihre stratigrapbische Position gefällt werden kann, das oberste Glied des ganzen Schichten- systems kennzeichnen. Mit ihnen schliesst auch nach allen meinen Beobachtungen die eretacisch-eocäne Kalkgruppe ab, und es hat somit ganz den Anschein, dass sie den Uebergang zwischen den eocänen Kalken und der jüngeren Eoeänserie, den aus Sandsteinen und Schiefern zusammengesetzten Flyschablagerungen, vermitteln. Aus den wieder- holten Funden von Nummuliten und aus anderen Anzeichen ergibt sich jedenfalls, dass sich an dem Aufbaue dieser Gebiete vorzugsweise die höheren Glieder, die eocänen Kalke, betheiligen; dabei erscheint aber übrigens keineswegs die Möglichkeit ausgeschlossen, dass in den tieferen Lagen daselbst auch Kreidekalke noch vorhanden sind. Eine gegenüber den eben besprochenen westlichen und cen- tralen Vorkommnissen etwas abweichende Gesteinsentwicklung macht sich bei den östlichen Stöcken und niedrigeren Aufragungen bemerkbar, welche sich längs der Küste zwischen Rhodos und Lindos ziehen und in zahlreichen felsigen Vorgebirgen in «die See hineinragen. Hier bilden nicht weissgraue, sondern mehr dunkelgraue, in dicken Bänken ab- gesonderte, dichte und körnige Kalke das überwiegende Sediment; im Wechsel mit denselben kommen jedoch auch lichtgraue, diekbankige und plattige Kalke vor, in jeder Hinsicht jenen gleich, welche wir an den westlichen Kalkmassivs kennen gelernt haben. Die rothen und geflammten mergeligen Kalkschiefer fehlen dagegen vollständig, und ebenso wurden daselbst die breceienartigen Kalke, welche sonst Nummu- liten führen, nirgends beobachtet. Man hat es hier also offenbar mit einer tieferen Abtheilung der Kalkserie zu thun, und nachdem das Alter der höheren Glieder im Westen zweifellos als eocän festgestellt erscheint, so liegt es wohl trotz vorläufigen Mangels an Versteinerungen [15] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 531 am nächsten, zu vermuthen, dass es sich in dieser östlichen Region vorwiegend um Kreideablagerungen handelt. Hamilton hat bekanntlich die Kalke der letzterwähnten, ent- lang der Ostküste verstreuten Gebiete ursprünglich wenigstens provi- sorisch mit der Scaglia vereinigt, später aber in der zusammen mit Striekland verfassten Arbeit dieselben wegen ihrer dunkleren Färbung und offenbar wegen ihres stellenweise mehr körnigen Aussehens unter der Bezeichnung „blue erystalline marble* zu der von beiden Autoren auf dem kleinasiatischen Festlande ausgeschiedenen Gruppe der „mica- ceous schists and marble“ hingestellt, welcher Gruppe ja entschieden ein voreretaeisches Alter zukommt. Während dabei Striekland an dieser Einreihung ohne jeden Vorbehalt festhält und Alles, was der genannten Serie von ihm und von Hamilton zugezählt wurde, für unzweifelhaft älter als Kreide betrachtet, lässt Hamilton noch die Frage als offen gelten, ob die betreffenden Kalke nicht etwa cretacisch seien und nur eine gewisse Umwandlung erfahren haben. Meine Ansicht geht hingegen, ich wiederhole es, dahin, dass die bezüglich ihres Alters fraglichen Kalkcomplexe auf Rhodus haupt- sächlich die Kreideformation vertreten, wobei ich es von vornherein durchaus nicht für unmöglich erklären will, dass die tiefsten Lagen noch weiter in der Zeit zurückreichen, obzwar ich hiefür gar keine Anhaltspunkte besitze. Zu dieser Ansicht veranlassen mich namentlich folgende Umstände und Erwägungen. Nachdem alle meine Beobachtungen auf eine ununterbrochene Continuität der marin-kalkigen Facies in den ältesten, uns hier be- schäftigenden Absätzen der Insel hinweisen, wofür wir ja Analoga auch in anderen Terrains, so unter Anderem in den benachbarten Land- strichen des kleinasiatischen Festlandes und in Griechenland haben, und nachdem es sich herausgestellt hat, dass der obere Theil dieser Schichtenserie dem Eocän angehört, und zwar in Anbetracht dessen, dass darüber noch weiter eocäne Ablagerungen in sandig-mergeliger Facies folgen, höchstwahrscheinlich das untere Eocän repräsentirt, so dürfte die Annahme gewiss nicht unberechtigt sein, dass die tieferen Glieder zunächst der Kreideformation zufallen. Eine allein auf den Gesteinscharakter sich stützende Altersdeutung, wie sie Hamilton und Strickland vornehmen zu können geglaubt haben, halte ich aber speciell in diesen Gebieten für verfehlt. Dass zwischen den höheren und den tieferen Partien unserer Kalke gewisse petrographische Unterschiede bestehen, wurde schon constatirt. Wir sahen aber auch, dass diese Unterschiede keineswegs sehr bedeutend sind, indem ich erwähnt habe, dass in engster Verbindung mit den dunkleren, mehr körnigen Kalken der älteren Complexe vielfach auch solche Kalke auf- treten, die jenen des jüngeren eocänen Theiles vollkommen gleichen, und ich füge noch bei, dass, abgesehen von der Färbung, halbkrystal- linische und krystallinische und, wie es scheint, auch dolomitische Lagen von mir überhaupt in verschiedenen Niveaux beobachtet wurden. Wie gering mitunter — ich sage nicht immer — der Werth des petrographischen Habitus bei der Altersbestimmung mancher Ab- lagerungen ist, dafür bietet Rhodus selbst insofern ein gutes Beispiel, als hier in dem eocänen Flysch bei Sklipiö (Asklepio) ein pechschwarzer, 532 Gejza von Bukowski. [16] äusserst harter und fast nicht mehr dieht zu nennender Kalk mit schön erhaltenen Nummulitendurchschnitten angetroffen wurde, den man sonst ohne palaeontologische Beweise gewiss nicht für eocän an- sprechen würde. Oretacische Fossilien in anstehenden Schichten zu entdecken ge- lang es mir allerdings nicht. Das will übrigens deshalb nicht viel sagen, weil ich über die Kalkterrains nur eine verhältnissmässig ge- ringe Zahl von Touren unternommen habe und manche Kalkgebiete von mir blos ganz flüchtig untersucht wurden. Die Vertretung der Kreideformation in diesem Schichtensysteme erscheint aber wenigstens angedeutet durch die Auffindung eines Rudisten auf secundärer Lager- stätte, welcher als Rollstück in dem die jungpliocänen Bildungen der Smithhöhe bei der Stadt Rhodos krönenden marinen Conglomerat ein- gebettet lag. Dass das in Rede stehende, noch ziemlich gut erhaltene Exemplar von weit herstammt, ist kaum anzunehmen. Seine ursprüng- liche Lagerstätte dürfte wohl eine der nächsten Kalkregionen, entweder der Rücken des Levtopödi (Mt. Leftopoda), Kumuli (Koomooley) und Gällata (Gallatah) Vunö oder der am Cap Vöidi (Voudhi) aus dem Oberplioeän auftauchende Stock gewesen sein. Bevor wir die Auseinandersetzungen in der Altersfrage schliessen, ist es nothwendig, noch eine dieses Thema streifende Angabe aus der Literatur kurz zu berühren. Nach den Mittheilungen Hamilton’s soll an einer Stelle der Bay zwischen dem Gebirge von Lindos und Ar- khängelos (Archangelo), knapp an der Küste eine ‘harte, schwarze, schiefrige, krystallinische Felsart, offenbar ein Kalk, zum Vorschein kommen, über deren stratigraphische Position einfach gesagt wird, dass sie den dunklen Scagliakalk, also den unteren Complex unserer Schiehtgruppe unterlagert. Diese Ablagerung vergleicht nun Hamilton mit Rücksicht auf ihre petrographischen Charaktere mit dem dunklen Kalke des Bosporus, welcher bekanntlich devonisch ist. Da es mir trotz wiederholten Suchens nicht geglückt ist, die betreffende Auf- bruchsstelle zu finden, so bin ich auch selbstverständlich nicht in der Lage, irgend etwas über dieses Vorkommniss zu berichten. Ich kann aber ungeachtet dessen nicht umhin, wenigstens zu bemerken, dass es sich hier meiner Meinung nach, wenn das genannte Sediment nicht etwa noch zu einer der auf Rhodus in petrographischer Hinsicht so ungemein mannigfaltig entwickelten Gruppen der cretacischen und eocänen Absätze gehört, kaum um eine Bildung handeln dürfte, deren Vergleichung mit dem Devonkalk des Bosporus heute gerecht- fertigt wäre. Die cretacischen und eocänen Kalke stellen so zu sagen das Gerüst der Insel dar und geben nicht nur, wie man deshalb vielleicht glauben könnte, das wichtigste, sondern direet das einzige Gebiet ab, aus dem die Ermittlung der für das ganze Terrain vor Allem maass- gebenden Streichrichtung der Schichten zu erwarten ist. Die vor- nehmlich in Folge ihrer weicheren Gesteinsbeschaffenheit vollends zer- knitterten eocänen Flyschbildungen und die oligocänen Sandsteine eignen sich hiezu beinahe gar nicht, und das Gleiche gilt dann auch von den jungtertiären Ablagerungen, welche zwar zum grösseren Theile noch gestört, aber nicht im wahren Sinne des Wortes gefaltet sind. [17] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 533 Leider zeigt sich jedoch die Faltung auch bei den cretacisch-eocänen Kalken viel zu stark und zu unregelmässig, als dass es möglich wäre, diese Frage mit voller Sicherheit zu entscheiden. In dem zweiten, grösseren, vorläufigen Berichte habe ich die an einzelnen Kalkstöcken gesammelten Beobachtungen zu einem ein- heitlichen Bilde des tektonischen Aufbaues der Gruppe zu vereinigen versucht und als Ergebniss unter Anderem angeführt, dass hier im Allgemeinen das nordöstliche bis ost-nordöstliche Schichtenstreichen vorherrscht. Hiebei sind dann auch die Ausnahmen von der Regel nicht unberücksichtigt geblieben, indem die Abweichungen von dem obgenannten Schichtenstreichen sogar in ziemlich eingehender Weise besprochen wurden. An allen diesen Ausführungen habe ich heute im Grossen und Ganzen allerdings nicht viel zu ändern, nur erachte ich es für geboten, zu betonen, dass dieselben einigermassen zu decidirt ausgefallen sind, indem ich durch genaue Prüfung meiner Tagebuchaufzeichnungen und nach reiflicher Ueberlegung zu der Ueberzeugung gelangt bin, dass in manchen Fällen doch Täuschungen vorliegen können. Der weitaus überwiegende Theil des cretacischen und eocänen Kalkterrains bietet verworrene Faltung dar, die man mitunter direct als Durcheinanderfaltung bezeichnen muss, und die namentlich aus einiger Entfernung sehr deutlich hervortritt. Verquert man solche Strecken, so beobachtet man auf Schritt und Tritt nach allen Richtungen ‘ wechselndes Verflächen, und es ist klar, dass in diesem Falle von einer scharf ausgeprägten Streichungsrichtung keine Rede sein kann. Fast nicht minder häufig begegnet man sodann einer vollkommenen Schichtenzerknitterung, welche in der Regel dort vorkommt, wo die Kalke plattig entwickelt sind. Jene Gebiete, in denen das Schichten- streichen wenigstens einigermassen genau bestimmbar erscheint, gehören geradezu zu den Ausnahmen. Als solche Gebiete sind, wenn man ganz streng vorgeht, eigentlich nur das mächtige Gebirgsmassiv des Atäviros (Mt. Attayaro), der Lindos-Stock und der Khörti (Horti) zu nennen. Hier weisen die cretacisch-eocänen Kalke in ihrer Haupt- masse eine mehr regelmässige Faltung auf und streichen ziemlich deutlich von Südwest nach Nordost. Bezüglich des Akramfti (Mt. Akramytis), dessen Kamm aus der Ferne eine schon bis zu einem gewissen Grade verworrene Faltung erkennen lässt, kann es zum Mindesten als sehr wahrscheinlich gelten, dass die ihn zusammensetzenden Kalke nordöstlich streichen, zumal derselbe in jeder Hinsicht als die südwestliche Fortsetzung des Atäviros (Mt. Attayaro) aufgefasst werden muss. Bei den anderen Vorkommnissen, sowohl den bedeutenderen Stöcken, als auch den kleineren Aufragungen, ausgenommen etwa das grosse Gebirgsmassiv des Ströngilo, ist man dagegen mehr oder weniger auf Vermuthungen angewiesen. Aus der deutlich ausgesprochenen ost-nordöstlichen Kamm- richtung des langgezogenen Kumuli (Koomooley) -Rückens und des zweifellos seine Fortsetzung bildenden, in das Cap Voidi (Voudhi) ausgehenden Kalkgebietes von Koskinü (Koskino) habe ich seinerzeit auf einen gleichen Verlauf des Schichtenstreichens in dieser nörd- lichsten Region geschlossen, und es mag dies auch thatsächlich der Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (G. v. Bukowski.) 69 534 Gejza von Bukowski. [18] Fall sein, nur muss ich heute, die frühere Behauptung einschränkend, hinzufügen, dass die durcheinandergefalteten und zerknitterten Schichten hiefür keine Anhaltspunkte liefern. Aehnlich verhält es sich dann auch, wie noch zu bemerken übrig bleibt, mit dem Piriönia oder Aphändos Vunö und der Erhebung am Cap Ladikö, sowie mit den kleineren, im centralen Theile der Insel liegenden Aufbrüchen. Anders als die überwiegende Mehrzahl der cretacisch-eocänen Kalkgebiete scheint dagegen der kurz vorhin erwähnte Ströngilo-Stock gebaut zu sein. Neben vollständiger Schichtenzerknitterung und starker Durcheinanderfaltung wurde in demselben zumeist südwestliches Ein- fallen beobachtet, und dieser Umstand in Verbindung mit der That- sache, dass nahezu die ganze Masse ein schmaler Streifen zwischen den Kalken offenbar eingeklemmter Flyschablagerungen in der Richtung aus Nordwest gegen Südost durchzieht, muss als ein Anzeichen dafür angesehen werden, dass hier der Hauptsache nach südöstliches Schiehtenstreichen herrscht. Nimmt man ausserdem noch in Betracht, dass der langgedehnte Kamm des grossen benachbarten, aus dem FEliasberge und dem Spiriötis (Mt. Speriolis) bestehenden Kalkstockes, dessen Schichten ungemein zerknittert sind und dem zu Folge eine ausgeprägte Streichungsrichtung nicht besitzen, so zu sagen einen wider- sinnigen Verlauf zeigt, indem er sich deutlich westöstlich stellt und die Kämme des Atäviros (Mt. Attayaro) und des Kümuli (Koomooley)- Rückens gewissermaassen schief schneidet, so drängt sich wohl unwill- kürlich die Meinung auf, dass in diesem Terraintheile ein Umbiegen des Schichtenstreichens aus der nordöstlichen in die südöstliche Richtung stattfindet, und dass dieses erst im Ströngilo-Stocke voll zum Ausdrucke gelangende Umschwenken sich durch die Gebirgsmasse des Eliasberges und Spiriötis (Mt. Speriolis) vollzieht. Die einen auf- fallenden Contrast zu der ziemlich regelmässigen Faltung des Lindos- Stockes bildenden, ausserordentlich starken, und zwar hauptsächlich in völliger Schichtenzerknitterung sich äussernden Störungen der Kalke des Arkhängelos (Archangelo) Vunö, welcher sich südöstlich vom Ströngilo, unweit desselben erhebt, stehen auch möglicherweise damit im Zusammenhange. Es werden jedenfalls noch sehr genaue und detaillirte Unter- suchungen durchgeführt werden müssen, bis es gelingen wird, eine vollständige, sichere Klärung der tektonischen Verhältnisse in dem eretacisch-eocänen Kalkgebirge auf Rhodus zu erzielen. Die in mancher Hinsicht, namentlich was den Bau der zuletzt erwähnten Region an- belangt, gegenüber meinen vorläufigen Mittheilungen heute mehr als Vermuthungen hingestellten Darlegungen dürfen höchstens als skizzen- haft gezeichnete Umrisse, für die noch Beweise zu erbringen sind, aufgefasst werden. Die augenscheinlich locale Umbiegung des Schichten- streichens aus der wohl als normal zu bezeichnenden nordöstlichen Richtung in die südöstliche am Ströngilo und am Eliasberge sammt dem Spiriötis (Mt. Speriolis) hätte übrigens, um darauf noch zurück- zukommen, wenn meine heutigen Angaben darüber später vollends bestätigt werden sollten, nicht nur in Anbetracht der durchgehends überaus starken Störungen nichts Befremdendes an sich, sondern auch deshalb, weil wir schon Analoga hievon unter Anderem aus den [19] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus, 535 naheliegenden Landstrichen Kleinasiens und aus Griechenland kennen, und weil gerade die beiden in Rede stehenden Streichrichtungen in dem geologischen Aufbaue des Aegäischen Archipels durch ihr Inein- andergreifen eine bekanntlich sehr wichtige Rolle spielen. Die Verbreitung der ceretacisch-eocänen Kalkstöcke, denen noch getrennt von einander gleich im Folgenden kurze Betrachtungen gewidmet werden sollen, ist, wie schon eingangs angedeutet wurde, eine ziemlich ungleichmässige. Die Mehrzahl derselben erscheint in dem mittleren, der grössten Breitenerstreckung der Insel entsprechenden Theile zusammengedrängt; wenn man dabei auch die kleinen Eilande und Klippen im Westen, so wie die Insel Khälki berücksichtigt, so ergibt sich eine quer auf die Längsachse von Rhodus verlaufende Zone der stärksten Verbreitung, welche Zone jedoch, wie es scheint, kein besonders bedeutungsvolles Merkmal des geologischen Baues darstellt. Ein Theil dieser der Mittelregion angehörenden Stöcke liest abseits vom Meere, umgeben von Jüngeren Sedimenten; andere treten wieder an die See heran und tragen durch die Bildung felsiger Sporne und zahlreicher Vorgebirge wesentlich zu einer manniefaltigeren Ent- wicklung der Küste bei. Hier begegnet man auch den mächtigsten, das heisst sowohl an Umfang, als auch an Höhe bedeutendsten Kalk- massivs, wie denn überhaupt die grössten Erhebungen der Insel diesem Schichtensysteme zufallen. Das nördliche Gebiet zeichnet sich durch relativ weniger aus- gedehnte, obzwar noch immer ansehnliche Höhen erreichende Vor- kommnisse aus, welche gleichfalls theils im Inneren des Landes, theils an der Küste sich befinden. Südlich von der Linie, welche etwa Monölithos mit dem Khörti Vunö (Mt. Horti) verbindet, also ungefähr in dem südlichen Drittel von Rhodus, wurden dagegen nirgends Auf- brüche der cretacisch-eocänen Kalke angetroffen. Es kann mithin kein Zweifel darüber obwalten, dass daselbst wenigstens grössere Aut- ragungen, welche nicht leicht zu übersehen sind, fehlen. Es erübrigt endlich zu bemerken, dass die Auflösung des cre- tacischen und eocänen Kalkterrains: in einzelne Stöcke nicht aus- schliesslich als eine Folge der weiten übergreifenden Verbreitung und der grossen Mächtigkeit der jungtertiären Bildungen angesehen werden darf, sondern vielfach auch durch Brüche erfolgt ist. Die Lagerungsverhältnisse zwischen den eocänen Sandsteinen und Schiefern und den Kalken auf gewissen Strecken oder bei manchen Vorkomm- nissen, sowie andere Erscheinungen, von denen erst später die Rede sein wird, lassen keine andere Deutung zu, als dass einzelne Com- plexe des Kalkgebirges mitsammt dem darüber folgenden Flysch an Verwerfungen abgesunken sind und dadurch zwischen den Kalk- stöcken Tiefengebiete entstanden sind, in denen entweder noch die Flyschablagerungen als oberes abgesunkenes Sediment zu Tage treten, oder die nachher vom Jungtertiär ausgefüllt wurden. In dem Ver- laufe der Brüche äussern sich, soweit man dies heute noch erkennen kann, vor Allem die nordöstliche und die südöstliche Richtung. Je nach aem Schichtenstreichen stellen sich hiebei diese Bruchlinien theils als Längs-, theils als Querverwerfungen dar. 69* 536 Gejza von Bukowski. [20] 1. Der Kalkstock des Akramiti und Armenisti. Unter jenen Gebieten der cretacisch-eocänen Kalke, welche in die See hinaustreten, nimmt die erste Stelle ein sowohl in Bezug auf Ausdehnung, als auch auf Höhe der an der Westküste gelegene grosse Stock des Akramiti (Mt.Akramytis) und Armenisti (Mt. Arministhi). Der- selbe nähert sich in seiner Gestalt einem Rechtecke, dessen nord- westliche Längenseite und südwestliche stark gegliederte, buchten- reiche Breitenseite vom Meere bespült werden, und besteht zunächst aus dem scharfen, gezackten Grate des Akramiti (Mt. Akramytis), welcher nordöstlich streicht und sich bis zu 2706 engl. Fuss erhebt, dann aus der niedrigen hügeligen Plateaulandschaft, welche eine breite, bis an die See reichende Zone bildend, dem Akramiti (Mt. Akramytis) im Nordwesten vorgelagert ist, und endlich aus dem halbinselartig ins Meer vorspringenden, in das Cap Monölithos,. die westlichste Endi- sung der Insel, auslaufenden Armenisti (Arministhi) -Rücken. Die nordöstliche Begrenzungslinie des Stockes gegen die einer Graben- senkung folgenden, abgesessenen Flyschmassen stellt augenscheinlich einen Querbruch dar, und ein ähnliches Verhältniss dürfte auch zwischen den Kalken des Akramiti (Mt. Akramytis) und jenen stark zerknitterten eocänen Flyschbildungen herrschen, welche erstere im Südosten als ein schmaler Streifen eine Strecke lang begleiten, und die erst in der Gegend von Monölithos, wie auch weiter südwestlich bei Aya Badalemöna, dem mittelalterlichen Castell von Monölithos, durch die mächtigen, unmittelbar an die alten Kalke sich anlehnenden Paludinenschichten vollständig verhüllt werden. Eine Besteigung des hohen, schmalen, nach beiden Seiten hin in steilen Wänden abstürzenden Grates des Akramiti (Mt. Akramytis) wurde nicht unternommen. Der Weg, den ich behufs Untersuchung dieses Terrains eingeschlagen habe, führte von Sfana um das Ostende des Stockes herum in den hügeligen, von zahlreichen, aus dem Alter- thume und dem Mittelalter stammenden Ruinen und Gräbern besäeten nordwestlichen Gebietstheil zum Armenisti (Mt. Arministhi) und von da nach Monölithos. Daran schloss sich dann noch eine gelegentliche - Wanderung längs des Südostrandes von Monölithos nach Sfana an. Diese zwei Touren genügten, um zu constatiren, dass die Akra- miti (Akramytis) -Masse hauptsächlich aus lichtgrauen, dichten, viel- fach Kieselconeretionen enthaltenden Kalken aufgebaut ist. In der Nähe der altgriechischen Ruinen und Gräber von Vasilikä wurden überdies auch dunkelgraue, breccienartige, in beträchtlicher Menge Nuwmuliten einschliessende Kalklagen angetroffen, woraus erhellt, dass zum Mindesten ein Theil der Kalke dieses Stockes dem Eocän angehört. Ueberall, wo die Bankung einigermassen deutlicher ausgeprägt erscheint, kann man sehen, dass die Störungen ungemein gross und die Schichten überaus stark und unregelmässig gefaltet sind. Die ver- worrene Faltung tritt besonders schön an dem Kamme des Akramiti (Mt. Akramytis) hervor; sie ist namentlich dann am deutlichsten wahr- zunehmen, wenn man den Kamm von der See aus, überhaupt aus einiger Entfernung betrachtet. Auch an dem Südabfalle des Grates [21] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 537 wurde fast durchwegs eine sehr unregelmässige Faltung, die stellen- weise sogar in völlige Schichtenzerknitterung übergeht, beobachtet. Es ist demnach wohl begreiflich, dass unter solchen Verhältnissen nicht mit Gewissheit angegeben werden kann, wie die Schichten streichen. Bei dieser Art von Störungen bleibt es ja doch überhaupt zweifelhaft, ob eine bestimmte Richtung vorhanden ist, in der die Faltungskraft stärker gewirkt hat, und welche man als die ausschlag- sebende oder vorherrschende bezeichnen könnte. Nur der Umstand, dass die Kalke des in der nächsten Nähe liegenden und offenbar die Fortsetzung des Akramiti (Mt. Akramytis) bildenden Stockes des Atä- viros oder Atäiro (Mt. Attayaro) nordöstlich streichen, darf als ein Anhaltspunkt für die Vermuthung aufgefasst werden, dass auch hier diese Richtung die massgebende sei. Die niedrigeren Theile des Akramiti (Akramytis) -Stockes, so der Armenisti (Arministhi) -Rücken, das gegen die See rasch abfallende südwestliche Gebiet, vor Allem aber die ausgedehnte nordwestliche hügelige Plateaulandschaft, tragen über verhältnissmässig weite Strecken die Ueberreste von pliocänen Ablagerungen, welche einst jedenfalls eine zusammenhängende Decke gebildet haben, heute jedoch nur noch als vereinzelte Lappen oder als mantelförmiger, den Unebenheiten des Untergrundes sich anschmiegender, dünner Ueberzug auf den cretacisch- eocänen Kalken liegen, oder präciser gesagt, denselben klebend an- haften. Die kartographische Ausscheidung solcher Vorkommnisse musste bei einer Uebersichtsaufnahme selbstverständlich unterbleiben. 2. Der Kalkstock des Ataviros. Vom Akramiti (Mt. Akramytis) durch eine nicht besonders breite, aus Nordwest nach Südost sich ziehende Zone von Flyschbergen ge- schieden, welche in tektonischer Hinsicht ein grabenartiges Senkungs- feld darstellt, erhebt sich weiter gegen Nordost, umgeben von Jüngeren Sedimenten, der mächtigste Kalkstock der Insel, der Atäviros oder Atäiro (Mt. Attayaro). Seine bedeutenden Dimensionen, vor Allem die relativ sehr grosse Höhe, welche derselbe in dem Culminationsgipfel erreicht, und in der er alle anderen Kalkstöcke, wie überhaupt sämmt- liche Kammzüge weit übertrifft, dann aber auch die beträchtliche areale Ausdehnung verleihen ihm eine dominirende Stellung in dem Gebirgsrelief von Rhodus. Seine gedrungene, klotzig aufstrebende, oben breit kuppenförmige Gestalt ragt weit hin sichtbar über die srüne Umgebung empor. Der überwiegende Theil seiner Gehänge, sowie die ganze Kammregion erscheinen kahl und öde und bieten den Charakter einer Karstlandschaft dar. Daneben gibt es aber auch heute noch ziemlich ausgedehnte Strecken, welche des Waldschmuckes nicht entbehren. Abgesehen von gewissen Thalrissen finden sich grössere zusammen- hängende Waldceomplexe namentlich auf der Westseite, dann im Osten, in der Gegend des Monastirs Artamiti, und auf dem langgezogenen südöstlichen Abfalle. Leider schreitet hier ebenso, wie in den meisten Gebieten der asiatischen Türkei, der Waldbestand zu Folge der Miss- wirthschaft, und zwar in erster Linie wegen der nicht genug strengen 538 Gejza von Bukowski. mA [22] Handhabung der Schutzmassregeln, einem raschen Untergange ent- gegen. Von der höchsten Spitze, welche bis 4068 engl. Fuss über den Meeresspiegel ansteigt, und auf der noch die Spuren eines Jupiter- Tempels zu sehen sind, lohnt die Mühe des Aufstieges ein sehr lehr- reicher, landschaftlich überaus anziehender Rundblick über ganz Rhodus und öffnet sich eine unvergleichliche Fernsicht auf die zahl- reichen umliegenden Inseln und Klippen der südlichen Sporadengruppe und auf die malerische Küste des anatolischen Festlandes. Orographisch zerfällt diese grosse. Kalkmasse’ in mehrere, durch enge Thalfurchen von einander getrennte Rücken, denen die oberste Gipfelregion gewissermassen als Knotenpunkt dient. In geologischer Beziehung beansprucht der Atäviros (Mt. Attayaro) insofern ein grösseres Interesse, als in demselben die Durcheinander- faltung der Schichten im Allgemeinen kein so hohes Ausmass erreicht, dass es gänzlich unmöglich wäre, wie dies sonst vielfach der Fall ist, in den Aufbau, namentlich in die stratigraphischen Verhältnisse einen Einblick zu gewinnen. Unter Anderem bietet sich hier die günstigste Gelegenheit zum Studium des Verhältnisses zwischen den eretacisch- eocänen Kalken und der nächstfolgenden Gruppe, den eocänen Flysch- bildungen, nachdem der geringere Grad von Störungen erkennen lässt, dass in der erstgenannten Schichtenserie die oberen Glieder voll- ständig erhalten vorliegen. Wie der Stock des Akramiti (Mt. Akramytis) und Armenisti (Mt. Arministhi) erscheint auch der Atäviros (Mt. Attayaro) vorwiegend aus lichtgrauen, dichten, regelmässig gebankten Kalken zusammengesetzt, welche stellenweise Zwischenlagen von Hornsteinen und hie und da ausserdem noch Kieselknollen enthalten. Die Absonderung ist theils eine dickbankige, theils eine plattige, wobei aber erstere vorherrschen dürfte. Wie dort, begegnet man dann auch hier dunkleren, breccien- artigen Kalklagen, deren Wichtigkeit im Hinblicke darauf, dass sie fast immer reichlich Nummuliten einschliessen, schon früher besonders betont wurde. In der obersten, jüngsten Partie stellen sich endlich Einschaltungen von zumeist rothen oder geflammten, seltener schwärz- lichen, mergeligen Kalkschiefern ein. Diese in dem Verbande der cretacisch - eocänen Kalkserie durch ihre häufig bunte und grelle Färbung in der Regel stark auffallenden schiefrigen Mergelkalke vermitteln gewissermassen, wie weiter unten gezeigt werden soll, den Uebergang zu den eocänen Flyschablagerungen. Dass an dem Aufbaue des Atäviros oder Atäiro (Mt. Attayaro) einen sehr wesentlichen Antheil die jüngere eocäne Abtheilung der Kalke nimmt, ergibt sich nicht nur aus den Lagerungsverhältnissen, sondern davon zeugen auch einzeine Nummulitenfunde. Solche zu machen, glückte es mir auf dem Wege von Embona nach Sfana, an der nordwestlichen Seite des Stockes und bei der Besteigung des höchsten Giptels, welche von dem Monastir Artamfti aus vollführt wurde, ungefähr in der halben Höhe zwischen Artamiti und der Spitze. Letzterer Fund bezieht sich, wie dies am häufigsten zutrifft, auf eine Lage von dunklem Breccienkalk. Ob daselbst neben dem eocänen auch noch der tiefere cretacische Complex vertreten ist, [23] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 539 was ja von vornherein als nicht unwahrscheinlich bezeichnet werden kann, und wo dann etwa die Grenze zwischen denselben zu ziehen wäre, darüber ein Urtheil abzugeben, bin ich nicht im der Lage. Die Lösung dieser schwierigen Frage erheischt eben viel genauere Untersuchungen, als diejenigen es sind, auf welche sich die vor- liegenden Mittheilungen gründen, und die nur die Gewinnung einer Uebersicht bezweckten. Die Umrahmung des Kalkstockes bilden grösstentheils eocäne Flyschablagerungen. Längs der ganzen nordwestlichen und süd- westlichen Seite stossen an denselben Gebiete eocäner Sandsteine und Schiefer an. Auch im Südosten begleitet ihn auf eine weite Erstreckung hin ein schmaler Saum von Flyschbildungen. Nur an der Ostseite und entlang der an diese sich anschliessenden Hälfte der südöstlichen Flanke grenzen jüngere, transgredirend auftretende Sedimente an, hauptsächlich die Tharischichten, dann aber auch die mächtigen fluviatilen Absätze der levantinischen Stufe. Verfolgt man den von Ayos Isidoros zum Monastir Artamiti direct führenden Pfad, so kommt man bald hinter dem erstgenannten Orte an eine Stelle, wo sich eine interessante Schichtfolge der Beobachtung darbietet. Man sieht zunächst in dieser Gegend die lichtgrauen, harten, diekbankigen und plattigen Kalke des Atäviros (Mt. Attayaro) steil nach Südost einfallen und mit bunten, mergeligen Kalkschiefern wechsellagern. Auf die äusserste Bank eines rothen Mergelkalkes, welcher entschieden noch der ceretacisch-eocänen Kalk- gruppe als oberstes Glied zugezählt werden muss, folgt nun dann concordant ein grünlicher Mergelschiefer, welcher anfangs noch sehr kalkreich, fest und plattig abgesondert erscheint, von dem rothen Mergelkalke sich eigentlich nur in der Farbe unterscheidet, allmählig aber mehr thonig und bröcklig wird und zuletzt vollkommen den petrographischen Charakter der typischen kalkarmen Flyschschiefer annimmt. Nach und nach stellen sich endlich darin Sandsteinbänke ein, und so gelangt man zum Schlusse in echte Flyschbildungen. Es herrschen somit an diesem Punkte Verhältnisse, welche unmittelbar darauf hinweisen, dass die beiden in Rede stehenden grossen Schichten- systeme stratigraphisch mit einander durch concordante Aufeinander- folge verbunden sind. Die sonst fast überall sich äussernde uncon- forme oder eigentlich unentwirrbare Lagerung wäre durch die ausser- ordentlich grossen Störungen, sowohl Brüche und Absenkungen., als auch Durcheinanderfaltung und völlige Schichtenzerknitterung zu erklären. Nachdem ein ähnlicher Connex zwischen den cretacisch-eocänen Kalken und dem eocänen Flysch, wie bei Ayos Isidoros, auch auf der entgegengesetzten, nördlichen Seite des Stockes, am Wege von Embona gegen Apöllona, unweit der kleinen isolirten Häusergruppe Mavranera, jedoch bei nordwestlichem Verflächen angetroffen wurde, so liegt die Vermuthung nahe, dass dieser Theil des Atäviros (Mt. Attayaro) im Grossen und Ganzen ein Gewölbe bildet. Wenn man aber andererseits die Gesammtsumme der die Lagerung betref- fenden Beobachtungen berücksichtigt und auf diese Weise das ganze Massiv in Betracht zieht, dann zeigt es sich erst, dass der Bau 540 Gejza von Bukowski. [24] keineswegs so einfach ist. Obwohl hier die Schichten, wie schon gesagt wurde, im Allgemeinen nicht so ausserordentlich stark gestört erscheinen, wie bei der überwiegenden Mehrzahl der anderen Kalk- stöcke, kommen doch auch da vielfach Strecken vor, auf denen man einer unregelmässig gewundenen Faltung begegnet. Bis zu einem gewissen Grade gilt dies beispielsweise von der östlichen Randregion der Kalkmasse; eine sehr complieirte, verworrene Faltung tritt dann vor Allem mitten in Ayos Isidoros und von hier weiter gegen Westen zu auf, und die gleichen Wahrnehmungen konnten auch, um noch ein Beispiel anzuführen, während des Aufstieges zum höchsten Gipfel von einzelnen Stellen verzeichnet werden. Während im äussersten Osten aus gewissen Lagerungsverhältnissen wenigstens vermuthungsweise auf einen antiklinalen Bau geschlossen werden kann, scheint die Hauptmasse der Kalke des Atäviros (Mt. Attayaro), nämlich das centrale und das breite westliche Gebiet, einer grossen, zahlreiche kleinere secundäre Faltungen und Knickungen aufweisenden Falte anzugehören, deren nordwestlicher Flügel abge- brochen ist. Es herrscht hier in der ganzen Breitenausdehnung, wenn man von jenen Abweichungen absieht, welche durch die wiederholt auftretenden secundären Störungen bewirkt werden, also im Grossen, südöstliches Einfallen. Die nordwestliche Begrenzungslinie stellt sich hiebei als ein Längsbruch dar, welcher die Falte allem Anscheine nach in ihrem Achsentheile durchschneidet und die längs des von Embona nach Stana führenden Pfades in den steil abstürzenden Kalkwänden herausstehenden Schichtköpfe bis tief hinab aufdeckt. Dass daselbst ein dem Schichtenstreichen ziemlich genau ent- sprechender Längsbruch vorliegt, beweist schon der Umstand, dass die in dem Schnitte aufgeschlossenen Bänke mehr oder minder horizontal verlaufen, woraus sich auch die irrige Meinung Spratt’s von der horizontalen Lagerung der Kalke des Atäviros (Mt. Attayaro) leicht erklären lässt. Die nach Südost gerichtete Neigung der Schichten, sowie die welligen, mehr untergeordneten Falten und Knickungen, welche dabei vorkommen, treten am deutlichsten hervor und vereinen sich zu einem besonders anschaulichen Bilde des Baues, wenn man als Beobachtungsstandpunkt eine entlegenere Gegend im Westen, etwa den Akramfti (Mt. Akramytis) wählt. Dass die Trennung des Atäviros (Mt. Attayaro) vom Akramfti (Mt. Akramytis) durch das Absinken einer Scholle der cretaeisch- eocänen Kalke sammt den darüber liegenden eocänen Flyschmassen stattgefunden hat, und dass mithin diese beiden Stöcke auf den einander zugekehrten Seiten von Querbrüchen begrenzt sind, wurde schon früher hervorgehoben. Die den Atäviros (Mt. Attayaro) gegen Südwest abschneidende Verwerfung, welcher wir die Erschliessung des vorhin erwähnten lehrreichen Profiles verdanken, gibt sich auf einer ziemlich langen Strecke auch durch eine hohe, ungemein steile, nahezu senkrechte Wand kund, an deren Fusse die abgesunkenen Flysch- bildungen im Zustande vollkommener Schichtenzerknitterung lagern. Mag auch nun hier noch Vieles sowohl in Bezug auf Tektonik, als auch auf Stratigraphie ungeklärt bleiben, ein sicheres Ergebniss von besonderer Wichtigkeit haben die bisherigen Untersuchungen [25] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 541 doch wenigstens in der Feststellung des Schichtenstreichens geliefert. Wohl deuten auch im Atäviros (Mt. Attayaro) manche Lagerungs- verhältnisse darauf hin, dass an der Faltung, ähnlich wie sich dies in noch weit höherem Ausmasse in den meisten anderen Gebieten von Rhodus bemerkbar macht, nach verschiedenen Richtungen wir- kende Kräfte betheiligt waren, aber dabei zeigt es sich immerhin unverkennbar, dass unter diesen Kräften eine die Oberhand behalten hat, und zwar diejenige, welcher das im Grossen und Ganzen deut- lich ausgeprägte nordöstliche Schichtenstreichen entspricht. 3. Das Gebiet vom Cap Kopria. In dem westlichen Theile der Insel treten die cretaeisch-eocänen Kalke ausser in dem Stocke des Akramfti (Mt. Akramytis) und Arme- nisti (Mt. Arministhi) nur noch zwischen Langoniä, einer an der See gelegenen mittelalterlichen Ruinenstätte, und der Einmündung des vom kleinen Eliasberg herunterkommenden Baches an die Küste heran. Dieses besonders markante Erhebungen nicht aufweisende, vielfach blos aus verhältnissmässig niedrigen Hügeln sich zusammensetzende Gebiet, das noch am passendsten nach dem Vorgebirge Kopriä zu benennen ist, dehnt sich landeinwärts bis in die Nähe von Kästelos aus, Seine Umrisse gegenüber den es auf der Landseite überall um- gebenden Flyschablagerungen sind äusserst unregelmässig. Sowohl an den Rändern, als auch im Inneren bilden die Kalke mit den Flysch- absätzen eine chaotisch verdrückte Masse, und dem zu Folge konnte auch seine Ausbreitung bei der Kürze der Zeit, welche für dessen Untersuchung bemessen war, nur ganz schematisch, unter Weglassung der mitten darin vorkommenden Flyschpartien auf der Karte zur Darstellung gebracht werden. Nach der engen Verknüpfung beider Schichtensysteme zu urtheilen, dürfte hier von der cretaeisch-eocänen Kalkgruppe vor Allem der höhere Theil vertreten sein. 4. Der Kitala-Rücken. Schmal und überhaupt klein an Umfang, fällt der Kalkzug der Kitala (Ketallah) -Berge ungeachtet dessen in dem Relief von Rhodus durch seine wenigstens der Umgebung gegenüber ziemlich ansehnliche Höhe, namentlich aber durch die mit dem stark felsigen Charakter zusammenhängenden schroffen Formen auf. Im Westen und an der Südspitze steht er in Berührung mit den Sandsteinen und Schiefern des grossen, nördlich vom Atäviros (Mt. Attayaro) sich ausdehnenden Flyschterrains, im übrigen taucht er hingegen aus den mächtigen, an ihn sich anlehnenden Tharischichten empor. Um ihn zu untersuchen, vollführte ich zunächst eine Durchquerung in dem südlichen Theile und zog ich dann längs des Ostrandes nach Nanos!), bei welcher t) Nach H. Kiepert’s Specialkarte vom westlichen Kleinasien heisst dieser kleine, aus wenigen Häusern bestehende Ort Manaes (vulg. Mandrikön). Mir wurde dagegen auf Rhodus als sein Name, gleichlautend mit der Bezeichnung der englischen Admiralitätskarte, Nänos angegeben, und ich muss daher diesen Namen, obwohl es keineswegs ausgeschlossen ist, dass ich ihn nicht recht verstanden habe, hier vorderhand beibehalten. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (G. v. Bukowski.) 70 542 Gejza von Bukowski. [26] Gelegenheit auch sein Nordende gestreift wurde. Ueberall konnte nur constatirt werden, dass die Schichten gänzlich zerknittert sind, dass man also hier ein im höchsten Grade gestörtes Gebiet vor sich hat. An dem Aufbaue betheiligen sich eben so, wie im Atäviros (Mt. Attayaro), neben den lichtgrauen festen Kalken, welche der im Südwesten mitten in denselben auftretende Serpentin zu durchbrechen scheint, vielfach auch die bekanntlich dem oberen Schichteneomplexe eingeschalteten rothen und geflammten schiefrigen Mergelkalke. 5. Der Kalkstock des Eliasberges und Spiriötis. Gegen Nordost fortschreitend, gelangen wir sodann an den zweit- grössten, was areale Ausdehnung anbelangt; nicht weit hinter dem Atäviros (Mt. Attayaro) zurückstehenden Kalkstock der Insel, den langgestreckten, felsigen Gebirgsrücken, welchen man nach dem in dem westlichen Theile gelegenen Culminationsgipfel, dem bis zu 2620 engl. Fuss sich erhebenden Eliasberge und nach dem eine absolute Höhe von 2121 engl. Fuss erreichenden, der Östregion angehörenden Spiriötis Vun6 (Mt. Speriolis) kurzweg als den Kalkstock des Eliasberges und Spiriötis bezeichnen kann. An denselben knüpft sich, wie schon in den allgemeinen Bemerkungen über das cretacisch-eocäne Kalkterrain dargelegt wurde, ein specielles Interesse nicht so sehr wegen seiner bedeutenden Grösse, als vielmehr wegen seines abweichenden oro- graphischen Verhaltens und wegen der augenscheinlich wichtigen Rolle, welche ihm mit Rücksicht auf gewisse, die Insel als Ganzes betreffenden tektonischen Verhältnisse zukommen dürfte. Im Gegensatze zum Atäviros (Mt. Attayaro) und zum Akramiti (Mt. Akramytis), so wie auch zu dem weiter im Nordosten liegenden Kumuli (Koomooley) -Rücken streicht der Kamm desselben ziemlich genau von West nach Ost; er schneidet daher, sich so zu sagen quer auf die Längsachse der Insel legend, die Kämme der eben genannten Kalkstöcke unter einem schiefen Winkel. Damit in Uebereinstimmung zeigt dann auch seine nördliche Flanke einen dem Kamme mehr oder weniger parallelen, im grossen Ganzen westöstlichen Verlauf, während im Süden der Umriss insofern unregelmässig erscheint, als hier un- gefähr in der Mitte, bei Apöllona die jungtertiären Sedimente und der unter ihnen hervorkommende Flysch ziemlich tief in die Kalkmasse eindringen, so dass in diesem Theile eine Begrenzung durch zwei fast rechtwinklig zusammenstossende Linien entsteht. Mit Ausnahme des grösseren westlichen Abschnittes der südlichen Seite und der nordwestlichen Ecke, wo eocäne Flyschablagerungen in schmalen Streifen und vereinzelten Aufschlüssen an den Rändern der Kalke auftauchen, bilden die Umrahmung des Stockes jüngere übergreifende, zumeist pliocäne Ablagerungen, im Westen die ihrem Alter nach noch unbestimmten Thari-Schichten, sonst aber Absätze der levatini- schen Stufe, theils echte Paludinenschichten, theils fluviatile Schotter und Sande. Aus meinen Untersuchungen, welche allerdings nicht genügen, um sich ein vollständig klares Bild von dem geologischen Aufbaue dieses Gebietes zu machen, geht unter Anderem doch deutlich hervor, [27] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 543: dass hier die Störungen ein ebenso hohes Ausmaass erreichen, wie in den Kitala (Ketallah) -Bergen. In vielen Fällen, das heisst über manche weite Strecken hin, lassen die lichtgrauen, dichten, muschlig brechenden Kalke, in denen ab und zu auch Zwischenlagen der rothen, mergeligen Kalkschiefer vorkommen, überhaupt keine Schichtung er- kennen. Ist aber eine schärfer ausgesprochene Bankung wahrnehmbar, dann sieht man fast stets, dass die Sedimente in zahllose kleine, un- regelmässige Falten gelegt, nach verschiedenen Richtungen gewunden oder vollkommen zerknittert sind. Die verworrene Faltung und Zerknitterung machen sich namentlich auf der Westseite des Stockes in sehr auffallender Weise bemerkbar. Es ist dies aber durchaus nicht die einzige Region, wo man denselben begegnet. Aehnliche Verhältnisse boten sich ausserdem noch an vielen anderen Stellen der Beobachtung dar. Directe Anzeichen für das Vorherrschen einer Richtung in dem geologischen Streichen gibt es hier also nicht, und sobald man dieses Kalkterrain blos für sich allein in Betracht zieht, kann man nicht einmal eine Vermuthung darüber äussern, ob zwischen dem abweichenden Kamm- verlaufe und dem geologischen Baue irgend ein ursächlicher Zusam- menhang existirt. Anders ist es dagegen, wenn man, weiter ausgreifend, zugleich auch den übrigen Kalkgebieten seine Aufmerksamkeit schenkt. Wie schon früher einmal hervorgehoben wurde, sind manche Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in dem grossen benachbarten Ströngilo-Stocke die Schichten von Nordwest nach Südost streichen. Falls wir nun dies der Thatsache gegenüber im Auge behalten, dass im Atäviros (Mt. Attayaro) andererseits die allem Anscheine nach als normal aufzufassende nordöstliche Richtung herrscht, so kommen wir folgerichtig zu der Erkenntniss, dass hier ein locales Umbiegen des Schichtenstreichens platzgreift, welches den Betrag von 90° erreicht. Die Kalkmasse des Eliasberges und Spiriötis (Mt. Speriolis) nimmt aber hiebei nicht nur in Bezug auf ihre geographische Lage, sondern, was besondere Beachtung verdient, auch durch den westöstlichen Verlauf ihres langgestreckten Kammes eine Mittelstellung ein, und das lässt wieder die Anschauung als nicht unberechtigt erscheinen, dass die widersinnige Kammrichtung des Eliasberges und des Spiriötis (Mt. Speriolis) nicht ganz zufällig, sondern in einer Aenderung des Schichtenstreichens begründet sei. Letzteres kann sich sogar in vollem Einklange mit dem Kammstreichen befinden und dürfte überhaupt nur in Folge der überaus grossen Störungen, welche solchen Ueber- gangsterrains sehr häufig eigen sind, derart verwischt worden sein, dass es sich der directen Beobachtung entzieht. Nicht unerwähnt mögen daselbst endlich bleiben die mit den umliegenden eocänen Flyschablagerungen innig verquickten Serpentine, da eines dieser Vorkommnisse, nämlich jenes von Platänia, auch mit den cretacisch-eocänen Kalken in unmittelbare Berührung tritt. Bei dem letztgenannten Orte dringt der unter den mächtigen levantini- schen Schottern hervorkommende Serpentin gangartig in die Kalke ein. Eine grössere Serpentinmasse, welche gleichfalls einen Durchbruch bilden dürfte, weil sie angeblich mitten in den Kalken aufgeschlossen ist, soll sich ferner unterhalb des Spiriötis (Speriolis) -Gipfels befinden. 70* 544 Gejza von Bukowski. [28] Von mir jedoch nicht aufgesucht, konnte dieselbe in Folge dessen auch auf der Karte nicht verzeichnet werden. Die anderen hier ange- troffenen Vorkommnisse erscheinen dagegen räumlich blos an die Flyschbildungen gebunden und brauchen deshalb vorläufig nicht in Betracht gezogen zu werden. 6. Der Kalkstock des Ströngilo und Kutsüthi. Dieser im Vorangehenden bereits wiederholt genannte Kalkstock hat eine unregelmässige Form, welche noch am besten mit einem Trapez zu vergleichen ist. Als Basis des Trapezes wäre die nord- östliche Flanke, der Steilabfall des von Arkhipoli (Archipoli) nach Südost sich ziehenden felsigen Gebirgsrückens aufzufassen. Diese und die beiden seitlichen Begrenzungslinien zeigen auch einen bei- läufig geraden Verlauf; die südwestliche Grenze gegen die über- sreifenden levantinischen Schotter bietet jedoch grosse Unregel- mässigkeiten dar. Unter Anderem sendet hier die Kalkmasse in der südwestlichen Ecke einen sich weit vorschiebenden Sporn aus. der vom Tagläris Pötamos!) durchbrochen wird, und der das Bild der trapezförmigen Gestalt wesentlich beeinträchtigt. Als Hauptgebiet erscheint das unwirthliche, schroff aufsteigende Gebirgsland mit dem central liegenden Gipfel Ströngilo und dem 1863 engl. Fuss hohen Kutsüthi (Kootsoothey). An dasselbe schliesst sich dann im Nordosten jenseits eines langen, tief eingeschnittenen und engen Thales, dessen Sohle eocäne, wahrscheinlich von einer Einfaltung herrührende Flyschsandsteine und Schiefer bilden, der schon erwähnte hohe, nicht minder durch jähe Abstürze sich aus- zeichnende Bergzug an, welcher aus der Gegend von Arkhipoli (Archipoli) südöstlich streicht. Oberflächlieh hängen beide Gebiete mit einander blos durch ein sehr schmales Band im Südosten, dort, wo das tiefe, sie scheidende Thal plötzlich ein Ende findet, zusammen. Vom Spiriötis (Mt. Speriolis) trennt den Ströngilo-Stock ein verhältnissmässig nur eine geringe Breite erreichendes Niederterrain, das von mächtigen Schottermassen der levantinischen Stufe ausgefüllt ist. Ob daselbst eine ähnliche Senkungszone vorliegt, wie zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro) und dem Akramfti (Mt. Akramytis), lässt sich nicht mit Gewissheit feststellen, weil die ziemlich hoch sich aufthürmenden jungtertiären Ablagerungen den Untergrund gänz- lich verhüllen und alle Spuren, die darauf hindeuten könnten, ver- wischen. Dass dies aber keineswegs ausgeschlossen ist, beweisen die an anderen Stellen auf Rhodus beobachteten tektonischen Ver- hältnisse. Das Gleiche gilt dann auch von den übrigen drei Seiten des Stockes, denn überall lagern an die cretacisch-eocänen Kalke unmittelbar pliocäne, zum Theil fluviatile levantinische, zum Theil marine oberpliocäne Absätze an. Die eocänen Sandsteine und Schiefer treten, abgesehen von dem vorhin angeführten schmalen Streifen in ') Als Tagläris Pötamos bezeichnet die Bevölkerung von Rhodus den linken, als Makäris Pötamos den rechten Quellarm des breitbettigen Torrente, der in der Nähe des Castells von Malöna in die Viglika (Veeglikah) -Bay mündet. [29] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 545 dem Thale zwischen dem Ströngilo und der nordöstlichen Region, nur in der Nähe von Arkhipoli (Archipoli) über eine kurze Strecke am Rande der Kalke zu Tage. Eine besonders bemerkenswerthe Erscheinung bildet in diesem Terrain ein kleines Durchbruchsthal. Der während der Regenperiode, im Winter, stark anschwellende Tagläris Pötamos D), welcher bei Platänia entspringt, begegnet in seinem Laufe durch die weichen Schotter- und Sandmassen der levantinischen Stufe auch den festen eretacisch-eocänen Kalken des Ströngilo-Stockes, und zwar gerade an der Stelle, wo die Kalke gegen Südwest spornartig vorspringen. Statt nun den Weg um den Sporn weiter in den Schottern zu nehmen, wozu nur eine geringe Ablenkung nothwendig wäre, durchbricht er die Kalke in einer tiefen, sehr engen, gewundenen Schlucht, um in das jungpliocäne Hügelland hinauszutreten, und strömt auf diese Weise gegen Malöna, unterhalb welchen Ortes er sich mit dem Makäris Pötamos ?) vereinigt. Bei der zweimal vollführten Durchquerung der Masse zwischen Arkhipoli (Archipoli) und dem Plateau von Arkhängelos (Archangelo) und auf einer von Malöna aus in das Centrum zum Ströngilogipfel unternommenen Excursion, bei welcher Gelegenlieit am Rückwege auch der Durchbruch des Tagläris Pötamos genau begangen wurde, konnte constatirt werden, dass es vorzugsweise weisse bis lichtgraue, dichte, sehr feste Kalke sind, welche das Gebirge hier zusammen- setzen. Neben diesen gibt es dann noch Complexe von Kalken, deren Färbung ins Röthliche hinüberspielt, und schliesslich auch Lagen von körnigem bis halbkrystallinischem Gefüge. Ein in dem von Flyschbildungen eingenommenen, das Gebiet aus Südost nach Nordwest durchschneidenden Thale lose liegend aufgefundener Kalk- block mit Nummuliten liefert den Beweis für das Vorhandensein von eocänen Schichten in dieser Gegend, aber es ist mir nicht gelungen, zu ermitteln, ob derselbe aus dem eigentlichen Kalkgebirge stammt, oder jenen kalkigen Bänken angehört, welche als Zwischenlagen !in den eocänen Sandsteinen und Schiefern auftreten. Endlich sei noch erwähnt, dass an gewissen Stellen ziemlich mächtige Ablagerungen der terra rossa angetroffen wurden. Was nun die Tektonik betrifft, so habe ich den schon früher darüber gemachten Angaben nicht viel hinzuzufügen. Das von dem normalen abweichende südöstliche Schichtenstreichen, welches dieses Gebiet von den anderen Kalkstöcken besonders unterscheidet, leitet sich in erster Linie aus den Beobachtungen über die Einfallsrichtungen ab. Wo keine verworrene Faltung herrscht, ist nämlich die Wahr- nehmung gemacht worden, dass die Schichten zumeist gegen Südwest geneigt sind. Nicht minder eindringlich spricht dann hiefür der Ver- lauf des schmalen Streifens von Flyschbildungen, der die Kalke auf eine sehr lange Erstreckung hin aus Südost nach Nordwest durch- zieht und höchstwahrscheinlich auf eine Einklemmung zurückzu- führen ist. 1!) Siehe Fussnote auf Seite 544 [28]. ?) Siehe obeitirte Fussnote auf Seite 544 [28]. 546 Gejza von Bukowski. [30] Wie anderwärts, kommen aber auch da vielfach weite Strecken vor, auf denen die Störungen ein ausserordentlich grosses Ausmass erreichen und die Faltung sich als überaus complieirt und verworren darstellt. Hieher gehört unter Anderem der im Südwesten vor- springende Sporn, in dem sich das Hauptgebiet bis über den Tagläris Pötamos fortsetzt. Deutlicher ausgeprägt dürfte die völlige Zerknitterung der plattig abgesonderten Kalke wohl nirgends zu finden sein als in dem engen Durchbruchsthale des Tagläris P6tamos. 7. Der Kumuli-Rücken. In dem nördlichen Theile von Rhodus bildet die bedeutendste Aufragung der eretacisch-eocänen Kalke der lange, dabei aber sehr schmale Bergzug, welcher von Westsüdwest nach Ostnordost streichend, der Reihe nach aus folgenden Erhebungen, dem Levtopödi (Mt. Lef- topoda), Kümuli (Mt. Koomooley) und dem Gällata Vun6 (Mt. Gallatah) besteht. Der Kürze halber möge derselbe blos nach dem mittleren Gipfel, dem bis 1366 engl. Fuss über das Meeresniveau ansteigen- den Kümuli (Koomooley) !), den Namen führen. An die lichtgrauen cretaeisch-eocänen Kalke, an welchen weder aus der Ferne, noch auch bei naher Betrachtung während ihrer mehrmaligen Berührung auf meinen Routen eine deutlicher ausge- sprochene Schichtung zu bemerken war, lehnen sich discordant und transgredirend grösstentheils fluviatile Schotter und Sande der levan- tinischen Periode, im Nordosten aber auch marine jungpliocäne Bil- dungen an. In dem westlichen Theile, wo die ringsum sich ausdeh- nenden levantinischen Schotter eine sehr grosse Mächtigkeit besitzen, heben sich die Kalke orographisch weniger scharf als sonst ab. Im Osten dagegen, zumal dort, wo das niedrigere jungpliocäne Hügelland an sie anstosst, tritt der felsige Bergcharakter des Rückens sehr deut- lich hervor. Die Schotter greifen über die Kalkmasse, namentlich an deren Rändern, in so complicirter Weise über und reichen als Decken, die Continuität vielfach unterbrechend, so hoch hinauf, dass es da- selbst nicht möglich war, die Verbreitung dieser beiden Schichten- systeme anders als ganz schematisch darzustellen. Die Frage, ob der Kümuli (Koomooley) -Rücken ein in Folge von Brüchen und Absenkungen stehengebliebener Pfeiler ist, muss, da zu deren Entscheidung alle Anhaltspunkte fehlen, als eine offene behandelt werden. Dem jähen Absturze des Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda) gegen Westen und dem steilen Abfalle der Nordseite, auf der, nebenbei gesagt. sich auch Serpentin und Diabas im Con- tacte mit den Kalken finden, kann für sich allein in dieser Beziehung keinesfalls irgend ein Werth beigemessen werden. !) Diesen Gipfel hörte ich in der Umgebung stets Kümuli Vunö nennen, während ich den auf der von H. Kiepert herausgegebenen Specialkarte vom westlichen Kleinasien stehenden Namen Kolupi niemals vernommen habe. Erstere Bezeichnung, welche ich hier zu verwenden vorziehe, weil sie sich auch auf der englischen Admiralitätskarte findet, mag vielleicht blos ein bei den Umwohnern gebräuchlicher Vulgärname sein. [31] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 547 8. Das Gebiet am Cap Voöidi. Nach einer Unterbrechung von ungefähr 3 Kilometern tauchen die eretacisch-eocänen Kalke bei dem Dorfe Koskinu (Koskino) aus den oberpliocänen Ablagerungen wieder empor und dehnen sich von hier bis an die See aus, wo sie die Küstenstrecke vom Cap Vöidi (Voudhi) angefangen bis zur Kalithies (Kalitheas) -Bay einnehmen. Dieses nördlichste Vorkommniss liegt genau im Streichen des Kuümuli (Koomooley) -Rückens und kann deshalb auch ohneweiters als die ostnordöstliche Fortsetzung dieses Zuges angesehen werden. Der nicht weit von Koskinü (Koskino) entfernte Culminationspunkt hat eine Höhe von nur 612 engl. Fuss. Auf den alten Kalken breiten sich, bis zu den höchsten Stellen hinaufreichend, zahlreiche jung- pliocäne Deckenreste aus, vorwiegend Strandbildungen, theils con- slomeratische Sedimente, theils fossilführende Breccienkalke. Wir - haben also den Beweis dafür, dass zur jüngsten Pliocänzeit das sanze Gebiet vom Meere vollständig überfluthet war. Bei der relativ geringen Höhe des 'Stockes müsste dies übrigens schon von vorn- herein einleuchten, da man weiss, dass die entweder gar nicht oder nur äusserst wenig gestörten oberpliocänen Absätze weit über 900 engl. Fuss über den heutigen Meeresspiegel ansteigen. Der beste Einblick in den Bau wird von der Seeseite gewonnen. In den steilen Küstenwänden, welche einen ausgezeichneten Durch- schnitt darbieten, sieht man bei einer Bootfahrt längs der Küste sehr klar die starke Durcheinanderfaltung der zumeist plattig abge- sonderten Kalke. 9. Das Gebiet am Cap Ladiko. Jenseits der breiten, flachen Kalithies (Kalitheas) -Bucht liegt dann weiter südlich die kleine, längliche Kalkmasse, welche aus den zwei niedrigen Erhebungen, dem Ladik6-Gipfel (540 engl. Fuss) im Norden und dem Erimökastron (Errimo Kastri) im Süden nebst der dazugehörigen Küstenstrecke mit dem Vorgebirge Ladikö (Ladhiko) besteht. Zufolge des Umstandes, dass die im Westen an dieselbe herantretenden jungpliocänen Ablagerungen ebenes Terrain oder nur niedrige Hügel bilden, hebt sie sich landschaftlich als ein felsiger Rücken sehr scharf von der Umgebung ab. Genau so, wie in dem unmittelbar vorher besprochenen Gebiete, finden sich auch da auf den grauen, dichten, muschlig brechenden und an der Oberfläche rissig verwitternden Kalken, welche möglicherweise ganz (dem unteren, eretacischen Complexe zufallen, zahlreiche oberpliocäne Denudations- reste, und auch hier kann kein Zweifel darüber obwalten, dass das jungpliocäne Meer diesen Rücken einst vollständig bedeckt hat. 10. Piriöonia Vunö oder der Aphändos-Berg. Allseits von marinen Bildungen der Jungpliocänzeit umgeben, erhebt sich nördlich von Aphändos zwischen dem Ladikö-Gebiete und dem Kalkzuge des Levtopödi (Mt. Leftopoda), Kümuli (Koomooley) 548 _ Gejza von Bukowski. [32] und Gällata (Gallatah) der Piriönia (Mt. Aphandos), ein durch sehr schroffe Abstürze sich auszeichnender Kalkstock, dessen absolute Höhe 1130 engl. Fuss beträgt. Der Name Aphändos Vunö, welcher sich auf der englischen Admiralitätskarte angegeben findet, ist, neben- bei bemerkt, bei der umwohnenden Bevölkerung gar nicht gebräuch- lich. Man nennt diesen Berg im Allgemeinen am häufigsten Piriönia Vun‘d. Manchmal wird aber die Bezeichnung Piriönia blos für dessen nördlichen Theil angewendet, und im Gegensatz dazu heisst dann wieder der steile südliche Abfall bei den Bewohnern von Aphändos Kokinängremo. Die grösste Längenerstreckung dieses Kalkgebietes, welche die Breite nur um ein Geringes übertrifft, erscheint durch die Lage der zwei Orte, Aphändos im Süden und Kalithies (Kalitheas) im Norden, die sich ganz in der Nähe der Ränder desselben befin- den, fixirt. Wiewohl ein Versuch, die schroffen Wände zu ersteigen, um die ziemlich ausgedehnte Gipfelregion zu begehen, von mir nicht. gemacht wurde, konnte doch gelegentlich der Berührung des Terrains an der Nordseite bei Kalithies (Kalitheas) und auf den Routen, die nahe an ihm vorbeiführten, mit Sicherheit constatirt werden, dass sich hier die gleichen Kalke der theils eretacischen, theils eocänen Kalkserie aufbauen, wie am Cap Ladikö (Ladhiko) und im Kümuli (Koomooley) -Rücken. An der Hauptmasse war aus der Ferne weder von einer Faltung, noch auch von einer Bankung überhaupt etwas wahrnehmbar, was nach Analogien mit gewissen anderen Gebieten auf starke Schichtenzerknitterung schliessen lässt. 11. Der Kalkstock des Zambika und Yamakhı. Graue, dichte Kalke ohne deutlich ausgeprägte Bankung, welche grösstentheils der unteren Abtheilung des uns eben beschäftigenden Schiehtensystems angehören dürften, setzen ferner den 982 engl. Fuss hohen Zämbika und den nordwestlich davon liegenden Yamakhi (Yamashi) zusammen. Der höhere, mit einem felsig zerklüfteten, zackigen Grate versehene Zämbika ragt an der Küste empor und tritt in die See hinaus; der Yamakhi (Yamashi) hingegen taucht ab- seits vom Meere aus dem Jungpliocän auf und reicht in seinen, niedrige Kuppen bildenden Ausläufern bis nahe an den Lutäni Pötamos!). Beide Kalkmassen haben eine annähernd gleiche areale Ausdehnung und stimmen auch in ihren Umrissen, die im Grossen und Ganzen oval zu nennen sind, ziemlich gut mit einander überein. Sie verschmelzen zu einem Gebiete mittels einer schmalen, als eine tiefe Einsattlung erscheinenden Verbindungszone. Das vorwiegend einen trostlosen Anblick gewährende, öde, im Sommer fast jeglicher Vegetation entbehrende Felsenterrain, das uns hier entgegentritt, steht im Einklang mit dem wüstenartigen Charakter der umgebenden jJungpliocänen Plateaulandschaft. ’) Den Namen Lutäni Pötamos führt der entlang dem Gebirgsrücken von Arkhipoli (Archipoli) fliessende und nördlich vom Cap Vaja (Vahyah) in die Aphändos-Bay mündende Torrente. [33] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 549 12. Der Kalkstock .des Arkhängelos Vuno. - Der mächtige ,Kalkstock des Arkhängelos (Archangelo) Vun, der sich, was den Umfang betrifft, unmittelbar an den Ströngilo-Stock anreiht, stellt ein unregelmässig begrenztes Gebiet dar, in dem der in der Mitte bis zu 1726 engl. Fuss sich erhebende Arkhängelos (Archangelo) -Berg dominirt. Ausser dem eigentlichen Arkhängelos- Berge sammt seinen Ausläufern fallen demselben auch mehrere andere, durch kleine Thalrinnen von der Centralregion mehr oder weniger geschiedene Gebirgstheile zu, so vor Allem das gegen Malöna ab- dachende Bersterrain, der in das Cap Arkhängelos (Archangelo) aus- gehende Rücken und die im Norden jenseits des Petroöna- Thälchens liegenden Höhen. Eine verhältnissmässig lange Küstenstrecke, welche in der Mitte halbinselartig vorspringt, wird von den Kalken dieses Stockes gebildet. Letztere ziehen sich vom Zämbika bis an die Ebene des Makäris Pötamos!) hin und dehnen sich auch landeinwärts weit aus. Der grosse Ort Arkhängelos (Archangelo) liegt genau an der. Grenze gegen die den Stock von der Landseite überall umsäumenden oberpliocänen Ablagerungen, indem dessen unterer Theil noch auf jungtertiärem Boden steht, der obere hingegen terrassenförmig an der steilen Lehne des aus einem dunkelgrauen, wahrscheinlich cre- tacischen Kalke sich zusammensetzenden Kastellberges aufgebaut ist. Knapp am Westrande, unterhalb des nicht weit davon entfernten Dorfes Malöna findet die Vereinigung des Makäris und des Tagläris Pötamos 2) statt. Zwischen der Masse des Arkhängelos (Archangelo) Vunö und dem Zämbika verläuft als oberflächlich dieselben trennen- des Terrain ein kurzes, von jungpliocänen Sanden und Thonmergeln ausgefülltes Thälchen, das’ so schmal ist, und in dem das Jungpliocän eine so geringe Mächtigkeit zeigt, dass man beide Kalkstöcke ganz gut auch mit einander verbinden und als ein Gebiet auffassen könnte. Soweit meine Untersuchungen reichen, lässt sich angeben, dass hier fast durchwegs eine ausserordentlich starke Schichtenzerknitterung herrscht. Am schönsten tritt sie hervor in dem besonders günstige Aufschlüsse bietenden Schluchtenthale von Petröna, in dem man überdies die. Kalke von Serpentin durchbrochen sieht, und dann in den streckenweise sehr hohen und ungemein steilen Wänden, die segen das Meer abstürzen, namentlich um das Cap Arkhängelos (Archangelo). Sie kann aber auch sonst überall ganz gut beobachtet werden, wo sich überhaupt eine Schichtung bemerkbar macht. Die Kalke erscheinen zumeist plattig abgesondert. Hauptsächlich sind es graue, dichte Kalke, jenen vollkommen gleich, aus welchen der Zämbika, Yamakhi (Yamashi), Piriönia (Mt. Aphandos), die Ge- biete am Cap Ladikö (Ladhiko) und am Cap V6idi (Voudhi), sowie der Kumuli (Koomooley) -Rücken bestehen. Selbst der Hauptmasse 1) Siehe Fussnote auf Seite 544 |28]. 2) Siehe Fussnote auf Seite 544 [28]. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 3. Heft. (G. v. Bukowski.) 71 550 Gejza von Bukowski. [34] der Kalke des Ströngilo-Stockes, des Spiriötis (Mt. Speriolis), des Eliasberges u. s. w. gegenüber wüsste ich keinen durchgreifenden Unterschied anzuführen. Neben den mehr lichtgrauen Sorten kommen daselbst aber auch dunkelgraue, bläuliche, vornehmlich körnige Kalke, die keinen muschligen Bruch haben, vor. Diese bilden beispiels- weise, wie schon erwähnt wurde, den Kastellberg von Arkhängelos (Archangelo). Ob ihnen eine besondere stratigraphische Bedeutung zukommt, bin ich nicht in der Lage, zu entscheiden. Am wahrschein- lichsten dünkt es mir, dass sie, wie die anderen, dem Verbande der eretacischen und eocänen Kalkserie angehören und blos etwa die tieferen Partien repräsentiren. Im Ganzen darf man wohl hier zunächst an die Vertretung der Kreideformation denken; ich will jedoch die Möglichkeit durchaus nicht bestreiten, dass ausser den cretacischen in gewissen Theilen vielleicht auch noch ältere Bildungen inbegriffen seien. Hiefür könnten aber in Anbetracht der abnorm grossen, die stratigraphischen Verhältnisse völlig verwischenden Störungen jedenfalls nur Fossilien- funde Anhaltspunkte liefern. Wie alle übrigen, längs der Ostküste vertheilten Aufragungen der in Rede stehenden Schichtgruppe, tragen auch die Kalke des Arkhängelos (Archangelo) Vunö-Stockes bis zu einer gewissen Höhe bald grössere, bald weniger ausgedehnte Lappen von jungpliocänen marinen Ablagerungen, welche, dem erodirten Terrain sich an- schmiegend, den Untergrund mitunter auf bedeutende Strecken hin verhüllen. Diese Reste einer mantelförmigen jungpliocänen Bedeckung, die in jeder Hinsicht, namentlich in ihrer petrographischen Ent- wicklung als zu festem Gestein erhärteter Strandgrus, als tuffig aus- sehende, poröse Kalke und als fossilreiche Breccienkalke typische Strandbildungen sind, haben jedoch heute in der Regel nur noch eine geringe Mächtigkeit. 13. Der Kalkstock des Lindos Vuno. Nun betreten wir ein Gebiet der cretacisch-eocänen Kalke, das sich allen anderen gegenüber durch einen viel einfacheren Bau aus- zeichnet oder wenigstens insofern weniger gestört erscheint, als hier die gebirgsbildenden Kräfte nicht in so hohem Masse gewirkt haben, dass es zu einer verworrenen Faltung oder Schichtenzerknit- terung gekommen wäre. Weit in die See hinausragend, stellt sich der grösste Theil desselben als eine an Vorgebirgen und Buchten reiche Halbinsel dar, deren felsige Küste mit der uralten, durch alt- hellenische Denkmäler, sowie zahlreiche, aus dem Mittelalter stammende Kunstschätze und Bauten bekannten Stadt Lindos und mit dem auch heute als Ruine nicht sehr stark verfallenen Castell der Johanniter - Ritter wegen ihrer landschaftlichen Schönheit seit jeher gern aufgesucht und oft beschrieben wurde. Das Meer greift sowohl auf der Nordseite, in der Viglika (Veeglikah) -Bay als auch im Süden, in der Lärtos (Lardos) -Bay tief ins Land ein, so dass eigentlich nur an der Westseite der Zusammenhang mit dem übrigen Terrain, und zwar zunächst mit den daselbst die Umrahmung [35] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 551 bildenden jungpliocänen Ablagerungen erhalten bleibt. Der Umriss ist äusserst unregelmässig, was einerseits in dem ungleichmässigen Vorschreiten der Abrasion, andererseits in dem Uebergreifen des Oberpliocän begründet liegt. Im Wesentlichen besteht diese Kalkmasse aus dem Lindos- ‚Berge '), der sich in dem westlichen Theile erhebt, und dessen Kamm die anderen Höhen nicht wenig überragt. Gegen Südost geht vom Lindosberge ein langer Ausläufer, der nach und nach schmäler werdende Rücken ab, welcher, am weitesten vorspringend, mit dem Cap Lärtos oder Lindos endet, und daran schliesst sich endlich im Nordosten das stark gegliederte, niedrigere, felsige Berg- und Hügel- land an, welchem die malerischeste Strecke der Küste mit dem Cap Ayos Miliänos, Cap Sumäni, mit dem Hafen von Lindos, dem kleinen Apostel-Hafen und der breiten Bucht von Ayos Nikölaos zufällt. Das Küstenrelief bietet auch darin einen Wechsel dar, dass die Kalke bald in hohen, sehr steilen, zuweilen senkrechten Wänden gegen die See abstürzen, bald wieder vom Meere aus ein langsameres, all- mäliges Ansteigen des Terrains stattfindet. Der geologische Bau weist, wie schon gesagt wurde, keine grossen Complicationen auf. Die grauen, zum Theil ziemlich dunklen, zum Theil lichteren Kalke, aus welchen der ganze Stock gleich- mässig zusammengesetzt erscheint, sind durchwegs sehr deutlich ge- schichtet, in dicken Bänken abgesetzt und im Ganzen regelmässig gefaltet. Neben steilen kommen vielfach auch breite, flache Falten vor. Eine blos schwache Undulation der Kalke sieht man beispiels- weise sehr klar in der langen und hohen Wand, mit welcher der Rücken des Cap Lärtos (Lardos) gegen die Bucht von Ayos Nikölaos abschneidet, und in der die Schichten von unten bis oben hinauf vollständig aufgedeckt sind. Nicht nur aus den Beobachtungen des Verflächens im Einzelnen, das sich, von einigen wenigen etwas ab- weichend oder vielmehr complieirter gebauten Stellen abgesehen, entweder nach Nordwest oder nach Südost richtet, sondern auch aus dem Verlaufe der Falten im Grossen, der in der Regel leicht zu verfolgen ist, ergibt sich nahezu zweifellos, dass die Schichten gegen Nordost bis Ostnordost streichen. Am Kastellberge von Lindos fallen die Kalke nach Nordwest ein. Die Haupterhebung, den Lindosberg, habe ich allerdings nicht erstiegen, doch konnte an demselben auch von Weitem, von Pilöna aus, in deutlichster Weise die Faltung beob- achtet und zugleich constatirt werden, dass dessen Bau mit dem der übrigen Theile des Stockes übereinstimmt. Von der jungpliocänen Decke haben sich auch hier noch viel- fach Reste erhalten. Als isolirte, verschieden grosse Lappen haften dieselben an vielen Stellen dem Lindoskalke an. Eine etwas grössere Mächtigkeit und eine bedeutendere, mehr zusammenhängende Aus- breitung erlangen sie in dem hügeligen Terrain von Ayos Nikölaos und längs der Küste auf der Südseite des Lindosberges. ) Auf H. Kiepert’s Specialkarte vom westlichen Kleinasien findet sich für den Lindosberg der Name Krana angegeben. 21° 552 "© 00= Gejza von: Bukowski. [36] 14. Khörti Vund. In geringer Entfernung westlich von dem letztgenannten Ge- birgsstocke befindet sich an der Lärtos (Lardos) -Bay die kuppen- förmige, abgerundete Kalkmasse des Khörti (Horti) Vun‘. Es ist dies die südlichste Aufragung der ceretacisch-eocänen Kalke nicht nur an der Ostküste, sondern auf Rhodus überhaupt. Während ihre Südseite vom Meere bespült wird, stossen im Westen an dieselbe in dis- cordanter Lagerung die offenbar abgesunkenen, daselbst sehr mannig- faltig entwickelten Sedimente des grossen, östlichen, eocänen Flysch- gebietes an. Im Norden und Osten umgeben sie dagegen die mächtigen jungpliocänen Ablagerungen, welche sich von der Nord- spitze der Insel continuirlich bis hieher ziehen, am Khörti (Horti) Vunö aber plötzlich eine Unterbrechung erleiden. Der schmale, diese Kalkmasse vom Lindosberge trennende Terrainstreifen wird somit von dem Jungpliocän gebildet. In Bezug auf den geologischen Bau scheint grosse Ueberein- stimmung mit dem benachbarten Kalkstocke des Lindos Vuno zu herrschen. Wir haben hier zweifelsohne die gleichen Kalke vor uns, nur tritt bei ihnen die Schichtung weniger deutlich hervor, als dort. Man kann aber immer noch ganz gut erkennen, dass die Schichten beiläufig von Südwest nach Nordost streichen. Dicke Bankung darf als Regel gelten; neben ihr kommt jedoch auch dünnplattige Ab- sonderung vor; wenigstens wurde eine solche im Süden an der Küste, dort, wo der Flysch angrenzt, beobachtet. 15. Rhoino Vunö. Fast genau im Mittelpunkte der Insel liegt ein kleiner, niedriger Kalkrücken, welcher den Namen Rhöino Vunö (Mt. Rhoeyno) führt. An seiner Zusammensetzung nehmen ausser weissen oder lichtgrauen, dichten Kalken auch rothe, mergelige Kalkschiefer wesentlichen Antheil. Es zeigt sich also, dass er in vollem Einklange mit dem nicht weit von ihm entfernten Atäviros (Mt. Attayaro) aus dem oberen Complexe der cretacisch-eocänen Kalkgruppe besteht. Dafür spricht übrigens auch schon die innige Verquickung mit den eocänen Flyschablagerungen, welche die Kalke nahezu von allen Seiten umgeben und ebenso stark, wie jene, zerknittert sind. Blos am äussersten Ostende kommen an die Kalke des Rhöino Vunö (Mt. Rhoeyno) die transgredirend auftretenden Thari-Schichten heran. Allen Anzeichen nach scheint hier der einfache Fall vorzuliegen, dass mitten in den eocänen Flyschablagerungen die denselben unmittelbar vorangehenden eocänen Kalke normal zu Tage treten, ohne dass ein Absitzen der Flyschsedimente stattgefunden hätte. | 16. Kleinere zerstreute Aufbrüche. Nachdem wir die wichtigsten, durch ihre mitunter sehr be- deutenden Dimensionen gleich auf den ersten Blick auffallenden Kalkstöcke einzeln in Betracht gezogen hatten, erübrigt uns jetzt’noch, 137] Geologische Uebersichtskarte.der Insel Rhodus. 553 den kleineren, bisher ganz ausser Acht gelassenen Vorkomnmissen, welche in dem Relief der Insel ‘eine viel geringere Rolle: spielen, einige Bemerkungen zu widmen. Die Mehrzahl dieser Aufbrüche taucht: im Bereiche der jungtertiären Ablagerungen, 'theils aus den oberpliocänen, theils aus den Thari-Schichten auf und. liegt zerstreut zumeist. in der Nähe der grösseren Kalkstöcke. ‘Andere finden sieh wieder in den Gebieten der eocänen Flyschbildungen, wo sie unter ähnlichen: Verhältnissen zum’ Vorschein kommen, ' wie. der. vorhin -be- sprochene Kalkrücken: des Rhöino .Vunö (Mt. Rhoeyno). Wegen der ‚ausserordentlich starken Schichtenzerknitterung, ‘welche in.den eocänen Fiyschabsätzen überall herrscht, ist es oftmals sehr schwer, manchmal sogar ganz unmöglich, zu constatiren, ob gewisse, mitten im Flysch- terrain auftretende Kalkpartien Aufbrüche der obersten Glieder der eretacisch-eocänen Kalkgruppe sind oder jene Bänke vorstellen, welche in den eocänen Sandsteinen und Schiefern linsenförmige Einlagerungen bilden, und mit denen wir uns später noch eingehender beschäftigen werden. Hier erscheinen selbstverständlich nur solche Vorkommnisse verzeichnet und auf der Karte ausgeschieden, von denen sicher be- ‘haüptet werden oder wenigstens als höchst wahrscheinlich gelten kann, dass sie zu der cretacisch-eocänen Kalkserie gehören. Anhaltspunkte für die Beurtheilung der betreffenden Altersverhältnisse 'bietet, wie hinzugefügt werden muss, in einzelnen Fällen blos die Mächtigkeit der Kalklagen. ‘Von Norden ausgehend, stossen wir zunächst bei dem Kalkstocke des Piriönia Vunö (Mt. Aphandos) in den nordöstlich, jenseits eines ziem- lich tief eingeschnittenen Bachrisses sich erhebenden jungpliocänen Hügeln auf kleine Kalkaufschlüsse, welche auf der Karte zu einem Auf- bruche vereinigt eingetragen wurden. Ein ähnliches, nur etwas grösseres Vorkommniss findet sich auch südwestlich vom Ladikö-Gebiete, nahe der Küste. Aus eretacisch-eocänen Kalken bestehen ferner die felsigen ‘Vorsprünge des Cap Vajä (Vahyah), über die das Jungpliocän so stark übergreift, dass die älteren Sedimente blos in einem: sehr schmalen Küstensaume, an dem Abfalle gegen die See, zu Tage treten. Zwischen dem Cap Vajä (Vahyah) und dem Zämbika, in der nächsten Nähe des letztgenannten Gebirgsstockes, unweit der Küste, begegnet man gleich- ‚falls einer kleinen, niedrigen, isolirten Kalkpartie. Viel wichtiger, weil bedeutend grösser, nämlich sowohl areäl ausgedehnter, als auch höher, sind jene Aufbrüche in dem oberplio- cänen Terrain, welche, mehr landeinwärts liegend, gewissermassen eine Verbindung des Yamakhi (Yamashi) einerseits mit dem Piri6nia Vunö (Mt. Aphandos), andererseits mit der Kalkmasse des Arkhängelos- Berges andeuten. So ragt eine ziemlich ansehnliche Kalkkuppe aus der jungpliocänen Hügel- und Plateaulandschaft nördlich vom Yamakhıi (Yamashi), unmittelbar hinter dem Lutäni Pötamos!) empor; und dieser folgt ‚dann in gleicher Distanz weiter gegen Norden eine zweite, nicht minder auffallende Kuppe. Es sind dies die zwei -be- ‘deutendsten Aufragungen, welche hier aus gewisser Entfernung, von ‚dem näher der Küste führenden Wege aus, bemerkt werden konnten. !) Siehe Fussnote auf 9. 548 [32]- 954 © Gejza von Bukowski. 3 [38] Ausser denselben dürfte es daselbst, wie man wohl annehmen kann, auch noch andere geben, doch müsste behufs deren Ermittlung jeden- falls eine genaue Begehung des betreffenden Terrains vorgenommen werden. In dem Gebiete zwischen dem Yamakhi (Yamashi) und Ar- khängelos (Archangelo) Vunö, das insofern sehr complicirt gebaut er- scheint, als in ihm Aufbrüche der eretacisch-eocänen Kalke, solche der Flyschablagerungen und die darüber sich ausbreitenden mächtigen jungpliocänen Absätze mehrfach und wirr mit einander abwechseln, fiel die kartographische Darstellung der topogeologischen Verhältnisse bei der Ungenauigkeit der topographischen Grundlage und in Anbe- tracht der für diese Untersuchungen zu kurz bemessenen Zeit natur- gemäss blos ganz schematisch aus. Die meiste Beachtung verdient hier ein kahler, felsiger Kalkrücken, der sich nördlich von dem Orte Arkhängelos (Archangelo) parallel mit dem nordwestlichen Rande der Kalkmasse des Arkhängelos (Archangelo) Vuno in der Richtung gegen das Monastir Zämbika zieht und den Erhebungen von Petröna so nahe kommt, dass ihn von denselben oberflächlich nur ein äusserst schmales Band von Jungpliocän trennt. Ausser diesem Rücken ge- langte dann noch zur Ausscheidung ein kleineres Kalkgebiet südlich vom Yamakhi (Yamashi), das im Hinblicke auf die sehr geringe Ent- fernung mit dem Yamakhi (Yamashi) auch ohneweiters verbunden werden könnte. Die Fortsetzung der Kalke des Arkhängelos (Archangelo) Vunö segen Süden bildet der schroffe, unvermittelt aus einer flachen Küstenlandschaft aufsteigende und in die See hinausragende Felsen, auf dem die Ruinen des Kastells von Malöna aus der Zeit der Herrschaft der Johanniter-Ritter stehen. Vom Arkhängelos (Archan- gelo) Vunö scheidet ihn nur eine sehr kurze ebene Strecke, die theils von recenten Flussanschwemmungen eingenommen wird,: theils dem oberpliocänen Terrain angehört. Als letzte Aufragung der ceretacisch- eocänen Kalke an der Ostküste von Rhodus ist zu nennen ein niedriger und an Umfang kleiner Kalkzug, der dem Lindosberge im Norden vorgelagert ist. Derselbe tritt mit der Ostseite an das Meer heran, im Uebrigen umgeben ihn aber jungpliocäne Sande. Wir wenden uns nun den im Bereiche der eocänen Flyschab- lagerungen und der Thari-Schichten zerstreuten Vorkommnissen zu. In dem grossen östlichen Flyschgebiete begegnen wir einem solchen zunächst bei dem Monastir Ingos (Ingose). Es ist dies ein ziemlich hoher, kegelförmiger Berg, der allseits von eocänen Sandsteinen und Schiefern umschlossen wird, und den ich wegen der verhältnissmässig bedeutenden Mächtigkeit der ihn zusammensetzenden weissen, dichten Kalke für einen Aufbruch des in Rede stehenden Schichtensystems halte. Aus dem gleichen Grunde rechne ich dazu auch die vom Flysch theilweise stark überdeckte Kalkpartie, welche der Gaydurä Pötamos !) vor seinem Austritte in das jungpliocäne Flachland durch- !) Gaydura Pötamos heisst der nahe östlich am Rh6ino Vunö (Mt. Rhoeyno) vorbeifliessende und ungefähr in der Mitte zwischen der Kalkmasse des Arkhän- gelos (Archangelo) und jener des Lindosberges in die Viglika (Veeglikah)-Bucht mündende Torrente. Er verdankt seine Entstehung zahlreichen Bächen und ist der bedeutendste von allen Wasserläufen;, der Insel. any < [39] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodaus. 555: bricht. Weitere Vorkommnisse weist der Kharädja Vun6 (Mt. Haratchey) genannte Rücken auf. Der Kharädja (Haratchey) -Berg, der sich nördlich vom Rhoöino Vunö (Mt. Rhoeyno) erhebt und von demselben durch einen niedrigen, schmalen Flyschstreifen, in dem sich ein Quellarm des Gaydurä Pötamos schlängelt, getrennt wird, erscheint ‚allerdings zum grössten Theile aus den Thari-Schichten aufgebaut, doch kommen auf seiner Südseite, an der Grenze gegen den Flysch, an zwei Stellen auch die cretaeisch-eocänen Kalke unter der wahr- scheinlich jungtertiären Decke hervor. Beide Kalkinseln fallen, wie der Kalkzug des Rhöino (Rhoeyno), dem oberen Gomplexe dieser Schicht- gruppe zu. Die grössere befindet sich am westlichen Ende des Kharädja Vunö (Mt. Haratchey), die kleinere liegt dann weiter östlich davon, tief unten am Fusse des südlichen Abhanges. Hier sei nochmals daran erinnert, dass speciell in dem zuvor erwähnten, am meisten ausgedehnten östlichen Flyschterrain auch sonst noch auf weiten Strecken in wirrem Durcheinander mit den eocänen Sandsteinen und Schiefern Kalke erscheinen, welche petrographisch von solchen der cretacisch-eocänen Kalkgruppe nicht zu unterscheiden sind und vielfach auch Nummuliten führen. Vor Allem zeichnen sich die Gegend von Aläerma und der Landstrich nordwestlich von den Kälathos-Bergen durch einen sehr häufigen und ganz regellosen Wechsel von Flysch- und Kalkhügeln aus. Aehnliche Verhältnisse bieten sich übrigens auch in fast allen anderen Gebietstheilen der Beobachtung dar, obwohl nicht in so auffallender Weise. Wie schon früher einmal gesagt wurde, konnte nun in vielen Fällen mit voller Sicherheit constatirt werden, dass es sich dabei um kalkige, meistens reichlich Nummuliten enthaltende Einlagerungen in den Sandsteinen und Schiefern, also um Glieder der nächstjüngeren Schichtgruppe handelt. Bei der ungeheueren Zerknitterung der Sedimente gelang es mir Jedoch nicht immer, über die stratigraphische Position der hier zerstreuten Kalkvorkommnisse ins Klare zu kommen. Meiner Ansicht nach ist es durchaus nicht ausgeschlossen, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass es darunter, namentlich dort, wo neben den weissen dichten Kalken, wie in der Gegend von Aläerma, stellen- weise rothe mergelige Kalkschiefer auftreten, auch Aufbrüche der obersten Lagen der älteren Schichtenserie gibt. An eine selbst schematische Ausscheidung der gewissen fraglichen Partien konnte aber unter den obwaltenden Umständen während einer übersichtlichen Aufnahme nicht gedacht werden, und so wurde mit Ausnahme der vorhin angeführten Aufbrüche das ganze übrige Terrain kurzweg dem Flysch zugewiesen. Nicht weit von dem grossen zusammenhängenden Flyschgebiete tauchen sodann nordwestlich von Mässari, in der Umgebung des Monastirs Kamiri (Kameri) aus den mächtigen levantinischen Schottern ältere Bildungen, Thari-Schichten, Serpentin, eocäne Sandsteine und Schiefer und endlich auch cretacisch-eocäne Kalke auf. Letztere bilden den Gipfel Khokhlaköna!), an dessen Fusse das Monastir ') Auf der englischen Admiralitätskarte steht der Name dieses Berges nicht angegeben. 556 Gejza von ' Bukowski. YonM [40] Kamiri: (Kameri) lieet.. In enger Verknüpfung mit dem lichtgrauen Kalken, welche sehr stark durcheinandergefaltet sind, und an die sich im ‘Westen unmittelbar ‚der Flysch anschliesst, finden sich auch zahl- reiche Spuren der rothen mergeligen Kalkschiefer. Es kann in Folge dessen kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass hier vor Allem der obere, eocäne Theil der Schichtgruppe zum Vorschein kommt. Endlich treten’ cretäcisch-eocäne Kalke auch in der westlichen Fiyschregion, die sich ' zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro), ‘dem Akramitti (Mt. -Akramytis), dem. Gebiete vom Cap Kopriä und den Kitala (Ketallah) -Bergen bis an die Küste ausbreitet,: an mehreren Stellen mitten unter Sandsteinen und Schiefern zu Tage. Als .die wichtigsten Aufbrüche sind jene von Embona zu bezeichnen, Lichtgraue, muschlig brechende, dichte ‘und dunkelgraue, harte, fast körnige Kalke, dunkle, zahllose Nummuliten einschliessende Breccienkalke, sowie plattige Mergelkalke bilden, indem sie‘ mit einander wechsel- lagern, auf der"linken Seite des Embonathales- schroffe, durch ihren felsigen Charakter von den umgebenden Sandsteinen und Schiefern sich scharf abhebende Hügel, die von Embona parallel mit der’ Atäviros- Masse gegen die Kitala (Ketallah) -Berge ziehen. Auf’ dem west- lichsten, umfangreichsten ‘Felsen steht unmittelbar bei Embona ‘die Kapelle des Ayos Geörgios. Vom Atäviros (Mt. Attayaro) trennen 'sie die nordwestlich, mithin quer auf’ die Kalke dieses Stockes und auch der in Rede stehenden kleineren Aufbrüche streichenden Flyschab- lagerungen des Embona-Thales.: Den Lagerungsverhältnissen nach und ihrer. relativ bedeutenden Mächtigkeit wegen können diese Vorkomm- nisse.nur als Emporragungen der theils cretacischen, theils eocänen Kalkgruppe gedeutet werden, und dass man es .dabei, wie übrigens vorauszusehen wäre; mit dem'oberen, eocänen Complexe zu thun hat, beweisen die Einschaltungen' von plattigen Mergelkalken und von breccienartigem Nummulitenkalk. In der Umgebung der Kapelle Ayos Geörgios, auf der Strecke, welche von mir genauer begangen wurde, fallen die. Kalke theils nach: Nordwest, theils nach Südost ein; sie streichen demnach genau so, wie in dem nächstliegenden Theile des Atäviros .(Attayaro) -Stockes gegen Nordost. Zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro) ‘und den’ Kitala (Ketallah)- Bergen, ‚den Zusammenhang “dieser ‘beiden Kalkmassen unter . den Flysehbildungen andeutend, "machen sich ferner gleichfalls: einzelne Kalkaufbrüche bemerkbar..: Ohne dass das betreffende Terrain direct berührt und unmittelbar untersucht wurde, habe ich, ‚um überhaupt diese Vorkommen zu veranschaulichen, ‘zwei besonders auffallende; ziemlich hohe Kalkspitzen auf der Karte schematisch eingetragen. Hieher (dürfte überdies eine nicht sehr ausgedehnte Kalkpartie nörd- lich von den Kitala (Ketallah) -Bergen zu zählen sein, welche ich von Nänos aus in einiger Entfernung gesehen, ‚aber nicht aufgesucht habe, und die, möglicherweise die ‚Fortsetzung des Kitala (Ketallah)- Rückens bildend; aus den Sandsteinen und Bee ei we Thari- Schichten aufzutauchen scheint. Ebenso unentschieden, wie bei dem deirtermähnten Vrorikenalgs nisse, muss auch die stratigraphische, Stellung jener Kalkmasse ge- lassen werden, welche auf der Tour von Siana nach Ayos .Istdores RE [41] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 557 mitten unter den zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro) und dem Akramiti (Akramytis) sich ausbreitenden eocänen Flyschablagerungen aus der Ferne beobachtet wurde. Mangels einer näheren Unter- suchung bleibt noch die Frage offen, ob diese Kalkmasse einen Auf- bruch des ceretacisch-eocänen Kalksystems darstellt, wofür sie hier vorläufig gelten möge, oder als linsenförmige Einlagerung in den Sandsteinen und Schiefern dem eocänen Flysch angehört. 17. Die Eilande und Klippen zwischen Rhodus und Khaälki. In der kurzen, Rhodus von der kleinen felsigen Insel Khälki trennenden Meeresstrasse ragt eine Anzahl von Eilanden und Klippen empor, die sämmtlich aus ceretacisch-eocänem Kalk bestehen und im Anschlusse an die Vorkommnisse dieser Schichtgruppe auf Rhodus erwähnt zu werden verdienen. Ihre geologische Zusammensetzung konnte, ohne dass es nothwendig gewesen wäre, sie zu betreten, von der Westküste von Rhodus und vom Schiff aus während der Fahrt von Rhodus nach Karpathos und Kasos festgestellt werden. Das grösste unter diesen Eilanden ist Alimniä; dasselbe dürfte in Bezug auf Ausdehnung dem Kalkgebiete am Cap Kopriä nur wenig nachstehen. An das hügelige Alimniä reihen sich dann die kleinen, niedrigen Inselchen Ayos Theödoros (Agios Theothoros), Mäkri, Ströngilo, Tragusa (Tragousa), Sphira (Sphyrna), Mäilo Nisi, Prasütha, Apäno Prasütha, Nipuri (Nipouri) und etliche Klippen an, deren Namen man aus der beiliegenden Karte entnehmen kann. Was die Insel Khälki betrifft, deren Areal jenem des Kalk- stockes des Akramiti (Mt. Akramytis) und Armenisti (Mt. Arministhi) ungefähr gleichkommt, so bin ich, da sie von mir nicht durchforscht wurde, nicht in der Lage, genaue Angaben über ihren geologischen Aufbau zu machen. Nach den Beobachtungen zu urtheilen, welche von der See aus und während eines kurzen Aufenthaltes in dem Hafenorte Skala an ihrer Ostküste gesammelt werden konnten, scheint sie ganz aus cretacisch-eocänem Kalk zusammengesetzt zu sein. Es ist wohl allerdings leicht möglich, dass spätere Untersuchungen da- selbst einmal nebenbei auch die Existenz anderer Schichtgruppen und Gesteine zu unserer Kenntniss bringen werden; immerhin darf aber heute schon wenigstens soviel als feststehend betrachtet werden, dass diese Kalke an ihrem Aufbaue den Hauptantheil nehmen. II. Eocäne Flyschbildungen. Mitten in der Eocänformation vollzieht sich auf Rhodus ein durchgreifender Facieswechsel. Während der ältere Theil des Eocän, wie wir gesehen haben, ausschliesslich durch kalkige Sedimente ver- treten erscheint und allen Anzeichen nach unzertrennlich mit den cretacischen Kalken verknüpft ist, herrscht in der oberen Abtheilung die sandig-mergelige Entwicklung vor. In welches palaeontologisch- stratigraphische Niveau aber diese wichtige facielle Scheidungslinie hineinfällt, lässt sich nicht einmal annähernd bestimmen, und deshalb Jahrb. d.k. k. geol. Reichsanstalt 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 72 558 Gejza von Bukowski. [42] muss auch ausdrücklich hervorgehoben werden, dass, wenn hier von einer älteren und einer jüngeren Eocänabtheilung gesprochen wird, damit keineswegs der sonst geltende fixe stratigraphische Begriff des unteren und des oberen Eocän, vom Oligocän selbstverständlich vollständig abgesehen, gemeint sei und verbunden werden darf. Die Hauptgesteine, aus welchen die eocänen Flyschablagerungen zum weitaus grössten Theile bestehen, sind bunte, zumeist grünliche und graue, mitunter aber auch röthliche oder stahlblaue, bröcklige, seltener compacte Mergelschiefer und grünliche oder graue, vor- wiegend sehr harte, feinkörnige, dünnplattige, an den Schichtflächen vielfach hieroglyphenführende, stellenweise jedoch auch mehr dick- bankige, weichere Sandsteine, die sich alle in steter Wechsellagerung befinden und im Ganzen, wie es scheint, eine sehr mächtige Schiehtenserie bilden. Ausser den Sandsteinen und Schiefern kommen dann, theils als Einlagerungen, theils als stellvertretende Absätze, auch noch andere Sedimentarten vor. Wenn wir die Entwicklung in dem gesammten Verbreitungsterrain ins Auge fassen, stossen wir überhaupt auf eine Mannigfaltigkeit in Bezug auf Gesteinsausbildung, wie sie kein anderes von den sonst noch auf Rhodus auftretenden Schichtensystemen aufweist. Dabei zeigt es sich jedoch, dass die Sandsteine und Mergelschiefer überall die wesentlichsten Sedimente sind und fast auf allen Gebietsstrecken die Hauptmasse dieser Ab- lagerungen ausmachen. Als Einschaltungen in den Schiefern und Sandsteinen begegnet man besonders häufig Kalken, die in Anbetracht des Umstandes, dass sie in der Regel reichlich Nummuliten enthalten, für diese Schichtgruppe eine grosse Wichtigkeit erlangen. Ihre Verbreitung ist aber durchaus keine gleichmässige. Am häufigsten finden sich dieselben in dem grossen östlichen Flyschgebiete, für das sie inso- fern sehr bezeichnend sind, als es hier nur wenige Strecken geben dürfte, wo sie sich nicht in ziemlich auffallender Weise bemerkbar machen würden. Auch in den Sandsteinen und Mergelschiefern der südlichen Flyschregion wurden kalkige Zwischenlagen an vielen Stellen, und zwar oft in nicht geringmächtiger Entwicklung angetroffen. Da- gegen beobachtet man sie in dem westlichen, die Umrahmung des Atäviros (Mt. Attayaro) bildenden Gebiete bedeutend seltener als sonst. Hinsichtlich ihres petrographischen Habitus gleichen die Flysch- kalke jenen der ceretacisch-eocänen Kalkgruppe zumeist so vollkommen, dass deren Unterscheidung dort, wo die Lagerungsverhältnisse kein Mittel dazu abgeben, was ja bei der ausserordentlichen Schichten- zerknitterung wiederholt zutrifft, manchmal gar nicht im Bereiche der Möglichkeit liegt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle hat man es mit lichtgrauen, sich plattig absondernden, dichten Kalken zu thun, deren Mächtigkeit zwischen ziemlich weiten Grenzen schwankt, indem sie mitunter nur wenige Centimeter beträgt, an- dererseits aber auch bis zu mehreren Metern ansteigen kann. Eine zweite, gleichfalls nicht selten vorkommende Abart der Flyschkalke bilden dann dunkelgraue, Nummuliten führende Breeceienkalke, welche ihren petrographischen Charakteren nach mit den Breccienkalken - [43] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 559 der zuvor abgehandelten älteren Schichtenserie völlig übereinstimmen. In der Gegend von Sklipiö (Asklepio) treten endlich in innigstem Connexe mit Sandsteinen und Schiefern auch pechschwarze, breccien- artige Nummulitenkalke auf. Als eine in gewisser Beziehung sehr auffallende Eigenthümlich- keit des letzterwähnten Flyschgebietes von Sklipiö (Asklepio), das sich, wie später dargethan werden soll, auch durch interessante Mineralbildungen auszeichnet, muss schon jetzt besonders hervor- gehoben werden das Erscheinen eines feldspathführenden Kalkes, über dessen Zugehörigkeit zur eocänen Flyschserie nach mehrmaligem Besuche der betreffenden Gegend und nach eingehender Prüfung der Lagerungsverhältnisse kaum ein Zweifel obwalten kann. Um der Detailschilderung nicht vorzugreifen, gelegentlich welcher wir auf dieses Vorkommniss noch zurückkommen werden, will ich jetzt blos bemerken, dass feldspathführende Kalke meines Wissens bisher aus der Tertiärperiode nicht bekannt geworden sind, dass also hier die erste Constatirung eines solchen Vorkommens im Eocän vorliegt. Wegen der überall herrschenden, ungemein starken Durchein- anderfaltung und Zerknitterung der Sedimente gelingt es beinahe niemals, eine Bank auf weitere Erstreckung hin zu verfolgen und war es auch nicht möglich, sicher zu ermitteln, ob die den Sand- steinen und Schiefern eingelagerten Kalke länger anhaltende Züge oder nur Linsen und Nester bilden. Hingegen ergibt sich aus einer Reihe von Beobachtungen wenigstens soviel als zweifellos, dass in gewissen Regionen wiederholte Einschaltungen von Kalken_ statt- finden. Das sehr ungleiche Verhalten der unterschiedlichen Gesteins- arten der Denudation gegenüber bringt bei dieser Art von Lagerung ‘mit sich, dass uns auf manchen Strecken, wo die weicheren Sedi- mente, zumal die Schiefer, bereits grösstentheils abgetragen sind, blos Haufwerke der härteren Gesteine entgegentreten. Es gilt dies namentlich von jenen Stellen, an denen die der Denudation einen sehr starken Widerstand leistenden kalkigen Zwischenlagen eine grössere Verbreitung und Mächtigkeit erreichen. Nicht gar selten kommt es vor, dass man ganzen, mitunter ziemlich ausgedehnten Hügeln begegnet, die an der Oberfläche nur geringe Spuren von Sandsteinen aufweisen und daselbst im Uebrigen aus wirr aufeinander- gehäuften Kalkplatten und Kalkblöcken bestehen. Solche Punkte bieten aber auch die grössten Schwierigkeiten für die Entscheidung der Frage, ob man in dem betreffenden Falle blos ein Blockwerk von Flyschkalk oder einen Aufbruch der älteren, theils eretacischen, theils eocänen Kalkgruppe vor sich hat. Selbst die genaueste Untersuchung und schrittweise Begehung lassen Einen dann mitunter im Stiche, und dass Irrungen hiebei leicht unterlaufen können, ist wohl begreiflich. Um die Kalke der Flyschserie von solchen des cretacisch-eocänen Kalksystems zu unterscheiden, bleibt, sobald man sich aus der Lagerung diesbezüglich keine Klarheit ver- schaffen kann, oft nichts anderes übrig, als sich von den schwachen, zuweilen aber doch ausreichenden Anhaltspunkten leiten zu lassen, dass die erstgenannten Kalke sehr häufig in ganz dünnen Platten 72* 560 Gejza von Bukowski. [44] abgesondert sind und im Ganzen nirgends einen mächtigen Complex darstellen. Von diesen schwierigen Verhältnissen ist übrigens auch schon früher die Rede gewesen, und ich kann hier nur wiederholen, dass bei meiner raschen, mehr einer allgemeinen Orientirung dienenden Aufnahme an ganz genaue Ausscheidungen nicht zu denken war und vielfach schematisirend gearbeitet werden musste. Es ist daher durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sich in manchen Gebieten, die hier kurzweg als eocäner Flysch bezeichnet wurden, da und dort auch kleine Aufbrüche der älteren Kalkserie später noch nachweisen lassen werden. Neben den bis jetzt genannten Gesteinen spielt in einem be- stimmten, beschränkten, aber keineswegs sehr kleinen Territorium der eocänen Flyschbildungen auch ein sehr fester, compacter, bläulich srauer oder grünlicher Schiefer eine wichtige Rolle, der seiner Zu- sammensetzung nach, wie aus der durch Freiherrn v. Foullon durchgeführten Untersuchung der mitgebrachten Handstücke hervor- seht, einem Kalkphyllit entspricht. Bezüglich näherer Angaben über dessen chemische und mikroskopische Beschaffenheit verweise ich auf die zu Anfang eitirte Abhandlung Foullon’s „Ueber Gesteine und Minerale von der Insel Rhodus“, Sitzungsber. d. kais. Akademie d. Wissensch. in Wien, Bd. 100, 1891, S. 162. Dass dieser Phyllit trotz seines altgeologischen Aussehens ein Glied der eocänen Flysch- serie bildet, beweist die an ausgezeichneten Aufschlüssen beobachtete Thatsache, dass er in einzelnen Lagen mit bröckligen Mergelschiefern, Sandsteinbänken und Nummulitenkalk wechsellagert. In den Kälathos- Bergen gewinnt derselbe sehr beträchtlich an Ausbreitung und Ananeh er gewissermassen die anderen Sedimente stark zurück. Zieht man alle Umstände, die mit seinem Auftreten zusammen- hängen, in Betracht, so erscheint es gewiss, dass dessen locales An- wachsen hier wohl nichts anderes als einen heteropischen Sediment- wechsel bedeutet. Daran festhaltend, wird man aber dann vielleicht einmal auch den Versuch machen können, nachzuforschen, ob es sich dabei nicht etwa, wie schon in meinem vorläufigen Berichte, doch in viel zu decidirter Weise, gesagt wurde, wenigstens zum Theil um regionale Metamorphose der Mergelschiefer handelt. Endlich bleibt noch zu erwähnen übrig, dass an einer nicht geringen Anzahl von weit auseinander liegenden Punkten in Form local sehr beschränkter Lager Gyps angetroffen wurde. Derselbe bildet in den Sandsteinen und Mergelschiefern, an die er zunächst gebunden erscheint, bald kleinere, bald grössere Nester oder Linsen und trägt, wo er genügend blosgelegt ist, in gleich deutlicher Weise die Spuren der verworrenen Faltung zur Schau, wie die Neben- gesteine. Die eocänen Flyschablagerungen schliessen sich stratigraphisch an die cretacisch-eocänen Kalke unmittelbar an. Dagegen, dass zwischen beiden Systemen eine Lücke vorhanden sei, die durch eine Unterbrechung des Sedimentabsatzes bedingt wäre, spricht zum Mindesten die an zwei Stellen beobachtete concordante Aufeinander- folge, welche diesbezüglich insofern ausschlaggebend ist, als hiebei [45] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 561 der Facieswechsel nicht plötzlich eintritt, sondern durch die Ent- wicklung der schon oft erwähnten bunten, mergeligen Kalkschiefer als eines Uebergangsgliedes an der Grenze bis zu einem gewissen Grade vorbereitet wird. Das stratigraphische Verhältniss des eocänen Flysches zu der älteren Kalkgruppe und im grossen Ganzen auch die Stellung der erstgenannten Schichtenserie innerhalb der gesammten Sedimentreihe der Insel sind, wenn man von der Altersdeutung absieht, ziemlich richtig schon von Hamilton aufgefasst worden. Von der Ansicht ausgehend, dass die beiden in Rede stehenden Ablagerungen, mit Ausnahme gewisser Theile des Kalkgebietes, der Scaglia, also der Kreideformation angehören, hält dieser Forscher zwar auch den Flysch für eretacisch, hat derselbe aber richtig erkannt, dass der sandig-mergelige Complex gegenüber dem kalkigen ein jüngeres Glied darstellt. Allerdings beging dabei Hamilton den Fehler, dass er von seiner, wie er sagt, durch Sandsteine und Üonglomerate ge- bildeten oberen Abtheilung der Scaglia, zu welcher unser eocäne Flysch zu rechnen ist, die weiter unten gesondert behandelten oli- gocänen Sandsteine und die Thari-Schichten, eine noch jüngere, bereits auch bedeutend weniger gestörte, übergreifende Gruppe, nicht abgeschieden hat, sondern alle drei Schichtenserien trotz der zwischen ihnen schon in der Lagerung sich deutlich offenbarenden Unterschiede mit einander vermengt und als einen einheitlichen Com- plex betrachtet. Die mit seinen Anschauungen über die Altersverhältnisse scheinbar im Widerspruche stehenden Angaben, dass an einzelnen Stellen Sea- gliakalke auf den Sandsteinen ruhen, lassen sich auf zweierlei Art erklären. Es ist einerseits denkbar, dass es sich hier um die den Sandsteinen und Mergelschiefern eingeschalteten Flyschkalke handelt; andererseits kann aber auch der Fall vorhanden sein, dass hiebei wirklich die cretacisch-eocänen Kalke im Spiele sind und die Flysch- bildungen wohl äusserlich unter dieselben einzufallen scheinen, that- sächlich jedoch keine Unterlagerung, sondern nur ein durch Störungs- linien oder durch sehr starke Faltung verursachtes widersinniges Aneinanderstossen stattfindet. Letzteres habe ich als eine Folge der vielen Brüche und der aussergewöhnlichen Schichtenzerknitterung auf Rhodus zu beobachten oft die Gelegenheit gehabt. Weitaus dürftiger und weniger präcis sind die Mittheilungen, welche Spratt über das Alter und die Lagerungsverhältnisse, sowie den gegenseitigen stratigraphischen Connex der älteren Ablagerungen von Rhodus veröffentlicht hat. Es wird in denselben unter Anderem ausdrücklich betont, dass er nicht in die Lage gekommen ist, was unsere cretacisch-eocänen Kalke und die daran sich anreihenden sandig-schiefrigen Gebilde anbelangt, die Altersfolge genau festzu- stellen. Direct befremdend wirkt aber Spratt’s Angabe über das Vorkommen der mica schists im Bereiche des grossen centralen und östlichen Flyschgebietes bei Aläörma und Sklipio (Asklepio). Dass hier seinerseits eine Verwechslung mit Sedimenten des eocänen Flysches stattgefunden hat, kann heute mit Bestimmtheit behauptet werden. 562 Gejza von Bukowski. [46] In Bezug auf Lagerung herrschen an den Berührungslinien zwischen den cretacisch-eocänen Kalken und den eocänen Flysch- bildungen Verhältnisse, welche von einem ausserordentlich hohen Aus- masse von Störungen — sowohl Faltung, als Brüchen —, denen beide Schichtensysteme erwiesenermassen bis in die mittlere Pliocänzeit, wahrscheinlich aber auch noch später, ausgesetzt waren, zeugen und es voll zum Ausdrucke bringen. Nur auf gewaltige Störungen kann die allenthalben hervortretende Discordanz zurückgeführt werden, denn dass ursprünglich der Absatz der zum Theil cretacischen, zum Theil eocänen Kalke und des eocänen Flysches in normaler Weise, ununterbrochen und conform nach einander erfolgt sei, lässt sich daraus entnehmen, dass an zwei Punkten, bei Ayos Isidoros auf der Südseite und bei Mavranera am Nordrande der Kalkmasse des Atä- viros (Mt. Attayaro), concordanter Ueberlagerung begegnet wurde, deren Eigenheiten zu einer solchen Schlussfolgerung vollauf berech- tigen. Obzwar die letztgenannten Verhältnisse schon in dem Capitel über die cretacischen und eocänen Kalke genügend geschildert wurden, erachte ich es doch für zweckmässig, hier nochmals auf sie einzugehen und zu wiederholen, dass bei dieser concordanten Folge sich auch der petrographische Wechsel nicht ganz unvermittelt voll- zieht, indem die schon vorher mit den grauen eocänen Kalken wiederholt alternirenden rothen, mergeligen Kalkschiefer allmälig, an Festigkeit und Kalkgehalt abnehmend, in die bunten, minder com- pacten Mergelschiefer des Flysches übergehen, worauf sich dann schliesslich nach und nach Sandsteinbänke als Zwischenlagen ein- stellen. Nachtragend muss ich hier übrigens auch noch bemerken, dass in den Kalken des Atäviros (Mt. Attayaro), welche, wenn nicht etwa ganz, so doch zum grössten Theile den oberen Complex der ältesten Schichtenserie repräsentiren, bis tief hinunter, wie Hamil- ton berichtet, Einlagerungen der rothen, mergeligen Kalkschiefer, neben solchen von Hornsteinen, vorkommen. Ausgenommen die zwei Stellen bei Ayos Isfdoros und Mavra- nera, wurde sonst überall discordante oder widersinnige Lagerung beobachtet. Sie findet ihre Begründung einerseits in Brüchen und Absenkungen, andererseits, und zwar noch viel mehr, in der unge- heueren Schichtenzerknitterung. Die eocänen Flyschbildungen er- scheinen nahezu in ihrem gesammten Verbreitungsgebiete vollständig durcheinandergefaltet, verbrochen und chaotisch zerknittert, so dass von einer Streichungsrichtung, wenn man von ein paar sehr be- schränkten und untergeordneten Strecken absieht, überhaupt keine Rede sein kann. In dieser Hinsicht zeigt sich also volle Veberein- stimmung mit gewissen Theilen des cretacisch-eocänen Kalkterrains. Die Hauptfaltung fällt in die Zeit vor der Ablagerung der Thari- Schichten, deren Alter zwar nicht genau bekannt ist, die aber zweifel- los jünger als das Mitteloligocän sind und höchstwahrscheinlich bereits dem Jungtertiär angehören. Aber auch in späteren Perioden, wie schon erwähnt wurde, selbst im älteren Pliocän, haben faltende Kräfte nachweisbar noch gewirkt. Manche Dislocationen, zumal Absenkungen, dürften sogar noch in der jüngsten geologischen Zeit erfolgt sein. 47] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 563 Dass eine so überaus starke Faltung häufig von Brüchen und Einstürzen begleitet sein musste, ist wohl von vornherein einleuchtend. Die Beobachtungen lehren auch in der That, dass das ältere Gebirge von zahlreichen Verwerfungen durchzogen wird, die, verschiedenen Verlauf nehmend, theils dem Schichtenstreichen entsprechen, theils quer auf dasselbe gerichtet sind. In vielen Fällen weisen alle Um- stände entschieden darauf hin, dass gewisse Grenzen zwischen dem eretacisch-eocänen Kalk und dem eocänen Flysch durch Bruchlinien gebildet werden, längs welcher beträchtliche Theile des erstgenannten Schichtensystems sammt dem darüber lagernden Flysch mitunter um einen nicht geringen Betrag abgesessen sind. Viele Strecken des eocänen Flyschterrains stellen demnach gegenüber den cretacisch- eocänen Kalkstöcken, von denen manche, namentlich die bedeuten- deren, geradezu als stehengebliebene Pfeiler bezeichnet werden können, Einbruchsregionen dar. Diese Vorgänge scheinen sich zum grossen Theile noch vor der Neogenzeit abgespielt zu haben; es geht dies wenigstens sehr deutlich aus der Verbreitung der unterschied- lichen jungtertiären Ablagerungen hervor, welche, in den Tiefregionen zu sehr bedeutender Mächtigkeit ansteigend, sich vielfach auch über die als Senkungsfelder aufzufassenden Flyschgebiete transgredirend ausdehnen und über weite Landstriche hin überhaupt vollständig den Aufbau des Untergrundes verhüllen. Bei allem dem darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass es auch viele Stellen gibt, wo der eocäne Flysch und die cretacisch-eocänen Kalke ohne Störungslinien an einander stossen, und wo die Discordanz lediglich durch die un- gemein starke Durcheinanderfaltung bedingt erscheint. Die Ursache dessen, dass die eocänen Flyschbildungen so ausser- ordentlich zerknittert sind und hier die Zerknitterung, im Ganzen senommen, einen noch bedeutend höheren Grad erreicht als in der älteren Kalkgruppe, mag vor Allem in der weicheren Beschaffen- heit der Flyschsedimente liegen. Ausserdem gewinnt man aber auch den Eindruck, als hätten die grossen, in einzelne Stöcke aufgelösten Kalkmassen bei der Faltung, die ja sehr lang. über die Zeit der Haupteinbrüche im älteren Gebirge hinaus, bis in eine späte geologische Periode angedauert hat, eine stauende Wirkung ausgeübt und auf diese Weise wesentlich zur stärkeren Zer- knitterung der Sandsteine und Schiefer beigetragen. An Fossilien haben die eocänen Flyschablagerungen blos Num- muliten geliefert. Diese kommen hauptsächlich in den kalkigen Zwischenlagen vor, von denen manche dieselben sogar in sehr grosser Menge enthalten. Viel seltener findet man Nummuliten dagegen in den sandigen Gebilden, und die Mergelschiefer haben sich bisher überhaupt als ganz fossilleer erwiesen. Das Alter dieser Schichten- serie konnte ziemlich genau auf stratigraphischem Wege festgestellt werden. Dass hier eine Vertretung der höheren Glieder der Eocän- formation vorliegt, erhellt aus folgenden Thatsachen. Man weiss einerseits, wie vorhin dargelegt wurde, dass der als unmittelbare Unterlage dienende obere Complex der älteren, vornehmlich cretaci- schen Kalkserie noch dem Kocän zufällt, andererseits gelang es wieder, auf palaeontologischer Basis sicher zu constatiren, dass die 564 Gejza von Bukowski. [48] nächstjüngere Schichtgruppe, mit der wir uns erst später beschäftigen werden, weil sie aus manchen Gründen eine getrennte Betrachtung erfordert, bereits das Unteroligocän umfasst. Auf diese Art erscheint also die Grenze nach oben vorderhand ausreichend genau, nach unten zum Mindesten annähernd bestimmt. Was den landschaftlichen Charakter anbelangt, so stellt sich das eocäne Flyschterrain grösstentheils als ein Hügelland dar, in dem uns als Ausdruck der ungeheuren Schichtenstörungen neben ge- rundeten, vielfach auch stark zerrissene Formen entgegentreten. Es gibt aber auch einzelne Gebiete, wo die Erhebungen bereits solche Höhen erreichen, und wo die ganze orographische Gestaltung derartig ist, dass sie als Berglandschaften bezeichnet werden müssen. So steigen beispielsweise die Kälathosberge, in denen, wie früher erwähnt worden ist, die festen, phyllitähnlichen Schiefer mächtig entwickelt erscheinen und über die anderen Sedimente geradezu die Oberhand gewinnen, bis zu 1210 engl. Fuss an. Von der westlichen Region hat sogar der grössere Theil den Charakter eines Berglandes. Unter den bedeutenderen Erhebungen, die hier durchaus nicht selten sind, verdient vor Allem der kleine Eliasberg genannt zu werden, dessen Höhe die englische Admiralitätskarte mit 1763 engl. Fuss angibt. Die Vegetationsentwicklung ist daselbst im Vergleiche zu dem cretacischen und eocänen Kalkterrain eine viel kräftigere. Kahle, steinige Gegenden kommen zwar auch hier nicht selten vor, im All- gemeinen zeigt es sich jedoch, dass die meisten Strecken reicher Pflanzenwuchs auszeichnet. Gebüsch und Wald, die mit einander häufig wechseln, bedecken mitunter ziemlich ausgedehnte Striche der Flyschlandschaft. Klein ist dagegen im Verhältnisse der Flächen- raum jenes Bodens, der sich für den Ackerbau eignet, und der hie- zu auch theilweise ausgenützt wird. 1. Das östliche Gebiet. Die grösste zusammenhängende Ausbreitung besitzen die eocänen Flyschbildungen in dem östlichen, an die Centralregion sich an- schliessenden Theile der Insel. Vom Kharädja (Haratchey) und Rh6ino Vunö (Mt. Rhoeyno) reicht dieses weite Gebiet in südlicher Richtung über Alä&rma, Ingos (Ingose) Monastir und Sklipiö (Asklepio) bis an das Meer, wo ihm die Küstenstrecke zwischen dem Khörti Vunö (Mt. Horti) und der Mündung des Sklipio P6tamos!) zufällt. Gegen Osten dehnt es sich bis über die Kälathosberge hin aus und kommt dabei der Kalkmasse des Lindosberges ausserordentlich nahe, von welcher es ebenso wie von der Küste der Viglika (Veeglikah) -Bucht und von der Nordseite des Khörti Vunö (Mt. Horti) durch einen schmalen, continuirlich verlaufenden Streifen der mächtigen jung- pliocänen Ablagerungen getrennt wird. Die Orte Kälathos, Pilöna und Lärtos (Lardos) bezeichnen ungefähr seine östliche Grenze. Die nördliche Umrandung gegenüber den jüngeren transgredirenden Absätzen erscheint sehr unregelmässig. !; Wie für alle anderen findet sich auch für diesen Torrente auf der eng- lischen Admiralitätskarte kein Name angegeben. [49] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 565 Am weitesten nördlich schiebt sich hier der eocäne Flysch in der Umgebung des Rh6ino Vun6 (Mt. Rhoeyno) vor, welcher Gebiets- theil in Verbindung mit der Gegend von Aläörma bereits der Mittel- region zugezählt werden muss. In dem östlichen Abschnitte des Nordtheiles greift er, auf ziemlich langer Linie vorspringend, noch- mals über den Gaydurä Pötamos hinaus und findet, unter Schotter- massen verschwindend, erst am Südfusse des Khugläk (Mt. Huglak) sein Ende. Westlich von Aläörma dringen levantinische Schotter und Thari-Schichten als Decke tief in das Gebiet ein, und die Folge davon ist es, dass zwischen dem Monastir Thäri (Tharey) und Pro- phrlia die Flyschablagerungen mit Rücksicht auf ihre oberflächliche Verbreitung eine buchtenartige Erweiterung darstellen. Die südwest- liche Grenze endlich zieht sich zunächst in einer gewissen Distanz nördlich, mehr oder minder parallel dem Oberlaufe des Sklipi6 Pötamos; später fällt sie aber, von der Breite des Ortes Sklipiö (Asklepio) etwa angefangen, mit dem Unterlaufe dieses Wildbaches zusammen. In den Contact mit den cretacisch-eocänen Kalken tritt daselbst der eocäne Flysch blos an der Westseite des Khörti Vunö (Mt. Horti), am Rhöino (Rhoeyno) und Kharädja Vunö (Mt. Haratchey) und dann an jenen Stellen, wo sich mitten in demselben Aufbrüche der älteren Kalke finden, so beim Ingos (Ingose) Monastir und in dem Durch- bruchsthale des Gaydurä Pötamos!). Seine Umrahmung besteht im Uebrigen durchwegs aus jüngeren, übergreifenden Ablagerungen, theils Thari-Schichten, theils fluviatilen levantinischen Schotter», sowie aus marinem Jungpliocän, unter deren mächtiger Decke er sich nach allen Richtungen verliert, um erst in weiterer Entfernung ander- wärts wieder aufzutauchen. Ein allgemeiner Ueberblick über den Bau dieses Gebietes, das in Folge der stetig fortschreitenden Waldverwüstung heute schon viele öde, vegetationsarme Strecken enthält, wurde auf mehreren Durchquerungen erzielt. Einzelne Theile, die entweder durch be- sondere, abweichende Faciesentwicklung ein grösseres Interesse er- weckten oder für die Lösung bestimmter Fragen die günstigsten Bedingungen dargeboten haben, sind dann ausserdem noch einer ein- gehenderen Untersuchung unterzogen worden. Zwischen dem Khörti Vunö (Mt. Horti) und Aläörma, längs der über den Spiliaberg (Mt. Speelyah) und das Ingos (Ingose) Monastir führenden Route, ferner am Wege von Lärtos (Lardos) nach Aläerma über das Gehöft Pilonit (Peloneet), südlich vom Khugläk (Huglak) am Gaydurä Pötamos?), westlich von den Kälathosbergen, in der Randzone zwischen Pilöna und Lärtos (Lardos), in der Umgebung des Rhöino (Rhoeyno) und Kharädja (Haratchey) Vun6, westlich und südwestlich vom Thäri (Tharey) Monastir, sowie bei Asträgana und in der nördlich von Sklipiö (Asklepio) liegenden Landschaft Kunarä (Koonarah) herrschen fast durchgehends die gleiche Ausbildung und die gleichen Lagerungsverhältnisse. Bunte Mergelschiefer und unter- !) Siehe Fussnote auf Seite 554 [38]. ?) Siehe Fussnote auf Seite 554 [38]. Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 73 566 Gejza von Bukowski. [50] schiedliche Sandsteinbänke, die wiederholt mit einander wechsel- lagern, und denen bald in stärkerer, bald in schwächerer Entwicklung dünnplattige bis dickgebankte, lichtgraue, dichte oder dunkle breccien- artige Nummulitenkalke eingeschaltet sind, setzen dieses ganze Terrain in mehr oder weniger gleichmässiger Weise zusammen, und überall sieht man, dass die Schichten wirr durcheinandergefaltet, sehr häufig sogar vollständig zerknittert und vielfach auch verbrochen sind. Gewisse untergeordnete Abweichungen, die theils durch locales Anwachsen oder Vorwalten der einen oder der anderen Gesteinsart, theils durch das Hinzutreten neuer, nur ganz beschränkte Verbreitung aufweisender Absätze veranlasst werden, machen sich aber zwischen einzelnen Gebietsstrecken ungeachtet des im Grossen und Ganzen einheitlichen Baues selbstverständlich hier auch bemerkbar. So nimmt man unter Anderem wahr, dass in manchen Gegenden die kalkigen Zwischenlagen eine grössere Rolle spielen als gewöhn- lich, was einerseits durch Zunahme der Mächtigkeit, andererseits durch locale Häufung der offenbar linsenförmigen Einschaltungen zu erklären sein dürfte. Vor Allem fällt dieses auf in der Hügelregion um Aläörma, ferner in den gegen Westen an die Kälathosberge sich anschliessenden Hügeln, zwischen dem Ingos (Ingose) Monastir und dem Khörti Vunö (Mt. Horti), sowie endlich in dem westlich vom Thäri (Tharey) Monastir sich erstreckenden Gebietsabschnitte. Ueber die Gegend : von Aläörma ist schon früher mitgetheilt worden, dass bei der chaotischen Zerknitterung der Sedimente und dem raschen Wechsel von kalkigen und sandig -mergeligen Hügeln, die mitunter blockartige Anhäufungen dieser Gesteine darstellen, in vielen Fällen nicht entschieden werden konnte, ob hier neben den Flyschkalken, deren Existenz ausser allem Zweifel steht, nicht etwa auch die ältere Kalkserie stellenweise zum Vorschein kommt. Ohne dass es auf der Karte zum Ausdrucke hätte gebracht werden können, muss wohl gesagt werden, dass letzteres insofern sehr wahrschein- lich ist, als da und dort in Verbindung mit den anderen Sedimenten die der älteren Kalkgruppe angehörenden, rothen, mergeligen Kalk- schiefer beobachtet wurden. Dasselbe gilt übrigens auch von der weiteren Strecke zwischen Aläörma und dem Khörti Vunö (Mt. Horti), wo unter den vielen, wegen der Schichtenzerknitterung nicht sicher deutbaren Kalkvorkommnissen blos der durch seine grösseren Dimen- sionen auffallende Kalkgipfel unweit des Monastirs Ingos (Ingose) als eine Aufragung der cretacisch-eocänen Kalke ausgeschieden wurde, und noch von manchen anderen Punkten unseres Gebietes. Nebenbei verdient hier auch erwähnt zu werden, dass östlich von Aläerma, gegen die Höhen Agrimnös (Agrimnose) zu, die mit Mergel- schiefern und mit dünnplattigen bis schiefrigen, wie sonst an zahl- reichen anderen Stellen, Nummuliten führenden Kalklagen innig ver- gesellschafteten Sandsteine etwas zurückzutreten und dafür die bröck- ligen Mergelschiefer zu überwiegen scheinen. Für die Beurtheilung der Mannigfaltigkeit in Bezug auf Ge- steinsentwicklung und der Art und Weise, wie die verschiedenen Sedimente mit einander verknüpft sind, hat sich als am lehrreichsten die Hügelreihe erwiesen, welche an die Kälathosberge im Nordwesten [51] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 567 anstosst. Trotz der ungeheueren Schichtenzerknitterung wurden hier Aufschlüsse angetroffen, in denen man ausserordentlich klar sehen konnte, wie bunte, bröcklige Mergelschiefer, lichtgrauer Nummuliten- kalk, der sich bis zu 3 Meter mächtig zeigt, graue, harte Sandstein- bänke und fester phyllitartiger Schiefer in concordanter Folge alternirend mit einander in Verbindung stehen. Nicht in so ausge- zeichneter Weise, aber immerhin deutlich genug boten sich dann diese Verhältnisse der Beobachtung dar auch noch an einzelnen Punkten in der Randzone zwischen Pilöna und Lärtos (Lardos). Einer von der typischen etwas stärker abweichenden Ausbildung habe ich am Wege von dem Gehöft Pilonit (Peloneet) nach Lärtos (Lardos), namentlich längs des weiter unten zwischen dem Khörti Vunö (Mt. Horti) und dem Lindosberge durchfliessenden und in die Lärtos (Lardos) -Bay einmündenden Baches begegnet. Zunächst zeigte es sich, dass in diesem Terraintheile der Flysch nur äusserst wenig kalkige Einschaltungen enthält. Dann wurde aber noch bemerkt, dass ausser den bröckligen Mergelschiefern und harten, meist dünn- bankigen Sandsteinen, die, wie gewöhnlich, ganz durcheinandergefaltet und zerknittert sind, vielfach auch graue, ziemlich mürbe, in dieken Bänken abgesonderte Sandsteine auftreten, welche ihrem petro- graphischen Habitus nach sehr stark an die oligocänen Sandsteine von Mesanagrös (Mesanagrose) erinnern. Leider bin ich nicht in die Lage gekommen, zu erforschen, in welchem Verhältnisse sich die letztgenannten dickbankigen Sandsteine zu den typisch eocänen Sand- steinen und Schiefern befinden. Es besteht nämlich einerseits die Möglichkeit, dass dieselben noch dem eocänen Flysch angehören, was dann entweder das Erscheinen eines besonderen Niveaus oder einen localen Facieswechsel bedeuten würde; andererseits kann es sich hiebei aber auch wirklich um ein beschränktes Vorkommen von oligocänen Bildungen mitten im eocänen Flyschgebiete handeln. Die Entscheidung darüber muss wohl späteren Untersuchungen überlassen werden, und deshalb sehe ich auch vorläufig ganz ab von einer speciellen Eintragung auf der Karte. Der auf Rhodus für die eocänen Flyschablagerungen, wie schon angegeben wurde, bis zu einem gewissen Grade bezeichnende Gyps bildet in der östlichen Region an mehreren Stellen theils grössere, theils kleinere Nester. Das bedeutendste Lager, auf das ich während meiner Bereisung gestossen bin, findet sich in der Nähe des bei dem Berge Spilia (Speelyah) gelegenen Monastirs Ipsent'!). Hier zeigt sich der Gyps überhaupt am schönsten aufgeschlossen, und man erkennt sehr deutlich, dass er ebenso gebogen und geknickt ist, wie die Sandsteine und Schiefer, welche ihn von allen Seiten umgeben. Weitere Vorkommnisse, deren Mächtigkeit sich nieht genau ermitteln liess, die jedoch augenscheinlich keine grosse praktische Bedeutung erlangen dürften, wurden dann, von einzelnen geringen Spuren abge- sehen, noch constatirt bei Aläerma, zwischen Aläeörma und dem Ingos (Ingose) Monastir, näher dem letztgenannten Punkte, und in der !) Dieses Monastir erscheint auf der englischen Admiralitätskarte nicht eingetragen; dessen Erbauung dürfte möglicherweise jüngeren Datums sein. 73° 568 Gejza von Bukowski. [52] Küstenlandschaft zwischen dem Sklipiöflusse und dem Khörti (Horti) Vunö, auf die wir übrigens bald noch zu sprechen kommen werden. Als ein besonders gutes Beispiel regionaler Gesteinsänderung, mithin in gewissem Sinne eines Facieswechsels, können ferner in dem östlichen Gebiete meinem Dafürhalten nach die Kälathosberge gelten, jene Erhebungen, die, wie gesagt, auch in landschaftlicher Beziehung insofern auffallen, als sie die umgebenden Flyschhügel bedeutend an Höhe überragen. Die Untersuchung dieses Höhenrückens hat ergeben, dass an seinem Aufbaue neben bröckligen Mergelschiefern und harten, oft kalkigen Sandsteinen einen sehr grossen Antheil feste, grünliche oder bläuliche, ihrer Zusammensetzung nach einem Kalkphyllit am meisten entsprechende Schiefer nehmen. Von Osten zum Kamme auf- steigend, sieht man zunächst oberhalb Kälathos die Wechsellagerung zwischen typischen bröckligen Flyschschiefern und harten kalkigen Sandsteinen, die wie sonst sehr klar die Spuren ungemein starker Faltung und Zerknitterung zur Schau tragen. Höher hinauf nehmen dann die bröckligen Mergelschiefer immer mehr an Mächtigkeit zu, und schliesslich gelangt man nach und nach in die festen phyllitischen Schiefer, welche stratigraphisch mit den weichen Mergelschiefern eng zusammenzuhängen scheinen und stellenweise gleichfalls mit Sand- steinen und einzelnen Kalklagen alterniren. Aus den Phylliten besteht unter Anderem der Kamm der Kälathosberge. Wie die Verhältnisse hier vorliegen, darf angenommen werden, dass es sich bei dem Auftreten der phyllitartigen Schiefer nicht so sehr um das Auftauchen eines besonderen Horizontes handelt, welche Möglichkeit aber auch nicht als gänzlich ausgeschlossen ohneweiters bestritten werden soll, als vielmehr um eine rein facielle Erschei- nung. Darauf weist wenigstens der schon früher angeführte Umstand hin, dass auch an anderen Stellen, in der Umgebung der Kälathos- berge, dünne Schichten desselben Phyllites angetroffen wurden, und zwar in Wechsellagerung mit der normalen, allgemein verbreiteten Gesteinsvergesellschaftung, mit Nummulitenkalk, Mergelschiefern und gewöhnlichen dünnbankigen Hieroglyphensandsteinen. Es hat dem- nach ganz den Anschein, als fände in den Kälathosbergen blos ein mächtigeres, eine locale Ersetzung anderer Sedimente, namentlich der Mergelschiefer, darstellendes Anwachsen der Phyllite statt. Das grösste Interesse bietet aber in besagter Hinsicht der an das Meer heranreichende Gebietstheil, vor Allem die Gegend um Sklipiö (Asklepio) und die südlich davon gelegene Strecke. Auch hier setzt sich wohl der eocäne Flysch der Hauptsache nach aus weichen, bröckligen Mergelschiefern, grünlich grauen, theils sehr festen, dünn- bankigen, hieroglyphenführenden, theils mürberen, in diekeren Bänken auftretenden Sandsteinen und aus einzelnen, mitunter ganz schmalen Lagen lichtgrauer, plattiger oder schiefriger Kalke zusammen; ein einigermassen abweichendes Gepräge wird ihm jedoch dadurch ver- liehen, dass als Einlagerungen ausserdem noch Gesteine vorkommen, denen sonst auf Rhodus entweder überhaupt nirgends oder nur äusserst selten im Flysch begegnet wurde. Gegenüber allen anderen eocänen Flyschstrecken zeichnet sich diese durch die mannigfaltigste Sedimententwicklung aus. DE [53] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 569 Unter den eigenthümlichen Einschaltungen sind zuerst zu nennen schwarze, meist breccienartige Nummulitenkalke, welche man auf Grund ihres Aussehens allein, falls sie nicht Nummuliten enthielten, deren man eben grosse Mengen an der Oberfläche ausgewittert findet, kaum für eocän ansprechen würde. Auf solch’ einer Linse von tiefschwarzem Nummulitenkalk steht beispielsweise die Burg von Sklipiöo (Asklepio), während der Ort selbst auf zerknitterten, mit Kalklagen wechselnden, bunten Mergelschiefern und Sandsteinen liegt. Eine besonders charakteristische und wohl am meisten auffallende Erscheinung bilden sodann in dieser Gegend die Einlagerungen von feldspathführendem Kalk. Aufgefunden und auf einige Entfernung hin verfolgt wurden dieselben von mir in den parallel dem Sklipio- bache sich ziehenden Hügeln zwischen Sklipiö (Asklepio) und der Küste. Südwärts von Sklipio (Asklepio) gegen die See vorschreitend, stiess ich zuerst auf ein verhältnissmässig mächtiges Lager eines lichtgrauen, dichten, plattig abgesonderten Kalkes, in dem zahlreiche, schön ausgebildete Feldspathkryställchen eingestreut liegen, der sich aber im Uebrigen von vielen anderen Flyschkalken kaum unter- scheidet. Obgleich hier überall die Schichtenzerknitterung ein sehr hohes Ausmass erreicht, liess sich doch ganz gut erkennen, dass dieser Kalk in normaler concordanter Verbindung mit den ihn um- schliessenden Mergelschiefern und Sandsteinen auftritt und daher thatsächlich dem eocänen Flysch angehört. In der Folge fand ich dann unter ähnlichen Verhältnissen auch noch einen dunkelgrauen bis schwarzen, fast krystallinischen Kalk, dessen spätere Untersuchung ergeben hat, dass er gleichfalls Feldspath führt. Die mitgebrachten Proben sind bekanntlich durch H. Baron v. Foullon analysirt worden, und wer die interessanten Gesammtresultate der Analysen kennen lernen will, möge das diesbezügliche Capitel in der schon öfters citirten Abhandlung Foullon’s nachschlagen. Hier genügt, blos zu erwähnen, dass der Feldspath sich in allen Fällen als Albit erwiesen hat. Kalke, die Feldspath enthalten, stellen, wie noch zu bemerken übrig bleibt, an und für sich allerdings nichts Merkwürdiges dar, da man dieselben bereits seit langer Zeit aus älteren Formationen kennt. Das ge- schilderte Vorkommen auf Rhodus verdient jedoch insofern eine grössere Beachtung, als es eocäne Ablagerungen, also eine relativ junge Formation betrifft. Mit den weichen, bröckligen Mergelschiefern und den Sandsteinen alterniren endlich nicht selten ziemlich feste, plattige, bald lichte, bald dunkle Mergelschiefer, die sich bis zu einem gewissen Grade, wenigstens in ihrem äusserlichen Habitus, den phyllitartigen Schiefern der Kälathosberge nähern. Dass an einer Stelle, unweit der Küste auch Gyps angetroffen wurde, davon war schon vorhin die Rede. Die in den übrigen Gebietstheilen allgemein herrschende Schichtenzerknitterung macht sich auch hier unvermindert geltend. Zahlreiche kleine Brüche scheinen dabei das ganze Terrain zu durch- setzen. Von der ausserordentlich starken Faltung und der grossen Plastieität der Sedimente zeugt unter Anderem, um es überhaupt an einem Beispiele vor die Augen zu führen, der Umstand, dass es gar nicht schwer fällt, Sandsteinplatten zu finden, die bei einer Dicke 570 Gejza von Bukowski. [54] von 2 Centimeter, im Radius von einem Decimeter halbkreisförmig gebogen sind, ohne dass die Continuität der Platten durch die ent- standenen Sprünge gelöst worden wäre. Auf die Vermuthung, dass daselbst im Grossen und Ganzen doch die nordöstliche Streichrichtung massgebend ist, kommt man nur durch die Verfolgung des Verlaufes der kalkigen Zwischenlagen. Mit den cretacisch-eocänen Kalken des Khörti (Horti) Vun6 scheint der eocäne Flysch längs einer Bruchlinie in Berührung zu treten. Auf eine Absenkung, sowie auf eine noch nachträglich erfolgte starke Zerknitterung, welche jedenfalls auch sehr viel zur Discordanz beigetragen haben dürfte, deuten zum Mindesten die in der Grenzzone beobachteten, äusserst complicirten Lagerungsverhält- nisse hin. Bald stellen sich nämlich die Falten des Flysches quer zu den Kalken des Khörti (Horti) Vunö, bald sieht man wieder den Flysch unter die Kalke einfallen oder von denselben abstossen, und es findet in dieser Beziehung überhaupt ein permanenter Wechsel statt. Zum Schlusse muss noch erwähnt werden, dass die eocänen Flyschablagerungen der Gegend von Sklipiö (Asklepio) sich auch durch sehr interessante Mineralbildungen auszeichnen. In dem Verbande der Sandsteine und Flyschkalke kommt an einer Stelle nahe der Thalrinne des Sklipiöbaches zunächst eine tieflavendelblaue, bis 2 Centimeter mächtige schiefrige Ausscheidung vor, welche nach Foullon als ein Glaucophan betrachtet werden kann, sich aber von dem gewöhnlichen Glaucophan durch einige Eigenschaften nicht un- wesentlich unterscheidet; an diese schliesst sich dann ein licht- lavendelblaues Mineral an, das die Asbestform eines Glaucophans, augenscheinlich der vorgenannten Abart darstellt und mit Rück- sicht auf seine chemische Zusammensetzung von Foullon als eine neue Mineralvarietät mit dem Namen „Rhodusit“ belegt wurde. Die zuerst angeführten tieflavendelblauen, schiefrigen Ausschei- dungen „bestehen aus dicht verwachsenen Fasern, welche parallel der Hauptdimension der Finlagerung liegen. Sie sind vielfach wellig gekrümmt“. Der Rhodusit „bildet parallelfaserige, seidenglänzende Büschel, die bis 4 Centimeter lang und bis 3 Centimeter dick sind. Diese Büschel sind durch Kalk verkittet und bilden so eine Art Breccie, in der die Richtung der einzelnen Faserbündel eine regel- lose ist. Diese Breccie erreicht eine Mächtigkeit bis zu 4 Öentimeter*, Beide Minerale erscheinen mit einander vergesellschaftet in einem Grenzstreifen zwischen Flyschsandstein und Flyschkalk. Hiebei zeigt es sich, dass der Rhodusit noch auf einige Gentimeter Tiefe in den lichtgrauen dichten Kalk eindringt. Unweit der in Rede stehenden Minerallagerstätte wurde überdies auch Bergholz gefunden. Ueber die Herkunft und Entstehung sowohl unseres Glaucophans, der sonst, wie man weiss, fast ausschliesslich an krystallinische Schiefergesteine gebunden zu sein scheint, als auch des denselben begleitenden Rhodusits können wir uns vorläufig kein Urtheil erlauben. Dass in beiden Fällen eine nachträgliche Ausscheidung aus dem Muttergestein, also aus dem Flyschsandstein und Kalk nicht vor- liegen dürfte, erhellt aus der chemischen Beschaffenheit der letzt- genannten Gesteinsarten. Die Frage dagegen, ob sich diese Minerale [55] Geologische Uebersichtskarte: der Insel Rhodus. 571 nicht etwa während des Absatzes der eocänen Sedimente ähnlich, wie die Albitkrystalle im Flyschkalke von Sklipi6 (Asklepio), gebildet haben, oder ob es sich blos um eine Einschwemmung, sei es der fertigen Minerale selbst, sei es von Gesteinsstücken, deren directe Um- wandlungsproducte jene darstellen können, selbstverständlich ebenfalls aus der Zeit der Entstehung des eocänen Flysches, handelt, muss heute noch vollständig offen gelassen werden. Es kann in Anbetracht der ganz ungewöhnlichen Lagerstätte nur als höchst lohnend be- zeichnet werden, gerade hier in besagter Richtung künftighin Studien anzustellen. Was die physikalischen Eigenschaften und die chemische Zu- sammensetzung sowohl des glaucophanartigen Gebildes und Rhodusits, als auch des Bergholzes von Sklipio (Asklepio) anbelangt, sei auf die Darlegungen Foullon’s (l. e., S. 169—176 der Zeitschrift) verwiesen. 2. Das westliche Gebiet. Das westliche Flyschgebiet umfasst im Wesentlichen das Berg- und Hügelland nördlich und westlich vom Atäviros (Mt. Attayaro) oder, präciser ausgedrückt, jenen Landstricb, der zwischen diesem Kalkstocke, den Kitala (Ketallah) -Bergen, dem creta- eisch-eocänen Kalkterrain am Cap Kopriä und dem Akramiti (Mt. Akramytis) liegt. Es reichen in demselben die eocänen Flyschsedi- mente von der Kalkmasse des Atäviros oder Atäiro (Mt. Attayaro) gegen Norden bis an die See, wo ihnen die Küstenstrecke von Langoniä angefangen bis ungefähr zur Mündung des bei Nänos vor- beifliessenden Baches zufällt. Sie umschliessen hiebei vollständig von der Landseite die Kalkregion des Cap Kopriä und stehen auch am Westrande des Kitala (Ketallah) -Rückens im Connexe mit cretacisch- eocänem Kalk. Ihre östliche Grenze verläuft vom Ostabfalle des Atäviros (Mt. Attayaro) zu den Kitala (Ketallah) -Bergen und jenseits dieser längs des Nänosbaches zur Küste, indem ihre Fortsetzung in besagter Richtung durch die mächtig übergreifenden Thari-Schichten verdeckt wird, unter denen nur da und dort in tiefer eingeschnittenen Bachrissen ganz kleine, nicht ausscheidbare Partien auftauchen. Von diesem Gebietstheile dehnen sich dann die eocänen Flyschablage- rungen zusammenhängend weiter gegen Westen und Südwesten über den kleinen Eliasberg und längs des Atäviros (Mt. Attayaro) bis zu dem Kalkstocke des Akramiti (Akramytis) aus, und hier treten sie auch wieder an die Küste heran, von welcher nun durch dieselben die Strecke zwischen den äussersten Nordausläufern der letztge- nannten Kalkmasse und dem Südende der Kalkregion des Cap Kopriä gebildet wird. Daran reiht sich endlich ohne Unterbrechung die Zone der zwischen dem Akramiti (Akramytis) und dem Atäviros (Mt. Attayaro) sieh erhebenden Flyschberge an. Bald darauf ver- schwindet der eocäne Flysch unter den von Süden her sich aus- breitenden, ungemein mächtig entwickelten, mittelplioeänen Bil- dungen. Nur in sehr schmalen Aufbruchsstreifen begleitet er noch die cretacisch-eocänen Kalke am Südfusse des Akramiti (Mt. Akra- 572 Gejza von Bukowski. [56] mytis) und des Atäviros (Attayaro); in einiger Entfernung wird er jedoch auch hier schliesslich durch die Paludinenschichten und die fluviatilen levantinischen Schotter vollständig verhüllt, welche sich dann unmittelbar an die Kalke dieser beiden Stöcke anlehnen. Kein Theil der Insel bietet für das Studium der Tektonik und der stratigraphischen Verhältnisse in den ältesten Schichtenserien so sünstige Bedingungen dar, wie gerade dieses Gebiet. Es liegt.dies darin begründet, dass hier das Jungtertiär zumeist ganz fehlt ‘oder, höchstens in kleinen Lappen auftretend, nur wenig in den Bau störend eingreift und man in Folge dessen über sehr weite Strecken hin.den unmittelbaren Contact zwischen Flyschablagerungen und cretacisch- eocänen Kalken beobachten kann. Speciell die Umrandung des Atä- viros (Mt. Attayaro), der bedeutendsten Kalkmasse, ist es, welche diesbezüglich die grösste Wichtigkeit erlangt. Aber auch die anderen Grenzstrecken, die kleinen Kalkaufbrüche mitten im Flysch nicht zu vergessen, kommen dabei wohl nicht minder in Betracht. Die petrographische Ausbildung der eocänen Flyschablagerungen in dem westlichen Gebiete ist im Allgemeinen eine sehr gleich- förmige, und regional beschränkte facielle Abweichungen von der Art, wie wir sie in der Ostregion kennen gelernt hatten, machen sich nirgends bemerkbar. Ueberall herrscht nahezu derselbe Wechsel zwischen bunten, bröckligen, seltener plattigen Mergelschiefern und grauen bis grünlichen, festen, meist in einzelnen Bänken vertheilten, häufig Hieroglyphen führenden Sandsteinen, zu denen sich dann als weitere Einlagerungen plattige oder schiefrige, zuweilen auch breccien- artige Kalke gesellen. Neben den gewöhnlichen Sandsteinbänken erscheinen manchmal auch kalkige Sandsteine, und es trifft bei ihnen ebenso, wie bei den Schiefern, öfters zu, dass sie röthlich gefärbt sind. Zwischen einzelnen Strecken äussern sich eigentlich nur darin gewisse bemerkenswerthere Unterschiede, dass da und dort, wie bei- spielsweise in der Gegend von Kästelos, die Sandsteinbänke häufiger werden, an anderen Stellen dagegen wieder die Mergelschiefer mehr überhandnehmen. Wenn man einen Vergleich mit dem vorhin be- sprochenen östlichen Gebiete zieht, so fällt es unter Anderem auch auf, dass hier im Grossen und Ganzen die kalkigen Zwischenlagen eine ‚viel geringere Rolle spielen als dort, was sowohl auf ein gewisses Zurücktreten solcher Einschaltungen, als auch auf eine Ver- minderung der Mächtigkeit derselben zurückgeführt werden kann. Nummuliten wurden blos an einigen wenigen Punkten in einem dunkel- grauen, den Sandsteinen und Schiefern eingelagerten Breccienkalke gesehen. Im Uebrigen ist noch zu erwähnen, dass nicht weit von Kästelos auch Gyps vorkommt. Die Schichten sind hier, wie in den anderen Regionen, durchwegs ausserordentlich stark, meistens in ganz verworrener Weise gefaltet und zerknittert, so dass eine ausgeprägte Streichungsrichtung nicht erkennbar. ist. Dabei lassen sich vielfach Brüche constatiren, und manche Strecken müssen direct als Einbruchsfelder der beiden ältesten Schichtgruppen aufgefasst werden, wenn die an bestimmten Grenzen einzelner Kalkstöcke sich zeigenden Lagerungsverhältnisse erklärt werden sollen. Normale, concordante Ueberlagerung der [57] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 573 zum Theil eretacischen, zum Theil eocänen Kalke durch den eocänen Flysch wurde bekanntlich daselbst nur an zwei Punkten beobachtet, bei Mavranera im Nordosten und bei Ayos Isfdoros im Süden des Atäviros (Mt. Attayaro), besonders deutlich in dem letztgenannten schmalen Flyschstreifen, der, allmälig unter levantinischen Schottern verschwindend, den Atäviroskalk noch ziemlich weit über Ayos Isfdoros hinaus in der Richtung gegen das Monastir Artamiti begleitet. Da diese Verhältnisse bereits früher eingehend geschildert worden sind, kann hier wohl, um Wiederholungen zu vermeiden, von ihrer weiteren Berührung Umgang genommen werden. In tektonischer Hinsicht sehr interessant erscheint namentlich der westliche Theil unseres Gebietes. Hier stellt sich unter Anderem die zwischen dem Akramiti (Mt. Akramytis) und dem Atäviros (Mt. Attayaro) durchziehende Zone von Flyschbergen, wenigstens nach verschiedenen Anzeichen zu urtheilen, als ein grabenartiges Senkungs- feld dar. Vieles deutet eben darauf hin, dass die beiden grossen Kalkmassen des Atäviros (Mt. Attayaro) und des Akramiti (Mt. Akra- mytis) gegen einander durch Querbrüche abgeschnitten sind, und dass längs dieser Verwerfungen der dazwischen gelegene Streifen der ‘cretacisch-eocänen Kalke sammt den darüber folgenden eocänen Flyschablagerungen um einen gewissen Betrag abgesunken ist. Einem Längsbruche dürfte ferner entsprechen die nordwestliche Begrenzungs- linie des Atäviros (Attayaro) -Stockes bis über Embona hinaus. Man sieht nämlich daselbst in den steil aufstrebenden Wänden überall die Schichtköpfe der cretacisch-eocänen Kalke in einer solchen Weise herausragen, als wäre dieses Schichtensystem parallel der Längs- achse einer Falte abgebrochen, während der unten angrenzende Flysch zum Theil noch in Verbindung mit den der älteren Serie angehörenden rothen, mergeligen Kalkschiefern nebst anderen ähn- lichen Lagen steht und sammt denselben sich bald in vollkommener Schichtenzerknitterung befindet, bald gegen die Atäviroskalke einfällt. Andere Lagerungsverhältnisse scheinen dagegen beispielsweise an den Grenzen des cretacisch - eocänen Kalkterrains vom Cap 'Kopriä vorhanden zu sein. Für Einbruchsvorgänge liegen in diesem Theile zum Mindesten keine Anhaltspunkte vor, und es ist leicht möglich, dass sich hier beide Schichtgruppen normal an einander an- schliessen, doch hindert die ungeheure Schichtenzerknitterung und wirre Durcheinanderfaltung der älteren Kalke mit den Flyschsedi- menten diesbezüglich eine sichere Erkenntniss. 3. Das südliche Gebiet. Eine hervorragende Rolle spielt der eocäne Flysch ferner in dem Aufbaue des südlichsten Theiles der Insel, jener öden Berg- rücken und Hügelzüge, welche in ihrer Mitte die Sumpfebene von Kataviä (Katabia) einschliessen. Mit Ausnahme der Landschaft Gheskero, wo allem Anscheine nach oligocäne Sandsteine entwickelt sind, könnte füglich der ganze vom Khoräkia (Horakia) Vun6 und von der nach einer mittelalterlichen , Burgruine Palaeo Kästro be- nannten Erhebung bis zum Berge Oros und dem Cap Prasonfsi Jahrb. d. k. k. geol. kteichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 74 574 Gejza von Bukowski. [58] (Prasso Nisi), der südlichsten Endigung von Rhodus, sich erstreckende Landstrich als ein eocänes Flyschgebiet bezeichnet werden, wenn es anginge, vollständig abzusehen von den pliocänen Ablagerungen, die, einen mantelförmigen, den Unebenheiten des Bodens sich anschmie- senden Ueberzug bildend, über weite Flächen hin den Untergrund verhüllen und in Anbetracht ihrer wiederholt stärker anschwellenden Mächtigkeit durchaus berücksichtigt werden müssen. | Wir haben hier ein Terrain vor uns, dessen geologische Kartirung insofern sehr grosse Schwierigkeiten bereitet, als man sehr häufig im Unklaren bleibt, ob die pliocäne Decke nur einen dünnen Mantel darstellt und in Folge dessen ganz ausser Acht gelassen werden soll oder eine grössere Mächtigkeit erreicht, was dann ihre Ausscheidung unbedingt erheischt. In den bedeutenderen Erhebungen ist der eocäne Flysch allerdings ziemlich schön entblösst und tritt er in verhältniss- mässig ausgedehnten, mehr zusammenhängenden Aufbrüchen zu Tage; wenn man aber in die Thalniederungen herunterkommt oder die niedrigeren hügeligen Terrainwellen verquert, so bietet sich dem Auge eine continuirlich ausgebreitete wellenförmige Decke jungplio- eäner Strandbildungen dar, und erst aus der Nähe erkennt man, dass darin an zahlreichen Punkten bald kleine, bald grössere Aufschlüsse von Flyschsedimenten verstreut liegen. Es ist nun daraus zu ent- nehmen, dass der oberpliocäne Mantel, der sehr hoch hinaufreicht und selbst auf den höchsten Spitzen dieser Region nicht ganz fehlt, in vielen Fällen sehr dünn ist, und dass der Untergrund überall aus eocänem Flysch besteht. Dabei zeigt es sich auch sehr deutlich, dass die Hauptzüge des Reliefs durch die letztgenannte Schichtgruppe be- stimmt werden. Eine der Wirklichkeit halbwegs entsprechende Darstellung der, wie man ersieht, äusserst verwickelten topogeologischen Verhältnisse würde naturgemäss genaue Begehungen oder wenigstens ein engeres Netz von Touren erfordern. Nachdem aber dieses Gebiet von mir nur ganz flüchtig untersucht werden konnte, so ist es begreiflich, dass diesbezüglich stark schematisirend vorgegangen werden musste. Ich habe mich im Allgemeinen darauf beschränkt, die bergigen Theile und die Hügelzüge als eocänen Flysch zu bezeichnen, das niedrigere Land dagegen, namentlich die breiten Thalweitungen, wo die jung- pliocänen Sande, Conglomerate und tuffigen Kalke in der Regel an Mächtigkeit zunehmen, einfach als oberpliocänes Terrain auszu- scheiden. Besonders gut aufgeschlossen sind die eocänen Flyschablage- rungen in der Berglandschaft des 1010 engl. Fuss hohen Khoräkia (Horakia) Vunö, wiewohl sie auch hier vielfach jungpliocäne Decken- reste tragen. Von dem oligocänen Sandsteingebiete von Mesanagrös (Mesanagrose) scheidet dieselben eine Zone levantinischer Schotter- massen, welche auch weiter gegen Osten und Westen die nördliche Begrenzung dieser Region bilden und erst nahe der Ostküste durch das marine Jungpliocän ersetzt werden. Auf dem vom Monastir Skhiädi (Skathi) nach Kataviä (Katabia) eingeschlagenen Wege, der mich durch die Berglandschaft des Khoräkia (Horakia) Vunö geführt hat, stehen entlang der letzterwähnten Strecke graue Sandsteine im [59] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 575 Wechsel mit bröckligen Mergelschiefern und Nummulitenkalken an. Vor Allem scheinen hier die Sandsteine stark entwickelt zu sein, und mag auch daselbst im Grossen und Ganzen vielleicht das gleiche Ausmass von Faltung wie sonst herrschen, so wurde doch diesmal da und dort ein länger anhaltendes steiles Einfallen der Schichten nach Nordwest beobachtet. Am Palaeo Kästro-Berge östlich von Kataviä (Katabia), sowie in seiner Umgebung treten als Zwischenlagen in den Sandsteinen und Mergelschiefern neben dichten, plattigen Kalken auch graue Con- glomeratkalkbänke auf, welche sich durch zahllose, schön aus- witternde Nummuliten auszeichnen. Die Lagerung ist überall eine sehr verworrene, indem die Schichten sehr stark verbrochen sind und ihr Verflächen auf Schritt und Tritt in regelloser Weise wechselt. Mehreren, auf der Karte nicht eingetragenen Aufbrüchen von Flysch- gesteinen mitten im Jungpliocän wurde dann noch weiter am Wege von Kataviä (Katabia) zum Cap Vigli begegnet. An dem Vorgebirge Istros findet sich ausserdem, überdeckt von horizontal liegenden Sanden und Schottern des Jungpliocän, Gyps, der mit schwarzen Kalkbrocken durchsetzt und ziemlich deutlich gefältelt ist. Dieses Vorkommniss deutet darauf hin, dass auch an der Küste, wo sich die jungpliocänen marinen Ablagerungen von Norden her in einem continuirlich fortlaufenden Streifen ziehen und eine relativ bedeu- tende Mächtigkeit besitzen, die Unterlage durch eocänen Flysch ge- bildet wird. Das wellige Hügelland im Süden der Sumpfebene von Kataviä (Katabia) ist nur ganz oberflächlich untersucht worden; der westliche Theil desselben wurde überhaupt nicht betreten. Unter solchen Um- ständen und im Hinblicke darauf, dass hier also die Verbreitung des Flysches und des Oberpliocän auf der Karte ganz und gar schematisch, wie dies eben nicht anders möglich war, zum Ausdruck gebracht worden ist, wäre es völlig zwecklos, alle jene Punkte aufzuzählen, an denen ich während der einzigen, von Kataviä (Katabia) zum Berge Oros unternommenen Excursion Aufbrüche von eocänen Sandsteinen, Schiefern und Flyschkalken unter der ‚pliocänen Decke angetroffen habe. Es sei blos erwähnt, dass am Oros, wo der eocäne Flysch mehr entblösst ist, in einem nicht harten, leicht verwitternden Sand- stein, der offenbar auch dem Flysch angehört, ähnlich wie bei Sklipiö (Asklepio), Bergholz als secundäre Mineralausscheidung beobachtet wurde. Die kleine, in das Cap Prasontsi (Prasso Nisi) auslaufende Halbinsel, die nur mittels einer schmalen Sandbank mit Rhodus zusammenhängt. weise ich, ohne sie besucht oder aus der Nähe gesehen zu haben, lediglich wegen ihrer unbedeutenden Erhebung über dem Meeresspiegel und flachwelligen Terrainbeschaffenheit, wie viele andere Strecken dieses Gebietes gleichen Charakters, ganz dem Jungpliocän zu. 4. Kleinere isolirte Vorkommnisse. Das Auftreten der eocänen Flyschbildungen auf Rhodus bleibt übrigens keineswegs auf die drei eben beschriebenen Regionen be- 74* 576 Gejza von Bukowski. [60] schränkt. In diese fällt allerdings die Hauptverbreitung, aber es kommen auch noch abseits von denselben an vielen, zum Theil fern von einander liegenden Stellen in Verbindung mit cretacisch-eocänen Kalken oder ganz isolirt mitten in den mächtig entwickelten, ver- schiedenartigen jungtertiären Ablagerungen, welche sehr grosse Flächenräume, ja weit über die Hälfte des gesammten Areals der Insel einnehmen, kleinere Aufbrüche zum Vorschein. Diese wenig aus- gedehnten, für die Beurtheilung der Zusammensetzung des durch das Jungtertiär verdeckten Untergrundes immerhin jedoch sehr wichtigen Vorkommnisse wollen wir nun im Nachstehenden, soweit sie uns bisher bekannt geworden sind, einer kurzen Betrachtung unterziehen. Ihre Zahl wird sich bei Gelegenheit genauerer geologischer Aufnahmen jedenfalls noch stark vermehren. Anknüpfend an die Besprechung des südlichen Gebietes sei zunächst angeführt, dass nördlich von der Berglandschaft des Khorä- kia (Horakia) Vun6, längs des Kataviä (Katabia) mit dem Monastir Skhiädi (Skathi) verbindenden Pfades, im Bereiche der levantinischen Schotter: wiederholt eocäne Flyschgesteine zu Tage treten. Es sind dies bunte bröcklige Mergelschiefer, graue, feste Sandsteinbänke und lichtgraue plattige, dichte Kalke oder graue, Nummuliten einschlies- sende Breccienkalklagen, die in gewöhnlicher Weise mit einander abwechseln und wie fast immer ungeheuer zerknittert erscheinen. Manche dieser schematisch ausgeschiedenen Flyschinseln er- langen sogar eine nicht unansehnliche Grösse. Speciell hier, in der Umrandung des südlichen eocänen Flyschgebietes, wird man gewiss noch auf viele andere solche Vorkommnisse stossen, und da an ein- zelnen Punkten zudem rothe, feste, mergelige Kalkschiefer im Con- nexe mit den vorerwähnten Gesteinen gesehen wurden, so ist es nicht ausgeschlossen, dass da und dort aus den levantinischen Schotter- massen selbst noch die ältere Kalkgruppe auftaucht. Unter ganz ähnlichen Verhältnissen fand ich einige sehr kleine Aufbrüche auch in dem pliocänen Terrain südlich vom Sklipiobache, am Wege von Sklipiö (Asklepio) nach Yennädi (Yannathi). In typischer Ausbildung liegt der eocäne Flysch ferner westlich vom Monastir Kamfri (Kameri) entblösst. Mit Serpentin verknüpft und ganz durcheinandergefaltet, schliesst er sich hier, wie schon früher einmal angegeben wurde, unmittelbar an die nicht weniger zerknitterten eretacisch-eocänen Kalke des Khokhlaköna-Gipfels !) an. Gegen Osten umgeben ihn, ebenso wie den mit ihm im Contacte stehenden creta- eisch-eocänen Kalk, die transgredirenden Thari-Schichten, welche an dem Aufbaue des Terrains bei dem Monastir Kamiri (Kameri) gleich- falls ziemlich stark betheiligt sind. Gegen Westen verschwindet er da- gegen unter den hier sich weit ausdehnenden levantinischen Schottern. Von dem grossen östlichen Flyschgebiete wird diese kleine Partie ober- flächlich blos durch die allerdings nıcht breite, dafür aber sehr mächtige Schotterzone des Khugläk (Huglak) Vunö getrennt. ') Dieser Berg, dessen Name auf der englischen Admiralitätskarte, wie schon erwähnt wurde, fehlt, darf nicht verwechselt werden mit der den gleichen Namen führenden Erhebung, welche nördlich vom grossen Eliasberg liegt, [61] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 577 Weiteren Vorkommnissen begegnen wir an den Rändern der grossen Kalkmasse des Eliasberges und des Spiriötis Vuno (Mt. Spe- riolis). Die sehr starke Entwicklung des Jungtertiärs in der Nord- hälfte von Rhodus, sowohl was Verbreitung, als auch was Mächtigkeit anbelangt, bringt es mit sich, dass von der, wie es scheint, vielfach abgesessenen Flyschhülle dieses Kalkstockes nur ein verschwindend geringer Theil an die Oberfläche tritt. Ungemein zerknitterte, plattige Kalklagen enthaltende Mergelschiefer und Sandsteine biegen zunächst aus der Gegend von Piyes (Piges) um die Nordwestecke des hohen Eliasberg-Rückens, lassen sich aber nicht lang verfolgen, weil sie im Norden von den Paludinenschichten, im Westen von den Thari-Schichten bald vollständig verhüllt werden. Ein schmaler, doch bereits länger anhaltender Flyschstreifen zieht sich dann am Südrande der cretacisch- eocänen Kalke des Eliasberges von Südwest nach Nordost bis über Apöl- lona hinaus. Er besteht aus bunten, bröckligen Mergelschiefern, neben denen sehr häufig auch mehr sandige Schiefer, helle, festere Kalk- mergel, sowie bunte, blättrige Kalkschiefer erscheinen, und aus theils sewöhnlichen, grünlich grauen, sehr harten, dünnbankigen, dabei fein- körnigen, theils braunen, grobkörnigen, sogar ÜConglomeraten sich nähernden Sandsteinen. Die Faltung und die Zerknitterung erreichen durchwegs einen ausserordentlich hohen Grad, und als Folge davon tritt nicht selten der Fall ein, dass die mannigfachen, mit einander wechsellagernden Gesteinsarten geradezu in wirre Haufwerke von Platten und Trümmern aufgelöst sind. Durch die fluviatilen Schotter der levan- tinischen Stufe, welche diesen Flyschzug gegen Süden und Osten ab- grenzen, findet übrigens auch öfters eine Unterbrechung der Continuität desselben statt. Sowohl bier im Süden bei Apöllona, als auch in der mit dem ceretacisch-eocänen Kalk des Eliasberges im Nordwesten zusammen- hängenden Partie sehen wir an die eocänen Flyschsedimente Serpentine gebunden. Mehr als die bis jetzt angeführten von den untergeordneten Auf- brüchen ist geeignet unsere Aufmerksamkeit zu fesseln jene schmale Flyschzone, welche den Kalkstock des Ströngilo von Nordwest nach Südost bis auf eine kurze Strecke im Südosten durchzieht. Dieselbe liegt, die Sohle des engen, schluchtartigen, zwischen dem eigentlichen Ströngilomassiv und dem Arkhipoli (Archipoli) -Rücken verlaufenden Thales bildend, mitten in den cretacisch-eoeänen Kalken eingekeilt. Der petrographische Charakter entspricht hier, wie dies auch schon in dem Flyschstreifen am Südabfalle des Eliasberges zu bemerken war, nicht ganz genau der normalen Ausbildung. Mit bunten, bröckligen Mergel- schiefern und dünnbankigen, harten Sandsteinen wechseln nämlich daselbst vielfach graue, sehr feste Kalkmergel, grobkörnige, direct in Conglomerate übergehende Sandsteine, die ebenfalls ziemlich hart sind und sich meist in dickeren Bänken absondern, blättrige Schiefer und endlich grünlich graue, relativ sehr mürbe Sandsteine. Wegen ihrer Häufigkeit fallen besonders die conglomeratischen Lagen auf. Trotz des im Allgemeinen etwas abweichenden Aussehens kann in diesen Sedimenten doch nur die Vertretung des eocänen Flysches erblickt werden. Einige lose aufgefundene Stücke eines dunklen, breccien- artigen Nummulitenkalkes, wie solcher eben sonst im eocänen Flysch 578 Gejza von Bukowski. [62] vorzukommen pflegt, dürften höchstwahrscheinlich aus dem in Rede stehenden Schichtenverbande stammen und tragen jedenfalls nicht wenig dazu bei. um uns in unserer Auffassung zu bestärken. Was die Lage- rung betrifft, so geht aus der überwiegenden Mehrzahl diesbezüg- licher Beobachtungen hervor, dass die Schichten hier im Grossen und Ganzen nach Nordnordwest streichen, wobei sie theils sehr steil gegen Westsüdwest geneigt, theils vertical gestellt sind. Es zeigt sich ganz deutlich, dass die Richtung des geologischen Streichens, wenigstens in der Flyschzone, nieht genau mit dem Verlaufe des Thales zusammen- fällt, sondern die Thalachse unter einem schiefen Winkel schneidet. Zur völligen Klarlegung der tektonischen Verhältnisse dieses Gebietes, muss ich sagen, reichen die von mir durchgeführten Untersuchungen noch lange nicht hin, und selbst eine solche Ansicht darüber zu äussern, die etwa in Zukunft direet verfochten werden könnte, ist es mir heute nicht möglich. Nur vorläufig halte ich es für das wahrscheinlichste, dass die den Kalkstock des Ströngilo durchsetzenden Flyschbildungen von einer Einfaltung herrühren, in deren eigenthümlicher Zusammen- quetschung sich die allgemein herrschende ausserordentliche Schichten- zerknitterung wiederspiegeln dürfte. Am Ausgange des besprochenen Thales aus dem cretacisch- eocänen Kalkterrain wird der eocäne Flysch durch die levantinischen Schotter überdeckt. Nach einer kurzen Unterbrechung taucht er jedoch an der äusseren, nordöstlichen Seite des Gebirgsrückens von Arkhipoli (Archipoli) wieder auf, aber auch da nehmen seine Aufschlüsse in Folge der starken Ausbreitung der pliocänen Ablagerungen blos einen sehr beschränkten Flächenraum ein. Den eocänen Flyschbildungen zähle ich sodann unter grossem Vor- behalte einige Gesteine bei, welche zwischen dem Yamakhr (Yamashi), dem Zämbika und dem Kalkstocke des Arkhängelos (Archangelo) Vunö aus dem Jungpliocän aufragen und deren Habitus so fremdartig er- scheint, dass es wohl zweifelhaft bleiben muss, ob sie wirklich diesem Schichtensysteme angehören, zumal auch ihr inselförmiges Vorkommen die Altersdeutung wesentlich hindert. Es sind dies vorzugsweise graue, harte, feinkörnige Sandsteine, ferner schiefrige, sandige Kalke, Con- glomeratsandsteine und ein grünlich grauer, fester Quarzsandstein mit Biotit, Chlorit, Feldspath und Carbonaten. In Verbindung mit diesen Gesteinen wurde auch eine Serpentinbreceie beobachtet, und daraus könnte eventuell gefolgert werden, dass es sich dabei um die 'Thari- Schichten handelt. Eine Entscheidung aber darüber, ob hier eocäner Flysch, Thari-Schichten oder vielleicht beide Schichtgruppen zugleich zum Vorschein kommen, wage ich, wie gesagt, nicht zu treffen, und wenn ich mich der ersteren Auffassung hinneige, so geschieht dies hauptsächlich wegen des Vorwaltens der gewöhnlichen harten, fein- körnigen Sandsteine, die solchen des eocänen Flysches vielfach gleichen. Die besagten Aufschlüsse sind übrigens durchwegs sehr klein und lassen in jeder Hinsicht ungemein viel zu wünschen übrig. Aehnlich verhält es sich auch mit gewissen, auf der Karte nicht eingetragenen Sedimenten im Bereiche der Kalkmasse des Arkhängelos (Archangelo) Vunö. Oberhalb des Petröna-Thälchens, gegen den Ort Arkhängelos (Archangelo) zu, findet man auf dem cretacisch- [63] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 579 eocänen Kalk an einer Stelle in ganz geringer Verbreitung grünliche, harte Sandsteine und einen grünlich grauen, fetten Thon, der das Material für die Töpferei von Petröna liefert. Bei der völligen Zer- knitterung der ringsum liegenden und die Basis bildenden Kalke konnte in die Lagerungsverhältnisse ein Einblick nicht gewonnen werden. und so erweisen sich auch diese verhältnissmässig untergeordneten Reste ihrem Alter nach als unbestimmbar. Sichere Spuren eocänen Flysches entdeckte ich dagegen noch am Nordrande des Lindosberges, als ich von Lindos nach Pilöna zog. Auf einer sehr kurzen Strecke, und zwar unmittelbar an der Grenze des eretacisch-eocänen Kalkes, sieht man nämlich dort unter den jung- pliocänen Ablagerungen bunte Mergelschiefer und plattige, grünlich graue, feinkörnige Sandsteine hervortreten, deren Habitus einen Zweifel über ihre stratigraphische Stellung nicht zulässt. Unausgeschieden blieb endlich ein ganz kleines Vorkommen von festem Mergelschiefer, das im Nordtheile der Insel zwischen dem Kloster Kalopetra und der Ortschaft Käto Kalamöna tief unten im Thaleinschnitte unter den in dieser Gegend ausserordentlich mächtig entwickelten levantinischen Flussschottern angetroffen wurde. Der Gesteinsart nach zu urtheilen, kann hier wohl nur an einen Aufbruch von eocänem Flysch gedacht werden. Anschliessend daran muss überdies bemerkt werden, dass auch am Nordfusse des Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda) Aussichten für die Auffindung von eocänen Flyschsedimenten bestehen, nachdem dort die auf Rhodus vornehmlich an dieses Schichtensystem gebundenen Eruptivgesteine, Serpentin und Diabas, constatirt worden sind. III. Oligocäne Flyschbildungen. Wie schon die Ueberschrift sagt, erscheint die dritte, zur Aus- seheidung gelangende, oligocäne Schichtgruppe in der gleichen Facies entwickelt, wie die ihr vorangehende obere Abtheilung des Eocän. Mit Rücksicht darauf ist es denn auch möglich gewesen, dieselbe in dem von mir über die geologische Aufnahme von Rhodus im Jahre 1889 veröffentlichten Vorberichte und auf der dazu beigegebenen Kartenskizze unter der zusammenfassenden Bezeichnung von Flysch- ablagerungen im Allgemeinen provisorisch mit dem eocänen Flysch zu vereinigen. Die gesonderte Behandlung, welche ihr nicht nur wegen gewisser, sie ziemlich scharf kennzeichnender petrographischer Merkmale, sondern auch auf Grund der Lagerungsverhältnisse gebührt, blieb auf diese Weise erst für die vorliegende, definitive Arbeit vor- behalten. Ungeachtet der Fortdauer der sandig-mergeligen Entwicklung ergeben sich hier schon beim ersten Anblicke so deutlich ausge- sprochene Unterschiede im Gesteinshabitus, dass dieser Schichten- complex auch ohne andere zwingende Momente, worunter der Beginn eines neuen Tertiärabschnittes nicht wenig ins Gewicht fällt, eine Abtrennung fordern würde. Während in dem eocänen Flysch, wie wir gesehen haben, ein rascher Wechsel von bunten, bröckligen Mergel- schiefern und dünnbankigen, harten Sandsteinen mit wiederholten 580 Gejza von Bukowski. [64] Kalkeinlagerungen herrscht, bestehen die oligocänen Flyschbildungen vorzugsweise aus massig aussehenden, grauen, bald festeren, bald etwas weicheren, zumeist feinkörnigen Sandsteinen, die sich fast immer in sehr dicken Bänken abgesondert zeigen. Als Zwischenlagen kommen darin wohl auch nicht selten weiche Mergelschiefer und dicker ge- bankte, thonig-sandige Mergel vor ; diese spielen jedoch hier im Ganzen eine weitaus geringere Rolle als in der älteren eocänen Flysch- abtheilung. Zur Vervollständigung der Charakteristik bleibt nur noch hinzuzufügen übrig, dass in den massigen Sandsteinen stellenweise Kalkgerölle beobachtet wurden, die in der Regel vereinzelt auftreten und ihrer Mehrzahl nach aus den cretacisch-eocänen Kalken stammen dürften. Wir vermissen also in dem oligocänen Flysch vor Allem jede Art von kalkigen Einschaltungen und können daher sagen, dass sich daselbst eine reine, typische, sandig-mergelige Facies einstellt. Die Erkenntniss, dass man es hier mit oligocänen Bildungen zu thun hat, stützt sich auf einen Fund zahlreicher unteroligocäner Fos- silien in dem Hauptverbreitungsgebiete von Mesanagrös (Mesanagrose). Um der Detailschilderung nicht vorzugreifen, sei diesbezüglich an dieser Stelle nur das Allerwesentlichste mitgetheilt. Der genannte wichtige Fund ist in den Nordausläufern des Skhiadi Vunö (Mt. Skathi) bei dem Abstiege nach Väthi gemacht worden. In den massigen Sandsteinen jener Region stiess ich auf eine thonig-mergelige Bank, welche, eine verhältnissmässig sehr dünne Zwischenlage bildend, ganz von Versteinerungen erfüllt ist und direct als eine Lumachelle be- zeichnet werden kann. Die daraus entnommene, sehr reiche, vor- wiegend aus Gastropoden, Lamellibranchiaten, Korallen und Nummu- liniden bestehende Fauna gehört dem Unteroligocän an und stimmt, indem sie sich ihrem ganzen Charakter nach zunächst an das vicen- tinische Tertiär anlehnt, mit der Fauna der Sangonini - Schichten überein. Ist auch nun dadurch, wie man sieht, ein sehr werthvoller An- haltspunkt für die Altersfeststellung gegeben, so sind wir, nachdem die Hauptmasse der Sandsteine keine Versteinerungen birgt und die Position des fossilführenden Niveaus vorderhand nicht genau bekannt ist, doch immer noch nicht im Besitze der Mittel, um die strati- graphischen Grenzen nach unten und nach oben sicher zu bestimmen, mithin über den vollen stratigraphischen Umfang dieser Schicht- gruppe zu urtheilen. Als feststehend kann eigentlich nur die Ver- tretung des Unteroligocän gelten; die Frage dagegen, ob hierin auch höhere Glieder, eventuell das ganze Oligocän, inbegriffen erscheinen, muss noch offen gelassen werden. Auch über das Lagerungsverhältniss zu den eocänen Flysch- bildungen können in Anbetracht der durch die sehr starke Faltung verursachten Schwierigkeit einer Ermittlung desselben und der Un- zulänglichkeit meiner Untersuchungen vorläufig nur Muthmassungen auf Grund gewisser Anzeichen geäussert werden. Auf meinen Touren bot sich mir vor Allem keine Gelegenheit, den unmittelbaren Contact oder eine Ueberlagerung zu ‚beobachten. In dem allseits von levantinischen Schottern umschlossenen oligoeänen Hauptgebiete von Mesanagrös (Mesanagrose) habe ich allerdings mehrmals stark zer- [65] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 581 knitterte Schichten angetroffen, die sehr an eocäne Flyschbildungen erinnerten, aber nirgends war es möglich, bestimmt zu sagen, dass dort wirklich diese Schichtenserie vorliegt, und wegen der ungemein grossen Störungen konnte auch in keinem von den Fällen das Lage- rungsverhältniss zu den daneben vorkommenden, sicher oligocänen Ab- lagerungen erkannt werden. Für die Beurtheilung dieser wichtigen Frage bieten in Folge dessen vorläufig nur die allgemeinen Faltungs- erscheinungen eine gewisse Handhabe. Im Gegensatze zu dem eocänen Flysch, dessen Schichten in der Regel völlig zerknittert und nach allen Richtungen gebrochen sind, wo also die Störungen nahezu das äusserste Ausmass erreichen, stellt sich bei den oligocänen Sedimenten die Faltung als weitaus weniger vorgeschritten dar. In den von mir untersuchten Gebietstheilen konnte wenigstens nirgends, wo kein Zweifel darüber vorhanden war, dass man ÖOligocän vor sich hat, eine so starke Schiehtenzerknitterung wahrgenommen werden, wie im eocänen Flysch. Es zeigt sich viel- mehr fast überall, dass die massigen oligocänen Sandsteine sammt den ihnen eingeschalteten mergeligen Lagen ihre weniger häufig wechselnden Neigungen auf längere Erstreckung hin beibehalten, und dieser Umstand weist entschieden darauf hin, dass sie im grossen Ganzen in ziemlich regelmässige einfache Falten, die übrigens auch öfters von Verwerfungen begleitet sein mögen, gelegt sind. Im ersten Augenblicke Könnte nun als naheliegend die Meinung platzgreifen, dass der eben erwähnte Unterschied zwischen dem eocänen und dem oligocänen Flysch durch die geringere Plastieität der oligocänen Sandsteine bedingt sei. Wenn man jedoch bedenkt, dass die eocänen Sandsteine und auch die cretacisch-eoeänen Kalke, trotz- dem sie meist noch härter und spröder sind, vollständig durcheinander- gefaltet erscheinen, so muss aus den geringeren Störungen in den oligocänen Absätzen in erster Linie auf ein discordantes Verhältniss geschlossen werden. Man darf es zum Mindesten als sehr wahrschein- lieh bezeichnen, dass der eocäne Flysch schon vor der Ablagerung der oligoeänen Sandsteine faltenden Kräften ausgesetzt war. Wie ich noch- mals zu betonen mich bemüssigt sehe, handelt es sich aber hier vorderhand blos um eine Annahme, die auf ihre Richtigkeit zu prüfen erst die Aufgabe neuer, eingehenderer Untersuchungen sein wird. Hinsichtlich des landschaftlichen Charakters macht sich gegen- über den eoeänen Flyschgebieten ein wesentlicher Unterschied nicht bemerkbar. Das oligocäne Terrain stellt sich als ein ziemlich unwirth- liches, nur mässig hohes Bergland dar, das sich im Allgemeinen noch am besten für die Waldeultur eignet. Im Einklange mit dem Ge- steinscharakter und mit der im Vergleiche zu den eocänen Flysch- strecken minder gestörten Schichtenlagerung begegnet man in dem- selben nur selten stark zerrissenen Bergformen. 1. Das Gebiet von Mesanagrös. Sieht man von den bezüglich ihres Alters vorläufig zweifelhaft bleibenden, möglicherweise noch dem Eocän zufallenden, dicker ge- bankten Sandsteinen ab, welche auf der Route von dem Gehöfte Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 75 582 Gejza von Bukowski, [66] Pilonit (Peloneet) nach Lärtos (Lardos) beobachtet und schon bei der Beschreibung der grossen östlichen eocänen Flyschregion kurz erwähnt wurden, so kann auf Grund unserer bisherigen Kenntniss des geo- logischen Baues von Rhodus behauptet werden, dass diese Schicht- gruppe nur in dem südlichsten Theile der Insel auftritt. Sie nimmt hier vor Allem den langgedehnten Bergrücken des Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) sammt seinen reicher gegliederten südöstlichen Ausläufern ein, so wie den langen, im Norden von ihm abzweigenden Höhenzug, der zunächst nach Ostsüdost streicht, sich aber dann später wieder gegen Nordost wendet. Die gleiche Zusammensetzung hat auch das niedrigere, dazwischen gelegene Terrain. Von fluviatilen levantinischen Sehottern und Sanden rings umgeben, reicht dieses Gebiet im Süden bis nahe an den Khoräkia (Horakia) Vunö; in dem nordöstlich weit vorspringenden Sporne erstreckt es sich bis zu dem tief eingeschnittenen, von Väthi nach Yennädi (Yannathi) in vielen Windungen sich ziehen- den Thale. Das Dorf Mesanagrös (Mesanagrose), nach dem man es kurzweg bezeichnen kann, liegt mitten in demselben, auf der Höhe eines im Südosten mit dem Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) zusammen- hängenden Bergrückens. Damit man weiss, in welchen Theilen meine als erste Orienti- rungsversuche aufzufassenden Untersuchungen durchgeführt worden und welche Gegenden unbesucht geblieben sind, erachte ich es diesmal für zweckmässig, die daselbst von mir gemachten Touren anzugeben. Den Skhiädi (Skathi) -Rücken, der von den Umwohnern häufig auch Stavros Vunö genannt wird, verquerte ich zwischen dem auf seinem Westabhange stehenden Monastir Skhiädi (Skathi) und Mesanagrös (Mesanagrose).. Um sodann von dem letztgenannten Punkte nach Väthi zu gelangen, benützte ich den kürzesten Verbindungsweg, einen beschwerlichen Gebirgspfad, und durchzog ich auf diese Weise das (ebiet der Länge nach. Endlich lernte ich noch auch die dem Athiädi Vunö (Kara Use) zugekehrte Strecke kennen, indem ich bei einem zweiten Besuche von Mesanagrös (Mesanagrose) gegen Süden abge- stiegen und dem nach Lakhaniä (Lachania) führenden Thale ge- folgt bin. Die wichtigsten Ergebnisse aus den dabei gesammelten Beob- achtungen wurden, namentlich was die Gesteinsentwicklung betrifft, bereits in dem vorigen Capitel mitgetheilt. Es bleibt mir daher hier in mancher Beziehung nur wenig nachzutragen übrig. Zwischen dem Monastir Skhiädi (Skathi) und Mesanagrös (Mesanagrose), sowie am Wege von Mesanagrös nach Väthi, der die beste Uebersicht gewährt, stehen überall die grauen, massigen, in dicken Bänken abgesonderten Sandsteine an und sieht man von den mergeligen Zwischenlagen ver- hältnissmässig nicht sehr viel. Die weiten Ausblicke und die günstige Terrainaufdeckung gestatten auch den Bau der entfernteren Strecken wenigstens im Wesentlichen zu erkennen. Der Gesammteindruck, den die Lagerungsverhältnisse hervorrufen, ist der, dass die oligocänen Sedimente mehrere, zum Theil ziemlich grosse, wenn auch, wie es scheint, nicht immer ganz regelmässige und bruchfreie Falten bilden, und da sich in dem Einfallen vorwiegend zwischen der nordwestlichen und der südöstlichen Richtung ein. Wechsel bemerkbar macht, so darf [67] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 583 man annehmen, dass im Grossen und Ganzen nordöstliches Schichten- streichen herrscht. An stärker gestörten Partien, wo mitunter selbst von einer Durcheinanderfaltung die Rede sein kann, fehlt es übrigens auch da nicht; dieselben .treten jedoch durchgehends sehr in den Hintergrund. Als Beispiel hiefür kann unter Anderem jener kleine Gebietstheil dienen, in welehem Mesanagrös (Mesanagrose) liegt. Ausser deutlich ausge- sprochener verworrener Faltung nimmt man hier auch eine stärkere Zunahme der mergeligen Absätze wahr, und unter Berücksichtigung aller Umstände drängen sich unwillkürlich Zweifel auf, ob dieser Schichtencomplex dem Oligocän angehört. In Anbetracht dessen, dass der Gesteinscharakter weder mit der typischen Ausbildung des eocänen Flysches, noch auch mit solcher der oligocänen Ablagerungen völlig übereinstimmt, wäre es aber heute wohl verfrüht, diesbezüglich ein entscheidendes Urtheil zu fällen. Das Gleiche gilt dann, wie gesagt, noch von anderen beschränkten Stellen in dem südlichen Abschnitte unseres Gebietes, an denen eine ähnliche Vergesellschaftung von Sedi- menten im Zustande beinahe gänzlicher Zerknitterung angetroffen wurde. Dass vor Allem in den südlichen Ausläufern des Skhiädi Vunö (Mt. Skathi), deren Durchforschung eben noch vollständig aussteht, sich die eocäne Flyschunterlage wird nachweisen lassen, halte ich deshalb für höchst wahrscheinlich, weil gerade hier besonders tiefe Einrisse vorhanden sind und es ausserdem bereits festgestellt ist, dass in der nächsten Nähe, gegen das Khoräkia (Horakia) Vunö zu, mitten in den levantinischen Schottern wiederholte Aufbrüche von eocänem Flysch vorkommen. Dieses ist auch in der That das Terrain, in dem die Lösung der Frage nach dem Lagerungsverhältnisse zwischen den beiden Sehichtenserien zunächst erwartet werden darf. Bei der Anfertigung der vorliegenden Uebersichtskarte blieb mir aber, wie man wohl zu- geben wird müssen, kein anderer Ausweg übrig, als vorderhand das gesammte Gebiet von Mesanagrös (Mesanagrose) dem Oligocän zu- zuweisen. Mergelige Einschaltungen in den grauen, diekbankigen, oligocänen Sandsteinen treten etwas häufiger in der Gegend südöstlich von Mesana- grös (Mesanagrose) auf. Am Nordostende des Terrains, in dem von Väthi nach Yennädi (Yannathi) laufenden Thale, wurde als Zwischen- lage in massigen Sandsteinen auch ein nicht, wie sonst, grünlicher oder brauner, sondern grauweisser, thonig-sandiger, ziemlich leicht zerbröckelnder Mergel beobachtet. Die Angabe Spratt’s über ausgedehnte Vorkommen vulkanischer Massen am Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) fand durch meine Unter- suchungen keine Bestätigung. Weder längs der durchmessenen Weg- strecken, noch auch in jenen Gebietstheilen, deren Zusammensetzung aus der Ferne genügend beurtheilt werden konnte, sind vulkanische Gesteine bemerkt worden, und sah ich hier überhaupt nirgends sonst irgendwelche Anzeichen, welche auf deren Vorhandensein schliessen liessen. Sollte es einmal dennoch gelingen, an dem einen oder dem anderen Punkte dieser Region Eruptivmassen im Anstehenden zu ent- decken, so kann man also heute schon bestimmt sagen, dass sie in keinem Falle sehr grosse Flächenräume einnehmen würden. Wir 75* 584 Gejza von Bukowski. [68] werden übrigens später die Gelegenheit haben, uns mit den Eruptiv- gesteinen auf Rhodus und mit den einschlägigen Literaturangaben noch eingehender zu beschäftigen und können daher jetzt von einer weiteren Erörterung dieses Themas abstehen. Wie ich bereits angeführt habe, ist es mir geglüekt, in der oligocänen Schichtenserie von Mesanagrös, am Wege von Mesanagrös (Mesanagrose) nach Vaäthi, ein fossilführendes Niveau aufzufinden, dessen reiche Fauna uns in den Stand setzt, das Alter besagter Ab- lagerungen wenigstens innerhalb gewisser Grenzen mit Sicherheit zu constatiren. Bei der Ueberschreitung des im Norden vom Skhiädt (Skathi) -Rücken fast unter rechtem Winkel gegen Ostsüdost ab- zweigenden Bergriegels fiel mir in den massig entwickelten Sandsteinen eine dünne mergelige Bank auf, die schon von Weitem eine Fülle von Versteinerungen erkennen liess und sich bei näherer Untersuchung thatsächlich als eine Lumachelle herausgestellt hat. Die betreffende Fundstelle liegt hoch oben, nahe dem Kamme, ungefähr dort, wo der Abstieg nach Väthi beginnt. In ihrem Bereiche erscheinen die Schichten sleichmässig nach Südost geneigt. Die Fauna dieses versteinerungsreichen Horizontes, welche wir nun genauer betrachten wollen, setzt sich, wie im Laufe unserer Dar- stellungen schon erwähnt worden ist, vornehmlich aus Gastropoden, Lamellibranchiaten, Korallen und Nummuliniden zusammen. An Mol- lusken enthält meine Oollection über 50 Arten, welche sich auf etwa 30 Gattungen vertheilen. Die Mehrzahl der Stücke ist allerdings ziem- lich stark verdrückt und entbehrt vielfach der Schale, so dass eine voll- kommen sichere Speciesbestimmung nicht vorgenommen werden kann. Daneben kommen aber auch Exemplare vor, deren Erhaltungszustand relativ wenig zu wünschen übrig lässt. Bei der Zusammenstellung der nachstehenden Fossilliste habe ich es angezeigt gefunden, nur die letzteren zu berücksichtigen. Für unsere Zwecke genügt es auch voll- ständig, aus dem mir vorliegenden Material folgende Formen an- zuführen: Conus diversiformis Desh. Strombus auricularis Grat. Voluta elevata Sow. Voluta suturalis Nyst Voluta cfr. harpula Lam. Solarium plicatum Lam. Pleurotoma turbida Brand. Diastoma cfr. costellatum Lam. kburnea Caronis Brong. Natica efr. spirata Desh. Cassidaria ambigua Brend. Gryphaea Brongniarti Bronn Ostrea cfr. gigantean Brand. Janira arcuata Brocchi Cardium fallax Michel. Crassatella aff. neglecta Michel. [69] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 585 In Bezug auf Häufigkeit nehmen Gryphuea Brongniarti Bronn und Cardium fallae Michel. unter diesen Arten den ersten Rang ein. Beide treten in sehr grosser Individuenmenge auf. Durch mehrere Exemplare sind ferner bei mir repräsentirt: Conus diversiformis Desh., Strombus aurieularis Grat; Voluta cfr. harpula Lam., Voluta elevat« Sow., Solarium plicatum Lam., Diastoma .cfr. costellatum Lam. und Janira arcuata Brocchi. Die übrigen Species dürften dagegen, nach meiner Aufsammlung zu urtheilen, etwas seltener vorkommen. Im Anschlusse an die obige Liste wären dann noch einige, in verhältnissmässig wohl erhaltenen Stücken vorliegende Formen zu nennen, welche vorderhand mit den bisher bekannten Typen nicht identificirt werden konnten, und die man später einmal gelegentlich einer gründlichen Bearbeitung der Fauna vielleicht als neu aufzufassen genöthigt sein wird. Es sind dies: Scalaria sp., eine schöne, ziemlich grosse Art mit stark ge- wölbten, rasch anwachsenden Windungen, zahlreichen dünnen, dabei scharfen, geraden Querrippen, die durch weite Zwischenräume getrennt werden, und mit vielen, gleich weit von einander abstehenden Spiral- linien, welche schwächer als die Querrippen sind. Sie schliesst sich meiner Ansicht nach am nächsten an die durch v. Koenen aus dem norddeutschen Unteroligocän abgebildete Scalaria n. sp. v. Koenen (Abhandl. zur geolog. Specialkarte von Preussen ete., Band X, Heft 3, Berlin 1891, S. 770, Taf. 50, Fig. 10) an, weicht aber von ihr vor Allem durch die bedeutend grösseren Dimensionen ab. Pleurotoma 2 sp., zwei möglicherweise neue, sehr stark verzierte Arten, von denen eine hinsichtlich der Gestalt und der Sculptur sich in erster Linie an Pleurotoma microchela Edwards and Wood aus dem englischen Eocän anzuschliessen scheint. Mathilda n. f. dürfte mit Mathilda tripartita v. Koenen aus dem norddeutschen Unteroligocän nahe verwandt sein. Sowohl in der Gestalt der Windungen, als auch in der feinen Schalensceulptur hat sie wenigstens mit ihr am meisten Aehnlichkeit. Arca sp., eine kleine, besonders durch ihre sehr charakteristische Verzierung, in der sie einigermassen an Arca margaritula Desh. aus dem Pariser Grobkalk erinnert, auffallende Form. Die Sculptur besteht aus groben, dichtstehenden, concentrischen Streifen, welche durch reihenförmig angeordnete, namentlich gegen den Unterrand zu kräftig hervortretende Körner gebildet werden. Von Längsstreifen findet sich keine Spur. Pectunculus n. f., ausgezeichnet durch eine sehr kleine Area und eine ganz eigenthümliche Schalenverzierung, welche sich aus ziemlich kräftigen, dichtgedrängten Längsrippen und ebenso starken eoncentrischen Streifen zusammensetzt. An den Kreuzungsstellen ent- stehen viereckige Knoten, und da die Zwischenfelder gleichfalls vier- eckig sind, so erscheint in Folge dessen die Oberfläche regelmässig gegittert. Die beträchtliche Zahl der in meiner Collection befindlichen Exemplare weist darauf hin, dass diese Art auf Rhodus sehr häufig ist. 586 Gejza von Bukowski. [70] Die wegen ihres ungünstigen Erhaltungszustandes nicht genau bestimmbaren und deshalb vorderhand unberücksichtigt gelassenen Formen gehören zu den Gattungen Dentalium, Terebellum, Conus, Natica, Solarium, Turritella, Cerithium, Fusus, Oypraea, Trochus, Turbo, Xenophora, Vermetus, Pectunculus, Peeten, Venus und Spondylus. Neben Mollusken spielen in unserer Fauna, wie gesagt, auch Einzelkorallen eine hervorragende Rolle, und an dieselben reihen sich dann, was Häufigkeit anbelangt, Nummuliten aus der Gruppe der Striatae an. Das sicher constatirte Vorkommen von Nummulites vasca Joly et Leym. spricht mit Entschiedenheit für die Vertretung des achten, ‘obersten Nummulitenhorizontes de la Harpe’s und steht in vollkommenem Einklange mit der ganzen übrigen Artenvergesell- schaftung. Etliche kleine Fragmente von Echiniden und Crustaceen- spuren bilden endlich den Schluss der bis jetzt erzieiten palaeonto- logischen Ausbeute. Angesichts der hier eitirten Fossilien kann wohl nicht der mindeste Zweifel darüber obwalten, dass die beim Abstiege nach Väthi angetroffene mergelige Schicht und die sie einschliessenden 'dickbankigen Sandsteine unteroligocänen Alters sind. Aus dem ganzen Charakter dieser Fauna ergeben sich vor Allem zu den oligocänen Ablagerungen des vicentinischen Gebietes unverkennbar sehr nahe faunistische Bezie- hungen. Eine Besprechung der verticalen und geographischen Verbrei- tung der einzelnen Arten dürfte in Anbetracht dessen, dass es sich dabei durchwegs um gut bekannte Typen handelt, vollkommen über- flüssig sein. Auf Grund der in dem vicentinischen Tertiär, welches hier in erster Linie zum Vergleiche herangezogen werden muss, bereits diesbezüglich durchgeführten umfassenden Studien, namentlich durch Th. Fuchs (Beitrag zur Kenntniss der Conchylienfauna des vicenti- nischen Tertiärgebirges. Denkschr. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, 1870) und E. Munier-Chalmas (Etude du Titonique, du Cretace et du Tertiaire du Vicentin, Theses presentees a la faculte des sciences de Paris ete., Paris 1591) sind wir ja doch in der Lage, so- fort bestimmt sagen zu können, dass der in Rede stehende Theil der Schichtgruppe ein Aequivalent der Schichten von Sangonini darstellt. Was Anderes ist es hingegen, wern wir über den stratigraphischen Umfang der ganzen Masse der in dem Gebiete von Mesanagrös (Me- sanagrose) entwickelten jüngeren Flyschablagerungen urtheilen wollten. Hiezu mangelt es uns, wie schon früher betont wurde, noch an An- haltspunkten; wie weit diese Bildungen stratigraphisch nach oben hinaufreichen, ob sie auch höhere Glieder des Oligocän umfassen, wofür wenigstens ihre bedeutende Mächtigkeit zu sprechen scheint, bleibt demnach vorläufig unaufgeklärt. 2. Das Gebiet Gheskero. Als ich einerseits von Kataviä (Katabia), an dem Südrande des Berges Palaeo Kästro vorbei, nach Lakhania (Lachania), andererseits von Kataviä (Katabia) zum Cap Vigli und von dort zum Cap Istros zog, gewann ich vom Wege, der mich zumeist auf der jungpliocänen Decke geführt hat, aus einiger Entfernung. den ‚Eindruck, dass in dem [71] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 587 plateauartigen Hügelterrain Gheskero graue massige Sandsteine vor- walten. Es liegt daher die Vermuthung sehr nahe, dass dort ebenfalls oligoeäne Ablagerungen auftreten. Da jedoch in dieses kleine Gebiet gelegentlich seiner fast vollständigen Umkreisung nirgends direct ein- gedrungen wurde, so kann ich für die Richtigkeit der Ausscheidung keineswegs bürgen. Dessen Einreihung in das Oligocän, zu der ich mich, vor der Wahl zwischen eocänem und oligocänem Flysch stehend, lediglich durch den an die Flyschbildungen der Region von Mesana- grös (Mesanagrose) erinnernden, aber, wie gesagt, nicht aus unmittel- barer Nähe constatirten Sedimentcharakter veranlasst gesehen habe, möchte ich in der That nur als eine provisorische betrachtet wissen, IV. Thari-Schichten. Mit diesem Namen bezeichne ich eine in petrographischer Be- ziehung sehr hervorstechende Schichtgruppe, welche ihren Lagerungs- verhältnissen nach dem ‚Jungtertiär angehört, deren Alter jedoch genauer wegen Mangels charakteristischer Fossilien vorläufig nicht bestimmt erscheint. Da es keineswegs ganz ausgeschlossen ist, dass sie das ältere Neogen repräsentirt, wofür mir allerdings keine Anhalts- punkte vorliegen, so erachte ich es für zweckmässig, ihr bei der Be- sprechung der jungtertiären Ablagerungen die erste Stelle einzuräumen. In Folge der eigenthümlichen, auffallenden Gesteinsausbildung lässt sich dieselbe ausserordentlich leicht kartographisch ausscheiden und erfordert sie schon aus diesem Grunde allein eine gesonderte Behandlung. Gleich im Voraus muss aber auch bemerkt werden, dass es vorderhand noch un- entschieden bleibt, ob sie eine marine oder eine Binnenablagerung sei. Das Hauptsediment bilden grüne Sandsteine, von denen der weitaus grössere Theil sich als reiner Serpentinsandstein erweist. Eine wichtige Rolle spielen daneben grüne oder röthlichbraune Conglomerat- sandsteine, an deren Zusammensetzung Serpentinkörner gleichfalls einen sehr wesentlichen Antheil nehmen. Allgemeine Verbreitung besitzen sodann eigenthümliche Conglomerate, welche vornehmlich aus Geröllen verschiedener Eruptivgesteine bestehen, in denen Kaikgerölle dagegen stark zurücktreten. Endlich sind noch grünlichschwarze Schiefer an- zuführen, die aber im Grossen und Ganzen eine mehr locale Bedeu- tung erlangen. Alle diese Sedimente stehen einestheils mit einander in Wechsellagerung, “andererseits findet man auch häufig, dass sie einander streckenweise ersetzen. Was nun zunächst die Sandsteine anbelangt, so stellt sich die Hauptmasse derselben, wie schon gesagt wurde. als reiner Serpentin- sandstein dar. Dieser erscheint stets intensiv grün gefärbt und setzt sich mitunter fast ausschliesslich aus Serpentinrollstückchen zusammen, deren Grösse zwischen ziemlich weiten Grenzen schwankt, so dass man allen Abstufungen von einem äusserst feinen bis zu einem sehr grobkörnigen, bereits einen Uebergang zu Conglomeraten bildenden Sandstein begegnet. Hiebei besteht auch das Bindemittel häufig blos aus feinem Serpentinzerreibsel. Als Gemengtheile treten sodann in manchen Abarten Erzpartikel, Chlorittheilchen, Kalkkörner, sehr untergeordnet 588 Gejza von Bukowski. [72] ausserdem Bronzitschuppen und Quarz auf, doch überall lässt sich constatiren, dass Serpentinkörner weitaus überwiegen. Eine andere besondere Sorte bilden solche Sandsteine, welche beinahe zur Hälfte aus kohlensaurem Kalk bestehen, in denen dieser das reichlich vor- handene Bindemittel ausmacht zwischen den gleichmässig vertheilten Serpentinkörnern und den übrigen nebensächlichen Bestandtheilen. Die mikroskopische Untersuchung der mitgebrachten Proben hat schliess- lich auch das Vorkommen von Serpentinsandsteinen ergeben, in denen als Bindemittel ein wasserhältiges structurloses Silieat auftritt. Während die ganz reinen Serpentinsandsteine durchgehends dunkelgrün sind, ändert sich die Färbung der unreinen Abarten je nach deren Zu- sammensetzung und dem Ausmasse der Verwitterung nicht unbeträcht- lich, indem sie bald ins Grünlichgraue, bald ins Röthliche oder auch ins Gelbliche und Weisse übergeht. Mit wenigen Ausnahmen zeichnen sich die Sandsteine der Thari- Sehiehten durch einen verhältnissmässig geringen Grad von Festigkeit aus. Zuweilen stosst man sogar auf Bänke, die so mürbe sind, dass sie zewissermassen nur die Bezeichnung eines halberhärteten Sandes verdienen. Wo die Schiehtung deutlicher ausgesprochen ist, was nicht überall zutrifft, dort sieht man, dass die Absonderung in der Regel in ganz dünnen Bänken stattfindet. Die cleavage und die geringe Härte bewirken es, dass das Gestein ungemein leicht und stark zerbröckelt. Dadurch wird natürlich die Schiehtung noch mehr verwischt, und deshalb gelingt es auch nur schwer, ein grösseres Gesteinsstück durch Schlagen zu erhalten. Neben Gebieten mit halbwegs deutlich wahr- nehmbarer Schichtung der Sandsteine kommen ferner auch Strecken vor, auf denen die Bankung nahezu gar nicht ausgeprägt erscheint. In solchen Fällen machen die Sandsteine den Eindruck, als hätte man eine manchmal in ihrer ganzen Mächtigkeit compacte, ungegliederte, dabei aber leicht zerfallende Sedimentmasse vor sich, und nur dort, wo sich Einschaltungen von Schiefern und Conglomeratbänken finden, kann dann das Schichtstreichen und Verflächen ermittelt werden. In engster Verknüpfung mit den Sandsteinen stehen dunkle, ziem- lich harte, wegen ihrer eigenartigen Zusammensetzung sehr auffallende Conglomerate, Ablagerungen, deren weite Verbreitung in diesem Sehiehtensysteme ihnen darin eine hohe Bedeutung verleiht. Sie bilden nahezu überall bald mächtigere, bald dünnere Einlagerungen in den oben geschilderten Sandsteinen, und da sie der Denudation besser wider- stehen, sieht man häufig, dass sie als schützende Decke die anderen, leichter verwitternden, weicheren Sedimente krönen. Es hat demnach zuweilen den Anschein, als würde mit ihnen die ganze Schichtgruppe abschliessen. Die Gerölle, aus denen diese Conglomerate bestehen, stammen fast durchwegs von Eruptivgesteinen her. Am häufigsten finden sich Gerölle von Serpentin, Gabbro, Norit und Diabas; etwas schwächer sind vertreten solche von Augitporphyrit, Porphyrit und eines quarzhältigen Augitdiorits. Daneben fehlen wohl auch Gerölle des cretacisch-eoeänen Kalkes und der Flyschsandsteine nicht, die- selben kommen jedoch stets nur in einer verschwindend geringen Menge vor. Als Bindemittel dient in der Regel «der weiche, grüne Serpentinsandstein. [73] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 589 Von den 'aufgezählten Eruptivgesteinen konnten auf Rhodus im Anstehenden blos Serpentin, Porphyrit und Diabas nachgewiesen werden, und selbst der letztgenannte, an der Grenze zwischen cretacisch-eocänem Kalk und eocänem Flysch zu Tage tretende Diabas zeigt sich ver- schieden von jenem, dessen Gerölle die Thari-Conglomerate führen Alle übrigen Eruptivgesteine sind hier dagegen auf primärer Lager- stätte nirgends angetroffen worden. Wenn sich also auch das massenhafte Vorkommen von Serpentingeröllen in den Thari-Conglomeraten durch das wiederholte Auftauchen des Serpentins auf Rhodus leicht erklären lässt, so bleibt doch immer noch die Frage unentschieden, von wo die Gerölle der anderen Eruptivgesteine, namentlich jene des in diesen Bildungen in sehr grosser Menge enthaltenen Gabbros und Norits herrühren. Wohl am nächsten läge es zu vermuthen, dass die be- treffenden Eruptivmassen hier unter den mächtigen und sehr weite Gebiete einnehmenden jungtertiären Ablagerungen verhüllt liegen; man müsste dabei jedenfalls mit dem ganz besonderen Zufalle rechnen, dass dieselben im Gegensatze zum Serpentin trotz ihrer nothwendig voraus- zusetzenden beträchtlichen räumlichen Ausdehnung an keiner Stelle oder höchstens an wenigen, mir unbekannt gebliebenen, beschränkten Punkten auf der Oberfläche erscheinen. Eine andere Erklärung wäre dann nur noch die, dass die besagten Gerölle, oder wenigstens deren Mehrzahl, ihren Ursprung auf dem benachbarten kleinasiatischen Festlande haben, woher thatsächlich bereits zahlreiche Vorkommnisse solcher Gesteine im Anstehenden bekannt geworden sind. Es würde dies selbstver- ständlich wieder die Annahme eines ziemlich weiten Transportes er- heischen. Welche Deutung die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat, möge vorläufig dahingestellt bleiben. Ich will jetzt nur bemerken, dass diese Frage sehr innig zusammenhängt auch mit der Frage nach dem Charakter der Thari-Schichten, nämlich, ob dieselben eine marine oder eine lacustre Bildung sind, worauf wir noch weiter unten zu sprechen kommen werden. An manchen Stellen nehmen in den Conglomeratbänken Serpentin- gerölle so sehr die Oberhand, dass sich die ersteren zu fast reinen Serpentinconglomeraten entwickeln. Grosses Interesse beansprucht wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens ausserdem noch eine besondere Art von Conglomeraten, die zwar nirgends eine bedeutende Mächtigkeit und Ausdehnung erreicht, dafür aber in dem Verbande der anderen Absätze an einer nicht unerheblichen Anzahl von Punkten beobachtet wurde. Es ist dies eine conglomeratische Ablagerung mit einer eigen- thümlichen, überaus reichlich vorhandenen Grundmasse, in welcher verschiedene Dimensionen aufweisende Gerölle des Serpentins, des eretacisch-eoeänen Kalkes und in untergeordneter Weise auch einiger der anderen, früher erwähnten Gesteine stecken. Das Bindemittel erscheint dunkelgrün bis schwarz, ganz dicht und kann, mit freiem Auge betrachtet, vom Serpentin gar nicht unterschieden werden. Durch mikroskopische Untersuchung überzeugt man sich jedoch, dass. es aus einem äusserst feinen Zerreibsel reinen Serpentins besteht. Eine Mittelstellung zwischen den Sandsteinen und den Conglome- raten nehmen gewisse Conglomeratsandsteine ein, ein in bestimmten Terrains mächtig entwickeltes und stark ausgebreitetes Sediment, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 76 590 Gejza von Bukowski. [74] welches local durch allmäligen Uebergang im Streichen mit den Sand- steinen verbunden zu sein, dieselben also direet zu vertreten scheint. Man hat es hier in der Regel mit grünlichen oder röthlichen, nicht selten auch braunen Sandsteinen verschiedenen Korns zu thun, in denen, wie sonst, Serpentinrollstückchen den wesentlichsten Gemengtheil aus- machen, und deren ganze Masse von den Geröllen der oben angeführten Eruptivgesteine, nieht minder aber auch des cretacischen und eocänen Kalkes durchsetzt wird. Die Menge der Gerölle wechselt nicht un- beträchtlich. Je nach deren Häufigkeit nähert sich diese Ablagerung bald den typischen Conglomeraten, bald den reinen Sandsteinen, so dass sich in petrographischer Beziehung nach beiden Richtungen hin ein ganz allmäliger Uebergang wahrnehmen lässt. Die Bankung ist derart undeutlich, dass in den meisten Fällen die Conglomeratsand- steine vollständig ungeschichtet aussehen. In Wechsellagerung mit den bis nun beschriebenen Gesteinsarten, namentlich mit den Serpentinsandsteinen treten schliesslich, wie schon hervorgehoben wurde, auch grünlichschwarze, weiche, theils blättrig sich absondernde, theils bröcklig zerfallende Schiefer auf. Sie wachsen auf einzelnen Strecken zu verhältnissmässig bedeutenden Complexen an und stellen demnach mitunter sehr wichtige Schichtglieder dar. Es gibt dem entgegen aber auch Gebiete, in denen die Rolle, welche sie neben den anderen Sedimenten spielen, eine höchst untergeordnete ist, und selbst solche Regionen, wo sie gänzlich fehlen. Die Lagerungsverhältnisse der Thari-Schichten liegen sehr klar zu Tage und bieten geradezu das einzige Mittel dar für die Beur- theilung des geologischen Alters dieser Bildungen wenigstens innerhalb gewisser weiterer Grenzen. Hinsichtlich des Ausmasses an Störungen tritt gegenüber dem Alttertiär ein wesentlicher Unterschied hervor, und dafür zeigt sich eine ziemlich grosse Uebereinstimmung mit den pliocänen Ablagerungen, vor Allem mit jenen der levantinischen Stufe. Während nämlich der eocäne Flysch bekanntlich durchwegs ausser- ordentlich zerknittert ist und auch die oligocänen Sandsteine noch ziemlich stark gefaltet sind, macht sich hier eine Faltung im eigent- lichen Sinne des Wortes nicht bemerkbar, sondern man beobachtet blos einfache, bald steilere, bald flachere Neigungen der Schichten, zwar nicht immer in der gleichen Richtung, aber von der Anordnung, dass aus ihnen Falten nicht reconstruirt werden können. Südliches Verflächen herrscht weitaus vor; manchmal begegnet man übrigens auch horizontaler Lagerung. Aus mannigfachen Erscheinungen, von denen erst später die Rede sein wird, lässt sich deutlich erkennen, dass jene gebirgsbildenden Kräfte, welche auf Rhodus noch zur jüngeren Neogenzeit thätig waren, mehr bruchbildend und absenkend als falten- legend gewirkt haben. Gegen das ältere Gebirge, die cretacischen und die alttertiären Ablagerungen, verhalten sich die Thari-Schichten genau so, wie das Pliocän, discordant und transgredirend. Sie ruhen, nach zahlreichen, an verschiedenen Punkten, weiche zumeist ausgezeichnete Aufschlüsse geboten haben, gesammelten Beobachtungen zu urtheilen, unter theils steilerem, theils flacherem Einfallen ihrer Bänke discordant auf dem vollkommen zerknitterten eocänen Flysch und greifen wiederholt auch U [75] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus, 591 auf die cretaceisch-eoeänen Kalke über, welche sie streckenweise be- decken, oder an die sie unconform anstossen. Dass einst das von ihnen eingenommene Areal grösser gewesen ist als heute, beweisen die auf den eocänen Flyschbildungen da und dort in dem angrenzenden Terrain lose in situ zerstreut liegenden Gerölle ihrer Conglomerate und Conglomeratsandsteine. Nachdem die weicheren, leichter ver- witternden Sedimente, zu denen auch das sandige Bindemittel der Conglomerate gehört, der Denudation ganz anheimgefallen sind, blieben die der Abtragung einen viel stärkeren Widerstand leistenden Gerölle der harten und specifisch schweren Eruptivgesteine als die letzten Spuren der früheren grösseren Ausbreitung dieser Schichtgruppe zurück. Eine präcise Bestimmung des geologischen Alters erscheint in Anbetracht dessen, dass es bisher nicht gelungen ist, bezeichnende Versteinerungen zu entdecken, nicht durchführbar. Wir wissen zwar aus den Lagerungsverhältnissen, dass man es hier mit einer jung- tertiären Bildung zu thun hat, können jedoch keineswegs sicher sagen, um welche Abtheilung des Neogen es sich dabei handelt; in letzterer - Beziehung sind wir also vorderhand blos auf Muthmassungen an- gewiesen. Hamilton, dem die transgressive Lagerung der Thari-Schichten über dem eocänen Flysch und den eretacisch-eocänen Kalken unbekannt geblieben ist, trennt dieselben von den Flyschsandsteinen nicht ab, sondern betrachtet sie zusammen mit jenen als einen einheitlichen, stratigraphisch über der eretacischen Scaglia liegenden Complex, der das jüngste Glied seiner „secondary rocks“ auf Rhodus bilden soll. Es geht dies aus seinem Berichte ganz unzweifelhaft hervor. Er er- wähnt nämlich unter Anderem die zwischen dem grossen Elias-Berge und dem Atäviros (Mt. Attayaro) durchziehenden mächtigen rothen Conglomeratsandsteine dieses Schichtensystems und sagt von ihnen, indem er sie in Einem mit anderen, dem alttertiären Flysch entspre- chenden, sandig-schiefrigen Gebilden beschreibt, dass sie dort unter steiler südsüdwestlicher Schichtenneigung conform auf dem Scaglia- kalke ruhen, was, sofern ihm kein Beobachtungsfehler unterlaufen ist, auf eine ganz zufällige Concordanz an irgend einer Stelle zurückzu- führen sein dürfte. Wenn man den im Grossen und Ganzen einander ähnlichen Gesteinshabitus in Rücksicht nimmt, so erscheint es auch vollkommen begreiflich, dass bei einer weniger genauen Untersuchung, so lange das geschilderte Lagerungsverhältniss unermittelt blieb, die Meinung, beide Bildungen gehören einem und demselben Schichten- systeme an, platzgreifen konnte. Wesentlich verschieden von der Ansicht Hamilton’s ist jene Spratt’s. Dieser Forscher zählt die Thari-Schichten dem Jungtertiär zu. Er drückt sich darüber allerdings nicht ganz klar aus, aber seine diesbezüglichen kurzen Auseinandersetzungen lassen sich wohl kaum anders deuten. Nach ihm zerfallen die shingle beds der Insel Rhodus einerseits in solche, die lediglich aus Kalkgeröllen bestehen, ander- seits in solche, deren Material zum Theil oder ganz eruptiven Massen entstammt. Während die ersteren sich vor den angeblich grossen vulkanischen Ausbrüchen auf Rhodus gebildet haben sollen und augenscheinlich nichts Anderes sind als die fluviatilen Schotter 76* 592 Gejza von Bukowski. [76] der levantinischen Stufe, verlegt Spratt die Entstehung der anderen in die Zeitperiode zwischen den Eruptionen und dem Absatze der pliocänen, durch ihn kurzweg als Tertiär bezeichneten Ablagerungen. Dass nun die letztgenannte Kategorie der shingle beds mit den Con- glomeraten und weichen Conglomeratsandsteinen unserer in Rede stehenden Schichtgruppe identisch ist, braucht wohl keiner näheren Begründung. Ich selbst habe mich endlich in meinem vorläufigen Berichte dahin geäussert, dass die Thari-Schichten möglicherweise nur ein regional abweichend ausgebildetes Glied der fluviatilen levantinischen Schotter und Sande darstellen. Die Anhaltspunkte, auf die ich mich hiebei gestützt habe, waren folgende: Hinsichtlich des Ausmasses der Schichtenstörungen kann zwischen beiden Ablagerungen, welche in gleicher Weise über die älteren Sedimente transgrediren, ein wesent- licher Unterschied nicht wahrgenommen werden; wohl beobachtet man bei den Thari-Schichten da und dort ein steileres Einfallen, es lässt sich dies jedoch ganz gut auch als eine locale Erscheinung auffassen. In den meisten Grenzregionen sieht es ferner so aus, als wären beide innig mit einander verknüpft, indem es auf den von mir besuchten. Strecken nirgends gelungen ist, über ihr gegenseitiges Lagerungsverhältniss ins Klare zu kommen und häufig der Eindruck gewonnen wurde, dass sie sich in derselben Art blos einfach neben einander ausbreiten. Bei der Abtrennung gaben daher fast immer die petrographischen Merkmale das einzige Mittel ab. Die grösste Stütze für meine Vermuthung erblickte ich aber in der geographischen Verbreitung der Thari- Schichten. Dieselben nehmen, wie wir sehen werden, in dem mittleren Abschnitte der Insel ein Gebiet ein, das zum grossen Theile den Charakter eines Senkungsfeldes der älteren cretacischen und eocänen Bildungen an sich trägt. Sie folgen unter Anderem der Tiefenregion zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro), dem Kitala (Ketallah) -Rücken und dem Eliasberge und gehen schliesslich gegen Nordwest direct in das nördliche Paludinenbecken aus. In ihrem Auftreten scheinen sie allen Anzeichen nach die zwei grossen Flussschottergebiete aus der levan- tinischen Zeitperiode, die ausgedehnten und mächtigen Anhäufungen jenes Stromes, der, vom kleinasiatischen Festlande kommend, sich in die beiden levantinischen Seen der Insel Rhodus ergoss, mit einander zu verbinden, und es ist daher auch in der That sehr nahe. gelegen, sie ohneweiters für eine Ergänzung der levantinischen Absätze zu halten. Gemäss dieser Deutung des in Rede stehenden Schichtencom- plexes als einer fluviatilen Pliocänablagerung habe ich auch das massen- hafte Vorkommen von Geröllen solcher Eruptivgesteine in den Con- glomeraten und Conglomeratsandsteinen, von denen auf Rhodus im Anstehenden bisher keine Spur entdeckt werden konnte, in der Weise zu erklären versucht, dass ich annahm, ein bedeutender, vielleicht sogar der überwiegende Theil des Materials, aus welchem sich die be- sagten Bildungen zusammensetzen, stamme nicht von Rhodus, sondern aus Kleinasien her und sei durch den erwähnten, offenbar sehr mäch- tigen Strom der älteren Pliocänzeit hieher gebracht worden. Mochte auch die eigenthümliche Gesteinsentwicklung im Verbande der levan- tinischen Binnenablagerungen einigermassen als ungewöhnlich auffallen, [77] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 593 immerhin war es doch denkbar, sie sei dadurch bedingt, dass der Fluss entweder in Folge einer zeitweiligen Verlegung oder gar nur einer Ausbreitung seines Bettes in ein Terrain, das anders, vornehm- lich aus Eruptivmassen aufgebaut war, stellenweise ein ganz verschie- denes Material abgesetzt hat. Nun erlitt aber nachträglich meine Ansicht eine bedeutende Erschütterung dadurch, dass gelegentlich der mikroskopischen Unter- suchung der Gesteinsproben in einem Dünnschliffe des Serpentinsand- steins aus der Gegend des Rhöino Vunö (Mt. Rhoeyno) Spuren von Foraminiferen aufgefunden wurden. Diese hier allem Anscheine nach nur ganz vereinzelt auftretenden Organismenreste erwiesen sich leider wegen ihres äusserst schlechten Erhaltungszustandes als unbestimmbar, genügen jedoch, um den gemuthmassten binnenländischen Charakter der Thari-Schichten sehr in Frage zu stellen. Allerdings besteht immer noch die Möglichkeit, dass es sich daselbst blos um eine Einschwem- mung handelt, ohne zwingende Gründe hiezu kann dies aber doch nicht so ohneweiters behauptet werden. Nebenbei will ich überdies bemerken, dass aus der Gestalt der in den Conglomeraten enthaltenen Rollstücke sich auch kein sicherer Schluss auf die Art und Weise der Entstehung unserer Ablagerungen ziehen lässt. Aehnlich, wie in den zweifellos fluviatilen Schottern der levantinischen Stufe, wechseln nämlich auch da die Rollstücke bezüg- lich ihrer Form nicht unbeträchtlich, indem sie einestheils normalen marinen Geröllen gleichen, andererseits sich wieder manchen Fluss- geschieben bis zu einem gewissen Grade nähern. Nur der Umstand wäre vielleicht von Wichtigkeit, dass ich mich auf die gewöhnliche Flussgeschiebeform, der man in den levantinischen Schottern that- sächlich begegnet, hier nicht erinnern kann. Sollte es sich einmal wirklich herausstellen, dass die Thari- Schichten marinen Ursprungs sind, was in Anbetracht der erwähnten Foraminiferenfunde heute gar nicht mehr unwahrscheinlich ist, dann müsste wohl zunächst an die Vertretung des Miocän gedacht werden. Eine solche Anschauung hätte auch in der That Einiges für sich. Wir wissen, dass marine Miocänbildungen in dem Aufbaue des südlichen Kleinasien eine grosse Rolle spielen und sich unter Anderem auch in den Rhodus nächstgelegenen Landstrichen des Festlandes, in Lykien und Karien, häufig finden. Es würde demnach nicht im Mindesten befremden, wenn sie auch auf Rhodus vorkämen. Nachdem sich nun hier Aequivalente des marinen Miocän bis jetzt nicht nachweisen liessen und die Thari-Schichten der einzige neogene Schichtencomplex sind, über dessen Alter man noch im Zweifel bleibt, eine Parallele mit dem marinen Jungpliocän aber kaum in Frage kommen kann, so dürfte die Vermuthung, es liege daselbst älteres Jungtertiär vor, einer gewissen Berechtigung nicht entbehren. Die in Anatolien und im Aegäischen Archipel weite Regionen bedeckenden miocänen Süsswasser- kalke brauchen dagegen diesbezüglich wegen ihrer gänzlich verschie- denen Entwicklung und anderer geographischer Verbreitung überhaupt nicht in Betracht gezogen zu werden. Mit der eben besprochenen Annahme stünden allerdings die Fossilienarmuth und der stark ab- weichende Sedimentcharakter der Thari-Schichten nicht im Einklange. 594 Gejza von Bukowski. [78] Die Miocänablagerungen Lykiens und Kariens, der beiden benachbarten Festlandsgebiete, setzen sich nämlich hauptsächlich aus lichten, weichen, vielfach schlierähnlichen Mergeln, sowie aus Kalken zusammen und nur zum geringen Theile aus Sandsteinen und Conglomeraten, welche sich übrigens, nach ihren Beschreibungen zu urtheilen, von unseren Serpentinsandsteinen und Üonglomeraten zumeist wesentlich unter- scheiden dürften. Sie zeichnen sich überdies in der Regel durch reiche Fossilführung aus. Im Vorangehenden glaube ich nun wohl die wichtigsten, sich heute darbietenden Erörterungspunkte betreffs des Charakters und des Alters der uns eben beschäftigenden Schichtgruppe kurz zusammen- gefasst zu haben. Ich kann nicht umhin, nochmals zu betonen, dass vorläufig nur die Thatsache feststeht, dass diese Schichtgruppe dem Jungtertiär angehört. Die Frage dagegen nach der genaueren strati- graphischen Position innerhalb des Neogen und jene, ob hier eine marine oder eine Binnenablagerung vorliegt, müssen, da sie, wie wir gesehen haben, auf Grund der bisherigen Untersuchungen nicht gelöst werden konnten, zur Zeit noch als vollkommen offen betrachtet werden. Das aus den Thari-Schichten aufgebaute Terrain stellt sich fast durchwegs als ein Hügelland mit weichen, sanften Conturen dar. Dieser Terraincharakter und die vorwiegend intensiv grüne oder röth- lichbraune Gesteinsfärbung in Verbindung mit der ziemlich starken Waldbedeckung bewirken neben den weissen oder lichtgrauen eretaeisch- eocänen Kalken, welche in unmittelbarer Nähe als kahle, felsige Ge- birgsmassen hoch aufstreben, einen der schärfsten und schönsten landschaftlichen Contraste. 1. Das Hauptgebiet. Es ist schon vorhin erwähnt worden, dass die Thari-Schichten blos in dem mittleren Theile der Insel vorkommen. Der von ihnen im Ganzen eingenommene Flächenraum erscheint keineswegs bedeutend, wenigstens im Vergleiche mit den Arealen, welche auf jede einzelne von den anderen Ablagerungen entfallen. Ihre stärkste Entwicklung und grösste zusammenhängende Ausbreitung erreichen sie östlich vom Atäviros (Mt. Attayaro), zwischen diesem mächtigen Kalkstocke, dem grossen Eliasberge, den Kitala (Ketallah) -Bergen und dem Rhöino (Rhoeyno) Vund. Sie füllen auf diese Weise zunächst jene schmale Senkungszone aus, welche die umfangreiche Kalkmasse des Eliasberges und Spiriötis (Speriolis) Vuno vom Atäviros (Attayaro) und von dem Kitala (Ketallah) -Rücken trennt, und ziehen sich gegen Nordwest noch ziemlich weit über Nänos hinaus bis in die Nähe der Küste, wo ihnen die von Nordost her sich ausdehnenden Paludinenschichten einen Abschluss bereiten. Hier herrschen vor Allem die grünlichen oder röthlichbraunen, in der Regel ungebankt aussehenden Conglomerat- sandsteine, welche vorzugsweise Gerölle verschiedener Eruptivgesteine führen, mitunter aber auch cretacische und eocäne Kalkgerölle in beträchtlicher Menge enthalten. Ausser denselben begegnet man nicht selten auch reinen Sandsteinen, darunter vielfach solchen, die aus- [79] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 595 schliesslich aus Serpentinkörnern zusammengesetzt sind. Reine, das heisst, an Bindemittel arme Conglomerate fehlen übrigens ebenfalls nicht. Die Unterlage scheint zum weitaus grössten Theile durch eocänen Flysch gebildet zu sein. In der Gegend von Nänos, namentlich aber bei der Durchquerung dieser Hügelkette am Wege von Embona nach Apöl- lona habe ich wiederholt die Gelegenheit gehabt, sehr steil gestellte oder ganz zerknitterte eocäne Sandsteine und Mergelschiefer zu beobachten, wie sie, durch tiefer eingeschnittene Wasserrisse aufgeschlossen, unter den darauf discordant ruhenden, theils stärker, theils schwächer ge- neigten, meistens jedoch undeutlich geschichteten und darum kein Einfallen zeigenden Conglomeratsandsteinen und Serpentinsandsteinen hervortreten. Die gleiche übergreifende Lagerung findet naturgemäss auch gegenüber den cretaeisch-eoeänen Kalken statt.‘ An die hoch aufragenden Kalkstöcke, welche während der ganzen Neogenzeit niemals vollständig, sei es vom Meere, sei es von Binnenwässern, überfluthet waren, so an den Atäviros (Mt. Attayaro), den Eliasberg und den nicht minder schroffen Kitala (Ketallah) -Höhenzug, lehnen sich unsere Ablagerungen, ebenso wie an die gegen Westen sie streckenweise begrenzenden höheren Flyschberge, einfach unconform an, mögen aber dabei auch manche ansehnliche Theile derselben in der Tiefe unmittel- bar gänzlich verhüllen. Von der eben besprochenen langgezogenen Hügelkette biegen die Thari-Schichten sodann um den südöstlichen Rand des Atäviros (Attayaro) um und dehnen sich über dem eocänen Flysch ununter- brochen ziemlich weit südwärts in der Richtung gegen Aläöıma aus. Sie enden daselbst an den mächtig angehäuften Schottern und Sanden des südlichen fluviatilen Gebietes der levantinischen Periode. Aus den ungeschichtet erscheinenden CGonglomeratsandsteinen gehen durch all- mäligen Uebergang im Streichen reine Sandsteine, hauptsächlich Ser- pentinsandsteine hervor; die Conglomerate treten dabei jedoch keines- wegs ganz zurück, es ändert sich nur ihr Vorkommen insofern, als sie sich an dem Terrainaufbaue nicht mehr in gar auffallend starken Complexen betheiligen, sondern den anderen Sedimenten wiederholt in schwächeren, gesonderten Bänken eingeschaltet sind. Mit den ziemlich mürben, theils fein-, theils grobkörnigen Serpentinsandsteinen, welche, wie gewöhnlich, sehr leicht zerfallen und nicht selten da und dort auch vereinzelte Gerölle von Kalk und von Eruptivgesteinen einschliessen, und mit den Uonglomeraten wechsellagern hier ferner grünlichschwarze, bröcklige und blättrige Schiefer. Dieselben erlangen speciell in diesem Gebietstheile ihre stärkste Entwicklung. Wenn man von dem Kloster Artamiti, das noch auf dem Eocänkalk des Atäviros (Attayaro) steht, sich nach Alä&örma begibt, durchquert man in dem ersten Drittel des Weges eine waldbedeckte, von tiefen Thalrinnen durchfurchte, hügelige Land- schaft, die geologisch fast durchgehends in der geschilderten Weise zu- sammengesetzt erscheint und in Foige der zumeist tiefdunklen Farben- töne der Sedimente von der Umgebung ausserordentlieh absticht. Die betreffenden Schichten reichen bei ihrer bedeutenden Mächtigkeit ver- hältnissmässig hoch an den Kalkgehängen des Atäviros (Mt. Attayaro) hinauf und sind im Wesentlichen noch ziemlich stark gestört, denn man begegnet auf manchen Strecken relativ steilen Neigungen, während 596 Gejza von Bukowski. [80] horizontale Lage nur sehr selten beobachtet werden kann. Es darf endlich nicht unerwähnt bleiben, dass längs der von mir daselbst gemachten Wege das Verflächen stets die Richtungen zwischen Süd- west, Süd und Südost hatte. Die unmittelbare Fortsetzung der Nänoskette bildet weiter der Kharädja (Haratchey) Vunö. Dieser Rücken besteht zum grössten Theile aus grünen, weichen, feinkörnigen Serpentinsandsteinen, welche häufig keine Schichtung erkennen lassen, und aus einzelnen Üon- slomeratbänken, die den Serpentinsandsteinen dazwischengelagert sind. Das Grundgebirge kommt erst an dem südlichen Abfalle desselben zum Vorschein. Auf der linken Thalseite des Gaydurä Pötamos!), soweit dieser zwischen dem Kharädja (Haratchey) und dem Rhöino (Rhoeyno) läuft, stehen unten bereits überall eocäne Flyschablagerungen an, und an zwei Stellen, am Westrande der Erhebung und im Osten nahe den Flussbette ragen aus der mächtigen Einhüllung auch die ceretacisch- eocänen Kalke in ziemlich ansehnlichen Partien empor. Vom Kharädja Vunö (Mt. Haratchey) greifen die mit Conglomeraten stark unter- mischten und streckenweise auch mit schwarzen bröckligen Schiefern wechselnden Serpentinsandsteine zungenförmig noch sehr weit gegen Süden bis in die Nähe der Landschaft Agrimnös (Agrimnose) auf dem eocänen Flyschboden hinaus. Sie berühren in diesem ziemlich ‘langen Streifen, unconform anstossend, die Kalke des Rhöino (Rhoeyno) Vunö an ihrem Ostende und weisen, wie sonst fast überall, ‘Schichtenstörungen schwächeren Grades auf. Ihre östliche Begrenzung bilden von der Kalk- masse des Eliasberges angefangen ausschliesslich levantinische Flussab- sätze. Ueber die Entdeckung unbestimmbarer Foraminiferenspuren in einem Serpentinsandstein der in Rede stehenden, dicht bewaldeten Region wurde schon früher berichtet; ebenso fanden auch die daran sich knüpfenden Fragen nach dem Alter und dem Charakter der Schichtgruppe bereits an einer anderen Stelle die nöthige Berücksich- tigung. Wenn wir die petrographische Entwicklung in dem ganzen Gebiete noch einmal rasch überblicken, so fällt uns besonders auf, dass hier der allgemeine Habitus der Sedimente wohl sehr beständig ist, dass aber hiebei die einzelnen Gesteinsarten einander regional vielfach ersetzen, mithin dass sich ihre Anordnung und Verbindung öfters ändert. Aus dem bereits geschilderten Auftreten einzelner ab- getrennter Denudationsreste, häufig nur in situ zerstreuter Anhäufungen von Geröllen, der letzten Ueberbleibsel der Oonglomerate, in den be- nachbarten Theilen des Flyschterrains muss überdies nothwendig auf eine seiner Zeit grössere Flächenausdehnung dieser Hauptregion, wie auch der anderen kleineren Gebiete, welche einst alle möglicherweise mit einander zusammengehangen haben, geschlossen werden. Zahlreiche kleine Lappen von Conglomeraten und Conglomeratsandsteinen dringen unter Anderem auch auf den die Kalke des Eliasberges im Süden ein- säumenden Flyschablagerungen bis Apöllona vor. Da diese Vorkomm- nisse jedoch durchwegs sehr geringfügig sind, gelangten sie auf der beiliegenden Uebersichtskarte nirgends zur Ausscheidung. ‘) Siehe Fussnote auf S. 554 [38]. [81] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 597 2. Die Umgebung des Monastirs Thaäri. Das. zweite, nächstgrösste Verbreitungsgebiet der Thari-Schichten, welches sich südwestlich von Aläörma erstreckt, stellt sich als ein isolirter, von Nord nach Süd in die Länge gezogener Lappen dar, der zwar, für sich allein betrachtet, nicht unansehnlich erscheint, mit dem Hauptgebiete aber, was areale Ausdehnung anbelangt, sich gar nicht messen kann. Er ruht ganz auf den völlig zerknitterten eocänen Bil- dungen der grossen östlichen Flyschregion und steht blos im Norden mit den fluviatilen Ablagerungen der levantinischen Stufe im Contacte. Mitten in dieser waldigen Hügellandschaft liegt das Monastir Thäri (Tharey),. nach dem ich das ganze Schichtensystem vorläufig benannt habe. Wie sonst, herrscht auch hier ein permanenter Wechsel von geröllfreien Sandsteinen, Conglomeraten, Conglomeratsandsteinen und schwarzen bröckligen Schiefern. Die Hauptmasse der weichen, leicht zerfallenden Sandsteine besitzt dunkelgrüne Färbung und setzt sich fast lediglich aus Serpentinrollstückchen zusammen. Nebenbei finden sich dann aber auch Varietäten, in welchen den Serpentinkörnern andere Gemengtheile, so Kalkkörner, Bronzit- und Chloritschuppen ete. beigemischt sind, oder deren Bindemittel nicht, wie gewöhnlich, sandiger Natur ist, sondern aus ÜCaleiumcarbonat besteht. Dieselben zeigen entsprechend ihrer Zusammensetzung, namentlich dann, wenn sie stärker ‚verwittert sind, in der Regel auch eine andere Färbung, erscheinen entweder grünlichgrau oder braun und werden zuweilen sogar weiss. In den Conglomeraten und Conglomeratsandsteinen spielen, wie ander- wärts, Gerölle von Serpentin, Gabbro, Norit und Diabas die erste Rolle, während Kalkgerölle im Vergleiche zu jenen eine mehr unter- geordnete Stellung einnehmen. Die Mächtigkeit der vorgenannten Sedimente ist in der Thäri (Tharey) Gegend keineswegs sehr bedeutend, zum Mindesten eine viel geringere als zwischen dem Atäviros (Attayaro), Eliasberg und dem Rhöino (Rhoeyno) Vunö. Bei der weit vorgeschrittenen Erosion kommt es daher, dass der Untergrund, die eocänen Sandsteine, Mergelschiefer und Flyschkalke, an vielen Stellen, manchmal geradezu auf Schritt und Tritt auftaucht, wodurch sich einmal die Detailauf- nahme dieses Terrains jedenfalls sehr zeitraubend gestalten wird. 3. Das Vorkommen bei dem Monastir Kamiri. Von levantinischen Flussschottern und Sanden umgeben, treten ferner die Thari-Schichten in der Gegend des Monastirs Kamfri (Kameri), nordwestlich von Mässari auf. Sie bedecken daselbst discordant die un- gemein stark gefalteten eocänen Flyschablagerungen, welche sich an den cretacisch-eocänen Kalk des Khokhlaköna-Gipfels anschliessen, und greifen theilweise auch auf den letzteren über. Unter den mannigfachen Gesteinsarten, deren Habitus sich immer gleich bleibt, verdienen hier wegen ihrer stärkeren Entwicklung besonders hervorgehoben zu werden jene eigenthümlichen Serpentinconglomerate, bei denen das Bindemittel der unterschiedlichen Gerölle von Eruptivgesteinen und cretacisch- Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 77 598 Gejza von Bukowski. [82] eocänem Kalk sich ausserordentlich reich ausgebildet zeigt und aus einem dunkelgrünen bis schwarzen, äusserst feinen, für’s freie Auge als eine vollkommen dichte Masse erscheinenden Serpentinzerreibsel besteht. Das transgressive Verhältniss zu den alttertiären Absätzen lässt in dieser räumlich ziemlich beschränkten Region an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Das Einfallen der im Ganzen mässig ge- störten Schichten verfolgt, wie in dem Hauptgebiete, beinahe immer südliche Richtungen. 4. Kleinere Vorkommnisse. Unterhalb des Durchbruches des Tagläris Pötamos!) durch die cretacisch-eocänen Kalke des Ströngilo-Stockes, gleich beim Ausgang der engen Schlucht gegen Malöna zu, und ebenso etwas südlicher davon, am unteren Ende des Durchbruchsthales des Makäris Pötamos durch die zu festem Fels erhärteten pliocänen Schotter des Katagren6 (Kategrano) stehen grüne, mit den gewöhnlichen Conglomeratbänken vergesellschaftete Serpentinsandsteine und die von dem vorhin be- sprochenen Terrain her bekannten Conglomeratbildungen, welche durch eine dichte Grundmasse von Serpentinzerreibsel ausgezeichnet sind, an, In beiden Fällen handelt es sich nur um wenig ausgebreitete, theils ganz, theils hauptsächlich vom Pliocän eingerahmte Vorkommnisse von untergeordneter Bedeutung, deren Sedimentcharakter keinen Zweifel darüber obwalten lässt, dass man es mit kleinen Partien der in Rede befindlichen Ablagerungen zu thun hat. Hier möge endlich vorläufig auch ein noch nicht sicher deutbarer und sehr dürftig entblösster Schichtencomplex angereiht werden, der in dem Thale des Tagläris Pötamos, unmittelbar vor dessen Eintritt in die eretacisch-eocänen Kalke des Ströngilo-Stockes angetroffen wurde. Tief im Bette des genannten, während der trockenen Jahreszeit ver- siegenden Flüsschens liegen an der bezeichneten Stelle verschieden- artige, mit einander meist in geringmächtigen Lagen wechselnde Ge- steine aufgeschlossen, die in ihrer Gesammtheit ebensowenig in den Flysch, wie in die Thari-Schichten hineinpassen. Vor Allem begegnen wir daselbst einem lichtgrünen bis graulich grünen, dichten, massig aussehenden Gestein, welches nach Foullon’s Angabe zum grössten Theile aus feinsten Blättchen eines farblosen, glimmerartigen, gewisser- massen das Bindemittel darstellenden Minerals zusammengesetzt ist und ausserdem als nicht minder wesentliche Bestandtheile eckige und splittrige Quarzpartikel, Chloritschuppen, etwas Feldspath, sowie ver- einzelte Epidot- und Apatitbruchstücke nebst Erzpartikeln enthält. Vom ersten Ansehen könnte man dasselbe für einen sehr feinen Tuff halten. Andere Bänke werden sodann gebildet durch schwarze bröck- lige oder braune erdige Schiefer, durch graue, harte, dichte Kalk- mergel und durch dunkle Kalkschiefer. Soweit überhaupt die Aufschlüsse reichen, beobachtet man ein gleichmässiges Einfallen gegen Südwest. Im Uebrigen muss stets im Auge behalten werden, dass hier zweifelsohne nur ein verschwindend 1) Siehe Fussnote auf Seite 544 [28]. [83] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 599 kleiner Theil eines Schichteneomplexes aufgedeckt ist, über dessen Ausdehnung, sonstige Zusammensetzung und stratigraphische Position die darüber sich mächtig aufthürmenden ‘Schotter und Sande der levantinischen Stufe ein Urtheil nieht zulassen. Ursprünglich habe ich bekanntlich diese Bildungen dem eocänen Flysch beigezählt, und thatsächlich liegt es gar nicht so ferne, dies zu thun, wenn man bedenkt, dass dieselben ziemlich stark gestört sind und theilweise aus Sedimenten bestehen, welche unleugbar eine gewisse Aehnlichkeit mit bestimmten Absätzen des eocänen Flysches besitzen. Wenn ich sie heute hingegen im Anschlusse an die T'hari- Sehichten abhandle und als solche provisorisch auf der Karte aus- scheide, so lasse ich mich dabei wieder von dem Umstande leiten, dass das an erster Stelle erwähnte tuffähnliche Hauptgestein sehr stark, wenigstens äusserlich, an die ganz feinen Zerreibungsproducte von eruptivem Material in den Thari-Schichten erinnert. Mit letzterer Annahme befinden sich allerdings die übrigen Gesteinsarten gar nicht im Einklange, wie denn als Einwand dagegen auch die grösseren Sehichtenstörungen angeführt werden können. Auffällig, zum Mindesten bis zu einem gewissen Grade, würde hiebei ausserdem die sonst nirgends wahrnehmbare Klarheit des Lagerungsverhältnisses zu den levantinischen Flussablagerungen erscheinen, deren unconformes Ueber- greifen in dem vorliegenden Falle, wie gesagt, sehr scharf ausgeprägt ist. Es dürfte demnach im Ganzen einleuchtend sein, dass es sehr schwer fällt, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Die hier gewählte Angliederung muss denn auch selbstverständlich als eine vorläufige angesehen werden, denn hätten wir nur beispielsweise sichere Anhaltspunkte dafür, dass das grüne, in Handstücken massig aussehende Gestein, welches augenscheinlich die Hauptrolle spielt, ein normaler Tuff und kein nachträgliches Umschwemmungsproduct sei, dann wäre in Anbetracht dessen, dass die eruptiven Ergüsse auf Rhodus hauptsächlich in die alttertiäre Periode fallen, ganz im Gegen- theil die eocäne Flyschnatur dieses Vorkommens kaum anzuzweifeln. V. Levantinische Binnenablagerungen. Aus der älteren Pliocänzeit liegen auf Rhodus mächtige Ablage- rungen vor, welche entsprechend der uns in ihren Hauptzügen bereits bekannten Land- und Meeresvertheilung in der östlichen Mittelmeer- region während dieser Epoche durchwegs lacustro-fluviatilen Ursprungs sind. Dieselben nehmen unter allen hier auftretenden Schichtgruppen das grösste Gebiet von dem Öberflächenareal der Insel ein und er- reichen vielfach eine so bedeutende Mächtigkeit und absolute Höhe, dass sie in dem Gebirgsrelief einen nicht minder wichtigen Factor darstellen als die eretacischen und eocänen Kalke und die alttertiären Flysehbildungen. Sie breiten sich ebenso, wie die Thari-Schichten, trans- sredirend über dem cretacisch-alttertiären Gerüste aus; noch nicht sicher festgestellt erscheint dabei, wie vorhin dargethan wurde, nur ihr’ stratigraphisches und Lagerungsverhältniss zu dem erstgenannten neogenen Schichtensysteme. Ze 600 Gejza von Bukowski. [84] Mit Rücksicht auf die Entstehungsweise lassen sich darin zweierlei Sedimenteomplexe unterscheiden und kartographisch sondern, zunächst Absätze aus stehenden süssen Wässern, also echte Paludinenschichten, und dann typische fluviatile Ablagerungen. Diese beiden Facies hängen daselbst räumlich, wie auch in anderen Beziehungen sehr eng mit einander zusammen. Es zeigt sich, dass zur älteren Pliocänzeit im Bereiche der Insel Rhodus und jener Landmassen, die sich damals, daran anschliessend, ringsum ausdehnten, später jedoch abgesunken sind und vom Meere verschlungen wurden, Süsswasserbecken bestanden haben, in die sich von dem heutigen festländischen Kleinasien her ein grosser Strom ergoss. Die geographische Vertheilung der lacustren Absätze ist, wie wir weiter unten sehen werden, eine solche, dass man daraus hier auf die einstige Existenz entweder zweier von einander getrennter Becken oder blos eines einzigen grossen, hauptsächlich ausserhalb Rhodus gegen Westen gelegenen Sees schliessen kann, dem die beiden längs der Westküste sich erstreekenden, gegen das Meer abgebrochenen, also nur fragmentarisch erhaltenen Regionen der Palu- dinenschichten als nach Osten vorspringende Buchten angehört haben mochten. In die letzterwähnten levantinischen Seengebiete, deren Sedi- mente bei der jetzigen Landausdehnung durch die höchsten Erhebungen der Insel, die bedeutendsten Gebirgsmassen des eocänen Kalk- und Flyschterrains, von einander vollständig geschieden sind, mündete nun der besagte Strom gerade auf dem Territorium von Rhodus. Er theilte sich kurz vor der Einmündung im Wesentlichen in zwei grössere Arme, von denen einer in das nördliche Gebiet jenes von Kalavärda, den Weg nahm, während der andere Arm dem südlichen Becken von Apo- lakiä zufloss. In den relativ riesigen Schotter- und Sandanhäufungen, welche entlang der Hauptachse der Insel direct gebirgsbildend auf- treten, haben wir demnach das Absatzmaterial eines Flussdeltas vor uns. Bei den eben geschilderten Verhältnissen kann es denn auch gar nicht verwundern, dass zwischen den lacustren und den fluviatilen Ablagerungen in der Sedimentausbildung ein ganz allmäliger, oft kaum merklicher Uebergang und ein wiederholtes Ineinandergreifen der ein- zelnen Gesteinslagen stattfindet. Eine scharfe Grenze zwischen den beiden Facies gibt es hier in der That nicht. Für ihre Abtrennung ist in Folge dessen auf den Berührungsstrecken überall ein gewisser Spiel- raum vorhanden. Sobald man sie auf der Karte nicht zusammenfassen will, was in Anbetracht dessen, dass deren abweichenden faciellen Charaktere in dem weitaus grössten Theile ihres Verbreitungsterrains sehr deutlich ausgeprägt sind, kaum angezeigt sein dürfte, so bleibt nichts Anderes übrig, als die Grenzlinie mehr oder weniger willkürlich innerhalb der Uebergangszone zu ziehen. Die Schiehtenstörungen, welchen man daselbst begegnet, brauchen, da sie in den nachfolgenden Capiteln noch öfters und in eingehenderer Weise zur Sprache kommen werden, an dieser Stelle wohl nicht näher behandelt zu werden. Es genügt vorderhand, die bekannte That- sache anzuführen, dass währena der levantinischen Periode, als Rhodus mit Kleinasien und den Aegäischen Inseln in Landverbindung ge- standen war, oder eigentlich nach dem Absatze der heute aus jener Zeit vorliegenden Sedimente noch gewaltige Dislocationen platzge- [85] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 601 ‘griffen haben, und dann die Wahrnehmung anzufügen, dass gewisse Erscheinungen dabei auf die Fortdauer der direct in Faltenlegung sich äussernden Kräfte hinweisen. Ausserdem sei bemerkt, dass bezüglich des Störungsausmasses regional ziemlich grosse Unterschiede hervor- treten, indem sich Gebiete sowohl mit verhältnissmässig stark, als auch mit wenig gestörten Schichten finden. Was den :Fossilienreichthum anbelangt, so stehen die levanti- nischen Binnenablagerungen gleich hinter dem jüngsten, oberpliocänen Schichtensysteme an zweiter Stelle. Von der Existenz neogener Süsswasserbildungen auf Rhodus hatte man allerdings bereits seit Langem Kenntniss, nachdem schon im Jahre 1832 in dem grossen Expeditionswerke über Morea durch Deshayes einige jungtertiäre Süsswasserconchylien aus Rhodus beschrieben wurden, aber erst seit dem‘ Erscheinen der palaeontologischen Arbeit Tournouär’s im Jahre 1877, welche das gesammte in Paris befindliche Material an jungtertiären, daher stammenden Binnenmollusken zur Grundlage hat, konnte kein Zweifel darüber obwalten, dass hier unter Anderem auch levantinische Ablagerungen vorkommen. Ich habe vor mehreren Jahren in einem speciell damit sich befassenden Artikel gezeigt, dass ein Theil der von Tournouör beschriebenen Formen thatsächlich aus der in Rede stehenden Schichtgruppe herrührt, wobei ich andererseits auch darzulegen versuchte, dass der übrig bleibende Rest dieser Fauna höchst wahrscheinlich jüngeren Ursprunges ist. Während der geologischen Aufnahme der Insel gelang es mir, ein ziemlich reichhaltiges, neues palaeontologisches Material zusammen- zubringen, dessen Bearbeitung ich später bekanntlich selbst unter- nommen habe. Aus demselben ging meine „Die levantinische Mollusken- fauna der Insel Rhodus“ betitelte Abhandlung hervor, in der ich mich bemüht habe, die gesammten Resultate der bisherigen diesbezüglichen Untersuchungen zu einem möglichst vollständigen Bilde zusammenzu- fassen. Die Zahl der bis nun aus dem hiesigen levantinischen Terrain bekannt gewordenen Molluskenarten beträgt 39. Dazu kommen überdies noch 15 besondere Varietäten, welche innerhalb derselben unterschieden werden können. Von den 39 Formen, die sich auf 16 Gattungen ver- theilen, finden sich, soweit unsere Kenntnisse heute reichen, blos I1 auch in anderen pliocänen Binnenregionen. Der grosse Percentsatz an eigenthümlichen Arten erklärt sich ohne Schwierigkeit durch die Natur der Ablagerungen. Es lehren ja doch die Erfahrungen, dass Süsswassergebiete, die gegen einander stets mehr oder minder abge- schlossen sind, die günstigsten Bedingungen für eine selbständige, von anderwärts wenig beeinflusste Entwicklung der Organismen bieten und in Folge dessen sich auch in der Regel durch Faunen auszeichnen, die jede für sich eine gewisse eigenartige Zusammensetzung zeigt und relativ nur eine geringe Menge gemeinsamer Arten enthält. Dieses gilt ebenso von der Jetztwelt, wie von den früheren geologischen Perioden. Der Charakter der ganzen Fauna ist der gleiche, wie ihn sonst die Faunen der anderen levantinischen Gebiete im südöstlichen Europa und in Westasien besitzen. Eine ausführliche Schilderung desselben habe ich in den Schlussbemerkungen zu meiner obgenannten Arbeit 602 Gejza von Bukowski. [86] gegeben, und kann ich mich deshalb hier auf die Wiederholung blos der allerwesentlichsten Punkte, die zu einer Skizzirung des Charakters in weiteren Umrissen eben unumgänglich nothwendig sind, beschränken. Vor Allem muss nochmals hervorgehoben werden, dass diese Fauna nur drei heutzutage noch lebende Arten einschliesst. Ueber die ver- wandtschaftlichen Beziehungen der übrigen Formen zu den recenten Süsswasserconchylien sei sodann Folgendes angeführt: In Ueberein- stimmung mit anderen levantinischen Molluskenfaunen der Mittelmeer- länder treten uns auch da neben ausgestorbenen Typen einestheils solche Arten entgegen, welche mit gewissen, heute im Umkreise des Mittelmeeres lebenden Species nächstverwandt erscheinen, andererseits wieder solche, deren Analoga wir jetzt in Ostasien und in Nordamerika finden. Zur letzteren Kategorie gehören zunächst sämmtliche Vivi- paren, ferner die Mehrzahl der Melanien und der einzige Vertreter der Gattung Fluminicola. Als einigermassen auffallend möge endlich noch erwähnt werden, dass von der Gattung Unio, welche sich im älteren Pliocän bekanntlich zumeist durch grossen Artenreichthum aus- zeichnet, hier bisher blos zwei Repräsentanten angetroffen wurden und diese sich keineswegs, wie sonst häufig der Fall ist, dem nord- amerikanisch - ostasiatischen, sondern dem europäisch-westasiatischen Typus anschliessen. Soviel im Allgemeinen über die levantinischen Bildungen. Nach- dem ihre beiden Facies auf der Karte getrennt erscheinen, empfiehlt es sich nun, dieselben auch im Nachstehenden auseinanderzuhalten. Wir beginnen unsere Betrachtungen mit der Beschreibung der lacustren Facies, der echten Paludinenschichten. A. Seenabsätze. Die lacustren Ablagerungen setzen sich vornehmlich aus gelb- lichen, theils feinen, theils groben Sanden und aus lichtgrauen, ganz weichen, mitunter sandigen Thonmergeln zusammen, die in steter Wechsellagerung sich befinden. Die Sande besitzen nur selten lockere Beschaffenheit, sondern erreichen zumeist einen gewissen Grad von Festigkeit, der sie mürben Sandsteinen nahe bringt. Eine nicht minder wichtige Rolle spielen hier ferner Schotterbänke, welche den anderen Sedimenten wiederholt eingeschaltet sind. Diese nehmen gegen die, wie schon gesagt wurde, mit der lacustren Facies innig verknüpften fluviatilen Absätze sowohl an Mächtigkeit, als auch an Häufigkeit stetig zu, bis sie schliesslich in den rein fluviatilen Gebieten so sehr die Oberhand gewinnen, dass neben ihnen nur noch Sande auftreten und auch diese im Grossen und Ganzen keine besonders starke Entwicklung zeigen. So sehen wir beide Facies durch einen allmäligen Uebergang mit ein- ander verbunden. Je mehr man sich von den Regionen typischer fluviatiler Ausbildung entfernt und den Paludinenschichten nähert, desto feiner erscheint das Absatzmaterial, und in den weiter in die letzteren vordringenden Schotterlagen haben wir jedenfalls die An- zeichen zeitweiliger stärkerer Anschwellung des Stromes, welcher hier einst gemündet hat, zu erblicken. Es tritt überall sehr klar hervor, dass eine scharfe Grenze zwischen den zwei in einander übergehenden [87] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 603 Facies nicht besteht. Dieselbe Kann eben nur ungefähr dort gezogen werden, wo die feineren Sedimente mehr zurückzuweichen und die gröberen vorzuherrschen beginnen. Einzelne Bänke werden in den Paludinenschichten ausserdem durch ziemlich feste, gelblich weisse Kalkmergel und tuffige, weisse Kalke gebildet. Harter, poröser, vor- wiegend gelblich weisser, zuweilen aber auch dunkel gebänderter Kalk und ebenso gefärbte blättrige oder dünnschiefrige Mergel erlangen im Wechsel mit dunklen Sanden local sogar eine grosse Bedeutung. Von dem Gesammtareal der levantinischen Ablagerungen entfällt auf die Seenabsätze der kleinere Theil. Sie bleiben dabei auf die Westseite der Insel beschränkt. Es lassen sich vor Allem zwei aus- gedehnte Becken unterscheiden, welche an die See herantreten und von einander durch eine breite Zone hoher Kalk- und Flyschberge getrennt werden. Im Norden des sich dazwischen schiebenden be- deutendsten Gebirgsterrains von Rhodus liegt das Becken von Kala- värda, im Süden jenes von Apolakiä. In beiden Gebieten erscheinen die Sedimente gegen das Meer abgebrochen, und es kann wohl keinem Zweifel unterworfen sein, dass man es daselbst blos mit Fragmenten grösserer Regionen der Paludinenschichten zu thun hat, welche während der ersten, gegen die Mitte der Pliocänzeit erfolgten Zertrümmerung des südlichsten Theiles des einstigen neogenen Aegäischen Festlandes in die Tiefe gesunken sind. Wie schon in dem vorhergehenden Capitel kurz erwähnt wurde, muss als nächstliegend angenommen werden, dass diese Becken gar nicht mit einander zusammengehangen haben. Darauf weist wenigstens die Verschiedenheit ihrer Faunen und der Umstand hin, dass eine Fortsetzung des sie heute scheidenden Riegels weiter gegen Westen durch die kleinen kalkigen Eilande Maäkri, Ströngilo, Alimniä, Tragüsa (Tragousa), Sphira (Sphyrna), Ayos Theödoros (Agios Theothoros), Prasütha, Mäilo, Apäno Prasütha, Nipüri (Nipouri), nebst den da- zwischen auftauchenden Klippen, sowie durch die felsige Kalkinsel Khälki angedeutet ist. Ungeachtet dessen bleibt aber andererseits auch die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen, dass es sich hier nur um zwei sehr weit nach Osten vorspringende Ausläufer eines einzigen grossen Gebietes, das sich früher westlich von Rhodus ausgebreitet haben konnte, handelt. Ein drittes, isolirtes Vorkommen, im Ver- . gleiche zu den eben genannten Becken von überaus geringem Um- fange, liegt westlich vom Skhiädi Vuno (Mt. Skathi), umschlossen von fluviatilen levantinischen Schottern. Dem Gesteinscharakter nach kann es nur hier eingereiht werden, seine Fauna zeigt dagegen eine etwas abweichende, eigenthümliche Zusammensetzung und bietet gewisse An- klänge an die Fauna der äquivalenten Flussabsätze. In der Lagerung der Schiehten machen sich zwischen ver- schiedenen Strecken ziemlich beträchtliche Unterschiede geltend. Es gibt Gebietstheile, in denen die Bänke verhältnissmässig steil geneigt sind und Zeugniss von Bewegungen ablegen, die allem Anscheine nach durch tangential wirkende Kräfte verursacht wurden; daneben kommen wieder weite Strecken vor, wo die Störungen nur ein geringes Aus- mass erreichen. Das Einfallen richtet sich vorwiegend gegen Süd und Südost, seltener beobachtet man nordwestliches Verflächen. 604 Gejza von Bukowski. [88] Es ist schon vorhin angedeutet worden, dass ‘die einzelnen, innerhalb der Seenablagerungen hier vom geographischen Standpunkte aus unterscheidbaren Regionen 'sich durch besondere Molluskenfaunen mit durchwegs oder zum weitaus grössten Theile eigenthümlichen Arten auszeichnen, was denn auch entschieden sehr für einen länger dauernden Abschluss derselben gegen einander spricht. Wir werden diese Faunen erst bei der nachfolgenden getrennten Besprechung besagter Gebiete näher ins Auge fassen; vorläufig sei blos bemerkt, dass etwas schärfer ausgeprägte verwandtschaftliche Beziehungen zu einander eigentlich nur die Faunen der beiden grossen -Paludinenbecken erkennen lassen, dagegen die Fauna der westlich vom Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) an- getroffenen Schichten hinsichtlich ihres Charakters ziemlich weit ab- steht. Mit den Paludinenschichten der Insel Kos haben die levantini- schen Seenabsätze von Rhodus 2, mit den Süsswasserbildungen von Mesara in Griechenland 4 Formen gemein. Ausserdem kommen hier auch noch unter den neuen Arten und Varietäten einige solche vor, deren nächste Verwandte sich vor Allem in den zwei letztgenannten Gebieten finden. Sämmtliche bereits von andersher in fossilem Zu- stande und lebend bekannten Arten, welche unser levantinisches Terrain bisher geliefert hat, gehören den Paludinenschichten an, während die Molluskenfauna der hiesigen fluviatilen Ablagerungen, nach unseren heutigen Kenntnissen wenigstens, ausschliesslich neue Formen umfasst. Nun erübrigt es mir noch, eine Wahrnehmung kurz zu berühren. Wie man auf Grund der eingehenden und sehr werthvollen Unter- suchungen Neumayr’s weiss, sind die Paludinenschichten der Rhodus naheliegenden Insel Kos, ebenso wie jene Slavoniens unter Anderem dadurch ausgezeichnet, dass sich in ihnen eine allmälig fortschreitende Abänderung der Formen bei gewissen Typen Schicht für Schicht von unten nach oben deutlich verfolgen lässt. Für Rhodus scheint nun dieses, zum Mindesten nach meinen Erfahrungen, nicht zuzutreffen. Versteinerungen führende Bänke finden sich daselbst in bestimmten Regionen, wie wo anders, über den ganzen Schichtencomplex vertheilt; es wurde ihnen vielfach in verschiedenen Niveaux begegnet, aber hie- bei stellte es sich in einzelnen Fällen heraus, dass darin die gleichen Formen immer wiederkehren. Allerdings kann Solches nicht von dem gesammten Gebiete unserer Paludinenschichten .behauptet werden, weil noch sehr ausgedehnte, sogar den grösseren Theil des betreffenden Terrains umfassende Strecken übrig bleiben, die in dieser Richtung nicht durchforscht sind, in denen bis jetzt nur sporadische Fossilien- funde gemacht wurden. Locale faunistische Abweichungen zwischen verschiedenen Fundorten in gleichwerthigen Lagen und zwischen ver- schiedenen Horizonten machen sich, wie sonst, auch da insofern be- merkbar, als in grosser Menge stets nur gewisse Arten mit einander auftreten und bald die eine, bald die andere Formenvergesellschaftung herrscht. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Arten fällt der ausser- ordentliche Individuenreichthum auf. Am. zahlreichsten treten uns Versteinerungen in den häufig zu ganz mürben Sandsteinen verfestigten Sanden entgegen, relativ seltener beobachtet man sie in den. weichen Ihonmergeln. Viele Bänke, man darf: beinahe sagen, die .Hauptmasse [89] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 605 der Schichten, erweisen sich übrigens als fossilleer oder wenigstens als sehr fossilarm. Das Terrain der lacustren Absätze stellt sich als eine meistens stark zerrissene, von den zahlreichen, tief in die weichen Sedimente eingegrabenen Bachläufen in Hügel aufgelöste Plateaulandschaft dar. Es gleicht hierin dem Terrain der jungpliocänen marinen Ablagerungen, die mit den Paludinenschichten in der Gesteinsausbildung fast völlig übereinstimmen. Den hügeligen Plateaucharakter verdankt es den Zwischenlagen festerer Kalkmergel und tuffigser Kalke, sowie den häufig vorkommenden oberpliocänen Kalkdecken, welche schützend auf die darunter liegenden, leicht zerstörbaren Sedimente wirken und, sobald sie einmal durchbrochen sind, zur Entstehung von Hügelreihen und von ausgedehnteren terrassenartigen Plateaucomplexen mit sehr steilen Böschungen, nicht selten nahezu senkrecht abstürzenden Wänden führen. In Folge der Fruchtbarkeit des Bodens bilden diese Gebiete ebenso, wie die Regionen des marinen Jungpliocän, das eigentliche Culturland der Insel. 1. Das nördliche Becken. Das nördliche Gebiet, das nach dem Orte Kalavarda, in dessen Umgebung sich die reichsten bis nun angetroffenen Fossilienfundstellen finden, auch als das Becken von Kalavärda bezeichnet werden kann, ' erstreckt sich in einem breiten Streifen längs der Küste von der Mündung des bei Nänos vorbeifliessenden Baches gegen Nordost bis über Tholo hinaus. Im Süden grenzt es zunächst an die zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro), den Kitala (Ketallah) -Bergen und dem eretacisch-eoeänen Kalkterrain des Cap Kopriä liegenden Flysch- bildungen, sodann an die über Nänos sich ziehenden Thari-Schiehten an, und endlich greifen die Sedimente desselben, sich unconform an- lagernd, auf die Kalke des grossen Eliasberges und den an seinem Nordrande bei Piyes (Piges) in einem äusserst schmalen Saume her- vortretenden Flysch über. Erst bei Salakos hört der Contact mit den eretacisch-eocänen Kalken auf. Gegen Südost hängen die Paludinenschichten dieses Beckens mit den zwischen dem Kalkstocke des Elias und Spiriötis (Speriolis) Vuno und jenem des Levtopödi (Leftopoda) und Kümuli (Koomooley) Vunö zu mächtigen Bergen sich aufthürmenden fluviatilen Schotter- massen, welche in ihnen, wie gesaet, allmälig aufgehen, zusammen. Eine von Maritsa über Käto Kalamöna und etwas nördlich von Apäno Kalamöna nach Säalakos verlaufende, vielfach gekrümmte Linie dürfte beiläufig jener Zone entsprechen, in der sich der mitunter kaum merkliche Facieswechsel vollzieht, und wo die feineren Sedimente der laeustren Entwicklungsart nach und nach von dem gröberen Fluss- material verdrängt werden. Nicht minder grosse Schwieriekeiten bereitet die Grenzziehung gegen die von Nordost her sich ausbreitenden und sich darüber legen- den oberpliocänen Marinbildungen. Der Grund hievon liegt einestheils in der Erscheinung, dass in diesen beiden sonst so heterogenen Schichtgruppen fast die gleichen Sedimentarten herrschen, und andern- Jahrb. d. k.K. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft, (G. v. Bukowski.) 78 606 Gejza von Bukowski. [90] theils darin, dass gerade auf den benachbarten Strecken hier wie dort die Schiehten in derselben Weise wenig gestört sind, mithin in der Lagerung, selbst wo man eine directe Aufeinanderfolge zu constatiren im Stande wäre, keine Unterschiede zu Tage treten. Die einzigen Anhaltspunkte, nach denen die Trennung durchgeführt werden kann, bieten demnach die Fossilien. Trotzdem zweifle ich gar nicht daran, dass es gelegentlich einer genauen Kartirung gelingen wird, diese Terrains überall scharf gegen einander abzugrenzen. Heute jedoch, nach einer blos flüchtigen Bereisung, dürfen präcise Angaben in be- sagter Richtung selbstverständlich noch nicht erwartet werden. Vor- derhand steht es nur fest, dass der Parädiso Vunö, an dessen Fusse auf der einen Seite Villa nuova, auf der anderen über dem Bache Damatriä liegt, aus marinen Ablagerungen des Jungpliocän aufgebaut ist, die hügelige Umgebung von Thölo hingegen, wo ich in den mit Thonmergeln und Schotterlagen wechselnden Sanden Unionen und Neritinen gefunden habe, wie die weiter südlich und südwestlich sich anschliessende Region bereits dem levantinischen Seebecken angehört. Dadurch erscheint uns also ein Mittel gegeben wenigstens zu einer bei- läufigen Bestimmung der Grenze, die ich darnach einfach willkürlich innerhalb der Strecke zwischen Thölo und Damatriä gezogen habe. Von der See aus, welche jetzt an der Stelle der eingebrochenen westlichen Fortsetzung des Beckens ihr Wellenspiel treibt, steigt das Terrain in der Richtung der centralen, aus Flussschottern bestehenden Bergkette stetig an, jedoch so, dass in den fluviatilen Ablagerungen die Höhenzunahme viel rascher stattfindet als in den lacustren Ab- sätzen. Entlang der Küste zwischen Kalavärda und Thölo begegnen wir auch einem ebenen Saume, der als vorzügliches Ackerland wirth- schaftlich von hoher Bedeutung ist. Während in dem nordöstlichen Theile des Beckens die Störungen nur ein verhältnissmässig geringes Ausmass erreichen, ist in der süd- westlichen Hälfte die Lagerung fast durchwegs eine stark gestörte, indem die Schichten constant ziemlich steil gegen Süd oder Südost geneigt sind. Die continuirlich wechselnde Aufeinanderfolge von Sanden, weichen Sandsteinen, Schottern und lockeren Thonmergeln, in der stellenweise auch Bänke festerer Kalkmergel und tuffiger, weisser Kalke eine gewisse Rolle spielen, lässt sich am schönsten in dem von Salakos gegen Kalavarda laufenden Thale, welches, tief eingeschnitten, die ganze Schichtenserie sehr gut entblösst, beobachten. Eine beinahe ebenso gute Uebersicht gewährt auch das Langoniä-Thal (Langounyah Valley). In diesen Profilen sieht man am deutlichsten, wie alle Bänke gleichmässig nach Süd und Südost einfallen. Da wegen der im Grossen und Ganzen lockeren oder weichen Beschaffenheit der Sedi- mente und der im Allgemeinen regelmässigen, nirgends direct ver- worrenen Lagerung es kaum angehen dürfte, an das Vorhandensein von Ueberschiebungen zu denken, ergibt sich hier unter Anderem auch eine sehr bedeutende Mächtigkeit der Schichtfolge. Das relativ steile Verflächen, welches die gesammte Serie in dem südwestlichen Theile des Gebietes zeigt, kann meiner Ansicht nach nur auf seitlich wirkende, faltende Kräfte zurückgeführt werden. Jedenfalls handelt es sich in unserem Falle nicht um ein einfaches Absitzen der betreffenden Bil- [91] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 607 dungen, und fast ebenso unwahrscheinlich ist es, dass diese Art von gestörter Lagerung blos eine Begleit- oder Folgeerscheinung der seiner- zeit daselbst erfolgten Einbrüche sei. Ueber den Paludinenschichten der in Rede stehenden Region breiten sich vielfach weisse, zumeist weiche, tuffige, manchmal aber auch breceienartige Kalke aus, die denselben, je nachdem die Unter- lage wenig oder mehr gestört ist, bald concordant, bald discordant aufruhen. Obwohl es mir nicht geglückt ist, in ihnen Fossilien zu ent- decken, muss doch in Anbetracht des discordanten Verhältnisses als nächstliegend vorläufig die Meinung platzgreifen, dass man es hier mit jungpliocänen Deckenresten zu thun hat. Diese Kalke wurden wegen ihrer geringen Mächtigkeit und wegen Zeitmangels von mir auf der Karte nicht ausgeschieden. Die Molluskenfauna des Beckens von Kalavarda umfasst nach unseren heutigen Kenntnissen folgende Arten und Varietäten: Vivipara clathrata Desh. typ. vor. dorica Buk. Oamirensis Buk. ®, v H „ Calavardensis Buk. R i E » Langoniana Buk. Melania cuwrvicosta Desh. typ. A 3 „. var. hellenica Buk. R Rhodiensis Buk. typ. . „ var. Camirensis Buk. „ Hedenborgi Buk. Melanopsis orientalis Buk. Vandeveldi Buk. 4 Phanesiana Buk. Limnaeus Calavardensis Buk. Neritina pseudomicans Duk. R Fontannesi Neum. Hydrobia ventrosa Mont. h (Caspia) Sturanyi Buk. Pyrgula Rhodiensis Buk. Unio pseudatavus Buk. typ. var. dorica Buk. Calavardensis Buk. » » » ” 7 ” ” ” „ ” ” ”„ ” ” ” Dreissensia Rhodiensis Buk. Unter den aufgezählten Formen, von denen Vivipara clathrata und Melania curvicosta bereits durch Deshayes aus Rhodus beschrieben und dann später auch in der oft eitirten palaeontologischen Arbeit Tournouär’s über die tertiären Süsswasserconchylien der Insel Rhodus besprochen wurden, kommt blos Hydrobia ventrosa Mont. noch lebend vor. Neritina Fontannesi Neum. findet sich auch in den levanti- nischen Bildungen der Insel Kos und Melania curvicosta Desh. var. hellenica Buk. in den Süsswasserschichten von Megara in Griechenland. Was die verwandtschaftlichen Beziehungen der übrigen Formen sowohl 18* 608 Gejza von Bukowski. [92] zu gewissen recenten, als auch fossilen Typen betrifit, so würde es wohl zu weit führen, wollte man dieselben hier einer näheren Be- trachtung unterziehen, und kann deshalb nur auf die Angaben ver- wiesen werden, welche ich darüber in meiner palaeontologischen Ab- handlung gemacht habe. Dieses ganze Versteinerungsmaterial stammt aus dem südwest- lichen Theile "des Gebietes. Einer der fossilreichsten Punkte liegt in der Nähe von Kalavärda, unmittelbar am Wege, der von Phänes (Fanez) nach jenem Dorfe führt. Ziemlich gross ist unter Anderem auch die Ausbeute, welche in dem von Sälakos gegen Kalavärda sich ziehenden Thale erzielt wurde, und dabei insofern wichtig, als sie Fossilien ver- schiedener Horizonte des Schichteneomplexes umfasst. In dem Langoniä (Langounyah) Thale fallen einzelne Sandlagen dadurch besonders. auf, dass in ihnen die Schalen des Unio pseudatavus Buk. in ungeheurer Menge angehäuft sind. Mit Rücksicht auf etwaige künftige Unter- suchungen verdient endlich noch erwähnt zu werden, dass unweit Piyes (Piges), wo bereits Schotter vorwalten, eine Sandbank angetroffen wurde, die fast vollständig von Neritinen und Congerien oder Dreissensien erfüllt war. Die dort von mir aufgesammelten Stücke gingen später leider alle während des Transportes zu Grunde und mussten in Folge dessen bei der Bearbeitung der Fauna gänzlich ausser Acht gelassen werden. 2. Das südliche Becken. Durch die mächtigen, hoch aufragenden Kalkstöcke des Elias- berges und Spiriötis (Speriolis) Vunö, des Atäviros (Mt. Attayaro), des Akramfti (Mt, Akramytis) und Armenisti (Arministhi), durch den Kitala (Ketallah) -Rücken, das gleichfalls eretacisch-eocäne Kalkterrain am Cap Kopria und westlich von Kästelos, sowie durch die bergige eocäne Flyschlandschaft, welche sich dazwischen ausbreitet, von dem eben beschriebenen Becken geschieden, dehnt sich im Süden das Becken von Apolakiä, Spratt’s basin of Palatshah, aus. Wie jenes, erscheint auch dieses nach Westen, gegen das Meer abgebrochen. Seine Um- rahmung bilden im Süden und im Osten levantinische Flussschotter, welche, dem hiebei auf Rhodus allgemein herrschenden Verhältnisse entsprechend, auf das Innigste mit den lacustren Absätzen verknüpft sind, mit denselben allmälig verschwimmen. Die selbstverständlich nur ungefähr bestimmbare Grenze zwischen beiden Facies läuft von der Küste angefangen in der Weise, dass das breite, aber zumeist trockene Bett des bei Apolakiä aus der Vereinigung hauptsächlich zweier grösserer Bäche entstehenden Torrente in einer gewissen Entfernung von ihr noch ganz in den Bereich der Paludinenschichten fällt. Sie zieht sich dann beiläufige in der Mitte zwischen Apo- lakiä und Arnitha und wendet sich schliesslich nordwärts, gegen den Atäviros (Mt. Attayaro). Die Abgrenzung des Beckens im Nord- osten sowohl gegen die äquivalenten fluviatilen Bildungen, als auch gegen den Flysch ist, da ich jene Gegend nicht besucht habe, über eine weite Strecke vollkommen schematisch auf der Karte eingezeichnet worden. Im Norden finden hier endlich die Paludinenschichten den [93] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 609 Abschluss an den offenbar grösstentheils, wie auch sonst, ihre Unter- lage ausmachenden eocänen Flyschablagerungen, welche, der Sen- kungszone zwischen dem Akramiti (Mt. Akramytis) und dem Atäviros (Attayaro) folgend, weiter diese beiden Kalkmassen an deren Südrändern begleiten. Oberhalb Monölithos hüllen sie den Flysch vollständig ein und lehnen sie sich auf der Erstreckung von da bis zur Küste direct an die cretacisch-eocänen Kalke des Akramiti (Mt. Akramytis) an. Das Dorf Monölithos liegt schon auf levantinischem Boden, während das nahe mittelalterliche Castell Aya Badalemöna noch auf cretaeisch- eocänem Kalke steht. Im Gegensatz zu der nördlichen Region, wo das Terrain ziemlich stark coupirt ist, sich vielfach als ein reicher gegliedertes Hügelland darstellt, tritt in dem südlichen Becken mehr der Plateaucharakter hervor. Zwar gibt es auch hier zahlreiche Thalrinnen, die den Boden mannigfaltiger gestalten, und fehlt es nicht an hügeligen Gegenden, im Ganzen überwiegen aber doch terrassirte Plateaulandschaften, die zumeist in hohen, sehr steilen Wänden gegen das Meer und die tiefer eingeschnittenen Terrainfurchen abfallen. Der bedeutendste und markanteste solcher Abstürze ist jener der Landschaft Skhiötis (Schiotes), welcher die ganze Schichtenserie bis zum Meeresspiegel aufdeckt. Ein ausgedehntes Plateaugebiet nimmt ungefähr die Mitte des Beckens ein. Dasselbe wird sowohl nach Westen, gegen den niedrigen flachen Kiistensaum, als auch nach Osten von mehr oder weniger hohen, fort- laufenden Steilrändern begrenzt, südwärts dagegen, in der Richtung der Ortschaft Apolakiä, dacht es im Einklange mit der Schichten- neigung ganz allmälig ab. Die Plateauabstürze bieten, wie gesagt, ausgezeichnete Durch- schnitte dar, in denen man Bank für Bank den wiederholten Wechsel von licehtgrauen, weichen Thonmergeln, Sanden, mürben, zerbröckelnden Sandsteinen, Schottern und tuffigen Mergelkalken verfolgen kann. Bei der Annäherung an die fluviatile Facies lässt sich ebenso, wie in dem Becken von Kalavarda, ein stetes Anwachsen der Schotterzwischen- lagen bemerken,. durch die bekanntlich in erster Linie der Uebergang vermittelt wird. Als Hangendes erscheinen öfters, über grosse Räume verbreitet, weisse, tuffartige, meistens mergelige Kalke von bald be- trächtlicherer, bald geringer Mächtigkeit, über deren Alter zufolge des Umstandes, dass sie in der Regel keine Versteinerungen enthalten, nicht immer ein sicheres Urtheil möglich ist. Sie können nämlich ebenso gut noch den Paludinenschichten angehören, als auch Reste der auf Rhodus fast überall in Lappen zerstreuten oberpliocänen Marinbildungen sein. Wie nicht anders zu erwarten wäre, zeigen auch hier die lacustren levantinischen Absätze namhafte Störungen. Letztere äussern sich in einer vorwiegend flachen, seltener etwas steileren Neigung der Schichten, deren Richtung übrigens durchaus nicht einheitlich ist. Sie scheinen an keiner Stelle jenes Ausmass zu erreichen, welches wir in der süd- westlichen Hälfte des Nordbeckens, zumal in der Gegend von Kalavärda, kennen gelernt hatten. Direct horizontale Lagerung wurde trotzdem nirgends wahrgenommen. Bei Monölithos und in dem ganzen centralen Theile bis über Apolakia hinaus zur Südgrenze herrscht südliches Ver- 610 Gejza von Bukowski. [94] flächen. In der Landschaft Skhiötis (Schiotes) fallen dagegen die Schichten nach Nordwest ein. Längs der Wege, welche ich behufs Kartirung einschlagen musste, gelang es mir nur selten und überdies beinahe immer blos vereinzelte Fossilien zu beobachten. Der einzige Punkt, wo solche in grosser Menge angetroffen wurden, ist Monölithos. In einem ziemlich tiefen Thaleinschnitte südlich von diesem Orte stiess ich auf versteinerungs- reiche Sande und Thonmergel, die eine Molluskenfauna geliefert haben, welche zwar nicht besonders viel Arten umfasst, in der aber die Mehr- zahl der Formen sich durch ausserordentliche Häufigkeit auszeichnet. Hier haben sich thatsächlich sämmtliche Bänke als fossilführend er- wiesen. Die grösste Beachtung verdient dabei eine den vornehmlich Viviparen und Melanopsiden einschliessenden Sanden eingelagerte Lumachelle. Diese dünne Bank wird durch ungezählte Schalen von Neritinen und Melanopsiden gebildet, neben denen wohl auch Viviparen, jedoch nicht einmal annähernd in einem solchen Individuenreichthum auftreten, wie jene. Der höchste Horizont unter den weichen, sandig- thonigen Sedimenten, ein lichtgrauer Thonmergel, enthält allem An- scheine nach nur Limnaeen und Planorben. Darüber folgt dann zuletzt ein weisser, theils tuffiger, sandiger, theils conglomeratischer Kalk, welcher, wie sonst vielfach, die ganze darunter liegende Schichtenserie eoncordant bedeckt. Das Alter des letztgenannten Kalkes bleibt insofern noch zweifelhaft, als man, da Fossilien darin bis jetzt nicht aufzu- finden waren, nicht zu entscheiden vermag, ob derselbe ein Glied der Paludinenschichten vorstellt oder ein jungpliocäner Deckenrest sei. Sein petrographischer Habitus spricht eigentlich mehr für dessen Zu- gehörigkeit zum marinen Jungplioeän. Auf Grund genauer Vergleiche bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass in den früher veröffentlichten Fossilienlisten von Rhodus sich keine Form aus dem in Rede stehenden Becken ange- geben findet, und man muss daher annehmen, dass es an Aufsamm- lungen von hier bis jetzt überhaupt gefehlt hat. Die von dem ober- wähnten Punkte bei Monölithos durch mich mitgebrachte Mollusken- fauna setzt sich folgendermassen zusammen: Vivipara Rhodiensis Buk. N Acramitica Buk. » . Forbesi Tourn. Melania curvicosta Desh. typ. s a „. var. Monolithica Buk. 4 etrusca De Stef. n Tournoueri Fuchs var. doriea Buk. Melanopsis orientalis Buk. n Biliottii Buk. Neritina hellenica Buk. typ. n L „var. constriela Buk. Hydrobia (Caspia) Monolithiea Buk. Limnaeus sp. [95] Geologische Uebersiehtskarte der Insel Rhodus. 611 Planorbis sp. Unio cfr. Vardinicus Font. Was uns bei der Betrachtung dieser Fauna vor Allem auffällt, ist die Erscheinung, dass dieselbe blos zwei Arten, nämlich Melania cur- vicosta Desh. und Melanopsis orientalis Buk., mit der Fauna des Nord- beckens gemein hat. Allerdings darf dabei andererseits auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass einzelne von den sie im Besonderen kennzeichnenden Species direct als vicariirende Formen der in dem Nordgebiete vorkommenden, ihm gewissermassen ebenfalls eigenthüm- lichen Arten und Varietäten aufgefasst werden können. Im Grossen und Ganzen weichen aber beide Faunen, wie man sieht, doch nicht unwesentlich von einander ab. Dieser Unterschied bildet denn auch einen der wichtigsten Anhaltspunkte für die schon früher von mir wiederholt ausgesprochene Vermuthung, dass das nördliche und das südliche Becken zur Zeit des Absatzes der levantinischen lacustren und fluviatilen Sedimente als Seen gegen einander mehr oder weniger abgeschlossen waren, und dass eine Verbindung zwischen ihnen mög- licherweise nur mittels der fliessenden Gewässer, des in sie einmün- denden Stromes, bestanden hat. Am schärfsten prägt sich der Unter- schied wohl in den Viviparen aus, denn während das Gebiet von Kalavarda ausschliesslich durch die ungemein reich verzierte Vivipara clathrata Desh. charakterisirt erscheint. begegnen wir in der südlichen Region durchwegs anderen, mit Vivipara clathrata Desh. gar nicht ver- wandten, wenn auch, wie jene, dem nordamerikanisch - ostasiatischen Typus angehörenden Arten. Sonst wäre noch hervorzuheben, dass von den angeführten Formen keine mehr heute lebt. Einige Species kennen wir bereits aus anderen, zum Theil sogar weit entfernt von Rhodus liegenden pliocänen Terrains der Mittelmeerländer. Vivipara Forbesi Tourn. wurde zuerst aus den Paludinenschichten der Insel Kos beschrieben, und ferner ist es nicht unwahrscheinlich, dass dort auch Melania curvicosta Desh. var. Mono- lithica buk. vorkommt. Wie ich in meiner palaeontologischen Arbeit nachdrücklich betont habe, darf ausserdem mit Zuversicht erwartet werden, dass bei einer genaueren Durchforschung unserer levantinischen Gebiete sich noch mehr faunistische Beziehungen zu den levantinischen Bildungen von Kos ergeben werden. Gewisse Anzeichen hiefür wenig- stens lassen sich schon heute bei den Neritinen erkennen. Melania Tournoueri Fuchs, Neritina hellenica Buk. und Neritina hellenica Buk. var. constricta buk. finden wir in den Süsswasserschichten von Megara in Griechenland wieder. Melania etrusca De Stef. endlich tritt vor Allem in dem Pliocän Italiens auf, und Unio cfr. Vardinicus Font. ist eine Form der pliocänen Ablagerungen des Rhöne-Beckens. 3. Das Vorkommen westlich vom Skhiädi Vuno. Wenn man von der Westküste sich dem Skhiadi Vuno (Mt. Skathi) nähert, stosst man unweit vom Fusse dieses aus oligocänen Sandsteinen aufgebauten Rückens auf Schichten, die ihrer Lage wegen mitten in den levantinischen Flussschottern und durch ihre bis zu einem ge- 612 Gejza von Bukowski. [96] wissen Grade eigenartige Molluskenfauna unser Interesse in hohem Maasse erwecken. Sie bilden einen niedrigen Hügel an dem zum Monastir Skhiädi (Skathi) führenden Wege, kurz bevor der Pfad dort- hin steiler anzusteigen beginnt. Es stehen daselbst im Wechsel mit einander graue, zum Theil auch dunkle Sande an, graugelbe, ziemlich weiche, blättrige oder schiefrige Mergel und gelblichweisse, mitunter dunkel gebänderte mergelige Kalke, welche relativ eine bedeutende Härte besitzen und in der Regel porös oder löcherig erscheinen. | Die meisten Lagen sind reichlich mit Versteinerungen versehen. Die schiefrigen und blättrigen Mergel enthalten nicht selten Pflanzen- abdrücke, leider fast durchgehends von schlechter Erhaltung; man kann sagen, dass in letzterer Beziehung eigentlich nur die dabei häufig anzutreffenden Früchte von Characaeen eine Ausnahme machen. Molluskenschalen kommen sowohl in den Sanden, als auch in den Mergeln und in den Kalken vor. Manche Bänke schliessen dieselben in solcher Menge ein, dass sie von ihnen beinahe ganz erfülit werden. Unter den hier vertretenen Arten, deren Vergesellschaftung sich mit dem Gesteins- und Niveauwechsel wenig ändert, fallen einzelne durch einen geradezu erstaunlichen Individuenreichthum auf. Während eines kurzen Aufenthaltes an der in Rede stehenden Localität gelang es mir, ein verhältnissmässig nicht unansehnliches palaeontologisches Material zu gewinnen, in welchem sich an Mollusken folgende Species und Varietäten vorgefunden haben: Vorymbina Monachorum Buk. typ. R B „. var, turrita Buk. Planorbis ceristatus Drap. | 5 transsylvanicus Neum. var. dorica Buk. 3 Skhiadieus Buk. Valvata gregaria Buk. ; Shhiadica Buk. N Monachorum Bulk. : aberrans Duk. Bythinia meridionalis Frauenf. Bythinella Skhiadica Buk. Pisidium sp. Limnocardium sp. Ein flüchtiger Blick auf die eben mitgetheilte Fossilliste genügt schon, um zu erkennen, dass diese Fauna ein wesentlich anderes Gepräge trägt als die Faunen der beiden vorhin beschriebenen Becken, über- haupt die Faunen typischer Paludinenschichten. Die sonst in solchen Ablagerungen stark repräsentirten, in der Regel vorherrschenden Gattungen Vivipara, Melania, Melanopsis, Neritina und Unio fehlen hier vollständig, und dafür erscheint neben Planorben, Valvaten. so- wie Cardium als Hauptfossil die neue eigenthümliche Limnaeiden- gattung Corymbina, welche bis jetzt nur noch in der fluviatilen Facies der levantinischen Bildungen auf Rhodus angetroffen wurde und dort durch eine besondere, nicht minder häufige Art vertreten ist. * arg BE .s nr AR [97] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 613 Corymbina Monachorum Buk. kann, da sie fast in allen Bänken wie- derkehrt, ohneweiters als die Leitform dieser Schichten gelten. Anklänge an fremde, ausserhalb Rhodus liegende pliocäne Terrains sind im Ganzen sehr schwach. In Planorbis transsylvanicus Neum. var. dorica Bulk. haben wir eine neue Varietät einer namentlich im Plioeän Siebenbürgens und Slavoniens verbreiteten Species vor uns, und Bythinella Skhiadica Buk. stellt sich als der nächste Verwandte von Bythinella scalaris Fuchs aus den Süsswasserschichten von Megara in Griechenland dar. Zwei Arten, Planorbis eristatus Drap. und Bythinia meridionalis F'rrauenf., kommen noch lebend vor. Hinsichtlich ihrer Zu- sammensetzung macht unsere Fauna bis zu einem gewissen Grade den Eindruck, als ob sie eine vermittelnde Stellung zwischen den Faunen der benachbarten fluviatilen Ablagerungen und der im Becken von Apolakiä nicht weit entwickelten Paludinenschichten einnehmen würde. Auf welche Weise der uns eben beschäftigende Schichtencomplex gebildet wurde, darüber gibt uns nicht nur die vorstehende Fauna keinen vollkommen genügenden Aufschluss, sondern die Beantwortung dieser Frage fällt auch aus einem anderen Grunde nicht leicht. Gewiss ist nur, dass man es hier keinesfalls mit dem Absatzmaterial jenes Stromes zu thun hat, dem die mächtigen und stark verbreiteten Jevantinischen Schotter- und Sandmassen ihre Entstehung verdanken, weil der Sedimentcharakter insofern, als mit den Sanden und Mergeln auch harte dichte Kalke von poröser oder löcheriger Structur auf- treten, dem entschieden widerspricht. Wie bereits angegeben wurde, bleiben diese im Ganzen nur eine geringe Mächtigkeit erreichenden Schichten auf einen kleinen Raum beschränkt und werden dieselben allseits von den levantinischen Flussschottern umgeben. Sie zeigen ein steiles Verflächen gegen Nordwest und stimmen hierin mit ihrer Umgebung überein. Wie der Connex mit den Schottern sonst noch ist, liess sich nieht genau constatiren. Die isolirte Lage mitten unter äquivalenten, dem Ursprunge nach jedoch verschiedenen Ablagerungen wirkt bei Berücksichtigung aller anderen Thatsachen einigermassen erschwerend, sobald man über die Facies des Schichteneomplexes ein Urtheil fällen und sein Verhältniss zu den übrigen Bildungen jener Periode erklären will. Ob es sich daselbst um einen localen Absatz in einem ruhigen Theile des Stromlaufes oder aus Quellen, darunter wohl auch solchen mit reichem Kohlensäuregehalt, auf welche die Entstehung der er- wähnten Süsswasserkalkbänke zurückgeführt werden könnte, handelt, muss vorderhand dahingestellt bleiben. Ausserdem ist übrigens auch durchaus nicht ausgeschlossen, dass diese Sedimente während der levan- tinischen Periode bereits zu einer Zeit abgelagert worden sind, als der Fluss noch nicht existirte oder wenigstens über die betreffende Gegend sich noch nicht ergoss. Jedenfalls dürfte man nicht fehlgehen, wenn man sie, wie es hier geschehen ist, in die lacustre Facies einreiht. B. Fluviatile Ablagerungen. An dem Aufbaue des fluviatilen Terrains der levantinischen Stufe nehmen, da wir es ja daselbst durchwegs mit Aufschüttungen eines Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (@. v. Bukowski.) 79 61a Gejza von Bukowski. [98] mächtigen Gebirgsstromes zu thun haben, naturgemäss hauptsächlich Sehotter und Sande theil. In den Schottern herrschen überall Ge- schiebe und Gerölle der cretacischen, sowie der eocänen Kalke vor, und zwar so sehr, dass neben ihnen die Rollstücke anderer Gesteine fast ganz verschwinden. Am häufigsten, obwohl lange nicht auf allen Strecken, finden sich noch beigemengt Geschiebe von Serpentin, Diabas und verschiedener Sandsteine; weitaus seltener und nur an bestimmten, räumlich zumeist sehr beschränkten Stellen kommen auch solche von Gabbro, Porphyrit, sowie anderer Eruptivgesteine vor. Im Grossen und Ganzen kann also doch behauptet werden, dass die Hauptmasse der Schotter blos aus Kalkgeröllen besteht. Die Dimensionen der Roll- stücke schwanken zwischen ziemlich weiten Grenzen. Die weissen bis gelblichgrauen Sande, welche, wie das bei Flussabsätzen stets der Fall ist, ganz unregelmässig mit den Schottern wechseln, in denselben nach allen Richtungen hin wiederholt auskeilen und sehr oft direet in sie übergehen, sind bald grob, bald fein, führen manchmal einzelne Ge- rölle und erscheinen überaus häufig von kleinen Schotterschnüren durchsetzt. Da und dort, im Allgemeinen sogar nicht selten, begegnet man ausserdem bunten, sandigen oder kalkigen Thonen, welche ähnlich, wie die Sande, mit den Schottern zusammenhängen und jene stellen- weise gewissermassen vertreten. Sie bilden theils dünne, theils dickere, mitunter auch relativ mächtige Einschaltungen in den obgenannten Sedimenten. Gewisse Gegenden zeichnen sich dadurch aus, dass die dort ent- wickelten, sonst ziemlich lockeren Schottermassen zu festem Fels er- härtet sind. Aus den mehr oder minder losen, mit Sand untermischten Anhäufungen von Kalkgeröllen entstanden regional harte wirkliche Kalk- eonglomerate mit sandig- oder thonig-kalkigem Bindemittel; dazwischen gibt es allerdings auch noch einzelne Partien, die ihre ursprüngliche weiche Beschaffenheit beibehalten haben. Dasselbe gilt sodann von den mitvorkommenden Sanden, aus denen in solchen Gebieten öfters theils reine mürbe Sandsteine, theils Conglomeratsandsteine hervorgegangen sind. Diese Erscheinung blieb natürlich auch nicht ohne Einfluss auf die heutigen Terrainformen; inwieweit diesbezüglich die verfestigten und die lockeren Schotter- und Sandmassen von einander abweichen, wollen wir aber erst weiter unten einer näheren Betrachtung unter- ziehen. Wie bei allen Flussabsätzen, beobachtet man auch hier vielfach falsche Schichtung. Wenn wir das gesammte Terrain ins Auge fassen, so zeigt es sich aber, dass regelmässige Bankung, welche mitunter sogar sehr deutlich ausgeprägt ist, doch vorwaltet. Wir sind in Folge dessen auch in der Lage, zu constatiren, dass in Bezug auf die Art und die Grösse der Störungen volle Uebereinstimmung mit den lacustren Bildungen herrscht. Hier wie dort begegnet man nur sehr selten horizontaler Lagerung. Die Schichten erscheinen im Gegentheil fast immer gestört; sie sind bald stärker, bald schwächer geneigt, wobei, analog den Paludinenschichten, die Richtung des Verflächens sich nichts weniger als einheitlich darstellt. Im Allgemeinen überwiegt wohl süd- liches oder südöstliches Einfallen. Unter den Richtungen, die sonst noch vorkommen, macht sich dann vor Allem die nordwestliche bemerkbar. [99] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 615 Dass zwischen diesen Absätzen und den Paludinenschichten der Becken von Kalaväarda und von Apolakiä ein überaus enger, geradezu unzertrennlicher Zusammenhang existirt, der sich, auf den zu jener Zeit daselbst bestandenen hydrographischen Verhältnissen basirend, am auffallendsten in einer innigen Sedimentverknüpfung kundgibt, und dass dem zu Folge von einer scharf ausgeprägten Grenze hier eigentlich gar nicht die Rede sein kann, wurde schon vorhin genügend ausführlich auseinandergesetzt. Es ist auch bereits gesagt worden, dass wir in den uns beschäftigenden mächtigen Schotter- und Sandmassen das An- schüttungsmaterial eines grossen Flussdeltas vor uns haben, und dass dieselben von einem Strome herrühren, der zweifellos aus Kleinasien kam und in die beiden levantinischen Süsswasserseen mündete, deren Sedimente uns heute nur mehr in den oberwähnten, blos fragmentarisch erhaltenen Regionen von Kalavärda und von Apolakia vorliegen. Aus der Verbreitung der Schotter ersieht man sehr deutlich, wie dieser Strom bei seiner Einmündung sich an gewisse, durch die Tektonik des Untergrundes vorgezeichneten Bahnen hielt. Um der Detailschilderung nicht vorzugreifen, sei jetzt nur ganz kurz darauf hingewiesen, 'dass die levantinischen Flussablagerungen im Norden der Insel vor Allem das grosse Einbruchsfeld zwischen dem Kalkstocke des Elias und Spiriötis (Speriolis) Vuno und jenem des Levtopödi (Leftopoda) und Kümuli (Koomooley) Vunö ausfüllen, mithin dem offenen Thore folgen, welches von Osten her den natürlichen Zugang zu dem nördlichen Seebecken bildete. Aehnliche Verhältnisse treffen wir dann auch im Süden an. Auch hier thürmen sich die levantinischen Flussabsätze vorzugsweise in einer breiten Tiefenregion, jenem allem Anscheine nach ebenfalls gesenkten Landstriche auf, der sich zwischen dem Atäviros oder Atairo (Attayaro) und den oligocänen Sandsteinbergen von Mesanagrös (Mesanagrose) ausdehnt, und der seiner Zeit offenbar die bequemste Verbindung mit dem südlichen Seebecken nach Osten hin darbot. Da wie dort findet bekanntlich ein ganz all- mäliger petrographischer Uebergang in die lacustren Paludinenschichten statt. In dem mittleren Theile der Insel, wo nur in der Gegend des Kharädja (Haratchey) und Rhöino (Rhoeyno) Vunö eine wohl haupt- sächlich auf Denudation zurückzuführende Unterbrechung vorhanden ist, schwenken unsere Bildungen um das die bedeutendsten Erhebungen von Rhodus, so den Akramiti (Mt. Akramytis), Atäviros (Mt. Attayaro) und den Eliasberg, einschliessende Gebirgsland, welches das südliche Paludinenbecken von dem nördlichen scheidet. Man hat daher bis zu einem gewissen Grade die Berechtigung anzunehmen, dass der Strom in dieses Terrain nicht eingedrungen ist, sondern dasselbe, sich daran stauend, auf der südöstlichen Seite umfloss. Immerhin bleibt es aber noch unentschieden, ob nicht doch etwa auch hier eine zweite Ver- bindung mit dem Seebecken von Kalavärda bestanden hat durch die schmale Senkungszone zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro) und dem Eliasberge, welche von den Thari-Schichten eingenommen wird und direct zu den Paludinenschichten führt. Es läge wenigstens nicht fern dieses zu vermuthen, weil das betreffende Terrain als Hügellandschaft im Vergleiche zu den sehr grosse absolute Höhen erreichenden levan- tinischen Schottermassen nicht hoch ansteigt. Das Fehlen der Spuren 19* 616 Gejza von Bukowski. [100] der letzteren liesse sich auch ohneweiters durch die Abtragung erklären. Vorderhand muss aber allerdings mit einem Urtheile darüber zurück- gehalten werden, zumal dasselbe nicht wenig auch von der Lösung der Frage abhängt, was die Thari-Schichten sind, die, wie schon an anderer Stelle betont wurde, in ihrer räumlichen Vertheilung sonder- barerweise den Eindruck hervorrufen, als bildeten sie eine Ergänzung der levantinischen Flussabsätze. Den bisher vorgebrachten Bemerkungen ist bereits zu entnehmen, dass die in Rede stehenden Ablagerungen sich über ein verhältnissmässig erosses Areal ausdehnen. Sie breiten sich über weite Strecken des nörd- lichen, eentralen und südlichen Theiles der Insel aus und liegen da- bei, vornehmlich die niedrigeren, vielfach jedenfalls gesenkten Regionen des aus den älteren Schichtgruppen aufgebauten Terrains bedeckend, sowohl auf eretacischen und eocänen Kalken, als auch auf eocänem und oligocänem Flysch. Von ganz kleinen isolirten Lappen abgesehen, die nicht weiter berücksichtigt zu werden brauchen, lassen sich zwei grosse, zusammenhängende Gebiete unterscheiden. Dem einen, welches man als das nördliche bezeichnen kann, fällt unter Anderem die hohe Bergkette zwischen dem Spiriötis Vunö (Mt. Speriolis) und dem Kümuli (Koomooley) -Rücken, sowie ein sehr beträchtlicher Theil der Mittel- region südlich vom grossen Eliasberg und Spiriötis (Speriolis) Vunö zu. Das zweite, nicht minder ausgedehnte Gebiet umfasst hauptsäch- lich das Bergland im Süden des Atäviros (Mt. Attayaro), nebst den hügeligen und bergigen Landschaften, welche das oligocäne Sandstein- terrain von Mesanagrös (Mesanagrose) rings umgeben, und reicht nord- wärts in einer Reihe bedeutender Erhebungen bis in die Mitte der Insel. Wir werden für dasselbe im Folgenden den Namen „Südliches Schottergebiet“ in Anwendung bringen. Nur eine relativ kurze Zwischen- strecke, auf der neben Thari-Schichten alttertiäre Sedimente, eocäner Kalk und eocäner Flysch, blossliegen, trennt beide Gebiete von einander. Es ist das die Gegend des Kharädja (Haratchey) und Rhöino (Rhoeyno) Vunö. Diese Unterbrechung des unmittelbaren Zusammenhanges, der einst nothwendigerweise bestanden haben musste, dürfte, wie schon gesagt wurde, wohl nur die Folge der daselbst sehr weit vorgeschrittenen Denudation sein. | Der vollständigen Zerstörung durch die Meeresbrandung während der jüngeren Pliocänzeit ist es ausserdem zuzuschreiben, dass die levantinischen Flussschotter und Sande nirgends bis an die Ostküste heranreichen, denn auch hier können sie, wie ohneweiters zugegeben werden muss, ursprünglich unmöglich gefehlt haben. Der bald schmale, bald sich verbreiternde Streifen Landes längs der Ostküste, welcher die genannten Schotterregionen vom Meere scheidet, wird der Haupt- sache nach von mächtig entwickelten jungpliocänen marinen Ablage- rungen eingenommen, aus denen wiederholt inselartig in kleineren Aufbrüchen oder auch in umfangreichen Gebirgsstöcken eretacisch- eocäne Kalke emporragen. Von levantinischen Bildungen findet sich aber in diesem Streifen heute keine Spur mehr. Es kann somit wohl keinem Zweifel unterliegen, dass letztere nach den gewaltigen Ein- brüchen um die Mitte der Pliocänperiode, als Rhodus von dem klein- asiatischen Festlande losgerissen wurde, durch das eingedrungene [101] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 617 Meer bis zu einer bestimmten Grenze landeinwärts gänzlich abradirt worden. sind, und dass hiebei eine Umschwemmung der Sedimente platzgegriffen hat. Entlang den Grenzstrecken macht sich auch die Umschwemmung thatsächlich ziemlich deutlich bemerkbar, insofern nämlich, als man sehen kann, dass in den jungplioeänen Ablagerungen die Schotterbänke gegen die fluviatilen levantinischen Gebiete zu immer mehr und mehr über das feinere Absatzmaterial die Oberhand gewinnen, und als schliess- lich sogar in der Regel eine gewisse Zone vor dem Üontacte über- schritten werden muss, die in ihrer Zusammensetzung aus Sanden und (eröllanhäufungen ganz und gar den anstossenden Flussbildungen gleicht, und deren Zugehörigkeit zum Oberpliocän nur die marinen Fossilien verrathen. Wenn man in Betracht zieht, dass durch den häufigen Mangel eines klaren Einblickes in die gegenseitige Lagerung und durch die volle Uebereinstimmung der Sedimente die Auseinander- haltung der beiden Schichteneomplexe vielfach stark behindert wird, so begreift man auch, dass bei einer raschen Uebersichtsaufnahme die genaue Feststellung der Grenzen, ähnlich wie zwischen der lacustren und der fluviatilen Facies der levantinischen Absätze, mitunter mit grossen Schwierigkeiten verbunden ist. Hier sind wir aber dabei in- sofern wenigstens in grossem Vortheil, als uns hiezu die Versteine- rungen einen nicht allein sehr wichtigen, sondern auch leicht erfass- baren Anhaltspunkt liefern, zumal überdies noch das Jungplioeän sich meistens durch reiche Fossilführung auszeichnet. Betrefis der Darstellung der genannten zwei weit ausgedehnten Flussschottergebiete auf der Karte mag hier nebenbei noch bemerkt werden, dass dieselbe sich zum grössten Theile auf ein verhältniss- mässig sehr breites Tourennetz stützt. Eine genauere Begehung dieses Terrains hätte einen bedeutenden Aufwand an Zeit erfordert, über die ich in solchem Maasse eben nicht verfügt habe. Wenn daher auch die Karte in beiden Regionen eine zusammenhängende ununterbrochene Ausbreitung der in Rede stehenden Sedimente zeigt, so darf hiebei doch keineswegs als ausgeschlossen gelten, dass sich da und dort mitten darin noch einzelne Aufbrüche der älteren Schichtgruppen, sei es der cretacischen und eocänen Kalke, sei es der eocänen und oligocänen Flyschablagerungen, und vielleicht auch von Eruptivmassen finden. Von vornherein muss ein locales Auftauchen des Grundgebirges daselbst in Anbetracht der stark wechselnden Mächtiekeit der Schotter und Sande, sowie im Hinblick auf die zahlreichen tiefen Bodeneinschnitte sogar als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden. Bin ganz richtiges Bild des geologischen Aufbaues wird aber. selbstverständlich erst eine detaillirte Aufnahme schaffen können. Die fluviatilen Bildungen der levantinischen Stufe erlangen auf Rhodus streckenweise, wie schon angedeutet wurde, eine auffallend grosse Mächtigkeit. In manchen Gegenden erheben sie sich zu sehr bedeutenden Höhen über den Meeresspiegel. Zwischen dem Spiriötis (Mt. Speriolis) und dem Levtopodi Vunö (Mt. Leftopoda) im Norden der Insel erreichen dieselben beispielsweise eine absolute Höhe von mehr als 1000 engl. Fuss, und nicht viel niedriger dürfte auch die aus ihnen bestehende Bergkette südlich vom Atäviros (Mt. Attayaro), welche sich 618 Gejza von Bukowski. [102] gegen den Skhiadi (Skathi) -Rücken zieht, sein. Von diesem Höhen- betrage entspricht mitunter der bei Weitem grössere Theil, wie man sich an nicht wenigen Punkten leicht überzeugen kann, direct der Mächtigkeit. So sehen wir die von einem Strome der älteren Plioeänzeit hier abgelagerten Sedimentmassen einen sehr wesentlichen Antheil an dem Terrainaufbaue nehmen und besonders dadurch, dass sie in ihrer stellen- weise riesigen Entwicklung sogar ganze Bergzüge von nicht unbeträcht- licher Höhe bilden, eine geradezu hervorragende Rolle in dem heutigen Relief der Insel spielen. Ihr erheblicher Einfluss auf die jetzige Bodengestaltung kommt wohl am schärfsten zum Ausdrucke in dem durch sie verursachten widersinnigen Verlaufe mancher Gebirgskämme gegenüber den Verhältnissen, welche das eigentliche Gerüst der Insel darbietet. Wenn man das orographische Streichen der langen Haupt- kette, welche Rhodus mehr oder minder der Längserstreckung nach durchzieht, in ihrer ganzen Ausdehnung mit dem geologischen Streichen der alten, das Grundgebirge darin ausmachenden, cretacischen und alttertiären Massen vergleicht, so zeigt es sich, dass ein Einklang nur dort herrscht, wo die letztgenannten Schichtgruppen hervortreten, während jene Theile, die aus den levantinischen Flussablagerungen zusammengesetzt sind und sich, die weiten Lücken ausfüllend, als mächtige verbindende Riegel dazwischen einschieben, eine abweichende Kammrichtung besitzen. die ceretacischen und alttertiären Gebirgsab- schnitte schief kreuzen. Die Schotter und Sande maskiren also, wie man sieht, bis zu einem gewissen Grade sowohl das Kammstreichen, als auch das Sehichtstreichen des älteren Gebirges. Diese Bemerkungen mögen vorderhand genügen, um im Allge- meinen darzulegen, worauf die Erscheinung zurückzuführen ist, dass das heutige Relief nicht überall mit dem geologischen Baue des Insel- gerüstes übereinstimmt. Specielle Angaben bleiben hingegen für die nachfolgenden Capitel vorbehalten. Was nun den Landschaftscharakter anbelangt, so stellt sich der- selbe hier, im:Grossen und Ganzen wenigstens, anders dar als in dem Terrain der zeitlich gleichwerthigen Paludinenschichten. Während dort steil abstürzende Plateauflächen und in den stärker zerrissenen Ge- bieten Hügel, die häufig ebenfalls plateauartige Formen aufweisen, vorherrschen, zeichnen sich hier die Hügel und Berge in der Regel durch gerundete, sanfte Conturen aus. Es kommen daneben zwar auch Erhebungen mit scharf ausgesprochenen Merkmalen von Tafel- landschaften, mit ebenen Kronen und sehr steil, manchmal abrupt abfallenden Böschungen vor, diese gehören jedoch mehr oder weniger zu den Ausnahmen. Man begegnet ihnen meistens dort, wo die Schotter und Sande sich zu harten Conglomeraten und zu Sandsteinen umge- wandelt haben. Darin besteht also der wesentlichste orographische Unterschied zwischen den locker gebliebenen und den verfestigten Flussabsätzen. Wald und Gestrüpp bedecken weite Strecken des bald hügeligen, bald bergigen Terrains. Dem Landbaue dient relativ nur ein geringer Theil desselben. Endlich wäre noch zu erwähnen, dass diese Ablagerungen im Vergleiche zu den lacustren Bildungen ziemlich arm an Fossilien sind. u [103] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 619 Ihre Molluskenfauna, die wir erst später näher betrachten wollen, erweist sich als ausserordentlich einförmig; sie setzt sich nur aus wenigen, allerdings sehr individuenreichen Arten zusammen, unter denen Corymbina Rhodiensis Buk. mit ihren Varietäten, ein zweiter Vertreter der bekanntlich auch in den charenführenden Schichten westlich vom Skhiädi Vun6 (Mt. Skathi) repräsentirten eigenthüm- lichen Limnaeidengattung, die Rolle eines Leitfossils spielt. Um weiter unten Wiederholungen zu vermeiden, füge ich jetzt blos noch bei, dass wie in den Sedimenten, so auch in den Versteinerungen sich der fluviatile Charakter deutlich ausprägt. 1. Die nördliche Region. Das nördliche Gebiet zerfällt vom rein geographischen Stand- punkte aus in zwei grosse, mittels eines schmalen Verbindungs- streifens mit einander zusammenhängende Abschnitte. Der eine Theil umfasst, um mich vorläufig ganz kurz auszudrücken, das bergige und hügelige Terrain zwischen dem Kalkstocke des Elias und Spiriotis (Speriolis) Vunöo und dem gleichfalls aus cretacisch-eocänen Kalken aufgebauten Kumuli (Koomooley) -Rücken, der zweite dagegen die Landschaft westlich vom Ströngilo-Stocke und südlich vom Eliasberg, sowie vom Spiriotis (Speriolis) Vunöo bis ungefähr zu den Höhen, zwischen denen sich der Gaydurä Pötamos!) in seinem Mittellaufe durchwindet. Der äusserste Punkt im Nordosten, wo die levantinischen Fluss- schotter vor ihrer vollständigen Verdrängung durch das marine Jung- plioeän noch anstehen, ist der Südabfall des Gällata (Gallatah) Vuno, des östlichsten Gipfels im Kümuli (Koomooley) -Rücken. Sie ziehen sich von hier ununterbrochen, den langgedehnten Bergzug des Lev- topödi (Mt. Leftopoda), Kuümuli (Koomooley) und Gällata (Gallatah) auf der Südseite in einer breiten Zone einsäumend, gegen Arkhipoli (Archipoli) und zum Spiriötis Vun6o (Mt. Speriolis). Ihre Grenze gegen die von Ost her herantretenden jungpliocänen Ablagerungen läuft, soweit man nach den bisherigen Begehungen urtheilen kann, vom Gällataberge ziemlich nahe an Kalithies (Kalitheas) vorbei und westlich von dem hohen, ganz aus marinem. Jungpliocän' aufragenden Piriönia-Kalkstocke (Mt. Aphandos) in unregelmässiger Linie zu dem Flysch und zu dem nordwestlichen Ende des Kalkgebirges von Arkhipoli (Archipoli). Auf der entgegengesetzten Seite gehen die Flussschotter und Sande, wie schon dargethan wurde, allmälig in die Paludinenschichten des Beckens von Kalavärda über. Angesichts der innigen Verknüpfung müsste es also von vorneherein als eine vergebliche Mühe bezeichnet werden, woilte man daselbst nach einer scharfen Trennunsslinie suchen. Auf Grund gewisser, bereits erörterter petrographischer An- zeichen kann nur beiläufig angegeben werden, dass der Facieswechsel sich langsam innerhalb einer Zone vollzieht, die aus der Gegend von Maritsä über Käto Kalamöna und Apäno Kalamona südwestlich gegen !) Siehe Fussnote auf Seite 554 [38]. 6520 Gejza von Bukowski. [104] Silakos streicht, von mir jedoch nur an einzelnen Punkten karto- graphisch fixirt wurde, in Folge dessen auch die sie nothdürftig an- deutende Grenzlinie vielfach ganz schematisch eingetragen erscheint. Bei Sälakos und weiter westlich sind es nicht mehr die fluviatilen Ablagerungen, welche sich an die ceretacisch-eocänen Kalke des Elias- berges anlehnen, sondern die Paludinenschichten. Am Nordrande des eigentlichen Kumuli (Koomooley) -Gipfels bilden die Schotter blos noch einen schmalen Streifen, der nicht einmal Maritsä erreicht. und östlich von diesem Orte verschwinden sie schliesslich sehr bald, worauf dann das marine Jungpliocän in Per. mit den cretaeisch- eocänen Kalken tritt. Der Kalkrücken des Levtopödi (Mt. Leftopoda), Kumuli (Koo- mooley) und Gällata (Gallatah) wird auf diese Weise nur in seinem nordöstlichsten Theile von jungpliocänen Marinbildungen, sonst aber durchwees von levantinischen Flussabsätzen umgeben. Letztere greifen, indem sie zu sehr bedeutender Mächtigkeit anwachsen, auf Schritt und Tritt in die Kette ein, füllen die alten Thälchen und Einrisse derselben aus, überdecken häufig die niedrigeren Erhebungen und gleichen dadurch überhaupt den Boden derart aus, dass mitunter, wo die spätere Erosion das frühere Relief nicht wieder aufgedeckt hat, nur einzelne höhere Kalkkuppen und Spitzen aus ihnen heraus- ragen. Wir haben mithin den Beweis dafür, dass manche Strecken des Kümuli (Koomooley) -Rückens von dem pliocänen Strome direct überfluthet waren, und es ist nun klar, dass auch jenseits desselben Material noch abgesetzt werden konnte. Dass übrigens diesen ver- wickelten topogeologischen Verhältnissen bei der Einzeichnung Rech- nung zu tragen nicht möglich war, dürfte wohl Jedermann einleuchten. Einen besonders guten Einblick in den geologischen Bau der in Rede stehenden Gegend gewährt das Westende des Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda), indem dort der plötzliche steile Abbruch der .cretacisch- eocänen Kalke gegen Westen bis tief hinunter entblösst erscheint und man sehr schön sieht, wie die Schotter sich einerseits daneben mächtig aufthürmen, andererseits sich auf die Kalke hinaufziehen und dieselben verhüllen. Dem bisher in seinen Umrissen skizzirten Abschnitte der Nord- region, mitten in welchem die Orte Psitos (Psithos), Dimiliä (The- milyah) und Apäno Kalamöna liegen, gehört, wie sich also zeigt, ausser vielen hügeligen Strecken vor Allem die bis 1000 engl. Fuss hohe, den Spiriötis (Mt. Speriolis) mit dem Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda) verbindende Bergkette an. Obwohl die Möglichkeit keines- wegs bestritten werden kann, dass den Kern dieser Bergkette in der Tiefe vielfach das Grundgebirge ausmacht, sprechen doch manche Anzeichen, so beispielsweise das plötzliche, weithin nach unten ver- folgbare Abschneiden der cretacisch-eocänen Kalke gerade an den wichtigsten Stellen, eindringlich dafür, dass ‘es sich hier der Haupt- sache nach wohl um die Ausfüllung eines Einsturzfeldes zwischen den beiden vorhin genannten Kalkmassen handelt. Eine Stütze für die eben geäusserte Ansicht darf nebenher, bei dem Vorhandensein anderer Anhaltspunkte, vielleicht auch in dem abweichenden Kamm- verlaufe des sich so einschiebenden, orographisch nicht unbedeuten- [105] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 621 den Querriegels, der sich fast genau in die Achse der Insel legt, erblickt werden. Es fällt nämlich auf, dass, während der Grat des Kalkstockes des Eliasberges und Spiriötis Vunö (Mt. Speriolis) westöst- lich, jener des Kümuli (Koomooley) -Rückens nach Ostnordost streicht, der höchste Kamm der sie verbindenden Schotterkette, unbekümmert um den Bau des Inselgerüstes, die nordöstliche Richtung nimmt, welche, nebenbei bemerkt, auch in den marinen Jungpliocänbildungen jenseits des Kumuli (Koomooley) -Rückens bis gegen das Cap Kum- burnü einigermassen zum Ausdrucke kommt, und dass er, indem er sich auf solehe Weise schief der Quere nach stellt, überdies nicht genau an die Kammenden der beiden Kalkgebirgsstücke ansetzt. Weiter südwärts fortschreitend, sehen wir die levantinischen Flussbildungen in ihrer heutigen Erhaltung der relativ schmalen Terrainfurche folgen zwischen den hohen Kalkmassen des Spiriötis (Mt. Speriolis) und des Kutsüthi (Kootsoothey) Vuno. Sie setzen sich, ansehnliche Erhebungen bildend und überall an die eretacisch-eocänen 'Kalke anstossend, von Arkhipoli (Archipoli) durch diese auffallende Bodensenke, welche möglicherweise ebenfalls einem Einbruche des Grundgebirges ihre Entstehung verdankt, ohne Unterbrechung gegen Süden fort und breiten sich dann hinter der kurzen Einengung wie- der über einen sehr grossen Flächenraum aus. : In den Bereich des südlichen Theiles der Nordregion, zu dem wir somit gelangt sind, fallen unter Anderem das ceultivirte Hügel- land im Süden des Eliasberg-Kalkstockes. sowie das Waldgebiet des Ephiles (Effeelis) und des Phanäri (Funaryah) Vun6'). In der Um- sebung des Monastirs Kamiri (Kameri) tauchen aus diesem Schotter- sebiete, wie schon geschildert wurde, cretacisch-eocäner Kalk des Khokhlaköna-Gipfels, Serpentin und eocäner Flysch, begleitet von Thari-Schiehten, inselartig hervor. Seine Grenze zieht sich im Norden von Platänia zunächst entlang den Kalken des Spiriötis Vunö (Mt. Speriolis), weiterhin aber an den Flyschablagerungen, welche in einem schmalen langen Streifen am Rande der Kalkmasse des Eliasberges zum Vorschein kommen, gegen Westen. wendet sich dann, nachdem das Hauptterrain der Thari-Schichten erreicht worden ist, unter starken Biegungen nach Süden, streift den Kharädja (Haratchey) -Rücken und hält sich weiter eine Strecke lang mehr oder minder an den Lauf des Gaydurä Pötamos?). In der Landschaft Agrimnös (Agrimnose) greifen die Schotter über den Gaydurä Pötamos hinüber, treten jedoch gleich wieder nordwärts zurück und dehnen sieh schliess- lich in eimiger Entfernung von dem genannten Flussbette über den Khugläk (Huglak), auf eocänem Flysch ruhend, nach Osten bis an die Ebene von Mässari aus. Die Grenze gegen die jungpliocänen marinen Ablagerungen der Gegend von Mässari und Malöna läuft am Süd- und Ostfusse des Katagrenö (Kategrano) zur Südspitze des Ströngilo-Kalk- !) Auf mein Befragen um den Namen dieses Berges erhielt ich in Malöna die Antwort, dass dieser Berg Phurnariä Vunö heisst. Ich bin jedoch keineswegs sicher, ob der mir mitgetheilte Name richtig und allgemein gebräuchlich ist, und darum halte ich mich hier an jenen, der auf H. Kiepert’s Specialkarte vom westlichen Kleinasien angegeben erscheint. ?) Siehe Fussnote auf Seite 554 [38]. Jahrb, d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 80 622 Gejza von Bukowski. { [106] stockes, dessen westliche Flanke, wie man sieht, ganz von levan- tinischen Flussabsätzen umhüllt wird. Der petrographische Charakter ist bereits in dem vorhergehenden Abschnitte eingehend genug beschrieben worden, und da er sich im Wesentlichen überall ziemlich gleich bleibt, so wäre es vollkommen überflüssig, ihn hier nochmals zur Sprache zu bringen. Auch würde es zu weit führen, wollten wir daselbst die längs der bereisten Strecken verzeichneten Beobachtungen über den Wechsel der: Mäch- tigkeit, über die Lagerung und die Terrainformen, die für. den Entwurf eines allgemeinen Bildes nur in zusammenfassender Dar- stellung von Belang sind, im Einzelnen durchnehmen. Unseren Zwecken genügt es, wenn wir uns im Nachstehenden auf die Vor- führung blos gewisser, mehr in die Augen springender Localer- scheinungen beschränken. Die grösste Beachtung verdient zweifelsohne das regionale An- wachsen dieser Bildungen zu einer auffallend bedeutenden Mächtigkeit, wofür eine Erklärung zunächst in der ungleichmässigen Wirkung der Abtragungskräfte gesucht werden muss. Es wurde schon früher hervorgehoben, dass dies vor Allem der Fall ist zwischen dem Spi- riötis (Mt. Speriolis) und dem Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda), wo die Schotter und Sande sich ungewöhnlich mächtig zeigen, einen langen Bergzug bilden, dessen Kamm sich bis gegen 1000 engl. Fuss über den Meeresspiegel erhebt. Bei der Gelegenheit kann auch bemerkt werden, dass am Nordrande des Kuümuli (Koomooley) -Rückens, namentlich südlich von Maritsä, den Geröllmassen und den Sanden viel röthliche oder graue, öfters kalkreiche Thone ein- geschaltet sind. Einer sehr grossen Mächtigkeit begegnen wir ausser- dem in dem mittleren Theile des südlichen Gebietsabschnittes, am Ephiles (Effeelis) und am Phanäri (Funaryah) Vun6, welche beiden Berge sammt ihren Ausläufern und den umgebenden Höhen, soweit ich auf meinen Wegen sehen konnte, nur aus den in Rede stehenden Flussabsätzen aufgebaut zu sein scheinen. Sonst wäre noch zu erwähnen, dass in der östlichen Randzone gegenüber Mässari und Malöna, im Katagrenö (Kategrano) bis zum Südende des Ströngilo-Kalkstockes, feste, aus den Schottern durch Erhärtung und Verkalkung des Bindemittels mit der Zeit entstan- dene Kalkconglomerate entwickelt sind, die gegen das niedrige jung- pliocäne Terrain stellenweise sehr scharf absetzen. Der Makäris P6- tamos!) durchbricht dieselben in einer ziemlich engen, tief einge- schnittenen Schlucht. Bezüglich der im Allgemeinen bereits charakterisirten Lagerungs- verhältnisse führe ich, um mich möglichst kurz zu fassen, blos die für uns wichtigsten Einzelnbeobachtungen an, indem ich nach einander jene Strecken aufzähle, wo die gestörte Lagerung längs der ein- geschlagenen Routen am deutlichsten wahrnehmbar war. Es sind dies vor Allem der schmale Streifen auf der Nordseite des Kumuli (Koomooley) -Rückens, die Gegend zwischen Dimiliä (Themilyah) ed ae (Archipoli), die an den Puddbhans des EB Vunö !) Siehe Fussnote auf $. 544 [28]. Br [107] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 623 sich anschmiegende: Schotterzone. und der: Katagrenö (Kategrano) mit den umliegenden Hügeln. Auf allen diesen Strecken erscheinen die Sedimente, während in den übrigen von den durchzogenen Gebiets- theilen falsche -Schichtung ‚herrscht oder die 'Stratification nicht ganz klar hervortritt, sehr deutlich .gebankt, in Folge dessen man con- statiren kann, ‚dass sie hier wenigstens überall ihre ursprüngliche Lage nicht mehr inne haben, und .richtet sich das Einfallen aus- nahmslos gegen Süd oder Südost. N ‚ Fossilien wurden in der nördlichen Region nur an einer einzigen Stelle beobachtet. Blos zwischen Platänia ‘und Apöllona fand ich in einer Sandschicht mitten unter Schottern spärliche Reste von Neritinen: und :.Planorben. Die wenigen daselbst angetroffenen Stücke wiesen jedoch. insgesammt einen äusserst ungünstigen Erhaltungszustand auf, zerfielen bei der geringsten Berührung und konnten daher bei der Beschreibung der Fauna nicht berücksichtigt werden. 2. Die südliche Region. + Der Flächenraum, den die levantinischen Flussablagerungen in der südlichen Hälfte der Insel einnehmen, steht jenem im Norden an Grösse keineswegs nach, und wie dort, schliesst auch hier das weite Terrain manche orographisch sehr hervorstechende Bergland- schaften ein. Den wesentlichsten Theil dieses Gebietes macht die relativ hoch aufstrebende Gebirgskette zwischen den oligocänen Flyschbergen von Mesanagrös (Mesanagrose) und dem Atäviros (Mt. Attayaro) mit den dazugehörigen Abzweigungen aus, welche in ihrem weiteren Verlaufe entlang der Südostflanke des Atäviros oder Atäiro (Attayaro) bis nahe an das Centrum von Rhodus reicht. so dass nur ein verhältnissmässig wenig breiter Streifen älterer Sedimente beide Regionen von einander trennt. Sobald man, von dem nördlichen Gebiet ausgehend, die aus Thari-Schichten, eocänem Flysch und eocänen Kalken aufgebaute Gegend des Kharädja (Haratehey) und Rhöino (Rhoeyno) Vunö passirt hat, gelangt man nach einer kurzen Wanderung südwestlich von den genannten Erhebungen wieder in ein Terrain, wo die An- häufung: der levantinischen Flussschotter und Sande sehr grosse Dimensionen annimmt. An die Thari-Schichten sich anschliessend und den. eocänen Flysch bedeckend, erlangen diese Absätze hier allmälig eine bedeutende Mächtigkeit und steigen nach und nach zu hohen Bergen an, die, wie schon gesagt wurde, zu einem langen Gebirgsrücken sich verbindend, zunächst parallel mit dem Atäviros (Mt. Attayaro) gegen Südwest und dann direct nach Süden: zum Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) fortstreichen. Sie hängen von da aus mit den Paludinenschichten des Beckens von Apolakiä zusammen, um- geben in ihrer südwärts vorschreitenden Ausbreitung, indem sie sich an den. Nordausläufern des Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) theilen, das oligocäne Flyschgebiet von Mesanagrös (Mesanagrose) auf allen Seiten, treten im Westen unterhalb des bei Apolakiä fliessenden Torrente bis an das Meer heran und finden, ohne die Ostküste zu erreichen, längs welcher, ebenso wie im Norden, eine vollständige Verdrängung 80” 624 un} Gejza von Bukowski. [108] derselben durch das marine Jungpliocän bis zu einer gewissen Linie landeinwärts erfolgt ist, ihr Ende an dem Flyschterrain Gheskero, des Palaeo Kästro-Berges und des Khoräkia (Horakia) Vuno. Die Umrahmung der südlichen Region, in deren Bereich die Ortschaften Istridos. Prophilia, Arnitha und Väthi zu liegen kommen. bilden demnach im Westen über eine kurze Strecke die cretacisch- eocänen Kalke des Atäviros (Mt. Attayaro), sodann die eocänen Flysch- ablagerungen, welche, in einer äusserst schmalen Zone unter der Sehotterhülle hervortretend, den südöstlichen Rand des Atäviros (Attayaro) -Kalkstockes begleiten, und endlich die Paludinenschichten des Beckens von Monolithos und Apolakiä. Die Grenze gegen die letzteren wurde in der bekannten Auffassung, welche der zwischen diesen zwei stratigraphisch einander aequivalenten Schichtgruppen stattfindende allmählige Uebergang bedingt. schon früher angegeben, Vom Skhiadi (Skathi) -Rücken westlich dehnen sich die Schotter bis an die See aus und setzen südlich von den Paludinenschichten einen nicht unbeträchtlichen Theil des Küstenstriches zusammen. Sie greifen nachher von hier zwischen der Flvyschregion des Khoräkia (Horakia) Vunö und den Sandsteinbergen von Mesanagroös (Mesanagrose) weit nach Südosten hinüber, und mittels dieses schmalen Streifens sehen wir also auch im Süden die Verbindung hergestellt mit jener breiten Schotterzone. welche das oligocäne Gebiet von Mesanagrös (Mesanagrose) auf der Ostseite umsäumt. Gegenüber der anstossenden jungpliocänen Küstenlandschaft, die zum Theil aus ebenen Strecken, zum Theil aus ganz niedrigen Bodenwellen besteht, zeichnet sich daselbst das Terrain im Allgemeinen durch ansehnliche Erhebungen aus. Eine orographisch besonders bemerkenswerthe Erscheinung bietet der hohe massige Berg Athiädi oder Karauli Vunö (Kara Use) bei Lakhaniä (Lachania), der sich sehr scharf von der Umgebung abhebt und mit seiner breiten, flach abgestutzten Krone und den ringsum steil abstürzenden Seiten geradezu als der Typus eines Tafelberges gelten kann. Die marinen jungpliocänen Bildungen dringen von der Küste bis zu einer Linie vor, die sich unter mannigfachen Windungen vom Flysch des Gheskero Gebietes über Lakhaniä und nahe an Yennädi (Yannathi) vorüber zum Sklipi6 (Asklepio) Pötamos zieht. Die östliche Verbreitungsgrenze der Schotter auf den eocänen Flyschablagerungen der grossen centralen Region fällt heute, wenn man nur die zusammenhängende Ausdehnung ins Auge fasst, von den ganz untergeordneten, kleinen, zerstreuten Ueberresten dagegen ab- sieht, zunächst mit dem Unterlaufe des Sklipi6 (Asklepio) Potamos zusammen, verlässt dann westlich von dem Dorfe Sklipiö (Asklepio) diesen Torrente, um die Richtung gegen Asträgana zu nehmen, läuft sodann in einiger Entfernung nördlich vom Sklipi6 Pötamos, und zwar parallel zu ihm, nach Nordwest und wendet sich schliesslich plötzlich gegen Nordost, welche Richtung sie bis in die nächste Umgebung von Aläeörma beibehält. Auf der zuletzt erwähnten langen Strecke berührt der mächtige Zug der levantinischen fluviatilen Sedimente das Gebiet der Thari-Schichten, welche im Umkreise des Monastirs Thäri (Tharey) auftreten, und, wie schon zu Anfang angeführt wurde, erreicht er hier sein Ende einerseits an dem eocänen Flysch zwischen [109] Geologische Uebersichtskarte der’ Insel Rhodus, 625 Aläörma und:dem Kharädja Vunö (Mt. Haratchey),, andererseits an den südlich vom Monastir Artamiti entwickelten Thari-Sehichten. Wir wollen nun einige Augenblicke der Betrachtung des von verschiedenen Gesichtspunkten aus ein grösseres Interesse bietenden langen. Bergrückens widmen, der vom Skhiädi Vuno (Mt. Skathi) direct dem Atäviros (Mt. Attayaro) zustrebt. Es ist unter Anderem bereits gesagt worden, dass dieser im Relief nicht wenig auffallende Bergrücken in seinem ganzen Verlaufe sehr hoch emporsteigt. Zahlreiche Gipfel, von denen viele, wie Erimö- kastron, Trullos,. Khalässia ete, besondere Namen ‚haben !), bringen in die Contur seines Kammes eine gewisse Abwechslung. Für einen der betreffenden Gipfel, nämlich jenen. unterhalb dessen Prophrlia liegt, gibt die englische Admiralitätskarte eine absolute Höhe von 1620 engl. Fuss an. So hoch sehen wir also hier die levantinischen Flussschotter über den Meeresspiegel ansteigen. Dass die in Rede stehende Bergkette im Wesentlichen durch Schotter und Sande ge- bildet wird, darüber kann nach den Beobachtungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, wohl kein Zweifel obwalten. Unermittelt und daher ungewiss bleibt es nur, ob nicht etwa an einzelnen Stellen innerhalb derselben nebenbei auch der ältere Untergrund zum Vorschein kommt. Meiner Ansicht nach ist es sehr leicht möglich, dass genauere Unter- suchungen und Begehungen ein solches Ergebniss liefern werden, zumal es ja schon von vorneherein als nicht unwahrscheinlich be- zeichnet werden muss, dass ein derartiges lineares Anwachsen von lockeren Anschüttungsmassen eines Stromes zu so bedeutender Höhe und Mächtigkeit bis zu einem gewissen Grade mit Stauungsvorgängen längs einer ursprünglich vorhanden gewesenen Bodenschwelle in ur- sächlichem Zusammenhange steht. Unsere Uebersichtskarte kann je- doch begreiflicherweise, da sie, was nicht vergessen werden darf, auf weit auseinander liegenden Touren basirt, die geologischen Verhält- nisse, mögen dieselben mitunter auch sehr complieirt sein, nur in rohen Zügen zur Darstellung bringen. Die besagte Bergkette verdient aber auch noch in anderer Hin- sieht besondere Beachtung. Sie bildet nämlich hier im Süden, ähnlich wie im Norden der Schotterriegel zwischen dem Spiriötis (Mt. Speriolis) und dem Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda), ein Element im Inselrelief, das den Bau des Grundgebirges einigermassen verwischt. Im Gegen- satz zum Skhiädi (Skathi) -Rücken und zum Atäviros (Mt. Attayaro), welche ihre Kämme in Uebereinstimmung mit dem Schichtstreichen nach Nordost richten, zeigt der Kamm dieser hohen, orographisch als ein Verbindungsstück dazwischen eingeschalteten Schotterkette einen genau nordsüdlichen, unter den obwaltenden Umständen also widersinnig erscheinenden Verlauf. In der südlichen Region enthalten die Schotter, wie die Beobachtungen lehren, an vielen Punkten, deren Aufzählung wohl keinen Zweck hätte, neben Kalkgeschieben auch solche von Sand- !) Auf der englischen Admiralitätskarte und auf H. Kiepert’s Specialkarte vom westlichen Kleinasien steht bei keinem Gipfel dieser langen Bergkette ein Name angefihrt. 626 she .. Gejza von Bukowski: als [r10} steinen. Der weitaus: 'grösste T’heil derSandsteingeschiebe dürfte aus alttertiärdn "Flyschablagerungen stammen‘ BRollstücke von 'Eruptiv- gesteinen, ‚namentlich von Serpentin, Gabbro und 'Porphyrit, wurden, in-etwas grösserer Menge den Kalkgeschieben beigemischt, ‘am Trüllos- berge !) bei Arnitha, in der U mgebung von Väthi und zwischen Aläörmai und dem Monastir Artamiti angetroffen. Durch Erhärtung dus Schottern und Sanden entstandene Conglomerate, Sandsteine und ‚Gonglomerat- sandsteine findet man hauptsächlich in dem: nördlichen, dem Atäviros (Mt. Attayaro) benachbarten Gebietstheile. Hier fehlt ‘es auch. nicht an einzelnen: thonigen, mergeligen und an tuffige Kalke. EEE Zwischenlagen. Was die Lagerung anbelangt. so lässt’ sich: schon aus des Karte deutlich ersehen, dass in der “südlichen Hälfte ‘von ;Rhodus die levantinischen Flussabsätze zumeist auf alttertiären ‚Flyschsedimenten' ruhen. Fast: überall, wo regelmässige Schichtung ° wahrgenommen. werden konnte, erschienen die Bänke bald : mehr, bald weniger geneigt: Das Einfallen stellt sich jedoch keineswegs'als einheitlich dar; seine Richtung wechselt im Gegentheil sehr häufig. Eine,Analogie mit..der nördlichen Region besteht dabei insofern, als hier immerhin die ‚südliche "bis südöstliche und die. nordwestliche EASBURaIEN über die anderen im Grossen und Ganzen vorherrschen.: :Versteinerungen. durchwegs Süsswassereonchylien,' Belang es mir an.'drei verschiedenen, weit von einander entfernten Punkten in "den mit Schottern vergesellschafteten Sanden zu entdecken, erstens: unten am: Athiädi Vunö (Kara Use) nicht weit von Lakhaniä (Lachania), zweitens zwischen Prophilia und Istridos bereits in einer bedeutenden Seehöhe und dann auf dem Wege von Aläörma zum Monastir Arta-. miti. ‘An den drei genannten Localitäten, die sich sämmtlich. .als- ziemlich fossilreich erwiesen haben, wurden i im Ganzen SUSE bin Ehodionds Buk. iyp. a } » „.. var. 'Istridica Buk. Ar 2 ” " „ Athiadica , z „ angulata. ., Hydr obia Pr ophiliensis Buk. Fluminicola (Gillia) orientalis Buk. : Diese artenarme, sehr einförmige Fauna setzt sich, wie man sieht, aus lauter eigenthümlichen Formen zusammen und weist blos zu. der Molluskenfauna der westlich vom Skhiädi Vunö (Mt. Skathi), mitten. unter Schottern auftretenden charenführenden Schichten: Be-. ziehungen auf, indem sie, gerade so ‚wie jene, einen Repräsentanten der sonst von nirgends her bekannten Gattung Corymbina umfasst. Die sehr variable Corymbina Bhodiensis Buk. kommt an: allen drei Punkten massenhaft. vor und kann in Foige dessenmit einer gewissen Berechtigung als das Leitfossil der. levantinischen Flussschotter und: Sande auf Rhodus bezeichnet werden. Fluminicola (Gillia) orientalis Bbuk. wurde bei Prophilia, wie auch zwischen Aläörma und dem ‘) Siehe vorangehende Fussnote. a [111] Geologische Uebersichtskarte .der:Insel Rhodus. 627 Monastir Artamfti, Aydrobia Prophiliensis Buk. dagegen. nur an der ersteren Localität gefunden. Beimahe in noch höherem :Maße als Corymbina Rhodiensis erweckt ‚unser Interesse Fluminicola orientalis, und zwar darum, weil’diese Gattung heutzutage auf die neotropische und die nearktische Region beschränkt ist, und weil sich in.ihr, so- weit es sich um die Fauna handelt, besonders ‘gut der fluviatile Charakter der Ablagerungen ausprägt. / VI, Tanspllocand Bildungen. kn hier Jüngeren Pliocänzeit tritt bekanntlich auf Rhodus ein gänzlicher Umschwung der geologischen Verhältnisse ein. Den fluvio- lacustren Absätzen der levantinischen. Stufe: folgen nunmehr mächtige Meeresablagerungen. Wir wissen, dass die gewaltigen Einbrüche, welche nach und nach die Zertrümmerung des lange hindurch West- asien mit Griechenland verbindenden Aegäischen Festlandes herbei- seführt und schliesslich den heutigen Zustand der Land- und Meeres- vertheilung erzeugt haben, zuerst im Süden erfolgt sind, sowie dass der Beginn dieser Einbrüche mitten “in die Pliocänperiode_ fällt. Das Meer drang von Süden zunächst bis zur Insel .Kos vor und setzte unter Anderem auch ‚auf dem Boden der Insel‘ Rhodus, die somit von Kleinasien vollständig losgerissen wurde, grosse Sediment- massen ab. Die Legung mariner Schichten hat hier allen Anzeichen nach bis ins Diluvium angedauert. Während ‘dieser Periode oder zum Mindesten während einzelner Phasen dieser Ueberfluthung war das Areal von Rhodus, wie sich zeigen wird, so weit vom Meere bedeckt, dass nur die höheren Gebirgstheile als kleine. Inseln und Klippen aus der See emporragten. Die Sedimente des Jungpliocän tragen vielfach in sehr scharf ausgesprochener Weise die Charaktere einer Strandfacies zur Schau und stellen sich überhaupt insgesammt als küstennahe Bildungen dar. Dabei lässt sich im Allgemeinen eine Sonderung in zwei altersver- schiedene, petrographisch leicht auseinander zu haltende Glieder er- kennen. Ueberall, wo eine bedeutendere Mächtigkeit erreicht wird, herrscht “unten sandig-thonige Entwicklung, welche stratigraphisch den weitaus grössten Theil der ganzen Schichtenserie umfasst. Die oberen, concordant sich anschliessenden Lagen erscheinen dagegen fast stets’ aus kalkigen Gesteinsarten zusammengesetzt und zeichnen sich demgemäss auch durch eine viel festere Beschaffenheit aus. Das höhere Glied ist im Verhältniss nur geringmächtig, dafür weist es aber eine sehr grosse Verbreitung auf, indem es selbständig über weite, von .der tieferen Abtheilung unberührte Strecken übergreift und so unmittelbar auf den älteren Schichtgruppen einen den Un- ebenheiten des Untergrundes sich anschmiegenden mantelförmigen Ueberzug bildet, der bis zu beträchtlichen Höhen verfolgt werden kann, sich jedoch heute natürlich in Folge der Denudationswirkungen nichts weniger als zusammenhängend zeigt. Man muss daher annehmen, dass zur Zeit der Ablagerung des oberen Gliedes die Strandlinie 628 Gejza von Bukowski. [112] ihren höchsten Stand eingenommen hat und von dem Terrain von Rhodus gerade der geringste Theil trocken gelegen ist. Der untere Oomplex besteht aus gelben bis grünlichen oder weissgrauen Sanden, aus lichtgrauen, bald mergeligen, bald sandigen Thonen, aus weichen Mergeln, einzelnen Schotterbänken und stellen- weise auch aus mürben, überaus leicht zerfallenden Sandsteinen. Zwischen allen diesen Sedimentarten findet durchgehends’ ein wieder- holter Wechsel statt. Hie und da schalten sich denselben auch noch dünne Lagen von Bryozo@nkalk und von erhärtetem, durch Bruch- stücke verschiedener Fossilienreste gebildetem Kalkgrus ein. Die erste Rolle spielen überall die Sande; ihr häufig ausserordentlicher Reichthum an ausgezeichnet erhaltenen Versteinerungen verleiht ihnen nebstbei in palaeontologischer Beziehung eine hervorragende Bedeutung. Erst an zweiter Stelle sind dann die mergeligen und sandigen Thone zu nennen, welche mitunter ebenfalls viel Fossilien einschliessen, zumeist aber doch sich als sehr fossilarm, ja selbst als ganz fossilleer erweisen. Die übrigen Absätze erlangen mitten in dem keineswegs constant bleibenden Schichtenverbande beinahe nirgends eine besondere Wichtigkeit. Nur die Schotter gewinnen in manchen Gegenden sehr stark das Uebergewicht. Letzteres ist namentlich der Fall an den Grenzen gegen die levantinischen Bildungen, wo das Oberpliocän. wie schon früher mitgetheilt wurde, ganz und gar das Material den fluviatilen Geröllmassen entnommen hat, und wo in Folge dessen nicht selten eine so vollkommene Uebereinstimmung im petrographischen Habitus mit den älteren Flussabsätzen sich einstellt, dass lediglich mit Hilfe von Fossilien entschieden werden kann, welchem von den beiden Schichtensystemen der betreffende Grenzstreifen angehört. Die Aufeinanderfolge der Schichten ändert sich oft, auf kurze Entfernungen hin, und man sieht klar, dass der Sedimentcharakter vielfachem Wechsel im Streichen unterliegt, und dass die einzelnen Bänke keineswegs bestimmte, für das ganze Terrain als fix geltende Niveaux einhalten. In dem oberen Gliede, dessen Mächtigkeit selbst bei stärkster Entwicklung auf wenige Bänke beschränkt bleibt, und das einerseits regelmässig der vorhin besprochenen Serie folgt, andererseits aber auch, weit über dieselbe hinausgreifend, direet auf den älteren Formationen ruht, gestaltet sich die Gesteinsausbildung trotz seiner durchwegs kalkigen Beschaffenheit nicht minder mannigfaltig. Einander im Streichen ersetzend, hin und wieder auch mit einander wechsel- lagernd, treten hier im Wesentlichen nachstehende Gesteinsarten auf: weisse bis gelbliche, tuffig aussehende, abfürbende Kalke, welche sich als ein feines, bald mehr, bald weniger fest zusammengekittetes Kalkzerreibsel darstellen und den Atmosphärilien im Allgemeinen keinen besonders starken Widerstand leisten; harte, zumeist gelblich- weisse Kalke, häufig von zellig-poröser Structur, an deren Zusammen- setzung Fossilien. vor Allem Mollusken, Bryozo@n und Korallen einen sehr grossen Antheil nehmen; typische Lumachellen, in denen Con- chylienschalen die Hauptrolle spielen; Lithothamnienkalke; lichte oder dunkle, auch röthliche, in der Regel Trümmer der Unterlage führende breccienartige Kalke, die manchmal in ganz grobe Breecien [113] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodaus. 629 übergehen; Conglomeratkalke; feste, an Bindemittel arme Kalkcon- glomerate ; überhaupt alle möglichen Sorten von zu festem Gestein erhärtetem Strandgrus, der sehr oft noch die ursprüngliche löchrige Struetur besitzt, bald fein, bald grob, dabei zuweilen vollständig aus Bruchstücken von Fossilien zusammengesetzt erscheint, und in dem nicht selten so viel Sand enthalten ist, dass man ihn heute ohne- weiters als einen kalkreichen Sandstein bezeichnen kann. An ein- zelnen Stellen kommen ausserdem lichtgraue, ziemlich weiche, in Fülle gewisse Korallen einschliessende Kalkmergel vor. Die meisten Sedimentarten sind, wenigstens auf sehr vielen ihrer Verbreitungsstrecken, überreich an Versteinerungen; manche, so bei- spielsweise der überwiegende Theil der tuflig aussehenden Kalke, er- scheinen wieder fossilarm; die letztgenannten Kalke entbehren sogar häufig jeglicher Spur von Organismenresten. Einzelne Gesteine, wie die Lithothamnienkalke und bestimmte Lagen der breccienartigen oder der harten zelligen, durch Oonchylienschalen gebildeten Kalke, liefern ein sehr gutes Baumaterial und werden auch thatsächlich zu verschiedenen Bauzwecken verwendet. Dass die aufgezählten Sedimente des oberen Schichtencomplexes sämmtlich Strandablagerungen sind, ist wohl gar nicht zu verkennen. Es beweist dies nicht allein ihr petrographischer Charakter, sondern das geht vielfach ganz deutlich auch aus ihrer Fauna hervor. Von einem Theile derselben kann selbst mit Bestimmtheit . behauptet werden, dass sie ihrer Entstehung nach der litoralen Seichtwasser- zone angehören. Was die Sande, Thone, Schotter ete. der mächtigen unteren Abtheilung betrifft, so wurde schon betont, dass auch bei ihnen alle Merkmale auf eine Küstenfacies hinweisen. Ohne mit dieser Thatsache in Widerspruch zu gerathen, machen sich aber hier in fau- nistischer Beziehung grössere Abweichungen zwischen einzelnen Par- tien bemerkbar als innerhalb des höheren Gliedes. Neben Schichten, die ihrem Gesammthabitus nach als Absätze aus seichtem Wasser angesprochen werden müssen, treten uns da auch solche entgegen, deren Fauna bei sich gleich bleibendem Sedimentcharakter ein wesent- lich anderes Gepräge zeigt als sonst und entschieden darauf hin- deutet, dass sie in grösserer Meerestiefe abgelagert worden sind. Ich will jetzt gleich angeben, dass dieses in erster Linie von den Sanden und Thonen der Gegend von Lärtos (Lardos) gilt. Die um Lärtos (Lardos) entwickelte untere Schichtenserie des Jungpliocän beherbergt eine besonders reichhaltige, die grösste Anzahl von Arten umfassende Fauna und zeichnet sich hiebei vor den zeitlich aequivalenten Bil- dungen anderer Gebietsstrecken namentlich durch das massenhafte Vorkommen von Brachiopoden und gewisser, zum Theil ihr eigen- thümlicher Einzelnkorallen aus. Ist schon die Brachiopodenanhäufung geeignet, unsere Aufmerksamkeit in hohem Maasse zu erregen, um so mehr fallen dann noch die Einzelkorallen auf, weil sich unter ihnen ganz unzweifelhafte Tiefseetypen finden. Auch unter den ausser- ordentlich zahlreich vertretenen Mollusken begegnen wir übrigens einzelnen Formen, die heute hauptsächlich einigermassen tiefere Meeresstrecken bewohnen. Es liegen uns also hier faunistische Eigenheiten vor, die unabweislich zu der Schlussfolgerung führen, Jahrb. d. k. k. geeol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 81] 630 Gejza von Bukowski. 1 14] dass man es daselbst keinesfalls mit einer Seichtwasserablageruug zu thun hat. An die Seite der Sande und Thone von Lärtos (Lardos) dürften dann unter Anderem möglicherweise noch als am meisten ähnlich die Sande und Thone der Umgebung von Pilöna und von Yennädi (Yannathi) zu stellen sein. Das Oberpliocän breitet sich über allen älteren Schichtgruppen, von den cretacisch-eocänen Kalken angefangen bis inclusive zu den levantinischen Binnenbildungen, aus, und zwar ist das Lagerungsver- häliniss der gesammten Unterlage gegenüber ein discordantes. Die Thatsache, dass es auch auf den ihm nächst vorangehenden Palu- dinenschichten unconform ruht, erklärt sich durch die grossen Dis- locationsvorgänge, welche hier unmittelbar vor dem letzten Eindringen des Meeres in diese Region stattgefunden und eine namhafte Störung der levantinischen Sedimente verursacht haben. Während der jüngeren Pliocänzeit scheint der Schichtenabsatz in ganz normaler Weise, wenigstens insofern, als unterdessen keine merklichen tektonischen Störungen dazwischengetreten sein dürften, verlaufen zu sein, und hierin zeigt sich nun ein wesentlicher Unterschied den auf der Insel Kos herrschenden Verhältnissen gegenüber. Nach den Beobachtungen Neumayr’s zieht sich auf der Insel Kos mitten durch die jungplio- eänen Marinbildungen eine scharf ausgeprägte Discordanz hindurch. Der älteste Theil des Oberpliocän, durch Meeresconchylien wohl cha- rakterisirt, folgt dort concordant, wenn auch vielfach jedenfalls nur scheinbar, den levantinischen Ablagerungen und ist, was besonders ins Gewicht fällt, in gleichem Ausmasse wie jene aufgerichtet. Der jün- sere Theil liegt hingegen horizontal; er legt sich, theilweise natürlich auch hinaufgreifend, um die deutlich geneigten und bis zu einem gewissen Grade denudirten Schichten des unteren Gliedes. Auf Rhodus konnte nun eine analoge Erscheinung nirgends wahrgenommen werden. Hier geht durch das Jungpliocän keine Discordanz; es baut sich daselbst im Gegentheil die ganze Schichtenserie allen Anzeichen nach ziemlich regelmässig auf. Allerdings sind es nicht immer die ältesten Lagen, welche dem Untergrunde unconform aufliegen; sehr weite Strecken des Grundgebirges werden unmittelbar von jüngeren Bänken, welche zumeist wohl der höheren kalkigen, mitunter aber auch der tieferen sandig-thonigen Abtheilung angehören, bedeckt. Dieses steht jedoch offenbar damit im Zusammenhange, dass, wie man annehmen darf, zufolge des Hinaufrückens der Strandlinie nach und nach grössere Flächenräume der Meeresüberfluthung an- heimgefallen sind und so zeitweilig Bedingungen geschaffen wurden für ein weiteres Umsichgreifen gewisser höherer Horizonte. Wie klar einerseits das Lagerungsverhältniss zu der cretacischen und alttertiären Basis stets hervortritt, so grosse Schwierigkeiten bereitet andererseits die Feststellung desselben dort, wo das Jung- pliocän sich im Contacte mit den levantinischen Bildungen befindet. Die Ursachen hievon sind schon früher gelegentlich anderer Er- örterungen berührt worden, und ich kann nur wiederholen, dass die sich in dieser Richtung entgegenstellenden Hindernisse von zweierlei Factoren gebildet werden, zunächst von der häufig, namentlich in den Grenzgebieten, fast vollkommenen Gleichartigkeit der Sedimente und [115] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 631 dann von dem Umstande, dass in beiden Systemen mitunter das Störungsausmass nur sehr geringe, stellenweise gar nicht bemerkbare Unterschiede darbietet. Es trifft dies sowohl bei dem Contacte mit den lacustren, als auch mit den fluviatilen Absätzen der levantinischen Stufe zu. Besonders schwierig gestaltet sich die Ermittlung des gegenseitigen Lagerungsverhältnisses und mithin die Trennung unter Anderem im Norden der Insel, auf jener Strecke, innerhalb welcher die Paludinenschichten des nördlichen Beckens auf einmal einer mächtigen Entwieklung des Jungpliocän platzmachen. Ueber die durch Denudation angegriffenen Süsswassersande und Mergelthone legen sich in besagter Gegend ihrem Aussehen nach ganz gleiche marine Sande und Thone, und dabei erscheinen die ersteren ebenso- wenig aufgerichtet, wie ihre rasch anwachsende Bedeckung. Für die Abgrenzung beider Schichtgruppen gegen einander geben daher hier vielfach nur Fossilien einen Anhaltspunkt ab. Dieselbe Mühe kostet es ferner, wenn man längs gewisser Grenz- strecken die jungpliocänen Ablagerungen von den fluviatilen levan- tinischen Anschüttungsmassen ganz genau abscheiden will. Wie kurz vorhin erwähnt wurde, hat in manchen Regionen die in situ statt- sefundene Umschwemmung des älteren Absatzmateriales eine volle petrographische Uebereinstimmung bewirkt, und dazu kommt dann noch, dass die lockeren fluviatilen Schotter und Sande mit ihrer häufig kaum ausgeprägten und nicht selten auch falschen Schichtung gegen die sanft geneigten oder horizontalen Bänke des Oberpliocän in Bezug auf Lagerung sehr wenig abstechen. Auch da können wir also in der Regel blos auf palaeontologischem Wege zum Ziele ge- langen. Nicht überall stellen sich jedoch die Verhältnisse mit Rücksicht auf die in Rede stehende Aufgabe des Aufnahmsgeologen so schwierig dar, wie eben geschildert wurde. Wo die Paludinenschichten stärker sestört sind und dabei eine jungpliocäne Decke tragen, lässt sich die discordante Ueberlagerung immer sehr deutlich erkennen. In solchen Fällen hat man es, nach meinen Erfahrungen wenigstens, zumeist mit einem kalkigen, sei es aus weissen tuffigen, sei es aus breccienartigen oder conglomeratischen Kalken zusammengesetzten jungpliocänen Mantel zu thun, der höchst selten eine etwas grössere Mächtigkeit erreicht, und der nun entweder horizontal oder unter schwacher Neigung der Bänke über den Schichtköpfen der lacustren levantinischen Sedimente sich ausbreitet. Manchmal, nämlich wenn die Paludinenschichten nur geringe Störungen aufweisen, tritt aller- dings auch da der Fall ein, dass sich die genannte jJungpliocäne Decke denselben bis zu einem gewissen Grade regelmässig anschmiegt und man dann eine concordante Aufeinanderfolge, die aber natürlich blos eine scheinbare ist, vor sich zu haben glaubt. Sobald überhaupt die den levantinischen Bildungen unmittelbar aufliegenden Schichten des Jungpliocän kalkiger Natur sind, ist es fast stets leicht, sie abzutrennen, mögen dieselben auf der lacustren oder auf der fluviatilen Facies der ersteren ruhen. Ziemlich schwierig ist dies dagegen, wenn die zunächst transgredirenden jJungpliocänen Bänke aus Sanden oder Thonen bestehen. Gewöhnlich erscheinen 81* 632 Gejza von Bukowski. [116] dann dazu sehr genaue Untersuchungen erforderlich, und eine scharfe Sonderung gelingt zuweilen nur unter den günstigen Umständen, dass man in dem einen wie in dem anderen Complexe auf Ver- steinerungen stosst. Bei meiner im Grossen und Ganzen flüchtigen Bereisung des Terrains bot sich mir immerhin einigemale die Ge- legenheit, darüber Beobachtungen anzustellen. Im Besonderen ver- dient namentlich angeführt zu werden, dass ich an einem Punkte unweit Kalavärda auf den durch vorhergegangene Denudation un- gleichmässig ausgenagten Paludinenschichten in discordanter Situation auch eine thonreiche Sandbank angetroffen habe, die neben marinen jungpliocänen Mollusken in grösserer Anzahl eingeschwemmte Süss- wasserconchylien der Unterlage enthielt. Für uns knüpft sich daran insofern ein gewisses höheres Interesse, als ganz ähnliche Vorkomm- nisse bekanntlich auch von der Insel Kos durch Neumayr be- schrieben wurden. Meine in dem Vorberichte geäusserten Zweifel über die Zugehörigkeit der betreffenden Schicht zum Oberpliocän schwanden nach der Durchbestimmung der darin aufgesammelten Conchylienfauna. Aus dem bisher Vorgebrachten lässt sich schon ziemlich klar ersehen, dass die jungpliocänen Marinbildungen beträchtlicheren Störungen, wie solche selbst noch die levantinische Schichtgruppe betroffen haben, nicht mehr unterworfen waren. Ganz ungestört sind sie jedoch keineswegs. Vollkommen horizontaler Lagerung begegnet man verhältnissmässig selten. Ihre Bänke weisen vielmehr in der Regel eine sanfte Neigung auf, und dabei zeigt es sich, dass das Abfallen, wenn auch nicht ausschliesslich, doch weitaus vorwiegend nach südlichen Richtungen erfolgt. Die derart innerhalb bestimmter Grenzen zu Tage tretende Constanz der Neigungsriehtung deutet meiner Ansicht nach darauf hin, dass es sich hier nicht um die Erscheinung einer ursprünglich nicht wagrechten Sedimentablage- rung handelt, sondern dass wir darin die letzten schwachen Spuren tektonischer Dislocationsvorgänge zu erblicken haben. Für sich allein müssen übrigens gewisse locale Störungen be- trachtet werden, die lediglich mit Terrainbewegungen, zu denen ein- fach die weiche Beschaffenheit des Absatzmateriales Anlass gegeben hat, in ursächlichem Zusammenhange stehen. In Folge von Unter- waschung der in den Liegendpartien entwickelten lockeren Sand- massen und in Folge von Gleitprocessen fand vielfach ein Nachsinken der höheren Schichten statt und wurden dadurch allerlei Positions- veränderungen hervorgerufen. In manchen Gegenden beobachtet man sogar häufig solche mit schiefer Schichtenstellung und zuweilen mit Verwerfungen verbundene Schollensenkungen. Sie kommen bald ver- einzelt vor, bald reihen sie sich staffelförmig an einander an. Gleich beim ersten Anblicke des jungpliocänen Terrains fällt es in die Augen, dass der oberste, aus mannigfachen kalkigen Ge- steinen sich zusammensetzende Complex die verschiedensten Höhen- lagen, selbstverständlich immer die Oberfläche bildend, einnimmt, Diese Erscheinung ist allerdings zum grössten Theile auf die normal, von vorneherein sehr wechselnde Mächtigkeit der ganzen Schichten- ‘serie, zumal der unteren, sandig-thonigen Abtheilung zurückzuführen, Ar en [117] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 633 In manchen Fällen lässt sich aber auch sicher nachweisen, dass dem da und dort nebstbei ein regionales Absitzen der Sedimente zu Grunde liegt. Bei keinem der sonst auf Rhodus vorhandenen Schichtensysteme schwankt die Mächtigkeit, man kann geradezu sagen, auch nur an- nähernd so sehr, wie bei den jungpliocänen Ablagerungen. Sie erreicht hier streeckenweise den hohen Betrag von mehreren hundert Fuss und sinkt wo anders wieder bis auf wenige Fuss herab. Es bezieht sich das natürlich, wie ich, um keinen Zweifel darüber zu lassen, ausdrücklich hervorheben will, auf die ursprünglichen Verhältnisse ohne jede Rücksicht auf die oft weit vorgeschrittene Denudation, welche hiebei vollständig ausser Betracht kommt. Einen grossen Theil des Inselareals machen Gebiete aus, wo das Jungpliocän in zusammenhängender Ausbreitung durchschnittlich eine bedeutende Mächtigkeit besitzt und das Terrain über dem Meeresspiegel entweder sanz allein aufbaut oder zum Mindesten im Relief die ausschlag- sebende Rolle spielt. Dahin gehören durchwegs jene Regionen, in denen eine starke Ausbildung des tieferen sandig-thonigen Schichten- complexes herrscht. Auf der anderen Seite haben wir dann wieder sehr ausgedehnte Strecken, wo nur isolirte Lappen von mehr unter- seordneter Bedeutung als Denudationsreste einer. einst offenbar continuirlichen, aber im Allgemeinen nicht besonders starken Decke vorkommen, oder auf denen sich über dem Grundgebirge ein seit jeher im Vergleiche zu der übrigen Entwicklung sehr dünner und heute vielfach zerrissener, zuweilen jedoch auch grösseren Flächen sich noch ununterbrochen anschmiegender Mantel, der, wie ich hin- zufügen muss, in der Regel kalkig ist, hinzieht. Die Ausscheidung der letztgenannten Vorkommnisse stosst in Anbetracht der ungemein grossen Verbreitung derselben insbesondere bei einer Uebersichtsaufnahme auf fast unüberwindliche Schwierig- keiten und wurde von mir in Folge dessen auch gar nicht versucht. Sie wäre übrigens selbst gelegentlich detaillirter Aufnahmen nicht überall begründet. Es ist zweifellos, dass dann einige der wichtigsten Züge. des geologischen Baues nicht genügend zum Ausdrucke kämen. Speciell die kartographische Darstellung des dünnen, in manchen Gegenden wie ein Schleier auf die älteren Ablagerungen sich legenden oberplioeänen Ueberzuges würde die Klarheit des Bildes, welches eine geologische Karte dieses Terrains stets in erster Linie von dem Baue des eigentlichen Gebirgsgerüstes wird bieten müssen, wesentlich beeinträchtigen. Auf der vorliegenden Karte sind daher neben den zuerst angeführten Gebieten nur ausnahmsweise, blos dort, wo dies unbedingt nothwendig erschien, gewisse Verbreitungsstrecken der minder mächtigen Partien eingetragen. Endlich bleibt mir noch zu erwähnen übrig, dass die absolute Höhe, bis zu der diese Bildungen ansteigen, nahe an 1000 engl. Fuss beträgt. So bedeutend stellt sich also hier die Verschiebung der Strandlinie seit dem Schlusse der Tertiärzeit dar. In landschaftlicher Beziehung gleicht das jungpliocäne Terrain jenem der Paludinenschichten. Auch da waltet im Grössen und Ganzen, sofern nicht die Erosion zu stark ändernd auf die Bodengestaltung 634 Gejza von Bukowski. [118] eingewirkt hat, der hügelige Plateaucharakter vor. Derselbe findet seine Erklärung darin, dass zuoberst als letztes Glied der Schichten- serie kalkige Lagen von fester Beschaffenheit und meistens grosser Widerstandsfähigkeit auftreten. Diese Lagen schützen auf den der Denudation weniger ausgesetzten Strecken die darunter liegenden weichen Sedimente vor Abtragung, und ihnen ist es wohl hauptsächlich zuzuschreiben, dass sich die letzteren in einzelnen Gebietstheilen bis heute vollständig erhalten haben. Selten kommt es jedoch nur vor, dass der eintönige Plateau- charakter auf grössere Entfernungen hin ununterbrochen anhält. Die Erosion hat, wie gesagt, reichlich für eine gewisse Abwechslung in der Terrainconfiguration gesorgt. Indem ihr nach und nach bedeutende Strecken der oberen Kalkdecke zum Opfer gefallen sind, konnten die Wässer ungehindert rasch ihr zerstörendes Werk fortsetzen; es bildeten sich tiefe Einrisse, die sich immer mehr erweiterten, und so löste sich das Terrain allmälig in einzelne Tafelberge oder in umfangreichere plateauartige Höhencomplexe mit steil, oft senkrecht abfallenden Gehängen auf, welche durch bald schmale, bald breite, verschieden stark ausgefurchte Thäler, zuweilen sogar auch durch ausgedehntere ebene oder schwach gewellte Tiefflächen von einander getrennt werden. Das rasche Vorschreiten der Erosion in der Gegenwart macht sich fast auf Schritt und Tritt bemerkbar. Sehr häufig begegnet man namentlich frisch zufolge von Unterwaschung der tieferen weichen Bänke, der Sande und Thone, abgestürzten Partien des jüngsten Schichtgliedes und beobachtet man geradezu, wie sich der Umfang der Höhen stetig vermindert. Wo die Kalkdecke gänzlich verschwunden ist, nehmen die Hügel vielfach auch gerundete Formen an. Der hohe Betrag der Sedimentzerstörung, welche die erodirenden Kräfte hier im Laufe der Zeit stellenweise vollbracht haben, lässt sich am besten nach der Thatsache beurtheilen, dass dieses Gebiet unter Anderem auch viele, und zwar mitunter ziemlich weite Tiefebenen umfasst, deren Boden ganz und gar durch ältere Lagen der Schichtenserie gebildet wird, und über denen sich von den höheren Schichten nur noch einzelne Reste da und dort pfeilerartig erheben. Die jungpliocäne Landschaft ist also, wie man sieht, keines- wegs sehr einförmig. Sie bietet durch die zahlreichen Einrisse, die den hügeligen Strecken eingeschalteten Ebenen, die oft beträchtlichen Höhendifferenzen zwischen benachbarten Gebietsabschnitten und der- gleichen mehr in gewisser Hinsicht selbst ein wechselvolles Bild dar. Einzeln stehende Tafelberge, die mehrere hundert Fuss über den Meeresspiegel aufragen, mit steilen Böschungen, manchmal auch senk- recht abstürzenden Seiten, ebenso geformte niedrigere Erhebungen, Hügelzüge mit gerundeten Conturen, grössere auf weitere Distanzen hin zusammenhängende Plateaux, deren Oberfläche bald stärker, bald schwächer undulirt erscheint, und die häufig stufenförmig gegen einander absitzen, Tiefebenen, aus denen da und dort kleine isolirte Hügel aufsteigen, enge, tief eingeschnittene Erosionsfurchen und breitere Thäler, in denen mitunter eine üppige Vegetation entwickelt ist, gruppiren sich hier derart, dass der Beschauer nur selten den [F19] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 635 Eindruck der Monotonie 'empfindet. Die grosse Fruchtbarkeit des Bodens bringt es, nebenbei bemerkt, mit sich, dass diese Inseltheile am dichtesten bevölkert sind. Auf allen meinen Routen habe ich innerhalb der jungpliocänen Ablagerungen nur marine Schichten beobachtet. Ebenso wissen meine Vorgänger, Hamilton und Spratt, blos von marinen Schichten zu berichten. Trotzdem ist es aber gar nicht ausgeschlossen, dass in dem mächtigen Sedimentecomplexe stellenweise auch Zwischen- lagen lacustren Ursprungs vorkommen. In einem speciell ‘diesem Gegenstande gewidmeten Aufsatze, der in den Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt vom Jahre 1892 unter. dem Titel „Einige Bemerkungen über die pliocänen Ablagerungen der Insel Rhodus“ erschienen ist, habe ich des Näheren auseinandergesetzt, warum ich dies für wahrscheinlich halte. Die Umstände und Er- wägungen, welche mich auf die Vermuthung, das Jungpliocän von Rhodus schliesse möglicherweise auch einzelne Bänke mit Süsswasser- conchylien ein, geführt hatten, sind, in Kürze zusammengefasst, folgende: Unter den durch Tournouäör aus Rhodus beschriebenen fossilen Süsswassermollusken finden wir bekanntlich auch einige Formen, welche ein sehr junges Gepräge zeigen und bisher weder in den hier auftretenden levantinischen Bildungen, noch auch in jenen anderer Länder angetroffen wurden. Darauf allein könnte allerdings noch kein besonderes Gewicht gelegt werden; bei der seinerzeit von mir vorgenommenen Durchsicht der dem k. k. naturhistorischen Hot- museum in Wien angehörenden Sammlung Hedenborg’s kam jedoch das überraschende Resultat zu Tage, dass die meisten dieser Arten, wie auch etliche andere, die in der Liste Tournouär’s nicht ent- halten sind, von Localitäten stammen, welche sämmtlich in dem grossen zusammenhängenden Hauptverbreitungsgebiete des Jungpliocän im Norden der Insel, wo letzteres seine mächtigste Entwicklung erreicht, liegen. Als Fundorte derselben erscheinen angegeben der Monte Smith bei der Stadt Rhodos, der Tafelberg Parädiso, Triända, Kandilf (Kandile) und Sümbüllü (Zimbule). Jene Stücke von der gleichen Artengesellschaft, über deren genaue Herkunft wir in Un- kenntniss bleiben, weil ihre Etiquetten als Fundstellen einfach die Bezeichnung „Insel Rhodus“ tragen, dürften übrigens ebenfalls aus dem genannten Terrain herrühren. Wir haben wenigstens, wie ich, auf meine vorhin eitirte Arbeit hinweisend, beifügen muss, einen be- stimmten Grund, es anzunehmen. In Anbetracht der angeführten Thatsache läge es nun wohl am nächsten, an das Vorhandensein von Aufbrüchen der Paludinenschichten unter dem Oberpliocän zu denken, denen die betreffenden Süsswasser- conchylien hätten leicht können entnommen worden sein. Dem wider- spricht jedoch einigermassen der Umstand, dass mir dort nirgends, obwohl ich alle erwähnten Localitäten berührt und mich an ihnen aufgehalten habe, solche Aufbrüche aufgefallen sind, was umsomehr hätte geschehen müssen, als ich mein Augenmerk stets ganz be- sonders auf die Unterlage des Jungpliocän richtete, dieses selbst 636 Gejza von Bukowski. [120] dagegen von mir weniger beachtet und nicht sehr eingehend unter- sucht wurde. Es würde überdies auch jedenfalls befremden, wenn in den Paludinenschichten auf einmal eine grössere Zahl von Formen, die sonst darin nach unseren bisherigen Erfahrungen vollständig fehlen, localisirt sein sollte und der Faunencharakter über kurze Ent- fernung sich so stark änderte. Die Annahme endlich, dass die in Rede ‚stehenden Arten vielleicht postpliocänen Ablagerungen ange- hören, kann schon deshalb nicht ernstlich in Betracht gezogen werden, weil sich unter ihnen ausgestorbene Varietäten finden und wir ausser- dem Anzeichen besitzen für eine. marine Vertretung des Diluviums auf Rhodus. 2 Aus allen Erwägungen ergibt sich mithin als noch am wahr- scheinlichsten, dass in dem marinen Jungpliocän, wenigstens an ge- wissen Punkten, einzelne Einschaltungen lacustrer Lagen existiren. Wenn sich dies: bewahrheiten würde, dann hätte man in der That einen Beweis dafür, dass hier während jener Epoche oscillatorische Bewegungen der Strandlinie stattgefunden haben. Wesentlich bestärkt in unserer Vermuthung werden wir durch die handschriftlichen Aufzeichnungen des verstorbenen schwedischen Consuls Hedenborg, welche das k. k. naturhistorische Hofmuseum in Wien seit dem Jahre 1865 aufbewahrt, und in die mir Einsicht zu nehmen gestattet wurde. In dem besagten, aus verschiedenen Grün- den ungedruckt gebliebenen Manuscripte, das zum grössten Theile die geologischen Verhältnisse des nördlichsten Gebietes von Rhodus behandelt, finden sich von einzelnen Punkten direete Angaben über Wechsellagerung mariner Schichten mit dünnen, Süsswasserconchylien enthaltenden Bänken im Jungpliocän. Die ungemein verworrene Dar- stellung hindert jedoch eine weitere Benützung dieser Angaben für Publicationszwecke. Das sind also im Ganzen die Anhaltspunkte, auf welche ich meine obige, erst nachträglich, nach der Beendigung der Aufnahme gefasste Muthmassung stütze. Bezüglich der Details, von deren Vorführung hier Umgang genommen wurde, sei auf den vorerwähnten Special- aufsatz verwiesen. Die Aufgabe künftiger Untersuchungen wird es nun sein, diese vorläufig natürlich nur mit grösster Reserve aufzu- nehmende Ansicht an Ort und Stelle auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Mir bot sich eben hiezu später keine Gelegenheit mehr. Am. Schlusse der Erörterungen über vorstehendes Thema möchte ich noch daran erinnern, dass auf der nahe liegenden Insel Kos durch Neumayr an manchen Loecalitäten im Jungpliocän that- sächlich dünne, der marinen Schichtenserie sich einschaltende Bänke mit Süsswasserconchylien beobachtet wurden. Die in ungeheurer Menge die betreffenden Lagen erfüllenden Formen sollen den levanti- nischen Bildungen vollkommen fremd sein. Dadurch rückt die. Mög- lichkeit, dass auf Rhodus ähnliche Verhältnisse herrschen, noch mehr in den Vordergrund, und wenn man alle Anhaltspunkte und Finger- zeige überbliekt, drängt sich unwillkürlich der Gedanke an das Vor- handensein von Analogien in genannter Richtung zwischen beiden Inseln auf. Zur Erklärung dieser Erscheinung auf Kos sagt Neu- [121] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodas. 637 mayr, dass sie keineswegs auf eine vorübergehende Aussüssung oder auf Unterbrechung des marinen Absatzes zurückzuführen sei, sondern dass er glaube, es handle sich dabei blos um eine locale Einschwemmung gleichzeitig lebender Formen durch nahe Flussmün- dungen. Der ausserordentliche Fossilienreichthum der jungpliocänen Marinbildungen von Rhodus hat bereits in früher Zeit die Aufmerk- samkeit der wissenschaftlichen Welt auf sie gelenkt. Schon vor mehreren Decennien gelangten einzelne Versteinerungssuiten, unter (denen namentlich die grossen Collectionen des französischen Vice- eonsuls Prus und des schwedischen Consuls Hedenborg in Rhodus hervorgehoben zu werden verdienen, nach Europa, und bildeten die- selben nachher die Grundlage zu verschiedenen palaeontologischen Studien. Die Zahl der Forscher, welche sich mit ihnen im Besonderen befasst haben oder ihnen wenigstens eine namhafte Berücksichtigung in ihren Schriften angedeihen liessen, ist, wie man aus der zu An- fang gegebenen Literaturübersicht ersehen kann, durchaus keine geringe. Daher kommt es auch, dass wir über die Fauna des Jung- pliocän auf Rhodus seit längerer Zeit verhältnissmässig gut unter- richtet sind. Die älteren palaeontologischen Arbeiten haben in der That bereits so klare und sichere Ergebnisse bezüglich des Faunen- charakters und des Alters besagter Ablagerungen !eeliefert, dass ich mich bei der nachfolgenden zusammenfassenden Darstellung ganz auf sie stützen kann. Es wäre viel zu umständlich und bis zu einem gewissen Grade auch überflüssig, wenn man alle aus diesen Schichten bisher bekannt gewordenen Formen, deren Zahl eine sehr erhebliche ist, hier der Reihe nach anführen wollte. Es dürfte genügen, im Allgemeinen den Fossilienreichthum zu kennzeichnen, und deshalb beschränke ich mich blos auf die ziffermässige Angabe der Menge von Arten und Varietäten innerhalb einzelner Thierclassen, Stämme oder Ordnungen. Wer sich über die Zusammensetzung der Fauna genau belehren will, der kann es leicht erreichen, indem er die in der Literaturübersicht besprochenen palaeontologischen Publicationen nachschlägt. _ Etwas länger wollen wir dagegen verweilen bei den Schlussfolgerungen aus den palaeontologischen Untersuchungen, weil dieselben für die Charakterisirung der ganzen Schichtgruppe, namentlich für die Be- urtheilung ihres stratigraphischen Umfanges höchst wichtig er- scheinen. Die nachstehende Zahlenliste umfasst selbstverständlich nur solche Arten, von denen man sicher weiss, dass sie aus den uns eben beschäftigenden Ablagerungen stammen. Gänzlich unberück- sichtigt blieben alle jene Formen, über deren Herkunft vorläufig noch Zweifel existiren, wenn auch die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie hieher gehören. Nicht inbegriffen sind darin mithin die ge- wissen, kurz vorher einer Betrachtung unterzogenen Süsswasser- conchylien, nachdem deren Lagerstätte, wie wir gesehen haben, heute noch nicht genau festgestellt ist. Nach den bis jetzt veröffentlichten Fossilienverzeichnissen ent- hält das Jungpliocän von Rhodus an: Jahrb. d.k. k. geol. Reichsanstalt 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 82 638 Gejza von Bukowski. [122] Foraminiferen 208 Arten, Anthozoöen .. 10 , Echinodermen 8 ,„ Bryozoen ten 13, Brachiopoden. 8 ,„ Mollusken . . 314 „ Ostrasodeniikmi934hı, und 9 Varietäten. Dazu kommen dann noch Spuren von Spongien, einige Würmer, welche sich auf die Gattungen Ditrupa, Serpula und Vermilia ver- theilen, sowie zwei nicht näher bestimmbare Vertreter der Crustaceen- sattungen Balanus und Portunus. Die Foraminiferen und die Ostracoden haben einen ausge- zeichneten Bearbeiter in O0. Terquem gefunden. Die Bryozoen wurden ursprünglich von A. Manzoni beschrieben; eine Revision derselben auf Grund des im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien vorhandenen Materiales nahm später E. Pergens vor. Studien über die Echinodermen lag G. Cotteau ob. Die Beschreibung der übrigen Fossilien endlich stammt aus der Feder von P. Fischer. Eine wesentliche Erweiterung unserer Kenntnisse in neuerer Zeit erfolgte, von den Bryozo&en abgesehen, bei den Korallen durch E. Jüssen, welcher über das von mir aufgesammelte Anthozoönmaterial im Jahre 1890 eine kleine, aber sehr interessante Abhandlung ver- öffentlicht hat. Die Bearbeitung des hier am zahlreichsten reprä- sentirten und für uns wichtigsten Thierstammes, der Mollusken, ver- danken wir also P. Fischer. Die diesbezüglichen Untersuchungen des genannten Forschers zeichnen sich durch eine besondere Gründ- lichkeit aus; sie erstreckten sich über sämmtliche damals theils in Paris, theils in Wien vorgelegenen Oollectionen und waren begleitet von einer sorgfältigen kritischen Benützung aller Vorarbeiten. Ich selbst habe gelegentlich der geologischen Aufnahme der Insel eine ansehnliche Ausbeute an jungpliocänen Versteinerungen erzielt. Diese neue, dem palaeontologischen Institute der Wiener Universität einverleibte Sammlung befindet sich behufs genauer Durchbestimmung zur Zeit in anderen Händen und wurde von mir nur insoweit untersucht, als dies für die Gewinnung von Anhalts- punkten, um in gewissen, noch ungelösten Fragen ein Urtheil abzu- geben, nothwendig erschien. Es unterliegt zwar keinem Zweifel, dass sie eine Vermehrung der Artenzahl herbeiführen wird, aber eine wesentliche Modification der aus früheren palaeontologischen Studien abgeleiteten Schlussfolgerungen, an die wir uns hier halten müssen, ist dabei keineswegs zu erwarten. Deshalb konnte auch ohneweiters davon Abstand genommen werden, das durch mich mitgebrachte jungpliocäne Fossilienmaterial, dessen Bearbeitung, wie gesagt, von anderer Seite erfolgt, bei unseren Betrachtungen in vollem Ausmasse zu berücksichtigen. Dem Resume, welches P. Fischer über die von ihm aus dem Pliocänterrain der Insel Rhodus angeführten und, soweit sie neu waren, auch beschriebenen und abgebildeten marinen Gastropoden [123] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 639 und Bivalven gegeben hat, entnehmen wir, dass unter den 314 da- selbst vertretenen Molluskenarten 58 ausgestorbene und 8 heute nur ausserhalb des Mittelmeeres im atlantischen Ocean lebende Formen sich befinden. Die erloschenen und die aus dem Mittelmeer ausge- wanderten Species bilden somit zusammen ungefähr 21°, der ganzen Molluskenfauna. Diese Ziffer hält jedoch P. Fischer, wie er gleich bemerkt, für viel zu hoch und begründet derselbe seine Ansicht da- mit, dass M. Hoernes, von dem die Hedenborg’sche Collection in Wien zum erstenmale bestimmt und in seinem Werke über die Mollusken des Wiener Tertiärbeckens verwerthet wurde, und dessen Bestimmungen später nicht in allen Fällen eine Correctur erfahren haben, vielfach recente Formen mit ausgestorbenen identifieirt hat. Nach den in den Pariser Museen aufbewahrten Sammlungen allein stellt sich das Verhältniss der erloschenen und der zwar noch leben- den, aber jetzt im Mittelmeere nicht mehr vorkommenden Arten zu den übrigen wie 17 zu 100 dar. Das letztgenannte Verhältniss dürfte nun nach P. Fischer’s Meinung eher der Wahrheit entsprechen als das bei der vorigen Berechnung ausgefallene. Durch faunistische Vergleiche mit anderen Pliocängebieten ist dann P. Fischer zu dem FEndresultate gelangt, dass diese Ab- lagerungen jungpliocänen Alters sind, und dass man sie im Grossen und Ganzen mit den oberpliocänen Schichten der Insel Cypern, der Insel Kos, des Monte Pellegrino, von Ficarazzi etc. in Parallele bringen muss. Hiemit wurde also die Anschauung, welche zuerst E. Forbes geäussert hat, und die auch bald darauf bei vielen Geologen Anklang gefunden hat, vollends bestätigt. Die palaeontologischen Studien Fischer’s haben übrigens nebst dem noch eine andere höchst interessante Thatsache ans Licht ge- fördert. Es wurde constatirt, dass die Jjungpliocäne Fauna von Rhodus, ebenso wie die Faunen der äquivalenten Bildungen des Monte Mario bei Rom und vom Monte Pellegrino und von Ficarazzi bei Palermo, auch einige boreale Conchylienarten einschliesst, was mit Rücksicht auf die noch südlichere Lage der Insel als jene Sieiliens anfänglich einigermassen aufzufallen geeignet war. Von den aus dem Mittel- meere ausgewanderten Arten unserer Fauna lebt ein Theil heute an den Westküsten Afrikas und bei den Cap Verde’schen Inseln; ein Theil bewohnt dagegen die Nordregionen des atlantischen Oceans. An borealen Formen eitirt P. Fischer von hier: Pectunculus glyei- meris, Cyprina Islandica, Dosinia lineta, Pecten septemradiatus und Dentalium entale. Dieser Thatsache ist nun aus dem Grunde eine srosse Bedeutung beizulegen, weil die nordischen Gäste im Pliocän bekanntlich unter Umständen die wichtigste Handhabe für die Ent- scheidung, ob in den betreffenden Gebieten ein der Glacialperiode angehörendes Niveau vertreten erscheint, überhaupt für die Feststel- lung des stratigraphischen Umfanges der jüngsten marinen Schichten- serien bieten. Ich muss wohl gleich von vorneherein erklären, dass ich in Bezug auf die Frage, welche von den jungen Marinbildungen im Mittelmeergebiete wir als diluvial und welche noch als pliocän auf- zufassen haben, ganz auf dem Standpunkte stehe, den seinerzeit 82* 640 Gejza von Bukowski. [124] Neumayr eingenommen, und den er in seiner Arbeit „Ueber den geologischen Bau der Insel Kos“ (Denkschr. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Classe, Bd. 40, 1880, S. 250 bis 254) dargelegt hat. Von den Ablagerungen, deren Faunen sich durch Beimischung borealer Arten auszeichnen, betrachtet Neumayr nur solche als diluvial, die gar keine, oder im äussersten Falle einen minimalen Procentsatz an ausgestorbenen Formen enthalten, und die überdies mit ihrer derart zusammengesetzten Fauna, wie bei Ficarazzi, ein specielles Niveau hoch oben in der betreffenden Schichtenserie bilden. Alle jene Ablagerungen hingegen, welche wohl einzelne nordische Typen führen, aber dabei einen grösseren Procent- satz an erloschenen Arten aufweisen, rechnet er dem Oberpliocän zu. Die Gründe, welche Neumayr für seine hier blos in knapper Form wiedergegebene Ansicht beibringt, sind so einleuchtend, dass man ihm unbedingt beipflichten muss. Als ausschlaggebend werden vor Allem die Verhältnisse des englischen Crag hingestellt, und es wird unter Anderem mit vollem Rechte darauf hingewiesen, dass wir ja unzweifelhafte oberpliocäne Schichten, wie die des Monte Mario bei Rom und vom Valle Bjaja in Toscana, und sogar tiefer in dem Gesammtcomplexe liegende Horizonte, wie den Red Crag, kennen, in denen boreale Formen selbst neben subtropischen erscheinen, wo also trotz des Vorkommens nordischer Faunenelemente von einer Vertretung des Quartär keine Rede sein kann. Die Frage, ob auf Rhodus analog der Localität Ficarazzi auf Sieilien eine besondere Lage existirt, in der sich nordische Arten häufen, und die man auch sonst wegen ihres Faunencharakters und ihrer stratigraphischen Position als eine Bildung aus der Eiszeit an- zusprechen im Stande wäre, bleibt noch immer unentschieden, weil aus meiner Fossiliencollection diesbezüglich ein Anhaltspunkt nicht zu gewinnen war. Dagegen konnte sicher festgestellt werden, dass hier boreale Mollusken schon in echt pliocänen Sedimenten auftreten. Aus der durch P. Fischer angeführten Liste nordischer Con- chylienspecies möchte ich, zunächst bemerkend, Pectunculus glycimeris und Dentalium entale ausschalten, da es nach dem Urtheile vieler als Autoritäten geltender Conchyliologen beinahe zweifellos ist, dass dieselben heute im Mittelmeere noch leben. Cyprina Islandica und Dosinia lincta sind in meiner Sammlung nicht enthalten, ebenso wie die meisten anderen Repräsentanten dieser Artengesellschaft, welche aus den jungpliocänen Terrains Italiens eitirt werden, so Mya truncata, Panopaea Norvegica, Buceinum Groenlandicum, Trichotropis borealis und so weiter. Dafür liegen mir in einer grossen Zahl von Exemplaren Pecten septemradiatus Müller und Astarte sulcata Da Costa, eine boreale Art, die bisher aus dem Pliocän von Rhodus nicht bekannt gewesen ist, vor. Beide Formen stammen von der fossilreichen Localität Lärtos (Lardos). Sie treten dort zusammen mit Tiefseekorallen, Brachiopoden und einer Unzahl anderer, zum Theil erloschener Mollusken in sandigen Thonen auf, welche stratigraphisch ein ziem- lich tiefes Niveau einnehmen, indem sich über ihnen zunächst noch höhere Glieder der unteren sandig-mergeligen Abtheilung und dann erst die den Abschluss der ganzen Serie bildenden, conglomeratisch- [125] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 641 kalkigen Lagen aufbauen. Dass diese sandig-thonigen Bänke dem Pliocän angehören, darüber kann nicht der geringste Zweifel be- stehen. Wenn es auch bis heute nicht gelungen ist, daselbst einen spe- ciellen, der Glacialperiode entsprechenden Horizont zu entdecken, dessen diluviales Alter sich durch Fossilien beweisen liesse, so darf die Hoffnung keineswegs aufgegeben werden, dass dies einmal doch geschehen wird. Das Vorkommen mariner Diluvialablagerungen auf den Inseln Kos und Yali deutet entschieden darauf hin, dass auch hier während jener Periode Meeresabsätze erfolgt sind. Wir finden auf Rhodus in der That Schichten, bei denen die Wahrscheinlichkeit, sie seien bereits diluvial, ziemlich gross ist. Als solche Bildungen wären vor Allem zu nennen gewisse, mit den oberpliocänen Ab- lagerungen sehr eng zusammenhängende Conglomerate, so beispiels- weise das feste, bindemittelarme Kalkconglomerat, das am Monte Smith!) bei der Stadt Rhodos den obersten kalkigen Bänken des Pliocän concordant auflagert und in ähnlicher Position ausserdem noch an anderen Punkten angetroffen wurde. Hieher zu zählen sind dann möglicherweise auch bestimmte, in dem südlichsten Theile der Insel beobachtete Conglomerate und kalkige Conglomeratsandsteine, die namentlich in der Nähe des Cap Vigli gut entwickelt zu sein scheinen, und deren horizontal liegenden Bänke sich dort nicht ein- mal bis zu 100 Fuss über den Meeresspiegel erheben. Bei keiner von diesen, wie man sieht, in verschiedener Seehöhe abgesetzten Schichten konnte jedoch ein sicherer Altersnachweis auf palaeonto- logischer Basis erbracht werden. Das Kalkconglomerat am Monte Smith bei der Stadt Rhodos hat mit Ausnahme eines eingeschwemmten, abgerollten Rudisten keine Fossilien geliefert. Die Conglomerate unweit des Cap Vigli wieder schliessen zwar Meeresconchylien ein, aber die von mir aufgesammelten Stücke reichen für eine präcise Altersbestimmung nicht hin, und es finden sich auch unter ihnen keine nordischen Formen. Wir haben, kurz gesagt, Gründe anzunehmen, dass auf Rhodus marine Ablagerungen aus der Quartärzeit vorkommen, sind jedoch vorderhand nicht in der Lage, sicher anzugeben, welche Ab- sätze innerhalb der so mannigfaltig entwickelten jungen Meeres- sedimente sie hier repräsentiren. In Folge dessen fehlt auch auf unserer Karte jedwede Andeutung des Diluviums. Blos auf Ver- muthungen hin Ausscheidungen vorzunehmen, wäre eben unverant- wortlich. Ehe wir die Ausbreitung des Jungpliocän näher ins Auge fassen, muss noch bemerkt werden, dass man in den nachstehenden Schilde- rungen eine Vorführung von Detailprofilen nicht zu gewärtigen hat. Studien über die, wie schon früher angegeben wurde, regional oft wechselnde Detailgliederung konnten da ebensowenig, wie bei den !) Es muss hier bemerkt werden, dass der auf der Karte nicht verzeichnete, in der Literatur dagegen häufig citirte Localname Monte Smith nur bei einem Theile der Bevölkerung der Stadt Rhodos für den nördlichsten, in der Richtung gegen das Cap Kumburnü streichenden Hügelrücken, jene Erhebung, im Gebrauch steht, auf deren Ostabhang sich das Villenviertel der Stadt Rhodos hinaufzieht. 642 Gejza von Bukowski. [126] anderen Schichtgruppen, hauptsächlich wegen Mangels an der dazu nöthigen Zeit vorgenommen werden. Sie wären namentlich insofern wichtig, als man erwarten darf, dass durch Verfolgung der organischen Einschlüsse von Schicht zu Schicht sich die Abnahme der ausge- storbenen und der aus dem Mittelmeer ausgewanderten Arten nach oben zu in ihrem aller Voraussicht nach allmäligen Fortschreiten wird ganz klar überblicken lassen. Aus der Umgebung der Stadt Rhodos haben bereits sowohl Hamilton, als auch Spratt von je einem Punkte genau erhobene Schichtfolgen mitgetheilt. Dieselben besitzen aber im Grossen und Ganzen keinen besonderen Werth, weil dabei aus den einzelnen Lagen die Fossilien nicht namhaft gemacht worden sind. Bei meinen Aufsammlungen kam eine stratigraphische Sonderung der Versteinerungen nur so weit zur Durchführung, als überall, wo es möglich gewesen ist, diesbezüglich die beiden Hauptabtheilungen des Jungpliocän, der untere sandig-mergelige Schichtencomplex und das obere kalkige Glied auseinandergehalten wurden. Dass in dem srössten Theile des Terrains sehr auffallende Charakterunterschiede zwischen den Faunen dieser Abtheilungen, von gewissen, auf den Faciesverhältnissen beruhenden Differenzen abgesehen, nicht bestehen, seht schon aus einer oberflächlichen Durchsicht des Materials hervor. Präcisen Angaben darüber kann aber erst entgegengesehen werden nach dessen genauer Untersuchung. 1. Der nördlichste Theil der Insel und der Küstenstreifen im Osten bis zum Khörti Vuno. Die bedeutendste Mächtigkeit und die grösste zusammenhängende Ausbreitung, überhaupt die mannigfaltigste Entwicklung in jeder Hin- sicht erreicht das Jungpliocän in dem nördlichsten Theile der Insel und entlang der Ostküste, wo es einen vom äussersten Norden her gegen Süden bis zum Khörti Vunö (Mt. Horti) continuirlich ver- laufenden, um die zahlreichen, hier einzeln aufragenden cretacisch- eocänen Kalkmassen sich ziehenden Saum bildet, der sich bald ver- schmälert, bald verbreitert. Dasselbe nimmt also zunächst das ganze Gebiet von der Nord- spitze der Insel, dem Cap Kumburnü, angefangen bis zu den Palu- dinenschichten der Gegend von Th6lo, den levantinischen Fluss- schottern bei Maritsä und bis an das nordöstliche Ende des Kumuli (Koomooley) -Rückens, den Gällataberg, ein. Mit Ausnahme der cre- tacisch -eocänen Kalke, welche in dem wenig umfangreichen, 612 engl. Fuss hohen Felsstocke am Cap Vöidi (Voudhi) und in der Nähe von Koskinü (Koskino) zu Tage treten, kommen in diesem geologisch sehr einheitlich gebauten Gebiete ältere Ablagerungen nirgends zum Vorschein. Von da setzt sich dann, wie gesagt, das Jungpliocän, der Ost- küste folgend, ohne Unterbrechung sehr weit nach Süden fort. Bis zum Khörti (Horti) Vunö hinab fallen ihm alle flachen und sanft hügeligen Küstenstrecken zwischen den ins Meer hinausgehenden, grösseren. und kleineren felsigen Terrains des cretacisch-eocänen [127] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 643 Kalkgebirges, so die Kalithies (Kalitheas) Bay, die Aphändos Bay, die Vielfka (Veeglikah) Bucht etc. zu. Es umgibt sämmtliche daselbst unmittelbar an der Küste sich erhebenden Kalkstöcke, und aus ihm tauchen ferner auch einige mehr landeinwärts liegende Aufbrüche dieses Schichtensystems, unter Anderem der relativ grosse Kalkstock des Piriönia oder Aphändos Vun6, empor. _ Wenn wir den eben in Rede stehenden langgezogenen Küsten- streifen von der Nordregion nach Süden verfolgen, so sehen wir, dass die jungpliocänen Ablagerungen gegen Westen zuerst an die fluviatilen levantinischen Schotter- und Sandmassen angrenzen, welche die theils bergige, theils hügelige Landschaft zwischen dem Kümuli (Koomooley) -Rücken und dem Spiriötis Vunö (Mt. Speriolis) zusammen- setzen. Sie greifen nicht weit von Arkhipoli (Archipoli) tief in das levantinische Gebiet ein, und hier erscheint auch der besagte Küsten- saum am breitesten. Den mächtigen Ströngilo-Kalkstock auf der ganzen nordöstlichen und südöstlichen Seite einrahmend, dehnen sie sich sodann zwischen demselben und dem Yamakhi (Yamashi) -Zämbi- ka, sowie dem Arkhängelos Vunö (Mt. Archangelo) über Malöna und Mässari gegen die Viglika (Veeglikah) Bucht aus. Von dem Durch- bruche des Tagläris P6tamos'!) durch die cretacisch-eocänen Kalke bis in die Nähe des Gaydurä Pötamos?) sind es wieder levantinische Flussabsätze, welche ihre westliche Begrenzung bilden. Weiter im Süden tritt endlich das Jungpliocän mit dem eocänen Flysch der grossen Oentralregion in Contact; die Linie, bis zu der es hier land- einwärts vordringt, läuft durch die Ortschaft Kälathos und, nachdem sie sich, um die Kälathosberge biegend, westsüdwestlich gewendet hat, an Pilöna und Lärtos (Lardos) vorbei zum Khörti (Horti) Vunö. Längs der Viglika (Veeglikah) Bay nimmt die Breite des oberpliocänen Streifens gegen den Kalkstock des Lindos Vunö immer mehr ab, und in der Gegend von Pilöna treten die dem eocänen Flysch an- gehörenden Kälathosberge so nahe an den Lindoskalk heran, dass nur eine sehr schmale Zone, durch welche ein Schluchtenthal führt, die Verbindung mit dem letzten Gebietsabschnitte, jenem von Pilöna und Lärtos (Lardos), herstellt. Unter den auf der Ostseite von Rhodus verstreuten Vorkomm- nissen der cretacisch-eocänen Kalke blieben von der Ueberfluthung durch das Meer der Jungpliocänzeit während des höchsten Standes der Strandlinie nur die höheren Theile des Lindosberges, des Arkhän- gelos (Archangelo) Vund, der Kalkmasse des Ströngilo und Kutsüthi (Kootsoothey), des Piriönia Vunöo (Mt. Aphandos) und ausserdem vielleicht noch die oberste Spitze des Zämbika verschont. Darauf lassen nämlich die oberpliocänen. Deckenreste schliessen, welche sich auf den genannten Kalkstöcken bis zu einer Höhe von über 900 engl. Fuss hinaufziehen und den niedrigeren Aufbrüchen auch sanz oben anhaften. Das nördliche, dichtest bevölkerte Gebiet mit der Stadt Rhodos bietet in besonders prägnanter Weise die für unsere Schichtgruppe !) Siehe Fussnote auf S. 544 [28]. ?) Siehe Fussnote auf S. 554 [38]. 644 Gejza von Bukowski. [128] charakteristischen Terrainformen dar. In ihm erheben sich zum Theil aus der Tiefebene, zum Theil aus sehr niedrigem Hügelland unter Anderem zwei hohe typische Tafelberge, der langgedehnte Parädiso Vunö und der mehr gedrungene Philerimo (Mt. Phileremo), die sich durch ihre Contur, bedeutende Höhe und ihre gewissermassen isolirte Lage sehr scharf von der Umgebung abheben und schon aus weiter Ferne auffallen. Der Parädiso Vun6 steigt bis zu 922 engl. Fuss über den Meeresspiegel an und ist allem Anscheine nach ganz aus jung- pliocänen Schichten aufgebaut. Seine Krone bilden Conglomerat und Kalk mit Turbo rugosus, darunter liegen dann im Wechsel mit einander Sande, Mergelthone und sandige Mergel, denen sich auch Bryozoen- kalk einschaltet. Die schwache Neigung der Bänke richtet sich ungefähr nach Südwest. Am Philerimo (Phileremo) Vunö begegnet man so ziemlich der gleichen Schichtfolge. Die mittlere Hügelkette, welche am Nordrande des Küumuli (Koomooley) -Rückens beginnt und ihr Ende im Monte Smith bei der Stadt Rhodos findet, geht wieder nach Osten, zumal in der Gegend von Asgurü, Sümbüllü (Zimbule) bis Rhodos, in eine wellige Plateaulandschaft über, die sich mannig- fach abstuft und alle Merkmale dieses Terraintypus ausnehmend schön ausgeprägt zeigt. Hier breitet sich das Jüngste kalkige Glied als Oberflächengestein über weite Strecken zusammenhängend aus, während der untere sandig-thonige Complex besser zumeist nur in den Thaleinrissen aufgedeckt ist In der Nordregion fehlen endlich auch ebene Tiefflächen nicht. Sie ziehen sich von den Hügeln von Mixi (Mixee) entlang der nordwestlichen Küste über Triända, Kre- masti, Villa nuova in das Gebiet der Paludinenschichten und greifen stellenweise, so von Kremasti zwischen dem Parädiso Vunö und dem Philerimo (Mt. Phileremo) bis Bästida (Bastidha) und Maritsä, sowie jenseits des Westabfalles des Parädiso Vunö gegen Damatriä, sehr tief ins Innere hinein. Am Monte Smith !), wo bekanntlich zuoberst ein Kalkconglomerat liegt, das möglicherweise schon dem Diluvium angehört, und darunter zunächst ein versteinerungsreicher Kalk, dann abwechselnd Sande und Mergelthone, die bald viel, bald wenig Fossilien einschliessen, auftreten, sind die Schichten schwach nach Süden geneigt. In dem östlichen Küstenstreifen kommen Tiefebenen mit jung- pliocänem Boden vornehmlich längs der Viglika (Veeglikah), Aphändos und Kalithies (Kalitheas) Bay vor. Sie dehnen sich da und dort von der Küste ebenfalls ziemlich weit ins Innere aus und dienen dabei den grösseren Bächen als bequemster Weg zur Erreichung der See. Höher über dem Meeresniveau gelegene Plateauflächen finden sich westlich vom Piriönia Vunö (Mt. Aphandos), in der Mitte der Land- schaft zwischen Aphändos und Arkhipoli (Archipoli), vor Allem aber zwischen dem Ströngilo - Kalkstocke einerseits und dem Yamakhf (Yamashi) und Arkhängelos (Archangelo) Vunö andererseits. Sonst herrscht im Grossen und Ganzen der hügelige Terraincharakter. Durch zahlreiche, oft tief eingegrabene Furchen erscheint der Boden in Hügel aufgelöst, die bald die gewöhnlichen abgerundeten Formen !) Siehe Fussnote auf Seite 641 [125). [129] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 645 besitzen, bald noch die der ursprünglichen Plateauentwicklung ent- sprechenden Umrisse zeigen. Senkrechte, von ebenem Hochterrain plötzlich tief herabstürzende Wände können häufig beobachtet werden und sind beispielsweise sehr schön zu sehen beim Abstiege vom Arkhängelos (Archangelo) Plateau nach Malöna durch das dorthin führende Thal. Unweit Kalithies (Kalitheas), sehr nahe bei den Kalken des Piriönia Vun6 (Mt. Aphandos) und östlich vom Gällataberg, auf dem halben Wege von Koskinü (Koskino) nach Kalithies (Kalitheas) bedeckt das Jungpliocän unter Anderem auch Serpentinmassen, die aus ihm in kleinen Aufbrüchen emportauchen. Dort enthalten die sich darüber legenden jungpliocänen Sande und Schotter naturgemäss zahlreiche Gerölle des Serpentins. Südliches bis südöstliches Einfallen wurde in der östlichen Küstenregion entlang den von mir gemachten Routen hauptsächlich bei Arkhängelos (Archangelo), oberhalb Malöna gegen den Ströngilo- Gebirgsstock zu, in dem Gebiete nördlich vom Piriönia Vunö (Mt. Aphandos) und am Wege von Aphändos nach Psitos (Psithos) beob- achtet. Die Schichtenneigung ist überall eine flache, nur in der letztgenannten Gegend zwischen Aphändos und Psitos (Psithos) kommen auch steilere Neigungen vor. Vollkommen horizontale Lagerung trifft man überhaupt selten an; die Störungen sind jedoch vielfach so gering, dass man sie erst auf grössere Distanzen hin wahrnehmen kann. Als fossilreichste Localität darf ohneweiters Lärtos (Lardos) bezeichnet werden. Schon in dem vorhergehenden Capitel habe ich mitgetheilt, dass die jungpliocänen Sande und Thone der Umgebung von Lärtos (Lardos), namentlich in der Ortschaft selbst und in den an den Khörti (Horti) -Kalk anstossenden Partien eine riesige Menge von Gastropoden, Bivalven, Brachiopoden und Korallen einschliessen, denen sich ausserdem zahlreiche Vertreter anderer Thierclassen bei- gesellen, und dass diese Fauna auf eine Ablagerung in grösserer Meerestiefe hinweist. Sehr viel Fossilien haben ferner die Sande und Mergelthone in den Hügeln nördlich von Malöna geliefert. Das- selbe gilt auch von dem tuffig aussehenden Kalk, der hier concordant auf dem unteren sandig-mergeligen Schichtencomplexe ruht und sich streckenweise als ein reiner Korallenkalk darstellt. Wegen ihres auffallenden Reichthums an Versteinerungen mögen endlich noch be- sonders hervorgehoben werden die Sande und Mergel in der Nähe des Monastirs Zämbika, die Sande um Mässari, Aphändos und Kos- kinu (Koskino), sowie im Allgemeinen die Pliocänschichten am Monte Smith bei der Stadt Rhodos und weiter südwestlich bei Kandilf (Kandile). Dass nebstbei auch sonst fast überall Fossilien leicht zu erhalten sind, wurde bereits früher betont. 2. Das südliche zusammenhängende Verbreitungsgebiet. Zwischen dem Khörti Vuno (Mt. Horti) und der Mündung des Sklipiö (Asklepio) Pötamos wird die Küste durch eocänen Flysch gebildet, der hier aus dem centralen Theile der Insel, ohne eine Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Hett. (G. v. Bukowski.) 83 646 Gejza von Bukowski. [130] Unterbrechung zu erleiden, bis ans Meer heranreicht. Vom Jung- pliocän finden wir auf dieser Küstenstrecke, ebenso wie weiter land- einwärts, nur ganz unbedeutende, als kleine Lappen dem Flysch auf- sitzende Denudationsreste. Jenseits des Sklipiö (Asklepio) Pötamos erscheinen jedoch jungpliocäne Ablagerungen von Neuem in zu- sammenhängender Ausbreitung und in grösserer Mächtigkeit. Von der Mündung des genannten Torrente bis zum Cap Istros bauen sie gleichmässig das ganze, theils ebene, theils wellig hügelige Terrain auf, das, einen verhältnissmässig schmalen und durchwegs niedrigen Küstenstrich darstellend, die im Westen zu höheren Bergen an- steigenden levantinischen Flussbildungen von der See trennt. .. Die Hauptrolle spielen daselbst Sande und Schotter, über denen als oberstes Glied concordant ein weisser, poröser, tuffig aussehender Kalk folgt, der mitunter durch ein Kalkconglomerat ersetzt wird, aber nur noch in gewissen beschränkten Regionen in grösserem Flächenausmasse erhalten ist, so dass in Folge der bereits weit stattgefundenen Abtragung dieser die Denudation hemmenden Schutz- decke die Landschaft ihren plateauartigen Charakter im Allgemeinen schon sehr stark eingebüsst hat. Die Berührungslinie mit den. flu- viatilen levantinischen Absätzen zieht sich unter mannigfachen Krümmungen in geringer Entfernung westlich von Yennädi (Yannathj) und entlang dem Ostfusse des Athiädi Vunö (Kara Use) über Lakhaniä (Lachania) gegen das oligocäne Flyschgebiet Gheskero. Fossilien kommen nach meinen Beobachtungen am häufigsten in den Sanden der Umgebung von Yennädi (Yannathi) vor. Am Cap Istros, wo nach einer freundlichen Mittheilung des Herrn G. Vandevelde, belgischen Consuls in Rhodus, knapp über dem Seespiegel Gyps ansteht und sich auch Spuren von Asbest zeigen sollen, also eocäner Flysch in einem kleinen Ausbisse zu Tage treten dürfte, hören übrigens die jungpliocänen Schichten keineswegs auf. Sie setzen sich im Gegentheil continuirlich weiter südwärts fort und dehnen sich über den das Gerüst der Insel im äussersten Süden bildenden Flyschablagerungen aus, indem sie letztere mit einem den ursprünglichen Bodenformen sich überall anpassenden, bald etwas dieckeren, bald dünnen Mantel derart überkleiden, dass die alte Unter- lage nur da und dort an der Oberfläche sichtbar wird. Es ist ungeheuer schwer, in diesem Terrain die geologischen Verhältnisse halbwegs anschaulich und dabei wenigstens annäherungs- weise richtig auf der Karte zur Darstellung zu bringen, weil sich die Mächtigkeit der pliocänen Decke äusserst selten genauer beur- theilen lässt und man in der Regel nicht weiss, wo das Jungpliocän ausgeschieden werden, und wo es unberücksichtigt bleiben soll. Wollte man aber streng vorgehen und den Flysch nur an jenen Stellen einzeichnen, an denen er wirklich blossliegt, dann würde in Anbetracht dessen, dass der darüber ausgebreitete Mantel oft über- aus dünn ist, dem Untergrunde auf der Karte eine. viel zu unter- geordnete Rolle zufallen, die weitaus geringer wäre, als sie ihm darin thatsächlich bei seiner eminenten Wichtigkeit in dem. Baue des in Rede stehenden Gebietes gebührt. Dazu würden überdies auch sehr detaillirte Aufnahmen nothwendig sein. Da sich nun na u [131] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. | 647 meine Untersuchungen blos auf die Ermittlung der roheren Züge der topogeologischen Verhältnisse beschränkten und ich nur einzelne Gegenden begehen konnte, sah ich mich gezwungen, diesbezüglich ganz schematisirend vorzugehen. Als jungpliocäner Boden wurden einfach die tiefer gelegenen Theile, insbesondere die Thäler, wo man an- nehmen darf, dass das Jungpliocän stärker entwickelt ist, einge- tragen; die höheren Theile, die Berg- und Hügelrücken, sind da- gegen, unbekümmert darum, ob die sie auf weiten Strecken über- kleidende Deckschichte dick oder dünn sei, durchgehends dem Flysch zugewiesen worden. Der jungpliocäne Mantel, der, nebenbei bemerkt, durch seine petrographischen Eigenheiten den öden, unwirthlichen Charakter der Landschaft bedingt, besteht hier vorwiegend aus gelblich weissem, porösem, in der Regel nicht sehr hartem, oft abfärbendem- Kalk. Dieses vielfach auch Kalkgerölle einschliessende Hauptgestein geht im Streichen häufig in Breccienkalke und in Conglomeratkalke über, die stellenweise wieder zu typischen, bindemittelarmen Kalkconglome- raten führen. An der Basis der kalkigen Lagen erscheinen da und dort lichte Sande, seltener Mergelthone; dieselben erlangen jedoch, wie man sich leicht überzeugen kann, keine allgemeine Verbreitung. In den von mir bereisten Gegenden haben sich sowohl die kalkigen Schichten, als auch die Sande zumeist als ganz fossilleer erwiesen. Bei den tuffig aussehenden, aus einem sehr feinen Kalkzerreibsel durch Erhärtung entstandenen Kalken darf dies gar nicht verwundern, weil sie auch wo anders äusserst selten Versteinerungen enthalten. Eine verhältnissmässig grosse Menge wohl conservirter Meeresconchy- lien wurde, wie ich bereits erwähnt habe, blos in den Conglomeraten und Conglomeratsandsteinen nicht fern vom Cap Vigli angetroffen, die nach dem Innern zu allem Anscheine nach innig mit conglome- ratischen Kalken und durch diese mit dem porösen Kalk zusammen- hängen. Die von mir seinerzeit aus gewissen Gründen aufgeworfene Frage, ob wir es hier nicht etwa mit einer diluvialen Ablagerung zu thun haben, bleibt, um es zu wiederholen, vorläufig noch unentschieden. Schon bei Yennädi (Yannathi) und Lakhaniä (Lachania) kann man sich dem Eindrucke nicht entziehen, dass dort die Gesammt- mächtigkeit des Jungpliocän nicht annähernd so gross ist, wie im Norden der Insel. Ganz im Süden fällt dies aber noch viel mehr auf. Wenn wir alle Gebiete diesbezüglich mit einander vergleichen, gelangen wir in der That zu der Erkenntniss, dass auf Rhodus die Mächtigkeit der oberpliocänen Bildungen von Norden gegen Süden allmälig abnimmt. In Verbindung damit macht sich auch eine immer geringer werdende Differenzirung der Sedimente bemerkbar. 3. Zerstreute Deckenreste. Obwohl auf der Karte nicht ausgeschieden, dürfen die sonst noch auftretenden, zerstreuten Lappen des Jungpliocän in dem er- läuternden Texte doch nicht übergangen werden, weil sie uns die ergänzenden Anhaltspunkte liefern für die Beurtheilung der Meeres- ausdehnung während jener Zeitperiode innerhalb des Flächenraumes 83* 648 | Gejza von Bukowski. [132] von Rhodus. In den meisten Fällen handelt es sich hier um isolirte Denudationsreste einer Decke, die im Gegensatz zu den bisher be- sprochenen Gebieten, wo die oberpliocänen Sedimente eine bedeu- tende Mächtigkeit besitzen und dadurch sowohl einen höchst wich- tigen Factor in dem Terrainaufbaue bilden, als auch einen wesent- liehen Einfluss auf das heutige Bodenrelief ausüben, relativ sehr dünn ist und seit jeher dünn war. Daneben gibt es allerdings auch ein- zelne Lappen, in denen die Schichten etwas mächtiger sind; sie haben aber dafür in der Regel blos einen sehr geringen Umfang. Auf eine kartographische Fixirung der einen wie der anderen Vorkommnisse musste, wie ich schon einmal gesagt habe, von vorn- herein verzichtet werden, nachdem es sich gezeigt hat, dass deren Zahl eine ausserordentlich grosse ist und deshalb selbst eine weniger senaue Ausscheidung, wohlgemerkt dann, wenn dazu auch eine geeig- nete topographische Grundlage vorläge, nur mit riesigem Aufwande an Zeit durchgeführt werden könnte. Diese mühevolle Aufgabe bleibt sonach Detailaufnahmen überlassen. Auf allen an der Ostküste oder nicht weit von derselben sich er- hebenden cretacisch-eocänen Kalkmassen liegen zahllose jJungpliocäne Deckenreste zerstreut, welche namentlich dort, wo sie die Boden- vertiefungen der Unterlage ausfüllen, in stärkerem Ausmasse erhalten sind, bald klein, bald etwas grösser erscheinen und sich mitunter auch zu einem mehr ausgebreiteten, stets jedoch sehr zerrissenen, mantelförmigen Ueberzuge verbinden. Sie reichen, wie bereits ange- geben wurde, bis zu einer Höhe von ungefähr 1000 engl. Fuss über den Meeresspiegel hinauf und bestehen vornehmlich aus verschieden- artigen Kalken, unter denen vielfach conglomeratische und Breccien- kalke stark vertreten sind. Im Allgemeinen selten begegnet man dagegen Sanden und sandigen Gerölllagen, die nur an einzelnen Punkten zur Ablagerung gekommen sein dürften und stratigraphisch stets ein tieferes Niveau einnehmen. Sowohl der petrographische Habitus, als auch die Fauna weisen entschieden darauf hin, dass diese aus den Hauptgebieten sich herüberziehenden geringmächtigen Reste Strandbildungen darstellen, deren Absatz in einem relativ seichten Wasser erfolgt ist. Den klarsten Einblick in die Art und Weise, wie die ober- pliocänen Lappen hier auf den cretacischen und eocänen Kalken schmarotzen, gewähren die gebirgigen Strecken der Ostküste von der See aus. Namentlich an dem Kalkstocke des Lindosberges und an jenem des Arkhängelos Vunö (Mt. Archangelo) sieht man sehr schön, weil gewissermassen im Durchschnitte, wenn man der Küste entlang im Boote fährt, wie das Jungpliocän in kleinen, gegen die See oft abgebrochenen Partien den alten Kalken discordant aufsitzt, da und dort die Einrisse erfüllt und selbst in mehr oder minder hängender Position an den steilen Küstenwänden klebt. Von dem zur Zeit nothgedrungenen Vorgange, die isolirten unter- geordneten Vorkommnisse auf der Karte nicht einzutragen, bin ich nur in drei Fällen abgewichen, indem ich wegen ihrer Auffälligkeit zu- nächst die bei der Kapelle Ayos Nikölaos den Lindoskalk ziemlich weit in geschlossener Masse bedeckenden mürben Kalke und dann im, [133] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 649 gewisse sandige Schichten am Südfusse des Lindosberges, sowie am Östende des Arkhängelos (Archangelo) Vunö-Kalkstockes aus- geschieden habe. Dass auch .innerhalb der östlichen Küstenzone der eocänen Flyschbildungen Pliocänspuren vorkommen, ist kurz vorhin erwähnt worden. Weisse, poröse Kalke wurden ferner wiederholt auf den levantinischen Flussschottern der Südregion, zumal im Gebiete des Athiädi Vun6 (Kara Use) beobachtet, und ebenso findet man sie gar nicht selten in dem Flyschterrain von Mesanagrös (Mesanagrose), wo die kieinen, den oligocänen Sandsteinen unconform aufliegenden Kalklappen zuweilen selbst in grosser Zahl dichtgedrängt neben ein- ander auftreten. Je weiter wir überhaupt gegen Süden vorschreiten, desto häufiger werden diese Deckenreste. Aus der Gegend von Kataviä (Katabia) greifen die tuffig aussehenden, einzelne Gerölle führenden Kalke und die sie streckenweise ersetzenden weichen Sandsteine in abgetrennten, unregelmässigen Fetzen auf die im Norden emporsteigenden Flyschberge hinauf. In der bergigen Flysch- landschaft des Khoräkia Vunö (Mt. Horakia), die ich einmal durch- quert habe, erscheint die zerrissene oberpliocäne Hülle oft sogar ziemlich dick. Aehnlich wie die Ostseite und der Süden, verhält sich in dieser Hinsicht auch die Westseite der Insel. Nur in den centralen Theilen von Rhodus fehlt es bis jetzt an sicheren Anzeichen für eine jung- pliocäne Meeresbedeckung; das kann aber sehr leicht davon her- rühren, dass hier die Spuren einer solchen Bedeckung in Folge kräftigerer Einwirkung der Denudation bereits grösstentheils ver- schwunden sind. Schon in dem das Jungpliocän im Allgemeinen behandelnden Capitel war die Rede davon, dass weisse, poröse, nicht besonders harte Kalke, die jenen des Ostens und Südens vollkommen gleichen, an sehr vielen Punkten, mitunter in Form grösserer zusammen- hängender Decken auf den Paludinenschichten des Nordbeckens ruhend angetroffen wurden. Es ist auch gesagt worden, dass diese dort einen nicht unbeträchtlichen Theil der Oberfläche gewisser Plateaustrecken bildenden Kalke in einigen Gegenden die ziemlich steil geneigten Paludinenschichten discordant überlagern, indem sie sieh über ihnen horizontal ausbreiten, an anderen Stellen dagegen, wo die Unterlage weniger gestört ist, sich den Paludinenschichten scheinbar conform anschmiegen. Im Grossen und Ganzen dieselben Verhältnisse dürften, soweit ich darüber urtheilen kann, auch in dem südlichen Becken der lacustren levantinischen Ablagerungen herrschen, sind jedoch hier insofern schwer zu ermitteln, als bei dem flachen Einfallen der Paludinenschichten die zuoberst uns streckenweise entgegentretende Kalkdecke nur höchst selten ein discordantes Uebergreifen erkennen lässt und man, da ihr Fossilien mangeln, in der Regel nicht im Stande ist, zu entscheiden, ob sie noch der lacustren Sedimentserie angehöre oder jungpliocänen Alters sei. Nieht minder stark verbreitet zeigen sich die geringmäehtigen oberplioeänen Reste endlich in dem dazwischen liegenden Küsten- 650 Gejza von Bukowski. | [134] terrain. Gelblich weisse, tuffig erscheinende, conglomeratische und breccienartige Kalke überziehen mit einem in einzelne, bald grössere, bald kleinere Lappen aufgelösten Mantel die niedrigeren Theile des eretacisch-eocänen Kalkstockes des ‘Akramiti (Mt. Akramytis) und Armenisti (Arministhi), so namentlich die Landschaft Vasilikä gegen den Armenisti (Arministhi) -Rücken hin und die südwestlichen Ab- fälle des Akramiti (Mt. Akramytis) bis an die See. Wir finden sie auf den cretacisch-eocänen Kalken des hügeligen Cap Kopriä-Ge- bietes und ebenso auf den im Westen daneben sich ausdehnenden Flyschablagerungen. Am Akramiti (Mt. Akramytis) und in den Flysch- bergen von Kästelos erreichen sie eine bedeutende absolute Höhen- lage, kommen aber andererseits in genau der gleichen Entwicklung auch nur wenige Fuss über dem Meeresspiegel vor. Während in dem ganzen östlichen Küstenstreifen die ver- schiedenartigen Kalke, welche dort die zerstreuten jungpliocänen Lappen zusammensetzen, selten versteinerungslos sind, manchmal sogar sehr viel Fossilien enthalten, könnten in den zuletzt bespro- chenen äquivalenten Kalken auf der Westseite der Insel, ähnlich wie im äussersten Süden, nirgends Versteinerungen nachgewiesen werden. Diese bis zu einem gewissen Grade befremdende Erscheinung er- schwert denn auch hier vielfach wesentlich eine präcise Altersbe- stimmung. Die von mir gegenüber meinen vorläufigen Ausführungen heute mit stärkerem Nachdrucke vertretene Anschauung, dass die westlichen Vorkommnisse gleichfalls Denudationsreste einer marinen Oberpliocändecke seien, stützt sich daher auf andere, nicht palae- ontologische Anzeichen. Einen wichtigen Anhaltspunkt hiefür liefert die vollkommene petrographische Uebereinstimmung mit ‘den durch Fossilien gekennzeichneten Resten des Ostens. Ganz besonders fällt dabei aber ins Gewicht die an einigen Stellen beobachtete Thatsache, dass die betreffenden Kalklappen in discordantem Lagerungsver- hältniss zu den Paludinenschichten stehen. Dass zur Jungpliocänzeit das nördliche Paludinenbecken vom Meere in der That überfluthet war, beweist ja ohnehin schon das in der Nähe von Kalavärda constatirte, früher von mir beschriebene Vorkommen einer marine Oonchylien neben eingeschwemmten levan- tinischen Süsswassermollusken einschliessenden geröllreichen Sand- bank, welche auf den unregelmässig ausgewaschenen Paludinen- schichten ruht. Man darf auch ‚mit Sicherheit erwarten, dass genauere Untersuchungen in dem genannten und in den übrigen levantinischen Gebieten noch wiederholt zur Entdeckung solcher thonig-sandigen Lagen des marinen Jungpliocän führen werden. VII. Alluvium. Recente Ablagerungen verschiedenen Ursprungs finden sich über das ganze Inselareal vertheilt, spielen aber, die Sumpflandschaft von Kataviä (Katabia) ausgenommen, nirgends eine bedeutende Rolle. In erster Linie sind da zu nennen die Anschwemmungen der Bäche und kleinen. Flüsse. Rhodus besitzt ein verhältnissmässig [135] Geologische Uebersichtskarte der‘ Insel Rhodus. 651 dichtes und stark 'verzweigtes Netz von Wasserläufen, die sämmtlich in die Kategorie der periodischen Giessbäche gehören. Während des fast regenlosen Sommers liegen die Betten dieser Torrenti grössten- theils vollkommen trocken; die geringe Menge Wassers, welches etlichen Quellen entströmt, wird zumeist schon nach ‚kurzer Ent- fernung von dem lockeren Boden aufgesogen, gelangt nur sehr selten bis in den Mittellauf und erreicht, an der Oberfläche fliessend, in keinem einzigen Falle das Meer. Zur Zeit der. ausgiebigen Nieder- schläge, im Winter, schwellen jedoch alle Bäche stark an; einige von ihnen verwandeln sich sogar zu nicht unansehnlichen, reissenden Flüssen und schleppen dann beträchtliche Massen von Detritus see- wärts, den sie zu nicht geringem Theile auf den Strecken mit schwachem Gefälle, zumal in ihrem Unterlaufe. ablagern. Die be- deutenderen Bäche zeichnen sich auch dem entsprechend,. sobald sie aus dem bergig hügeligen Terrain in die ebenen oder flachwelligen Küstenlandschaften hinausgetreten sind, durch sehr breite Betten aus, in denen sich eine solche Menge von Sand und Schotter anhäuft, dass. sie hier im Allgemeinen, namentlich aber im Verhältniss zu ihrer Breitenausdehnung, ganz seicht erscheinen. Eine zweite Art von Alluvionen bilden die an den Flachküsten durch die Meeresbrandung erzeugten Sandanhäufungen. Unter den hieher fallenden, meist sehr schmalen Küstensäumen verdienen vor Allem hervorgehoben zu werden die äusserste, in das Cap Kumburnu auslaufende Nordspitze der Insel, eine mit kleinen, überaus niedrigen Sanddünen bedeckte Fläche, an die sich im Süden die Vorstadt Neo Khöri (Nea-Cora) von Rhodos unmittelbar anschliesst, und die schmale, bei hochgehender See von den Wogen überfluthete Landenge, welche auf dem entgegengesetzten Ende von Rhodus das Eiland Präso Nisi (Prasso Nisi) mit dem Gebiete des Oros Berges verbindet und ersteres zu einer Halbinsel macht. An mehreren Stellen wurden ferner zusammengeschwemmte sandig-thonige Lagen und Humusdecken beobachtet, die mitunter in grosser Zahl Gehäuse recenter Landschnecken beherbergen. Diese Ablagerungen erscheinen aber durchwegs von so untergeordneter Bedeutung, dass man von ihnen in jeder Beziehung ohneweiters ab- sehen kann. Bei der Ausarbeitung der vorliegenden geologischen Karte ist auf alle bis jetzt genannten Vorkommnisse keine Rücksicht genommen worden, da sich jedes, für sich einzeln betrachtet, wie gesagt, räumlich sehr beschränkt zeigt. Das einzige Alluvialterrain, welches zur Aus- scheidung gelangte, ist die Sumpfebene von Kataviä (Katabia). . In- mitten der bekanntlich mit einem jungpliocänen Mantel stark über- zogenen südlichsten Flyschlandschaft dehnt sich bei Kataviä (Katabia) eine.weite ebene Niederung aus, welche im Winter die Regenwässer auffängt und einen von Sumpf- und Wasservögeln bevölkerten Morast darstellt, deren lehmiger Boden im Sommer dagegen austrocknet und dann, wie dies in jenen Landstrichen immer der Fall ist, viel mehr als zu anderen Zeiten Fiebermiasmen aushaucht. Der an ihrem Nord- rande liegende Ort Kataviä (Katabia) gilt deshalb mit vollem: Rechte, 652 Gejza von Bukowski. - [136] namentlich in Bezug auf Malaria, als der ungesundeste Punkt der sanzen Insel. Einiges Interesse dürfte ausserdem vielleicht noch die Mit- theilung bieten, dass ich auf meinen Wanderungen durch Rhodus auch einer aus historischer Zeit stammenden, durch Menschenhände zusammengetragenen Ansammlung von Muschelschalen in einer Hu- muslage begegnet bin, wie solche unter Anderem aus den Küsten- gebieten Griechenlands und Kleinasiens und aus dem Aegäischen Archipel schon zu wiederholten Malen erwähnt und beschrieben wurden. Auf der Höhe eines in dem Terrain der Paludinenschichten sich erhebenden, tafelförmigen Hügels westlich von Kalavärda, auf der rechten Seite des Langoniä (Langounyah) Thales, nahe der Küste finden sich die Spuren alter Bauwerke, welche als die Reste von Kämiros, einer der Städte der dorischen Hexapolis, gelten. Neben diesen hauptsächlich aus Mauernüberbleibseln, die nur die Grundrisse von Gebäuden erkennen lassen. bestehenden Ruinen erscheint nun an einer Stelle die ziemlich dieke Humusschichte von zahllosen Schalen des Cardium edule erfüllt. Ausser dem Cardium edule, das bekanntermassen allgemein als Speise dient, wurden keine anderen Formen bemerkt. Die Schalen dieser Muschel, welche die nur wenige Quadratmeter umfassende Fläche vollständig bedecken, sind vielfach zertrümmert, und es kann wohl nicht der geringste Zweifel darüber obwalten, dass man es hier mit sogenannten Küchenabfällen aus alt- vergangener Zeit zu thun hat. VIII. Eruptivgesteine. Auf Grund des kurzen geologischen Berichtes Spratt’s musste man erwarten, auf der Insel Rhodus ausgedehnte Massen jungvul- kanischer Gesteine anzutreffen. Diese Voraussetzung hat sich jedoch keineswegs bestätigt, wenigstens nicht in vollem Ausmasse und nicht in dem Sinne, der aus dem genannten Berichte klar hervorgeht. Nach den Angaben Spratt’s sollten vulkanische Massen, die gleich zu Anfang als Trachyte und Basalte bezeichnet werden, grosse Strecken des centralen und südlichen Theiles der Insel einnehmen. Im weiteren Verlaufe der Mittheilungen wird näher angeführt, dass dieselben unter Anderem den kleinen Eliasberg zwischen dem Atäviros (Mt. Attayaro) und dem cretacisch-eocänen Kalkgebiete des Cap Kopriä, dann den Bergzug des Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) und überdies einen nicht unbeträchtlichen Theil jenes hohen und langen Rückens bilden, der sich vom Skhiädi (Skathi) Vunö gegen den Atäviros (Mt. Attayaro) als ein beide verbindender Querriegel zieht. Ueberraschend war es in Anbetracht dessen für mich, auf meinen Routen in den bezeichneten Terrains, wie anderwärts auch, nirgends auf solche vulkanischen Felsarten zu stossen. Beim Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) hat es sich gezeigt, soweit in seinen Bau meiner- seits ein Einblick gewonnen wurde, dass derselbe aus massigen, feinkörnigen Sandsteinen des Oligocän besteht. Den kleinen Elias- berg habe ich zwar nicht bestiegen, bin ihm aber doch so nahe ge- [157] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 653 kommen, dass ich sehen konnte, er setze sich aus eocänem Flysch unter starker Betheiligung von Sandsteinen zusammen und weise zum Mindesten an den Stellen, die von mir überblickt wurden, sonst keine anderen Bildungen auf. Die nordsüdlich vom Atäviros (Mt. Attayaro) zum Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) fortlaufende Bergkette endlich habe ich auf zwei Linien, das eine Mal zwischen Arnitha und Väthi, das zweite Mal zwischen Istridos und Prophrlia durchquert und sie auch im Streichen weit entlang der Westflanke verfolgt, aber nirgends konnten bei dieser Gelegenheit vulkanische Gesteine im Anstehenden bemerkt werden. Mit Rücksicht darauf liegt also die Vermuthung sehr nahe, dass die besagten Angaben Spratt’s, wenigstens vielfach, durch einen Irrthum zu erklären seien, und zwar hauptsächlich wohl auf einer Verwechslung gewisser feiner, fester Flyschsandsteine mit Eruptiv- gesteinen seitens dieses Forschers beruhen. Damit soll jedoch, wie ich ausdrücklich zu betonen mich bemüssigt sehe, durchaus nicht behauptet werden, dass Trachyte, Basalte, Andesite oder andere ihnen nächstverwandte junge vulkanische Felsarten auf Rhodus unbe- dingt fehlen. Die Auffindung von Eruptivgesteinen im Anstehenden hängt ja doch bei mehr flüchtigen Aufnahmen, sobald sie nicht in sehr ausgebreiteten Massen auftreten, meistens ganz vom Zufall ab, und es ist daher leicht möglich, dass hier in den angeführten Ge- bieten Trachyte, Basalte oder Andesite trotzdem an einzelnen, von mir nicht berührten Punkten vorkommen. Aus meinen Untersuchungen ergibt sich eben vorderhand nur so viel als sicher, dass dieselben, wenn sie überhaupt vorhanden sind, die ihnen von Spratt zuge- schriebene grosse Ausdehnung nicht besitzen. Die Existenz von beschränkten Durchbrüchen dieser oder jener der in Rede stehenden vulkanischen Gesteinsarten darf übrigens, von den Mittheilungen Spratt’s abgesehen, auch aus anderen Um- ständen gemuthmasst werden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit spricht dafür zunächst die Nähe eines jungen, heute aber schon erloschenen Vulkans, der Insel Nisyros. Trachyt, Augitandesit und Rhyolit finden sich bekanntlich auf der ebenfalls nicht weit von Rhodus entfernten Insel Kos, und eine grosse Rolle spielen junge vulkanische Producte auch auf dem Kos benachbarten kleinen Eilande Yali. Als ein be- sonders wichtiger Fingerzeig muss aber dann angesehen werden das durch mich bei Kästelos econstatirte Vorkommen eines Eruptivgesteins, welches in Folge weit vorgeschrittener Zersetzung allerdings nicht genau bestimmt werden konnte, betreffs dessen jedoch Foullon, der es mikroskopisch untersucht hat, die Möglichkeit zugibt, dass es ein Andesit sei. Gelang es mir nun auch nicht, wie gesagt, Trachyt und Basalt auf Rhodus zu entdecken, so wurden dafür andere, von Spratt nicht angegebene Eruptivmassen nachgewiesen, welche für gewöhn- lich als einem geologisch älteren, vortertiären Typus angehörig gelten, deren Ausbrüche aber hier, den in den östlichen Mittelmeer- ländern nicht gerade selten beobachteten Verhältnissen analog, grösstentheils in die Tertiärzeit zu fallen scheinen. Es sind dies Serpentin und Diabas, an die ich auch das vorhin erwähnte, nicht Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 84 654 Gejza von Bukowski. 1 38] sicher bestimmbare Eruptivgestein von Kästelos- vorläufig unter der Bezeichnung eines Porphyrits anschliesse. Diabas und Porphyrit liegen blos von je einer Localität vor. Die Anzahl der Punkte, an denen Serpentin angetroffen wurde, ist dagegen ziemlich gross. Man kann wohl ohne Bedenken behaupten, dass unsere Karte nur einen relativ geringen Bruchtheil aller Vor- kommnisse verzeichnet, nachdem sie auf einem im Grossen und Ganzen weitmaschigen Netz von Touren basirt, abseits welcher jeden- falls noch viele Aufbrüche unbemerkt geblieben sein dürften. Es sei auch gleich hinzugefügt, dass keines der bis jetzt bekannt gewordenen Vorkommnisse eine bedeutendere Öberflächen- ausdehnung zeigt. Wenn wir die grosse Verbreitung der Serpentin- sandsteine und der Gerölle des Serpentins innerhalb der Thari- Schichten auf Rhodus in Betracht ziehen, so wird uns jedoch klar, dass ungeachtet dessen der Serpentin, der Reihe nach als erstes unter den Eruptivgesteinen, an dem Aufbaue des Inselgerüstes einen hervorragenden Antheil nehmen muss, einen Antheil also, der bei Weitem nicht im Verhältnisse steht zu den an der Oberfläche sicht- baren Massen. Mögen später noch manche zu Tage tretende Auf- brüche gefunden werden, so sind wir daher, um uns die Menge des während der Neogenzeit der Denudation anheimgefallenen Materials zu erklären, immerhin gezwungen, anzunehmen, dass ansehnliche Serpentinstrecken heute von den jungtertiären Ablagerungen verhüllt werden. Wie betreffs des Serpentins, können wir ferner nicht umhin, in geringerem Ausmasse auch bezüglich des Diabases der gleichen Vermuthung Raum zu geben, und bis zu einem gewissen Grade muss dasselbe ausserdem vom Diorit, Gabbro und Norit vorausgesetzt werden. Gerölle des Diorits, des Gabbro und des Norits spielen bekanntlich in den Conglomeraten und Conglomeratsandsteinen der Thari-Schichten neben den Geröllen von Serpentin, Diabas und Porphyrit eine höchst wichtige Rolle. Trotzdem wurden aber diese Gesteine hier bis nun nirgends im Anstehenden beobachtet, und es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als diese auffallende Erschei- nung in erster Linie ebenfalls auf die Bedeckung der aller Voraus- sicht nach da und dort vorhandenen Ausbruchsmassen durch jung- tertiäre Sedimente zurückzuführen. Ob das gesammte, auf secundärer Lagerstätte sich befindende eruptive Material dem Boden der Insel Rhodus entstammt, lässt sich vorderhand nicht bestimmt angeben. Wie ich schon gelegentlich der Besprechung der Thari-Schichten hervorgehoben habe, ist es auch keineswegs ausgeschlossen, dass ein Theil desselben von dem nahen kleinasiatischen Festlande herrührt, wo alle genannten Felsarten thatsächlich vorkommen und häufig sogar eine sehr grosse Ausdeh- nung aufweisen. Was das Alter der drei im Anstehenden constatirten Eruptiv- gesteine anbelangt, so kann meiner Ansicht nach, um es zu wieder- holen, kaum ein Zweifel darüber herrschen, dass sie vornehmlich der Tertiärperiode angehören. Beim Serpentin oder eigentlich bei dem Olivingestein, aus dem der Serpentin hervorgegangen ist, gelang es, die Ausbruchszeit, wie wir weiter unten sehen werden, in so 2, A u [139] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 655 manchen Fällen ziemlich genau festzustellen. Sein Erscheinen fällt, zum Mindesten vielfach, in die jüngere Eocänzeit. Nicht so sicher lässt sich dagegen das Alter des Diabases beurtheilen. Wir können es vorläufig nur im Allgemeinen als sehr wahrscheinlich bezeichnen, dass der Diabas während der älteren Tertiärzeit emporgequollen ist. Bezüglich des Porphyrits, dessen känozoisches Alter wohl ganz ausser Zweifel steht, muss endlich die Möglichkeit zugegeben werden, dass er jünger sei als der Serpentin und der Diabas. a) Serpentin. Gelegentlich der von mir durchgeführten Aufnahmen wurde Serpentinaufbrüchen an zehn verschiedenen Stellen begegnet. Diesen wären dann noch weitere drei Vorkommen anzureihen, von deren Existenz ich nur durch Hörensagen Kenntniss erhielt, und die ich in Folge dessen auch auf der Karte nicht ausgeschieden habe. Nach den Ergebnissen der mikroskopischen Untersuchung der Proben durch Foullon zeigen alle Serpentine von Rhodus, so sehr auch ihr Habitus wechselt, die gleiche Zusammensetzung. Sie enthalten stets Bronzit, überall erscheint die bekannte Maschenstructur deutlich ausgeprägt, und in den Proben sämmtlicher Localitäten sind Erz- ausscheidungen häufig. Der Olivin, von dem sie abstammen, ist kaum in Spuren noch nachweisbar. Die Art des Auftretens gegenüber den älteren, das Gerüst der Insel bildenden Sedimenten lässt mitunter an Klarheit nicht viel zu - wünschen übrig. Man kann sich vor Allem einigermassen leicht überzeugen, dass der Serpentin vielfach, wenn nicht etwa durchwegs, erst nach der Ablagerung der cretacischen und eocänen Kalke zum Vorschein gekommen ist. An einzelnen von den zahlreichen Punkten, an denen ein unmittelbarer Connex mit den cretacisch - eocänen Kalken wahrnehmbar ist, gewinnt man entschieden den Eindruck, dass er diese Kalke, sei es gangartig, sei es stockförmig, durchbricht. Von den Fällen abgesehen, wo es sich um isolirte, nur durch Denudation entblösste Aufbrüche in dem Terrain der später darüber abgesetzten jungtertiären Schichten handelt, sind alle Vorkommnisse an die cretacisch-eocänen Kalke und an die eocänen Flyschbildungen gebunden. Eine örtliche Verknüpfung mit den oligocänen Flyschsand- steinen bot sich nirgends der Beobachtung dar. Aus manchen That- sachen muss, um es zu wiederholen, nothwendig gefolgert werden, dass das Emporsteigen des Serpentins, respective des ursprünglichen ÖOlivingesteins, hauptsächlich zur jüngeren Eocänzeit, während der Ablagerung des eocänen Flysches oder spätestens an der Grenze von Eocän und Oligocän, also nach der Entstehung der cretacischen und eocänen Kalke stattgefunden hat. Als erstes wollen wir nun das Vorkommen von Platänia einer sanz kurzen Betrachtung unterziehen. Knapp hinter den Häusern dieses Ortes, wo sich die levantinischen Flussschotter an die eretacisch-eocänen Kalke des Spiriötis Vunö (Mt. Speriolis) -Gebirgs- stockes anlehnen, steht ein lichtgrüner bis graugrüner Serpentin an, der sich in Folge von Zersetzung grossentheils knollig absondert, 84* 656 Gejza von Bukowski. [140] und bei dem die Zwischenräume und Risse bereits mit Magnesit erfüllt sind. Er bildet in den genannten Kalken meinem Dafürhalten nach einen Gang, der augenscheinlich quer auf die Gebirgsachse aufsetzt, und von dem offenbar nur ein kleiner Ausbiss wirklich zu Tage tritt. In der Nähe von Apöllona, eine Viertelstunde gegen Südwesten von dem Dorfe entfernt, liegt eine etwas grössere Masse dunkel gelbgrünen Serpentins mitten im eocänen Flysch. Diese Masse beansprucht insofern ein höheres Interesse, als sie eine allem Anscheine nach gangähnliche Ausscheidung von derbem Chromeisen- stein mit Magnesitspuren umschliesst. Wegen viel zu geringer Menge und angeblich auch schlechter Qualität wurde, nebenbei bemerkt, hier überhaupt niemals ein Versuch gemacht, den Chromit abzubauen. Ebenso allseits von zerknitterten eocänen Flyschsandsteinen und Schiefern umgeben ist auch der zwischen Kästelos und dem kleinen Eliasberge angetroffene Serpentinstock. Das Gestein besitzt daselbst eine fast schwarze Färbung und zeigt sich stellenweise ziemlich stark von dünnen Chrysotiiadern durchzogen. Ein nicht unansehnlicher Aufbruch findet sich ferner in dem schmalen Flyschsaume, der den mächtigen Kalkstock des Eliasberges am Nordwestrande begleitet, und auf den einerseits die Paludinen- schichten des Nordbeckens, andererseits die vom Kharädja (Mt. Ha- ratchey) sich hieher fortsetzenden Thari-Schichten übergreifen. Zu Folge der nahezu vollkommenen Zerknitterung und Durcheinander- faltung der älteren Ablagerungen erkennt man nur so viel, dass sich der Serpentin ungefähr an die Berührungslinie des Flysches mit dem Kalk hält. Unter den gleichen Verhältnissen, an der Grenze zwischen eocänem Flysch und cretacisch-eocänem Kalk, tritt Serpentin überdies unweit des Monastirs Kamiri (Kameri) am Fusse des Khuokhlaköna Vun6!) auf, während das in den Kitala (Ketallah) -Bergen constatirte kleine Vorkommen, soweit nach einer flüchtigen Ueberblickung seurtheilt werden kann, oberflächlich ganz in den Bereich der eretacisch-eocänen Kalke fallen dürfte. Ein lichtgrüner, an Bronzitpseudomorphosen ungemein reicher Serpentin taucht tief unten am Nordfusse des Levtopödi (Leftopoda) -Bergrückens, südwestlich von Maritsä aus den fluviatilen Schotter- massen der levantinischen Stufe empor. Manche Anzeichen sprechen direet dafür, dass er stockförmig in den eretacisch-eocänen Kalk eindringt; dagegen wird die Beantwortung der Frage, ob er ausserdem auch, zumal nach Norden zu, mit eocänem Flysch zusammenhängt, durch die starke pliocäne Bedeckung gehindert. Die entblösste Partie ist räumlich durchaus nicht sehr beschränkt und fesselt nebenbei unsere Aufmerksamkeit aus dem Grunde in hohem Grade, weil an derselben Stelle im Contacte mit: dem Serpentin, wie bald gezeigt werden soll, Diabas erscheint. Gänzlich abweichend im Habitus ist das Vorkommen, welches dem Kalkstocke des Arkhängelos Vunö (Mt. Archangelo) angehört. ') Siehe Fussnote auf Seite 576 [60]. [141] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 657 Auf der linken Seite des Petrona-Thälchens, oberhalb der dort be- stehenden Töpferei, durchbricht ein Serpentin die eretacisch-eocänen Kalke, bei dem die durch Zersetzung weit erfolgte Veränderung sich nicht in der Bildung von Carbonaten, sondern in Verkieselung äussert. „Das spröde, ziegelrothe Gestein zeigt, ungefähr nach dem Wortlaute der Bemerkungen Foullon’s, noch ganz den Serpentinhabitus, setzt sich aber nur aus kleinen Quarzindividuen zusammen, die Fisenoxyd zwischengelagert enthalten.“ Endlich sind noch zwei wenig umfangreiche Aufbrüche anzu- führen, die aus dem marinen Oberpliocän im nördlichen Theile der Insel hervorragen. Der eine Aufbruch liegt östlich vom. Gällataberg (Mt. Gallatah), auf dem halben Wege zwischen Koskinü (Koskino) und Kalithies (Kalitheas), der zweite nicht weit südöstlich von Kalithies (Kalitheas), im Bachbette, sehr nahe den Kalken des Piriöonia Vunö (Mt. Aphandos). An beiden Punkten schliessen die daran anstossenden Bänke des Jungpliocän Serpentingerölle: ein. Wie ich durch verschiedene Personen: in Erfahrung gebracht habe, sollen einzelne Massen von Serpentin überdies am Khörti (Horti) Vunö, bei Kästelos und hoch oben unter dem Gipfel des Spiriötis (Mt. Speriolis) vorkommen. Man hat mich unter Einem versichert, dass in der letztgenannten Masse sich auch Chromeisenerz finde. Ich hatte jedoch keine Gelegenheit, mich nachträglich von der Richtigkeit dieser Angaben zu überzeugen und musste deshalb in den vorliegenden Fällen von einer Eintragung auf der Karte voll- ständig Umgang nehmen. b) Diabas. Der Diabas wurde im Anstehenden, wie schon erwähnt worden ist, nur an einer einzigen Stelle beobachtet. Es ist das der vorher beim Serpentin beschriebene Aufschluss am Nordfusse des Levtopödi Vunö (Mt. Leftopoda). Der hier zu Tage tretende, deutlich fein- körnige, graugrüne Diabas gehört im Gegensatz zu den als Gerölle in den Thari-Schichten enthaltenen gewöhnlichen Diabasen der selteneren, Salit führenden Gruppe an.. Er erscheint, einen Aufbruch von geringer Ausdehnung bildend, in unmittelbarem Contacte mit dem Serpentin an der Grenze der cretacisch-eocänen Kalke. Sein Verhältniss zum Serpentin konnte vornehmlich wegen unzureichender Entblössungen nicht aufgeklärt werden, und es bleibt daher vorläufig ganz unentschieden, ob er gleichalterig ist mit dem Serpentin, oder ob er zu einer früheren oder späteren Zeit emporgequollen ist. Man wird aber, wie ich glaube, kaum fehlgehen,. wenn man als seine Aus- bruchszeit im Allgemeinen den ältesten Theil der Tertiärperiode, das tiefere Eocän, bezeichnet. c) Porphyrit. Bei Kästelos stiess ich auf eine ziemlich grosse, alle geschil- derten Vorkommnisse des Serpentins sowohl, als auch das des Dia- bases an Ausdehnung übertreffende Masse eines Eruptivgesteins, das 658 ' Gejza von’ Bukowski. [142] leider schon so weit der Zersetzung anheimgefallen ist, dass die von mir mitgebrachten Proben ein sicheres Resultat bezüglich seiner Natur nicht geliefert haben. Nach Foullon spricht der ganze Habitus für ein porphyritisches Gestein, und direct als ein Porphyrit wird es auch in erster Linie von ihm betrachtet. Andererseits hält es jedoch Foullon auch durchaus nicht für ausgeschlossen, dass dasselbe ein Andesit gewesen sei. Der Porphyrit, wie wir das besagte Gestein hier nennen wollen, tritt bei Kästelos mitten in dem Terrain des eocänen Flysches und der angrenzenden cretacisch-eocänen Kalke auf. Er breitet sich, wie ich bei dem raschen Vorüberziehen bemerkt zu haben glaube, augenscheinlich deckenförmig vom Flyschgebiete über die Kalke aus, und sein Emportauchen kann, nach allen Anzeichen zu urtheilen, nur während der känozoischen Periode erfolgt sein. In welchen Abschnitt der Tertiärzeit der Ausbruch fällt, bin ich aber, ich wiederhole es, nicht in der Lage, anzugeben. Von genaueren geologischen Untersuchungen darf man speciell bei diesem Eruptivgestein die Constatirung anderer Massen noch erwarten. Auch ist es gewiss, dass davon frischere Partien, selbst bei Kästelos, noch gefunden werden, aus denen man sich über das Wesen desselben wird volle Klarheit verschaffen können. Abrasionserscheinungen. Die gewaltige Kraft der Meereswellen, welche bald nagend, zerstörend, bald wieder aufschwemmend, bodenzusetzend auf das Land einwirkt, hat an den Küsten von Rhodus, seit diese ihre letzte allgemeine Ausgestaltung durch tektonische Vorgänge erhalten haben, manche Veränderungen erzeugt. Ihr ist es vor Allem zuzuschreiben, dass die an der See vertheilten, isolirten Massen der cretacisch- eocänen Kalke aus dem übrigen Küstenterrain vorsprungartig hinaus- treten, sich ins Meer, mitunter an kleine, unvollkommene Halbinseln erinnernd, vorschieben. Durch Zurückdrängung der aus weicheren Sedimenten bestehenden Küstenstrecken hat sie die festeren, felsigen, der Abrasion grösseren Widerstand leistenden Gebiete so zu sagen herausmodellirt. Die zwischen den Gebirgsvorsprüngen gelegenen, zurückgedrängten Theile nahmen vielfach, soweit sie nämlich dem Flachlande angehören, nach und nach eine bogenförmige, sanft geschwungene, im Grossen und Ganzen glatt verlaufende Oontur an: In dem Saume der Kalithies (Kalitheas) Bucht, der Aphändos Bay und der Viglika (Veeglikah) Bay, wie auch auf einigen anderen Strecken erscheinen die Charaktere der thalassogenen Flachküsten ganz deutlich ausgeprägt. Dabei kam es aber nirgends zur Bildung einer Nehrung, wovon sich selbst die allerersten Anfänge an keiner Stelle angedeutet finden. Die ablagernde Wirkung der Brandung äussert sich vornehmlich an zwei Punkten in verstärktem Maasse. Zunächst sehen wir, dass sich die Nordspitze der Insel, das Cap Kumburnü, ausschliesslich aus hi [143] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 659 Sandmassen aufbaut, die von den Wellen zusammengetragen wurden, und an deren Oberfläche der Wind sehr schwache, dünenartige Unebenheiten hervorbringt. Der Brandung allein verdankt dann auch ihre Entstehung die offenbar über einer Untiefe aufgeschwemmte schmale Landenge, welche den südlichsten Theil von Rhodus mit dem kleinen Eilande Präso Nisi (Prasso Nisi) verbindet. . Ueberall trägt das Meer in seiner Eigenschaft als abradirendes Element den Sieg davon über die landbildende Thätigkeit der Giess- bäche. Viele Wasserläufe führen zwar im Winter eine grosse Menge von Detritus der See zu, können aber, da ihr Anschwellen mit dem Höhenpunkte der. zerstörenden Brandungswirkung zeitlich zusammen- trifft, keine Alluvien ins Meer hinausbauen, und eigentliche pota- mogene Küsten gibt es hier in Folge dessen nicht. Die Abhängigkeit der Grössenvertheilung der Abrasionseffecte von den in der betreffenden Region herrschenden meteorologischen Verhältnissen, von dem Vorwalten bestimmter Winde und ihrer Stärke kommt auf Rhodus ziemlich scharf zum Ausdrucke. Ein Blick auf die Karte genügt, um zu erkennen, dass auf der südöstlichen Seite der Insel, welche den das Meer am stärksten aufwühlenden Süd- stürmen direet ausgesetzt ist, die also dem grössten Wogenanprall die Stirn bieten muss, die Abrasion weitere Fortschritte gemacht hat als auf der entgegengesetzten nordwestlichen Seite. Nicht diese in ihren wesentlichsten Zügen schon der englischen Admiralitätskarte unschwer zu entnehmenden Phänomene sind es jedoch, mit denen wir uns hier befassen wollen. Der vorliegende Abschnitt dient vielmehr dem Zwecke, über eine andere Abrasions- erscheinung, über die durch die Brandung an den Steilküsten im Laufe der Zeit daselbst erzeugten höhlenartigen Strandeinschnitte oder die sogenannten Hohlkehlen zu berichten und sie näher zu schildern. Das Vorkommen von mehr oder weniger tief gehenden, bald breiteren, bald schmäleren, sich bandartig fortziehenden Ausnagungen der Strandfelsen im Mittelwasser ist, was das uns in erster Linie interessirende östliche Mittelmeerbecken anbelangt, bereits seit Langem bekannt. Eine ausgezeichnete Beschreibung derselben hat P. deBoblaye (Expedition scientifique de Moree; II, 2, Geologie et Mineralogie par P. de Boblaye et Th. Virlet, Paris 1833, pag. 338) auf Grund der im Peloponnes gelegentlich der genannten französischen Forschungsexpedition gemachten Beobachtungen gegeben, und in neuerer Zeit gewannen sie durch E. Suess, der solche aus Dalmatien in seinem grossen Werke „Das Antlitz der Erde“, Band II, S. 571, auch abbildet, eine besondere Bedeutung bei den Erörterungen über die recenten Verschiebungen der Strandlinie im Mittelmeergebiete. Für die Entstehung der Hohlkehlen ist, wie man weiss, und wie im Folgenden noch dargelegt werden soll, eine Reihe ganz bestimmter, nicht überall existirender Vorbedingungen nothwendig, und deshalb sehen wir sie nur sporadisch auftreten. Auf Rhodus sind sie strecken- weise sehr schön entwickelt, und da ich ihnen hier grössere Auf- merksamkeit geschenkt und Messungen an ihnen vorgenommen habe, so dürften etwas eingehendere diesbezügliche Betrachtungen wohl am Platze sein. 660 Gejza von Bukowski. [144] Zunächst muss vorausgeschickt werden, dass sich Hohlkehlen deutlich ausgeprägt nur an den felsigen, durch cretacisch-eocäne Kalke gebildeten Küstenstrecken, und zwar blos dort, wo ausserdem verschiedene andere. unbedingt hiezu erforderliche Umstände zu- sammentreffen, finden. Die Gestalt und die Dimensionen derselben sind sehr beträchtlichen Schwankungen unterworfen. In Bezug auf die Form lassen sich im Allgemeinen zwei Typen unterscheiden. Jede Hohlkehle stellt sich als eine Aushöhlung, Einkerbung dar, von welcher der grössere Theil über dem Mittelwasser aufragt, der geringere dagegen unter den Seespiegel auch bei Ebbe hinabtaucht. Am tiefsten eingeschnitten ist stets die oberste, unmittelbar unter dem überhängenden Felsvorsprunge liegende, der Wirkungszone der Gischt schon entsprechende Partie. Diese Partie erscheint bei der sewöhnlichen Hohlkehle ziemlich breit, nach Aussen weit geöffnet. Von da verläuft der untere oberseeische Abschnitt der Ausnagung in unregelmässiger, häufig stufenförmig abgesetzter Linie schräg zum Wasser. Er fällt meistens sehr. steil ab und zeigt mitunter sogar einen Böschungswinkel, der nahezu die Senkrechte erreicht. An der Grenze gegen die am stärksten erodirte Stelle oder etwas weiter abwärts macht sich nicht selten eine bald flache, bald mehr vor- springende Ausbauchung bemerkbar. Die ganze von der Brandung bespülte Wand hat eine stark angefressene, sehr rauhe, oft runzel- förmig gekerbte Oberfläche. Der überfluthete Theil endet nach unten zu mit einer in die See vorgeschobenen, das Gegenstück zu dem überhängenden Streifen bildenden Abrasionsstufe, welche im Grossen und Ganzen nur ein schwaches Gefälle vom Ufer weg auf- weist und dann plötzlich zu bedeutenderer Tiefe absinkt. Während die. Breitenausdehnung dieser Abrasionsstufe stark wechselt, sich zwischen verhältnissmässig weiten Grenzen bewegt, bleibt ihre Tiefen- lage unter dem Meeresniveau mehr constant. In letzterer Hinsicht ergeben sich allerdings insofern gewisse Differenzen, als hie und da der Abfall nicht allmälig, sondern sprungweise, in rasch oder langsamer auf einander folgenden Absätzen von verschiedener Höhe stattfindet. Manchmal kommt es übrigens auch vor, dass die unterseeische Stufe vollständig fehlt und die über dem Mittelwasser ausgehöhlte Küsten- wand sich unvermittelt als ein steiler Absturz in die Tiefe fortsetzt. An einigen Punkten, so namentlich am Cap Vajä (Vahyah) und an den felsigen Küsten des Zämbika und Khörti (Horti) Vunö be- segnet man sodann einer Hohlkehle, deren Form sehr eigenthümlich ist. Dieselbe weicht von der gewöhnlichen dadurch ab, dass die am stärksten ausgenagte oberste Partie sich nicht als eine nach Aussen weit geöffnete, von dem darunter liegenden Theile sich im Allgemeinen wenig abhebende Höhlung präsentirt, sondern eine schmale, dabei sehr tiefe Rinne bildet, die von fast parallelen Flächen begrenzt wird und wie künstlich ausgemeisselt aussieht. Die besagte, gegen unten durch einen zweiten kürzeren Felsvorsprung abgeschiedene Rinne ist zuweilen, während sie eine Breite von nur !/, Meter besitzt, über einen Meter tief eingeschnitten. Ihre Entstehung dürfte haupt- sächlich auf eine offenbar local in einer Bank sich ändernde, was [145] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 661 Härte betrifft, ungleichmässige Beschaffenheit des Gesteins zurück- zuführen sein. Dass es zwischen den beiden beschriebenen Typen Uebergänge gibt, braucht endlich nicht näher auseinandergesetzt zu werden. Die verticale Dimension der Hohlkehlen hängt, wie schon von vorneherein einleuchtet, ganz und gar von der Grösse der Brandung ab. An vorspringenden Caps, mitten im Meer stehenden Felsen, überhaupt da, wo der stärkste Wogenanprall herrscht, erreicht die Hohlkehle häufig eine Höhe über dem Mittelwasser von 2—3 Metern. Entlang einzelnen, besonders exponirten Küstenstrecken habe ich sogar Hohlkehlen beobachtet, deren Höhe oberhalb des Mittelstandes der See mehr als 4 Meter beträgt, und deren grösste Tiefe in horizontaler Richtung 2 Meter übersteigt. In vielen Fällen lassen sich die uns beschäftigenden Ausnagungen der Strandfelsen ziemlich weit als ein continuirliches Einkerbungs- band verfolgen. Ihre Höhe nimmt an den vor der Brandung mehr geschützten Stellen, insbesondere in Buchten, stetig ab und sinkt mitunter bis auf wenige Fuss herab. Hand in Hand damit vermindert sich selbstverständlich auch ihre Tiefe. Es darf jedoch dabei keinen Augenblick vergessen werden, dass man die Hohlkehle auf Rhodus in der hier beschriebenen, wohl ausgebildeten Form, wie schon gesagt wurde, nur an solchen Steilküsten antrifft, die aus eretacischen oder eocänen Kalken, also aus einem sehr festen, compacten Gestein be- stehen, und auch da bleibt sie blos auf gewisse Strecken beschränkt, weil für ihr Zustandekommen überdies noch die Absonderungsart der Kalke und das Ausmass der Faltung ausschlaggebend sind. Ueberall, wo sich die cretacischen und eocänen Kalke stark zer- knittert und nebstdem dünnbankig oder plattig abgesondert zeigen, fehlt sie entweder vollständig oder ist sie nur ganz schwach an- gedeutet. Es erklärt sich dies damit, dass in so einem Falle die unterwaschenen, überhängenden Gesteinsmassen leicht abbröckeln und nachstürzen, wodurch die Einkerbung immer wieder ausgeglichen wird. Das ist auch der Grund davon, dass es an den dem pliocänen und dem Flyschterrain angehörenden Steilküsten eigentliche Hohl- kehlen nicht gibt. Zwischen der Stadt Rhodos und dem Cap Voöidi (Voudhi) nimmt man zwar da und dort an den jungpliocänen Ab- lagerungen daran erinnernde, bandförmig sich ziehende Ausnagungen in der Brandungszone wahr; dieselben sind jedoch grösstentheils sehr schwach ausgeprägt und treten nur stellenweise so weit hervor, dass man in ihnen auf den ersten Blick die Spuren sich beständig verwischender, wirklicher Hohlkehlen erkennen kann. Meine Untersuchungen in besagter Richtung erstreckten sich im Wesentlichen über die südöstliche Küste der Insel Rhodus, jene Seite, auf welcher die Abrasion zufolge der im Winter vorherr- schenden heftigen Südstürme am stärksten wirkt. Als solche Punkte, wo die Hohlkehle sich besonders schön entwickelt zeigt, wären vor Allem zu nennen das spitze Cap des Zambika Vunö mit der nördlich davon liegenden Kalkküste, einzelne Theile des Ufergürtels der Kalkmasse des Arkhängelos Vunö (Mt. Archangelo), die in, steilen Wänden abstürzenden Küstenpartien zwischen dem Cap Ayos Miliänos Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 85 662 Gejza von Bukowski. [146] und dem Cap Lindos oder Lärtos (Lardos) und der Südabfall des Khörti (Horti) Vuno. Ich erachte es nicht für überflüssig, im Anschlusse an die bis- herigen Ausführungen, um den Mangel von Abbildungen wenigstens einigermassen zu ersetzen, die an etlichen besonders stark um- brandeten Stellen von mir behufs der Grössenermittlung bei den höhlenartigen Strandeinschnitten durchgeführten Messungen hier wiederzugeben. Als erste wollen wir nun diesbezüglich die an dem nördlichen Vorgebirge des Zämbika Vunö angetroffene bedeutendste Hohlkehle betrachten. Dieselbe hat folgende Dimensionen: Höhe über dem Mittelwasser . . . „2... #4 m Grösstes Ausmaass der Excavation in hori- zontaler Richtung . . 20% Tiefenlage der unterseeischen Abrasionsstufe in 70 cm Entfernung von der Strandliniie . — „60 cm Nicht weit südlich davon wurde an dem spitzen Cap des Zäm- bika Vunö eine Hohlkehle mit rinnenförmiger, unmittelbar unter dem überhängenden Vorsprunge befindlicher Aushöhlung beobachtet, deren Maasse folgende sind: Höhe über dem Mittelwasser . . Rn Tiefe der obersten rinnenartigen Einkerbung in horizontaler Richtung . . ZU. Höhe, respective Breite der rinnenartigen Einkerbung AR — „32 cm Tiefenlage der unterseeischen Abrasionsstufe in 80 cm Entfernung von der Strandlinie . 10 ”» Bei der Hohlkehle unterhalb des Castells von Lindos beträgt: die Höhe über dem Mittelwasser . . hm das Maximum der Excavation in horizontaler Richtung, .. ..*. eben die Tiefenlage der era chen Abrasions- stufe in 70 cm Entfernung von der Strand- linie De el. 00 Pe ar len Zee N. BEE ts Am Cap Sumäni weist die Hohlkehle auf: eine Höhe über dem Mittelwasser von . . 25 m ein Ausmaass der Excavation in horizontaler Richtung von . SNLARL eine Tiefenlage der überflutheten Abrasions- stufe in 75 cm Entfernung von der Strand- linie! SL DIRT ES) re BR ” In der nächsten Nähe des Cap Lindos haben endlich die Messungen an der dort entwickelten, durch eine treppenförmig ab- [147] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 663 fallende unterseeische Abrasionsstufe sich auszeichnenden Hohlkehle nachstehende Zahlen geliefert: Höhe über dem Mittelwaser . . . . ... 16m Maximum der Fxcavation in horizontaler Richsane 2 WIBRU LIROSCHIN IF, ROSEN. a DIE Tiefenlage der überflutheten Abrasionsstufe in 1 m Entfernung von der Strandliniie . 22 „ Zur genaueren Untersuchung der nordwestlichen Küste bot sich mir keine Gelegenheit. Ich zweifle nicht, dass auch hier die Hohlkehle entlang den durch cretacisch - eocäne Kalke gebildeten Uferstrecken vorkommt; sie dürfte aber daselbst aller Voraussicht nach keine so bedeutenden Dimensionen erreichen, wie auf der südöstlichen Seite der Insel, weil die durch die Nord- und Westwinde erzeugte Brandung im Allgemeinen viel schwächer ist als jene, welche die aus dem südlichen Quadranten wehenden Winde hervorbringen. Oestlich vom Cap Kopriä habe ich in einer kleinen, nicht geschützten Einbuchtung eine Strandeinkerbung im cretacisch-eocänen Kalk beobachtet, deren Höhe über dem Meeresspiegel nach meiner Schätzung nicht mehr als einen halben Meter betrug. Es bleibt nur noch ein Punkt übrig, der mir wichtig genug erscheint, um ihn hier nebenbei kurz zu berühren, nämlich der Umstand, dass zwischen den aus der Gegend von Ragusa in Dalmatien durch E. Suess beschriebenen, schon vorhin einmal erwähnten und den auf der Insel Rhodus auftretenden Hohlkehlen ein nicht unwesent- licher Unterschied besteht. Während jene nach den Angaben ihrer Erforscher, der k. und k. Marineofficiere Fuchs und v. Milit, ganz in die Zone des fortdauernden, ruhigen, täglichen Wechsels des Wasserstandes fallen, steigen unsere über diese Zone hinauf und verdanken sie, wie man daraus ersieht, ihre Entstehung jedenfalls zum grössten Theile den Wellen, der Brandung bei Stürmen. Die Bedingungen, nur unter welchen sich auf Rhodus eine Hohlkehle von der geschilderten Gestalt und von dem angeführten Umfange bilden konnte, sind, nach den Ergebnissen meiner Studien kurz zusammengestellt, folgende: das Vorhandensein einer rasch zu grösserer Tiefe unter den Seespiegel abstürzenden Steilküste; eine gewisse Festigkeit und compacte, mehr gleichmässige, wenigstens nicht in Folge wiederholter Einschaltung weicher Zwischenlagen wechselnde Beschaffenheit des Ufergesteins, das ausserdem weder in dünnen, sich leicht von einander loslösenden Schichten abgesondert, noch auch stark durcheinandergefaltet sein darf; häufiges Eintreten kräftiger Brandung und eine für den Wellenanprall günstige Position der betreffenden Küstenstrecke; schliesslich länger andauernde Stetig- keit der Strandlinie. In dem Vorkommen von Hohlkehlen an verschiedenen Stellen der mediterranen Küsten erblickt bekanntlich E. Suess einen der schlagendsten Beweise dafür, dass eine allgemeine, seculäre Ver- schiebung der Strandlinie aus jüngster Zeit im Mittelmeergebiete nicht vorliegt. Das Resultat seiner über diesen Gegenstand auf Grund der vorhandenen Literatur durchgeführten, im Antlitz der Erde, 85* 664 Gejza von Bukowski. [148] Band I, S. 547—590 mitgetheilten vergleichenden Studien lautet dahin, dass im Mittelmeere bis heute kein Nachweis einer seculären continentalen Erhebung oder Senkung der Lithosphäre innerhalb der historischen Zeit erbracht ist. Die an zahlreichen Küstenpunkten beobachteten ganz jungen Niveauveränderungen werden insgesammt für Erscheinungen erklärt, deren Ursachen rein localer Natur sind. Wir kommen somit von den Hohlkehlen direct auf die Frage, ob sich an den Küsten von Rhodus irgendwelche Spuren von Dislo- cationen finden, die keinen Zweifel darüber zulassen würden, dass sie der Jetztzeit, beziehungsweise der geschichtlichen Periode ange- hören, oder weiter gehend, ob es daselbst überhaupt irgendwelche Anzeichen einer recenten Verschiebung der Strandlinie, sei es in Folge der Hebung oder Senkung des Landes, sei es in Folge des Empor- steigens oder Hinunterrückens des Meeresspiegels gibt. Im Hinblicke auf die beschränkte Ausdehnung meines Forschungsterrains halte ich es für nicht angezeigt, im Nachstehenden neben der Insel Rhodus andere mediterrane Gebiete in Betracht zu ziehen. Zur endgiltigen Lösung der in Rede befindlichen überaus schwierigen Fragen, über die heutzutage ein scharfer Widerstreit von Meinungen herrscht, mit Rücksicht auf die gesammte Mittelmeerregion bedarf es meiner An- sicht nach noch sehr eingehender, mannigfaltiger und speciell diesem Zwecke dienender Untersuchungen an Ort und Stelle längs des weit- aus grössten Theiles der mittelmeerischen Uferstrecken. Das, was ich diesbezüglich über Rhodus zu sagen habe, lässt sich aber in wenigen Worten zusammenfassen. Vor Allem sei erwähnt, dass ich im Gegensatze zu der gegen- überliegenden Küste von Lykien nirgends vom Meere überfluthete Bauwerke aus dem Alterthum angetroffen habe, deren heutige Position auf eine Senkung der Küste oder auf eine Hebung des Seespiegels während der historischen Zeit hinweisen würde. Auch in der Literatur sind meines Wissens darüber keine Angaben enthalten, und die Er- kundigungen, welche ich ausserdem während meines Aufenthaltes dort eingezogen habe, ergaben nicht minder ein negatives Resultat. Wo immer ich auf alte Bauwerke an der Küste gestossen bin, hat es sich gezeigt, dass ihre ursprüngliche Lage dem Meere gegenüber im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Wie man also sieht, konnten daselbst an der Hand der Ueber- reste menschlicher Bauthätigkeit weder die Spuren einer positiven, noch auch solche einer negativen Strandverschiebung bemerkt werden. Nebst dem erheischt dann nur noch eine von E. Tietze über Rhodus in besagter Richtung veröffentlichte Mittheilung eine kurze Erörterung. In seinen Beiträgen zur Geologie von Lykien (Jahrb. der k. k. geol. R.-A., Wien, 1885, S. 378) berichtet E. Tietze gelegentlich der Besprechung der Niveauveränderungen an der Iykischen Küste, dass in dem kleinen Hafen der Stadt Rhodos flach gelagerte Strand- conglomerate etwas über den Meeresspiegel aufragen, und knüpft derselbe daran die Schlussfolgerung, dass hier das Meer in der geologisch allerjüngsten Zeit relativ zurückgewichen sei. Unter der Voraussetzung, diese Strandeonglomerate seien wirklich recenten Ur- sprungs, äussert sich später C. Cold (Küstenveränderungen im [149] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. . 665 Archipel, München 1886, S. 32), darauf Bezug nehmend, dahin, dass das Emportauchen der betreffenden Bildungen über die See durchaus nicht unbedingt ein Sinken des Meeresniveaus bedeuten müsse, sondern ebenso gut auch durch Aufschwemmung erklärt werden könne. Ich kann mich dagegen, wie schon in meiner vor- läufigen Publication dargelegt wurde, keiner von den beiden An- schauungen anschliessen. Meiner Meinung nach braucht in dem vor- liegenden Falle vorderhand weder eine Aufschwemmung, noch auch ein Zurückweichen des Meeres gemuthmasst zu werden, weil es im höchsten Grade wahrscheinlich ist, dass die von Tietze beobachteten Conglomerate ein Glied der jungpliocänen Schichtenserie bilden. in der bekanntlich alle möglichen Sorten von erhärtetem, feinem und srobem Strandgrus eine hervorragende Rolle spielen. Namentlich in der Umgebung der Stadt Rhodos sind conglomeratische Absätze des ÖOberpliocän mit Inbegriff des Quartär ziemlich stark entwickelt, und die mächtigen jungpliocänen Ablagerungen liegen ja doch selbstver- ständlich nicht nur über der See, sondern reichen auch tief unter deren Oberfläche. Aus ihnen bestehende Klippen und Untiefen ge- hören streckenweise keineswegs zu den seltenen Erscheinungen, und es muss deshalb zunächst daran gedacht werden, dass es sich bei dem uns beschäftigenden Vorkommen gleichfalls nur um eine solche jJungpliocäne Klippe handle. Man kennt also, um die Hauptpunkte der vorangehenden Aus- führungen ganz kurz zu wiederholen, von den Küsten der Insel Rhodus bisher keine Dislocationen der uferbildenden Gesteinsmassen aus historischer Zeit. Ebenso sind nirgends irgendwelche Anzeichen einer innerhalb der allerjüngsten Periode stattgefundenen merklichen Veränderung des mittleren Höhenstandes des Meeresspiegels vor- handen. Dagegen haben wir hier zu verzeichnen die als Beweise für eine länger anhaltende Stabilität der Strandlinie geltenden Hohl- kehlen im Mittelwasser. Vergleichender Ueberblick. Den vielfach üblichen. sehr zwetckmässigen Brauch, am Schlusse der Arbeit eine resumirende Darstellung des behandelten Stoffes zu geben, befolgend, will ich im Nachstehenden des leichteren Ueber- blickes wegen die wichtigsten Thatsachen aus dem geologischen Baue des im Vorangehenden beschriebenen Terrains noch einmal ganz kurz hervorheben und die mannigfachen Bildungsphasen der Insel Rhodus, sie der Reihe nach flüchtig zusammenfassend, durchgehen. Daran knüpfe ich, um eine Lücke der bisherigen Auseinandersetzungen auszufüllen, einige Vergleiche mit den benachbarten Gebieten an, ob- wohl solche bereits in meinem oft eitirten Vorberichte und in ausführ- licher, weit ausgreifender Weise später auch durch A. Philippson gelegentlich der geologischen Beschreibung des Peloponnes angestellt worden sind. Zu den Vergleichen wurden hier, nebenbei bemerkt, 666 Gejza von Bukowski. [150] nur jene von den näher gelegenen Gebieten herangezogen, die in den geologischen Verhältnissen wirklich grosse Analogien mit der Insel Rhodus bieten. Wenn sich auch aus diesen Erörterungen wesentlich neue Gesichtspunkte nicht mehr eröffnen, so können sie daselbst doch auf keinen Fall gänzlich übergangen werden. Durch sie gelangt man ja erst zum vollen Verständnisse des im Vorstehenden entworfenen Bildes. Aus dem geologischen Aufbaue von Rhodus ergibt sich von selbst, dass im Folgenden die das eigentliche Gerüst der Insel bildenden älteren Sedimente, die mesozoische und die alttertiären Schichtenserien, sowie die Eruptivmassen für sich allein, mit einander im Zusammenhange besprochen, die neogenen Schichtgruppen dagegen daraufhin der Reihe nach einzeln in Betracht gezogen werden. A. Die cretacischen und alttertiären Ablagerungen. Die ältesten Ablagerungen der Insel Rhodus bestehen, wie wir gesehen haben, aus einem im Grossen und Ganzen einheitlichen Systeme von Kalken, welche der Kreideformation angehören und ausserdem auch einen Theil des Eocän umfassen. Wie weit die- selben stratigraphisch nach unten reichen, bleibt vorderhand unbestimmt. Zwischen den eretacischen und den eocänen Partien ist eine scharfe Grenze, welche durch einen Wechsel in den Bedingungen des Sedimentabsatzes bezeichnet sein würde, und auf Grund deren man eine Trennung beider Formationen vorzunehmen im Stande wäre, nicht vorhanden. Es zeigt sich, dass die marinkalkige Ent- wicklung ohne Unterbrechung, in ganz normaler Weise sich aus der Kreideformation in das Eocän fortsetzt,. und dass hiebei der petro- graphische Charakter eine wesentliche, merkliche Veränderung nicht erleidet. Diese eine nähere Gliederung nicht zulassenden Kalke er- scheinen durch tektonische Vorgänge und durch die darüber sreifenden neogenen Ablagerungen in einzelne Gebirgsstöcke und in kleinere isolirte Massen aufgelöst. Der Rest des Eocän, dessen jüngerer Theil, tritt uns dann in der Flyschfaeies entwickelt entgegen. Er wird gebildet durch Sand- steine und bröcklige Mergelschiefer mit wiederholten, offenbar linsen- förmigen Einlagerungen von Nummulitenkalk. Man hat gewisse Anzeichen, welche zu der Ansicht berechtigen, dass der eocäne Flysch auf Rhodus sich den eretacisch-eocänen Kalken stratigraphisch un- mittelbar, conform anschliesst, dass also zwischen den beiden genannten Schichtgruppen eine Unterbrechung im Sedimentabsatze nicht stattgefunden hat. Das mit geringen Ausnahmen zu Tage tre- tende discordante Lagerungsverhältniss lässt sich ohneweiters durch die ausserordentlich starke Faltung und Zerknitterung, sowie durch Absenkungen an Brüchen erklären. Den nächstfolgenden dritten Schichtencomplex stellt das vor- zugsweise aus dickbankigen, massig aussehenden Sandsteinen sich zusammensetzende Oligocän dar, das die Merkmale der vom Eocän her anhaltenden Flyschfacies besonders deutlich ausgeprägt zur [151] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 667 Schau trägt. Bis jetzt liegen nur palaeontologische Beweise für die Vertretung des Unteroligocän vor, aber es spricht eine grosse Wahr- scheinlichkeit dafür, dass darin auch höhere Glieder des Alttertiär enthalten sind. Während die eocänen Flyschbildungen durchwegs, die creta- eischen und eocänen Kalke zum grössten Theile überaus stark durch- einandergefaltet, häufig vollkommen zerknittert erscheinen, ist das Ausmass der Faltung bei den oligocänen Sandsteinen ein merklich schwächeres, und es darf in Anbetracht dessen die Möglichkeit keines- falls als ausgeschlossen zurückgewiesen werden, dass an der Grenze von Eocän und Oligocän hier eine Discordanz hindurchläuft. Es verdient wohl besonders vermerkt zu werden, dass sämmt- liche auf Rhodus bis heute angetroffenen sogenannten Flysch- ablagerungen der Tertiärperiode angehören, und dass flyschähnliche Absätze cretacischen Alters daselbst nirgends beobachtet wurden. Unter den im Anstehenden constatirten Eruptivgesteinen spielt die erste Rolle der Serpentin. Die Ausbrüche des Serpentins, be- ziehungsweise des ursprünglichen Olivingesteins scheinen, wenigstens ihrer Hauptmasse nach, zur jüngeren FEocänzeit, während der Abla- gerung des eocänen Flysches erfolgt zu sein. An einzelnen Stellen kann man sich dem Eindrucke nicht entziehen, dass der Serpentin die cretacisch-eocänen Kalke gangartig oder stockförmig durehbricht. Ob das Emporsteigen desselben übrigens nicht schon zur Zeit der Entstehung der cretacisch-eocänen Kalke begonnen hat, ob es also nicht etwa auch Vorkommnisse gibt, die in der ältesten Schichten- serie Lager bilden, konnte angesichts der ungemein starken Zer- knitterung der betreffenden Sedimente nicht festgestellt werden. Ziemlich gewiss ist es andererseits, dass seine Ausbrüche über die Eocänperiode hinaus nicht angedauert haben. Das Alter des mitvorkommenden Diabases liess sich nicht genau ermitteln. Es ist nur eine Vermuthung, wenn ich angegeben habe, sein Emporquellen falle höchstwahrscheinlich in die ältere Eoeänzeit. Die dritte eruptive Felsart endlich, der Porphyrit, über dessen känozoisches Alter kaum ein Zweifel obwaltet, mag vielleicht nicht unbeträchtlich jünger sein als der Serpentin und der Diabas. Wenn wir die geologischen Verhältnisse der Länder des Aegäischen Meeres überblicken, so sehen wir, dass sich die Insel Rhodus in Bezug auf den Bau ihres Gerüstes am nächsten an den südwestlichen Theil des anatolischen Festlandes, an Lykien und Karien, anschliesst, was mit Rücksicht auf ihre geographische Lage schon von vorneherein vermuthet werden durfte. Die Ueberein- stimmung, welcher man in dieser Hinsicht hier begegnet, ist in der That eine sehr grosse. Wie auf Rhodus, nehmen auch im südwestlichen Kleinasien an dem Aufbaue des Terrains zunächst Kalke einen hervorragenden Antheil, welche eine mehr oder minder einheitliche Schichtenserie bilden, dabei, von den bis jetzt nicht sicher nachgewiesenen älteren mesozoischen Formationen abgesehen, sowohl die Kreide, als auch 668 Gejza von Bukowski. [152] tiefere Glieder des Eocän umfassen, und in denen die Trennung der Kreide vom Eocän nach den uns vorliegenden Berichten verschie- dener Forscher geradezu als undurchführbar bezeichnet werden muss. Nebstbei machen sich auch in den petrographischen Charakteren der in Rede stehenden Schichtgruppe keine auffallenden Unterschiede gegenüber Rhodus bemerkbar. Spratt und Forbes!) geben an, dass in Lykien die Scaglia, worunter wir nach damaliger Auffassung beider Autoren nicht nur die ceretacischen, sondern auch die eocänen Kalkablagerungen zu verstehen haben, einen zusammenhängenden Complex darstellt, der an einzelnen Punkten Hippuriten, an anderen wieder Nummuliten enthält. Noch viel deutlicher drückt sich dies- bezüglich E. Tietze ?) aus, indem er direct sagt, dass sich dort die Abgrenzung der Kreide gegen das Eocän kaum mit Sicherheit durchführen lässt. Dass die lykischen Flyschbildungen, zum Mindesten deren Haupt- masse, Jünger sind als die Scaglia, kann schon im Hinblicke auf die frühen Mittheilungen Spratt’s und Forbes’ nicht in Zweifel ge- zogen werden. Die genannten Forscher betonen es mit Entschieden- heit, dass die von ihnen mit dem Macigno Italiens verglichenen Sand- steine und Schiefer, aus denen von einer Stelle Nummuliten erwähnt werden, auf den vorhin besprochenen Kalken ruhen und mit den- selben augenscheinlich in concordanter Verbindung stehen. Nach ge- wissen Andeutungen zu urtheilen, scheinen, wie ich hinzufügen muss, auch Einlagerungen von Kalk in den Sandsteinen und Schiefern vor- zukommen. Von den Darlegungen Spratt’s und Forbes’ weichen jene E. Tietze’s nur insofern ab, als E. Tietze die Möglichkeit zugibt, dass ein Theil des Flysches sich schon in einer früheren Pe- riode, gleichzeitig mit den cretacischen und eocänen Kalken abge- setzt habe. Ausgedehnte Strecken besagter Bildungen sind aber auch seiner Ansicht nach als jünger, die cretacisch-eocänen Kalke über- lagernd, aufzufassen. Die Theilung der Flyschsedimente Lykiens in ein eocänes und ein oligocänes Glied ist bis jetzt nicht gelungen, wenigstens mangelt es vorderhand an Fossilienfunden, die eine solche Sonderung mit voller Gewissheit vorzunehmen gestatteten. Immerhin gewann jedoch E. Tietze einige Anhaltspunkte, welche ihn zu der Vermuthung veranlassen, dass es dort Flyschgesteine gebe, deren Ablagerung zu einer späteren Zeit erfolgt ist als die des eocänen Flysches. Er nimmt daher für diese Partien oligocänes Alter als wahrscheinlich in Anspruch. Es dürfte wohl am Platze sein, hier ferner daran zu erinnern, dass wir aus Karien dagegen mächtige, in sandig-schiefriger Faeies entwickelte Ablagerungen kennen, für deren Zugehörigkeit zum Oli- gocän palaeontologische Beweise bereits erbracht werden konnten, So erscheint das Alter der bei Davas die discordante Basis miocänen !) T. A. B. Spratt and E. Forbes, Travels in Lycia, Milyas, and the Cibyratis; London 1847. ?) E. Tietze, Beiträge zur Geologie von Lykien (Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt, Wien, 35. Band, 18835). [153] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 669 Marinkalkes bildenden, aus Sandsteinen und Schiefern sich zusammen- setzenden Schichten, die zwar, was ihren allgemeinen Habitus be- trifft, dem Flysch in seiner gewöhnlichen Entwicklung nicht ganz gleichen, ihm aber doch sehr nahe kommen, durch die von mir vor einigen Jahren in denselben gemachte Entdeckung zahlreicher Ver- steinerungen als oberoligocän oder aquitanisch unzweifelhaft be- stimmt 9. Die vorstehenden Betrachtungen dürften, wie ich glaube, genügen, um zu zeigen, dass auch die Flyschabsätze des süd- westlichen Kleinasien, soweit sie heute erforscht sind, mit jenen der Insel Rhodus grosse Analogien aufweisen. Vergleiche mit entfernteren Gebieten des anatolischen Fest- landes, wo nach Tchihatcheff’s Berichten und nach meinen eigenen Beobachtungen vielfach sehr ähnliche Verhältnisse herrschen, können hier als zu weit führend ohneweiters unterbleiben. Nun erübrigt es uns noch, bei den lykischen Eruptivgesteinen, zumal dem Serpentin, einige Augenblicke zu verweilen. Die bisherigen Untersuchungen lehren, dass in Lykien eruptive Ergüsse mannig- facher Art in verschiedenen Perioden stattgefunden haben. Es zeigt sich ferner, dass mitunter auch die Ausbrüche eines und desselben Gesteines keineswegs an die gleiche Zeit gebunden sind. Aus den Mittheilungen, welche Spratt und Forbes in dem vorhin eitirten Werke über die Eruptivmassen Lykiens machen, geht ziemlich klar hervor, dass der Serpentin, der uns hier in erster Linie interessirt, vielfach jünger sei als die Scaglia. Demselben wird die Ursache mancher Störungen in den cretacischen und eocänen Kalken zugeschrieben. Einzelne Serpentinvorkommnisse, so diejenigen der Gegend von Makri und des oberen Xanthus Thales halten wieder Spratt und Forbes für bedeutend älter. Sie betrachten es wenigstens als nicht ausgeschlossen, dass diese Massen schon vor der Ablagerung der sie umgebenden Kalke existirt haben. Als besonders wichtig stellen sich die aus neuerer Zeit stammenden Beobachtungen dar, welche wir E. Tietze verdanken, und durch die unsere Kenntnisse in besagter Richtung wesentlich erweitert wurden. E. Tietze gibt in seinen Beiträgen zur Geologie von Lykien mit grossem Nachdrucke der Meinung Raum, dass die Ser- pentine Lykiens und die mit ihnen verbundenen anderen Eruptiv- gesteine während des Absatzes der Flyschbildungen zum Vorschein gekommen sind. Blos die Altersfrage der bei Makri und in der oberen Region des Xanthus Thales sich ausbreitenden Serpentin- massen wird von ihm noch als eine vollkommen offene behandelt. Eine weitere Bemerkung des genannten Forschers, der Serpentin sei stellenweise erst nach der Ablagerung eines grossen Theiles der Kalke hervorgebrochen, lässt endlich darauf schliessen, dass manche Partien dieser eruptiven Felsart dort der alttertiären Periode, und t) Vergleiche: G. Bukowski, Kurzer Vorbericht über die Ergebnisse der in den Jahren 1890 und 1891 im südwestlichen Kleinasien durchgeführten geo- logischen Untersuchungen (Sitzungsber. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 100, 1891). Jahrb. d. k. k. geol. Reichsaustalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 86 670 Gejza von Bukowski. [154] zwar, da der Flysch, mit dem sie innig zusammenhängen, vorwiegend eocänen Alters sein dürfte, unter Anderem auch noch jenem jün- geren Abschnitte derselben angehören, der sich durch die Entwick- Jung vorzugsweise sandiger und mergelig-schiefriger Sedimente aus- zeichnet. Die eben flüchtig vorgeführten Resultate der Forschungen Spratt’s, Forbes’ und Tietze’s in Lykien stehen mithin durchaus nicht im Widerspruche mit meinen Erfahrungen auf der Insel Rhodus. Indem bei uns nämlich, um es zu wiederholen, einerseits in einigen Fällen ziemlich genau constatirt werden konnte, dass die Ausbrüche des dem Serpentin zu Grunde liegenden Gesteins in die jüngere Eocänzeit fallen, darf doch andererseits auch, wie ich dargethan habe, die Möglichkeit nicht bestritten werden, dass es auf Rhodus ausserdem Serpentine gebe von höherem Alter, dem der cretacischen und eocänen Kalke. Was die anderen Eruptivgesteine des südwestlichen Kleinasien anbelangt, für deren nähere Betrachtung daselbst kein Anlass vor- liegt, so sei nur ganz kurz erwähnt, dass solche in verschiedenen Schiehtgruppen, häufig als Lagermassen, auftreten und in Bezug auf ihr Alter theils dem Serpentin entsprechen, theils noch jünger. als dieser sind. Nach der entgegengesetzten Richtung uns von Rhodus wendend, gelangen wir sodann zunächst zu der Insel Karpathos. Dem vor drei Jahren über diese geologisch noch nicht genügend genau durchforschte, insbesondere noch nicht kartirte Insel erschienenen Werke gemischten naturwissenschaftlichen Inhaltes !), nämlich der darin enthaltenen, von C. De Stefani herrührenden geologischen Beschreibung, welche sich auf die Beobachtungen und Aufsammlungen ©. J. Forsyth- Major’s aus dem Jahre 1886 stützt, lässt sich entnehmen, dass der Bau des vorneogenen Terrains von Karpathos, wenigstens in seinen Hauptzügen, jenem der Insel Rhodus gleicht. Auch dort setzen sich die bergigen Regionen aus einer ungegliederten Serie von Kalken zusammen, welche in die Kreideformation gestellt werden, meiner Ansicht nach aber ausser der Kreide noch einen Theil des Eocän vertreten dürften. Darüber folgen Sedimente von ausgesprochenem Flyschcharakter, die sich nicht nur mit Rücksicht auf ihre Lagerung, sondern auch palaeontologisch als alttertiäre Bildungen erweisen. C. De Stefani hält es für wahrscheinlich, dass sie das Untereocän repräsentiren, während unsere Flyschbildungen bekanntlich allen An- zeichen nach sämmtlich theils dem jüngeren Eocän, theils dem Oli- gocän angehören. Bevor endgiltig darüber geurtheilt werden kann, ob zwischen dem Flysch von Karpathos und dem von Rhodus ein solcher Altersunterschied, wie er sich hier vorläufig zu ergeben scheint, thatsächlich vorhanden ist, müssen aber auf jeden Fall erst neuerliche genauere Untersuchungen auf Karpathos abgewartet werden. 1) C. De Stefani, C. I. Forsyth-Major et W. Barby, Karpathos, Etude geologique, pal6ontologique et botanique. Lausanne, 1895. [155] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 671 .Dieselben Verhältnisse treffen wir ferner auf der Insel Kasos an. Wie ich gezeigt habe !), baut sich das Felseneiland Kasos zum weitaus grössten Theile aus Kalken auf, in denen es mir bei der Raschheit, mit der ich die geologische Kartirung durchführen musste, nicht geglückt ist, Fossilien zu entdecken, die aber der Lagerung und ihrem ganzen Habitus nach wohl nichts anderes sein können, als die stratigraphisch, wie auch petrographisch vollkommen entsprechenden Aequivalente der cretacischen und eocänen Kalke der Insel Rhodus. Die in geringer Ausbreitung zu Tage tretenden Flyschsandsteine und Schiefer schliessen einzelne Nummulitenkalkbänke ein und sind durch- wegs mit unserem eocänen Flysch, dem sie in jeder Hinsicht gleichen, identisch. Oligocäne Flyschablagerungen kommen dagegen augen- scheinlich nicht vor. Wie auf Rhodus, fehlt endlich hier jede Andeu- tung der Existenz flyschähnlicher Absätze aus der Kreidezeit. Ueber den Bau der Insel Kreta sind wir trotz des Vorhanden- seins geologischer Uebersichtskarten und ziemlich umfangreicher Be- schreibungen noch nicht vollständig im Klaren, weil die Ansichten ihrer Erforscher, T. A. B. Spratt’s?) und V. Raulin’s?), welche sich vornehmlich in den unten citirten Werken dargelegt finden, in vielen sehr wesentlichen Punkten weit auseinandergehen und seither keine Untersuchungen mehr vorgenommen wurden, welche eine definitive Lösung. der strittigen Fragen hätten herbeiführen können. Das, was man bis jetzt positiv weiss, reicht aber immerhin aus, um zu erkennen, dass die Insel Kreta in manchen Beziehungen grosse Analogien mit Rhodus bietet. Vor Allem steht es fest, dass auch dort die Grenze zwischen der Kreideformation und dem FEocän innerhalb einer continuirlich fortlaufenden marinkalkigen Sedimententwicklung liegt und sich in der mächtigen einförmigen Kalkmasse nichts weniger als deutlich ausgeprägt zeigt, wodurch eine scharfe Trennung des cretacischen Complexes von dem eocänen nach übereinstimmender Aussage der mit geologischen Studien in diesem Terrain beschäftigt gewesenen Forschungsreisenden direct unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Die stratigraphische Position des Macigno, der mitunter zu grosser Mächtigkeit ansteigt und weite Strecken einnimmt, erscheint vorderhand noch nicht mit voller Sicherheit bestimmt. Während V.Raulin die Flyschablagerungen, wie sich aus seinen nicht immer ganz klar gehaltenen Auseinandersetzungen ergibt, an die Basis der Kreidekalke verlegt, zählt Spratt dieselben seiner Abtheilung der „schists and shales“, einer mannigfache Gesteine umfassenden Schicht- gruppe bei, welche er in ihrer Gesammtausbildung für jünger als die Scaglia hält, und deren verworrene Lagerungsverhältnisse gegenüber den cretacischen und eocänen Kalken er auf Absenkungen an Brüchen zurückführt. Ohne mir ein decidirtes Urtheil erlauben zu wollen, 1) G. Bukowski, Der geologische Bau der Insel Kasos (Sitzungsber. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 98, 1839). ?) T. A.B. Spratt, Travels and researches in Crete. London, 1865. ®) V. Raulin, Description physique de l’ile de Urete. Paris, 1869. 86* 612 Gejza von Bukowski. [156] muss ich nun gestehen, dass mir die Auffassung Spratt’s, soweit es sich nämlich dabei um den eigentlichen Flysch handelt, der von anderen älteren Schiefergesteinen Kretas unbedingt abzuscheiden ist, die richtige, den Thatsachen wirklich entsprechende zu sein scheint, weil durch sie die wohlbegründete Erwartung, dass auf Kreta analoge Verhältnisse herrschen, wie im Peloponnes einerseits, auf Kasos, Karpathos und Rhodus andererseits, ihre Bestätigung findet. Diese Anschauung kommt übrigens auch schon bei Philippson in der von ihm veröffentlichten physisch-geographischen Beschreibung des Peloponnes !) voll zum Ausdrucke. Die Uebereinstimmung des geolo- gischen Baues betonend, äussert Philippson sogar die Vermu- thung, dass auf der Insel Kreta auch der im centralen und östlichen peloponnesischen Gebirge den eocänen Flysch normal überlagernde, mit ihm eng verknüpfte alttertiäre Kalk, das heisst jene Partie aus den von Philippson als Olonoskalk bezeichneten, ursprünglich für ein einheitliches Schichtglied angesehenen, in Wirklichkeit aber stratigraphisch ungleichwerthigen Kalkabsätzen, die nicht mit dem eretacisch-eocänen Pyloskalk identisch ist?), entwickelt sei. Um über das Alter der kretensischen Serpentine, die Raulin, sich auf ein bestimmtes Connexverhältniss mit dem seiner Meinung nach die Unterlage des Kreidekalkes bildenden Macigno stützend, als vorcretacisch betrachtet, Gewissheit zu erlangen, sind noch ein- gehende Erhebungen an Ort und Stelle nothwendig. Ausser den bisher kurz besprochenen Terrains müssen hier noch vor Allem der Peloponnes und im Anschlusse daran auch das mittlere und nördliche Griechenland wegen ihres vielfach sehr ähnlichen geo- logischen Baues näher ins Auge gefasst werden. Ein Vergleich mit diesen Gebieten fällt um so leichter, als dieselben dank der in neuester Zeit durchgeführten langjährigen Forschungen A. Philipp- son’s heute schon zu den besser bekannten Landstrichen der öst- lichen Mittelmeerregion zählen. Auf Grund zahlreicher grosser und kleiner Arbeiten verschiedener Autoren und an der Hand der über alle continentalen Gebietstheile vorhandenen geologischen Karten gewinnen wir bereits einen ziemlich tiefen Einblick in die geo- logischen Verhältnisse Griechenlands). !) A. Philippson, Der Peloponnes. Versuch einer Landeskunde auf geolo- gischer Grundlage. Berlin, 1892. ?) Betrefis des Olonoskalkes vergleiche man unter Anderem auch: A. Phi- lippson, Zur Geologie des Pindos-Gebirges (Sitzungsber. der Niederrhein. Gesellsch. für Natur- und Heilkunde zu Bonn, 1895). °) Die für die nachstehenden Erörterungen erforderlichen Daten habe ich hauptsächlich aus folgenden Abhandlungen geschöpft: A. Bittner, Der geo- logische Bau von Attika, Boeotien, Lokris und Parnassis (Denkschr. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 40, 1880). — M. Neumayr, Der geologische Bau des westlichen Mittelgriechenland (ibidem). — F. Teller, Der geologische Bau der Insel Euboea (ibidem). — F. Teller, Geologische Beschreibung des südöstlichen Tbessalien (ibidem). — A. Bittner, M..Neumayrund F.Teller, Ueberblick über die geologischen Verhältnisse eines Theiles der ägäischen Küsten- länder (ibidem). — R. Lepsius, Geologie von Attika, Berlin 1893. — A. Philipp- son, Der Peloponnes. Versuch einer Landeskunde auf geologischer Grundlage, [157] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 673 Im centralen und westlichen Peloponnes wird das Gebirge zum grossen Theile durch mächtige, mehr oder minder einförmige und nicht näher gliederbare Kalkmassen gebildet, deren Fossilienführung den Beweis liefert, dass dieselben genau so, wie auf der Insel Rhodus, nicht nur der Kreideformation angehören, sondern auch ins Eocän hinübergreifen, und in denen bei concordanter Aufeinander- folge der Bänke die Grenze zwischen beiden Formationen weder durch einen Facieswechsel, noch durch irgendwelche Aenderung im petrographischen Habitus gekennzeichnet ist. Der Tripolitzakalk und der Pyloskalk Philippson’s stellen in jeder Hinsicht nichts anderes dar, als unsere cretacisch-eocänen Kalke. Die innige Verquickung der cretacischen und eocänen Absätze innerhalb des in Rede stehen- den Schichtensystems erhellt am besten aus dem Umstande, dass im Pyloskalk der Insel Sphakteria Rudistenspuren und Nummuliten sogar mit einander vermischt in einer und derselben Bank angetroffen wurden. Dieser interessante Fall des Zusammenvorkommens von Rudisten und Nummuliten an der Grenze der genannten Formationen steht übrigens, nebenbei bemerkt, keineswegs vereinzelt da. In dem Werke Philippson’s über den Peloponnes, auf das hier, sobald man sich schnell darüber informiren will, einfach verwiesen sei, finden sich alle jene Punkte des Orients verzeichnet, woher solche Beobachtungen zur Zeit vorliegen. Das, was soeben über den Peloponnes in Bezug auf die marin- kalkige zusammenhängende Entwicklung der Kreide und eines Theiles der Eocänformation kurz vorgebracht wurde, gilt nicht minder für das westliche Mittelgriechenland, wohin sich der Tripolitzakalk und der Pyloskalk unverändert fortsetzen. Verwickeltere, bis jetzt nicht ganz klargelegte stratigraphische Verhältnisse, welche einestheils von denen des westlichen Mittel- griechenland und des Peloponnes einigermassen abweichen, anderen- theils aber auch ihnen nicht wunähnlich sind, herrschen hingegen in den der uns eben beschäftigenden Zeitperiode angehörenden Ablage- rungen Nordgriechenlands und des anstossenden macedonisch-epiroti- schen Gebietes. Es schliessen sich zwar auch dort, einzelne Strecken ausgenommen, eocäne Kalke an Kreidekalke an, doch scheint ihr Berlin 1892. — A. Philippson, Zur Geologie des Pindosgebirges (Sitzungsber. d. niederrhein. Gesellsch. für Natur- u. Heilkunde zu Bonn, 1895). — A. Philippson, Bericht über eine Reise durch Nord- und Mittel-Griechenland (Zeitschr. der Ge- sellschaft für Erdkunde zu Berlin, Band 25, 1390. — A. Philippson, Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland (ibidem, Band 30, 1895; Band 31, 1896 and Band 32, 1897). — V. Hilber, Geologische Reise in Nord-Griechenland und Makedonien 1893 (Sitzungsber. d. kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.- naturw. Classe, Band 103, 1894), — V. Hilber, Geologische Reise in Nord- Griechenland und Makedonien 1894 (ibidem). — V. Hilber, Geologische Reise in Nord-Griechenland und Türkisch Epirus 1895 (ibidem, Band 105, 1896). Indem ich diese für ans in erster Linie wichtigen Arbeiten aus der reichen geologischen Literatur über Griechenland daselbst der Reihe nach anführe, stehe ich davon ab, sie: einzeln bei besonderen Anlässen wieder zu eitiren und mich mit ihnen von Fall zu ‚Fall eingehender zu beschäftigen. Nur auf solche Weise, ohne dass man gezwungen ist, den allmäligen Fortschritt unserer Kenntnisse jedesmal zu. be- rühren, erscheint es eben möglich, hier längeren Auseinandersetzungen auszu- weichen. 674 Gejza von Bukowski. [158] gegenseitiger Lagerungsconnex ein anderer zu sein. Philippson neigt der Ansicht hin, dass zwischen den Nummuliten führenden Kalken und den darunter liegenden cretacischen Kalken eine Discordanz hin- durchläuft. Ein weiterer wesentlicher Unterschied offenbart sich darin, dass ein grosser Theil der Kreideformation in Form von Schiefern mit Hornsteinen und Sandsteinen sich entwickelt zeigt, welche, häufig mit Eruptivgesteinen verbunden, zu einem sehr mächtigen Complexe anwachsen. Man wird hier in vielen Beziehungen mehr an die Aus- bildungsart der cretacischen Absätze im östlichen Mittelgriechenland erinnert. Ueberhaupt kommt man zu der Ueberzeugung, dass daselbst im Gegensatz zu den früher erwähnten Terrains der Facieswechsel eine bedeutende Rolle spielt. Die sowohl im Peloponnes, als .auch im westlichen Mittel- gsriechenland und in Nordgriechenland stark verbreiteten Flysch- ablagerungen sind, wie Philippson festgestellt hat, und wie neuer- dings auch Hilber in seinem letzten Reiseberichte zugesteht, ins- gesammt von alttertiärem Alter. Ihre petrographischen Charaktere, Gliederung und Lagerungsverhältnisse, kurz gesagt, die ganze Art und Weise ihres Auftretens, bieten eine solche Uebereinstimmung mit den Flyschbildungen der Insel Rhodus und des südwestlichen Kleinasien, dass es gar keinem Zweifel unterliegen kann, es habe innerhalb dieser weiten Region während der palaeogenen Zeit eine geradezu auffallende Gleichartigkeit in dem Wechsel der Sedimen- tationsbedingungen geherrscht. Ueberall setzt sich die untere, eocäne Abtheilung derselben aus Sandsteinen und Schiefern zusammen, die sehr rasch mit einander alterniren und sich durch wiederholte Ein- schaltungen von Nummulitenkalkbänken auszeichnen. Von unserem Vergleichsstandpunkte aus besonders interessante Thatsachen betreffs der Flyschentwicklung in Griechenland hat die ganz vor Kurzem erfolgte geologische Erschliessung des nordgrie- chischen Pindosgebietes durch Philippson und Hilber und des angrenzenden türkischen Territoriums durch den letzteren an’s Tageslicht gefördert. Wir wissen heute, dass dort dem .eocänen Flysch sich als jüngeres Glied massige Sandsteine anreihen, deren Alter bis nun zwar palaeontologisch nicht sicher ermittelt werden konnte, die aber ungeachtet dessen nicht ohne Berechtigung für oligocäne Bildungen erklärt werden. Philippson parallelisirt- sie mit unseren, die unteroligocäne Fauna des Sangonini - Horizontes beherbergenden massigen Sandsteinen von Mesanagrös (Mesanagrose). Was endlich die Lagerung anbelangt, so wurde constatirt, dass die untere Abtheilung conform auf dem oberen Complexe der. creta- cischen und eocänen Kalke ruht, die jüngere oligocäne Sandstein- gruppe sich hingegen discordant zu den darunter liegenden Kreide- Eocängesteinen verhält. Man sieht also, dass zwischen den Flysch- ablagerungen des letztgenannten Terrains und der.Insel Rhodus die weitgehendste Analogie besteht. Im Peloponnes und in Mittelgriechenland, deren Erforschung durch Philippson jener Nordgriechenlands vorangegangen ist, soll sich der Flysch mit geringen Ausnahmen unconform an die cre- tacisch-eocänen Kalke anschliessen. Ueber eine Zweitheilung in ein [159] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 675 eocänes und ein oligocänes Glied, die sich einigermassen leicht von einander sondern liessen, wird nicht berichtet, doch nimmt Philipp- son als höchst wahrscheinlich an, dass dieses Schichtensystem auch das Oligocän umfasst. Meiner Ansicht nach wäre eine nochmalige Begehung gewisser Strecken insofern erwünscht, als das Vorhanden- sein sehr mächtiger, graugrüner, fester Sandsteine die Muthmassung erweckt, dass es dort ebenfalls Absätze gebe, welche möglicherweise unseren oligocänen Sandsteinen vollkommen entsprechen. Ganz zu- oberst stellt sich im peloponnesischen Flysch wieder die Kalkfacies ein. Es ist dies jener Theil der von Philippson anfänglich als eine besondere Schichtgruppe unter dem Namen ÖOlonoskalk zu- sammengefassten differenten Kalkablagerungen, der nicht, wie sich nachträglich ergeben hat, mit dem Pyloskalk und dem Tripolitzakalk identisch ist. Ich halte es übrigens, nebenbei gesagt, für durchaus nicht ausgeschlossen, dass es sich hier nur um eine locale stärkere Entwicklung der sonst im Flysch eingelagerten Kalke handelt, zumal Philippson selbst, den allmäligen petrographischen Uebergang und die häufige Wechsellagerung mit den anderen Flyschgesteinen aus- drücklich hervorhebend, sich nicht abgeneigt zeigt, in den betreffenden Kalkpartien das zeitliche Aequivalent eines bestimmten Theiles der sandig-thonigen Sedimente zu erblicken. Gegenüber Rhodus bildet nebstdem das nicht seltene Vorkommen von Conglomeraten mitten unter Sandsteinen und Schiefern einen geringfügigen Unterschied. In Anbetracht dessen nun, dass der gesammte griechische Flysch sich auf Grund unwiderleglicher palaeontologischer That- sachen als alttertiär erwiesen hat, muss dort, wo eine Ueberlagerung desselben durch cretacisch-eocäne Kalke, und zwar zunächst durch die tieferen Glieder dieses Schichtensystems beobachtet wurde, das Vorhandensein von Ueberschiebungen angenommen werden. Bei der Beurtheilung der stratigraphischen und tektonischen Verhältnisse ist natürlich stets sehr darauf zu achten, dass man die mit Hornsteinen und Eruptivgesteinen vergesellschafteten Schiefer und Sandsteine, welche regional einen Theil der Kreidekalke vertreten, nicht mit dem eigentlichen Flysch verwechsle. Der Serpentin und die anderen ihm verwandten Eruptivmassen Griechenlands, des Peloponnes, wie des mittel- und nordgriechischen Terrains, gehören nach Philippson ausnahmslos der Kreide- formation an. Sie reichen, wie schon F. Teller auf Euboea fest- sestellt hat, bis in die oberen Rudistenkalke hinauf. Die eocänen Flyschbildungen und ebenso die Nummulitenkalke sollen vollkommen frei von denselben sein. Hierin tritt also ein wesentlicher Unterschied der Insel Rhodus gegenüber zu Tage, denn mögen auch bei uns manche Serpentinvorkommnisse in die Bildungsperiode der creta- eischen und eocänen Kalke fallen, so fehlt es doch andererseits nicht an bestimmten Anzeichen dafür, dass daselbst Serpentinaus- brüche auch noch während der Ablagerung des eocänen Flysches stattgefunden haben. Anknüpfend daran muss ich aber erklären, dass ich es für meine Pflicht erachte, speciell in dieser Frage, was Rhodus betrifft, mit einem endgiltigen Urtheil zurückzuhalten, weil die Ermittlung des Alters von Eruptivgesteinen bekanntlich nicht 676 Gejza von Bukowski. [160] selten, vor Allem dort, wo die Schichtenfaltung, wie auf Rhodus, bis zur wirren Durcheinanderwindung und völligen Zerknitterung vorgeschritten ist, unter die am schwierigsten zu lösenden Aufgaben des Geologen zählt, und infolge dessen hier sehr leicht Täuschungen vorkommen können. In meiner Auffassung bestärkt mich allerdings der Umstand, dass zu dem gleichen Resultate, wie ich auf der Insel Rhodus, diesbezüglich auch die Forschungsreisenden im süd- westlichen Kleinasien, namentlich in Lykien gelangt sind. Uebrigens darf die Altersfrage der Serpentine in Griechenland ebenfalls noch nicht als vollständig entschieden betrachtet werden. So weit es sich wenigstens um die nördlichen Gebietstheile handelt, begegnet näm- lich die vorhin angeführte Anschauung Philippson’s dem Wider- spruche bei V. Hilber, indem letzterer sowohl auf dem griechischen Territorium, als auch in Macedonien einzelne Serpentine in engen Zusammenhang mit dem alttertiären Flysch bringt und ihnen eocänes Alter zuschreibt. Die im Peloponnes das ganze Eocän durchsetzenden Quarzporphyre und Mandelsteine finden allem Anscheine nach ein Analogon auf Rhodus in dem Porphyrit von Kästelos. Nicht unangezeigt dürfte es endlich sein, hier anhangsweise noch die Aehnlichkeit des geologischen Baues der Insel Cypern mit wenigen Worten zu berühren. Den Mittheilungen A. Gaudry’s zu- folge !) bilden unter den an der Zusammensetzung des Terrains von Cypern sich betheiligenden Sedimentgesteinen compacte Kalke die älteste Schichtgruppe, welche mit Rücksicht auf ihren Habitus von Gaudry als Kreidekalke gedeutet werden. Ihr stratigraphischer Umfang erscheint bis heute auf palaeontologischem Wege noch nicht sicher bestimmt, und es ist sehr leicht möglich, dass sie vorwiegend wohl ceretaeisch sind, in den höheren Lagen aber bereits Nummu- liten führen. An diese Kalke schmiegt sich dann der Maeigno an. Da die Untersuchungen unzweifelhaft ergeben haben, dass derselbe überall einen jüngeren Schichtencomplex darstellt, wurde er durch Gaudry insgesammt dem Focän zugewiesen. Wie man also sieht, beschränkt sich auch hier die Flyschentwicklung auf die alttertiäre Periode. Serpentin und zahlreiche andere Eruptivgesteine spielen auf Cypern eine sehr grosse Rolle. Sie treten in ungemein mächtigen Massen auf, und ihre areale Ausdehnung ist sogar viel bedeutender als jene der cretacischen und der alttertiären Sedimente zusammen- genommen. Gaudry meint, dass alle daselbst vorkommenden Erup- tivmassen erst nach Ablauf der Miocänzeit ausgebrochen sind. Er gründet seine Ansicht darauf, dass dieselben das Miocän durch- brechen und bedecken, sowie dass ausserdem an den miocänen Schichten Contactphänomene beobachtet wurden, lässt uns jedoch vollständig in Unkenntniss, ob dieses nicht etwa, wie man vermuthen darf, blos bei gewissen Felsarten zutrifft. Es bleibt daher noch auf jeden Fall zu erforschen übrig, ob nicht innerhalb der mannig- ') A. Gaudry, Geologie de l’ile de Chypre; 1859 (Mem. de la soc. geol. de France, Paris; ser. 2, tome 7, 1863). [161] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 677 faltigen eruptiven Serie namhafte, dazu vielleicht auch mehrfache Altersunterschiede bestehen. Die hier angestellten Betrachtungen dürften nun genügen, um die weitgehende Uebereinstimmung in der geologischen Beschaffenheit zwischen dem vorneogenen Gebirgsgerüst von Rhodus und den ent- sprechenden Theilen der angeführten Terrains zu kennzeichnen. Aus dieser Uebereinstimmung einerseits und aus dem abweichenden geo- logischen Aufbaue der übrigen benachbarten Landgebiete des Aegäl- schen Meeres andererseits geht, wenn man die Streichrichtungen überall verfolgt, unbestreitbar hervor, dass die Insel Rhodus zu dem dinarischen Gebirgssysteme gehört, ein Glied jenes langen Faltenzuges bildet, der sich vom westlichen und centralen Peloponnes über Cerigo, Cerigotto, Kreta, Kasos, Karpathos und Rhodus, die älteren Massen des Aegäischen Archipels gegen Süden einrahmend, im Bogen nach dem südwestlichen Kleinasien hinüberschwingt. An diese Erkenntniss weiter ausgreifende geotektonische Ausblicke knüpfen zu wollen, würde die Grenzen, welche ich mir vorgesteckt habe, überschreiten und wäre ohnehin überflüssig, weil solche Ausblicke bereits in den Werken von E. Suess und M. Neumayr zu finden sind und neuer- dings auch in den Schriften A. Philippson’s zum Gegenstande längerer Auseinandersetzungen erhoben wurden. B. Die neogenen Ablagerungen. Die grossen Umwälzungen, welche seit dem Schlusse des Palaeogen in der Aegäischen Region, wie überhaupt in dem ganzen Mittelmeer- becken stattgefunden haben, die wiederholten und überaus mannig- fachen Veränderungen in der Vertheilung von Land und Wasser, deren Ursachen bald in langsam vor sich gehenden Verschiebungen der Strandlinie, bald in gewaltigen Einbrüchen zu suchen sind, kurz die Geschichte des Mittelmeergebietes von dem Beginne der Neogen- zeit bis auf die Gegenwart, bieten eine solche Fülle geologisch höchst interessanter und wichtiger Thatsachen, dass sich ihrem Studium eine bedeutende Zahl von Forschern mit besonderer Vorliebe zugewendet hat. Die geologische Literatur weist auch daher eine Menge sehr werthvoller diesbezüglicher Beiträge auf; ein wirklich übersichtliches Bild der Vorgänge, die sich daselbst während jener Periode abge- spielt haben, schuffen aber eigentlich erst die grundlegenden Arbeiten M. Neumayr’s!) über den östlichen Theil der besagten Region und die meisterhafte zusammenfassende Darstellung der Geschichte des Mittelmeeres durch E. Suess?). Heute können wir wohl sagen, dass uns die wesentlichen Züge dieser Bildungsphasen bereits bekannt sind, und was hier der Fortschritt der Forschungen seither gebracht !) M. Neumayr, Ueber den geologischen Bau der Insel Kos (Denkschr. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 40, 1880). — M. Neumayr, Zur Geschichte des östlichen Mittelmeerbeckens (Virchow’s und Holtzendorff’s Samml. gemeinverst. wissensch. Vorträge, Berlin, 1882, Nr. 392). ®) E. Suess, Das Antlitz der Erde. Wien, Prag, Leipzig; Band I, 1885; Band II, 1888. Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 87 678 Gejza von Bukowski. [162] hat. gehört vielfach nur in die Kategorie von nicht besonders stark einschneidenden Modificationen oder von Ergänzungen unseres bis- herigen Wissens. So stellen sich auch die Ergebnisse meiner Aufnahme der Insel Rhodus zumeist als Ergänzungen letztgenannter Art dar, und es darf deshalb nicht wundernehmen, wenn in den nachfolgenden Erörterungen Vieles blos eine Wiederholung dessen ist, was schon früher in weiteren Umrissen bekannt war. Ueber die Verhältnisse, welche in dem Gebiete von Rhodus zur Miocänzeit geherrscht haben, geben weder die Beobachtungen W. J. Hamilton’s und T. A. B. Spratt’s, noch die von mir durch- seführten Untersuchungen vorderhand einen genügenden Aufschluss. Um mich kurz auszudrücken, erscheint selbst die Frage, ob hier im Miocän ein Absatz von Sedimenten erfolgt ist, noch nicht mit voller Sicherheit gelöst, und bleibt, wenn dies, wie man anzunehmen Grund hat, doch der Fall war, unentschieden, ob die betreffenden Sedimente sich noch irgendwo constatiren lassen. In den Thari-Schichten liegen allerdings Ablagerungen vor, bei denen die Möglichkeit besteht, sie als Vertreter des Miocän anzusprechen, aber es wäre viel zu gewagt, sich heute schon eine Meinung darüber in bestimmterer Form zu erlauben, weil nicht allein alle palaeontologischen Daten hiezu fehlen, sondern weil auch die Lagerung für die Beurtheilung des Alters der Thari - Schichten keinen Anhaltspunkt liefert. Wir sind mithin in dieser Beziehung vorläufig nur auf Vermuthungen angewiesen und wollen nun wenigstens jene Factoren einer flüchtigen Betrachtung unterziehen, die als Richtschnur für solche Muthmassungen dienen können. Man weiss, dass während der miocänen Periode der weitaus grösste Theil Kleinasiens und der ägäischen Meeresregion eine grosse zusammenhängende Festlandsmasse gebildet hat, welche unter Anderem auch den ganzen Peloponnes umfasste und sich zwischen Anatolien und Griechenland südwärts bis über die Cykladen er- streckte. Es erhellt das bald aus dem Fehlen jeglicher Spur von miocänen Absätzen, bald aus dem Vorkommen mächtiger Süsswasser- ablagerungen in diesem Gebiete. Zu derselben Zeit breitete sich dagegen das Meer über den südlichsten Theil des heutigen Klein- asien aus. Die von ihm hier gelegten Sedimente erreichen nament- lich in Kilikien eine sehr bedeutende Ausdehnung. In einzelnen Buchten drang das Meer sogar ziemlich tief in die vorhin genannte Festlandsmasse ein, und die Spuren seiner Anwesenheit sind, neben- bei bemerkt, mitunter in verhältnissmässig beträchtlicher absoluter Höhe zu finden. Zurückgebliebene Denudationsreste von der mio- cänen Meeresbedeckung herrührender Ablagerungen spielen zumal in Lykien und Karien eine wichtige Rolle. Der am weitesten gegen Norden vorgeschobene Rest im westlichen Kleinasien ist die durch Tehihatcheff!) entdeckte und beschriebene, später von mir zweimal aufgesuchte Scholle von Davas. Die ebenfalls durch Tchi- hatcheff bekannt gewordenen Vorkommnisse von Gereme (Ge- ') P. de Tehihatcheff, Asie mineure. Geologie; Paris, 1869. [163] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 679 ramo) an der Giova Bay und von Sarnütchlü liegen genau in nörd- licher Richtung von Rhodus. Marinen Miocänbildungen begegnen wir endlich auf der Insel Kreta, auf Kasos und auf Karpathos. Sie um- seben, wie man sieht, die Insel Rhodus im Süden, Osten und Norden, konnten hingegen auf den westlich und nordwestlich gele- genen Inseln nirgends nachgewiesen werden, so dass angenommen werden muss, nach jener Seite hin habe sich ein von der Meeres- überfluthung unberührt gebliebenes Festland erstreckt. Auf der Insel Kos, am Ausgange des Giova Golfes, also relativ nahe den oben er- wähnten Schollen bei Gereme und Sarnütchlü, welche vorwiegend marine Fossilien, neben denselben aber stellenweise auch solche des süssen Wassers einschliessen, treten an der Basis der Paludinen- schichten als Repräsentanten des Miocän, wie Neumayr berichtet), bereits lacustre mergelige und kieselige Kalke auf. Allen diesen Umständen zufolge hat nun wohl die Vermuthung die meiste Berechtigung, dass, wenn auf Rhodus während der mio- cänen Periode Sedimente überhaupt zur Ablagerung gekommen sind, dieselben marinen Ursprungs waren. Ob das Terrain der Insel Rhodus in ununterbrochener Verbindung mit dem grossen Festlande, welches von den Cykladen und der Insel Kos her zungenförmig gegen Südost vorsprang, gestanden ist, lässt sich natürlich nicht beurtheilen; gewiss ist nur soviel, dass zum Mindesten ein Theil des Areals, das Gebirge, als trockenes Land aufragte, und ausserdem steht es fest, dass hier keine lacustren Schichten abgesetzt wurden, die den Süsswasserkalken und Mergeln der Insel Kos, Samos, Khios, der Gegend von Smyrna etc. entsprechen würden. Der einzige Sedimentcomplex, dessen Alter noch unbestimmt erscheint, sind, wie gesagt, die Thari-Schichten. Diese könnten, falls man sie für miocän erklären wollte, blos als Analogon der marinen Miocänbildungen Lykiens und Kariens, Kretas, der Inseln Kasos und Karpathos aufgefasst werden, doch ist das vorderhand aus den im Vorangehenden schon mehrmals angeführten Gründen nicht geboten. Mit einer solchen Annahme befindet sich unter Anderem auch ihr petrographischer Charakter nicht ganz im Einklange, denn die mächtige Entwicklung von Serpentinsandsteinen und von Conglo- meraten, die sich aus Geröllen verschiedener Eruptivgesteine zu- sammensetzen, hätte nur in den eine untergeordnete Bedeutung besitzenden Miocänconglomeraten Lykiens ein Seitenstück. Wie die Verhältnisse sich darstellen, wird die Altersfrage der Thari-Schichten und hiemit auch die Miocänfrage wohl kaum auf anderem Wege entschieden werden können, als mit Hilfe von Fossilien. Aus dem Zeitabschnitte der pontischeh Stufe kennen wir auf der Insel Rhodus keine Ablagerungen. Da aber die pontische Stufe eine ausgesprochene Continentalperiode war, indem in dieselbe be- kanntermassen die grösste Einengung des Mittelmeeres fiel, so kann kaum ein Zweifel darüber obwalten, dass die zu jener Zeit sich weit !) M. Neumayr, Ueber den geologischen Bau der Insel Kos (Denkschr. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, math.-naturw. (lasse, Band 40, 1880). 87* 680 Gejza von Bukowski. [164] ausdehnenden Landmassen das ganze ägäische Gebiet, mithin auch unser Terrain umfassten. Während der darauffolgenden levantinischen Periode trat wenigstens in der uns hier zunächst interessirenden Region eine wirklich wesentliche Veränderung hinsichtlich der Verbreitung von Land und Meer nicht ein und bildete Rhodus, wie unmittelbar zuvor, einen Theil jenes Festlandes, welches Kleinasien mit Griechenland über das Aegäische Meer hinüber verband. Versteinerungsreiche lacustre Sedimente, die sich in Kleinasien und Griechenland bald als kleine, bald als umfangreichere Lappen, ja mitunter selbst als sehr bedeutende Dimensionen erreichende Decken zerstreut finden, und denen man nicht minder häufig, allerdings nur mehr in frag- mentarisch erhaltenen Resten, im Archipel begegnet, verrathen die einstige Existenz zahlreicher grösserer und kleinerer Süsswasserseen auf dem besagten Oontinente. In den nach Westen gegen die See abgebrochenen Paludinen- schichten der Becken von Kalavärda und von Apolakiä haben wir auch auf der Insel Rhodus Absätze solcher Ansammlungen stehenden süssen Wassers vor uns. Dieselben dürften, nach der Verschieden- heit ihrer Faunen zu schliessen, in zwei von einander getrennt gewesenen Seen entstanden sein, doch es kann andererseits auch nicht als ganz ausgeschlossen gelten, dass sie blos von zwei Aus- läufern eines einzigen grösseren Sees, der seinerzeit weiter im Westen gelegen ist, herrühren. In innigstem Zusammenhange mit den Paludinenschichten sehen wir hier überdies fluviatile levantinische Ablagerungen auftreten, riesige Schotter- und Sandmassen, die namentlich durch ihre stellen- weise ausserordentliche Mächtigkeit ungemein auffallen, und die, an- sehnliche Bergzüge zusammensetzend, nebstbei einen sehr bedeuten- den Flächenraum einnehmen. Der gesammte Habitus dieser Bildungen, das allmälige Verschwimmen mit den Paludinenschichten, welches die Ziehung einer scharfen Grenze unmöglich macht, und deren geographische Vertheilung gegenüber den letzteren liefern unwider- legliche Beweise dafür, dass sie ihre Entstehung einem grossen Strome verdanken, der aus Kleinasien kam und sich in die beiden genannten Süsswasserbecken ergoss. Fliessendes und stehendes süsses Wasser bedeckte damals den grösseren Theil der heutigen Oberfläche der Insel, und das Vorkommen von Anschüttungen eines deutlich ausgeprägten Flussdeltas aus jener Zeit gehört ohne Zweifel zu den bemerkenswerthesten geologischen Erscheinungen dieses nach- her von Kleinasien losgerissenen Terrains. Das Störungsausmass, dessen Wichtigkeit unbedingt noch einen Rückblick erheischt, ist bei den levantinischen Bildungen von Rhodus ein ungleiches. Viele Strecken weisen blos geringe, andere wieder ziemlich starke Störungen auf. Die weit verfolgbare steile Neigung der Paludinenschichten in der Gegend von Kalavärda lässt sich, wie schon in der vorangehenden Beschreibung erwähnt wurde, nur schwer als eine plötzlich eingetretene Folgeerscheinung der hier um die Mitte der Pliocänzeit stattgefundenen grossen Einbrüche auffassen, [165] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 681 sondern sie dürfte viel eher auf eine seitlich langsam wirkende Kraft zurückzuführen sein. Obzwar also das Jungtertiär an dem Aufbaue des Faltengebirges keinen Antheil mehr nimmt, so ist es doch im höchsten Grade wahrscheinlich, dass Faltungskräfte sich in schwächerem Ausmasse auch noch spät in der neogenen Periode seäussert haben. Ihre Fortdauer nach dem Schlusse des Oligocän prägt sich an anderen Stellen des ägäisch-kleinasiatischen Gebietes sogar in ganz scharfer Weise aus. Um nur überhaupt ein Beispiel anzuführen, sei hier erinnert an die gefalteten miocänen Süsswasser- kalke der Insel Samos und an die hoch emporgehobenen, gestörten, lacustren Neogenkalke, welche ich auf dem Ak Dagh am Hoiran Giöl beobachtet habe ?). Dass die Flussablagerungen der levantinischen Stufe nicht blos auf Rhodus beschränkt sein können, sondern auch in den benach- barten Theilen des anatolischen Festlandes vorkommen müssen, ist im Hinblicke auf ihre Herkunft selbstverständlich. Es wäre denn, dass sie dort bereits vollständig denudirt worden sind. Nach den uns vorliegenden Forschungsberichten trifft letzteres jedoch keines- wegs zu. Manche von den aus Kalk- und Serpentingeröllen be- stehenden Conglomeraten lacustren Ursprungs, welche Spratt und Forbes aus Lykien angeben ?), zeigen in der That so viel Aehnlich- keit mit unseren Schottern, dass die Identität beider kaum in Zweifel gezogen werden kann. Uebrigens scheinen auch in Griechenland analoge fluviatile Ab- sätze nicht zu fehlen. Die von A. Bittner, F. Teller und A. Philippson über ihre Studienergebnisse veröffentlichten Mit- theilungen enthalten zum Mindesten Angaben, die eine solche Vermuthung rechtfertigen. Mit den levantinischen Flussschottern und Sanden der Insel Rhodus wurden von mir seinerzeit bekanntlich in erster Linie die mächtigen Conglomeratanhäufungen des Peloponnes, welche schon frühzeitig die Aufmerksamkeit P. de Boblaye’s und Th. Virlet’s in hohem Maße auf sich gelenkt haben ?), und deren Zugehörigkeit zur levantinischen Schichtgruppe später E. Suess erkannt hat), ver- glichen und in Parallele gebracht. Durch die neuen Untersuchungen A. Philippson’s fand nun zwar die Ansicht E. Suess’ über das altpliocäne Alter derselben volle Bestätigung, dabei stellte es sich aber heraus, dass ihr Verhältniss zu den nicht fluviatilen Ablage- rungen der gleichen Periode und bis zu einem gewissen Grade auch !) Siehe: G. Bukowski, Kurzer Vorbericht über die Ergebnisse der in den Jahren 1890 und 1891 im südwestlichen Kleinasien durchgeführten geologischen Untersuchungen (Sitzungsber. der kais. Akad. d. Wisseusch. in Wien; mathem.- naturw. Classe, Band 100, 1891). ®) T. A. B. Spratt and E. Forbes, Travels in Lycia, Milyas, and the Cibyratis. London 1847. 3) Expedition scientifique de Morde. Geologie et Mineralogie par P. de Boblaye et Th. Virlet. Paris 1833. *, E. Suess, Das Antlitz der Erde. Wien, Prag, Leipzig. Band I, 1885. 682 Gejza von Bukowski, [166] ihre Bildungsweise andere sind als auf Rhodus. Mit Rücksicht darauf erscheint es also unumgänglich nothwendig, sich jetzt bei diesem Thema etwas länger aufzuhalten. Zunächst muss die eine besondere Beachtung verdienende That- sache hervorgehoben werden, dass im Peloponnes neben lacustren vielfach marine levantinische Sedimente auftreten. „Die unterplio- cänen Mergel sind, sagt Philippson!), theils im Meere abgelagert, theils in Binnenseen, welche meist mit dem Meere in Verbindung standen und durch wiederholte Oseillationen bald vom Meere über- fluthet, bald wieder ausgesüsst wurden.“ Was sodann die ungemein mächtigen, aber räumlich ziemlich beschränkten Massen von Con- elomeraten anbelangt, so folgen dieselben, wie sicher constatirt werden konnte, erst über dem eben erwähnten Schichtencomplexe. Ihre Entstehung schreibt Philippson nicht wirklichen Strömen, sondern plötzlich vom Gebirge in die Seen hereingebrochenen Wassermassen zu. Er äussert sich darüber folgendermassen: „Wir haben in diesen mächtigen Conglomeraten, welche den Nord- und Nordwestrand des peloponnesischen Gebirges umgeben, unzweifel- haft Schuttanhäufungen vor uns, welche, vom fliessenden Wasser in stürmischer Weise herbeigebracht, in einem tiefen See abge- lagert sind. Dass sie in stehendem Wasser abgelagert sind, beweist ihre im Ganzen ruhige und diekbankige Schichtung.“ Daraus ersieht man ganz klar, dass zwischen den levantinischen Schottern der Insel Rhodus und den derselben geologischen Stufe angehörenden Oonglomeraten des Peloponnes in gewisser Hinsicht gar nicht zu unterschätzende Gegensätze bestehen. Während erstere, häufig durch falsche Schichtung ausgezeichnet, sich als typische Anschüttungen eines grossen Flussdeltas darstellen und mit den Paludinenschichten der Becken von Kalavärda und von Apolakiä, in die sie allmälig übergehen, gleichzeitig abgesetzt wurden, nehmen letztere den marinen und lacustren Mergeln gegenüber eine besondere stratigraphische Position ein, sind durchwegs jünger als die Mergel und stammen, wenigstens nach der Meinung A. Philippson’s keinesfalls von einem langsamen Aufschüttungsprocesse durch mehr oder minder constante Ströme her. Nur in der Gegend westlich vom Skhiädi Vunö (Mt. Skathi) treffen wir auf Rhodus Verhältnisse an, die sich in Bezug auf gegen- seitige Lagerung der lacustren und fluviatilen Sedimente mit jenen des Peloponnes direct vergleichen lassen. Wie in der Beschreibung nachdrücklich betont wurde, und wie schon aus der Karte auf den ersten Blick zu erkennen ist, tauchen die nicht weit vom Westfusse des Skhiädi (Skathi) -Rückens entwickelten charenführenden Schichten mit Corymbina Monachorum Buk. und anderen Süsswasserconchylien mitten unter den Flussschottern auf, und hier gewinnt man wohl den Eindruck, als wären diese Süsswassermergel, Sande und Kalke bereits vorhanden gewesen, bevor sich die Schotter über die genannte Gegend ausgebreitet haben. !) A. Philippson, Der Peloponnes; Versuch einer Landeskunde auf geo- logischer Grundlage. Berlin 1892. [167] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 683 Die ungeheueren, hauptsächlich durch gewaltige Einbrüche be- wirkten Veränderungen, welche die jüngere Pliocänzeit gebracht hat, bilden vielleicht das interessanteste Capitel der Geschichte des öst- lichen Mittelmeerbeckens. M. Neumayr und E. Suess schildern sie in überaus anschaulicher Weise. Die Zertrümmerung des Aegäischen Festlandes, aus der nach und nach unter mannigfachem Wechsel des topogeographischen Bildes die heutige Landconfiguration hervorge- gangen ist, nahm ihren Anfang ungefähr zu Beginn des oberen Plio- cän und dauerte, immer weiter nordwärts um sich greifend, bis ins Quartär. Zuerst sanken im Süden grosse Theile des Aegäischen Fest- landes in die Tiefe. An Stelle einer zusammenhängenden Landmasse entstanden daselbst weite Meeresräume, besäet von den stehen ge- bliebenen Gebirgsstücken, die sich als Inseln aus den Meeresfluthen erhoben. In diese Periode der ersten Einbrüche fällt unter Anderem auch die Abtrennung der Insel Rhodus von Kleinasien. Das Meer drang zunächst bis zur Insel Kos vor und überfluthete dabei be- deutende Strecken des jetzigen Terrains von Rhodus. Dem Sediment- absatze ging eine starke Abrasion der früheren Ablagerungen voran. Sie äusserte sich besonders kräftig entlang der Ostküste an den weichen levantinischen Flussschottern, welche innerhalb eines bald breiteren, bald schmäleren Küstenstreifens gänzlich der Zerstörung anheimgefallen sind, und im Norden, wo die jungpliocänen Bildungen ihre Hauptentwicklung zeigen. Im Laufe der oberpliocänen Zeit wuchs die Mächtigkeit der damals im Entstehen begriffen gewesenen Sedi- mente sehr stark an; von der Ostküste und der nördlichsten Region, in der sich ganz aus mehr oder minder horizontal liegenden jung- pliocänen Schichten aufgebaute Plateauberge finden, die gegen nahezu 900 engl. Fuss über das umgebende niedrige Flachland aufsteigen, breitete sich der Absatz über ein immer grösseres Gebiet aus, bis schliesslich gegen das Ende der Tertiärperiode das Areal der Insel so weit vom Meere bedeckt wurde, dass nur die höchsten Theile des Gebirges als kleine Filande aus der See aufragten. Zerstreuten Denudationsresten des Oberpliocän begegnet man fast überall; blos die Kammpartien der höheren Erhebungen und die centralen Gegenden machen hierin eine Ausnahme. Das eigentliche Verbreitungsterrain desselben ist aber, wie gesagt, der nördlichste Theil von Rhodus und die im Osten sich ziehende lange, im Allge- meinen jedoch nicht breite Küstenzone. Da erreicht es die grösste Mächtigkeit, und da erscheint auch die gesammte Schichtenserie am vollständigsten entwickelt. Mit den jungpliocänen Ablagerungen der Insel Kos’) stimmen unsere in vielen Beziehungen sehr gut überein; andererseits machen sich aber auch einzelne Unterschiede bemerkbar zwischen ihnen von nicht untergeordneter Bedeutung. Der wesentlichste Gegensatz offen- bart sich darin, dass auf Kos mitten durch das Jungpliocän eine !) M. Neumayr, Ueber den geologischen Bau der Insel Kos (Denkschr. der kais. Akad. der Wissensch. in Wien, mathem.-naturw. Classe, Band 40, 1880). 684 Gejza von Bukowski. [168] Discordanz hindurchgeht. Es ist das ein Verdienst M. Neumayr’s, festgestellt zu haben, dass dort die tiefsten Bänke dieses Schichten- systems concordant, wenn auch nur scheinbar, auf den Paludinen- schichten ruhen und sammt ihrer Basis noch ziemlich stark gestört sind, während der obere grössere Complex, an die aufgerichteten Partien unconform anstossend, ringsum horizontal lagert. Dem ent- gegen zeigt sich auf Rhodus von einer ähnlichen, durch Discordanz verursachten Scheidung der in Rede stehenden Ablagerungen in zwei abweichend sich verhaltende Glieder keine Spur. Hier hängen alle Bänke, von den tiefsten bis zu den höchsten, ganz normal mit ein- ander zusammen, und wenn vielfach jüngere Glieder über das Haupt- gebiet hinausgreifen und sich unvermittelt auf andere Schichtgruppen legen, so erklärt sich dies dadurch allein, dass in Folge der zu- nehmenden Ueberfluthung für die späteren Lagen allmälig die Be- dingungen zu einer weiteren Ausbreitung geschaffen wurden. Unter den zahlreichen Analogien möchte ich daselbst blos einer gedenken. Es ist bekannt, dass sich auf der Insel Kos in dem marinen Oberpliocän da und dort auch Bänke mit Süsswassercon- chylien eingeschaltet finden. M. Neumayr, der dieselben entdeckt hat, führt sie nicht auf eine vorübergehende Aussüssung oder eine Unterbrechung der marinen Absätze zurück, sondern gibt der Meinung Ausdruck, dass es sich in diesen Fällen nur um Einschwemmungen gleichzeitig lebender Formen durch nahe Flussmündungen handeln dürfte. Wie früher in der vorliegenden Arbeit und ausserdem schon in einer anderen älteren Publication von mir!) eingehend ausein- andergesetzt wurde, haben wir nun gewichtige Anhaltspunkte für die Muthmassung, dass auch das marine Oberpliocän von Rhodus stellen- weise solche lacustren Lagen einschliesst. Speciell im äussersten Norden kann deren Constatirung gelegentlich künftiger Untersuchun- gen mit Zuversicht erwartet werden. Auf Karpathos und Kasos kommen jungpliocäne Absätze nicht vor. Am meisten fällt es aber auf, dass wir sie aus den gegenüber- liegenden nahen Gebieten Kleinasiens nicht kennen. Letzteres ist insofern sehr befremdend, als angesichts der bedeutenden Mächtig- keit, wie der grossen, über 900 engl. Fuss betragenden absoluten Höhe, die sie in unserem Terrain erreichen, und in Anbetracht der kurzen Distanz zwischen Rhodus und dem Festlande ihr Vorhanden- sein in Lykien oder Karien von vorneherein zu vermuthen wäre. E. Tietze war es, der auf diese merkwürdige Erscheinung zuerst aufmerksam gemacht hat?). Da Lykien und Karien bis jetzt geologisch noch keineswegs genügend erforscht sind, so kann natür- lich nicht mit voller Sicherheit behauptet werden, dass dort die besagten Bildungen wirklich vollständig fehlen. Nach dem heutigen Stande unseres Wissens sind wir jedoch direct gezwungen, solches !) Siehe: G. Bukowski, Einige Bemerkungen über die pliocänen Ablage- rungen der Insel Rhodus (Verhandl. d. k. k. geol. R.-A., Wien, 1892). ’) E. Tietze, Beiträge zur Geologie von Lykien (Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, Wien, Band 35, 1885). ne er a” ee ah [169] Geologische Uebersichtskarte der Insel Rhodus. 685 anzunehmen, und müssen wir in Folge dessen für das, was sich uns an Erkenntniss darüber vorläufig darbietet, auch nach einer Er- klärung suchen. Die Frage, wie so es kommt, dass die benachbarte klein- asiatische Küstenregion keine Spuren des marinen Jungpliocän auf- weist, lässt sich, wie ich in meinem Vorberichte dargethan habe, eigentlich nur unter der Voraussetzung halbwegs ausreichend beant- worten, der Meeresspiegel sei am Ende der Tertiärperiode viel höher sestanden als heute. Wäre Letzteres nicht der Fall gewesen, dann käme nämlich lediglich die eine Möglichkeit in Betracht, dass seit dem Schlusse des Tertiär das Terrain von Rhodus um den grossen Betrag von mindestens 800—900 engl. Fuss gehoben wurde. Diese Erhebung hätte ausserdem eine vollkommen einheitlich vertikale sein müssen, weil das sehr geringe Ausmass der Störungen bei den jung- pliocänen Schichten jenen Vorgang, dem faltende Kräfte zu Grunde liegen, ausschliesst. Eine derartige Annahme würde aber entschieden widersprechen den Begriffen über das Wesen der tektonischen Er- scheinungen, zu denen wir im Laufe der Zeit gelangt sind. Sobald hingegen zugegeben wird, dass das Meeresniveau einen bedeutend höheren Stand gehabt hat, bietet eine Erklärung viel weniger Schwierigkeiten. Es lässt sich wenigstens denken, dass während der oberpliocänen Periode die westliche Küste Lykiens der Insel Rhodus näher, in der jetzt beide trennenden Meeresstrasse gelegen ist und durch einen mächtigen Gebirgswall gebildet wurde, der dem Vor- dringen des Meeres weiter nach Osten und Nordosten, in das heutige eontinentale Gebiet des südwestlichen Anatolien Schranken setzte. Das Zurückweichen der lykischen Küste auf ihren jetzigen Umriss mag durch Einbrüche bewirkt worden sein, die an der Grenze von Tertiär und Diluvium oder selbst erst im Quartär stattgefunden haben. Dass in dieser späten Zeit die nordägäische Region noch der Schauplatz sehr grosser tektonischer Dislocationen war, ist eine er- wiesene Thatsache. Mit Rücksicht auf die unmittelbare Nachbarschaft und im Hinblicke auf die durch vorangegangene Absenkungen ge- schaffene Disposition hiezu dürfte daher auch der Süden nicht ganz frei von denselben geblieben sein. Sie machen sich hier allerdings nirgends deutlich bemerkbar, es gibt aber immerhin einzelne Phäno- mene, die kaum mit etwas Anderem, als mit solchen Vorgängen in Zusammenhang zu bringen sind. So scheint es sich vor Allem bei manchen von den unser Jungpliocän durchsetzenden Verwerfungen keineswegs um ein blos durch Unterwaschung verursachtes Absitzen der Sedimente zu handeln. Hieher möchte ich überdies rechnen die zwar sehr schwache, auf grössere Entfernungen hin jedoch leicht wahrnehmbare, constant südliche Richtungen verfolgende Neigung der in Rede befindlichen Schichten, die wegen ihrer Allgemeinheit nur schwer auf eine ursprünglich nicht wagrechte Ablagerung zu- rückgeführt werden kann. Ob an der Küste, entlang welcher sich die oberpliocänen Bildungen mitunter scharf abgebrochen zeigen, nach dem Schlusse des Tertiär noch tektonische Einstürze vorge- kommen sind, wird sich in Folge der weiten Fortschritte, welche Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (G. v. Bukowski.) 88 686 Gejza von Bukowski. [170] die Abrasion seither gemacht hat, wohl kaum mit Sicherheit feststellen lassen. Was endlich die Quartärepoche betrifft, so ist auf Rhodus die Existenz mariner Diluvialablagerungen in hohem Grade wahrschein- lich. Zwei Umstände sprechen sehr eindringlich dafür, zunächst die Constatirung nordischer Molluskenformen im Bereiche des Jungpliocän, die, wenn es sich einmal ergeben sollte, dass sie, nur mit jetzt noch lebenden mediterranen Arten vergesellschaftet, einen speciellen Horizont ganz oben in der allerjüngsten Schichtenserie einnehmen oder sich in einer besonderen transgressiven Lage angehäuft finden, jeden Zweifel darüber ausschliessen würden, und dann das Auftreten marinen Quartärs an mehreren nahe gelegenen Punkten, so unter Anderem auf der Insel Kos und dem kleinen Eilande Yalı. Aus der historischen Zeit liegen von Rhodus im Gegensatze zu der Iykischen Küste keine Anzeichen einer Niveauveränderung inner- halb der Strandzone vor. Es sind weder irgendwo erfolgte Bewegungen im Felsgerüste, noch auch Spuren eines seculären Sinkens oder Steigens des Meeresspiegels nachweisbar. Die streckenweise schön entwickelten Hohlkehlen im Mittelwasser deuten sogar direct auf eine längere Stabilität der Strandlinie hin. Trotzdem kann man aber ohne Bedenken sagen, dass hier das Land durchaus noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Es geht dies hervor aus den häufigen Erdbeben, von denen unsere Insel, wie der ganze Aegäische Archipel und die anstossenden Festlandsgebiete, in bald stärkerer bald schwächerer Weise heimgesucht wird, und die, zumeist wohl auf tektonischen Störungen beruhend, die Fortdauer der gebirgsbildenden Kräfte be- kunden. u a u Du Fe [171] Geologische Uebersichtskarte der In sel Rhodus. Inhalts - Verzeichniss. Einleitende Bemerkungen. . . . 2:2: 22 2.0. Literaturübersicht - . : . : : . 2... Be Geologische Beschreibung: . . » : » : - 222.0. IMaCretgeisehe und’eocane,Kalke . . 10 comme hellen . Der Kalkstock des Akramiti und Armenisti Der Kalkstock des Ataviros’ . . x... Das Gebiet vom Cap Kopriä .. .... Den KitalaRuckenas rer: Der’ Kumuli-Rücken: £. 2% ... 20:0. Das Gebiet am Cap Vöidi . Das Gebiet am Cap Ladikö. . . 10. Piriönia Vunö oder der Aphändos-Berg eruPnPpnn- ser. Der Kalkstock des Eliasberges und Spiriötis Der Kalkstock des Ströngilo und Kutsüthi . . . aute ee ll. Der Kalkstock des Zämbika und amakhi Eu 12. Der Kalkstock des Arkhängelos Vunö . 13. Der Kalkstock des Lindos Vunö ; MSRKhortı Vunoer ra a 15. Rhöino Vunö s 4 las 16. Kleinere zerstreute Aufbrüche 17. Die Eilande und Klippen zwischen Rhodus II. Eocäne Flyschbildungen . EN ABLE 1. Das östliche Gebiet . . SR EN 3. Das westliche Gebiet . . .. . De er 3. Das südliche Gebiet - 2% 4. Kleinere isolirte Takommne. III. Oligocäne Flyschbildungen . . ... . 1. Das Gebiet von Mesanagrös 2. Das Gebiet Gheskero IV. Thari-Schichten . Pe Das Hanptsebiet ar er. 2. Die Umgebung des Monastirs "Thäri 3. Das Vorkommen bei dem Monastir Kamiri 4. Kleinere Vorkommnisse . V. Levantinische Binnenablagerungen . . .... PARSEENADSAtzZer ee ae: 1. Das nördliche Becken . . . 2. Das südliche Becken : 3. Das Vorkommen westlich vom Skhiädi Vuns and Khälki . 687 Seite 517 7 1] 522 [6] 527 [11] 528 [12] 536 [20] 537 [al] 541 [25] 541 [25] 542 [26] 544 [28] 546 [30] 547 [31] 547 [31] 547 [31] 548 [32] 549 [33] 550 [34] 552 [36] 552 [36] 552 [36] 557 [41] 557 [41] 564 [48] 571 [55] 573 [57] 575 [59] 579 [63] 581 [65] 586 [70] 587 [71] 594 [78] 597 [sı] 597 [sı] 598 [82] 599 [83] 602 [86] 605 [89] 608 [92] 611 [95] 688 Gejza von Bukowski. B. Fluviatile Ablagerungen Be en rer a Re ra rs Te - 1. Die nördlichexBepien 749 20.5.2. meer: ae ae 2. Die südlichesBesion "ot. . ... = . Suse ee. 2. Zus ee VI. Jungpliocäne Bildungen . . . . Ei IR ln 1. Der nördlichste Theil der Insel ind der Küstenstreifen im Osten bis zum Khörti Vunö. . . . . 2. Das südliche zusamınenhängende Verbreitungsgebiet 8. Zerstreute Deckenresie . . zu BE ne N VII. Alluvitumser rent ien VIIE Eruptivgesteame. 2. 1er HE N a) Serpentn . „v ..: N WAR ÄR EE b, Diabas le a WERT ee! ee AD s)sPornkyriten. mer al Alzstere BERN ART AL) Abrasionserscheinungen . . » » 2.2 22.202 .. Vergleichender Ueberblick . . . - . ie), Ka A. Die cretacischen und alttertiären A CH B. Die neogenen Ablagerungen. . . - . AH SURTON DH 172] Seite 613 [97] 619 [103] 623 [107] 627 [111] 642 [126] 645 [129] 647 [131] 650 [134] 652 [136] 655 [139] 657 [141] 657 [141] 658 [142] 665 [149] 666 [150] 677 [161] di Sue Wien u rue Luseld nie une E Pr i MEN ie N er re eere rue ar Pr a u ER nn R n x nF beein,” h } ZN 3 en oe G. v. Bukowski: Geologische Übersichtskarte der Insel Rhodus. Tafel XIII Geologische Übersichtskarte INSEL RHODUS 252 aufgenommen in den Jahren 1887 und 1888 von Gejza von Bukowski. Topographische Grundlage: Photolithographische Reduction der von der englischen Admiralität heraus- gegebenen Karte der Insel Rhodus im Maße von 1:97.000. C Noudhi Mit Bewilligung des hydrographischen Departements der englischen Admiralität ausgeführt im k. und k. militär-geographischen Institut in Wien. u EZ — 1:120.000. < Fanoz/zı % i en , wo 1000m 0 ii 2 3 + 5 € 7 Ekm A Minas A ut DER, n N iu Alan Rocky Patch 20 FC .Lodliko APHANDOS BAY Piel? Ty, YANG, Un op; 47 RR 7 "ua ” Ba Bu we ra? 16 % 9 7 Strongilo 7 C Yahyah Kolophanas s en Nipou tg MALONA . 10° 2 BAY C.Monolithos | Tane. PANOS PRO VEEGLIKAU Gr ANY Aglos Milianos (. Ai LARDOS Dr Ge v4 16 % 2" 5 C Vahyah BR Steongilo 5 [a Be Kolophanas n = Tragousn ® Prasutha * Var; Niro 10 AY ._.. &,Monolithos Fane. PANOS PRO VEEGLIKAU Gria me BAY Agios Milianos €. v » 7 u Y N ” de RK. ; \ ’ h , = u > ; \ 5 N I i a} “ b x ale 28 \ ü n m FSumani Cape >, Pendi nisia LARDOS PALATSHAH or APOLAKIA BAY 4 Paximada Farben-Erklärung. Ostonyanisi zP Cretacische und eocäne Kalke Eocäne Flyschbildungen | Oligocäne Flyschbildungen Thari-Schichten (Neogen unbestimmten Alters) Levantinische Seenabsätze Levantinische Flussablagerungen = Ber Marines Jungpliocän Kar] EB Br > Alluvium Bee Ber ku] Serpentin Diabas Porphyrit. eKlina FR es Östlich v. Greenwich 2 = 28° 2 Ko 157 Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Band XLVII, 1898. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien IIT:, Rasumoflskygasse 23. [er un Ben BEA N EEE ne >. un 2 a Beiträge zur Palaeontologie, insbesondere der triadischen Ablagerungen centralasiatischer Hochgebirge. Von A. Bittner. (Mit 2 Tafeln, Nr. XIV [1]—XV [2].) I. Brachiopoden und Lamellibranchiaten aus der Trias der Himalayas. Die nachfolgende Mittheilung ist ein Auszug aus einer grösseren, von 12 Tafeln begleiteten Abhandlung, welche demnächst in der „Palaeontologia indieca* veröffentlicht werden soll. Bezüglich der Gliederung der Trias der Himalayas sei zuvor auf das grundlegende Werk von C. L. Griesbach „Geology of the Central Himalayas“ in Memoirs of the Geol. Surv. of India 1891, vol. XXIII, verwiesen, sowie auf die in der Hauptsache übereinstimmende neuere Publi- cation von C. Diener in Denkschriften der kais. Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. LXJ, 1895. I. Arten aus der unteren Trias der Himalayas. la. Aus dem Ötoceras-Horizonte (in der engeren, neueren Fassung). Aus den untersten, der Trias zugerechneten Ablagerungen im Gebiete der Himalayas wurden bereits von ©. L. Griesbach neben Bellerophon spec. folgende Arten von Lamellibranchiern angeführt: Posidonomya angusta Hauer var., Avicula Venetiana Hauer var., Ger- villeia mytiloides Schloth., Modiola triquetra Seeb. und Myophoria ovata Schaur. Die Fauna dieses Niveaus erweist sich, was ihre Lamelli- branchier anbelangt, nach dem mir vorliegenden Materiale als eine ärmliche und einförmige; neben der vorherrschenden Posidonomya (Pseudomonotis) kommen alle übrigen Arten nur in geringer Individuen- anzahl vor; von Interesse ist das Auftreten eines Bellerophon in ihrer Gesellschaft, sowie eines Brachiopoden aus der Familie der Rhynchonelliden. Die beschriebenen Arten sind: Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (A. Bittner.) 6I A. Bittner. [2] Pseudomonotis Griesbachi n. sp. (Posidonomya angusta Hauer var. bei Griesbach), die sehr nahesteht der alpinen Art des Werfener Schiefers: Ps. ovata Schaur. bei W. Salomon, Posidonomya Haueri Tommasi. Pseudomonotis Painkhandana n. sp. Avicula aff. Venetiana Hauer., dieser Art und der Av. inaequivalvis Ben. nächstverwandt. ? Gervilleia spec. von ungenügender Erhaltung. ? Mysphoria spec. von ungenügender Erhaltung. ? Nucula spec., eine ganz unsichere Form. Ichynchonella (Norella) procreatrix n. sp., eine inverse Rhynchonella, die in nahestehenden Formen auch in jüngeren Lagen wiederkehrt. Bellerophon efr. Vaceki n. sp., wahrscheinlich identisch mit einer zuerst von M. Vacek in den unteren Werfener Schiefern des Etschthales aufgefundenen Art). Id. Aus dem Subrobustus-Horizonte Diener’s. Pseudomonotis (? Avicula) himaica n. sp. Pseudomonotis decidens n. sp., letztere Art scheint eine verkümmerte Nachzüglerin der Pseud. Griesbachi zu sein. Die Schichtgruppe I«a ist verhältnissmässig reich an solchen Arten, die Verwandtschaft mit europäischen Triasformen aufweisen. Die wichtigsten und häufigsten Faunenelemente derselben, Pseudo- monotis Griesbachi, Avicula af. Venetiana und Bellerophon cfr. Vaceki stehen Arten des alpinen Werfener Schiefers überaus nahe oder sind zum Theil wohl gar identisch mit solchen. Einzelne der unbestimmt gebliebenen Formen, als Gervilleia spec., Myophoria spee., besitzen wahrscheinlich engere Beziehungen zu permischen Arten. Neu ist das Hinzutreten einer Rhynchonellidenspecies, während in den alpinen Werfener Schiefern schlosstragende Brachiopoden bisher unbekannt sind. Die Bivalvenfauna der sog. Subrobustusschichten (Ib) ist bisher auf zwei Arten beschränkt, die wenig Auffallendes bieten; eine davon scheint lediglich eine Nachzüglerin der älteren Pseudo- monotis Griesbachi zu sein, während die zweite möglicherweise Beziehungen zu einer nordamerikanischen Triasart besitzt. II. Arten aus dem Muschelkalke der Himalayas. Iia. Aus dessen Hauptcomplexe mit Einschluss der Brachio- poden-reicheren Lagen der Rhynehonella Griesbachi n. sp. (Ph. semipleeta Münst. var. bei Griesbach!) und der Spiri- ferina Stracheyi Salt. Rhynchonella Griesbachi nov. sp. (Ih. semiplecta Münst. var. bei Griesbach), eine Art aus der Gruppe der Rh. trinodosi m., die für eine gewisse Schicht nach Griesbach leitend ist. 1) Diane Bellerophon wurde der. Beschreibung eingefügt, weil er (auf der ersten Tafel) bereits gezeichnet war, als die ursprünglich dem Materiale bei- liegenden Gastropoden ausgeschieden wurden, nachdem sich Herr Custos E. Kittl bereit erklärt hatte, deren Bearbeitung zu übernehmen. | [3] Beiträge zur Palaeontologie etc. 691 köhynchonella Dieneri n. sp., der vorigen nahestehend. Iehynchonella cfr. trinodosi Bittn.- Iehynchonella mutabilis Stol., eine grosse Form aus derselben Gruppe. ? Rhynchonella Salteriana Stol., eine interessante, aber generisch unsichere Art in zwei Exemplaren von zwei weit voneinander entfernten Fundorten. Das alpine Stück, das Stoliczka zum Vergleiche heranzieht und abbildet, ist ganz verschieden und, da von unsicherer Provenienz, nicht weiter zu berücksichtigen. Iehynchonella T'heobaldiana, Stol. ist auf ein einziges, in mehrfacher Hinsicht zweifelhaftes Stück begründet. khynchonella (Norella) Kingi n. sp., vergesellschaftet mit der schon genannten Rh. Griesbachi. Spiriferina Stracheyi Salter, eine im erwachsenen Stadium höchst charakteristische, breit- und spitzgeflügelte Art von palaeozoischem Habitus. Spiriferina Lilangensis Stol. ist mit der europäischen Spirif. fragilis verwandt. Spiriferina (Mentzelia) Köveskalliensis (Swess) Boeckh. Von dieser Art kann Stoliezka’s Spiriferina Spitiensis nicht getrennt werden. ketzia himaica n. sp., eine dritte Art aus der Lage mit Frhynchonella Griesbachi m. Spirigera (Athyris) Stoliczkai nov. sp., von Stoliczka als Spirigera (Athyris) Strohmayeri Swess beschrieben, aber von dieser charak- teristischen Form der norischen Hallstätter Kalke weit ver- schieden. Letztere ist eine diplospire Art (Typus des Subgenus Pexidella m.), während Sp. Stoliczkai zu den haplospiren Formen zählt. Sie tritt in Gesellschaft von Spiriferina Stracheyi, weit- verbreitet im Muschelkalke der Himalayas, auf. Auch die von Salter und Stoliczka angeführte Sperigera Deslongchampsi Suess scheint hieher zu gehören. Terebratula (Dielasma) himalayana!) nov. sp. ist jene Art aus der Faunula mit Spiriferina Stracheyi, die bisher als Waldheimia Stoppanvi Suess angeführt wurde, von der sie aber weit ver- schieden ist, da die echte europäische Waldh. Stoppanii in die nächste Verwandtschaft von Terebratula vulgaris Schloth., also zu Coenothyris gehört, wie ich vor Kurzem constatiren konnte. Freilich gibt es Arten, bei denen es schwer wird, sich für eine Einreihung zu Dielasma oder zu Coenothyris zu entscheiden, aber gerade Terebr. tungutica ist eine sehr typische Form von Dielasma, während Waldh. Stoppanii ebenso charakteristisch die Merkmale von Öoenothyris aufweist, so dass an eine specifische Identificirung beider auch nicht im entferntesten gedacht werden kann. Terebratula (Coenothyris) cfr. vulgaris Schloth. sp. ist bisher nur in einem Exemplare vertreten. Gümbel hat bereits früher die “ Terebratula vulgaris aus Spiti angeführt. !) Da, wie ich nachträglich bemerke, schon bei Davidson eine Terebr. himalayensis existirt, so wäre die hier beschriebene Art eventuell T. tangutica zu nennen. 692 A. Bittner. [4] Aulacothyris Lilangensis n. sp. (Bhynchonella retrocita Suess var. angusta bei Stoliezka!) Es wurde schon in Abhandl. XIV, S. 209, darauf hingewiesen, dass Stoliczka’s indische Rh. retrocita gar nichts mit dieser eigenthümlichen Art der norischen Hallstätter Kalke, welche den Typus des Centronellinengeschlechts Nuclea- tula darstellt, zu thun habe. Das hat sich durch die Untersuchung des Stoliezka’schen Originals bestätigt. Ebensowenig gehört zu Rhynchonella retrocita Suess die in Strachey’s Palaeont. of Niti, S. 71, Taf. IX, Fig. 11, behandelte Form, die eher eine Norella aus der Verwandtschaft der Norella Kingi m. sein dürfte. Die hier aufgezählten Brachiopodenarten vergesellschaften sich, soweit bisher bekannt, mit Ausnahme der isolirt gefundenen Formen — zu denen Rhynch. cfr. trinodosi Bittn., ? Rhynch. Salteriana Stol., die in vieler Hinsicht unsichere Ah. Theobaldiana Stol., Spiriferina Lilangensis Stol., Spiriferina (Mentzelia) Köveskalliensis Suess, Tere- bratula (Coenoth.) vulgaris Schloth. sp. und Aulacothyris Lilangensis n. sp. gehören — in folgender Weise: 1. Solche, die aus der Schichte mit Ahynchonella Griesbachi stammen: Rhynchonella Griesbachi n. sp. b (Norella) Kingi n. sp. Retzia himaica n. sp. 2. Arten aus der Faunula mit Spiriferina Stracheyi Salter: Ihynehonella Dieneri n. sp. ae mutabilis Stol. (?) Spiriferina Stracheyi Salter. Spirigera Stoliezkai n. sp. Terebratula (Dielasma) tangutica n. sp. Bei Dr. Carl Diener (l. e. S. 39 und a. a. 0.) findet man die Angabe, dass die von ihm mitgebrachten Brachiopoden der zweiten Vergesellschaftung, jener der Spiriferina Stracheyi, aus derselben Lage stammen, die von Griesbach als das Niveau der Rhynchonella semiplecta var. (Rh. Griesbachi) bezeichnet wird. Das scheint nun keineswegs sichergestellt zu sein. Die Faunula der Ahynchonella Gries- bachi wurde meines Wissens bisher nur in Bed 121 des von C. L. Griesbach studirten Profiles der Shalshal-Cliffs gesammelt. Dieses Profil ist nach Dr. C. Diener, 1. e. S. 543 [11] nicht identisch mit jenem Profile, welches Griesbach später in Gesellschaft von Diener untersucht hat. Es fällt auf, dass in dem von Griesbach ursprünglich gesammelten Materiale aus jener Schicht (Bed 121) neben der häufigen Rhynchonella Griesbachi nur zwei andere kleine und un- scheinbare Brachiopoden vorliegen, die in der von Diener aus- gebeuteten Schichte mit Sibirites Prahlada nicht angetroffen wurden, während umgekehrt die grossen und auffallenden Arten: Spiriferina Stracheyi, Spirigera Stoliczkai und Dielasma tanguticum in der Lage der Rhynchonella Griesbachi fehlen dürften, denn es ist nicht anzu- RE OR [5] Beiträge zur Palaeontologie etc. 695 nehmen, dass Griesbach dieselben übersehen haben würde, während er die kleineren und unscheinbareren Arten aufsammelte. Die genaue Gleichaltrigkeit der Lage mit Zhymchonella Griesbachi m. und der Schichten mit Spiriferina Stracheyi (= Kalk mit Sibirites Prahlada bei Diener, |. c. S. 13, 14) ist somit weder auf Grund der beider- seitigen Brachiopoden nachweisbar, noch scheint dieselbe gegenwärtig überhaupt erwiesen zu sein. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, dass diese beiden brachiopodenführenden Niveaus nicht in Schichten von wenig verschiedenem Alter auftreten können, deren an und für sich geringmächtigen Complex als Aequivalent der unter dem Trinodosusniveau liegenden alpinen Muschelkalkmassen und gleichzeitig als „Binodosuszone* hinzustellen, mir allerdings ge- wagt erscheint. Es ist nicht unmöglich, dass die vorangehenden Subrobustusschichten Aequivalente dieses unteren Muschelkalkes der Alpen darstellen, umsomehr, als nach Diener, |. e. $S. 13, diese Subrobustuskalke schon lithologisch mit dem unteren Muschelkalke übereinstimmen, während andererseits Petrefacten aus dem oberen Complexe der Otocerasschichten bisher nahezu fehlen. Doch diese Seite der Frage soll hier nur gestreift werden. Wichtiger scheint es, hervorzuheben, dass, während die Faunula der Jchynchonella Griesbachi bisher auf einen einzigen Fundpunkt beschränkt erscheint, die Brachiopodenvergesellschaftung der Spiri- ferina Stracheyi eine grosse Verbreitung in den Triasbildungen der Himalayas besitzt. Spiriferina Stracheyi und ihre Begleitformen waren schon Strachey und Stoliezka bekannt, und sind von diesen Autoren, wenn auch unter anderen Namen, beschrieben worden, wie oben gezeigt wurde. Diese Arten lassen, soweit bekannt, keine näheren Beziehungen zu Arten der europäischen Trias erkennen und besitzen somit ein ganz specifisches Gepräge und einen im Allgemeinen als alterthümlich oder palaeozoisch zu bezeichnenden Habitus. Dagegen sind unter den vereinzelt ausserhalb des Ver- bandes dieser Artenvergesellschaftungen gefundenen Brachiopoden des Muschelkalkes der Himalayas einige Anklänge an die europäische Fauna zu verzeichnen. Das bezieht sich vor Allem auf Spiriferina (Mentzelia) Köveskalliensis, die an vier weit aus- einander liegenden Fundstellen (Lilang in Spiti, Silakank-Pass, Rim- kin-Paiar, Bambanag-Profil) gefunden wurde. An sie schliessen sich Terebratula (Coenothyris) cfr. vulgarıs und Ichynchonella cfr. trinodosi, die bisher nur in vereinzelten Stücken von je einer Localität vor- liegen. Endlich ist Spiriferina Lilangensis Stol. wegen ihrer engen Beziehungen zu Spiriferina fragilis zu nennen. Von: gewissen, im europäischen Muschelkalke häufigen Arten (Spirigera trigonella, Spi- riferina Mentzelii, Aulacothyris angusta) ist bisher keine Spur in den Himalayas bekannt geworden. Umgekehrt findet der, wie es scheint, daselbst weitverbreitete Typus der sonderbaren ? Rhynchonella Salte- riana Stol. in Europa bisher kein Seitenstück. Auch Ketzia himaica ist ein den europäischen Triasablagerungen fremder Typus. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (A. Bittner.) 89 694 A. Bittner. [6] IId. Aus den Uebergangsschichten zwischen dem Haupt- complexe des Muschelkalkes und den sogen. „Daonella-beds“ (den Aonoidesschichten bei Diener, dem Lager der Daonell«a indica m.). Aulacothyris Nilangensis n. sp. Spirigera hunica n. Sp. Bhynchonella (Norella) Kıngı n. sp. Ithynchonella (Norella) tibetica n. sp. Ithynchonella Rimkinensis n. sp. Die letztgenannte Rhynchonella stammt aus einem grauen Crinoidenkalke, unmittelbar über dem Muschelkalkcomplexe des Profiles von Rimkin-Paiar (vergl. Diener, ]l. ce. pag. 15). Die übrigen vier Arten bilden eine kleine Vergesellschaftung unscheinbarer Brachiopodenformen, die sich in dem über jenem Crinoidenkalke liegenden Niveau der Daonella indica weitverbreitet findet und deshalb von Interesse ist. Das wichtigste Fossil dieser „Halobienbank des Aonoidesniveaus* (bei Diener) aber ist: Daonella indica nov. spec. Es ist das jene in der Trias der Himalayas schon von Strachey und Stoliezka aufgefundene Art, die meist als Halobia Lommeli angeführt wurde, die aber von dieser Art weit verschieden ist und vielmehr zur Formengruppe der Daonella tyrolensis Mojs. gehört. Am nächsten wohl steht sie der wenig genau gekannten Daonella parthanensis Schafh. sp. Daonella Lommeli, diese für die ladinischen Ablagerungen der Alpen so bezeichnende Art, schien bisher der Trias der Himalayas zu fehlen, so wie Aequivalente der ladinischen Niveaus überhaupt bisher nicht repräsentirt waren (man vergleiche Diener, l. e. S. 49). Das kann wohl für so schwer zugängliche Gebiete umso weniger Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass Aequivalente ladinischer Ablagerungen auch in den Nordostalpen erst in neuerer Zeit mit voller Sicherheit nachgewiesen werden konnten, und dass Funde von Daonella Lommeli in den Nordostalpen auch heute noch zu den grössten Seltenheiten zählen und erst von ganz ver- einzelten Stellen bekannt sind (vergl. Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1894, S. 382). Diese Lücke in der Trias der Himalayas dürfte nun möglicher- weise wenigstens zum Theil ausgefüllt werden durch ein Vorkommen, dessen Auffindung ebenfalls dem um die Erforschung der Trias- ablagerungen der Himalayas hochverdienten Director C. L. Gries- bach zu verdanken ist. Es ist bisher repräsentirt durch ein Gesteins- stück eines dunklen, ein wenig dolomitischen, sehr thonhältigen Kalkes von plattiger Absonderung, mit ziemlich ebenen Schichtflächen, auf welchen zahlreiche minutiöse Partikelchen weissen Glimmers verstreut sind. Ein ähnliches Gestein ist mir von keiner anderen Fundstelle aus den Himalayas bekannt geworden. Es stammt aus der Gegend südöstlich von Muth in Spiti, aus dem Complexe der „Daonella-beds“, az RL e) he a > 2 in u m a nn a nn m a u [7] Beiträge zur Palaeontologie etc. 695 die nach Griesbach bekanntlich unmittelbar über dem Muschel- kalke mit Pfychites Gerardi beginnen. Auf diesem Gesteinsstücke nun liegen zwei Klappen einer Dao- nella, die unbedingt für die echte Daonella Lommeli Wissm. sp. erklärt werden kann, soweit ein so geringes Materiale überhaupt einen Vergleich, resp. eine Bestimmung zulässt. Vielleicht haben wir in diesem Vorkommen einen Beleg dafür zu erblicken, dass die bisher in der Trias der Himalayas vermissten ladinischen Ab- lagerungen denn doch in derselben, wenn auch nur in der geringen Mächtigkeit und dürftigen Entwicklung wie in den Nordalpen, vertreten sind und aus diesem Grunde bisher übersehen wurden. Ueber die senauere Lagerung dieser Daonella — Lommeli - Schichten und ihr Verhalten zu den weitverbreiteten Bänken mit Daonella indica, die bereits der karnischen Stufe zugezählt werden (was aber kaum genügend begründet ist), sind weitere Beobachtungen im Felde erwünscht. III. Arten aus der oberen Trias der Himalayas. Ila. Aus den sogen. „Daonella-beds“ (Halobia comata - Hori- zont) mit Einschluss der höher folgenden Schichten der Spiriferina Griesbachi m. Aus der unteren Abtheilung dieser Schichtgruppe Ill«a liegen bisher vor: Spiriferina Shalshalensis n. sp. Retzia Schwageri Biltn. var. asiatica nov. Iöhynchonella Laucana n. sp., der Hallstätter (karnischen) Rh. regilla m. nahestehend. Iöhyneh. Bambanagensis n. sp. Halobia fascigera nov. spec., beide Halobia comata nov. spec., | aus der Augosa-Gruppe. Avicula (?) Girthiana n. sp. Cassianella pl. spec. innom. Lima spec. indet. Lima (?) serraticosta n. sp. Aus der oberen Abtheilung derselben Schichtgruppe (dem Lager der Spiriferina Griesbachi und dem noch darüber folgenden Lager der Anodontophora Griesbachi) liegen vor: Spiriferina Griesbaehi nov. spec., die leitende Form, eine ansehnlich grosse Spiriferina mit breitem Sinus der grossen Klappe, in dem eine schwache Medianrippe steht, und entsprechend zweitheiligem Wulste der kleinen Klappe. Die kleinasiatische Spiriferina Moscai m. aus der Trias von Balia-Maaden besitzt eine ähnliche Berippung. 89* 696 A. Bittner. [8] Es ist nicht unmöglich, dass die beiden, von Stoliczka als carbonische Arten der „Kuling-Series“ beschriebenen Formen Spiriferina tibetica und Sp. altivaga mit Spiriferina Griesbachi specifisch zusammenfallen. Ein Gesteinsstück voll von Spiriferina tibetica brachte Griesbach vom Manirang-Passe in Spiti mit und bezeichnete es als rhätischen Alters (Geology of Centr. Him., pag. 220). Auch Spirifera Vihiana Davidson (Quart. Journ. 1866, 22. Bd., S. 41, Taf. XXH, Fig. 4) von Vihi in Kashmir, ebenfalls eine als „carbonisch“ geltende Art, steht der Speriferina Griesbachi und Sp. fbetica sehr nahe. Dass übrigens ähnliche Formen schon im Devon auftreten, zeigt Dehlert’s Arbeit in Bull. Soc. ‚geol, de France, 3. ser. XXIV, 1896, S. 814, tab. 28. Retzia Schwageri Bittn. var. asiatica nov., hier typischer als in ‚der unteren Abtheilung dieser Gruppe. Spirigera Dieneri n. sp. Sie hat mit der älteren Sp. Stoligalens die kräftigen Wirbelverdickungen und wohlentwickelten Zahnstützen gemein, ist ebenfalls haplospir, aber sonst von prägnanteren Um- rissen, durch die sie an die carbonischen Seminula-Arten (Spir, subtilita, Sp. trinucle« Hall) erinnert. Amphiclina spec., als erste Art dieser Gattung in der Trias der Himalayas von Interesse. Eine Amphiclinodonta wurde von Balia- Maaden (Kleinasien) beschrieben. Ithynchonella Bambanagensis n. sp. Ichymchonella Martoliana n. sp., eine merkwürdige Art von dem auf- fallend geflügelten Habitus gewisser europäischer Muschelka5 Rhynchonellen (Rh. vivida m., Rh. volitans m.). Aulacothyris Joharensis n. sp., älteren Aul. Nilangensis sehr ähnlich. Cassianella pulchella n. sp., eine sehr kleine, äusserst zierlich sculp- turirte Form, die der Kössener 0. speciosa Mer. am nächsten steht. Lima cumaunica n. sp. Pecten biformatus n. sp. Pecten interruptus n. sp. Anodontophora !) Griesbachi n. sp., sie kommt schon in den „Tropites- beds* im Liegenden der Speriferina Griesbachi vor, reicht aber auch noch höher hinauf, in die „Sagenites-beds“, wo sie eigentlich zu Hause ist. Aus der hier aufgezählten, bisher bekannten Fauna der sog. „Daonella-beds“ mit Hinzurechnung der hangenden Schichtgruppen der Spiriferina Gviesbachi und Anodontophora Griesbachi verdienen speciell aus der unteren Abtheilung fast nur die Halobien-Arten aus der Gruppe der Hal. rugosa (oder /allax) einer besonderen Erwähnung. Von ihnen scheint Halobia comata eine weitere Verbreitung zu besitzen, und ist somit geeignet, einen Schichtennamen darzubieten Ne wird in der „Revue critique de Pal&ozoologie* Nr. 2, 1897, von M. Cossmann als Ersatz für den schon früher vergriffenen Namen Anoplophora Sandb. vorgeschlagen. De a Ve ch u u DA en = Be a [9]: Beiträge zur Palaeohtologie etc. 697 für diese eigentlichen „Daonella-beds“, die demnach richtiger als Halobia comata-Horizont zu bezeichnen wären. Aus der oberen Unterabtheilung dieser Gruppe III« ist beson- ders die Fauna der Spiriferina Griesbachi hervorzuheben und aus ihr wieder die Leitform selbst, welche eine weitere Verbreitung zu be- sitzen scheint, während die übrigen Arten dieser Fauna bisher nur aus den Bambanag-Profile im Girthithale bekannt sind. Es scheinen Spiriferinen vom Typus der Spiriferina Griesbachi auch der alpinen Trias nicht gänzlich zu fehlen, denn vor Kurzem fand ich an einer von Hofrath Prof. F. Toula im Frühjahre 1898 entdeckten Localität nächst Baden bei Wien neben anderen Brachio- poden der Carditaschichten, resp. Opponitzer Kalke!) (als: Amphi- elina amoena m. und ihren Nebenformen, Spirigera cefr. indistincta Beyr. sp., Cruratula Damesi m.) eine kleine Klappe einer Spiriferina mit einfach und regelmässig längsgetheiltem, sehr breit werdenden Medianwulste, die der asiatischen Art zum mindesten sehr nahe stehen muss. IIId. Arten aus der oberen Abtheilung der obertriadischen Ablagerungen der Himalayas, aus den Dolomiten und Mega- lodon-führenden Kalken der obersten Trias. Es sind aus diesen obersten, mächtigen Kalk- und Dolomit- massen der Himalayas bisher weder Halobienbänke, noch Bänke mit der echten Monotis salinaria und mit Halorellen ?), wie solche schon Stoliezka im östlichen Pamirgebiete auffand (verel E. Suwess in Denkschr. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, 1894, LXI,'S. 458), be- kanhıt geworden. Die wenigen Fossilien, die mir aus diesem Niveau vorlagen, sind Megalodontiden: | Megalodon cultridens nov. spec., eine ansehnlich grosse Art mit mächtig entwickeltem Schlossaparate, dessen linksseitige Zähne Schärfe Leisten. bilden. Das Exemplar scheint ebenfalls bereits von 'Stoliezka mitgebracht zu sein und stammt aus der Gegend von Lingti- Sumdo (in Tibet?). . Megalodon Ladakhensis n. sp. wurde schon von R. Lyddecker als M. cfr. gryphoides Gümb. abgebildet und stammt wohl. auch aus den Aufsammlungen Stoliczkas. 2) Ein unseren Cardita- oder Opponitzer Schichten .direct ‚vergleichbares, petrefactenführendes Niveau ist in der Trias der Himalayas bisher nicht ‚bekannt geworden. Doch sei darauf hingewiesen, dass mir ein vereinzeltes Stückchen eines dunklen, eigenthümlich tuffartig aussehenden Gesteines vorlag, auf dem einige un- vollkommen erhaltene Peetines, mit der eigenthümlichen Schalenstructur des Pecten filosus Hauer, sich befanden. Das Stück stammt. sowie die oben erwähnte Platte mit Spiriferina cfr. tibetica vom Manirang-Passe in Spiti, einer Localität, welche sonach eine gewisse Hoffnung auf einen künftigen Nachweis des Lunz—Raibler Niveaus in alpiner Entwicklung zu bieten scheint. ?) Die von F. Stoliczka seinerzeit (Geol. Surv. of India V, S. 70) aus „Kössener“, oder „liasischen* ‚Ablagerungen der Himalayas namhaft gemachte Rhynchonella pedata Br. sp. kann, wie ich mich an den Stücken überzeugen konnte, gewiss nicht zu Halorella m. gestellt werden, sondern ist eine sehr un- genügend erhaltene Ahynehonella eines indifferenten liasischen Typus. 698 A. Bittner. [10] Dicerocardium himalayense Stol., bekanntlich schon von F. Stoliczka selbst beschrieben, ebenfalls aus Spiti, aus Stoliezka’s sog. „Parakalke“* stammend. Eigentlich rhätische, d. h. Kössener Petrefacten sind in dem von mir untersuchten Materiale nicht vorhanden gewesen. Anhangsweise werden einige Arten aus nicht genauer horizon- tirten Niveaus beschrieben und zwar: Myophoria ex af. ovatae Goldf. aus einem möglicherweise dem Bunt- sandstein- (Werfener Schiefer-) Niveau angehörendem Gesteine von Dras Valley, Kashmir. Ithynchonella (Austriella) Middlemissit nov. spec., eine Art von Hall- stätter Typus aus den rothen Klippenkalken (Muschelkalk nach Dr. Diener) von Chitichun, Tibet. Spirigera (?) Noetlingii nov. spec., ein merkwürdiger Brachiopode mit festen Armspiralen, angeblich aus Liasablagerungen von Nio Sumdo, Karnag. Die Gesammtanzahl der aus den Triasablagerungen der Hima- layas diesmal beschriebenen Arten beträgt ungefähr 60, die sich zu ungefähr gleichen Theilen auf Brachiopoden und Lamellibranchier vertheilen. Das ist mit Hinzuzählung einiger weniger, von früher her bekannter Arten eine minimale Zahl gegenüber dem bis heute aus der alpinen Trias bekannten und noch lange nicht erschöpften Formen- reichthume an diesen Organismen. Die wenigen, bisher bekannten Brachiopoden der Trias der Himalayas vertheilen sich auf die Gat- tungen Terebratula (mit Dielasma und Coenothyris), Aulacothyris, Rhyn- chonella (mit Norella und Austriella), Spiriferina (mit Mentzelia), Spiri- gera (Athyris aut.), Amphiclina, Retzia und Discina«. Die Bivalven sind vertreten durch die Genera Avicula, Pseudomonotis, Gervilleia, Cassia- nella, Halobia, Daonella, Pecten, Lima, Myophoria, Megalodon, Dicero- cardium und Anodontophora (Anoplophora). Das sind durchaus auch in der alpinen Trias wohlbekannte und allgemein verbreitete, theil- weise für dieselbe absolut (Mentzelia, Amphiclina, Cassianella, Halobia, Daonella, Dicerocardium) oder relativ, d. h. im Gegensatze zu jüngeren Bildungen (Dielasma, Coenothyris, Spirigera, Retzia, etc.) charakteri- stische Gattungen. Specifisch mit alpinen übereinstimmende Arten dagegen sind nur äusserst spärlich vertreten. Als solche wären eigent- lich nur anzuführen die Muschelkalk-Brachiopoden Mentzelia Köves- kalliensis, Coenothyris cfr. vulgaris und Ihynchonella cfr. trinodosi, wobei die Bestimmung der beiden letztgenannten schon deshalb nicht völlig gesichert ist, weil beide nur in je einem nicht völlig typischen Exemplar vorliegen. Ausser diesen drei Brachiopoden ist wahr- scheinieh nur noch Daonella Lommeli völlig identisch mit der alpinen Art. Von mit europäischen Arten nahe verwandten Arten schliessen sich an: Pseudomonotis Griesbachi, Avicula af. Venetiana, Bellerophon cfr. Vaceki, Retzia Schwageri und etwa noch Rhynchonella Laucana. ann 1 ee Re N [11] Beiträge zur Palaeontologie etc. 699 Alle übrigen Arten sind von europäischen Triasformen beträchtlich und auffallend verschieden, woraus sich der Schluss zu ergeben scheint, dass die gesammte Brachiopoden- und Bivalvenfauna der Trias der Himalayas von der gleichalten alpinen Fauna ansehnlich differiren muss. Als einzelne auffallend abweichende Typen, die in der alpinen Trias bisher so gut wie gar nicht vertreten sind, wären hervorzuheben: Retzia himaica, Spiriferina Stracheyi, Rhynchonella (?) Salteriana, Lima serraticosta, Pecten biformatus, vielleicht Megalodon cultridens. Auch Spiriferina Griesbachi wäre hier zu nennen gewesen, aber der oben erwähnte Fund beweist, wie auch derartige, der alpinen Trias schein - bar fremdartige Typen heute noch in derselben nachgewiesen werden können. Es wäre daher umso verfrühter, Schlüsse in umgekehrter Richtung zu ziehen. Ueber die Eigenthümlichkeiten der Einzelfaunen verschiedenen Alters wurde bereits oben Einiges bemerkt. Es würde noch erübrigen, speciell auf jene faunistischen Vergesellschaftungen hinzuweisen, die eine grössere Verbreitung innerhalb der Trias der Himalayas besitzen. Es sind folgende: 1. Die unterste Fauna der Otoceras-beds mit Pseudomonotis Griesbachi m. Sie ist aus dem Shalshalprofile bei Rimkin - Paiar, aus der Gegend von Kiunglung am Niti-Passe und von Kuling in Spiti bekannt. 2. Die Fauna des Horizontes der Spiriferina Stracheyi. Dieselbe ist besonders weit verbreitet und sowohl von Rimkin-Paiar als von zahlreichen Localitäten in Spiti (Lilang, Kuling, Muth ete.) bekannt. Von den vereinzelt gefundenen Muschelkalk - Brachiopoden besitzt man gegenwärtig nur über die weitere Verbreitung von Spiriferina Köveskalliensis und von Rhynchonella Salteriana Nachrichten. 3. Die Fauna des Horizontes der Duonella indica. Man kennt sie von Shalshal (Rimkin-Paiar), von Ralphu im Lissar valley, von Doskwa Aur im Hop Gadh (Hundes) und von Ganesganga, Khar, Kuling in Spiti. 4. Die Fauna der Halobia comata. Diese Art selbst ist nicht nur aus dem Bambanagprofile, sondern auch von Kiunglung nächst dem Nitipasse bekannt. 5. Die Fauna der Spiriferina Griesbachi. Diese aus dem Bam- banagprofile stammende Art dürfte, vorausgesetzt, dass auch Spiri- ferina tibetica zu ihr gehört, auch in Spiti (Kibber, Kuling, Manirang- pass) sehr verbreitet sein. 6. Endlich die Megalodontenfauna des Parakalkes von Spiti, Rupshu, Ladakh und Karnag. 700 A. Bittner. 1 2] II. Ueber von Dr. A. v. Krafft aus Bokhara mitgebrachte jungpalaeszoische und alttriadische Versteinerungen. MENU (Hiezu die beiden Tafeln.) Die von Herrn Dr. A. v. Krafft gelegentlich seines letzten Aufenthaltes in Wien, im December 1898, mir übergebenen, von seiner Reise in Bokhara mitgebrachten Petrefacte stammen aus Schichten, die theils als jungpalaeozoisch angesprochen, theils nach ihren faunistischen Merkmalen als alttriadisch erkannt wurden. Die jungpalaeozoischen Vorkommnisse sind durch zweierlei Ge- steine vertreten: durch einen sehr unreinen, kalkigen Tuff mit vor- herrschender Bivalvenfauna und durch einen zähen, dunklen Kalk, welcher nach Herrn v. Krafft jünger ist als der Tuff und Brachio- poden führt. Die triadischen Gesteine werden repräsentirt durch einen rothen, plattigen Sandstein, der erfüllt ist von Versteinerungen, srösstentheils Lamellibranchiaten im Zustande von Seulptur-Stein- kernen, und durch graue Kalkplatten, die nach Herrn v. Krafft mit den rothen Sandsteinen in Verbindung stehen und welche ebenfalls Bivalven führen. Beide Gesteine, insbesondere aber das erstgenannte, sind schon lithologisch ganz identisch mit gewissen weitverbreiteten Gesteinen unserer alpinen Buntsandsteinbildungen oder Werfener Schiefer. Auch die Fauna der rothen Sandsteine aus Bokhara er- weist sich als eine typische Fauna des Werfener Schiefers. Im Nachstehenden sollen einige Bemerkungen über die aus den von Dr. v. Krafft mitgebrachten Gesteinsstücken gewonnenen Petre- facte mitgetheilt werden, wobei mit der Aufzählung von dem ältesten Vorkommen begonnen wird. 1. Jungpalaeozoische Bildungen. a) Tuffe vom Kai-Schach in der Provinz Darwas. Myophoria Darwasana n. sp. Taf, XIV (1), Fig. 1, 2 und 3. Die häufigste Art der Tuffe vom Kai-Schach in Darwas ist eine kleine Bivalve, die ich zunächst für zu Schizodus !) gehörig zu halten geneigt war, bis sich ein Exemplar fand, an dem vor dem Wirbel — die Stücke sind grösstentheils Steinkerne — Sich die charakteri- !) Der Freundlichkeit des Herrn Dr. S. Freiherrn vv. Wöhrmann in St. Petersburg verdanke ich den Hinweis darauf, dass in Muschketow und Romanowski’s „Materialien zur Geologie Turkestans“, 2. Theil, 1890, ein Schizodus truncatus aus den sog. Nebraskaschichten angeführt und abgebildet wird (pag. 92, Tab. XXI, Fig. 1). 13] Beiträge zur Palaeontologie etc. 701 stische Furche, das Negativ der den vorderen Schliessmuskel begren- zenden Leiste der Myophorien zeigte. Dieses Merkmal liess sich an den meisten Exemplaren erkennen. Im Umrisse ist die Art ganz wie die jüngere Myophoria ovata der Trias gebildet, sie besitzt eine deut- lich ausgeprägte Kielkante, die ein hinteres Feldchen, die „Area“ der. Myophorienschale, abtrennt. Diese Kielkante ist ‚wenig scharf, gerundet, und verlöscht gegen den Hinterrand der Schale vollends. Vor der Kielrippe ist der Pallealrand nicht eingezogen, wie bei den meisten Arten von Schizodus, auch ist keine noch so geringe ent- sprechende Einschnürung der Klappen an dieser Stelle wahrnehmbar, sondern der Pallealrand ist in vollem Bogen gerundet. Die Area ist flach oder fast ein wenig eingedrückt, neben ihr am hinteren Schloss- rande liegt noch ein vertieftes Schildehen. Vor dem Wirbel erscheint, deutlich an mehreren Stücken zu beobachten, der scharfe, schmale, seichte Einschnitt der Muskelleiste. Die Schale selbst ist in eine glänzende, lagenweise abblätternde Masse verwandelt, die von der Oberfläche nichts sicheres wahrzunehmen gestattet, doch dürfte die Schale glatt gewesen sein. Neben einer längeren, gestreckteren Form, der die Mehrzahl der Stücke (6) zufällt, erscheint in einem Exemplare eine sonst ganz übereinstimmende kürzere Form, die man als var. brevis be- zeichnen könnte, vertreten. Ihr Kiel ist sehr stumpf, die vordere Muskelleiste deutlich wahrnehmbar (Fig. 3). Das Vorkommen von Myophorien in jungpalaeozoischen Schichten hat gegenwärtig nichts Ueberraschendes mehr, denn abgesehen davon, dass schon Gruenewaldt auf die Existenz devonischer Myophorien hingewiesen hat!), sind jungpalaeozoische Arten aus Ostindien von W. Waagen beschrieben worden. Die drei von Waagen be- schriebenen Arten sind durchaus kürzer von Gestalt, als die häufigere Form von Bokhara und nur deren var. brevis kann mit ihnen ver- glichen werden. Zwei der Waagen’schen Arten erscheinen aber noch kürzer als diese var. brevis, so dass nur Myophoria praecox Waag. derselben in den Umrissen wirklich nahekommt; doch ist nicht zu constatiren, ob unsere Form die regelmässige, zierliche Anwachsstreifung der M. praecox besessen hat. Wären die Myophorien von Bokhara, wie es den Anschein hat, ganz glatt gewesen, so würden sie wohl zunächst verwandt sein mit (der in der Trias weitverbreiteten Gruppe der Myophoria ovata, der wir — und das ist wohl von einigem Interesse — auch in den triadischen Schichten von Bokhara begegnen werden. Die grosse Aehnlichkeit der Myophoria. von Bokhara, die Mor beschrieben wurde, mit Myophoria ovata ergibt sich schon aus einem Vergleiche mit den Abbildungen bei Beneck e, Beiträge 1876, II., Taf. I, Fig. 4,.und bei Schauroth, Sitzber. d. W. Akad. .d. Wiss,, 34. Bd., Taf. 1, Fig. 15 und fällt auch auf der hier beigegebenen Tafel XIV (1) in die Augen. !) Man vergl. hier insbesondere Beushausen: Die Lamellibranchiaten des rheinischen Devon etc. Abhandl. d. kön, preuss. geol, Landesanstalt, Neue Folge, Heft 17, 1895, S. 113. Jahrbuch d. k- k. geol. Reichsaustalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (A. Bittner.) 90 702 \ A. Bittner. [14] Clidophorus spec. Taf. XIV (1), Fig. 5. Ausser der oben beschriebenen Myophoria haben die Tuffe des Kai-Schach nur noch wenige andere, schlecht erhaltene Bivalvenreste geliefert, von denen wohl die auffallendsten in Steinkernen lang- gestreckter Formen mit fast parallelem Schloss- und Pallealrande und deutlicher vorderer Muskelleiste (resp. dem Eindrucke derselben) bestehen. Sie sehen keiner anderen Art so ähnlich, als gewissen Formen von Olidophorus Pallasii Vern. bei Golovkinsky in Mat. £. d. Geol. Russlands I, Taf. IV, Fig. 9, 11. ? Avicula spec. Taf. XIV (1), Fig. 4. Ihres wohlerhaltenen Umrisses wegen verdient noch eine kleine ? Avicula oder ? Gervilleia angeführt zu werden, die lebhaft an Avicula chidruensis Waag oder auch an Gervilleia Sedgwickiana King. (bei Geinitz, Dyas XIV, 23) erinnert, Neben diesen und einigen wenigen anderen, noch schwerer deut- baren Bivalvenfragmenten sind in den Tuffen des Kai-Schach auch vereinzelt Bruchstücke faserschaliger Brachiopoden zu finden, die nicht einmal generisch bestimmt werden können. b) Brachiopodenkalk vom Gipfel des Kai-Schach in der Provinz Darwas. Die genauere Bezeichnung der Fundstelle lautet laut beiliegender Original-Etiquette des Herrn v. Krafft: „21. September: Auf der Spitze (3870 m) des Kai-Schach, östlich bei Ravnau, Darwas. Block mit Brachiopoden; oberste Lage der (permischen ?) Tuff- und Kalkserie.“ Aus dem dunklen, zähen, unter dem Hammer häufig Funken gebenden Kalke wurde eine Anzahl von glatten Brachiopoden ge- wonnen, meist in Einzelklappen, die oft zerdrückt sind. Die ziemlich schmale Gestalt und der dickschalige Schnabel der grossen Klappe liessen dieselben auf den ersten Blick hin als Angehörige der Gattung Spirigera deuten, die weitere Präparation aber ergab eine schmale Spiriferen- Area mit mittlerer Deltidialöffnung, während eine end- ständige Oeffnung des Schnabels nicht vorhanden ist; es war somit etwa an eine schmale Abart der vielgestaltigen triadischen Mentzelien zu denken, von denen in der That gewisse Formen, wie die dick- schnäbeligen, mit schmaler Area versehenen südtiroler Abarten acro- rhyncha Lor. und judicarica m. habituell recht ähnlich sind. Allein es zeigte sich weiter, dass der Art vom Kai-Schach das Medianseptum im Schnabel der grossen Klappe gänzlich fehlt und die Form muss somit zu der bisher nur aus palaeozoischen Ablagerungen bekannten Gattung Martinia King gestellt werden: N 5] Beiträge zur Palaeontologie etc. 703 Martinia Kraffti nov. spec. Taf. XIV (1), Fig. 8-12, Ein glatter Spiriferide, dessen grosse Klappe einen sehr dick- schaligen, stark übergebogenen, kräftig entwickelten Schnabel mit einer auffallend kleinen, schmalen Area besitzt. Die Länge der grossen Klappe ist meist etwas beträchtlicher als deren Breite, so dass die Art zu den schmäleren und gestreckteren gehört, was für palaeo- zoische Spiriferen immerhin ungewöhnlich ist. Die Breite der Area, an ihrer Basis gemessen, beträgt !/;—!, der Breite der grossen Schale, die Entwicklung der Area ist somit eine für Spiriferiden un- gewöhnlich schwache. Es bedarf in Folge dessen eines ziemlichen Aufwandes an Mühe, um diese Area unter dem stark vorgekrümmten, kräftigen Schnabel überhaupt freizulegen. Die Deltidialöffnung selbst ist ziemlich breit, so dass nur schmale Partien der Area zu beiden Seiten derselben erhalten bleiben; sie sind nach aussen durch ziem- lich scharfe Leisten begrenzt (Taf. XIV [1], Fig. 10). Die Median- partie der grossen Klappe besitzt einen ziemlich schmalen und seichten Sinus oder wenigstens eine leichte Andeutung eines solchen oft nur in Form einer medianen Abflachung, und eine entsprechend vor- gezogene Stirnzunge. Einzelne der grösseren Exemplare zeigen an den Flanken nächst der Commissur leichte Spuren von Fältelung oder Furchung, die bisweilen auch auf dem Steinkerne sichtbar ist. Anwachsstreifung nur hie und da nächst der Stirn. Die kleinen Klappen, die in geringerer Anzahl vorliegen, erscheinen verhältniss- mässig breiter und haben eine leichte mediane Aufwulstung, bieten aber sonst keine charakteristischen Eigenthümlichkeiten. Die aussen abblätternde Schale ist innen faserig; die feine Punktirung der äussersten Oberhaut vermag ich — wohl in Folge der Erhaltung — nicht aufzufinden. An den Wirbeln, insbesondere am Schnabel der grossen Klappe ist die Schale sehr dick, die Spitze des Wirbels selbst ist eine compacte Masse, und zwar sind deren Seitenwände noch stärker als die Aussenwand in der Medianlinie, wo die tiefeingesenkten Muskeleindrücke eine Schwächung der Schale hervorrufen, die auf den Steinkernen natürlich als Erhöhung hervor- tritt. Ein Medianseptum fehlt vollständig, auch durchgreifende Zahn- stützen sind nicht vorhanden, sondern die Seitenwände der Deltidial- spalte bilden scheinbar durchaus compacte Massen. Erst wenn man unter die Ebene der Area hinabschleift, beginnen sich die Zahn- stützen von der Arealplatte abzulösen und sich zuletzt ganz zu isoliren (Fig. 12), so dass das Bild des Schliffes endlich jenem dick- schaliger Trias-Mentzelien (Abhandl. geol. R.-A. XIV, S. 25) — mit Ausnahme des mangelnden Medianseptums — nicht unähnlich wird. Es ist sicher, dass die Zahnstützen bei der hier beschriebenen Art nicht an die Aussenwand des Schnabels reichen, im Gegensatze zu dem, was bei zahlreichen Spiriferiden der Fall ist und auch für Martiniopsis Waagen gilt, welche Gattung sich nach Waagen haupt- sächlich durch dieses Merkmal von Martinia unterscheidet. Waagen gibt nun allerdings an, dass bei Martinia Zahnstützen vollkommen fehlen und will das auch an dem Typus der Gattung, Martinia glabra von 90* 704 a [16] Vise, constatirt haben, wobei allerdings nicht gesagt wird, ob diese Constatirung durch Schliffe erfolgte, so dass eventuell bei Martinia glabra und den Waagen’schen Arten immerhin auch nicht durch- sreifende Zahnstützen vorhanden sein könnten, wie es denn überhaupt von vorneherein fragwürdig erscheinen muss, dass "nicht bei allen Spiriferen die Begrenzung der Deltidialspalte durch Zahn- stützen gebildet sein sollte. Nach Waagen hat übrigens auch das verwandte. Genus Reticularia keine Zahnstützen. Das ziemlich reiche Materiale an Martinia glabra und Retieularia lineata aus dem Berg- kalke von Vise, welches die Sammlung der geologischen Reichs- anstalt besitzt, ermöglichte mir es, die Schliffe auszuführen, die nöthig waren, um mir ein eigenes Urtheil über diese Verhältnisse zu gestatten, und da zeigte es sich, dass die dünnschalige Martini glabra von Vise sich genau so verhält, -wie die dickschalige Form von Bokhara, d.h. es sind Zahnstützen vorhanden, aber sie be- grenzen lediglich die Arealspalte und reichen nicht bis zur Aussen- seite des Schnabels (Taf. XIV [1], Fig. 13). Die dickschalige Reticularia lineata von Vise besitzt noch mehr redueirte Zahnstützen, die nur die Arealspalte begrenzen und nicht tiefer ins Innere reichen als die Arealplatte selbst (Taf. XIV [1], Fig. 14), während bei Martinia glabra sowie bei der Form aus Bokhara die Zahnstützen ein wenig tiefer hinabreichen, so dass sie noch nach dem Durch- schleifen der Arealplatte als isolirte Lamellen im Schlifffelde sichtbar bleiben. Uebrigens stehen die beiden Gattungen Martinia und Reticularıa einander wohl ebenso nahe, wie die glatten und die feingestreiften Mentzelien des Muschelkalkes. Die nähere Verwandtschaft der hier beschriebenen Martinia Kraffti von Bokhara ist nicht gerade leicht festzustellen, weil sich die beschriebenen Arten untereinander viefach nur durch recht minutiöse Merkmale unterscheiden. Von Waagen’s ostindischen Arten kann wohl nur Martinia elongata verglichen werden, aber auch diese scheint breiter zu sein als unsere Form. Martinia contracta Meek and Worth. (Pal. of. Illinois II, S. 298, Taf. 23, Fig. 5) ist gleichmässiger gerundet und dürfte eine höhere Stirnzunge besitzen, in der Art, wie Martinia nucula Rothpl. von Timor. Rothpletz hält diese Art für identisch mit der vielberufenen Martinia (?) semiplana bei Tschernyschew (Allg. geol. Karte von Russland, Bl. 139; S. 369, Taf. V, Fig. 1, 5), was aber, wenn man die Abbildungen ver- gleicht, nicht gerade wahrscheinlich ist, da die Form, die Tscher- nyschew abbildet, viel breiter erscheint. Waagen hat seine ursprüngliche M. semiplana in eine eigene Gruppe (Gr. d. Mart. corculina Kut.) gestellt, deren Angehörige sich durch eine nur sehr flachgewölbte kleine Klappe auszeichnen. Dahin gehört nun die Form aus Bokhara keinesfalls, es fällt daher auch der nähere Vergleich mit Martinia semiplana Waag. und den unter diesem Namen von Tschernyschew und Schellwien She togr., 39. Bd.) beschriebenen Formen wee. Zu den übrigen Arten in Schellwien’s Abhandlung wäre zu bemerken, dass von ihnen die kleine M. carinthiaca (S. 41, Taf. VIIL, Fig. 15, 16) wohl die schmale Gestalt der bokharischen Art besitzt, 17 Beiträge zur Palaeontologie etc. 795 aber sowohl in der Grösse, als in den Umrissen und auch in der Entwicklung ‚des Schnabels und des Sinus sich beträchtlich unter- scheidet. Noch weniger können die Schellwien’schen M. Frechi und M. efr. glabra verglichen werden. Auch Taf. 37 bei Koninck Cale. carbonif. de la Belgique, bietet nichts an näherstehenden Arten. Unter den soeben vom Gemmellaro beschriebenen zahl- reichen Martinia- Arten des sieilianischen Fusulinenkalkes von Val Sosio scheinen die nächstverwandten Arten, M. rupicola und M. Di Stefanoi, sich hauptsächlich durch stärkere Entwicklung des Sinus zu unterscheiden. In Gesellschaft der Martinia Krafti kommt ein kleinerer, schmaler, glatter Braehiopode vor, vielleicht eine Spirigera, die mir aber nur in wenigen, für eine Beschreibung nicht. zureichenden Exemplaren vorliegt und somit besser unberücksichtigt bleibt, da ja ohnehin durch die Constatirung des Vorkommens der oben beschriebenen Martinia das jungpalaeozoische Alter der Ablagerung, aus welcher dieselbe stammt, und damit auch das Alter der unter den Kalken mit Martinia liegenden bivalvenführenden Tuffe eonform mit den von Dr. v. Krafft an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen sicher- gestellt erscheint. 2. Alttriadische Bildungen. Bi Werfener Schichten von Ravnau in der Provinz Darwas. Die petrefactenreichen rothen Sandsteine der Werfener Schichten NW von Ravnau in der Provinz Darwas haben folgende Arten geliefert: Meekoceras (?) caprilense Mojs. Taf. XIV (1), Fig. 15, 16. Mojsisovics, Cephalop. d. medit. Triasprovinz, Abhandl. d. k. k. geol. R.-A., Bd. X, 1882, S. 214, Taf. XXIX, Fig. 4. - Von dieser: im oberen Werfener Schiefer der Alpen nur ver- einzelt auftretenden Art (Mojsisoviecs hat von drei Fundorten vier Exemplare gekannt) wurden aus dem rothen Sandsteine von Ravnau vier Exemplare gewonnen, von denen das eine, dessen grösster Durchmesser etwa 14 mm beträgt, recht vollständig erhalten ist, während von dem grössten der Stücke, von eirca 26 mm Durchmesser, nur ein halber Umgang vorliegt. Meekoveras caprilense Mojs. ist bekanntlich die einzige Art aus der neun Arten enthaltenden Aufzählung von Meekoceraten bei M oj- sisovies l. c., die W. Waagen (Salt-Range fossils vol. II, pag. 160 ff.) bei dieser Gattung belassen will, während er die 8 übrigen Arten ‚zumeist in die Familie der Ptychitiden (in seiner Fassung; — zu Proptychites, Beyrichites) stellt. Auch E. Haug hat in seiner Arbeit in Bull. Soc. geol. de France, 3. ser., tome XXI, 1894, S. 400, auf die Heterogenität der Mojsisovics’schen Gattung Meekoceras hingewiesen. Es erscheint 706 A. Bittner. [18] sogar nicht einmal festgestellt, ob Meekoceras caprilense mit Recht bei dieser Gattung verbleiben kann, denn diese Art scheint keineswegs ceratitische Loben zu haben, wie Mojsisovics, 1. e. Taf. XXIX, Fig. 5 angibt, sondern goniatitische Loben, weshalb die Frage ent- steht, ob diese Art nicht besser in eines der Meekoceratidengenera mit goniatitischen Loben, etwa zu den Cymatitinen Waagen’s, oder den Gyronitinen zu stellen sei. Man könnte da etwa an das von Arthaber aufgestellte Genus Proavites des alpinen Muschelkalks denken. Die von Mojsisovics Fig. 5 mitgetheilte Lobenlinie ist dem Exemplare entnommen, das H. Loretz in rothem Sandstein- schiefer zwischen Caprile und Alleghe sammelte und bereits in Zeit- schrift d. D. g. Ges. 1875, Taf. XXI, Fig. 1, abbilden liess. Loretz sagt daselbst (S. 787) ganz ausdrücklich, dass die Zacken der Loben- linie des ungünstigen Materiales und Erhaltungszustandes wegen kaum mehr zu erkennen seien; seine Zeichnung bringt dieselben auch nicht zum Ausdrucke. Weder bei dem von Mojsisoviecs ebenfalls er- wähnten, aus einem mehr mergeligen Gesteine von der Mendelstrasse stammenden (von Vacek gesammelten) Exemplare ), noch bei dem von F. Teller (Erläut. zur geol. Karte d. östl. Ausläufer der Karn. u. Jul. Alpen; Wien 1896, S. 90) erwähnten Stücke von Sulzbach 2) konnte bei der Sichtbarmachung der Lobenlinie eine Zähnelung, resp. ceratitische Ausbildung der Loben beobachtet werden. Hervorzuheben ist, dass der Verlauf der Lobenlinie bei Fig. 4 von Mojsisovies mit meinen Beobachtungen besser übereinzustimmen scheint, als jener von Fig. 5. Gleichzeitig ist die Aehnlichkeit, ja fast Identität des Ver- laufes der Lobenlinie bei „Meekoceras* caprilense mit jener von Oymatites Waag. und Proavites Arth., aber auch von Gyronites und Lecanites in die Augen springend, und wenn nun nähere Verwandte von Meekoceras caprilense, wie Waagen behauptet, unter den von Mojsisovics zu Meekoceras gestellten jüngeren Formen (Proptychiten und Beyrichiten nach Waagen) nicht erblickt werden können, so liegt es umso näher, diese in den Oymatitinen des alpinen Muschel- kalkes zu suchen, die keineswegs auf die Arthaber’schen Proavites- Arten von Gross-Reifling beschränkt sind, sondern nicht nur sowohl in den Nord- als in den Südalpen in weiter Verbreitung auftreten, sondern auch durch ihre ausgesprochen biangulare Form mit scharfen Rückenkanten zu den auffallendsten Typen des alpinen Muschelkalkes gezählt werden müssen, weshalb es überraschen muss, bei Mojsi- sovies in dessen mediterranen Cephalopoden so wenig oder eigentlich fast gar nichts von diesen Formen angeführt zu finden. Ich kenne derartige Cymatitinen (event. Proaviten ?) ausser aus dem Muschel- kalke von Gross-Reifling, aus den Nordalpen im Muschelkalke von Türnitz a. d. Traisen (Verh. 1894, S. 381). Unter den wenigen ') Abgebildet Taf. XIV (1), Fig. 17, zum Vergleiche mit den Stücken von Bokhara. ?) Lobenlinie dieses Exemplares abgebildet Taf. XIV (1), Fig. 18. >) Der Name einer zweiten, von Arthaber neu aufgestellten Gattung, Sphaerites, ist, wie nebenbei bemerkt sei, schon längst bei den Coleopteren ver- griffen, muss also geändert werden. [19] Beiträge zur Palaeontologie etc. 707 Cephalopoden, die am Schwarzenberge bei Türnitz gesammelt wurden, finden sich zwei Exemplare, die hiehergehören, das eine davon, von ungefähr 40 mm Durchmesser, mit einer Breite des scharfkantig- biangularen Rückens von nicht weniger als 1O mm, also eine sehr auffallende, ünbeschriebene Form; beide Stücke mit gut sichtbarer Lobenlinie. Auch in den Südalpen fehlen derartige Formen keines- wegs. So habe ich ein grosses Exemplar, grösstentheils aus der Wohnkammer bestehend, und ein kleineres, vielleicht zu ersterem ge- höriges, gekammertes Bruchstück an der Localität „Ponte di Cimego“ in Judicarien (Jahrbuch 1881, S. 247) gesammelt und R. Hoernes hat ein theilweise noch die Schale besitzendes Bruchstück einer solchen auffallenden Form bei Bad Neuprags im Pusterthale auf- gefunden. Diese beiden südalpinen Funde hat auch E. v. Mojsi- sovics gekannt, aber nicht berücksichtigt, obwohl sie sicher zu einer Beschreibung und Abbildung mindestens ebenso geeignet gewesen wären, als es beispielsweise die ÖOriginalexemplare seines (eratites Loretzi oder Cer. Erasmi von der Fundstelle Neuprags sind. Ein Grund, der gegen die Zugehörigkeit von „Meekoceras* (?) caprilense zu dieser Gattung spricht, ist auch die beträchtliche Ver- schiedenheit der den Typus der Gattung Meekoceras Hyatt bildenden, von White (im 12. Annual Report of the U. St. geol. and geogr. Survey of the Territories: Wyoming and Idaho; for the year 1878; part I, pag. 112, Taf. 51 u. 32) beschriebenen Arten, insbesondere in Hinsicht auf deren ausgesprochen ceratitische Lobenlinie. Naticella spec. Eine Naticella von der Grösse und Form der bekannten Nati- cella costata Hauer des alpinen Werfener Schiefers, aber — zum mindesten nach dem Steinkerne zu schliessen — mit glatter Schalen- oberfläche. Es ist bekannt, dass auch im Werfener Schiefer der Alpen ähnliche oder identische Formen vorkommen, so beispielsweise zu Eisenerz (Verhandl. geol. R.-A. 1886, S. 390), an der Heiligen Alpe bei Sagor, zu Much in Dalmatien. Lepsius beschreibt eine schwachberippte Form als Nat. semicostata; eine derartige Form könnte Steinkerne, wie der vorliegende ist, liefern. Nicht verwechselt werden dürfen diese Formen mit der glatten Natica Gaillardoti Lefr., die eine ganz andere Gestalt besitzt und weit verschieden ist. Pleurotomaria (2) spec. Taf. XIV (1), Eig. 19. Eine Form von typisch Pleurotomaria-artiger Gestalt, mit treppenförmig abgestuften Umgängen, deren letzter scharf biangulär ist. Die Spira ist bedeutend niedriger als bei Pleurotomaria extracta Berg. sp., wie sie Benecke vom Mte. Zacon im Valsugana abbildet, auch ist die Tiroler Form beträchtlich kleiner. In der Gestalt und Grösse stimmt besser überein Pleuwrotomaria Sansonii Tommasi aus der Lombardei, aber sie ist viel stumpfer, niedriger und ihre Um- 708 133 092901 A,’ Bittner. Hin [20] gänge sind nicht so ‘scharf treppenförmig abgesetzt‘ wie bei der Art aus Bokhara. Man könnte bei letzterer an eine Jugendform‘ des bekannten Turbo rectecostatus Hauer denken, aber wohlerhaltene Exemplare desselben besitzen an der Basis der letzten Windung noch eine dritte, unterste Spiralleiste, von der unserer Form jede Andeutung fehlt. Es scheint daher in dieser eine besondere, wohl neue Art vorzuliegen. Sie ist in zwei Exemplaren vorhanden. Ein dritter Gastropode der Fauna soll nur kurz erwähnt sein. Er besitzt etwa die Form der Natica ‘gregaria bei Benecke, (Beitr. I, Taf. I, Fig. 9), ist aber etwa doppelt so gross und seine Windungen sind nicht olatt, sondern weisen undeutliche Spuren von Spiralleisten auf. ' Weit reicher ist die Vertretung der Tamröllibranichfäten in dem rothen ' Sandsteine von Ravnau, deren Aufzählung sich a & an- schliessen soll. Myacites (Anodontophora) fr. fassaönsis Wissm. Die Stücke von Bokhara sind kaum von alpinen Exemplaren dieser Art zu unterscheiden, doch gehören fast alle jener Form an, die F.v. Hauer als Myacites spec.? Denkschr. d. W. k. Ak. U, 1850, S. 5 (sep.), Taf I, Fig. 5, von dem eigentlichen Myaecites fassaönsis ab- trennt, wegen der 'Abflachung der Schale längs des hinteren Schloss- randes — ein äusserst subtiles Unterscheidungsmerkmal. Thatsächlich kommen beide Formen in denselben Lagen des Werfener Schiefers vor und sind kaum scharf specifisch zu trennen. Auch einzelne Exemplare mit so kräftigem Wirbel, wie sie Gümbel: Untere Trias- schichten aus Hochasien 1865, Sitzb..d. bayr. Akad: II,..S. 355, Taf. I, Fig. 1, aus Dankhar in Spiti abbildet und beschreibt, finden sich unter der Fossilsuite von Ravnau in Bokhara. Einige kleine, schlecht erhaltene Stücke von da lassen sich auf keine mir bekannte Art zurückführen. Myophoria ovata Goldf. Taf. XIV (1), Fig. 20, 21. Diese für den oberen Werfener Schiefer der Alpen bezeichnende Art ist in typischen Stücken vertreten, die sich durch ihre flache Gestalt und die überaus stumpfe, kaum angedeutete Kielkante charak- terisiren. Die vordere Muskelleiste ist an. den Steinkernen deutlich wahrnehmbar. Der Bogen des Pallealrandes ist stärker oder schwächer gerundet, die Uebergangsstelle zwischen ihm und dem Hinterrand mehr oder weniger spitz vorgezogen. Stücke, wie das Taf. XIV (1), Fig. 21, abgebildete, stimmen völlig überein mit denen, die beispiels- weise Benecke, l. ce. Taf. I, Fig. 4 von der Mendel beschreibt, aber auch mit F. v. Hauer’s (i. ec. Taf. IV, Fig. 2) Trigonia .orbi- cularis? aus dem Werfener Schiefer von Cencenighe, mit Tommasi’s neuester Abbildung in Palaeont. Ital., Vol. I, Taf. III, Fig. 19, und ent- fernen sich nicht wesentlich von der Originalabbildung bei Goldfuss. [21] Beiträge zur Palaeontologie etc. 709 Myophoria laevigata Goldf. Tab. XIV (1), Fig. 22—26. Viel häufiger als die soeben erwähnte Myophoria ovata Goldf. tritt ihre, durch das Vorhandensein eines wohlausgeprägten hinteren Kieles charakterisirte Verwandte, M. laevigata auf, ja sie ist weitaus die häufigste unter allen aus dem rothen Sandsteine von Ravnau bisher bekannten Arten, so dass man dieses Vorkommen direct als einen Myophoriensandstein bezeichnen könnte. Die Uebereinstimmung der vorliegenden Steinkerne mit den Abbildungen der Art bei Goldfuss und Giebel, sowohl als mit verglichenen Exemplaren von Rüdersberg, Schwieberdingen und Plombieres ist eine möglichst vollständige. Auch zu Schwieberdingen tritt die Art nach der neuesten Darstellung von Philippi mitunter in einer Abart auf, die sich der Myoph. ovata nähert; vielleicht könnte man deshalb geneigt sein, die vorher angeführte Form ebenfalls nur für eine Abart der häufiger auftretenden M. laevigata zu halten, was bei der nahen Verwandtschaft beider ja von nicht allzu grosser Verschiedenheit wäre. Lepsius erwähnt beide Arten als auch im Werfener Schiefer der Südalpen gesellschaftlich auftretend. Einige der Stücke von Ravnau zeigen auch am Steinkerne noch eine regelmässige Anwachsstreifung und bei der Mehrzahl nimmt man deutlich die in radialer Richtung unterabgetheilte, resp. „gebrochene* Form des Schildes wahr, wobei die linken Klappen Erhabenheiten, die rechten Eindrücke aufweisen. Bei einzelnen Exemplaren erscheint der Kiel so scharf, dass ein Uebergang zu Myophoria cardissoides Schloth. sp. angebahnt wird, einer Art, die sich hie und da im Werfener Schiefer der Alpen ebenfalls findet, so z. B. vergesellschaftet mit den schwächer gekielten Arten in weissem, stark glimmerigen Sandsteine an der Loealität Mali vrch bei Weixelburg in Krain (von Lipold gesammelt). Uebrigens ist auch Giebel’s Myophoria laevigata schärfer gekielt, als die von Goldfuss abgebildete Form. Auch einzelne, auffallend kurzgestaltete Exemplare dieser Art finden sich zu Ravnau (Fig. 26). Sie tritt hier in den verschiedensten Altersstadien auf, von ganz minutiösen Exem- plaren bis zu Stücken, die an Grösse dem von Goldfuss abge- bildeten oder den grössten Exemplaren von Schwieberdingen wenig nachstehen. Myophorien dieses Typus sind übrigens in den asiatischen Triasablagerungen weit verbreitet. So entdeckte L. v. Loezy Myophoria cfr. laevigata (oder M. cardissoides) am Tschung-tien in China, in einer Ablagerung, die er dem Muschelkalke gleichstellt. Nicht selten tritt Myophoria laevigata auf in den zähen untertriadischen Quarziten der Insel Russkij bei Wladiwostok in der ostsibirischen Küstenprovinz. Endlich habe ich vor kurzem eine als Myophoria ovata angesprochene Form aus dem Dras-Riverthale in Kaschmir gesehen, die in der „Palaeontologia indica“ beschrieben werden soll. Auch in Werfener Schiefern an der kleinasiatischen Küste des Marmara- meeres hat sich M. ovata (vergl. F. Toula im N. J. f. M. 1899, I, S. 66) neuestens gefunden. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (A. Bittner.) 91 710 A. Bittner. [22] Pseudomonotis Telleri nov. spec. Taf. XV (2), Fig. 11—15. Unter diesem Namen soll eine Form aus der Gruppe der Avicula angulosa Leps. beschrieben werden, deren Zugehörigkeit zum Aviculiden-Genus oder -Subgenus Pseudomonotis Beyr. zuerst F. Teller in seiner werthvollen Abhandlung „Die Pelecypodenfauna von Wercho- jansk in Ostsibirien“ (Mem. de l’Acad. imper. des sciences de St. Petersbourg, VII. ser., Tome XXXIIl, 1886, S. 110) betont hat. Von diesen Pseudomonotis-Formen der Angulosa-Gruppe ist bisher einzig und allein die von Lepsius abgebildete flache rechte Klappe bekannt, während man die linke Klappe, die noch nirgends beschrieben und abgebildet worden ist, erst später kennen lernte ’), obschon vereinzelte Exemplare solcher Klappen schon vor langer Zeit hie und da im Werfener Schiefer der Alpen aufgefunden worden waren. Teller selbst hat, als er seine Bemerkungen über Pseudomonotis 1885 schrieb, diese grossen Klappen noch nicht gekannt; aber schon in Verhandl. 1886, S. 389, konnte ich über die Auffindung derartiger Klappen im Werfener Schiefer von Eisenerz berichten, und fast gleich- zeitig hatte Teller selbst Gelegenheit, solche im Gebiete. von Ober-Seeland in Kärnten zu sammeln (Erläut. zur geol. Karte der östl. Ausläufer der Karn. u. Jul. Alpen; Wien 1896, S. 89). Schon im Jahrb. d. geol. R.-A. 1854, S. 893, berichtet M. V. Lipold über Werfener Schiefer-Petrefacten vom Kasparstein (reete Kasbauerstein) bei St. Paul in Kärnthen und nennt von hier neben Ceratites Cassianus, Naticella costata, Mwyacites fassaönsis, Avicula Venetiana, Pecten Fuchsi u. a. A. auch „Pecten vestitus? Goldf“. wo- mit nichts Anderes gemeint ist, als die grosse oder linke Klappe der uns hier beschäftigenden Form von Pseudomonotis. Gerade eines dieser Exemplare von St. Paul in Kärnten (Taf. XV (2), Fig. 12) ist von hervorragendem Interesse, weil es vollkommen übereinstimmt mit der linken Klappe einer Art aus dem rothen Sandsteine von Ravnau in Bokhara (Taf. XV (2), Fig. 11). Diese Art von Bokhara und aus dem Werfener Schiefer der Alpen, welche den Namen Pseudomonotis Telleri n. sp. führen soll, besitzt eine gewölbte linke Klappe, welche ganz glatt ist, höchstens hie und da unregelmässige Spuren von Anwachsstreifung aufweist. Die Länge ist beträchtlich geringer als die Höhe, der Schlossrand ist lang und gerade, seine Länge kommt der Länge (nicht der Höhe !) der Schale gleich. Der Wirbel ist mässig über den Schloss- rand vorgewölbt und liegt stark nach vorn, so dass der vordere Flügel weit weniger ausgedehnt ist als der hintere. Letzterer ist breit und von der Hauptwölbung der Schale nicht abgesetzt, sondern allmälig in deren Flucht übergehend. Der kleine vordere Flügel da- gegen ist durch eine merkliche FEinfurchung von der Schale getrennt, welche Einfurchung dem Byssusausschnitte der rechten Klappe corre- spondirt. Von dieser kleinen oder rechten Klappe liegt nur ein zur !) Avicula n. sp. bei A. Tommasi, Palaeont. Ital., vol. I, Taf. III, Fig. 9, gehört vielleicht hieher. | [23] N Beiträge zur Palaeontologie etc. 711 Beschreibung ungenügendes Fragment aus Bokhara vor. Auch die Kärntener Localität bei St. Paul hat keine rechte Klappe geliefert. Dagegen ist dieselbe vorhanden neben völlig übereinstimmenden grossen (linken) Klappen von der Localität Skuber vreh bei Ober- Seeland in Kärnten, wo sie von Teller im Jahre 1886 gesammelt wurde (Taf. XV (2), Fig. 14).. Diese flache Deckelklappe erscheint, da sie einen den Schlossrand überragenden Wirbel nicht besitzt, ent- sprechend weniger hoch als die grosse Klappe, das vordere, kleinere Byssusohr ist tief abgetrennt, das hintere Ohr als breiter spitzer Flügel entwickelt und von der übrigen Schale ganz und gar nicht abgesetzt, die Oberfläche glatt wie jene der grossen Klappe. Von der Lepsius’schen Avicula angulosa unterscheidet sich diese kleine Klappe von Pseudomonotis Telleri bei nahezu gleicher Grösse durch viel geringere Ausdehnung des Byssusohres, das bei Ps. angulosa Leps. so abnorm gross ist, dass dieses Stück den Ein- druck macht, als sei es das Bruchstück einer unvollkommen erhal- tenen, weit grösseren Schale. Das weite Vorspringen des Byssusohres von Avicula angulosa Leps. über den Vorderrand der Schale scheint darauf hinzudeuten, dass diese Art vielleicht in engerer Beziehung steht zu den grossen Pseudomonotis-Formen von Eisenerz in den Nord- alpen, die ihr in dieser Hinsicht ein wenig näher kommen. Das Schloss dieser Pseudomonotis-Arten aus der Gruppe der Pseudomonotis angulosa Leps. war ebenfalls bisher unbekannt. Durch einen Zufall lernte ich dasselbe kennen an einem von Hofrath Toula aus Kleinasien mitgebrachten Exemplare (aus Werfener Schiefer von Gebse; vergl. Toula: Eine geolog. Reise nach Kleinasien, im N. J. f M. 1899, I, S. 66). Es ist eine flache rechte Klappe, von der Innnenseite blossgelegt. Die Fläche derselben wird durch eine ziem- lich ausgesprochene Kante von dem schmalen Schlossfelde getrennt; dieses ist eben, undeutlich längsgestreift und in der Gegend des Wirbels, knapp hinter dem Beginne des Byssusauschnittes, von einer schief von oben und vorn nach unten und rückwärts sich verbreiternden, undeutlich begrenzten Bandgrube unterbrochen. Noch ist hinzuzufügen, dass Pecten vestitus Goldf. (= Pecten laevigatus v. Schloth. — Pleuro- neetites gen.) sich von den hier besprochenen Pseudomonotis-Formen auf den ersten Blick durch seinen sehr wenig entwickelten hinteren Flügel unterscheidet, der kleiner ist als sein vorderer Flügel, während bei den Pseudomonotis-Arten constant das umgekehrte Verhältniss herrscht. Pseudomonotis tenuistriata n. Sp. Taf. XV (2), Fig. 7. Die glatten Formen aus der Gruppe der Pseudomonotis angulosa und Ps. Telleri werden in den rothen Sandsteinen von Ravnau von einer ganzen Reihe anderer Typen, die berippt sind, begleitet. Diese Aviculiden, welche sich um Avicula Venetiana Hauer und Avicula inaequicostata Ben. gruppiren, müssen ihrer ganzen Gestalt nach ebenfalls zu Pseudomonotis gestellt werden. 91* 719 A. Bittner. | [24] Avicula Venetiana Hauer, die älteste der bekannten Arten dieser untertriadischen Aviculiden, ist leider auf sehr ungünstig erhaltene, verzerrte Stücke begründet, deren Hauptkennzeichen im meist ein- fachen Alterniren stärkerer und schwächerer Rippen besteht. Als das typische Exemplar bei Hauer muss Fig. 3 betrachtet werden; das- selbe ist nach der Höhe gestreckt, resp. in der Länge zusammen- geschoben, zeigt deutlich einen abgesetzten, durch eine Ausrandung getrennten vorderen Flügel und lässt ohne Mühe wahrnehmen, dass der hintere Flügel weit grösser, aber von der Schale nicht im mindesten abgesetzt war. Die Abbildung bei Hauer veranschaulicht das Gegentheil, einen hinteren Flügel, der ebenso scharf abgesetzt und noch kleiner ist als der vordere. Das ist falsch. Nach dem Gegensatze der Entwicklung der Flügel ist dieses Stück, Fig. 3, eine gewölbte linke Klappe eines sehr ungleichklappigen Aviculiden. Fig. 2b bei Hauer ist ebenfalls eine linke Klappe, in diagonaler Richtung verzerrt, einem Exemplare angehörend, bei dem die Rippen weniger gleichmässig alterniren. Aber auch Fig. 2a ist nicht etwa eine rechte, sondern wiederum eine linke Klappe, in einer Richtung verzerrt, die rechtwinkelig auf die Zerrungsrichtung der Klappe 2b verläuft. Der vordere kleine Flügel (in der Zeichnung oben) ist deutlich abgesetzt, der hintere Flügel (in der Zeichnung unten) ist nicht abgesetzt, sehr ausgebreitet und bei Hauer durchaus uncorrect wiedergegeben. Die Figuren 1a und 15 sind lediglich Reconstructionen der Figuren 2a und 2b; nur Fig. 15 kann einigermassen als der Natur ent- sprechend gelten, wenn man sich den hinteren Flügel entsprechend vergrössert denkt!). Rechte Klappen sind Hauer überhaupt nicht bekannt gewesen; man konnte fast mit Gewissheit voraussetzen, dass die rechte Klappe eine flache Deckelklappe mit vorderem Byssusohr gewesen sein müsse?2). Ob die von Hauer zu seiner Av. Venetiana gestellten Stücke zu einer Art gehören, ist nicht völlig ausgemacht, das Exemplar 25 besitzt nicht die regelmässig alternirenden Rippen von Exemplar Fig. 5 und nähert sich darin mehr der gleich zu be- sprechenden Avicula inaequicostata Benecke’s. Dass auch weiter abweichende Formen mit Avic. Venetiana vergesellschaftet sind, zeigt '!) Der Umstand, dass in Folge der mangelhaften Darstellung gerade dieser Art bei F. v. Hauer schon zu wiederholtenmalen (neuestens wieder bei E. Phi- lippiin Z. d. D. g. Ges., Jahrg. 1898, S. 613) Stimmen laut werden, die dahin gehen, dass Avicula Venetiana Hauer wohl ein Pectinide sei, veranlasst mich, eine erneuerte richtigere Abbildung dieser Art auf Grund der alten Originalien v. Hauer’s hier beizugeben (Taf. XV (2, Fig. 2, 3 und 4) und derselben eine Abbildung der beiden Originalstücke von Benecke’s Avicula inaequicostata Ben. hinzuzufügen (Taf. XV (2), Fig. 5, 6), um die nahe Verwandtschaft dieser Art mit Av. Venetiana Hauer zu zeigen. Beide gehören zu Pseudomonotis. Auch Pecten Fuehsi Hauer dürfte wohl zu Pseudomonotis zu stellen sein, trotz seiner dem liasischen Velopecten velatus Goldf. ähnlichen Sculptur. Schon das grosse hintere Ohr dieser Art spricht gegen deren Zugehörigkeit zu Velopecten Phil. °) In der That hat sich bei genauer Durchsicht der wenigen Gesteinsstücke von Agordo, welche die Originalexemplare dieser Art geliefert haben, nachträglich auf einem derselben die schattenhaft erhaltene, ganz flache rechte Klappe mit dem scharfabgesetzten Byssusohr gefunden, was bei der grossen Seltenheit dieser Klappe als ein besonders glücklicher Zufall gelten muss. ie A 2 0. ad tn Alte ee er u ee ee | [25] Beiträge zur Palaeontologie etc. 713 ein Stück, das in seiner weit gröberen Berippung Tommasis Avicula Taramellü gleicht !). Weit besser bekannt als Avicula Venetiana ist Benecke’s Avicula inaeguicostata?). Ihre Gestalt stimmt ganz überein mit jener der Pseudomonotis Telleri, der kleine, stark abgesetzte Vorderflügel contrastirt auffallend mit dem grossen, weiten, nicht abgesetzten hinteren Flügel, was zwar nicht aus den Abbildungen Benecke‘s, wohl aber aus der Vergleichung seines kleineren Originalexemplares (zu Fig. 5) — (Taf. XV [2], Fig. 5, wieder abgebildet) — hervorgeht, an welchem der hintere Flügel zum grössten Theile erhalten ist. Die Berippung dieser Art differenzirt sich zu drei Systemen von ver- schiedener Stärke, dieselbe ist demnach complicirter als bei dem typischen Exemplare der Av. Venetiana Hauer (Fig. 3). Immerhin stehen beide Arten einander recht nahe und sind auch, beispielsweise von Lepsius, für zusammenfallend angesehen worden. Lepsius Beschreibung selbst basirt aber andererseits zum Theile wieder auf der unrichtigen Darstellung v. Hauer’s. Auch Benecke bildet übrigens eine Avieula Venetiana Hauer auf derselben Tafel neben seiner Avicula inaequicostata ab, welche die Gestalt dieser Aviculiden gewiss richtiger wiedergibt, aber in der Berippung weit von Hauer’s Avieula Venetiana, und zwar in der entgegengesetzten Richtung, ab- weicht, so dass man an Hauer’s Pecten Fwchsi erinnnert wird, der nach einem Vergleiche des Originals wohl auch derselben Aviculiden- gruppe angehören dürfte, sich aber durch flachere Wölbung der (linken) Klappe und durch eine Berippung auszeichnet, die so ange- ordnet ist, dass zwischen zwei primären Rippen je drei nahezu gleich- starke schwächere liegen, von denen die mittlere kaum kräftiger hervortritt. Die Abbildung bei Hauer bringt das recht deutlich zum Ausdruck ®). Derartig berippte Formen haben sich auch im Werfener Schiefer der Nordalpen wiedergefunden. !) Salomon’s „Avicula Venetiana“, Palaeont. XLII, Taf. IV, Fig. 40, gehör nicht zu dieser Art. °®) Mit Av. inaequicostata vergesellschaftet kommen ebenfalls glatte oder nahezu glatte Pseudomonotis vor. 3) Auch Avicula striatoplicata Hauer gehört zur Gruppe der Pseudomono- tiden, besitzt aber eine schon sehr abweichende, bündelförmig angeordnete, feine Berippung. Hauer’s Abbildung ist das Spiegelbild der linken Klappe dieser Art, was übrigens fast für alle auf seiner Tafel III dargestellten Bivalven gilt und schon deshalb einigermassen störend wirkt, weil die Tafel I die Bivalven in natürlicher Stellung enthält. Eine weitere Pseudomonotis bei Hauer ist seine Avicula Zeuschneri (Taf. II. Fig. 3, 4). Figur 3 ist nach einer Skizze von Fuchs gefertigt, das Original zu Figur 4 liegt vor; es ist die Innenseite einer grossen oder linken Klappe und bei Hauer ebenfalls verkehrt wiedergegeben. Dieses Stück genügt nur für eine Fest- stellung des Genus, eine specifische Uebereinstimmung mit Avicula Zeuschneri Wissm. bei Graf Münster IV, S. 9, Taf. 16, Fig 1, kann nicht erwiesen werden. Diese ursprüngliche Avicula Zeuschneri Wissm. ist ganz sicher eine Pseudomonotis und würde nach der Beschreibung zu den Arten mit einfachen, gleich starken Rippen, also zu einem verschiedenen Typus, gehören. v. Schauroth’s Ar. Zeuschneri (Sitzber. d. W. Akad., Bd. 34, $. 318, Taf. II, Fig. 12) kann dann nicht identisch sein, denn Schauroth’s Art besitzt alternirende Rippen, wie Pseudom. Venetiana Hauer und Pseudom. inaequicostata Ben. und dürfte zu jenen Formen gehören, bei welchen die Hauptrippen besonders kräftig, ja knotig und 714 A. Bittner. [26] Gröber berippte, mit einzelnen kräftiger hervortretenden, oft rauhen oder selbst dornigen Rippen versehene Formen dieser Avi- culidengruppe sind oft als „Spondylus-“ oder „Hinnites“-Arten an- seführt worden. Dergleichen kommen besonders zu Grones im Abteythale häufiger vor, aber auch in den Nordalpen hie und da, so in einem rothen, grobsandigen Gestein zusammen mit Mwyoph. ovata im Miesenbache in Niederösterreich (in „Hernstein“ S. 44 als Avicula oder Aviculopeeten spec. angeführt) (Taf. XV [2], Fig. 9 u. 10), was mit Rücksicht auf den Gesteinscharakter der Ablagerung von Ravnau von besonderem Interesse ist. Zu diesen Formen gehören wohl auch die von Tommasi als Hinnites beschriebenen Stücke ?). Die Anzahl der in den rothen Sandsteinen von Ravnau in Bokhara eingeschlossenen berippten Pseudomonotis-Formen muss. eine ungewöhnlich grosse sein, da aus den wenigen, von Dr. Krafft mit- gebrachten Gesteinsstücken an 20 Einzelklappen solcher Formen, u. zw. durchwegs gewölbte linke Klappen, gewonnen werden konnten. Es lassen sich unter ihnen verschiedene Typen unterscheiden, nach der Art der Berippung, da sie in Bezug auf die sonstige Bildung einander durchaus äusserst nahestehen. In Hinsicht auf die Berippung unterscheidet man: | 1. Formen mit durchaus gleichförmigen, sehr feinen Rippen, so dass die Oberfläche der Schale gleichmässig feingestreift erscheint. Wird die Berippung ungleichmässig und verlöscht endlich völlig, so kommen solche Stücke den völlig glatten Formen der Angulosa-: und Telleri-Gruppe nahe. 2. Formen mit alternirender Berippung vom Typus der Avicula Venetiana Hauer und solche, bei denen ein Alterniren von Rippen, die dreierlei Systemen der Stärke nach angehören, stattfindet, wie bei Av. inaequwicostata Benecke. 3. Formen mit einer Anzahl stärker hervortretender, z. Th. rauher bis knotiger Rippen zwischen den feineren, somit Formen, die den oben erwähnten, meist zu Hinnites gerechneten Stücken der alpinen Werfener Schiefer nahestehen oder entsprechen. Dabei scheinen die feineren Zwischenrippen bisweilen ganz zu verschwinden. Es ist zu bemerken, dass alle diese anscheinend recht verschieden- artigen Typen untereinander durchaus eng verwandte Arten repräsen- dornig werden. Es ist interessant, in der Beschreibung v. Schauroth’s darauf hingewiesen zu finden, dass diese Art noch entschiedener als „Monotis“ Clarai mit „Monotis“ speluncaria des Zechsteines in ein Genus gehöre. Auch gibt die Zeichnung Schauroth’s ganz vorzüglich den Pseudomonitiden - Charakter def linken Klappe wieder, mag sie auch in Bezug auf die Berippung ungenau sein. Dass Schauroth Catullo’s „Lima gibbosa Sow.“ zu seiner Art hinzuzieht, spricht noch mehr für die Identität derselben mit Avicula Venetiana Hauer, da Catullo seine Stücke als von Agordo stammend bezeichnet, in dessen Nähe auch Av. Venetiana Hauer gefunden wurde. !) Eine jungpalaeozoische Vertreterin dieser Formen ist Pseudomonotis Garforthensis King. Derartige Pseudomonotis-Formen gehen in den alpinen Muschel- kalk hinauf, wie beispielsweise an der bekannten Fundstelle Kuhwieskopf bei Prags im Pusterthale. An einem von hier stammenden grossen Exemplare eines derartigen Hinnites (Spondylus) efr. comptus Goldf., das der Strassburger Sammlung gehört, gelang es mir, das grosse vordere Byssusohr der Pseudomonotiden an der flachen rechten Klappe bloszulegen. [27] Beiträge zur Palaeontologie etc. 115 tiren, so entfernt ihre Extreme auch gegenseitig zu stehen scheinen. Es sollen hier zunächst die feingerippten Formen besprochen werden, für die ein neuer Name eingeführt werden muss, der diesem Ab- schnitte voranstehende: Pseudomonotis tenuistriata n. sp. Dieselben vermitteln anscheinend!) zwischen den glatten Typen der Angulosa- und Telleri-Gruppe und den gerippten Formen aus der Verwandt- schaft der Avicula Venetiana und Av. inaequicostata. Die Umrisse, SO- wie die Gestaltung des Schlossrandes mit den Flügeln, endlich die Stärke der Wölbung der vorliegenden linken Klappe entspricht ganz jener von Av. inaequicostata benecke, die Oberfläche aber ist mit sehr feinen, gleichmässigen Rippen bedeckt, von denen in der Median- region der Klappe bei circa 20 mm Abstand vom Wirbel auf eine Distanz von 5 mm wohl über 11 (12—135) entfallen. Derartige feinbe- rippte Formen erreichen, wie es scheint, bisweilen eine beträchtliche Grösse, da ein Exemplar von über 45 mm Höhe vorliegt, das aber recht ungenügend erhalten ist; seine Berippung ist ein wenig ungleich, scheint die Neigung zu haben, ganz zu verlöschen, was an Ps. Telleri erinnert. Aehnliche fein- und gleichmässig gerippte Pseudomonotis-Formen treten auch im Werfener Schiefer der Alpen auf. Ein solches Stück, und zwar zufällig eine rechte flache Klappe, von der Innenseite, wurde bereits von F. v. Hauer als Avicula spec.? (l. c. Taf. IV, Fig. 1), abgebildet. Das vordere, durch einen auffallend tiefen Byssus- einschnitt abgetrennte Ohr wurde von Hauer übersehen, da es nicht ganz blossgelegt war. Es entspricht ganz dem Byssusohre von Pseud. Telleri. Das Exemplar stammt aus dem kalkigen grauen Werfener Schiefer (Posidonomyenkalke) von Gencenighe bei Agordo (Taf. XV [2], Fig. 16). Aehnliche feingerippte rechte Klappen sind von Herrn Bu- kowskian einer bosnischen Localität (bei Alilov&i) gesammelt worden. Herr Hofrath Prof. Toula fand eine hiehergehörige Form im Wer- fener Schiefer am Marmarameere auf (Mittheil. d. palaeont. Inst. d. Univ. Wien, XII, S. 5). Auch Avicula Zeuschneri Wissm. (die ursprüng- liche Form, nicht jene bei Schauroth) dürfte sich hier anreihen ?), wenn sie nicht zu einem weiteren Formenkreise gehört, bei denen nur die primären Rippen vorhanden sind. Pseudomonotis ex af. inaequicostatae Ben. Repräsentanten der alternirend feingerippten Gruppe sind in der Suite von Ravnau nur spärlich vertreten, immerhin können zwei oder drei Exemplare mit voller Sicherheit dieser Gruppe zugezählt werden, und zwar ist eines davon zarter und dichter berippt als Ps. Venetiana und Ps. inaequicostata zu sein pflegen, so dass es seinerseits !) Es ist aber mindestens ebenso wahrscheinlich, dass .die glatten Formen der Telleri-Gruppe mit dem 3. Typus der gerippten Arten zusammenhängen. wie gewisse noch unbeschriebene Formen aus dem Süd- Ussuri- Lande, aus den Alpen und aus Dalmatien erkennen lassen. ?) Sehr nahe zu stehen diesen feingerippten Pseudomonotis-Arten scheinen Aviculopecten altus und Aviculop. Pealei White aus der Bann von Idaho (12. Ann. Rep. 1883, I, S. 109, 110, Taf. 32, Fig. 3, 4). 716 A. Bittner. [28] wieder einen Uebergang von Ps. tenuistriata her bildet, während ein zweites Stück in Bezug auf seine Berippung eher der Ps. inaegui- costata entspricht, in der etwas beträchtlicheren Stärke und Rauhig- keit der Hauptrippen sich aber bereits einer Form aus dem rothen Werfener Schiefer des Pass Croce Domini in der I,ombardei, die von Benecke gesammelt wurde, nähert (Benecke: Trias und Jura in den Südalpen, 1866, S. 47), die zu dem hinnitoiden Typus hinführt. Die wenigen Stücke aus dieser Gruppe, die aus Bokhara vor- liegen, eignen sich wegen des Fehlens der Flügel nicht zu einer Abbildung. Die Formen dieser Gruppe erscheinen daher auf der bei- gegebenen Tafel durch die alpinen Arten Av. Venetiana und Av. inaequicostata repräsentirt. Pseudomonotis hinnitidea n. sp. Taf. XV (2), Fig. 8, 9 und 10. Unter voranstehendem Namen sei endlich der letzte der Typen der Pseudomonotis-Formen von Ravnau angeführt, d. h. die Formen mit einzelnen gröberen, theilweise rauhen oder selbst knotigen Rippen, zwischen denen die feinere Berippung mehr oder weniger zurücktritt. Diese gröbere Berippung scheint sich nie auf die Flügel zu erstrecken, die feingerippt oder fast glatt bleiben. Das Tafel XV (2), Fig. 8, abgebildete Exemplar ist eigentlich noch eine Uebergangsform von der Gruppe der Ps. inaequicostata her. Eine weit typischere, grobrippigere Form wurde Taf. XV (2), Fig. 9 aus dem rothem sandigen Werfener Schiefer von Miesenbach in Niederösterreich zur Abbildung gebracht; eine hiezugehörige Jugend- form von derselben Fundstelle stelit Fig. 10 dar. Die mehr Spondylus- artig sculpturirten Formen dieser Gruppe mit zahlreichen feineren Zwischenrippen sind besonders an der Localität Grones im Abteythale häufig. Ich hoffe demnächst bei Beschreibung der Arten der Werfener Schiefer auf dieselben näher eingehen zu können !)). Es mag nochmal hervorgehoben werden, dass alle die hier be- sprochenen gerippten Pseudomonrotiden des Werfener Schieferhori- zontes unter einander aufs engste verwandt sind und dass sie unter sich und gegenüber den glatten Formen der Angulosa-Gruppe kaum irgendwo eine scharfe Grenze erkennen lassen. Das ist ja auch der Fall bei der vielgestaltigen, ihnen zunächst stehenden Gruppe der Pseudom. speluncaria des Perm, wie ein Blick auf die Abbildungen dieser vielgestaltigen Art, beispielweise bei King, lehrt. Immerhin ist als Unterschied der alttriadischen, hier flüchtig besprochenen Pseudomonotis-Formen gegenüber der permischen Gruppe der Ps. speluncaria hervorzuheben die constant kräftigere Entwick- lung der Flügel, auch insbesondere des vorderen Flügels bei den triadischen Arten. Sie übertreffen in der Stärke der Entwicklung der Flügel auch ihre triadischen Verwandten, die Pseudomonotis - Formen aus den Gruppen der Ps. Clarai und Ps. ochotica. !) Hieher gehört auch die jungpalaeozoische Pseudomonotis Kazanensis Golov- kinsky. Mat. f. d. Geol. Russlands 1, Taf, IV; Waagen: Saltrange I, Taf. XXI [29] Beiträge zur Palaeontologie etc. 717 25) Aus den plattigen, mit dem rothen Sandsteine des Wer- fener Schiefers in Verbindung stehenden Kalken. Aus diesem Niveau liegen Versteinerungen von zwei Fundstellen vor. Die eine derselben liegt westlich von Ravnau (Provinz Darwas) und ist in den Aufsammlungen des Herrn v. Krafft nur sehr ärmlich vertreten. Neben kleinen nicht näher bestimmbaren Bivalven, die z. Th. Aviculiden oder Gervilleien, z. Th. myacitenartige Formen sein mögen, liegen von da Bruchstücke grösserer gerippter Arten von Pseudomonotis oder FPeeten vor. Ein Gesteinsstück ist oolithisch ausgebildet. Der zweite Fundort kalkigen Gesteins liegt zwischen Pass Langar und Eligawara und ist durch einige Platten eines grauen Kalkes repräsentirt, dessen eine Schichtfläche ganz überdeckt ist von abgewitterten Schalen einer ansehnlich grossen Pseudomonotis- Art, die möglicherweise auch unter den Bruchstücken der ersteren Localität vertreten ist. Pseudomonotis bocharica nov. spec. Taf. XV (2), Fig. 1. Da die Umrisse hinreichend genau zu erkennen sind und die Schale stellenweise, insbesondere auch an den Ohren, resp. Flügeln, erhalten ist, kann diese Art immerhin genügend charakterisirt werden. Es liegen nur linke Klappen vor. Die Länge derselben weicht nicht auffallend von deren Breite ab, sie erscheinen daher gleichmässiger gerundet und weniger hoch als die Arten aus der Gruppe der Pseudo- monitis angulosa Lepsius und Venetiana Hauer, erinnern mehr an jene der Pseudomonotis Clarai Buch. Das gilt auch für die Wölbung der linken Klappe, die eine weit flachere ist als jene der erst- genannten Formengruppen. Der Schlossrand ist ansehnlich lang, seine Länge beträgt wohl an */, der Gesammtlänge; darin steht die Form in der Mitte zwischen den Typen mit kürzerem Schlossrande (Av. Olarai) und jenen mit sehr langem Schlossrande, wozu Av. Venetiana und Av. angulosa gehören. Der Schlossrand wird vom Wirbel mässig überragt und in einen vorderen kürzeren und einen längeren hinteren getheilt. Dem ersteren entspricht ein wohldifferenzirter, deutlich von der Schale abgesetzter, durch eine randliche Einschnürung von ihr seschiedener vorderer Flügel, resp. ein vorderes Ohr, während der breite hintere Flügel sich ohne deutliche Absetzung unmittelbar an die Hauptwölbung der Schale anschliesst. Die Berippung der Schale ist eine recht eigenthümliche. Es sind breite, flache Rippen mit je einer schmäleren Zwischenrippe, z. Th. ein wenig unregelmässig alternirend, durch sehr schmale und seichte Furchen getrennt, vorhanden, über weiche eine dichte, stark entwickelte und schuppig hervortretende Anwachsstreifung verläuft. Auf der Mitte der Schale scheint diese Structur bisweilen recht verschwommen zu sein, an den Flügeln tritt sie kräftiger auf, und zwar sind am hinteren Flügel nächst dem Schlossrande die Radial- rippen ein wenig schmäler und höher, fast ohne Zwischenrippen, am Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (A. Bittner.) 92 118 A. Bittner. [30] vorderen Flügel dagegen noch theilweise von der besonders kräftigen, schuppigen Querstructur unterbrochen und durch sie verwischt. In dem Ausschnitte unterhalb dieses Flügels biegt sich die Anwachs- streifung deutlich nach einwärts, entsprechend der Byssusspalte der entgegengesetzten Klappe. Letztere mag wohl sicher sehr flach gewesen sein und ein wohlentwickeltes vorderes Byssusohr besessen haben. Es ist mir unter den Pseudomonotis- Arten der alpinen Trias bisher keine dieser Art verwandte Form bekannt geworden. Hiemit ist die Aufzählung der von Dr. v. Krafft mir zur Bestimmung übergebenen Materialien aus Bokhara erschöpft. Vor allem Interesse beansprucht die sub 2a angeführte Fauna der rothen Sandsteine von Ravnau in der Provinz Darwas. Sie besteht aus folgenden Arten: Meekoceras (2) caprilense Mojs. Naticella spec. Pleurotomaria (?) spec. Myacites (Anodontophora) efr. fassaönsis Wissm. Myophoria ovata Goldf. S laevigata Goldf. (die herrschende Art!) Pseudomonotis Telleri n. sp. h, tenuistriata n. sp. 3 aff. inaequicostatae Ben. > hinnitidea n. sp. Alle diese Arten fast ausnahmslos sind in den oberen Werfener Sehiefern der Alpen nachgewiesen, was speciell auch für die neu- beschriebenen Pseudomonotis- Formen gilt. Einzelne Localitäten der alpinen Werfener Schiefer gleichen dem Vorkommen von Ravnau in Bokhara sowohl in der Fauna als in der Gesteinsbeschaffenheit in ausserordentlichem Masse, so beispielsweise gewisse Lagen rother Sandsteine mit Pseudomonotis hinnitidea, Myophoria ovata und Myacites von Miesenbach und von Höflein in Niederösterreich, an anderen ist trotz abweichender Gesteinsbeschaffenheit die Fauna nahezu Art für Art identisch, was insbesondere für den Fundort Kasparstein (Kas- bauerstein) bei St. Paul in Kärnten gilt, der neben einer Menge der verschiedenartigen Pseudomonotiden auch Myophoria ovata und Mya- citen geliefert hat. Die Uebereinstimmung der Fauna der oberen Werfener Schiefer der Alpen mit jener von Ravnau in Bokhara ist demnach eine so vollkommene, dass der rothe Myophoriensandstein von Ravnau mit voller Sicherheit für ein Aequivalent des oberen Werfener Schiefers erklärt werden darf. Tafel XIV (). Beiträge zur Palaeontologie, insbesondere der triadischen Ablagerungen centralasiatischer Hochgebirge. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. 93 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. von up pen Erklärung zu Tafel XIV (1). } Myophoria Darwasana nov. sp. Zwei rechte Klappen. S. 700 [12]. Dieselbe Art; rechte Klappe der var. brevis. S. 701 [13]. ? Avicula spec. Linke Klappe. S. 702 [14]. Clidophorus spec. Steinkern der linken Klappe. S. 702 [14]. Martinia Kraffti n. sp. Beidklappiges, an der Stirn verdrücktes Exem- plar. S. 703 [15]. Dieselbe Art. Grosse Klappe ohne ausgeprägten Sinus. Dieselbe Art. Eine grosse Klappe mit deutlichem Sinus. Dieselbe Art. Eine kleine Klappe. Dieselbe Art. Arealpartie blossgelegt. Dieselbe Art. Schliff durch den Schnabel. Dieselbe Art. Drei Schliffe, um die Zahnstützen zu zeigen. Martinia glabra Sow. sp. Schliff mit den Zahnstützen. S. 704 [16]. Reticularia lineata Sow. sp. Schliff mit den Zahnstützen. — Fig. 13 und 14 nach Stücken aus dem Bergkalke von Vise, zum Vergleiche mit Fig. 12. 8. 704 [16]. \ Meekoceras (2) caprilense Mojs. Zwei Exemplare von verschiedener Grösse. Meekoceras (?) caprilense Mojs. Ein alpines Exemplar zum Vergleiche mit Fig. 15 und 16. Mendel in Tirol. Fig. 17a dessen Lobenlinie. S. 705. Lobenlinie eines grösseren Exemplares von Meekoceras (?) caprilense Mojs. aus Sulzbach in Steiermark. Pleurotomaria sp. in zwei Ansichten. S. 707 [19]. = } Myophoria ovata Goldf. S. 708 [20]. Myophoria laevigata Goldf. S. 709 [21]. Dieselbe Art; ein kürzeres Exemplar. S. 709 [21]. Alle Stücke dieser Tafel, bei denen keine besondere Fundortsangabe bei- gefügt ist, stammen aus Bokhara. A Bittner : Petrefacte aus Bokhara. 3. Te E ra er LillıAnst v.Th.Bannwarth Wien. A.Swoboda.n.dNat gez.ulith. Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt. Band XLVIIl.1898. Verlag der kk.Geologischen Reichsanstalt,Wien.lll.Rasumoffskygasse 23. r > a Tafel XV (2). Beiträge zur Palaeontologie, insbesondere der triadischen Ablagerungen centralasiatischer Hochgebirge. (>) 93* Erklärung zu Tafel XV (2). Fig. 1. Pseudomonotis bocharica n. sp. Aus mehreren Stücken reconstruirte linke Klappe. Bokhara. S. 717 [29]. Pseudomonotis (Avicula) Venetiana Hauer sp. Hauer’s Original zu seiner Fig. 3. Verzerrte linke Klappe. Agordo. S. 712 [24]. Fig. 3. Dieselbe Art. Hauer’s Original zu seiner Fig. 2b. Verzerrte linke Klappe. Agordo. Fig. 4. Dieselbe Art. Reconstruction der linken Klappe zum Vergleiche mit Hauer’s Fig. 15. Agordo. Fig. 5 Pseudomonotis (Avicula) inaequicostata Ben. Das von Benecke Fig. 5 abgebildete kleinere Original in natürlicher Grösse und zweifach ver- grössert. Linke Klappe mit ziemlich vollständig erhaltenem hinteren Flügel. Borgo. 8. 713 [25]. Fig. 6. Dieselbe Art. Benecke’s Original zu dessen Fig. 6. Linke Klappe, um den Unterschied der Berippung gegenüber Pseudom. Venetiana zu zeigen. Borgo. Fig. 7. Pseudomonotis tenwistriata n. sp., eine fein- und gleichmässig gerippte Form; linke Klappe. Bokhara. S. 711 [23]. Fig. 8. FPseudomonotis spec. Uebergang von der feiner berippten Ps. inaeqwi- costata Ben. zu der rauhrippigen Ps. hinnitidea m. Linke Klappe. Bokhara. S. 716 [28]. Fig. 9. Pseudomonotis hinnitidea n. sp. Linke Klappe eines grösseren Exemplars mit Verschiebungen der Rippen durch die Anwachsringe. Miesenbach. S. 716 [28]. Fig. 10. Dieselbe Le Klappe eines jagendlichen Exemplars. Miesenbach. Fig. 11. Pseudomonotis Telleri n. sp. Linke Klappe eines Exemplares aus Bokhara. S. 710 [a2]. Fig. 12. Dieselbe Art. Linke Klappe von St. Paul in Kärnten. S. 710 [22]. Fig. 13. Dieselbe Art. Ein wenig schiefgedrückte linke Klappe von Ober-Seeland in Kärnten. Fig. 14. Dieselbe Art. Flache linke Klappe von Ober-Seeland in Kärnten. Fig. 15. Dieselbe Art. Linke Klappe von der Loiblstrasse in Kärnten. (Prof. A. Brunlechner coll.) Fig. 16. Fseudomonotis sp. vom Typus der Ps. intermedia m. (Fig. 7). Flache, linke Klappe von der Innenseite, Original zu F. v. Hauer’s Avicula sp., Taf. IV, Fig. 1. S. 715 [27]. es) = u DD Von den auf dieser Tafel abgebildeten Pseudomonotis-Arten stammen die Exemplare Fig. 1, 7, 8 und 11 aus Bokhara, alle übrigen aus dem Werfener Schiefer der Alpen. Die auf beiden Tafeln abgebildeten Stücke gehören der Sammlung der geol. Reichsanstalt in Wien an, mit Ausnahme der beiden Originale zu Taf. II, Fig. 5 und 6 (Pseudomonotis inaequicostata Ben. sp.), welche Eigenthum der Strassburger Sammlung sind. Leider sind diese beiden Stücke nicht mit der wünschenswerthen Genauigkeit wiedergeben worden, insbesondere dürfte Fig. 6 ein wenig zu schief gestellt sein. A Bittner : Petrefacte aus Bokhara. Taf.XV.M. A.Swoboda nd.XNat Sez.ulith. Litlı Anst v. Th. Bannwarfh Wien. Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt. Band XLVII.1898. Verlagderkk.beologischen Reichsanstalt,Wien,ll.Rasumoffskygasse 23. Zur Erinnerung an Dr. Leopold Tausch von Glöckelsthurn. Von Dr. Julius Dreger. Der Beginn des neuen Jahres brachte unserer geologischen Anstalt einen herben, schweren Verlust. In der Nacht vom 1. auf den 2. Jänner 1899 starb hier nach einem zweimonatlichen schweren Krankenlager Dr. Leopold Tausch von Glöckelsthurn, Ad- jJunkt der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Der schon im 41. Lebensjahre so jäh Dahingeraffte stammte aus einer angesehenen österreichischen Beamtenfamilie. Sein Vater war, als Leopold am 15. Februar 1858 in Pest geboren wurde, dort- selbst kaiserlicher Beamter und starb als k. k. Bezirkshauptmann in Schärding (Oberösterreich), auch noch in jüngeren Jahren, in Folge eines Herzfehlers. Nachdem Leopold von Tausch das Gymnasium in Linz an der Donau vollendet hatte, bezog er die Wiener Universität und befasste sich hier hauptsächlich mit naturwissenschaftlichen Studien. Mit besonderer Verehrung und Liebe hing er an seinem Lehrer, Professor Dr. Melchior Neumayr, welcher auch ohne Zweifel den wesentlichsten Einfluss auf seine weitere wissenschaftliche Entwick- lung genommen hat und auf dessen Anregungen wohl auch die wert- vollen palaeontologischen Specialstudien zurückzuführen sind, welche von Tausch in der Folge veröffentlicht hat. Als Palaeontologe muss L. v. Tausch als ein Schüler Neumayr’s bezeichnet werden. Im Jahre 1882 wurde von Tausch an der Wiener Univer- sität zum Doctor der Philosophie promovirt. Seine Dissertation han- delte: „Ueber cretacische Süsswasserconchylien aus den Kohlen- bildungen von Ajka im Veszprimer Comitate“. Nachdem von Tausch in den Jahren 1881—1885 wiederholt mit der Stellvertretung des zeitweilig beurlaubten Assistenten der palaeontologischen Lehrkanzel der k. k. Universität in Wien betraut war, wurde er vom 1. Jänner 1884 dessen Nachfolger. Als Universitäts-Assistent nahm er im Jahre 1885 an einer wissenschaftlichen Reise Professor Neumayr’s nach Griechenland theil und blieb einige Wochen in Pikermi in Attika zurück, um die Ausgrabungen in den pliocänen Knochenanhäufungen, welche dort in dem rothen Lehm auftreten, zu beaufsichtigen. Jahrbuch d. k. k. geal. Reichsanstalt, 1898, 48. Band, 4. Heft. (J. Dreger.) 99* 720 Dr. Julius Dreger. [2] Seinen eifrigen Bemühungen verdankt das palaeontologische Museum der Wiener Universität eine reiche Sammlung interessanter Thierformen, welche das Hauptmaterial zu der Arbeit Anton Weit- hofer’s über die Fauna von Pikermi (Beiträge zur Kenntniss der Fauna von Pikermi bei Athen. Beiträge zur Palaeontologie Oester- reich-Ungarns, Bd. VI, S. 225, Wien 1888) darstellen. Neben einigen neuen Species enthält die Aufsammlung auch die neue Antilopen- Gattung Helicophora W eithofer, welche in die Gruppe der Gazelien gehört. Im Anschlusse an die geologischen Untersuchungen M. Neu- mayr’s und F. Teller’s in Thessalien unternahm von Tausch nach Beendigung seiner Arbeiten in Pikermi, eine Studienreise in die Kreide- und Tertiärbildungen zwischen Pharsala und Domokos. Noch im selben Jahre (am 1. August 1885) wurde von Tausch zusammen mit dem auch schon verstorbenen C. Freih. von Camerlander zum Praktikanten der k.k. geologischen Reichsanstalt ernannt, nach- dem er bereits 1882 als Volontär in die Anstalt eingetreten war. Ende des Jahres 1891 wurde er zum Assistenten und ein Jahr später zum Adjunkten an der genannten Anstalt befördert. Im Jahre 1888 begleitete von Tausch den Oberbergrath Dr. G. Stache in das südliche Istrien, um an dessen Untersuchungen über die Wasserversorgung Polas theilzunehmen. Dr. von Tausch erwies sich sowohl als Feidgeologe im schnellen Erfassen und richtigen Beurtheilen der geologischen Ver- hältnisse, als auch als palaeontologischer Forscher tüchtig und ge- wissenhaft, wie aus den von ihm hergestellten geologischen Karten und aus seinen zahlreichen Schriften zur Genüge erkannt werden kann. Seine geologischen Aufnahmen betrafen Gebiete in West-Galizien, Schlesien und Mähren. Ueber die geologischen Kartirungsarbeiten Dr. L. von Tausch’s gibt folgende Tabelle Aufschluss: ial- r aufgenommen Special-Kartenblatt 1: 75.000 den errer Saybusch Ir ankiningnn 3% Zone 7, Col. XX 1886, 1887 Neutitschein (Theil südl. der Oder) Ey gr ie nn. .Ädy un. . A V111.1887, 2888,.1892°), 18957) Weisskirchen in Mähren ln südl. der Beczwa)?). a 1888, 1895 ®) Prossnitz und Wischau. U1.dEH SUN 1889 Boskowitz und Blansko | „ 8 ,„ XV 1890, 1891, 1892, 1895 ®) AWALET ITEM 5 4 0 301 Ba SR | 1892 Auspitz und Nikolsburg°) . ED RE RE 1896, 1897 Bronn „act, Bi FR ETZEEHE Be BE en 1% 1898 !) Zusammen mit Dr. V. Uhlig. ”) Den übrigen Theil des Blattes wird Oberbergrath Dr. E. Tietze aufnehmen. °) Zusammen mit Öberbergrath C. M. Paul. *) Revisionstouren. [? 3 Zur Erinnerung an Dr. Leopold’ Tausch von Glöckelsthurn. 17971 8 Die durch gesperrte Lettern hervorgehobenen Kartenblätter Prossnitz—Wischau, Boskowitz—Blansko und Austerlitz sind bereits im Farbendrucke erschienen und in der ersten Lieferung geologischer Karten von Oesterreich, welche von der k. k. geologischen Reichs- anstalt herausgegeben werden, enthalten. Zu den beiden ersteren Blättern hat von Tausch auch noch die Erläuterungen verfasst. Es war dies seine letzte Arbeit, die er theilweise schon im Kranken- bette herstellte.e Er war noch voller Hoffnung für die Zukunft, als ihm diese letzte Arbeit im Drucke vorgelegt werden konnte. Aber nicht nur auf rein wissenschaftlichem Gebiete beschränkte sich die Thätigkeit von Tausch’s. In den letzten Jahren bot sich ihm Gelegenheit, seine erworbenen Kenntnisse und seine Fähigkeit, geologische Verhältnisse schnell und richtig. aufzufassen, für prak- tische Zwecke verwerthen zu können. Im Jahre 1896 ging von Tausch auf Wunsch der k. k. Be- zirkshauptmannschaft Kimpolung in die Bukowina, um ein Gutachten in Betreff eines Schutzgebietes für. die Heilquellen von Dorna Watra und den Säuerling von Pojana Negri (beide Quellen im Besitze des griechisch-orientalischen Religionsfonds) abzugeben. Bei dieser Ge- legenheit fand von Tausch auch das Vorkommen von mesozoischen Kalken und Menilitschiefern in der Umgebung von Koszezuja bei Mold.-Banilla auf. Im Frühjahre vergangenen Jahres besuchte von Tausch wäh- rend eines vierwöchentlichen Urlaubes den westlichen Kaukasus und Theile der Krim in Russland, um das dortige Petroleumvorkommen für englische Unternehmer zu untersuchen und sein Gutachten ab- zugeben. Befriedigt über seine dortige Thätigkeit langte er in Wien wieder ein und wurde alsbald, noch lebhaft unter den Eindrücken seiner russischen Reise stehend, auf Verlangen des hohen k. k. Eisen: bahnministeriums nach Ostgalizien entsendet, um daselbst ein Urtheil über die geologische Unterlage einiger Projectstracen der k. k Staats- bahnen abzugeben. Er legte die Ergebnisse seiner Untersuchungen in einem ausführlichen Berichte an das k. k. Eisenbahnministerium nieder, welches ihm auch seine Befriedigung über seine dortige Thätigkeit ausdrückte. Dann begab er sich nach Mähren in das Blatt Brünn, dessen geologische Kartirung ihm von der Direction der geologischen Reichs- anstalt zugewiesen worden war. Bevor er seine Aufnahmszeit für das Jahr 1898 ganz vollendet hatte, wurde er Ende October nach Wien berufen, um die letzten Correceturen an den damals im Drucke be- findlichen geologischen Karten von Boskowitz—Blansko und Pross- nitz — Wischau zu besorgen und die textlichen Erläuterungen zu vollenden. Bald darauf erkrankte er an einem Herzleiden und sollte Wien nicht mehr verlassen. Seine Gesundheit war, ohne dass er und seine Freunde es wussten, schon seit längerer Zeit erschüttert, und so mögen seine letzten anstrengenden Reisen mit Veranlassung gewesen sein, dass er so plötzlich einer Krankheit erlegen ist, durch deren rechtzeitige und 122 Dr. Julius Dreger. [4] sründliche Behandlung er der Wissenschaft und seinen Freunden noch lange hätte erhalten bleiben können. Er war bis zu seinen letzten Stunden von der freudigen Hoffnung erfüllt, dass er in kurzer Zeit wieder soweit hergestellt sein werde, um zu seiner gänzlichen Erholung mit seiner von ihm innig geliebten zweiten Frau nach dem Süden reisen zu können. Seine Arbeitsfreudigkeit verliess ihn erst in den letzten Tagen. Viel hat die geologische Reichsanstalt in Dr. v. Tausch ver- loren, noch mehr aber seine zahlreichen Freunde, die seine persön- lichen guten Eigenschaften, sein stets heiteres Gemüth, seinen offenen Charakter zu schätzen wussten. Unser armer Freund hinterlässt eine Witwe, die ihn mit hin- sebungsvollster Liebe bis zum letzten Augenblicke gepflegt hatte, nachdem sie durch mehrere Jahre mit ihrem Gemahle in glücklicher Ehe gelebt hatte. Den Schmerz um den Gatten theilt sie mit seiner Schwester Anna von Tausch, welche der herbe Schlag um so schwerer trifft, als sie in ihm ihren einzigen Bruder verloren hat, an dem sie besonders seit dem Tode der Mutter in hingebungsvoller Liebe hing. Seine zahlreichen Freunde denken mit innigster Wehmuth an ihren so jung zur ewigen Ruhe gegangenen Kameraden. Möge ihm die Erde leicht werden! Verzeichniss der Schriften L. v. Tausch’s. 1883. Ueber Funde von Säugethierresten in den lignitführenden Ablage- rungen des Hausruckgebirges in Oberösterreich. Verh.d.k. k. geol. R.-A., S. 147, und Berichtigung zu diesem Aufsatz (Literaturver- zeichniss). Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 181, Wien. 1884. Die von Prof. Dr. C. Doelter auf den Capverden gesammelten Con- chylien. Jahrb. d. Deutsch. Malakol. Gesellsch. Cassel. Ueber einige Conchylien (Pyrgulifera und Fascinella) aus dem Tanga- nika-See und deren fossile Verwandte. Sitzungsber. d. Akadem. d. Wissensch., I. Abthlg., Bd. XC., Juli-Heft. Wien. 1835. Ueber die Beziehungen der neuen Gattung Durga, G.Böhm zu den Megalodontiden, speciell zu Pachymegaladon Gümb. Verh. d. k.k. geol. R.-A., S. 165, Wien. Reisebericht über Thessalien. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 250. Wien. 1856. Ueber die Fauna der nicht-marinen Ablagerungen der oberen Kreide des Usingerthales bei Ajka im Bakony und über einige Conchylien der Gosaumergel von Aigen bei Salzburg. Abhandl. d. k. k. geol. R.-A., Bd. XII, Nr. 1. Wien. [5] Zur Erinnerung an Dr. Leopold Tausch von Glöckelsthurn. 123 Ueber die Beziehungen der Fauna der nicht-marinen Kreideablage- rungen von Ajka im Bakony in jener der Laramiebildungen Nord- amerikas. Verh. d.k. k. geol. R.-A., S 180. Wien. I. Reisebericht aus Saybusch. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 241. Wien. II. Reisebericht aus der Gegend von Saybusch, ibid. S. 317. 1887. Einiges über die Fauna der grauen Kalke der Südalpen. Verh. d.k. k. geol. R.-A., S. 187. Wien. I. Reisebericht aus RoZnau, ibid. S. 221. II. Reisebericht (Blatt Neutitschein), ibid. S. 284. 1888. Aufnahmsbericht über die Gegend von Saybusch. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 166. Wien. Ueber die Fossilien von St. Briz in Südsteiermark, ibid. S. 192. Reisebericht (Blatt Mähr.-Weisskirchen), ibid. 243. 1889. Bericht über die geologische Aufnahme der Umgegend von Mährisch- Weisskirchen. Verh. d.k. k. geol. R.-A., S. 135, Wien, und Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., S. 405. Ueber einige nicht-marine Conchylien der Kreide und des steierischen Mioeäns und ihre geographische Verbreitung, ibid. S. 157. Miocän bei Leipnik, ibid. S. 275. Reisebericht: Aufnahmsblatt Prossnitz—Wischau, ibid. S. 276, 1590. Zur Kenntniss der Fauna der grauen Kalke der Südalpen. Abhand- lungen d. k. k. geol. R.-A., Bd. XV, Heft 2. Wien. Ueber eine tertiäre Süsswasserablagerung bei Wolfsberg im Lavantthale (Kärnten) und deren Fauna. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 95. Wien. Reisebericht aus Mähren (Blansko und Adamsthal), ibid. S. 222. 1891. Bericht an die Direction d. k. k. geol. R.-A. über eine aus dem Fonde der Schlönbach-Stiftung subventionirte Studienreise nach Süd- deutschland. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 35. Wien. Ueber Conchodus (Conchodon Stopp.) aus der alpinen Trias, ibid. S. 75. Vorlage des Blattes Prossnitz und Wischau (Zone 8, Col. XVI), ibid. S. 183. Bemerkungen zu Paul Oppenheim’s Arbeit: Die Land- und Süss- wasserschnecken der Vicentiner Eocänbildungen. Eine palaeontolo- gisch-zoogeographische Studie (LVII Bd. d. math.-naturw. Classe der k. Akad. der Wissenschaften, Wien 1890, S. 113—150, mit 5 Taf.), ibid. S. 198. Bemerkungen über einige Fossilien aus den nicht-marinen Ablage- rungen der oberen Kreide des Csingerthales bei Ajka, ibid S. 207. Reisebricht von Tischnowitz, ibid. S. 248. Zweiter Reisebericht. Geologische Mittheilungen aus der weiteren Umgebung von Tischnowitz, ibid. S. 289. 7924 Dr. Julius Dreger. [6] 1892. Offene Antwort auf eine von Herrn Prof. Dr. Georg Böhm in seiner Arbeit „Lithiotis problematica“ (Berichte der naturforsch. Gesell- schaft in Freiberg i. B., Bd. VI, Heft 3, S. 65) an mich gerichtete Frage. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 117. Wien. Geologische Aufnahme der Umgebung von Tischnowitz, ibid. S. 178. Zur Megaledusfrage, ibid. S. 419. Ueber die Bivalvengattung Conchodus und Conchodus Schwageri n. f. aus der obersten Trias der Nordalpen. Abhandlungen der k.k. geol. R.-A., Bd. XVII, mit 3 Tafeln. Wien. 1893. Bericht über die geologische Aufnahme des nördlichen Theiles des Blattes Austerlitz. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 145. Wien. Resultate der geol. Aufnahme des nördlichen Theiles des Blattes Austerlitz nebst Bemerkungen über angebliche Kohlenvorkomm- nisse im untersuchten Culmgebiete. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. XLIII, S. 257. Wien. 1894. Die Phyllitgruppe im Blatte Boskowitz und Blansko. Olivindiabas von Czerwir. Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 321. Wien. Erwiderung an Herrn Prof. A. Rzehak in Brünn bezüglich seiner Ausführungen über die geologische Aufnahme des nördlichen Theiles des Blattes Austerlitz, ibid. S. 377. 1895. Schluss der geologischen Aufnahme im Blatte Boskowitz und Blansko. 1396. Ueber die krystallinischen Schiefer- und Massengesteine, sowie über die sedimentären Ablagerungen nördlich von Brünn. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., 1895, S. 265. Wien. Vorlage des geologischen Blattes Boskowitz und Blansko (Zone 8, Col. XV.). Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 189. Wien. Bericht über geologische Beobachtungen bei einigen Tertiärvorkomm- nissen im Innviertel (Oberösterreich) und in einem Theile von Nieder- und Oberbayern. ibid. S. 304. | 1897. Einiges über die geologischen Verhältnisse im Blatte „Auspitz und Nikolsburg“* (Zone 10, Col. XV). Verh. d. k. k. geol. R.-A., S. 158. Wien. 1898. Ueber ein ausgedehnteres Graphitvorkommen nächst .Kollowitz bei Budweis in Südböhmen. Verh.d.k.k. geol. R.-A., S. 182. Wien. Erläuterungen zur Geologischen Karte NW-Gruppe Nr. 67, Prossnitz und Wischau. Geol. R.-A. Wien. Erläuterungen zur Geologischen Karte NW-Gruppe Nr. 66, Boskowitz und Blansko. Geol. R.-A. Wien. Gesellschafts-Buchdruckerei, Brüder Hollinek, Wien, III., Erdbergstrasse 3 Inhalt. Heft 3 und 4. Beiträge zur Parallelisirung der‘ Miocänbildungen des piemontesischen Tertiärs ınit denen: des Wiener Beckens. (Nach Studien ausgeführt im Frühjahre 1898.) Von’ Franz 'Schaffer. Mit 2 Profilen im Texter: 20,2, 2 A ERNEST RETTEN re 2,0809 Studien über unterirdische Wasserbewegung. 1; Die Thermalquellen von Teplitz und: ihre Geschichte. II. Die Schwimmsandeinbrüche ‘von Brüx. Von Dr. Franz E. Suess; Mit 3. Tafeln (Nr. X— XI) und Kalte 4. Zinkotypien Im Text nn ER N RE 425 Geologische. Uebersichtskarte der Insel Rhodus. Aufgenommen und er- EN, DR läutert von Gejza von Bukowski. Mit Tafel XHI. . .... PER N yo Beiträge zur 'Palaeontologie, insbesondere der triädischen Ablagerungen RT centralasiatischer Hochgebirge, y A. Bittn er. Mit 2 uidad x Ne RIVER VE a RE Er A 689 Seite Zur Erinnerung an Dr. Leopold Tausch von Glöekelsthurn, KR Dr. Inlüs Dreget. os mr uant RE Be REN Rn 0 a nd 4 nr R | NB. Die Autoren allein sind für den Inhalt und die Form ihrer Aufsätze verantwortlich. BER "Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Bollinek, Wien, ‚Ul., Erdbergstrasse 8. EEE. CALIF ACAD OF SCIENCES LIBRARY Ill II IN 3 1853 10006 0495 re ET] In van vn puanmanen enge en | \) Pan —_ eu \ . \ I} a ’ Fr 2x I 8 1% l r h; » x ı \ \ a x 1) Y A ir m vn P we 22 223} ne gen I2u fie