Jahrbuch
der
Königlich Preussischen geologischen
Landesanstalt und Bergakademie
zu
Berlin
für das Jahr
1556.
Berlin.
In Commission bei der Sımon ScHrorp’schen Hof-Landkartenhandlung
(J. H. Neumann).
1887.
2/1 18
Inhalt.
I.
Mittheilungen aus der Anstalt.
Bericht über die Thätigkeit der Königl. geologischen Landesanstalt
im «Jahre 1880 2 0000 ee:
Arbeitsplan für die geologische Landesaufnahme im Jahre 1887 . .
Mittheilungen der Mitarbeiter der Königlichen geologischen Landes-
anstalt über Ergebnisse der Aufnahmen im Jahre 1856 . . . .
K. A. Lossex: Ueber Aufnahmen auf den Messtischblättern Elbinge-
rode, Wernigerode und Harzburg im nördlichen Mittelharze
M. Kocn: Ueber Aufnahmen auf den Sectionen Wernigerode und
Blbirtnero der ee.
:)
v. Korsen: Ueber Untersuchungen in dem Gebiete westlich des
Hlarzes re Be er
J. G. Borsemany sen.: Ueber Aufnahmen auf Section Wutha . .
G. Borsenass jun.: Ueber Aufnahme der Section Fröttstedt . .
Brysentas: Ueber Aufnahmen auf den Blättern Salzungen und
Alt orsc hen
E. Zimmermann: Ueber Aufnahmen anf Section Crawinkel . . .
H. Lorerz: Ueber Aufnahmen im Bereiche der Blätter Königsee
und Schwarz UNS We Er
H. Prosscnowpr: Ueber Aufnahmen und Revisionen der Sectionen
Hildburghausen, Dingsleben, Themar und Schwarza . . .
K. Orsvere: Ueber Aufnahme der Section Neukirchen . . . .
H. Greee: Ueber die Aufnahmen an der Mosel, Saar und Nahe
Scenürze: Ueber Aufnahmen in der Umgegend von Waldenburg .
M. Scnorz: Ueber Aufnahmen in den Sectionen Brandenburg a/H.
und Plaue und über die im der zweiten Hälfte des
Sommers 1837 erfolgten Untersuchungen im östlichen Rügen
H. Gruner: Ueber Aufnahmen auf den Sectionen Parey und Werben
a
Seite
IX
XIX
xXXV
XXV
XXX
XXXVI
XXXVII
XXXVII
XLI
XLVI
L
LIIL
LVI
LYI
LXVII
LXXI
LXXIX
Seite
A. Jentzson: Ueber Aufnahmen in Westpreussen . . 2. 2... LXXXIV
R. Kress: Ueber Aufnahme der Section Falkenau.. . . . . . LXXXVII
Hexry Scnhröpver: Ueber die Aufnahme der Section Rössel und des
östlichen Theiles der Section Heilige Linde . . . . . LXXNXVI
49 Bersonal- Nachrichten 2 Er xcI
11.
Abhandlungen von Mitarbeitern der Königl. geologischen
Landesanstalt.
Ueber postglaciale Dislokationen. Von Herrn A. v. Korsex in Göttingen
Bemerkungen über die Fortsetzung des alten Havellaufes vom Schwielow-
See und Caniner Luch nach Brandenburg. Von Herrn E. Laurer
iny Berlinern a re ee ee Eee:
Weissia bavarica g. n». sp. n., ein neuer Stegocephale aus dem Unteren
Rothliegenden. Von Herrn W. Braxco in Berlin. (Tafell) . .
Gebirgsstörungen südwestlich vom Thüringer Wald. Von Herrn H. Büorıns
Tn@S 172 55h ur 2 MO N Se ee
Die Kersantite des Unterharzes. Von Herrn Max Kocn in Berlin.
ESEL IV: so a. 0: ne ee ee
Zur Geognosie der Altmark. Unterschiede in den geognostischen Ver-
hältnissen derselben gegenüber denen der Mark Brandenburg. Von
Herrn G. Berenor in Berlin . 2 2 2 oo en
Geologische Algenstudien. Von Herrn J. G. Borsenans in Eisenach.
(Rate aV und EV.)
Ueber Deltabildungen am Nordrande des Fläming und über Gehängemoore
auf demselben. Von Herrn K. Keitnack in Berlin . . 2 2202.
Die zonenweise gesteigerte Umwandlung der Gesteine in Ostthüringen.
Von den Herren K. Tr. Lıesz und E. Zımmermann in Gera . . :
Die Zechsteinformation am Kleinen Thüringer Wald bei Bischofsrod. Von
Herrn H. Progscnorpr in Meiningen . 220 u nn nn
Ueber eine Diluvialablagerung bei Themar im Werrathal. Von Dem-
SIE bie. ee
Ueber die Gneissformation am Ostabfall des Eulengebirges zwischen Langen-
bielau und Lampersdorf. Von Herrn E. Darum nm Berlin. . 2...
Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. Von Herrn M. Sonorz in
Greifswald: .4 er ee Gone La un, Genese win en re et ee
Ueber alte Elbläufe zwischen Magdeburg und Havelberg. Von Herrn
Koxkanp Keivnaor in Berlin. (Tafel VI) . . 2 2 2 2 2 202.
Ueber zwei conchylienführende Lössablagerungen nördlich vom Harz. Von
Herrn Ferıx Warnssonaree in Berlin . 2 2 2 2 2 2 2 na
Teredo megotara Hanley aus dem Septarienthon von Finkenwalde. Von
Herrn Tu. Eserr in Berlin. (Tafel VIO, Fig. 1—4) . . ....
40
44
105
116
148
165
Beitrag zur Kenntniss der tertiären Decapoden Deutschlands. Von Dem-
selben. (Tafel VII, Fig. 5—11 u. IX.)
Bemerkungen über das Vorkommen von Granit und verändertem Schiefer
im Quellgebiet der Schleuse im Thüringer Walde. Von Herrn H. Lorerz
in Berlin ee: :
Einige Notizen über im Jahre 1886 ausgeführte geognostische Unter-
suchungen auf dem nordwestlichen Oberharz. Von Herrn A. Haurar
in» Berlin nr 2: er a N
Ueber Gervillia Goldfussi vos Srromgseek. Von Herrn W. Fraxrzex
in Memingen. (Tafel X). . .... Auer
Geologische Beobachtungen im Gebiete des Nee hlektes Chanlotlenkrunn
(Eulengebirge). Von Herrn W. Srarrr in Weissensee
Quarzaugit-Diorit von Lampersdorf in Schlesien. Von Herrn E. Dorn
in Berlin . or - i - ee
Ueber ein durch Zufall in einer Konzkerscheibe Snistandenes Torsionsspalten-
netz. Von Herrn K. A. Lossex in Berlin. (Tafel XI und XII.)
Abhandlungen von ausserhalb der Geologischen Landesanstalt
stehenden Personen.
Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. Von Herrn Frırz Rıssz in Göt-
ungen, 2 (katel X) re:
295
307
15
I.
Mittheilungen aus der Anstalt.
1:
Bericht über die Thätigkeit
der Königlichen geologischen Landesanstalt
im Jahre 1886.
I. Die Aufnahmen im Gebirgslande.
Im nördlichen Mittelharze wurde von dem Landesgeologen
Professor Dr. Lossen die Kartirung des östlichen und nordöstlichen
Theiles des Brockengranit-Massivs und der angrenzenden Schicht-
gesteine auf den Blättern Elbingerode (G. A. 56; 15) ) und Wer-
nigerode (G. A. 56; 9), auf letzterem unter Mitwirkung des Berg-
referendars Dr. KocH, fortgesetzt und, einiges petrographische
Detail abgerechnet, vollendet. Im Anschluss daran erfolgten einige
Controlbegehungen am Nordrande des Gebirges bis Harzburg.
Auf Blatt Elbingerode wurde überdies die Abgrenzung des mittel-
devonischen Massenkalkes von dem oberdevonischen ausgeführt.
Bergreferendar Dr. Koch setzte auf Blatt Wernigerode (G. A.
56; 9) die im Vorjahre begonnenen Aufnahmen des hercynischen
Schiefergebirges gegen Usenburg hin fort und schloss dieselben
an diejenigen Professor LOssEn’s auf der Westseite des Blattes an.
Auf Blatt Elbingerode (G. A. 56; 15) brachte derselbe die Kartirung
des Unteren Wieder Schiefers mit Diabaseinlagerungen im Nord-
flügel der Elbingeroder Mulde zum Abschluss und nahm dann
) (G. A. 56; 15) = Gradabtheilung 56; Blatt 15.
1;
Der Harz.
2. Thüringen.
xX
auf Blatt Blankenburg (G. A. 56; 16) südöstlich von Wienrode
und südlich der Bode beiderseits des Dambachthales einige Er-
gänzungen vor.
Im Oberharze wurde von Bergrath Dr. von GRODDECK in
dem südlichen Theile des Blattes Seesen (G. A. 55; 12) das Auf-
treten und die Verbreitung mächtigerer Thonschiefereinlagerungen
zwischen den Grauwackenschichten unter detaillirter Aufnahme
des Streichens und Fallens untersucht und kartırt. Diese zum
Verständniss des Gebirgsbaues dienenden Untersuchungen wurden
in beschränktem Umfange auch auf die angrenzenden Blätter
Zellerfeld (G. A. 56; 7) und Osterode (G. A. 55; 18) ausgedehnt.
Sekretär HaLrar setzte die Arbeiten zur Kartirung des ihm
überwiesenen Theiles des Blattes Zellerfeld (G. A. 56; 7) fort und
grenzte in demselben das Mitteldevon von dem Oberdevon ab.
Am Nordrande des Harzes begann Professor Dr. DAMES die
Aufnahme des Blattes Halberstadt (G. A. 56; ı1) mit der Unter-
suchung der Kreideformation in der östlichen Hälfte des Blattes,
welche nahezu fertiggestellt wurde.
Landesgeologe Dr. WAHNSCHAFFE vollendete in dem Blatte
Vienenburg (G. A. 56; 2) und in der südlichen Hälfte des Blattes
Österwieck (G. A. 56; 3) die Untersuchung der Quartärbildungen
und die Trennung derselben von den älteren Formationen.
Am Westrande des Harzes begann Dr. EBERT die Auf-
nahme des Blattes Waake (G. A. 55; 29) und beendete dieselbe in
ihrer östlichen Hälfte.
Derselbe führte ferner eine Untersuchung der durch die neue
Eisenbahnlinie Seesen-Bockenem entblössten Aufschlüsse aus.
Professor Dr. von KOENEN setzte die Aufnahmen in den
Blättern Gandersheim, Seesen und Osterode (G. A. 55; 11, 12, 18) —
in den beiden letzteren innerhalb des Harz-Vorlandes — fort und
führte die Kartirung des Blattes Göttingen (G. A. 55, 23) dem Ab-
schlusse nahe.
Im nördlichen Thüringen wurde von Ingenieur FRANTZEN
eine theilweise Revision der älteren, VON SEEBACH schen Aufnahme
des Blattes Kreuzburg (G. A. 55; 60) ausgeführt.
Dr. BORNEMANN sen. brachte innerhalb des Blattes Wutha
(G. A. 70; 1) die Revision des nördlich des Hörselbaches gelegenen
XI
Gebietes zum Abschluss und nahm weitere Revisionen in dem süd-
lichen Theile des Blattes vor.
Dr. BORNEMANN jun. setzte die Kartirung des Blattes Fröttstedt
(G. A.70; >) fort.
Im Thüringer Walde führte Landesgeologe Professor
Dr. Weiss innerhalb des Blattes Friedrichroda (G. A. 70; 3) eine
Revision der Darstellung der Diluvialbildungen im nordöstlichen
Theile des Blattes, sowie eine speciellere Gliederung des Muschel-
kalkes aus.
Bezirksgeologe Dr. BEYSCHLAG begann die Revision und
theilweise Ergänzung der Aufnahme des Blattes Salzungen
(G. A. 69; 12).
Professor Dr. BAUER revidirte in dem Blatte Ohrdruf
(G. A.70; 9) den Anschluss an «das westlich angrenzende Blatt
Friedrichroda bezüglich der Gliederung des Buntsandsteins und
des Zechsteins.
Professor Dr. von Fritsch brachte die Revision der Blätter Suhl
und Schleusingen (G. A. 70; 21, 27), sowie des ihm überwiesenen
nordöstlicheu Theiles des Blattes Tambach (G. A. 70; 14) zum de-
finitiven Abschluss.
Professor Dr. Bückıs@ vollendete die Kartirung der von ihm
bearbeiteten Antheile der Blätter Schmalkalden und Tambach,
(G. A. 70; 13, 14).
Dr. ZinmmERMANN begann die Kartirung des Blattes Crawinkel
(G. A. 70; 15), dessen östliche Hälfte fast ganz fertiggestellt
wurde.
Im südlichen und südöstlichen Thüringen beendete
Dr. PROESCHOLDT die Revision des Blattes Themar (G. A.70; 26)
und des ihm übertragenen Antheils des Blattes Schwarza (G. A.70; 0)
bis auf eine Grenzberichtigung zwischen den Blättern Themar und
Schleusingen. Die Revision der Blätter Dingsleben und Hildburg-
hausen (G. A. 70; 32, 33) wurde von demselben fortgesetzt und die
Kartirung des nördlichen Theiles des Blattes Rodach (G. A. 70; 39)
in Angriff genommen.
Landesgeologe Dr. LORETZ schloss die Kartirung des Blattes
Masserberg (G. A. 70; 23) ab und begann die Aufnahme der Blätter
Schwarzburg und Königssee (G. A. 70; 24, 23). Derselbe führte
3. Die Provinz
Hessen-Nassau.
4. Die Rhein-
provinz.
XI
ferner Begehungen des westlich angrenzenden Blattes Ilmenau
(G. A. 70; 22) aus behufs der Sammlung von Material für die Er-
läuterung zu diesem von dem vorstorbenen Professor Dr. E. E.ScHmIp
bearbeiteten Blatte.
Professor Dr. LIEBE vollendete unter Beihülfe des Dr. ZINMER-
MANN die Aufnahme des Blattes Liebengrün (G. A. 71; 26) und
führte die Bearbeitung der Blätter Lobenstein (G. A. 71; 32),
Schönbach (G. A. 71; 29) und Greiz (G. A.71; 18) weiter. Die
Kartirung des Blattes Saalfeld (G. A. 71; 13) wurde von demselben
einer Schlussrevision unterzogen.
Dr. ZInMERMANN setzte die Aufnahme des Blattes Lehesten
(@. A. 71; 25) unter der Leitung des Professors Dr. LIEBE fort.
Im Regierungsbezirk Cassel wurde von Professor
Dr. Kayser die Untersuchung der Umgebung von Marburg in den
Blättern Wetter, Marburg, Kirchhem und Nieder - Weimar
(G. A. 68; 3, 9, 10, 15) in Angriff genommen und das Blatt Marburg
zum grösseren Theile kartirt.
Bezirksgeologe Dr. BEYSCHLAG beendete die Aufnahme des
Blattes Altmorschen (G. A. 55; 56) bis auf eine Schlussrevision.
Professor Dr. OEBBEKE führte die Aufnahme des Blattes Neu-
kirchen (G. A. 69; 7) dem Abschlusse nahe.
Professor Dr. BAUER brachte die Kartirung des Blattes Tann
(G. A. 69; 23) zum Abschlusse.
Ingenieur FRANTZEN führte eine genaue Untersuchung der
Eisenbahnlinie Fulda-Tann-Hilders bezüglich der Tunnelbauten aus.
Im Regierungsbezirk Wiesbaden vollendete Professor
Dr. Kayser die Aufnahme des Blattes Niederlahnstein (Coblenz)
(G. A. 67; 38). Derselbe begann darauf die Aufnahme der Blätter
Dillenburg, Herborn, Tringenstein und Ballersbach (G. A. 67; 18, 24,
(7.1.68: 18.19).
Dr. AnGELBIs schloss die Kartirung des Blattes Dachsen-
hausen (G. A. 67; 45) ab und begann diejenige der Blätter St. Goars-
hausen und Algenroth (G. A. 67; 51, 52), welche gleichfalls fertig-
gestellt wurde.
Landesgeologe GREBE vollendete die Aufnahme der Blätter
Treis a. d. Mosel und Zell (G. A. 66; 54, 60) und revidirte unter
XIII
Zugrundelegung der neuen Messtischblattaufnahme das Blatt Trier
(G. A. 80; 12). Demnächst führte er die Schlussrevision der Blätter
Buhlenberg, Birkenfeld, Nohfelden, Freisen, Ottweiler und
St. Wendel (G. A. 80; 23, 24, 29, 30, 35, 36) aus. Ausserdem wurde von
demselben eine durchgreifende Revision der Blätter Perl, Merzig
und Grosshemmersdorf (G. A. 80; 31, 32, 38) auf neuer topographischer
Grundlage behufs der Verbindung des Preussischen Antheils dieser
Blätter mit dem Elsass-Lothringischen bewirkt.
Im Gmneissgebiet des Eulengebirges setzte Dr. DAarnE die
Aufnahme des Blattes Langenbielau (G. A. 76; 20) fort und beendete
die Kartirung des von Gneiss und Diluvium eingenommenen süd-
östlichen Theiles desselben.
Bergrath ScnürzeE bearbeitete das Blatt Waldenburg (G. A.
15; 18).
ll. Die Aufnahmen im Flachlande
unter besonderer Berücksichtigung der agronomischen
Verhältnisse.
Landesgeologe Professor Dr. BERENDT kartirte in der durch
Revisionstouren in den übrigen Arbeitsgebieten des Flachlandes
nicht in Anspruch genommenen Zeit mit Hülfe des Culturtechnikers
WÖLFER das Blatt Gross-Schoenebeck (G. A. 45; 2) und stellte die
angrenzenden Blätter Joachimsthal, Kuhlsdorf und Eberswalde
druckfertig (G. A. 45; 3, 8, 9).
Landesgeologe Dr. LAUFER begann und vollendete die Auf-
nahme des Blattes Lehnin (G. A. 44; 39) und ging demnächst auf
Blatt Gross- Kreuz über (G. A. 44; 33).
Prof. Dr. ScHoLz bearbeitete mit Hülfe des Culturtechnikers
Barpus das Blatt Plaue (G. A. 44; sı) und begann nach dessen
Vollendung die Aufnahme des Blattes Brandenburg (G. A744; 32).
Bezirksgeologe Dr. KEILHACK, welcher mit der Unterweisung
der neu eingetretenen Culturtechniker TÖLLNER, BLÜTHNER und
HüÜBInGER beauftragt war, führte unter deren Mitwirkung die
Aufnahme der Blätter Genthin, Schlagenthin, Parchen und Theesen
(G. A.43; 35, 36, 41, 47) aus.
5. Die Provinz
Schlesien.
6. Ucker-
märkisches
Arbeitsgebiet
7. Havel-
ländisches
Arbeitsgebiet,
XIV
Professor Dr. GRUNER beendete mit Hülfe des Culturtechnikers
Fischer die Blätter Werben und Parey (G. A. 43; 10, 40) und be-
gann die Kartirung des Blattes Wilsnack (G. A. 43; 4).
Landesgeologe Dr. WAHNSCHAFFE führte die Aufnahme des
Blattes Havelberg aus (G. A. 43; 11).
Bezirksgeologe Dr. KLOCKMANN kartirte die Blätter Fehrbellin
und Neu-Ruppin (G. A. 44; 9, 3).
8. Insel Rügen. Professor Dr. ScHoLz begann die Aufnahme der Insel Rügen
mit der Kartirung der Halbinseln Jasmund und Mönchguth, welche
sich über die Blätter Sagard-Tipperort, Lubkow, Vilmnitz, Middel-
2
hagen, Zicker’sches Höwt und Gross-Zicker (G. A. 11; 35—27, 32
38, 39, 44, 45) erstrecken. Die jenen Halbinseln angehörenden Theile
der genannten Blätter wurden fertiggestellt.
9. West- Dr. Jentzsch beendete zunächst das Blatt Münsterwalde
MT (GA. 33; 15) und eröffnete darauf die Bearbeitung des Blattes
Gross-Krebs (G. A. 33; ı7), dessen südwestlicher Theil untersucht
wurde.
10. Ost- Dr. Kregs begann und vollendete die Aufnahme des Blattes
Pr&NSSO TFalkenau (G. A. 18; 46).
Dr. SCHROEDER begann die Aufnahme des Blattes Rössel
(G. A. 18; 59) und gin
Heiligelinde (G. A. 18; 60) über, dessen westliche Seite zunächst
& nach Abschluss derselben auf das Blatt
bearbeitet wurde.
Dr. NoETLING setzte die Aufnahme des Blattes Bischofstein
der A.18; 5s) fort.
Stand der Im Laufe des Jahres sind zur Publikation gelangt:
en A. Karten.
1. Lieferung XXIU, enthaltend die Blätter
Witzenhausen, Ermschwerd, Grossalmerode,
Allen dor ea 4 Blätter.
2. Lieferung XXXI, enthaltend die Blätter
Limburg, Eisenbach, Kettenbach, Idstein,
Feldberg RE E PRPSTIER BE TREE DE ee 5 »
zusammen 9 Blätter.
Es waren früher publieirtt . . . . . .. 164
Mithin smd im Ganzen publicirtt . . . 175 Blätter.
XV
Was den Stand der noch nicht publicirten Kartenarbeiten
betrifit, so ist derselbe gegenwärtig folgender:
1. In der lithographischen Ausführung sind ausserdem noch
beendet die Gegend
Or albe Ber ae 6 Blätter.
» Schillingen, Hermeskeil etc... : . 6 >»
» Lindow, Wustrow etc. . . . . 6 »
zusammen 18 Blätter.
Die Publicirung dieser 18 Blätter wird binnen
Kurzem (nach Beendigung der bereits
im Druck stehenden Erläuterungen hier-
zu) erfolgen.
2. In der lithographischen Ausführung begriffen
Sn ee Blätten
3. In der geologischen Aufnahme fertig, jedoch
noch nicht zur Publikation in Lieferungen
aDBerch losen a el 0T >
4. In der geologischen Bearbeitung begriffen . 114
Summa 295 Blätter.
Einschliesslich der publieirten Blätter in der
An Zah EV OD er ee »
sind demnach im Ganzen bisher zur Unter-
suchung gelangt . . . . 2 2.2.20... 468 Blätter.
te le)
B. Abhandlungen und Jahrbuch.
1. Band VII, Heft 2. Die bisherigen Aufschlüsse des märkisch-
pommerschen Tertiärs und ihre Ueberein-
stimmung mit den Tiefbohrergebnissen
dieser Gegend von Professor Dr. G.
BERENDT. Mit 2 Tafeln und 2 Profilen im
Text.
2. Band VIII, Heft 1. Geologische Uebersichtskarte der Um-
gegend von Berlin im Maassstabe 1:100000
mit einer geognostischen Beschreibung der
Umgegend von Berlin von G. BERENDT
und W. Danmes unter Mitwirkung von
F. KLockMmANnN.
XVI
3. Jahrbuch der Königl. Preuss. geol. Landesanstalt und Berg-
akademie für 1885. XUV und 486 Seiten Text und 18 Tafeln.
4. Geologische Karte von der Umgegend von Thale 1:25000.
5. Geologische Karte der Stadt Berlin im Maassstabe 1:15000.
Debit der Nach dem Berichte für das Jahr 1885 betrug die Gesammt-
Publikationen zahl der im Handel debitirten Kartenblätter . . 16934 Blätter.
Im Jahre 1886 wurden verkauft:
von Lieferung I, Gegend von Nordhausen . . 2Bl.
I, » » dena .. 0.0. 21
> » UI, » » Bleicherode . . 5»
» » IV, » =» Erfutb 2 2 512853
» VL » » Saarbrücken
I. Theil . . 8»
» » VL, » » LI. » . . 5 >
) » VOL » » Riechelsdorf . . 10 »
» » IX, » des Kyffhäuserss . . 33 >»
X, » von Saarburg . . . 15 »
>» » XL » » Berlin Nordwesten
(Nauen etc.) . 16 »
» XI, » » Naumburga.S. . 23 »
» » XUL, » » Gera. no 2 area 0
» XIV, » » Berlin Nordwesten
(Spandau etc.) 16 »
> » XV, » » Wiesbaden . . 46 »
> » XVIL, >» » Mansfeld . . . 22 »
» »XVIL » » Triptis-Neustadt 10 »
» »XVIIL » » Eisleben . . . 8»
XX, >» » Berlin Süden
(Teltow etc.) . 39 »
XXL >» »: Frankfurt a.M.. 19 »
» XXI, » » Berlin Südwesten
(Potsdam etc.) 19 »
» XXI, >» » (Grrossalmerode . 188 »
20 582 Blätter.
Latus 17466 Blätter.
XV
Transport
17466 Blätter.
von Lief. XXIV, Gegend v. Tennstedt . . . 2Bl.
>» TERRY. » Mühlhausen . . 9
» XXVL » » Berlin Südosten
(Cöpenick etc.) 33
XXVL, » Lauterberga. Harz 81
XXIX, > » Berlin Nordosten 45
» » XXX, > » Eisfeld ın Thür. 60
» » XXX], » » Limburg . . . 283
so dass im Ganzen durch den Verkauf debitirt sind:
»
»
»
513
17979 Blätter.
Von den sonstigen Publikationen sind verkauft worden:
Abhandlungen.
Band II, Heft2. (Orts, Rüdersdorf und Umgegend) 4 Exempl.
» » 3. (BERENDT, Der Nordwesten Berlins) 11
» III, » 2. (LAUFER und WAHNSCHAFFE, Unter-
suchungen des Bodens der Um-
gegend von Berlin) ; 5
» » » 3. (Meyn, Schleswig - Holstein) . 3»
IV, » 4. (SPEYER, Bivalven des ÜCasseler
Tertiär) . 15
» V, » 3. (LAUFER, Die Werder sc ir Wein-
berge) 32
» » » 4, (LiEBE, Öst- Thüringen) 2
» VI, » 1. (BEUSHAUSEN, Spiriferen-Sandstein) 1
» >» 2. (BLANKENHORN, Die Trias der Eifel) 4 »
» VII, » 2. (BERENDT, Märkisch - Pommersches
Tertiär) .
» VIII, » 1. (Geologische Karte von Berlin) .
Ferner:
Jahrbuch für 1882
» > 1884
> » 1885
Jahrbuch 1886.
2 Exemp)!.
14 »
6
XVII
Weiss, Flora der Steinkohlenformation . . 2. ...23 Exempl.
> L
Geologische Uebersichtskarte des Harzgebirges . . 15»
Höhenschichtenkarte des Harzgebirges . . .....2 »
Karte der Umgegend von Thale . . . 2. ...67 >
Geologische Karte der Stadt Berlin . . 2 .......9
XIX
2.
Arbeitsplan
für die geologische Landesaufnahme
im Jahre 1887.
I. Im Harz und seiner Umgebung.
l. Im Mittelharze wird Professor Dr. LOSSEN in Gremein-
schaft mit Bergreferendar Dr. Koch die erforderlichen Abschluss-
arbeiten in dem östlichen und: nordöstlichen Theile des Brocken-
massivs und dem anschliessenden Contacthofe auf den Blättern
Elbingerode und Wernigerode (G. A. 56; 15, 9) ') ausführen. Im
Zusammenhang damit wird derselbe einige Controlbegehungen auf
den geologisch entsprechenden Antheilen der Blätter St. Andreas-
berg und Zellerfeld (G. A. 56; 14, 7) vornehmen.
Demnächst wird derselbe die Aufnahme des Blattes Harzburg
(G. A. 56; 3) weiter führen.
Bergreferendar Dr. Koch wird auf dem Blatt Harzburg das
Schiefergebirge beiderseits der Ecker und nördlich des Granits
bis zum Radau-Thale kartiren und alsdann die Umgebung des
Forsthauses Torfhaus oder das metamorphische Schiefergebirge
im mittleren Laufe der Ecker, je nach den bis dahin erzielten
Resultaten nach Anweisung des Professors Dr. LossEen in Angriff
nehmen.
2. Im Westharze wird Bergrath Dr. von GRODDECK_ die
Revision der von ihm bearbeiteten Blätter über den Oberharz
weiterführen.
1) G. A. 56; ı5, 9) = Gradabtheilung 56; Blatt 15 und 9.
b*
XN
3. Sekretär HaLrar wird nach Abschliessung der Kartirung
des nordwestlichen Theiles von Blatt Zellerfeld die Ausbeutung
eines Vorkommens von Versteinerungen im Thale der grossen
Schacht bei Riefensbeek bewirken und weitere Vorkommnisse in
dieser Gegend aufzufinden suchen.
4. Nördlich des Harzes wird Professor Dr. DAmESs die Auf-
nahme des Blattes Halberstadt (G. A. 56; 11) durch Bearbeitung
der westlichen Hälfte zum Abschluss bringen.
5. Landesgeologe Dr. WAHNSCHAFFE wird die Kartirung des
Blattes Osterwieck in dessen nordöstlichem Theile ausführen.
6. Am Westrande des Harzes wird Professor Dr. von KOENEN
die Arbeiten in dem Gebiete zwischen Seesen und Göttingen so-
wie in der Umgebung letzterer Stadt fortsetzen.
7. Dr. Egertr wird in diesem Gebiete das von ihm begonnene
Blatt Waake (G. A. 55; 29) fertig bearbeiten.
Il. Im nördlichen Thüringen.
1. Dr. MEYER wird die Bearbeitung der Blätter Heiligen-
stadt, Dingelstedt, Lengenfeld und Kella (des letzteren in der öst-
lichen Hälfte) (G. A. 55; 29, 30, 35, 36) beginnen.
2. Dr. BORNEMANN jun. wird die Kartirung des Blattes Frött-
stedt (G. A. 70; 53) zum Abschluss bringen.
Professor Dr. von FRıTscH wird die Revision der Blätter
Halle, Gröbers, Merseburg, Kötschau, Weissenfels und Lützen
(G. A. 57; 34, 35, 40, 41, 46, 47) zu vollenden suchen.
Il. Im Thüringer Walde und seiner Umgebung.
l. Bezirksgeologe Dr. BEYSCHLAG wird die im Vorjahre
begonnene Ergänzung der Blätter Eisenach und Salzungen
(G. A. 69; 6, 12) weiterführen und zum Abschluss zu bringen
suchen.
2. Professor Dr. Wrıss wird die zur Publikation der Blätter
Brotterode und Friedrichsrode (G. A. 70; 7, 8) noch erforderlichen
Schlussrevisionen vornehmen und demnächst die für Vorbereitung
XXI
einer Uebersichtskarte des Thüringer Waldes anzustellenden Be-
gehungen und Untersuchungen ausführen.
3. Professor Dr. Bückıng wird die Ueberarbeitung des nord-
östlichen Theiles des Blattes Schmalkalden (G. A. 70; 13) aus-
führen.
4. Professor Dr. von Fritsch wird die für die Bearbeitung
der Erläuterungen zu den Blättern Suhl, Schleusingen und
Tambach (G. A. 70; 22, 2, 15) erforderlichen Begehungen vor-
nehmen.
5. Dr. ZIMMERMANN wird die Aufnahme des Blattes Crawinkel
(G. A. 70; 15) und die Revision des Blattes Plaue (G. A. 70; ı6) zu
Ende führen und demnächst eine Revision des Blattes Stadt Ilm
(G. A. 70; ı7) bewirken.
6. Landesgeologe Dr. LORETZ wird die Revision des Blattes
Ilmenau und die Aufnahme der Blätter Königssee und Schwarzburg
(G. A.70; 22,23, 24) zum Abschluss bringen und den etwa noch ver-
bleibenden Theil der Aufnahmezeit auf die Kartirung der Blätter
Oeslau und Steinach (G. A. 70; 47, 48) verwenden.
7. Hofrath Professor Dr. LiesE wird die Aufnahme der
Blätter Waltersdorf, Naitschau, Greiz und Schönbach (G. A. 71.
18, 23, 24, 29) fortsetzen und in Gemeinschaft mit Dr. ZIMMERMANN
die Bearbeitung der Blätter Lehesten und Lobenstein (G. A. 71; 25, 26)
weiterführen.
8. Dr. PrROESCHOLDT wird die Revision der Blätter Dingsleben
und Hildburghausen (G. A. 70; 32, 33) abschliessen und die Aufnahme
des nördlichen Theils des Blattes Rodach (G. A. 70; 39), sowie des
Meiningen'schen Antheils des Blattes Mendhausen (G. A. 70; 37)
fertig zu stellen suchen.
IV. Im Regierungsbezirk Cassel.
l. Dr. BEYScHLAG wird die ersten Orientirungen für die
Aufnahme der Blätter Wilhelmshöhe. Cassel, Besse und Ober-
kaufungen (G. A. 55; 37, 38, 43, 44) ausführen und demnächst nach
Vornahme einer letzten Revision der. Blätter Melsungen und Alt-
XXI
morschen (G. A. 55; 50, 56) die Kartirung des Blattes Ludwigseck
(G. A. 69; 2) beginnen.
2. Professor Dr. OEBBEKE wird nach einer Schlussrevision
des Blattes Niederaula und Beendigung der Aufnahme des Blattes
S
g
Neukirchen diejenige des Blattes Schwarzenborn in Angriff nehmen
(A569,
3. Professor Dr. BückınG wird die von ihm begonnene Auf-
nahme der Blätter Neuswarts, Kleinsassen, Hilders und Grersfeld
(G. A. 69; 22, 28, 29, 34) weiterführen.
4. Professor Dr. KAYser wird die Aufahme der Umgebung
von Marburg im den Blättern Wetter, Marburg, Kirchhein und
Niederweimar (G. A. 68; 3, 9, 10, 15) fortsetzen.
5. Ingenieur FRANTZEN wird die Aufnahme der Blätter Sal-
münster und Altengronau (Gr. A. 69; 43, 44) — des letzteren in dem
Preussischen Antheil — bewirken.
V. Im Regierungsbezirk Wiesbaden.
Professor Dr. KayYsEr wird die Aufnahme der Blätter Dillen-
burg, Herborn, Tringenstein und Ballersbach (G. A. 67; 18, 2%.
G. A. 68; ı3, ı9) fortsetzen.
VI. In der Rheinprovinz.
Landesgeologe GREBE wird zunächst eine Revision des Preussi-
schen Antheils der Blätter Ittersdorf, Bouss, Saarbrücken, Lautersbach,
Emmersweiler und Hanweiler (G. A. 80; 44, 45, 46, 51, 52, 53) unter
Zugrundelesung der neuen Messtischblattaufnahmen behufs der
Verbindung mit den Lothringischen Antheilen dieser Blätter aus-
führen. Demnächst wird derselbe, gleichfalls unter Zugrundelesung
der neuen topographischen Grundlagen, die Revision der Blätter
Pfalzel, Beuren, Morscheid und Oberstein (G. A. 80; 15, 16, 17, 18) und
ferner des Anschlusses zwischen den Preussischen und Bayerischen
Aufnahmen in den Blättern Freisen und St. Wendel (G. A. 80; 30, 36)
vornehmen.
Vi. In der Provinz Schlesien.
1. Bezirksgeologe Dr. DaruE wird die Aufnahmearbeiten in
den Blättern Rudolfswaldau, Langenbielau, Neurode und Frankenstein
XXIII
fortsetzen (G. A.765 19, 20, 26, 27) und innerhalb derselben zunächst
die Darstellung der Gneiss-Formation in den erstgenannten drei
Blättern zum Abschluss bringen.
2. Dr. Staprr wird die Kartirung der Blätter Schweidnitz
und Charlottenbrunn (G. A. 76; 7, 13) weiterführen.
3. Bergrath Schürze wird die Aufnahme des Blattes Walden-
burg revidiren und diejenige des Blattes Landeshut beginnen
(G. A. 75; 18, ı7).
VIl. Im Aufnahmegebiet des Flachlandes.
a) Uckermärkisches Arbeitsgebiet.
Landesgeologe Professor Dr. BERENDT wird in der durch
Revisionsreisen in die anderen Gebiete des Flachlandes nicht in
Anspruch genommenen Zeit mit Hülfe des Culturtechnikers WÖLFER
und zeitweise des Culturtechnikers BaLpus die Aufnahme der
Blätter Templin, Gollin und Ringenwalde (G. A. 28; 50, 56, 57) in
Angriff nehmen.
Landesgeologe Dr. WAHNSCHAFFE wird mit Hülfe des Cultur-
technikers BLÜTHNER die Messtischblätter Boitzenburg, Hinden-
burg und Gerswalde (G. A. 28; 44, 45, 51) bearbeiten.
b) Havelländisches Arbeitsgebiet.
a. Südlicher Theil.
Professor Dr. ScHoLz wird die Schlussrevision des Blattes
Burg (G. A. 43; 46) ausführen, sowie das begonnene Blatt Branden-
burg (G. A. 44; 32) mit Hülfe des Oulturtechnikers BaLvus fertig
stellen und demnächst die Aufnahme der Insel Rügen fortsetzen
(s. unten).
Bezirksgeologe Dr. KEILHACK wird die Aufnahme der Blätter
Göttin, Glienicke, Golzow und Damelang (G. A. 44; 38, 43, 44, 45)
ausführen und hierbei zugleich die Ausbildung der drei neu ein-
getretenen Uulturtechniker POHLITZ, GOSSNER und HERBERGER
bewirken.
Landesgeologe Dr. LAurer wird das begonnene Blatt Gross-
Kreutz zum Abschluss bringen und demnächst mit Unterstützung
XXIV
des Dr. BEUSHAUSEN die Aufnahmen der Blätter Gross- Wuster-
witz (G. A. 44; 37) im südlichen und Kyritz (G. A. 44; ı) im nörd-
lichen Theile des Aufnahmegebietes bewirken.
3. Nördlicher Theil.
Professor Dr. GRUNER wird mit Hülfe der Culturtechniker
TÖLLNER und HÜBInGER die begonnene Aufnahme des Blattes
Wilsnack (G. A. 43; 4) fortsetzen und demnächst diejenige der
Blätter Glöwen und Demertin (G. A. 43; 5, 6) ausführen.
Bezirksgeologe Dr. KLOCKMANN wird mit zeitweiliger Hülfe-
leistung des Culturtechnikers BLÜTHNER die Blätter Tramnitz,
Wusterhausen und Wildberg (G. A. 44; 2, 7, 8) bearbeiten.
c) Insel Rügen.
Professor Dr. SCHOLZ wird die Aufnahme zwischen Jasmund und
Mönchgut durch Fertigstellung der Blätter Lubkow und Vilmnitz
(G. A. 11; 32, 38) fortsetzen und sodann die Blätter Bergen und
Putbus (G. A. 11; 31, 37) in Angriff nehmen.
d) Westpreussen.
Dr. JENTZSCH wird die Aufnahme der Blätter Pestlin, Radau,
Gross-Krebs und Riesenburg (G. A. 33; 11, 12, 17, 18) fortsetzen.
e) Ostpreussen.
Dr. Kress wird die Aufnahme der Blätter Schippenbeil, Gross-
Schwansfeld und Laugheim (G. A. 18; 47, 52, 53) fortführen.
Dr. SCHRÖDER wird die Ueberarbeitung und Vollendung des
Blattes Bischofstein (G. A. 18; 55) ausführen, sodann Blatt Heilige-
linde (G. A. 18; 60) fertigstellen und schliesslich eine Vorbereisung
der 4 südlich an seine bisherigen Aufnahmen stossenden Blätter
der Gegend von Sensburg unternehmen.
XXV
3.
Mittheilungen
der Mitarbeiter der Königlichen geologischen
Landesanstalt über Ergebnisse der Aufnahmen im
Jahre 1886.
Mittheilung des Herrn K. A. Lossen über Aufnahmen
auf den Messtischblättern Elbingerode, Wernigerode
und Harzburg im nördlichen Mittelharze.
Im Gebiete des Mittel- und Oberdevons der Elbinge-
roder Mulde lag die schwierige Aufgabe vor, die Westgrenze
des hübeländer Massenkalks (des unteren Oberdevons in der
Korallen-, Hydrozoen- und Brachiopoden-Facies des Iberger Kalks)
gegen den Elbingeroder Massenkalk (Stringocephalenkalk) zu ziehen.
Während im N, S und O der Rübeländer Kalk, wie im vor-
jährigen Berichte (dieses Jahrb. für 1885, S. 206 ff.) dargethan
wurde, durch Störungslinien verschiedener Art begrenzt wird, lässt
sich gegen W kein Nachweis für eine solche Begrenzungsweise
fe)
erbringen. Das Fehlen der anderwärts zwischen dem mittel- und
dem oberdevonischen Massenkalk auftretenden Eruptivdecken nebst
zugehörigen Tuffen südlich und südsüdöstlich von Elbingerode
kann vielmehr nur auf eme ursprüngliche Raumemschränkung
dieser abnormen Formationsglieder gedeutet werden. Dafür spricht
das allmähliche Auskeilen dieser Eruptivmassen südwestwärts
von dem Profil des Elbingeroder Mühlenthales, so zwar, dass von
den in diesem Profil nach dem angezogenen Berichte unter-
XXVI
schiedenen einzenmen Eruptivgliedern in dem hinteren Theile des
Mühlenthaler Stollens, in der Hauptpinge des Grossen Grabens und
den nächstliegenden Nebenpingen nur mehr das unterste Stratum,
der Quarz-Keratophyr mit dem zugehörigen Eisenerz, direct unter
dem Oberdevonkalk ansteht. Noch weiter gegen SW keilt auch
dieses unterste Eruptivstratum aus, woraus sich dann das Aus-
heben der Oberdevon-Kalkmulde im Mitteldevonkalk zu beiden
Seiten des von Elbingerode südwärts gegen das Hainholz führenden
Fahrwegs von selbst ergiebt. Zugleich aber folgt aus diesem
räumlichen Verhalten, dass die südwestwärts von Elbingerode
über den Kleinen und Grossen Hornberg und von da weiter gegen
Rothenhütte einerseits, andererseits gegen die Ausmündung des
Wormke-Thals bei Mandelholz ausgedehnten Eruptiv- und Tuff-
Decken eine besondere Special-Mulde im Stringocephalenkalke
erfüllen.
Ist also die Ausdehnung des Iberger Kalks, welche F. A.
ROEMER auf das Blatt Wernigerode der PREDIGER'schen Harz-
karte (1:50000) eingetragen hatte, durch die 1867 und 1868 von
Herın Beyrıch vorläufig ausgeführten Untersuchungen (Vgl.
Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1868, Bd. XX,
S. 216) schon sehr wesentlich beschränkt worden, so müssen die
Grenzen derselben nach den diesjährigen Aufnahmen noch mehr
eingeengt werden. Fast aller Kalk, welcher auf der geognostischen
Uebersichtskarte des Harzes westlich des obengedachten Fahrwegs
von Elbingerode nach dem Haimholze als Iberger angegeben
worden ist, gehört dem an Gasteropoden und Stringo-
cephalen reichen!) oberen Stringocephalenkalke an.
Petrographische Unterschiede lassen sich zur Abgrenzung
der beiden auf ungefähr eine halbstündige Wegelänge sich be-
rührenden und bei flachwelliser Lagerung zungenartig in einander
greifenden Kalkbildungen nur unsicher verwerthen. Im Allge-
meinen ist der Oberdevonkalk wohl überhaupt, wie namentlich in
dieser Grenzregion lichter von Farbe, weissgrau, und mehr späthig-
körnig, als der obere Stringocephalenkalk, der oft schwärzlich blau-
Vgl. dieses Jahrb. für 1884. 1885, S. 83.
XXVI
grau, dabei feinkörniger bis dicht und splittriger, »glasiger«, wie
der Volksmund sagt, erscheint und dadurch die weissen grob-
späthigen Durchschnitte durch die Gehäuse von Stringocephalus,
Pleurotomaria, Makrocheilus, Murchisonia etc. oft scharf hervortreten
lässt, noch öfter leider weisse Kalkspathadern. Der Hauptsache
nach bleibt aber der Nachweis der Leitversteinerungen das einzige
sichere Mittel zur Unterscheidung der beiden Massenkalke.
Da die Phillipsastraea- (Acervularia)-Arten, Rhynchonella cu-
boides oder pugnus im Rübeländer Oberdevonkalk keineswegs
>
gleichmässig vertheilt sind, jedenfalls aber nicht häufig gefunden
werden, so ist man vielmehr darauf angewiesen, die eben genannten
Leitpetrefacten des Stringocephalenkalks zu verwerthen, während
die grosse Anzahl von Korallen und Stromatoporiden, die beiden
Kalkformationen in den gleichen oder sehr nahe verwandten Species
gemeinsam sind, nur allzu oft unbenutzt bleiben müssen. Zu der
letzteren Gruppe gehört auch die örtlich massenhaft auftretende
baumförmige Stromatoporide Amphipora, welche man im rheinischen
Schiefergebirge besonders gegen die obere Grenze des Stringo-
cephalenkalks hin beobachtet hat, die hier aber über dies
Niveau hinaus im Rübeländer Oberdevonkalk häufig
erscheint. So fand Herr Dr. FrECH, welcher den Berichter-
statter einige Tage auf seinen Excursionen begleitet und demselben
in dankenswerther Weise seine genaue Kenntniss der Versteine-
rungen nutzbar gemacht hat, zuerst Amphipora südwestlich von
der Christinenklippe auf der Nordseite des Schieferbergs nördlich
der grossen Ueberschiebungskluft, die den Oberdevonkalk im S
über Tag begrenzt, zusammen mit Farosites eristata, Uyathophyllum
caespitosum, Endophyllum priscum und massigen Stromatoporiden;
or
{®)
etwas weiter südwestlich, dem Hahnenkamm gegenüber, wurde
dann auch Phillipsastraea ananas GOLDF. spec. gesammelt. Auch
anderwärts auf dem Bodenberg tritt Amphipora im Iberger Kalk
auf, so in der Umgebung der Pinge des Grossen Grabens und in
dem Kalkstein des aus dem Mühlenthale gegen diese Pinge hinzuge-
triebenen Stolln, am Braunen Weg und längs des westöstlich über
das Berg-Plateau hinziehenden Triftwegs. Weiter westlich da-
gegen fehlt die baumförmige Stromatoporide auch nicht, aber es
>
XXVoOI
stellen sich in ihrer Gesellschaft die Leitpetrefacten des Stringo-
cephalen-Kalks ein.
Im Südwesten bietet die Umgebung des Haimholzes noch
einmal Gelegenheit, die Leitversteinerungen des Oberdevonkalks
zu sammeln. Nördlich von dem gegen den Duckborn angrenzen-
den Theil des Waldes wurden Phillipsastraea- Arten in grösserer
Anzahl der Exemplare und in verhältnissmässig günstigem Erhal-
tungszustande gefunden, darunter Ph. Roemeri VERN. und Ph. penta-
gona GOLDF. var. mikrommata F. ROEM.; damit zusammen kommen
Brachiopodenkalke vor, die sich eim Paar hundert Schritte breit
quer über den vom Hainholze nach Elbingerode führenden Fahr-
weg und den westlich davon verlaufenden Feldweg verfolgen
lassen, darin Rhynchonella pugnus, R. acuminata u. s. w. Hier-
mit ist aber der Ausbreitung des Oberdevonkalks ein Ziel gesetzt,
denn die Kalkklippe des höchsten Punktes auf der Nordwestseite
des Hainholzes (Geometr. Punkt 1390 Dee.-Fuss) ist bereits mittel-
devonischer Schneckenkalk, der sich, örtlich Stringocephalus, aber
auch Amphipora führend, von da nord- und südwestwärts nach
den Hornbergen und dem Katzenberge erstreckt. Aus dem Stein-
bruche des Katzenbergs hatte Herr Beyricn (a. a. OÖ.) bereits
Stringocephalus Burtini, Murchisonia bilineata, MM. coronata und
Pleurotomaria delphinuloides namhaft gemacht; aber auch längs
des vom Katzenberge nach Elbingerode an dem einzelnen Baume
vorüberführenden Feldweges und des denselben mittwegs schneiden-
den ostwestlichen Feldwegs (Lehmgrubenwegs) und auf der Pla-
teaufläche zwischen dem höchsten Punkte nächst dem Hainholz
und dem einzelnen Baum wurden an zahlreichen Stellen Gastero-
poden begleitet von Stringocephalus und Amphipora nachgewiesen.
Vom Ostende des Lehmgrubenwegs aus und am Bornberge, gleich
südlich von Elbingerode, überschreiten diese Schneckenkalke ost-
wärts den Fahrweg nach dem Hainholz, sodass sie von der
erstgenannten Stelle zungenförmig in den Oberdevonkalk des
Bodenbergs eingreifen. Pleurotomaria delphinuloides wurde im
Fahrwege etwas nördlich von der Einmündung des Lehmgruben-
wegs gesammelt, Reste von grossen Schnecken (? Makrocheilus,
Pleurotomaria) und Stringocephalus östlich und südöstlich von dieser
XXIX
Stelle in den südsüdöstlich aus dem Fahrwege in der Richtung
auf die Pulvermühlen am Hahnenkamme hinzu abzweigenden
Wegen.
Mit dem Schneckenkalk östlich des Fahrwegs in dem alten
Steinbruche am Bornberge der Generalstabskarte hängen dagegen
die Stringocephalenkalke in den Eisenbahnprofilen unmittelbar bei
Elbingerode zusammen. Hier sammelte der Berichterstatter Stringo-
cephalus Burtini im Eisenbahndurchstich südlich vom Elbingeroder
Bahnhofe und denselben Brachiopoden in einem besonders grossen,
über ein Decimeter vom Schnabel zur Stirn messenden, Exemplar
südlich des Bahnhofs Elbingerode an der oberen Ecke der daselbst
in das Mühlenthal ausmündenden seichten Schlucht. Weiter thal-
abwärts folgen längs der auf dem Südufer des Mühlenthals ange-
legten Eisenbahn zunächst Profile, in welchen es den vereinten
Bemühungen des Tlerrn Dr. Frech und des Berichterstatters nicht
gelang, Stringocephalus und Gasteropoden oder Amphipora nach-
zuweisen. Massige Stromatoporiden, z. Th. in sichtlich abgerolltem
Zustande, und Korallen herrschen hier. Erst in den beiden
untersten Eisenbahndurchstichen oberhalb der Einmündung des
Schwefelthales stellt sich Stringocephalus mit Pleurotomaria delphi-
nuloides und anderen Gasteropoden wieder ein und zu alleroberst,
unmittelbar ım Liegenden des zwischen dem Quarz - Keratophyr
und dem Stringocephalenkalk aufsetzenden Eisensteinlagers des
Mühlenthaler Pingenzugs
Die streichende Fortsetzung dieser oberen Stringocephalen-
, fehlt auch Amphipora nicht.
kalke im Liegenden des genannten Pingenzugs hat man im der
Umgebung des Zwergsteins auf dem nördlichen Ufer des Mühlen-
thals sowie in der unteren Hälfte des Schwefelthals und in dem
darın einmündenden Kalten Thale zu suchen. Die von Herrn
Director SCHLEIFENBAUM in Elbingerode aus den Steinbrüchen
dieser Gegend gesammelten Versteinerungen, sowie die an Ort
und Stelle bei gemeinsamer Begehung gemachten Beobachtungen
bestätigen diese Auffassung: oberhalb des Zwergloches führt der
zwischen der Ziegelei und der Oelmühle der Generalstabskarte
angesetzte Steinbruch Stringocephahıs und Makrocherlus, der Bruch
ım Kalten Thale Makrocheilus areulatus, Pleurotomaria delphinuloides
XXX
neben der dem Iberger Kalke sonst vorzugsweise eignenden Fa-
vosites eristata; Stringocephalus wurde im Schwefelthale unterhalb
der Einmündung des Kalten Thals zusammen mit Cyathophyllum
caespitosum beobachtet, oberhalb der Einmündung dieses Seiten-
thälchens geht er aufwärts bis. ungefähr zur Gabelung des
Schwefelthales. Weiter aufwärts ins Liegende gegen die Elbinge-
roder Grauwacke des Hühnerblecks hinzu folgen korallen- und
stromatoporenführende Kalksteine, die als die streichende Fort-
setzung der Schichten ohne Stringocephalus und Gasteropoden im
Mühlenthale zwischen dem Bahnhof Elbingerode und dem Zwerges-
stein angesehen werden müssen.
Zieht man aus den vorstehenden Beobachtungen das Gresammt-
resultat, so ergiebt sich, örtliche Störungen unberücksichtigt ge-
lassen, dass der an Stringocephalus, Gasteropoden und zu oberst
häufig auch an Amphipora veiche obere Mitteldevon - Massenkalk
des Plateaus südlich von Elbingerode gegen NW die in ihm ein-
gemuldeten Eruptivdecken des Gr. und Kl. Hornbergs unterlagert,
dass derselbe gegen SO die nordwestliche Hälfte der gegen S
hin von älteren Schichten überschobenen Mulde des Rübeländer
en NÖ
liegendere Schichten des Mitteldevon-Massenkalks sich sattelförmig
Oberdevonkalks (Iberger Kalks) unterteuft, während geg
aus diesen hangenderen oberen hervorheben.
Ueber die Aufnahmen auf den Blättern Wernigerode und
Harzburg, welche die Gliederung der Eruptivgesteine des Brocken-
Massivs und des sich nach Aussen anschliessenden metamorphischen
Contacthofes vorzugsweise zum Ziel hatten, soll an anderer Stelle
ausführlicher berichtet werden.
Mittheilung des Herrn M. Kocn über Aufnahmen auf den
Sectionen Wernigerode und Elbingerode.
Blatt Wernigerode. Es lag die Aufgabe vor, die im vorigen
Jahre begonnene und im östlichen Theile des Blattes abgeschlossene
Detailkartirung des hercynischen Schiefergebirges weiter nach
Westen hin fortzuführen und an die Aufnahmen des Herrn LossEn
auf der Westseite des Blattes anzuschliessen. Die in Betracht
kommenden Schichtenglieder sind die gleichen, wie im östlichen
[0)
19
XXXI
Theile, Tanner Grauwacke und unterer Wiederschiefer, denen
sich erst gegen Ilsenburg hin zwischen Brockengranit und Gebirgs-
rand ausgebreitet der Ilsenburgquarzit in mächtiger Entwicklung
anschliesst. Die geognostischen Verhältnisse weichen daher nur
wenig von denen in jenem Theile ab, namentlich soweit die Schichten
noch dem Nordflügel der Elbingeroder Mulde angehören. In der
petrographischen Ausbildung treten nur in der Nähe des Brocken-
granits, welcher die südwestliche Ecke des Blattes einnimmt,
durch Contactmetamorphose namhafte Aenderungen ein.
Eine Frage, welche im vorigen Jahre noch offen gelassen
werden musste, wie die Kieselschiefermassen am Lindenberg süd-
lich Wernigerode, welche dort direct an Tanner Grauwacke an-
grenzen, aufzufassen seien, fand durch die fortgesetzte Detailkar-
tirung ihre Erledigung. Es zeigte sich nämlich, dass je weiter
nach Westen, um so häufiger Kieselschiefer sich der Grauwacke
in normalem Verbande auflegen, dass also in der Kalkstein führen-
den Stufe des unteren Wiederschiefers ausser einem hangenden
noch ein liegender Kieselschieferzug zu unterscheiden sei. Die
Bedeutung des ersteren in Bezug auf zusammenhängende Ver-
breitung und Mächtigkeit erreicht er jedoch in keinem Theile des
Gebiets.
Die Kalksteine der untern Wiederschiefer sind nicht durch die
ganze Ausdehnung des Nordflügels der Elbingeroder Mulde versteine-
rungsleer, wie man dies bisher annehmen musste. Am Schweugs-
kopf, am äussersten Westende des Flügels, kommen nämlich
ziemlich mächtige Kalksteine vor vom Habitus der Hasselfelder
Flaser- und Oberharzer Kramenzelkalke, welche in einzelnen
Bänken reich an Tentaculiten und Crinoidenstielgliedern sind, ausser-
dem aber Goniatiten, Orthoceren und ein Exemplar eines Pleuro-
dietyum lieferten.
Die mächtigen Grauwackenablagerungen des Pan- und Sien-
bergs, südlich Darlingerode, welche sich in Sattelstellung von dem
längs des Gebirgsabfalls fast über die ganze Breite der Blätter
Derenburg und Wernigerode verlaufenden Grauwackenzug aus
weithin gegen Südwesten vorschieben, schliessen einerseits die
Elbingeroder Mulde (i. w. S.) nach Nordwesten hin ab, andererseits
XXXI
umfassen sie gemeinsam mit dem vom Panberg ausgehenden, gegen
Ilsenburg gerichteten Zug Tanner Grauwacke, eine kleinere gegen
Südwest geöffnete und vom Granit abgeschnittene Mulde jüngerer
Schichten, die der Grauwacke zunächst ebenfalls Thonschiefer mit
Kalkstein-, Kieselschiefer- und spärlich Diabaseinlagerungen enthält
und in einem höheren Niveau den Ilsenburgquarzit in sich auf-
nimmt. Ihr Bau wird ebenfalls von dem schon für die Schichten-
stellung des Nordflügels der Elbingeroder Mulde als maassgebend
erkannten Verhalten beherrscht, dass die vorwaltenden Streich-
richtungen: gegen Nordwest Einfallen nach Nordost, gegen Süd-
west dagegen Einfallen nach Südost bedingen. Die beiden Grau-
wackenzüge stellen demnach gegen Südwest resp. Nordwest über-
kippte Sättel dar, unter welche die jüngeren Schichten widersinnig
einschiessen. In Folge starken Zurücktretens der Kalkstein- und
Diabaseinschaltungen, des Vorwaltens der Kieselschiefer, ferner der
Schwierigkeit in der Deutung der Hornfelsmassen und in Folge von
Störungen, auf welche das Zusammentreten nicht zusammenge-
höriger Glieder hinweisen, ist die Gliederung der Wiederschiefer-
stufe hier keine so übersichtliche, wie im Nordflügel der Elbinge-
roder Mulde. Dazu kommt, dass ausser jenen Einlagerungen viel-
fach Grauwackenlager, die der Tanner Grauwacke petrographisch
recht ähnlich werden können, in die Thonschiefer eintreten und
dadurch im Gegensatz zu den Verhältnissen südlich Wernigerode
Wiederannäherung an die sonst im Unterharz herrschende Ausbil-
dung der Stufe bedingen. Kalksteineinlagerungen in grösserer Zahl
finden sich nur in dem schmalen Thonschieferbande, welches sich
in den gegen Ilsenburg gerichteten Grauwackensattel einmuldet.
Ihnen gehören die schon ‚JASCHE bekannten versteinerungsfüh-
renden Kalksteinlager des Tännenthals und des Thonmühlen-
kopfes an. Auf der Innenseite der Grauwackensättel bilden dagegen
wenige, gering mächtige Vorkommnisse von zu Marmor oder Kalk-
silicathornfels metamorphosirtem Kalkstein am Nordwesthang des
Sienbergs und am Hange des Spitzenbergs gegen das Ochrenfelder
Thal hin die einzigen Vertreter derselben in dem mächtigen
Schichtencomplex, in dem der Ilsenburgquarzit im Streichen aus-
hebt. Sieht man die Kalksilicathornfelse am Hange des Sienbergs
XXXII
als der Kalkstein-Grauwackenzone des unteren Wiederschiefers
zugehörig an, so trifft man unter Festhaltung der für die gleichen
Schichten südlich Wernigerode gewonnenen Gliederung im ur-
sprünglich Liegenden zunächst der Tanner Grauwacke auf den
liegendsten Kieselschieferzug, der wie gewöhnlich so auch hier nur
durch schmale Einlagerungen vertreten wird. Im ursprünglich
Hangenden folgen dagegen mächtige Kieselschiefermassen, den
Kapitelsberg und den grössten Theil des Löwe- und Meinebergs
umfassend, welche unter der obigen Voraussetzung nur dem
hangenden Kieselschieferzug angehören können. Eine so bedeutende
Ausbreitung derselben, wie sie nirgends im gleichen Niveau des
Nordflügels der Elbingeroder Mulde zu verzeichnen war, mag so-
wohl durch Faltenzusammenschiebung der zwischen die starren
Massen des Quarzits und der Grauwacken gefassten Schichten als
auch durch Wechsel in der Ausbildung der Stufe bedingt sein,
indem hier Kieselschiefer die Bedeutung erlangen, welche dort den
Kalksteinen zukommt.
Die Schichten, in denen der Ilsenburgquarzit endigt, im Hangen-
den der Kalkstein-Kieselschieferzone sind nicht überall so günstig er-
schlossen, wie dies in Anbetracht der Wichtigkeit derselben für die
Stellung des Quarzits zu wünschen wäre. Auf der Nordost- und
z. Th. auch auf der Nordseite, am Halberstädter Kopf und Klapper-
berg, überrollen enorine Quarzittrümmermassen die Hänge herab bis
über die Tanner Grauwacke und bedecken vollständig, was zwischen
ihnen liegt. Nur an einer Stelle, an der Senkung des Halber-
Kopfes gegen den Thonmihlenkopf hin kamen Kieselschiefer
zwischen beiden zur Beobachtung. Maassgebend für die Zusammen-
setzung der Schichten im direct Liegenden des @Quarzits können
daher innerhalb des kartirten Gebiets nur die breiteren Schichten-
bänder südöstlich desselben am Tännen- und Ripperberg und nörd-
lich desselben im Klosterholz bei Ilsenburg sein. . In dem ersten
Gebiet, das vollständig in den Kreis der Contactwirkung des
Granits fällt, kommen neben Schieferhornfels vereinzelte aber für
die Deutung wichtige Diabaslager (Löweberg und Spitzenberg)
und zahlreicher schmale Kieselschiefer- und Grauwackeneinlage-
rungen vor, also die nämlichen sedimentären Einschaltungen, welche
Jahrbuch 1336, C
XXXIV
auch mehrfach in andern Theilen des Harzes im Graptolithen-
schiefer- Horizont an der Unterseite des Hauptquarzits zu ver-
zeichnen sind. Von der meist gleichkörnigen, nur hier und da
conglomeratisch werdenden Tanner Grauwacke unterscheiden sich
die Einlagerungen durch Vorherrschen des meist recht feinkörnigen
Bindemittels und spärliches Vorhandensein von porphyrartig ein-
gebetteten Quarzkörnchen und Glimmerblättchen. Von Interesse
ist es, dass unter den Geröllen der conglomeratisch ausgebildeten
Tanner Grauwacke sich ausser Quarz und Thonschiefer, wie in
der Kulmgrauwacke des Oberharzes, auch solche von Eruptiv-
gesteinen, nämlich Quarzporphyren mit Ausscheidungen von Quarz-
dihexaödern und Orthoklaskrystallen vorfinden. Die Verhältnisse
in dem zweiten Gebiet, nördlich vom @Quarzit im Klosterholz,
sind schon früher von Herrn Lossen !') besprochen worden, ich
bemerke daher nur, dass die Auffassung desselben über die Zu-
gehöriekeit der Schichten im Liegenden des Quarzits zum unteren
Wiederschiefer und das muldenförmige Ausheben des ersteren in
diesem wie auf der Südostseite so auch hier durch die Detail-
kartirung bestätigt worden ist.
Die Untersuchungen über die Contactwirkungen des Brocken-
granits, welche in Folge der Mannigfaltigkeit in der Zusammen-
senden Sedimente erheblichere Schwierig-
te}
stezung der zu Grunde lie
keiten als am Ramberg zu überwinden haben, sind noch nicht
abgeschlossen, es lässt sich daher noch nicht übersehen, in wie
weit die Resultate zu einer Gliederung des Contactringes in
Steigerungszonen der Umbildung dienen können. Nach den Be-
obachtungen aus dem verhältnissmässig kleinen Theil am Granit,
über den hier zu berichten ist, treten Knotenschiefer als erstes
Umbildungsproduct derartig zurück, dass eine Zusammenziehung
der wenigen Punkte, an denen sie deutlich vorhanden sind (Kamm-
weg des Spitzenbergs, Nordwesthang des Löweberes), zu einer
Knotenschieferzone nicht statthaft erscheint. Ebensowenig sind
Knotenglimmerschiefer und typische Hornfelse mit sichtbaren
Glimmerausscheidungen allgemeimer entwickelt. Die eigentlichen
') Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1877, 8. 622.
XXXV
Schiefer-Hornfelse finden ihre Vertreter in bei frischem Zustande
schwarzen, splittrigen und kieselschieferharten Gesteinen, dem
Kieselschieferfels Hausmann 's, wie sie beiderseits des Tännenthals
zwischen Granit und Ilsenburgquarzit und mehrfach auf dem
Meine- und Sienberge anstehen. Von dem eigentlichen Kiesel-
schiefer, mit dem sie nach äusserm Ansehen leicht zu verwechseln
sind, lassen sie sich leicht durch ihre Schmelzbarkeit vor dem
Löthrohr unterscheiden. Turmalin ist in einer mehr inneren
Zone sehr häufiger Gemengtheil der Contactgesteine. Interessant
ist es, dass er nicht auf die Sedimente beschränkt ist, sondern
auch in reicher Menge in Diabas (Südwesthang des Löwebergs)
eintritt, welche abgesehen von Uralitisirung des Augits weiter-
gehende Veränderungen nicht erkennen lassen.
Blatt Elbingerode. Die untere Wiederschieferstufe mit Ein-
schaltungen von körnigem Diabas im Nordflügel der Elbingeroder
Mulde tritt mit ihrer westlichen Endigung von Blatt Wernigerode
auf Blatt Elbingerode über, wo sie zu beiden Seiten des Zilliger
Bachs, einerseits im Ruhehay und Petersholz, anderseits am
Hilmarsberg und Wellbornskopf entwickelt ist. Die geogmostischen
Verhältnisse dieses Theils schliessen sich ganz an diejenigen im
Hauptverbreitungsgebiet der Stufe auf Blatt Derenburg und Wer-
nigerode an. Die Diabase treten auch hier in schwarmartig die
Schichten durchsetzenden Lagern auf, meist in solcher Zahl oder
Mächtigkeit, dass sie den zwischenliegenden Thonschiefern das
Gleichgewicht halten. Was die petrographische Beschaffenheit
derselben anlangt, so herrschen klein- bis mittelkörnige Varie-
täten mit mehr oder weniger deutlich divergent-strahliger Anord-
nung der Plagioklasleistchen vor, während grosskörnige oder durch
Ausscheidung grösserer Plagioklase porphyrisch werdende Abarten
in der Minderheit sind. Diabascontactgesteine waren nicht allzu-
häufig zu verzeichnen. Spilosite kommen nur beiderseits des
©
Zalliger Bachs etwas oberhalb des Weges vor, welcher sich von
der Chaussee nach dem Büchenberg abzweigt, während adinol-
artige Gesteine allerdings reichlicher entwickelt sind.
Der zu den postgranitischen Eruptivgesteinen gehörende
schmale Gang basischen Gesteins, welcher während der letzten Auf-
c*
xXXxVI
nahmen von der Zwölfmorgen-Wiese südlich Wernigerode bis
nahe an die Südgrenze des Blattes nachgewiesen wurde, setzt
auch noch auf Blatt Elbingerode bis über den Eisenstein - Pingen-
zug am Büchenberg hinaus fort. Analyse und mikroskopische
Untersuchung haben die m der letztjährigen Mittheilung ausge-
sprochene Vermuthung bestätigt, dass die Gesteine der Spalte zu
den diabasähnlichen schwarzen Porphyren des Harzes zu stellen
sind, welche bisher nur auf der Ostseite des Gesammtspalten-
zugs bekannt waren, hier aber sich zwischen die beiden Gänge
sauersten (resteins einschieben.
Mittheilung des Herrn v. KoENEN über Untersuchungen
in dem Gebiete westlich des Harzes.
Es wurde besonders die Kartirung des an Verwerfungen reichen
Blattes Göttingen fortgesetzt. =
Von allgemeinem Interesse waren Aufschlüsse durch neue
Wege nördlich vom Dorfe Esebeck. Dort wird ein mässig nach
Westen geneigtes Plateau von oberstem Wellenkalk durch einige
schmale, nach Osten laufende Thaleinschnitte oder Schluchten
unterbrochen, welche nach Westen hin verschwinden. Es zeigt sich
jetzt, dass die Schichten nach jeder dieser Schluchten von beiden
Seiten her ein steileres Einfallen annehmen, dass also auch diese
geringfügigen Einschnitte wesentlich Schichtenstörungen ihre Ent-
stehung verdanken.
E
weil sie einen Schluss gestattet auf die zum Theil sehr weit sich
zn
ist diese Beobachtung besonders deshalb von Wichtigkeit,
hinziehenden engen Schluchten und Thäler in Wellenkalkplateaux,
so z. B. im »Göttinger Walde«, östlich von Göttingen.
Ferner wurden an einigen Stellen im oberen Theile des mitt-
leren Buntsandsteins förmlich oolithische Sandsteine gefunden,
Sandsteine, welche mehr oder minder leicht in rundliche Körner
zerfallen, indem ein kalkig-dolomitisches Bindemittel den Quarz-
sand zu kleineren oder grösseren, oft erbsengrossen Concretionen
verkittet, vergleichbar etwa den Knotenerzen von Kommern und
Mechernich.
XXXVI
Aus diesen Sandsteinen entstehen aber die sogenannten Tiger-
sandsteine, welche bei heller oder rother Grundfarbe mehr oder
ininder zahlreiche, durch Eisen- oder Manganverbindungen braun
bis schwärzlich gefärbte Stellen von mehr lockerem Gefüge ent-
halten und von einzelnen Autoren für bezeichnend für den »Chiro-
therien-Sandstein« gehalten wurden, aber gelegentlich in den ver-
schiedensten Horizonten des Buntsandsteins, auch im unteren Bunt-
sandstein, vorkommen.
In Folge von Auslaugung der Carbonate bleiben poröse oder
theilweise hohle rundliche Räume zurück, deren Wandungen durch
die in Eisenoxydhydrat oder Mangansuperoxyd übergeführten
Beimengungen von FEisen- oder Mangan - Carbonat gefärbt
wurden.
Aehnlich sind ohne Zweifel auch die zum Theil mit lockerem
Sand erfüllten Hohlräume im mittleren Buntsandstein mancher
Gegenden entstanden, indem das kieselige Bindemittel in die vor-
handenen Kalk-Sandstein-Geoden nicht eindringen konnte, sodass
diese nach Auslaugung des Kalkes in lockeren Sand zerfielen.
Hesser's Erklärung der Entstehung dieser Hohlräume durch
»Sandluftblasen« ist jedenfalls wenig wahrscheinlich.
Mittheilung des Herrn J. G. BORNEMANN (sen.) über Auf-
nahmen auf Section Wutha.
Meine Aufnahmen auf Section Wutha im Jahre 1886 hatten
zunächst den Zweck, die Beobachtungen in dem nördlich vom
Hörselfluss gelegenen Gebiete zum Abschluss zu bringen und
ferner Revisionen im südlichen Theile des Gebietes vorzunehmen.
Die diluvialen Porphyrgerölle bei Lupnitz !), welche aus dem
östlichen Theile des Thüringer Porphyrgebietes stammen und
stellenweise zu festen Conglomeraten verkittet sind, liessen sich
weiter abwärts im Nessethal bis unterhalb Hochhausen verfolgen.
In einer solchen bei Wenigau-Lupnitz auftretenden Schotter-Con-
glomeratbank fand sich ein einzelner grosser ganz abgerundeter
Syenitblock nordischen Ursprungs inmitten der Thüringer Wald-
1) Vgl. dieses Jahrbuch für 1355, S. xxxıx.
XXXVIII
Gerölle. Er giebt keinen Fingerzeig, dass dieser Geröllzug sich
von dem Hauptzuge bei Ballstedt und Westhausen, wo schon
HEINR. ÜREDNER das Zusammenvorkommen von Nordischen und
Thüringer Geröllen nachgewiesen hat, abgezweigt und semen Weg
westwärts durch das Nessethal genommen haben muss.
Im südlichen Theil der Section wurde in dem bekannten
Grmneissgebiete des Gr. Ebertsberges ein kleiner Melaphyrgang nach-
gewiesen.
Es blieben zum Abschluss der Aufnahmearbeiten nur noch
einige den bunten Sandstem betreffende Fragen zu erledigen,
dessen Gliederung sich in dem Gebiete der Karte erhebliche
Schwierigkeiten entgegenstellen. Ich habe desshalb zunächst ver-
gleichende Studien mit dem Buntsandstein südlich vom Thüringer
Walde begonnen und im Spätherbst zu diesem Zweck mehrere
Excursionen nach Hildburghausen und Eisfeld unternommen. Bei
dieser Gelegenheit sind so merkwürdige Funde an Thierfährten
gemacht und neue Gesichtspunkte für die Geologie des bunten
Sandsteins gewonnen worden, dass diese Gegenstände zunächst in
einer besonderen Monographie behandelt werden sollen.
Mittheilung des Herrn G. BORNEMANN (jun.) über Aufnahme
der Section Fröttstedt.
Hinsichtlich der zeologischen Verhältnisse ist zunächst zu
bemerken, dass das mit dem bunten Sandstein beginnende und
bis zum mittleren Keuper reichende Profil der Triasschichten,
welches vom Hörselberg her mit meist steilem nördlichen Einfallen in
das südwestliche Blattgebiet eintretend den Höhenzug des Stein-
und Kalkberges bildet, in ungestörter Weise nach Blatt Friedrich-
rode fortzusetzen scheint. Auffallend sind hier auf der Höhe
dicht westlich von Langenhayn eigenthümliche Auswitterungspro-
ducte des oberen bunten Sandsteins, welche in Gestalt haselnuss-
grosser Kugeln rapilliartig den von entsprechendem anstehenden
Gestein gebildeten Boden bedecken.
Der nordöstliche Theil des Blattes wird fast in seiner ganzen
Ausdehnung von Nodosenschichten eingenommen, welche sich in
einer schmäleren Zone durch die Mitte des Blattes hindurch nach
XXXIX
dessen Westgrenze ziehen und dort wieder an Ausdehnung ge-
winnen. Sie liegen hier überall flach geneigt und weisen nur hin
und wieder locale Faltungen und Knickungen auf. Bezüglich der
Entwicklung und Petrefactenführung entsprechen die Verhältnisse
ganz den von BAUER für die Umgebung von Gotha gegebenen
Schilderungen. Die Nodosenschichten sind im Gebiet durch zahl-
reiche Steinbrüche aufzeschlossen, in einem derselben, östlich von
Teutleben beobachtete ich eine ausgezeichnet krystallinische Bank
mit reichlich eingesprengtem Kupferkies.
Die Feststellung der Grenze zwischen den Nodosenschichten
und der Lettenkohlengruppe ist auch auf Blatt Fröttstedt häufig
nicht mit aller Schärfe durchzuführen, doch besitzt die Letten-
gruppe unter allen Umständen eine etwas grössere Ausdehnung,
als auf älteren Karten angegeben ist. Die Lettenkohlengruppe
tritt hauptsächlich in zwei grösseren Partien auf, nördlich und
südlich der soeben erwähnten Nodosenzone, in letzterer Gegend
z. Th. durch Diluvialablagerungen überdeckt.
Von grossem Interesse ıst das Vorkommen von Hornstein-
einlagerungen in einer grauen, feinkörnigen Dolomitbank in der
Mersgelzone oberhalb der Lettenkohlensandsteine. Es sind sehr
feste, schwarze, graue, braune und gelbliche Hornsteine, denen
des mittleren Muschelkalk sehr ähnlich, manchmal auch täuschend
an Feuersteine der Kreide erinnernd. Man findet sie in Stücken
bis zu Blockgrösse in Menge auf der Höhe des Sallberges, am
Hessenberg, nordwestlich von Sundhausen u. s. w. HeEınricH
ÜREDNER scheint der Einzige zu sein, welcher diese Hornsteine
früher beobachtet hat: er führt sie vom Berlach an. In den Er-
läuterungen zu den bis jetzt erschienenen thüringischen Karten-
blättern, sowie in Bauzr’s Beschreibung der Umgebung von Gotha
geschieht ihrer nirgends Erwähnung. Da wo sich zu diesen Horn-
ta
stembrocken Diluvialgerölle zesellen, könnte man leicht versucht
gemeinsame fremde Herkunft beider zu denken,
sein, an eine
wenn nicht der wahre Ursprung der ersteren unzweifelhaft fest
stünde.
Der Grenzdolomit findet sich in der für Thüringen charakte-
oeschilderten Form als schmale Zone überall da.
Oo
ristischen, oft
XL
wo der Uebergang vom unteren zum mittleren Keuper nicht durch
Diluvialablagerungen verdeckt ist.
Der mittlere Keuper bildet den Untergrund des grössten
Theils der südlichen Blatthälfte und tritt in Gestalt grösserer und
kleinerer Inseln aus der Diluvialbedeckung hervor.
Eine Gliederung in Gyps- und Steinmergelkeuper konnte
Mangels guter Aufschlüsse zur Zeit nicht vorgenommen werden.
Wo immer mittlerer Keuper hervortritt, findet man neben den
bunten Mergeln mit Gyps und Steinsalzpseudomorphosen (diese
ganz besonders schön bei Wahlwinkel) auch feste Steinmergelbänke
mit Knochenresten und anhaftenden Sandsteimplatten, welche letztere
Abdrücke und Steinkerne kleiner zahlreich bei einander liegenden
Bivalven tragen. Dieselben werden meist schlechthin als Corbula
Keuperina bezeichnet. Ich selbst habe diese Art noch nicht er-
kennen können, wohl aber glaube ich mit Bestimmtheit, viele der
gedachten Zweischaler auf Arten der räthischen Gruppe — Tae-
niodon Ewaldi und praecursor ete. — beziehen zu müssen, was
ja auch a priori als nicht ausserhalb der Natur der Sache liegend
erscheint.
Es ist beabsichtigt, dem Einsammeln reichlichen Materials
von diesen Bivalven behufs specieller Bearbeitung besondere Auf-
merksamkeit zuzuwenden.
Die Diluvialablagerungen bieten im Allgemeinen dieselben
Erscheinungen, welche Weiss für Blatt Friedrichroda geschildert
hat (d. Jahrb. für 1885, S. xxxvum), jedoch spielt der bunte Sand-
stein unter den Geröllen des Thüringerwaldes im südöstlichen
Theile des Blattes eine beträchtliche, stellenweise sogar vor-
herrschende Rolle. An einigen Punkten südlich von Mechterstedt
liegt er in solchen Mengen da, dass man auf den ersten Blick
glaubt, verstürzte anstehende Massen vor sich zu haben. Unter
den übrigen Geröllen konnte ich alle von WEISS angegebenen
Gesteine constatiren mit Ausnahme des Braunkohlensandsteins,
ausserdem ausgezeichneten Gmeiss, zweifellos vom Thüringerwald
stammend. Am Nordhang des Steinbergs habe ich Gerölle von
nahezu Blockgrösse gesehen, niemals aber Schrammung. Dass
die als Gerölle auftretenden alten krystallinischen Gesteine sich
XLI
durchweg erst an dritter Lagerstelle befinden, wie WEISS annimmt,
kann wohl nicht als allgemein feststehend zugegeben werden.
Die Abgrenzung der Lehmbedeckung gegen den Untergrund
da. wo dieser von ceulturell veränderten Nodosen-Lettenkohlen und
Keuperthonen gebildet wird, ist nicht immer leicht, besonders
wenn übergreifende Schottermassen das Bild noch mehr verwischen;
aber auch da, wo lediglich mehr oder minder starke Beschotterung
vorliegt, welche den Untergrund hie und da deutlich erkennen
lässt, kann man häufig im Zweifel sein, welches Gebirgsglied zur
Darstellung zu bringen ist. Es giebt Stellen, an denen sich dem
Beobachter in dieser Hinsicht Schritt für Schritt ein anderer An-
blick darbietet.
Die Geröllmassen nehmen nach Norden zu mehr und mehr
ab, aber noch auf dem Plateau des Hohnberges, wo grössere Ge-
rölle zu den Seltenheiten gehören, findet man stellenweise Mengen
von winzigen Porphyrbröckchen als Reste einer einst weit ver-
breiteten Diluvialbedeckung.
Grössere Schichtenstörungen treten nur im nordöstlichen Blatt-
gebiet auf, als Fortsetzung der Bruchzone der Seeberge und des
Galgenbergs bei Gotha, dieselben werden zu Anfang der dies-
jährigen Anfnahmeperiode bearbeitet werden.
Mittheilung des Herrn BEYSCHLAG über Aufnahmen auf
den Blättern Salzungen und Altmorschen.
Die während der letztjährigen Aufnahmeperiode gesammelten
Beobachtungen, soweit dieselben in den Rahmen dieses vorläufigen
3erichtes passen, beziehen sich auf die Zechsteinformation am
südwestlichen Abstieg des Thüringer Waldes, so weit denselben
das Blatt Salzungen zur Darstellung bringt und dann auf die
gleiche Formation, wie sie zwischen Rotenburg a. F. und Altmorschen
als mantelförmige Umsäumung eines räumlich beschränkten paläo-
zoischen Grauwackenkernes an der Fulda zu Tage tritt. In beiden
Gebieten sind die Aufnahmen, wenngleich nicht völlig abgeschlossen,
doch so weit gefördert worden, dass ein abschliessendes Urtheil
über die Entwickelung der Formation und ein Bild ihrer Ver-
breitung erlangt wurde,
XLII
Der Zechstemzug, welcher sich, in SO-NW -Richtung das
Blatt Salzungen durchschneidend, von Schweina über die »alte
Warth« nach Waldfisch und von da über Möhra nach Kupfersuhl
in nur wenig gestörter Lagerung mit schwachem SW-lichen Ein-
fallen, durchschnittlich wenig mehr als 1 Kilometer breit verfolgen
lässt, ist reich an seheuswerthen Aufschlüssen, welche folgende
Schichtenfolge erkennen lassen: 1) Zechsteinconglomerat, 2) Kupfer-
schiefer, 3) Zechstein, (untere Formationsabtheilung); 4) Blasen-
schiefer als Vertreter der mittleren Formationsabtheilung; 5) Untere
Letten mit Gyps, 6) Dolomit, 7) Obere Letten, (obere Abtheilung).
Das Zechsteinconglomerat, zu dessen Abtrennung vom oberen
Rothliegenden s. Z. ebensowohl die beobachtete Discordanz zwischen
beiden Formationen als die besondere Fauna des ersteren zwang,
hat in unserem Gebiet leider keine Versteinerungen aufzuweisen.
An der Nordseite der »alten Warth« gewähren mehrere Wasser-
risse einen guten Einblick m die Grenze zwischen den Schichten
der unteren Zechsteinformation und des oberen Rothliegenden.
Man bemerkt hier, wo die ungleichförmige Lagerung wegen der
Kleinheit des Winkels der Discordanz im einzelnen Aufschluss
nicht mehr zu erkennen ist, einen zwar geringen, aber für die
sichere Trennung ausreichenden petrographischen Unterschied
zwischen den beiden Conglomeraten. Die Ya—1 Meter mächtige
Zechsteinconglomeratbank erscheint verglichen mit dem unter ihr
lagernden gebleichten Rothliegenden (W eissliegenden) fester, reicher
an Glimmerschiefertrümmern und vor allem an Milchquarzgeröllen
und grossen weisslichen Feldspathbruchstücken, dagegen ärmer an
porphyrischen und granitischen Brocken, die ihrerseits die Haupt-
masse der älteren Conglomeratbildung ausmachen. Häufig gesellt
sich zu dem eisenschüssigen Bindemittel auch noch ein kalkiges,
und in der Nachbarschaft der zahlreichen z. Th. erzführenden
kleinen Verwerfungen (Rücken), nicht selten em in die Augen
fallender Reichthum an Kobaltblüthe, Malachit und Kupferlasur.
Kupferschiefer und Zechstein weichen von der normalen im
Mansfeldischen, im Richelsdorfer Gebirge und im östlichen Thü-
ringen (Tiefseebildung) gekannten Entwickelung nicht ab, dagegen
ist die mittlere Formationsabtheilung durch eine höchst eigenthünm-
XLIII
liche Bildung vertreten, die passend als Blasenschiefer bezeichnet
wird. Das Gestein besteht aus ungemein dünnen, selten bis
1 Millimeter starken Lamellen eines stark dolomitischen Kalkes
und wird von zahllosen in diesen Lamellen liegenden blasen-
förmigen Hohlräumen, die meist gestreckt erscheinen, durchsetzt.
Nur ganz ausnahmsweise finden sich Uebergänge im den gewöhn-
lichen diekbankigen Dolomit (Hauptdolomit anderer Gegenden)
der mittleren Zechsteinformation, doch bleiben selbst an diesen
wenigen Punkten, auch wenn die Dünnschiefrigkeit verschwindet,
die ın horizontalen Ebenen angeordneten blasigen Hohlräume. —
Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, dass auch hier am Südrande
des Thüringer Waldes die mittlere Abtheilung der Zechsteinfor-
mation ursprünglich eine Steinsalz führende gewesen ist. In den
durch ihre steile Schichtenstellung den auslaugenden Gewässern
zugänglichen Partien des Ausgehenden sind diese Salzmassen längst
verschwunden. In grösserer Tiefe und weiter entfernt vom steilen
Rande des Gebirges werden sie noch z. Th. vorhanden sein und
liefern u. A. die Soolen der Saline Salzungen. Man wird daher
die Blasenschiefer als eine Rückstandsbildung ansehen dürfen, in
der sich vielleicht in den dünnen, nun mit einander verkitteten
Lamellen die einstigen Verunreinigungen des Salzflötzes wieder-
spiegeln. Spätere chemische Veränderungen müssen freilich die
auch aus Ilessen bekannt gewordene Residuenbildung betroffen
haben, um sie zu ihrer eigenthümlichen Gestalt und Zusammen-
setzung zu bringen.
Ueber die obere Formationsabtheilung ist nur zu bemerken,
dass der Dolomit, welcher die Lettenbildung in eine obere und
untere zerlegt, nicht die gewöhnliche im Richelsdorfer Gebirge,
am Südrande des Kyffhäuser und in Ostthüringen so verbreitete
Dünnschichtigkeit zeigt, dass er vielmehr durch seine Dickbankig-
keit, seine feinkörnige Beschaftenheit, seine lichtgraue, wenig Bi-
tumen verrathende Färbung und seine Verwitterungsproducte dem
Hauptdolomit dieser Gegenden ausserordentlich gleicht.
Nach dieser Schilderung der Beschaffenheit der Formation
auf Blatt Salzungen noch wenige Worte über die Fortsetzung der
Zechstembildungen sowohl gegen N nach Eppichnellen und Neuen-
XLIV
hof (Bl. Eisenach) zu, als auch gegen O und SO nach Lieben-
stein, Schmalkalden und Schleusingen zu. Es ist eine auffallende
und zugleich interessante Erscheinung, dass die Zechsteinformation
längs des Südrandes des Thüringer Waldes keine durchgängig
sich gleichbleibende Entwickelung der sie zusammensetzenden
Schichten aufweist, wie solche im Ganzen die Zechsteinbildungen
an den Harzrändern, am Kyffhäuser und in Niederhessen kenn-
zeichnet, dass hier am Thüringer Walde vielmehr auf verhältniss-
mässig geringe streichende Entfernung bemerkenswerthe, selbst in
der Kartendarstellung zum Ausdruck gelangende Veränderungen
in der Gesteinsbeschaffenheit stattfinden. Ganz vorzugsweise Ist
es allerdings die mittlere Formationsabtheilung, deren Gesteine
solche Schwankungen und Verschiedenheiten der Beschaffenheit
und Entstehung zeigen. Am gleichartigsten bleiben die Schichten
der unteren Abtheilung, insbesondere das Zechsteinconglomerat
und der Kupferschiefer. In letzterem schwankt nur der geringe
Erz- und Bitumengehalt in engen Grenzen, in ersterem sinkt die
Grösse der Componenten bis das Gestein den Eindruck eines
gleichkörnigen Sandsteins macht, (so bei Gethles, Bischofsrod ete.
am »kleinen Thüringer Wald«). — In der Schmalkaldener Gegend
vertreten dünnplattige, wenig mächtige Dolomite den von Schweina
über Waldfisch, Kupfersuhl und Eppichnellen bis zur Nordspitze
des Waldgebirges normal entwickelten Zechstein. — Die mittlere
Formationsabtheilung ist am Kyffhäuser (Frankenhausen), an der
unteren Werra u. a. O. als mächtige, Anhydrit, Gyps und Stein-
salz führende Stufe bekannt. Von alledem finden sich am Süd-
rande des Thüringer Waldes kaum Spuren. Dagegen treten bei
Eppichnellen, in der Schmalkaldener Gegend und bei Schleu-
singen Dolomite und Rauchwacken, auf Blatt Salzungen die ge-
schilderten Blasenschiefer auf, die den Steinschiefern des Harz-
randes am ähnlichsten sind. — Am grössesten ist die Abweichung
von der normalen Ausbildung in der Gegend von Liebenstein und
Altenstein, wo der mächtige, undeutlich geschichtete Riffdolomit
bald die gesammte Schichtenreihe bis zur oberen Lettenbildung,
bald wenigstens die mittlere Abtheilung und den Zechstein zu
vertreten scheint. — Den Schlüssel zur Erklärung dieser Erschei-
XLV
nungen findet man in der treffenden Deutung LieBE's für die
analogen, nur ungleich prägnanteren Verhältnisse Ostthüringens.
Wie dort, durch paläontologische Funde belegt und durch die
petrographische Beschaftenheit der Gesteine bestätigt, Bildungen
eines flachen, Bildungen eines tieferen Meeres und Riffbildungen
gleichzeitig auf kleinem Kaume neben einander entstanden, so
repräsentiren auch hier die Ablagerungen nordwestlich von Schweina
mit ihren dunkelgrauen, mergeligen Zechsteinkalken die im tiefsten
Wasser, der dolomitische Zechstein bei Schmalkalden die in
flacherem Wasser gebildeten Schichten und endlich der Altensteiner
Dolomit das auf den Granitklippen angesiedelte Bryozoönrift.
Die auf Blatt Altmorschen zur Darstellung gebrachte Zech-
steininsel im Fuldathale umschliesst mantelförmig einen aus Grau-
wacken bestehenden Kern, allseitig von diesem abfallend und unter
die Schichten der Trias untertauchend. Auffallend ist, dass sich
an dieser Umhüllung des alten Gebirges die einzelnen Stufen und
Abtheilungen der Zechsteinformation nicht gleichmässig betheilizen,
dass vielmehr bald dieses bald jenes Glied der Formation der
Grauwacke direct aufgelagert erscheint. Während man an der
nördlichen und westlichen Begrenzung der Grauwackenpartie vom
»orossen Sce« bis Sterkelshausen die untere Zechsteinformation
mit ihren 3 Gliedern, — Zechsteinconglomerat, Kupferschiefer und
Zechstein —, als der Grauwacke auflagernd deutlich verfolgen
kann, fehlen die gleichen Schichten auf der anderen Seite der
(Grauwackeninsel, insonderheit auf der Strecke zwischen Baumbach
und Sterkelshausen. Die mittlere Abtheilung der Formation fehlt
durchweg in diesem Bezirk; dagegen ist die obere und vorzüglich
deren Dolomit mächtig und gleichmässig entwickelt. Nur an einer
einzigen Stelle verliert der Dolomit seinen schichtigen Zusammen-
hang und löst sich in einzelne den Letten eingestreute Brocken
auf. — Man könnte versucht sein in dem Dolomit, welcher sich
an der Ostseite des Lützelstrauchs bei Baumbach direct auf die
Grauwacke auflagert, das Resultat einer der unteren Zechstein-
bildung parallel gehenden Riffbildung zu vermuthen, doch bieten
weder der petrographische Charakter noch paläontologische Funde
einen sicheren Anhalt für eine solche Annahme.
XLVI
Mittheilung des Herrn E. ZIMMERMANN über Aufnahmen
auf Section Crawinkel.
Meine geognostischen Aufnahmen auf der Section Crawinkel
haben bisher folgende bemerkenswerthe Resultate ergeben.
Der Zechstein zeigt auf der Section genau dieselbe Gliede-
run wie sie aus Ostthüringen von Gera bis Saalfeld bekannt
>
ist; aber es ist doch ein sehr auffälliger Unterschied in Bezug
auf die Mächtigkeit der unteren und mittleren Abtheilung vor-
handen. Ein Maass für diese Mächtirkeit boten zwar die Auf-
schlüsse auf unsrer Section bisher nicht, doch dürfte dasselbe ohne
wesentlichen Fehler aus einem Profile zu entnehmen sein, welches
estour auf Section Friedrichs-
ich bei Gelegenheit einer Orientirun
roda ganz nahe an der Grenze gegen Section Crawinkel fand).
Es führt dort auf dem Berg am Borkenhäuschen bei Georgenthal
ein Weg über die gut entblössten Köpfe der annähernd saiger
stehenden Zechsteinschichten, und eine Verwerfung oder Ver-
quetschung war nicht zu bemerken. Man überschritt da vom
Roth- und Weissliegenden ausgehend den unteren und mittleren
Zechstein in nur 8, den unteren Letten des oberen Zecehsteins
in 75, den Plattendolomit in 55, den oberen Letten in 34 Schritten,
worauf sogleich der weisse unterste Buntsandstein folgte. (Granz
entsprechend gering war also auch die Mächtigkeit des untern
und mittlern Zechsteins, wo ich ihn bisher auf Section Crawinkel
kennen lernte; und es ist dieses Maass gering nicht nur im Ver-
gleich zu der Mächtigkeit, die die beiden Abtheilungen anderwärts
haben, sondern auch zu derjenigen des oberen Zechsteins da-
neben.
Unter solehen Umständen ist es nun auch leicht erklärlich,
dass bei der Ausbildung der grossen, den Thüringer Wald von
dem Thüringer Becken trennenden Flexur oder Verwerfung
der untere und mittlere Zechstein durch Verquetschung_ stellen-
weise ganz verschwinden konnten, während der Plattendolomit
noch Stand hielt. Hlierauf möchte ich nämlich das auffällige
) Herr Professor Weiss hatte die Güte, mir die Erlaubniss zur Veröffent-
lich dieses seiner Section entnommenen Profiles zu geben.
XLVIU
Verhalten zurückführen, dass fast über die ganze Section hin allein
der letztere (in sehr steil bis senkrecht aufgerichteten Schichten)
am Gebirgsrand die Scheidung zwischen den Gesteinen von Roth-
liegend - Alter und den mesozoischen Schichten bildet. An über-
greifende Lagerung des Plattendolomits auf Rothliegendes, wie
sie sich in Sachsen findet, ist hier wenigstens wegen des localen
Auftretens des untern und mittlern Zechsteins nicht zu denken,
und die grosse Störung längs des Gebirgsrandes legt jene erste
Erklärung viel näher. Aber es lässt sich in der gering mächtigen
Ausbildung der fraglichen beiden Abtheilungen doch immerhin
ein Mittelglied zwischen der regelrechten Schichtenfolge vom Roth-
liegenden zum Buntsandstein und derjenigen erblicken, bei welcher
die erwähnte übergreifende Lagerung des oberen Zechsteins statt
Ina, —
Auch die petrographische Beschaffenheit der Zechstembildungen
zeist interessante Einzelheiten. So findet sich die von LiEBE !)
aus der Umgebung von Pössneck als dem einzigen Vorkommen
in ganz Ostthüringen beschriebene Ausbildung des mittlern Zech-
stens als em Schaumkalk mit zahlreichen Einschlüssen eckiger
bunter Lettenbruchstücke auch auf Section Crawinkel wieder.
Als etwas ganz auffälliges verdient aber ein Gestein hervor-
gehoben zu werden, welches man auf den ersten Blick gar nicht
zu den Zechsteinbildungen zählen wird, welches durch bisweilen
colonieartig gehäufte, recht gut als Steinkerne erhaltene und ganz
s$
sicher bestimmbare Produetus horridus SOw. sein Alter unzweifel-
haft zu erkennen giebt. Es ist das ein schwarzes bis schwarz-
braunes, quarzitartiges, drusiges Gestem, welches an den losen
Blöcken, in denen es mir bisher nur zu Gesicht gekommen ist,
keine Spur von Schichtung erkennen lässt, und durch dies alles,
4
wie auch durch die eigenthümlich glatte Oberfläche, die es beim
Liegen an der Luft oft annimmt, an die als Knollensteine bekannten
oligocänen Quarzite erinnert. Ein solches Gestein tritt im öst-
lichen Thüringen nirgends auf, zeigt aber auf Section Crawinkel
!) Liver, Aus dem Zechsteingebiet Ostthüringens (dieses Jahrbuch für 1884,
8.381).
XLVIII
eine alsbald zu besprechende interessante Verbreitung. Offenbar
ist das Gestein nicht ursprünglich so entstanden, wie es jetzt sich
darbietet, sondern es ist verkieselt. Durch seine massige, unge-
schichtete Beschaffenheit wie auch durch die Gestalt der jetzt mit
Quarz ausgekleideten, kleinen drusigen Hohlräume tritt es den
Bryozoönriffgesteinen Ostthüringens nahe. Die darin etwa vor-
handen gewesenen zarteren Versteinerungen sind durch den Ver-
kieselungsprocess zerstört worden. Welches die Ursachen dieses
Processes waren, konnte ich bisher nicht sicher nachweisen. Ein-
mal lässt sich an die thatsächlich in der Nähe der Blöcke hin-
streichenden Verwerfungen und die auf diesen circulirenden Wasser
denken; es könnten aber auch die Porphyrbreccien des Roth-
liegenden in analoger Weise nach oben umwandelnd gewirkt haben
wie die entsprechenden Diabasbreccien des Oberdevons in Ost-
thüringen (vergl. LIEBE, Schichtenaufbau. S. 122). Oder haben
Vorgänge stattgefunden ähnlich denen (nur in grösserem Maass-
stabe), die in dem Zechsteinriff bei Pössneck, wenn auch als auf-
fällige Seltenheit, locale Bildung von z. Th. eisenkieselartigen
@uarzkrystalldrusen und -kluftausfüllungen herbeiführten und auf
Barytgängen, die dort den Zechstein und Kulm durchsetzen, Quarz
als neuestes Mineral in Krystallen auf Baryt aufsitzend erzeugt
haben, — Vorgänge, die freilich auch noch der Erklärung harren?
— Ich fand diese Blöcke zuerst neben anderen nicht umge-
wandelten Zechsteingesteinen auf alten Halden zwischen Friedrichs-
anfang und Luisenthal. Nun halten sie sich aber wegen ihrer
out und finden sich darum
(Gresteinsbeschaftenheit ausserordentlich &
sehr häufig auch in den diluvialen Schotterlagern auf der Trias-
hochebene vor dem Gebirge, doch gelang es mir hier bei keinem
der Blöcke, Versteinerungen darin zu entdecken. Was aber nun
am meisten interessant und von Werth ist: auch im Gebirge selbst
kommen sie vor und zwar noch weiter entfernt von dessen Rand
als die bisher aus dem Gebirge selbst bekannten Zechsteinvor-
kommnisse. Bisher sind mir drei Fundstellen solch quarzitischen
Gestemes bekannt geworden; leider waren auch hier die Blöcke
stets lose und vielleicht sogar Greschiebe; aber sie kommen in
solcher Menge und von solcher Grösse (bis mehrere Zentner
oO
XLIX
schwer) vor, dass an künstliche Verschleppung von Seiten des
Menschen nicht zu denken ist. Diese 3 Stellen befinden sich nahe
der Gabelung der Strassen Oberhof-Ohrdruf und Oberhof- Cra-
winkel, an welcher das Waldwärterhaus » Wegscheid« steht. Der
höchstgelegene Block liegt nach der Karte in etwa 1800 Fuss
Höhe über dem Meere, und der am weitesten (4,5 Kilometer) vom
Gebirgsrand entfernte, der auch Productus horridus wieder ein-
schliesst (die meisten Blöcke sind versteinerungsfrei), findet sich
an der Ausmündung des von der » Wegscheid« herabkommenden
Thälchens in den Ohragrund.
In diesen Vorkommnissen haben wir neue Beweise dafür,
dass der Zechstein — vielleicht sogar in Rifffacies — auch
die Höhen des Thüringer Waldes dereinst bedeckt hat.
ÜREDNER giebt auf seiner Karte dieses Gebirges auch schon
mehrere in diesem selbst, vom Rand entfernt, auftretende Zech-
steinvorkommnisse an. Diese entfallen auch auf die Section
Crawinkel. Das eine derselben, WSW-lich von Arlesberg, hatte
ich noch nicht Gelegenheit genauer zu untersuchen; dagegen lieferte
das andere Vorkommen, am Raubschloss bei Gräfenroda, fast un-
mittelbar an der Eisenbahn, folgende Beobachtungsresultate: es
wird dort ein sehr grobes, nach NO einfallendes Rothliegendcon-
glomerat von mächtigem Quarzporphyr überlagert. Längs einer
h. 11 verlaufenden Spalte ist der nordöstliche Theil eingesunken,
wenn er auch orographisch den südwestlichen Theil noch um ca.
200 Fuss überragt. Auf letzterem stand das alte Raubschloss.
Die Spalte ist nur so wenige Schritte breit (wohl nicht 15 Schritte),
dass sie auf der Karte in 1:25000, um sichtbar zu werden, über-
trieben dargestellt werden muss. In sie ist nun der Zechstein
hinabgestürzt und zwar so, dass die natürliche Reihenfolge der
Schichten gewahrt geblieben ist; es findet sich zu unterst Kupfer-
schiefer, der ehedem bergmännisch gewonnen wurde, — darüber
sehr wenig unterer Zechstein (Mergel) und in grösserer Menge
mittlerer Zechstein von der oben beschriebenen schaumkalkartigen
Beschaftenheit, z. Th. zahlreiche Lettenbröckchen einschliessend.
Was den Muschelkalk auf Section Crawinkel betrifft, so
weicht derselbe nur darin von demjenigen in der Umgebung von
Jahrbuch 1556. d
L
Jena ab, dass die Terebratulabank im Wellenkalk neben Terebra-
tula vulgaris in auffälliger Häufigkeit Spirifer hirsutus einschliesst.
Eine Orientirungstour auf Section Arnstadt führte mich auch
zu dem Rhät der Bittstedter Höhe, welches mit dem von SCHMID
beschriebenen Vorkommen von der Wachsenburg und mit dem
von BAUER beschriebenen von den Seebergen zusammengehört.
Für dieses Rhätgebiet neu ist eine von mir in einem (leider nur
einem) Blocke von Sandstein aufgefundene Fauna aus folgenden
Formen: @ervillia praecursor Qu., Tueniodon praecursor SCHLÖNB.,
Schizodus Ewaldi BORNEM., Lima praecursor Qu. und eine Muschel,
die ich vorläufig für (ypricardia suevica OPr. halte.
Grössere Räume nehmen auf der Section diluviale (nach
v. Fritsch pliocäne) Flussschotter ein. Diese führen neben anderen
Thüringerwald-Gesteinen häufig die oben besprochenen Knollen
und Blöcke von verkieseltem Zechstein, und ferner von letzterem
nicht immer leicht und sicher zu unterscheidenden Braunkohlen-
quarzit. — Dieser Schotter hat wohl zumeist eine ziemlich eben-
flächige Unterlage, und auch die kartographischen Darstellungen
desselben Schotters anderwärts zeigen in der Regel nichts anderes.
Um so beachtenswerther erscheint es, dass auf dem Bergrücken,
welcher sich unterhalb Gräfenroda auf dem linken Gera-Ufer gegen
Liebenstein hinzieht, diese — dort von Wellenkalk gebildete —
Unterlage von zahlreichen schmalen, aber oft recht tiefen (bis zu
10 Meter) Rinnen zerfurcht ist, die auf eine grosse Zahl kleiner
Wasseradern oder auf einen oft wechselnden Verlauf derselben
hindeuten. Die Folge jener Zerfurchung ist, dass bei der Ab-
schwemmung des Schotters aus diesem viele Muschelkalkrücken
insel- oder wegen ihrer steilwandigen Begrenzung klippenartig
heraustreten in ganz ähnlicher Weise, wie im Gebiet des ost-
ischen Zechsteins, besonders in der Umgebung von Neu-
thüring
stadt und Pössneck, der Kulm aus diesem sich hervorhebt.
Mittheilung des Herrn H. LoRETZ über Aufnahmen im
Bereiche der Blätter Königsee und Schwarzburg.
Ein beträchtlicher Theil dieses Gebietes wird von den Schiefern
des Cambrium eingenommen. Während auf Section Schwarz-
LI
burg nur die obersten und oberen hierher gehörigen Schichten
entwickelt sind, kommt auf Section Königsee auch die tiefere
Schichtenreihe von theils rein phyllitischem, theils gemischt phyl-
litischem und klastischem Habitus zum Vorschein.
So viel die bisherigen Begehungen gezeigt haben, lassen sich
auch hier, nämlich im Bereiche von Section Königsee, die in
dem Kartenblatt und in der Erläuterung zu Blatt Eisfeld, sowie
in diesem Jahrbuch für 1881, S. 180 ff. unterschiedenen Zonen
wiedererkennen, wenn sie sich auch nicht scharf von einander
abgrenzen. Ebenso wiederholen sich auch hier in der unteren
Zone jene eigenthümlichen, ihrer Entstehung nach schwierig zu
erklärenden Eimlagerungen granitisch-gneissischer, porphyroidischer
und amphibolitischer Natur, sowie auch die Zwischenschichten
graphitischer Quarzitschiefer (uneigentlich »Kieselschiefer«). Die
grauen bis grünlichen Schiefer einerseits östlich an der Schwarza,
andererseits westlich am Langen Berge gehören nach unserer
Auffassung zu den höheren cambrischen Thonschiefern, welche
(QQuarzit als Zwischenschichten führen. Dies findet in besonders
starkem Maasse am Langen Berge, östlich und südöstlich von
Amt Grehren statt. Die Abhänge dieses Berges sind fast durch-
weg mit losem Quarzit-Trümmerwerk bedeckt, welches nach
N und NW abwärts ohne scharfe Grenze in eine diluviale
Schotterdecke verläuft. Der Quarzit vom Langen Berge stellt
grossentheils ein deutlich klastisches Gestein dar, indem er durch
Aufnahme von grossen und kleinen Quarzgeröllen, sowie solchen
von jenem dunklen, kieselschieferähnlichen Quarzit conglomeratisch
wird. In der Schwarza-Gegend ist die Ausscheidung des Quarzits
vom graugrünen, cambrischen Thonschiefer zum Theil etwas un-
sicher, weil sich vielfach ein Uebergangsgestein einstellt, welches
sich als quarzitischer Thonschiefer verhält, nicht anders wie dies
auch in der Gegend von Stemach und Steinheid (Blatt Stemheid)
der Fall ist. Die bis jetzt nur zum kleinsten Theile kartirte
Zwischenstrecke zwischen dem Langen Berge bei Amt Gehren
und den Bergen des Schwarzathales enthält jene beiden anderen,
nach unserer Auffassung älteren Zonen.
Die oberste, dem Silur benachbarte, eambrische Schieferfolge
(al
LII
besitzt auf Section Schwarzburg eine beträchtliche Verbreitung,
sie enthält auch hier, wie weiter südlich, viel Quarzit; über ihre
Abgrenzung vom Silur gilt dasselbe, was wir in diesem Jahrbuch
für 1884, S. 24 ff. ausgeführt haben. Die damaligen Ausführungen,
und namentlich was über die Unterscheidung zweier Zonen im
Untersilur gesagt ist, haben auch Gültigkeit für die im südlichen
und südöstlichen Theile derselben Section ziemlich verbreiteten
Untersilurschichten. Die in geringer Ausdehnung noch folgenden
höheren paläozoischen Schichten, bis zum Unterdevon einschliess-
lich, geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass.
Das Rothliegende ist nur im Gebiete der Section Königsee,
bei Amt Gehren, und nur in ganz geringer Ausdehnung vorhanden,
und zwar in Form von Porphyrit und untergeordneten Sediment-
schichten.
Wichtiger ist der Zechsten, welcher als schmaleres oder
breiteres Band, je nach dem Einfallen seiner Schichten, das alte
Schiefergebirge auf beiden Sectionen umsäumt. Obwohl eine end-
ültige Gliederung desselben noch vorbehalten bleibt, seien wenig-
Ä
stens einige diesbezügliche Beobachtungen aus der Gegend von
09
Königsee angeführt, wo seine untersten Schichten den Schiefer-
köpfen des cambrischen Grundgebirges in ungleichförmiger Lagerung
aufliegen. Er eröffnet hier mit »Zechsteinconglomerat«, einer ver-
schieden starken Schicht, welche Brocken aus dem Schiefergebirge,
besonders Schiefer, Quarzit, Quarz, in einem kalkig dolomitischen
Gestein oder im einem dolomitischen Sandstein eingeschlossen
enthält, hier als scharfeckige Stücke, dort als abgerundete Gerölle.
Hierauf folgt der Vertreter des Kupferschiefers, eine meist schwache
Schicht, welche aus kohlereichem oder bituminösem Mergel mit
Kupfererzspuren gebildet wird; in den Aufschlüssen bei Lichte
besteht sie z. B. zu unterst aus 0,1—0,2 Meter starkem, dichtem,
dunklem, bituminösem Kalkstein, darüber in einer Stärke von
mindestens 1 Meter aus dünngeschichtetem, bitummösem Mergel-
schiefer mit zahlreichen Exemplaren von Lingula Credneri, Pflanzen-
resten, Kupferlasur und Malachit. Die nun aufwärts folgenden
dolomitischen Gesteme, hauchwacken und dichten Kalksteine be-
dürfen bezüglich ihrer Zutheilung zum unteren und mittleren
LILI
Zechstein noch weitere Beobachtungen. Der dem oberen Zech-
stein angehörige »Plattendolomit« lässt sich als solcher in einer
grösseren Anzahl von Steinbrüchen bei Königsee deutlich erkennen;
er wird von rothen, mit Gyps wechselnden Letten unterlagert,
und ebenso von grauen und rothen Letten überlagert, welch’
letztere ohne scharfe Grenze in den unteren Buntsandstein hin-
überführen.
Dieser nimmt in den nördlichen Theilen der beiden Sectionen
ausgedehnte Flächen ein; er ist, soweit bis jetzt begangen, vor-
herrschend, doch nicht durchaus, wie auch anderwärts feinkörnig,
und von weisser oder gelblicher Färbung. Eine Bröckelschiefer-
zone an seiner Basis stellt sich nicht, oder doch nicht durchweg
mit der Deutlichkeit dar, wie an der entgegengesetzten, südlichen
Seite des Schiefergebirges.
Mittheilungen des Herrn H. ProEscnoLpr über Aufnahmen
und Revisionen der Sectionen Hildburghausen, Dings-
leben, Themar und Schwarza.
Es wurde bereits im vorjährigen Jahresbericht bemerkt, dass
der Gerölle führende grobe Sandstein, den LORETZ auf Eisfeld,
Meeder etc. zuerst ausgeschieden hat, sich auch auf Hildburghausen
und Themar auszeichnen lasse und schliesslich in einen Sandstein
übergehe, der m der Gegend von Schwarza, Schmalkalden als
feinkörniger bezeichnet wird. Diese Beobachtung wurde auch in
der Aprilconferenz 1886 zu Berlin zur Sprache gebracht, erfuhr
indessen von mehreren Seiten Widerspruch, insbesondere von
Herrn FRANTZEN, welcher den Vorschlag machte, als Grenze
zwischen dem unteren und mittleren Bunten die Basıs der mäch-
tigen Gerölle-Zone des Isaac bei Neustadt und des Sandberges
bei Steinheid zu wählen, welche Grenze mit derjenigen zusammen-
falle, die von EMMRICH, BÜCKING und ihm selbst in den Blättern
Schmalkalden, Wasungen und Schwarza verzeichnet worden sei.
Am Isaac bei Neustadt tritt nun aber nach den Aufnahmen
von LORETZ (vergl. Blatt Neustadt) und Beobachtungen von mir
der untere Buntsandstein nicht zu Tage. Die Sandsteine vom
Sandberg bei Steinheid zieht LorETZ aus Analogie zu dem mittleren
LIV
(vergl. Text zu Blatt Steinheid 47—48), und meine gerade in
dieser Hinsicht angestellten Beobachtungen an Ort und Stelle
können das nur bestätigen.
Die vorjährige Revision auf Blatt Schwarza hat es ausser
allen Zweifel gestellt, dass hier die Gerölle-führende Zone in den
feinkörnigen Sand Emmricn’s, Bückıng’'s etc. übergeht. Der
Uebergang vollzieht sich verhältnissmässig rasch, aber so, dass die
Abgrenzung beider Zonen approximativ bleibt.
Den besten Einblick in die bezüglichen Verhältnisse giebt die
Umgebung von Benshausen. So beobachtet man in der Fahr-
strasse von dem Ort nach Albrechts dicht hinter den letzten
Häusern ziemlich zahlreiche Quarzgerölle in einem weissen, fein-
körnigen Sandstein, dann folgen in vorzüglichem Aufschluss vor-
herrschend typisch feinkörnige weisse Sande in groben Bänken
über 70 Meter mächtig, in denen äusserst selten ein Geröll er-
scheint, und schliesslich folgen auf der Höhe wieder Gerölle-
führende Schichten. An eine Verwerfung ist hier nicht zu denken.
In gleicher Mächtigkeit und Ausbildung erscheint der grob-
körnige Sandstein auf Hildburghausen wie auf Schwarza. Die
Verhältnisse stellen sich demgemäss in folgender Weise dar:
Schmalkalden Schwarza Eisfeld, Neustadt,
Hildburghausen
Röth und Chirotherien- Röth und Chirotherien- | Röth und Chirotherien-
sandstein | sandstein sandstein
ez nn — EEE n _— — — — — m _ EEE NE nn
Grobkörniger Sandstein | Grobkörniger Sandstein | Grobkörniger Sandstein
100—130 Meter 100-130 Meter | 100—130 Meter
x
Feinkörniger Sandstein | Gerölleführender Sandstein |Gerölleführender Sandstein
ca. 150—180 Meter 0—30—50 Meter ca. 150 Meter
Feinkörniger Sandstein | Feinkörniger Sandstein
100—150 Meter | 30—100 Meter
Nördlich von Benshausen ist der Buntsandstein streckenweise
auf den Schichtablösungen mit Malachit überzogen.
Das Buntsandsteingebiet auf Schwarza ist von einer Anzahl
paralleler Bruchlinien durchsetzt, die mit einander anastomisiren
und sämmtlich Ueberschiebungen darstellen. Die wichtigste der-
IuY.
selben, die Störung am Kleinen Dollmar, hat BüÜGKING im vorigen
Jahrbuch z. Th. eingehend beschrieben. Bereits westlich von
Benshausen ändert die Störung ihr Streichen in ein nordsüdliches
und scheint sich bei Ebertshausen auszuheben, während die nörd-
liche Parallelverwerfung die Richtung nach dem Aschenhof hin
einschlägt, sich aber durchaus nicht sicher verfolgen lässt.
Die grosse Ueberschiebung, die von Steinbach-Hallenberg an
bis in die Nähe des Aschenhofs das alte Gebirge von dem tri-
adischen Vorland trennt, setzt an Albrechts, woselbst der Röth
unter den Grerölle-führenden Sandstein einfällt, vorüber bis in
Section Suhl fort, erscheint aber nicht mehr als Randverwerfung,
die nunmehr nördlich über Altenfeld-Suhl verläuft.
Am weitesten entfernt von dem alten Gebirge ist eine Ver-
werfung, die zwischen Schwarza und Viernau bemerkbar wird, in
der Nähe von Wichtshausen nach Themar übersetzt und schliess-
lich mit den grossen Verwerfungen bei Bischofsrod in Verbin-
dung tritt.
Ueber die geologischen Verhältnisse auf Blatt Hildburghausen
ist im vorigen Jahrbuch näheres mitgetheilt worden. Hier möge
hinzugefügt werden, dass die von Themar-Schleusingen kommende
Verwerfung, die über Wiedersbach nach Eisfeld hinläuft, nicht
als einfacher Bruch erscheint, sondern von Parallelsprüngen be-
gleitet wird. Auf der Section treten Basaltgänge zu Tage, von
denen der Hessberger bereits Emmrıicn bekannt war. Ein anderer
kleinerer scheint bei Veilsdorf aufzutreten. Das Gestein beider
besteht aus dem Gemenge Augit-Olivin-Magneteisen und lässt nur
bei äusserster Dünne des Schliffes eine an Nephelin erinnernde,
aber nicht individualisirte Masse erkennen.
Hier mögen noch einige Bemerkungen über die Eruptivgesteine
des Kleinen Thüringer Waldes bei Bischofsrod gegeben werden.
Der Granit ist meistens tief hinein verwittert und in einen Grus
von Quarz und bröckligen Feldspathkörnern aufgelöst. Besonders
auffällig an demselben ist die Neigung zu einem abrupten Wechsel
des Korns und der regellos körnigen Structur im annähernd
schiefrige; hierdurch entstehen in dem Gestein eckige und rund-
liche, meistens sehr glimmerreiche Ausscheidungen, die man zu-
LVI
nächst für Glimmerschiefer hälten könnte. Häufig nimmt er local
die Structur des Granitporphyrs an. Nach seiner mineralogischen
gehört er zu den Granititen ROSENBUSCH'’s,
Zusammensetzung
denen er auch in der Form des Auftretens vollständig gleicht
(vergl. Mikroskop. Physiographie der massigen Gesteine S. 20— 21).
Unter dem Mikroskop zeigt er einen grossen Reichthum an Apatit.
Der Granit wird von zahlreichen Porphyrgängen durchsetzt.
Das Gestein rechnet UREDNER zu seiner sechsten Porphyrvarietät,
also der jüngsten der Porphyre zu. An manchen Orten zeigt er
sphärolithische Ausbildung.
oO
Mittheilung des Herrn K. OEBBEKE über Aufnahme der
Section Neukirchen. ä
In der in diesem Jahrbuch für 1885, S. Lır veröffentlichten Mit-
theilung über die Aufnahmen der Sectionen Niederaula und
Neukirchen wurde angegeben, dass im Gebiete der genannten
Sectionen der Buntsandstein vorwalte und dass gegen Westen zu
der grobkörnige Sandstein zunehme.
Eingehendere Untersuchungen im Gebiete der Section Neu-
kirchen haben, im Uebereinstimmung mit denen im Gebiet von
Niederaula, gezeigt, dass in diesem südlichen Theil Kurhessens
die Entwickelung der Buntsandsteinformation folgende ist:
I. Zu unterst liegen feinkörnige, dünnplattige, vorzugsweise
roth gefärbte Sandsteine, welche thonige und glimmerreiche
Zwischenlagen einschliessen und im Allgemeinen den Charakter
besitzen, welcher dem unteren Buntsandstein eigen ist. Ihre Ent-
wickelung ist nicht sehr mächtig.
I. a) Auf diese folgt eine Zone mit rothen, grobkörnigen
Sandsteinbänken, deren Mächtigkeit an verschiedenen Orten ver-
schieden ist, und welche den Beginn des mittleren Buntsand-
steins kennzeichnet. Sie ist fast überall durch eine Erhebung
ım Terrain sichtlich.
b) Es folgen wieder feinkörnige, oft härtere, kieselige Sand-
steine, welche aber zuweilen genau den gleichen petrographischen
Charakter wie diejenigen des unteren Buntsandsteins besitzen können.
Man trifft in ihnen auch grobkörnige Zwischenlagen, aber doch
niemals in der Weise, dass der grobe Sandstein vorherrscht. Der
LVI
Wechsel von grob- und feinkörnigen Sandsteinen wiederholt sich noch
mehrmals und erst verhältnissmässig hoch oben im mittleren Bunt-
sandstein gewinnt
c) der grobkörnige Sandstein die Ueberhand. Hier stellen
sich vielerorts förmliche Geröllbänke ein. Nahe der Röthgrenze
erscheinen wieder feinkörnige, oft schneeweisse Sandsteinbänke,
welche mit grobkörnigen, oft an Quarzgeröllen reichen Bänken
wechseln und denen poröse, braungefleckte Bänke überlagert sind;
sie enthalten gern thonige Massen. Auch die lockeren, weissen,
grobkörnigen Sandsteine besitzen vielfach ein thoniges, kaolin-
artiges Bindemittel.
Das Auftreten jüngerer Glieder der Trias ist überall an das
Vorhandensein von Gebirgsstörungen geknüpft.
Ausser den bereits früher (1. e. S. Lit) erwähnten Störungen
wären noch auf Blatt Neukirchen zu erwähnen eine SO-NW
streichende , nordwestlich von Friedigerode bei der ehemaligen
»Alten Ziegelhütte«e und eine andere bei Olberode, deren Ver-
lauf noch nicht sicher festgestellt werden konnte. Auch zwischen
Ottrau, dem Sebbel und dem Steinberg scheint eine Störung im
Gebirgsbau vorzuliegen. Leider sind an all den genannten Punkten
die Störungen wegen der dichten Bewaldung und des massenhaften
basaltischen Diluviums nur sehr schwer zu verfolgen. An den
ersten beiden Orten treffen wir Röth und unteren Wellenkalk,
an den letzteren (Ottrau) nur Röth. Südlich von Seigertshausen
(Blatt Schwarzenborn) zwischen der Hergerts- und Happertsmühle
erscheint eine kleme SW-NO streichende Störung (Röth und
unterer Muschelkalk).
Jüngere Eruptivgesteine (welche wir vorläufig kurz als Ba-
>)
salte bezeichnen wollen) finden sich in grosser Verbreitung. Im
Anschluss an die bereits früher (l. e. S. Liv) erwähnten Fundorte
mögen hier folgende, auf Blatt Neukirchen liegende, angeführt
werden: Im Norden von Neukirchen 11) ') die Thonkuppe,
1) Die Ziffern Il u. s. w. beziehen sich auf die Nummern der einzelnen auf den
Blättern Niederaula und Neukirchen eingezeichneten Basaltvorkommnisse. Wegen der
Nummern 1—10 vergl. Jahrb. für 1885, S. zum —ııv. — Auf S. ur daselbst
Zeile 4 v. u. ist ein Druckfehler zu berichtigen: statt gefaltet muss es heissen:
gefrittet.
LVIII
12) westlich von dieser eine kleinere und 13) östlich von ihr eine
grössere Kuppe, 14) der Eichwaldskopf, 15) die hohe Schule (zum
grösseren Theil auf Blatt Schwarzenborn), 16) nordöstlich vom
Eichwaldskopf eine Kuppe (1559 Fuss) und 17) unmittelbar bei
Hauptschwenda nächst dem Bornstrauch. 18) Im Süden des ge-
nannten Dorfes liegen eine Anzahl Basaltvorkommnisse wie der
Siebertsberg, die Hütte u. s. w., welche wahrscheinlich mit denen
bei Christerode und im Steinwald in Verbindung stehen und
den südlichen Theil des eigentlichen Knüllgebirges ausmachen.
Die bedeutendsten, sofort in’s Auge fallenden, basaltischen Er-
hebungen zwischen Neukirchen und Oberaula sind 19) der
Burgberg und 20) der Wickelsberg, beide nördlich Asterode,
21) der Ziegenberg westlich und 22) der Hohebaum nördlich
von Olberode. 23, 24) Zwei kleine Erhebungen östlich und
25) die Stöckerheide nordöstlich von Christerode und östlich
von dieser 26) das Köpfchen und 27) der Kollenberg. Von diesen
Vorkommen getrennt sind 28) der Steinerberg, 29) der Sebbel, beide
nördlich Schorbach und 30) em nur wenig mächtiger Basaltdurch-
bruch in nächster Nähe (südlich) von Weissenborn, an der Strasse
nach Görzhain.
Basalttufte finden sich nördlich Görzhain, aın Hilsberg, bei
Weissenborn (30), auf der Ostseite der Zieglerskuppe (5) und
auf dem Eisenberg (Section Niederaula).
Das Vorhandensein des Tertiärs ist vielfach durch oft unge-
mein grosse Quarzitblöcke angedeutet. Dieselben erscheinen bald
einzeln und lassen sich dann häufig auf grosse Erstreckungen hin
verfolgen z. B. auf der Ostseite der Verwerfung Oberaula -Eisen-
berg, zwischen Hausen und Schorbach, im Angersbachthal, be-
sonders am Bommerich nördlich von Neukirchen und endlich west-
lich vom Bornstrauch; oder sie liegen in grosser Menge und
Mächtigkeit übereinandergehäuft wie nordöstlich von Hausen und
südlich von Immichenhain in der sogenannten Hattendorfer Hecke.
Mittheilung des Herrn H. GREBE über die Aufnahmen
an der Mosel, Saar und Nahe.
Die beiden aneinander schliessenden Blätter Zell und Treis,
von denen ersteres an das im vorigen Jahre bearbeitete Blatt
LIX
Bertrich sich östlich anreihet, umfassen die Mosel auf ihrem Laufe
von Zell bis Carden, einen Theil der Hochfläche, nördlich der
Mosel, die sich nach der Eifel hin ausdehnt und des Hochlandes
südlich derselben, das mit dem Ilunsrück zusammenhängt.
Von älteren Gesteinen schliessen beide Blätter das Unter-
devon, vom Hunsrück-Schiefer bis zum Orthoceras-Schiefer, ein.
Dann kommt Tertiär, Diluvium und vulkanischer Sand in grosser
Verbreitung, auch vulkanischer Tuff an drei Stellen vor.
Der Hunsrück-Schiefer, von der Mosel über den grössten
Theil des Hunsrücks sich ausdehnend, schneidet hier an einer
oegen NW ab. Dieselbe ist
grossen streichenden Verwerfung geg
bis jetzt vom unteren Alfthale über Bullay (Blatt Bertrich), Sen-
heim und Beilstein hinaus und weiter verfolgt worden; sie durch-
schneidet das ganze Blatt Treis, und wie vorläufige Excursionen,
an der Mosel abwärts, ergeben haben, scheint dieselbe in nord-
östlicher Richtung noch weit fortzusetzen.
Die graublauen und blauschwarzen Schiefer, nicht selten mit
Sandstein und quarzitischen Schichten wechselnd, sind vielfach
mit Adern und Schnüren von Quarz durchzogen, theils im Streichen,
theils quer zu demselben. Die oft griftelförmigen und stängeligen
Schiefer sind gewöhnlich dickschichtig, seltener dünnschiefrig, auf
(er
us
dem Plateau des Hunsrücks meist &
Thon und Letten übergehen, und zwar, wie viele Tagebaue auf
anz verwittert, sodass sie in
Brauneisenstein ergeben haben, bis zu mehreren Metern Tiefe.
Wie im Allgemeinen, so sind diese Schichten auch hier recht
arn an Versteinerungen und simd nur wenige Fundorte
>
schlecht erhaltener Thierreste zu verzeichnen; an der Weissmühle
am Flaumbach fanden sich Spirifer micropterus, sonst nur Stiel-
glieder von CUrinoiden und unbestimmbare Reste von Bivalven.
Das obere Unter-Devon, welches mit den unteren Coblenz-
Schichten beginnt, setzt vom unteren Uess- und Alfthal (Blatt
Bertrich) nach Cochem hin fort, nımmt auf Blatt Zell nur die
nordwestliche Ecke, auf Blatt Treis aber den grössten nördlichen
Theil ein. Das Schichtensystem besteht aus einem Wechsel von
mehr oder weniger dünngeschichteten, meist dunkel, seltener röth-
lich-grau gefärbten Schiefern mit diekbankiger Grauwacke, zu-
LX
weilen auch quarzitischen Sandsteinen. Stärkere Quarzitbänke
sind nicht vorhanden.
An Versteinerungen kommen Strophomena (Leptaena) laticosta,
Spirifer miceropterus und Chonetes sarcinulata vor.
Algen-führende Schichten, sonst zwischen den unteren und
oberen Coblenz-Schichten vielfach vorhanden, fanden sich nur im
Flaumbach-Thale in Lagen, nahe der Grenze gegen die obere
Coblenz - Stufe.
Diese lehnt sich mit gleichem Einfallen nach SO an die vor-
erwähnte Stufe an. Die oberen CGoblenz-Schichten bilden
eine schmale Zone, dehnen sich im der Breite von 1 Kilometer
als Fortsetzung des Kondelwaldes (Blatt Bertrich) über den Hoch-
kessel (am westlichen Rande von Blatt Zell), über Beilstein nach
dem Schockberg (Blatt Treis) aus. Sie bestehen aus (Quarzit
(Coblenz-Quarzit) und plattenförmiger, graulich-rother Grauwacke
im Hangenden, worin Spirifer ceultrijugatus, Rhynchonella Orbigny-
ana und Chonetes dilatata häufig vorkommen. Mit gleichem süd-
östlichem Einfallen lagert an die Grauwacke ein meist dickge-
schichteter graulicher Schiefer, der vielfach blauschwarze linsen-
förmige Kieseleoncretionen von 1 Zoll Grösse einschliesst.
Darauf folgt als schmales Band der meist dünnblättrige,
blaugraue, blauschwarze bis schwarze Orthoceras-Schiefer, in
welchem sich bei Engelport im Flaumbach-Thale ein Dachschiefer-
bruch befindet. Er führt hier viele becherförmige Korallen, Or-
thoceras kommt nur spärlich vor.
Tertiär trifft man auf den durchschnittlich 1000 Fuss (über
der Mosel) hohen Plateaux beider Blätter, nördlich und südlich
der Mosel, wenn anch nur in einzelnen Schollen, von denen einige
aber eine grössere Ausdehnung annehmen. Je mehr man sich
von W her dem Rheine nähert, um so verbreiteter erscheint das
Tertiär. Zwischen den grösseren Ablagerungen der Höhe, W
von Beilstein (Blatt Treis) und denen auf der Hochfläche von
Scheidweiler und Oefflingen (Blatt Hasborn) ist eine Unterbrechung
von etwa 20 Kilometer — abgesehen von einer kleinen Partie auf
der Höhe von Beuren (Blatt Bertrich) —, wenigstens so weit das
Terrain bis jetzt untersucht worden ist. Sicherlich sind diese
LXI
einzelnen Tertiärablagerungen ehemals im Zusammenhang gewesen,
und die grosse Unterbrechung ist nur der Erosion zur Zeit der
Thalbildung zuzuschreiben und gerade zwischen dem Cochemer
Krampen (Theil der Mosel von Eller bis Cochem) und der Hoch-
fläche von Schleidweiler verlaufen eine ganze Reihe kleiner Flüsse
aus der Vorder-Eifel nach der Mosel (Alfbach mit dem Sammet-
bach, Uess, Erdenbach, Ellerbach und Endertbach) mit vielen
Seitenbächen, deren Gewässer in die frühere Tertiärdecke ein-
geschnitten und den grössten Theil davon fortgespült haben.
Diese Tertiärvorkommen sind früher gar nicht bekannt gewesen,
auch die nicht, welche sich auf der Hochfläche des Hunsrücks
stellenweise recht ausgedehnt finden. Ich erwähnte in einem Auf-
satze im Jahrbuche für 1881. S. 478 bei dem Tertiär, dass es mir
erinnerlich sei, in früheren Jahren (es sind nahezu 3 Jahrzehnte)
auf dem Plateau des Hunsrücks in der Gegend von Cappel Ab-
lagerungen von weissen, ganz runden Quarzgeröllen beobachtet
zu haben. Diese Stelle habe ich bei der Bearbeitung von Blatt
te)
Zell wieder gefunden und ermittelt, dass die Ablagerung von
Cappel sich weit, auch bis in den Bereich von Blatt Zell ausdehnt
und dass diese Gerölle mit weissem Sand und Thon wechselnd
2—3 Meter mächtig in Kiesgruben aufgeschlossen sind. Auch östl.
von Brieden (Blatt Treis) sind dieselben Schichten in einer grossen
Kiesgrube mehrere Meter mächtig aufgeschlossen, ebenso in einigen
(Gruben auf der Höhe westl. von Briedern. Hier erscheinen neben
dem Quarz auch Gerölle von Chalcedon, welche sich theilweise
dem Mandelstein- Chalcedon nähern und Carneol ähnlich werden,
ferner pechschwarze Iyditähnliche Mineralien mit glatter glänzender
Oberfläche. Ausserdem kommen sehr feste und dichte Quarz-
conglomerate mit einzelnen Blöcken von Braunkohlenquarzit vor,
namentlich auf der Höhe von Dohr. Thierische Reste sind bis
jetzt nur im Braunkohlenquarzit gefunden worden, wenn auch
nicht hier, so doch in dem von den Plateaux der oberen Mosel
und Saar (Hydrobia, Natica, Corbula, Cerithium? und Corbulomya?
nach der Bestimmung von O. BörtGErR). Die Vorkommen sind
schlecht erhalten, sodass sich ein sicheres Urtheil über das Alter
des Tertiärs noch nicht fällen lässt.
LXII
Die diluvialen Ablagerungen zeigen zumal im Bereiche von
Treis eine weite Verbreitung, besonders auf den 500--600 Fuss
(über der Mosel) gelegenen Flächen. Diese bilden die Vorpla-
teaux der mit Tertiär bedeckten Hochflächen und dehnen sich
von dem oben gedachten Höhenrücken Hochkessel-Schockberg bis
zur Höhe von Illrich-Wirfus, am Nordrande von Blatt Treis, auf
eine Breite von nahezu 10 Kilometer aus. Es lassen die hohen
Diluvialterrassen erkennen, dass die Mosel beim Beginne ihres
Laufes hier zunächst in das Tertiär eingeschnitten hat. Ueber
den Rändern der Moselgehänge ruht eine stellenweise recht mäch-
tive Decke von diluvialem Kies und Sand und von denselben ent-
=>
fernter in einem 100 Fuss höherem Niveau eine solche, die meist
aus Lehm besteht.
Von kleineren und jüngeren Diluvialterrassen findet man eine
ganze heihe von 100 bis zu 300 Fuss über dem Thale und an
mehreren Punkten 3 bis 4 solcher über einander, namentlich in
den scharfen Curven, die die Mosel bei Senheim, Beilstein, Ernst
und Nehren macht. Durch die älteren sowohl, wie die jüngeren
diluvialen Absätze, lässt sich an einigen Stellen nachweisen, wie
seit der Vorzeit der Lauf der Mosel sich geändert oder auch
frühere Arme derselben bestanden haben, wie dies auch beı den
Untersuchungen in den letzteren Jahren in der Gegend zwischen
Trier und Berncastel constatirt werden konnte. In der frühesten
Zeit ist der Mosellauf ein mehr geradliniger gewesen, nach den
höchsten Terrassen zu urtheilen. Zur Zeit als derselbe etwa
400 Fuss höher lag, muss der Fluss sich in der Gegend, wo Alf
liest, getheilt haben, und der nördliche Arm auf der Nordseite vom
Hochkessel, der südliche von Alf aus in gerader Richtung nach
Senheim hin verlaufen sein. Dies ist erwiesen durch die diluvialen
Vorkommen in der grabenförmigen Gebirgssenke zwischen Hoch-
kessel und König (Blatt Bertrich und Zell), welche man vom
»Groben Kopf« bei Mesenich aus am deutlichsten wahrnimmt. Auch
ist n’cht unwahrscheinlich, dass zur älteren Diluvialzeit die Mosel
ihren Wege von Bruttig nach Treis in gerader Richtung nahm,
worauf die mächtigen diluvialen Ablagerungen, in den Kiesgruben
in der Nähe des Heerweges (Römerstrasse), hinweisen. Auch die
LXIII
Kiesablagerungen auf dem Castill, der Hochfläche NW von
Carden, mehr noch die Oberflächengestaltung, lassen annehmen,
dass ein alter Mosellauf zwischen dem Castill und dem Heiden-
berg (Mart) bestand; zwischen beiden Höhen liegst eine 100 Fuss
tiefe Gebiressenke. Der alte Arm bei Treis, aus der Zeit als die
>
Mosel in einem etwa 150 Fuss höheren Niveau verlief, wurde in
meiner Arbeit »über Thalbildung« im letzten Jahrbuche beschrieben.
Bei den diesjährigen Untersuchungen konnte derselbe noch einer
eingehenderen Untersuchung unterzogen und ermittelt werden,
fen}
dass der frühere südöstliche Arm nicht nur den Zillesberg, sondern
auch den Münschelberg, südlich von Treis, umgeben hat, und dass
ehemals eine Barriere bestand, die beide Berge verbunden hat:
dieselbe wurde, nachdem das Moselwasser aus diesem alten Arm
zurückgetreten, von den Gebirgswässern der Schluchten westlich
vom Hondshauser Hof und östlich vom Zillesberg durchbrochen.
Schichten von vulkanischen Tuffen finden sich nur im Be-
reiche von Blatt Treis: am rechten Ufer des Mörsdorfer Baches,
nahe oberhalb der Treiser Burgrume. Dieses Vorkommen ist mir
schon vor mehreren Jahrzehnten bekannt geworden. Damals stand
am steilen Bachufer eine etwa 5 Meter hohe Wand des Tuftes
an, jetzt ist davon nichts mehr zu sehen, doch sieht man unter
dem Gehängeschotter noch vereinzelte Stücke. Eine zweite Ab-
lagerung trifft man auf der Höhe 1—2 Kilometer westlich von
Clotten an. Nun wurde im Sommer 1886 an der alten Strasse
von Bruttig nach Treis, etwa !/a Kilometer von der Mosel ent-
fernt, ein Lager (!/a Meter mächtig) von vulkanischem Tufte
aufgeschlossen, welcher Pflanzenreste (Blattabdrücke) einschliesst.
Dass vulkanischer Sand auf den Hochflächen des Hunsrücks,
namentlich bei Grenderich sehr verbreitet ist, theilte ich in einem
kurzen Berichte im Jahrbuch für 1885 mit; er wurde auf beiden
Blättern nur da angegeben, wo er sich schon aus einiger Entfernung
an Wegen und in Furchen durch starkes Glitzern und dunkle
Färbung des Bodens zu erkennen gab. Ueber 2 Meter mächtig
ist er auf der Höhe zwischen Bruttig und Treis in der Lauers-
bach und in der sogenannten Schulwies abgelagert. Seine Bestand-
theile sind Magneteisen, Sanıdin, Augit und Titanit, besonders nörd-
LXIV
lich von Grenderich ist er sehr reich an Magneteisen. Zufolge mikro-
skopischer Untersuchungen von M. Koch enthält der Sand ausser-
dem noch Nosean, Apatit und braune Glimmerblättchen. Eine
Beobachtung aus der neusten Zeit, die doch wohl dafür spricht,
dass der vulkanische Sand durch Luftströmungen fortgeführt wurde
und nicht durch Wasserfluthen wie Herr van WERVEKE annimmt,
hat ergeben, dass selbst auf den höchsten Punkten des Taunus-
plateaus (bei Kemel) an Stellen, die die höchsten Eifeler Vulkane
an Höhe überragen, Partikelchen vulkanischen Sandes (Magnet-
eisen, Sanidin, Augit und Titanit) vorkommen, freilich ganz spärlich,
nur häuft sich das vulkanische Material an, je mehr man sich der
Eifel nähert.
Bei der Revision der bereits publicirten Blätter Merzig, Perl
und Gr.-Hemmersdorf handelte es sich darum, mit den Aufnahmen
von Seiten Elsass-Lothringens Uebereinstimmung zu erzielen; be-
sonders in Bezug auf speciellere Gliederung des Buntsandsteins,
der in den Vogesen in weit grösserer Entwickelung auftritt als
auf diesseitigem Gebiete. Nach dem Vorgange von E. Weiss in
der Saarbrücker Gegend hatte ich bei der Bearbeitung obiger
Blätter im Buntsandstein nur die beiden Abtheilungen Vogesen-
sandstein und Voltziensandstein unterschieden. — Die in den Vo-
gesen aufgestellte untere Abtheilung des Buntsandsteins (bis
100 Meter mächtige, thonige, glimmerreiche Sandsteine und Thone)
fehlt an der Saar und Mosel — die dort unterschiedene untere
Stufe des mittleren Buntsandsteins ist bei Saarbrücken ziemlich
ausgedehnt vorhanden und in den Steinbrüchen an der Strasse
nach Forbach gut aufgeschlossen; sie ist durchschnittlich 150 Meter
mächtig; an der Basis ruhen Bänke von Sandstein, die wenig
glitzernde Sandkörner zeigen, aber viele Conglomeratbänke, in deren
unteren Lagen häufig Gerölle von Porphyr und Milchquarz vor-
kommen, mitunter auch Granit und Gmeiss; die Sandsteine sind
bunt gefärbt, kaolinreich, die Sandkörner oft eckig. Sie fehlt
schon bei Saarlouis und ist überhaupt eine Zweitheilung des
mittleren Buntsandsteins nicht überall durchführbar. Von hier
Saar-abwärts ist die gleich mächtige obere Stufe des mittleren
Buntsandsteins entwickelt — der eigentliche Vogesensandstein.
LXV
Derselbe ist mittelkörmig, führt viele runde Sandkörner mit
facettirter Oberfläche, zerfällt leicht zü Sand. Gerölle von Quarz
und Quarzit sind häufig darin. An der Grenze gegen den oberen
Buntsandstein erscheint in den Vogesen das Hauptconglomerat
in einer Mächtigkeit von 10— 15 Metern. An der Saar und
Mosel fehlt dasselbe entweder ganz oder ist durch nur vereinzelt
auftretende Gerölle oder wenig mächtige Conglomerat-Bänke an-
gedeutet. Die untere Stufe des oberen Buntsandsteins beginnt
mit den sogenannten Zwischenschichten: Grobkörnige Sandsteine
von lockerem Zusammenhang der Sandkörner, dunkelrother bis
grauvioletter Färbung. In den mittleren Lagen finden sich vielfach
dolomitische Knollen, die oft ausgelaugt sind, dadurch entstehen viele
kleinere und grössere Hohlräume; damit treten häufig haselnuss-
grosse Gerölle von Milchquarz auf. Schmale conglomeratische
Bänke erscheinen mitunter in den unteren, wie in den oberen
Lagen der Zwischenschichten, an der Basis häufig auch Carneol-
stücke. Die Mächtigkeit ist 40 — 50 Meter.
Die obere Stufe des Voltziensandstein, im der Mächtigkeit
von 15—20 Metern, zeigt dicke Sandsteinbänke, der Sandstein
ist feinkörnig, glimmerreich, violett und braunroth, zuweilen auch
gelblich, bräunlich und weisslich gefärbt. Die Ausscheidung der
sogenannten Zwischenschichten wurde auf den Blättern Merzig,
Gr.-Hemmersdorf und ebenfalls auf dem demnächst zur Publication
gelangenden Blatt Wahlen durchgeführt.
Bei der eingehendsten Gliederung des Buntsandsteins, nament-
lich der Ausscheidung der sogenannten Zwischenschichten, konnten
in dem Gebiete von Blatt Merzig und Gr.-Hemmersdorf einige
früher unbekannt gebliebene Verwerfungen oder schon bekannt
gewordene genauer festgestellt werden, auch in dem von Blatt
Trier. Sehr förderlich bei diesen Revisionsarbeiten an der Saar
und Mosel war, dass die Neuaufnahmen des Generalstabes benutzt
werden konnten, da die alten Messtischblätter, besonders von der
Merziger Gegend, recht mangelhaft sind.
Bei der Schlussrevision der Blätter Buhlenberg, Birkenfeld,
Nohfelden, Freisen, Ottweiler und St. Wendel sind dieselben
Eruptivgesteine des Rothliegenden vom Saar- und Nahegebiete
Jahrbuch 1886. e
LXVI
unterschieden worden, wie im vorigen Jahrbuche für die Blätter
Wahlen, Wadern und Lebach angeführt wurde, nämlich:
1,
2
3.
[sb
en
10:
(Quarz - Porphyr.
Porphyrit, theils Glimmer-, theils Hornblende-Porphyrit.
Bastit-(Bronzit-) Porphyrit.
Ferner Melaphyre im Unter-Rothliegenden:
Basalt- oder Aphanit-ähnlicher Melaphyr.
Dolerit- oder Diabas-ähnlicher Melaphyr.
Aus der Melaphyrdecke zwischen den Söterner Schichten
(Grenz-Melaphyr allermeist im Rothliegenden):
Basalt- und Porphyrit-ähnlicher Melaphyr und Bronzit-
Melaphyr nebst zugehörigem Mandelstein.
Porphyrit-ähnlicher Melaphyr, übergehend in Bronzit-
(Bastit) Porphyrit. .
Porphyrit-ähnlicher Melaphyr, übergehend in Ausgit-
Orthophyr.
Dolerit- oder Diabas-ähnlicher Melaphyr im Grenzlager
über dem unteren Thonstein der unteren Söterner
Schichten.
Ausser diesen auf den Blättern Wahlen, Wadern
und Lebach vorkommenden Eruptivgesteinen wurden
auf den oben genannten sechs Blättern Buhlenberg etc.
weiter unterschieden: die ältesten Eruptivgesteine des
Saar-Nahegebietes der oberen Ottweiler Schichten
oder in der mittleren Abtheilung der oberen Cuseler
Schichten.
Leukophyr-Diabas (nach Rosenguscn) am Bosenberg,
Spiemont, Steimberg und emigen anderen Höhen in
der Umgegend von St. Wendel, Linxweiler und Mar-
pingen.
Am Litzelkopf, Gaisberg, Mooshübel (Blatt Buhlen-
berg und Blatt Kronweiler) treten im Niveau der oberen
Cuseler Schichten eruptive Lager auf, die denen aus
der Umgebung von St. Wendel ähnlich sind, sie haben
LXVII
aber mehr porphyrische, weniger mittel- bis feinkörnige
Structur und dürften zu den Kersantit- Porphyriten
gehören.
11. Doleritisch- Diabasischer Melaphyr (Gabbro) erscheint in
(Juergängen bei Winterbach, Gronich und Wersch-
weiler.
Mittheilung des Herrn ScuhützE über Aufnahmen in
der Umgegend von Waldenburg.
Die Kartirung des nordwestlichen Theils der Niederschlesischen
Steinkohlenmulde, welche sich von Landeshut und Liebau bis
Neurode erstreckt, wurde mit dem Blatt Waldenburg begonnen,
auf welchem die Steinkohlenformation die vollständigste Ent-
wickelung zeigt; an der Zusammensetzung des Terrains nehmen
ausser dieser nur die Gmeissformation und das Rothliegende
Theil.
Die Gneissformation tritt in der nordöstlichen Ecke des
Kartenraumes in geringer Verbreitung auf und gehört dem nord-
westlichen Fuss des Eulengebirges an, welcher in der Ebene
zwischen Freiburg und Schweidnitz mit dem darüber gelagerten
Kulm allmählig unter dem Diluvium verschwindet.
Die Steinkohlenformation tritt im Kartengebiet mit allen
in Niederschlesien bekannten Stufen auf, nämlich:
7 Kulm ee Zreinter- @arbonm:
b. Waldenburger Schichten
RE . Ober-Carbon.
c. Saarbrücker Schichten
Der Kulm besteht vorherrschend aus Conglomeraten und
srobkörnigen Sandsteinen; Thonschiefer sind stets in beschränkter
Mächtigkeit, Kalkbänke nur an der Vogelkippe bei Altwasser,
Eruptivgesteine in derselben nicht vorhanden. Eine Gliederung
ım unteren und oberen Kulm lässt sich hier nieht vornehmen.
Die beiden schwachen Kalkbänkchen an der Vogelkippe treten
an der hangenden Grenze in geringer Entfernung vom Ausgehenden
des Jiegendsten Steinkohlenflötzes auf und sind reich an organischen
Resten, unter welchen
LXVII
Productus giganteus MART.
» latissimus SOW.
> semiretieulatus MART.
> fimbriatus SOW.
Spirifer lineatus MART.
» pinguis SOW.
Orthis Keyserlingkiana de Kon.
» Michelini L&v.
Euomphalus Dionysii BRON.
Gorgonia retiformis SCHL.
als bezeichnend zu nennen sind. Durch das Auftreten dieser
schwachen Kalkbänkchen gewinnt der Kulm von Altwasser eine
grosse Aehnlichkeit mit dem von Hausdorf bei Neurode und dazu
kommt noch, dass beiden Ablagerungen ferner die von Dr. DATHE
bei Hausdorf zuerst gefundenen Rollstücke eines Variolits gemein-
sam sind, von welchem noch nicht bekannt ist, ob er in Nieder-
schlesien ansteht. Auf der Grenze zwischen Gneiss und Kulm
tritt bei Seitendorf ein Quarzgang mit Rotheisenrahm auf.
Das Ober-Carbon. Die Waldenburger und Saarbrücker
(Schatzlarer) Schichten gleichen sich in petrographischer Beziehung
so sehr, dass eine Trennung nur mit Hülfe der Lagerungsverhält-
nisse und organischen Reste möglich ist. Auch im Ober-Carbon
sind die Conglomerate und grobkörnigen Sandsteine noch überall
vorherrschend. Der der Steinkohlenformation zugehörige Felsit-
porphyr ist stets arm an krystallinischen Ausscheidungen von
Orthoklas, Quarz und Magnesiaglimmer; er zeigt sich in zahl-
reichen Ausbrüchen, sodass man annehmen muss, dass er während
der ganzen Bildungsperiode des Ober-Carbons an die Oberfläche
getreten ist, stellenweise sehr regelmässig den Steinkohlenschichten
eingelagert, seltener gangförmig. Nirgends sind an den an der
Oberfläche vorhandenen oder durch den Bergbau aufgeschlossenen
Begrenzungsflächen zwischen Porphyr und Steinkohlenschichten
Spuren einer Hitze-Einwirkung zu entdecken. Die grösste Masse
dieses Eruptivgesteins ist diejenige, welche den Hochwald mit
en bildet und deren Ausbruch in die Zeit zwischen
seinen Nebenberg
der Ablagerung der Waldenburger und Saarbrücker Schichten fällt.
=
Der Felsitporphyr ist stellenweise von mächtigen brecciösen
LXIX
bis conglomeratischen Massen umgeben, welche zuweilen sand-
steinähnlich aussehen; wenn auch @Quarzkörner, aus den benach-
t hnliel j h’® l 5 len | l
barten Steinkohlensandsteinen herrührend, diesen Trümmerbildunsen
2 =}
beigemengt sind, so ist doch das Porphyrmaterial vorherrschend.
Die Grenze zwischen Ober-Oarbon und Rothliegendem wird
von Schwarzwaldau westl. von Gottesberg bis Alt- Lässi;
y
fe)
von
einem jedenfalls lagenartig auftretenden Felsitporphyr markirt,
während von Alt-Lässig bis Steinau diese Grenze durch noch
innerhalb der Steinkohlenformation auftretende rothgefärbte, feld-
spathhaltige Sandsteine verwischt wird.
Im Steinkohlengebiet tritt an emigen Punkten Melaphyr
auf, und zwar stets dort, wo schon vorher der Felsitporphyr sich
seine Wege nach der Oberfläche geöffnet hatte, am Fuss der von
ihm oder seinen Trümmerbildungen gebildeten Höhen, jedoch von
verhältnissmässig geringer Ausdehnung und ohne von Conglomeraten
>iie)
und Tuffen begleitet zu sein.
Das Rothliegende besteht ganz vorherrschend aus Sand-
stenen, nur bei Lässig und Langwaltersdorf tritt ein schwaches
Kalkflötz auf; Schieferthone sind nicht in grösserer Erstreckung
entblösst. Durch lagerartig eingeschaltete Massen von Melaphyr,
Felsitporphyr und dessen Breccien und Tufte gliedert sich dasselbe
in eine untere und obere Abtheilung, von welchen die letztere
nur in der äussersten südwestlichen Ecke des Blattes in das
Kartengebiet tritt.
Das Diluvium erscheint nur in der nördlichen Hälfte
desselben in den Thalrinnen des Leisebaches, Salzbaches und des
Seitendorfer Baches, ist durch die aus Granit, Gmneiss, Syenit,
Feuerstein etc. bestehenden Gerölle als nordisches Diluvium ge-
kennzeichnet und bildet die südlichsten Ausläufer der grossen
niederschlesischen Diluvialdecke. Südlich von Waldenburg finden
sich die letzten Spuren solcher Gerölle in einer Höhe von etwa
470 Meter.
Im Allgemeinen stellen sich nach den neueren Aufnahmen
und nach einigen auf den Wunsch des Berichterstatters von
Herrn K. A. LossEen vorgenommenen petrographischen Unter-
egen ältere Anschauungen folgende
suchungen als Abweichungen g
heraus:
LXX
Ein Theil der bisher als eruptive Felsit-Porphyre bezeich-
neten Gesteine ist nunmehr den Porphyr-Breccien
und Tuffen zuzuzählen.
Die Porphyre der Umgegend Waldenburgs sind über-
einstimmend mit den quantitativen Analysen BıscHor's,
v. RICHTHOFEN s und DE TRIBOLET's unter dem Mikroskop
als wesentlich quarzhaltig befunden worden und daher
trotz ihres häufigen Mangels an sichtbar hervortretenden
Quarzkörnern nicht wie z. Th. geschehen als Orthoklas-
porphyr (vergl. Abhandl. zur geolog. Specialkarte von
Preussen etc. Bd. III, Heft 4, S. 37), sondern als Felsit-
oder Quarzporphyr zu bezeichnen.
Das Gestein vom Schäferberg bei Gottesberg
(Syenitporphyr nach ZOBEL und v. CARNALL), welches
auf der älteren geologischen Karte von Niederschlesien
von RosE, BEYRICH, Korn und RuxGE mit der Farbe
des Melaphyrs bezeichnet ist, ohne dass man damit wohl
eine völlige Uebereinstimmung mit dem letzteren hätte
aussprechen wollen (vergl. J. Rorw's Erläuterungen S. 337),
ist jüngst auf Veranlassung des Herrn K. A. LossEn
im Laboratorium der Königlichen Bergakademie von
Herrn HaAmrE einer quantitativen Analyse unterworfen
worden. Dieselbe ergab:
BIO ee en An
Eu 0 es er SE :\
AbO3 . .2 2 20202 0.183,90
Ro0: 2 en nn el
Ball. 22 ee
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Bora
122 0 ee Pr u a 0
SO 0
CO ae ana a, de
100,33.
LXXI
Danach und nach dem mikroskopischen Befunde (vergl. auch
Liesisch in den Sitzungsber. der Schlesisch. Gesellsch. f. vater-
ländische Cultur, 2. December 1874), besonders auch nach der
Structur ist das Gestein kem typischer Melaphyr oder Meso-Olivin-
diabas, nähert sich vielmehr sichtlich dem Kersantit-Typus und
darf vielleicht als ein elimmerarmer Olivin-Kersantit bezeichnet
werden.
Mittheilung des Herrn M. Scnorz über Aufnahmen in
den Sectionen Brandenburg a./H. und Plaue und über
die in der zweiten Hälfte des Sommers 1887 erfolgten
Untersuchungen im östlichen Rügen.
I. Die Sectionen Brandenburg und Plaue gehören zu
der weiten Niederung, welche, von der Havel durchflossen,
westlich von Potsdam über Rathenow und Genthin sich zur
Elbe erstreckt, und sich wahrscheinlich als ehemalige Fort-
setzung eines der östlich von Berlin zusammentreffenden alten
Flussthäler, dem Laufe der heutigen Elbe entsprechend, nach
Nordwesten zu fortzieht. Die Beschaffenheit der Ablagerungen
in dieser Niederung ist desshalb eine ziemlich übereinstimmende,
insofern dieselben aus jungdiluvialen Sanden (Thalsanden) bestehen,
welche nur an einzelnen Stellen vom durchragenden Sande des
unteren, und vom Geschiebemergel des oberen Diluviums unter-
brochen werden, bzw. an ihrer Oberfläche von alluvialen
Bildungen bedeckt sind.
Die Section Brandenburg schliesst sich mit ihren Thal-
sandablagerungen an die von Osten (Berlin) her herantretenden
Höhenzüge an. Da bisher erst die südliche Hälfte der Section
aufgenommen ist, so kann über die nördliche vorläufig nur be-
merkt werden, dass auch deren Aufbau dem der ganzen Gegend
entspricht. In der Südhälfte bildet zunächst oberdiluvialer
Geschiebemergel die durchschnittlich 40 — 70 Meter hohen
Hügel von Klein-Kreuz und westlich davon, — die Anhöhen bei
Gollwitz (35,9 Meter) und bei Wust (31,5 Meter), welche ein
circa 2 Kilometer weites, von der Potsdam -Magdeburger Eisen-
bahn durchschnittenes Alluvialthal zwischen sich lassen, — die
LXXTI
kleinen Schollen am Marienberge nordwestlich der Stadt Branden-
burg und die etwas grössere und flachere bei Vorwerk Silo, als
Fortsetzung der letzteren. Alle diese Stellen sind, wie die be-
treffenden Hügel in Section Vieritz (vergl. d. Jahrb. 1885, S. LXxvIr)
als stehengebliebene Pfeiler eines im Uebrigen weggewaschenen
Diluvialplateaus zu betrachten, nur dass hier mehr der geologische
Charakter in den Vordergrund tritt, insofern es sich dort um
Pfeiler des unteren, hier um diejenigen des oberen Diluviums
handelt. Das untere Diluvium in der Section Brandenburg
tritt in Form von Spathsand mit Grand-Einlagerungen nordwest-
lich von Brilon, als unterteufender bzw. durchragender Sand bei
Klein-Kreuz, und ebenso als Spathsand in Form des steilen, einen
landschaftlichen Glanzpunkt bildenden Marienberges an der Nord-
seite der Altstadt hervor. In der Tiefe ist den Sanden in der
Nähe der Stadt und unter dieser Geschiebemergel und Diluvial-
thon eingelagert, wie ein Bohrloch am Bahnhofe und ein solches
am Marienberge selbst beweisen, von denen das erstere bei
53 Meter Gesammttiefe ein bei 16 Meter gefundenes Geschiebe-
mergelflötz von 33,5 Meter Mächtigkeit erschloss, das letztere aber
Diluvialthon bei 28 Meter Tiefe getroffen haben soll. In der
neuen Kaserne an der NW-Seite der Stadt sind ferner bei circa
15 Meter Tiefe 15—20 Meter mächtige, wahrscheinlich mit dem
Bahnhofsflötz zusammenhängende, von wasserführenden Grand-
und Geröllschichten durchsetzte Geschiebemergel aufgeschlossen
worden.
Die Section Plaue a. d. H. zeigt den orographischen
Ebenen- und den geologischen Thalsandcharakter noch ausge-
sprochener, als Section Brandenburg. Orographisch hebt sich in
Fortsetzung der Brandenburger Plateaureste nur der Fohrder Berg
(68,4 Meter) und Schneehens Heide (38 Meter) heraus, im Uebrigen
liegt das Terrain der Section im Niveau der Thalebene, nur in
wenigen Anschwellungen bis höchstens 35 Meter an-, sonst die
30 Meter-Curve nicht übersteigend.
Das ältere Diluvium einschliesslich des auf einzelnen höheren
Stellen liegenden Decksandes und des oberen Geschiebemergels
ist daher nur wenig vertreten. Der Geschiebemergel des
LXXIII
unteren Diluviums wurde nur westlich der Stadt Plaue bis zu
circa 40 Meter Tiefe über einer wasserführenden Sandschicht er-
bohrt, der untere Spathsand kommt am Fohrder Berge vor.
Oberer Geschiebemergel tritt z. B. am Forsthaus Wendeberg auf,
‚ährend Decksand auf dem Fohrder Berge und auf der im Plauer
See liegenden Halbinsel Mösersberg lagert.
Bei Kaltenhausen finden sich in einzelnen im Schlicke liegenden
»Sandstrahlen« in etwa 4 Meter Tiefe Unterkiefer von Esow luerus
und unbestimmbare Reste eines an Unio erinnernden Zweischalers.
Das Profil der Rıcmarn Ganzer'schen Grube bei Briest zeigt
unter 2—3 Meter Torf und Wiesenkalk, ersterer noch stark vivi-
anitisch, 16 Meter Schlick, unter welchem Geröll und Sand, wahr-
scheimlich Thalsand, folgen.
Die Thierreste im Schlick scheinen gleichaltrig zu sem mit
den aus der Section Vieritz von Marquede (a. a. OÖ. S. LXXvIL)
erwähnten, wesshalb wohl auch diese letzteren als jungalluvial
anzusprechen sein werden.
ll. Die Insel Rügen. Da weite Landstriche das ost- und
westpreussische Aufnahmegebiet von den bisher bearbeiteten
Strecken in den Provinzen Brandenburg und Sachsen trennen,
so erschien es wünschenswerth, an der Küste der mittleren Ostsee
ein bisher noch nicht kartirtes Terrain in Angriff zu nehmen.
Die Insel Rügen ist durch ihre geographische Lage und die Profile
ihrer östlichen Steilküsten vorzugsweise hierzu geeignet, wesshalb
im Sommer 1886 mit der Untersuchung der Halbinsel Mönchgut
und des durch seine Kreideküsten bekannten Jasmunds, zu-
nächst in mehr übersichtlich gehaltener Weise, begonnen wurde.
Da die Kreideformation auf Rügen fast ohne Ausnahme die
nächste Unterlage des Quartärs bildet, so sei hier hervorgehoben,
dass dieselbe als Basis des letzteren auch an der Küste des Fest-
landes bei Greifswald, wo allerdings nur Turon und Gault, aber kein
Senon !) erbohrt wurde, entwickelt ist und sich nach Osten bis zur
Odermündung hinanzuziehen scheint. An einem Theile der Rügen-
schen Ostküste tritt sie als senone, sogenannte Mucronaten-Kreide
') Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. XXVI, 1874, 8. 974 ff.
LXXIV
zu Tage, und zwar nächst Arcona namentlich auf Jasmund. Dieser
halbinselförmige Theil von Rügen ist orographisch derartig ge-
baut, dass er, von Westen nach Osten zu ansteigend, im Pieck-
berge bei Hagen mit 160,7 Meter gipfelt und von diesem nach
allen Seiten hin allmählich, an der Ostküste fast senkrecht ab-
fällt. Die bekanntesten Steilabfälle sind Stubbenkammer mit
119 Metern, Lohme mit 47 Metern und Sassnitz mit 30 bis
40 Metern. Der Westen verflacht sich zu stellenweise moorigen
Ländereien und nur im Süden erheben sich noch einmal diluviale
Sandhügel jenseits der Wostevitzer Torf- und See-Niederung bis
zu Höhen von 35 Metern.
Die Schreibkreide wurde zunächst in ihren Beziehungen zum
(Quartär und auf ihre allgemeinen Lagerungsverhältnisse unter-
sucht. Sie fällt, abgesehen von dem sie später ganz aufschliessen-
den Steilrande, im Süden zuerst in Form grosser, in das Diluvium
eingelagerter Schollen am Hiülsenkruge südlich Mucran auf Jas-
mund ins Auge und ist dann in einem alten Kreidebruche dicht
südlich vor dem von HAnsEMANN’schen Schlosse in der Dwasieden
in noch horizontal liegenden Schichten aufgeschlossen. Erst
von hier, wenigstens von Sassnitz ab nach Norden zieht sie sich
ununterbrochen an der Ost- und Nordküste Jasmunds bis fast
nach Lohme an der Nordküste hin, vielfach durch Absturz-
massen überdeckt, aber fast überall, z. B. auch bei Sassnitz
noch erkennbar. Im Innern von Jasmund ist die Kreide
bis in die Südwest-Nähe von Sagard durch zahlreiche Brüche
aufgeschlossen, tritt aber nur ausnahmsweise an die Tagesober-
fläche, wo sie auch dann mit einer mindestens noch 0,5 Meter
mächtigen Quartärschicht bedeckt erscheint. _Gewissermaassen
durchleuchtend unter dünnem Diluvium ist sie besonders in der
Richtung Sassnitz-Promoisel-Quoltitz, also in einer dem allgemeinen
Streichen von OSO nach NNW und auch dem Küstenrande
Kölliker Ufer-Rangow entsprechenden Linie abgelagert.
Fast überall, sowohl an der Ost- und Nordküste, als in den
Binnenaufschlüssen, erscheint die Kreide nicht in ihrer ursprüng-
lichen, an den ihr eingebetteten parallelen Flintreihen leicht er-
kennbaren horizontalen Lagerung, sondern in gestörten Verhält-
LXXV
nissen. Ich bin aber, gegenüber anderen Auffassungen, nicht der
Ansicht, dass der Grund dieser Störungen in anderen, als den schon
von JOHNSTRUP !) unter Bezugnahme auf Moen betonten Druck ge-
waltiger von Norden her heranziehender Eismassen auf die Ober-
fläche der Kreide zu suchen sei und glaube, dass sowohl die
Faltung, als die an einigen Stellen erkennbaren Verwerfungen
diesem und nicht der ursprünglichen Nordwest-Südost-Faltung der
nordwestdeutschen Gebirge zuzuschreiben ist.
Beispiele von Verwerfungen sind allerdings z. B. erkennbar
am Hengst, nördlich Sassnitz, — am Lenzer Bach, — vielleicht
auch am Kölliker Bach, — bei Klein-Stubbenkammer südlich vom
Königsstuhl, — zweifelhaft am Gelmer Haken nordwestlich Gross-
Stubbenkammer, — im Innern von Jasmund nur in einzelnen
Brüchen, z. B. bei Sagard und bei Sassnitz zwischen den beiden
Küsrer’schen Brüchen. Die Verwerfungen sind aber nirgends
erheblich und werden, meistens geringer als 0,5, in ihrer Sprung-
höhe 6—8 Meter kaum übersteigen.
Faltungen treten deutlich hervor an der Bläse, südlich vom
Hengst und an diesem selbst, — an den Wissower Klinken (rich-
tiger: »Klinten«), am Königsstuhl auf Stubbenkammer, hier als
eine fast senkrecht stehende Falte, deren nördliche Hälfte vielleicht
durch Erosion zerstört ist, während die benachbarten, nord- und
südwärts liegenden Schichten noch fast horizontal liegen. Im
Innern bietet wohl jeder einzelne Bruch Beläge dafür.
Am auffallendsten erscheinen die Stellen, wo schon die von
JOHNSTRUP hervorgehobene Ueberrutschung des auf der Kreide ab-
gelagerten älteren Diluviums durch anderenorts abgeschieferte
Kreideschollen stattgefunden hat, wie sie sich namentlich an der
Mündung des Briesnitzer Bachs darstellt und im ersten Augen-
blick nur als grosse Diluvialabrutschmasse erscheint, wie z. B. auch
südlich vom Hengst in der That durch Abrutschungen ein grosses
Diluvialthal entstanden ist. Hier aber am Briesnitzer Bach, liegen
unter (aufgeschobenen) Kreideschichten die Schichten des unteren
Diluviums, durch ihren Habitus deutlich von den weniger ge-
I) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. XXVI, 1874, S. 533,
LXXVI
schiebereichen, selbgefärbten, an vielen Stellen vom blaugrauen
unteren Mergel scharf absetzenden oberen Diluvium unterscheid-
bar. Das letztere besteht hier in einer circa 3 Meter mächtigen,
zwischen zwei Bänken unteren Mergels eingeklemmten Lage ge-
schichteten Sandes von ungestörter Lagerung und demselben
Fallen (30%), wie es die Kreide selbst besitzt. Durch Abrutsch
hätten sie sich gewiss nicht im dieser Lage erhalten können,
sondern müssten durch einander geworfen worden sein. Durch eine
Anzahl Tiefbohrungen südlich von der Mündung des Briesnitzer
Bachs ist es sogar wahrscheinlich gemacht, dass eine zweite, noch
höher liegende Kreidescholle, vielleicht sogar eine dritte, sich über
der erstgenannten und durch Diluvium von dieser getrennten be-
findet. Aehnliche Verhältnisse, wie am Briesnitzer, wiederholen
sich am Kölliker Bach.
Da hauptsächlich die östliche und die westliche Seite der
Brüche gefaltet erschemen, die entgegengesetzten dagegen weniger
oder gar nicht, so scheint der die Faltung erzeugt habende Druck
hauptsächlich aus nördlicher oder einer derselben verwandten
Richtung gewirkt zu haben. —
Auf solcher allgemeinen Unterlage von senoner Kreide wäre
nun nach der Reihenfolge der anderweit in benachbarten Fest-
landsgebieten beobachteten Schichten das Tertiärgebirge, wenn
nicht generell, so doch in Schollen als Buchtenablagerung zu er-
warten. Es sind jedoch nur Andeutungen davon vorhanden und
zwar auch nicht auf Jasmund selbst, auf welchem man bisher früher
nur in einzelnen Diluvialsandgruben Tertiärpetrefacten als Ge-
schiebe gefunden hat. (Vgl. BoLL, Geognosie d. Deutschen Öst-
seeländer S. 158). Dass aber Tertiärgebirge irgendwo zerstört
ist, dafür spricht ein in den untern diluvialen Geschiebemergel
eingeklemmtes oder emgepresstes Vorkommen von gypshaltigem
Thon mit Nucula Deshayesiana, in welcher seinerseits wieder em
kleines Flötz von Braunkohle (Knorpelkohle) eingelagert ist, das
noch vor der Sturmfluth 1872 zu beobachten war, schon jetzt,
1886, aber bis auf einen geringen Rest weggespült ist. Auch
Hiddensee zeigt Andeutungen von Tertiär.
Das Quartär dagegen ist auf Rügen, und zwar von der
LXXVII
östlichen Steilküste nach dem Festlande zu in stets wachsender
Mächtigkeit abgelagert. Da dasselbe in diesem Jahrbuch an einer
andern Stelle besonders besprochen werden wird, so sei hier nur
kurz Folgendes angeführt:
In den bisher aufgenommenen südöstlichen und östlichen Theilen
von hügen ist vorzugsweise das Diluvium entwickelt, während
das Alluvium, abgesehen von dessen Torflagern in den Bruch-
löchern das letztere auf Jasmund, jenes erstere nur saum- oder
randartig, selten in grössern Flächen umschliesst. Das untere
Diluvium kommt grösstentheils in Form des graublau gefärbten,
sehr steinigen Geschiebemergels vor, welcher hier und da, z. B.
an der oben erwähnten Mündung des Briesnitzer Bachs, ausserdem
noch in einem Bohrloche auf Hof Quoltitz, Einlagerungen von
Spathsand zeigt. Dieser blaue Mergel kann an sämmtlichen Steil-
küsten von Mönchgut bis zur schmalen Heide,.auf Jasmund auf
der Kreide bis zur Schabe, jenseits auch noch auf Wittow und
Hiddensee (eigentlich Hiddens-Oe) verfolgt werden. — Der eben-
falls noch zum Unterdiluvium gehörige Diluvialthon ist auf
Jasmund bei der Dwasieden erkennbar, auch beim Dorfe Lanken
bei Sassnitz mehrfach erbohrt worden. Er hat den Charakter ve-
wöhnlichen Thones, theilweise wird er auch durch dünne, eingelagerte
Sandschichten zu sogenanntem Bänderthon, namentlich bei Dwa-
sieden. Spathsand und Grand liegen oft unter dem ober-
diluvialen Decksande, z. B. auf Mönchgut, an der Küste von
Gr.-Zieker, wahrscheinlich auch an der Küste der Granitz bis
Binz (obwohl es hier zweifelhaft ist, ob dieser Sand nicht noch
als Decksand anzusprechen ist), an der Küste von Jasmund und
im Binnenlande Jasmunds selbst an vielen Stellen, wo er auch
oft geschichtet erscheint und wahrscheinlich dem Meyn’'schen Ko-
rallensand identisch ist.
Das obere Diluvium ist vorherrschend in Form des in
Pommern gelbgefärbten Geschiebemergels entwickelt. Mit Aus-
nahme des südlichen Viertels etwa südlich der Linie Semper-
_ Neu-Mucran und einzelner Punkte unteren Sandes und Strecken von
Decksand ist fast ganz Jasmund von ihm überzogen, desgleichen
die meisten diluvialen Strecken von Mönchgut (etwa ausser Gross-
LXXVII
Zicker), während die Granitz nur an wenigen Orten, z. B. am
Jagdschlosse aus dem, wie erwähnt, noch nicht bestimmt zu classi-
fieirenden Sand besteht.
Am auffälligsten in der Oberfläche dieses gelben Geschiebe-
mergels sind die zahlreichen, mit moorigen Bildungen oder mit
Wasser (das bekannteste der circa 15 Meter tiefe Herthasee) aus-
gefüllten Vertiefungen, rundliche Löcher mit steilen Rändern, zu-
weilen auch zu Torfwiesen von verschiedener Gestalt ausgeweitet,
welche, als Strudellöcher aufgefasst, in völliger Uebereinstimmung
mit der Annahme stehen, dass die Störungen der Rügenschen Kreide
glacialer Natur sind. Auch der Meyn schon aufgefallene Umstand !)
der grossen Aehnlichkeit der Rügenschen mit der Schleswig-
Holsteinschen Landschaft und die Gemirtz’schen (»die Seen etc.
Mecklenburgs« 1886) Angaben und Uebersichtskarten, aus welchen
sich ähnliche Verhältnisse, wie auf Jasmund ergeben, deuten auf
früher in den genannten Gegenden gemeinschaftlich eingewirkt
habende Factoren hin, sodass auch für Rügen die Wirkung
glacialer Schmelzwässer zur Herstellung von Strudellöchern (Söllen)
angenommen werden muss. Selbst PUGGAARD in seimer »Greologie
der Insel Moen« 1852 giebt, wenngleich von älterem Standpunkte
aus, für diese »geologische Schlüssel von Rügen« das Vorkommen
von Söllen an.
Der Decksand ist sowohl auf dem oberen Geschiebemergel
selbst, als auch auf dem diesen unterteufenden Spathsande auf
Mönchgut und auf Jasmund entwickelt. Wie weit, d. h. wie tief
nach unten, namentlich im letzteren Falle seine Grenze zu suchen
sein wird, muss die Untersuchung auch der übrigen Theile von
Rügen ergeben. Die ihm entsprechenden, bzw. angehörigen
Geschiebewälle sind auf den von mir untersuchten Theilen
von Rügen nicht deutlich zu erkennen und die Stellen, wo An-
häufungen grösserer Geschiebe, insbesondere an der Mönchsguter
Ostküste (Thiessower, Zickersches, Göhrensches Höwt, Granitzer
Ort), auch an der Greifswalder Oie u. s. f£ vorkommen, mehr
recente Auswaschungen aus dem Geschiebemergel. Auch auf
') Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. II, 1850, S. 263.
LXXIX
Jasmund liegen sie nicht in solchen Massen, dass man sie als
Wälle bezeichnen könnte. Wie weit sie sich mehr nach Westen
z. B. bei Gartz finden, ist mir zur Zeit nicht näher bekannt.
Der sogenannte Thalsand, d. h. der Decksand der Niede-
rung, ist nur von Middelhagen bis Baabe auf Mönchgut als ein
mit 0,3 Meter mächtigen, eingelagerten Ortstein- (Ur-)schichten
versehenes Product entwickelt.
Das Alluvium bildet als eigentlich noch zum Diluvium zu
rechnende, nur in jüngster Zeit ihrem Orte nach verschobene Ab-
rutschmassen, besonders an der Ostküste von Jasmund charakte-
ristische Ablagerungen. Aecht jungalluviale Ablagerungen sind
die Sandränder, welche den Strand von kügen bilden und
sich im südlichen Mönchgut zu breiteren, die Diluvialhöhen ver-
bindenden Flächen entwickeln. Torf und Humus ist als Aus-
füllungsproduct der Strudellöcher Jasmunds, desgleichen für die
Ränder der Wostewizer Seen hervorhebenswerth, kommt aber auch
auf Mönchgut (Thiessow, Middelhagen) vor.
Die Dünen endlich bilden in dem untersuchten Terrain einen
fast zusammenhängenden Streifen von Thiessow bis Sellin.
Das kleine Alluvialthonbecken bei Ruschwitz (Jasmund) ist
von keiner wesentlichen Bedeutung.
Mittheilung des Herrn H. GruNnER über Aufnahmen auf
den Sectionen Parey und Werben.
Die Section Parey schliesst sich in ihrem geogmostischen
Aufbau durchaus den in den Vorjahren kartirten anstossenden
Blättern an. Von allgemeinere Interesse sind nur die das linke
Ufer der Elbe begleitenden Steilgehänge und die dadurch ge-
botenen Aufschlüsse. Insbesondere zeigen die schönen 1,5 Kilo-
meter langen, von Vorwerk Polte bis Forsthaus Bittkau reichenden
Aufschlüsse, dass, wie in der nördlich daranstossenden Section
Weissewarthe — dem allgemeinen Vorkommen in der Altmark
entgegen — rother Thonmergel fehlt, wohl aber der gemeine
untere graue Diluvialmergel ansteht. Dieser zeigt sich hier
infolge beigemensten, feinzertheilten Braunkohlenstaubes in feuchtem
rz 5 14
Zustande braunschwarz, in trockenem grauschwarz, besitzt etwas
LXXX
Schichtung, hohen Sandgehalt und trotzdem ausserordentliche
Festigkeit.
An dieser Stelle tritt auch hart am Elbufer obere Braun-
kohlenformation mit einem 0,2— 0,3 Meter mächtigen Kohlenflötz
zu Tage, daneben finden sich äusserst feine und gröbere, schnee-
weisse Quarzsande, gelbbrauner Thon oder Lette und Lettenkohle.
Die Kohle tritt als ein äusserst germgwerthiges, erdiges, leicht
zerreibliches, vielfach mit Glimmersand und auch Thon vermischtes
Material auf und daher brachten alle in den vierziger Jahren auf
ihre Förderung gerichteten Bemühungen keinen Gewinn.
Diese Tertiärschichten fallen stark nach Norden ein und lassen
vielfältig sehr gestörte Lagerungsverhältnisse, Verquetschungen,
Pressungen, Stauchungen erkennen, wobei bisweilen Diluvialgebilde,
unter anderem auch mächtige Diluvialgeschiebe, mitten in Tertiär-
thon hineingepresst zum Vorschein kommen. Da nun die ganze,
etwa 3—4 Meter mächtige Braunkohlenformation von typischem
unterem, jedenfalls sehr mächtigem Geschiebemergel unterteuft
wird — der Handbohrer erreichte das Liegende noch nicht bei
2 Meter Tiefe —, so beweist dies schlagend, dass hier nur eine
lokale Aufpressung des Tertiärs vorliegt. Dislokationen dieser
Schichten wurden ferner auch dadurch herbeigeführt, dass die
Tagewasser über der Lette oder dem Thon vielfach als Quellen
hervortreten und hierdurch Aus- und Unterwaschungen und im
Gefolge hiervon Verschiebungen und Senkungen stattfanden, Er-
scheinungen, welche in der Regel durch kräftigen Pflanzenwuchs
an den betreffenden Stellen schon von weitem gekennzeichnet
werden.
Die am rechten Elbufer aus der Niederung tretenden Diluvial-
inseln schliessen sich hinsichtlich ihres geognostischen Aufbaues
an die oben besprochene Diluvialhochfläche eng an, mit der sie
vordem ohne Zweifel in Zusammenhang standen; er wurde erst
später, als Elbe und Ihle ihren Lauf hierher richteten, unterbrochen.
Sie sind demnach gewissermaassen stehen gebliebene Pfeiler eines
grösseren Diluvialplateaus, die auch jetzt noch bei Hochfluthen
und Deichbrüchen Ab- und Unterwaschungen erleiden.
Wie die Aufschlüsse an den Randflächen dieser Diluvial-
LXXXI
inseln und besonders die Steilabstürze am Parchauer See angeben,
besteht ihr Kern aus rothem unterem Diluvialmergel, den aber
unterer Sand, theilweise mit dünner Decke oberen Sandes
3 -4 Meter mächtig überlagert; geringere Stärke besitzt er bei
Güsen, wodurch auch der freudige Laubholzwuchs bei der Försterei
seine Erklärung findet.
Westlich Ihleburg bildet Diluvialsand Hügel und Hügelzüge
in erstaunlicher Zahl und bedeutender Höhe. Wie Untersuch-
ungen ergaben, liegen aber Dünenbildungen hier nicht vor; Flug-
sand findet sich zwar zwischen und hinter diesen Hügeln, jedoch
in so dünner Schicht, dass von seiner Kartirung abgesehen werden
könnte.
Das innerhalb Section Werben liegende Gebiet gehört dem
an Bodenbeschaffenheit und Cultur reichsten Theile der Altınark.
der sogenannten »Wische« an, einer Niederung, welche ungefähr
=
!/, des Kreises Osterburg umfasst, östlich und nördlich durch die
Elbdeiche, südlich und westlich aber durch Höhenzüge und die
Ortschaften Altenzaun, Hindenburg, Walsleben, Osterburg und
Seehausen begrenzt wird; als dazu gehörig ist noch die linksseitige,
durch besondere Deiche geschützte Alands- Niederung bis zur
Stadt Schnakenburg an der Elbe zu betrachten, während die
rechtsseitige nicht mehr der eigentlichen »Wische«, sondern süd-
lich von Wittenberge der sogenannten »Geest« (Geestgottberger
Polder) und bei Schnakenburg der sogenannten »Garbe« angehört.
Der gesamımte Boden der Wische (des alten Masciner Landes)
unterlag in früheren Zeiten ganz der Ueberschwemmung durch
die Elbe, wurde aber seit dem Jahre 1160, in welchem die ersten
Deiche angelegt wurden, durch flamländische Kolonisten einge-
deicht; er besteht beinahe ausschliesslich aus den alten Ablage-
rungen der Elbe, nämlich Schlick (mehr oder minder sandigem
Lehm, Thon, humosem Thon und Lehm, Schlicksand), älterem
und jüngerem Flusssand, Flugsand und an einigen Stellen auch
aus Moorerde. Hinsichtlich der Verbreitung genannter Boden-
arten ist hervorzuheben, dass jüngere Flusssande sich namentlich
den Elbdeichen anschliessen und ihre Ablagerung vorherrschend
bei Deichbrüchen, während der Hochfluthen der Jahre 1771 und
Jahrbuch 1556, f
LXXXII
1784 erfolgte. Aus ihnen treten ältere Flusssande in mehreren
inselartigen Partieen hervor.
Der Flusssand unter dem Schlick zeigt sich bisweilen schön
geschichtet und wird beispielsweise nördlich von Lichterfelde auf
dem Grundstück des Gutsbesitzers BRUNESS Flusssand mit vor-
trefflicher Diagonalschichtung (discordante Parallelstructur) be-
obachtet.
Höhere, nur mit sehr sandigem Schlick oder Schlicksand be-
deckte Flusssande und Grande, sind häufig durch Eisenoxydhydrat
derart verfestigt, dass stemharte Conglomerate entstehen, die in
jener absolut steinfreien Gegend den Gegenstand eifrigen Nach-
forschens zur Verbesserung der Wege bilden.
Wie sich ferner an mehreren Stellen nahe den Ortschaften Lich-
terfelde und Neuenkirchen, ganz besonders auch auf dem rechten
Elbufer östlich von Quitzöbel ergiebt, fehlt bei niedriger Lage der
Schlick öfters unter dem Sande, während er in einiger Entfernung
auf höheren nahe selegenen Sandhüsgeln zum Vorschein kommt,
ein Beweis dafür, dass bereits zum Absatz gekommener Schlick
später durch Hochfluthen fortzeführt und an seiner Statt von
neuem Sand abgelagert wurde.
Die am tiefsten liegenden, vorherrschend im südlichen Theile
des Blattes auftretenden Ländereien, welche an starken Ueber-
fluthungen durch Binnenzuflüsse und Drängwasser leiden und
desshalb zu Wiese und Weide liegen bleiben, bestehen oberfläch-
lich entweder aus Moorerde mit bald darauf folgendem Thon oder
aus tiefschwarzem, durchschnittlich 0,4 Meter mächtigem humosem
Thonboden (Pechboden) von landwirthschaftlich hohem Werthe,
dessen günstige Eigenschaften aber durch schwächere Oberkrume,
stark eisenhaltigen Thon im Untergrunde und ungünstige Wasser-
verhältnisse stark vermindert werden.
Im Uebergange zu den höher gelegenen Lehmboden folgt
alsdann Thon, der „ewöhnlich die humosen Schlickterrains in
=)
mehr oder minder breiten Streifen umrandet, in diesen auch insel-
artige Partieen von den mannigfaltigsten Formen oder auch, ge-
wöhnlich an Gräben entlang, ansehnliche Flächen bildet; ein Boden,
welcher der Bewirthschaftung grosse Schwierigkeiten insofern be-
LXXXII
reitet, als er — abgesehen von der kostspieligen Beackerung —
im Frühjahr die Feuchtigkeit lange anhält und sich dann schnell
verschliesst.
Die Genesis der Wische anlangend, steht wohl ausser Zweifel,
dass die Elbe in früherer Zeit bei verwildertem Laufe bereits bei
Altenzaun (nördlich von Arneburg) nach Westen abbog und sich
von hier aus dem Höhenzuge entlang Seehausen zuwandte.
Durch den Schlickauftrag erfolgte Erhöhung des Terrains,
weshalb der Strom und seine Nebenarme mehr und mehr nord-
wärts abgelenkt wurden und sich in dem damals dort verbreiteten
Thalsande — wie solcher jetzt noch auf dem rechten Elbufer
unweit Quitzöbel in meilenweiten Flächen angetroffen wird —
neue Betten eingruben. Bei Hochwasser musste selbstverständlich
die ganze Wische der Ueberschwemmung seitens der Elbe unter-
liegen, wodurch die Terrainunebenheiten mehr und mehr ausge-
glichen wurden. Für die längere Stabilität des jetzigen Elblaufes
aber spricht, dass die unmittelbaren Uferterrains von Altenzaun an
infolge des Schlickauftrages beträchllich höher als die Ortschaften
inmitten der Wische liegen und diese daher eine nach dem Uchte-
Aland-Thal hin abfallende Ebene darstellt, wesshalb auch alles
Binnenwasser (Landgraben, Cositte, Schiffgraben, die 3 grossen
Wässerungen und die taube Aland) den Lauf dahin nimmt.
Nivellements ergaben nämlich, dass der Wasserspiegel der Uchte
bei Walsleben (südöstlich von Osterburg) 6,26 Meter niedriger
als das Terrain hinter dem Elbdeich bei Polkritz liegt und da
nun das Uchte-Aland-Thal von Schnakenburg an der Elbe bis
Walsleben sich nur 7,83 Meter, die Elbe hingegen von dort bis
Altenzaun 13,16 Meter erhebt, so übte bis vor kurzem das Wasser
von Schnakenburg aus einen ungewöhnlich weiten Rückstau bis
!/; Meile oberhalb Seehausen und wurde ebenso das gesammte
Wasser der oben genannten Binnenwässer der Wische zurückge-
drängt. Bei hohem Elbwasserstand bildeten sich daher stets bei
Österburg und weiterhin in der Wische zwischen den Ortschaften
Lichterfelde, Rengerslage und Giesenslage weite Wasserflächen,
welche oft erst nach vielen Wochen oder Monaten zum Abfluss
gelangten und Sümpfe zurückliessen; darin entwickelte sich eine
f*
LXXXIV
üppige Vegetation, die in Verbindung mit dem Schlick die Bildung
des intensiv schwarzen humosen Thons zur Folge hatten.
In Folge Allerhöchster Verordnung vom 1. Juli 1859, welche
die Regulirung der Aland betrafen, wurde durch Herstellung eines
Flügeldeichs auf dem rechten Ufer der Aland vom Uchtedeich ab
entlang des Wahrenberger Alanddeiches den Rückstauungen ab-
geholfen und dadurch schnellerer Abfluss des Wassers erzielt.
Mittheilung des Herrn A. JENTZSCH über Aufnahmen in
Westpreussen.
Section Münster walde wurde vollständig aufgenommen, und
dadurch nicht nur der vom Verfasser bearbeitete Complex Marien-
werder-Rehhof-Mewe-Münsterwalde abgeschlossen, sondern auch
der Anschluss an die von Herrn EBERT bearbeiteten Blätter Garn-
see und Neuenburg erreicht.
Das Jungglacial enthält zwei Geschiebemergel, welche
durch eine Mergelsandgruppe getrennt sind. Letztere besteht viel-
fach aus wirklichem Mergelsand, stellenweise aber aus meist ge-
schiebefreiem Sand, der im Hangenden (z. Th. auch im Liegenden)
mit einer dünnen Bank fetten Thonmergels abschliesst. Dort, wo
der obere Diluvialmergel zerstört ist, erkennt man seine Reste in
einer Greschiebebestreuunz oder auch in einer über dem untern
oO
Sand ausgebreiteten Decke von Geschiebesand.
Das Interglacial tritt nur in der östlichen Hälfte des
Blattes, hier aber ın grosser Ausdehnung zu Tage. In dem nörd-
lichen Theile dieses Striches, bei Thymau und Jesewitz, besteht
es aus Hauptsand über Hauptthon, welche durch eine mächtige
Mergelsandstufe allmählich m einander übergehen. Bei Aplinken
tritt unter dem Hauptthon nochmals Sand auf, welcher weiter
südlich (bei Münsterwalde, Fiedliez, Kl.-Wessel und Gr.-Wessel)
zu beträchtlicher Mächtigkeit (ca. 15 Meter) anschwillt.e Auch
dieser liegende Sand ist mit dem Hauptthon invig verbunden, und
zwar dadurch, dass in seiner hangendsten Zone zahlreiche Bänke
von Thon, Fayencemergel und Mergelsand eingelagert sind. So-
wohl der Hauptsand als auch der liegendste Sand des Interglacials
enthält grandige Lagen. Dort wo diese feingrandig, einem groben
LXXXV
Spathsande ähnlich entwickelt sind, enthalten sie Nordseefauna,
wie (ardium edule, C. echinatum, Tapes, Cyprina, Scrobieularia,
Nassa, (Cerithium etc.
Vom Altglacial ist ein Geschiebemergel, welcher der von
EsErTt (dieses Jahrb. f. 1885, p. xcı) als h bezeichneten Bank
der Section Neuenburg entspricht, vom Nordrande der Section
bei Thymau bis zum Südrande bei Gr.-Wessel ununterbrochen
verfolgt. Er liegt im Norden direet unter dem Hauptthon, im
Süden unter dem unteren Interglacialsand.
Darunter folgt bei Fiedliez Thonmergel, dagegen bei Gr.-
und Kl.- Wessel, sowie bei Aplinken und Münsterwalde Sand,
unter welchem bei Münsterwalde noch ein vierter Geschiebemergel
beobachtet werden konnte.
Die Lagerung ist im Allgemeinen ziemlich regelmässig; doch
war an einzelnen Stellen des 200 Fuss hohen Weichselsteilgehänges
ein Abschneiden der Interglacialschichten durch das Jungglacial
deutlich sichtbar.
Ueberhaupt schmiegen sich die Schichten den Terrainfalten
an, welche — wie im vorjährigen Berichte geschildert — als post-
diluviale Aufpressungen die gesammte Terraingestaltung beherrschen.
Besonders auffällig tritt dies bei jenem merkwürdigen Thal her-
vor, in welchem der Halbdorfer und Pienonskowoer See liegen.
Dasselbe ist vollständig ausgekleidet mit Oberdiluvialmergel, und
tritt darum auf der geologischen Karte nur schwach hervor,
während es das Gesammtbild dieser Karte beherrschen müsste
wenn es etwa mit dem Sande einer Schmelzwasserrinne ausge-
>)
kleidet wäre.
Beträchtliche Erosionsformen durchziehen dagegen die Münster-
walder Forst und überhaupt die östliche Hälfte der Section. Zwar
sind auch sie in ihrem Verlaufe bedingt durch Falten, aber die
Spuren der Auswaschung machen sich in den allüberall hervor-
tretenden tiefern Diluvialschichten unverkennbar geltend — em
Umstand, der zwar das Kartenbild wesentlich verschönert, aber bei
der Zerrissenheit des Terrains auch die Aufnahme ungemein er-
schwerte.
Das Jungalluvium der Weichselniederung schliesst sich
LXXXVI
demjenigen der Section Marienwerder vollständig an; das der
Höhe besteht zumeist aus Torfbrüchen, welche als zahllose, meist
kleine Kessel das Land erfüllen und theilweise Wiesenkalk im
Untergrund haben. Flugsand überkleidet in dünner Decke manche
Höhen. Endlich wurde, wie auf den frühern Blättern, der Dar-
stellung der Abschlämmmassen besondere Sorgfalt zugewendet.
Dieselben sind keineswegs blosse Nothbehelfe für jene Fälle, in
denen wir die diluviale Schicht nicht festzustellen vermögen. Sie
sind vielmehr selbständige geologische Gebilde von mehreren
Metern Mächtigkeit, die sich in junggefaltetem Terrain überall in
den Senken bilden müssen, und deren detaillirte Darstellung uns
demnach den Verlauf der Wellen und Mulden schneller und
klarer zu erfassen gestattet, als es sonst auf einer geologischen
Karte der Fall sein würde.
Es wurde nunmehr die Aufnahme des Marienwerder-Rehhof
ostwärts angrenzenden Vierecks, der Blätter Gr.-Krebs-Riesenburg-
Pestlin-Gr.-Rohdau begonnen, welche namentlich durch das Aut-
treten von grösseren Seen Interesse gewähren, unter denen der
6'/, Kilometer lange Sorgensee bei Riesenburg der namhafteste ist.
Zunächst wurde die südwestliche Ecke der Section Gr.-Krebs
kartirt, welche die Umgebung von Gr.-Krebs bis nach Ottotschen,
Littschen und Brakau umfasst. Oberdiluvialmergel ist dort weit
verbreitet, und zwischendurch tritt unterer Sand, oft scharf ab-
schneidend, in langen, breiten, ostwestlich streichenden Streifen
hervor. In den Senkungen finden sich zahlreiche Torfflächen, die
grenzenden
im Durchschnitt grösser als diejenigen der westlich an
Blätter sind, wohl eine Folge der spärlicher eingeschnittenen
Erosionsrinnen. Zwischen Gr.-Krebs und Brakau senkt sich das
Terraim zum Thal der Liebe, und man kann hier die Gliederung
des Diluviums theilweise beobachten. Unter dem Oberdiluvial-
mergel folgt etwa 1 Meter Mergelsand und Thonmergel, dann
etwa 4 Meter Sand, dann Geschiebemergel. Dies Ganze entspricht
dem Jungglacial. Das Interglacial enthält Hauptsand über
geschichtetem Hauptthon, unter welchem bei Brakau noch 1,1 M.
mittelkörniger Sand erbohrt werden konnte. Die Uebereinstimmung
ist mithin — soweit überhaupt Beobachtungen vorliegen — eine
LXXXVI
vollständige. Fügen wir noch hinzu, dass noch weiter westlich,
in Riesenburg, Nordseefauna im Interglacialsand bei mehreren
Bohrungen getroffen wurde, so gewinnen wir in der That das
Bild eimer regelmässigen, und in gewissen Grenzen constanten
>
Gliederung des Diluviums bei Marienwerder.
Mittheilung des Herrn R. Kress über Aufnahme der
Section Falkenau.
Die Aufnahme der Section Falkenau wurde begonnen und
vollendet. — Die Section Falkenau liest zu beiden Seiten des
Alleflusses zwischen Section Bartenstein und Schippenbeil. Nur
alluviale und diluviale Bildungen treten auf ihr an die Oberfläche
oder sind durch die Erosionsthäler angeschnitten. Die jüngste
Diluvialablagerung ist der Decksand, welcher als schmaler Streifen
am nördlichen Alleufer bei Wehrwilten beginnt, dem Lauf der
Alle folgt und erst an der Ostgrenze der Section auf beiden Alle-
ufern eine grosse Ausdehnung annimmt. Der Decksand ist im
Maximum 2 Meter mächtig und wird meist durch Deckthon unter-
lagert, dessen Liegendes Mergel bildet. Dadurch, dass der Deck-
thon in seinen oberen Partieen häufig sandig bis grandig wird,
häufig auch ganz fehlt und Mer;
fee)
gel und Decksand zusammen-
kommen, ist es nicht möglich, in allen Fällen auf den Untergrund
des letzteren bei der Kartirung Kücksicht zu nehmen. Auch die
Abgrenzung des Deckthons als solcher hat stellenweise seine
grossen Schwierigkeiten, da ın denselben Distrieten auch im
untern Diluvium bisweilen mehrfach über einander durch Sand,
sogar durch Mergel getrennt, Thone auftreten, welche petrogra-
phisch mit dem Deckthon übereinstimmen. Die Zugehörigkeit
des Ober- zum Unterdiluvium wird dadurch noch mehr befestigt,
indem man mindestens drei Ablagerungen von Grundmoränen und
darauf folgender Einebenung mit Absatz von Grand, Sand, Thon
etc. unterscheiden kann. Die lokal letzte dieser Moränen mit
ihren Zerwaschungsproducten ist kartographisch als Oberdiluvium
oO
(Mergel, Deckthou und Decksand) bezeichnet. Auch die geringe
Mächtigkeit des Decksandes hat ihre Anologien im Unterdiluvium,
so namentlich in dem Gebiet südlich von Vorwerk Kl.-Schwa-
LXXXVII
reunen auf Section Bartenstein und in der südwestlichen Ecke
von Blatt Falkenau. Ein charakteristisches Profil hierfür ist
folgendes von Section Bartenstein:
Lehm und thoniger Mergel 2 Meter,
Schwach kalkhaltiger Sand 1,0--1,50 Meter,
Thonmergel,
Grauer Mergel.
Da nun sichere Kriterien für die Abgrenzung eines an Ge-
schieben armen Decksandes dann fehlen, wenn er direct auf unterm
Sande lagert, so sind anf dem ganzen südlichen Alleufer die
Sande als unterdiluvial aufgefasst.
Die gesammten Lagerungsverhältnisse des oberen Diluviums
entsprechen vollständig den Beobachtungen auf Section Gross-
Peisten und Heilsberg. Die Uebersicht über sämmtliche Schichten
ist folgende:
l. Geschiebearmer Decksand,
2. Deckthon, roth,
3. Mergel,
4. Sand,
5. Rother geschichteter Thonmergel , ua.
u . grauer Thonmergel,
6. Gelber geschichteter Thonmergel \ 7
7. Breccienschicht. Stücke untern Mergels in rein thonigem
oder sandig thonigem Bindemittel,
8. Mergel,
9. Sand,
10. Thonmergel,
11. Mergel.
Mittheilung des Herrn HExRY SCHRÖDER über die Auf-
nahme der Section Rössel und des östlichen Theiles der
Section Heilige Linde.
Die Mitte des nördlichen Theiles der Section Rössel wird
von der grossen Senke des jetzt mit alluvialem Thonmergel aus-
gefüllten, ehemaligen Zain-Sees (150 Dec.-Fuss Meereshöhe) ein-
o-
genommen, von dem aus östlich sich die Terrainoberfläche zu dem
Gudnicker Höhenvorsprung
(bis 440 Fuss) in starker Böschung
LXXXIX
erhebt, während der Anstieg zu den westlich gelegenen Bischof-
steiner Höhen (ca. 400 Fuss hoch) nur ein allmählicher ist. Das
Südende dieser Senke biegt nach Osten in eine thalartige schmale
Rinne um, die dann hakenartig nach Norden sich krümmend in
der Nähe der Stadt Rössel endigt. Die Rinne steigt nach Süden
zu schroff an und das Terrain geht erst langsam, dann schneller
ansteigend in den ostpreussischen Höhenzug über, der hier auf
dem südlich anstossenden Blatt die Meereshöhe von 550 Dee.-
Fuss erreicht. — Diese Senke ist das natürliche Sammelreservoir
der Abflussgewässer sämmtlicher östlich, westlich und südlich ge-
legener Alluvionen und Seeen.
Die theilweise Abhängigkeit dieser orographischen Gliederung
von der geognostischen Anordnung der diluvialen Schichten hat
sich durch die Kartirung ergeben. Als Kern des östlichen
Gudnicker Höhenvorsprunges stellt sich nämlich eine Geröllan-
häufung mit eingeschobenen Spathsand- und Thonmergelmassen
unterdiluvialer Stellung heraus, deren Liegendes grauer Geschiebe-
mergel ist. Dieselbe muss als die nördliche Endigung eines in
nordwest-südöstlicher (also senkrecht zur allgemeinen Streichrich-
tung des Höhenzuges), fast geradliniger Richtung das Terrain
durchsetzenden Geröllzuges betrachtet werden, der bis jetzt auf
eine Strecke von 10 Kilometern, ohne sein südliches Ende zu er-
reichen, ım östlichen Theil der Section Rössel und innerhalb der
Section Heilige Linde verfolgt wurde. In ähnlicher Weise sind
die westlichen Bischofsteiner Höhen durch einen eleichen Ge-
röll- und Sandzuz gleichfalls unterdiluvialer Stellung markirt, der
in fast gleicher Richtung allerdings stellenweise nit Unterbrechung,
nach Angabe des Herrn NÖTLInG, die Section Bischofstein quer
durchsetzt und auch in der südwestlichen Ecke der Section Rössel
angetroffen ist. Im Süden treten gleichfalls grosse Sand- und
Geröllablagerungen auf, deren fernerer südlicher Verlauf noch un-
bekannt ist. Der obere Geschiebemergel lest sich nun in diese
von unterdiluvialen Höhen in weiter Umfassung begrenzte Mulde,
deren Centrum alsdann unter dem Einfluss einer kräftigen Erosion
gestanden hat, wie namentlich innerhalb der oben genannten thal-
>
artigen Rinne mehrere Punkte beweisen, an denen tiefere Diluvial-
xXC
schichten angeschnitten sind. Die jetzige Senke des Zainsees ist
also in grossen Zügen unterdiluvial (rein geognostisch gesprochen)
vorgebildet, dann nach Ablagerung des oberen Geschiebemergels
stark erodirt und durch alluviale Thonmergel zum grossen Theil
wieder ausgefüllt.
Die genannten Geröllzüge stellen sich dem bereits im vor-
jährigen Bericht innerhalb der Sectionen Krekollen und Siegfrieds-
walde erwähnten Sandzuge in allen Punkten an die Seite. Die-
selben müssen als langgestreckte, sattelartige Emporwölbungen
unteren Diluviums, dem der obere Diluvialmergel mantelartig an-
lagert, angesehen werden. Ueber die Art und das Alter ihrer
Entstehung enthalte ich mich jedoch vorläufig jeglichen Urtheils,
da man ihre südöstlichen Endigungen noch nicht kennt; jedenfalls
sind sie eine sehr auffällige Erscheinung und für unsere Auffassung
des geogmostischen Baues des ostpreussischen Höhenzuges von
hervorragendem Interesse.
Den sehr thonigen Diluvialmergel des Centrums der Section
hössel überzieht eine stark humose Rinde stellenweise bis zu
1,5 Meter Mächtigkeit. Der Humusgehalt schwankt zwischen 2
und 4 pCt. des Gesammtbodens. Diese Schwarzerde überzieht
mit einem verhüllenden Schleier sämmtliche Schichten des sehr
stark kuppigen Terrains; ihre Verbreitung schliesst sich im All-
gemeinen der südlichen Endigung des oben geschilderten Zamsee-
beckens an. Ihre Entstehung ist jedoch nicht auf einen etwa in
höherem als dem jetzigen Thalniveau befindlichen ehemaligen See
zurückzuführen, sondern auf eine in früheren Zeiten stärkere
Vegetationsdecke, die sich auf dem vollkommen undurchlässigen
Untergrund und begünstigt durch die Feuchtigkeit, welche die
von allen Seiten in das Centralbecken herzuströmenden Wässer
entwickelten, entfalten konnte.
XCI
4.
Personal- Nachrichten.
Vom 1. April 1886 ab sind die bisherigen Assistenten bei der
geologischen Landesaufnahme Dr. E. LAUFER und Dr. F. Wann-
SCHAFFE zu Landesgeologen und die bisherigen Hülfsgeologen Berg-
referendar Dr. F. BEYSCHLAG und Dr. F. KLOCKMANN zu etatsmässigen
Assistenten bei der geologischen Landesaufnahme ernannt worden.
Den beiden letzteren, sowie dem Dr. E. DarHuE und dem
Dr. K. KEILHACK ist von demselben Tage ab der Amtscharakter
als »Bezirksgeologe« verliehen worden.
Dr. G. MEYER ist als Mitarbeiter der geologischen Landes-
anstalt eingetreten.
Dr. G&. ANGELBIS ist aus der geologischen Landesanstalt ausge-
schieden.
Bei dem chemischen Laboratorium der Anstalt ıst der erste
Assistent Dr. M. SPRENGER ausgeschieden und seine Stellung dem
Chemiker Dr. C. BAERwALD übertragen worden. Der Chemiker
Dr. M. BRAGARD ist eingetreten.
Bei der chemisch-technischen Versuchsanstalt ist der Chemiker
‚). SCHADE ausgeschieden und sind die Chemiker Dr. R. HARTEN-
MEISTER und R. TRIEBEL eingetreten.
Bei der geologisch-agronomischen Aufnahme im Flachlande
sind die Cnlturtechniker LÜBECK, SCHOLZ und KEIPER ausge-
schieden und die Culturtechniker HÜBINGER und BLÜTNNER ein-
getreten.
II,
Abhandlungen
von
Mitarbeitern
der Königlichen geologischen Landesanstalt.
Ueber postglaciale Dislokationen.
Von Herrn A. v. Koenen in Göttingen.
Nachdem ich durch meine Untersuchungen über Dislokationen
und Schichtenstörungen, über welche ich in den drei letzten Bänden
des Jahrbuches der Kgl. Preuss. geol. Landesanstalt (für 1883,
1884 und 1885) berichtet habe, zu dem Resultate gelangt
war, dass diese Störungen im mittleren Deutschland zum Theil
erst nach Ablagerung des nordischen Diluviums erfolgt sind, dass
sie dort Veranlassung zur Bildung und zum Theil auch Verände-
rung der Bergzüge und vor allem der Thäler gegeben haben, dass
sie sich nach bestimmten, verschiedenen Richtungen viele Hun-
derte von Kilometern verfolgen lassen, und dass die ganz ähnlich
verlaufenden, beziehentlich ihre Richtung verändernden Gewässer,
Flüsse und Seeen im norddeutschen Flachlande vermuthlich in
ähnlicher Weise in postglacialer Zeit entstanden seien, erfolgte
unerwartet schnell eine erste Bestätigung dieser letzteren Ansicht,
indem G. BERENDT schon im April d. J. (Protokoll über die
Conferenz der Mitarbeiter der geologischen Landes-Anstalt zur
Berathung des Arbeitsplanes für 1886, S. 36) mittheilte »dass in
dem alten Thale Spandau-Berlin- Frankfurt a./O. eine grosse
Verwerfung von Tertiärschichten gegen Diluvialbildungen existire,
deren Sprunghöhe bei Frankfurt sich nach neueren Aufschlüssen
auf über 112 Meter beliefe. Mit Recht hob aber BERENDT hervor,
dass es in der norddeutschen Ebene schwer sei zu entscheiden,
ob man es im einzelnen Falle nur mit Bewegungen in den oberen,
Jahrbuch 1886. l
2 A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen.
losen Bildungen allein oder auch mit solchen in dem darunter
liegenden festen Gestein zu thun habe. Ohne Zweifel werden
aber ähnliche Beobachtungen, wie die jetzt von BERENDT und
früher schon von mir selbst angeführten, noch in grösserer Zahl
gemacht werden, nachdem einmal die Aufmerksamkeit auf diesen
Punkt gelenkt worden ist.
Das Vorhandensein postglacialer Verwerfungen, verbunden
mit lokalen oder regionalen Niveau-Veränderungen der Erdober-
fläche ist aber von erheblicher Tragweite für die Deutung einer
Anzahl recht wichtiger Erscheinungen in der letzten geologischen
Geschichte der Erde.
So wird z. B. der Einwand gegen die Gletscher- Theorie
ganz entkräftet, dass die skandinavische Halbinsel sich nicht hoch
genug über die norddeutsche Ebene erhöbe, als dass von jener nach
dieser ein Gletscher sich bewegt haben könnte; die Niveau-Ver-
hältnisse sind ohne Zweifel zur Eiszeit ganz andere gewesen,
als heut zu Tage.
Wenn ferner aus der Gleichheit der Faunen von Inseln, wie
ÖCorsica und Sardinien und des Festlandes, welche durch über
1200 Fuss tiefe Meerestheile von einander getrennt sind, der Schluss
gezogen wird, dass beide in früherer Zeit zusammengehangen hätten,
die Erdoberfläche sich aber später um mindestens 1200 Fuss ge-
senkt habe, resp. das Meer um ebensoviel gestiegen sei, wenn aus
diesen und anderen Gründen gefolgert wird, England sei um
1200 Fuss gesunken, so wird vielleicht besser anzunehmen sein,
dass Inseln und Festland in postglacialer Zeit durch einen Ein-
bruch der Erdrinde von einander getrennt worden sind. Ein
solches Einsinken des Meeresgrundes muss aber eher ein Zurück-
weichen des Meeres vom Lande zur Folge haben als das Um-
gekehrte.
Ueber derartige südeuropäische und ausser-europäische Vor-
kommnisse hat nun SUESS in seinem Epoche machenden Werke (das
Antlitz der Erde) eine Fülle von wichtigen Mittheilungen gebracht
und ganz andere Anschauungen verbreitet, speciell für das Mittel-
meer-Gebiet hat er auch eine förmliche Geschichte von der Miocän-
Zeit ab geliefert; für das nördliche Europa jedoch, zunächst für
—r
A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen. 3
Norddeutschland konnte er verhältnissmässig wenige Einzelheiten
auf Grund älterer Beobachtungen mittheilen, da solche Erwägungen
früher wenig Boden gefunden hatten.
Die Angaben, welche ich zuerst vor ca. 3 Jahren über das
Vorhandensein von postglacialen Verwerfungen und Versenkungen
machte, sind wohl von mancher Seite für unwahrscheinlich oder
unglaublich gehalten worden, und im Gefühl, dass seit Menschen-
gedenken derartige Veränderungen der Erdoberfläche bei uns
nicht beobachtet worden sind, und gewöhnt, in der Geologie mit
Dislokationen in weit entfernten und sehr grossen Zeitabschnitten
zu rechnen, hat man sie überhaupt für Ereignisse einer längst
verflossenen geologischen Periode genommen und lieber durch
Gletscherwirkungen und dergleichen eme Reihe von Erschemungen
der Erdoberfläche Norddeutschlands zu erklären gesucht als durch
Versenkungen etc. neueren Datums, wie dies bei durchaus ähnlichen
Erscheinungen weiter südlich, besonders in der von mir genauer
untersuchten Gegend von Kreiensen-Göttingen-Marburg-Hersfeld-
Geisa-Vacha unbedingt geschehen muss, wo grösstentheils nordische
Diluvialbildungen gar nicht vorhanden sind.
Um weitere Gesichtspunkte für diese Fragen zu gewinnen,
erscheint es nun vor allem geboten, den Bau der Erdrinde an
solchen Stellen zu untersuchen, wo die nordischen Glacialbildungen
auf festeren, älteren Schichten liegen als auf Tertiärschichten
und schon deshalb deutlichere, besser aufgeschlossene Profile dar-
bieten, und ich benutzte daher einen mehrwöchentlichen Aufenthalt
in Sassnitz auf Rügen, um mir ein Urtheil zu bilden, in wie
weit die von mir für das mittlere Deutschland gewonnenen An-
schauungen auch für den nordöstlichen Theil von Rügen, die
Halbinsel Jasmund, Geltung fänden.
In seiner sehr klaren und wichtigen Arbeit »Ueber die Lage-
rungsverhältnisse und die Hebungsphänomene in den Kreidefelsen
auf Möen und Rügen (Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. XXV],
S. 533 — 585, Taf. 11 u. 12) hatte JOHNSTRUP eine sehr genaue,
von Profilzeichnungen begleitete Schilderung der geologischen
Verhältnisse von Möen und Rügen gegeben, wie sie an den zum
Theil bis fast 500 Fuss steil aufragenden Klippen nach der grossen
1”
4 A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen.
Sturmfluth von 1872 sichtbar waren und meist noch sichtbar sind,
und ich kann die Richtigkeit seiner Angaben über diejenigen Profile,
welche ich selbst besichtigt habe, nur einfach bestätigen.
JonNnstRUP kam aber durch seine Untersuchungen zu dem
Schluss, dass die vielfache Zwischenlagerung von nordischem Di-
luvium zwischen die Kreide dadurch hervorgebracht sei, dass der
spätere Eisstrom, bei dem zweiten Vorrücken des nordischen
Gletschers, die Schreibkreide in Platten und Blöcken zur Seite
geschoben habe, wobei dann die früher auf der Oberfläche der
Schreibkreide abgelagerten nordischen Sand- und Thon-Massen
zwischen diese aufgeschobenen Kreideschollen auf die verschiedenste
Weise eingeklemmt worden seien.
Wenn ich nun auch einerseits gern zugeben will, dass durch
den Druck eines vorrückenden gewaltigen Gletschers recht wohl
solche Störungen hervorgebracht worden sein können, wie sie
‚JOHNSTRUP von Möen und Rügen beschreibt und wie ich sie zum
Theil selbst gesehen habe, so möchte ich doch andrerseits zunächst
hervorheben, dass die Kreide in kügen zum Theil schon vor
der Glacialzeit erhebliche Störungen erlitten hat, wie dies sich
daraus ergiebt, dass der untere, dunkel gefärbte Geschiebethon
gleichmässig mit flachem Eifallen bald auf flach geneigter, bald
auf steil aufgerichteter Schreibkreide lagert.
Die ganz unregelmässigen Zwischenlagerungen von unterem
Geschiebethon und Sand zwischen die grossen Kreideschollen er-
innern aber sehr an die Versenkungen jüngerer Gesteine zwischen
ältere, wie wir sie so häufig im mittleren Deutschland antreffen,
in Gegenden, bis zu welcher die nordischen Glacialbildungen
nicht herabreichen, in welchen also an eine Gletscherwirkung
nicht wohl zu denken ist.
An der Steilküste von Jasmund bestehen die höchsten Vor-
sprünge aus Kreide und tragen eine meist nur schwache Diluvial-
decke; die dazwischen liegenden Einsenkungen des Terrains ent-
halten dagegen bis zum Meeresspiegel hinab nur unteren Ge-
schiebethon und Sand und verlaufen im Wesentlichen einander
parallel nach Westen hin weit m das Land hinein, zum Theil
tief eingeschnitten, falls Wasserläufe in ihnen vorhanden sind, zum
A. v. Kornen, Ueber postglaciale Dislokationen. 5
Theil aber auch als flache Depressionen, in welchen vielfach »auf-
fallend tiefe, bald kesselförmige, bald in die Länge hingedehnte
Vertiefungen« zu sehen sind (dahin gehört unter vielen Anderen
auch der Hertha-See bei Stubbenkammer), wie JOHNSTRUP solche
von Möen (a. a. ©. S. 569) anführt; dergleichen kenne ich aber auch
aus dem mittleren Deutschland und habe ich zum Theil gelegentlich
früher beschrieben, als von Einstürzen auf Spalten herrührend,
so namentlich die Erdfälle auf dem Buntsandstein-Plateau südlich
von Hersfeld (Jahrbuch der Kgl. geol. Landesanstalt für 1882,
S. XXVI).
Wenn nun JOHNSTRUP daraus, dass zwischen den Kreide-
massen eingeklemmt nur unterer Geschiebethon und Sand liegt,
den Schluss zieht, dass diese Einklemmung vor Ablagerung des
oberen Greschiebethons erfolgt sei, so lässt sich hiergegen Folgendes
einwenden: Auf den höher hervorragenden Kreidefelsen ist nur
unterer Geschiebethon und Sand vorhanden und meist nur wenig
mächtig, sei es nun, dass hier einfach oberes Diluvium nicht liegen
geblieben oder dafür noch unteres Diluvium mit fortgeführt worden
ist, sei es, dass es durch spätere Erosion fortgeführt worden ist.
Es ist daher nur selbstverständlich, dass durch Einsturz oder
andere Dislokationen auch in späterer, selbst in jüngster Zeit nicht
wohl oberes Diluvium zwischen die Kreideschollen gerathen
konnte.
Wenn ferner an der Nordseite von Arkona die Kreide auf
unterem Geschiebethon liegt), wie solcher an der Landungsstelle,
an der Östspitze, in seiner Mitte ca. 1 Meter geschiebefreien Thon
umschliessend, in grösserer Mächtigkeit über der Kreide liegt, so
würde dies immerhin in ähnlicher Weise erklärt werden können,
wie das früher gelegentlich erwähnte Vorkommen von mittlerem
und oberem Lias unter dem Zechsten im Tagebau der Georgs-
Marienhütte am Hüggel bei Osnabrück.
Ausser jenen Einsenkungen in der Stubnitz-Waldung, zwischen
Stubbenkammer und Sassnitz, sind aber auch weiter südlich bis
nach Bergen hin noch mehrere, zum Theil Wasserflächen oder
l) Das betroffende, von Jonsstrur beschriebene Profil, habe ich leider nicht
besuchen können.
6 A. v. Koenen, Ueber postglaciale Dislokationen.
nasse Wiesen enthaltende Depressionen anzutreffen, welche eben-
falls etwa von Osten nach Westen verlaufen und somit wohl
gleichen Ursprungs sind, wie die oben erwähnten.
Neben diesen Depressionen steht aber überall der helle, viele
Kreide und Feuersteine enthaltende obere Geschiebethon zu Tage;
derselbe war also schon abgelagert, ehe diese Depressionen sich
bildeten.
Wenn nun auch alle die bisher besprochenen Erscheinungen
im Sinne JOHNSTRUP’s erklärt werden könnten, so sind aber doch
auch an verschiedenen Stellen deutliche Merkmale eines Absınkens
von Gebirgstheilen gegen das Meer hin zu beobachten, wie dies
durch JoHNnsTRuUP’s Annahmen nicht wohl erklärt werden kann.
Eine Abrutschung aus jüngerer Zeit, wohl als einfacher Erd-
rutsch in Folge von Unterspülung durch die Meereswellen anzu-
sehen, befindet sich unter anderen ca. 1500 Meter nordöstlich von
Sassnitz unmittelbar südlich von der sogenannten Störtebecks-Burg.
Es liegt hier ein halbmondförmiges Gebirgsstück von etwa 100 Meter
Länge noch in der Nische, in welcher es herabrutschte, aber
über 10 Meter tiefer mit seiner Oberfläche, als der umgebende
Wald, und diese ist gegen die Abrutschungsfläche hin recht erheblich
geneigt, wie dies bei solchen abgerutschten Massen so häufig der
Fall ist und sich dadurch erklärt, dass die Fläche, auf welcher
die Rutschung erfolgte, concav ist (S. Fig. 1); es drehte sich das
Fig. 1.
rutschende Stück gleichsam um die Axe (f) dieser concaven Fläche,
und es kann vorkommen, dass ein Theil des gerutschten Stückes
höher zu liegen kommt als vorher, falls nämlich jene Axe noch
innerhalb des gerutschten Stückes liegt, wie bei dem Stück ade,
wenn auch eine Rutschung, wie die des Stückes abc weit
häufiger ist.
A. v. Korxen, Ueber postglaciale Dislokationen. 7
Ganz dasselbe gilt aber auch von dem Absinken an Ver-
werfungen, und ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen,
dass es von vorn herein wahrscheinlich ist, dass, falls dieselben
Schichten auf den beiden Seiten einer Verwerfung ein verschie-
denes Einfallen besitzen, die Verwerfung selbst nach der Seite
concav sein dürfte, nach welcher die gesunkenen Schichten steiler
einfallen; wenn ganz allgemein in den Profilen von Dislokationen
die Verwerfungen geradlinig gezeichnet werden, so hat dies seinen
Grund wohl darin, dass ihr Einfallen in der Regel nur an der
Tages-Oberfläche beobachtet werden kann.
Ein verständlicheres Bild erzielen und auch wohl der Wirk-
lichkeit näher kommen würde man wohl, wenn die Verwerfungen
entsprechend gekrümmt angegeben würden; ist ja doch schon oft
genug beobachtet worden, dass. Verwerfungen in der Tiefe ein
flacheres Einfallen annehmen. Das schematische Profil, welches
J. C. Russe (Annual Report U. S. Geolog. Survey, Washing-
ton 1883, S. 202, Fig. 44) als »Ideal section illustrating Basın
range structure« mittheilte ), und welches BRÖGGER (Ueber die
Bildungsgeschichte des Kristianiafjords, Nyt. Magazin for Natur-
videnskaberne XXX. Band, 2. Heft, S. 114) reproducirte (siehe
unsere Figur 2), würde nach Obigem etwa in der durch Fig. 3
Fig. 2.
') Höchst interessant sind auch dessen Beobachtungen über recente Dis-
lokationen 1. c. S. 232.
8 A. v. Kornen, Ueber postglaciale Dislokationen.
erläuterten Weise zu erklären sein, auf welcher durch punktirte
Linien die ursprüngliche Lage der von beiden Seiten an das zuerst
gesunkene mittlere Stück herangerutschten Gebirgstheile angegeben
ist; von diesen dürften aber die untersten Theile ede zertrümmert
worden und in die darunter klaffende Spalte df zum Theil hinab-
gestürzt sein.
Um aber nach diesen beiläufigen Bemerkungen auf das nord-
östlich von Sassnitz an der Küste abgesunkene Stück zurück-
zukommen, so ergiebt sich der ziemlich neue Zeitpunkt der
Rutschung wohl schon daraus, dass die Grenze zwischen der
Oberfläche des gesunkenen Theiles und zwischen der steilen
Böschung der stehen gebliebenen Diluvialbildungen eine durch-
aus scharfe ist, resp. noch nicht im Geringsten durch Abhangs-
schutt abgerundet oder verwischt ist.
Der daneben stehen gebliebene Gebirgstheil zeigt nun unter
mehr oder minder mächtigen Diluvialbildungen an der Küste an-
stehende Kreide und ist mit seiner Oberfläche ebenfalls etwas
landeinwärts geneigt bis zum Beginne des steileren Abhanges
der dahinter befindlichen Berge, an welchem vielfach wieder Kreide-
bildungen sichtbar werden, und über diesen folgen wieder Glacial-
bildungen, also in erheblich höherem Niveau als an der zunächst
liegenden Küste. Es hat aber hiernach durchaus den Anschein,
als sei der ganze, zwischen der Küste und dem steileren Abhange
liegende Gebirgstheil ebenfalls abgesunken, freilich aber schon in
älterer Zeit, da die Grenze nach oben schon stärker von Abhangs-
schutt bedeckt und abgerundet ist, und sicher nicht in Folge von
Unterspülung durch das Meer, da sich von der eben zunächst
besprochenen Stelle eine recht gleichmässige Terrasse mit nur
flach geneigter Oberfläche über Sassnitz und Krampas fort, nur
durch den Steinbach in Sassnitz unterbrochen, über 3 Kilometer
weit mindestens bis an den Fuss des Lenzberges bei Lanken
verfolgen lässt, und zwar nach Westen immer breiter werdend,
so dass sie südlich vom Lenzberge fast 1 Kilometer breit ist. Die
Verwerfung, an welcher diese Terrasse abgesunken ist, verläuft
auch wieder im Allgemeinen von Osten nach Westen und ist
in den nördlichsten Kreidebrüchen von Sassnitz gut sichtbar;
nördlich von ihr tritt an zahlreichen Stellen von der Schweden-
A. v. Kornen, Ueber postglaciale Dislokationen. 9
schanze bis zum Fusse des Lenzberges die Schreibkreide zu Tage.
Wenn wir aber hier ein Absinken dieser Terrasse in postglacialer
Zeit für sehr wahrscheinlich halten müssen, so wird dadurch auch
der weitere Schluss wahrscheinlich, dass dies ein stufenförmiges
Absinken ist, und dass der Boden der Ostsee selbst in post-
glacialer Zeit eingesunken ist.
Es fehlt auf Rügen übrigens auch keineswegs an Spalten,
welche in anderen Richtungen verlaufen, besonders von Süden
nach Norden, also rechtwinklig gegen die erwähnten Ost-W est-
Spalten. So verläuft eine Spalte durch das Thal des Steinbaches,
welcher sich durch Sassnitz in das Meer ergiesst; die von WAHR-
SCHAFFE (Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1882, Bd. XXXIV,
S. 594) beobachtete, nordische Geschiebe enthaltende Verwerfung
in der Kreide in dem Stollen des neuen Küsrer’schen Kreide-
bruches schneidet den Stollen unter spitzem Winkel und ver-
läuft südnördlich nach dem Rande des Steinbachthales; sie fällt
übrigens unregelmässiger und flacher ein, als es auf WAHNSCHAFFE's
schematischem Profile angegeben ist und ist jedenfalls noch von
anderen, parallel laufenden Spalten begleitet.
Die Annahme WAHNSCHAFFE's, dass der untere Geschiebe-
thon und Sand etc. in dem alten Küster’schen Bruche ursprüng-
lich »ziemlich horizontal auf der Kreide abgelagert und dann mit
ihr zusammen gefaltet worden« sei, ist mir nicht recht wahrscheinlich,
da alle diese Diluvialbildungen sich, wie auf dem Profil zu sehen
ist, recht gleichmässig, jede für sich, nach derjenigen Seite hin
auskeilen, wo sie sich nebst ihrer Unterlage steiler herausheben.
Dies spricht jedenfalls für ein Abgelagertwordensein nicht auf
ziemlich horizontaler Unterlage, sondern in einer ziemlich tiefen,
muldenartigen Vertiefung, und in einer solchen konnten auch am
leichtesten sich die vielen einzelnen lokalen Schichten absetzen
und diese die interessante kleine Süsswasserfauna aufnehmen, welche
STRUCKMANN (Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1879, Bd. XXXI,
S. 788) dort entdeckt hat.
Zum Vergleich mit den auf Rügen beobachteten Verhältnissen
möchte ich hier nun noch ein Vorkommen erwähnen, welches
südlich von Seesen, am westlichen Harzrande, zum Theil durch
Eisenbahneinschnitte gut aufgeschlossen ist. Einige Angaben,
10 A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen.
welche Herr Bahnmeister VOGEL in Seesen mir lieferte, gaben
eine werthvolle Beleuchtung des noch Sichtbaren und verdienen
aufbewahrt zu werden.
Am westlichen Rande des Messtischblattes (1: 25000) Seesen,
südwestlich von Seesen selbst, gleich nördlich der Eisenbahn nach
Kreiensen, befinden sich zwei tiefe Erdfälle von je ca. 40—50 Meter
Durchmesser, etwas über 60 Meter von einander entfernt. In
beiden steht Wasser, und zwar in dem südwestlicheren, dem
»Röddekolk«, in welchem eine Bade-Anstalt angelegt ist, stets
niedriger, als in dem anderen als »Erdfall« bezeichneten. Ein
paar andere Erdfälle liegen auch noch weiter nördlich ganz in
der Thalsohle.
Im Nachsommer des Jahres 1872, nachdem der Wasserspiegel
im »Erdfalle« seit einiger Zeit auffallend gesunken war, entstand
nun plötzlich zwischen dem Geleise der Eisenbahn nach Kreiensen
ein ca. 60 Öentimeter weites Loch, welches sich nach unten er-
weiterte, und gleichzeitig senkte sich das Terrain rings herum
um ca. 30 Centimeter in emem Durchmesser von ca. 25 Meter.
Diesem Umstande wurde keine besondere Beachtung geschenkt
und mit grösseren Mengen von Erdreich wurde das Loch wieder
zugefüllt.
Nach 4 Jahren, 1876, entstand aber an derselben Stelle plötz-
lich ein neuer Erdfall von 25 Meter Durchmesser, also in der
Grösse der früher um 30 Centimeter gesunkenen Fläche; der hohe,
eiserne Pfosten eines optischen Telegraphen verschwand darin
vollständig, während die Schienen frei darüber hängen blieben.
Nach zwei Tagen betrug die Tiefe noch 10 Meter, und es stellte
sich dann Wasser darin ein, während nach dem Einsturz die
nördlich davon in der Thalsohle an der Obermühle entspringende
Quelle ganz schlammiges Wasser bekommen hatte.
Behufs Untersuchung der Tiefe der lockeren Massen in dem
Erdfall wurde ein Pfahl hineingerammt, welcher bis nahezu 100 Fuss
sich leicht einrammen liess, dann plötzlich von selbst 5 Fuss tiefer
sank, aber sich nun nicht mehr tiefer treiben liess, da er augen-
scheinlich auf festeres Gestein gekommen war. Ein Bohrloch
daneben traf bis auf 200 Fuss Tiefe nur rothen Sand und Thon
A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen. 11
(unteren Buntsandstein). Unmittelbar südlich davon ist aber an
der südlichen Böschung des Bahneinschnittes, ca. 80 Meter von
der Stelle, wo sich die Einschnitte der Eisenbahnen nach Krei-
ensen und nach Gittelde trennen, im unteren Buntsandstein eine
etwa 20 Meter breite Spalte sichtbar, welche mit Lehm und Schotter
— auch Feuersteine und nordischen Granit enthaltend — erfüllt
ist, während auf beiden Seiten derselben der Buntsandstein bis
zur Tages-Oberfläche reicht.
Kaum 100 Meter südlich davon (etwas gegen Osten) findet
sich auf dem flachen Bergrücken, an dem nach Nordosten, nach
Seesen laufenden Feldwege, wieder ein kleiner Erdfall von
ca. 30 Meter Durchmesser. Etwa 350 Meter in derselben Richtung
fort, unmittelbar östlich von der Chaussee von Seesen nach Herr-
hausen, entstand ferner im Spätsommer 1876 ein Erdfall von
ähnlicher Grösse, welcher jetzt fast bis oben voll Wasser steht,
aber doch erkennen lässt, dass in ihm nordischer Schotter ansteht.
In der Nähe finden sich hier noch mehrere Erdfälle.
Etwa 750 Meter weiter nach Süden bis Südsüdosten liegt
dann gleich östlich von dem tiefen Einschnitte der Eisenbahn
nach Gittelde eine Sandgrube, in welcher grober Sand mit nor-
dischen Geschieben gewonnen wird; derselbe Sand füllt aber hier
bis unter die Sohle des Einschnittes eine Spalte im unteren Bunt-
sandstein aus, welche den südöstlich laufenden Einschnitt unter
einem sehr spitzen Winkel schneidet und deshalb auf eine Länge
von über 100 Meter in dem Einschnitte sichtbar ist.
Nach Süden, nach Herrhausen zu, verdeckt Lehm die Fort-
setzung dieses gangförmigen Schotter-Vorkommens, aber 500 Meter
weiter, nahe dem Dorfe, und nur ca. 60 Meter westlich der Eisen-
bahn liegt im Felde wieder ein kleiner Erdfall, der auf der Karte
als Wiesenfleck angegeben ist, und noch 250 Meter immer in
derselben Richtung fort liegt am östlichen Ausgange des Dorfes
Herrhausen unmittelbar westlich der Bahn ein Erdfall, der so-
genannte »Buttermilchsnapf«, und noch nicht 50 Meter südöst-
lich davon, aber östlich von dem Bahndamme, ein zweiter, der
»Nettespring«. Aus diesen beiden Erdfällen entspringen 2 Quellen,
welche stark genug sind, um je eine Mühle zu treiben.
12 A. v. Koznen, Ueber postglaciale Dislokationen.
Alle hier angeführten Punkte liegen nun in einer ziemlich
geraden, fast 2500 Meter langen Linie, und zwischen ihnen konnte
an einzelnen Stellen auch noch ohne Weiteres nordischer Kies
nachgewiesen werden, während an anderen dieser unter einer
Lehm- oder Wiesen-Decke oder unter den Steinen der alten
Chaussee und unter Abhangsschutt nicht sichtbar war, auch zum
Theil wegen des derzeitigen Zustandes der Felder nicht aufgesucht
werden konnte. Nach Allem, was ich hier angeführt habe, kann
es aber kaum irgend einem Zweifel unterliegen, dass diese sämmt-
lichen Vorkommnisse in engster Beziehung zu einander stehen,
dass hier also eine mindestens 2!/, Kilometer lange, klaffende
Spalte im unteren Buntsandstein vorliegt, welche mit Schutt von
nordischem Material erfüllt wurde, als dieses dort abgelagert wurde
oder nachdem es dort abgelagert war, aber ehe dasselbe grossen-
theils wieder ringsum erodirt wurde, und ehe sich dann darüber
Lehm ablagerte; dass ferner in dieser Spalte Wasser fortfliesst,
an einzelnen Stellen in Gestalt von Quellen empordringt, ferner
Sand etc. mit sich fortführt und dadurch Hohlräume und endlich
Erdfälle verursacht, wie ich dies vor über 4 Jahren für jene
andere Spalte als wahrscheinlich angenommen hatte. (Siehe Jahr-
buch d. Kgl. geol. Landesanstalt für 1882, S. XXVL.)
Unsere Spalte ist aber in Folge ihrer Ausfüllung mit nordischem
Material mit hinreichender Sicherheit als eine postglaciale anzu-
sprechen, denn hätte sie vor der Glacialzeit sich geöffnet, so wäre
sie jedenfalls mit Schutt von einheimischen resp. Harz-Gesteinen
erfüllt worden, und dass sie sich gerade zur Zeit der Ablagerung
des nordischen Materials eröffnet haben sollte, ist nicht sonderlich
wahrscheinlich.
Von einer Zusammenschiebung grösserer Gebirgsmassen durch
Gletscher der jüngeren Glacialzeit, wie JOHNSTRUP solche für
Rügen und Möen annahm, kann hier bei Seesen nicht wohl die
Rede sein.
Ihrer Richtung nach gehört unsere Spalte aber zu dem aus-
gedehnten System von Nord-Süd-Spalten, welche am Westrande
des Harzes zum Theil so erhebliche Dislokationen im Gefolge
haben, und für welche ich schon früher eine zum Theil postglaciale
A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen. 13
Entstehung in Anspruch genommen und begründet habe. Wie
weit die Spalte sonst noch fortsetzt, soll durch spätere Unter-
suchungen festgestellt werden; nach Norden hin verläuft sie augen-
scheinlich über Bornhausen in die grosse Bruchlinie Ildehausen-
Kleinrhüden etc., während sie bei Herrhausen auf die früher
von mir mehrfach erwähnte Bruchlinie Herrhausen -Gandersheim-
Naönsen-Stadtoldendorf-Horn bei Detmold trifit, welche ich eben-
falls für postglacial erklärte, wie ja auch Herr v. DECHEN schon
vor längeren Jahren aus der Vertheilung des Diluviums auf post-
glaciale Bewegungen im Teutoburger Walde schloss.
Jedenfalls ist unsere Spalte und die auf ihr befindlichen Erd-
fälle nicht auf die Auflösung von Gyps oder Steinsalz zurückzu-
führen, wie dies für ähnliche Erscheinungen sonst zu geschehen
pflegt, vielmehr würde eine solche Auflösung, wenn sie wirklich
in grösserem Umfange statt gefunden hat und nachgewiesen werden
kann, nur als eine Folge der Spaltenbildung anzusehen sein,
indem durch die Spalte gerade dem Wasser der Zutritt zu dem
Untergrunde ermöglicht oder doch erleichtert werden musste.
In neuerer Zeit ist nun von verschiedenen Autoren, zum Theil
mit Bestimmtheit, die Ansicht ausgesprochen worden, der Löss sei
das Aequivalent der oberen Glacialbildungen, ja es wird sogar ange-
nommen, er sei ein Niederschlag von Gletscher-Abschmelz-Wasser.
Hiergegen möchte ich nun bemerken, dass fast aller Lehm
des mitteldeutschen, ausserhalb des Bereiches der nordischen
Glacialbildungen gelegenen Berg- und Hügel-Landes mehr oder
minder Löss-artig entwickelt ist und häufig genug Lössschnecken
und Lösspuppen enthält, auch in Gegenden, in welche nicht wohl
Abschmelzwässer der nordischen oder alpinen Gletscher gelangen
konnten, so bei Cassel, Marburg, Nidda, Fulda, Hersfeld, Vacha
etc. In Bezug auf den Kalkgehalt schwankt er recht erheblich,
und, wenigstens nicht unerheblich, auch in Bezug auf die Grösse
der Quarzkörnchen, aus denen er wesentlich besteht. Manche
Schichten, in welchen dieselben etwas grösser sind, können mit
Wasser leichter beweglich werden, ähnlich wie Schwimmsand, und
sind dann auch weniger durchlässig für Wasser; dergleichen wird
in hiesiger Gegend Trieb-, Flott- oder Fluss-Lehm genannt.
14 . A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen.
Aus der petrographischen Beschaffenheit des Lehms kann ich
aber nicht wohl auf eine Altersverschiedenheit der Lösslehm-
Vorkommnisse schliessen.
Die Beschaffenheit unseres fluviatilen Lösslehms hängt doch
wesentlich von der Beschaffenheit der in dem betreffenden Fluss-
gebiete stromaufwärts vorhandenen Gesteine ab, sodass z. B. im
Bereiche des oberen Buntsandsteins oder Röth der Lehm häufig
mehr thonig und auch röthlich ist, im Bereich palaeozoischer Ge-
biete gelegentlich in feinen Sand von Kieselschiefer - etc. - Körnchen
übergeht, wie im einer Lehmgrube am westlichen Ausgange von
Grossfelden nördlich von Marburg. Wenn er trotzdem vorwiegend
lcehmgelb bis braun ist und aus kleinen Quarzkörnchen besteht,
so erklärt sich dies einfach daraus, dass unterer und mittlerer
Buntsandstein bei uns in so ausgedehnten Gebieten zu Tage steht
und, ebenso wie älterer Lehm, in weitaus stärkerem Maasse durch
die Erosion zerstört wird als kalkige oder thonige Gesteine. Ein
grosser Theil des Buntsandsteins zerfällt ja leicht und schnell zu
Sand, aber auch Stücke der festeren Bänke werden als Fluss-
gerölle leicht abgerieben; das färbende Eisenoxyd geht leicht in
Eisenoxydhydrat über.
Von der Stärke dieser Erosion geben vor Allem die Schutt-
kegel und Deltabildungen Zeugniss, welche am Ausgang von
Nebenthälern in die Hauptthäler vor der Mündung der Zuflüsse
in Buntsandsteingebieten bei uns stets weit grösser sind, als ın
Kalk- und Thon-Gebieten, wie ja auch in ersteren ausserordent-
lich häufig in den Flussthälern die Städte und Dörfer vor Seiten-
Thälern und Schluchten auf deren Schuttkegeln liegen.
Das feine Sediment unserer Flüsse muss daher vorwiegend
ein sandiges, Löss-artiges sein und von jeher gewesen sein, zu-
mal da die feinen Thontheilchen von dem trüben Hochwasser
wohl grossentheils bis ins Meer mitgeführt werden. Dieser Löss-
lebm mag ja nun zum Theil recht alt sein, zum Theil ist er aber
auch noch recht jung. Bei den ausgedehnten Lehm-Ablagerungen
des Leine-Thales bei Göttingen fand ich folgende Anhaltspunkte
für deren Altersbestimmung:
A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen. 15
Am Fusse des Hainberges bei Göttingen, bei Rossdorf ete.
liegt vielfach der Lehm über Kalktuff mit noch lebenden Schnecken,
an ersterer Stelle mit Helix hortensis ete. und Blättern von Erle
ete., den ich keinen Grund habe, für alt-diluvial anzusehen. In
dem Lehm finden sich aber vielfach Urnen rohester Arbeit mit
verbrannten Knochen. Es fanden sich in dem Lehm auch die
von HAUSMANN und von mir angeführten prähistorischen Gegen-
stände, vor 3 Jahren noch ein Schädel mit einem einfachen Hals-
ringe von Bronzedraht, eine Hacke aus Hirschgeweih, ein Feuer-
steinmesserchen, und nahe der Springmühle westlich Göttingen
fand mein Assistent, Herr G. MÜLLER, neuerdings im Lehm alte
Feuerstätten mit Holzkohlen, Urnenscherben und kleinen Feuer-
steinmessern; Aehnliches wurde voriges Jahr bei Gross-Lengden
in 0,50 Meter Tiefe gefunden. Dieser Lehm ist also älter als
unsere Bronze- und spätere Steinzeit, die freilich vielleicht nicht
viel oder gar nicht über die christliche Zeitrechnung zurückreicht.
Ferner liegt fast unter der ganzen Stadt Göttingen und westlich
sowie nordwestlich davon Kies in grösserer Mächtigkeit, unter dem
früheren Gymnasium, zum Theil ziemlich fein und reich an Bunt-
sandsteinsand, über 8 Meter mächtig, im unteren Theile der Stadt zum
Theil noch mächtiger und reicher an grösseren Muschelkalkgeröllen.
Hier, nahe der Thalsohle, in der Nähe der Eisenbahn, sind darin
in älterer und neuerer Zeit mehrfach Zähne und Knochen von
Mammuth und Rhinoceros, aber auch Geweihe von Hirsch und
Elch gefunden worden, und letztere in einem Falle mit alten
Einschnitten von Menschenhand. Darüber liegt weit ausgedehnt,
in neuester Zeit durch Kanalisation unter dem westlichen Theile
von Göttingen mindestens bis zum Leine-Kanal nachgewiesen,
Süsswasser- Sand und Thon mit Unio, Bithynia, Valvata, Limneus
etc. mit Pferde-Schädeln etc. und, wie ich schon voriges Jahr
anführte, auch eiserne Hufeisen, und über diese, doch historischen
Zeiten angehörigen Ablagerungen legt sich am Güterbahnhofe
Lehm, welcher hier eigentlich als jung-alluvial zu bezeichnen wäre,
und nur in Folge der konventionellen Beschränkung des Aus-
druckes »alluvial« auf die wenig über die Thalsohle hervorragenden
Lehme »diluvial« genannt werden kann — freilich mit Unrecht.
16 A. v. Kornen, Ueber postglaciale Dislokationen.
Ein Absetzen solchen Lösslehms aus dem schlammigen Hoch-
wasser der Leine kann man übrigens oft genug noch jetzt an
geeigneten, flach ansteigenden, mit Gras bewachsenen Stellen des
Thalufers beobachten, und von diesem Niveau zieht sich, z. B.
von der Masch nördlich von Göttingen, der Lehm ununterbrochen
in flachem Ansteigen bis zu dem Niveau hinauf, wo die Urnen
und Feuersteinmesser vorkommen.
Es gewinnt hierdurch den Anschein, als sei der Lehm hier
fortdauernd von jener alten Zeit bis jetzt in allmählich immer
tieferem Niveau zur Ablagerung gelangt, ohne dass hier die Erosion
zeitweise vorgewaltet und ein terrassenförmiges Ansteigen der
Tagesoberfläche bewirkt hätte.
Den ganzen, sogenannten Auelehm kann ich nur als die jetzt
jüngste Lehm-Terrasse ansehen , welche »diluvial« wird, sobald
durch Regulirung oder Verlegung des betreffenden Flusslaufes
oder durch Zerstörung eines Mühlenwehres der Wasserspiegel nie-
driger gelegt wird, so dass der Fluss etc. sich dann tiefer ein-
frisst, um eventuell eine noch tiefere Lehmterrasse abzulagern.
Schliesslich sei hier noch ein interessantes Profil emes eben-
falls sicher nicht glacialem Alter angehörigen Lehms erwähnt,
welches in den letzten Monaten am Königsplatz ın Kassel an
der Ecke der unteren Karlstrasse entblösst wurde, wo der zum
Theil fast Schwimmsand-artige Lehm ganz ungewöhnlich tiefe
Fundament- Ausgrabungen erforderlich machte.
In der 7,17 Meter tiefen Baugrube waren unter 1,5 Meter
aufgefülltem Boden 5,67 Meter Lehm sichtbar, welcher zum Theil
unter einem alten Graben grünlich gefärbt war, nach unten einen
dunkleren, unregelmässigen und nicht ganz horizontalen Streifen
und noch tiefer einen mehr thonigen, nach oben sich auskeilenden
Streifen enthielt. In dem Lehm fanden sich einzelne Helix hor-
tensis mit der Farbe erhalten, auch grünes Moos (angeblich auf
dem dunkleren Lehm) und aufrecht stehende, gut erhaltene,
mässig dicke Baumstämme, von welchen ich noch eine, oben schon
abgehackte Eiche aus dem Lehm hervorragen sah.
Zwei Schächte auf der Sohle der Baugrube wurden 3,57und
6,4 Meter abgeteuft, und dann wurde noch 12,30 resp. 4,20 Meter tief
A. v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen. 17
gebohrt, und hierbei fand sieh nochmals bis zu 3,5 Meter dunkler
fester Lehm, dann gelber nasser Lehm bis zu 17,97 Meter
unter der Tages-OÖberfläche, dann anstehender höth oder oberer
Buntsandstem, in welchem das erstere Bohrloch noch 7 Meter
eindrang. Von 12,57 Meter bis 13,27 Meter traf der zweite Schacht
einen gleichsam heller und dunkler gebänderten festen Lehm, der
durch grössere Mengen von kohlensaurem Kalk verhärtet war.
Es finden sich also hier in dem 16,5 Meter mächtigen, meist
sehr sandigen und nassen Lehm mindestens 2 alte Humusschichten
mit wohl erhaltenen Moos- und Baumresten und Helix. Die Baum-
stämme standen, wie mir Herr Stadtbaurath von NOEL nachträg-
lich mittheilte, in einer geraden, der Gasse »hinter den Hallen«
nahezu parallelen Reihe, wie längs eines Grabens, und wurzelten
in der dunklen Schicht unter der Sohle der Baugrube, also bei
ca. 7,55 bis 7,80 Meter unter der Strassenfläche.
Grössere Proben dieser dunklen Erde, welche Herr von NOEL
ausgraben und mir zusenden liess, waren zum Theil als Damm-
erde oder alter Waldboden anzusprechen und enthielten ausser
mehr oder minder dunkel gefärbtem Lehm auch kleine Lehm-
puppen und zahlreiche Pflanzen- und Thierreste, sowie, wie sich
beim Auswaschen und Schlämmen zeigte, ziemlich viel feinen
Kies, bestehend aus abgerundeten, etwa 1 bis 3 Millimeter grossen
Muschelkalk-, Röth-, Buntsandstein- ete. Stückchen. Einzelne
Lagen waren erfüllt von zerbrochenen, dünneren und dickeren,
meist stark vermoderten Zweigen und Aesten und Laubresten, Samen-
körnern etc.; auch eine Haselnuss, ein linker Humerus eines Fuchses
und Zähne eines kleinen Nagers fanden sich darin. Ausserdem
waren aber manche Gesteinsstücke ganz durchzogen von Moos-
stengeln in einer Weise, dass augenscheinlich hier der Lehm als
Schlamm zwischen das Moos auf dessen Standort abgelagert wurde.
Nach einer freundlichen Mittheilung von Herrn Professor
Grafen SoLMs sind unter den Moosresten folgende, auf feuch-
tem Waldboden wachsende Arten vertreten: Fissidens tazifohus,
Eurhynchium praelongum und Mnium undulatum.
Von Mollusken erhielt ich, grossentheils durch Schlämmen,
folgende Arten: Helüv hortensis MÜLLER, H. nemoralis Lix.,
Jahrbuch 1886, D)
18 A, v. Korsen, Ueber postglaciale Dislokationen.
H. fruticum MüuL., H. strigella Drar., H. pulchella MÜLL., H. rotun-
data MÜLL., H. nitidula Drar., u. a. m., Succinea oblonga DRAP.,
S. Pfeifieri Rossm., Bulimus obscurus MÜLL., Vochlicopa lubrica MÜLL..
(. Menkeana PFEIFF., Carychium minimum MüÜLL., Pupa musco-
rum Lin., Clausihia sp., Limax sp., Pisidium sp. (4 einzelne
Schalen und ein zweischaliges Exemplar gehören vielleicht ver-
schiedenen Arten an) und Röhrenreste von Phryganeen-Larven.
Das Vorkommen von diesen letzteren und von den Pisidium
sowie der kleinen Grerölle beweist, dass die Schichten durch
Wasser abgelagert wurden. Wenn die Tiandschnecken weit-
aus überwiegen, so beweist dies nicht, wie Manche wollen,
dass die Schichten nicht aus dem Wasser abgesetzt wurden, son-
dern, dass die Landschnecken bei der Ueberfluthung ertränkt wurden,
soweit sie nicht schon abgestorben waren, während die Süsswasser-
schnecken jedenfalls mindestens nicht ertränkt und nur zufällig
und ausnahmsweise durch das Wasser herbeigeschlämmt wurden.
Bemerkungen über die Fortsetzung des alten Havel-
laufes vom Schwielow-See und Caniner Luch nach
Brandenburg.
Von Herrn E. Laufer in Berlin.
Zwischen Caputh bei Potsdam und Brandenburg macht die
Havel heute einen von ihrer nach Südwest strebenden Richtung
völlig abgewandten Bogen, indem dieselbe erst nach Norden bis
Ketzin zurückfliesst und dann von hier in vielfachen Windungen
| letztgenannte Stadt erreicht.
Von diesem unteren Havellaufe sagt GIRARD !) geradezu: »Die
Havel ist in diesem Theile ihres Laufes (untere Havel von Pots-
dam abwärts, insbesondere zwischen Potsdam und Rathenow) kein
ausgesprochener Fluss mehr«.
Im Landbuch der Mark Brandenburg ist von H. BERGHAUS
Bd. I, S. 366 über den nördlichen Rand des Havelthales vom
Jungfernsee bis Brandenburg und Rathenow gesagt, dass hier nir-
gends ein Zusammenhang gefunden wird. Es heisst dort weiter:
»Hier ist alles Spaltung, Trennung, Zerrissenheit, Niederung und
Wasserspiegel und Bruchland und Ackerehene und Höhenboden
und kleine Plateaux und waldige Berginseln wechseln regellos mit
einander ab und verrathen durch dieses Irrsal der Bodengestaltung,
dass ein gewaltiger Kampf des Flüssigen mit dem Festen statt-
1) Die norddeutsche Ebene. S. 157.
20 E. Laurer, Bemerkungen über die Fortsetzung des alten Havellaufes
gefunden haben muss, bevor die Gewässer sich soweit zurückge-
zogen, dass die starre Masse an der Atmosphäre zum Trocknen
gelangen konnte. «
Dass dieser Lauf der Havel auch nicht der ursprüngliche ist,
hat sich schon bei der geologischen Kartirung der Gegend ergeben,
denn in der Mittel-, Busch-. Kemnitzer- und Streitheide auf Blatt
Werder wurden Thalbildungen kartirt, welche deutlich eine Fort-
setzung des Thales über den jetzt als eine seitliche Ausbuchtung
der Havelwasser erscheinenden Schwielow-See erkennen lassen.
Leider ist in der Literatur, soweit mir bekannt, eine genauere
Mittheilung über den weiteren ehemaligen Havellauf und über das
Caniner Luch nicht gegeben.
Durch meine geognostischen Aufnahmen im Grebiete des Blattes
liehnin und des Blattes Gross-Kreutz wurde auch mein Interesse
auf diese Verhältnisse gerichtet und ich fand. dass m dieser
Gegend zwischen Werder und Brandenburg, Beelitz und Brück
zwei ansehnliche Diluvialhochflächen liegen, deren Ränder einst
durch die Havelwasser bespült worden sind.
Zunächst handelt es sich um das Plateau von Plötzin und
Bochow, welches von BERGHAUS noch zum Zauchegebiete gerechnet
wird. Seine höchste Erhebung liegt bei Bochow und ist mit 60
Meter Höhe angegeben. Der östliche Theil dieser Hochfläche liegt
auf Blatt Werder. Der Höhenrand ist fast überall auch schon
ohne geologische Merkmale erkennbar und bereits von BERGHAUS
angegeben. Längs desselben sind die Orte Petzow, Glindow,
Gross-Kreutz und Jeserig im Osten und Norden, Trechwitz,
Dahmsdorf, Göhlsdorf und das Vorwerk Resau im Westen und
Süden gelegen. Zwischen den beiden letzgenannten Orten ist der
Thalrand kaum bemerkbar, indem die Hochfläche vom Thale ganz
allmählich ansteigt.
Die im Süden und namentlich im Südwesten auf Blatt Lehnin
sichtbare Hochfläche erkannte ich aus den Karten als einem anderen
grossen Diluvialplateau zugehörig, welches in seiner Längsaxe fast
parallel mit dem oben genannten liegt und an dessen Rande
lLehnin, Grebs, Prützke und Göttin, Reckahn, wenig entfernt
von demselben Golzow und Kammer angebaut sind. Da mir die
vom Schwielow-See und Caniner Luch nach Brandenburg. 2
glatte Fläche der Beelitzer Heide bekannt ist und ich auch durch
eine Eisenbahnfahrt durch diese wie die Brücker Heide hier ein
grosses ebenes (febiet kennen gelernt hatte, so fiel mir auf den
Karten jener Gegend der von dieser Fläche scharf absetzende
Höhenrand der eben beschriebenen Hochfläche längs der Strecke
von Kammer bis Busendorf auf. Wenn auch dieses ebene Gebiet
eine hohe Lage hat, so glaube ich doch, dass wir es hier mit den
Wirkun
die Fortsetzung des alten Havelbettes vom Caniner Luch aus in
sen der ehemaligen Havelwasser zu thun haben. Hier ist
südwestlicher Richtung zu suchen und es kann diese ebene sandige
Gegend bis an das Thal der Plane verfolgt werden.
Dieses alte Thal ist, nachdem die Havel über Lehnin und
Baumgartenbrück weitere Durchbrüche in tieferes Terrain gebildet
hatte, offenbar versandet, d. h. vom Flusse selbst zugeschüttet ).
Auch der Umstand, dass am linken Ufer der Plane, da wo die
Wasser der Havel herangekommen sind, die steilen und vielfach
zerrissenen Abhänge aus den Karten zwischen Ragösen, Dippmanns-
dorf, Lütte und Schwanebeck ersichtlich sind, spricht dafür.
In dem Lehniner Thale haben wir dieselben Verhältnisse.
Auch hier ıst der östliche Theil versandet und nur noch an den
ebenen Thalsanden zu erkennen, während im Nordwesten grosse
sumpfige Wiesenflächen mit ihren Seeen den ehemaligen Wasser-
Lauf bezeichnen.
!) Ueber diese Erscheinungen: Versandung von Flüssen. Gabelung, zeitweilige
Benutzung älterer Flussläufe, zeitweilige Vereinigung mit anderen Flüssen siehe:
A. Penex, Verhandl. d. Ges. für Erdkunde zu Berlin 1884, No. 1. 8.7.
K. Keitsack, Vergleichende Beobachtungen an isländischen Gletschern und
norddeutschen Diluvial- Ablagerungen. Jahrhb. der Kgl. geol. Landesanstalt für
1883, S. 162 u. f. Die hier geschilderten isländ. »Sandr« würden diesen diluvialen
Thalsanden entsprechen.
Weissia bavariea eg. n. sp. n.,
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren
Rothliegenden.
Von Herrn W. Branco in Berlin.
(Hierzu Tafel 1.)
Der hier beschriebene, prächtig erhaltene Stegocephalen-Schädel
entstammt dem Kalkstein der unteren Cuseler-Schichten bei Ohm-
bach in der bayerischen Pfalz, unweit St. Wendel.
Einem Riesen gleich steht diese neue Form gegenüber seinem
einstigen Zeit- und Landesgenossen, Apateon pedestris H. v. MEYER,
aus dem permischen Brandschiefer von Münsterappel in der baye-
rischen Pfalz; denn diese Art wurde nur in einem 25 Millimeter
langen Exemplare bekannt).
Leider ıst von den übrigen Knochen unserer Art so gut wie
gar nichts erhalten. Gerade über die, bei ihren nächsten Ver-
wandten so interessanten Verhältnisse der Wirbelsäule und den
(Grad ihrer Verknöcherung ist daher nichts zu erkennen.
Trotzdem lässt sich mit eimem ziemlichen Grade von Wahr-
scheinlichkeit die nahe Verwandtschaft mit der Gattung Actinodon
GaupRY nachweisen ?).
!) Palaeontographica. Bd. 1, 5.155, Taf. 20, Fig. 1 und Bd. VI, S. 216, Taf. 19,
Fig. 1. Frırscn, Fauna der Gaskohle, Bd. IL, 8.95, erklärt Apateon für eine dem
Melanerpeton nahestehende Art.
2) Wenn ich nicht irre, so hat Gaupry selbst diese Verwandtschaft bereits
hervorgehoben, und zwar bei Gelegenheit des internationalen Geologen-Congresses
zu Berlin, 1885.
W. Brasco, Weissia bavarica ete. 253
Die allgemeine Form des Schädels.
Die allgemeine Form des Schädels von Weissia bavarica ist
wesentlich gekennzeichnet durch zwei Merkmale: seine vorn ab-
gerundet-dreieckige Gestalt und seine auffallende Flachheit.
Die grösste Länge des Schädels misst 21,5 Centimeter, die
grösste Breite 13,5 Centimeter; es ergiebt sich also ein Längen-
Breiten-Verhältniss wie 100 : 62.5. Da die grösste Breite hinten
am Schädel liegt und dieser sich allmählich nach vorn verjüngt, so
entsteht jener kurzschnauzige, vorn abgerundet dreieckige Umriss,
welcher an den Schädel der Eidechsen erinnert.
Ganz zweifellos hat das zweite der oben erwähnten Merkmale,
die auftallende Flachheit des Schädels. nur zum allergeringsten
Theile ihren Grund m Verdrückung. Sie beruht vielmehr auf
"natürlicher Beschaffenheit: denn anderenfalls würden wenigstens
hie und da die aus emander gepressten Nähte klaffen müssen.
Der Hinterrand des Schädels verläuft nicht in gerader
Linie; vielmehr ragen an den beiden Ecken das Supratemporale
und Quadratojugale ziemlich weit nach hinten hinaus.
Die Oberfläche der Schädelknochen ist eine grubige,
und zwar smd diese Gruben von ansehnlicher Tiefe. Ihre Anord-
nung auf jedem einzelnen Knochen ist der Art, dass sich um’den
Verknöcherungspunkt herum ein Netzwerk rundlicher Gruben
befindet, während letztere an den peripherischen Theilen länglich
werden. Es entsteht dadurch eine Andeutung von strahliger Anord-
nung der Gruben. Furchen von Schleimkanälen sind nicht
vorhanden. Auch von einem Knochenring im Auge zeigen sich
keinerlei Spuren; denn das, was von Knochenstückehen im linken
Auge sichtbar ist, rührt von anderen Knochen her.
Die Augenhöhlen gehören noch der hinteren Schädelhälfte
an, Ihre Gestalt ist ungefähr kreistförmig. doch ein wenig länger
als breit: nämlich am rechten Auge 2.9 und 2,7 Centimeter mes-
send, am linken 3,2 und 2,9 Centimeter. Die Länge der Augen-
höhlen beträgt mithin 17 von der des ganzen Schädels. Sie sind
nicht oder doch nur unmerklich schräg gestellt. Ihre gegenseitige
geringste KEintfernung beträgt 3,3 Centimeter; dieselbe ist also grösser
24 W. Branco, Weissia bavarica,
als der Breitendurchmesser der Augenhöhlen, indem sich letzterer
zu ersterer wie 100: 118 verhält.
Die Nasenlöcher sind vom vorderen Rande des Schädels
weiter entfernt als vom seitlichen. Nur das auf der rechten Schädel-
hälfte gelegene lässt seinen Umriss deutlich erkennen und zeigt,
dass derselbe keineswegs ein länglicher, sondern ein rundlicher ist.
Ihre gegenseitige Entfernung von einander war dieselbe oder viel-
leicht noch etwas grösser als diejenige der Augenhöhlen. Die
Entfernung der Nasenlöcher von den Augenhöhlen beträgt etwa
6,6 Centimeter, verhält sich also zur Länge des ganzen Schädels
wie 100: 323.
Die einzelnen Knochen des Schädels.
Der Zwischenkiefer besitzt eine ansehnliche Grösse ; denn
er bildet den ganzen abgerundeten, vorderen Theil der Schnauze.
In jeder Hälfte desselben stecken 7 kräftige Zähne, von welchen die
beiden ersten nahe bei einander stehen (Fig. 1c). Alle Zwischen-
kiefer-Zähne sind grösser als diejenigen des Oberkiefers; mit Aus-
nahme des vierten Zahnes in letzterem (Fig. le).
Das ausser vom Zwischenkiefer nur noch vom Oberkiefer
und dem Nasenbein begrenzte Nasenloch liegt zum grösseren Theile
seines Umfanges im Zwischenkieter.
Alle Schädelknochen überragt an Länge der Oberkiefer,
13,5 Centimeter messend. Er reicht mit seinem hinteren Ende
noch ein ansehnliches Stück über die hinteren Augenhöhlenränder
hinaus, erzeugt also eme sehr grosse Mundöffnung.
Die Zahl seiner Zähne ist nicht ganz genau festzustellen;
doch ist sie, entsprechend der Länge des Knochens, eine grosse.
Auf der rechten Hälfte sind nur die vordersten 4 Zähne sichtbar;
und von diesen ist der vierte zu einem kräftigeren Fangzahn ent-
wickelt, sodass er den Zähnen des Zwischenkiefers an Grösse
nicht nachsteht (Fig. le). Auf der linken Oberkieferhälfte sind
dagegen nur die hinteren und viel kleineren Zähne zu sehen, von
welchen sich bis gegen die Höhe der vorderen Spitze des Joch-
beines hin 24 zählen lassen (Fig. 1d). Zwischen diesen und den
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. 2,5
vordersten vier Zähnen bleibt aber noch ein Raum für etwa 6
weitere vorhanden.
Möglicherweise könnte nun hier eine Lücke liegen, sodass
die Gesammitzahl im ungünstigsten Falle 28 Zähne in jeder Kiefer-
hälfte betragen würde. Das ist aber wenig wahrscheinlich, und
darum wird man die Zahnzahl in einer jeden Hälfte auf 32 bis 34
schätzen dürfen.
Ueber die Einfügung der Zähne in den Kiefer lässt sich gar
nichts beobachten; es muss daher völlig unentschieden bleihen, ob
und in wie weit dieselben in Alveolen sassen oder nicht.
Was die Gestalt der Zähne betriftt, so ist dieselbe conisch,
von rundem Querschnitt (Fig. 1f). Nur der untere Theil eines
jeden Zahnes ist — soweit sich das überhaupt beobachten lässt —
mit Furchen bedeckt; der grössere, obere dagegen ist glatt.
Die Zahnsubstanz bildet einen dicken Kegelmantel (Fig. 18);
der der Pulpa verbleibende Raum ist daher ein verhältnissmässig
schmaler. Keinerlei Einbuchtungen des Schmelzes in das Innere
des Zahnes sind vorhanden. Auch die weisse Ausfüllungsmasse
der Zahnhöhle (Osteodentine OwEn’s) sendet keinerlei Strahlen
nach aussen. Auf dem @uerschnitte zeigt sich vielmehr — im
oberen, aussen ungefurchten, wie im unteren, aussen gefurchten
Theile — eine gleichmässig dichte, schwarze Masse, von welcher
die Pulpa umgeben wird.
Da der Schädel mit der Unterseite fest im Gestein eingebettet
liegt, so ist nicht zu erweisen. ob und wie weit Vomer und Pala-
tinum gleichfalls bezahnt gewesen sind.
Das Nasenbein besitzt eine grösste Länge von 5,2 Üen-
timeter und eine grösste Breite von etwa 5 ÜUentimeter. Diese
letztere liegt am vorderen Ende des Knochens, dessen hinteres
sich mithin verschmälert. i
Das Thränenbein nimmt weder an der Begrenzung des
Nasenloches noch an derjenigen der Augenhöhle Theil. Es zeigt
sich selbstständig entwickelt, indem eine Naht zwischen ihm und
dem Jochbein deutlich erkennbar ist; wogegen bei allen von
Fritsch untersuchten Stegocephalen ein Zusammenhang beider
Knochen mehr oder weniger unzweifelhaft ist.
26 W. Branco, Weissia bavarica,
Die grösste Länge des Thränenbeines misst 4,4 Oentimeter,
die grösste Breite 1,6 Centimeter.
Ein unpaariges Zwischen -Nasen-Stirnbein, wie ein solches
durch H. v. MEyEr !) an dem nahe verwandten Osteophorus be-
schrieben wird, ist nicht vorhanden. Die von FRITSCH ausgespro-
chene Vermuthung, dass es sich dabei wohl um eine zufällige
Bildung handeln möge ?), gewinnt vielleicht durch das Fehlen dieses
Knochens an einer nahe verwandten Form, wie Weissia es ist,
noch an Wahrscheinlichkeit.
Dieselbe Länge. wie das Nasenbem, erreicht das Haupt-
Stirnbein. Frontale anterius, nämlich 5,2 Centimeter; es erstreckt
sich daher nach rückwärts beinahe bis in die Höhe des hinteren
Augenhöhlenrandes. Dagegen steht es an Breite, 1,5 Centimeter,
bedeutend gegen die des Nasenbeimes zurück. An der Begrenzung
der Augenhöhle nimmt das Haupt-Stirnbein keinen Antheil. Seine
beiden Hälften sind durch eine Naht deutlich geschieden: eine
Verwachsung derselben, wie sie beispielsweise Frırsch bei Doli-
chosoma als Ausnahme nachweist, findet daher hier nicht statt.
Den vorderen Augenhöhlenrand bildet das Vorder-Stirn-
bein, Praefrontale, welches durch eine Pfeilspitzen-ähnliche Gestalt
gekennzeichnet ist. Die grösste Länge ist 4,3 Centimeter, die
grösste Breite 2.5 Centimeter. Die Naht zum Hinter-Stirnbein
liegt in der vorderen Hälfte des inneren Augenhöhlenrandes.
Dieser Letztere wird gebildet durch das Hinter-Stirnbein,
Postfrontale, dessen grösster Länge von 4 Uentimeter eine grösste
Breite von nur 1,4 Centimeter gegenübersteht.
Das Hinter-Augenhöhlenbein, Postorbitale, den hinteren
Rand der Orbita bildend. zeigt eine, an die des Vorder-Stirnbeines
erinnernde, ungefähr Pfeilspitzen-ähnliche Gestalt; doch mit dem
Unterschiede, dass dasselbe init der Spitze nach hinten weist,
während dieselbe bei dem Vorder -Stirnbein nach vorn gerichtet
ist. Bei einer Länge von 3,6 Centimeter erreicht es eine grösste
Breite von 2 Centimeter.
!) Palaeontographica, Bd. VII, S. 101.
>») 1. ce. Bd.Il, HeftI, 8, 18.
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. on
Nächst dem Öberkiefer ist das Jochbein der längste Schä-
delknochen:: es besitzt eine grösste Länge von 8,4 Centimeter und
eine grösste Breite von 3 Centimeter. Die letztere liegt auf
gleicher Höhe mit dem hinteren Ende der Augenhöhle.
Der äussere Rand der Orbita wird — eine seltene Erschei-
nung bei den Stegocephalen 1) — von dem Jochbein gebildet. Des
letzteren Verhältniss zum Thränenbein ist, da die Naht zwischen
beiden vorhanden, ein klares. Nach vorn greift das Jochbein mit
einer kleinen Spitze zwischen das Thränenbein und den Oberkiefer
hinein.
Etwa den fünften Theil der ganzen Schädellänge nimmt das
Scheitelbein ein. Seine grösste Länge misst 4,1 Centimeter,
seine grösste Breite 1,9 Centimeter.
Wie das die Regel bei den Stegocephalen ®), ist dasselbe
am hinteren Ende viel breiter als am vorderen. Das runde Scheitel-
loch liegt ein wenig über die Mitte hinaus nach vorn gerückt.
Wie das Scheitelbein, so ist auch das Obere Hinterhaupts-
bein, Supraoceipitale, am hinteren Ende breiter als am vorderen.
Am Hinterrande desselben (bei x) zeigt sich ein treppenförmiger
Absatz, welcher bei den Stegocephalen nach FrriscH als Ansatz-
punkt der Nackensehnen diente ®).
Das Zitzenbein, Epioticum, ist ein länglich - viereckiger
Knochen, welcher hinten in keinerlei Fortsatz ausläuft.
Das Schläfenbein besteht aus zwei verschieden beschaftfenen
Theilen: einem vorderen, mit der üblichen grubigen Oberflächen-
beschattenheit,. und einem hinteren. welchem eme solche fehlt.
Beide Theile sind durch eine tiefe Furche von einander geschieden.
Ob diese letztere einer Naht entspricht — sodass in Wirklichkeit
eine Trennung in em vorderes und ein hinteres Schläfenbein
eintritt, wie solches bei einigen Stegocephalen der Fall ist %) — das
ist nicht zu entscheiden.
l Frirssen, \. ec. Bd. II, Heft 2, S. 46,
2) ]. c. Bd. I, Heft 1, S. 10.
3]. c. Ba.II, Heft 1, S: 10.
4) rırson, 1. c. Bd. II, Heft 2, S. 46,
W. Branco, Weissia bavarica,
[SS)
[p e)
Ehbensowenig sicher festzustellen ist der Verlauf der, den
hinteren Theil des Schläfenbeines vom Paukenbein trennenden
Naht. Es ist das deswegen bemerkenswerth, weil bei den wenigen
Stegocephalen, bei welchen überhaupt eine Trennung in ein vor-
deres und ein hinteres Schläfenbein stattfindet, dieses letztere
ebenfalls nur undeutlich von dem Paukenbein getrennt zu sein
pflegt ).
Auf den Oberkiefer und das ‚Jochbein folgt als drittlängster
Knochen das Paukenbein, mit einer Länge von 8 Centimeter
und grössten Breite von etwa 2,8 Centimeter. Sein Verknöche-
rungsmittelpunkt liegt nicht, wie beim Nasenbeim, ‚Jochbein und
anderen in der ungefähren Mitte des ganzen, oval geformten
INnochens, sondern ganz an dem dem Schläfenbein zugewendeten
Rande.
Das Quadratjochbein besitzt eine Länge von 5,7 Centi-
meter und eime ziemlich gleichbleibende Breite von 1,8 Centi-
meter.
Höchst wahrscheinlich dürfte das Quadratbein ın dem kleinen
Knochen zu suchen sein, welcher sich in verletztem Zustande am
hinteren Ende des Quadratjochbeines zeigt.
Der Unterkiefer ist semer ganzen Länge nach in dem
linken Aste erhalten: allein derselbe ıst, vielfach zerbrochen, des
(relenk-Endes beraubt. Auch bietet sich derselbe nur von der Innen-
seite her dar und seine Zähne sind nicht sichtbar. Seine Länge
beträgt von der vorderen Spitze des Zahnbeines bis zum Winkel
19 bis 20 Centimeter: seine Höhe am Winkel etwa 5 Centimeter.
Auf der rechten Seite des Schädels, am vorderen Ende des
‚Jochbeines, über den Oberkieter geschoben, liegen einige Zähne,
welche dem rechten Unterkiefer- Aste angehören. Die geringen
Bruchstücke des letzteren lassen an demselben em furchiges Bild-
werk erkennen.
Die wenigen übrigen Skelettheile, welche erhalten sind,
bestehen in emigen Phalangen und einem flachen, gestreiften
Knochen, welcher vielleicht die mittlere Thorakal- Platte darstellt.
) 1. ec. Ba. II, Heft 2, 8. 46.
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. 29
Vergleichender Theil.
Der Schädel der im Vorliegenden beschriebenen Art rührt
unverkennbar von einem Stegocephalen her; das wird bewiesen
durch das Dasein der Hinteraugenhöhlen- und der Paukenbeine').
Zwar lassen uns die überlieferten Reste über den Bau der
Wirbel völlig im Unklaren. Nach der Schädelform jedoch werden
wir hingewiesen auf diejenige Gruppe der Stegocephalen. welche
FrirscH ?), wegen der äusserlichen Aehnlichkeit, als Gruppe der
Stegocephali crocodilioideae bezeichnet.
Wir werden daher alle Mitglieder dieser Gruppe, welche
FrirscH derselben zuzählt, zu vergleichen haben. Es wird aber
ferner auch eine Anzahl weiterer. von anderen Autoren beschrie-
bener Gattungen zu berücksichtigen sein, welche mit unserer frag-
lichen Form Verwandtschaft besitzen.
Oftenbar gehört, wie der Vergleich ergeben wird, unsere
Gattung innerhalb der oben genannten Gruppe in die Verwandt-
schaft der Familie der Melosauridae Fritsch ?). Besonders stark
tritt das hervor, wenn man derselben, wie Frırsch das proviso-
risch thut, eine Anzahl sogleich zu benennender, ausser-böhmischer
Gattungen, zurechnet; denn gerade diesen letzteren steht Weissia
am nächsten.
Will man dieselben dagegen, wie das hier geschehen, von den
Melosauridae abtrennen, so würde sich für diese nächst-verwandte
Gruppe der Name der Archegosauria LYDEKKER*) ergeben. Der
englische Autor unterscheidet innerhalb dieser Gruppe zwei
Familien: eine Familie der Archegosauridae und eine solche der
Actinodontidae; die erstere mit unverknöcherten, die letztere mit
verknöcherten Hinterhauptscondylen.
Wie in dieser Beziehung sich unsere Gattung verhält, entzieht
sich der Beobachtung, da das sehr feste nnd spröde Gestein ein
Herausarbeiten des Hinterhauptes unmöglich macht. Der Aehn-
Delrca Bd. Heft 1 5.068:
2) Fritsch, 1. ce. Bd. II, Heft 2, S. 58.
Salze Bau I raHett 2, 8..90:
*) Palaeontologia Indica, Ser. 4. Vol. I, Part 4, 1885, 8. 10.
30 W. Branco. Weissia havarica.
hehkeit des Schädels nach möchte man aber Werssia in die nächste
Beziehung zu Aetinodon bringen; wonach dann, wie bei letzterer
Gattung der Fall, das Dasein verknöcherter Hinterhauptscondylen
auch hier eine gewisse Wahrscheinlichkeit erlangt.
Aber auch bezüglich der Beschaffenheit der Wirbelsäule könn-
ten wir wohl eine, freilich noch wenig begründete, Vermuthung
hegen: Für seine Gruppe der Stegocephali crocodilioideae macht
Frirsch im Allgememen eine rhachitome oder (und) embolomere
Beschaftenheit geltend. Im Besonderen für Archegosaurus weist
derselbe nach, dass diese Crattung beiderlei Bildungen in sich ver-
einige. Die Wirbel des Rumpfes nämlich sind hier rhachitom —
d. h. durch unvollkommen verknöcherte Wirbelkörperscheiben aus-
gezeichnet — diejenigen des Schwanzes dagegen embolomer —
d. h. durch das Vorhandensein von je zwei bieoncaven W irbel-
körperscheiben für je einen Wirbelabschnitt gekennzeichnet. Eine
derartige Vereinigung beider — von ÜoPE für Merkmale zweier
verschiedenen Gruppen gehaltenen — Bildungen in einem und
demselben Thierkörper glaubt nun aber Frrrsch nicht nur auf
Archegosaurus beschränkt, sondern auf weitere Kreise ausgedehnt.
Ist das wirklich der Fall, dann werden wir uns, natürlich mit
der in solehen Fällen stets vorgeschriebenen Zurückhaltung, auch
die Wirbelsäule von Weissia als gleichzeitig rhachitom und embo-
lomer vorstellen dürfen.
Wollen wir dagegen nicht so weit gehen, dann werden wir
von diesen beiden Bildungen mindestens die rhachitome bei Weissia
für schr glaubhaft halten können: denn auch an Wirbeln des nächst-
verwandten Actinodon weist GAUDRY unvollständige Verknöcherung,
sogar in noch höherem Maasse als bei rchegosaurus, nach.
Wir beginnen nun den Vergleich mit den oben genannten
Formen.
Gänzlich absehen müssen wir von der Familie der Kuglypta
oder Labyrinthodontia vera, da bei diesen grossen Formen
die Lyra deutlich entwickelt ist und die Zähne stark gefaltet
sind !).
1) Fersen, 1. ec. Bd. 8. 37.
ein nener Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. 3
Gleiches gilt von der Familie der DiplovertebridaeFRrrITscH!),
weil die Oberfläche der Schädelknochen hier der starken Grübchen
entbehrt.
Auch die Familie der Uhauliodontia FrırscH ?) ist aus-
geschlossen, da dieselbe zweischneidige Zähne und zwei gerade,
nach hinten als First sich fortsetzende Lyra-Furchen besitzt.
Näher verwandt ist dagegen die Familie der Dendrerpe-
dontidae Frisch), zumal, wenn man die Gattung Actinodon.,
wie Frırscn unter Vorbehalt ausspricht, hierher stellen würde.
Bei Absehen indess von Actinodon verbleibt nur die Gattung
Dendrerpeton, deren Typus die Art Dendrerpeton pyriticum, aus
dem Rothliegenden Böhmens, ist. Wir finden jedoch hier auf der
Oberfläche der Knochen nicht ein grubiges, sondern ein furchiges
Bildwerk; ferner grössere Hinter-Augenhöhlenbeine, kleinere Nasen-
löcher und, im Zwischen- und Oberkiefer, eine germgere Zahnzahl.
Zudem ıst die Art weit kleiner als unsere fragliche Gattung.
Von den anderen Arten weicht Dendrerpeton foveolatum*)
allein schon durch das Aussehen seiner wie von Nadelstichen
durchbohrten Schädelknochen ab.
Dendrerpeton deprivatum aber?) besitzt ein viel kürzeres Nasen-
bein: es ist ein kleines, deutlich abgesondertes, vorderes Schläten-
bein vorhanden, und das Thränenbein nimmt an der Bildung der
Augenhöhle Theil.
Gleichfalls nahe steht die Familie der Melosauridae Fritscn®),
welcher Frıirscn zunächst anhangsweise noch eine Anzahl von
Gattungen, wie Archegosaurus, Actinodon anreiht. Wir werden
dieselben jedoch gesondert vergleichen. Kennzeichnend für diese
Familie ist die mittlere Grösse ihrer Vertreter, die grubige Be-
schaftenheit ihrer Schädelknochen und das Dasein von Sehnen-
höckern am Zitzenbein.
..c. Bd. Il, 5.6.
16:
..b:
8.
10:
. 36.
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NEAEN IE FR
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NUN
32 W. Branco, Weissia bavarica,
Die namengebende Gattung, Melosaurus H. v. MEYER !), aus
Russlands permischen Ablagerungen, weicht ab durch die Gestalt
des am vorderen Ende eingeschnürten Schädels, durch ihre weniger
weit nach vorn gelegenen Nasenlöcher und ihre näher bei einander
liegenden Augenhöhlen.
Chelydosaurus FRrrscH?) ist durch die längliche Augenhöhle,
die nicht bemerkbaren Nasenlöcher und das, wenn auch nicht völlig
genau bekannte, so doch jedenfalls anders gestaltete Hinter-Augen-
höhlenbein unterscheidbar.
Von Sphenosaurus H. v. MEYER?) ist der Schädel nicht bekannt,
daher ein Vergleich unmöglich.
(ochleosaurus FRITSCH ®), wie Chelydosaurus und die beiden fol-
genden Gattungen dem böhmischen Perm entstammend, weicht ab
durch seine langen, löftelförmigen Fortsätze am obereu Hinter-
hauptsbein;
Gaudryia Fritsch?) durch den vorn halbkreisförmigen Umriss
des Schädels;
Nyrania Frrrsch ®) durch die grössere Breite des Schädels am
hinteren Ende und die nach aussen «„erichteten Fortsätze des
Zatzenbeines.
In der eigentlichen Familie der Melosauridae befindet sich
mithin keine Gattung, welche der unseren ganz besonders nahe
stände.
Wenn wir nun die Familie der Archegosauridae LYDEKKER ‘)
betrachten, so tritt uns zunächst die typische Art
Archegosaurus Decheni entgegen. Dass diese langgeschädelte
Form mit unserer breitschädeligen nicht übereinstimmt, liegt auf
der Hand.
!) Palaeontographica. Bd. VII. S. 90, Taf. 10.
Sl es Britt,
3) Frriscn, 1. c. 8. 28.
AR] ..02 8.90:
ETC“
91. c. 8.38.
”) Palaeontologia Indiea. Ser. 4, Vol. 1, Part 4, 1885, S. 10.
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. 33
Aus gleichem Grunde ist unsere fragliche Gattung aber auch
von dem, vielleicht gar nicht hierher gehörenden Cricotus COPE)),
aus dem Perm Nord-Amerikas, geschieden, welcher von CoPE als
Typus seiner Eimbolomeri aufgestellt wurde.
Auch Platyops Stuckenbergi TRAUTSCHOLD ?) ist durch das
gleiche Merkmal ausgezeichnet.
Von Sparagmites lacertinus FRITSCH ?), welcher möglicherweise
der Gattung Archegosaurus angehört, sind vergleichbare Reste
nicht erhalten.
Die Gattung Zygosaurus mit den beiden Arten Z. lucius EicHw.t)
und Z. labyrinthieus GEINITZ sp.?) ist durch den ovalen oder
tonnenförmigen Umriss des Schädels und die lang-ovalen Augen-
höhlen scharf von unserer Gattung geschieden.
In der Kürze und dem allgemeinen Umriss gleicht der Schädel
von Trimerorhachis CoPE®) demjenigen unserer Gattung. Die weit
nach vorn gerückten Augenhöhlen und das mehr furchige Bildwerk
des Schädels genügen indessen bereits, um eine Uebereinstimmung
mit derselben auszuschliessen.
Der indische Gondwanosaurus LYDEKKER ?) gehört, wenn die
Hinterhauptscondylen wirklich unverknöchert waren, gleichfalls zu
der Familie der Archegosauridae. Durch die Kürze des Schädels
ebenso von Archegosaurus Decheni abweichend, wie unserer frag-
lichen Gattung sich nähernd, ist die indische Form von der letz-
teren doch in den folgenden Punkten geschieden: Gondwanosaurus
besitzt ovale Augenhöhlen, Horn-ähnliche Fortsätze am Zitzenbein,
!) Proceed. acad. Philadelphia 1875, S.405; American naturalist 1878, 8. 319;
Proceed. American philosoph. soc. Vol. 17, 1878, S 522; American naturalist 1884,
8.36, Taf. 5 und Fig.7 auf S. 37.
>) Nouv. mem, ac. imp. des naturalistes. Moscou 1884, Taf. 15, Lief. 1,
SO, Taf 1.
Sale ca 1at.2, 8-15:
#) Bull. soc. imp. des naturalistes. Moscou 1848, Vol. 21, S. 159, Taf. 2—4.
5) Palaeontographica. Bd. XXIX, S. 16, Taf. 2, 3.
6) Proceed. philosoph. soc. Vol. 17, 1878, S.524: American naturalist. Vol. 18,
1884, S. 32, Fig. 3.
?) Palaeontologia Indica. Ser. 4, Vol. 1, Part 4, 1885.
Jahrbuch 1886. 3
34 W. Braxco, Weissia bavarica,
subterminal gelegene Nasenlöcher und möglicherweise eine imper-
fecte Lyra.
Nahe verwandt mit der vorigen Gattung ist das, auch carbo-
nische, Loxomma Allmanni HuxLeyY). Der zestrecktere Schädel,
sowie die ungemein langgezogenen Augenhöhlen weichen jedoch
stark von unserer fraglichen Gattung ab.
Auch Pholidogaster ist eine dem Archegosaurus nahestehende
Form des englischen Carbon ?). Die sehr kleine Abbildung macht
jedoch einen eingehenderen Vergleich unmöglich.
Am meisten verwandtes finden wir in der Schädelgestalt der
Familie der Actinodontidae LYDEKKER®). Wenn wir zunächst
eine Anzahl vorwiegend ausser-europäischer Gattungen — deren
Hierhergehörigkeit übrigens nicht in allen Fällen sicher gestellt
ist — zum Vergleiche heranziehen, so ergiebt sich das Folgende:
Von Rhachitomus CoPE t) ist kein Schädel beschrieben; die
Gattung kann mithin nicht berücksichtigt werden.
Gleiches gilt von dem französischen Geschlechte permischen
Alters, Kuchirosaurus (KAUDRY ?).
Eryops COPE, sowie die drei hier folgenden permischen Gat-
tungen Amerikas, werden von ÜOPE mit Actinodon zu der Familie
der Eryopidae vereinigt. Was zunächst das Genus Eryops ®)
betrifft, den grössten Batrachier Amerikas, so weicht derselbe
durch seine kleineren Augenhöhlen, seine länglichen Nasenlöcher,
die mehr nach hinten gerückte Stellung beider, die abgestumpftere
Schnauze und die weniger flache Beschaffenheit des Schädels von
unserer Gattung ab.
Von Acheloma CopE !), einer klemeren, Zryops nahestehenden
Gattung, gelten ähnliche Unterschiede.
!) Annals & magazine nat. hist. Ser. 4, Vol. 14, Taf. 4, S. 38.
2) Proceed. geolog. soc. 1862, Vol. 18, S. 291, Taf. 11, Fig. 3, 4.
S)alrc.3.10,
4) Proceed. American phil. soc. Vol. 17, 1878, S. 526.
5) Enchainements; fossiles primaires. S. 270 ete.
%) American naturalist. Vol. 18, 1884, S.33, Fig. 5, 6. Proceed. Amer, phil.
soc. 1877, S. 188.
?) American naturalist. Vol. 18, 1884, S. 35.
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. 35
Auch von Anisodexis CopE!) lässt sich gleiches sagen, da
diese Gattung von Eryops und Acheloma am Schädel wesentlich nur
durch die Ungleichheit der Zähne in der äusseren Zahnreihe ab-
weicht.
Ob Zatrachys COPE?) ganocephale oder labyrinthodonte Zähne
besitzt, ist noch ungewiss, daher seine Stellung im System eine
fragliche. Jedenfalls ist Zatrachys von unserer fraglichen Gattung
unterschieden durch das Bildwerk der Knochen, welches auf
der Maxilla in »prominent tubercles« besteht.
Die afrikanische Gattung Rhytidosteus Capensis OWEN?) besitzt
einen spitzer zulaufenden Schädel, weiter nach rückwärts gerückte
Nasenlöcher und ein entschieden radial-furchiges Bildwerk.
Gegenüber diesen ferner stehenden, meist ausser-europäischen
Gattungen finden wir nun eine Reihe europäischer, zu welchen
unsere Gattung in näherer Beziehung steht — so weit eben solche,
bei mangelnder Kenntniss des Skeletes und der Hinterhauptscon-
dylen, allein in der Schädelgestalt zum Ausdrucke kommt.
In der alten Gattung Archegosaurus fasste man früher Ver-
schiedenartiges zusammen. Das, was nach Verbleiben des typischen
A. Decheni nun ausgemerzt ist, benennt man heute wohl mit dem
Gattungsnamen
Actinodon KAUDRY. Fraglich ist es, ob Archegosaurus Austriacus
MAKowskY t) zu Actinodon gestellt werden darf. Sicher aber ist
jedenfalls, dass diese Art mit der unsrigen nicht ident ist; denn
durch die flügelartig vorspringenden Quadratjochbeine erhält ihr
Schädel eine auffallende, die Länge desselben weit übertreffende
Breite.
Aetinodon (Archegosaurus) latirostris JORD. sp.?) — fast ein
Landsgenosse unserer fraglichen Gatiung zu nennen, aber auch
Die 8.80.
2) ]. ec. S.36. Proceed. Amer. phil. soe. T. 17, S. 523.
3) Quart. journ. 1884, S. 333, Taf. 16 u. 17.
4) Sitzgsber. Akad. Wien, Bd. 73, 1576, S. 155.
5) Verhandl. d. naturhist. Vereins f. Rheinland u. Westphalen. Bd. 6, 1549,
5.78, Taf. 4, Fig. 2,3. Ferner H. v. Meyer in Palaeontographica Bd. VI, 1856
bıs#1858,. 8.2 Heu. 2197 Tat. 9. 10,
3 %
36 W. Branco, Weissia bavarica,
im Rothliegenden Sachsens vertreten I) — besitzt gleichfalls einen
breiteren Schädel als letztere. Denn bei dieser verhalten sich
Länge zu Breite wie 100: 62,5, bei Actinodon latirostris ist die
Breite fast gleich der Länge. Des Weiteren ist die Zahl seiner
Zwischenkiefer-Zähne eine grössere; nämlich 11, gegen deren nur
7 bei unserer Gattung. Endlich sind die Nasenlöcher von Acti-
nodon latirostris länglich und schräg gestellt, hier aber rundlich.
Letzteres Unterscheidungsmerkmal gilt nun auch gegenüber
dem Sclerocephalus Häusseri H. v. MEYER?), welchen FRıTscH
übrigens als wahrscheinlich ident mit voriger Art betrachtet);
wie das auch H. v. MEYER#) bereits für möglich hielt.
Aectinodon (Archegosaurus) latifrons GEIN. & DEICHM. sp. ?),
sehr eng mit A. latirostris verbunden, unterscheidet sich von diesem
wesentlich nur durch das ungetheilte Frontale und wahrscheinlich
auch durch die weit stärkere Entwickelung des Postorbitale. Diese
Form aus dem Plauen’schen Grunde kann mithin gleichfalls nicht
mit der unsrigen ident sein.
Es kommt für den vorliegenden Fall nur auf den Vergleich
der Schädel an. Ob in Wirklichkeit Actinodon latirostris, und
dasselbe gilt von Actinodon latifrons, dieser Gaudry’schen Gattung
zuzurechnen ist, das wird — wie ÜREDNER hervorhebt 6) — erst
mit Hilfe der noch unbekannten Wirbelsäule festzustellen sein.
Actinodon Frossardi GAUDRY, der eme und zugleich am
längsten bekannte der beiden französischen Vertreter dieser Grat-
tung 7), ist bezüglich seines Schädels nur von der Unterseite be-
kannt, während umgekehrt unsere fragliche Gattung nur die Ober-
seite darbietet. Em genauer Vergleich ist daher nicht möglich.
) Crzpser in Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. 34, S. 235, Taf. 13, Fig. 6—8.
2) Palaeontograpbica, Bd. VI, S. 212, Taf. 15, Fig. 9.
3). c. Bd. l, Heft 1,8.60,
4) Palaeontographica Bd. VI, S. 219.
5) Palaeontographica Bd. 29, 1882 —83, S. 21, Taf. 6.
6) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. 34, S. 230.
?) Nouvelles archives mus. d’hist. nat. T. 3, 1867, S. 22, Taf. 3. Ferner Bull.
soc. g6ol. France. 2. Serie, T. 25, 1868, S. 576 und 3. Serie, T. 4, 1876, S. 720,
Taf. 22. Endlich Enchainements, fossiles primaires 8. 262 — 270, Fig. 260, 61,
63 bis 68.
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. 37
Soweit man aber vergleichen kann, besitzt diese, dem Actinodon
latirostris nahe verwandte Art viel Uebereinstimmendes mit der
unsrigen.
Was jedoch den Gedanken an eine etwaige Identität beider
sogleich verscheucht, ist einmal der Umstand, dass unsere Form
eine grössere ist, als alle hier genannten Arten von Actinodon.
Es scheinen aber ferner auch die — bei Actinodon Frossardi aller-
dings nicht, wohl aber bei Actinodon brevis sichtbaren — Nasen-
löcher ebenso länglich zu sein und schräg zu stehen, wie bei
Actinodon latirostris, während das bei unserer Form nicht der
Fall ist.
Die gleichen Ueberlegungen gelten von Aectinodon brevis
(GAUDRY !), dem zweiten und noch kleineren französischen Ver-
treter der Gattung.
Wenn nun also auch sicher eine von den genannten ab-
weichende Art vorliegt, so könnte vielleicht doch eine generische
Uebereinstimmung mit diesen stattfinden. Eine solche ist jedoch
bei dem Erhaltungszustande unserer Form garnicht festzustellen;
denn abgesehen von dem Fehlen der übrigen wichtigen Theile
des Skeletes lässt sich, bei der Härte und Sprödigkeit des ein-
hüllenden Gesteines, auch die Frage nicht entscheiden, ob der
Hinterhauptscondylus verknöchert war, wie bei Actinodon, oder
nicht.
Selbst wenn also unsere Art zu der Gattung Actinodon gehörte,
so würde sich das garnicht feststellen lassen; es würde dieser
Gattungsname nur mit einem Fragezeichen angewendet werden
dürfen. Es besteht nun aber ein Merkmal, welches mit aller
Entschiedenheit gegen eine generische Uebereinstimmung spricht:
Bei Actinodon sind die Zähne an ihrer Basis mit einem kleinen
Wulst versehen; unserer Form fehlt ein solcher. Bei Aectinodon
ist die Zahnhöhle erfüllt mit brauner Masse, Osteodontine OwEN’s,
welche nach aussen radiale Strahlen ausschickt; den Zähnen unserer
Form fehlen diese letzteren, sodass die Osteodontine auf die Zahnhöhle
beschränkt bleibt. Das aber ist ein so wesentlicher Unterschied,
1) Enchainements ]. c. S. 266, Fig. 262.
38 W. Branco, Weissia bavarica,
“dass von einer generischen Uebereinstimmung beider Formen nicht
die Rede sein kann. :
Ziemlich nahe mit unserer Art verwandt ist die aus dem Roth-
liegenden Schlesiens stammende Gattung Osteophorus H. v. MEYER).
Allein dieselbe besitzt längliche, schräg gestellte Nasenlöcher, ihr
Vorderstirnbein ist verhältnissmässig schmaler, ihr Thränenbein
länger, ihre Scheitelbeine beginnen bereits auf halber Höhe der
Augenhöhlen (hier erst am Hinterrande). Auch ist die Breite
ihres Schädels viel bedeutender; denn bei 20,7 Centimeter Länge
hat derselbe 17,4 Centimeter Breite, wogegen er bei unserer Gat-
tung 21,3 Centimeter und 13,3 Centimeter in Länge und Breite
misst.
Endlich ist Osteophorus — was freilich möglicherweise nur
eine individuelle Eigenschaft sein kann — durch ein unpaares
Zwischen-Nasen-Stirnbein ausgezeichnet.
Aus dem sächsischen Rothliegenden hat uns ÜREDNER eine,
Pelosaurus genannte, Gattung kennen gelehrt?), welche vielleicht)
dem Aectinodon latirostris am nächsten steht. Die allgemeine Schädel-
form ähnelt denn auch derjenigen unserer Grattung. Eine Ueber-
einstimmung ist jedoch durch mehrfache Gründe ausgeschlossen.
Pelosaurus ist vor Allem eine weit klemere Form, und im Gegen-
satz zu der unsrigen besitzen seine Zähne nur einen dünnen Kegel-
mantel von Zahnsubstanz, welcher eine dicke Pulpa umschliesst.
Auch ist erstere gefaltet.
Nicht minder abweichend ist eine zweite Gattung desselben
Vorkommens, welche von ÜREDNER Acanthostoma*) genannt wurde,
Der spitz-parabolische Umriss des Schädels und das Vorhandensein
eines grossen Cavum internasale bei dieser, gleichfalls kleineren
Gattung thun das zur Genüge dar.
So zeigt also die Vergleichung, dass unser Stegocephale aus
dem unteren Rothliegenden der bayerischen Pfalz mit keiner der
1) Palaeontographica Bd. VII, S. 99, Taf. 11.
2) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. 34, S. 214, Taf. 12, 13.
SulrCED280:
Sl (er fan Dh vater, Abel, SUSI
ein neuer Stegocephale aus dem Unteren Rothliegenden. tt
fo) fo) )
mir bekannt gewordenen, zahlreichen Arten und Gattungen über-
einstimmt.
Am nächsten scheint derselbe sich an die Gattung Actinodon
anzuschliessen. Es ist jedoch bei der Besprechung von Actinodon
Frossardi gezeigt worden, dass eine generische Uebereinstimmung
nicht stattfindet.
Somit liegt eine neue Gattung vor. Ich gestatte mir, die-
selbe nach meinem verehrten Collegen, Professor Weiss, welcher
das seltene Stück für unsere Sammlung erwarb, Weissia zu nennen
und gebe ihr den Artnamen Weissia bavarica.
Gebirgsstörungen südwestlich vom Thüringer
Wald’).
Von Herrn H. Bücking in Strassburg ı. E.
Die Aufnahme der Um«
>]
Schmalkalden führte zu der Auffindung zweier seither an dieser
egend von Seligenthal auf Section
Stelle noch nicht bekannter Verwerfungen. Die eine ist die Fort-
setzung der Störung, an welcher 10 Kilometer weiter südöstlich bei
Steinbach-Hallenberg, dem Schlosshötel gegenüber, der Buntsand-
stein unter die dort auftretende Granitklippe einschiesst ?). Die
gleichen Gesteine und ähnliche Lagerungsverhältnisse, wie sie dort
im Hangenden jener Verwerfung beobachtet werden, kehren auch
östlich von Seligenthal wieder; auch hier hat eine Ueberschiebung
stattgefunden der Art, dass Granit mit aufgelagertem, Steinkohlen
führenden Rothliegenden auf den näher bei Seligenthal in tieferem
Niveau gelegenen gleichartigen Granit mit denselben aufgelagerten
Kohlen-führenden Schichten überschoben ist.
In dem Klinggraben östlich von Seligenthal ist das tiefere
und das überschobene Gebirge recht gut enthlösst. Man trifft
hier in geringem Abstand von einander zweimal den Granit und
jedesmal über demselben das KRothliegende mit einer einge-
lagerten Decke von Melaphyr (und Melaphyrtuften). Das nach-
folgende Profil 1, welches von dem südlichen Ende von Seligen-
!) Nachtrag zu dem Aufsatz in diesem Jahrbuch für 1384, S. 546 ff.
>) Vgl. den Aufsatz des Verfassers »Grebirgsstörungen südöstlich vom
Thüringer Wald«, dieses Jahrbuch für 1884, S. 552.
H. Bückınc, Gebirgsstörungen südwestlich vom Thüringer Wald. 4]
Brolele
(Maassstab 1:25000 für Längen und Höhen.)
SW. NO.
Seligenthal Floher Gemeinde-Wald Vorderer Hühnberg
2200
l
1800 ı.
Profil 2.
(Maassstab 1: 12500 für Längen und Höhen.)
Seligenthaler Floher Masskopf
W. Trift Gemeinde-Wald Aussichtstempel 0.
} N Kr ’
Mn ws
IE
1
Signaturen-Erklärung.
I — Feinkörniger Unterer Buntsandstein. 2 — Bröckelschiefer. 3 — Oberer
Zeehsteinletten. 4 — Plattendolomit. 5 — Unterer Zechsteinletten. 6 = Haupt-
dolomit. 7 = Mittleres Rothliegendes. S—= Unteres Rothliegendes mit Einlagerungen
von Kalklinsen (und Steinkohlenschmitzen), Melaphyr (10) und Quarzporphyr (11).
) = Granit mit basischem Ganggestein. 10 — Melaphyr. 11 = Qnarzporphyr.
12 = Hypersthenfels (Palatinit).
thal bis zum vorderen Hühnberg!) in nordöstlicher Richtung das
(rebirge durchschneidet und den Klinggraben etwas südlich liegen
=) 55 5
lässt, kann zur besseren Erläuterung dieser Lagerungsverhältnisse
1) Das gewöhnlich als »Hypersthenfels« bezeichnete Hühnbergsgestein möchte
ich als ein dem mittleren Rothliegenden eingeschaltetes Deckengestein lieber mit
dem Namen Palatinit als mit dem von Roseswusch (Massige Gesteine, 2. Aufl.,
S. 244) vorgeschlagenen Namen Diabas belegen.
42 H. Büexiss, Gebirgsstörungen südwestlich vom Thüringer Wald.
dienen. Sowohl in dem tiefen Theil an der Trift bei Seligenthal
(vgl. auch das von hier bis zum Masskopf geleste Profil No. 2)
sieht man alte Pingen, welche von Versuchsbauen auf Steinkohle
herrühren, als auch in dem überschobenen Theil im Klinggraben
und weiter nordöstlich in einem Seitenthal des Tambacher Grundes.
An den beiden ersten Stellen wird der Granit im Liegenden des
Kohlen-führenden HRothliegenden durchsetzt von einem dichten
basischen Ganggestein (zersetzter Melaphyr); die Schichten des
Rothliegenden fallen nach Osten und führen linsenförmige Einlage-
rungen eines dichten dunkelgrauen Kalksteins. Im Hangenden folgt
an beiden Stellen eine Decke von Melaphyr bzw. silificirten Mela-
phyrtuffen, und über dieser, durch eine wenig mächtige Lage
Rothliegendes von ihr getrennt, eine Decke von Porphyr, der seiner
Lagerung nach identisch ist mit dem Porphyr von Haderholzstein,
auch in petrographischer Beziehung mit diesem übereinstimmt.
Auf der Südseite des Tambacher Grundes ist die Ueber-
schiebung da, wo sie zu beiden Seiten von Granit begrenzt wird,
nicht mehr zu erkennen, wohl aber macht sie sich auf der Nord-
seite dieses Thales bemerkbar da, wo der Granit längs einer
geraden nordnordwestlich verlaufenden Linie scharf absetzt. Offen-
bar ist sie hier verstärkt durch die zweite östlich von Seligenthal
beobachtete Störung, welche vom Kohlberg bei Asbach ausgeht
und über Floh in nördlicher Richtung bis zur Seligenthaler Trift>
etwa !/s Kilometer südlich vom Tambacher Grund gelegen, ver-
folgt werden kann (vgl. die westliche Verwerfung in den Profilen
1 und 2).
Ein Profil durch das Hangende der erst-erwähnten Verwerfung,
etwa durch das obere Ende des Klinggrabens und den Masskopf,
(vgl. Profil 2) ist bezeichnend für den Aufbau des Gebirgrandes
auch zwischen dem Tambacher Grund bei Seligenthal und dem
Kalten Wasser bei Kleinschmalkalden. Allenthalben lagert hier
über dem Granit das Kohlen-führende Rothliegende mit den beiden
eingeschalteten Decken von Melaphyr und von Porphyr. Der
ältere Melaphyr entspricht in seiner ganzen Ausdehnung im All-
gemeinen der Varietät, welche von dem Reisigenstein bei Klein-
schmalkalden, einem eben dieser Decke angehörenden Felsen, be-
H. Bücxıne, Gebirgsstörungen südwestlich vom Thüringer Wald. 43
kannt ist. Auch der früher von mir erwähnte Melaphyr von
Steinbach-Hallenberg gehört in diesen Horizont, welcher sich von
dem letztgenannten Orte aus noch weiter in südöstlicher Richtung
bis nach Suhl hin verfolgen lässt. Was den Quarzporphyr an-
langt, so kann derselbe hin und wieder ganz fehlen, an anderen
Stellen aber, wie z. B. am Haderholzstein, eine beträchtliche
Mächtigkeit erreichen.
Bezüglich des Granits von Seligenthal sei erwähnt, dass sich
verhältnissmässig frische Stücke desselben am westlichen Abhang
des Floher Gemeinde-Waldes vorfinden. Man hat das Gestein,
ebenso wie den Granit von Kleinschmalkalden, längere Zeit hin-
durch als körnigen Gmneiss betrachtet !); dies scheint indessen un-
zulässig. Fast nirgends ist eine Schieferung, selbst nicht einmal
eine ausgesprochene Plattung oder Streckung des Gesteins zu er-
kennen; und das leichte Zerfallen in Gruss theilt der Granit
zwischen Kleinschmalkalden und Seligenthal mit dem Granit von
vielen Stellen in der Nähe von Brotterode, Zella und Mebhlıis.
Andererseits bildet der Granit von Steinbach-Hallenberg, so klein
auch die Stelle ist, wo er zu Tage tritt, eben solche schroff an-
steigende Felsen, wie sie dem Brotteroder Granit im Trusenthal
eigen sind.
Strassburg, den 27. December 1886.
) Vgl. auch des Verfassers Mittheilung über die Lagerungsverhältnisse im
Spessart, Zeitschr. d. Deutsch geol. Ges. XXXI, 1379, S. 419. Anm.
Die Kersantite des Unterharzes.
Von Herrn Max Koch in Berlin.
Theil I.
(Hierzu Tafel II— IV.)
Geologische Aufnahmen am Nordabfall des Harzes zwischen
Blankenburg und Wernigerode, welche mich längere Zeit in Michael-
stein festhielten, brachten Gelegenheit, die von Herrn Prof. LossEn
entdeckten und beschriebenen I), durch ihren Reichthum an seltenen
Mineralien so interessanten Kersantitvorkommnisse in der Nähe
dieses Ortes wiederholt aufzusuchen und das von dem Eruptiv-
gestein vorhandene Material wesentlich zu vervollständigen; zum
grösseren Theil durch eigene Funde, dann aber auch durch liebens-
würdige Zuwendungen des Herrn Stadtsekretär SCHEFFLER in
Blankenburg. Das gesammelte Material erwies sich in vielen
Fällen frischer als dasjenige, welches Herrn Prof. LoSsEn zur
Verfügung stand und namentlich in Hinsicht auf die einschluss-
artigen Anhäufungen jener selteneren Mineralien so reich an neuen
Fundstücken, dass man wohl hoffen konnte, deren Untersuchung
würde weitere Gesichtspunkte zur Beurtheilung des Ursprungs dieser
für eruptive Bildungen so fremdartigen Mineralien und Mineralaggre-
gate gewinnen lassen. Herr Prof. Lossen, der sich am Schluss
seiner Arbeit spätere Mittheilungen über den Kersantit von Michael-
!) Geol. und petrogr. Beiträge zur Kenntniss des Harzes. 1. Geol. Zusammen-
setzung der nördl. Abdachung d. Harzes zw. Wernigerode und Michaelstein.
Jahrb. d. Kgl. pr. geol. Landesanstalt für 1880,
ft
<
Max Kocu, Die Kersantite des Unterharzes. 45
stem vorbehalten hatte, war so liebenswürdig, mir die weitere
Verfolgung seiner Beobachtungen zu überlassen und mir gleichzeitig
die petrographische Bearbeitung der Bode-Kersantite!) zu über-
tragen. Die Untersuchung dieser ist noch nicht so weit gediehen,
dass die Ergebnisse schon hier einen Platz finden könnten. Sie
sollen den vorliegenden Mittheilungen später als zweiter Theil
folgen.
Sowohl Herr Prof. Lossen wie namentlich Herr Prof. ROSEN-
BUSCH, in dessen petrographischem Institut der grössere Theil der
nachfolgenden Untersuchungen gemacht wurde, haben mir in so
freundlicher Weise Rath und Unterstützung zur Verfügung gestellt,
dass ich mich den genannten Herren zu grossem Danke verpflichtet
fühle.
Kersantit von Michaelstein.
1. Verbreitung und geologische Stellung.
Michaelstem am Harzrande, !/ Stunde nordwestlich von Blan-
kenburg gelegen, steht auf der Grenze des alten hercynischen
Schiefergebirges und der jüngeren Randschichten des Harzes. Die
Sedimente, welche den hier in Betracht kommenden Theil des Ge-
birgsabfalls aufbauen, bestehen aus Thonschiefern mit zahlreichen,
wenig mächtigen Einlagerungen von Kalkstein, Quarzit, Kiesel-
schiefer und Diabas und gehören nach der Gliederung, welche
LossEn für diese ältesten Harzschichten aufgestellt hat, den unter-
devonischen Wieder-Schiefern an. Die weit vorgeschrittene Erosion,
welche in wenig steil ansteigenden, gerundeten Bergformen ihren
Ausdruck findet, bedingt es, dass anstehendes Gestein nur spärlich
aus dem mit üppiger Vegetation bedeckten Waldboden hervortritt
und demnach natürliche Aufschlüsse zu den Seltenheiten gehören.
Dadurch wurde die Klarlegung der Lagerungsverhältnisse der
) Geol. und petrogr. Beiträge zur Kenntniss des Harzes. Jahrb. d. Kgl.
geol. Landesanstalt für 1885.
46 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
Schichtenglieder, deren Bau überdies durch zahlreiche Faltungen
complieirt wird, wesentlich erschwert, und die Auffassung der
geologischen Stellung des Eruptivgesteins, dem diese Mittheilungen
gelten, eine unsichere. — Dasselbe tritt in zwei durch den Kloster-
grund getrennten Gängen an die Oberfläche. Das nördlichere
Vorkommniss, nirgends anstehend erschlossen, ist in seinem Ver-
lauf an die Ost-West streichende Einsenkung zwischen dem obern
Nackenberg und Salzberg gebunden. Auf die ersten Gangtrümmer
trifft man, wenn man von Michaelstein kommend den Bach zwischen
Probstberg und Nackenberg überschreitet, etwa 200 Schritt westlich
desselben. Sie führen, immer der Einsenkung folgend, auf das
Joch, welches Nackenberg und Salzberg verbindet, wenden sich
von hier aus mehr nach NW. und endigen nach kurzer Erstreckung
unweit des Baches, welcher den Nackenberg auf der Westseite
umfliesst. Wie man aus der geringen, selten einige Meter über-
schreitenden Breite des Trümmerzuges entnehmen muss, ist der
Gang von sehr geringer Mächtigkeit. Soweit die Ungunst des
Terrains Beobachtung zulässt, fällt die Richtung der Trümmer-
massen mit der Streichlinie der Einlagerungen zusammen. Ein
Durchsetzen der letzteren konnte nirgends festgestellt und in Folge
dessen auch nicht der Beweis der Gangnatur des Gesteins
erbracht werden. Das Gestein befindet sich übrigens, wie
rostgelbe Farbe und grosse Mürbe anzeigen, durchweg in einem
Stadium weit vorgeschrittener Zersetzung und liefert desshalb kein
günstiges Material zur Untersuchung. Selten nur besitzt ein grösseres
Bruchstück einen frischeren Kern, der alsdann die volle Ueberein-
stimmung des Nackenberger Kersantits mit den Gesteinen des
gleich zu erwähnenden Vorkommnisses des Börneck’schen Gemeinde-
Waldes erkennen lässt, sowohl in Bezug auf Structur und minera-
logischen Bestand wie auch auf das Vorhandensein der selteneren
Mineralien.
Der südlichere Gang oder, da im Streichen einzelne Lücken
zu verzeichnen waren, vielleicht richtiger Gangzug, besitzt grössere
Ausdehnung, ist relativ günstiger erschlossen und liefert im grösseren
Theile weit frischeres Gestein. Sein Verlauf fällt auf eine grosse
Erstreckung mit der Höhenlinie des langgezogenen Rückens, welcher
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes. 47
das rechte Ufer des Klostergrundbachs bildet, des sogenannten Bör-
neck’schen Gemeinde-Waldes, zusammen. Der östlichste Punkt, an
dem sich Ganggestein findet, liegt in dem äussersten Vorstoss dieses
Berges nach Nord-Osten, gleich oberhalb des Gasthauses zur Wald-
mühle. Nur wenige Blöcke und kleinere Bruchstücke, in dem
gerade hier mit dicker Humusschicht und dichtem Unterholz be-
deckten Waldboden verstreut, deuten das Vorhandensem des Ganges
an. Dieser Punkt verdiente kaum hervorgehoben zu werden, wenn
er nicht das frischste Gestein des ganzen Zuges — frischer als es
Herrn Prof. LossEn zur Verfügung stand — geliefert und dadurch
die Veranlassung zu den nachfolgenden ergänzenden Mittheilungen
über das Ernptivgestein gegeben hätte. Die Spärlichkeit der Trüm-
mer und die Lage derselben am Fusse des Berges liess es anfangs
zweifelhaft erscheinen, ob man es mit dem Gange selbst oder nicht
vielmehr mit vom Bache des Klostergrundes hier niedergelegten
Bruchstücken der westlicheren Gangtheile zu thun habe; spätere
Untersuchungen haben jedoch erwiesen, dass Schotter zwar die
äusserste Spitze des Vorstosses überdeckt, aber doch nicht bis zu
der Höhe reicht, in welcher sich die frischen Bruchstücke fanden.
Die Form derselben weist zudem nicht auf Transport durch Wasser
hin, und ihre Frische ist gegenüber jenen immer mehr oder weniger
zersetzten Gesteinen eine relativ so grosse, dass sie eine selbstän-
dige Rolle spielen dürften. — Zwischen diesem Punkte und dem
nächst westlicheren Vorkommniss ist eine grössere Lücke zu ver-
zeichnen, in der Ganggestein nicht nachgewiesen werden konnte.
Erst am Hange und auf «der Höhe oberhalb des zweiten Teich-
dammes finden sich wieder zahlreiche Gangtrümmer. Sie lassen
sich von hier nach Südwesten, anfangs dem Kamme des Berges
folgend, weiterhin sich mehr und mehr nach dem Thale hin senkend,
mit nur unwesentlichen Lücken bis zur Einmündung des kleinen
Baches auf der linken Thalseite verfolgen, welcher die Grenze
und Wieghäuser Gemeimde-Wald bildet.
des Ganges auf der linken Seite des Kloster-
zwischen Zimmerber
u
Die Fortsetzung
grundes bilden einzelne durch zwei kleine Steinbrüche erschlossene
Vorkommnisse am Hange der Wieghäuser Gemeinde-Waldung.
Weiterhin ist Ganggestein nur noch an einem, höher hinauf lie-
AS Max Kocu. Die Kersantite des Unterharzes.
genden Punkte der Wieghäuser Gemeinde-Waldung durch LossEn
festgestellt worden. Den günstigsten Aufschluss liefern die er-
wähnten Brüche. Ausser ın diesen findet sich anstehendes Ge-
stem, ohne dass der Verband mit dem Nebengestein aufge-
deckt ist, nur noch an zwei Punkten auf der rechten Thal-
seite: in der vom Gierskopf nach Norden vorspringenden Nase
und weiter zurück nach Osten am Gatter, welches die Börneck-
sche Gemeinde-Waldung nach Westen hin abschliesst. Irgend
welche Anzeichen gangförmigen Verhaltens werden wie am Nacken-
berge so auch hier vermisst. Der normale Verband mit dem Se-
dimentgestein in den Brüchen und die Ueberemstimmung der Rich-
tung der Ganglinie mit dem örtlich zu beobachtenden Streichen
der Schiefer und der Einlagerungen machten es im Gegentheil
sehr wahrscheinlich, dass dem Kersantit von Michaelstein in Ueber-
einstimmung mit dem Gestein von Langenschwalbach in Nassau,
aber abweichend von dem Oberharzer und den übrigen bekannten
Vorkommnissen eine besondere Stellung sowohl geologisch wie
dem Alter nach einzuräumen sei. LossEn reihte ihn als Palaeo-
kersantit mit unterdevonischem Alter in die antegranitischen, lager-
artigen Eruptivgesteine des Harzes ein. Die geologischen Unter-
suchungen desselben im Sommer vorigen Jahres, welche eme unge-
ahnte Ausdehnung der schon früher !) durch ihn bekannt gewordenen
Kersantitvorkommnisse von Treseburg und Ludwigshütte an der Bode
nachwiesen, führten jedoch eine Aenderung dieser Auffassung her-
bei, indem sich für das gangförmige Verhalten dieser Gesteine nicht
zu bemängelnde Beweise auffinden liessen. Sie stützen sich auf
Beobachtung wiederholten spitzwinkligen Durchsetzens der Schiefer
und Entsendung einer Apophyse ins Nebengestein. Untergeord-
netere Kriterien, die sich auch für die Michaelsteiner Kersantite
geltend machen lassen, liegen in der Ausbildung von dichten Sal-
oO’
g
band- und mehr körnigen Gangmitte-Gesteinen, sowie in dem Fehlen
von Druckschieferung, welche ja bei den jüngeren vor der Faltung
des Gebirges in die Schiefer eingedrungenen Diabasen eine so
häufige Erscheinung ist. Bei der nahen Uebereinstimmung der
N eis Eh OLE A
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 49
Gesteine beider Gebiete sowohl in Bezug auf Structur und Bestand
wie auch auf das Vorhandensein der an seltenen Mineralien reichen
einschlussartigen Massen erscheint die Zugehörigkeit zu einer und
derselben Eruptionsepoche zweifellos feststehend, und der für das
eine erbrachte Beweis musste auch für das andere gültig werden.
Somit tritt der Michaelsteiner Kersantit aus der Ausnahmestellung,
die er bisher inne hatte, in die Kteihe der postgranitischen und
zwar postculmischen Ganggesteine des Harzes über, deren Eruptions-
=
epoche in die Zeit nach der Faltung und Aufrichtung des Grebirges
fällt und schliesst sich dadurch in seiner geologischen Stellung
den bis jetzt bekannten Kersantit-Vorkommnissen normal an.
2. Mineralogischer Bestand und Structur des Gesteins.
Um den petrographischen Charakter des Gesteins klarer her-
vortreten zu lassen, empfiehlt es sich, von den Gemengtheilen die-
jenigen, welche nicht sofort, sei es durch krystallographische
Begrenzung oder den Verband mit den übrigen Gemengtheilen,
dem Gestein als ursprüngliche Bildung zugehörig erkannt werden
können, zusammengefasst als begleitende Bestandmassen für
sich zu betrachten, ohne dass dadurch von vornherein ein Urtheil
über ihre Stellung abgegeben werden soll. Es gehören dazu:
Wallnuss- Grösse erreichende Feldspäthe, gleich grosse
Quarzmassen, Granat, Sillimanit, Disthen, Korund,
Staurolith, Spinell, Rutil und Apatit (in Körnerform),
einzeln im Gestein sich findend oder zu kugligen oder ellipsoi-
dischen Aggregaten vereimigt. Die Beschreibung dieser Bildun
oO
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en
wird derjenigen des Gesteins folgen.
So verschieden im äusseren Ansehen die Gresteine sind, so
hat man es doch nur, wie die mikroskopische Untersuchung ergab,
mit Gesteinen derselben mineralogischen Zusammensetzung und
auch nahe der gleichen Structur zu thun. Die Unterschiede- haben
ihren Grund allein in dem Grade der Frische des ganzen Gesteins
oder der einzelnen Gemengtheile, im der grösseren oder geringeren
Dichte der Grundmasse und in der Menge und Grösse der Ein-
sprenglinge. Dunkelgraue bis schwarze Farben kommen den
frischen, hell graue den zersetzten Gesteinen zu. Kostgelbe Töne,
Jahrbuch 1586. 4
50 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
wie bei dem Nackenberger Vorkommniss, sind bezeichnend für ein
weit vorgeschrittenes Stadium der Zersetzung. Die Verschieden-
heiten in der Dichte der Grundmasse und die Menge der Einspreng-
linge bedingen bald rein porphyrische, bald mehr körnige Ausbil-
dung. Hervorragend trägt zur Verschiedenheit im Aussehen der Er-
haltungszustand des Glimmers bei. In den Gesteinen der Vorkomm-
nisse dicht bei Michaelstein, der Kleinen und zum Theil auch noch
der Grossen Börneck’schen Gremeinde-W aldung, von frischer dunkel-
brauner Farbe und lebhaftem Glanz, zeigt er sich in den west-
licheren Gangtheilen und namentlich in den Aufschlüssen der
Brüche der Wieghäuser (remeinde-Waldung vollkommen zersetzt
und ausgebleicht. Die Blättchen erreichen hier ausserdem nicht
die Grösse wie in den Gesteinen der ersteren Fundpunkte, sondern
treten mehr in die Grundmasse zurück.
Der Erhaltungszustand des Gesteins gestattet nicht immer einen
Schluss auf denjenigen der einzelnen Gemenstheile. Die Fund-
stücke des Ganges am Nackenberg sind, wie erwähnt, mürbe
und von rostgelber Farbe, dennoch ist der Glimmer nach Farbe
und Glanz nahezu frisch. In den grauen, sehr festen und klin-
senden Gesteinen der Brüche dagegen sind bis auf Reste der
Grundmasse der Glimmer und die übrigen Gemengtheile der Um-
wandlung in dem Maasse anheimgefallen, dass in denselben nur
noch ein Aggregat von Pseudomorphosen und Zersetzungsproducten
vorliegt.
Das frischste Gestein der ganzen Reihe, das sich, wie oben
erwähnt wurde, nur in wenigen Blöcken und Bruchstücken in der
Spitze der Börneck’schen Gemeinde-Waldung bei Michaelstein
findet, zeigt dunkelgraue bis fast schwarze Farbe und besitzt in Folge
zahlreicher Ausscheidungen von dunkelbraunem Glimmer in einer
feinkörnigen bis dichten Grundmasse deutlich porphyrisches (fe-
füge. Weniger in die Augen fallend als der Glimmer und der
Menge nach gegen diesen zurücktretend nimmt auch Feldspath
als Einsprengling an der Zusammensetzung Theil. Wie ange-
schliffene Stücke besser erkennen lassen, ist er ziemlich gleichmässig
vertheilt und seine Schnitte deuten meist auf krystallographische
& hin. Erwähnt man noch das Auftreten von Quarz in
fe)
Umerenzun
vereinzelten, winzigen RKöruchen und den Reichthum mancher
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes. 51
Stücke mit besonders dichter Grundmasse an Pyrit, so wäre damit,
wenn man von den begleitenden Bestandmassen vorläufig absieht,
der makroskopisch erkennbare Bestand erschöpft. In überraschender
Weise wird dies dürftige Ergebniss durch die mikroskopische
Untersuchung ergänzt. Sie giebt vor Allem Aufschluss über die
Natur des augitischen Minerals, das sich, wie schon LossEn aus
der Form chloritreicher Pseudomorphosen in den von ihm unter-
suchten weniger frischen Gesteinen folgerte, in hervorragender
Weise an der Zusammensetzung betheiligt. Es ist abweichend von
der Form, in der es gewöhnlich in Glimmerdioriten auftritt, nicht
monokliner, sondern rhombischer Pyroxen, und zwar Enstatit.
Einen anderen Gemengtheil, der um so mehr Interesse verdient,
als er aus dioritischen (restemen bisher noch nicht bekannt ge-
worden ist, bildet der Cordierit. Allem Anschein nach dem Gestein
als ursprüngliche Bildung angehörend, soll sich seine nähere Be-
schreibung der der übrigen Gemengtheile anschliessen.
Die Grundmasse löst sich schon bei geringer Vergrösse-
rung in ein krystallines (remenge von zahlreichen Feldspathleistchen,
lang prismatischen Pyroxensäulchen und Glimmer auf, wobei letzterer
häufiger in Flasern und Läppchen, als in regelmässiger Begrenzung
erscheint. Die Leistchen, unter denen der Feldspath der Menge
nach, der Pyroxen durch seine Dimensionen hervortritt, liegen theils
regellos durcheinander, selten mit Annäherung an diabasisch-
körnige Structur, theils macht sich, wie besonders in den dichteren
Varietäten, eine parallele Anordnung derselben geltend. Nicht
selten geht diese dann in schöne fluidale Structur über, deren
Ströme grössere Einsprenglinge umfliessen und sich den Ausbuch-
tungen derselben anschmiegen. Als Erstarrungsrest erscheint zwi-
schen den Leistchen und Säulchen zweiter Generation eine farblose,
bei gewöhnlichem Licht anscheinend einheitliche Masse, welche an
sich frisch, doch vielfach durch verflösste Zersetzungsproducte ge-
trübt ıst. Erst beim Senken des unteren Nicols oder Anwendung
polarisirten Lichts treten Conturen hervor, die sich jedoch m Folge
gegenseitiger theilweiser Ueberdeckung und gegenseitiger Hem-
mung in der Krystallisation nicht immer auf regelmässige Formen
zurückführen lassen. Wo solche erscheinen, sind es kurz rectan-
4*
59 Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes.
guläre Schnitte oder Leistenformen, bald das eine, bald das andere
überwiegend. Die Masse erweist sich überall als doppelbrechend.
Trotz der Frische lässt sich eben wegen der Unvollkommenheit
in der Form und der geringen Unterschiede der Doppelbrechung
in dünnen Schliffen die Substanz nicht in jedem Theile entziftern.
So viel steht fest, dass sich überwiegend Feldspath an der Zu-
sammensetzung betheiligt. Neben Orthoklas, dem nach Auslöschung
die kurz rectangulären Formen angehören, nimmt auch Plagioklas
in der erwähnten schmalen Leistenform daran Theil. Dass La-
mellirung an denselben nur selten zu beobachten ist, erklärt sich
aus der Dünne der Leistchen und aus der Schnittlage. In den
wenigen Fällen, in denen sie in zwei Hälften zerfallen, spricht das
optische Verhalten für Oligoklas. Neben Feldspath fehlt weder
Glimmer noch Pyroxen. Ersterer erscheint in unregelmässigen,
stärker doppelbrechenden Häutchen, letzterer in fasrigen Krystal-
loiden. Quarz primärer Natur ist, wenn auch selten, zweifellos
vorhanden. Regelmässige Verwachsung von Quarz und Feldspath,
von LossEn in den weniger frischen Gesteinen der westlicheren
Gangtheile beobachtet, scheint diesem frischen Gestein dagegen
zu fehlen. — Ein secundäres Mineral, welches in solcher Häufig-
keit in der Grundmasse auftritt. dass es wesentlich mit zur Gre-
staltung des mikroskopischen Bildes beiträgt, mag schon hier
erwähnt werden. An den Rändern der Glimmerleistehen und
-Blättchen der Grundmasse, aber auch in der Glimmersubstanz
selbst und weithin zwischen die übrigen Gemengtheile verstreut
finden sich nämlich winzige, bei schwacher Vergrösserung opake
Körnchen oft in grosser Zahl gehäuft, welche den Schliff wie mit
einem feinen Staub überstreut erscheinen lassen und nicht unwe-
sentlich zur Trübung des oben geschilderten Bildes beitragen. Erst
bei mehrhundertfacher Vergrösserung nehmen die Körnchen sehr
zierliche hexagonale, oft nach einer Richtung verlängerte, oder tri-
gonale Formen mit ganz untergeordneter Abstumpfung der Ecken
an. Die Blättchen sind so dünn, dass Längsschnitte selbst bei
stärkster Vergrösserung nur als feine Linien erscheinen. Ein grosser
Theil der hexagonalen Schnitte wird mit hellbraunen Farben durch-
sichtig und viele geben bei geeigneter Lage mit abgeblendetem
Max Koch. Die Kersantite des Unterharzes. 53
Spiegel einen metallischen Reflex, Erscheinungen, die in Verbin-
dung mit der hexagonalen Umrandung für Titaneisenglimmer
sprechen. Zur Prüfung auf chemischem Were wurde eine
grössere Menge von Schlifttheilen, die sich frei von Glimmer und
Rutil zeigten, anhaltend mit kochender Salzsäure extrahirt, und
die Lösung nach der bekannten Scnönn schen Methode mit Wasser-
stoftsuperoxyd auf Titansäure geprüft. Eine deutliche, wenn auch
schwache gelbe Färbung der Lösung bestätigte die angegebene
Deutung der Blättchen als eines Titanminerals.
Zur Charakteristik der einzelnen Gremengtheile möge Folgendes
dienen:
Feldspath. Die Grösse der Feldspatheinsprenglinge über-
steigt selten 1—2 Millimeter und gestattet desshalb nicht die Her-
stellung von Spaltstückchen zur Bestimmung der Auslöschungs-
io}
schiefe. Neben scharfen Umrandungen, die auf Begrenzung durch
P,M,x und Prismenflächen hinweisen, meist etwas gestreckt nach
den ersten beiden Flächen, kommen vorwiegend Schnitte mit ge-
rundeten Ecken, aber immer noch auf die genannten Formen hin-
deutend, vor. Vollkommen gerundete Gestalten gehören zu den
Seltenheiten. In Bezug auf den Grad der Zersetzung macht sich in-
sofern ein Unterschied geltend. als die frischen oder nur randlich zer-
setzten Schnitte mit wenigen Ausnahmen feine Zwillimgslamellirung
besitzen, während diese stärker umgewandelten, nur frischen
Kern zeigenden Krystallen fehlt. Ob derartige Schnitte dem Or-
thoklas angehören, liess sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Die
lamellirten Feldspäthe ergaben in Schnitten senkrecht zur Zwil-
lingsebene, die sich ja leicht daran erkennen lassen, dass die Aus-
löschungen beiderseits dieser Ebene gleiche Werthe besitzen,
Auslöschungsschiefen bis zu 30°, ein Resultat, das auf einen dem
Labrador nahe stehenden Feldspath führt.
Die Feldspathsubstanz ist ziemlich rein. An Einschlüssen
beherbergt sie dann und wann Glimmerblättchen, selten Rutil
19%
{=}
in gelben, stark lichtbrechenden Körnern. Ob Grundmasse-
Partien in dem Feldspath als Einschlüsse aufzufassen sind,
oder nicht vielmehr günstig geschnittenen, mit Grundmasse erfüllten
Einbuchtungen angehören, lässt sich mit Sicherheit nicht entscheiden.
54 Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes.
Derartige corrodirte Krystalle mit tiefen, zungenartigen Eingriffen
der Grundmasse in die Feldspathsubstanz wurden mehrfach beob-
achtet. Die Feldspathleistchen der Grundmasse, welche im Durch-
schnitt eine Länge von 0,1 Millimeter, eine Breite von 0,02 Millimeter
besitzen, sind fast durchweg in ein lebhaft bunt polarisirendes
Muscovitaggregat umgewandelt. Nur in den Präparaten einer sehr
feinkörnigen Varietät fanden sich noch frische, nicht selten in zwei
Hälften zerfallende Schnitte vor. Die Auslöschungsschiefen sind
stets gering und berechtigen zur Annahme, dass der Feldspath der
Grundmasse dem Oligoklas angehört.
Glimmer. Der Glimmer tritt in dunkelbraunen, lebhaft
glänzenden und ebenflächigen, meist scharf hexagonal umrandeten
Blättchen auf, deren Grösse sich gewöhnlich zwischen 11/g—2 Milli-
meter bewegt, aber vereinzelt auch bis 1 Centimeter anwächst.
Die Dicke derselben ist oft nicht unbeträchtlich, ohne dass jedoch
eine Messung der Flächen möglich würde. Nach den Bestimmungen
Herrn LATTERMANN Ss!) und nach meinen Untersuchungen, welche
unabhängig von einander gemacht wurden, gehört er dem Anomit
im Sinne TSCHERMAR’s an?).
Mit dem Charakter des Glimmers als Anomit stimmt sehr
wohl eine oft nicht unbedeutende Sprödigkeit der Blättchen über-
ein. Primäre Biegungen und Stauchungen der Leistchen mit da-
durch bedingter undulöser Auslöschung, ferner Corrosionserschei-
nungen, und zwar oft derartig stark entwickelt, dass die Blättchen
streifenartig durchbrochen oder zerschlitzt erscheinen, gehören
nicht zu den Seltenheiten.
!) Unveröffentlichte Arbeit.
?) Eine aus der Arbeit Herrn Larserwmanw’s in die neue Ausgabe der Phy-
siographie von Rosexguscn aufgenommene Notiz S. 486 bedarf, wie mir Ersterer
mittheilte, insofern der Richtigstellung, als die Angabe, der Kersantit führe neben
Anomit auch Biotit, derartig aufzufassen sei, dass der Anomit dem Gestein
selbst, Biotit den au Granat und Sillimanit reichen einschlussartigen Aggre-
gaten zukomme. Nachträglich habe ich nun, geleitet von der Annahme, dass
die sehr häufig einzeln im Gestein auftretenden Mineralien jener Massen theilweise
von der Zerbröckelung dieser herrühren möchten, und wenn dies richtig sich
auch der Glimmer derselben finden könne, auch das vereinzelte Vorhandensein
von Biotitblättchen beobachtet.
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes. 55
Die Substanz des Glimmers, insoweit er den Einsprenglingen
zuzuzählen ist, zeigt sich meist vollkommen frisch. Er besitzt
alsdann scharfe Umrandungen und vollkommen gleichmässige und
klare Färbung. Nur vereinzelt machen sich auch in dem frischen
Gestein schon Anfänge der neben einander laufenden Umbildungs-
processe, lamellare Ausbleichung unter gleichzeitiger Neubildung
von spiessigen Mikrolithen oder Chloritisirung mit Erzausschei-
dung und Auftauchen schmaler blutrother Eisenglimmerlamellen
bemerkbar, wie sie ausgezeichnet m allen Stadien m den we-
niger frischen Gesteinen beobachtet werden können )).
Die Bemühungen, die Mikrolith- Neubildungen, welche nach
Form, Aggregation und Vertheilung in den Blättchen ganz in der
Weise erscheinen, wie dies KALKOWSKY von den Biotiten der
Glimmmerschiefer von Zschopau ?) so anschaulich beschreibt, schei-
senügende Mengen derselben frei von
terten an der Schwierigkeit, &
Glimmersubstanz oder dem farblosen Mineral, in das der Glimmer
bei Ausbleichung übergeht, zu isoliren. Nach der Behandlung mit
Flusssäure finden sich im Rückstand zwar zahlreiche scharflinie
Rutilnädelchen, die ım Schliff nur selten zu bemerken sind. doch
kommen daneben immer noch in reicher Zahl die unscharfen, fasri-
ven, wie inkrustirt erscheinenden Mikrolithe vor und bleiben auch
bei fortgesetzter Behandlung mit Flusssäure in dieser Form. Eine
Identität beider scheint daher ausgeschlossen zu sein. Nicht immer
besitzt der Glimmer so regelmässige Umrandung und so gleich-
mässig ebene und glatte Spaltflächen wie gewöhnlich in dem frischen
Gestein von der Spitze der Börneck’schen Gememde-Waldune.
Höher hinauf wurden sehr elimmerreiche Stücke gesammelt, in
denen er mehr den Eindruck unregelmässiger und, da sich auf der
Spaltfläche leicht Theilchen ablösen und aufbiegen, aus einzelnen
Schuppen locker aufgebauter Flasern macht. Dem entsprechend ist
auch das Bild im Schliff; nur dass die Schüppchen regelmässige,
gsschnitten also leisten-
in den Querschnitten hexagonale, in den Län
förmige Gestalt annehmen. Die einzelnen Schüppchen sind alle
I) Siehe Lossex a. a. O. S. 24.
2) Zeitschr., d. Deutsch. geol. Ges. 1876, 5, 701,
56 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
gleich orientirt und bilden zusammen im Allgemeinen wiederum
ein Hexagon mit zahlreichen einspringenden Winkeln. Die Con-
turen der Individuen treten nur dadurch hervor, dass eime Aus-
bleichung der centralen Theile und eine Anreicherung der färbenden
Substanz nach den Rändern hin stattgefunden hat, auch hier unter
gleichzeitigem Erscheinen der erwähnten spiessigen Mikrolithe.
Bei vollendeter Bleichung tritt wohl auch eine dunkelgrüne, weiche
Masse isolirend zwischen die einzelnen Schüppchen und grössere
Blättchen erscheinen dann wie von einem feinen Adersystem durch-
zogen. Sehr schön zeigen diesen Aufbau grösserer Glimmertafeln
aus parallel geordneten kleineren Krystallen auch die Gesteine des
Gan:
te}
An Einschlüssen führt der Glinimer Apatit, Erze, selten Zirkon
es am Nackenberse.
und Rutil.e. Die Glimmerblättchen besitzen die Tendenz, sich den
vor oder gleichzeitig mit ihnen gebildeten Gemengtheilen anzu-
schmiegen. So findet man Erzausscheidungen, Cordierit, Pyroxen,
vor Allem aber Granat, Rutil und häufig auch die einschlussartigen
Aggregate seltener Mineralien mehr oder weniger vollständig von
dem Glimmer eingehüllt. In Stück, aber auch im Schliff, wenn
nur die Hülle angeschnitten ist, entsteht dadurch der Eindruck,
als ob man es mit selbständigen Glimmeranhäufungen zu thun
habe. In den zersetzteren Gresteinen treten die Conturen völlig
der Umwandlung anheim gefallener Gemengtheile in Folge der
Glimmerhüllen häufig noch recht gut hervor. Lossen deutet das
Zusammentreten von Glimmer und Erz als Verwachsung ). Un-
gezwungener lässt sich die Erscheinung sowohl bei den Erzaus-
scheidungen wie bei den übrigen Gemengtheilen wohl als Adhäsion
auffassen.
Das Pyroxenmineral gehört den rhombischen Pyroxenen
init positivem Charakter der Doppelbrechung an. Bei dem Mangel
einer Analyse lässt sich nicht mit voller Sicherheit entscheiden, ob
Enstatit oder Bronzit vorliegt. Die geringe Intensität der Farbe,
farblos bis schwach gelb oder grün, und die geringe Stärke der
Doppelbrechung sprechen für ersteren. Dass Eisen nicht fehlt,
giebt sich durch eine mehr oder minder lebhafte Bräunung beim
22 008289:
je 3
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 57
Grlühen des Schliffes zu erkennen. Er bildet stets lang prismatische,
quer gegliederte Kryställchen von quadratischem oder octogonalem
(Querschnitt und grader oder domatischer Endigung. Die Conturen,
häufig unscharf durch beginnende eigene Zersetzung oder Einhül-
lung mit Umwandlungsproducten anderer Gemengtheile, treten
schärfer hervor, sobald man den Schliff mit Salzsänre ätzt und mit
einer scharfen Bürste die welatinösen Massen entfernt. Im ihrer
ursprünglichen Länge erhaltene Krystalle sind grosse Seltenheiten;
gewöhnlich erscheinen sie nach der Querabsonderung zerbrochen,
wohl auch an den Enden zerschlitzt oder ausgefasert. Eine Nei-
gung zu anscheinend gesetzmässiger Verwachsung, knieförmige
Gebilde oder sternförmige Grüppirung mit drei oder sechs Strahlen
hervorrufend, ist unverkennbar (Taf. II, Fig. 1).
Der Enstatit ist weniger widerstandsfähig als der Glinmer,
fällt daher früher als dieser der Umwandlung anheim. Die Zer-
setzung besinnt von den Zerklüftungslinien aus. indem hier ein
feinfasriges grünes, nit Salzsäure gelatinirendes Mineral erscheint,
das allmählig von dem ganzen Kıystall Besitz nimmt. Nach äusse-
rem Ansehen, Farbe, Pleochroismus und Doppelbrechung ist es
nicht von dem chloritischen Zersetzungsproduet der Glimmer zu
unterscheiden. Der Nachweis, ob auch hier, wie für die Kersantite
der Bodevorkommnisse festgestellt werden konnte, Umwandlung
in Bastit vorliegt, wollte wegen der meist ungleichen Orien-
tirung der Fasern nicht gelingen. Neben diesem Product erscheinen,
oft gehäuft an den Querrissen, dunkle Körnchen und spitz pyrami-
dale Kryställchen als Neubildungen, die theils einem Erz, wahr-
scheinlich Magneteisen, theils einem bei starker Vergrösserung mit
gelber Farbe durchsichtig werdenden, stark Licht brechenden
Mineral angehören. Hat man sich die Formen, in denen der En-
statit auftritt, an dem frischen Mineral eimgeprägt, so ist es, wenn
auch nicht in jedem, so doch im den meisten Fällen leicht, ıhn
auch in den Pseudomorphosen wiederzuerkennen und letztere von
denen der Glimmer zu unterscheiden. Die Quergliederung, welche
fast stets erhalten bleibt, trägt dazu wesentlich bei.
Obgleich der Enstatit dann und wann Dimensionen annimmt,
welche denen der Einsprenglinge nicht nachstehen, gehört er doch
überwiegend der Grundmasse an. Eigenthümliche Pseudomorphosen
58 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
scheinen darauf hinzuweisen, dass ein Bisilikat ursprünglich auch
unter den ältesten Ausscheidungen nicht gefehlt hat. Es sind dies
aus Kalkspath, Chlorit und Quarz bestehende Massen mit meist
verschwommenen unregelmässigen Grenzen, die nur vereinzelt an
breit prismatische oder langgezogen-hexagonale Formen erinnern.
Von der ursprünglichen Substanz ist nichts mehr erhalten, dagegen
besitzen centrale Partien eine Structur, die wohl dem Muttermineral
eigenthümlich war: deutliche Querabsonderung und Längsrisse.
Die Pseudomorphosen erreichen Grössen bis 1/, Centimeter. Bei
der Frische der übrigen Ausscheidungen, des Feldspaths und des
Glimmers, kann es kaum zweifelhaft sein, dass ein völlig umge-
wandeltes Bisilikat vorliegt.
Quarz. (Juarz findet sich im Grestein spärlich in bis 3 Milli-
ineter grossen runden oder ovalen, bisweilen stark corrodirten
Körnern. Weder im der Form noch in der Substanz Ungewöhn-
liches darbietend, kommt ihm doch in Folge eigenthümlicher, oft
die Grösse des Kerns überschreitender Umrandungen em gewisses
gegenüber der Grundmasse
Interesse zu. Die Hüllen verhalten sich &
als ältere Ausscheidungen, werden also wie diese von den Leist-
chen umzogen, heben sich aber durch etwas dunklere Farbe und
abweichende Structur von jener ab. Die Grenzen sind sowohl nach
dem Quarz wie nach dem Gestein hin ziemlich scharfe. Bei schwa-
cher Vergrösserung erschemen sie als fasrig-filzige Masse, in der
sich nur vereinzelt braune, stark pleochroitische Flasern von
Glimmer abheben. Erst starke Vergrösserung lässt zahlreiche, theils
verworren durcheinander liegende, theils zu Büscheln gruppirte
Säulchen erkennen, von äusserst schwacher grünlicher Färbung
und fasriger Textur. Nach Auslöschung, Stärke der Licht- und
Doppelbrechung und dem Verhalten gegen Säuren bestehen sie
aus einem chloritischen Mineral. Daneben treten Glimmerflasern,
Feldspath und in einzelnen Umrandungen auch Quarz auf. Ob
die Breite derselben in Beziehung zur Korngrösse des Quarzes
steht, lässt sich im Schliff nicht mit Sicherheit beurtheilen, da man
keinen Anhalt darüber besitzt, wie der Schnitt das Korn zetroften
hat. Sehr häufig ist nur die Hülle angeschnitten, in anderen Fällen
besitzt ein winziges Korn einen auffallend breiten Saum und um-
gekehrt.
Max Koch. Die Kersantite des Unterharzes. 59
Erscheint das Auftreten von (Juarz in einem so basischen
Gestein wie der Kersantit an und für sich schon auffällig, so tra-
gen die Umrandungen noch mehr dazu bei, den Eindruck der
Fremdartigkeit zu verstärken. Bei der Annahme ursprünglicher
Ausscheidung aus dem Magma des Gesteins sucht man vergeblich
nach einer Ursache der Erschemung. Eine Erklärung, wie sie
WirLıams !) für die Umrandungen der Quarze in den Quarzpor-
phyren von Triberg giebt, indem er annimmt, dass der Quarz in
dem durch Ausscheidungen immer acıder werdenden Magına weiter-
gewachsen sei und die Mineralien der Hülle bei der Krystallisation
eingeschlossen habe, ist bei unserem basischen (Gestein nicht zu-
lässig. Ob dagegen — unter Anerkennung der Einschlussnatur
des Quarzes — an eine ähnliche Entstehung, wie die der augit-
reichen Umsäumungen der Quarzeinschlüsse m den Basalten ge-
dacht werden darf, ist bei dem Mangel au begleitenden Erschei-
nungen, welche dort den Beweis lieferten, wie Zerberstung
des Quarzes, Eindringen von Schmelzmasse auf Sprüngen oder
Vorhandensein von amorphen Resten der letzteren, schwer zu ent-
scheiden. Näher liegt es wohl, sie als vorzeitige Krystallisationen
in Folge vom Quarz ausgehender, abkühlender Wirkung auf-
zufassen.
Cordierit. Neben den bisher besprochenen Gemengtheilen
finden sich, oft in einem Reichthum, der die Rolle einer accesso-
rischen Betheiligung bei Weitem übersteigt, regelmässig hexagonale
oder rectanguläre Schnitte eines farblosen Minerals, das sich keinem
der bisher aus Kersantiten bekannt gewordenen anschliessen lässt.
Stärke der Licht- und Doppelbrechung ist die des Quarzes, Cha-
vakter der letzteren negativ. Pleochroismus ist nicht bemerkbar.
Umrandung, Austritt einer spitzen Bisectrix in den hexagonalen
Schnitten, stets parallel den Kanten der Rectangel hiegende Aus-
löschung, und Lage der c-Axe parallel den kurzen Seiten (dieser
lassen auf em rhombisches, kurz prismatisch ausgebildetes Mineral
schliessen. Wegen der Winzigkeit der Kryställchen — sie errei-
chen in den grössten Exemplaren kaum 1, Millimeter — und der
gleich zu erwähnenden Zwillingsbildung. erhält man das Axenbild
!) Neues Jahrbuch f. Miner. etc., Il. B.-B., S. 607, 1883.
60 Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes.
nur in seltenen Fällen deutlich. Die in gewöhnlichem Licht anschei-
nend einheitlichen hexagonalen Schnitte zerfallen nämlich bei An-
wendung polarisirten Lichts in mehr oder weniger zahlreiche, sich
im Centrum veremigende Felder, deren Grenzen bald geradlinig.
bald mehr webogen oder auch zackig verlaufen. Viele darunter
besitzen eine so complicirte oder so häufig wiederholte Theilmg,
dass der Eindruck eimes regellosen oder auch sphärolithischen
Agpregates hervorgerufen wird. Das Studium der weniger com-
plicirten Schnitte lässt jedoch bald erkennen, dass der Anordnung
der Felder Gesetzmässigkeit zu Grunde liegt, indem die Gesammt-
theilung fast immer auf drei, sechs, seltener zwölf Felder von be-
stimmter Lage zurückgeführt werden kann, deren Auslöschungsrich-
tungen Winkel von 60° oder 30° mit einander bilden. Bei Zer-
fall in sechs Felder löschen gewöhnlich je zwei gegenüberliegende,
in den durch zwölf Felder gebildeten Schnitten dagegen je vier
in Kreuzform liegende zu gleicher Zeit aus. Es sind demnach
einfache oder Durchkreuzungsdrillinge derselben Form, wie sie
so gewöhnlich an den rhombischen Carbonaten beobachtet werden
und wie sie ferner am Cordierit in vulkanischen Auswürflingen
durch Hussak !) und v. LAsAauLx?), in Lipariten durch AcuIARDI®)
bekannt geworden sind. Während jedoch in diesen Gresteinen
die Drillinge vorherrschend durch Brachypinacoide begrenzt werden
und die Zwillimngsverwachsung meist nach dem gewöhnlichen
Gesetze des rhombischen Systems: Zwillingsebene eine Fläche
von @P, stattfindet, weist hier die Lage der Schwingungsrich-
tungen zur Umrandung fast stets auf Begrenzung durch das
Prisma &P und &P3 als Zwillingsebene hin. Taf. Il Fig. 3
zeigt das Schema, nach dem sie gebildet sind, Fig. 4, 5. 6 geben
einige der am häufigsten vorkommenden Formen wieder. Sehr
gewöhnlich sind Emschaltungen von Lamellen mit der Orientirung
der benachbarten Individuen. Ein einfacher Drilling nach ® P, durch
!) Sitzungsberichte der k. Akad. d. W. B. 87. 1883. I. Abth. April-Heft.
2) Zeitschrift f. Kryst. u. Miner. v. Grorm, 1883, VII, 76—80.
3) Della trachite e del porfido quarziferi di Donoratico presso Castagnetto.
185).
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 61
Anemanderlegung von drei durch ®P begrenzte Individuen ent-
standen, ist in Taf. III, Fig. 1 (Schema: Taf. I, Fig. 2) abgebildet.
Durchkreuzungsdrillinge mit Zwölffeldertheilung sind Seltenheiten.
(Schema: Taf. II, Fig. 7.) Der Auslöschungswinkel zwischen den
benachbarten Individuen beträgt 30°; je 4 Felder sind gleich
orientirt und gehören einem Individuum an. „Jedes derselben ist
mit den benachbarten einmal nach o P, das andere Mal nach &P3
verzwillingt. Die Verwachsungsebene fällt hier mit der Zwillings-
ebene zusammen, während sie in den in Fig. 4, 5, 6 abgebildeten
Fällen nahezu mit dem Brachypinacoid identisch ist. Taf. III,
Fig. 2 stellt einen derartigen, in dieser Vollkommenheit der Aus-
bildung allerdings nur einmal beobachteten Drilling dar.
Einfache Krystalle oder Zwillinge schemen gänzlich zu fehlen.
dagegen kommen vereinzelt Formen mit zwölfseitiger Umrandung
vor, jedoch von so complicirter Feldertheilung, dass eine Deutung
derselben nicht gelang.
Eine auf der Zwillingsverwachsung beruhende Erscheinung,
auf welche schon Hussak !) am Gordierit der Auswürflinge des
Asama Yama aufmerksam machte, tritt auch hier recht deutlich
hervor. Längsschnitte, gleichmässig dunkel, sobald die Schwin-
gungsrichtungen des Krystalls mit den Nicolhauptschnitten zusam-
menfallen, zeigen nämlich bei Drehung aus dieser Lage eine parallel
der kurzen Seite der Schnitte verlaufenden Wechsel von verschieden-
farbigen Streifen. Sie liefern den Beweis, dass die Verwachsungs-
ebene der Individuen der Zone @P%:%#P& angehört. Seltener
macht sich eine, in Taf. III, Fig. 3, abgebildete diagonale Zeichnung
bemerkbar, welche an die Sanduhr-artigen, durch isomorphe Schich-
tung hervorgerufenen Wachsthumsformen der Augite erinnert.
Hier hat die Erscheinung wohl nur in Spannungsverhältnissen ihren
Grund. Hussak,?) hat eine ähnliche Beobachtung an dem Cordierit
der eben erwähnten Auswürflinge gemacht, konnte jedoch die Ver-
') Hussax, Ueber den Cordierit in vulkanischen Auswürflingen. LXXXII, Bd.
der Sitzungsberichte der königl. Akademie der Wissenschaften, 1. Abth. April-
Heft, 1833. 8. S.
2) Hussax, a. a. Ort. 8. 17;
62 Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes.
schiedenheit der Polarisationsfarben in den durch die Diagonalen be-
grenzten Abschnitten auf den Reichthum an Flüssigkeitseinschlüssen
in zwei gegemüberliegenden und gänzliches Fehlen derselben in
den beiden anderen zurückführen. Erwähnenswerth in Bezug auf
den Bau der Krystalle ist noch eine im den hexagonalen Schnitten
hervortretende feine zonale Liniirung, welche die Umrandung sehr
scharf wiedergiebt. Unter den Einschlüssen des Cordierits muss
ein Mineral besonderes Interesse beanspruchen, da es wohl m
häufiger Association mit ihm im krystallinen Schiefergebirge au-
getroften wird, aber bisher in den Cordieriten der Eruptivgesteine —
abgesehen von den eme zweifelhafte Stellung einnehmenden Aus-
würflingen des Laacher See-Gebiets — nicht bekannt geworden ist.
Dieses Mineral ist der Spinell, hier m winzigen dunkelgrünen Oc-
taedern als emfacher Krystall, seltener als Zwilling erscheinend.
Er bildet gewöhnlich einzeln oder zu mehreren den Kern, um
den sich die Cordieritsubstanz angesetzt hat. Neben dem Spinell
kommen, so häufig, dass sie fast m keinem Schnitt vermisst
werden, schmale quergegliederte Säulchen eimes schwach gelb-
lichgrünen Minerals vor, welches nach äusserem Erscheinen und
optischem Verhalten mit dem pyroxenischen Gemengtheil des
(zesteins identisch zu sein scheint. Andere farblose Mikrolithe
in Stabform und farblose Körnchen mit geringem Brechungs-
exponenten liessen sich nicht bestimmen. Um auch auf chemi-
schem Wege den Nachweis, dass Cordierit vorliegt, zu liefern,
wurde, da die Abscheidung mittels Kaliumquecksilberjodid-Lösung
nicht gelang, ein grösseres Körnchen aus dem Schliff aus-
geschnitten und auf einem mit Canadabalsam überzogenen Ob-
jectgläschen mit Kieselflusssäure behandelt. Das Resultat war
vollkommen befriedigend. Es zeigten sich die bekannten stark
doppelbrechenden Kryställchen von der Form ®P2, R, die hier
nur der Kieselfluorverbindung des Magnesiums angehören konnten,
da längeres Glühen eines Schliffes keine auf Eisengehalt hindeu-
tende Färbung hervorrief. Beim Glühen trat jedoch eime andere
Srscheinung hervor, die geeignet ist, die Cordieritnatur des Mine-
vals zu bestätigen: die an und für sich nicht pleochroitischen
Längsschnitte nahmen, wenn auch schwachen, so doch bemerkbaren
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 63
Pleochroismus an. Farblos mit emem Stich in Gelb, sobald die
kurze Seite des Rechtecks, also die Vertikalachse des Krystalls
parallel dem Nicolhauptschnitt, dagegen farblos mit einem Stich in
Blau, wenn sie senkrecht dazu steht.
Der Cordierit ist frisch nur in den Gangtheilen der Kleinen
Börneek’schen Gemeinde-Waldung vorhanden. In den westlichen
Vorkommmnissen fehlte er nicht, entzieht sich jedoch durch völlige
Umwandlung leicht der Beobachtung. Die Zersetzung beginnt
damit, dass an den Rändern oder unregelmässig an verschiedenen
Stellen schmale, lebhaft doppelbrechende Flitterchen auftauchen.
Immer mehr überhand nehmend, verwandeln sie zuletzt den Cor-
dierit in ein fasrig-schuppiges Aggregat, das sich wenig von
dem muscovitreichen Zersetzungsproduct der Feldspathleistchen
unterscheidet. Nur der allmählige Uebergang, der Eindruck der
(irössenverhältnisse der Formen, den man aus den frischen Gre-
steinen herübernimmt und die Eimschlüsse, die jedoch nicht immer
erhalten sind, lehren, dass hier ursprünglich ein anderes Mimeral
als Feldspath vorgelegen hat. Nicht immer ist das Aggrewat ein
so feinfasriges und regelloses. In einigen Präparaten von Gesteinen
der Oberen Börneck’schen Gemeinde-Waldung tritt deutlich eine
Anordnung der Flasern nach dem Zwillingsbau in den hexagonalen
Schnitten, nach dem Sanduhr-förmigen Schalenbau in den Rectan-
geln hervor. In den Gesteinen der westlichsten Gangtheile auf
der rechten Seite des Klostergrundes und in denen der Brüche
tritt ein chloritisches Mineral an die Stelle des eben beschriebenen
Zevsetzungsproductes. ‚Je vorgeschrittener die Zersetzung des (re-
sammtgesteins im Allgememen ist, um so seltener werden die
Pseudomorphosen erster Art und um so häufiger erscheint Um-
bildung in Chlorit. Das Zusammenvorkommen beider Producte in
demselben Krystallschnitt liefert den Beweis, dass wenn auch nicht
alle, so doch ein Theil der von LossEn eingehend beschriebenen !)
Chloritpseudomorphosen seine Entstehung dem ursprünglichen Vor-
handensein von Cordierit verdankt. In den Gesteinen der Brüche
ist der Glimmer übrigens meist nicht in Chlorit zersetzt, sondern
I) a. 2.0. S. 30,
64 Max Kocu, Die Kersantite des Unterharzes.
unter vollständiger Ausbleichung und Neubildung der erwähnten
Mikrolithe in ein farbloses Mineral umgewandelt und kommt dess-
halb bei Deutung der grünen Chloritpseudomorphosen weniger in
Betracht als das grüne chloritische Zersetzungsproduct des Py-
roxens. Zwischen diesem und den Cordieritpseudomorphosen lässt
die Form in vielen Fällen eine Unterscheidung zu.
Die stets regelmässige krystallographische Begrenzung des
Cordierits und seine gleichmässige Verbreitung beweisen, dass
er sich aus dem Magma des Gesteins ausgeschieden hat. Ob
dagegen seine Substanz dem Schmelzfluss ursprünglich angehört
hat, oder erst durch Auflösung oder Umschmelzung fremder
Massen eingetreten ist, lässt sich nicht entscheiden. Bei dem
Reichthum des Kersantits an seltenen Mineralien ist man von
vornherein geneigt auch den Cordierit mit dieser auffälligen
Erscheinung in Beziehung zu setzen. Ein sichtbarer Zusammen-
hang besteht jedoch jedenfalls nicht. Er wurde niemals als
(remengtheil der einschlussartigen Bestandmassen beobachtet,
während sich die anderen selteneren Mineralien, wie der Granat,
Sillimanit u. s. w. proportional zu der Häufigkeit, in der sie einzeln
im (festein auftreten, auch an der Zusammensetzung jener be-
theiligen.
Als accessorische Gemengtheile treten Apatit und Erze auf.
Der Apatit in der Form, wie er gewöhnlich in Eruptiv-
gesteinen vorkommt, findet sich nicht in der Häufigkeit, wie
sonst in Kersantiten. Nur in einer sehr glimmerreichen, pyroxen-
armen Varietät, die sich in vereinzelten Stücken unter den
Gangtrümmern der Oberen Börneck’schen G.-W. vorfindet, ist
er in grösserer Menge vorhanden. Doch auch in dem Gestein
normaler Ausbildung erscheint er recht häufig, nur ist die Form,
in der er auftritt, eine abweichende. Das an so vielen Eigen-
thümlichkeiten reiche Gestein brachte auch nach dieser Richtung,
hin eine Ueberraschung, indem die nähere Untersuchung des ge-
sammelten Materials das Vorhandensein von Apatit in Körner-
und Bruchstücksform in Grössen bis zu 4 Centimeter nachwies.
Da er in Association mit Mineralien der accessorischen Bestand-
nassen auftritt und sich selbst häufig an deren Zusammensetzung
betheiligt, soll er mit diesen besprochen weıden.
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 65
Die primären Erzausscheidungen des Gestems gehören theils
dem Pyrit, theils dem Titaneisenerz an. Ihre Vertheilung und Zer-
setzungserscheinungen in dem frischen Gestein stimmen mit den
von LossEn darüber gemachten Mittheilungen vollständig überein.
‚Je zersetzter die Gesteine im Allgememen sind, — bis zu
einem gewissen Stadium, in dem die Auslaugung beginnt —
um so grösser ist der Gehalt an secundärem Kalkspath,
Quarz und Pyrit. Alle drei Mineralien treten einzeln oder
combimirt, theils in Klüften und Trümchen auf, theils finden sie sich
zu grösseren Massen angehäuft als Infiltration secundärer Hohl-
räume, seltener als Erfüllung von Blasenräumen des Gesteins.
Echte Mandelsteine mit glatter Wandung der Blasenräume treten
nur an einem Punkte der Gr. Börneck’schen G.-W. auf. Die
Mandeln sind gewöhnlich stark in die Länge gezogen, ein Ver-
halten das in Verbindung mit der häufig parallelen Anordnung
der Glimmerblättchen eme gewisse Parallelstructur mancher Ge-
steine bedingt. Als Ausfüllungsmasse herrscht zwar Kalkspath,
doch ist er immer von einer dünnen Lage krystallisirten @Quarzes
umgeben, der beim Auflösen der Mandeln als Rinde zurück-
bleibt.
Die Betheiligung des Kalkspaths an der Zusammensetzung
der grösseren Secretionen beschränkt sich gewöhnlich darauf, dass
er nach dem Centrum hin die Erfüllung abschliesst; seltener tritt
er in wechselnden Lagen mit Quarz in denselben auf und nur
ganz vereinzelt bildet er allein die Erfüllungsmasse. Sowohl in
den echten Mandeln wie in den grösseren Secretionen erscheint
er als einheitliches Korn oder wenigstens in grobspäthigen Massen.
In einer feinkörnigen bis dichten Varietät setzt er mit dunkel-
grünem Chlorit eine andere Gruppe von secundären Bildungen
zusammen. Es sind dies, je nachdem Chlorit oder Kalkspath
überwiegt, weiss oder grün getupfte oder gebänderte Massen, die
das Gestein schlierenartig durchsetzen oder in demselben mehr
gerundete, unregelmässige Partieen von oft bedeutender Grösse
bilden. Quarz, ebenfalls sehr feinkörnig, fehlt meist auch hier
nicht, ja kann sogar bis zur völligen Verdrängung des Kalkspaths
überhand nehmen.
Jahrbuch 1886,
or
66 Max Kocı. Die Kersantite des Unterharzes.
Ueberaus reich an secundären Quarzmassen, die zum Theil
durch ihre schönen blauen Farben auffallen, sind die Gesteine der
Brüche. Gewöhnlich nur Wallnussgrösse erreichend, kommen
vereinzelt auch solche bis Faustgrösse vor. Kleinere sind sehr
hänfig und stehen nicht selten dureh Quarztrümehen in Verbin-
dung. Nach Form und Structur erinnern sie an die bekannten
Achatmandeln von Obersten, indem ein grosser Theil wie diese
radialfasrige Textur und lagenweisen Bau besitzt. Entweder ist
der ganze Ilohlraum mit stengeligem oder körnigem Quarz von
milchweisser bis himmelblauer Farbe erfüllt oder die äusseren
Theile bestehen aus Chaleedon in feinen wechselnden Lagen von
verschieden weissen oder durchscheinend grauen Tönen, und
das Centrum wird von radialfaserigem bis stengeligem Quarz ge-
bildet. Ist die Mandel hohl oder hat sich Kalkspath darin ange-
siedelt, so ist der Quarz auskrystallisirt. Die kleineren Mandeln
bestehen meist nur aus Chalcedon, werden aber gewöhnlich von
eimem grünen Chloritbande umsäumt. Seltener als Chlorit be-
theiligt sich secundärer Pyrit an dem Bau, indem er entweder
im Centrum in grösseren Würfeln auftritt oder die Quarzmassen
in emer sehr gleichmässig breiten Zone umrandet.
Die Bildung dieser secretionären Quarzmassen lässt sich mit
ITülte des Mikroskops zurück bis zu den ersten Anfängen beob-
achten. Den Ausgangspunkt bilden die Pseudomorphosen oder
unregelmässigen Anhäufungen von Chlorit, indem sich an den
Rändern oder mitten im dem Chlorit winzige kuglige Gebilde
von Quarz oder Chalcedon eimstellen, welche, allmählich an Um-
fang zunehmend, den Chlorit nach und nach verdrängen. Gleich-
zeitig mit dem Quarz erscheinen an den Rändern zierliche Kry-
ställchen von Apatit als Neubildung (Taf. II, Fig. 11), darunter
interessante Wachsthumsformen von Teleskop-artigem Bau. Er
ist übrigens nicht auf die mikroskopischen Mandelbildungen be-
schränkt, sondern findet sich auch in den Chloritumrandungen der
erösseren Secretionen.
Ueberblickt man die Resultate der Untersuchung des frischen
Gesteins und fasst zusammen. was für dasselbe charakteristisch
erscheint, so ergiebt sich Folgendes: In einer feinkörnigen, holo-
Max Kocrn. Die Kersantite des Unterharzes. 67
krystallinen Grundmasse von Oligoklas, Orthoklas, Enstatit und
Glimmer liegen, porphyrische Structur bedingend, Einsprenglin
gıunge
von Glimmer, Anomit und Labrador. Quarz ist vorhanden, nimmt
aber in Folge seiner Umrandungen eine unsichere Stellung ein.
Accessorisch treten auf: Erze, untergeordnet Apatit und vor Allem
Cordierit. Hornblende wurde nicht beobachtet. Das Gestein
oehört demnach zu den augitreichen Glimmer-Dioritporphyriten.
Lossen präeisirt die Stellung der Gesteine, indem er sie »der
Minette angenäherte Kersantite« oder »Plagioklas- Orthoklas-Ker-
santite« nennt, eine Bezeichnung, die auch nach der Untersuchun
2% 6} 2
oO
des frischen Vorkommnisses gültig bleibt. Trotz der grossen Ver-
schiedenheit der Gesteine im äusseren Ansehen, kommen eigent-
liche Varietäten nicht vor, wenn man von der sanz lokal auf-
Gy:
g
tretenden Ausbildung als Mandelstenm und den etwas weniger
feinkörnigen, sehr glimmerreichen, aber enstatitarmen (Gesteinen
absieht, die sich ganz vereinzelt zwischen den Gangtrümmern der
Gr. Börneck’schen G.-W. finden und wohl als abweichend struirte,
ältere Ausscheidungen aufzufassen sind.
Von dem frischen Gestein wurde durch Herrn F. STEFFEN
im Laboratorium der Königl. Bergakademie zu Berlin eine Ana-
Iyse angefertigt (No. 1 auf folgender Seite). Zu derselben war
möglichst frisches und von Granat und den anderen seltenen
Mineralien freies Material ausgewählt worden. No. 2 auf folgender
Seite ist die Analyse eines weniger frischen Gestems von der
Börneck’schen G.-W., welche schon in der Arbeit LosseEn’s ver-
öffentlicht wurde und zum Vergleich hier nochmals mitgetheilt wird.
Die Resultate beider Analysen stimmen nahe überein. Die
grössere Frische des Gesteins No. 1 giebt sich durch einen we-
ringeren Kohlensäuregehalt kund. Bei der verhältnissimässig grossen
Frische desselben kann der hohe Wassergehalt nur zum Theil
auf Zersetzungsproducte zurückgeführt ‚werden: der Reichthum an
(Glimmer steuert zu demselben wohl nicht unwesentlich bei. Die
hohe Menge an Kali gegenüber dem geringen Natrongehalt würde,
nur auf Orthoklas bezogen, dem mikroskopischen Befunde nicht
entsprechen, sie wird jedoch verständlich, wenn man berücksichtigt,
dass der reiche Gehalt des Gesteins an Glimmer und die musco-
5°
68 Max Koch. Die Kersantite des Unterharzes.
vit-artigen Zersetzungsproducte, in welche die Plagioklasleistchen
der Grundmasse meist umgewandelt sind, den Kaligehalt nicht
unwesentlich erhöhen müssen.
No. ] No. 2
SiOs 54,36 54,25
TiO; (Zr O3) 0,96 0,87
AO; . 14,71 16.09
Fe, O3; 1,89 1.87
FeoO 6,11 9,19
MnÖO. —_ 0,01
MeO . 7,92 6,30
CO . 2,42 2,11
N20 . 1,18 0,86
KO 4,62 5.34
Hs; 0 4,05 4,76
P3 0; 0,52 0,40
SO; 0.38 0,24
COs 0,47 1,29
C 0,05 —
Summa 99,64 100,18
Spec. Gew. . 2.1994 DD
e
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 69
Begleitende Bestandmassen des Kersantits.
Zu den Mineralien der begleitenden Bestandinassen gehören
gruppirt nach der Häufigkeit des Auftretens:
Feldspath, Granat, Sillimanit, Cyanit, Quarz,
Biotit, Rutil, Spinell, Apatit, Korund, Stauro-
lith, Hypersthen, Kalkspath, Magneteisen, Ana-
tas, Titaneisenglimmer.
Diese Mineralien treten, wie schon erwähnt wurde. theils
einzeln im Gestein, theils zu zwei, drei oder mehreren combinirt
in gerundeten. bald mehr kugeligen, bald mehr ellipsoidischen
Aggregaten auf. Sobald sich lagenweise Anordnung derselben
geltend macht, sind es gewöhnlich flach linsenförmige oder auch
mehr unregelmässig bruchstückartige Formen.
Direct als Einschlüsse zu bezeichnen sind Brocken derben
(Juarzes, wie sie auch dann und wann in den eine gleiche geo-
logische Stellung einnehmenden grauen Porphyren des Harzes vor-
kommen, und Schieferbruchstücke.
Allgemeines.
Der Reichthun des Gesteins an den genannten Mineralien
ist em so grosser, dass dessen Charakter nicht unwesentlich beein-
flusst wird. Man wird kaum ein Stück aufheben. das nicht
inehrere der Mineralien einzeln oder combinirt zeigte und keinen
Schliff des Gesteins durchsehen können, in dem man nicht häufig
auf Körnehen und Splitterchen einzelner Mineralien oder Anhäu-
fungen derselben träfe. Die Häufigkeit, m der sich die Mine-
valien allein finden, steht im Verhältniss zur Menge, mit der sie
an der Zusammensetzung der Aggrerate theilnehmen. Am augen-
fälligsten tritt dies am Granat hervor. Er bildet den Haupt-
gemengtheil vieler Bestandmassen und erscheimt dementsprechend
auch von allen Mineralien am häufigsten allein im (xesteine,
70 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
Wenn dieses Verhalten auch keinen Beweis liefern kann, dass
in den einzeln erscheinenden Mineralien Zerbröckelungsmaterial
der zusammengesetzten Bestandmassen vorliegt, so wurden doch,
wie dies bei der Beschreibung der einzelnen Mineralien näher
ausgeführt werden soll, Beobachtungen gemacht, die dafür sprechen,
dass wenigstens ein Theil jener durch Lostrennung in die isolirte
Stellung gelangt ist. Die starke Bewegung im Magma, auf welche
die Auidale Anordnung der Leistchen, sowie Biegungen und Zer-
brechungen der Gemengtheile hinweisen, macht es ja auch von
vornherein recht wahrscheinlich, dass auch die begleitenden Be-
standmassen theilweiser mechanischer Zerstörung unterlagen.
Die Mineralmassen finden sich in allen Gesteinen beider
Gänge, sind jedoch nicht immer in gleicher Menge vorhanden
oder der Art nach gleichmässig vertheilt. Der Nackenberger
Kersantit ist arm daran. Ganz besonders häufig treten sie in
den Bruchstücken des Ganges in der Börneck’schen G.-W. ober-
halb des 3. Teichdammes auf. In Stücken von hier halten sich bis-
weilen Gesteinsmasse und begleitende Mineralien das Gleich-
gewicht. Sie sind jedoch wesentlich gleicher Art, an Granat,
Cyanit und Feldspath reich. Die Gesteine der Brüche, die leider
nahezu vollständig abgebaut sind, besitzen dagegen nicht die Fülle
an grauatreichen Massen wie der eben erwähnte Punkt, haben aber
die grössten und besten Feldspäthe, Cyanite und Apatite und
zahlreiche einschlussartige Massen dioritischer Zusammensetzung
geliefert.
Was die Form der einzeln auftretenden Mineralien betrifft,
so kommen, abgesehen vom Spinell, der immer in winzigen
Octaöderchen erscheint, nur solche vor, die sich gar nicht oder
nicht mit Bestinimtheit auf krystallographische Begrenzung zurück-
führen lassen. Gut spaltende Mineralien, wie der Cyanit, Apatit
erscheinen in Bruchstücksformen, die z. Th. durch Spaltflächen
begrenzt werden. Feldspath zeigt dagegen vorherrschend gerundete
Formen, nur selten eckige, die sich jedoch in keinem Fall auf
regelmässige Krystallbegrenzung zurückführen liessen.
Die Grösse der einzelnen Mineralien ist eine sehr wechselnde.
Der Granat tritt meist in hirsekorn- bis erbsengrossen Körnern
Max Kocı. Die Kersantite des Unterharzes. 71
auf, nimmt aber auch vereinzelt den Umfang einer Haselnuss an.
Feldspath, gewöhnlich nur von der Grösse einer Wallnuss, erreicht
Dimensionen bis 7 Centimeter, Apatit und Cyanit solche bis
4 C'entimeter. Selbst der Rutil, der fast immer nur in mikro-
skopischen Dimensionen beobachtet wurde, findet sich in seltenen
Fällen in 1/, Centimeter grossen Körnern. Wie hervorgehoben
werden muss, sind dies z. Th. Grössen, wie sie niemals an den
Gemengtheilen der Aggregate beobachtet wurden. Diese selbst
erreichen nur in vereinzelten Fällen Durchmesser von 1 Decimeter;
gewöhnlich sind sie kleiner, wallnuss- bis haselnussgross oder noch
weiter herabgehend.
Auch in Bezug auf den Verband mit dem Gestein herrscht
nicht immer gleiches Verhalten. Entweder ist die Begrenzung
scharf und die Contactfläche glattwandig, dann lässt sich gewöhn-
lich die Mineralmasse leicht durch einen Schlag trennen, oder
Theile derselben greifen unregelmässig in die Gesteinsmasse ein.
Für das erste Verhalten liefert der Apatit, ein Theil der Feld-
späthe und zahlreiche «ranat- und feldspathreiche Aggregate
ein gutes Beispiel, für das andere die an Sillimanit reichen
Mineralanhäufungen, imdem letzteres Mineral gern mit unregel-
mässig gerundeten Enden über die Grenzen des Gresammtkörpers
etwas hervortritt. Die Wandungen der sich glatt lösenden Mine-
ralien oder Aggregate sind mit einem feinen, schwach glänzenden
Häutchen von kohlensaurem Kalk, wie man leicht durch Be-
tupfen mit Salzsäure erkennt, überzogen. Tangentiale auf un-
gleiche Uontraction bei der Erkaltung zurückzuführende Sprünge,
wie sie sich in der Umgebung von Mineraleinschlüssen häufig
finden, konnten niemals beobachtet werden. Auch Sprünge in
den Aggregaten selbst gehören zu den Seltenheiten. Nur in
einem Falle waren sie reichlicher vorhanden und mit gleichzeitiger
Zertrümmerung und Imeinanderpressung der einzelnen Gemeng-
theile verbunden.
Zersetzung verwischt häufig die Grenzen zwischen Gestem
und Aggregat, indem beide z. Th. der Substanz, z. Th. nur dem
äusseren Ansehen nach gleiche Zersetzungsproducte liefern. Es
erweckt dies bei der ersten Betrachtung den Eindruck, als
72 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
ob an den Rändern innige Durchdringung beider Massen statt-
gefunden habe. Im Allgemeinen sind die Mineralanhäufungen
widerstandsfähiger gegen Verwitterung als das Gestein selbst; man
findet desshalb nicht selten Stücke, aus deren Oberfläche die be-
gleitenden Mineralmassen als Kugeln oder Bohnen hervortreten.
Von allgememeren Eigenschaften smd noch Umrandungen
zu erwähnen, die zwar nicht an allen begleitenden Bestandmassen,
aber doch an vielen und an solchen jeder Art auftreten. Es sind
dies bis ungefähr 1 Centimeter breite, oft in keinem Verhältniss
zur Grösse des Kerns stehende Umsäumungen von schmutzig-
violetter oder bräunlicher Farbe, deren Ton allmählich in den des
Gresteins übergeht. Mikroskopische Untersuchung lehrt, dass die
Masse der Säume sich nur durch häufigeres Auftreten von Glimmer-
blättehen und durch etwas dichteres Gefüge von der Grundmasse
des Gesteins unterscheidet. Die Unterschiede sind am grössten
in der Nähe des Kerns und nehmen mit der Entfernung von dem-
selben bis zum gänzlichen Verschwinden ab. Wohl in Folge der
feinkörnigeren Structur hat der Glimmer stets seine braune Farbe
bewahrt und lässt daher die Umrandungen am deutlichsten in
den Gesteinen mit gebleichtem Glimmer hervortreten. Nachdem
ınan in diesen auf sie aufmerksam geworden ist, gelingt es hier
und da auch in Gesteinen mit frischem Glimmer Unterschiede
wahrzunehmen. Nicht zu verwechseln sind diese glimmerreichen
Zonen übrigens mit den schon besprochenen Glimmerhüllen, die
sich aus einzelnen, roh tangential angelagerten Glimmerblättchen
zusammensetzen und ihre Lage lediglich der Adhäsion ver-
danken.
Die Beschreibung der begleitenden Bestandmassen soll in der
Weise erfolgen, dass zuerst die Mineralien, wie sie sich einzeln
im Gestem und in den Aggregaten finden und ihre Umbildungen,
alsdann die Structurformen, zu welchen sie zusammentreten, be-
trachtet werden.
Feldspath.
Die einzeln im (Greestein eingebetteten Feldspäthe besitzen,
wie erwähnt, Kugel-, Bohnen- oder unregelmässig gerundete
2}
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes. 13
Formen, seltener unregelmässig polyödrische Umrandung. In keinem
Falle wurde krystallographische Begrenzung beobachtet.
Die Dimensionen sind schwankende; Wallnussgrösse herrscht,
es kommen jedoch auch vereinzelt grössere, zahlreich kleinere vor.
Zum Theil zeigt ihre Substanz vollkommene Frische; sie sind dann
durchsichtig wasserklar und von lebhaftem Glasglanz. Beginnende
Zersetzung trübt sie, sie werden milchweiss, besitzen dann aber
noch immer guten Glanz. Andere sind grünlich, grau, bläulich,
oder gelblich und violett gefleckt, dann jedoch immer mehr oder
weniger matt oder vollständig trübe. Die Umrandung umschliesst
gewöhnlich nur ein Korn, durch welches die Spaltflächen eleich-
mässig hindurchsetzen, seltener treten zwei Individuen in Ver-
wachsung nach dem Karlsbader oder Bavenoör Gesetz zusammen.
Schon mit unbewaftnetem Auge erkennt man auf der einen Spalt-
fläche, seltener auf beiden eine parallel der Kante oP:«P x
laufende, sehr feine Streifung in Folge von Zwillingslamellirung
nach dem Albit- resp. Albit- und Periklingesetz. Dieselbe ist
nicht immer gleichmässig über die ganze Fläche ausgedehnt,
sondern setzt häufig aus. Auch in Bezug auf Zahl und Breite
der Lamellen herrscht keine Uebereinstimmung, wenn auch äusserste
Feinheit derselben in dicht gedrängter Anordnung die Regel
bildet. Nach den optischen Bestimmungen, welche an eimer
grossen Zahl von Spaltblättchen und Schliffen nach P und M vor-
genommen wurden und unter Berücksichtigung des specifischen
Gewichts 2,665 — 2,675 gehören die Feldspäthe vorwiegend der
Oligoklas- und Andesinreihe an und nur wenige sind zum Labra-
dor zu stellen.
Neben Feldspäthen mit ebenen und glatten Spalttlächen kommen
solche vor, die in Bezug auf die Ausbildung der letzteren ab-
norme Erscheinungen zeigen. Dahn gehören Krümmungen und
Knickungen derselben. Die Krümmung ist stets gering. Die
Knickungen gehen entweder von Linien aus, die mit den Spalt-
© von diesen,
oO
richtungen zusammenfallen oder verlaufen unabhängi
derartig dass die Gresammtfläche aus mehreren unregelmässig zu-
sammenstossenden und etwas abweichend einspiegelnden Feldern
besteht. Nur selten wird die Bruchlinie durch eine Spalte imarkirt,
74 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
die mit Quarz als Ausheilungsmasse erfüllt ist, Neben solchen
Abweichunsen im Grossen zeieen die Spaltflächen bisweilen bis
\l hung ( gen die Spaltfläch b len I
ins Kleinste gehende Biegungen und Unebenheiten, die denselben
yald ein feinmuschlises, bald mehr fasrires Grefüse ertheilen, ohne
bald f hliges, bald mehr fasriges Gefüge ertheilen, ol
dass jedoch der Verlauf der Lamellirung dadurch gestört würde.
Solche Unregelmässigkeiten können sich derartig steigern, dass
die Spaltbarkeit nahezu verdeckt wird.
ie Messung der Spaltwinkel ergab das überraschende Resultat,
DieM & der Spaltwinkel ergab das überraschende Resultat,
dass der Werth derselben bis auf 800% herabsinken kann, eine Er-
scheinung,
haupt mit Spaltflächen nach oP und
Eine grosse Zahl von Feldspäthen zeigt unabhängi
polysynthetischen Lamellirung die Erscheinung der fleckigen
Polarisation, ganz in der Weise, wie sie von ROSENBUSCH I) ab-
gebildet und als Durchdrmgung von Orthoklas und Plagioklas
gedeutet worden ist. Wie dort, zerfällt auch hier die Substanz
des Feldspaths in zwei etwas abweichend auslöschende Partien,
die sich in Forın von Flecken oder Felderchen mit z. Th. ver-
schwommenen, z. Th. aber recht scharfen Grenzen an einander reihen.
Besitzt der Feldspath ausserdem Lamellirung mit geringen, dem
Oligoklas oder Andesin zukommenden Auslöschungsschiefen, dann
löscht wohl der eine Theil der Felderchen mit dem einen Lamellen-
zuge, der zweite mit dem anderen zu gleicher Zeit aus, was den
Eindruck hervorruft, als ob jede Lamelle unregelmässige Partieen
von der Orientirung der benachbarten eingelagert enthielte. Die
Erscheinung tritt immer nur an klaren, unzersetzten Stellen hervor,
oO
ist aber gewöhnlich deutlicher entwickelt an Feldspäthen,, welche
reich an Zersetzungsproducten sind, als an vollständig oder nahezu
frischen.
Neben den bisher besprochenen Feldspäthen kommen sanz
vereinzelt Formen vor, die in Bezug auf ihren Bau und be-
gleitende Erscheinungen eine ganz ungewöhnliche Ausbildung be-
sitzen. Es sind dies Feldspäthe bis 5 Centimeter Grösse, die sich
aus emer grossen Zahl nahezu parallel geordneter Einzelindividuen
aufbauen (Taf. II, Fig. 10). Die Begrenzung des Gesammt-
individuums ist ım Grossen zwar „erundet, verläuft aber im
Einzelnen treppen- oder zinnenartig, indem die Einzelindividuen
unregelmässig hervorspringen; die Form der letzteren erinnert
trotz abgerundeter Ecken häufig an langgezogene hexagonale Um-
grenzung. Die Zusammensetzung aus einzelnen Theilen giebt sich
im Handstück dadurch zu erkennen, dass die Spaltflächen in zahl-
reiche glänzende, durch eine trübe Zwischenmasse getrennte
Felderchen zerfallen, welche alle etwas abweichend von einander ein-
spiegeln. Auf der einen Spaltfläche, der Basis, zeigt sich eine sehr
1) Rosexguscn, Mikroskopische Physiographie d. petrogr. wichtigen Mineralien,
Taf. 24, Fig. 3.
Max Koch. Die Kersantite des Unterharzes. WER
feine Lamellirung nach dem Albitgesetz, die anschemend unabhängig
von der Feldertheilung die ganze Fläche gleichmässig durchsetzt.
Dass dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist, erkennt ıman sofort
im Schlift. „Jedes der Felderchen besitzt danach eine von den anderen
völlig unabhängige Lamellirung, unabhängig nicht nur von den
in der Richtung der Lamellirung benachbarten Feldern, sondern
abweichend von sämmtlichen der oberen und unteren Reihe, so
dass Zertrümmerung eimes ursprünglich eimheitlichen Krystalls
in einzelne Theile unter seitlicher Verschiebung «dieser ausge-
schlossen erschemt. Ein Schliff nach der zweiten Spaltfläche
zeigt bis auf das Fehlen der Zwillingslamellirung dasselbe Bild.
Dem specifischen Gewicht und den Auslöschungsschiefen nach
gehören diese Feldspäthe zum Andesin. — Stellenweise ist die
Spaltfläche nach oP von in der Bleichung begriffenen Glimmer-
flatschen, die aus einzelnen unregelmässig zerlappten oder hexa-
sonal begrenzten Blättchen bestehen, überzogen. Sowohl der
Feldspath wie der Glimmer wird nach allen Richtungen von bis
1 Centimeter langen, etwa 1 Millimeter breiten Apatitkryställchen
durchspickt. — Von interessanter Ausbildung ist die trübe
Zwischenmasse (Taf. II, Fig. 12). Nur schmal oder ganz ver-
schwindend da, wo die Einzelindividuen mit geraden Seiten zu-
sammentreffen, erweitert sie sich an Stellen. an denen mehrere
derselben sich mit den abgerundeten Ecken gerenüber liegen, den
Eindruck erweckend, als ob die Abrundung erst den Raum für
ihre Bildung geliefert habe. Diese besteht überwiegend aus
Chlorit, dessen Theilchen entweder zu parallel - faserigen oder
büscheligen und sphärolithischen Aggregaten geordnet sind. Von
den Rändern der Feldspathkryställchen ausgehend setzen nun zahl-
reiche winzige, aber recht scharf umrandete Leistchen oder mehr
rectanguläre Täfelchen unregelmässig vorspringend in die Chlorit-
masse hinein. Bald sind sie nach dem Feldspath orientirt und
löschen mit ihm zu gleicher Zeit aus; bald treten sie unabhängig
von demselben zu Büscheln zusammen, die mehr oder weniger
gebogen gegen den Chlorit hin divergiren. Hat es an Raum oder
Stoff zu derartigen oft sehr zierlichen Bildungen gefehlt, dann
wird der Feldspath nur von emem schmalen Saum derselben mit
78 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
treppenförmig gegen den Chlorit hin absetzenden Grenzen un-
randet. In anderen Fällen ist beinahe der ganze Raum zwischen
den Feldspäthen, indem sich Leistchen an Leistchen reiht und die
von gegenüberliegenden Punkten vordringenden Kryställchen sich
gt
vereinigen, mit den Neubildungen erfüllt. Selten tauchen Leistchen
oder Gruppen solcher losgelöst vom Feldspath im Chlorit auf. Da
bei der Winzigkeit der Kryställchen Isolirung unmöglich war, ist
es schwer, die Natur derselben mit absoluter Sicherheit zu be-
stimmen: optisches Verhalten und Uebereinstimmung mit den
Oo
te}
Feldspäthen, an welche ihre Bildung geknüpft ist, m Bezug auf
Angreifbarkeit durch Säuren machen es jedoch sehr wahrschein-
lich, dass Neubildungen von Feldspath vorliegen.
In Bezug auf ihre Entstehung möchte ich nur auf die Aehn-
lichkeit derselben mit den von DÖLTER und HussaX!) durch Ein-
schmelzen von Labrador in Augitit von Waltsch erhaltenen
Schmelzproducten, ferner auf die randlichen Auflösungen grösserer
Plagioklase in winzige Leistchen hinweisen, welche BLEIBTREU?)
an Feldspatheinschlüssen im Basalt und Hussar?) an Andesit-
lapilli des Asama Yama beobachtet und als Folge der Einwirkung
des schmelzflüssigen Magmas gedeutet haben.
Die Erschemung ist übrigens nicht auf die selteneren, aus
Einzelindividuen aufgebauten Feldspäthe beschränkt, sondern zeigt
sich in mehr oder weniger deutlicher Weise häufig auch an den
übrigen Feldspäthen, nur dass hier die Neubildungen mitten in
der Feldspathsubstanz liegende blasenartige Hohlräume erfüllen.
Sie tritt ferner sehr schön in den später zu besprechenden, vor-
herrschend aus Quarz und Plagioklas zusammengesetzten be-
leitenden Bestandmassen auf, ist also ziemlich allgemein am Feld-
spatlı der begleitenden Bestandmassen entwickelt.
Sämmtliche bisher besprochenen Feldspäthe stehen in keinem
directen Zusammenhang mit den goranat- und sillimanitreichen
Oo
®)
Agegregaten, d. h. sie nehmen nicht an der Zusammensetzung der-
!) Neues Jahrbuch f. Mineralogie, Geolog. u. Paläont. 1884, I, S. 42.
?) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1853, S. 497.
a OESHA:
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes. 79
selben Theil. Wenn sie trotzdem von den Feldspatheinspreng-
getrennt und zu den begleitenden Bestand-
y
Lee}
lingen des Kersantits
massen gestellt wurden, so rechtfertigt sich dies einmal durch die
vielfach abweichenden Eigenschaften, welche sie jenen gegenüber
zeigen, dann durch Verbindung mit Mineralien, wie Sillimanit
und Rutil, die sich constant in den begleitenden Bestandmassen
finden. Es liegt mir ausserdem ein Fundstück von 7 Centimeter
Grösse vor, welches zur eimen Hälfte nur aus Plagioklas, zur
andern aus einer Anhäufung jener seltenen Mineralien besteht, in
einem Zusammenhange, der zufälliges Zusammentreffen ausschliesst.
Von Einschlüssen im Feldspath wurde Sillımanit schon erwähnt.
Rutil ist eben so selten und wurde nur in zwei der Feldspäthe
in mehreren bis 2 Millimeter grossen Kryställchen von der ge-
wöhnlichen Form ao P«, »P und P, etwas verzerrt, beobachtet.
Auch Glimmer kommt in Verwachsung mit Feldspath dann
und wann vor, indem er in derselben Weise, wie bei den aus
Einzelindividuen sich aufbauenden Feldspäthen erwähnt wurde,
einzelne Spaltflächen ganz oder nur theilweise überzieht. Er ist
immer mehr oder weniger im Ausbleichung begriffen und zeigt
die Neubildung der bei der Beschreibung des Gesteins besprochenen
Mikrolithe in sehr schöner Weise.
Der Feldspath der zusammengesetzten begleitenden Bestand-
massen soll in Zusammenhang mit diesen selbst Besprechung
finden.
Quarz.
In Verbmdung mit den vorstehend besprochenen Feldspäthen
tritt körniger Quarz auf, und zwar so häufig, dass Feldspathfund-
stücke ohne Quarz in der Minderzahl sind. Gewöhnlich ist er
auf die Randtheile des Feldspaths beschränkt. Bald erscheint er
«dann nur stellenweise in einzelnen Körnern, bald bildet er m zu-
sammenhängender Masse, unregelmässig und ungleich weit in die
Feldspathsubstanz vorspringend, auf eine grössere Erstreckung den
Abschluss gegen das Gestein hin. Einzelne Feldspäthe werden
von ihm vollständig umhüllt, in andern nimmt er so überhand,
dass Feldspath nur noch emen kleinen Bruchtheil der sanzen
80 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
Fläche füllt und führt dadurch zu den vollständig feldspathfreien
(Juarzmassen hinüber. Nur selten einmal löst sich ein Quarzkorn
von der Gesammtmasse los und erscheint isolirt in der Feldspathsub-
stanz. Eine besondere Aggregationsform. ebenfalls nur an einem
Stück bemerkt. ist folgende: (Juarz tritt am Rande zurück, er-
scheint aber in zahlreichen bis 2 Millimeter grossen gerundeten
Körnchen in der Feldspathsubstanz. Je 4 oder 5 der Körnchen
schliessen sich zu einem Ring zusammen, der ein winziges
Glimmerblättchen umfasst, und sämmtliche Körnchen sind von
einer schon makroskopisch erkennbaren, dunkelgrünen Rinde von
Chlorit umgeben, auch dann wenn der Glimmer fehlt. Die feld-
spathfreien Quarzmassen besitzen wie die Feldspäthe gerundete
oder unregelmässig polyädrische Formen mit abgeglätteten Wan-
dungen. Ist ein derartiges polyädrisch umrandetes Stück günstig
von der Bruchfläche getroffen, dann ergeben sich bisweilen regel-
mässige quadratische oder rechteckige Schnitte, die auf den ersten
Blick für Pseudomorphosen gehalten werden können. Die Frische
des Feldspaths, sowie die Structur der Quarzmasse, die Art und
Anordnung der Einschlüsse weisen jedoch eine derartige Annahme
zurück. Man hat es wohl zweifellos mit primärem Quarz und mit
ursprünglicher Verwachsung von Quarz und Feldspath zu thun.
Wie bei den Sammelindividuen der Feldspäthe die einzelnen
Kryställchen durch eine an Neubildungen reiche Zwischenmasse
umzogen werden, so zeigen auch die in Verbindung mit Feldspath
auftretenden Quarzmassen, besonders schön aber einzelne feldspath-
freie Aggregate, zwischen den einzelnen Körnchen eigenthümliche
Bildungen, die gewissermaassen den Kitt ausmachen und sich in
Bezug auf Raumerfüllung ganz so verhalten, wie dies bei jenen
Feldspäthen beschrieben wurde. Wiederum bildet Chlorit die
Hauptmasse, tritt auch wohl allein auf. In dem Chlorit liegen nun,
meist dicht gedrängt, winzige (0,02 Millimeter) farblose Körperchen
von runder Form und einheitlichem Bau. Licht- und Doppelbrechung
derselben, Angreifbarkeit durch Säuren lassen auf Quarz schliessen.
Dafür spricht auch der Umstand, dass sich die Quarzkörner, die
immer gerundete, nie eckige Conturen besitzen, an den Rändern
stellenweise in solche Körperchen auflösen. Unter deren Zahl
Max Kocn, Die Kersantiie des Unterharzes, Se]
finden sich dann einzelne, die erst in der Bildung begriffen waren,
erkennbar daran, dass sie auf der einen Seite scharf umrandet
sind, während sich auf der anderen die Conturen allmählich in der
Quarzsubstanz verlieren. Beide verhalten sich in dem Falle optisch
wie nur eine Masse.
Auch diese Erscheinung steht nicht vereinzelt da, man be-
gegnet ihr nochmals in den quarz- und feldspathreichen dioritischen
Aggregaten der begleitenden Bestandmassen, nur dass dort winzige
Sphärolithe von optisch positivem Charakter der Doppelbrechung
an die Stelle der hier einheitlichen Körperchen treten.
Granat.
Die Form, Grösse und Verbreitung desselben wurde schon
früher besprochen.
Ueber die Zugehörigkeit zu einer der Varietäten des Granats
lässt sich, da eine Analyse nicht vorliegt, keine sichere Entscheidung
treffen. Er besitzt hohes specifisches Gewicht (4, 1), schmilzt vor
dem Löthrohr zu einem schwärzlichen, schwach magnetischen
Glase, und winzige Mengen desselben genügen, um einer Schmelze
von Soda und Salpeter die für Mangan charakteristische blaugrüne
Färbung zu ertheilen. Unter gleichen Bedingungen wiederholte
ee)
Versuche mit Spessartm von Aschaffenburg ergaben keine inten-
sivere Färbung, er scheint daher durch hohen Mangangehalt aus-
gezeichnet zu sein. Das im Stück kolombinrothe Mineral wird im
Schliff schwachrosa bis nahezu farblos durchsichtig. Selten und
nur wenn der Granat mikropegmatitisch mit Quarz verwachsen
ist, zeigt er im Schliff lachsrothe Farben, darauf hinweisend, dass
er nicht immer nur emer Varietät angehört.
Die Granaten desselben Aggregates pflegen «leiche Grösse
zu besitzen, doch ist dieselbe an und für sich ebenso schwankend
wie bei den einzeln im Gestein eingebetteten. Es wurden faustgrosse
Stücke gesammelt, in denen alle Individuen Erbsengrösse besitzen,
andere, ın welchen sie zu einer Kleinheit herabsinken. dass das
einzelne Korn nicht mehr mit blossem Auge zu erkennen ist, und
Jahrbuch 1556 6
32 Max Kock. Die Kersantite des Unterharzes.
der Reichthum an dem Mineral nur durch einen rothen Farbenton
der Gresammtmasse angedeutet wird.
In Bezug auf die Form macht sich scheinbar zwischen dem
Mineral des Gestems und dem der Aggregate ein Unterschied
bemerkbar, indem erstere meist Körnerform, letztere häufig krystallo-
graphische Begrenzung durch 202 oder ©O wahrnehmen lassen.
Dies rührt zum Theil daher. dass die Granaten des Gesteins immer
von einer Umwandlungszone umsäumt werden, welche die ur-
sprüngliche Contur meist nicht mehr hervortreten lässt. Unter
den gesammelten Granatpseudomorphosen fanden sich jedoch auch
einige mit deutlicher Krystallumgrenzune.
In Verwachsung mit Granat tritt, schon mit unbewaffnetem
Auge sichtbar, Quarz im gerundeten von Chlorit umsäumten
Körnchen und vereinzelt Glimmer auf. Auch Cyanit und gelegent-
lich Pyrit kommt in Grössen vor, die schon im Stück Erkennung
ermöglichen. In einem Fall wurden m einem grössern Granatkorn
mehrere 1 Millimeter grosse Granatkrystalle in scharfer Rhomben-
dodekaöderform beobachtet. Die Menge der mikroskopischen Ein-
schlüsse (Quarz, Titan- oder Mawmeteisen, Rutil in Körnern und
prismatischen Kryställchen, Oyanit, Sillimanit und mehrere nicht mit
Sicherheit erkannte Mineralien) ist häufig eine so grosse, dass sie
einen nahezu gleichen Raum wie die Granatsubstanz selbst einnehmen.
Seltener treten sie zurück oder werden gänzlich vermisst. Im Allge-
meinen gilt die Regel, dass sich alle Granaten eines Aggregates in
Bezug auf Reichthum an Einschlüssen oder Fehlen derselben gleich
verhalten. doch wurden auch Fälle beobachtet, in denen dicht neben-
einander liegende Körner die extremsten Abweichungen zeigen. Die
Anordnung der Emschlüsse ist nit wenigen Ausnahmen eine centrale,
derartig, dass eine vollständig einschlussfreie. schmale Zone einen
>
einschlussreichen Kern umhüllt (Taf. II, Fig. 5). Zu den Aus-
nahmen gehören Granaten, die unter Zurücktreten der gewöhnlichen
Einschlüsse vom Rande aus von emmer grossen Zahl farbloser äusserst
dünner, haarförmiger Mikrolithe durchzogen werden, welche nach
äusserer Erscheinung dem Sillimanit angehören können. In anderen
sind sämmtliche Einschlüsse gestreckt und durchziehen parallel
geordnet in Windungen den Krystall, den Eindruck hervorrufend,
oO
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 83
als ob der Granat starken Pressungen unterworfen gewesen sei.
Auch die Form der Granaten selbst, namentlich in Aggregaten mit
lagenweisem Bau, unterstützt bisweilen diesen Eindruck (Taf. III,
Fig. 6). Zwischen den Granaten des Gesteins und denen der Aggre-
gate macht sich weder im Bezug auf Art der Einschlüsse, noch
auf Anordnung derselben ein Unterschied geltend.
Durch ihre ganze Ausdehnung frische Granaten finden sich
nur in den zusammengesetzten begleitenden Bestandmassen. Im
Gestein sind sie immer mehr oder weniger verändert, derartig,
dass ein noch frischer Kern von emer dunkelgrünen bis schwarzen
Rinde umhüllt wird. In den zersetzten Gesteinen der Brüche
am Zimmerberge ist meist auch der Kern durch eme hell-
grüne Masse ersetzt, die sich durch ihren hellern Farbenton recht
deutlich von der äussern dunklen Zone abhebt, wenn nicht durch
weitergehende Zersetzung die Unterschiede ausgeglichen sind.
Der dunkle Ring, von dem Taf. III, Fig. 5 em Bild giebt,
besteht aus stark lichtbrechenden, kurzsäulenförmigen, querge-
gliederten Krystalloiden, welche je nach Schnitt und Lage zum
Hauptschnitt des unteren Nicols einen grünen, grün-gelben oder
gelb-braunen, meist recht intensiven Pleochroismus wahrnehmen
lassen. Die Auslöschung ist gerade und diejenigen Schnitte,
welche deutliche Spaltbarkeit zeigen, lassen Interferenzbilder er-
kennen. Die Axenebene liegt parallel der Spaltbarkeit, der Cha-
'akter der Doppelbrechung ist negativ. Das sind Eigenschaften,
die nur dem Hypersthen zukommen. Die Bildung desselben hat
von der Peripherie aus begonnen und sich unter divergent-
strahliger Anordnung der Leistchen nach dem Innern fortgesetzt.
Je weiter ab vom Rande, um so häufiger wird die Theilung und
um so grösser werden die Kryställchen. Zwischen dem (Geäst,
welches dieselben bilden, liegen, abgesehen von noch unzersetzter
Granatsubstanz, Leistchen und unregelmässige Partien eines farblosen
Minerals, das ich nach dem optischen Verhalten für Plagioklas und
zwar nach der bedeutenden Auslöschung für einen sehr basischen
halten möchte. In anderen, selteneren Fällen tritt zum Hypersthen,
entweder mit ihm die verästelten Gruppirungen bildend oder ın
einer mehr innern Zone neben ihm erscheinend, noch Magneteisen in
6*
84 Max Kocu, Die Kersantite des Unterharzes.
Octaödern oder Zwillingen nach der Octaöderfläche. Die innere hell-
grüne Zone besteht aus Chlorit in sehr fein- oder verworrenfasrigen
Aggregaten, die fast keine Wirkung auf polarisirtes Licht zeigen.
Centrale Theile der Chloritmasse werden häufig von Talkflasern,
welche bisweilen rosettenartig gruppirt sind, durchsetzt. Beide Zonen
sindauf gänzlich verschiedenen Ursprung zurückzuführen ; die äussere
war schon vorhanden, ehe sich das Gestein verfestigte und kann nur
als Product der Einwirkung des Magmas angesehen werden, die
innere ist dagegen lediglich Folge der Verwitterung. Der Beweis
dafür wurde darin gefunden, dass Granat mit der äussern Zone
in Feldspath-Einsprenglinge des Kersantits eingeschlossen werden
konnte, und dass sich einzelne Ausschnitte der Zone, losgerissen
vom Kern, und selbst einzelne Ilypersthenleistchen verstreut in
der Grundmasse finden. Zudem ist IHHypersthen kein Mineral,
dessen Entstehung unter Bedingungen vor sich gegangen sein kann,
wie sie der Process der Verwitterung erfordert. Bedingung zur
Bildung solcher Zonen war die directe Berührung mit dem Ge-
steinsmagma. Man vermisst sie daher im Allgemeinen am Granat
der zusammengesetzten Bestandmassen. Nur wenn er an der
Grenze derselben liegt, findet sich an der Berührungsfläche mit
dem Gestein ebenfalls Hypersthenbildung, während der übrige
Theil unverändert ist oder von einer Spinellzone umsäumt wird
(siehe Spinell). Die Schmelzversuche. welche DÖLTER und
Hussak !) mit Granat gemacht haben, lieferten als Product der
Umschmelzung lange quergegliederte augitähnliche Nadeln und
z. Th. grünen, z. Th. leberbraunen Spinell. Nach DESCLOISEAUX ?)
eschmolzener Granat Augit und Anorthit. Das sind z. Th.
ergiebt
oO
fe)
dieselben Mineralien, wie in unsern Umwandlungszonen.
Cyanit und Sillimaniıt.
Die eingehende, mit meinen Beobachtungen vollkommen über-
einstimmende Beschreibung, welche LossEn diesen Mineralien in
der schon mehrfach citirten Abhandlung gewidmet hat?), macht
a..0. 028.99.
2) Manuel de mineralogie 1862, S. 277 u. 548.
Seaar Qusr ode
Max Kocn. Die Kersantite des Unterharzes. s5
es überflüssig, ausführlich auf dieselben zurückzukommen. Nur
Einzelnes mag hier der Uebersicht wegen wiederholt, Einiges nach-
getragen werden.
Die einzeln im Gestein eingebetteten Cyanite, dünntafelartig
mit abgerundeten Enden, lassen wegen der vollkommmen Spalt-
barkeit nach der Fläche M, die auch herrschend in der Krystallbe-
grenzung auftritt, im Zweifel, ob Fragmente oder deformirte Kry-
stalle vorliegen. Diejenigen der zusammengesetzten Bestandmassen
besitzen dagegen stets Krystallform mit häufig recht scharfen End-
flächen. Ein auffallender Unterschied macht sich in der Grösse
beider Vorkommnisse geltend, medem unter ersteren Tafeln bis
3 Centimeter Länge beobachtet wurden, während letztere gewöhnlich
über wenige Millimeter nicht hinausgehen. Trotz seiner grossen
Widerstandsfähigkeit zeigt der Cyanit bisweilen Umwandlungser-
scheinungen. Man findet diese Mineralien nämlich, sowohl die
einzeln im Gestein eingebetteten wie die der zusammengesetzten
Aggregate, zuweilen von einer mehr oder weniger breiten Zone einer
hellgrünlichen, weichen und äusserst feinfasrigen Masse umgeben,
von der Licht- und Doppelbrechung sowie dem optischen Charakter
des Kaliglimmers, aber kleinerem Axenwinkel, als diesem gewöhn-
lich zukommt. Da auch mikrochemische Keactionen auf einen hohen
Kaligehalt hinweisen, liegt wohl dennoch ein dem Damourit ver-
wandtes Glimmeraggregat vor. Dahin möchte ich auch, ihres
optischen wie chemischen Verhaltens wegen, apfelgrüne und durch
Seidenglanz an Bronzit erinnernde Massen stellen, die sich in bis
1!/, Centimeter langen, breiten Leisten recht häufig in dem Gre-
stein der Brüche am Zimmerberoe vorfinden. Sie sind oft wie
>
die Cyanittafeln wellig gebogen, haben aber — die Richtigkeit
der Annahme ihrer Entstehung aus Cyanit vorausgesetzt — die für
diesen so charakteristische Quergliederung eingebüsst.
Der Sillimanit bildet im Grestein wie in den zusammeneesetzten
>
Bestandmassen büschlise bis breitfächerförmige oder parallelfaserioe
® g | Sg
(Taf. III, Fig. 6 u. Taf. IV, Fig. 6), seltener verworrenfaserige
Aggregate, deren einzelne Nädelchen von äusserster Feinheit bis zu
(@uer- Dimensionen anwachsen können, welche das Studium der-
selben im Dünnschliff recht wohl gestatten. Durch den lebhaften
86 Max Kocı. Die Kersantite des Unterharzes.
Seidenglanz solcher Massen und die in Folge der fein krystallinen Be-
schaftenheit weisse Farbe, bisweilen mit einem röthlichen oder bläu-
lichen Ton, macht er sich schon im Stück leicht bemerkbar. Ausser
in solchen faserigen Aggregaten erscheint er im Orthoklas der zu-
sammengesetzten Bestandmassen auch in winzigen kurzprisma-
tischen Einzelkryställchen, welche jenes Mineral oft in grosser
Zahl durchspieken. Deutliche Endflächen wurden weder an diesen
noch an den Kryställchen der Aggregate beobachtet. Die Sub-
stanz des Sillimanits ist vollkommen frei von Interpositionen; die
filzigen Massen umschliessen jedoch gewöhnlich den Nadeln parallel
zelagerte Rutilkryställchen, riemenförmig langgezogene Blättchen
=,
von braunem Glimmer und Granat. Innige Durchwachsung mit
(Juarz zu Faserkiesel, eine in den krystallinen Schiefern so häufige
Erscheinung, kommt hier nicht vor.
gegenüber der lebhaften
Unter den Querschnitten, welche
Doppelbrechung der Längsschnitte sehr niedere Polarisationsfarben
zeigen, herrschen nahezu quadratische Formen (Taf. Il, Fig. 9),
entsprechend der Begrenzung durch das Prisma «pP: ınit einem
vorderen Winkel von 91°, ganz in Uebereinstimmung mit den
Beobachtungen, welche KALKOwskY !) am Sillimanit der Gmeiss-
formation des Eulengebirges gemacht hat. Ist ein fächerförmiges
Aggregat der Sillimanitnädelchen vom Schliff senkrecht zu den
mittleren Individuen getroffen, so erscheinen derartige Querschnitte
in der Mitte, während nach den Seiten hin immer spitzer rhom-
bische und zuletzt schilfförmig langgezogene Formen sich an-
schliessen. Die Begrenzungslinien der @uerschnitte sind nicht
immer scharfe, sondern in Folge des Aufbaues grösserer Individuen
aus parallel gestellten kleineren Kryställchen, deren Kanten aus
der Gesamnitform hervorspringen, ausgezackt oder gezahnt. Längs-
schnitte solcher Sammelindividuen sind daher nur stellenweis, ge-
wöhnlich in centralen Theilen, einheitlich klar, während sich an
den Rändern je nach der Neigung des Schnitts gegen die Prismen-
fläche und Vertikalaxe in mehr oder weniger breiter Zone eine
feine Riefung bemerkbar macht.
) Die Gmneissformation d. Eulengebirges S. 5 f., Taf. 1.
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes. 87
\
Die Beobachtung Lossen s!) über Hin- und Herbiegungen der
filzigen Massen wie der einzelnen Nädelchen, ohne dass sich die
Krümmung auf Knicke an der Quergliederung beziehen liesse,
kann ich nur bestätigen. Namentlich wenn abweichend gerichtete
parallelfaserige Aggregate oder Sillimanitbüschel mit ihren Kopt-
enden zusammenstossen, sind Aufbiegungen und Ablenkungen der
Nadeln unter gleichmässiger oft bis zum Kreise vollendeter Krüm-
mung recht gewöhnlich.
Die ebenfalls schon von Lossen besprochene?) Erscheinung,
dass unregelmässig begrenzte Krystalltheile des CUyanits von
fasrigem Sillimanit unter Parallelismus der Vertikalaxen beider
Mineralien eingefasst werden, wurde zwar ebenfalls häufiger beob-
achtet, doch liess sich keine sichere Entscheidung treffen, ob primäre
Krystallisation oder Paramorphose von Sillimanit nach Cyanit
vorliegt. Für Paramorphose sprechen die gleiche Orientirung,
der allmähliche Uebergang zum Sillimanit und der Umstand, dass
der Cyanit in den zusammengesetzten Bestandmassen sonst immer
nur in Krystallen mit häufig abgerundeten, häufig aber auch sehr
geradverlaufenden Endflächen auftritt: anderseits konnte jedoch kein
Fall beobachtet werden, in welchem die Sillimanitnädelchen das
Uyanitkorn zu einem Krystall ergänzen, wie dies an den Pseudo-
morphosen von Kaliglimmer nach Cyanit häufiger vorkommt. In
allen den Fällen. wo Zusammenkrystallisirung beider Mineralien
beobachtet wurde, setzt nämlich der Sillimanıit bis zur Contact-
fläche des Gesteins fort.
Biotit.
Schon bei der Beschreibung des Gesteins wurde erwähnt, dass
der Glimmer der begleitenden Bestandmassen zum Biotit, der des
Gesteins zum Anomit gehört. Darüber hinaus macht sich kein
Unterschied bemerkbar. Er bildet gewöhnlich bis mehrere Milli-
ıneter grosse Krystalle, seltener unregelmässig striemige Lappen
oder gerundete Schüppehen. An Eimschlüssen beherbergt er Apatit-
nadeln und in einigen einschlussartigen Massen dioritischen Cha-
aaO
DES ER AÜRFEH)
88 Max Kocır, Die Kersantite des Unterharzes.
vakters zahlreiche Zirkonkryställchen, welche von den schon
wiederholt beschriebenen, breiten pleochroitischen Höfen umsäumt
werden, von tiefschwarzer Farbe, sobald das Maximum der Ab-
sorption im Glimmer emtritt, hell oder völlig verschwindend in
der dazu senkrechten Stellung. Rutilnädelchen erscheinen immer
nur in schon veränderter Glimmersubstanz und sind daher wohl
stets secundäre, auf den Titangehalt des Glimmers zurückzu-
führende Gäste.
Die Umwandlungserschemungen sind, abgesehen von den
weiter unten beschriebenen, als Contactwirkung gedeuteten Um-
bildungen, die gleichen wie am Glimmer des Gesteins: vollständige
oder parallel der Spaltfläche lagenweise Bleichung der Glimmer-
substanz unter Abscheidung zierlicher, zu Büscheln gruppirter
Mikrolithe.
Rutil und Zirkon.
Rutil ist im Gestein besonders aber in den begleitenden Be-
standmassen recht häufiger Gemengtheil. Trotz seiner dunklen,
nahezu schwarzen Farbe fällt er doch selbst in winzigen Körnchen
durch seinen diamantartigen Metallglanz leicht in’s Auge. Im Gestein
hat er dick stabförmige, entfernt an prismatische Begrenzung er-
innernde oder Körnertorm in Grössen bis !/, Centimeter; in den ein-
schlussartigen Aggregaten tritt er ebenso häufig in Krystallform
(»P, PP x, Poder P»)von gewöhnlich kurz prismatischem Habitus,
wie in Körnern auf. Schlanke Nadelformen kommen in der Regel
nur den secundären Rutilbildungen zu, welche in feinem Netzwerk
in den Umbildungszonen des Glimmers erscheinen. Knieförmige
Zwillmge nach Ps“ sind recht gewöhnlich, seltener eingelagerte
Lamellen in Zwillingsstellung nach dieser Fläche. Je nach der
Dicke wird der Rutil mit tiefrothbrauner bis gelber Farbe, seltener
violett durchsichtig. Diese auch im den dünnsten Individuen her-
vortretende Färbung, der gleichmässige Ton der Polarisationsfarben,
Umbildung in Titanomorphit und Zwillmgsbildungen lassen ihn
recht gut von dem viel spärlicher vorhandenen, stets farblosen und
im polarisirten Licht mehr Farbenschiller zeigenden Zirkon unter-
scheiden.
Max Koch. Die Kersantite des Unterharzes. 89
Spinell.
An der Grenze vieler einzeln im Gestein eingebetteten Silli-
manitbüschel oder Cyanitfragmente, ferner im der Uimrandung
von Granat oder Glimmer in den zusammengesetzten Aggre-
1, 3, 4), so-
bald diese Mineralien von Sillimanit umgeben sind oder mit diesem
gaten der begleitenden Bestandmassen (Taf. IV, Fig.
oder Cyanit in Nachbarschaft treten, bemerkt man Anhäufungen
grün durchsichtig werdender, oder braun oder grau wefärbter,
winziger (0.03 — 0,1 Uentimeter) Kryställchen in Octaödertorm,
seltener in Zwillingen nach der Octaöderfläche, von denen ınan
dieser Eigenschaften und ihrer Association wegen von vornherein
annehmen konnte, dass sie einem Mineral der Spinellgruppe an-
>
gehören. ‚Jenes Verhalten in Bezug auf ihr Auftreten erleidet fast
keine Ausnahme. Sie finden sich weder regellos verstreut in dem
Mineralgewebe der Aggregate, noch wurden sie jemals als Ein-
schluss in den hier in Betracht kommenden Mineralien beob-
achtet, sondern sind stets nur als randliche Bildungen an diese
geknüpft. In Folge dieser gesetzmässigen Verbreitung kann wohl
kein Zweifel darüber bestehen, dass m dem Spinell ein den be-
gleitenden Bestandmassen ursprünglich nicht zugehöriges, sondern
secundäres, auf den Einfluss des Magmas zurückzuführendes
Mineral, also eim Product der Contactwirkung, vorliegt. Die
Spinellkette, mit denen Sillimanit und Cyanit häufig gegen das
(testein hin abschliesst, mögen diese Mineralien ısolirt in demselben
liegen oder den zusammengesetzten Aggregaten angehören, sind be-
sonders geeignet, diese Auffassung zu stützen.
Während der Spinell um den Granat seinen Platz zum grössten
Theil dem Sillimanit genommen hat, daran erkennbar, dass ım
Allgemeinen die der jeweiligen Krystallform des Granats ent-
sprechenden Schnitte, abgesehen von wenig tief eingreifenden
Einbuchtungen, erhalten sind oder sich die spinellfreien Rand-
linien regelrecht an die mit Spinell umgebenen anschliessen, war
mit dessen Bildung am Glimmer eine mehr oder minder vor-
geschrittene Resorption der Glimmersubstanz verbunden, unter
gleichzeitiger Ausscheidung zahlreicher gelb oder violett gefärbter
90 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
Rutilnadeln. Es zeigen sich alle Stadien dieser Umwandlungser-
scheinungen, von den eben in Angriff genommenen, in den Um-
randungen noch wohl erhaltenen Glimmerschnitten bis zu dem
Punkte, wo die Glimmersubstauz vollständig durch Spinell und
Rutil ersetzt worden ist. Derartige Aggregate liefern meist äusserst
zierliche Bilder, indem die Rutilnädelchen gewöhnlich ein feines
Netzwerk bilden, welches die zierlichen Spinellschnitte in seine
Maschen aufnimmt. Seltener werden diese von den Rutilnadeln durch-
spiesst. In der Regel stehen die einzelnen Spinellindividuen weder
untereinander, noch mit der Granat- resp. Glimmersubstanz in
directer Berührung, sondern werden durch einen schmalen, wenn die
Masse noch frisch ist, farblosen Hof isolirt, dessen Subsanz in den
meisten Fällen Brechungsvermögen und l )oppelbrechung wie Quarz
besitzt, in anderen nur äusserst schwache Wirkung auf polarisirtes
Licht ausübt. Näheres über die Substanz wurde nicht ermittelt. Er-
wähnenswerth in Bezug auf die Art des Auftretens wäre noch die
Beobachtung, dass der Spinell in einigen aus Sillimanit mit einge-
lagerten Granaten bestehenden, emschlussartigen Aggregaten den
Granat ringförmig in derben Massen umgiebt. Nur stellenweise
macht sich nach den Granat hin eime durch beginnenden Zerfall
in einzelne Octaöder bedingte Zähnelung bemerkbar.
Trotz der so grossen Widerstandsfähigkeit des Spinells zeigt
er in einem grossen Theil der begleitenden Bestandmassen doch
keine ursprüngliche Substanz mehr. Nur die grünen und die
weiter unten erwähnten, in Association mit Korund auftretenden.
nahezu farblosen Krystalle sind unverändert, demnach klar und
von optisch einheitlichem Verhalten. Die braungefärbten stellen
dagegen z. Th., die grauen durchgängig mehr oder weniger trübe
toire]
und deutlich Aggrezatpolarısation zeigende Pseudomorphosen nach
Spinell dar. Dass dieser als ursprüngliches Mineral vorgelegen
hat, geht, abzesehen von der Uebereinstimmung nach Form und
Verbreitung, daraus hervor, dass sich oft in der Umrandung des-
fe)
selben Granatkornes neben grünen auch braune und graue Kry-
ställchen nit Uebergängen in den Farben finden. Es gilt im All-
gemeinen die Negel: je kleiner die Formen, um so reiner grün
sind sie und um so frischer ist ihre Substanz, Grössere Krystalle
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 9]
sind stets umgewandelt, eme Erscheinung, die wohl mit dem Bau
derselben in Zusammenhang steht.
In einigen, zu den seltenen Vorkommnissen der begleitenden
Bestandmassen gehörenden, an Korund und Staurolith reichen
Aggregaten tritt Spinell, abweichend von der gewöhnlichen Er-
scheinungsweise, in einer annähernd farblosen oder schwach gelb-
lich oder rauchgrau tingirten Varietät auf, deren Frische sich durch
vollkommene Durchsichtigkeit und optisch einheitliches, isotropes
Verhalten kundgiebt. Er ist auch hier, in Association mit Korund,
Staurolith und Rutil, an die Nachbarschaft von Sillimanit und
Granat gebunden. Bei schwacher Vergrösserung erscheinen der-
artige Spinellanhäufungen in Folge der geringen Grösse der Indi-
viduen und der sich vielfach deckenden breiten Totalreflexionsränder
als mehr oder weniger dunkle Massen. Es bedarf daher starker
Vergrösserung zur Erkennung ihrer optischen Eigenschaften.
So interessant es gewesen wäre, bei der sicheren Kenntniss
der Mineralien, an welche sich die Bildung des Spinells knüpfte,
die chemischen Beziehungen zwischen ihm und jenen festzustellen.
musste doch hierauf verzichtet werden, da die Bemühungen, ihn
in solcher Menge und Reinheit zu isoliren, um mit Aussicht auf
sichere Resultate chemische Reactionen vornehmen zu können,
vergebliche waren. Die Isolirung durch Schmelzen mit kohlen-
saurem Kalinatron gelang zwar, doch blieb der Rückstand immer
inehr oder weniger durch Sillimanit- und Cyanitreste verunreinigt.
An den freigelesten Kryställchen konnte jedoch das isotrope Ver-
halten, das im Schliff wegen Einbettung in doppelbrechende Sub-
stanz nicht deutlich ist, festgestellt und damit jeder Zweifel über
die Zugehörtgkeit des Minerals zum Spinell beseitigt werden.
Welchem der Gruppe er angehört und ob überhaupt nur eine
Varietät vorliegt, muss dahim gestellt bleiben. Die meist helleren
Töne der grünen Varietät und die genetische Beziehung zu Biotit
sprechen wohl für deren Zugehörigkeit zum Pleonast. Ebenso
wenig konnte Klarheit über die Natur der Pseudomorphosen er-
langt werden. Die Grenzen, zwischen denen zu suchen ist,
sind jedoch eng gezogene, denn sie besitzen ungefähr denselben
Brechungsexponenten wie der frische Spinell und erweisen sich als
92 Max Koch. Die Kersantite des Unterharzes.
€
ebenso widerstandsfähig wie dieser gegen Säuren und Schmelzen
mit Kalinatroncarbonat.
Der Umwandlung des Spinells in solche stark lichtbrechende
Pseudomorphosen liegen jedenfalls andere, ältere Processe zu
Grunde als der einfache Act der Verwitterung. Wie an Schliften
stark verwitterter Einschlüsse beobachtet werden konnte, führt
dieser den Spinell in äusserst fein struirte, schwach grünliche und
schwach lichtbrechende Chloritaggregate über, welche nur noch
durch die Formen, welche sie erfüllen, auf das ursprüngliche
Mineral hinweisen.
Im Gestein selbst wurde Spinell nur sehr vereinzelt beob-
achtet. Da seine Bildung, wie oben erläutert wurde, zu einem
Theil auf Wechselwirkung zwischen Gesteinsmagma und Sillimanit
resp. CUyanit zurückzuführen ist und er immer örtlich an diese
_ Mineralien gebunden erscheint, können solche isolirt auftretenden
Kryställchen nur als aus dem Zusammenhang mit jenen losgelöst
P x Jen 1
angesehen werden !).
Korund.
Der Korund gehört zu den seltener auftretenden Mineralien
der begleitenden Bestandimassen. Im Stück geht er der geringen
Grösse seiner Individuen wegen der Beobachtung durchgängig ver-
loren. Er bildet in imniger Aggregation mit Spinell. Rutilnädel-
chen, und seltener Staurolith meist von seidenglänzenden Sillimanit-
büscheln umgebene schwärzliche Massen, deren unscheinbares
Aeussere den Reichthum an interessanten Mineralien nicht ver-
inuthen lässt. Unter dem Mikroskop erscheint er in 0,3-— 0,5 Milli-
ıneter langen bis 0,05 Millimeter breiten Leistchen von tief
himmelblauer Farbe, zeigt den für Korund charakteristischen Pleo-
!) Dass derartige mechanische Zerstörungen der frei im Magma schwimmenden
und daher sich stossenden und reibenden Bestandmassen stattfanden, dafür liefert
auch der Granat ein gutes Beispiel. Mehrere Präparate parallelfaseriger Sillimanit-
aggregate mit grösseren von Spinellkränzen umgebenen Granaten zeigen nämlich
an der Grenze gegen das Gestein halbkreisförmige von Spinell eingefasste Ein-
buchtungen, die ursprünglich nur von etwas über die Grenzen des Aggregates
hervorstehenden Granatkörnern herrühren können und erst nach deren Entfernung
mit Gesteinsmasse erfüllt wurden.
Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes. 953
chroismus von blau (OÖ) zu meergrün (E) und ist, abgesehen von
ganz vereinzelten Rutilnädelchen, vollkommen frei von Einschlüssen.
Wie aus der optischen Orientirung hervorgeht, entsprechen die
Leistchen jedoch nicht Schnitten prismatisch, sondern dünntafel-
artig ausgebildeter Individuen. Es musste daher auffallen, dass
sich in keinem der von solchen Aggregaten angefertigten Schliffe
Schnitte nach der Basis beobachten liessen. Dies Verhalten er-
klärt sich jedoch genügend aus der eigenthümlichen Anordnung
der Individuen (Taf. IV, Fig. 2), welche in gewisser Hinsicht
an diejenige der Rutilnädelchen in den Sagenitgeweben erinnert.
Die Korundtäfelchen stehen nämlich sämmtlich vertikal zu der-
selben Horizontalebene und sind um die Vertikale dieser Ebene
in der Weise gedreht, dass sie Winkel von 120° mit einander
bilden, jedoch so, dass nur zwei nach verschiedener Richtung ver-
laufende Systeme von Täfelchen vorhanden sind. Um Basisschnitte
zu zeigen, müsste die Ebene des Schliffes ziemlich genau mit der
Richtung eines der beiden Systeme zusammenfallen; weicht die
Schliffebene auch nur um einen geringen Winkel davon ab, so
werden bei der geringen Dünne der Täfelchen immer nur Leisten-
formen erscheinen können, die allerdings je nach der Schnittlage
unter sehr verschiedenem Winkel zusammenstossen, im extremsten
Falle sogar sämmtlich einander parallel laufen können. Dass
diese Erklärung die richtige ist, bewiesen die auf mechanischem
Wege isolirten Korundkryställchen, welche mehr oder weniger
deutlich hexagonal umrandete Formen besitzen von einem Durch-
messer, der der Länge der Leistchen entspricht. An ihnen konnte
der optisch negative Charakter der Doppelbrechung mit Sicherheit
bestimmt werden. Das weitmaschige Gewebe der Korundleistehen
umschliesst quadratische bis spitzrhombische Felder, welche dicht
init Spinellkryställchen, Rutilnädelchen und hier und da mit
Staurolithkörnern erfüllt sind. Die Gesammtmasse solcher Aggre-
gate umgiebt hingegen in breiter, unregelmässig zwischen die
Sillimanitbüschel vorspringender Zone grössere Granatkrystalle.
Ausser in den beschriebenen Kryställchen kommt Korund in
parallelfaserige Sillimanitaggregate eingebettet auch in farblosen,
unregelmässigen Körnern vor, jedoch immer nur sehr vereinzelt.
94 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
Staurolith.
Staurolith wurde nur in einigen bohnengrossen, feldspathfreien,
aber an Cyanit und Sillimanit reichen Bestandmassen beobachtet. Er
tritt entweder in mikroskopischen Körnern zusammen mit Spinell-
kryställchen und Rutil in den eben beschriebenen Maschen
zwischen den Korundtäfelchen oder in unregelmässig gestalteten,
bis 11’, Centimeter grossen Partieen in Cyanit und Sillimanit ein-
gebettet auf, wird aber auch hier dann und wann von Korund
durchbrochen oder häufiger von Leistchen desselben umschwärmt.
Unwillkürlich entsteht der Eindruck, als ob Korund ihm gegen-
über dieselbe Rolle spiele, wie der Spinell gegenüber dem Silli-
manıt resp. Granat und Glimmer. Auch die grösseren Partieen
stellen nicht derbe Massen, sondern ein einheitliches, unregelmässig
umrandetes Korn dar und sind, wie einmal am Stück. wiederholt
im Schliff beobachtet wurde, gesetzmässig mit Cyanıt verwachsen,
indem die Spaltflächen nach o beim Staurolith und M am Cyanit
zusammenfallen.
Die Spaltbarkeit nach dem Prisma zeigt sich in Schliffen nach
der Fläche o in zahlreichen feinen Nissen. Pleochroismus ist
stark: ce bräunlichroth, a hellgelblich. An Eimschlüssen beherbergt
er nicht allzu häufig Quarzkörnchen und zahlreiche, in den Formen
an Spinell erinnernde Kryställchen, welche da, wo sie beiderseits
vom Schliff angeschnitten sind, blassrosa durchsichtig werden,
jedoch Doppelbrechung erkennen lassen.
Apatit.
Wie schon im allgemeinen Theil erwähnt wurde, erscheint
der Apatit in unserem Eruptivgestein in von der gewöhnlichen
Weise recht abweichender Form und Grösse. Er findet sich
nämlich emzeln im Gestein in bis 3 Centimeter grossen, regel-
mässig eirunden und unregelmässig gerundeten Körnern oder im
theilweise durch Spaltflächen begrenzten, eckigen Bruchstücken. Nur
ganz vereinzelt beobachtet man Theile von Krystallflächen, an einem
Stück auf Begrenzung durch @P und oP hindeutend. Er ist
gewöhnlich farblos wasserklar, zeigt aber auch spargel- bis oliven-
Ne)
©
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
grime, nur im wenigen Stücken schwarze Farbe, oder hellen Kern
von schwarzer Zone umrandet. Die schwarze Färbung hat ihren
Grund nicht in Interpositionen, sondern ist Körperfarbe des Mi-
nerales. Sämmtliche Fundstücke sind Einzelindividuen und be-
sitzen, aus diesem Grunde durch die ganze Ausdehnung des
Stückes laufende, ausgezeichnete Quergliederung. Die Spaltflächen
nach dem Prisma setzen dagegen unregelmässig an der letzteren
ab. Die Contactfläche gegen das Gestein ist eigenthümlich rund-
höckerig, aber glatt, ähnlich wie sie an angeschmolzenen Quarz-
massen beobachtet worden ist; nur wenn Spaltflächen die Grenze
bilden, zeigt sich diese Ausbildung in geringerem Grade.
Einschlüsse von Grranat,. Kutil und das Vorkommen von ziem-
lich grossen Apatitkörnern in den zusammengesetzten Aggregaten
rechtfertigen seine Zustellung zu den Mineralien der begleitenden
Bestandmassen.
Die oben noch als weitere Gemengtheile der begleitenden Be-
standmassen genannten Mineralien, Magneteisen, Anatas,
Titaneisenglimmer und Kalkspath bieten theils nichts Un-
„ewöhnliches dar, theils treten sie so selten als Gremengtheile auf,
dass eine besondere Besprechung derselben nicht erforderlich ist.
Structurformen der zusammengesetzten Bestandmassen.
Die im vorstehenden Abschnitt im Einzelnen beschriebenen
Mineralien treten zu sehr verschiedenen. sowohl nach Structur
als auch nach Art, Menge und Grösse der betheiligten Mineralien
abweichenden Combinationen zusammen. Schon nach dem äussern
Ansehen lassen sich zwei Gruppen trennen, welche sich denn
auch in mineralogischer wie structureller Beziehung wesentlich von
einander unterscheiden. Die erstere umfasst die Combimation:
Orthoklas, Biotit, Quarz und, mit Ausschluss von Korund und
Staurolith. sämmtliche vorher beschriebenen seltenen Mineralien,
derartig struirt, das der Orthoklas das Bett bildet, in welches die
übrigen Mineralien eingelagert sind. Ihr schliessen sich Bestand-
massen an. die unter Fehlen des Orthoklases nur aus jenen
96 Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes.
selteneren Mineralien, einschliesslich des Korunds und Stauroliths,
bestehen. Die meist reiche Betheiligung von Granat bedingt eine
mehr oder weniger lebhafte röthliche Färbung der hierher zu
stellenden Aggregate.
Die Bestandmassen der zweiten Gruppe setzen sich zusammen
aus Plagioklas, Quarz, Biotit und Chlorit in Pseudomor-
phosen, deren Umrandung auf ursprüngliche Betheiligung eines
Bisilicats hinweisen. Von den übrigen Mineralien treten nur
selten Granat und Rutil hinzu. Die Structur derselben ist eine
regellos körnige.
Erste Gruppe. Der Orthoklas als der Träger der übrigen -
Mineralien bildet gewöhnlich ein einheitliches, durch die ganze
Ausdehnung der Masse einspiegelndes Korn, dessen Zusammen-
hang nur durch die eingebetteten Mineralien unterbrochen wird;
in selteneren Fällen tritt ein gross- bis mittelkörniges Aggregat
verschieden orientirter Körner an die Stelle, gewöhnlich unter
Betheiligung von Quarz- seltener von Apatitkörnern. Im frischen
Zustande ist er wasserklar, besitzt perlmutterähnlichen Glanz und
zeichnet sich durch einen Grad der Sprödigkeit aus, welcher dem
des Sanidins nicht nachsteht. Spaltrisse treten nur in sehr dünnen
Schliffen hervor und verlaufen in der Regel nicht gerad scharflinig,
sondern schwach gebogen (Taf. IV, Fig. 6). Der gemessene Wertlı
ler Spaltwinkel schwankte daher zwischen 90 und 94°. Die Be-
stimmung des spezifischen Gewichts (2,569) und die Analyse,
welche allerdings in Folge winziger eingelagerter Sillimanitnädelchen
etwas zu hohen Thonerde- und zu niederen Kieselsäuregehalt er-
gab, aber das Fehlen des Kalkes feststellte, brachten Sicherheit,
dass in dem Mineral wirklich Orthoklas und nicht Plagioklas vor-
liegt. Mit dem durch die Sprödigkeit und den Glanz bedingten
Charakter desselben als Sanidin stimmen auch die optischen Eigen-
schaften überein. Einige Schlifte. besser noch Spaltstückchen nach
der Absonderungsfläche k, welche bei gekreuzten Nicols und
oO
io)
Drehung des Objecttisches nahezu gleich hell bleiben, zeigten
nämlich, dass sich das Kreuz des Axenbildes nur wenig, bisweilen
iiberhaupt nicht merkbar öffnet, der Axenwinkel also einen sehr
niederen Werth besitzt. In einem Falle. in dem sich das Kreuz
Max Kocu, Die Kersantite des Unterharzes. 97
öffnete, war die Dispersion deutlich erkennbar o
Nach einer Mittheilung Herrn Prof. ROSENBUSCH'S
. © : l
dem Anatas an und ihre Form lässt sich als P.oP. -P.oP
m
deuten.
Der Granat, der hier und da emtritt, besitzt alle Eigen-
schaften wie in den Bestandmassen der ersten Gruppe, u. a. die-
selben einschlussreichen Centren mit zahlreichen honiegelben Rutil-
körnern, wohl ein Hinweis, dass beide Gruppen bezüglich ihrer
Herkunft nicht zu trennen sind. Da Sillimanit an der Zusammen-
setzung dieser Bestandmassen nicht theilnimmt, vermisst man je-
doch Umrandung mit Spinell, von dem er immer begleitet wird,
sobald er mit jenem Mineral im Nachbarschaft tritt.
Einige Bestandmassen, die sich zwar ihrer inineralogischen
Zusammensetzung nach dieser Gruppe anschliessen, aber in der
Structur abweichen, verdienen besondere Erwähnung. Dahin ge-
hören:
1. Stücke in eckiger Form vom Habitus des Gneissglimmer-
schiefers, welche sich aus Lagen von Biotitblättchen mit dazwischen-
liegenden Quarzkörnchen, Feldspathkrystalloiden und vereinzelten
(Granatkörnern aufbauen.
2. Im Stück hellgraue, feinkörnig
y
Oo
vorherrschend aus Chlorit in unregelmässigen Partieen oder mit
e Mineralanhäufungen, die
leistenförmiger Anhäufung der Flasern und vereinzelten, stark
ausgebuchteten @Quarzkörmern bestehen. Im Chlorit lieven zahl-
7°
100 Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes.
reiche Kalkspathrhomboöderchen, Anataskryställchen und in grosser
Menge Rutilnädelchen.
3. Andere Fundstücke zeichnen sich dadurch aus, dass sie
zunächst der Berührungsfläche mit dem Gestein eme vom Kern
abweichende Zusammensetzung aufweisen. Die äussere, sehr
wechselnd breite Zone führt in allen Fällen 1
Plagioklaskrystalle, welche gewöhnlich auf zwei Seiten, längs der
3 Millimeter grosse
Lamellirung Krystallbegrenzung zeigen, Quarzkörner mit Chlorit-
säumen und bisweilen leistenförmige Chloritpseudomorphosen, der
Kern besteht dagegen eutweder aus Chlorit mit Anataskryställchen
und Kalkspathrhomboäöderchen oder aus körnigem Kalkspath. Der
Uebergang aus dem einen Theil in den anderen ist ein allmäh-
licher, indem Feldspath seltener wird, Chlorit resp. Kalkspath da-
gegen überhand nimmt. Der Kalkspath bildet Aggresate unregel-
mässig gerundeter, bis 2 Millimeter grosser Körner und unter-
scheidet sich durch diese Form, durch Auftreten zahlreicher
Zwillmgslamellen nach — Vs R, namentlich aber durch seine Ein-
schlüsse wesentlich von dein secundären Mineral der Chloritpseudo-
morphosen oder dem Kalkspath als Zersetzungsproduct der Plagio-
klase. Als Einschlüsse treten nämlich winzige dunkelbraun durch-
scheinende, hexagonale oder in Schnitten senkrecht dazu schmal-
leistenförmige Blättchen auf, welche ich nach der Uebereinstimmung
mit dem Mineral, an dem die Grundmasse des frischen Kersantits
so reich ist, ebenfalls für Titaneisenglimmer halte. Die Menge
derselben ist z. Th. eme so grosse, dass sie dem Kalkspath im
Stück eine schwarze Farbe ertheilen, ihre Anordnung ist auch keine
willkührliche, denn nur Körnerschnitte, welche das Interferenz-
kreuz geben, zeigen die Einschlüsse in hexagonaler Umrandung;
es liegt also parallele Verwachsung beider Mineralien vor. Spär-
licher als solche Blättchen führt der Kalkspath anschemend opake
Säulchen, die bisweilen zu einem sechsstrahligen Stern zusammen-
treten und vielleicht dem Kutil angehören.
Derartige Bestandmassen finden sich in ungefähr wallnuss-
grossen Stücken von gerundeter Form und ziemlich scharf ab-
gegrenzter Contactfläche; sie sind jedoch immer nur seltene Vor-
kommnisse.
Max Kocn, Die Kersantite des Unterharzes, 101
Schlussbemerkungen.
Wenn sich auch em vollständiger Ueberblick über die Mo-
ınente, die zu einer Entscheidung der Frage über den Ursprung
der begleitenden Bestandmassen führen können, erst nach Abschluss
der Untersuchungen über die Bode-Kersantite, welche z. Th. die
gleichen, z. Th. aber- abweichend zusammengesetzte Mineralanhäu-
fungen enthalten, gewinnen lassen wird, möchte ich mir doch nicht
versagen, einige kurze Bemerkungen über die bisherigen Ergebnisse
und deren Verwerthbarkeit für die in Betracht kommenden Auf-
fassungen, ob ältere Ausscheidung oder Einschluss, schon an dieser
Stelle einzufügen.
Als feststehend kann angesehen werden, dass die begleitenden
Bestandmassen vor der Gesteinsverfestigung im Magma vorhanden
waren, dass sie theils mechanischer Zerstörung (Zerbröckelung und
Abrundung), theils chemischen, auf Einfluss des Magmas zurückzu-
führenden Veränderungen unterlagen (Hypersthen-, Spinell-, viel-
leicht auch Korundbildung,. Umsäumungen des Quarzes und Feld-
spaths), während sie ihrerseits auf den Krystallisationsprocess des
Gesteins emwirkten (diehtere Structur in ihrer Umgebung). Dies
wie ihre uneleichmässice Vertheilune in dem Gestein nach Menee
{>} ben) b =)
und Art — in der Börneck’schen Gemeinde - Waldung wurden
z. B. nur Bestandmassen der ersten Gruppe gesammelt —, ihre
Verschiedenheit in structureller wie mmeralogischer Hinsicht und
endlich die Betheiligung von Mineralien wie Granat, Spinell, die
wir hauptsächlich als Product der Contactwirkung kennen, anderer
wie der Cyanit, Sillimanit und Staurolith, welche als Ausschei-
dung in echten Eruptivgesteinen nicht vorkommen, die wir jedoch
in einigen Gliedern der archäischen Formation, Gmneissen und
Granuliten u. s. w., häufig als Gemengtheile antreffen, stimmen
sehr wohl zu der Deutung der Bestandmassen als mitgerissene,
veränderte Bruchstücke des krystallinen Schiefergebirges überein.
Der zuletzt angeführte Punkt, die Betheilizung von Thonerde-
silicaten, welche besonders für das krystallime Schiefergebirge
charakteristisch sind, scheint mir den hauptsächlichsten Grund
Ä
Q
egen die Auffassung der beoleitenden Bestandmassen als Aus-
>
I
102 Max Kocu, Die Kersantite des Unterharzes.
scheidungen, wenigstens derjenigen Gruppe, welche diese Mine-
ralien führen, abzugeben. In Uebereinstimmung mit der That-
sache, dass wir dieselben nicht als normale Gemengtheile der
Eruptivgesteine kennen, steht es, dass es bisher nicht gelungen
ist, dieselben aus Schmelzfluss darzustellen. Selbst wenn man die
Möglichkeit ihrer Bildung auf diese Weise annehmen wollte,
könnten sie sich doch nur aus einem an Thonerde reichen Ge-
stem ausgeschieden haben, der Kersantit ist jedoch arm an Thon-
erde. Der Umstand, dass sich Feldspath und Quarz, die herrschen-
den Gemengtheile des krystallinen Schiefergebirges in so reichem
Maasse an der Zusammensetzung betheiligen, spricht nicht minder
für eingehüllte Fragmente und begründet zugleich einen wesent-
lichen Unterschied unserer begleitenden Bestandmassen von den
sonst in mancher Beziehung viel Aehnliches aufweisenden An-
häufungen von Contactmineralien in den Dioriten von Klausen !).
TELLER und ‚JOHN fassen dieselben als »lokale Concentrationen
in Lösungen transportirter Contactproducte« auf, welche »während
der Eruptionsvorgänge durch Einwirkung von Gasen und Dämpfen
auf die durchbrochenen Schichtencomplexe« entstanden sind, eine
Deutung, welche in dem Fehlen von Feldspath und Quarz, in der
Form der Anhäufungen, nämlich rundlich begrenzte Massen, aber
auch »gestreckte mit dem Eruptivmagma verschlierte Blätter« und ın
der gleichmässigen Vertheilung des quantitativ herrschenden Con-
tactminerals, des Spinells, ihre Stütze findet. In unserm Erup-
tivgestein treten die Mineralanhäufungen nach den bisherigen Be-
obachtungen in keinem Falle in solchen mit dem Gestein innig
verwobenen Schlieren auf; der Spinell ist, wie oben nachgewiesen
wurde, derartig mit Sillimanit, Granat und Glimmer verknüpft,
dass man ihn nur als nachträglich erscheinendes Contactproduct
der schon vorhandenen Mineralanhäufungen, aber nicht als gleich-
zeitig mit diesen gebildetes Mineral ansehen darf. Das sind
Unterschiede, die eine gleiche Entstehungsweise, wie sie für jene
concretionären Mineralanhäufungen in Anspruch genommen wird,
nicht sehr wahrscheinlich machen.
) Terrer und Jons, Geolog.-petrogr. Beiträge zur Kenntniss der dio-
ritischen Gest. v. Krausen. Jahrb. d. k. k. geolog. Reichsanstalt 1882.
Max Kocu, Die Kersantite des Unterharzes. 103
Trotz vieler für die Deutung als Einschlüsse eintretender
Beobachtungen stellen sich einer solchen Auffassung doch manche
Schwierigkeiten entgegen. Die Bestandmassen der ersten Gruppe
zeigen zwar die Zusammensetzung und Paragenese gewisser Glieder
der krystallinen Schiefer, doch lassen sie die Structur der-
selben vermissen: eine vielleicht nur nach unsern bisherigen Kennt-
nissen von der Zusammensetzung der krystallinen Schiefer vor-
handene Discordanz zwischen Stoff und Structur, Ferner muss es
auffallen, dass keiner der gleichaltrigen Gänge der Orthoklaspor-
phyre (Grauen Porphyre des Harzes) und der Gangmelaphyre
(schwarzen Porphyre des Harzes), welche zwischen Brocken und
Ramberg, also unweit der Kersantitgänge von Michaelstein und
von der Bode, das Gebirge durchbrechen, gleiche oder ähnliche
Bestandmassen führt. In den erstern kommen zwar Granat und
eigenthümliche, graphitreiche, einschlussartige Massen vor, doch
sind dieselben nach Structur und Zusammensetzung von den
unsrigen gänzlich verschieden. Nach von GRODDECK!) scheinen sie
dem Oberharzer Kersantit nicht vollständig zu fehlen; er erwähnt
quarzreiche Massen mit Magneteisenköruchen und ein fasrig-fibro-
lithartiges Mineral aus dem Gestein vom Rosenthal und der Spiel-
ınannshöhe.
Eine immerhin in Betracht zu ziehende Auffassung der Be-
standmassen als Umwandlungsproducte eingehüllter Bruchstücke,
nicht der krystallinen Schiefer, sondern des der Beobachtung zu-
gänglichen Nebengesteins, der Thonschiefer und ihrer Einlagerungen
von Kalkstein, scheint aus dem Grunde ausgeschlossen zu sein,
weil die gesammelten Schieferbruchstücke keinerlei derartige Ver-
änderungen erkennen lassen und Kalksteinfragmente überhaupt
nicht zur Beobachtung kamen, abgesehen vielleicht von den am
Schluss der zweiten Gruppe erwähnten Mineralanhäufungen mit
einem Kern von Kalkspath, deren Deutung vor der Hand jedoch
eine unsichere ist.
Die Bestandmassen der zweiten Gruppe tragen in ihrer Structur
und Zusammensetzung eher den Charakter älterer Ausscheidungen,
!) Der Kersantitgang des Oberharzes. Jahrb. d. k. pr. geolog. Landesan-
stalt für 1882.
104 Max Koch, Die Kersantite des Unterharzes.
obgleich auch dieser Auffassung durch Betheiligung von Granat
mit centralen Anhäufungen von Mineralien, wie sie in der ersten
Gruppe vorkommen und durch den Reichthum an Quarz Schwierig-
keiten entgegenstehen.
Die Besprechung der Bode-Kersantite wird Veranlassung geben,
nochmals und vielleicht mit mehr Aussicht auf eine allgemein be-
friedigende Lösung auf die Frage der Entstehung der begleiten-
den Bestandmassen zurückzukommen.
Zur Geognosie der Altmark.
Unterschiede
in den geognostischen Verhältnissen derselben
gegenüber denen der Mark Brandenburg.
Von Herrn 6. Berendt in Berlin.
Wesentliche Unterschiede in den geognostischen Verhältnissen
| der Altmark, aus welcher soeben die 6 ersten geognostischen Karten-
| blätter (Lief. XXXII) erschienen sind,
Brandenbur& bestehen in erster Reihe in dem Auftreten dreier, ın
gegenüber denen der Mark
letzterer Gegend nicht vertretener Gebilde, des sogenannten Alt-
märkischen oder Rothen Diluvialmergels, des Thalthones (bzw.
auch des Thaltorfes) und des Schlickes. Es zeigen sich aber
schliesslich auch bereits Spuren der der Kurmark gleichfalls freinden
Schwarzerdebildung.
er jr
- _=\N
| = > I 2 = = -
5 er . ET
en 7 AI a Dean [
dm Rother Diluvialmergel. dh Diluvial- Thonmergel. ds Unterer Diluvialsand,
106 G. Berexpr, Zur Geognosie der Altmark.
Der Rothe Diluvialmergel.
Der Altmärkische oder Rothe Diluvialmergel!) ist
ein sich vom Oberen Geschiebemergel der eigentlichen Mark
Brandenburg durch eine bald mehr, bald weniger auffallende röth-
liche Färbung und vielfach durch eine gewisse Steinarmuth aus-
zeichnendes Grebilde. Er entspricht in dieser Hinsicht vollkommen
dem schon vor 20 Jahren auf dem ersten?) der Blätter der geo-
logischen Karte der Provinz Preussen unterschiedenen »Rothen
Diluvialmergel zweifelhafter Stellung«.
Wie dieser musste er anfangs lange Zeit im seiner Alters-
stellung als zweifelhaft betrachtet werden, bis endlich mit dem
Fortschreiten der Kartenaufnahmen aus der Gegend zwischen
Gardelegen, Calbe und Stendal bis an die Elbe bei Arneburg und
Tangermünde seine Zugehörigkeit zum Unteren Diluvialmergel
durch Bedeckung mit Thonen und Sanden des Unteren Diluviums
ausser Zweifel gestellt wurde®). Das vorstehende Profil vom
hohen Steilufer südlich des Städtchens Arneburg mit dem Blick
hinaus ins Elbthal möge das Gesagte noch deutlicher erläutern.
Die weiteren Lagerungsverhältnisse dieses Altmärkischen oder
Rothen Diluvialmergels bedürfen aber insofern auch der besonderen
Erwähnung, als sie gerade die Schuld tragen an der schweren Fest-
stellbarkeit seines Alters. Genau wie der Obere Diluvialmergel
bildet er nämlich meist entweder unmittelbar oder unter dünner
Decke von Geschiebesand die Oberfläche, und zwar nicht einmal
wie der Obere (reschiebemergel nur auf der Hochfläche und allen-
falls sich an den Gehängen derselben etwas hinabziehend, sondern
vielfach gleichmässig über Höhen und durch Thäler im Zusammen-
hange. Dabei ist auffällig eine Vergesellschaftung mit Rothem
ganz oder fast ganz Geschiebe-freiem Thonmergel an seiner Basis,
welcher nur selten durch eine geringe Sandschicht von ihm ge-
trennt oder garnicht vorhanden ist. Und endlich lässt sich betrefts
dieser Vergesellschaftung noch beobachten, dass im Grossen und
S. a. die Mittheilungen über denselben v. M. Scuouz, Jahrb. d. geol. L.-A.
für 1582, S. L und F. Krockmans, ebend., S. LI.
?) Sect. 6, Königsberg oder West- Samland.
3) A.a.0., 8. Lund LIl.
G. Berenpr, Zur Geognosie der Altmark. 107
Ganzen dass Verhältniss der Mächtigkeit zwischen Rothem Ge-
schiebemergel und darunter folgendem Rothen Thonmergel im
Thale das umgekehrte ist als auf der Höhe. Während der Thon-
mergel auf der Hochfläche sich zuweilen auf wenige Decimeter
beschränkt, erreicht er im Thale nicht selten mehrere Meter, und
während der Rothe Geschiebemergel auf der Hochfläche vielfach
die Anlage einige Meter tiefer Mergelgruben gestattet, weiss man
im Thale häufig kaum, ob man es überhaupt noch mit einer Gre-
schiebemergelbedeckung oder nur mit einer ursprünglich ober-
flächlichen Bestreuung des Rothen Thonmergels durch Geschiebe
zu thun hat.
ös ist schwierig, diesen Rothen Thonmergel, wie es sonst nahe
läge, als ein Schlemmprodukt des ebenso Rothen und mit ihm stets
vergesellschafteten Geschiebemergels zu betrachten. Denn wenn es
vom Standpunkte der Glacialtheorie auch sehr wohl denkbar ist,
dass durch Schlemmthätigkeit des Wassers aus der Grund-
moräne hervorgegangene geschichtete Bildungen demnächst von
der Grundmoräne selbst bedeckt werden konnten, in Wahrheit
also ein älteres, schon vorhandenes Gebilde jüngere durch Ab-
schlemmung aus ihm, zum Theil auch schon unter ihm, entstandene
Bildungen überlagern kann, so würde in diesem besonderen Falle
doch die oft schwer feststellbare Grenze des Ueberganges aus der
einen in die andere Bildung und die meilenweit, ja über Berg und
Thal, wie beschrieben wurde, nachweisbare Aufemanderlagerung
beider Bildungen zum mindesten Verhältnisse voraussetzen, wie
ich sie in meiner vereimigten Gletscherdrifttheorie angenommen
habe. Ja es würde den Anhängern der bis vor kurzem noch auf
ganz Norddeutschland angewandten Drifttheorie nicht schwer fallen,
hier wieder einzusetzen und den Rothen Thonmergel als das ur-
sprüngliche, im tiefen Wasser zum Absatz gekommene (rebilde
anzusprechen, welches in zweiter Hälfte der Bildung durch Ver-
unreimigung mit gröberem Materiale aus schwimmendem Eise mehr
und mehr zu einem zum Theil noch recht fetten und steinarmen
(reschiebemergel geworden sei.
Unwillkürlich fällt mir bei diesen altmärkischen Verhältnissen
immer wieder ein Wort unseres Altmeisters Herrn VON DECHEN
ein, dass er vor nicht langem zu mir sagte: »Mögen immerhin«, so
108 G. Berenpr, Zur Geognosie der Altmark.
ungefähr äusserte er sich, »im Osten Norddeutschlands die Lage-
rungsverhältnisse des Diluviums so zwingend sein, dass Sie und
Ihre Mitarbeiter zu solchen Schlüssen kommen, wie Sie gekommen
sind. Ich bin weit entfernt, die Richtigkeit zu bezweifeln; dazu
kenne ich den Osten zu wenig. Aber im Westen, wenigstens von
der Weser an, da komme ich mit meinen bisherigen Anschauungen,
d.h. mit der Drifttheorie, völlig aus.«
Ob wir übereinstimmend damit berechtigt sind, den diesen
Beobachtungen, namentlich dem «änzlichen Fehlen des Oberen
Diluvialmergels nach, naheliegenden Schluss zu verallgemeinern
und zu folgern, dass hier westlich von der Elbe zum Schluss der
Unteren Diluvialzeit bzw. zur Zeit des oberen Diluviums eine
zusammenhängende Eisdecke überhaupt nicht gelegen hat, also
auch eine Grundmoräne nicht zum Absatz gelangt ist, vielmehr
nur eine durch schwimmenden Eistransport, also durch Drift, sehr
wohl zu erklärende Geschiebesanddecke sich gebildet hat, wird
erst mit fortschreitenden Specialbeobachtungen in dortigen Gegenden
entschieden werden können.
Thalthon.
Der Thalthon, wie er als Einlagerung im Thalsande am
natürlichsten benannt werden dürfte, gehört, wie hiermit zugleich
ausgesprochen ist, einer namhaft jüngeren Zeitperiode, dem Thal-
diluvium bzw. der oberdiluvialen Abschmelzperiode, an. Die im
Elbthale unterschiedenen Thalsande bilden die direkte Fortsetzung
der aus der Gegend von Nauen und Spandau zuerst beschriebenen
Thalsande des grossen Berliner Hauptthales, und liegt somit bis
jetzt wenigstens keim Grund vor, dieselben nicht auch für völlig
gleichalterig zu halten.
Wenn es auch bei der Art der Entstehung der Thalsande in
(dem zum breiten Strome gesammelten und angeschwollenen, mit-
hin stark strömenden Schmelzwasser nicht gerade befreinden konnte,
dass thonige Bildungen in ihrer Begleitung bisher nicht beobachtet
wurden, so liegt es doch andererseits auch wieder zu sehr in der
Natur der Sache, dass weiter hinab zum Meere solche thonigen,
von den Schmelzwassern fortzeführten Sinkstoffe unter sonst
G. Berexpr, Zur Geognosie der Altmark. 109
günstigen Umständen mehr und mehr zum Absatze kommen und
als Ein- oder Auflagerung der Thalsande beobachtet werden
mussten.
In der Altınark, vorläufig in der Gegend des Elbthales zwischen
Tangermünde, Arneburg und Havelberg, haben die jüngsten Auf-
nahmen die ersten Spuren solcher Einlagerungen erkennen lassen.
Es ist eine meist nicht über 1/; Meter mächtige, häufig noch
dünnere Schicht eines hellblaugrauen bis weissbläulichen Thones,
welcher im feuchten Zustande zwar ziemlich zähe erscheint.
trocknend aber schnell sprockig wird und dann meist in kleine,
scharfkantige Bröckel zerfällt.
Aber auch ausserhalb des eigentlichen Elbthales ist der Thal-
thon bereits beobachtet worden. Professor GRUNER fand ıhn als
0,15 bis 0,2 Meter mächtige Einlagerung im Thalsande einerseits
südlich Wahrburg bei Stendal, andererseits südlich Hüselitz un-
weit Demker, also innerhalb der nördlich und südlich Tanger-
inüinde sich aus dem Elbthale nach Westen abzweigenden Niede-
rungen. Und ebenso beobachtete ihn Dr. WAHNSCHAFFE in nur
Uentimeter mächtigen Schmitzchen im echten Thalsande der Gegend
von Rathenow.
Analysen von Thalthon werden voraussichtlich die Erläute-
rungen zu den Messtischblättern Jerichow, Arneburg, Sandau und
Havelberg bringen. Die erste derselben giebt Professor GRUNER
in den Erläuterungen zu Section Lüderitz.
Man findet den Thalthon aufgeschlossen durch zahlreiche
kleine Gruben mitten in den grossen Thalsandinseln des breiten
Elbthales.. So namentlich bei Jerichow, Schönhausen, Hohen-
Göhren und Neuermark. Unter 2. 3 und mehr Meter bedeckenden
Thalsanden graben die Bauern diesen zu manchen Zwecken ihnen
brauchbaren Thon in immer wieder neuen. durch Wasser schnell
zulaufenden Löchern, obwohl sie doch den vielfach sogar fetteren
Schlick ungleich bequemer und meist ebenso nahe haben können.
Befragt bezeichnen sie den in Rede stehenden Thon eben einfach
als »anderer Art« oder sogar als »Bergthon«, gerade so wie die
Arbeiter und Ziegler der Gegend von Werder den Glindower
(Berg-) Thon scharf unterscheiden von dem Ketziner Wiesenthon.
110 G. Beresnpr. Zur Geognosie der Altmark.
Wenn der Thalthon nun andererseits auch wieder zuweilen
in seinem Befunde eine eorosse Aehnlichkeit mit benachbartem
Elbschlick, namentlich tieferen Schichten desselben, zeigt, so ist
doch an ein Fortsetzen des letzteren unter den ein paar Kilometer
breiten und mit geringen Unterbrechungen sich von Jerichow über
Schönhausen, Hohen-Göhren, Neuermark und Sandau mehrere
Meilen hinziehenden Thalsandinseln, wie anfänglich in Betracht
gezogen werden durfte, schon um desswillen nicht zu denken, weil
trotz zahlreicher Versuche es seither an keiner Stelle gelungen ist,
durch Bohrungen den die Inseln umgebenden Klbschlick weiter
als bis an oder in den Rand dieser Inseln zu verfolgen. Hier
aber zeigte sich vielfach em deutliches Auskeilen oder Anlegen
und schliesslich wurde sogar an Stellen wie z. B. bei Liebars unter
dem das Liegende des Elbschlickes am Rande der Insel bildenden
Sande der Thalthon als dritte Schicht nach der Tiefe zu erbohrt.
Eine gewisse Aehnlichkeit mit den Schlickbildungen über-
haupt darf aber an sich bei dem Thalthon auch garnicht auf-
fallen, wenn man bedenkt, dass seme Bildung in dem von den
Schmelzwassern der diluvialen Vereisung gebildeten breiten Thale
unter ganz entsprechenden Verhältnissen, nämlich zur Zeit einer
längeren Ueberstauung der weiten, flachen Sandinseln desselben
stattfand.
Thaltorf.
Ganz im Uebereinstimmung damit findet sich nun auch auf
weite Strecken hin eine 1 bis höchstens 2 Decimeter mächtige
Bedeckung des Thalthones durch fein geschichteten, zunächst mit
dem Thon in Centimeter dünnen Streifchen wechsellagernden, dann
völlig reinen Moostorf. Professor GRUNER beobachtete denselben
in einer grossen Anzahl den Thalthon unter 1—3 Meter nach-
weisenden Handbohrungen zwischen Jerichow und Schönhausen
und ebenso Dr. WAHNSCHAFFE zwischen Sandau und Havelberg.
Proben dieses Thaltorfes, wie ich die feingeschichteten
Moosschichten im Thalsande mit diesem übereinstimmend be-
zeichnen möchte, welche ich unserem bekannten Mooskenner
Dr. KArL MUELLER in Halle zusandte, bestimmte derselbe als aus
G. Berenpr, Zur Geognosie der Altmark. 111
Hypnum luitans oder einem ihm sehr nahestehenden Moose be-
stehend. Auf meine sowohl durch seine Lagerstätte im Thalsande,
als seine grosse Aehnlichkeit mit dem im eleichalterigen Haide-
sande der kurischen Nehrung s. Z. beobachteten, ganz aus nordischen
Moosen bestehenden Moostorf begründete besondere Anfrage, ob
Hypnum jluitans sich auch mit der Annahme von Schmelzwassern
des Eises in dem die Lagerstätte bildenden Thale vertragen würde,
antwortete mir derselbe Kenner umgehend:
» Hypnum Hurtans kommt überall ın Europa, Asien und
Amerika als Mitglied der gemässigten Zone in Sünmpfen vor, so-
wohl in der Niederung, wie auf den Alpen. Sem Vorkommen in
dem Schmelzwasser des Eises wäre um so weniger ausgeschlossen,
als es auf der südlichen Hemisphäre, z. B. auf Süd-Georgien, ganz
nahe verwandte Arten giebt, welche in solchen Gewässern üppig
gedeihen. Ich zweitle keinen Augenblick, dass ein so verbreitetes
Sumpfmoos in grauester Vorzeit so gut wie Uypnum turgescens und
Hypnum nitens vorkam. Nur möchte ich mich nicht so bestimmt
darüber aussprechen, weil die vorliegenden Torfproben dieses Moos
weit mehr zersetzt zeigten, als dies ehemals mit den Moosen der
kurischen Nehrung der Fall war. Darum sagte ich: Hypnum
Huwitans oder ein ihm nahestehendes Moos.«
Schlick.
Der Schlick ist das dritte in der Berliner Gegend nicht
vertretene und in den Allgemeinen Erläuterungen zum Nord-
westen jener Gegend daher auch nicht beschriebene thonige
Gebilde. Der Schlick gleicht in seiner Zusammensetzung und
seinem Verhalten unter den aus der Berliner Gegend be-
schriebenen Gebilden am meisten dem Wiesenthon. Wie dieser
ist er ein in frischem und feuchtem Zustande sehr zähes. beim
Trocknen stark erhärtendes, oft in scharfkantige Stückchen zer-
bröckelndes, thoniges Gebilde, besitzt aber in der Regel einen noch
grösseren Gehalt an feinstem, als Staub zu bezeichnendem Sande.
Von hellblaugrauer, wo er schon trockner liegt gelblicher Farbe
geht er nach oben zu durch Mengung mit Humus bis in voll-
schwärzliche Färbung über.
ständig
1a) G. Berenpr, Zur Geognosie der Altmark.
Wo er nicht dünne Sandschichtchen eingelagert enthält oder
mit solchen geradezu wechsellagert, erscheint er ungeschichtet.
üigenthümlich ist ihm in den soeben erschienenen Sectionen
westlich der Elbe bzw. an der Milde), aber auch ebenso
östlich an der Elbe?) und Havel?), ein verhältnissmässig nicht
geringer Eisengehalt, welcher sich sowohl in der blaugrauen, wie
der schwärzlichen Ausbildung vielfach geradezu durch rothgelbe
Flecken oder auch wohl gar eingesprengte Raseneisensteinkörnchen
bemerklich macht. Kalkgehalt fehlt ihm nicht nur in der Gegend
der Milde, sondern auch fast durchgängig an der Elbe und unteren
Havel, und dies begründet in erster Reihe einen sehr deutlichen
Unterschied von den seiner Zeit in der Potsdamer Gegend, nament-
lich bei Ketzin, unterschiedenen Havelthonmergeln, wie schon
von WAHNSCHAFFE*) hervorgehoben worden ist. Andererseits ist
ihm aber auch ebenso wie diesen Wiesenthonmergeln und Wiesen-
thonen, namentlich in den oberen Lagen, häufig eine Beimengung
deutlicher Pflanzenreste eigen, welche, wenn sie vorhanden ist,
zugleich wieder ausser seinen Lagerungsverhältnissen eins der
deutlichsten Unterscheidungsmerkmale von diluvialen Thonbildungen
abgiebt. j
Grober Sand, Grand und Gerölle fehlen ihm nicht nur voll-
ständig, sondern der ihm in meist bedeutenden Procentsätzen
(S. die angezogenen Analysen) beigemengte Sand bzw. Staubgehalt
ist ihm so eigenthümlich, dass man durch zurücktretenden Thon-
gehalt geradezu Uebergänge in eine feine Sandbildung beobachten
kann und sich genöthigt sieht, diese als eine gesonderte Alluvial-
bildung unter dem passend scheinenden Namen Schlicksand zu
unterscheiden.
Humose Rinde diluvialer Schichten.
Schliesslich muss noch im Allgemeinen eines auffälligen
Humusgehaltes der meisten Diluvialbildungen an ihrer Ober-
') Vgl. die Analysen im III. Theile der Erläuterungen zu Sect. Calbe a/M.
und Bismark.
2) Vgl. die Analysen in F. Wansscuaree: Die Quartärbildungen der Um-
gegend von Magdeburg. 1885, S. 96 u. 97.
3) WansscHarre im Jahrb. d. geol. L.-A. für 1885, S. 128.
4) Brietl. Mittheil. im Jahrb. d. geol. L.-A. für 1832, S. 440.
G. Berenpr, Zur Geognosie der Altmark. 113
fläche gedacht werden. Derselbe ist insofern nicht nur agro-
nomisch, sondern auch geologisch von Bedeutung, als er, weil
vielfach namhaft tiefer als jede durch den Pflug jemals bewegte
Ackerkrume zuweilen selbst bis 1 Meter Tiefe hinabreichend, für
eine natürliche Beimengung angesprochen werden muss. Die
Analysen Prof. GRUNER's aus der Gegend von Schinne ergaben
einen Humusgehalt von
2,83 Procent in 6,7 Meter Tiefe,
2,03 » » 0,8 » »
2,02 » » 10» »
Da sich diese Humusbeimengung aber gleichzeitig namhaft
über dem Niveau der heutigen Thäler findet, ja die Thalsenken
in breiten, vielfach bis auf die Plateauhöhe hinaufreichenden
Flächen umrändert, so sieht man sich genöthigt, die Zeit ihrer
Entstehune bis mindestens an die Grenze des Diluviums bzw.
der grossen Abschmelzperiode des Eises zurückzulegen. Ich habe
diese Humusbeimengung namentlich des Altmärker Rothen Diluvial-
mergels und des Rothen Thonmergels daher auch bereits vor
12 Jahren, als ich sie kennen lernte, für ein Aequivalent der hu-
mosen Rinde des Lösses, also z. B. des Bördebodens der Magde-
burger Gegend, gehalten und stimme betreffs ihrer Entstehung
ganz mit F. WAHNSCHAFFEs Ausführungen !) überein, denen zu-
0
folge sie in letztgenannter Gegend auf eine üppige Grasvegetation
der nach erster Trockenlesung entstandenen Steppe zurückzu-
führen ist. Wie diese Grasvegetation sich aber naturgemäss nicht
an eine bestimmte, den Boden bildende Schicht band, wenn sie
auch vielleicht auf dem anfangs noch feuchten feinkörnigen Löss
sich besonders leicht üppig entwickelte, so bindet sich auch diese
schwarze humose Rinde eben nicht an den Löss allein.
In dem vorliegenden Bereiche der Altmark gehört sie, genau
wie in dem durch seine Fruchtbarkeit bekannten schwarzen ku-
javischen Boden des östlichen Posens und andererseits völlig ent-
sprechend der schon ım „Jahre 1865 Gegenstand meines nur
handschriftlich vorhandenen, ausführlichen Gutachtens gewesenen
') »Die Quartärbildungen der Gegend von Masdeburge, S. 75.
Jahrbuch 1886, Ss
114 G. Berenopr, Zur Geognosie der Altmark.
Schwarzerde der Gegend von Mewe und Pelplin in Westpreussen,
wie endlich in der neuerdings durch Dr. H. SCHROEDER in der
Gegend von Rössel und Bischofstein entdeckten gleich fetten
Schwarzerdebildung, bald einer Schicht echten Geschiebe-führenden
Diluvialmergels, bald dem Geschiebe-freien Diluvialthonmergel an.
Ja selbst in dem Sandboden des benachbarten Geschiebe-
sandes und namentlich des nicht minder hoch über die Thalsohle
hinaufreichenden Thalgeschiebesandes macht sich eine leichte, auf
gleiche Ursache zurückzuführende Humusfärbung bis in grössere
Tiefe geltend.
Selbstverständlich ist die Folge dieses mehr oder weniger
starken Humusgehaltes, namentlich der schon an sich guten Böden
des gemeinen Diluvialmergels und des Diluvialthonmergels, eine
besondere Fruchtbarkeit, wie solches auch namentlich im agro-
nomischen Theile der Erläuterung zu Section Schinne von Pro-
fessor GRUNER nachgewiesen wird.
Hand in Hand mit dieser Humificirung des Bodens, ja man
möchte sagen wie ein Leitgeröll für dieselbe oder doch das von
ihr in der Gegend eingenommene Niveau, geht endlich die Ver-
breitung gelber bis gelbbrauner Feuersteine (Iktero-
lithen), deren regelrechtes Vorkommen in diesen vermuthlich zum
Schluss der Diluvialzeit, in NEHRING's Steppenperiode mit sub-
arktischem Klima, noch mehrfach unter Wasser gesetzten Gebieten
zuerst von Professor ScHoLz beobachtet und durchweg nachge-
wiesen wurde. Dem bei den Aufnahmen schon mehrfach bemerk-
lich gewordenen Bedürfniss nach kürzerer Verständigung ent-
sprechend, möchte eine Unterscheidung dieser Feuersteine von den
sonst im Diluvium vorkommenden in der That erforderlich sein,
und ich wähle hierzu den Namen Ikterolithen!) (Gelbsteine).
Es sind eben nicht (oder höchst selten und ausnahmsweise) die häu-
figer in der dänischen Kreide vorkommenden, wirklich, d.h. durch
und durch gelben Feuersteine. Beim Zerschlagen zeigt sich die
auffallend gelbe oder gelbbraune Farbe vielmehr nur auf die 1 bis
höchstens 2 Millimeter starke Verwitterungsrinde beschränkt, und
) Von ixreoos, Gelbsucht.
G. Berexpr. Zw Geognosie der Altmark. 115
ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Färbung mit der
Humustränkung des Bodens und den damit verbundenen, auch
unseren heutigen Torfmooren und ihrer Umgebung vielfach eigen-
thümlichen braunen Wassern in Verbindung bringe. Auch im der
Umgebung unserer heutigen Torfimoore beobachtet man diese gelbe
Färbung der Rinde des Feuersteines. Es würde sich daher wohl
der Mühe lohnen, den nur aus Mangel an Zeit bisher unterlassenen
Versuch zu machen und experimentell den Beweis für den genannten
ursächlichen Zusammenhang zu führen.
g*
Geologische Algenstudien.
Von Herrn J. @. Bornemann in Eisenach.
(Hierzu Tafel V und VI.)
Bei der grossen Bedentung, welche den Kalkalgen in der
Geologie wegen ihrer Mitwirkung an dem Aufbau von Kalk-
schichten und ganzen Schichtensystemen offenbar zukommt, ist es
von allgemeinerem Interesse, die fossilen Vorkommnisse solcher
steinbildenden Gewächse einer genaueren mikroskopischen Unter-
=
suchung zu unterwerfen und sie mit analogen Pflanzen aus der
gegenwärtigen Flora zu vergleichen.
In Bezug auf die Verhältnisse des kohlensauren Kalkes zum
Organismus der lebenden Algen herrscht auch bei den Botanikern
vielfach noch Unklarheit. Das Verständniss der biologischen Er-
scheinungen, welche sich auf die undurchsichtigen, von den Pflauzen
gebildeten Kalkkörper beziehen und selbst die anatomische Kenntniss
dieser Bildungen, welche wegen ihrer harten Theile unbequem zu
präpariren sind, lassen noch viel zu wünschen übrig, und ihr Studium
bietet em dankbares Feld für specielle Untersuchungen.
Einige hierher gehörige Beobachtungen habe ich früher in
Sitzungen der deutschen zeologischen Gesellschaft 1) mitgetheilt
nnd in meiner Monographie der Verstemerungen des cambrischen
Schichtensystems der Insel Sardinien ?) mehrere zu den Algen zu
stellende Vorkommnisse beschrieben, unter denen besonders die
l) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1885, S. 553.
2) Nova Acta d. k. Leop. Carol. Akademie, Bd. LI, 1, 1885.
J. G. Borsemans., Geologische Algenstudien. al
silurische Siphonema inerustans, welche oolithähnliche Concretionen
bildet, mit ihren gekrümmten Schlauchfäden deutlich auf die nahe
Verwandtschaft mit lebenden Phycochromaceen hinweist.
Ich gedachte bei diesem Anlass der steinbildenden Zono-
trichien D), deren Bedeutung für die Kalksteinbildung mir auffiel
und hatte bald darauf die Freude, em vollkommenes Analogon
dieser Süsswasser-Rivulariaceen aus rhätischen Schichten Ober-
schlesiens kennen zu lernen.
Ueber diesen Fund wurde im der geologischen Gesellschaft
vorläufig berichtet?) und soll die nähere Beschreibung des Zono-
trichites lissaviensis in emem Abschnitt dieser Arbeit gegeben
werden.
Auch die Untersuchung der Gesteine des thüringischen
Muschelkalks liess Kalkbildungen erkennen, welche auf die Her-
kunft von Algen hindeuten. Besonders sind das die durch ihr
lockeres faserig-zelliges Gefüge merkwürdigen Mehlsteine, welche
‚ls em vegetabilisches Gebilde ?) ((alcinema triasinum) anzusehen
sind; und ferner auch feste Kalksteinkörner, welche zerstreut in
oolithischen Gesteinen vorkommen und sich durch ihre wohlerhaltene
Zellenstructur als abgeriebene Körner von Zonotrichitenkalk kenn-
zeichnen #).
Biologisches.
Die Wechselverhältnisse, welche zwischen der lebenden Algen-
vegetation und dem Kalkstein oder kohlensaurem Kalk stattfinden,
bieten mancherlei Erschemungen dar, welche sowohl für den Geo-
logen als für den Botaniker von Wichtigkeit, zum Theil aber noch
wenig beachtet worden oder fast unbeachtet geblieben sind. Es
lohnt sich daher der Mühe, auch diese Verhältnisse genauer zu
verfolgen. Während die eigentlichen »Kalkalgen« aufgelösten Kalk
aus dem Wasser in sich aufnehmen, unter Zersetzung eines Theils
der Kohlensäure festen, einfach kohlensauren Kalk in ihren Mem
)]. c. 98.19.
o) Zei tschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1586, S. He
») Dieses Jahrbuch für 1885, $. 239 290, RT:
#) ]. c. S. 276, Taf. IX, Fig. 3a.
118 J. @. Borsemans, Geologische Algenstudien.
branen ablagern und in linearem oder Flächen-Wachsthum volumi-
nöse Krusten und Steingebilde erzeugen, giebt es andere Algen,
welche in ihrem Zellenbau manchen Kalkalgen sehr nahe verwandt
erschemen, aber in Bezug auf ihre Lebensweise dem Kalk gegen-
über ganz die umgekehrte Arbeit verrichten als jene.
(fewisse niedere Formen wachsen an Kalksteinen, welche im
Wasser liegen; sie erzeugen aber keine Kalkkrusten, sondern sie
zerbohren und zerfressen die Oberfläche der Steine, auf welcher
sie sich angesiedelt haben. Die von ihnen bewohnten Kalksteine
werden nach und nach zerstört, indeın der Kalk durch die Algen
aufgelöst und in wässrige Lösung übergeführt wird.
Es g
störende Algen, während die Mehrzahl der Algenarten über-
iebt also kalksteinerzeugende und kalksteinzer-
haupt sich gegen die von ihr bewohnte Unterlage indifferent zu
verhalten oder auch ihr eine schützende Decke gegen andere Ein-
wirkungen von aussen zu gewähren scheint. Die Beziehungen der
Algenvegetation zu den Kalkgesteinen sind also mannichfaltig und
nach dreifacher Richtung zu unterscheiden.
I. Kalksteinzerstörende Algen.
Die Thatsache, dass Kalksteine von Pflanzen angefressen
werden, ist bekannt. Von den durch Schurf- und Rindenflechten
bewirkten Verwitterungserscheinungen an der Oberfläche der Felsen
hat SEnrtr") anschauliche Beschreibungen gegeben. Die Aufein-
anderfolge der Pflanzenformen, welche den Humusboden bilden
und besiedeln, die mechanische Kraft, mit der die Wurzeln der
Phanerogamen in die Tiefe dringen, sind oft besprochene Er-
scheinungen ?); das Wesen der Humussubstanzen und der Pflanzen-
) Sener (Steinschutt und Erdboden. Berlin 1867, S. 21) sagt: »keine Felsart
wird mehr von den Flechten heimgesucht als der Kalkstein. Sobald sich diese
auf ihm angesetzt haben, wird er an seiner Oberfläche bald mürbe, rissig, löcherig,
ja man kann sogar bemerken, dass alsdann die Flechten selbst die Kalksteinmasse
anätzen, denn unter jeder derselben erscheint enme mit erdigem Kalk bedeckte
Vertiefung«. Vergl. auch Sexer, Humus, Marsch- und Torfbildungen S. 15.
2) cf. Sexrr, Fels und Erdboden, München 1876, S. 168. — v. Rıcurnores,
Führer für Forschungsreisende 1886, S. 99.
J. G. Borsemans, Geologische Algenstudien, 119
säuren und ihrer Einwirkungen bei der Verwitterung ist ein Haupt-
gegenstand der Agriculturchemie; aber genauere Beobachtungen
über die Art und Weise, in welcher zarte Algen die Gesteine an-
greifen, habe ich in der Literatur vergebens gesucht.
Ich gebe desshalb hier eine im vorigen Jahre an einer un-
scheinbaren Süsswasseralge gemachte Beobachtung wieder, zu
welcher das in einem Gebirgsbach oberhalb Mosbach bei Eisenach
gesammelte Material Gelegenheit bot.
Im Wasser des rasch fliessenden Baches lagen abgerundete
Kalksteingerölle, deren fast glatte Oberflächen an der dem Lichte
zugekehrten Seite lebhaft grün gefärbt waren. Der graue Kalk-
stein stammt von einer harten Bank des unteren Muschelkalks
her, enthält einige in Kalkspath verwandelte kleine Schnecken
(Natica gregaria) und zahlreiche, sehr feine Kalkspathadern, welche
die dichte graue Grundmasse in verschiedenen Richtungen durch-
setzen. Während die Oberfläche der Gerölle an der Unterseite noch
völlig frisch und unversehrt ist und noch ihre ursprüngliche Farbe
hat, erscheint sie an der Oberseite stellenweise nur grün gefärbt,
an manchen Stellen ist sie aber leicht angefressen und riecht beim
Anschlagen stark nach Algen. Beim Auseinanderschlagen eines
Stückes zeigte sich, dass die grüne Färbung von aussen her in
den harten dichten Kalkstein bis ca. 0,5 Millimeter tief einge-
drungen ist und folglich eine ebenso dicke grüne Rinde bildet.
Untersucht man eine Probe dieser Rinde unter dem Mikroskop,
nachdem man mit Säure den Kalk entfernt hat, so sieht man ein-
fache gerade, lebhaft grüne Gliederfäden, jeder von einer beson-
deren, durchsichtigen Scheide umgeben, also die Charaktere einer
Lyngbya nach der jetzt üblichen Auffassung ').
Unter den zahlreichen, von Kürzıng abgebildeten Formen
steht sie wohl der Hypheothrix Zenkeri Kürz. ?). Tabulae phycol. I
tab. 69, II am nächsten.
1) Leunis Synopsis, 3. Aufl., 1886 ed. Frank. $ 925. Ordnung Phycochromacae,
Familie Oscillarieae.
2) cf. Rasennorsr, Flora Europaea Algarum II, 1865, p. 85.
120 J. G. Borsanann, Geologische Algenstudien.
Die gemessenen Dimensionen sind:
Durchmesser der Gliederfäiden . . . . 2% = 0,002 Millimeter
Aeusserer Durchmesser der Schläuche . 4y
Länge der Gliederzellen . . . . 1,8—2,5 y
Die Schläuche oder Scheiden sind farblos, die Zellen ver-
mehren sich durch Quertheilung.
Die gewöhnlich von den Botanikern bei der Untersuchung
solcher Pflanzenformen angewandte Methode beginnt damit, sich
möglichst schnell durch Säuren des Kalkes zu entledigen, welcher
bei dem mikroskopischen Praepariren hinderlich ist. Damit ist
aber für die Frage nach dem Einfluss der lebenden Pflanze auf
den von ihr bewohnten Kalkstein nichts gewonnen. Wir kennen
in Folge dessen zwar eine grosse Menge niederer Algenformen,
wissen aber wenig über ihre Lebensweise.
Die Anfertigung von Dünnschliften ist auch hier das Mittel
zur genaueren Untersuchung.
In Dünnschliffen, welche senkrecht zur Oberfläche des Steines
ausgeführt werden, sieht man die Algenfäden meist parallel neben
einander liegen; jeder hat sein eigenes cylindrisches Loch gebohrt.
Einzelne sind weiter in das Gestein vorgedrungen als die andern,
und je näher der Oberfläche, um so dichter liegen die grünen
Fäden neben einander.
Diesem Verhältniss entsprechend erscheinen Dünnschliffe,
welche parallel zur Oberfläche des Kalksteins geführt sind, sieb-
artig durchbohrt von kleinen runden Löchern, welche um so dichter
neben einander stehen, je näher die Schnittebene an der Aussen-
fläche des Steines liegt.
Die Weite der cylindrischen Poren entspricht genau dem
Aussendurchmesser der Scheiden, also 4 «, während die Tiefe meist
0,5 Millimeter = 500 u beträgt.
Die Poren sind gerade, die Algenfäden dringen senkrecht zur
Oberfläche in das Gestein ein, und es ist bei ihrem Fortschreiten
gleichgültig, ob sie sich in der grauen Kalksteinmasse oder inner-
halb zarter Kalkspathtrümer befinden, welche oftmals die Grund-
masse quer oder schräg durchsetzen.
J. G. Borsemans, Geologische Algenstudien. 121
Es wohnt also jedem Algenfaden die Kraft inne, sich in den
harten Kalkstein bis zu einer Tiefe einzubohren, welche das 100fache
semes Durchmessers übersteigt. Die Scheiden sind dabei unthätie,
nur die Gliederzellen, welche aus den Enden der Schläuche frei-
beweglich auszutreten verinögen, lösen im Grunde ihrer Bohrlöcher
den kohlensauren Kalk auf, verwenden die zu ihrem Leben nö-
thigen Stoffe und geben den Kalk in aufgelöster Form an das
fliessende Wasser ab.
Die Arbeit, welche sie leisten, kommt offenbar auf Rechnung
der chemischen Eigenschaften des Protoplasma, nicht auf mecha-
nische Vorrichtungen, wie man sie bei den Bohrschwämmen ge-
sucht und zu finden geglaubt hat.
Diese gewiss bemerkenswerthe Bohrarbeit durch Algen scheint
von Anderen noch nicht beobachtet worden zu sein. In einer Ab-
handlung von ©. B. Rose über » Parasitic borings in fossil fish scales!)«,
in welcher die Kanäle?) von Bohrschwämmen behandelt sind, ist
zwar die Rede von einer »invasion of recent corals, shells and
bones by boring sponges (Ulionae) and Confervae« und wird hierzu
auf Quekett's Lectures on the Histology of Animals, Vol. II, p. 42,
153 ff. verwiesen, in diesem Werke ist aber p. 42 nur von Bohr-
kanälen in emer Pinna die Rede, welche von einem Schwamm
herrühren und zwar von »a species reminding us again of a confer-
void growth, but when exposed to a red heat the characteristic
odour given off from the fibres is very perceptible and indicative
of their animal nature«. Ebenso sind 1. c. p. 153 nur parasitische
Poren in Corallen (Tubipora) behandelt, welche von Bohrschwämmen
herrühren, in denen sich gewöhnlich nach dem Absterben der-
selben auch Conferven einnisten.
Neuerdings hat G. v. LAGERHEIM Algen ?) aus der Ordnung
der Phycochromaceen beschrieben, welche Bohrkanäle in Muschel-
schalen an der schwedischen Küste bewohnen. Seine Worte sind:
') Transactions of the microscop. Soc. of London, Vol. Ill, 1855, p. 9.
°) Aechnliche verzweigte Porenkanäle, wie die von Ross |. e. abgebildeten,
finden sich schon im Muschelkalk in Schalen von Terebratula vulgaris, sowie in
Kalkkörnern zwischen Oolithkörnern in einem Gestein vom Petersberg bei Kisenach.
®) Mastigocoleus testarum Lacerusin in Notarisia, Aprile 1586.
199 J. @. Borsenans, Geologische Algenstudien.
»1l est vraisemblable que lalgue secrete quelque substance qui
dissout la chaux; par contre ıl est invraisemblable que ces canaux
se forment d’une maniere mecanique«.
Eine bestimmte Lösung der Frage nach der Entstehungsart
der Bohrkanäle ist also hier nicht gegeben, ebenso wenig als bis
jetzt das Problem der von den Bohrschwämmen selbst herrühren-
den Kanäle genügend untersucht ist )).
Wie bei den Pholaden der Schleim des Fusses der Haupt-
factor für die Aushöhlung der tiefen Bohrlöcher durch chemische
Auflösung des Kalkes ist, so sind jedenfalls auch bei den Bohr-
schwämmen, wie bei den oben beschriebenen Algen die organı-
schen Säfte die wirksamsten Auflösungsmittel, und man wird zur
Erklärung der fraglichen Erscheinung nicht nöthig haben, die An-
nahme besonderer mechanischer Vorrichtungen zu Hülfe zu nehmen.
li. Kalksteinbildende Algen.
Es ist nicht beabsichtigt, hier eine erschöpfende Darstellung
des so umfangreichen Formenkreises der Kalkalgen zu geben,
sondern nur einige für die Geologie wichtige Gesichtspunkte für
das Studium dieser so lange verkannten Wesen hervorzuheben.
SCHWEIGER war der erste, welcher die Pflanzennatur der Co-
rallinen und einiger anderen Meeresprodukte nachwies (1820),
) A. Hancock (cf. Frorıer’s Tagesbericht 1850) versuchte, die aushöhlende
Kraft gewisser Spongien des Genus Cfiona lediglich als eine mechanische Arbeit
darzustellen, welehe der Schwamm durch die über die Oberfläche des Thieres
hervorragenden Spitzen der Kieselnadeln, theils auch durch eigenthümliche scheiben-
förmige wie krystallinische Körperchen, durch Sternchen und maulbeerförmige
Theilchen, womit die Oberfläche übersät ist, ausüben soll. Auch Osc. Scmpr
(Spongien des Adriatischen Meeres. 1832, p. 77. Vioa) hat diese Er-
klärung adoptirt, doch setzt er hinzu: »dass sich Vioen vorzugsweise selbst ihre
Wohnungen bilden, ist bei manchen Arten schon aus der regelmässigen Stellung
der Ausströmungslöcher in Reihen ersichtlich, jedoch scheinen manche Arten auch
schon vorhandene Bohrlöcher zu benutzen. — Zırrzr (Palaeozoologie I, 1880, S.569)
sagt über die feinen röhrigen Gänge, welche man fossilen Bohrschwämmen zu-
schreibt, dass weder für Talpina Hac., noch Entobia Portl., Cobelia, Hagenowia
Erauı. und Dendrina Quessr. sich mit einiger Gewissheit der Nachweis führen lasse,
ob die feinen Röhren und Gänge von Würmern, Spongien oder anderen Parasiten
hergestellt wurden«.
ee
J. G. Borsenans, Geologische Algenstudien. 123
Phıtippr !) lieferte den Beweis, dass die Nulliporen Pflanzen sind
und Kürzına ?) gab 1841 eine Zusammenstellung der bis dahin
bekannten Kalkalgen.
In seiner Beschreibung der Acetabularia befand sich aber
Kürzıng in sofern im Irrthum, als er angab, dass der kohlen-
saure Kalk das Pflänzchen nur incerustire und sich nur auf die
Oberfläche der Wandbildung erstrecke. »Er durchdringt keines-
wegs die Zellenmembrane« schrieb er, indem er diese Ansicht auch
durch Versuche zu begründen suchte.
Es genügt aber ein Blick auf gut angefertigte Durchschnitte,
um sich zu überzeugen, dass die Kalksubstanz nicht an der Ober-
fläche, sondern innerhalb der Zellenmembranen abgelagert ıst.
Schräge Durchschnitte durch die Zellenmembranen von Aceta-
bularia zeigen, dass die Kalksubstanz am dichtesten in der Mitte
der Wand liegt und in Durchschnitten der Wandzellen von Co-
rallina sieht man die Membranen ganz von Kalk erfüllt ?) oder
verkalkt. Besonders deutlich erscheinen diese Verhältnisse bei der
Betrachtung der Dünnschliffe im polarisirten Licht, wo auch die
sonst verschwindenden Mittellinien zwischen den zu jeder Zelle
gehörigen verkalkten und mit einander verwachsenden Wänden klar
hervortreten. Ebenso wie (orallina verhalten sich alle übrigen
Gattungen der Familie Corallinaceae (nach Hauck, Meeresalgen
Deutschlands und Oesterreichs 1885), nämlich Melobesia, Litho-
phyllum, Lithothamnion, Amphiroa. Aehnlich ist es bei Halimeda,
bei welcher die Membranen der äusseren Zellenschichten von Kalk
erfüllt sind und bei verwitterten Exemplaren als schneeweisses,
fast nur aus Kalk bestehendes Zellgewebe bestehen bleiben. Die
Bildung der kalkıgen Glieder der merkwürdigen (ymopolia ge-
schieht durch ringförmige Ablagerung von Kalk an den Wänden
der grossen Rindenzellen, welche einander berühren, und in den
Intercellularräumen zwischen der äusseren Begrenzung der Glieder
und der inneren höhrenwand. Dabei bleibt die nach aussen ge-
richtete Seite der Rindenzellen und ebenso die Verbindung mit
I) Wiırcmann’s Archiv f. Nat. 1837, S. 187.
2) Ueber die Polypiers caleiferes des Lamouroux 1841.
%) cf. Sorms-Lausach, Monographie von Corallina, Leipzig 1881.
124 J. G@. Bornemanx, Geologische Algenstudien,
der Hauptaxe von Kalk frei, sodass nach Fortfall der organischen
Membranen die Glieder als durchlöcherte Kalkringe erscheinen.
Getrocknete Exemplare der (ymopolia barbata LAAMOUR. von
den Canaren, welche ich der Güte des Herrn Professor P. MaGnus
verdanke, zeigen beim Aufweichen deutlich die grossen Rinden-
zellen, deren convexe Aussenseiten über die Kalkmasse hinaus-
ragen. Gewöhnlich ist die Pflanze von sehr zarten parasitischen
Rivularıaceen besiedelt, welche mit ihren Gliederfäden in mäandri-
schen Windungen dicht anemanderliegend ein Netz sechseckiger
Maschen bilden, welches sich den kalkigen Theilen der Oberfläche
senau anschliesst.
Lebende Coralliodendron- oder Penicillusarten habe ich bis-
lang nicht erhalten können, doch vermuthe ich, dass bei denselben
ähnliche Verhältnisse in Bezug auf die Entstehung der Kalkkörper
stattfinden. An Dünnschliffen des fossilen (oralliodendron mar-
garitula (Lam. sp.) MUNIER CHALMAS sieht man besonders im polari-
sirten Licht deutlich, dass die einzelnen Poren ihre besonderen
Kalkringe haben, welche wie Bienenwaben ein Netz sechseckiger
Maschen zusammensetzen.
Unter den lebenden Kalkalgen ist ferner die Gattung Gala-
wvaura LaMoUR. bemerkenswerth, welche gabelästige Stämmchen
bildet, deren äussere Zellenschicht durch Verkalkung in eine feste,
5—beckig gefelderte Membran übergeht; ferner Liagora LAMOUR.,
deren gallertartiger Thallus im Innern eigenthümliche Kalkelemente
ausscheidet, welche sich zu emer buschigen Masse vereinigen und
den Stämmchen Festigkeit verleihen.
Solche Algenformen sind sehr wohl geeignet, bei ihrer Ein-
bettung in Thon- und Mergelschichten bleibende Spuren ihres
Daseins zu hinterlassen und unter geeigneten Umständen Ver-
steinerungen zu liefern, deren systematische Bestimmung grossen
Schwierigkeiten begegnen würde.
Bei der Beschreibung der Ralkalgen findet sich zur Bezeich-
nung aller dieser Kalkgebilde der Ausdruck »Incrustation« in der
Literatur sehr verbreitet, obgleich er dem Sachverhalt nicht ent-
spricht. Er hat auch zu der irrigen Vorstellung geführt, als wenn
der Kalk nur eine äusserliche Hülle bildete, innerhalb welcher sich
die Pflanze wie in einem Kleidungsstücke befände,
J. G. Boruemass. Geologische Algenstudien. 125
Es ist streng zu unterscheiden zwischen der organischen Kalk-
ausscheidung oder Kalkeinlagerung und der nur äusserlichen mine-
g, welche wir überall beim Austritt kalk-
reicher Quellen beobachten, und welche ebensowohl Moose und
ralischen Kalkauflagerun
Algen, als alle möglichen anderen Körper zu überziehen pflegt.
Vielfach wird wohl die Kalkausscheidung aus dem Wasser dadurch
befördert, dass die wachsenden Pflanzen demselben Kohlensäure
entziehen und so gewissermassen zu ihrer eigenen Einhüllung bei-
tragen, aber der Kalk ist ihnen nur Nebensache und er scheidet
sich auch von selbst durch Verdunsten der Kohlensäure aus; Kalk
schlägt sich an der Wand jeder Wasserflasche nieder, in welcher
man Brunnenwasser stehen lässt. Diese Art von Niederschlag ist
aber nur anorganischer Natur und den Absätzen aus kochendem
Wasser, wie Sinter und Kesselstein, zu vergleichen !).
Eine sehr starke Kalkabsonderung, welche in den Zellmem-
branen der Rinde abgelagert wird, findet sich bei den Charen.
Da die Charen meist kalkhaltiges Wasser bewohnen, so vereinigt
sich bei ihnen das Vorkommen der zur Pflanze gehörigen Kalk-
sekrete mit dem auf sie niedergeschlagenen Kalktuff.
Ein sehr schönes Beispiel dieser Art smd die Charentuffe,
welche sich in den jüngeren, zum Theil diluvialen Süsswasser-
bildungen Thüringens, bei Mühlhausen, Langensalza und Tonna
finden und vorwaltend aus den Resten von Chara hispida L.?) be-
stehen. Dieses Gebilde lässt sich leicht zu sehr schönen Dünn-
schlifften verarbeiten, ın welcher die Mittelröhre der Charen-
stengel stets leer erscheint, während die Rindenröhrchen gewöhn-
lich ganz mit Kalk ausgefüllt sind. Die kalkigen Sporenbehälter
sind innen hohl.
Ein ausgezeichnetes Beispiel eimer kalksteinbildenden Alge
aus der Familie der
Rivulariaceae ıst dıe Gattung
!) Viele hierher gehörige Beobachtungen enthält auch die Arbeit von Cons,
über den Travertin von Tivoli im N. Jahrb. f. Mineralogie 1864.
?) Nach einer Bestimmung von Ar. Braus, dem ich von der erstgenannten
Localität Stücke mittheilte, welche von ihm in der Versammlung der Gesellschaft
naturforschender Freunde am 23. November 1852 vorgelegt wurden.
126 J. G. Borsenann, Geologische Algenstudien.
Zonotrichites.
Fossile Kalkalgen mit strahlig geordneten Fäden, halbkugelige oder
nierenförmige Lager bildend, auf anderen Körpern aufgewachsen
oder solche einschliessend. Im Durchschnitt erscheinen parallele oder
concentrische Zonen, durch die periodische Vegetation der Alge ge-
bildet, indem stets die ältere absterbende Schicht der jüngeren als
Grundlage diente, auf welcher die jungen Fäden in strahligen Gruppen
rasenweise weiterwuchsen.
Süsswasseralgen, welche der lebenden Gattung Zonotrichia
OÖ. AGARDH. entsprechen:
Z. lissaviensis BORNEMANN, Taf.V, Fig.1, 2, Taf. VI, Fig. 1,2.
Diese Pflanze bildet harte Kalkkrusten und kugelige oder
halbkugelige Massen von verschiedener Grösse. Das Taf. V, Fig. 1
in natürlicher Grösse abgebildete Stück von Koschentin bildete
einen halbkugelförmigen Knollen von 8 Uentimeter Breite und
4 Gentimeter Dicke. In seiner Mitte erkennt man den Durch-
schnitt einer Muschel mit starkem Schlosszahne,, welche wahr-
schemlich zu Unio!) gehört. -
Andere Exemplare bilden kleine, vollkommen kugelrunde und
concentrisch schalige Kalkkörner und gleichen Oolithen (Taf. V,
Fig. 2a), doch erkennt man deutlich die strahligen Röhrenzellen
der Alge, deren Struktur auch in zahlreichen Kalksteintrümmern
und verschieden gestalteten, durch Reibung abgerundeten Sand-
körnern nicht zu verkennen ist.
Vorkommen: im Räth Oberschlesiens (Zogelberg bei Woisch-
nik, Pinezyce) und zwar in der von FERD. ROEMER beschriebenen
Lissauer Breccie?), welche sich nach ihren Einschlüssen als eine
Süsswasserablagerung charakterisirt.
!) Durch Kalkalgen inerustirte Unionen finden sich häufig in vielen Flüssen.
Schöne Exemplare solchen Vorkommens erhielt ich von Pontoise bei Paris.
2) Die Lissauer Breecie, nach dem Vorkommen südlich von Lissau unweit Lub-
linitz benannt, wurde schon von Puscn (Geogn. Beschr. v. Polen II, S. 217) unter
dem Namen »bunte oolithische Brececien« beschrieben, aber nicht richtig gedeutet.
Sie erscheint gewöhnlich als hellgraues kalkiges Gestein, welches aus hirsekorn-
bis erbsengrossen rundlichen und eckigen Körnern von grauem. Kalkstein und
einem Bindemittel von wasserhellem Kalkspath besteht. Sie enthält stellenweise
eckige Stücke von kohligem, fossilem Holze, auch Quarzkörner, Stückchen von
J. @. Borsemass, Geologische Algenstudien. 197
F. RoEmER, welcher das diesen Beobachtungen zu Grunde
liegende Material sammelte, vermuthete schon, dass die »concretion-
ähnlichen« Körper Kalkalgen seien. Zur näheren Untersuchung
babe ich Dünnschliffe tangential zu den concentrischen Schichten
(Taf. VI, Fig. 1) und rechtwinklig zu denselben angefertigt
(ib. Fig. 2). Im den ersten erblickt man vorwiegend die Quer-
schnitte der Röhrenzellen, während ın den letzteren die strahlige
Anordnung derselben deutlich hervortritt.
Zur Vergleichung wurden zahlreiche lebende Rivulariaceen-
arten, aus den Schweizer Seen und Alpenbächen benutzt, welche
ich theils durch freundliche Mittheilung erhielt, theils selbst zu
sammeln Gelegenheit hatte.
Als auffallendstes Analogon erschemen grosse Stücke der
Zonotrichia (Kuaetis) Heeriana NAEGELI aus dem Sihlwald bei Zürich
(Taf. V, Fig. 3), welche ich der Güte des Herrn Professor ÜRAMER
verdanke. Dieselben bedeckten in horizontaler Richtung ca. 4—6
Quadratzoll und haben 11/5 Zoll Dicke, wie das von Kürzıns!)
abgebildete Exemplar.
Die in den botanischen Werken von KÜTZInG, RABENHORST
und Anderen gegebenen Abbildungen des mikroskopischen Ge-
webes dieser Algen beziehen sich sämmtlich auf entkalkte Präpa-
rate, in denen die solide Stütze von kohlensaurem Kalk durch
Säuren entfernt ist, um die peitschenförmigen Gliederfäden nebst
ihrer röhrenförmigen gallertartigen Umhüllung durchsichtig und
deutlich sichtbar zu machen.
Taf. V, Fig. 5 ist das Photogramm eines solchen Präparates
von Zonotrichia caleivora AL. BRAUN aus dem Neuenburger See.
Glimmerschiefer und von dunkelgrauen und rothbraunen Kalksteinen (Trias?).
hauptsächlich aber aus Trümmern der Kalkalge.
Eine Probe von Koczurry bei Guttentag zeigte im Dünnschliff fast nur
weisse Kalkkörner mit septarienartigen Rissen im Innern; organische Struktur ist
in dieser Varietät nicht mehr erkennbar.
Die Breecien sind nach Rorner (Geologie von Oberschlesien p. 163 — 165)
zwischen braunrothen Thonen gleichförmig eingelagert und besitzen meist nur
einige Fuss, selten über 12 Fuss Mächtigkeit. Als Versteinerungen werden daraus
Fisch- und Saurier-Reste und eine Unioart angegeben.
') Tabul. phycolog. tom 2, tab. 82, fig. Ila.
128 J. G. Borsemass, Geologische Algenstudien.
Die Dünnschliffe der fossilen Alge zeigen dagegen vorzugs-
weise die verkalkten Theile der Pflanze, während die vegetabilische
Substanz der Membranen aufgelöst und verschwunden ist.
Um eine anschauliche Vergleichung der fossilen und lebenden
Pflanze zu ermöglichen, wurde von Z. Heeriana eine grössere
Platte, parallel zur Richtung der Fäden geschnitten, dieselbe sorg-
sam gewaschen, getrocknet, mit Canadabalsam getränkt, dann
langsam gedörrt und hierauf auf eimer matten Glasplatte allmählich
zu einem Dünnschliffe verarbeitet. Dabei wurde, um das leicht
vorkommende Verschmieren der immer wieder Wasser aufsaugenden
und aufquellenden organischen Membranen zu verhüten, die Fläche
mehrmals von neuem mit Balsam getränkt und gedörrt und immer
nur sehr kurze Zeit weiter geschliffen. Das auf diese etwas müh-
same Weise erhaltene Präparat, von welchem das Photogramm
Taf. V, Fig. 4 einen Theil in 35-facher Vergrösserung darstellt,
zeigt im der unteren Ecke die Röhrenzellen oder Schläuche im
(Juerschnitt, im übrigen Theil solche im Längsschnitt und genügt,
um die orosse Uebereinstimmung dieser lebenden Alge mit dem
fossilen Zonotrichites der Lissauer Breccie darzuthun.
Dass auch schon im Muschelkalk ähnliche Kalkgebilde vor-
kommen, welche als Zonotrichitenkalk bezeichnet werden mögen,
wurde schon am Eingang erwähnt.
Il. Von Kalk unabhängige Algen.
Neben den kalksteinbildenden und kalksteinzerstörenden Algen
enthält die gegenwärtige Flora eine grosse Fülle von Gattungen,
welche sich in Beziehung zum Kalk indifferent verhalten, und zwar
ist dies die grosse Mehrzahl der Algen überhaupt.
Ohne Zweifel hat ein ebensolches oder ähnliches Verhältniss
auch in den früheren Bildungsperioden der Erdrinde stattgefunden,
und wir können annehmen, dass die meisten der ehemaligen Algen-
formen existirt haben, ohne uns eine Spur ihres Dasems zu
hinterlassen.
J. G. Borsunann, Geologische Algenstudien. 129
Indessen kennt man doch eine ganze Anzahl fossiler Reste,
welche mit mehr oder weniger Berechtigung als Algen beschrieben
worden sind.
Vieles davon hat nach und nach andere Deutungen erfahren
und manche, besonders palaeozoische Formen sind noch jetzt
Gregenstand lebhaften Streitens zwischen den Autoren.
geben
NarHorst's Darstellungen von Fährten niederer Thiere
für manche Formenerscheinungen auf Schichtflächen ganz guten
Anhalt zur natürlichen Erklärung ihrer Entstehung.
Jedenfalls ist aber Naruorst im der Anwendung derselben
Srklärungsmethode auf alle möglichen noch räthselhaften Gebilde
viel zu weit gegangen. Denn es kann z. B. einem unbefangenen
Beobachter, welcher sich ernstlich mit dem Studium von Flysch-
algen beschäftigt hat, kein Zweifel daran beikoimnmen, dass die
Mehrzahl derselben echte Algen sınd. :
Noch weiter als NArTHoRST, welcher für viele von SCHIMPER!)
unter den Algen aufgeführte Fossilien ausdrücklich den alten Stand-
punkt aufrecht erhält?), geht ScHENnK, welcher in der Fortsetzung
des SCHIMPER' schen Werkes mit den fossilen Algen kurzen Process
macht, indem er alles was sich nicht ganz bequem in sein System
einfügen lässt, ohne Weiteres aus dem Teinpel der Flora hinaus-
wirft. Nach SCHEnk’s Ansicht?) müsste einem sehr grossen Theil
[>]
dessen, was bisher als Gegenstand der Palaeophytologie zezolten
hat und dessen Beschreibung und Bestimmung schon jetzt für die
Geologen wichtig und unentbehrlich ist, »keine Bedeutung beige-
legt werden, bis nicht besser erhaltene Objecte näheren Aufschluss
geben«.
Wollte man diesem Grundsatze beipflichten und nur das voll-
kommen Erhaltene, die seltenen Cabinetstücke bestimmen und be-
schreiben, so wäre man ja allerdings vieler Mühe überhoben und
vor Missdeutungen sicher, aber dem Fortschritt der geologischen
Wissenschaften würde mit diesem eklektischen System nicht e-
) Handbuch d. Palaeontologie von Zrrren Bd. Il, 1. Lfg.
2) Bulletin de le Soc. Geol. de France, III. ser.. tome XI, pag. 452.
%) Handbuch d. Palaeontol. Il. Bd., S. 233.
Jahrbuch 1856. y
130 J. @. Borsenann, Geologische Algenstudien.
dient sem. Bei der Geringfügigkeit dessen, was uns von der vor-
weltlichen Pflanzenwelt in den Erdschichten überhaupt erhalten
wurde, im Vergleich zu dem, was gewachsen und wieder vergangen
ist, müssen wir uns meist mit geringen Resten und Spuren be-
snügen und unsere Schlüsse darauf bauen, um zu einem Begriff
von den Zuständen zu gelangen, welche in früheren Perioden ge-
herrscht haben. Bescheidene Gewebefetzen und Kohlenstücke oder
kaum sichtbare Abdrücke sind oft die einzigen Zeugnisse von dem
früheren Dasein einer mächtigen Vegetation.
Die Frage nach dem Wesen der Bilobiten und Harlanien ist
noch immer an der Tagesordnung und wird auch wohl nicht so
schnell gelöst werden. Dass man ähnliche Gestalten mit kleinen
Rollen oder Kuchenrädchen nachahmen ‚und ähnliche Modelle in
Masse fabriciren kann, hat nicht viel zu bedeuten, denn jene
Instrumentchen kommen ebensowenig in der Natur vor, wie die
Taschenmesser jener Würzburger Studenten, welche seiner Zeit
für den armen BERINGER aus weichem Kalkstein allerlei Lusus
naturae!) schnitzten.
Die pflanzliche Natur der Flyschalgen ist von NATHORST?)
nach Angaben von Fuchs geleugnet worden, welcher anführt, dass
sich an demselben niemals Kohlenspuren fänden und dass sie nur
aus grünlichem bis schwärzlichem Schlamm beständen.
Dass der Flysch als Tiefseebildung anerkannt ist, gilt ihm als
Stütze für die Behauptung, dass die Chondriten keine Algen sein
könnten, weil Tange nur auf felsigem Grunde und in geringer
Tiefe vorkämen.
Aber alles das beweist nichts gegen die Pflanzennatur der
Flyschalgen, denn es giebt auch schwimmende Algen, und wenn
eine Tangwiese an der Oberfläche emes tiefen Oceans schwimmt,
so müssen auch Fragmente von Algen in die Tiefe sinken und
sich m dem weichen Bodenschlamm gerade so einbetten, wie das
bei den Flyschalgen der Fall ist.
) Die Sammlang der Meininger Realschule enthält eine Anzahl dieser
Kunstwerke.
?2) Om spär af nägra evertebrerade djur ete. — 1881. Svexsk. Vet. Ak.
Handl. Bd. 18, No. 7, S. 94 u. s. w.
J. @. Borsenans, Geologische Algenstudien. 131
Mit Ausnahme einiger Arbeiten von GÜMBEL und PANTANELLI
sind die Flyschgesteme noch nicht genügend mikroskopisch
untersucht worden und über die Fülle der äusseren Formen hat man
das Studium des Kleinen vernachlässigt. In CREDNER’S trefflichem
Handbuch?) heisst es noch, dass der Flysch »ein mehr als
300 Meter mächtiges Schichtensystem ist, welches lokal von Meeres-
algen strotzt, aber (abgesehen von den Fischen in den Glarner
Schiefern) kaum eine Spur von animalischen Resten zeigt.«
Gegenüber dieser allgemein verbreiteten Annahme hegte ich
wenig Hoffnung bei der näheren Untersuchung einiger Fucoiden-
gesteine, welche ich in der Schweiz, Ligurien und Toscana ge-
sammelt habe, etwas Neues oder Bemerkenswerthes zu finden, aber
schon der erste Dünnschliff, welchen ich von einem Kalkschiefer
init Chondrites intricatus aus dem Habkernthal anfertigte, belehrte
mich eines Anderen.
Eine erstaunliche Menge von Tiefseeforaminiferen, besonders
Globigerinen, auch Textilarien und Dentalina etc. und noch mehr
Spongiennadeln erfüllen das Gestein. Die Schwammnadeln bestehen
am Kalk, wohl meistens aus Kieselnadeln durch chemische Um-
wandlung entstanden. Kohlentheilchen und Schweftelkies finden
sich sehr verbreitet, letzterer wie überall als Vertreter organischer
Substanzen: so erfüllt er die Kammern vieler Foraminiferen.
Einige Algenästchen, welche in der Ebene des Dünnschlifts
liegen, zeigen bei auffallendem Sonnenlicht eine mit zahlreichen
Kohlen- und Schwefelkiestheilchen besetzte Fläche, oder an Stelle
des letzteren Eisenoxydhydrat, wie überall bei der Verwitterung
fossiler Pflanzenreste. So löst sich der von Fuchs und NATHORST
geschilderte graue und schwärzliche Schlamm unter dem Mikro-
skop in bestimmtere Elemente auf und es bedarf keines weiteren
Beweises dafür, dass v. STERNBERG, BRONGNIART, GOEPPERT, UNGER,
HEER vollkommen kecht hatten, als sie die Chondriten des Flysches
für Algen erklärten.
3) Element, der Geologie 1883, S. 679.
Anhang.
Volithoide.
Unter den Oolithen der verschiedensten Sedimentärformationen giebt
es neben den echten, rein mineralischen Bildungen vom Typus des Erbsen-
und Rogensteins, und neben den oben angeführten ähnlichen Körpern,
welche mit Bestimmtheit als Algenerzeugnisse anzusprechen sind, viele
concentrisch schalige Kalkgebilde, bei denen auch eine sorgfältige mikro-
skopische Untersuchung noch zu keinem bestimmten Aufschluss in Bezug
auf ihre Ursprungsweise geführt hat. Viele derselben haben jedenfalls
mit der Zeit Veränderungen ihrer ursprünglichen Struktur erlitten, und
damit pflegt auch das bei manchen derselben gewiss vorhanden gewesene
organische Formenverhältniss verschwunden zu sein. Aehnliche Vorgänge
wie sie JoH. WALTHER!) für die Entstehung gewisser recenter struktur-
loser Kalke nachgewiesen hat, d.h. die Einwirkung der aus Zersetzung
vegetabilischer Gewebe entwickelten Kohlensäure, mögen in gewissen
Grenzen auch hierbei eine Rolle gespielt haben.
Die genauere mikroskopische Untersuchung der oolithischen Gesteine
ist wegen der Fülle und Mannigfaltigkeit der Einschlüsse, welche viele
von ihnen enthalten, von wesentlichem Nutzen für die Kenntniss der
Schichtensysteme, welche sie beherbergen, und wenn auch durch mine-
ralische Umwandlungen vieles unkenntlich geworden ist, was früher
organische Gestalt hatte, so gestatten doch oft die speciellen Verhältnisse,
mancherlei Schlüsse und Folgerungen auf ihre Bildungsweise zu ziehen.
Ich gebe als Beispiele hierzu einige bei der mikroskopischen Prüfung
solcher Gesteine letzthin gewonnene Resultate.
1. Ein oolithischer Kalk aus untercambrischen Schichten vom
Strachenschacht bei Pribram, welchen mir Herr Prof. SANDBERGER mit-
theilte, zeigt im Dünnschliff echte Oolithkörner mit deutlich schaliger
und radialfasriger Struktur. Daneben liegen in grösserer Anzahl runde,
weisse Kalksteinkörner bis 4 Millimeter gross und von feinkörnigem oder
I) Zeitschrift d. Deutsch. geol. Ges. 1385.
e,
J. G. Bornemann, Geologische Algenstudien. 133
fast mehligem Aussehen. Feine kohlige Theile sind durch das Gestein
überall verbreitet, besonders auf den feinen Rissen, welche die Kalkstein-
körner durchsetzen; theils liegen sie auch in mehr zusammengedrängten
Partien und stellenweise haben sie sich zwischen den einzelnen concen-
trischen Schalen der Oolithe, von einem Riss ausgehend, verbreitet. Diese
Erscheinung mag durch die Zersetzung flüssigen Kohlenwasserstoffs er-
klärt werden, welcher in das Gestein eingedrungen war. Die verbindende
Grundmasse des Gesteins ist Kalkspath und feiner Kalksteindetritus, in
welchem sich auch viele Fragmente zerriebener Oolithen befinden.
2. Ein schönes Oolithgestein aus dem englischen Kohlenkalk von
Durdham Down, Clifton, welches mir Ferp. ROEMER zur Untersuchung
sandte, lässt kleine meist !/,—!/a Millimeter grosse Oolithkörner erkennen,
von denen viele wohl erhaltene Foraminiferen, Crinoidentheile und andere
organische Körper einschliessen. Die meisten Körner haben radialfasrige
Schalenstruktur, daneben finden sich aber sehr viele Körner, welche
theilweise aus weissem Kalkspath bestehen, in welchem dunkle, unbe-
stimmt begrenzte Körperchen eingeschlossen liegen. In manchen der-
selben waltet auch die dunkle Substanz vor und der Kalkspath erfüllt
runde, kleine Höhlungen in derselben. Das Bindemittel, durch welche
die verschiedenartigen runden Körper vereinigt sind, besteht zum grossen
Theil aus Kalkmasse, die stellenweise durch Anhäufung von Bitumen
braungefärbt ist. Jedenfalls sind hier mannichfaltige pflanzliche und
thierische Reste zersetzt worden. während die Bildung der Oolithkörner
stattfand, und unter dem noch Erkennbaren befinden sich zahlreiche
räthselhafte Dinge.
3. Die Carditaschichten der alpinen Trias, von denen mir Herr
Srur eine Anzahl Proben sandte, enthalten grosskörnige Oolithen
eigenthümlicher Art. In einem solchen Gestein von Mais bei Reichen-
hall haben die Körner 4—S Millimeter Durchmesser und ihre concen-
trirten Schalen sind sehr unregelmässig ausgebildet, meist einseitig ver-
dickt und wellig, nicht radialfasrig. Sie schliessen fremde Körper, Kalk-
steinkörner oder deutliche Muschelfragmente ein, enthalten auch Bitumen
und Kohlentheilchen in mannichfaltiger Vertheilung. Das Bindemittel,
in welchem sie eingebettet liegen, ist grauer Kalksteindetritus.
Die Struktur der Oolithenschalen lässt bestimmte Gewebeformen
nicht erkennen, doch deutet ihre allgemeine Gestaltung auf eine pflanz-
liche Entstehung. In einem ähnlichen Gestein von der Lieblalm der
Haller Mauren bei Admont sind die grossen Oolithkörner weit weniger
zahlreich, der einschliessende Detritus etwas gröber und reicher an er-
kennbaren Resten von Molluskenschalen. Ein feiner Oolith derselben
Zone von Wappbach bei Reichenhall zeigt dagegen in brauner Grund-
masse zahlreiche weisse Oolithkörner, deren Schalen einen regelmässigen
134 J. @. Bonsenanx. Geologische Algenstudien.
concentrischen Bau haben. ÜOrinoidenfragmente sind häufig, theils als
Kerne dieser echten Oolithen, theils frei neben denselben und neben
kleinen Muschelfragmenten in die Grundmasse eingestreut.
Dass die mineralische Umwandlung oder molekulare Umgestaltung
im Gestein nicht allein bei den phytogenen Oolithoiden, sondern auch
bei echten concentrisch schalig-radialfasrigen Oolithkörnern vorkommt,
lässt sich vielfach beobachten. So sehen wir in cambrischen oolithischen
Kalken Sardiniens die Kugelgestalten noch vollständig in ungestörter
Lage erhalten, während die Mikrostruktur der Kalkelemente gänzlich in
der körnigen Marmorstruktur des Gesteins aufgegangen ist.
Anders ist das Verhältniss in einem Liasoolith aus der unteren
Angulatenzone von Ofterdingen. Echte Oolithen sind dort einzeln in der
von wohlerhaltenen Muschelschalen und Crinoidenresten ganz erfüllten
kalkspäthigen Grundmasse zerstreut. Diese meist sehr undurchsichtigen
Oolithen, welche fremde Körper einschliessen, sind grösstentheils von der
Peripherie her durch den Einfluss des späthigen Bindemittels zu Kalk-
spath umkrystallisirt, dessen Krystallecken in die oolithische Masse
hineinragen. Dabei ist die organische Struktur der Crinoidenreste etc.
völlig unversehrt erhalten.
Ueber Deltabildungen am Nordrande des
Fläming und über Gehängemoore auf
demselben.
Von Herrn K. Keilhack in Berlin.
(Hierzu Tafel VII.)
Der Nordrand des Fläming wird durch das breite Thal eines
norddeutschen Urstromes gebildet, der parallel der Längsaxe
des Höhenzuges, also OSO : WNW mit einzelnen Abweichungen
verläuft. Kurz vor seimem östlichen Ende, bei Wollin, einem
halbwegs zwischen Brandenburg a. H. und Görzke gelegenen Dorfe,
gabelt sich dieses sogenannte Baruther Hauptthal, indem ein Arın
sich nach Norden zur Havel wendet, die er bei Brandenburg
erreicht, während der andere, die alte Richtung beinahe beibe-
haltend, zwischen Burg und Genthin das breite Elbthal erreicht.
(S. Tafel VIl.) Die breite Thalniederung westlich und östlich von
Wollin besteht zum grösseren Theile aus torferfülltem Bruche und
wird mit den Namen Fiener Bruch und Landschaftswiesen be-
zeichnet. In dieses grosse breite Thal münden von Süden her
eine Anzahl kleinerer Rinnen und Thäler ein, die im Allgemeinen
von Süd nach Nord verlaufen und von den nicht unbeträchtlichen
Höhen des Fläming herunterkommen. An den Mündungen von
sechs dieser Flämingsthäler beobachtete ich im Verfolg der Auf-
nahmearbeiten für die geologische Specialkarte die Erscheinungen,
die ich im Folgenden näher beschreiben werde.
136 K. Keiumack, Ueber Deltabildungen
‘s fanden sich nämlich vor der Mündung fast aller grösseren
Thäler zwischen Genthin und Treuenbrietzen, d. h. auf einer
Längenerstreckung von etwa 65 Kilometern recht beträchtliche
Anhäufungen von Grand (Kies) und schotterartigen Bildungen,
deren ganzes Auftreten zu dem Schlusse führte, dass dieselben
als delta-artige Ablagerungen, als ausserordentlich flach abgeböschte
Schuttkegel derjenigen Thäler aufzufassen seien, vor deren Mün-
dungen im Hauptthale sie heute lagern. Das Auftreten jener
grobkörnigen Sande und Schotter ist um so mehr in die Augen
fallend, als in den übrigen Theilen des Baruther Hauptthales die
Thalsande, sowohl die frei zu Tage liegenden, als auch die unter
alluvialer Moordecke verborgenen, übereinstimmend mit den Beob-
achtungen im Berliner Hauptthale, meist steinfrei gefunden wurden.
Schon dadurch ist ihr abweichender Ursprung hinreichend be-
wiesen.
Das westlichste der Flämingsthäler, welches diese Erscheinung,
wenn auch in sehr versteckter Weise zeigt, ist die Gladau-
Dretzeler Rinne. Sie entsteht durch die Vereinigung einer ganzen
Anzahl kleinerer, die theils mit Torf und Moorerde ausgekleidet,
theils mit sandigen Bildungen erfüllt sind. In letzterem Falle
finden sich den Sanden stets zahlreiche Geschiebe und viel grandiges
Material beigemengt. In seinem unteren Theile ist das Thal völlig
mit 11/9,—2 Meter mächtigem Torte erfüllt und ebenso tritt an
der Mündung die gewaltige Torffläche des Fiener Bruches un-
mittelbar an das Plateau heran. Das Delta dieses Thales ist ın
Folge dessen völlig unter Torf verborgen, liess sich jedoch mit
5°
Hülfe des Bohrers und einer Anzahl durch den Torf hindurchge-
führter Entwässerungsgräben deutlich erkennen und verfolgen.
Es stellt eine annähernd quadratische, symmetrisch zur Thalmün-
dung gelegene, aus grandigem Sande bestehende Fläche dar, deren
Länge und Breite je 1250 Meter, deren Inhalt etwa 11/, Quadrat-
kilometer beträgt.
Unvergleichlich viel bedeutender sind diejenigen Ablagerungen
von Kies und Geschiebesanden, die sich vor der Mündung des
nächsten nach Osten hin folgenden Thales finden. Es ist dies
das in der folgenden Zinkographie dargestellte Tucheimer Thal.
am Nordrande des Fläming ete. 137
Fig. 1.
Das Tucheimer Delta.
Maassstab 1: 100000.
FIENER BRUCH E
DI
Könißsrode
Dil. Hochfläche. Thalgrande Desgl. unter Torf.
(Schotter) Moorbedeckune.
zu Tage liegend.
Ein bei Gloine, 15 Kilometer südlich von Tucheim entspringender,
in der ersten Hältte seines Laufes in ganz engem Thale genau
von Süd nach Nord fliessender Bach, bildet gewissermassen das
ltückgrat des ganzen Thales. Bei Magdeburgerforth verbreitert
sich die schmale Rinne ganz plötzlich an der Stelle, wo sie in
die Zone der später zu besprechenden Gehängemoore eintritt, in-
dem sie von beiden Seiten her mehrere breite Zuflüsse erhält,
auf fast 2 Kilometer. Im diesem verbreiterten Thale besteht der
Boden aus mächtigen Schotterlagern, in denen sich zahlreiche
138 K. Keıtnack, Ueber Deltabildungen
D
grosse und kleine Geschiebe finden. Auch die Seitenthäler führen
dieselben Bildungen, theils zu Tage gehend, theils unter Alluvium
verborgen. Bis zur Mündung hin nimmt die Grobkörnigkeit der
ganzen Masse wenig ab, indem nur die ganz grossen Geschiebe
verschwinden, solche bis Faustgrösse aber immer noch häufig sind.
Der Rand des Fläming bildet bei Tucheim eine flach trichter-
förmige Einbuchtung, in deren innerstem Theile das Thal mündet.
Der Beginn dieser Einbuchtung bezeichnet nach Osten und Westen
hin das Ende der Deltabildung. Die Kiesmassen, die dereinst vor
diesem Thale zum Absatze gelangten, nehmen, wie das Kärtchen
zeigt, eine recht beträchtliche Grösse ein, zumal wenn man auch
die unter der Torfdecke des Fiener Bruches begrabenen Kies-
flächen mitrechnet, die nur hier und da einmal, wenn em frischer
Graben gezogen wird, sichtbar werden. Das trapezförmig ge-
staltete Delta, dessen Kern in einer grossen Ackerfläche nördlich
vom Dorfe Tucheim frei zu Tage liest, hat von Osten nach Westen
eine Ausdehnung von 5!/,, von Norden nach Süden eine solche
von 2?/4 Kilometern, und einen Flächeninhalt von 10 Quadratkilo-
ınetern. Im Delta selbst lässt sich die abnehmende Korngrösse
der aufgeschütteten losen Massen vom Beginne nach den Rändern
zu, einzelne Ausnahmen abgerechnet, recht gut verfolgen.
10 Kilometer östlich von Tucheim liegt der Mittelpunkt eines
zweiten, sehr grossen, aus Granden und Sanden aufgebauten Deltas.
Dasselbe liegt, wie die folgende geognostische Skizze zeigt, genau
vor der Mündung des Buckauthales. Die Rinne der Buckau
selbst ist nur schmal, verläuft fast genau von Süd nach Nord und
>}
bildet nur den tiefsten, heute zur natürlichen Entwässerung be-
nutzten Theil eines Systemes breiterer Rinnen und Thäler, deren
Niveau mehrere Meter über dem heutigen Wasserlaufe liegt.
Ausserordentlich steinige Grande setzen die Oberfläche dieser
höheren Thalstufe zusammen, in welcher eben wegen der höheren
Lage alluviale Bildungen zurücktreten. In Form eines gewaltigen
Halbkreises mit dem Dorfe Bücknitz als Mittelpunkt liegt vor
diesem Thale eine mächtige flach zum Thale hin geneigte Kies-
und Sandfläche, deren Ränder, wie bei dem vorigen Delta, bereits
unter der Torfdecke des Fiener Bruches zu suchen sind. Der
am Nordrande des Fläming etc. 139
Fig. 2.
Das Buckaudelta.
Maassstab 1: 100000.
? DILL
Dil. Hochfläche. Thalgrand Thalsand und Desgl. unter Torf.
(Sehotter) Grand zu Moor-
in höherer Tage liegend. bedeckung.
Thalsohle.
Radius dieses sehr regelmässig gestalteten Deltas beträgt 3°/4 Kilo-
meter — 1/, Meile, der Flächeninhalt 22 Quadratkilometer —
/s Quadratmeile.
Die weiter nach Osten hin folgenden Theile des Fläming sind
der geognostischen Special- Aufnahme noch nicht unterworfen ge-
wesen, sondern nur einer Begehung für die Zwecke dieser Arbeit.
Es können daher für die weiterhin folgenden Deltabildungen keine
genauen Zahlen für die Gesammtgrösse mehr gegeben werden,
140 K. Keırnack, Ueber Deltabildungen
sondern nur solche für die frei zu Tage liegenden Theile der
Schotterdeltas, weil die unter Torf liegenden Strecken derselben
noch völlig unbekannt sind.
Zwei Kilometer westlich von der eingangs erwähnten Um-
biegung des nördlichen Fläming-Randes bei Wollin mündet ein von
dem Rothen Bache und dem Verloren-Wasser durchflossenes Thal,
vor dessen Mündung eine ebenfalls wieder annähernd halbkreis-
förmige Fläche sich findet, die aus aufgeschütteten Sanden und
Granden besteht. Durch einen nördlich von Glienecke am Plateau-
rande sich hinziehenden Thalsandstreifen steht dieses Delta mit
demjenigen vor dem Buckauthale in direktem Zusammenhange.
Die bekannte Fläche dieses Deltas, d. h. soweit sie nicht von Torf
bedeckt ist, beträgt 12 Quadratkilometer.
Erst 16 Kilometer südöstlich von Wollin wird der hohe steile
Rand des Fläming wieder durch eine Thalmündung unterbrochen,
und zwar bei dem Dorfe Schwanebeck. Hier mündet ein schmales,
von Belzig herunterkommendes Thal an einer Stelle, wo der
Plateaurand aus der Richtung SSO:NNW in diejenige von
O:W übergeht. Der dadurch entstandene Winkel ist vollständig
mit Sanden und Granden ausgefüllt, während sonst das hier 8 Kilo-
meter breite Hauptthal völlig mit Torf erfüllt ist. Entsprechend
der geringen Breite des Thales beträgt auch die Grösse des von
ihm gebildeten Deltas nur 4!/, Quadratkilometer.
Die nächste Thalmündung finden wir, nach Osten weiter
gehend, bei dem Dorfe Baitz, wo zwei kurz vor der Mündung
sich vereinigende flache, unbedeutende Thäler, das eine von Preuss-
nitz, das andere von Neschholz her kommend, das Hauptthal er-
reichen. Vor der Mündung dieses Thales liegt kein Delta.
31/5 Kilometer östlich von Baitz mündet bei Rottstock nach
21 Kilometer langem Laufe das Thal der Plane, welches
ebenso wie das Belziger und Baitzer Thal eine Richtung
von SSW:NNO besitzt. Das von ihr aufgeworfene Delta hat,
soweit es zu Tage liegt, eine Breite und Höhe von je vier Kilo-
metern und wird im seiner vollen Ausdehnung von der Berlin-
Wetzlarer Bahn zwischen Brück und Gömnick durchschnitten.
Das Delta ist aufgeschüttet aus grandigen Sanden, deren Korn-
am Nordrande des Fläming ete. 141
grösse von der Mündung des Planethales nach den Rändern zu
abnimmt.
Das sind die sämmtlichen Thäler, die auf der Strecke zwischen
Parchen bei Genthin und Treuenbrietzen vom Fläming herab-
kommen. Weiter nach Westen folgt nur noch das der Ihle, die
bei Burg mündet. Dasselbe ist durchaus von den übrigen er-
wähnten Thälern verschieden. Sein Verlauf bildet mit dem Rande
des Höhenzuges keinen annähernd rechten, sondern mehr einen
spitzen Winkel und seine Ausfüllungsmasse besteht nicht aus
Granden und Geschiebesanden, sondern aus sandigen Alluvial-
thonen. Vor seiner Mündung liegt — und diese Erscheinung steht
mit den beiden ersten in direktem Zusammenhange — auch kein
Delta, sondern die Ablagerungen der Elbe treten bis an den Rand
des Fläming unmittelbar bei der Stadt Burg heran.
Was die petrographische Zusammensetzung der Grande und
Sande in den Schotterdeltas betrifit, so zeigen sich wenig Unter-
schiede gegenüber andern ähnlichen diluvialen Bildungen. In der
Korngrösse finden sich, wie das bei einem Produkte mannichfach
in der Stromgeschwindigkeit wechselnder Wasser nicht anders zu
erwarten steht, alle Uebergänge von gleichmässigem, mittelkörnigen
Sande bis zu ganz groben Geschiebegranden. Im Bücknitzer
Delta sieht man an der Chaussee nach Ziesar im Sande ausge-
lehnte Lager eines lebhaft fuchsroth gefärbten, sehr eisenschüssigen
Sandes. Kalksteine fehlen ebenso, wie fein vertheilter kohlen-
saurer Kalk, den Deltabildungen, gleichwie den Thalsanden als eine
&
Folge der tiefen Lage und der immerfort lösend einwirkenden
Grundwasser. Sehr auffällig ist die starke Betheiligung - des
Feuersteins an der Zusammensetzung der grandigen Bildungen.
In allen erwähnten Deltas ist er sehr reichlich, ja man kann
sagen, reichlicher als alle andern Gesteine vertreten, immer in
zertrümmerten, scharfkantigen Stücken, niemals abgerollt. Durch
die Einwirkung von Humussäuren ist er meist gelblich, bräunlich
und röthlich gefärbt. Vom Wolliner Delta erwähnt KLÖöDen !)
!) Beiträge zur mineralogischen und geognostischen Kenntniss der Mark
Brandenburg. 2. Stück, Seite 32. Berlin 1829.
te}
142 K. Keıruack, Ueber Deltabildungen
bereits sein massenhaftes Auftreten als eine höchst auffällige Er-
scheinung.
Die Sand- und Kiesdeltas bilden keine wagerechte Decke,
sondern sind vom Mittelpunkte nach den Rändern hin flach ab-
geböscht. Die Grösse dieser Neigung ist verschieden. Sie beträgt
bei dem Tucheimer Delta auf einer Länge von 3200 Metern 5,5,
entspr. 1 zu 580, bei dem Bücknitzer (Buckau-) Delta auf
3600 Meter, 7,5 entspr. 1 zu 480, bei dem Wolliner 9 Meter auf
2500, entspr. 1 zu 280, endlich bei dem Planedelta 7 Meter auf
4000, entspr. 1 zu 580. In den beiden ersten Fällen sind in
diese Berechnung auch die unter Torfbedeckung liegenden Theile
der Deltas mit hineingezogen.
Deltabildungen wie die beschriebenen gehören zu den selteneren
Erschemungen im Diluvium Norddeutschlands. Die Möglichkeit
ihrer Entstehung ist offenbar nur da gegeben, wo Thäler von be-
dleutenderen Höhenzügen herabkommen und in Folge dessen ein
zum Transporte gröberen Gesteimsmateriales hinreichendes Gefälle
besitzen. Um bestimmte Zahlen für das letztere zu erhalten, habe
ich bei einer Anzahl Thäler des Fläming, sowie des Barnim- und
Teltowplateaus nördlich und südlich von Berlin das mittlere Ge-
fälle in der folgenden Tabelle so geordnet, dass die Thäler mit
der geringsten mittleren Neigung beginnen:
u a | a
Hermsdorfer Fliess . 14 | 10,8 1: 1296
Birkenwerdersches Fliess . . 1255 | ER 1: 1068
Rudower Rinne . . 2... 6 | 6,2 | 1: 971
Inlethal es rn 11.9 j 21,5 1: 814
Pankethal . . . 2 2.2. 21 26,1 1: 804
Baitzer Thal . . . 2... 10 6 1: 600
Dahlwitzer Fiess . . . . 25 48,6 1: 514
Gladauer. Ihale re: 12 25 | 1: 480
Kaulsdorfer Flies . . . . 10 24,3 | 12419
Buckau-Thal . . . . . 12 33,75 | 1: 355
Tucheimer Thal. . . . 11 33,75 1: 326
Verloren Wasser . . . 12 A28n 1: 2832
Belziger Thal. . .. . 7 47,0 1: 150
am Nordrande des Fläming ete. 143
Die gesperrt gedruckten sind die mit Deltas versehenen
Flämmgsthäler. Das Planethal fehlt, weil sich bei dem Mangel
an Messtischblättern in dem von ihm durchzogenen Gebiete keine
genauen Werthe ermitteln liessen. Diejenigen für das Baitzer
und Belziger Thal sind nur angenähert, aus den Nivellements
der Berlin-Wetzlarer Bahn berechnet.
Die Tabelle ergiebt zunächst das Fehlen von Deltas bei allen
denjenigen Thälern, die weniger als 1:600 Gefälle besitzen. Die-
jenigen, die grösseres Gefälle, von 1:514 an besitzen, sind bereits
oben als deltabildend beschrieben, bis auf zwei Thäler, die östlich
von Berlin von den Höhen des Barnimplateaus herunterkommen
und bei Kaulsdorf resp. Hoppegarten m das Berliner Thal ein-
münden. Folgerichtig sollte man auch bei diesen beiden Thälern
wegen ihres beträchtlichen Gefälles deltaartige Bildungen erwarten.
Vor der Mündung des Dahlwitzer Thales zeigt die geognostische
Karte (Blatt Rüdersdorf und Köpenick), wie die folgende Skizze
(1:100000) ergiebt, m der That das Vorhandensein von Grand
Kie.8,
Delta des Dahlwitzer Fliesses.
Maassstab 1: 100000.
/ CE, GT,
DL
G
D
Dil. Hoch- Grandiger Grandiger Thalsand. Torf
fläche. Thalgeschiebe- Thalsand. und Moorerde.
sand (Schotter).
144 K. Keırnack, Ueber Deltabildungen
und (Geröllbestreuung in einer Fläche, die in ihrer Umgrenzung
vollständig das Aussehen einer Deltabildung besitzt. Dieselbe
wurde, da zur Zeit der Aufnahme solche Deltabildungen noch
unbekannt waren, von WAHNSCHAFFE als eine bei der Einebnung
Unterer Diluvialsande liegen gebliebene Bestreuung mit Grand und
Geschieben aufgefasst. Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen,
dass die damalige Auffassung nicht ganz richtig war und dass
hier ein echtes Schotterdelta vorliegt. Aehnliche Gefällverhältnisse
wie das Dahlwitzer Thal besitzt die Kaulsdorfer Rinne. Sowohl
in dem schmalen Thale selbst, als auch in den Thalsanden an
seiner Mündung fand ich bei der Specialaufnahme mehrfach gran-
dige Bildungen, die ich damals ebenfalls als eingeebnetes Diluvium
auffasste, jetzt aber gleichfalls für echte Thalgrande, die eine
Deltabildung darstellen, halten möchte.
So lösen sich die scheinbaren Widersprüche völlig und die
obige Tabelle giebt mit scharfem Schnitte bei einem Gefälle von
ungefähr 1:550 die Grenze der Möglichkeit für Deltabildung.
Die beschriebenen Schotterablagerungen sind mit den Thal-
sanden der grossen Hauptthäler und den ihnen entsprechenden
Bildungen in den Rinnen und Becken der Hochflächen durchaus
gleichalterig und ebenso wie diese durch die aufschüttende Thätigkeit
der Schmelzwasser des grossen Inlandeises am Ende der jüngeren
Glacialzeit entstanden zu denken. Scheinbar in Widerspruch damit
steht aber der Umstand, dass die vom Flämingsrande beschriebenen
Deltas amı Nordrande dieses Höhenzuges vor der Mündung von
Thälern liegen, deren Verlauf von S nach N völlig der weit all-
gemeineren Richtung der Schmelzwasserrinnen von N nach S,
die den Verhältnissen beim Rückzuge des Eises von S nach N
entspricht, entgegengesetzt ist. Es bleibt für die Erklärung dieses
befremdlichen Umstandes nur die eine Möglichkeit, dass bei der
Temperaturzunahme, die das Verschwinden des Inlandeises aus
Norddeutschland zur Folge hatte, das Freiwerden des Landes
nicht in einer langen, allmählich sich immer mehr nach Norden
zurückziehenden Linie eintrat, sondern dass zunächst die tieferen
Theile des Landes eisfrei wurden, während auf den genügend
hochgelegenen Plateaus Eisreste liegen blieben, die noch,eine Zeit-
am Nordrande des Fläming ete. 145
lang, vielleicht durch lange Jahrhunderte, als selbstständige
Gletscher weiter thätig waren )).
Auf den vorliegenden Fall angewendet würde das bedeuten,
dass die höheren Theile des Flämings, die heute 150—200 Meter
ü. d. M. liegen, noch Gletscher trugen, während rings umher in
weiter Entfernung das tiefer liegende Land bereits eisfrei war.
Diese Flämingsgletscher entsandten von dem elliptisch gestalteten
Hohen Fläming aus ihre Schmelzwasser radial nach allen Richtungen,
und dieselben konnten in Folge dessen da, wo sie genügendes
Gefälle fanden, gröberes Material mit sich fort führen, in den
Thälern ausbreiten und vor der Mündung auch der Südnordrinnen
als Schotterdelta ablagern. So erklärt sich im ungezwungener
Weise und ohne Verletzung der Grundlagen der Glacialtheorie,
die anfangs so widerspruchsvoll erscheinende südnördliche Richtung
der jungdiluvialen Schmelzwasserrinnen am Nordrande des Flämings.
Anhangsweise möge hier die eigenthümliche Lagerung einiger
Torfmoore auf Section Ziesar in der Nähe der oben beschriebenen
Deltas Erwähnung finden.
Section Ziesar wird von ziemlich breiten (bis 2km) von O
nach W verlaufenden Rinnen durchschnitten, die eine mehrfache
Verbindung der beiden Hauptthäler des Blattes, des Tucheimer
und des Buckau-Thales (S. oben) herstellen. Am südlichen Rande
dieser Ostwestrinnen treten nun über die ganze Section hinweg
eigenthümliche Hochmoore auf, die man als Gehängemoore be-
zeichnen kann. Dieselben finden sich in beschränktem Umfange
am Nordrande der Königl. Forst bei Räsdorf, sowie zwischen
Magdeburgerforth und Dreibachen in den Jagen 82 und 83 und
in grösserer Ausdehnung zwischen Schopsdorf und Dretzen in
Vergl. hierüber auch die ganz ähnlichen Anschauungen, die Brrexpr be-
reits 1882 in seiner Abhandlung: Die Sande im norddeutschen Tieflande und
die grosse diluviale Abschmelzperiode. Dies. Jahrb. für 1881, 5.494 und 495
für Ostpreussen entwickelt hat.
Jahrbuch 1886. 10
146 K. Keiwnack,, Ueber Deltabildungen
Theilen der Jagen 51—59, 41—49 und 34—-36 der Königl. Forst.
Ausserdem findet sich noch Hochmoor in geringer Ausdehnung
östlich von Gottesforth und südlich von Tucheim. Dieses Hoch-
moor ist bezüglich seiner Lagerung «adurch ausgezeichnet, dass
es gegenüber den angrenzenden Thalgeschiebesandflächen nicht
sowohl eine tiefere, als vielmehr eine höhere Lage einnimmt, so-
dass man also vom Thalrande auf das Moor hinaufsteigt. (Siehe
das folgende Profil.)
za oa Ba oo
Unteres Grandiger Gehänge- Wiesen-
Diluviam. Thal- moor. moor.
geschiebe-
sand.
Alle diese Hochmoore grenzen mit ihrer einen Seite, der
südlichen, an die diluviale Hochfläche, mit der anderen nördlichen
an Thalgeschiebesand. Im Querschnitte zeigt ein derartiges Thal
also drei Absätze: den einen vom Wiesenmoor zum Thalsande,
den zweiten vom Thalsande zum Hochmoor und den dritten von
diesem zur Hochfläche. In allen von Nord nach Süd die Königl.
Forst zwischen Dretzen und Schopsdorf durchschneidenden Gre-
stellen kann man diese mehrfache Stufenbildung beobachten. Diese
eigenthümlichen, dem Plateau gewissermassen angelagerten in sich
etwas geneigten, nach N um 1,5 bis 3 Meter plötzlich, geradezu
steil abfallenden Hochmoore sind wahrscheinlich ursprünglich reine
@Quellmoore, hervorgerufen durch einen am Rande der ostwestlichen
Rinne heraustretenden Grundwasserstrom, dessen noch gegen-
wärtiges Vorhandensein durch zahllose, dem Gehänge ungefähr
bei der 80 Meter-Öurve entspringende, kräftige Bäche bewiesen
wird. Erst später, bei fortgeschrittenem Höhenwachsthum mag
sich das Quellmoor in das vegetativ völlig verschiedene Hochmoor
verwandelt haben.
An bezeichnenden Hochmoorpflanzen, die in dem aufgeführten
Gebiete sich finden, seien hier die folgenden genannt:
am Nordrande des Fläming ete. 147
Vaceinium Owyeoccus L.
Ledum palustre L.
Erica tetralix L.
Lycopodium inundatum L.
Ein grosser Theil des Hochmoores ist bewaldet und trägt m
den tieferen Theilen Erlen, in den höheren dagegen prächtige
alte Buchenbestände. Im tiefen Schatten derselben hat sich, vor
allem an den Ufern der zahlreichen, das Moor durchziehenden,
schnellfliessenden klemen Bäche, eine eigenthümliche Flora an-
gesiedelt, welche hauptsächlich aus vielerlei Arten von Farren-
kräutern besteht, von denen
Blechnum boreale Sw.
Osmunda regalis L.
Polypodium vulgare L.
Asplenium Filww femina BERNN.
Aspidium Thelypteris Sw.
> montanum AÄSCHER.
> Filix mas Sw. und
> spinulosum SW.
hier genannt sein mögen. Ausserdem tragen diese Hochmoore
grosse Mengen von Himbeergesträuch, deren wohlschmeckende
Früchte den Bewohnern der armen Walddörfer zu bestimmter
Jahreszeit eine nicht unbedeutende Einnahmequelle verschaften.
10°
Die zonenweise gesteigerte Umwandlung
der Gesteine in Ostthüringen.
Von den Herren K. Th. Liebe und E. Zimmermann in Gera.
Nachdem ich auf Grund vieljähriger Untersuchungen den
Erfahrungssatz ausgesprochen habe, dass auch ohne Beeinflussung
durch benachbarte Eruptivmassen sich durch innere chemische
Umsetzungen die Gesteine jüngerer Formationen bis zur Aehnlich-
keit mit denen älterer Formationen umändern, und dass diese
Umänderung lokal sehr verschieden hochgradig ist, haben unsere
jüngsten Untersuchungen bei Gelegenheit der Aufnahmen im süd-
westlichen und im vogtländischen Ostthüringen neue Belege ge-
bracht, welche der Mittheilung werth sein dürften.
Wie ich schon früher hervorgehoben habe!) zieht sich aus der
Gegend zwischen Greiz und Werdau über Elsterberg, Mehltheuer
und Reuth bis in die Gegend östlich bei Hirschberg a. S. ein
Streifen mit sehr hoch entwickelter Umwandlung der Gesteine
hin. Eine scharfe Begrenzung gegen die benachbarten Striche
nit geringerer Umwandlung ist nicht vorhanden, sondern es voll-
zieht sich der Uebergang von der geringeren zur stärkeren Meta-
morphose allmählich. Gleichwohl aber kann man mit Sicherheit
aussprechen, dass die Axe des Streifens ganz geradlinig und zwar
in der Richtung von SW nach NO, also parallel der erzgebirgischen
Sattelaxe verläuft in einer Erstreckung von 5 Meilen. Die Breite
!) Uebersicht über den Schichtenaufbau Ostthüringens. Abh. z. geol. Spec.-
Karte von Preussen ete. Bd. V, Heft 4. 8.54 u. a. 0.
K. Tr. Liers und E. Zınvernass, Die zonenweise gesteigerte etc. 149
des Streifens ist nicht allenthalben gleich und im allgemeinen süd-
westwärts etwas geringer als nordostwärts, übersteigt aber nicht
eine Meile und geht nicht unter eine halbe Meile herab. Im all-
gemeinen entfällt dieser Streifen auf das Ausstrichgebiet des
Cambriums und Silurs; wegen ihrer übergreifenden Lagerung sind
aber auch das Unterdevon, das Oberdevon und der Kulm von
der Metamorphose mit ergriffen.
Innerhalb dieses Streifens sind nun wieder einzelne, immer
der Axe genäherte Regionen aussergewöhnlich stark umgewandelt,
ohne dass die tektonischen Verhältnisse einen Anhalt geben, auf
eine bestimmte Ursache zu schliessen. Zunächst aber ist auf das
Bestimmteste zu betonen, dass man an die Einwirkung tief unter
Tag stehender Granit- oder anderer ähnlicher Eruptivmassen nicht
denken darf; dagegen spricht einmal die Länge und regelmässige
Entwickelung des Streifens und dann die besondere Art der
Umwandlung, da Erschemungen wie Fruchtschiefer, Knötchen-
schiefer u. s. w. durchaus fehlen. Es besteht vielmehr die litho-
logische Umwandlung im fraglichen Gebiet darin, dass durch
Fältelung und Runzelung im innigen Verein mit Auslaugung vor-
handener Stoffe und chemischer Neubildung von Mineralien das
Gestein einen Habitus erhalten hat, den im übrigen Ostthüringen
nur die älteren Formationen tragen. Es unterscheidet sich also
gerade durch das Zusammengehen der chemischen und mecha-
nischen Arbeitswirkung die Metamorphose auf dem genannten
Streifen von der wesentlich chemischen Metamorphose im Contact
mit Granitmassen.
Mein verehrter Freund Lossen sucht nun in geistvoller Weise
in seiner im vorigen Jahre erschienenen eindringenden und an-
regenden Schrift !) nachzuweisen, dass diese Metamorphose durch
Drehung der Sattelaxe hervorgerufen sei. Dankbar acceptirte ich
diese Erklärung der Erscheinung, da ich selbst ja eine andere
Erklärung nicht gefunden hatte und bis heute nicht gefunden
habe. Ich kann aber nicht umhin zu bemerken, dass der ganze
) Lossen, Ueber das Auftreten metamorphischer Gesteine in den alten
paläozoischen Gebirgskernen nu. s. w. S. 41 fi.
150 K. Tr. Lisee und E. Zımmervanx. Die zonenweise gesteigerte
metamorphische Streifen in seinem geradlinigen Verlauf nicht auf
eine Drehung der Sattelaxe hinweist, und dass gerade da, wo
eine fast nördlich streichende Sattelung unter der maskirenden
nordöstlichen hervortritt, die Bezirke allerstärkster Metamorphose
fehlen. Ebenso fehlt ausserhalb dieses Streifens und doch in
grosser Nähe desselben auf Section Plauen, wo Umbiegungen
der Sattelungsaxe mehrfach zu beobachten sind, jede auffällige
Mehrung der Metamorphose.
Ein Bezirk stärkster Umwandlung, der zugleich recht um-
‚fänglich ist, liegt zwischen Netzschkau, Obermylau und Reinsdorf.
Hier sind die Schiefer und die darin eingelagerten quarzitischen
Blätter und Bänke durch Fältelung und Runzelung, Schieferung
und Stauchung zusammen mit den begleitenden chemischen Ver-
änderungen so »gealtert«, dass die petrographische Diagnose das
wahre Alter nur dann richtig treffen kann, wenn jahrelange unaus-
gesetzte Uebung den Blick hinreichend geschärft hat. Und bei
der Diagnose hatten wir faktisch anfänglich nur den lithologischen
Charakter des Gesteins als Anhaltepunkt; erst später im Verlauf
der Einzelaufnahmen fanden sich gerade in diesem Bezirk da und
dort Punkte, wo auf freilich sehr beschränkten Räumen ein be-
sonders günstiger Umstand, ein Druckschatten oder dergleichen,
das Gestein ein wenig vor zu starker Umwandlung bewahrt hat
und infolge dessen sogar Petrefakten erhalten geblieben sind, welche
in überraschender Weise die lithologisch begründeten Diagnosen
bestätigten. So fanden sich graptolithenführende Mittelsilur-
schichten, Tentaculitenschiefer des Unterdevons, tentaculitenreiche
Knollenkalke aus dem höchsten Oberdevon; endlich lieferten auch
weitere Bestätigungen die neu aufgefundenen ganz unverkenn-
baren Eisenoolithe der Thuringitzone und die bei der Verwitterung
weiss mit röthlichem Schein ausbleichenden (bei Saalfeld pflanzen-
führenden) Russschiefer an der Basis des Unterkulms. — Die
Schiefer sind in diesem Gebiete schimmernd geworden und von
krystallinischem Ansehen, ohne dass man mit blossem oder nur
mit der Lupe hewaffnetem Auge Krystalle erkennen könnte. Die
Quarzite haben in analoger Weise em härteres, glimmerigeres, —
ich möchte gern sagen »quarzitischerese Ansehen angenommen.
Umwandlung der Gesteine in ÖOstthüringen. 151
Unter dem Mikroskop ist bei stärkerer Vergrösserung die Um-
prägung des lithologischen Charakters bei weitem nicht so auf-
fällig wie dem blossem Auge, indess tritt doch die grössere Kry-
stallinität deutlich hervor und ebenso eime Anzahl von Neubil-
dungen und Vermehrungen: lichtfarbige (niemals braune) Glimmer-
blättchen drängen sich ein, scheinbar feldspathige Neubildungen
sind nicht zu verkennen, auch chloritische Substanzen und faserige
Mikrolithe fehlen selten. Dass eine Mehrung der Schiefernadeln
wit jener Umwandlung Hand in Hand zgesangen, ist nicht zu
bemerken, — im Gegentheil scheint letztere eher eine Verringerung
oder gar Vernichtung derselben herbeigeführt zu haben. Indessen
ist hier ein sicheres Aburtheilen dadurch erschwert, dass einerseits
die auch dort vorkommende primäre Köthung bei den älteren
Schiefern eine Führung von Schiefernädelchen in der Regel aus-
schliesst, und dass andererseits innerhalb dieses Bezirks die späth-
zeitige secundäre Röthung und Buntfärbung die Gesteine in dieser
Richtung ebenfalls beeinflusst hat.
Sind die Schiefer und die quarzitischen Einlagerungen unter
der Einwirkung des Umwandlungsprocesses vorzeitig gealtert, so
sind es die Kalke und Kalkknotenschiefer noch viel mehr. Sind
die untersilurischen Quarzite den cambrischen im Aussehen nahe
gerückt und die unterdevonischen Schiefer mit ihren Nereiten-
quarzitschwärtchen den Phycodesschiefern sehr ähnlich geworden
und gleichen sogar die kulmischen Schiefer und Sandsteine jenen
alten Gesteinen gar sehr, so ist das Aussehen der oberdevonischen
Knotenkalke und Kalkknotenschiefer für den, der sonst im übrigen
Östthüringen die Gesteme kennt, geradezu verblüffend. Diese
Knotenkalke und Schiefer sehen wie dünngewalzt aus mit breit-
gequetschten Kalkknoten und talkig-krystallinisch schimmerndem,
ganz lichtfarbigem Schiefer dazwischen, der weit eher an Glimmer-
schiefer erinnert, als dass man ihn mit den gewöhnlichen erdig-
matten oberdevonischen Schiefern vergleichen möchte; der Kalk
der Knoten selbst ist sehr deutlich hornig und krystallinisch ge-
worden, und sind darin, bei Auflösung des Kalks in Säuren übrig
bleibend, schön sechsseitige Muscovitblättchen ausgeschieden. —
Die obersilurischen Kalke sind gleichfalls ganz hornig und kry-
152 K. Tr. Liege und E. Zimmernans, Die zonenweise gesteigerte
stallinisch geworden, und sind darin einzelne den Schiefernadeln
ähnliche Nadeln ausgeschieden. — Die vereinzelten Knoten im
Unterdevonschiefer sind ebenfalls ganz flach gedrückt und so stark
mit Quarz und feldspathigen Neubildungen in feinen Partikelchen
durchsetzt, dass man sie kaum noch Kalk nennen kann, ob-
schon Salzsäure den Kalk unter Brausen auszieht und ein Skelet
zurücklässt. i
Am schärfsten markirt sich die stärkere Umwandlung an den
Diabasen und deren Tuffen, und zwar sind es hier namentlich
die unterdevonischen, die ın Betracht kommen. Die Feldspathe
der Diabase sind durch ihre ganze Masse hindurch sehr stark
getrübt und gelockert, und in ihnen haben sich secundäre Mineralien
verschiedener Art in z. Th. ausserordentlicher Menge eingedrängt,
namentlich kurzsäulige Plagioklase und strahlig-federige Gebilde,
welche vorläufig als eine Art Fibrolith bestimmt wurden; die Au-
gite sind bis fast zum völligen Verschwinden von aussen herein in
Chlorit und Hornblende umgewandelt; von letzterer laufen blau-
grüne Strahlen von den Augitkernen aus, besonders in der Richtung
der Hauptaxe, aber auch in andere Richtungen, sodass vor ihr
vielfach nicht bloss der Augit, sondern auch der Chlorit zurück-
tritt; gutentheils ist die Hornblende später gebildet als der Chlorit;
Epidot und Ualecit, steatitartige Partikeln und seltenere Magnetite,
sowie Titaneisen und Leukoxen fehlen nicht. Ausserdem zeigt
das Gestein eine starke Zertrümmerung durch zahlreiche Spältchen
an, die auch von secundär gebildeten Mineralien erfüllt sind.
Um es kurz zu sagen; der unterdevonische gekörnte Diabas ist
ausser der mechanischen Zertrümmerung und Wiederverkittung
in seinen Einzeltheilchen chemisch noch dahin umgeändert worden,
dass er mehr oder weniger dem von GÜMBEL eingeführten Epidiorit
gleicht. Dieses Gestein bildet also nicht bloss Lager und Gänge
im oberen Cambrium und unteren Untersilur, sondern auch noch
in jüngeren Schichtenfolgen bis in das Unterdevon herein.
Bei der Verquetschung, Zertrümmerung und Wiederverkittung
dieser Diabase hat sich öfter eine schiefrige Struktur eingestellt,
welche in verschiedenen Fällen eine Unterscheidung von den
Diabastuffen recht sehr erschwert. Es sind aber solche Tufte von
Umwandlung der Gesteine in Östthüringen. 153
unterdevonischem Alter thatsächlich vorhanden und gar nicht so
selten, während sie sonst in Ostthüringen recht selten sind. Diese
Tufte sind ebenso umgewandelt wie die Diabase, nur noch stärker,
sodass die Augite meist gänzlich verschwunden sind, und das
Gestein der Hauptsache nach aus mehr lagenweis geordneten feld-
spathigen Mineralien und deren Derivaten voll emgestreuten
Chlorites, aus Chlorit und dunkelblaugrünen büschelig und lagen-
weis eingeordneten Hornblenden besteht. Es gleicht dies unter-
devonische Gestein also genau den cambrisch - untersilurischen
Epidioritschalsteinen aus Gebieten mit nicht besonders auffälliger
Metamorphose.
Noch auffallender ist die Umwandlung bei den oberdevonischen
Tuftfen und Breccien, bei welchen allerdings die Titaneisenkörner
fehlen und dafür zarte Magneteisenkörnchen eintreten. Auch viel
weisser serieitischer Glimmer hat sich bei sehr vielen hierher
gehörigen Gesteinen auf den Schichtflächen entwickelt, während
sonst die Umwandlungsprodukte dieselben sind wie in den oben
besprochenen Schalsteinen, nur in viel feinkörnigerer Mischung.
Solche Gesteine haben ein ungemein altes Ansehen angenommen.
Horizontal gehen sie weiterhin in die gewöhnlichen Breccien des
Oberdevons über, die aus feinem Schliech und Brocken aphanitischen
oder mandelsteinartigen Diabases von gefilzter Struktur zusammen-
gesetzt sind.
Dass die alten Schalsteine cambrischen Alters entsprechend
stärker umgewandelt sind, lässt sich leicht voraussetzen; sie zeichnen
sich namentlich durch sehr vorwaltende feldspathige Neubildungen,
durch Albite, aus, die am Saalband, d. h. an den begrenzenden
Schichtflächen eine oft recht beträchtliche Grösse erreichen.
Wir wiederholen nun das oben Gesagte: für die grössere
Intensität der Umwandlung in diesem Bezirk zwischen Netzschkau,
Mylau und Reinsdorf innerhalb des ostthüringischen grossen Streifens
stärkerer Umwandlung lässt sich an den zu Tage anstehenden
stratigraphisch - petrographischen Verhältnissen der Umgebung so
wenig eine Ursache mit einiger Sicherheit erkennen, wie aus den
tektonischen Verhältnissen in den Umgebungen des ganzen Streifens
für diesen selbst. Ueberall liegen dieselben Kreuzungen von erz-
154 K. Tu. Liese und E. Zinnermans, Die zonenweise gesteigerte
gebirgischen nordöstlichen Sätteln durch die frankenwäldischen
nordwestlichen vor. Und was die Spaltungen und Verwerfungen
betrifit, so zeigt sich, so viele kleine derselben sich auch allenthalben
kreuzen, nirgends eine ganz besondere Häufung derselben oder
eine imponirend grosse Verwerfung.
Ganz anders die tektonischen Verhältnisse im Südwesten
Ostthüringens, wo ein ähnlicher Bezirk höchster Metamorphose
sich bei Wurzbach im Frankenwald in nordwestlicher Richtung
hinzieht. Dieser Bezirk ist scharf begrenzt, und seine Grenzen
bilden zwei Verwerfungslinien, welche mitten zwischen den
Ortschaften Heberndorf und Thierbach auf dem dort von Westen
her m das Sorbitzthal vorspringenden Bergvorsprung spiess-
eckig zusammentreffen. Von diesem Vereinigungspunkt aus ver-
läuft die eine Spalte, die nordöstlicher gelegene, erst in h. 61/5,
dann 6/3, weiterhin em längeres Stück h. 7, dann h. 8
und zuletzt 9/3: beim weiteren, hier jedoch nicht in Betracht
kommenden Verlauf wendet sich die Spalte wieder mehr in die
Richtung OSO zurück; sie berührt die Klettigsmühle und zieht
dicht bei Heinersdorf vorbei gegen Lobenstein hin; da mit ıhr
eine sehr starke Verwerfung verbunden ist, und sie für die tekto-
nische Erkenntniss von hoher Bedeutung ist, so geben wir ihr
einen besonderen Namen und nennen sie Heinersdorfer Ver-
werfung. Die andere weit weniger verbogene Spalte streicht von
jenem Punkte aus in h. 102/, östlich an Wurzbach vorbei bis in
die Gegend der Hornsgrün bei Neundorf; da auch mit ihr eine
sehr starke Verwerfung verknüpft ist, nennen wir sie Wurzbacher
Verwerfung. Zwischen diesen beiden Spalten ist ein Gebiet mit
älteren Formationen vom Cambrium bis zum Oberdevon einge-
schlossen, während ausserhalb derselben Kulm ansteht )). Dieses
Gebiet ist demnach als ein Horst zu bezeichnen, und in der
Spitze dieses dreieckigen Gebietes, nördlich und nordöstlich von
Wurzbach und auch noch ein Stück südöstlich von diesem Orte
liegt nun wieder eine Region sehr starker Metamorphose; wo die
!) Dem noch wenig vorgerückten Stand der Aufnahmen im Jahre 1884 ent-
sprechend sind diese beiden Verwerfungen auf unserer Uebersichtskarte über den
Schichtenaufbau Östthüringens nicht in richtiger Weise zur Darstellung gelangt.
Umwandlung der Gesteine in Ostthürmgen. 199
beiden Verwerfungen immer weiter aus einander treten, je weiter
ınan also nach Südost kommt, um so weniger hochgradig wird
die Umwandlung, bis sie sich schliesslich nicht mehr auffälliz
hervorhebt. Bemerkenswerth ist noch, dass innerhalb des Horstes
das Streichen der Formationsglieder im Grossen und Ganzen in
frankenwäldischer Richtung erfolgt, während es ausserhalb desselben
der erzgebirgischen Richtung entspricht. Fallen nun die beiden Ver-
werfungen nur einigermaassen gegen aussen ein — und das ist am eim-
fachsten vorauszusetzen, — so mussten die aussen absinkenden Massen
wie Keile auf die Spaltflächen wirken, und dadurch also ein sehr
bedeutender horizontaler Druck auf den dazwischen stehen-
bleibenden Horst ausgeübt werden. Da Jässt sich denn recht
gut denken, wie dieser mechanische Druck eine erhöhte chemische
Thätigkeit der Gesteinswässer bewerkstelligen musste. Kleine
blasenartige Anftreibungen der hanzenden Schichtfläche der Schiefer,
Diabase und Breceien, welche in dem Schieferbruche bei der
Heinrichshütte bei Abräumung der auflagernden brüchigen Masse
blossgeleot wurden, demonstriren diesen Druck recht deutlich,
— ganz abgesehen von den dünnschiefrig gewordenen und ausser-
ordentlich intensiv und doch sehr zart gerunzelten Schiefern, wie
sie im Unterdevon besonders bei der Bärenmühle bei Wurzbach
vorkommen.
Auch in diesem metamorphbischen Gebiet sind es die Lager
eruptiven Ursprungs, die Diabaslager und die Schalsteine und
Tuffe, welche vorzugsweise verstärkte Umwandlungserscheinungen
zeigen. Die unterdevonischen Diabase, z. B. die schon mehrfach
beschriebenen vom Felslein beim Wurzbach und vom Klettigs-
hammer, sind ganz in der Weise, wie es oben geschildert wurde,
in Epidiorit verwandelt, nur dass hier die secundäre Hornblende-
bildung noch mehr vortritt, wenn auch die Augitkerne dabei noch
vielfach recht deutlich und schön erhalten geblieben sind, während
seeundäre Albitbildung sich weniger stark geltend macht. Auch
die mitteldevonischen Diabase und Variolite tracen durch ihre
Masse hindurch die Merkmale derselben Umwandlung. Ausser-
ordentlich schön lässt sich letztere an den unterdevonischen Schal-
stemen studiren ; dem unbewaftneten Auge erscheinen diese
156 K. Tu. Liese und E. Zınsermans, Die zonenweise gesteigerte
schiefrig-krystallinischen graugrünlichen Gesteine mit ihrem starken
fettigen Glanz wie die Epidioritschalsteine im obersten Cambrium,
welche im südlichen Ostthüringen so vielfach als Werksteine ge-
brochen werden, und unter dem Mikroskop enthüllen sie sich
doch als epidioritisirte Schalsteine aus Titaneisendiabas- Material.
Auch oberdevonische talkigglänzende graugrüne Schalsteine sind
vorhanden, welche äusserlich bei unbewaftnetem Auge sich von
den eben besprochenen unterdevonischen und also auch von den
alten typischen silurisch-cambrischen kaum unterscheiden lassen
und doch unzweifelhaft oberdevonischen cypridinenführenden
Schiefern eingelagert sind; unter dem Mikroskop freilich verrathen
die Dünnschliffe an vielen Stellen die Abstammung von jenen
oberdevonischen Breccien feinsten Schliechs, welche sonst in Ost-
thüringen nicht, d. h. weit weniger umgewandelt Einem häufig
genug begegnen. Die augitischen Mineralien der diabasischen
Schalsteinmasse sind vollständig verschwunden bis auf einzelne
sehr spärliche, auch schon halb zerstörte Kerne und haben das
Material geliefert zu einer überwuchernden Chloritbildung; neben
primärem hat sich in Schwärmen secundäres Magneteisen ein-
gelagert; die secundäre Hornblendebildung ist nicht so weit ge-
diehen wie in den unterdevonischen Tuffen oder gar in den epi-
dioritisirten Diabasen: die feldspathigen Theile sind sehr ange-
griffen, feldspathige Neubildungen fehlen fast ganz, wie dieselben
überhaupt in diesen jüngeren, wenn auch stark metamorphosirten
Gesteinen nie so bedeutend zu sein pflegen wie in den älteren.
Dem Anschein nach ist das Gestein gröber krystallinisch geworden,
als dem ursprünglichen Schliech entsprechen würde. Uebrigens
fehlt darin auch gewöhnlicher Schieferschliech nicht, der schlieren-
artig in den Schichtebenen liegt; weisse Glimmerblättchen in dem
Gestein gehören vielleicht diesem alten Schiefermaterial an.
Im Liegenden dieser Schalsteine und im Hangenden von
oberdevonischen Schiefern mit Cypridinen stehen Schiefer von
grünlichgrauer Farbe, bei denen offenbar umgekehrt das Schiefer-
material von Haus aus versetzt war mit etwas Diabastuffmaterial,
wenigstens machen sie unter dem Mikroskop mit ihren zahlreichen
Chlorit-, Magnetit- und Feldspatheinsprenglingen ganz diesen
Umwandlung der Gesteine in Ostthüringen. 157
Eindruck. — Die oben erwähnten Oypridinenschiefer weichen in
diesem Bezirk stärkerer Umwandlung von dem gewöhnlichen
Schiefer ebenfalls ab und zwar durch sehr dunkle Farben, durch
starke Neigung zur Schieferung, die sogar zur Gewinnung von
Dachschiefer Anlass gab, durch dabei doch krystallinischeres Korn
und durch die weit gleichmässigere Vertheilung von Kalkpartikeln
durch ihre ganze Masse hindurch. Gegenüber den unterdevonischen
Schiefern desselben Gebietes aber darf jedoch nicht verschwiegen
werden, dass die mechanische Umwandlung durch Runzelung sehr
viel geringer ist, ja fast verschwindet. — Auch die weiterhin
(z. B. an der Lindenmüble) im Liegenden auftretenden Goniatiten-
kalke zeichnen sich aus durch eine auffällig dunkle Farbe. Ob
diese und andre Eigenschaften in causalem Zusammenhange mit
der Metamorphose des ganzen Bezirks stehen, in der Weise, dass
die Ursachen, welche die Metamorphose hervorbrachten, direkt
oder indirekt auch die von den entsprechenden Vorkommen weit-
hin rings umher gänzlich abweichende Entwicklung dieser Kalke
veranlasst hat, das muss vorläufig noch dahingestellt bleiben. Sie
unterscheiden sich nämlich auch noch durch ihre Tendenz zur
Schieferung und dadurch, dass in ihnen die Bildung von Knoten
nicht oder nur in kaum merklicher Weise stattgefunden hat:
Schieferschliech und Calcitmasse sind noch sehr gleichmässig ge-
mischt und bilden dünne gleichmässige Lagen. Die Kalklagen
sind durch schwarzen bis (durch Verwitterung) hellgrauen seiden-
glänzenden Schieferbast mit viel wasserhaltigem Glimmer getrennt.
Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, hier einen weit
älteren, etwa untersilurischen Kalkschiefer zu vermuthen, wie es
z. B. v. GÜMBEL!) wirklich gethan hat. Verbietet aber eine solche
Annahme schon das Studium der Lagerungsverhältnisse, so wird
zuletzt die richtige Diagnose noch durch die Auffindung gar nicht
seltener Goniatiten bestätigt. — Die obersilurischen Kalke (an
der Bärenmühle) zeigen zwar auch eine nur wenig deutliche
Knotenbildung, aber bei weitem nicht so undeutlich als jene ober-
devonischen; sie sind aber noch viel mehr umgewandelt, von
!) Fichtelgebirge, $. 293.
158 RK. Ti. Lieses und E. Zınmermans, Die zonenweise gesteigerte
hornigem, wachsartig aussehendem, feinkrystallinischem Habitus,
gelblichgrau und schwarzfleckig durch feineren mit kohligem Pulver
gemengten Schieferschliech; die schwarzen Flecken liegen im Quer-
schnitt zu den Schichtebenen theils wie scharf begrenzte Wolken
und Augen, theils aber entsprechen sie auch den einzelnen Lagen,
welche die Kalkbänke zusammensetzen.
Wir nehmen an, dass die Bildung dieses Bezirkes besonderer
Metamorphose in causalem Zusammenhang mit den oben erwähnten
zwei Verwerfungsspalten steht, zwischen denen spiesseckig einge-
klemmt jener Strich als Horst stehen blieb, und haben dazu das
Recht, insofern keine andere Ursache entdeckbar ist. Allerdings
erhebt sich westlich und nordwestlich von der nördlichen Ecke
des Bezirkes das Granitmassiv des Henneberes; allein dies hat
seinen besondern Gürtel einer Metamorphose, und diese ist ganz
und gar verschieden von derjenigen zwischen dem Wurzbacher
und Heinersdorfer Verwerfer. Es kommt dazu, dass zwischen
den beiden metamorphischen Gebieten sich Schiefer ohne irgend-
welche besondere Metamorphose hindurchziehen. und endlich, dass
das umgewandelte Gebiet durch die beiden Verwurftspalten scharf
begrenzt ist, jenseits deren keine besondere Metamorphose zu er-
kennen ist. Wie bei dem oben behandelten grossen Greiz-Hirsch-
berger Umwandlungsstreifen an die Einwirkung von Granit nicht
zu denken war, so ist also auch bei dem Wurzbacher, dessen
Umwandlungsart ganz mit der jenes Gebietes übereimstimmt, jede
direkte Einwirkung von Seiten des Henneberggranites ausge-
schlossen.
Setzen wir nun jenen causalen Zusammenhang als thatsäch-
lich voraus, dann können wir nach der Zeit fragen, in welcher
die Bildung jener Spalten oder wenigstens deren Beginn fallen
mag. Da die eine jener Klüfte ihren Verlauf im grössten Theil
ihrer Erstreckung in nordwestlicher Richtung nimmt, und da
Klüfte dieser Art in Ostthüringen allenthalben häufig sind und,
wie ich (LIEBE) anderwärts schon ausführlich bewiesen habe, sich
fast alle unmittelbar nach der Kulmzeit zu bilden begonnen haben,
so möchten wir auch für die Bildung der Grenzklüfte des oben
besprochenen metamorphischen Bezirks jene Zeit annehmen. Mög-
licher Weise hat aber die Isolirung und Einengung des Horstes
Umwandlung der Gesteine in Östthüringen. 159
schon früher angefangen. Wenigstens können die besonderen
Verhältnisse der Kalke in ihm diese Annahme als Vermuthung
rechtfertigen, nämlich einmal der Mangel der Knotenbildung und
dann die schwarze Farbe. Nach Analogie der Bildung von Feuer-
steinknollen in der Kreide, der Septarien im Thon, der Lösskindel
im Lehm, haben wir zu schliessen, dass auch der schlammige
Niederschlag, aus welchem die Kalkknotenschiefer und Knoten-
kalke entstanden, ursprünglich ein Gemenge thoniger und calci-
tischer Partikeln gewesen ist, aus dem sich durch polare Anziehung
und Wanderung die Kalkknoten erst zusammenzogen; dies vor-
ausgesetzt, müssen wir weiter annehmen, dass eine derartige Zu-
sammenziehung der Kalktheilchen zu Kugeln wohl nur stattfinden
konnte, solange die Sedimentmasse noch hinreichend weich und
in ihren einzelnen Theilen leicht beweglich war. Wenn nun die
Bildung der Kalkknoten im Oberdevon in diesem Bezirk durch
die Horstbildung gehindert wurde, so dürfte letztere im ihrem
Beginn und demnach auch die mit ihr in Verbindung stehende
Metamorphose wohl in die Zeit kurz nach Abschluss der Devon-
formation fallen. Dafür spricht aber auch noch die eigenthüm-
eewöhnlichen Ver-
Fo
hältnissen bedarf es nämlich einer längeren Zeit, bis die oı
liche tiefschwarze Farbe der Kalke. Unter
ganischen
Moderstofte, welche in den Sedimenten auf dem Grund der Ge-
wässer mit abgelagert wurden, sich allmählich in Wasser, Kohlen-
wasserstoffe und überhaupt Bitumina umsetzen, und diese sind
dann leicht oxydirbar, sodass das Grestein allmählich so licht
werden kann, wie es gewöhnlich ist. Hier aber muss durch frühes
Eintreten metamorphosirender Reactionen und durch Druck die
gewöhnliche Zersetzung der organischen Moderstoftfe verhindert
worden und dafür eine schnellere Zersetzung derselben vor sich
gegangen sein, welche zur Bildung von schwer oxydirbaren,
kohligen, vielleicht graphitischen Stoften führte. Analoga hierzu
liefern ja auch die verkieselten oder auch durch Wärme ver-
änderten und in Folge dessen schwarz gebliebenen Schiefer in
anderen Formationen hinreichend. viele.
Hatte das im Vorausgehenden Gesagte Bezug auf Gesteins-
umwandlungen, die nicht durch Contact mit Eruptivgesteinen ver-
anlasst waren, so möge nun noch einiges über die Ergebnisse
160 K. Tu. Lierr und E. Zınnermans. Die zonenweise gesteigerte
folgen, welche wir bei den Einzelaufnahmen in .dem durch seine
Granitcontactmetamorphosen neuerdings bekannter gewordenen Ge-
biet des Hennebergs bei Weitisberga und m seiner Umgebung,
auf den Sektionen Liebengrün, Lobenstem und Lehesten, erhalten
haben.
Unser Interesse nımmt zunächst der Granit selbst m An-
spruch. Was seinen lithologischen Charakter anlangt, so habe
ich der ausführlichen Darstellung, die derselbe in der Einzelbe-
schreibung von F. E. MÜLLER erfahren hat"), nichts hinzuzufügen.
MÜLLER giebt aber keine Aufklärung über das gegenseitige
Lagerungsverhältniss und die Verbreitung der von ihm unter-
schiedenen drei Hauptarten, des Biotitgranits, Muscovitgranits und
zweiglimmerigen Granits; von der vierten, aplitisch oder granit-
porphyrisch entwickelten Art giebt er an, dass sie »Ramificationen«
bilde. Das Letztere kann als richtig bezeichnet werden. Be-
züglich der drei ersten Arten war jedoch eme kartographische
Abgrenzung derselben unmöglich, aber wir gewannen doch die
e
stalteten) Mantel um die beiden andern Arten darstellt: er bildet
zumeist den Abhang des Berges, während der Muskovitgranit in
der Mitte durchragt und die Kuppe des Berges bildet; nur am
Nordostabhang reicht dieser »rothe Granit« auch tief am Abhane
Anschauung, dass der Biotitgranit den (etwa glockenförmig ge-
herab, wofür sich nachher vielleicht eine Erklärung ergiebt.
Was die Umgrenzung des Granitmassivs betrifft, so bildet
dieselbe — abweichend von den Angaben MÜLLER'S, denen auch
die Darstellung von R. RıcHter?) entspricht — nicht eine Ellipse
oder ein Oval, sondern im Grossen und Ganzen ein beinahe recht-
winkliges gleichschenkliges Dreieck, dessen rechter Winkel am
weitesten gegen Osten liegt, und dessen eine Kathete nach SW,
die andern nach NW, genauer h. 8, verläuft. Diese beiden Ka-
) F. E. Mürter, Die Contacterscheinungen an dem Granit des Hennbergs
bei Weitisberga. Inaug.-Diss. 1882.
?) Rıenrer, Das Thüringische Schiefergebirge; Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges.
1569. Karte auf Tab. V; diese falsche Darstellung ist vielleicht durch die gründ-
lich falsche topographische Karte des Gebietes veranlasst worden.
Umwandlung der Gesteine in Ostthüringen. 161
theten zeigen einen verhältnissmässig recht geraden Verlauf,
während die der Hypotenuse des Dreiecks entsprechende, im All-
gemeinen von S. nach N. streichende Granitgrenze mehrfach ge-
bogen ist; und zwar ist sie dies nicht bloss in ihrer Horizontal-
projection auf der Karte, sondern auch in ihrer Vertikalprojection,
indem sie am Bergabhang bedeutend in ihrem Niveau schwankt,
während die Kathetengrenzlinien eigentlich nur ganz flache ein-
fache Bogen bilden. j
In einer andern Beziehung zeigen die beiden Katheten aber
einen starken Gegensatz gegen einander: entlang der einen, in
h. 3 streichenden, ist nämlich der Schiefer stark contactmetamor-
phisch in der von MÜLLER eingehend und richtig beschriebenen !)
Weise umgewandelt; entlang der andern in h. 8 streichenden aber
zeigt sich nicht die allergeringste Spur von Fleck- oder Knötchen-
bildung, geschweige denn von noch höherer Metamorphose; viel-
mehr treten hier entlang der Granitgrenze breccienhafte Gesteine
auf, die aus lauter kleinen Bruchstücken bestehen, etwas gehärtet
und in geringerem oder höherem Grade durch Quarz verkittet
sind. Dort haben wir also die Anzeichen regelrechter Gesteins-
lagerung, hier die unzweifelhaften Beweise von Verwerfung: es
ist also der Schiefer im Nordosten des Hennbergs entlang der
h. 8 streichenden Spalte unter Bildung einer Reibungsbreccie ab-
gesunken. Durch diese Verwerfung kann natürlich auch, wenn
nur ihre Sprunghöhe gross genug ist, — unter Voraussetzung der
Richtigkeit unserer Anschauung bezüglich des Lagerungsverhält-
nisses des Biotitgranits zu den anderen Granitarten —, der mus-
kovitgranitische Kern blossgelegt werden, und so dürfte sich er-
klären, warum eben der Muskovitgranit am Nordostabhang so tief
herabsteigt. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Sprunghöhe
der Verwerfung allermindestens gleich der Mächtigkeit der Con-
tactschieferhülle ist, vermehrt um die Mächtigkeit des Granitit-
mantels und um die aufgeschlossene Mächtigkeit des »rothen
Granits«. Der Betrag würde also ein recht anständiger sein,
ara, 0. 8:24,
Jahrbuch 18836. 1i
162 K. Tr. Liese und E. Zınmermaxn, Die zonenweise gesteigerte
leider dürfte es kaum möglich sein, ihn zahlenmässig zu be-
rechnen ).
Dem Mangel an Contactmetamorphose auf der Nordostseite
des Granites gegenüber steht das ausgebreitetste Gebiet stärkster
Contactwirkung auf dessen Westseite, also auf der der Hypotenuse
entsprechenden Seite. Es ist zwar eine Gliederung der Contact-
schiefer in Andalusitglimmerfelse, Knötchenglimmerschiefer und
Fleckschiefer vorhanden, wie es ja MÜLLER so schön nachgewiesen
hat, aber sie ist doch nicht derart, dass man sie kartographisch
darstellen könnte. Soviel kann man aber doch sagen, dass die am
stärksten umgewandelten Gesteine sich auf der Westseite in grösster
Breite da ausladen, wo sie sich lappenförmig am Bergabhang
mehr ın die Höhe ziehen, als dem mittleren Niveau des Grenz-
verlaufs entspricht; das ist besonders auf dem nördlichen Drittel
dieser Westgrenze der Fall. Hier finden sich nun auch die
häufigsten Schieferstücke mit Granittrümern und umgekehrt
Granitblöcke mit Schiefereinschlüssen. Dies rechtfertigt den
Schluss, dass jene Schieferlappen ohne grosse Mächtigkeit dem
geneigten Abhang des Granitmassivs aufgelagert sind. Leider
fehlen auch nur einigermassen gute Aufschlüsse, welche diese
Lagerung besser zur Anschauung brächten; es sind eben nur
Schutt und lose Blöcke der Beobachtung zugänglich.
Zu demselben System von Spalten, zu welchem die oben be-
sprochene Verwerfung an der Nordostseite des Hennebergs gehört,
gehören auch alle andern Spalten, die auf diesem Berge aufsetzen
und mit Eruptivgesteinen erfüllt sind: sie alle haben also das
Streichen h. 8 bis 8°%/4; nicht eine einzige mit auffällig abweichender
Streichrichtung wurde beobachtet. So setzt auf dem höchsten
Kamm des Hennebergs?) durch den Granit ein in grobplattige
Scherben sich absondernder grauer bis gelblichgrauer, beinahe
) Ich lasse für diesmal den zu vermuthenden Zusammenhang dieser Ver-
werfung mit der grossen Gräfenthal- Probstzelle- Lichtentanner Verwerfung einer-
seits und mit der oben mehrfach erwähnten Heinersdorfer Spalte andrerseits un-
erörtert.
2) Der Kamm verläuft genau in der Richtung jenes Spaltensystems, während
hier ganz unrichtig das Messtischblatt Lobenstein ihn gerade quer dazu ver-
laufen lässt.
Umwandlung der Gesteine in Östthüringen. 163
dichter Porphyr auf, der sehr seltene, aber gut ausgebildete, bis
hanfkorngrosse Quarzdihexaäder neben reichlicheren kaolinisirten
Feldspathkryställchen, einigen Glimmerblättchen und Hornblende-
nadeln umschliesst. — Parallel damit setzt am nordöstlichen Ab-
hang ein Doppelgang von Lamprophyr auf, der in dem grössten
der auf Granit eröffneten Steinbrüche sehr gut aufgeschlossen ist.
— Ein dritter Parallelgang durchsetzt im Südwesten im Niveau
des Weitisberga-Heberndorfer Communicationsweges den Schiefer
und vielleicht auch den Granit!); es ist ein Porphyr, der trotz
aller äusseren sehr starken Verschiedenheit vielleicht noch richtiger
als Lamprophyr zu bezeichnen ist, in welchem der Glimmer ma-
kroskopisch ganz zurücktritt und dafür grössere primäre Horn-
blendesäulchen und Augitkörner eingetreten sind. — Endlich noch
weiter nach dem Südwestfuss des Berges zu folgen ein grosser und
mehrere kleinere Gänge eines weissen Felsitporpbyres mit zahl-
reichen Quarzkrystallen und einzelneren Orthoklasen, welcher
petrographisch ganz dem Saalbandgestein und der distalsten Aus-
bildungsart des Bodegangs im Harz gleicht, aber nicht wie dieser
mit dem Granitmassiv selbst in Verbindung steht, — wenigstens
oberflächlich nicht. Dieser selbe Porphyrgangzug streicht übrigens
nach NW noch weit fort: durch das Thal der kleinen Sormitz
hindurch bis zum Polmthal bei Lichtentanne, — und ebenso gegen
SO bis ostsüdöstlich von Heberndorf, wo er an der obengenannten
Wurzbacher Hauptverwerfung abschneidet.
Die schon 1884 von mir gegebene Beantwortung der Frage
nach dem Alter der den Henneberggranit umgürtenden Schiefer 2)
hat sich durch die eingehenden Aufnahmen im Jahre 1886 auf’s
sicherste bestätigt: es sind die Schiefer und Sandsteine des unteren
Kulms; Versteinerungen fehlen zwar in der allernächsten Nähe,
aber der petrographische Charakter lässt keinen Zweifel zu. Eine
weitere Bestätigung aber dafür, dass an Untersilur oder Unter-
devon durchaus nicht zu denken ist, wie es doch RıcHTEr 3) und
I) Im Gebiet des Granits finden sich nur sehr seltene, lose Brocken.
?) Lirer, Schichtenaufbau Ostthüringens S. 130. Nachschrift.
%) Rıcmrer, Thüringisches Schiofergebirge 8. 374.
12
164 K. Ta. Liege und E. Zınmermans, Die zonenweise gesteigerte etc.
selbst v. GÜMBEL !) noch gethan haben, welch’ letzterem sich auch
MÜLLER in seiner Abhandlung noch am meisten anzuschliessen
scheint, brachte die Auffindung von inselartig aus dem Kulm
hervortauchenden oberdevonischen Knotenkalken und Breccien mit
groben Kalkmandeldiabasstücken sogar innerhalb des Contacthofes
selbst. Die interessanten contactmetamorphischen Mineralbildungen
in diesen Oberdevongesteinen bedürfen noch genauerer Unter-
suchungen; vorläufig genüge die Mittheilung, dass sich in den
Kalken bis hanfkorngrosse Granatkrystalle und in den diabasischen
Gesteinen grüne strahlige Hornblende ausgebildet haben.
) v. Gümser, Das Fichtelgebirge S. 409 und 433.
Die Zechsteinformation am Kleinen Thüringer
Wald bei Bischofsrod.
Von Herrn H. Proescholdt in Meiningen.
Westlich von Schleusingen erhebt sich aus dem Triasgebiet
in nordwestlicher Richtung ein Zug älterer Gesteine, Granit, Por-
phyr, Rothliegendes und Zechstem, den man früher als ein Modell
des Thüringer Waldes ansah und deshalb als Kleinen Thüringer
Wald bezeichnete. Das Hervortreten desselben steht in ursäch-
licher Beziehung zu Dislocationen, die in der Gegend von Schwarza
beginnen nud über Bischofsrod, Wiedersbach nach Eisfeld und
weiterhin fortsetzen.
Der von zahlreichen Quarzporphyrgängen durchsetzte Granit
gehört zu den Granititen !) ROSENBUSCH's und ist bemerkenswerth
durch die sehr häufigen Schlierenbildungen. Das Rothliegende
kommt nur unbedeutend an die Tagesoberfläche und besteht aus
Porphyrbruchstücken und Quarzen.
Die Zechsteinformation ist da, wo bei Bischofsrod die Grenze
zwischen Rothliegendem und Zechstein entblösst ist, zunächst eine
Conglomeratbildung. Porphyrfragmente, kaolinisirte Feldspäthe,
Quarze etc. in ganz verschiedener Grösse liegen eingebettet in
einem dolomitischen Cement, das oft durchaus vorwaltet und dann
gern als Zellendolomit auftritt. Das Conglomerat geht sehr rasch
und unvermittelt in einen Sandstein über, der zu unterst noch dolo-
mitisches Cement führt, in den höheren Schichten zuweilen aber
1) Mikroskopische Physiographie 2. Aufl., 11. Bd., S. 29 u. 37.
166 H. ProsscnoLpr, Die Zechsteinformation
quarzitisches. Er ist meist sehr feinkörnig
g, verschieden’ gefärbt,
aber vorherrschend hell und oft dem typischen Chirotheriumsand-
stein zum verwechseln ähnlich. Er zeigt eine deutliche Absonderung
in Platten, wie es besonders schön bei Grethles zu beobachten
ist, wo er bis gegen 8 Meter mächtig aufgeschlossen ist. Bei
Bischofsrod zeigt der Zechsteinsandstein an einer Stelle eine
abweichende Beschaffenheit. Hier liegen in einem äusserst fein-
körnigen Sandstein mit dolomitischem Cement grössere Quarze
eingebettet, die sehr häufig vollkommen ausgebildete Krystalle
von R, -R darstellen.
Ueber den Sandstein, der bei Bischofsrod 2—4 Meter mächtig
ist, folgt an manchen Stellen, aber nicht immer, ein undeutlich
geschichtetes, dunkelbraunes, feinkörniges Gestein, ein’ eisen-
schüssiger, fast Magnesia freier Kalkstein. Er führt nicht selten
schlecht erhaltene Petrefacten, so namentlich im Dorfe Grethles
und bei Keulrod, unter denen Schizodus Schlotheimi erkennbar
ist. Bei Ahlstedt wird derselbe durch Spatheisenstein vertreten,
der fast vollständig in Braunveisenstein umgewandelt ist und von
zahlreichen Trümern von Baryt durchzogen wird. Vielfach
fehlt sowohl der Kalkstein als auch der Eisenspath, so dass der
obere Zechstein unmittelbar auf dem Sandstein lagert; noch an
andern Orten, wie zwischen Gethles und Ahlstedt, werden beide
Horizonte durch eine kaum 1 Meter mächtige Bank eines hellen,
braun getupften, löcherigen Dolomits getrennt. Bei Bischofsrod
folgt über dem Eisenkalk ein helles, dolomitisches Gestein von
recht verschiedenem Aussehen, häufig zellig, aber auch dicht,
krystallinisch körnig, rauh sich anfühlend und zuweilen sonderbare
Zerklüftung zeigend. Das Gestein ist am besten aufgeschlossen
an der Strasse von Bischofsrod nach Ahlstedt und ist unmittelbar
am ersteren Ort ganz erfüllt von wenig deutlichen Petrefacten,
darunter Schizodus truncatus, Solenomya spec., Gervillia ceratophaga,
Pleurophorus costatus. Die Schalenhöhlen sind häufig mit Arragonit
(Schaumkalk) ausgekleidet.
Mit dem dolomitischen Gestein schliesst hier die Zechstein-
abtheilung, die anderwärts in eine untere und mittlere getrennt
wird. Eine solche Trennung ist am Kleinen Thüringer Wald un-
am Kleinen Thüringer Wald bei Bischofsrod. 167
thunlich, obgleich bei Bischofsrod eine petrographische Differenz
zwischen höheren und tieferen Schichten hervortritt, da die leiten-
den Petrefacten fehlen und die ganze Zone verschwinden kann.
Die obere Zechsteinformation gliedert sich auch hier in die
unteren Letten, die mächtig entwickelt sind und bei Eichenberg
Gyps führen, in Plattendolomit und obere Letten. Der Platten-
dolomit ist 8 bis 10 Meter mächtig und erscheint meist dick-
bänkig; er ist an manchen Punkten, so an der Eichenberger
Kirche, reich an wohl erhaltenen Versteinerungen, Aucella Haus-
manni, Gervillia ceratophaga, Schizodus obscurus, Dentalium Speyeri
und Natica hercynica. Die sonst im Plattendolomit häufig auf-
tretende Turbonilla altenburgensis wurde bisher nicht beobachtet.
Den oberen Letten sind hin und wieder Dolomitknauern einge-
lagert, die Dentalium Speyeri führen !) und dadurch die Zuge-
hörigkeit zu der Zechsteinformation documentiren.
Der Vergleichung wegen schliesse ich hieran einen kurzen
Ueberblick über die Gliederung des Zechsteins zwischen Bens-
hausen und Suhl. In der Umgegend des ersteren Ortes lagert
über dem Öber-Rothliegenden zunächst das Zechsteinconglomerat,
0,3 Meter mächtig, hauptsächlich aus kleinen Porphyrfragmenten
zusamengesetzt, dann der Zechstein, 2 Meter mächtig, gelbbraun
bis schwarz, undeutlich plattig, durch Kohle, Thon und Sand
stark verunreinigt, ohne Petrefacten, dann die Rauchwacke.
Diese ist ausserordentlich verschiedenartig ausgebildet, bald
dicht, bald krystallinisch körnig oder conglomeratisch, bald hell-
gelb, bald dunkel oder gefleckt, bald ein Dolomit, bald ein Eisen-
kalkstein u.s. w. Sie führt an Mineralien Kalkspath, Spatheisen
Braunsteinmulm und in ihren hangenden Schichten Malachit, zu-
weilen in faustgrossen Stücken. An vereinzelten Stellen kommen
Petrefacten vor, (amarophoria Schlotheimi, Strophalosia Goldfussi,
Terebratula elongata, Acanthocladia spec. Die Mächtigkeit der
Rauchwacke ist eine ausserordentlich schwankende. Die obere
Zechsteinformation gliedert sich bei Benshausen in untere Letten,
Plattendolomit und obere Letten.
t) Ein solches Vorkommen wurde von mir auch bei Möhra beobachtet.
Die Zechsteinformation
H. ProsscHouLpr,
168
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am Kleinen Thüringer Wald bei Bischofsrod. 169
In nordwestlicher Richtung von Benshausen kommt die Zech-
steinformation zunächst wieder im Ebertsgrund bei Rotterode zu
Tage, ihre Entwicklung ist von Herrn Bückıne !) untersucht.
In südlicher Richtung von dem Kleinen Thürmger Wald tritt die
Formation in der Nähe des Thüringer Waldes und am Rand
desselben noch zweimal hervor, zunächst bei Katzberg, südöstlich
von Eisfeld, und dann bei Neuhaus in der Nähe von Sonneberg.
Beide Vorkommen sind von Herrn LoRETZ ?) aufsenommen und
eingehend beschrieben worden; sie zeigen eine grosse Einförmig-
keit in der Entwicklung ®). Die beistehende Tabelle giebt eine
Uebersicht über die Mannichfaltigkeit der Zusammensetzung der
Zechsteinformation an der Südostseite des Thüringer Waldes.
Im Vergleich mit der Gliederung der Zechsteinformation am
Harzrand, in Niederhessen, bei Liebenstein und Eisenach wie
auch im östlichen Thüringen zeigt der Zechstein am südöstlichen
Thürmger Wald eine sehr ärmliche Entwicklung des mittleren
und unteren Zechsteins, der in den kalkigen und dolomitischen
Sedimenten ganz verschwinden kann, während umgekehrt die
Conglomeratbildungen verhältnissmässig mächtig werden und
vielleicht zum Theil als dem Kupferschiefer und Zechstein syn-
chronische Bildungen anzusehen sind.
) Die Zechsteinformation bei Schmalkalden. Jahrb. d. k. preuss. geol.
L.-A. für 1882.
?) Erläuterung zu Blatt Meeder $S.5 u. 6, zu Blatt Sonneberg $. 23—26.
3) Ein drittes Zechsteinvorkommen auf der Höhe des Thüringer Waldes
bei Limbach zeigt eine reichere Gliederung. cf. Erläuter. zu Blatt Steinheid
S. 45—406.
Meiningen, im März 1887.
Ueber eine Diluvialablagerung bei Themar
im Werrathal.
Von Herrn H. Proescholdt in Meiningen.
Am rechten Thalgehänge der Werra bei Themar zieht sich
in grosser Ausdehnung eine untere Diluvialterrasse hin, deren
Zusammensetzung mir schon früher eine auffällige petrographische
Verschiedenheit von der der anderen Diluvialbildungen des Thals
zu zeigen schien. Indessen waren Aufschlüsse so gut wie garnicht
vorhanden, und da die unmittelbare Umgebung der Terrasse von
zahlreichen Verwerfungen durchsetzt ist '), die hier den Röth viel-
fach in gleiches Niveau mit dem grobkörnigen Buntsandstein ge-
zogen haben, so lag es nahe, hier manches Auffällige als Eluvial-
erscheinung im Sinne Nikıtiv’s ?) zu deuten.
Die Terrasse wird westlich von Themar von dem Thal der
Weissbach durchbrochen, die von Bischofsrod kommt und bei
Themar in die Werra mündet. Zu beiden Seiten des Weissbach-
thals sind in jüngster Zeit Gruben in der Terrasse angelegt worden,
in denen Material für die Themarer Ziegeleien abgestochen wird;
die grössten und wichtigsten liegen an der linken Thalseite. Die
umfangreichste derselben, die an eine Ziegelei stösst, schliesst
folgendes Profil auf:
Friedh. Werra- Werra- : .
Themar bahn thal Ziegelei
ee
8 Grobk. Sandstein
N
1: 12500.
s
1) Vergl.: Die Marisfelder Mulde etc. Jahrb. d. k. preuss. geol. L.-A. für 1882.
2) Diluvium, Alluvium u. Eluvium, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1884,1, 5.39.
H. Proszscuoupr, Ueber eine Diluvialablagerung etc. 171
Auf der Höhe fällt eine Verwerfung in die Augen, die den
grobkörnigen Sandstem vom Röth trennt; ihr geht ungefähr
1000 Schritt weiter östlich eine zweite parallel, infolge deren der
grobe Sandstein über den Röth hinaufgeschoben erscheint, der
von hier an den grössten Theil der Thalwände des Weissbach-
thals bis Bischofsrod zusammensetzt. Ueber dem Röth, der von
der Verwerfung auf der Höhe an ein flaches Einfallen nach dem
Werrathal, also nach Westen, annimmt, entblösst die Grube eine
bis über 2 Meter mächtige Decke von Lehm, den ich einstweilen
als Geschiebelehm bezeichnen will. Etwa 200 Schritte südlicher
ist der Lehm in vollständig gleicher Beschaffenheit noch mächtiger
aufgeschlossen und zeigt folgende Zusammensetzung:
2 Meter
5 Meter
In einem vorherrschend gelben, blau marmorirten, fetten Lehm
(Blocklehm, L des Profils), der sehr spärlich mit unbewaftfnetem Auge
sichtbare Quarzkörner einschliesst und keine Spur von Schichtung
zeigt, sind ganz zerstreut Linsen, Schmitzen und Bänder eines sehr
gleichmässigen, ziemlich groben Sandes (Flusssand, $ des Profils)
eingeschlossen, die niemals eime grössere Dicke, aber zuweilen eine
beträchtliche Länge erreichen können und immer scharf von dem
Lehm abgetrennt sind. In diesem feinen Material, Sand und Lehm,
liegen regellos nuss- bis kopfgrosse, allseitig abgerollte weisse
(uarze, selten Porphyre und andere Gesteine vom Thüringer Wald,
ferner Sandsteine, die bis 11/; Kubikmeter Inhalt erreichen können,
hin und wieder abgerollt, grösstentheils aber nur etwas stumpf-
kantig und wohl auch noch ganz scharfkantig sind. Die Lagerungs-
weise der grossen Blöcke ist sehr auffällig, da dieselben gar nicht
selten, allen Gesetzen der Schwere Hohn sprechend, auf der
schmalsten Fläche ruhen... Sie zeigen mitunter Schrammen und
172 H. ProsscaotLpr, Ueber eine Diluvialablagerung
vielfach glatte Flächen. Einmal wurde auch als Einschluss in
dem Lehm eine Scholle Letten beobachtet, die zweifellos aus dem
Röth herstammt.
Ganz gleiche Aufschlüsse bieten die Lehmgruben auf der
rechten Seite des Weissbachthals. |
Die Entstehung dieser Ablagerung zu erklären, ist in zwei-
facher Hinsicht schwierig. Zunächst ist das Neben- und Mitein-
andervorkommen von Sand und Lehm befremdend, es kommt in
den Diluvialstraten des Werrathales sonst nie vor, sondern sie
sind stets der Lagerung nach scharf geschieden. Ferner ist die
Vergesellschaftung der Kiesel- und Porphyrgerölle mit den wenig
oder gar nicht abgerollten, weit weicheren Sandsteinblöcken nicht
ohne Weiteres zu erklären. Die ersteren stammen ohne Zweifel
aus dem oberen Werrathal, die letzteren haben eine zweifelhafte
Herkunft, wie später zu berichten ist.
Fragt man nun nach der Entstehung dieser Ablagerung, so
lässt sich nicht verkennen, dass hier eine überaus grosse Aehnlich-
keit mit Grlacialbildungen vorliegt, eine Aehnlichkeit, die durch
mehrere Umstände noch verstärkt wird. Das den Lehm unter-
lagernde Röth zeigt auf der Höhe der ersten Lehmgrube an der
Berührungsfläche sehr auffällige Quetschungen und Stauchungen,
wie sie wohl ein Gletscher hervorbringen könnte. Weiterhin ist
zu bemerken, dass zur Zeit der Entstehung der unteren Diluvial-
terrassen des Werrathales und noch später, wie aus der Fauna
hervorgeht, ein weit kälteres Klima als heute geherrscht hat, dessen
mittlere Jahrestemperatur während derselben Zeit für das Main-
thal SANDBERGER ') zu ungefähr 3,50 R. angiebt. Für das Werra-
thal könnte man dem entsprechend 1,5—2° R. annehmen. Nach
EmmricH ?) haben sich auf der unteren Diluvialterrasse im Werra-
thal und tiefer gefunden: Zähne und Knochenreste des Klephas
primigenius beim Eisenbahnbau unfern Hildburghausen, Backen-
zähne desselben bei Belrieth, ferner beim Grundgraben für die
) Ueber Ablagerungen der Glacialzeit und ihre Fauna bei Würzburg. Ver-
handlungen d. phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg, Bd. XIV, S. 12.
?) Realschulprogramm, Meiningen 1873, 8. 16.
bei Themar im Werrathal. 173
Kaserne in Meimingen und bei dem zum Militärhospital; Trümmer
vom Schädel eines Urstiers in der Lehmgrube neben der Chaussee
zwischen Untermassfeld und der Salzbrücke, unfern auch im
Durchschnitt der Meininger-Kissinger Bahn das obere Ende vom
Geweihe eines Edelhirsches. Dazu kommt als interessantester
Fund das Geweih vom Rennthier, Cervus tarandus, das ebenfalls
beim Grundgraben für das Militärhospital gefunden wurde.
Man könnte also mit emiger Wahrscheinlichkeit an die Ueber-
reste der Moräne eines Gletschers denken, der von den Buntsand-
stembergen östlich von Bischofsrod, die heute noch bis 685 Meter
Meereshöhe erreichen, in das Werrathal bei Themar sich vorschob,
vielleicht die Richtung des heutigen Weissbachthals einhaltend,
in dem zwischen der heutigen Thalweite und dem Wassergehalt
des durchrinnenden Baches ein Missverhältniss vorzuliegen scheint.
Der Gletscher würde dann das Transportmittel für die grossen
Sandsteinblöcke abgegeben haben, er würde ferner die ältere, also
höhere Diluvialterrasse, von der Reste noch heute erhalten sind,
z. Th. zerstört und die Kiesel- und andere Gerölle tiefer getragen
haben, und auch die Bildung von Sand und Lehm im oben er-
wähnter Neben- und Zwischenlagerung würde erklärlich werden,
ebenso wie die Quetschungen der Röthschichten und die Schrammen
und glatten Flächen der grossen Sandsteine.
Aus Thüringen sind bis jetzt nur von 2 Orten Spuren ehe-
maliger Vergletscherung bekannt geworden. Nach DATHE!) kommen
solche im Frankenwald vor, was allerdings PEnok ?) bestreitet, und
BORNEMANN ®) beschreibt Gletscherwirkungen aus der Umgegend
von Eisenach. In neuerer Zeit ist man gegen die Deutung
mancher Bildungen als glaciale vorsichtig geworden und hat neben
glacialen auch pseudoglaciale unterscheiden gelernt. Es wäre zu
prüfen, ob die besagte Ablagerung bei Themar zu den letzteren
gehört.
!) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1881, S. 710. Jahrb. d. k. preuss. geol.
L.-A. für 1881, S. 317.
2) Pseudoglaciale Erscheinungen. Ausland, 1884, S. 644.
») Jahrb. d. k. preuss, geol, L.-A, für 1883, S. 403—409,
174 H. Proescnorpr, Ueber eine Diluvialablagerung
Zunächst könnte man, wie bereits früher gesagt, an Eluvial-
bildung denken, vielleicht derart, wie sie nach TSCHERNYSCHEW,
KRASNOPOLSKI und KARPINSKI an dem westlichen Abhang des
Urals längs der Entblössungen der artinskischen Etage hinzieht').
Allein die petrographische Natur des Lehms und des Sandes bei
Themar schliessen vollständig die Annahme aus, dass sie aus
Verwitterung des Röths hervorgegangen sind. Und auch die
unmittelbare Nähe des Sandsteins erklärt das Vorkommen der
Sandsteinblöcke nicht in eluvialem Sinn, da dieselben nur in dem
Lehm über dem Röth stecken, sich aber durchaus nicht auf dem
durch die Verwerfungen begrenzten Sandsteinrücken finden.
Ebenso wenig vermag die Auffassung der betreffenden Ab-
lagerung als Deltabildung oder Schuttkegel eine befriedigende
Erklärung zu geben. Der Geschiebelehm zieht sich rechts und
links rechtwinklig auf die Richtung des Weissbachthals noch fast
l Kilometer weit an der rechten Flanke des Werrathales hin;
man müsste also bei dieser Ausdehnung eine Sonderung des
Materials nach der Schwere erwarten. Diese ist aber nicht vorhanden.
Einige Aehnlichkeit mit der Diluvialablagerung bei Themar
besitzt das Gebirgsdiluvium im Eulengebirge, wie es STAPFF?) aus
der Gegend zwischen Obertannhausen und Charlottenbrunn schildert.
Aber weit geht diese nicht, da das letztere Schichtung zeigt und
vorherrschend sandige Bildung ist.
Trotzdem möchte ich an eine echt glaciale Bildung bei Themar
nicht glauben. Die Schrammen und glatten Flächen der Sand-
steinblöcke sind nach meinem Dafürhalten als mehr oder minder
verwischte Rutschflächen oder Harnische anzusehen °), die
sich ja auf Sandstein in dislocirten Gebieten häufig vorfinden.
Die Pressungen und Faltungen des Röths sind mit grosser
Wahrscheinlichkeit der Nähe der Verwerfung zuzuschreiben. Wenn
eine echt glaciale Bildung vorläge, so könnte man erwarten trotz
) Nisırın: Die Grenzen der Gletscherspuren in Russland und dem Ural-
gebirge, Prrermanv’s Mittheil. 1886, IX, 268.
2) Jahrb. d. k. preuss. geolog. L.-A. für 1883, S. 542.
3) Ganz unzweifelhafte Harnische sind auf mehreren Sandsteinblöcken beob-
achtet worden.
bei Themar im Werrathal. 175
der Intensität der Erosion, dass in der Umgegend noch weitere
Spuren ehemaliger Gletscher sichtbar würden. Es hat sich aber
bis jetzt nichts Weiteres gezeigt.
Obwohl also die Indicien in hohem Grad für glaciale Ent-
stehung der Ablagerung sprechen, so dürfte dieselbe doch wohl
nur als pseudoglaciale Erscheinung aufzufassen sein ; sie ist
wahrschemlich entstanden durch ein zufälliges Zusammenfallen
mehrfacher Factoren, Bergsturz, Wildwasser, vielleicht darf man
auch an einen Transport durch Flusseis denken. Ich hofte, auf
die Genesis der Ablagerung nochmals zurückkommen zu können,
wenn weitere Aufschlüsse und Beobachtungen nach der oder
jener Seite hin irgend welche Klärung gebracht haben. Vielleicht
kann aber einer der norddeutschen Collegen, die mit so grossem
Scharfsinne an der Klärung der norddeutschen Glacialbildungen
gearbeitet haben und reiche Erfahrungen besitzen, eine befriedigende
Erklärung geben. Zum Schlusse möchte ich noch bezüglich der
Verbreitung und Ausdehnung der Ablagerung die sonderbare,
vielleicht nur zufällige Thatsache hinzufügen, dass die Ostgrenze
derselben fast genau zusammenfällt mit der Verwerfung, die im
Profil über die Höhe läuft.
Meiningen, im April 1887.
Ueber die Gneissformation am Ostabfall
des Eulengebirges zwischen Langenbielau
und Lampersdorf.
Von Herrn E. Dathe in Berlin.
Ueber die Hauptresultate der geologischen Aufnahmen im
Eulengebirge und insbesondere über diejenigen, welche die Gneiss-
formation betreffen, konnte in den letzten Jahren in diesem Jahr-
buche mehrfach von mir berichtet werden. Zwei Mittheilungen
behandelten die Gmeissformation am Westabfall des Gebirges,
nämlich erstens in der Gegend von Hausdorf !) und zweitens am
Westabfall der hohen Eule?); in einem dritten Berichte?) wurden
die Ergebnisse der Kartirung am Ostabfall des Eulengebirges
hauptsächlich in dem nördlich von Langenbielau gelegenen Ge-
birgstheile zusammengefasst. In den folgenden Zeilen soll über
den weiteren Fortgang der Aufnahmen der Gmeissformation, welche
den südwärts vom vorigen, nämlich den zwischen Langenbielau
und Lampersdorf gelegenen Theil an der Ostseite des Gebirges
bildet, hiermit Rechenschaft abgelegt werden.
Die Mittheilungen werden sich darauf beschränken, die
Gneisse und die übrigen Gesteine der Gneissformation nach ihrem
Hauptcharakter und ihrer Verbreitung zu schildern, wobei im
Allgemeinen petrographische Details, die in besonderen in Vor-
1) Jahrb. d. Kgl. preuss. geol. Landesanstalt für 1882, S. XLV—XLVI.
2) ibid. für 1884, S. LXXUI— LXXIV,
3) ibid. für 1885, S. LXVI— LXXI.
E. Darur, Ueber die Gneissformation ete, fr
bereitung begriftenen Abhandlungen ihre Erledigung finden
sollen, zu vermeiden sein werden; dahingegen soll der Versuch
unternommen werden, mit Hülfe von Profilen und einer Structur-
karte den ziemlich verwickelten Gebirgsbau in der in Rede
stehenden Gegend genau zu beschreiben.
Zum näheren Verständniss der geologischen Verhältnisse
unseres Gebiets, das die im Text beigefüste Tafel orographisch
vollständig wiedergiebt und den südöstlichen Theil der Section
Langenbielau darstellt, mag, wie frühere Berichte darthun, erwähnt
werden, dass die Grmeissforınation des Eulengebirges in die Ab-
theilung der Zweiglimmergneisse und in die der Biotitgneisse sich
gliedert. Im mittleren Theile des Gebirges, dem Hohen Eule-
gebiete, und auch weiter südlich sind an der Westseite desselben
die Zweiglimmergneisse verbreitet, während an seimem Ostabfall
die Biotitgneisse herrschend sind; aber schon im Hausdorfer Ge-
biete greifen die ersteren Gneisse auf ziemlich weite Erstreckung
über den Gebirgskamm, und zwar östlich bis nach Steinkunzen-
dorf über und verbreitern sich südwärts in unserem Districte
nach Osten zu immer mehr, während die Biotitgneisse in gleicher
Weise sich verschmälern und südlich der Oberförsterei Lampers-
dorf im eigentlichen Eulengebirge verschwinden, um weiter ost-
wärts, zum Theil von Diluvium bedeckt, an Verbreitung zu ge-
winnen. Die Grenzlinie zwischen beiden Gneissabtheilungen, deren
Eintragung in die Texttafel erfolgte, verläuft in unserem Gebiet
in h. 9. Bei der Abtrennung wurde die Grenze zwischen beiden
Gesteinen dorthin gelegt, wo heller Glimmer (Muscovit) nur
spurenhaft oder gar nicht mehr vorkommt, also der dunkle Magnesia-
olimmer denselben gänzlich verdrängt hat und allein das Glimmer-
mineral im Gmneiss repräsentirt. Bei Anwendung dieses Trennungs-
prineips sind naturgemäss in der östlichen Grenzregion der Zwei-
elimmergneisse mehr oder minder starke Einlagerungen von Biotit-
gneiss in demselben eingeschaltet. Die Ausscheidung dieser Lager
gszone zwischen beiden Hauptabtheilungen
der Gneisse schien jedoch nicht angezeigt, weil im ersten Falle
oder einer Uebergan
ein dichter Schwarm von nicht sicher verfolgbaren Einlagerungen
Jahrbuch 1556 2
178 E. Darnz. Ueber die Gmeissformation
zu verzeichnen gewesen wäre, anderenfalls aber eine einheitliche
Uebergangszone wegen schwankender Ausbildung oder wegen des
oft gänzlichen Verschwindens der Biotitgneiss- Einlagerungen in
bestimmten Strichen nicht durchführbar war.
Wenn man lediglich die petrographische Ausbildung der beiden
Gneissabtheilungen im Gebiete zwischen Langenbielau und Lampers-
dorf in Betracht zieht, so sind beide zunächst durch das überaus
zahlreiche Auftreten von Einlagerungen der Amphibolite und
Serpentime ausgezeichnet; denn von ersterem Gesteine wurden
225 Lager und von letzterem 23 Vorkommnisse kartırt. Für die
Gmeissformation des Eulengebirges neu hinzugekommen sind die
höchst interessanten Gesteine der Gabbrogruppe, die als linsen-
förmige Einlagerungen im Biotitgneiss aufzufassen sind; ferner
wurden als für unser Gebiet neu eine Anzahl von Granulitvor-
kommnissen nachgewiesen.
In der Abtheilung der Zweiglimmergneisse wurden karto-
graphisch nur die Augengneisse ausgeschieden; eime Ausschei-
dung anderer Structurabänderungen der Gneisse wurde aber nicht
}>>}
durchgeführt; von den letzteren besitzen namentlich flaserige und
breitflaserige Zweiglimmergneisse eine weite Verbreitung, während
die grobflaserige Varietät die Augengneisse im Hangenden und
Liegenden stets begleitet oder aber in bestimmten Horizonten
die Fortsetzung derselben bildet. Letzteres Verhältniss findet
namentlich an der lüitsche, im östlichen Theile des Knauerberges
bis über den Höhlergrund hin statt.
Den Augengneissen kommt derselbe Charakter wie den auf
Section Rudolfswaldau und auf der Nordwestecke der Section Langen-
bielau bei Hausdorf zur Ausbildung gelangten Lagern zu, deren
Fortsetzung von der Ascherkoppe an sie auch bilden. Von den Gaul-
kuppen an ziehen sich die 30— 50 Meter mächtigen Lager der Augen-
gneisse über den Schlegelberg bis zum Glasegrund in einem
zusammenhängenden Zuge hin. Von hier aus über die Ritsche
und den Knauerberg fehlt ihre Fortsetzung. auf welcher Strecke
sie, wie bereits bemerkt, durch grobflaserige Zweiglimmergneisse
vertreten werden: doch erscheinen sie in derselben Richtung noch-
mals am rechten Gehänge des Höhlergrundes in einem kleinen,
am Ostabfall des Eulengebirges etc. 179
nur wenige Meter mächtigen und kurzen Lager, das gleichfalls von
grobflaserigen Zweiglimmergneissen umgeben wird. Keinem bis
jetzt bekannten Zuge der Augengneisse ist vorläufig das Lager,
welches an der nordöstlichen Abdachung des Mittelberges in
der Nähe des »Grossen Lochs« beginnt und in fast ostwestlicher
Richtung über das Thal des »Kleinen Lochs« bis an das Südende
der Section Langenbielau bis jetzt verfolgt wurde, zuzuweisen.
Ebenso lassen sich die beiden Lager am Böhmsberge und am
gneiss nicht
Eichelsberge mit bekannten Vorkommen von Augen
in Beziehung bringen.
Noch verdienen die Graphit führenden Zweiglimmergneisse
des Gebietes, die meist kaum 1—2 Meter mächtige Lagen bilden,
einer kurzen Erwähnung; dergleichen Lager wurden im Hohlwege,
der zum Weigelsdorfer Plänel führt, bei Punkt 697 der General-
stabskarte, sowie an mehreren Punkten am Knauerberge und
am Mittelberge aufgefunden.
Die Granulite, deren Vorkommen ım Lampersdorfer Forst
am Blockhause, am Burgberge, südlich des Schlegelberges und
am @Querberge nachgewiesen werden konnte, sollen in einem be-
sonderen Aufsatze in diesem Jahrbuche, in welchem gleichzeitig
noch andere Fundorte dieses Gesteins aus dem Eulengebirge zu
berücksichtigen sind, behandelt werden; deshalb mag eine Be-
schreibung derselben hier unterbleiben.
Die Amphibolite, welche in grosser Zahl in deu Gneissen
lagerartig auftreten, lassen sich in feldspathführende und feldspath-
freie trennen; sie besitzen zwar keine scharfe zonale Verbreitung,
doch lässt sich für unser Gebiet die Thatsache feststellen, dass
senden
Ä
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grösste Häufigkeit im unmittelbaren Han
sie einerseits ihre
und Liegenden der Augengneisszone erreichen, andrerseits gern
in der Nachbarschaft der Serpentine erscheinen; mit denselben
vergesellschaften sie sich aber oft so innig, dass sie entweder direct
im Hangenden und Liegenden derselben vorkommen, wie am
rechten Gehänge des »Kleinen Lochs« oder auch die unmittelbare
Fortsetzung der Serpentinlager im Streichen bilden; letzteres
Verhältniss ist an mehreren Lagern am linken Gehänge des
Rothen Wassergrabens zu beobachten.
12 *
.
E. Darur, Ueber die Gneissformation
nd
joe)
oO
Das Auftreten der Amphibolite in der Umgebung der Augen-
gneisse ist an folgenden Lokalitäten besonders bemerkenswerth:
nämlich an den Gaulkuppen, am Schlegelberge und Fuchsberge;
die an der Ritsche und im mittleren Theile des Knauerberges
zahlreich anzutreffenden Amphibolitlager liegen in der südöstlichen
Fortsetzung der vorigen; sie sind an die dort entwickelten grob-
flaserigen Zweiglimmergneisse, welche daselbst die Vertreter der
Augengneisse sind, gebunden.
An mehreren Orten, so namentlich am Rothen Wasser, nördlich
des Querberges und zwischen Flaserberg- und Sonnenkoppe sind
zahlreiche Lager schwarmartig im Zweiglimmergneisse angehäuft.
Von den 25 Serpentinlagern, welche im Kartengebiet, also im
südöstlichen Theile der Section Langenbielau auftreten, entfallen
allein 20 auf die Abtheilung der Zweiglimmergneisse. In ihrer Ver-
breitung lässt sich eine gewisse zonale Anordnung erkennen. So
konnten im nördlichsten Theile des aufgenommenen Bezirks von
der Sonnenkoppe bis über den Flaserberg fünf Lager von meist
schiefrigem, schwärzlich-grünem Serpentin nachgewiesen werden,
die in der Richtung NW-SO sich folgen und ihre Fortsetzung
in den fünf am Rothen Wassergraben kartirten Serpentinlagern
finden. In derselben Linie weiter nach SO zu gehört Serpentin
zwar zu den Seltenheiten, doch zählt das Lager am Glasegrund
und bei den Brandhäusern demselben Horizonte zu.
Ein anderer Serpentinzug mit fünf einzelnen Lagern beginnt
am Kalkhau, setzt über den Nassen Weg nach dem Mittelberge
(drei Lager) fort und überschreitet das Thälchen des Kleinen Lochs.
Sein ziemlich ostwestlicher Verlauf entspricht der dortigen Gneiss-
schichtung, die im Durchschnitt N 750 W beträgt; seine Fort-
setzung wurde in derselben Richtung auch weiter südlich des Karten-
gebietes festgestellt. Strahlsteinschiefer stehen mit manchen
Serpentinen in schwachen Lagen, welche oft nur durch zahlreiche
Bruchstücke angedeutet werden, in Verbindung; in dieser Be-
ziehung sind die Lager bei den Brandhäusern, am Glasegrund, an
den Wolfsgruben, am Rothen Wassergraben und am Schmiedehau
besonders erwähnenswerth.
am ÖOstabfall des Eulengebirges etc. 181
In der Abtheilung der Biotitgneisse herrschen vorzüglich
die breitflaserigen und grobflaserigen Varietäten vor; weniger
häufig sind die feinschieferigen Biotitgneisse, die sich in der Regel
durch Reichthum an Fibrolith, zum Theil auch an Graphit aus-
zeichnen; sie haben ihre Hauptverbreitung am Schulzenberge, den
Krähennestern, am Hopfenberge und am Katzenkamme bei Neubielau
gefunden. Die grobflaserigen Biotitgneisse gehen ebenso wie die
grobflaserigen Zweiglimmergneisse durch Aufnahme von oft mehrere
Centimeter grossen Feldspäthen, die zwischen den dicken Gneiss-
flasern porphyrisch vertheilt sind und von denselben augenartig
umschlossen werden, in Augengneisse, denen selbstverständlich
der Muscovit mangelt, über. Auf einige kleinere Lager von Biotit-
Augengneiss, welche im nördlichen Eulengebirge namentlich
am Geierstein bei Wüstewaltersdorf entwickelt sind, hat F. M.
Starrr!) die Aufmerksamkeit gelenkt; es ist interessant, dass diese
Gneissvarietät auch im südlichen Theile des Gebirges in zahl-
reichen und grösseren Lagern zur Ausbildung innerhalb der Biotit-
gneisse gelangt ist.
Von derselben sind drei Lager an der Hocke bei Neubielau
vorhanden; ferner tritt ein Lager bei der RKothen Mühle, das be-
sonders grosse und zahlreiche Feldspäthe in augenartigen Ein-
sprenglingen führt, auf; ein schmales, höchstens 10 Meter mächtiges,
aber circa 1000 Meter langes Lager von Biotit- Augengneiss be-
sinnt am Sauberge und setzt über den Härtelberg bis zum Eichels-
berge fort.
Die Amphibolite nehmen an Zahl in diesem Striche der
Biotitgneisse im Allgemeinen ab, obwohl sie nirgends vollständig
fehlen; an etlichen Punkten, namentlich an der Ameisenlehne, am
Eichelsberge und unterhalb der Rothen Mühle sind sie in vielen,
zum Theil mächtigen und langen Lagern angehäuft; auch sie sind
theils feldspathführend, theils feldspathfrei; Granat stellt sich
als Gemengtheil in beiden, sowohl in den feldspathführenden
als auch in den feldspathfreien Amphiboliten mitunter ein. Das
1) Dieses Jahrbuch für 1884, S. 620.
182 E. Darum, Ueber die Gneissformation
durch einen Steinbruch erschlossene und durch seine grossen
augenartigen Rutileinsprenglinge, die zum Theil in Titanit umge-
wandelt sind, bekannt gewordene Amphibolitlager am Eichelsberge
fällt bereits in den Bereich der Biotitgneisse.
Das Vorhandensein von Serpentinen ist in diesem Districte
auffallend gering; es fanden sich nur zwei, aber grössere Lager
bei Neubielau, und zwar eins am Hopfenberge und das andere am
Katzenkamme.
Ein nicht geringes wissenschaftliches Interesse beanspruchen
die Gesteine der Gabbro-Gruppe, welche in den Biotitgneissen
bei Neubielau aufzefunden wurden. Aus den Aufschlüssen im Neu-
bielauer Thale ergiebt sich, dass sie linsenförmige Lager im Gneisse
bilden.
Die elf bekannt gewordenen Vorkommen von Gabbro sind am
Schulzenberge, an den Krähennestern und an beiden Gehängen des
Neubielauer Thales vertheilt. Nach dem gegenwärtigen Stande
meiner Untersuchungen lassen sich diese Gesteine den Gabbros
im sächsischen Granulitgebiet und am Hohen Bogen im baierischen
Waldgebirge an die Seite stellen, ausserdem sind ihre Beziehungen
zu den Amphiboliten des Eulengebirges nicht zu verkennen.
Die unzweifelhaft zur Gabbrogruppe zählenden Gesteine sind
durch ein schieferiges bis flaseriges Gefüge ausgezeichnet, seltener
besitzen sie eine mehr oder weniger massige Structur. Ihr mine-
ralischer Bestand ist Plagioklas, Diallag, Olivin, Hornblende, und
als Erzgemengtheile führen sie Magnetkies und Titaneisen. Der
Diallag ist besonders in den flaserigen Gesteinsvarietäten schichtig
und augenartig vertheilt.
In Verbindung mit dem erö
en ke}
N
ssten Gabbrolager findet sich an
der Südseite des Schulzenberges Forellenstein, der aus Olivin,
Diallag, hellbrauner Hornblende, Plagioklas, Chromit, Titaneisen
und Magnetkies besteht. Der Olivin, welcher den Hauptgemeng-
theil des Gesteins ausmacht, ist von seltener Frische und nur
hin und wieder hat an ihm die Serpentinisirung begonnen; er
enthält zahlreiche und ziemlich grosse Oktaöder von Chromit
(Picotit) eingesprengt. Der Plagioklas umgiebt in schmalen
am Östabfall des Eulengebirges etc, 183
Ringen die Olivinkörner: er ist stark umgewandelt, und dieser
Zustand desselben dürfte auf eine dem Anorthit nahe kommende
chemische Zusammensetzung schliessen lassen. Weeren seiner
Frische und seiner geologischen Vergesellschaftung mit flaserigem
Gabbro ist der Forellenstein vom Schulzenberge den seltensten
und interessantesten Vorkommen dieser Felsart beizuzählen.
Gangbildungen im Gneissgebiet. Von den im Gmeissgebiet
gangförmig aufsetzenden Gesteinen sind durch ihre grosse Zahl
die Peematite im erster Linie als bemerkenswerth hervorzu-
heben; sie sind theils von nicht grosser Erstreckung und geringer
Stärke und sind alsdann als pegmatitische Trümer zu bezeichnen,
theils sind sie von beträchtlicher Länge und grösserer Breite.
Diese, oft bis 5 Meter mächtigen Gänge sind zum Theil sehr
arm an Feldspath, Turmalin und Glimmer und bestehen vor-
herrschend aus einem splittrigen weissen Quarz, so dass man
sie fast als Quarzgänge bezeichnen könnte.
Solche Pegmatite finden sich am Fuchsberge und Schmiedehau
im Lampersdorfer Forst und sind auf der Structurkarte einge-
tragen und mit Q bezeichnet worden. In den Pegmatiten an der
Ostseite des Böhmsberges sind vielfach erbsengrosse Granaten ein-
ematit, welcher
gesprengt; ferner ist dem an Turmalın reichen Peg
am Nassen Weg, westlich vom Mittelberge, in grossen Blöcken
an die Oberfläche tritt, ein amorphes hellgrünes Mineral, dessen
genauere Bestimmung noch aussteht, aber nach seinen chemischen
Eigenschaften dem Killinit nahe steht, eingesprengt.
In der Umgebung des Schlegelberges, der Gaulkuppen, an
der Hocke und am Knauerberge führen die Pegmatite bei Vor-
herrschen des Quarzes in ziemlicher Menge und in bis wallnuss-
grossen Butzen und bis 1 Centimeter starken Streifen dunkel-
grünen Chlorit; solche chloritische Massen treten aber auch in bis
mehreren Centimeter starken Trümern selbständig im Gmeiss oder
Amphibolit auf. Ihre Anwesenheit ın den pegmatitischen Trümern
wirft ein helles Licht auf die Entstehung sämmtlicher Pegmatite
im Gmeissgebiet des Eulengebirges; ihre Bildung auf wässrigem
Wege wird durch die Vergesellschaftung von Quarz und Feldspath
mit Chlorit unzweifelhaft bekundet.
184 E. Darue, Ueber die Gneissformation
Als Vertreter der Erzgänge im Gneissgebiet sind einige Baryt-
gänge zu nennen, die im Lampersdorfer Viehgrunde aufsetzen.
Der eine ist durch bergmännische Versuchsarbeiten, bei welchen
inan namentlich auf die Gewinnung von reinem Schwerspath aus-
ging, durch emen kleinen Schacht und einen kurzen Querschlag
erschlossen worden. Der am nördlichen Thalgehänge in nordsüd-
licher Richtung verlaufende Gang gelangt auf ca. 120 Meter zum
Ausstrich und erreicht eine Mächtigkeit bis zu 1,5 Meter. Schurf-
arbeiten haben ergeben, dass er sich nach NW zu allmählich
auskeilt und schwache Quarztrümer in seiner Verlängerung sich
einstellen. Nach den vorhandenen Beobachtungen kann man gleich-
falls mit Sicherheit annehmen, dass die Mächtigkeit des Baryt-
ganges sich nach der Teufe zu verhältnissmässig schnell verringert,
so dass er, wie auch die übrigen Barytgänge des Gmeissgebietes,
den Charakter der Pegmatitgänge besitzt, also allseitig nur geringe
Erstreckung aufweist. Die Gangmasse besteht aus einem grob-
blättrigen, weisslichen Schwerspath, dessen Reinheit durch einge-
sprengte Partikelchen von Brauneisen beeinträchtigt wird; die
Gangmitte enthält silberhaltigen Bleiglanz in meist nur einige
Millimeter starkem Streifen; nur zuweilen schwillt das Erz zu
kurzen linsenförmigen und kopfgrossen Massen an. An den Sal-
bändern stellt sich meist in einer Stärke von 1 Centimeter grauer
hornsteinartiger Quarz ein, in dessen Drusenräumen kleinste Quarz-
kryställchen der einfachsten Combination sich angesiedelt haben.
Der Gang besitzt sonach ganz den Charakter und die wenig
günstigen Eigenschaften der Silberberger Gangformation, zu welcher
man ihn stellen kann, weil er auch ziemlich in die geradlinige
Verlängerung des Mannsgrunder Ganges fällt. Etliche Hundert
Meter thalabwärts ist auf der südlichen Thalseite gleichfalls ein
ziemlich nordsüdlich streichender Barytgang durch ein altes Schurf-
loch erschlossen und in Bruchstücken noch ein Stück südwärts ver-
folgbar; ferner sind Spuren von Barytgängen am Schmiedehau,
südwestlich des Blockhauses und weiter nördlicher am Wildzaun
aufgefunden worden; der erstere kann wohl als Fortsetzung des
am Schmiedehau aufsetzenden und nordsüdlich streichenden Quarz-
ganges aufgefasst werden. Auch im Wildpark von Langenbielau
am Östabfall des Eulengebirges ete. 185
finden sich am rechten Gehänge des Tiefengrundes kopferosse
Bruchstücke eines blätterigen Baryts, die ein schwaches Baryttrum
daselbst anzeigen.
Eine vermittelnde Stellung zwischen diesen Vertretern von
Erzgängen und den Pegmatiten nehmen einige Gänge ein, deren
Gangmasse aus ziemlich fein zerriebenem Gneissmaterial, das durch
ein quarziges Bindemittel verkittet ist, besteht; sie sind zu den
Brecciengängen zu stellen. Ein solcher Gneissbreeciengang ist in
1 Meter Stärke südlich der Oberförsterei Lampersdorf auf mehrere
Hundert Meter Länge zu beobachten; während ein anderer ebenso
mächtiger am Waldwege, der zum Weigelsdorfer Plänel führt und
nördlich vom Rothen Wassergraben liegt, ansteht.
Lagerungsverhältnisse der Gneissformation.
Zum Zweck einer einigermaassen verständlichen Beschreibung
der ziemlich verwickelten Lagerungsverhältnisse der Grneissformation
in dem angegebenen Gebiet sind von mir eine Structurkarte und
einige Profile entworfen und hier beigegeben worden. Es verlohnt
sich wohl zum Verständniss derselben und zur Beurtheilung ihres
Werthes einige erläuternde Bemerkungen über beide, vornehmlich
über die erstere, vorauszuschicken.
Das auf der Karte berücksichtigte und dargestellte Gneissareal
hat einen Flächeninhalt von ca. 43 Quadratkilometern; es umfasst
somit den Raum von 4 Quadratmeile. Nun ist aber dasselbe
in vollstem Sinne des Wortes ein Waldgebiet; deshalb könnte
man wohl annehmen, dass wenig Anhaltspunkte zum Entwerfen
eimer solchen Karte in Felsen und sonstigen natürlichen und künst-
lichen Entblössungen, welche über die Schichtenlage der Gesteine
zu orientiren vermöchten, vorhanden seien, zumal von den 59 Streich-
und Fallrichtungen, die E. KALKowsKY seiner Zeit im Eulengebirge
aufgenommen hat und in seiner Schrift!) anführt, nur 6 auf unser
specielles Gebiet entfallen. Durch eine genaue Spectalkartirung,
wie solche der Maassstab 1:25000 der Messtischblätter ermöglicht,
gelangt man darüber zu anderen Resultaten und Anschauungen.
!) Die Gmeissformation des Eulengebirges, 8. 57—68.
186 E. Darue, Ueber die Gneissformation
Unser Gebiet ist orographisch reich gegliedert; ihm gehört
noch der hohe Gebirgskamm, der in der Sonnenkoppe (952 Meter),
dem Sonnenstein (962 Meter), der Ascherkoppe (856 Meter), dem
Schmiedehau (820 Meter) etc. seine grössten Erhebungen aufweist,
an. Zahlreiche und tiefe Thäler haben sich am Ostabfall in das
Gebirge in nordöstlicher oder ostwestlicher Richtung eingeschnitten
und erreichen mit ihren Anfängen fast den Gebireskamm, von
welchem wie Aeste langgestreckte Bergrücken in nordöstlicher
oder rein östlicher Richtung sich abzweigen. An ihren meist steil
geböschten Gehängen, seltener auf ihren langgezogenen Rücken
ragen die Gneisse und ihre Einlagerungen in nicht wenigen Fels-
köpfen und Felsriffen hervor. Bei der topographischen Aufnahme
des Messtischblattes sind Felsen nur im emigen Strichen und zwar
am rechten Thalgehänge in Neubielau, am Rothen Wassergraben
und auf dem Sonnenstem eingezeichnet worden; ihre Zahl beträgt
ungefähr 20. Eine bei weitem grössere Zahl, nämlich 400 Felsen,
habe ich genau, soweit meine Hülfsmittel dies gestatteten, in die
topographische Karte bei der geologischen Kartirung des Gebiets
noch nachtragen können. Ebenfalls nicht unbeträchtlich ist die
Zahl von Beobachtungen, welche an Wegen und Wasserrissen
angestellt werden konnten, so dass weit über 500 Beobachtungen
beim Entwerfen der Structurkarte zur Verfügung standen und
benutzt werden konnten.
An allen diesen Punkten wurde die Schichtenlage der Gesteine
gemessen, und sind die Resultate von mir notirt worden. Eine
weitere und wesentliche Hülfe für die Construction der Schicht-
linien gewährten ingleichen die zahlreichen Lager von Augen-
gneissen, Amphiboliten, Granuliten und Serpentinen, deren Zahl
sich im Kartengebiet auf 260 beläuft. Viele Structurlinien fallen
streckenweis mit dem Verlauf solcher Einlagerungen zusammen
und da die Erstreckung der letzteren zum Theil recht ansehnlich
ist, gewann die Genauigkeit der ersteren ungemein an Schärfe.
So sind beispielsweise die Structurlinien, welche von den Gaul-
kuppen über den Schlegelberg, den Fuchsberg bis zum Glasegrund
verlaufen, nach der Verbreitung des 1,5 Kilometer langen Lagers
am Östabfall des Eulengebirges etc. 187
von Augenomeiss daselbst gezogen worden; in gleicher Weise konnte
das Augengneisslager, das bei 1 Kilometer Länge vom Sauberge
über den Härtelberg bis zum Vorderen Eichelsberge reicht, sowie
das ca. 150 Meter lange Lager an der Hocke und das annähernd
1 Kilometer lange Lager desselben Gesteins am Mittelberge benutzt
werden. Auch zahlreiche Amphibolitlager, die zuweilen eine be-
trächtliche Längenausdehnung, so am Schlegelberge und an der
Ameisenlehne bis 1 Kilometer Länge erreichen, liessen sich mit
Vortheil bei der Construction der Karte verwenden.
Für die Festlegung von Spalten und Störungslinien erwies
sich die Eintragung der im Gebiet vorhandenen grösseren, ver-
folgbaren Gänge von nicht germgem Werthe.
Der Maassstab der Structurkarte ist 1:50000; die Manuscript-
karte, deren topographische Grundlage das Flussnetz, die Haupt-
wege und die Namen der Bergrücken des Messtischblattes bilden,
wurde bei der Herstellung durch Zinkographie photographisch auf
die Hälfte reducirt und so vorliegende Karte gewonnen. Die
Profile erscheinen in doppelter Grösse der Karte, sind also im
Maassstab 1:25000 gezeichnet.
Bei der nun folgenden speciellen Beschreibung der Lagerungs-
verhältnisse empfiehlt es sich, das Kartengebiet in mehrere, durch
ihren verschiedenen Aufbau leicht unterscheidbare Theile zu zer-
legen und dieselben gesondert zu betrachten. Drei solcher Ab-
schnitte lassen sich in demselben unschwer erkennen. Der nörd-
lichste Antheil reicht nach S bis zum Thale des Rothen Wasser-
grabens; daran schliesst sich der mittlere, welcher zwischen der
vorigen Linie und dem ostwestlich sich erstreckenden Thale des
Höhlergrundes und des Grossen Lochs liegt; der dritte und
kleinste Theil umfasst das Gebiet, welches von der vorhergenann-
ten Linie bis zum Südrand der Karte reicht.
Wir beginnen mit der Schilderung des Aufbaues der mittle-
ren Gebirgspartie, weil sie auch Aufschluss über die Lagerungs-
verhältnisse der beiden übrigen gewährt und zugleich das Ver-
hältniss in der Lagerung der Zweiglimmergneisse zu den Biotit-
gneissen dadurch festgestellt werden kann. An der Hand des
188 E. Darue, Ueber die Gneissformation
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Zweiglimmer- Biotitgneiss. Quarz- und Barytgänge. Diluvium.
gneiss. Pegmatit-Gänge.
Maassstab 1: 50000.
am Ostabfall des Eulengebirges ete. 189
entworfenen und hier folgenden Profils, das in ostwestlicher Rich-
tung, bei der Oberförsterei Lampersdorf im O beginnend, über
den Burgberg, den Steingrund bis über den Schlegelberg gelegt
wurde, wird dieser Zweck wohl am leichtesten erreicht.
Oberförsterei
Lampersdorf
696 m Schlegel-B. Steingrund 602m Burg-B. 460 m
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gb 87 grl gna
Biotitgneiss. Zweiglimmer- Gramulit. Augengneiss. Amphibolit.
gneiss.
Maassstab 1:25000.
Von der Oberförsterei an bis zum mittleren Abhang des Burg-
berges herrscht flaseriger Biotitgneiss (gb). In diesem Striche
fehlen gute Aufschlüsse; dagegen erhält man durch einen unmittel-
bar nördlich am linken Gehänge des Burggrundes vorhandenen
und westlich von der Weissen Mühle gelegenen Hohlweg ge-
nügend Auskunft über die Lagerung; die Gneisse daselbst streichen
N 450 W und fallen 75° gegen SW ein. Man kann annehmen,
dass in dem gegenüber liegenden Theile des Burgberges dieselbe
Stellung der Gmneissschichten vorhanden ist. Die ersten anstehen-
den Felsen an der rechten Burggrundseite streichen N 650 W
und sind mit 750 wegen SW weneigt; sie stellen zugleich den
Uebergang zwischen den beiden Gneissabtheilungen her; es ist
deshalb die Grenze zwischen den letzteren unmittelbar östlich der
Felsköpfe gezogen worden. Gleiche Lagerung besitzen die aus
breit- und grobflaserigem Zweiglimmergneiss (22) bestehenden,
östlich der Burgruine gelegenen Felsen; sie streichen N 40% W
und fallen mit 50% gegen SW ein; dagegen besitzen die nördlich
davon, also tiefer am Abhang auftretenden Felsen ein Streichen
N 60°W und ein Fallen 650SW. Der Zweiglimmergneiss über-
190 E. Darne, Ueber die Gneissformation
lagert demnach den Biotitgneiss gleichförmig; dasselbe Verhältniss
herrscht zwischen beiden Gmeissabtheilungen auch am Böhmsberge
und Eichelsberge.
Verfolgt man das Profil weiter nach W, so trifft man an den
von der Burgruine circa 100 Meter westlich anstehenden Felsen
dasselbe Streichen, aber schwächeres Fallen, nämlich 35 — 40°
gegen SW; auch schwache Windungen machen sich an den
Gneissschichten bemerklich. Westlich des Punktes 602 der General-
stabskarte ist an den dortigen Felsen eine von der vorigen ab-
weichende Lagerung erkennbar; sie streichen N 20° O und fallen
mit 35° gegen SO ein. Nimmt man hierzu noch die Schichten-
lage einiger Felsen am Nordgehänge des Burgberges, zwischen
der Burgruine und dem Punkte 602 gelegen, welche O-W streichen
und flach nach S einfallen: so ergiebt sich, dass die Zweiglimmer-
oneisse auf dieser Strecke zu einer Mulde zusammengeschoben
te)
sind. Die weiter nach W folgenden Zweiglimmergneisse und die
ihnen eingeschalteten Augengneisse (gna) und Amphibolite (h)
fallen, kleine locale Abweichungen können nicht in Betracht
kommen, sämmtlich, wie das Profil lehrt, gegen OÖ ein. Man
darf sie daher als zum Westflügel der genannten Mulde gehörig
betrachten. Ihr Streichen und Fallen ist überall ziemlich über-
einstimmend, es beträgt das erstere durchschnittlich N 40 — 450 W
und das letztere 50—60°% NO, wie die zahlreichen Aufschlüsse an
der Chaussee, in der Burggrundhölle und am Schlegelberge be-
weisen. Im ganzen mittleren Gneissgebiet gelangt der Muldenbau
zur Geltung.
Die Muldenlinie, welche in die Structurkarte eingetragen
wurde, verläuft vom Burgberg über den Fuchsberg und die
Ritsche nach S, kehrt sich aber vom höchsten Punkt des letz-
teren Berges um 30—35° nach O und behält die Richtung SSO
bis zum südlichen Abhange des Knauerberges bei; nördlich
des Burgbergs wendet sie sich plötzlich stark nach W und be-
rührt in ihrem NNW-lichen Verlaufe den westlichen Abhang
des Böhmsberges, das nordöstliche Gehänge der Gaulkuppen, den
mittleren Theil des Querberges und endigt zwischen den Quellen
des Rothen Wassers und des Ascherlochs in einem waldigen, an
am Ostabfall des Eulengebirges etc. 191
Felsen armen Gebiete. Sowohl südlich als auch nördlich des Burg-
berges nehmen die Gneissschichten im Innern der Mulde bald eine
steile, sogar saigere Stellung an; weshalb das Mulden-Innere nicht
nur sehr schmal, sondern auch als Fächer erscheint. Die steile
“ächerstructur, die im südlichen Gebiet beiderseits der Mulden-
linie in einer Breite von 400 bis 500 Meter anhält, verflacht sich
allmählich nach W und nach O um 20-—- 30°, so dass auch die
dem Muldenrande näher liegenden Schichten immerhin eine steile,
mindestens 60 — 700 betragende Neigung aufweisen. Die Breite
der beiden Muldenflügel ist in diesem Striche annähernd gleich
gross und berechnet sich ungefähr auf 1,2 Kilometer.
Im nördlichen Theile der Mulde ist die Stellung der Schichten
in beiden Flügeln auch in der Nähe der Muldenränder in der
Reg
Schichten der Biotitgneisse am Ostabhange des Böhmsberges und
el steiler als in ihrem südlichen Theile. So nehmen die
am Eichelsberge mehr und mehr eine ganz steile bis saigere Lage
850
gegen O resp. NO. Es schliesst sich demnach an die Mulde ein
an, kippen bald nach OÖ um und zeigen ein Fallen von 75
steiler Sattel oder ein umgekehrter Fächer an. Dass bei diesem
Wechsel Verwerfungen eime mehr oder minder bedeutende Rolle
spielen, dafür liegen verschiedene Beobachtungen und Anzeichen
vor, deren Darlegung weiter unten erfolgen soll.
‚Je weiter man nach N vorschreitet, je mehr verbreitert sich der
Ostflügel der Mulde; er misst oberflächlich auf der Linie Weigels-
dorfer Plänel-Hocke circa 2 Kilometer. In gleicher Weise nimmt
aber der Westflügel an Breite ab, indem seine nordwestlich der Gaul-
kuppen ausstreichenden äusseren Schichten weiter nach N zu saiger
sich stellen, und schliesslich in die entgegengesetzte Richtung, näm-
lich nach SW umschlagen. Von dieser Umkehrung werden nördlich
des Weigelsdorfer Plänels, also zwischen den Quellen des Rothen
Wassers und des Ascherloches, auch die innersten Schichten des
Westflügels betroffen; — die Mulde hat mit dieser Wendung ihre
Endschaft erreicht; denn von hier aus besitzen alle nordwestwärts
verfolgbaren Schichten die Neigung der Schichten des Ostflügels
und fallen demnach auch nach SW ein. Wir sind somit unmit-
telbar in das nördlich angrenzende Kartengebiet, dessen Lagerungs-
W.
192 E. Darur, Ueber die Gneissformation
verhältnisse in den folgenden Zeilen zu betrachten sind, geführt
worden.
Vom Gebirgskamme nach O zu breitet die Abtheilung der
Zweiglimmergneisse sich noch circa 2 Kilometer aus; in diesem
Striche herrscht das Generalstreichen NNW — SSO und ein
SSW-Fallen. Diese Thatsache wird durch em Profil, das vom
Punkt 491 im oberen Kohlgrund (der Name dieses zwischen Quer-
koppe einerseits und den Krähennestern und dem Schulzenberge
andererseits nach NW sich erstreckenden Thales konnte wegen
der zahlreichen Details der Structurkarte daselbst nicht in die-
selbe eingetragen werden) über den Flaserberg nach dem Sonnen-
stein gelegt wurde, vollkommen bewiesen.
Sonnenstein Flaser-B. Kohlgrund
962 m S00 m 002 491m
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VIZETT
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Biotitgneiss. Zweiglimmer- Amphibolit. Serpentin.
gneiss.
Maassstab 1:25000.
Die Felsen des breitilaserigen Zweiglimmergneisses am nord-
östlichen Abhange des Flaserberges, westlich vom Punkt 602 des
Profils und der Karte streichen N 600 W und fallen mit 80° gegen
SW ein. Nach W zu verflachen sich die Schichten, die aus
einem vielfachen Wechsel von Amphiboliten (h) und Zweiglimmer-
oneiss bestehen, bis zum höchsten Punkt des Flaserbergs ein wenig;
denn ihr Fallen beträgt 60— 75° gegen SW. Auch zwischen Flaser-
berg und Sonnenstein hält dieselbe Schichtenlage an, obwohl die
mit zwei Serpentinlagern (s) und zwei Amphibolitlagern (h) in
am Östabfall des Eulengebirges etc. 193
Wechsellagerung sich befindlichen Zweiglimmergneisse bei etwas
gewundenem Verlaufe ihrer Schichtung mehr nach W wewendet
erscheinen, wie das Streichen N 65 —750W beweist. Gleiche
Lagerungsverhältnisse, wie längs dieses Theils des entwickelten
Profils herrschen, sind auch südlich desselben, nämlich am Ascher-
kamm und Bärenkamm anzutreffen; auch nördlich der Profillinie,
im Striche bis nördlich zur Kornetkuppe und westlich bis zur
Sonnenkoppe lässt sich im Allgemeinen die gleiche Lagerung der
Zweiglimmergmeisse beobachten, wenngleich auch Abweichungen
von der regelmässigen Schichtenstellung in beiden Gebieten nicht
zu den Seltenheiten gehören und diese auf Verwerfungen, seltener
auf blosse Faltung zu beziehen sind.
Am Ostende unseres Profils zeigt die nach W gerichtete
Schichtenstellung ebenfalls eine durchgreifende Aenderung; denn
bei Punkt 491 besitzen die dorti
Zweiglimmergneiss zwar noch angehören, aber den Uebergang in
gen Gmeiss-Felsen, welche dem
den weiter ostwärts verbreiteten Biotitgneiss unverkennbar her-
stellen, bei stark gewundenem Schichtenbau ein mittleres Streichen
von N400Ö und ein Fallen von 50 — 60° gegen SO, während
die ersten, in gerader Linie 175 Meter östlich beobachtbaren
Felsen des Biotitgneisses bei fast reinem nordsüdlichen Streichen
flach nach W einfallen. Diese abweichende Lagerung lässt sich
nur erklären, wenn man hier aufsetzende Verwerfungen zu Hülfe
nimmt. Die Hauptstörungslinie fällt mit dem Verlaufe des Kohl-
grundes, der sich fast in seiner ganzen Erstreckung auf derselben,
wie später zu erwähnende Beobachtungen erkennen lassen, einge-
schnitten hat, augenscheinlich zusammen. Eine zweite Verwerfung
scheint die erste zu übersetzen und die zuerst erwähnten Felsen
des Zweiglimmergneisses zu berühren, sie streicht fast rein nord-
südlich und dokumentirt sich bereits oberflächlich am Südwest-
gehänge der Krähennester durch eme von N nach S verlaufende
enge Schlucht; ihr Vorhandensein wird aber auch durch die
Neigung der Schichten, welche die westlich von der Thalschlucht
und 250 Meter nördlich von den Felsen der Zweiglimmergneisse
anstehenden Felsköpfe aufweisen, — letztere streichen N — S und
fallen steil nach O ein, — angezeigt.
Jahrbuch 1886. 15
194 E. Darus, Ueber die Gmeissformation
Durch diese beiden Verwerfungslinien, zu welchen sich wahr-
scheinlich eine dritte ostwestlich streichende und mit dem Neben-
thale zusammenfallende gesellt, wurden die Gmeissschichten aus
ihrer normalen nach W geneigten Lage gebracht; eim Theil der-
5,
> >
selben wurde als keilförmige Scholle (siehe das Profil) abgeschnitten
und in sich zusammengestaucht, während ein anderer Theil an der
westlichsten Verwerfungsebene zur Tiefe gezogen, gefaltet und
ist und
nach O gekehrt wurde. So stark nun auch die Faltung
die damit verbundene Zerreissung gewesen sein muss, so scheinen
beide auf die Gmeissschichten doch nicht intensiv weit westwärts
eingewirkt zu haben, denn an den westlichen Felsen bei Punkt 491
der Karte ist zwar noch Faltung im Fallen der Schichten zu er-
kennen, letztere sind aber auch bereits deutlich nach W weneigt.
Eine andere Verwerfung, die ebenfalls im Profil eingezeichnet wurde,
tritt 450 Meter westwärts der letzten Felsen auf; daselbst aufragende
Felsriffe mit abweichender Lagerung begründen ihr Vorhandensein,
das auch durch mehrere schluchtenartige Einschnitte im Terrain an-
gedeutet wird. Man kann an der angenommenen Störung drei Ver-
werfungslinien ziemlich gut unterscheiden; die eine ostwestlich
streichende Kluft setzt im oben genannten Nebenthale auf; die zweite
tritt von NW her an dieselbe heran und geht der grossen Kohlgrunder
Verwerfung parallel, während die dritte von der ersten in nord-
südlicher Richtung abspringt und mit der zweiten bei Punkt 491
aufsetzenden Kluft gleichsinnig zu verlaufen scheint. Da für das
Auftreten der ersteren weniger deutliche Anzeichen vorliegen als
für das der beiden letzteren, so erfolgte nur die Eintragung dieser
in die Structurkarte. Der gänzliche Mangel an Felsentblössungen
auf dem Rücken und dem südlichen Abhange der Querkoppe ver-
hindert es, diese Verhältnisse noch genauer darzustellen.
Wie im mittleren Gebiete unserer Karte, so fallen auch im
nördlichen die Biotiteneisse anfänglich nach W ein und unter-
teufen die Zweiglinmergneisse, wie am nordwestlichen Abhange
des Schulzenbergs zu beobachten ist; freilich wird dieses normale
Lagerungsverhältniss durch die zahlreichen in der Grenzregion
beider Gmeissabtheilungen auftretenden Verwerfungen im Bereiche
des Kohlgrundes mehr oder weniger verdeckt. Eine Folge dieser und
am ÖOstabfall des Eulengebirges etc. 195
anderer Dislocationen ist wahrschemlich auch die Umkehrung der
Biotitgneissschichten in das O- resp. NO -Fallen, das sich bald ein-
stellt und bis zum Ostabtall des Gebirges anhält. Mit dem Wechsel
im Fallen steht auch eine Aenderung im Schichtenverlauf in Ver-
bindung. Die an beiden Gehängen des Neubielauer Thales noch
N 50 — 60% W streichenden Gmeisse und ihre Einlagerungen
wenden sich in ihren Schichten zwischen dem Hopfenberge und
Tiefengrunde mehr nach N und weisen ein Streichen von N 40
— 30% W bei steilem Fallen (70—80° NO) oder saigerer
Stellung auf; dasselbe biegt sogar nördlich des Tiefengrundes bis
zu N 20° W um.
Im dritten und südlichsten Abschnitte unseres Kartengebiets
weicht der Gebirgsbau von dem des nördlich angrenzenden und
bereits beschriebenen mittleren auffallend ab. Während am Knauer-
berge bis zu dessen südlichem Abhange die Zweiglimmergneisse
und Amphibolite eine fast NNW-Iiche Richtung im Streichen ein-
halten, ist diese Lagerung nur am gegenüberliegenden, also rechten
Gehänge des vorderen Höhlergrundes zu beobachten; dagegen
greift an demselben Gehänge plötzlich und zwar von dem zwischen
Lampersdorfer und Raudnitzer Forstrevier am Tischlerhau südlich
verlaufenden Grenzthälchen an eine auf jene nahezu rechtwinklig
verlaufende Streichungsrichtung Platz, die nach W zu bis zum
Gebirgskamme zu verfolgen ist. Zahlreiche Beobachtungen an
den im Bachbett des Höhlergrundes und im Grossen Loch, sowie
am Mittelberge und am Grünen Wer anstehenden Felsen lehren,
dass das Streichen der Gmneisse daselbst durchgängig N 750 W
bis O— W bei steilem (70 — 800) Einfallen nach S beträgt.
Es liest auf der Hand, dass dieser rasche Wechsel m der
fe)
Schichtenlage von zwei gleichen und direct an einander grenzen-
den Gebirgstheilen nur infol:
ge eimer Abtrennung des südlichen
vom nördlichen, also durch eine Verwerfung erklärt werden kann.
Die Richtung der Hauptverwerfung fällt mit dem Thale des
Grossen Lochs und des Höhlergrundes zusammen und streicht
demnach ziemlich ostwestlich (N 800 W); sie liegt nicht direct
in der gegenwärtigen Thalsohle, sondern ist vielmehr an dem linken
Thalgehänge, m einer Entfernung von 50 — 100 Metern aufwärts,
13*
196 E. Darum, Ueber die Gmneissformation
von der erstern zu suchen. Durch diese höchst bedeutende, vor-
läufig auf 2,2 Kilometer Länge nachgewiesene Verwerfung wird
der westliche Flügel der Mulde der Zweiglimmergneisse im S ab-
geschnitten. Die abgerissene Scholle, deren südliche Ausdehnung
durch specielle Aufnahme noch nicht ermittelt werden konnte,
sank hierbei zur Tiefe und erfuhr dabei eine solch starke Drehung,
dass sie in ihrer gegenwärtigen Lage, wie erwähnt, nahezu recht-
winklig zu den stehen gebliebenen Gneissschichten gestellt erscheint.
Der Betrag der Niveauänderung der abgesunkenen Scholle lässt
sich nicht abschätzen, noch viel weniger ziftermässig berechnen,
weil so festliegende Horizonte wie in den Flötzformationen der
Gmeissformation überhaupt fehlen; immerhin aber kann man be-
haupten, dass diese Verwerfung nach ihrer Länge und nach der
Grösse der muthmaasslichen Sprunghöhe zu den grössten im Grneiss-
gebiet des Eulengebirges zählt.
Beinahe an ihrem Östende wird die Hauptverwerfung von
einer zweiten, fast nordsüdlich (N 10° 0) gerichteten Kluft, die
dem Thälchen am Tischlerhau folgt, übersetzt; denn während bis
zu dem letztern Ostwest-Streichen herrscht, zeigen die direct öst-
lich desselben anstehenden Felsen das Streichen N 60° W und ein
Fallen von 60° nach SW. Kleinere Störungslinien springen von
derselben nach N zu ab und sind am Südabhang des Knauer-
bergs durch breceienartige, graphithaltige Gesteinsbruchstücke ge-
kennzeichnet und durch diese, sowie die Gestaltung des Terrains
verfolgbar. —
Verwerfungen und Spalten. Bei der Beschreibung des all-
gemeinen Aufbaus der einzelnen Gebiete geschah der Ver-
werfungen bereits an mehreren Stellen Erwähnung, nament-
lich musste ihrer bei Betrachtung des südlichen und nörd-
lichen Theiles schon ziemlich eingehend gedacht werden. Um
jedoch den allgemeinen Ueberblick nicht zu verlieren, konnte eine
Anzahl von Verwerfungen in den emzelnen Gebieten noch nicht
in den Kreis der Erörterung gezogen werden. Ebenso fehlt noch
eine Darlegung über ikre Vertheilung und Anordnung innerhalb
des Kartengebiets im Allgememen. Schliesslich fand sich noch
am Östabfall des Eulengebirges etc. 197
keine Grelegenheit, der Gänge und ihres Verhältnisses zu den Ver-
werfungen zu gedenken.
Wenn es ausser Zweifel steht, dass die Gmeissformation auf
der ganzen Erde den Charakter geschichteter Formationen be-
sitzt, — eme Thatsache, die für ihre Genesis von grosser Be-
deutung ist, aber dafür nicht allem maassgebend sein kann, —
so erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass die ursprüngliche
Lagerung ihrer Schichten horizontal war. Bei der Faltung der
Erdrinde wurde diese Schichtenlage stark beeinflusst, sodass die
Schichtenreihen mancher Grneissgebiete eine mehr oder minder starke
Aufrichtung erfahren haben. Eine solche bedeutende Ortsverände-
rung, wie sie auch im Eulengebirge stattgefunden hat, konnte
selbstverständlich nicht ohne Zerreissungen der Schichten in ver-
schiedener Richtung abgehen; Klüfte und Spalten entstanden und
wurden zum Theil mit Mineralmassen erfüllt. Im Gebiete der
Karte bestehen die Trümer und Gänge vorherrschend aus Baryt
oder Quarz oder endlich aus Pegmatit und danach sind Baryt-,
(Juarz-, und Pegmatitgänge unterschieden worden, denen sich
noch gewisse Gmneissbreceiengänge anschliessen, während Eruptiv-
gänge fehlen.
Die Klüfte, welche an keiner Gneissentblössung vermisst werden,
durchschneiden die Schichtung unter den verschiedensten Winkeln;
in der Regel sind zwei Hauptrichtungen der Klüfte zu erkennen,
von welchen die eine die Schichtung nahezu rechtwinklig oder
querschlägig, die andere aber unter stumpfem resp. spitzem Winkel
oder spitzeckig triftt.
Der Hauptklüftung verlaufen in bestimmten Strichen des
Gebirges sowohl die Gänge und Gangtrümer als auch die
Hauptverwerfungslinien parallel. Die Längserstreckung der Gänge
gewährt deshalb oft den ersten und einzigen Einblick über
die Richtung der Hauptspalten und Verwerfungen. Aus diesem
Grunde sind auch die durch ihre Längserstreckung und
Mächtigkeit ausgezeichneten Gänge mit dem Charakter von
Verwerfungslinien in die Structurkarte eingetragen worden,
obwohl es nicht immer möglich ist zu erweisen, dass sie wirklich
auf einer Verwerfungsspalte abgesetzt wurden.
198 E. Darus, Ueber die Gneissformation
In ihrer Richtung zeigen alle die grösseren Gänge unsers
Gebiets eine auffallende Uebereinstimmung; sie verlaufen entweder
direct von N nach S, wozu die meisten Gänge, so der grösste
Barytgang im Lampersdorfer Viehgrund, der Pegmatitgang am
Fuchsberge, der Brecciengang zwischen Rothem Wasser und
Ascherloch zählen, oder sie weichen höchstens 15° oder 30° nach
OÖ oder W von der Nordsüdlinie ab. Zu dieser Reihe sind die
übrigen in der Karte eingetragenen Gänge, sowie der grösste
Theil der Pegmatittrümer zu stellen. Wenn auch für viele dieser
Gänge nicht direct zu beweisen ist, dass sie zugleich einer Ver-
werfung angehören, so begründet die Beschaffenheit der Gang-
masse bei zwei Gängen diese Stellung an und für sich. Es sind
die beiden Brecciengänge bei der Oberförsterei Lampersdorf und
am Rothen Wassergraben; sie wurden beide in der Karte gleichfalls
mit dem Buchstaben Q bezeichnet. Längs dieser beiden Gang-
spalten muss eine intensive Bewegung und Verschiebung der
Gneissschichten stattgefunden haben, infolge deren die angrenzenden
Schichten zermalmt und das fein zerriebene, durch Quarz nach-
träglich verkittete Material in Form eimes Ganges in der Spalte
angehäuft wurde.
In der entgegengesetzten, mehr oder minder ostwestlichen
Richtung sind gar keine Gänge von einigermaassen bedeutender
Länge und Mächtiekeit bekannt geworden, wie auch nur verhält-
nissmässig wenige Gangtrümer in dieser Richtung im Kartenge-
biet zur Entwickelung gelangt sind.
Diese Wahrnehmung ist um so auffallender, da gerade die
hervorragendsten Verwerfungen und Spalten der Ostwestrichtung
folgen. Der grössten im Höhlergrunde verlaufenden Verwerfungs-
linie ist bereits oben gedacht worden. Im mittleren Karten-
gebiet sind gleichfalls eine Anzahl dieser Richtung angehöriger
Spalten beobachtet worden. So verläuft der vorigen eine Ver-
werfung im oberen Lampersdorfer Viehgrunde parallel, welche die
daselbst aufsetzenden, nordsüdlich streichenden Barytgänge durch-
quert und wahrscheinlich auch verwirft. In gleicher Richtung
erstreckt sich die an der Ostseite des Böhmsberges eingezeichnete
Sprunglinie, welche jedenfalls bei einer ziemlich späten Faltung
am Östabfall des Enlengebirges ote. 199
und Verschiebung der dortigen Gmneissschichten, infolge deren sie
aus der steilen nach W geneigten Lage gebracht und nach O
gekehrt wurden, entstanden ist. Zwei andere Ostwestspalten muss
man nach der Schichtenlage am Glasegrunde annehmen.
Eine viel bedeutsamere Rolle spielen die Spalten und Ver-
werfungen dieser Richtung im nördlichen Kartengebiete. Mit
genauer Abschätzung der Sprunghöhe (75 Meter) konnte eine
im Seifersgrunde bei Langenbielau aufsetzende Ostwest - Ver-
werfung festgelegt werden. Hier werden sämmtliche Gmneiss-
schichten und das daselbst auftretende hälleflintartige bis felsit-
ähnliche Gestein um diesen Betrag, wie sich namentlich durch
letzteres Gestein constatiren lässt, verworfen. Derselben Spalte
verläuft eine andere am Hopfenberge constatirte mit annähernd
gleich grossem Verwurfe parallele Viel bedeutender jedoch
ist die Sprunghöhe, welche die im Thale bei Neubielau vor-
handene Störungslinie aufweist; denn jenes hälleflintartige Gestein,
das am äussersten Ostende des Katzenkammes in Begleitung von
Serpentin auftritt, liegt mindestens 300 Meter westlicher als sein
letzter Ausstrich am Hopfenberge erwarten lässt. Mit dieser
Verschiebung stehen mehrere andere Spalten in Verbindung; die
eine setzt vom Neubielauer Thal in nordwestlicher Richtung über
den Hopfenberg fort; die andere schlägt von demselben Punkte
ausgehend eine nördliche Richtung ein. Durch letztere (hypo-
thetische) Linie wurde ein Abbrechen der an der Oberfläche drei-
seitig begrenzten Scholle und ein Versinken des Ostendes
derselben in die Tiefe möglich, wodurch auch das Verschwinden
des hälleflintartigen Gesteins am linken Thalgehänge erklärt wird.
Allem Anscheine nach zählt die ostwestliche Verwerfung im
Neubielauer Thale zu den grössten im Gebiete, weil sie nicht nur
nach W bis zum Bärengrunde, sondern auch wahrscheinlich durch
denselben bis ins Ascherthal (bisher im Volksmund »Bettelweih«
genannt) fortsetzt. Ihr Vorhandensein im Bärengrunde lässt sich,
weil daselbst Aufschlüsse, namentlich am Südgehänge der Quer-
koppe mangeln, nicht sicher beweisen. Dagegen ist sie im Ascher-
thale unzweifelhaft vorhanden, wo sie streckenweise als mit Rutsch-
flächen bedeckte Kluft sichtbar ist und aus dem verschiedenen
200 E. Darus, Ueber die Gneissformation
Streichen der Gneisse an den beiderseitigen Thalgehängen mit
Nothwendigkeit gefolgert werden muss. Am rechten Gehänge
gs das Streichen N40%°W bei 50-609
SW-Fallen, während am linken Gehänge gegenüber die Schichten-
ar in N—S-Streichen bei 15° west-
©:
beobachtet man anfan
stellung sehr wechselt und so
lichem Fallen übergeht. Weiter thalaufwärts, jenseits einer am
rechten Gehänge nach S verlaufenden Schlucht stellt sich an
diesem bei ostwestlichem Streichen und südlichem (70%) Fallen
eine andere Schichtenlage ein, die jedoch am linken Thalgehänge,
wo die Schichten N 50 —60° W-Streichen und mit 75° nach
SW fallen, nicht Platz greift. Nach diesen Beobachtungen darf
ınan daselbst unbedenklich eine Verwerfung annehmen. Theils
nordsüdlich theils nordwestlich verlaufende Spalten, die dort mit
kleinen Thälchen zum Theil zusammenfallen, schneiden die Haupt-
störungskluft mehrfach. Sie gehen einer Anzahl grösserer Spalten
und Verwerfungen parallel, die am Bärengrunde, am Bärenkamme,
am Kreuz und zwischen Eichelsberg und Querberg und den-
selben Richtungen folgen. Auch im Tiefengrunde machen sich
ostwestliche Störungslinien, von welchen nach N und S Spalten
abspringen, bemerklich; durch letztere treten sie, wie die Karte
lehrt, mit dem Spaltensystem, das längs des Kohlengrundes ent-
wickelt ist, in Verbindung.
Die grosse Wichtigkeit der rein oder beinahe ostwestlich ver-
laufenden Spalten und Verwerfungen bekundet sich in unserm
Gebiete auch in ihrem Verhältnisse zur Thalbildung. In diesen
Richtungen finden die Niederschläge im Gebirge ihren Abfluss,
und ım Laufe der Zeit haben sich nach und nach tiefe
Thäler, zum Theil bis zum Gebirgskamm reichend, eingeschnitten;
sie sind nach dem herrschenden Schichtenbau Querthäler und da
sie zum Theil zugleich den Spalten- und Verwerfungslinien, die im
Vorstehenden aufgeführt wurden, gefolgt sind und sich auf ihnen
vertieft haben, so kann man sie auch als Spaltenthäler bezeichnen.
Die Längsthäler erlangen in unserem Gebiete nach ihrer Grösse
keine Bedeutung; ihnen zählen die nordsüdlich sich erstreckenden
und in die Hauptthäler einmündenden Nebenthälchen zu; dass
am Ostabfall des Eulengebirges ete. 201
ihre Richtung auch theilweise durch vorhandene Spalten vorge-
zeichnet wurde, ist selbstverständlich.
Nach der vorangehenden Darstellung gelangt man zu dem
Resultat, dass im Kartengebiet eine nordsüdliche und eine ost-
westliche Hauptrichtung im Verlauf der Spalten und Verwerfungs-
linien maassgebend ist, von denen die letztere die Gebirgsschichten
meist querschlägig, die erstere dagegen hauptsächlich spiesseckig
trifft.
Schliesslich darf die Bemerkung nicht unterdrückt werden,
dass die im Gebiete aufsetzenden Spalten und Verwerfungen nur
insoweit zur Darstellung und Beschreibung gelangt sind, als die
ganze durch Aufschlüsse und Felsen ersichtliche Schichtenlage
dazu berechtigte. Ein bei weitem grösserer Theil derselben ist
verdeckt und konnte trotz sorgfältiger Untersuchung nicht festee-
stellt werden, obwohl nach den bereits klargelesten Linien und
den Gesetzen der Spalten- und Thalbildung ihre Existenz theils
wahrschemlich, theils nothwendig wird. So nahe die Ver-
suchung lag, diese hypothetischen Linien zu berücksichtigen, um
mit deren Hülfe bestimmte Bruchzonen eintragen zu können, so
ist doch auf eine derartige Combination und Construction ver-
zichtet worden, um den Boden der thatsächlichen Beobachtung
nicht allzu sehr verlassen zu müssen. An einzelnen Punkten, so
zwischen Sonnenkoppe und Kornetkuppe, ist in dieser Vorsicht
vielleicht zu weit gegangen worden; es hätte daselbst die Eintragung
mehrerer Spalten, ohne der Natur Zwang anzuthun, noch erfolgen
können. Eine endgültige Klarstellung dieser Verhältnisse kann
indess besser bei der Beschreibung der Lagerungsverhältnisse des
nördlich austossenden Gebietes gegeben werden.
Der Versuch, unser Gmeissgebiet nach seinem Aufbaue in der
geschehenen Weise zu schildern, regt noch zur Beantwortung
folgender Fragen an: Setzen die Spalten und Verwerfungen aus
dem Gmeissgebiet in das südlich und westlich anstossende Flötz-
gebirge fort? Welches Alter besitzen die Spalten, und wann hat
die letzte bedeutende Hebung des Gebirges stattgefunden?
Da eine erschöpfende Beantwortung dieser Fragen erst nach
202 E. Darur, Ueber die Gmneissformation ete.
der vollständigen Beendigung der Kartirung der Gmneissformation
und der Flötzformationen im Bereiche des Eulengebirges möglich
ist, mag auf diese Ziele hiermit hingewiesen werden. Es leuchtet
aber ein, dass die Lagerungsverhältnisse der letzteren Formationen
nicht vollständig zu verstehen sind, wenn der Gebirgsbau der
Gmneissformation nicht genau studirt und entziffert wird. Die
aufgewandte Mühe bei der Kartirung dieser Formation wird
nicht allein unsere Kenntniss derselben und der krystallinischen
Schiefer im Allgemeinen, sondern auch das Verständniss jener
sedimentären Formationen wesentlich fördern.
Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
Von Herrn M. Scholz in Greifswald.
Das Eiland Rügen gehört seiner landschaftlichen Reize und
seiner prähistorischen Bedeutung wegen zu den seit langer Zeit
genannten und aufgesuchten Gegenden. Weniger sind seine
geologischen Verhältnisse bekannt, wenngleich die Rügenschen
Kreidefelsen auch in dieser Beziehung schon längst zu eingehenden
Untersuchungen aufgefordert haben. Während aber auch diese,
an der Ostseite zunächst auffallende Basis der Insel wenigstens
seit Anfang dieses Jahrhunderts geologisch berücksichtigt zu
werden begann, war die, die Erforschung des gesammten Quar-
tärs so lange erschwerende Annahme, dass dasselbe ein wirres
und regelloses Gemenge von Lehm- und Sandboden sei, bis in die
neueste Zeit hinein auch für Rügen bzw. Pommern von Einfluss,
wozu noch der Mangel an allen neueren topographischen Special-
karten trat.
Von den in verschiedenen Beziehungen interessanten Angaben
der betr. Schriftsteller über Pommern und dessen geologische Ver-
hältnisse aus den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts bis ın
die neuere Zeit hinein sei zunächst hier nur Einiges vorausgeschickt,
besonders, soweit dadurch das Quartär und die früheren An-
schauungen über dasselbe berührt werden.
Nachdem schon AD. v. CHAMISSO in seiner » Untersuchung eines
Torfmoors bei Greifswald und ein Blick auf die Insel Rügen«
(Sep.-Abdr. nach W. SCHULTZ, wahrscheinlich aus Karsten’s Archiv
204 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
Bd. VIII, S. 136) kurze Mittheilungen über Arcona (ehemaliger
Süsswassersee innerhalb des Burgwalles) und Stubbenkammer ge-
geben, ist als ein auch die geologische Beschaffenheit von Rügen
und damit die Quartärverhältnisse desselben berührender Autor
J. J. GRÜMBKE!), zu nennen, welcher, indem er unter den »Natur-
producten« von Rügen, B. I, Abschn. XI, S. 81 f., von den »Kalk-
gattungen« als die einzige auf Rügen nur die Kreide von Jas-
mund und Wittow neben der »Kieselgattung« des Feuersteins
(»silex pyromachus«) erwähnt, als die übrigen (d. h. quartären)
Gruppen dagegen Rasenerz, Steine (d.h. Gerölle) und Fossilien
(Petrefacten), namentlich Belemniten, Echiniden und Terebrateln,
die Petrefacten jedoch eigentlich nur »als Auswaschungsproducte
am Strande und unter den Anschwemmungen des »Haflsandes«
liegend«, hervorhebt. Er unterscheidet ferner noch ausser Sand,
»welcher die Basis und das Fundament der Insel zu sein scheinte,
und dessen Formen (Flug-, Well- und Strandsand, grober Kies
und »Haffsand« und reiner Sand), den Thon, letzteren als
Ziegelerde und Töpferthon, einschliesslich der, wohl als tertiär
anzusprechenden Fayence-Erde von Hiddensee (richtiger Hiddens-
Oe geschrieben), sowie den »>Sandmergel«, an welchen er, als
eine besondere »Eisenochererde«, von rother oder braungelber
Farbe, den »Ur oder Uhr«e anschliesst. — Als brennbare Mine-
ralien endlich nennt er den Bernstein, »bei Stürmen aus Ost und
Nordost an’s Land geworfens, und den Torf, »diese wahre Wohl-
that für das holzarme Rügen«, der überall auf Rügen in den Niede-
rungen und nicht nur in Moor und Sumpfgegenden, sondern auch
an ganz trockenen Stellen »und sogar auf Anhöhen« gewonnen
werde.
In eingehenderer Weise findet man die geologischen Verhält-
nisse von Rügen von W. ScHuLrz?) beschrieben. Die Kreide,
als das geologisch Wichtigste für Rügen, wird von ihm schon
specieller geschildert (S. 49—60) und durch Profile der Küste von
1) J.). Grünsse, Neue u. s. w. Darstellungen von der Insel und dem Fürsten-
thum Rügen. Berlin 1819.
2) Wıruenat Scnurrz, Grund- und Anfrisse im Gebiete der allgem. Bergbau-
kunde. Berlin 1823, S. 16 ft..
M. Scnonz. Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 205
Jasınund erläutert. Auch er ist noch (S. 61) »mit einigem Grunde«
anzunehmen geneigt, dass unter dem hügenschen Kreidegebirge
unmittelbar, oder durch Thon, Mergel, Roggenstein und Kalk-
schichten getrennt, Seesand vorkomme. — Feuersteinführenden
Thon erwähnt er von fast allen Anhöhen und an allen steilen See-
ufern der Insel und hebt die allgemeine Verbreitung des »Thon-
und Leimen« gebirges auf Rügen hervor, dessen » Verwandtschaft«
mit dem Kreidegebirge das häufige Vorkommen von Flint- und
Kreidenieren in jenem und die häufige Einlagerung von Thon (mit
Flintknollen vermengt) in die bedeutenderen Zwischenräume der
Kreidepartieen, sowie, wenigstens auf Wittow, der sichtbare
Wechsel beider Gebirgsarten das Meeresufer entlang (S. 50) und
mit ihm ein »stockweises« Verhalten der letzteren beweise. Bereits
wird die Unterlagerung des »gelben« Lehms von »blauem oder
grauem merglichen Thon« mit Nieren von diehtem Thoneisenstein,
2. B. von LOBBE erwähnt (S. 61), wie überhaupt Thoneisenstein
(»bis zu Centnerschwere«) oft, namentlich in grauem Thon, 7. B.
am Nordpehrd bei Göhren von ihm beobachtet ist. Der »Mergelk,
weil er als auf dem Grunde der Torfmoore z. B. in der Garwitz vor-
kommend bezeichnet wird, ist indess wahrscheinlich alluvialer
Wiesenkalk. Dass sämmtlicher » Leimen« und Thon, abzüglich der
Verwitterungskruste Geschiebemergel sei, wusste man damals bei
der überhaupt noch schwankenden Bestimmung des Begritis Mergel
noch nicht zu unterscheiden. — Die Torfmoore, den Kasen-
eisenstein (im Garten des Predigers von Sagard, in der
>)
Nähe des bereits seit 1790 bekannten Sagarder Gesundbrunnens
a. a. OÖ. S. 62), den »bunten« Seesand und die »Greschiebe-
formationen« als Bezeichnung für die vorkommenden zahlreichen
Geschiebe, »deren Abkunft unbekannt ist«,. welche namentlich
zwischen Putbus und dessen Umgebung und Bergen, sowie auf
Jasmund, aber auch an den Küsten von Usedom und Wollin in
der Form von Steinriffen sich entwickelt zeigen, hebt SCHULTZ
auch für Rügen hervor, indem er überhaupt emleitungsweise in
seiner Darstellung der allgemeinen Gebirgsverhältnisse in der Mark
Brandenburg und Pommern (a. a. ©. S. 1) nächst den »Geschieben «
für die Gebirgszüge Kiesel- und Titaneisen -Sandgebirge —
206 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
Thongebirge — Alaungebirge — Braunkohlengebirge — Kalkge-
birge (speciell dasjenige von Rüdersdorf und das an der Oder-
mündung) — Gypsgebirge — Mergel (Sandmergel) und endlich
Kreide und Feuerstein (Rügen) unterscheidet.
Schärfere Auffassung und speciellere Gliederung finden wir
bei v. OYNHAUSEN )). Oline auf seme Beschreibung der Gegend
von Stettin, der Inseln Usedom und Wollin und des Festlandes
von Neuvorpommern, für welche Gegenden bereits das allgemeine
Streichen von NW-SO, die lveihenfolge der älteren Schichten bis
zum (Juartär, sowie auch die Pommerschen Soolquellen (a. a. O.
S. 280) berührt werden, hier näher eingehen zu können, will ich
in Beziehung auf das Quartär aus OYNHAUSEN s Angaben hervor-
heben, dass das letztere (5.278) überhaupt schon als diejenigen,
über der in Pommern stellenweise, auf Rügen nur sehr wenig vor-
kommenden Thon- und Braunkohlenformation liegenden, Schichten
bezeichnet wird, welche aus Lehm, Sand und Gemischen beider,
»die häufig mit Ralktheilen durchdrungen sind und dann Mergel
genannt werdens, bestehen. »>Sie treten gleichmässig in Schleswig-
Holstein, Mecklenburg und Pommern auf und scheinen, zum Theil
wenigstens, einer Süsswasserbildung anzugehören, obwohl darin
auch Schichten von Titansand vorkommen mögen«.
Die Quartärverhältnisse von Hügen selbst sind mehr in
topographischer Weise geschildert, und betonen namentlich für
den südöstlichen Theil nur die lose Sandbedeckung auf Mönchgut
mit dem Lehm und blauen Thon der Küste, sowie ähnliche Ver-
hältnisse aus der Granitz, endlich die Jasnunder Quellen (S. 246);
für Jasmund insbesondere wird das Streichen der Kreide von
NW nach SO und deren Einfallen nach SW angegeben.
Von den späteren Schriftstellern über Pommern, von denen
GIRARD?) unser Gebiet nur in allgemeineren Zügen |[z. B. von
211 ff. und 262 #£.] behandelt, theilt zunächst v. d. BORNE?), und
zwar nur vom Festlande, das Diluvium im ein älteres oder
) v. Oysuausen, Bemerkungen auf einer mineralogen Reise durch Vor- und
Neupommern, Karsıen’s Archiv f. Bergbau, Bd. 14. 1827, 5. 227 ff.
2) Girarn, die norddeutsche Ebene. 1855.
®) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1857, Bd. 9, 8. 473.
M. Scnowz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 207
unteres (geschiebefreier Thon) und im ein jüngeres oder oberes
(Lehm und Lehmmergel),. oft von Diluvialsand überlagertes, ein,
macht aber zwischen dem grauen und dem gelbgefärbten keinen
besonderen Unterschied. Von TH. GUMPRECHT!), WESSEL?), BEY-
RICH ®), SADEBECK*#) u. A. werden hauptsächlich die Juraverhält-
nisse an der Oder und bei Colberg bzw. von G. BERENDT?) das
Liasvorkommen bei Schönwalde besprochen, nur E. BoLL®) giebt
vom Gebiete des Flachlandes zwischen Elbe und Oder eingehendere
Beschreibungen, die namentlich in den Reiseerinnerungen noch in
Manchem specialisirt werden. Aber auch semer Auffassung nach
hesteht das Diluvium ausser Geröllen überhaupt (S. 104) nur aus
lose zusammengehäuften Massen von Sand, Lehm, Thon und
Mergel mit zahllosen Felstrümmern aller älteren Formationen.
Weniger der Gliederung dieses Diluviuns, namentlich seiner Unter-
scheidbarkeit in oberes und unteres, als der geologisch allerdings
schon damals werthvollen Beschreibung nach Abstammung, For-
mation und Verbreitung der Gerölle, widmet er in Bezug auf
das Quartär die Hauptbetrachtung.
Nachdem ich selbst in zwei kleineren Abhandlungen 9, welche
durch die nachfolgenden Seiten nach den gegenwärtigen Auffas-
sungen modificirt werden, eine Beschreibung des Rügenschen
Quartärs auf Wittow und andererseits auf Mönchgut im Vergleich
mit den bis dahin über die Gliederung des Diluviunms vorhandenen
Publicationen, jedoch ohne die erst mit Hülfe von neuen topo-
graphischen Karten möglich werdenden Speeialaufnahmen versucht
) T. E. Gumereenr, zur geognostischen Kenntniss von Pommern. Karste’s
Archiv für Mineralogie ete’ Bd. 20, 1846, S. 404.
?) E. Wesser, Juragebilde in Pommern, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges., Bd. 6.
1554.
>) E. Bryeıcn, Notiz über die baltischen Juragesteine. Eodem Bd. 13,
S. 143, 1861.
) A. Sapnuecx, die oberen Jurabildungen in Pommern. Kod. Bd. 17, 8. 651,
und: Jura in Pommern, Bd. 18, 8. 387.
°) G. Berexor, Anstehender Jura in Vorpommern. Eod. Bd. 26, 8. S13.
6) E. Borı, Geognosie der deutschen Ostseeländer u. s. w., 1846. Die Insel.
Rügen (Reiseerinnerungen), 1858.
”) M. Scnorz, Mittheil. a. d. naturhist. Ver. f. Neuvorpommern u. Rügen,
Bd. 1, 8.57 u. Ba. Ill, S. 52.
208 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
hatte, hat JonnstRUPp durch seine wichtige Arbeit !) den Anstoss
zu anderweiter Auffassung des Gesammtgebietes in Bezug auf
dessen Entstehung gegeben.
Indem ich auf Jomsserup's Ausführungen hierüber verweisen
muss, halte ich mit ihm die Annahme für die wahrscheinlichste,
dass die Störungen bzw. Verwerfungen in der lügenschen Kreide
hauptsächlich glacialer Natur, also durch den Eisdruck hervor-
gerufen sind und dass sie zur Zeit des oberen Diluviums erfolgten,
da die gestörte Kreide auf das untere Diluvinm geschoben er-
scheint.
Abgesehen von den von JOHNSTRUP nur auf Jasmund und
Wittow beobachteten Verhältnissen ist über das Quartär des
südöstlichen Rügens, während allerdings über manche, zu-
nächst noch nicht genauer festzustellende Verhältnisse durch die
Oo
eo!
Aufnahme auf den übrigen Inseltheilen Klarheit zu erlangen gehofft
werden muss, Nachstehendes zu bemerken.
Wenn schon namentlich über die geologische Stellung mancher
Sande noch Zweifel herrschen können, so ist auch in der be-
zeichneten Gegend, insbesondere auf Mönchgut die bekannte Zwei-
theilung in Alluvium und Diluvium klar zu erkennen. Fasst man
zunächst die unzweifelhaft als Diluvium anzusprechenden Ablage-
rungen auf, so tritt die bisher beobachtete Gliederung in oberes
und unteres Diluvium hier vielleicht deutlicher, als an anderen
Orten hervor.
Die Geschiebemergel spielen dabei, wie vorauszusehen, die
Hauptrolle, die Sande, wenn schon in Bezug auf Verbreitung
und Wichtigkeit die auffallenderen, stehen erst im zweiter Linie. —
Der Geschiebemergel des unteren Diluviums ist auf
Rügen eine durch Farbe und Lagerungsverhältnisse von dem des
oberen sich deutlich abhebende Masse von trocken hellgrauer,
feucht schwärzlich blaugrauer Färbung, welche in Folge der Oxy-
dation nur selten einmal eine dunkelgelbbraune werden kann,
wogegen, wie schon im Binnenlande ersichtlich, niemals umgekehrt,
>)
') Jonssrrur, über die Lagerungsverhältnisse und Hebungsphänomen in den
Kreidefelsen auf Moen und Rügen, Zeitschr. d. D. geol. Gesellschaft 1874, Bd. 26,
S. 583.
M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 209
etwa durch Reduction des Eisenoxyds, sich der gelbe in blauen
Mergel verwandelt. Der Geschiebemergel des oberen Diluviums
hat sich überhaupt nicht etwa durch Oxydation aus ursprünglich
blaugrauer zu ersterer Färbung herausgebildet. Auch nach ‚Jonn-
strup selbst (a. a. OÖ. S. 548, Anm.) »darf eine andere, in der
Nähe der Oberfläche vorkommende steinhaltige Thonart,
die auch entweder gelb oder gelbgrün sein kann, aber gewiss
jünger, als unser typischer Geschiebethon ist, hiermit (d. h. mit
dem unteren D., Verf.) nicht verwechselt werden.«
An vielen Stellen, z. B. am Nord-Pehrd bei Göhren, an der
Südseite vom Gross-Zicker-Höwt, andererseits auch bei Lohme auf
‚Jasmund ist sogar eine scharfe Grenze zwischen beiden Mergeln
zu beobachten, wo von einem ähnlichen, durch die Verwitterung
bewirkten Uebergange, wie im oberen Diluvium von sandigem
Mergel in sandigen Lehm nicht die Rede sein kann. Auch WAnx-
SCHAFFE 1) ist im alten Küster'schen Kreidebruch bei Sassnitz
über die Identität des graublauen Jasmunder Mersels mit dem
unterdiluvialen Geschiebemergel der Mark nicht zweifelhaft
gewesen. Dieser untere Mergel scheint sich ferner durch grösseren
Reichthum an Geschieben auszuzeichnen, welcher letztere ziem-
lich ins Auge fällt, zumal wenn man die colossalen Geschiebe-
anhäufungen am Nord-Pehrd betrachtet, die zum grössten Theil
aus dem hier vielleicht auf ganz Rügen am mächtigsten entwickelten
unteren Diluvium entstammen, während das obere offenbar, aller-
dings auch wohl, weil viel weniger mächtig, nur zum kleinen
Theil beigetragen hat. Eine Charakteristik der Geschiebe ergiebt
auch hier, wie überall, vorerst noch negative Resultate, da sowohl das
untere, als das obere Diluvium Geschiebe derselben Art und zwar
aus dem Grunde liefern müssen, weil die Gletscher, welche gewisse
&
anstehende Gesteine des Nordens und Nordostens zur alt-diluvialen
Zeit aufarbeiteten, vermuthlich hierin über derselben Gesteinsart von
den Gletschern des jüngeren Diluviums abgelöst wurden.
Die auch im Binnenlande oft vorkommende Einschaltung
von Sandschichten zwischen zwei Geschiebemergelschichten
1) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1882, Bd. 36, S. 595.
Jahrbuch 1886. 14
210 M. Sonorz, Ueber das Qnartär im südöstlichen Rügen.
tritt nicht blos im genannten Küstrr'schen Bruche, sondern auch
am Briesnitzer Bach hervor, in welchen beiden Fällen der Sand
wirkliche Schichtung zeigt. An der Mündung des Briesnitzer
Baches und in dessen Nähe, namentlich südlich davon, — des-
gleichen in der Nähe des etwas nördlicher davon in die Ostsee
mündenden Kollikerbachs, an letzterer Stelle aber nicht so deut-
lich, — liegt auf der jedenfalls in der Tiefe vorkommenden, am
Strande selbst aber nicht mehr zu Tage stehenden Kreide, welche
wohl schon die durch frühere, präglaciale Einwirkungen in
ihrer Lage geänderte, aber durch dieselben noch nicht in Schollen
zerlegte Hauptmasse der Kreide (Kreideboden Jomxstrur's) bildet,
in demselben Fallwinkel (ca. 30%), wie das auf ihr liegende auf-
geschobene Kreideflötz, das untere Diluvium, wie es schon JOHN-
STRUP angieht (a. a. OÖ. Tafel XII, Fig. 5 und S. 573, 576).
Dasselbe bildet zwei. mit Stein- und Kreidetrümmern durchsetzte
(reschiebemergelschichten, zwischen welche eine etwa 3 Meter
mächtige Lage geschichteten Spathsandes geklemmt ist. Die obere
Greschiebemergelschicht erscheint etwa 2, die unter dem Sande
liegende, soweit sie sich überhaupt über Tage befindet, etwa
4—5 Meter mächtig. Ein Uebergang nach unten zu in flintfreien
Thon (Silurthon« JonxstRup's) habe ich, vielleicht in Folge neuerer
Abrutschungen, zur Zeit hier nicht mehr wahrnehmen können,
auch stellte sich jetzt (12 Jahre nach Jonnsrrur's Untersuchung)
seine Mächtigkeit als eine andere heraus (vgl. Jahrbuch a. a. ©.
5. 516).
Man wird dieses Diluvium an der Briesnitzbach-Mündung nicht
für eime blos abgerutschte Partie halten können, da dasselbe auch
noch eine Strecke landeinwärts unter Kreide nachzuweisen
ist und da sich bei einem Abrutsch das Diluvium nimmermehr
in der ungestörten, den Schichten der daraufgeschobenen Kreide
parallelen Lagerung hätte halten können, sondern durcheinander-
geworfen worden wäre (vgl. auch JOHNSTRUP a. a. O. 5. 550 und
S. 573), wie dies auch verschiedene benachbarte Stellen beweisen.
Nahe der obenbeschriebenen Stelle, ca. 300 Meter südlich der
Bachmündung und in etwa 40 Meter Höhe an der Steilwand
auf der (übergeschobenen) Kreide erkennbar, tritt noch einmal blau-
M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. al
grauer Geschiebemergel hervor, sodass man diese erstere Scholle
in der That wieder ihrerseits mit Diluvialmergel bedeckt sieht.
Diese zweite höher liegende Diluvialablagerung auf Kreide wurde
ausserdem noch durch eine Reihe von Bohrlöchern aufgeschlossen,
welche im Frühjahr 1886 der Königliche Fiscus, um zu der im
benachbarten Kreidebruche abgebauten Kreide ein für etwaige
Cementdarstellung wichtiges Thonlager auffinden zu können, durch
Herrn Förster HOLZHAUER treiben liess. Das allgemeine Profil
dieser Bohrlöcher ergab 5—6 Meter gelben, oberen Geschiebe-
mergel, 6 Meter Kreide (also noch ein oberstes aufgeschobenes
Flötz!) und den noch bis etwa 2 Meter erbohrten blauen Geschiebe-
mergel.
Auch dieser besass Sandeimlagerungen, wie derjenige der
Bachmündung. —
Aber auch im Innern von Jasmund lässt sich der unterdilu-
viale Mergel im Wechsel mit Sand nachweisen. Auf dem Guts-
hofe zu Quoltitz ergab ein vor eimigen Jahren getriebenes
Tiefbohrloch nach einer gütigen Mittheilung des Herrn Stadtbau-
meister v. HASELBERG zu Stralsund folgendes Profil:
1. Alter Brunneuschacht, nachgesenkt, bis 9,40 Meter
2. Blauer sehr steinreicher Mergel. . . 16,96
3. Sehr sandiger Mergel . . . . . .. 16,32 »
4. Feiner Sand . . 2. 2 2202020.2..596
5. Sehr sandiger Mergel . . . .... 691 »
6. Mittelfemer Sand . . 2. 2.202...18,20 >
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zusammen 97,30 Meter.
Man kann also hier wieder zwei Mergelschichten mit Sand-
zwischenlage und darunter Thonschichten (die am Briesnitzer Bach
nicht mehr deutlichen »Silur« - Thone JonnstruPp's?), endlich die
Kreide, unterscheiden. — Bei einem dicht westlich von Sassnitz
1. J. 1886 gemachten Brunnen fand man jedoch schon unter etwa
14*
212 M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
1 Meter gelbem Mergel eine Sandschicht, sodann einige Meter
unteren blauen Mergel, endlich bei etwa 15 Meter die Kreide.
Aber auch das Festland noch gewährt ähnliche Profile von
zwei, Sand zwischen sich führenden unterdiluvialen Mergelschichten,
wie die früher von mir angeführten Profile!) beweisen. —
Auf ganz Jasmund, Wittow und Hiddens-Oe ist dieser blau-
graue Flint, Kreidebrocken und nordische Geschiebe führende, unter-
diluviale Geschiebemergel am untersten Rande der Küste erkenn-
bar, sodass er in der That die erste, der zweiten erst zu jüngerer
Diluvialzeit erfolgten Störung, vorangegangene Ablagerung des
Diluviums repräsentirt, welche sich auch (vgl. JOHNSTRUP a. a. O.
S. 575) als die unterste in die Vertiefungen, welche der Gletscher
ausscheuerte, hineingepresste Ablagerung herausstellen muss,
während die oberste, der gelbe Geschiebemergel, nachträglich
durch die Sollbildungen durchlöchert wurde. Auch im südöst-
lichen Rügen erlangt jener allgemeine Verbreitung. Hier ist aber
nicht mehr die Zerstückelung der Kreide und, wie auf Jasmund,
überhaupt die Kreide über Tage zu beobachten, da dieselbe vielmehr
erst unter 20 Meter Sand und blauem Geschiebemergel beim
Thiessower Badehotel in 40 Meter Tiefe erbohrt worden sein soll.
Sie fällt also stark nach Süden zu ein und verschwindet schon lange
nördlich vorher unter dem Diluvium, während sie an der Küste
von Jasmund noch deutlich erkennbar etwa 2 Kilometer nach
Osten in die See hinein sich erstrecken soll.
Mönchgut selbst stellt sich als ein durch flache, jüngere,
grösstentheils recente Bildungen verbundenes System von Diluvial-
hügeln dar, von denen der südlichste, Thiessow, auf dem Süd-
pehrd eine Höhe von 38,1 Meter besitzt, welcher nach NW die
wenig höhere (38,2 Meter) Erhebung von Kl.-Zicker gegenübersteht.
Nach N zu folgt die an ihrer Oberfläche leichtwellige Höhe von
Gr.-Zicker, im Bakenberge zu 66,4 Meter ansteigend. Weiter nörd-
lich der niedrige (18,3 Meter), von Ost nach West abfallende
Mergelrücken von Lobbe und endlich der ausgedehnte diluviale
) M. Scnouz, geol. Beob. a. d. Küste von Neuvorpommern. Dieses Jahrb.
für 1882, S. 100 — 104.
M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. ale
Höhenzug Nordpehrd (Göhreusches Höwt) - Reddevitzer Höwt,
welcher im Nordpehrd mit 60,5 Meter sipfelt, bei Westabbau
Altreddevitz nach vorheriger Einsenkung noch 32,9 Meter Höhe
erreicht und im Reddevitzer Höwt wieder zu 16,5 Meter absınkt.
Am Füsse sämmtlicher genannter Hügel ist unterer, blaugrauer
Diluvialmergel aufgeschlossen, am Nordpehrd steigt er sogar, wie
erwähnt, vielleicht am mächtigsten auf Rügen, bis zu einer Höhe
von etwa 30—40 Metern auf. Vertolgt man denselben von hier aus
an der Ostküste nach N zu, so sieht man ihn zunächst eine Strecke
lang von den Dünen der Baaber Heide bedeckt, am Quitzlaser Ort
östlich Sellin, — ferner östlich vom Schwarzen See in der
Granitz (hier 10—12 Meter über Tage mächtig), — am Schanzenort
und Granitzer Ort, — endlich am Silvitzer Ort bis in die Nähe der
Binzer Badeanstalt entwickelt, vielfach nur vereinzelt unter Sand
und Abrutschmassen auftauchend. Nördlich Binz wird er wieder von
Dünen, und zwar denen der schmalen Heide, bedeckt und findet
erst beim Hülsenkruge am Südende von Jasmund seine weitere
Fortsetzung nach Norden. An der ganzen Ost- und Nord-
küste von Jasmund ist er, von Dwasieden bis Sassnitz vielfach
von der kuppenförmig auftauchenden Kreide unterbrochen, verfolg-
bar. Berücksichtigt man, dass er an der Westküste, abgesehen von
vielen Vorkommnissen ım dazwischen liegenden Terrain, — gegen-
über Stralsund an der Südküste von Altenfähr — abermals auf-
geschlossen ist, so muss man ihn als allgemeine auf der Kreide
unter einer Decke von Sand und von oberem gelben Geschiebe-
mergel befindliche Ablagerung bezeichnen.
Dazu ist noch zu bemerken, dass der Bagger etwa 1 Kilo-
meter südlich Thiessower Höwt ebenfalls den blauen Geschiebe-
ınergel zu Tage fördert, dass ihn die Ostseite der Oie unter ober-
diluvialem gelbem Mergel aufweist und dass er an der, Thiessow
gegenüberliegenden, pommerschen Festlandküste an vielen Stellen
gefunden wird. Ueberall scheint er wie die Kreide in ihn selbst
kuppenartig in das darüber liegende Oberdiluvium bzw. dessen
Sand hineinzuragen, diese Kuppen aber, stellenweise vielleicht von
Thon- und Fayencemergelschichten unterteuft (unten S. 215), ent-
sprechen wahrscheinlich den darunter liegenden, schon lange vorher
214 M. Sceuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
(zur Tertiärzeit) durch Faltung entstandenen Kreidesätteln, denen
sie concordant aufgelagert sein müsssen, während das jüngere,
obere Diluvium, zu dessen Beginn, wie erwähnt, nochmals, dies-
mal aber durch Einfluss des Eises, eine Störung der Kreideschichten
erfolgte, dem unteren Diluvium grösstentheils discordant aufgelagert
ist (vgl. unten S. 218).
Es möge in dieser Beziehung hervorgehoben sein, dass die
Schichten des unterdiluvialen Geschiebemergels sowohl an der Süd-
seite des Thiessower Höwts (Südpehrd), als an der Westseite der
Halbinsel Klein-Zicker, desgl. am Höwt von Gross-Zicker faltenartig
aufsebogen bis in die Höhe von 30—40 Metern noch deutlich er-
kennbar und von Spathsand oder von Fayencemergel, welche mit-
gefaltet wurden, unterteuft sind. —
Noch verdient eine eigenthümliche, von anderer unbekannter
Stelle losgerissene und vom Eise in dessen unterdiluviale Geschiebe-
mergel-Moräne eingearbeitete, tertiäre Ablagerung Erwähnung,
welche umsomehr genannt werden muss, als in anderen Gegenden
von Rügen bisher nur Andeutungen des Tertiärs gefunden wurden.
Am Lobber Haken (zwischen Nord- und Südpehrd auf Mönch-
gut), dessen Hauptmasse aus sehr charakteristisch ausgebildetem
gelbem, oberen Geschiebemergel besteht, ist zum Theil in
diesen, zum Theil in den darunter liegenden blauen Mergel Spath-
sand schlingenförmig (also durch Stauchung) eingepresst. Ausser-
lem lag früher, jetzt durch Abspülung fast verschwunden, im
unteren Mergel ein kleines Flötz von lockerer Braunkohle, nach
Herrn PLETTNER’s mündlicher Mittheilung einer Art Knorpelkohle,
von einem dortigen Lootsen in den 60er Jahren einen Winter lang
als Feuerungsmaterial verwerthet, welches Flötz in schwärzlich-
blauem Septarienthon eingehüllt war, der Gypskrystalle und zahl-
reiche Bruchstücke von Zweischalern, darunter wahrscheinlich
Leda Deshayesiana führte!). Jetzt ist der Rest dieser Einlagerung
nur noch in einer schmalen, ziemlich steilen Spalte im Geschiebe-
mergel erkennbar. In die genannte Spathsandschlinge aber ragt
eine Kuppe von Tertiärthon hinein, welcher, übrigens versteine-
1) M. Scnorz, Beiträge etc. in Mittheil. des naturw. Vereins für Neuvorp. u.
Rügen, Bd. III, S. 62.
M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 215
rungsleer, sich als solcher durch seine Gypskrystalle und durch
die am Strande herumliegenden Septarienbruchstücke verräth. —
Eine zweite Gruppe unterdiluvialer Ablagerungen im südöst-
lichen Rügen bilden die geschiebefreien Thone und ihre fein-
sandigen, fayencemergelartigen Abänderungen. Sie erscheinen auf
Mönchgut als wirklicher Diluvialthon, fast geschiebefrei, schiefrig,
in trocken hellblau-grauer, feucht dunkel-grauer Färbung, also ganz
so, wie der untere Geschiebemergel, dem sie ja auch durch Aus-
waschung entstammen. So kommen sie namentlich an der Südseite
des Reddevitzer Höwts vor, wo sie ganz normal unter blauem
Geschiebemergel zu liegen scheinen. — Das Auftreten eines grünlich-
grauen, fetten Thones am Teschenberge, nördlich Philippshagen,
ist hier als eine, wie es scheint, den oberdiluvialen Mergel durch-
ragende Kuppe aufzufassen, und entspricht wahrscheinlich dem
Jonnstrup'schen »Silure-Thon auf Jasmund. — Hier, auf Jas-
mund selbst dagegen finden sich geschiebefreie, feinsandige Thone
z. B. an der Dwasieden, wo sie durch Zwischenlagerung feinkörniger
Braunkohlenpartikel führender Sandschichten deutlich gebändert
erscheinen und daselbst von einer grossen drüber gelegenen Kreide-
scholle völlig zusammengepresst und gestaucht sind. Die Stellung,
welche diese Thone hier zum unterdiluvialen Geschiebemergel ein-
nehmen, war nicht deutlich zu erkennen, doch scheint unter ihnen
zunächst eine Geröllschicht zu liegen. In der Nähe, beim Dorf
Lanken auf Jasmund sind sie auf Kreide unter einigen Metern
Torf, Geschiebemergel und Sand bis zu 13 Meter Mächtigkeit
erbohrt worden. — Der Untergrund des Hottensien -Solls bei
Lanken besteht ebenfalls aus blauem, fettem, ihnen wahrscheinlich
identischem Material. -- Endlich stellte auch das obenerwähnte
Tiefbohrloch in Hof Quoltitz unter blauem Geschiebemergel
fetten Thon auf Kreide fest.
Ueber die Stellung des sogenannten Fayence-Mergels, eines
sehr feinkörnigen, schiefrigen, thonigen Sandes, welcher theilweise
unter dem unteren Geschiebemergel, z. B. am Gross-Zickerschen
Höwt und an der Südseite des Lobber Hakens, hier vielleicht in
den oberdiluvialen Mergel hineinragend, vorkommt und dessen
Fortsetzung auf dem westlich von beiden Puukten liegenden
216 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
Gobbiner Haken im Ostabhange des letztern deutlich aufgeschlossen
ist, lässt sich vorläufig um so weniger Bestimmtes sagen, als
gerade an den Steilkanten dieser Höhen in Folge von fortwährenden
Abrutschungen die ursprünglichen Lagerungsverhältnisse nur
schwierig zu erkennen sind. — In der Nähe von Schanzenort,
südlich von Binz, kommt er, wie es scheint, ziemlich steil aufge-
richtet vor. —
Die dritte Art von Ablagerungen, der ebenfalls oft geschichtet
erscheinende Spathsand, ist in Bezug auf ihre obersten Lagen
zum oberen Diluvium vorläufig noch nicht scharf abzugrenzen.
Nicht zweifelhaft ist die Stellung des Spathsandes, wo er zwischen
blauem Geschiebemergel liegt, meistens ferner auch da, wo sich,
z. B. auf Jasmund, Bryozoön in ihm finden, sodass ihn schon
Meyn !) auch für Rügen als Korallensand bezeichnet, welcher nach
späterer, jetziger Annahme zum unteren Diluvium gerechnet wird.
Freilich wird gerade für Rügen noch näher festzustellen sein, ob
die dortige Kreide nicht, und zwar erst recht auch das obere
Diluvium mit diesen Petrefacten versorgt hat. — Ein Theil des-
jenigen Spathsandes, der auf Mönchgut unter dem dortigen
oberen Geschiebemergel vorkommt, ist vielleicht noch zum
Unterdiluvium zu rechnen, weil ihm Feinkörnigkeit, Schichtung
u.s. w. den Habitus des unteren Sandes mehr mittheilen, als dies
bei anderem, namentlich auf Jasmund unter echtem oberdiluvialen
Sande (Decksand) lagernden Spathsande der Fall ist. (unten S. 225.)
Auf Jasmund sind in dieser Beziehung die Gegend nordöstlich
von Sassnitz, Punkte an der grossen Sassnitz -Stubbenkammer-
Chaussee, die grosse Grube zwischen Dorf Lanken und Garzer
Busch, die Grube an der neuen Kirche bei Sassnitz u. a. m. zu
nennen. In Mönchgut liegt dieser Sand an und auf (als soge-
nannter durchragender Sand) den sämmtlichen, mehrfach ge-
nannten Diluvialinseln und tritt besonders an den Steilabschnitten
hervor. Es seien hier die Südseite des Thiessower Höwts (Süd-
pehrd), die Südostseite von Gross-Zicker Höwt, die Sande an der
Südseite des Lobber Hakens, die feinen Sande zwischen Dorf
!) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1850, Band 2, S. 263.
M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. al
Göhren und Nordpehrd, namentlich aber die Gegend im Westen
der Försterei Mönchgut bei Göhren, sowie viele Stellen der lang-
gestreckten Reddevitz - Landzunge hervorgehoben. — Der Cha-
rakter der Granitz - Sande nördlich vom Mönchgraben, die am
Ufer östlich von Sellin bis Binz aufgeschlossen sind, lässt sich,
weil sie vielfach überrutscht und überweht sind, erst nach be-
endigter Kartirung von Gesammt-kügen feststellen. —
Eine Besonderheit, welche sich bisher an anderer Stelle nicht
nachweisen liess und m Folge nachträglicher Ueberrutschung
z. Zt. leider nicht mehr zugänglich ist, ist das von STRUCKMANN!)
neben Pflanzenresten und Thierknochen beobachtete Vorkommen
von Üyclas solida NoRMm. und Pisidium amnicum MÜLL., zweier
gegenwärtig die in die Ostsee einmündenden Flüsse, nicht aber
die Ostsee selbst bewohnender Süsswassermollusken, sowie von der
noch jetzt die Ostsee selbst bewohnenden Tellina solidula PuLB.
Diese Species fanden sich in einer, auch jetzt noch als solche im
Bruche erkennbaren, deutlich geschichteten, etwa 2 Meter mäch-
tigen, zwischen zwei unterdiluviale Geschiebe- bzw. Thonmergel-
flötze gelagerten Sandschicht. Ich bin, bevor nicht noch andere
Stellen aufgefunden sind (vgl. weiter unten S. 229 die Mit-
theilung über den Thon in Ruschwitz auf Jasınund) der von W Arın-
SCHAFFE (a. a. O. S.595) geäusserten Ansicht, dass man es hier
mit einer linsenförmigen, »ganz localen« Einlagerung im unteren
Diluvialsande zu thun hat, »deren Deutung allerdings zunächst
noch nicht zu geben ist.c —
Das obere Diluvium ist im südöstlichen Rügen, wie auf
Rügen und in Neuvorpommern überhaupt, als hellgelber oder
brauner Geschiebemergel, — ferner in Folge der Auswaschung
des letzteren als darauf lagernder Decksand einschliesslich des
an den Thalgehängen bis in die Thäler herabgespülten Thalge-
schiebesandes, endlich wahrscheinlich auch noch als eine noch
unter dem gelben Geschiebemergel liegende Sandzone entwickelt.
Auf den Mönchguter Diluvialhöhen tritt dieser Geschiebe-
mergel besonders typisch am Lobber Haken und auf dem Höhen-
!) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1879, Band 31, S. 788,
218 M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
zuge Nordpehrd-Reddevitzer Höwt auf, obwohl ihn auch die
übrigen Theile (Zicker, Thiessow) keineswegs vermissen lassen.
Auch der grösste Theil von Jasmund ist von ihm überzogen.
Fast überall lagert er discordant auf den gestörten (gefalteten)
Kreideschichten und dem unteren Diluvium, zum Theil die Mulden
des letzteren benutzend, wie es ja natürlich erscheint, dass ein über
Bodenunebenheiten hinweggehender Gletscher dieselben, bei sonst
horizontaler Bewegung, auszufüllen bemüht ist. Besonders da,
wo er direct auf Kreide vorkomnit, liegt er ziemlich horizontal,
dem Fallen der Kreide nur ausnahmsweise folgend, — was man in
vielen Kreidebrüchen Jasmunds beobachten kann D. Seine charakte-
ristische, durch Beimischung von Kreidetheilchen mehr oder weniger
hellgelbe, im Allgemeinen aber gegenüber dem blaugrauen unteren
Mergel doch immer gelbe, höchstens bräunliche Färbung und die
schon oben hervorgehobene, wie es scheint, quantitativ etwas ge-
ringere Beimischung von Geschieben lässt ihn von jenem um so
deutlicher unterscheiden, als er zum Theil, wie erwähnt, scharf
auf denselben aufgelagert ist. Auch sind die häufigen Einlage-
rungen dünner Kreideflötze, der chronologischen Nachfolger der
grossen Jasmund-Wittower Schollen, insbesondere für seine
unteren Theile ins Auge fallend, und vielleicht gerade für
ihn im Gegensatz zum blauen Mergel bezeichnend (vgl.
hierüber auch JOHNSTRUP a. a. O. 8. 583).
An einigen Stellen, z. B. bei Mariendorf, Middelhagen, selbst
bei Mucran auf Jasmund, erscheint er, wohl in Folge ehe-
maliger Wasserstagnation und Sumpfvegetation durch beigemischte
Humustheile bis zur Tiefe von etwa 0,5 Meter schwärzlich ge-
färbt und entspricht dadurch der in der Altmark beobachtbaren
»Schwarzerde« (vgl. die Erläuterungen zu den im Erscheinen be-
griffenen altmärkischen geologisch-agronomischen Kartenblättern).
Ob auch die an einigen Punkten auf Jasmund, z. B. bei
Schloon, nordöstlich Clementelwitz, und im Pfarrgarten ?) zu Sagard
am Sagarder Bach, sowie noch an emigen anderen Stellen auf
) Vgl hierüber auch das von WAunscHArre a.a.0. gegebene Profil S. 594.
2) Vgl. Borr, die Insel Rügen S. 101.
M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 219
Jasmund beobachtbaren Schwefel- und Eisenquellen, jedenfalls
durch Zersetzung von Markasit gebildet, dem oberen oder dem
unteren Diluvium entstammen, muss dahingestellt bleiben. Es
verdient jedoch Erwähnung, dass die Sagarder Quellen nach BoLL
als Gesundbrunnen schon Mitte und Ende des vorigen Jahr-
hunderts bis in dieses hinein lange vor der Zeit, zu welcher Öst-
seebäder ins Leben gerufen wurden, zur Gründung eines, wenn
schon nicht stark besuchten Bades Veranlassung gegeben haben.
Auch in der Umgebung der Wostewitzer Seen und in der Stubnitz
(Jagen 192) sollen sich Schwefelquellen befinden.
Wenn übrigens auf Mönchgut die Sättel des mit oberdiluvialem
Geschiebemergel bedeckten Diluviums im Allgemeinen in der
Richtung ONO : WSW von Reddevitz- Höwt- Middelhagen - Nord-
pehrd streichen und damit dem Streichen der Kreide (NW : SO)
auf Jasmund zu widersprechen scheimen, so tritt letztere Richtung
doch auch wieder hervor, wenn man die Linie Thiessow, Gr.-Zicker-
Höwt und Reddevitz-Höwt ins Auge fasst und berücksichtigt, dass
diese Richtung auch derjenigen der Aussenküste von Mönchgut,
der schmalen Heide und der Schabe entspricht. —
Eine auffällige Erscheinung im Ober-Diluvium und zwar
hauptsächlich desjenigen von Jasmund, welches letztere allerdings
eigentlich nicht mehr zum Gebiete meiner diesmaligen Darstellung
gehört, sind die zahlreichen Einsenkungen und kleinen W iesen-
thäler, von denen die ersteren vielfach trocken oder nur mit Wasser
gefüllt, die letzteren dagegen fast ausschliesslich zugetorft sind.
Schon Mey !) hebt dieselben hervor und bezeichnet sie als » Erd-
fälle« , giebt auch vorher (S. 328) an, dass da, wo die Schreib-
kreide unter dem Diluvium liest, viele Erdfälle vorkommen. So-
weit man dieselben aber überhaupt an Stellen, wo keine Ver-
schüttungen oder Abrutsche an den Wänden der eigentlichen
Einsenkungen stattgefunden haben, beobachten kann, scheinen
dieselben gar nicht bis in die Kreide hineinzureichen,, sondern
nur das obere Diluvium, höchstens noch einzelne Partien des
unteren zu durchteufen. Wenn man berücksichtigt, dass die
!) Mexx, Erdfälle, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1880, Bd. 2, S. 331 ff.
220 M. Scuorz, Ueber das (uartär im südöstlichen Rügen.
ganze Erscheinung dieser Erdfälle auf dem hügligen Ostrügen
nur stärker hervortritt und sich von Rügen selbst über die Gegend
von Bergen und den Strelasund in die flache Gegend von Greifs-
wald und Stralsund verfolgen lässt (Meyn, a. a. O. S. 334 und
die neuesten Messtischblätter des Gen.-Stabs seit 1885), während
doch an jenem ersteren Orte nach den Tiefbohrungen weder an die
Unterlage der Kreide, noch an etwaige Steinsalzlager in grösserer
Tiefe begleitende Gypslager zu denken ist; — wenn ferner auch
die von E. GeINITZ !) seinem Werk beigegebene Karte ein ganz
ähnliches Bild zeigt, wie das der von GEINITZ?) aus Mecklenburg
geschilderten ganz ähnlichen Moränenlandschaft von Jasmund, —
wenn endlich wieder MEyN ?) sowohl in den Formen, als in der Zu-
sammensetzung des Bodens von lügen die grösste Uebereinstim-
mung mit dem östlichen Schleswig und Holstein, wo ebenfalls »Sölle«
nicht selten sind, gefunden hat, — so erscheint die Annahme ge-
rechtfertigt, dass der allgemeine Grund dieser Erscheinung, viel-
leicht mit Ausnahme einzelner Fälle, auch für Rügen em anderer
sein muss, als MEYNn und in neuester Zeit wieder für Rügen
v. KOENEN #) annahmen, dass nämlich, was auch schon BERENDT®),
MeEyn a. a. O. S. 66 widerlegend, betont hat und auch GEINITZ
een Strudel-
(Seen u.s. w. S. 16 ff.) nachweist, diese Boden-Vertiefung
löcher, jedenfalls aber, man möge ihre Entstehung auch anders
deuten, allein durch glaciale Wirkungen im oberen Diluvium
erzeugte Bildungen darstellen.
Eine reihenförmige Anordnung, namentlich in der Richtung
von N:S, wie sie z. B. in der Mark erkennbar ist, tritt auf Jas-
mund nicht so deutlich hervor, kann wenigstens erst nach specieller
Untersuchung der einzelnen Vertiefungen auf ihren Charakter fest-
gestellt werden. Es ist Zusammengedrängtsein und Häufigkeit in
) E. Geisirz, die Seen, Moore und Flussläufe Mecklenburgs. 1886.
2) F. Geisırz, Beiträge zur Geologie Mecklenburgs. 1880, S. 56.
») Meyn, Sitzungsprotokoll vom 25. August 1850. Zeitschr. d. Deutsch. geol.
Ges. 1850.
4 v. Koxxen, Jahrb. d. geol. Landesanstalt für 1886, S. 5.
®) Berenpr, Riesentöpfe und ihre allgemeine Verbreitung in Norddeutschland.
Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1880, Bd. 32, S. 566.
M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 221
der Richtung von SO: NW, bei einer grossen Anzahl aber auch die
Erstreckung in entgegengesetzter Richtung, also von SW :NW
auffällig. Immerhin muss Rügen sowohl in geologischer (diluvialer)
als in topographischer Beziehung als Fortsetzung der westbaltischen
Seenplatte betrachtet werden.
Freilich tritt die Erscheinung im Osten nur auf Jasmund
in hervorragendem Grade auf. Die Stellen, wo wirkliche sog.
Sölle in der auf dem Festlande vorkommenden Form vorhanden
sind, überschreiten hier weit die Zahl fünfzig, welche — da vielfach
die kleinen Moore der Halbinsel noch verwachsene Sölle enthalten,
bzw. sich aus ihnen entwickelt haben mögen, was auch GEINITZ
für Mecklenburg a. a. O. bemerkt, — noch erheblich vergrössert
werden muss und sich mit allen Mooren, die doch fast sämmtlich
in Senken liegen, auf Jasmund allein auf über vierhundert belaufen
mag. Wahrscheinlich gaben Vertiefungen in der Kreide- oder
Geschiebemergel-Unterlage, jene bedingt durch die ältere, prägla-
ciale Faltenbildung,
diluvialen Vereisung, die Veranlassung, dass sich über ihnen
diese durch den glacialen Druck der ober-
leichter Eisspalten bildeten, und die Schmelzwässer, welche in
ihnen z. Th. abströmten, zunächst Gelegenheit finden konnten,
Strudellöcher (Sölle) zu erzeugen. Auch spricht hierfür die oben
erwähnte langgestreckte Form vieler solcher Moore.
Ich will durch diese Behauptungen keineswegs die Möglich-
keit ausschliessen, dass einzelne dieser Sölle durch wirkliche, auders
zu deutende Erdfälle entstanden sind. Auch postglaciale Dis-
locationen (vgl. v. KOENEN a. a. O.), deren Existenz ich nicht
bestreiten will, können noch einzelne Verwerfungen der Jas-
munder Kreide in dieser Art erklären lassen, obwohl die Sprung-
höhe derselben meistens wenige Meter nicht überschreitet. Kommen
doch in der Jetztzeit noch Abstürzungen von Rändern der Erd-
löcher vor, z. B. die »versunkene Buche« in der Stubnitz, circa
eine Stunde nördlich von Sassnitz, und angeblich einzelne Stellen
aus der Nähe von Promoisel. Selbst Fahrnitzer Loch und -Fall
sind erst Ende des vorigen Jahrhunderts gebildet. (Siehe unten
S. 235.) Aber der vielgenannte, etwa 15 Meter tiefe »Herthasee«
bei Stubbenkammer (welcher übrigens seinen alten Namen Bure-
> =)
222 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
p4
see oder schwarzer See erst seit wenigen Jahrzehnten mit der
genannten Bezeichnung vertauscht hat) ist nach Form und Lage
ein Soll und nicht das Product eines Erdfalls, höchstens ist er
durch einen solchen in postglacialer Zeit erweitert worden. Immer-
hin aber spricht in Betracht der Form echter Diluvialsölle seine
kreisrunde Gestalt mehr für den glacialen Ursprung.
Wenn v. KOENEN daher, wie erwähnt, für Jasmund eine An-
zahl postglacialer Dislocationen constatirt, so lassen sich seine
Beobachtungen doch sehr wohl mit meiner vorstehend ausge-
sprochenen Ansicht dann vereinigen, wenn man annimmt, dass
die jüngere Glacialzeit in ihren Verwerfungen und Söllen gewisser-
gegeben hat, deren Züge postglacial
massen die Vorzeichnung
verstärkt worden sind. Eine bis in die Neuzeit hineinreichende
Senkung des Landes macht dies namentlich wahrschemlich (vgl.
weiter unten S. 232 ff.).
Wenn v. KOENEN ferner bemerkt (a. a. O. S. 6), dass sich
das Absinken von Gebirgstheilen gegen das Meer durch Jonn-
strups Annahmen nicht wohl erklären lasse, so muss man eben
berücksichtigen, dass dasselbe ein postglaciales war, also durch
Js. Erklärung nicht berührt wird. Das Vorkommen von unterem
Diluvium auf den höheren Kreidefelsen Jasmunds aber (S. 5 a.a. O.)
scheint mir dadurch erklärbar zu sein, dass diese Felsen eben auch
nur übergeschobene Schollen sind und daher das, z. B. am Bries-
nitzer Bach, auf sie gelagerte untere Diluvium mitnahmen, bis die
jüngere Vergletscherung die Moräne des oberen, gelben Geschiebe-
mergels auch über sie ausbreitete.
Gegenüber der Häufigkeit der »Sölle«e und kleinen Torfmoore
auf Jasmund könnte deren Seltenheit auf Mönchgut auffallen.
Berücksichtigt man indessen die geringe Ausdehnung des zu Tage
stehenden oberdiluvialen Mergels auf den Mönchguter Höhen, die
Möglichkeit nachträglicher entweder natürlicher Ausfüllung der
tieferen Sölle durch Abrutschungen, oder künstlicher der seichteren
und flacheren durch Zuschüttung und Einebnung; ergänzt man sich
die Mönchguter Strecken durch die jetzt von der See bedeckten
Flächen, wo Sölle nur zufällig durch Lothungen noch erkennbar
werden, so ist wohl auch hier die Zahl nicht unerheblicher, als
M. Scrorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 23233
auf Jasmund und dem Festlande, abgesehen von dem Umstande,
dass die Unterlage von Mönchgut zur oberdiluvialen Zeit nicht
so hüglig gewesen bzw. stärker von unterem Diluvialmergel
bedeckt worden zu sein scheint, wie diejenige von Jasmund.
Erkennbare Sölle und kleine Seen liegen übrigens, abgesehen von
einem Soll an der Ostküste des „Lobber Hakens und einem
solchen sehr seichten auf der Greifswalder Oie, in der Richtung
nach dem Festlande zu auch im westlichen Rügen, z. B. (nach
BORNHÖFT !) auf dem Vilm. Uebrigens giebt selbst PUGGAARD?),
zwar wie MEYN noch in anderer Deutung, aber schon durch
JJOHNSTRUP’s über Moen gemachte Angaben widerlegt (J. a. a. O.
S. 569), mehrere nach Abbildung (S. 46) und Beschreibung (8. 45)
durchaus als Sölle anzusprechende Vorkommnisse für das geologisch
der Insel Rügen so überaus ähnliche Moen an, wobei ich auch
hier wieder einzelne erst postglacial eingetretene Dislocationen
ausnehmen will. Selbst auf Moen lässt sich die reihenartige An-
ordnung (S. 47) besser durch die Glacialwirkung der Schmelzwasser
erklären. Auch auf dieser Insel tritt wieder ein Gegensatz
zwischen einem flachen, westlichen, sollärmeren und der »Mo-
ränenlandschaft« eines östlichen, sollreicheren Theiles hervor.
Der Geschiebesand (Decksand) d. h. der thonfrei ge-
wordene Rückstand des oberdiluvialen Geschiebemergels entstammt
bekanntlich der allmählichen Auswaschung desselben und ist mit
dessen langsamer Verwitterung zu lehmigem Sande nicht zu ver-
wechseln, obwohl Uebergänge zwischen beiden Umänderungen
stattfinden. Er liegt auch in Rügen der Natur der Sache nach
sehr häufig auf Geschiebemergel, zuweilen aber auch, wie oben
schon angedeutet ist, direct auf unterdiluvialem Spathsande, wobei
seine Grenze zu diesem wenigstens auf Rügen oft schwer oder
gar nicht festzustellen ist. So findet er sich auf Mönchgut,
namentlich auf Thiessow, Gross- und Klein-Zicker, weniger tritt
er auf dem Göhrenschen Plateau hervor, wo er ausser anderen
1) Pusaaarn, Geologie der Insel Moen. 1852, 8. 45—47.
2?) Borsnörr, II. Jahresber. d. geogr. Ges. zu Greifswald. 1885, S. 13.
224 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
Stellen die Decke des Schafberges und des sogenannten Leisteines
nordöstlich Dorf Reddevitz, sowie einen Theil des Reddevitzer
Höwts bildet. Auf Jasmund liegt er im südlichen Theile an der
Lietzower Fähre, während im Haupttheile die Gegend von Sagard,
Bobbin, Nipnerow und andere Orte ausgebildeten Decksand be-
sitzen. Ob die Tertiärgeschiebe, welche man in den Sandgruben
von Sagard und Bobbin früher (vgl. BoLL, Ostseeländer, S. 159;
v. HAGENOW a. a. O. S. 263) gefunden hat, im oberen oder unteren
Diluvium gelegen haben, ist zur Zeit nicht mehr festzustellen.
Geschiebewälle, d. h. Geröllanhäufungen, habe ich bis jetzt
in dem in Frage stehenden Theile von Rügen nicht mit Bestimmt-
heit auffinden können, da man das etwas häufigere Vorkommen
grosser Blöcke, die sich in einzelnen Theilen der Stubnitz, z. B.
am Erdbeerberge, vorfinden, nicht dazu rechnen kann. Sonstige
Geröllmassen, z. B. an der Oie, am Göhrenschen (Nord-) Pehrd,
am Granitzer Ort und an den Mönchguter Steilküsten überhaupt,
sind lediglich durch recente Zerstörung des oberen, namentlich
aber auch des unteren Geschiebemergels mittelst der Brandung
entstanden. Sonst müsste man den ganzen Rügenschen Geschiebe-
mergel hierher rechnen. Wahrscheimlich ist auch der Geröllstreifen
der schmalen Heide nur der Rest von Geschiebemergel und nicht
schon als As aufzufassen. — Dreikantige Geschiebe habe ich bis
jetzt auf Ost-Rügen nicht auffinden können.
Etwas abweichend in seinem Habitus, aber durch den Ge-
sammtvorgang der Auswaschung zur Zeit der Abschmelze, welche
die gröberen Sande auf den Höhen liegen liess, die feineren zu
Thale führte, wohl erklärlich, ist der Thalsand, der Annex des
Geschiebesandes, der auf Mönchgut fast als geschiebefrei zu be-
zeichnen ist. Er ist hier nur in der Baaber Heide von Göhren
bis in die Nähe des Mönchgrabens vertreten, feinkörnig,
gelblich, mit sehr vereinzelten, stark verwitterten Geschieben.
Die oberen Schichten desselben führen sog. Waldhumus, unter
welchem bei etwa 0,3 Meter Tiefe und mit derselben Mächtigkeit
Ortstein (Ur) lagert, wie ich früher schon nachwies!). Rasen-
') M. Scnorz, Beitr. zur Geognosie von Pommern, in Mittheil. d. naturw.
Ver. f. Neuvorp. u. Rügen Jahrg. III, S. 69.
M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 23235
eisenstein konnte ich in diesem Sande bisher nicht ermitteln.
Kleine Dünen von 1—2 Meter Höhe, selten höher und dann, wie
zu erwarten, nach der Küste zu liegend, sind ihm aufgesetzt. Spuren
solchen Sandes scheinen nur noch auf Thiessow (Westseite) zu
liegen. — Offenbar bildet er die Fortsetzung des Mecklenburger
Heidesandes einschliesslich desjenigen vom Dars und Zingst
(vgl. GEINITZ a. a. OÖ. S. 124 ff.) und correspondirt mit dem Ucker-
märkischen Thalsande!), zwischen welche Gegenden sich das Ryck-
thal bei Greifswald 2) und der Sand des Fresendorfer Hakens
(BORNHÖFT a. a. O. S. 24) einschieben.
Noch ist die Frage zu erörtern, wie der unter dem obern Ge-
schiebemergel lagernde Sand aufzufassen ist (vgl. oben 8.216 u. 217).
Nach KEILHACK) erzeugen auch die heutigen Gletscher auf Island
noch ganz ähnliche Bildungen, wie sie die ihren Lagerungsver-
hältnissen nach bisher für unterdiluvial gehaltenen Sande des
norddeutschen Flachlandes darstellen. Namentlich ist die Schich-
tung, selbst die discordante Parallelstructur ein auch in diesen
Sanden sich zeigendes Merkmal. Es ist desshalb die Annahme
nahe gelegt, dass ähnliche Sand-Ausschlämmungen auch zur Zeit
der oberglacialen Vergletscherung selbst oder bei der Abschmelze
(vgl. JoHNSTRUP a. a. O. S. 584) aus der damaligen Grund-
moräne stattfanden, die sich als Absätze von Gletscherwässern in
einiger Entfernung von letzterer niedergeschlagen haben, bis auch
diese selbst, die Grundmoräne, im weitern Vorschreiten des
Gletschers über sie hinwegging, oder, nachdem die Abschmelzung
vollendet war, als Rückstandsmoräne (Geschiebesand) liegen
blieb, und es haben sowohl GEMITZ wie KEILHACK den Umstand
betont, dass das obere Diluvium in der Mächtigkeit, welche man
bisher für dasselbe annahm, zu niedrig geschätzt werde und ein
Theil der unter dem Geschiebemergel liegenden Sande statt zum
»Haupt-«, d. h. Unter-Diluvium, noch zum Ober-Diluvium ge-
) Scnouz, Jahrb. der geol. Landesanstalt f. 1884, $. 284.
2) Frieper, Thierleben im Meer und am Strande von Neuvorpommern, Der
zoologische Garten, red. v. F. ©. Norr, Jahrgang XXIII, No. 10.
3) Kertnack, Vergleichende Beob. an Isl. Gletschern u. norddentsch. Dil.-Abl.
Jahrb. d. geol. Landesanstalt f. 1883, S. 159— 176.
Jahrbuch 1886, 15
2265 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
rechnet werden müsse. Ich möchte mich dieser Ansicht auch für
Rügen anschliessen, wenngleich sich, wie auch KEILHACK meint,
nur sehr schwer bestimmen lassen wird, wohin sodann. die Grenze
zwischen oberem und unterem Diluvium fällt. Jedenfalls werden
einzelne, wennschon nicht alle Stellen zum Ober-Diluvium zu
rechnen sein, z. B. am Höwt von Gross- und an demjenigen von
Klein-Zicker, obwohl ihre Schichtung und ihre rostfarbenen,
welligen Streifen an die Sande des unteren erinnern. Indessen
ist auch die Möglichkeit eines interglacialen Characters dieser
Sande nicht auszuschliessen. Dass namentlich auch das Granitz-
ufer in dieser Beziehung noch zweifelhaft sei, ist schon hervor-
gehoben worden.
Das Alluvium des südöstlichen Rügens besteht nur aus
sandigen und humosen Ablagerungen, so weit nicht die erst zur
Alluvialzeit abgerutschten Diluvialmergel hierher zu rechnen sind.
Von den sandigen Ablagerungen des Südostens stehen die
Dünen im Vordergrunde. Sie übersteigen selten die Höhe von
einigen Metern und ziehen sich, während sie an der Steilküste
von Jasmund, wenigstens unten am Strande fehlen, in einem
mehr oder weniger, selten über 0,5 Kilometer breiten Streifen
von Thiessow bis zur Höhe von Sellin. Vom dortigen Steilufer
bis Binz sind sie unterbrochen, treten aber auf der schmalen
Heide, hier als kleine Einzelhügel im Ganzen einen etwa einen
Kilometer breiten Streifen bedeckend, der sich nach Norden all-
mählich verschmälert, fast bis zu den Truper Tannen auf Jas-
mund auf. — Selbst auf der Höhe der Steilküste, z. B. bei Lobbe
und bei Göhren, vielleicht auch stellenweise am Rande der Stubnitz,
finden sich subaörische Bildungen. — Wo die See der Kraft des
Windes entgegenwirkte und der Schmalheit des Strandes wegen
die Entstehung von Dünen verhinderte, zufällig entstandene aber
bei Hochfluthen wieder wegspülen kann, zeigt sich nur flacher
Strandsand, bald feiner, bald gröber und als letzterer, wie häufig
an der Küste, in sogenannten Bänken (Untiefen), welche nach der
momentanen Strömung verschiebbar sind, im seichten Wasser bis
zu einem halben Kilometer in die See hinaus erkennbar.
M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 397
Die Geröllbänke der schmalen Heide sind oben S. 224 er-
wähnt, würden aber zum Theil auch in die Kategorie der Strand-
bildungen gerechnet werden können.
Als eine, Abart des Seesandes, welche besonders nach Nord
und Nordost zum Vorschein kommt, deren Entstehung darauf be-
ruht, dass die specifisch leichteren Theile ausgespült werden, ist
der seiner bunten Farbe wegen oft als Streusand benutzte soge-
genannte Rudensand zu bezeichnen. Schwärzliches Magnet- und
Titaneisen, röthlicher Granat, Zirkon und Feldspath bedingen diese
Färbung. — Er kommt besonders am Ruden, binnenwärts sogar
bei Ralswieck am Gr.-Jasmunder Bodden, in schmalen Streifen
aber nach Stürmen auch an der ganzen Ost- und Nordostküste
von Rügen vor.
Die oben genannten recenten Abrutschmassen, welche
leider die Profile der Steilküste oft verhüllen oder die durch neue
Abstürze entstehenden Aufschlüsse nach kurzer Zeit wieder un-
kenntlich machen, sind der Natur ihrer Entstehung nach nur
Theile des die Steilküste bildenden Diluviums und stellen nur
chronologisch, nicht aber petrographisch eine Alluvialbildung dar. —
Humose Alluvialbildungen sind auf Rügen, insbesondere
im Südosten und Osten vielfach entwickelt. Der oben erwähnte
humose Geschiebemergel (Schwarzerde) hat, wie anzunehmen ist,
seine Humuseinlagerung erst zur Zeit des Alluviums an einzelnen
tiefer liegenden Stellen erhalten. Aber auch der alluviale Seesand
(Strandsand), wo er nur wenige Decimeter höher und etwas ge-
schützter liegt, als der Strand selbst, giebt der Vegetation bereits
Gelegenheit, Wiesen zu bilden, die allerdings bei hohem Seegange
häufig überschwemmt werden, aber dennoch als sogenannte Salz-
wiesen zu Viehhutung und Graswerbung Verwendung finden»
Der möglicherweise früher stattgehabten Seesalzgewinnung auf
der Reddevitz, welche auch auf alluvialen Bildungen begründet
gewesen sein könnte, habe ich an anderer Stelle ') Erwähnung
gethan. Wie sehr die Ostsee bemüht ist, diese Salzwiesen wieder
zu zerstören, lässt das Bild der vielen kleinen Rinnsale errathen,
) M. Scuouz, dieses Jahrb. f. 1882, S. 113.
10
928 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
durch welche sie gierig die Isolirung von Lobbe und Thiessow
herstellen will und wozu die Sturmfluth v. J. 1872 bereits ein
Vorspiel gab. Jedoch ist nur im südlichen Mönchgut, — mit Aus-
nahme der Diluvialinseln von Thiessow, Gross- und Klein-Zicker
und Lobbe— der ganze Landestheil zwischen Thiessow und Philipps-
hagen mit dieser Art des Alluviums ausgefüllt, wobei es noch
fraglich bleiben muss, ob dasselbe den Küstenrand einer ver-
sunkenen, bereits der See verfallenen Ablagerung darstellt oder
eine jetzige Bildung, welche durch Ueberwehung oder Anspülung
und die sodann auf den überwehten höher gewordenen Stellen
sich bildende Vegetation entstand, die als ursprüngliche Dünen-
von der gegenwärtigen Wiesen-Vegetation verdrängt wurde. Die
Beschaffenheit des unterteufenden Sandes spricht eben sowohl für
das eine, als für das andere, mehr aber für Dünenuntergrund.
Torf hat sich innerhalb und am Rande dieser ebenerwähnten
Salzwiesen gebildet, z. B. in der sog. Thiesnitz nördlich von
Thiessow (ehemaliges Sollmoor), südlich und östlich von Gross-
Zicker, ferner am südlichen Rande des Middelhagener Höhen-
zuges, sowie auch am nördlichen Rande desselben, wo die dort vor-
handenen Torfmoore jedoch schon an den Thalsand der Baaber
Heide stossen. Im südlichen Theile von Jasmund ist Torf ent-
wickelt (als Umränderung der Wostewitzer Seen).
Die zahlreichen kleinen Senken Jasmunds sind fast regel-
mässig mit Torf erfüllt (S. 219) und lassen die Aehnlichkeit
mit den Seemooren und Sollmooren Mecklenburgs (GEINITZ a. a. O.
S. 18 ff), namentlich auf der dem genannten Werke beige-
gebenen Uebersichts-Karte hervortreten. Etwaige Gliederung, Flora
und Mächtigkeit derselben muss der späteren Untersuchung vorbe-
halten bleiben. Die relativ orössten Torfmoore, vermuthlich ehe-
2
sg
malige kleine Seen, finden sich ausser dem Philippshagener Moore
auf Mönchgut, an den Wostewitzer Seen und dem Lankner Torf-
moore im südlichen, sowie im nördlichen Theile von Jasmund bei
Spyker, — zwischen Quoltitz und Nipnerow, sowie in der Stubnitz
östlich von Jägerhof und südlich von Rusewase. Die Mächtigkeit
beträgt in der Mitte der grösseren dieser Moore mindestens einige
Meter. Besonders in der Stubnitz ist neben mancher unregel-
mässigen, eine in die Länge gezogene Form häufig zu erkennen. —
M. Scnhorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 229
Anhangsweise sei hier noch eines kleinen, dem Anscheine
nach zunächst für alluvial zu haltenden Thonbeckens bei Ziegelei
Ruschwitz am Südansatz der Schabe mit Pisidium fossar. CLEss,
Sphaericum sp., Valvata (Cineinna) antiqua, Valvata piseinalis MÜLL.
und ZLimnaea ovata Drar. Erwähnung gethan. —
Bemerkenswerth ist es, dass sich auf Rügen und an der
Küste des Festlandes mehrfach noch jetzt Landansätze im Süden
diluvialer Höhenkerne bilden. Beispiele hierfür smd der Bug auf
Wittow, der flache südlichste Theil von Hiddensee (Gellen), die
sich nähernden Landzungen zwischen Gross- und Klein-Zicker,
der Gobbiner Haken, der Zudar, ferner die kleinen Inseln
Ruden, Koos und Riems, endlich selbst der Zingst. So ist
nach v. HAGENow !) seit 1694 die Südspitze des Gellen um
200 Ruthen und die Halbinsel Alt-Bessin an der Ostseite
von Hiddensee um 180 Ruthen länger geworden. Oft aller-
dings spülen Meeresströmungen neu gebildete Ansätze der Süd-
seite wieder ab, z. B. die von Ost nach West sich erstreckenden
Landzungen an der Glewitzer Fähre und am Ufer von Drigge
südöstlich Stralsund. Als ein Gesetz bei derartigen Vorgängen
stellt v. HAGENoOW a. a. O. hin, dass sich die südlichen Spitzen
des Landes durch Anspülung von Seegras und Sand, auf dem
sich bald eine Vegetation entwickelt, verlängern, während die
nördlichen Ufer mit ihren gewöhnlich hohen und schroffen Ab-
hängen durch Einwirkung des Frostes abgebröckelt oder von der
Brandung unterwühlt werden. In welchem Grade letzteres ge-
schieht, ist von Jedem leicht selbst zu beobachten. Historisch
aber steht fest 2), dass sowohl auf Wittow ein Dorf Vitte nörd-
lich von Nonnewitz an der Nordküste, welches 1618 noch bestand,
längst verschwunden ist, als auch das zu Ende des 17. Jahrh.
noch vorhandene Stranddorf gleichen Namens auf Mönchgut,
wahrscheinlich durch eine Sturmfluth, vernichtet wurde. Ich
glaube nicht, dass man in dem übrigens verhältnissmässig sehr
1) v. Hacexow, Monographie d. Rügenschen Kreideversteinerungen. Abth. II,
S. 635 ff. im Neuen Jahrb. f. Min. ete., Jahrg. 1840.
2) Borı, Die Insel Rügen, Reiseerinnerungen 1858, 5. 157, 159.
230 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
unbedeutenden Landzuwachse schon den Beweis beginnender
Hebung erblicken kann, sondern höchstens einen Stillstand in
der Bewegung des Wasserspiegels oder des Landes, was ja
auch durch die Pegelbeobachtungen constatirt wird.
Schliessen wir uns in Bezug auf diese noch offene Frage
zunächst der herrschenden Anschauung von einer, wenn auch
momentan unterbrochenen, doch noch bis vor Kurzem vor sich
regangenen Senkung wenigstens dieses Theils der Ostseeküste an,
so spricht dafür vor Allem der Gesammt-Eindruck des jetzigen
Rügens, dessen namentlich südöstlicher Theil durchaus den Ein-
(
druck eines sinkenden Landes macht (vgl. auch v. KOENEN
a. a. OÖ. S.9). Wohl an der ganzen Ostseeküste ist kein Land
so vielfach zerrissen und dadurch mannigfach gegliedert, als gerade
Rügen und insbesondere wieder Mönchgut. Wäre hiervon allein
Einwirkung der See die Ursache, so müsste diese Erscheinung an
vielen Stellen der langen Ostseeküste hervortreten, von welcher
gewiss noch viele, z. B. in Hinterpommern, einen ähnlichen
Wechsel von Berg und Thal aufweisen, wie z. B. ein Theil von
Rügen. Gleichwohl scheint in jener, mir aus eigener Anschauung
allerdings nicht specieller bekannt gewordenen Gegend, nach PAUL
LeEnMmann (das Küstengebiet Hinterpommern, in Zeitschr. d. Ges. für
Erdk. 1884 B. 19.,) nur eine mehr oder weniger geradlinige Ab-
spülung bemerkbar zu sein. Erst die geologische Kartirung auf
Grund neuer topographischer Höhencurven wird dies speciell be-
weisen können. Vielleicht aber ist es auch ein Beweis, dass der
östlich gelegenere Theil der Ostseeküste nicht in dem Grade sinkt
oder gesunken ist, als der mittlere.
Denkt man sich in die postglaciale Vorzeit von Rügen und
seiner nächsten Nachbarschaft zurückversetzt, so geben die auf den
Admiralitätskarten !) verzeichneten Meerestiefen den besten Anhalt
über die vormalige Ausdehnung des Landes. Wenn man hier
zunächst die Tiefenlinie von 5 Meter unter dem heutigen M. Sp.
!) Karten der Deutschen Admiralität, No. 71, Deutsche Küste, Pommern,
Seetion IV, 1: 150000 mit den Specialkarten zu Section IV, 1: 75000 Greifswalder
Bodden (No. 73) und NW.-Küste von Rügen (No. 74). Sämmtlich vermessen
1879 und erschienen 1881.
M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 231
als Marke für die der Jetztzeit zunächst vorangegangene Periode
ins Auge fasst, so ist danach das heutige Festland nur erst
um eine schmale Umränderung ausgedehnter gewesen, welche in-
dess ausgereicht haben muss, um
l. den Fresendorfer Haken im Süden von Mönchgut sowie
den Peenemünder Haken östlich davon zu verlängern und beide, also
das Festland und die Insel Usedom noch vereinigt zu zeigen, in
welche Vereinigung nur die heutige Peene als eine durchschnittlich
6— 7 Meter tiefe Rinne eingeschnitten erscheint, die allerdings
möglicherweise nachträglich noch künstlich vertieft worden ist,
2. die damalige Verbindung von Mönchgut über den Ruden
mit Usedom und dem Festlande darzuthun, wobei aber die
heutige Wasserstrasse des »Lochs« südlich vom Ruden, damals
noch eine Verbindung der Süsswasseransammlungen im Sammel-
becken des heutigen Greifswalder Boddens mit der Ostsee dar-
gestellt haben muss, wie BORNHÖFT näher ausgeführt hat )),
3. die dänische Wieck bei Greifswald, die Gristower und
Kooser See unter Hinzunahme der kleinen Inseln Kiems und
Koos ausgefüllt zu lassen und dadurch über den südöstlichen Theil
des Strelasundes, welcher damals noch Land war, die Vereinigung
mit dem heutigen Zudar herzustellen, während der nordwest-
liche Theil des Strelasundes als solcher schon bestand und vielleicht
einer tieferen, den allgemeinen hercynischen Streichen gleich-
laufenden Einsenkung entsprach, welche bei Drigge heute noch
eine Tiefe bis zu 18 Meter erreicht,
4. die heutigen Prohner Wieck und Kubitzer Bodden,
welche jetzt das Festland von Rügen trennen, mit dem Ummanz
im westlichen Rügen vereinigt zu lassen,
5. die frühere Verbindung zwischen Hiddensee und Rügen
und die von Dars und Zingst mit dem Festlande durch damalige
» Verlandung« der südlich von letzterem liegenden heutigen Buchten
Grabow, Barther, Botstedter und Saaler Bodden darzuthun. —
Noch etwas vergrössert erscheint das eben angeführte Terrain,
wenn man die 10 Meter Tiefencurve ins Auge fasst. Sie hat das da-
I) BorsHört, a. a. O. S. 66. ff.
232 M. Scnorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
malige Festland noch um einige Kilometer hinausgeschoben und so
noch über dem M. Sp. gelassen, was aber ausreicht, um den Greifs-
walder Bodden ganz von der heutigen Ostsee abzuschliessen und in
Festland zu verwandeln, während er vorher noch eine seeartige Ver-
tiefung in seiner Mitte besass. Auch die Greifswalder Oie, heut nur
noch ein rudimentärer Geschiebemergelblock des obern, mit Andeu-
tungen von unterem Diluvium und von Tertiärthon an der Basis,
fiel mit in den Bereich dieses Festlandes, während das schon oben-
erwähnte »Loch« südlich von dem nur 4,5 Meter über den jetzigen
Meeresspiegel ragenden Ruden z. Th. schon damals, vielleicht als
Landsee, bestanden haben mag )).
Noch innerhalb der Tiefe der 10 Meter-Curve erhebt sich als
Untiefe in der Richtung nördlich von Misdroy die in ihrem nördlichen
Theile mehrere Meilen breite Oderbank unter einer durchschnittlich
nur 8—10 Meter betragenden Wasserbedeckung, und noch weiter
nordöstlich von Rügen in der Richtung auf Bornholm zu der soge-
nannte Adlergrund, welcher heute durchschnittlich 15—20 Meter,
zum kleinern Theil sogar nur 6--9 Meter unter Wasser liegt.
Beide müssen in jener Periode Inseln gewesen sein.
Erst die 20 Meter-Tiefencurve zeigt stärker verändert gewesene
Verhältnisse. In der Tromper Wiek (zwischen Jasmund und
Wittow), überhaupt nördlich und östlich von Rügen senkt sich
der heutige Seeboden beträchtlich und erreicht schon in einigen
Meilen Entfernung eine Tiefe von weit über 20 Meter. Weitere
Rückschlüsse auf die Existenz und Beschaffenheit des damaligen
Gebietes sind jedoch mit zu wenig Sicherheit zu ziehen.
Betrachtet man nun dagegen in Beziehung auf die kommende
Zeit, in der Voraussetzung, dass die gegenwärtige Senkung sich
fortsetzt, die Karte, so erhält man nur bei 5 Meter Senkung
schon folgendes Bild der künftigen Veränderungen von Rügen.
) W, Scaurtz (Grund- und Aufr. S. 21, Anm.) und Borr (Östseeländer, S. 48)
theilen in dieser Beziehung die unrichtige Ansicht von Micrazuıus (Sechs Bücher
vom alten Pommerlande 1723, lib. III, Art. 47, S. 244) mit, dass erst die Sturm-
fluth von 1309 das Land zu Rügen vom Ruden, zwischen welchem vorher nur
ein kleines Strömcehen »da man zuvor Erbsen gesät« (vielleicht also Alluvium ?)
gewesen, durch die Bildung des neuen Tiefs getrennt habe.
M. Scnonz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 233
Zunächst würde der Ruden bei Wolgast verschwinden und von
Thiessow nur das Höwt übrig bleiben, während die Zone von
Thiessower Lootsen-Station bis zum höheren Theile des Dorfes
Klein-Zieker ebenfalls vom -Meere bedeckt, die Halbinsel Klein-
Zicker sich im N und S verkleinern, diejenige von Gross- Zicker
dagegen ziemlich bis an die jetzigen Steilufer zusammenschmelzen
und auch noch ein Theil der Dörfer Gross-Zicker und Gager
selbst verloren gehen würde mit dem ganzen, nur durch die
Lobber Höhen unterbrochenen, zwischen Thiessower Höwt, Gager,
Philippshagen und Försterei Mönchgut liegenden Areal. Der
Göhren - Reddevitzer Höhenzug verlöre ausser Strandtheilen der
Reddevitz-Landzunge das Dorf Alt-Reddevitz und die Alluvial-
bucht nördlich vom Schafberge mit einem Theile von Mariendorf,
Middelhagen und Hof Philippshagen, sowie die ganze Gegend von
Middelhagen bis fast zu der westlich vom Dorfe Göhren liegenden
Försterei Mönchgut. Die künftige Nordgrenze dieses Landtheils
wird ziemlich deutlich durch das heutige Alluvium, namentlich die
sich zwischen die Höhe und den Baaber Thalsand einschaltenden
Torfmoore angegeben.
Weiter nach Norden würde die schmale Heide von Binz bis
westlich an die Dollaner Berge und an die Prora emschliesslich
einer auf Lubkow südlich der Prora zugerichteten Einbuchtung,
aber ausschliesslich der beiden Haken Bulitz und Thiessow
(letzteres nicht mit dem Thiessower Südpehrd zu verwechseln) bis
an die Truper Tannen auf Jasmund unter den Meeresspiegel
kommen. Im Westen würde sich der kleine Jasmunder Bodden
über die Dörfer Trips und Streu weiter südlich unter Bildung
einer den heutigen Schmachter See und seine Alluvialränder ein-
schliessenden Nordostbucht, welche indess noch von der Ostsee
abgeschlossen bliebe, so lange die Dünen bei Aalbeck nicht weg-
gespült würden, über Tribbratz, Zirkow und Vilmnitz verlängern
und durch diesen neuen schmalen Meeresarm auch nach Süden
zu mit der Ostsee in Verbindung treten.
Auch der Selliner See nebst seiner alluvialen Umränderung
bildete dann durch die breiter werdende Baaber Bek eine Ost-
seebucht, sowie sich der westlich davon liegende Neuensiener
234 M. Scuorz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen.
See bei Seedorf erweitern, durch den Forthbruch nördlich Garftitz
Verbindung mit der künftigen Selliner Bucht finden und auf
diese Art die Seedorf-Moritzdorfer Höhen zu einer Insel machen
müsste. Da nun auch die Baaber Heide unter Wasser käme,
so müsste schon der Nordrand der Göhrenschen Höhen die Grenze
des Landes zum Wasser bilden.
Wir würden also vom heutigen südöstlichen Rügen künftig
aus dem Bereiche der Ostsee nur noch den Südpehrd, die An-
höhen von Klein- und Gross-Zicker und von Lobbe, den lang-
gestreckten Höhenzug Göhren-Reddevitzer Höwt, die kleine See-
dorfer Insel und die Granitz, endlich noch eine Reihe kleiner
nördlicher liegender Inseln, wie die Dollaner Berge, Bulitz und
Thiessow hervorragen sehen. Dass u. A. auch ein Theil der
Schabe, der Bug und das ganze südliche Hiddensee, desgl. auch
Zingst und Dars bis auf wenige Stellen unter Wasser kommen
müsste, sei hier, wo es sich nur um Betrachtung des südöstlichen
Rügens handelt, noch nebenbei erwähnt.
Hand in Hand mit derartigen Senkungen vollenden Brandung
und Sturmfluthen die Zerbröckelung und Vernichtung des festen
Landes. Insbesondere scheint ausser den gewöhnlichen, fort-
währenden und regelmässigen Zerstörungen die grosse Sturmfluth
im Anfange des 14. Jahrhunderts sehr viel vernichtet und zu der
späteren Vermuthung Veranlassung gegeben zu haben, es sei erst
um diese Zeit überhaupt Rügen vom Festlande getrennt worden.
Die historischen Nachrichten (vgl. BoLL, Ostseeländer S. 46 ff.)
sind indess ausreichend klar, so dass sie diese Vermuthung als
Fabel herausstellen. Bestimmt ist nachgewiesen, dass eine ähnliche
grosse Fluth im Jahre 1625 den Zingst vom Dars trennte und
diesen, der vorher durch einen Kanal vom Festlande getrennt war,
durch Zuschwemmung (gleichzeitig?) mit letzterem vereinigte.
(Bor a. a. O. S. 46). Die von Arcona und von Mönchgut ver-
schwundenen beiden Dörfer Vitte sind oben (S. 229) erwähnt.
Welch grossen Verlust Arcona, abgesehen von den ganz neuen
Abstürzen der letzten Jahrzehnte bis jetzt erlitten, geht auch aus
den beiden, auf der v. HAGEnow’schen Specialkarte!) ersichtlichen,
!) v. Hacexow, Specialkarte von Rügen (1:50000). 1829.
M. Scenovz, Ueber das Quartär im südöstlichen Rügen. 233
sich kilometerlang von Arcona nach NO in die Ostsee hinein-
erstreckenden unterseeischen Geschiebestreifen » Blinde Steine« her-
vor, die vielleicht zugleich ein neuer Beweis für eine frühere Senkung
sind. Neuere Abrutsche erwähnt BoLL, welcher selbst in den
30er Jahren dieses Jahrh. noch bei Lobbe im seichten Wasser
Eichenstubben beobachtet hat (Insel Rügen S. 159), vom Ufer
bei Ruschwitz (eodem S. 158) und GrRÜMBKRE (a. a. O.1, S. 9 u. 31),
welcher Fahrnitzer Loch und -Fall als erst zu Ende des vorigen
Jahrhunderts entstanden bezeichnet. Grosse, erst in neuerer Zeit
vor sich gegangene Abstürze sind auch am Ufer nordöstlich Sassnitz
ausser den von V. KOENEN a. a. O. S. 6—8 beschriebenen zu beob-
achten.
Endlich sei noch erwähnt, dass die neueste grössere Sturm-
fluth vom 12/13. November 1872 zwar einen Theil der Dünen vom
Zingst hinweggespült und Hiddensee südlich von Plogshagen
durchgerissen, einen Rand von etwa ein Viertel bis (in den Niede-
rungen) einen Kilometer Breite überschwemmt, sowie die Steil-
ufer unterspült, im Allgemeinen aber auf Rügen keinen erheb-
licheren Schaden angerichtet hat.
Ueber alte Elbläufe zwischen Magdeburg
und Havelberg.
Von Herrn Konrad Keilhack ın Berlin.
(Hierzu Tafel VII.)
Der heutige Unterlauf der Elbe ist in seiner ganzen Aus-
dehnung von Magdeburg bis zur Mündung durch das Auftreten
fetter Thone ausgezeichnet, welche viele Stellen dieses Gebietes
in den wohl verdienten Ruf einer aussergewöhnlichen Frucht-
barkeit gebracht haben und gleichzeitig von industrieller Bedeu-
tung dadurch geworden sind, dass ihre Verwendbarkeit zur Ziegel-
fabrikation hunderte von grösseren und kleineren Ziegeleien ins
Leben gerufen hat. Diese Thone, die in den verschiedenen
Gegenden mit abweichenden Namen, wie Klei, Schlick, Lehm,
Zaegelerde, »Erdes, von den Anwohnern bezeichnet werden, sind
nichts anderes als die bei Hochwassern von den Fluthen der
Elbe abgelagerten, bis dahin im Wasser schwebend enthalten
gewesenen kleinsten Gesteinsbruchstückchen, welche die Elbe und
ihre Nebenflüsse von den mitteldeutschen Gebirgen herunter meer-
wärts transportiren. Da sich diese Flussablagerungen der Elbe,
deren Absatz noch vor unseren Augen weiter geht, in mehrfacher
Beziehung sehr wesentlich von allen übrigen quartären Bildungen
des Elbgebietes im weiteren Sinne unterscheiden, wie wir das
unten näher sehen werden, so giebt ihre heutige Verbreitung uns
ein klares Bild davon, wie weit zu irgend einer Zeit nach dem
Koran Krınnack, Ueber alte Elbläufe etc. 937
Durchbruche der Elbe zwischen Barby und Burg ihre Wasser
vom heutigen Bette sich entfernten.
Die seitens der geologischen Landesanstalt während der
Jahre 1882—86 durch die Herren GRUNER, KLOCKMANN, SCHOLZ,
WAHNSCHAFFE und den Verfasser ausgeführten Specialaufnahmen
im Maassstabe von 1:25000 ergaben eine ganz bedeutende, früher
ungeahnte Ausdehnung der Elbschlickablagerungen sowohl östlich,
wie westlich des heutigen Stromes, nach Westen bis 20, nach
Osten gar bis 40 Kilometer Luftlinienabstand vom Flusse. Sie
ergaben ferner die Existenz eines complicirten und vielfach ver-
zweigten Netzes von alten Elbarmen, sowie das Vorhandensein
grosser Rückstaugebiete der Elbwasser, die gleichfalls, wenn auch
nur untergeordnet, Absätze derselben führen. Auf der Karte
Tafel VII sind diese Verhältnisse ım Maassstabe 1:400000, nach
den Specialaufnahmen reducirt, zur Darstellung gebracht. Höhen-
und geognostische Verhältnisse sind dabei gewissermaassen ver-
einigt worden, indem folgende Unterscheidungen getroffen wurden:
I. Diluviale Inseln und Plateaux, die höchste Erhebungsstufe
darstellend, zumeist aus Schichten des unteren Diluviums
zusammengesetzt.
Il. Höhere (ältere) Thalstufe, meist jungdiluviale Thalsande,
vielfach mit grossen Flugsandgebieten.
III. Niedere (jüngere) Thalstufe.
a) im Elbgebiete:
1. alte Elbläufe, meist Schlick, zum Theil übersandet,
2. untergeordnete Elbarme (Nebenläufe) und Rück-
staugebiete, meist mit Schlick gemengte, (»an-
schlickige«) oder unregelmässige Schlickeinlage-
rungen führende humose und sandige Bildungen.
b) ausserhalb des Elbrebietes meist humose oder kalkige
Bildungen.
Bevor ich mich zur näheren Beschreibung der alten Elbläufe
wende, scheint es nothwendig, mit einigen Worten auf die nicht
ganz einfachen orohydrographischen Verhältnisse des auf der Karte
wiedergegebenen Gebietes einzugehen. Dasselbe besteht aus einer
238 Kosran Keıtnack, Ueber alte Elbläufe
gewaltigen Niederung, aus welcher die grosse, ganz mit Wald
bestandene Sandinsel des Klietzer Plateaus sich heraushebt. Nach
drei Seiten ist die Niederung gut begrenzt: im Süden durch den
westlichen Theil des Flämings, im Westen durch die Altmark, im
Norden durch die Priegnitz und das Ruppiner Land, alles Diluvial-
plateaux von beträchtlicher Ausdehnung und nicht unbedeutender
Erhebung über der Thalfläche. Im Osten dagegen liegt kein ein-
heitliches Plateau mehr vor, dort sind vielmehr nur zahlreiche
kleinere und grössere Diluvialinseln, zwischen denen ein auf den
ersten Blick unentwirrbar scheinendes Netz von Rinnen und
Thälern sich hinzieht. Zur Noth könnte man in den Diluvial-
inseln von Rhinow, Ferchesar, Bamme, Föhrde und dem nord-
westlichen Theile des grossen Plateaus südlich von Brandenburg
einen östlichen Rand der Niederung erblicken. Innerhalb der so
umgrenzten Fläche liegen ausser dem bereits erwähnten Klietzer
Plateau einige ganz kleine diluviale Inseln und eine grössere
zwischen Ziesar, Genthin und Brandenburg (Gr.- W usterwitzer
Plateau). Diese ausgedehnte Niederung zwischen Parey und
Havelberg, Brandenburg und Rhinow entsteht oder vielmehr ent-
stand durch die Vereinigung mehrerer grosser Thäler.
l. Im Süden tritt das sogenannte Baruther oder Lucken-
walder Hauptthal mit zwei breiten Armen in die Niederung ein;
der eine, der die alte Richtung des Thales beinahe beibehält,
mündet bei Brandenburg, der andere, bei dem Dorfe Wollin nach
Westen sich abzweigende Arm (unter dem Namen »Der Fiener«
bekannt) erreicht zwischen Genthin und Parchen dieselbe. Er
trennt das Gr.-Wusterwitzer Plateau vom Fläming.
2. Das alte Havelthal, vom Schwielowsee über Lehnin ver-
laufend, mündet gleichfals bei Brandenburg. (Vgl. über dasselbe
den Aufsatz von LAUFER in diesem Jahrbuche.)
3. Gleichfalls in der Gegend von Brandenburg erreicht das
heutige Havelthal, von Ostnordost herkommend, den Rand der
weiten Niederung.
4. Im Südwesten tritt, von Magdeburg her, das Elbthal ein.
5. Die nördlich vom Rhinower und Klietzer Plateau gelegenen
Theile der Niederung gehören dem grössten der alten norddeutschen
zwischen Magdeburg und Havelberg. 239
Urströme, dem kurz zuvor zur Vereinigung gelangten Oder-
Weichselthale an, als dessen Fortsetzung das heutige Elbthal von
Havelberg an bis zur Mündung zu betrachten ist. So vereinigen
sich also in einem Gebiete von etwa 70 Quadratmeilen nicht
weniger als vier resp. fünf der grössten Thäler Norddeutschlands,
deren Wassermassen, ob sie nun neben einander oder nach ein-
ander thätig waren, genügen mussten, die Diluvialdecke, die sie
vorfanden, zum grössten Theile zu zerstören und so jene riesige
Niederung zu schaffen, in welcher später das Netz der alten Elb-
läufe sich bewegte.
Als Untergrund der Quartärbildungen in unserem Grebiete
haben wir jedenfalls überall zwei Glieder der Tertiärformation
aufzufassen, den Septarienthon und die über ihm liegende, also
jüngere märkische Braunkohlenbildung. Ersterer erreicht die Ober-
fläche am westlichen Fläming, südlich von Burg, sowie in dem
Nennhauser Plateau westlich von Rathenow. Schichten der Braun-
kohlenbildung hat man theils zu Tage gehend, theils durch
Bohrungen, bergbaulichen Betrieb und Grubenaufschlüsse an
mehreren Stellen des nördlichen Flämings, am Nordrande des
Gr.-Wusterwitzer Plateaus bei Cade und Belecke, bei Bittkau und
bei Schollene nachgewiesen. Im Uebrigen finden sich nur Glieder
des Quartärs, des Diluviums und Alluviums. Als ältestes derselben
hat man die unter dem unteren Geschiebemergel lagernden Sande
zu betrachten, die sowohl auf der altmärkischen Seite bei Arne-
burg als auch auf der Jerichower bei Ferchland am Steilufer der
Elbe zu Tage anstehen. An letzterer Stelle führen sie Paladina
dilweiana, die von ihnen aus auch in den darüber liegenden Ge-
schiebemergel hineingerathen ist. In gleichem Niveau liegt auch
die von WAHNSCHAFFE im Eisenbahneinschnitte bei Nennhausen
nachgewiesene Conchylienfauna. Der untere Geschiebemergel
findet sich von West nach Ost in allen Uebergängen vom rothen
altmärkischen zum grauen oder gelben märkischen Geschiebemergel.
Als Grenze beider dürfte, von wenigen Ausnahmen abgesehen,
wohl am besten die Elbe zu nehmen sein. Ueber dem unteren
Geschiebemergel folgen abermals Sande, die local Thonlager, aber
nirgends organische Reste eimschliessen. Der obere Geschiebe-
I40 Kosran Keinack. Ueber alte Elbläufe
mergel ist auf den Fläming und die Plateaux im nordöstlichen
Theile der Karte beschränkt und der obere Geschiebesand findet
sich nur in geringer Mächtigkeit auf den grösseren Plateaux, fehlt
aber den kleinen Diluvialinseln. Das sind im Allgemeinen die
Bildungen, welche die diluvialen Hochflächen unserer Karte zu-
sammensetzen. In der Niederung kann man im Allgemeinen leicht
zwei Stufen nach Höhenlage und petrographischer Beschaffenheit
trennen, eine höhere, aus Thalsanden, die vielfach grosse Dünen
tragen, aufgebaut, und eine niedere, mit humosen oder thonigen
Bildungen erfüllt. Die letztere stellt das Niveau der Elbläufe dar,
und die in ihr sich findenden thonigen Ablagerungen sind es, die
durch ihre charakteristischen Eigenthümlichkeiten die genaue karto-
graphische Darstellung des Verlaufes der alten Elbwasserläufe er-
möglichen.
Betrachten wir nun zunächst an der Hand der Karte Taf. VII,
sowie der nach derselben angefertigten folgenden Skeletkarte den-
selben näher, so sehen wir, dass heute die Elbe den kürzesten
Weg durch das Gebiet eingeschlagen hat, während die alten Elb-
arme nach Osten und Westen hin sich von ihr entfernen, um
nach mehr oder weniger halbkreisförmigem Verlaufe zu ihr zurück-
zukehren.
Das heutige Elbthal im engeren Sinne, d. h. im Gegensatze
zu der oben näher beschriebenen weiten Elbniederung besitzt bei
ziemlich gleichmässiger Breite von etwa 3 Kilometern gut ausge-
prägte Ränder. Es wird auf der westlichen Seite zunächst durch
den Rand des grossen altmärkischen Plateaus bis Rogätz begrenzt,
weiter nach Norden durch das niedrige Bittkauer Plateau von
Kähnert bis Jerchel, bei Tangermünde durch das Steilufer eines
von der Altmark nach Osten sich abzweigenden langgestreckten
Diluvialrückens; bei Hämerten nördlich von Tangermünde beginnt
das über zwei Meilen lange Steilufer der Arneburger Diluvial-
insel, deren Fuss die Elbe heute fast unmittelbar bespült. Bei
Osterholz biegt der Plateaurand scharf nach Westen um und da-
mit beginnt die weite fruchtbare Niederung der Wische.
Der östliche Rand des Elbthales wird zunächst bis Hohen-
warthe von den westlichsten Ausläufern des Flämings gebildet und
zwischen Magdeburg und Havelberg. 341
Skeletkarte der alten Elbläufe.
Maassstab 1: 600000.
®
Werben >
® Harelberö
Sardaı <
Ahinow
Sp
[') 1
Arneburg
of
Li
Tangermünde ©
#
Gerthin
®
® z Pa Hauptarme
Burö
— Vebenarme
weiter nach Norden durch eine Reihe von Diluvialinseln bei
Schartau, Parchau, Pareyer Schleuse und Ferchland bezeichnet.
Von hier bis Havelberg hin bilden eine Anzahl fast genau in
nordsüdlicher Richtung liegende langgestreckte grosse Sandinseln
den Rand des Thales, an welchem die Orte Klietznick, ‚Jerichow,
Fischbeck, Schönhausen, Hohengören, Neuermark, Klietz, Schön-
Jahrbuch 1886.
16
942 Kosran Keinack, Ueber alte Elbläufe
feld und Sandau liegen. Erst bei Havelberg beginnt wieder dilu-
viales Steilufer.
Zwischen Burg, Rathenow und Havelberg nun liegt das Ge-
biet der alten Elbläufe, die von der Rinne des heutigen Stromes
sich abzweigten. Die Lücken zwischen den einzelnen, die Ränder
der letzteren bildenden Diluvialinseln und in der höheren Thal-
soble liegenden grossen Sandflächen bilden im Süden die Ein-
=
gangs-, im Norden wieder die Ausgangspforten der, wie gesagt,
mehr oder weniger halbkreisförmig zum heutigen Thale liegenden
älteren Wasserläufe. Betrachten wir zunächst die nach Osten hin
verlaufenden Rinnen. Als erste derselben ist diejenige zu be-
zeichnen, die zwischen dem Fläming und der Parchauer Diluvial-
insel eintretend dem Rande des Flämings von Burg bis zu dessen
nördlichster Spitze bei Parchen folgt, von hier nach Genthin
weiter verlaufend die zweite demnächst zu besprechende Rinne
erreicht und mit dieser sich vereinigend weiter nach Nordosten
sich erstreckt. Dieser Arm hat allem Anscheine nach nur während
kürzerer Zeit einem Theile der Elbwasser als Bett gedient, denn
diese vermochten keine breite einheitliche Rinne auszuwaschen,
sondern flossen im zahlreichen sich gabelnden und wieder vereini-
genden schmalen Läufen in einem von vielen grossen und kleinen
Thalsandbänken durchragten "Thale hin.
Anders die zweite Rinne, die zwischen der Parchauer Diluvial-
insel und dem Orte Zerben sich abzweigt und über Güsen, Berg-
zow, Hagen nach Genthin läuft. Dieselbe hat ein breites Thal
vollständig eingeebnet, sodass nur wenige Thalsandrücken aus
den Elbablagerungen noch hervorragen. Hinter Genthin gabelt
sich nach Aufnahme der ersterwähnten unbedeutenderen » Burger«
Elbrinne dieser »Genthiner« Elbarm in zwei mehrfach wieder ver-
bundene Hauptarme und verschiedene schmale Nebenarme.
Der eine Hauptarm geht fast genau nach Norden über Brettin,
Güssow, Alten-Klitsche und Zolchow und wird am Südrande des
orossen Klietzer Plateaus fast rechtwinklig nach Osten hin abge-
lenkt, bis er bei Böhne das heutige Havelthal erreicht. Der zweite,
östlichere Hauptarm des Genthiner Thales nimmt seinen Lauf
über Rosdorf und Klein-Wusterwitz nach Neudessau, gabelt sich
zwischen Magdeburg und Havelberg. 243
nochmals um die Vieritzer und die Milower Diluvialinseln herum
und kommt schliesslich wieder mit dem ersten Arme im Haupt-
thale zusammen. Noch weiter nach Osten hin zweigen sich einige
Nebenläufe ab, von denen einer über Knoblauch und Möthlitz,
ein zweiter nördlich von Nitzahne verläuft. Auch diese beiden
lenken im Havelthale wieder ab und vereinigen sich mit den
Hauptarmen, indem sie nach Nordwesten hin zurückfliessen.
Der dritte alte Elblauf zweigt sich zwischen den beiden
Diluvialinseln von Pareyer Schleuse und Derben ab. Er tritt
durch eine kaum 500 Meter breite Pforte aus dem heutigen Elb-
thale heraus, verbreitert sich aber schnell auf 2—3 Kilometer und
läuft in schnurgerader Richtung über Nielebock, Redekin, Gr.-Wul-
kow und Sydow nach Schmitzdorf; dort erreicht er den südwest-
lichen Rand des KRlietzer Plateaus und gabelt sich hier in zwei
Arme, von denen der eine nach Osten zum Havelthale fliesst, wo
er mit dem Genthiner Laufe sich vereinigt, während der andere
nach Nordwesten entlang des Klietzer Plateaus bis zum Dorfe
Klietz läuft, wo er das heutige Elbthal wieder erreicht. Der letzt-
erwähnte Arm nimmt auf seinem Wege noch zwei ziemlich breite,
aber kurze Seitenarme auf, von denen einer zwischen Jerichow
und Fischbeck, der andere zwischen Schönhausen und Hohen-
gören das heutige Thal der Elbe verlässt. Der grosse »Redekiner«
Elblauf ist durch einen langen 4—500 Meter breiten Arm mit
dem Genthiner Thale verbunden; dieser schr regelmässige fast
-
>)
überall mit Schlick ausgekleidete Arm zweigt sich bei Nielebock
ab, läuft über den Blockdamm und Hohenbellin und erreicht den
Genthiner Arm bei Altenklitsche (»Belliner Verbindungsarm«).
Die sämmtlichen Arme, die ım Havelthale wieder zur Ver-
einigung gelangt sind, folgen dem heutigen Laufe dieses Flusses
über Rathenow und Hohennauen entlang des Nordrandes des
o°-
Klietzer Plateaus und kommen nach mehrfacher, durch grössere
Thalsandinseln bewirkter Gabelung zwischen Havelberg und Sandau
wieder ins heutige Elbthal zurück. Von diesem letzteren Laufe
aus verbreiteten sich aber aufgestaute Elbwasser noch über einen
grossen Theil der weiten Niederung des vereinigten alten Oder-
16°
944 Kosrap Keivnack, Ueber alte Elbläufe
Weichselthales, durch welches heute die Dosse fliesst, indem sie
als Zugang zu diesem Gebiete die Lücke zwischen den Diluvial-
inseln von Rhinow, Ferchesar und Friesack benutzten. Auch im
Havelthale wurden bis über Pritzerbe hinaus die Elbwasser zurück-
gestaut und zur Ablagerung ihrer mitgeführten Schlammmassen
gezwungen.
Oestlich vom heutigen Elbthale giebt es nur einen abweichen-
den älteren Lauf, welcher zwischen Rogätz und Bertingen sich
abzweigt, über Mahlwinkel, Vaethen, Demker und Elversdorf ver-
läuft und zwischen Böhlsdorf und Tangermünde die Elbe wieder
erreicht.
Das über Stendal verlaufende, heute von der Uchte durch-
flossene Thal wird man kaum berechtigt sein, als alten Elblauf
aufzufassen, da die charakteristischen Elbablagerungen in dem-
selben fast völlig fehlen. Erst nach der Eindeichung der Elbe
scheinen bei Deichbrüchen die ausbrechenden Wasser, denen
nichts anderes übrig blieb, gelegentlich ihren Weg über Stendal
genommen zu haben.
Unter den alluvialen Ablagerungen in den eben aufgezählten
alten Elbläufen besitzt der Schlick die weiteste Verbreitung. In
dem grösseren Theile der Gebiete seines Vorkommens bildet er
die Oberfläche, mehr untergeordnet, wenn auch immer noch recht
beträchtlich sind die Flächen, in denen er unter Sand oder hu-
mosen Bildungen lagert. Die Schlickablagerungen der Elbe
=
&
wechseln in ihrem petrographischen Charakter ganz ausserordent-
lich: von den fettesten Thonen, die nur ganz geringen Gehalt an
feinstem Sande zeigen, bis zu ganz mageren, zum Theil grobsandigen
Lehmen findet man alle Uebergangsbildungen. Die folgende Ta-
belle giebt eine nach der Summe der thonhaltigen Theile geordnete
Uebersicht über die Zusammensetzung emer Reihe von Schlick-
bildungen. Die drei ersten Analysen sind entnommen aus:
F. WAHNSCHAFFE, die Quartärbildungen der Umgegend von Magde-
burg mit besonderer Berücksichtigung der Börde. Abhandlungen
zur geologischen Specialkarte von Preussen und den Thüringischen
Staaten. Band VII, Heft 1. 8.93 und 94.
zwischen Magdeburg und Havelberg. 245
Mechanische Analyse der lufttrockenen Proben.
: Thonhaltige Theile
(Grand Sand Ze einsta E
Order on nn Staub | Theile E
Probeentnahme über | 2- l- N | yol- 0,05- | unter 7
Yymm jmm 0,5am 0,]mm 10,05nm (Oo Kahn | 0,01mm
Biederitzer Forst b.| 7,00 93,00 100,0
Magdeburg, Distr. in ie: Se re
26a aus 3 de Tiefe 0,00) 0,44 4,36 | 2,20 9,96 83,04
Lacois’sche Zel.an| _ 7,14 92,86 100,0
der Berl. Chaussee _ on zw
bei Magdeb. aus IE 9 .4R 9 7, Rp
an 0.080,36 | 246 | 124 | 424 | 8862
_ 10,58 89,42 100,0
Desgl. aus en. s
0,5 Meter Tiefe 0,14 1,20 | 314 5,50 | 16,20 | 73,22
Grube zwischen ar 28,9 71,1 100,0
Ferchland u. Niele- eg: ns PEN SIE j
bock, Sect. Genthin, ; on 6
unter 1 Meter Sand Due 2 in = | 2)
Grube südlich von | 1 31,4 66,5 100,0
Bergzow, Sect. an za | FT u u
Parchen 1,5|77 Iıa9 | 93 [262 | 40,8
|
Grube bei Cux- Br 38,9 61,1 100,0
winkel, Sect. RR EN |23 EEE i
Schlagenthin, unter 9 |« long | 99
1 Meter Sand 2 | 2 Bi | Re | a
Zgl.-grube westlich | 46,1 53,9 100,0
von Bergzow, Sect. ==
Parchen 0,1 | 2,6 120,8 [22,6 43,3 10,6
Zgl.-grube bei Bret-| _ 47,6 52,4 100,0
tin, Sect. Schlagen- I eu
thi ter 0,5 Meter a ei: e a
nen q a 0762. |307 10,0 | 393 13,1
An der Ohaussee 4,8 56,3 38,9 100,0
zwischen Güsen u. eg 0 aeg Drang Be en
Parey, Sect. Parey 2,987 |287 1160 — —
| | |
Zgl.-grubezwischen | _ 62,6 37,4 100,0
Gr. Demsin u. Dun- BE ME. EIERN BEER
kelforth, Sect. K Ad Peg Wr:
Schlagenthin 0, | 0 1382 | nn
246 Koskap Keıruack, Ueber alte Elbläufe
Wo sich Beimengungen gröberen Sandes im Schlicke finden,
beobachtet man das starke Hervortreten von Milchquarzen und
Kieselschieferbröckchen, jenen beiden für alle Elbablagerungen so
bezeichnenden Gesteinen. Als eine secundäre Bildung findet man
in fast allen Schlicken Concretionen von Raseneisenstein in sehr
geringen Dimensionen, die nur da, wo der Schlick eine sehr
humusreiche Rinde besitzt, Erbsengrösse erreichen und leicht er-
kannt werden, sonst aber immer erst bei der mechanischen Ana-
lyse sich zeigen.
In der chemischen Zusammensetzung unterscheidet sich der
Schlick sehr wesentlich von allen andern diluvialen und alluvialen
Bildungen, die in der weiteren Umgebung des Elbgebietes auf-
treten. Das hauptsächlichste Merkmal besteht in dem völligen
Mangel an kohlensaurem Kalke, ein sehr auffälliger Umstand,
wenn man bedenkt, wie ausgedehnte Muschelkalkgebiete von den
Elbzuflüssen entwässert werden und wie gewaltige Kalkschlamm-
mengen die Frühjahrshochfluthen der thüringischen Ströme der Elbe
zuführen. AI dieser kohlensaure Kalk muss also von den Elb-
wassern, bevor sie unser (rebiet erreichen, in Lösung übergeführt
worden sein. Nur an sehr vereinzelten Stellen bemerkt man ent-
weder kleine Kalknester im Schlick oder eine Beimengung fein
vertheilten kohlensauren Kalkes in der humosen Rinde (Moor-
inergel), womit gewöhnlich die Anwesenheit zahlreicher Conchylien
verbunden ist.
Einen weiteren chemischen Unterschied bildet die ausser-
ordentlich germefügige Menge von Kalkerde im Schlick, die von
derjenigen der Magnesia, wie es scheint, fast immer nahezu erreicht
oder gar übertroffen wird. Das Verhältniss von Kalı zu Natron
ist annähernd zwei zu eins. Einige Analysen mögen die grosse
Uebereinstimmung der chemischen Zusammensetzung von Schlicken
verschiedener Fundorte zeigen:
zwischen Magdeburg und Havelberg. 47
IR 1. 111.
SIOs 2.2.20. 5158 63.66 62,26
AbO3 . . . . 17,9 1979 13,9
1 458 11,71
CO ..2.2..096 0,96 1,21
MO .... 118 1,20 1,09
NO 1,36 1,75
Ko 2 2,70 1,94
Glühverlust . . 7,66 5,98 5,64
Summa 99,98 100,23 99,59
1. und Il. aus der Gegend von Magdeburg (F. Waunscuarre), 111. von Sect.
Parchen bei Genthin (KR. Krınnack).
Da wo Thalsandinseln den Schlick durchragen, hat man häufig
Gelegenheit zu beobachten, wie die dem Thalsande an- und auf-
gelagerte Schlickdecke sich allmählich auskeilt. Zwischen dem
Thalsande und dem Schlicke, in welchem gegen die Grenze
hin gewöhnlich der Sandgehalt zunimmt, findet sich fast immer
eine Zone, innerhalb welcher man über dem reinen Sande nur
noch eine dünne Decke von lehmigem Sande beobachtet, die als
das durch die Kultur stark beeinflusste Resultat einer dünnen
Ueberschlickung zu betrachten ist. Die Mächtigkeit dieses
schlickigen Sandes beträgt 3—8 Decimeter; bisweilen findet sich
zwischen ihm und dem unterlagernden Sande noch eine dünne
0,5 — 1 Decimeter starke Schicht eines sehr sandigen Schlickes.
Aber nicht nur als Umränderung von Thalsandinseln findet sich
diese dünne Ueberschlickung; vielmehr sind selbst ganz grosse
Thalsandflächen, zumal in dem Gebiete zwischen dem Redekiner
und dem Jerichower Elbarme (Section Jerichow und Genthin) bei
Hochwasserüberstauungen mit thonigen Theilen überzogen und
bei späterer Kultur mit ihnen gemischt worden.
Den Untergrund des Schlickes bildet im Allgemeinen Sand,
der ein bald feinerer, bald gröberer Thalsand, bald aber auch ein
schmieriger, bläulicher, sehr feinkörniger Alluvialsand ist. Letzterer
findet sich besonders in dem Genthiner Laufe zwischen Alten-
248 Koskanp Keınıack, Ueber alte Elbläufe
plathow und Pareyer Schleuse, wo er bei Gelegenheit der Kanal-
erweiterungsarbeiten in grossen Mengen unter dem Schlicke lagernd
gefunden und durch Bagger an die Oberfläche befördert wurde.
In diesem Sande fanden sich sehr zahlreiche Stämme, Zweige und
Wurzeln von Bäumen, meist Eichen; grosse Exemplare fehlten
gänzlich, kleine Stämme bildeten die Regel. Auch emige Säuge-
thierreste fanden sich im gleichen Sande, so bei der neuen Kanal-
brücke bei Genthin an der Chaussee nach Jerichow der Unter-
kiefer eines Pferdes. An mehreren Stellen fand ich reichlichen
Vivianit im gleichen Sande.
Ziemlich bedeutend sind die Flächen, in denen der Schlick
auf Torfuntergrund lagert. Im Pareyer Werder umsäumt eine
alte überschlickte Torfrinne die inmitten desselben liegende hohe
Thalsandinsel, an vielen Stellen hat im dem Genthiner Arme der
Plauer Kanal unter dem Schlicke Torf angeschnitten, die grössten
Flächen aber nimmt er auf Blatt Jerichow ein in dem Grebiete
zwischen Fischbeck, Hohengören und dem Klietzer Plateau, wo
ein altes grosses Torfmoor erst überschlickt und später die immer
noch tief liegende Schlickfläche wieder mit Moorerde bedeckt wurde.
Sehr untergeordnet beobachtete ich in der Genthiner Rinne
bei Altenplathow und Dom. Hagen zwei Bildungen, die ebenfalls
durch die Baggerarbeit am Plauer Kanale zu Tage gefördert
wurden. Die eine ist eine schwarze, thonige, humose Masse, die
eine gewisse Schichtung besitzt, beim Trocknen sich etwas auf-
blättert und graue Färbung annimmt und durch die Analyse sich
als ein torfiger Thon erwies. Die Zusammensetzung ist folgende:
Glühverlust (Wasser + Humus) . . 23,56
117.53 0 PO pe u re 33;
AO 300
= 1 6 Ve er ee 1):
CAST ee en 129
MO ee ae ee, El
Nicht bestimmtes . . . 2.2.2... 7142
In diesem Thone finden sich zahlreiche Holzstücke, sowie
wohlerhaltene Abdrücke von Blättern und Früchten. Unter ersteren
zwischen Magdeburg und Havelberg. 249
überwiegen solche von Saliw, unter letzteren erkannte ich Iris
Pseudacorus L. Ausserdem finden sich darin eme Menge von
Käferresten, unter denen ein Carabus und ein Dytiscus (?) zu er-
kennen waren.
Schwieriger zu deuten war eine andere, unter dem Schlicke
sich findende Substanz, die an mehreren Stellen bei Altenplathow
und der Hagener Ziegelei in grossen Mengen vom Excavator beim
Baggern herausgehoben wurde. Es ist eine feucht olivengrüne,
trocken gelbgrüne Substanz von niedrigem specifischem Gewicht,
äusserst feinkörniger Zusammensetzung, völlig sandfrei, mit zahl-
reichen schön blauen Vivianiteinschlüssen. Ausserdem ist mit dem
Auge nur noch etwas Glimmer wahrzunehmen. Beim Erhitzen
färbt die Masse sich dunkel, verglimmt dann und hinterlässt ein
rostbraunes Pulver; beim Uebergiessen mit Säure in der Kälte
verändert sie sich nicht, erst beim Erhitzen oder nach länger an-
dauernder Einwirkung der Säure beginnt ruhige und gleichmässige
Entwickelung von Kohlensäure. Die chemische Zusammensetzung
ist die folgende:
BIOS 22 211. pCr
F&0;3 . 20,52 »
BEI NIT DIN ES
CaO . . 209 »
MsO. . Spur
MnV.. >»
RO 9.203223
N2»0. .. 030 »
BO ale
CO 2916,89
Humus . 7,05 »
Wasser . 11,88
Summa 100,95 pCt.
vV
(darunter hygrosk. Wasser —= 7,22)
Wenn man, wie kaum anders möglich, die Kohlensäure auf
FeCO;, die Phosphorsäure auf Vivianit und das Eisenoxyd auf
Eisenhydroxyd berechnet, so erhält man:
250 Koxkap Keıuuack, Ueber alte Elbläufe
Vivianit . 2 202020202485 pCt.
FelO; . 2... .2.2.2..4360 >»
Bes Hr. Gun 2a 2a
Dumus a a AND
NVasser u = m 02 m. 22.3
Unbestimmte Silikate . . 10,01 »
Summa 100,95 pCt.
Das sind die unter dem Schlicke vorkommenden Bildungen.
Ueber ihm lagern Moorerde, Torf und Sand. Die beiden ersteren
Bildungen zeigen keine irgendwie bemerkenswerthen Eigenthüm-
lichkeiten; der Sand ist in den weitaus meisten Fällen umgelagerter
Thalsand, was sich auch schon daraus ergiebt, dass er vielfach
schweifartig an der stromabwärts gelegenen Seite der Thalsand-
inseln sich anlegt. Solche bisweilen recht ausgedehnten Ueber-
sandungen des Schlickes sind natürlich das Werk stärkerer Fluthen
gewesen, deren versandende Thätigkeit noch heute bei jedem
Deichbruche beobachtet werden kann.
Einige Schwierigkeiten bietet die Deutung der Entwickelungs-
geschichte dieses Gebietes, - soweit sie in die Alluvialzeit hinein-
fällt. Der Umstand, dass man an so zahlreichen Stellen unter
dem Schlicke humose und sandige Bildungen antrifit, die nach
ihren organischen Einschlüssen zweifellos alluviales Alter besitzen,
macht es in hohem Grade wahrscheinlich, dass der Durchbruch
der Elbe und der Beginn der Schlickablagerungen erst nach dem
üönde der Diluvialzeit, während des Alluviums, erfolgte. Dass
sich jedoch vorher die Elbwasser nicht des heutigen Ohrethales
bedienten, ist mir völlig klar und ich stimme in der Verwerfung
dieser Anschauung ganz mit WAHNSCHAFFE überein. Das Ohre-
thal mündet nämlich erst ganz kurz vor vollendetem Durchbruche
des Elblaufes durch den Höhenzug zwischen Barby und Burg
und kommt von den Höhen desselben herunter. Die Elbe hätte
demgemäss denselben Höhenzug erst in der einen, dann wieder
rechtwinklig abbiegend in der andern Richtung durchbrochen, um
sich schliesslich ebenso wie vorher südlich von demselben zu be-
zwischen Magdeburg und Havelberg. a!
finden. Dies scheint mir der Hauptgrund zu sem, abgesehen noch
von der höchst geringen Breite des Ohrethales, weshalb die Elbe
früher nicht durch das Ohrethal und den Drömling geflossen sein
kann. In einem späteren Aufsatze hoffe ich meine Anschauungen
über die Fortsetzung des Elbthales von Wittenberg abwärts nieder-
zulegen. Jedenfalls hingen zu Beginn der Alluvialzeit die durch
das heutige Elbthal getrennten Diluvialplateaux von Hohenwarthe
und Burg nach Wolmirstedt und Rogätz hinüber noch zusammen,
nur durch die schmale Ohrerinne etwas gegliedert. Im Uebrigen
aber wird die Vertheilung der Diluvialinseln, der Thalsandflächen
und der zwischen ihnen liegenden Rinnen bereits im Wesentlichen
ausgebildet gewesen sein. Das vielfache Auftreten von Torf,
Moorerde und Alluvialsand unter dem Schlicke spricht dafür, dass
diese alten Elbläufe auch vor dem Elbdurchbruche bereits als
Rinnen existirten. Sie werden ursprünglich die Niederungen der-
jenigen Gewässer gebildet haben, die von dem südlich gelegenen
Höhenzuge herabkommend der Havel zuströmten, also die Thäler
der Ihle, Ohre, Tanger und emiger anderer kleinerer Wasserläufe.
Floss doch bis zur Kanalisirung die Ihle nicht in die ihr bei Ihle-
burg auf einige Kilometer genäherte Elbe, sondern durch den
Genthiner Arm nach Rathenow zur Havel! Man kann wohl mit
Recht den Genthiner Arm als das alte Ihlethal, den Redekiner
als das alte Ohrethal, den Jerichower als das alte Tangerthal be-
trachten.
Als die Elbwasser zum ersten Male in diese weite Niederung
eintraten, fanden sie zahlreiche Wege often. Die Erweiterung
der vorhandenen Rinnen auf Kosten anstossender Thalsandflächen
und Diluvialinseln, sowie die Ausfüllung derselben mit thonigen
Bildungen war ihr Werk, an dem sie heute noch fortarbeiten.
Complicirte abwechselnde Hebungen und Senkungen zur Erklärung
der Erscheinungen dieses Gebietes anzunehmen ist überflüssig.
Allmählich vereinigten sich die Wasser, die alle vorhandenen
Läufe mehr oder weniger gleichzeitig benutzt haben mögen, in
dem kürzesten, fast geradlinigen heutigen Elbthale und nur ihre
jährlichen Hochwasser bedienten sich noch jeweilig der alten Kanäle.
252 Koxrap Keıruack, Ueber alte Elbläufe ete.
Auch das hatte ein Ende, als der Mensch von diesen fruchtbaren
Ländereien Besitz ergriff und durch Deichbauten den Strom in
ein immer enger werdendes Bett einzwängte. Erst bei hochge-
schwollenen Fluthen durchbricht er bisweilen noch die hohen
Dämme und dann wälzen seine trüben Fluthen sich wieder zer-
störend dahin durch ihre alten lang verschlossenen Betten.
Ueber zwei conchylienführende
Lössablagerungen nördlich vom Harz.
Von Herrn Felix Wahnschaffe ın Berlin.
Bei der Bearbeitung der Quartärbildungen auf den Blättern
Wernigerode, Neustadt-Harzburg, Vienenburg und Osterwieck ist
es mir bisher nur an zwei Punkten gelungen, Conchylien - Reste
in lössartigen Bildungen aufzufinden, woraus hervorgehen dürfte,
dass derartige Vorkommnisse dort nur als Seltenheiten anzusehen
sind. Nachstehend sollen die beiden Fundorte unter genauer Be-
rücksichtigung der Lagerungsverhältnisse der dort auftretenden
Bildungen näher beschrieben werden.
Wenn man von Vienenburg aus den Plateaugehängen tolst,
welche das 1!/s Kilometer breite Okerthal einschliessen, so gewinnt
man emen klaren Einblick in den Aufbau der dortigen Ablage-
rungen. Die der oberen Kreide angehörigen Ilsenburg- Mergel,
welche besonders am linken Gehänge zu Tage ausstreichen und
durch Gruben deutlich aufgeschlossen sind, werden zunächst von
Schottern überlagert, die aus rein hercynischem Material
bestehen und zu jenen ältesten (@uartär - Schichten gerechnet
werden müssen, welche ich bereits von den Blättern Wernigerode
und Neustadt-Harzburg eingehender beschrieben habe '). An der
I) Mittheilungen über das (Quartär am Nordrande des Harzes. Zeitschr. d.
Deutsch. geol. Ges. 18855, 8. 897.
254 Feriıx WansscHarre, Ueber zwei conchylienführende
westlichen Wand der Kreidemergelgrube, welche nördlich vom
Harly-Berge unmittelbar an der Eisenbahn gelesen ist, bedecken
diese Schotter in 3,5 Meter Mächtigkeit und discordanter Lagerung
die dort nach Süden zu ziemlich steil aufgerichteten Ilsenburg-
Mergel. Die Oberkante der Hercyn-Schotter liegt hier 30 Meter
über der Thalfläche und 160 Meter über dem Ostseespiegel,
während nur 10 Kilometer südlich davon an der Thalpforte der Radau
bei Harzburg eine Schotter- Terrasse am rechten Thalgehänge in
280 Meter Meereshöhe auftritt. Die Fluss-Schotter bei Harzburg
bestehen aus grossen gerundeten Blöcken, welche in einer lehmigen
oder erdigen Masse liegen; je weiter man sich vom Harzrande
entfernt, desto kleiner werden die transportirten Gesteinstrümmer,
bis sie endlich jene charakteristische flach scheibenförmige Gestalt
der echten Fluss-Schotter der Gebirgsvorländer annehmen.
In dem Materiale der Schotter am Harly-Berge sucht man
vergebens nach Feuersteinen oder irgend welchen Felsarten nor-
discher Herkunft. Es ist durchweg südlichen Ursprungs und
stammt aus dem Hinterlande, dem Harze, her. Besonders häufig
treten schwarze Schiefer und Kieselschiefer darin auf. Ebenso
frei von jeglichem nordischen Material ist der Schotter am west-
lichen Gehänge des Okerthales, wie man dies in dem Hohlwege
bei Wiedelah und an dem steilen Thalrande bei Wülperode heob-
achten kann, woselbst der Schotter in einer Mächtigkeit von
20 Meter zu beobachten ist.
Die Hercyn-Schotter bilden im Harzvorlande eine im Allge-
meinen zusammenhängende, ausgedehnte Schicht, welche in vielen
Fällen die Gestaltung der meist flachen und ebenen, durch die
spätere Thalerosion in verschiedene Theile zerschnittenen diluvialen
Hochfläche bedingt. Auf Blatt Vienenburg hat diese Erosion
besonders deutliche Spuren hinterlassen und zum Theil breite
Thäler geschaffen, welche von der Oker, Radau, Ecker, Stimmecke
und Ilse durchflossen werden. Die Alluvialbildungen dieser Thäler
bestehen meist aus groben Schottermassen, welche in der Nähe
der Wasserläufe ihrer feineren Bestandtheile gänzlich beraubt
sind. sodass der mehrfach wiederkehrende Name »Steinfeld« für
den Charakter derartiger Gebiete sehr bezeichnend ist. An den
Lössablagerungen nördlich vom Harz. 255
vom Flusslauf entfernteren Thalrändern, sowie in den kleineren
Thälern sind oft lehmige Alluvionen zum Absatz gelangt.
Auf dem Hercyn-Schotter sind mehrfach Kuppen nor-
dischen und gemengten Materiales aufgesetzt, die in ganz
gleicher Weise wie auf Blatt Wernigerode ausgebildet sind. Eine
derartige Kuppe an der Chaussee im Stapelburger Holze war be-
sonders desshalb von Interesse, weil sich hier in einem Aufschlusse
beobachten liess, dass der dort auftretende nordische, mit vielen
Feuersteinen und grossen Blöcken skandinavischer krystallinischer
Gresteine gemischte Grand auf einem verwitterten Kreidelehme ruhte,
dessen oberste Schicht nur mit hercynischem Materiale vermengt
war, woraus das höhere Alter der reinen Hercyn-Schotter klar
hervorgeht. Besonders häufig sind die Kuppen nordischen Materiales
am Nordabhange des Harly-Berges, während sie unmittelbar südlich
davon fehlen, wesshalb die Annahme nahe liest, dass ein Theil des
von dem weiter nördlich gelegenen Eisrande sich loslösenden und
durch Drift!) nach Süden transportirten Materiales vom Harly anf-
gehalten wurde und in Folge dessen an seinem Nordschänge zum
Absatz gelangte.
Die jüngste Bildung des Diluviums ist der Löss und löss-
artige Lehm, welcher überall die Plateaux deckenartig
überlagert. Wenn man von Wülperode aus dem Feldwege nach
Osten zu folgt, so überschreitet man zuerst die lössartigen Bil-
dungen der dort nur schmalen diluvialen Hochfläche. Nach dem
östlichen Gehänge zu keilt sich dieser Plateau-Löss aus und die
Hercyn-Schotter treten unter ihm zu Tage; jedoch bald erreicht
man nochmals eine lössartige Ablagerung, welche das W estgehänge
des Stimmecke-Thales zwischen Suderode und Rimbeck bedeckt
und sich bis in die Thalfläche hinabzieht. Dass dieser hier un-
mittelbar am Gehänge als schmale Zone auftretende Löss nicht
unter dem höher gelegenen Schotter heraustritt, sondern demselben
nur angelagert ist, beweist ein weiter nördlich an demselben
Gehänge, südlich vom Rimbeck-Wülperoder Wege, in einer Kreide-
mergel-Grube aufgeschlossenes Profil, welches nebenstehende Ab-
!) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1885, 8. 902.
256 Fevix Wannscharre, Ueber zwei conchylienführende
bildung zeigt. Der hier zu oberst liegende, mit kleinen Geröllen
durchsetzte Lehm ist das Aequivalent des weiter südlich vor-
kommenden typischen Lösses.
Profilam Plateaurande westlich von Rimbeck.
EEE
En. =: Sohle der Grube
a Gehänge-Lehm mit kleinen Geröllen, aus dem Plateau -Löss hervorgegangen.
b Alt-diluvialer Hereyn-Schotter, nach Osten zu sich auskeilend.
c Ilsenburg-Mergel der oberen Kreide.
In der am Wülperoder Feldwege gelegenen Grube ist der Löss
bis auf 5 Meter aufgeschlossen. Obwohl im Allgememen unge-
schichtet, zeigt er doch, und dies besonders in seinem oberen
edeutete Bänderung und Streifung, welche
Theile, eine schwach ang 8,
&
dem Gehänge parallel verläuft. Der Löss ist hier als steinfrei
zu bezeichnen, nur an ganz vereinzelten Punkten finden sich
kleine Gerölle bis zu Haselnussgrösse in ihm, auch führt er zu-
weilen Wallnussgrösse erreichende Kalkconeretionen, welche die
Form der Lösspuppen besitzen und meist in bestimmten Zonen
auftreten. Im nordwestlichen Theile der Grube enthält der Löss
sehr zahlreiche wohlerhaltene Schalen folgender Schnecken:
Succinea oblonga Drr. sehr häufig
Helix hispida L. häufig
Pupa muscorum L. vereinzelt.
Das Lössvorkommen ist als eine secundäre aus dem Plateau-
Löss hervorgegangene Gehängebildung anzusehen, welche da-
durch entstand, dass die feinen Lösspartikelchen durch die Atmo-
sphärilien von der Höhe herabgeführt wurden und sich am Thal-
gehänge ansammelten, während zu gleicher Zeit die Reste der
damals auf der Oberfläche lebenden Conchylienfauna mit in die Masse
hineingeschlämmt wurden. Für diese Art der Entstehung scheint
Lössablagerungen nördlich vom Harz. 257
auch die der Neigung des Gehänges parallele Streifung des Lösses
zu sprechen.
Dass die Schnecken in nächster Nähe gelebt haben müssen,
beweist die Art ihres Vorkommens. Sie sind nicht vereinzelt in
der ganzen Ablagerung vertheilt, was erwartet werden müsste,
wenn sie aus weiterer Entternung durch fliessendes Wasser ein-
geschwemmt wären, sondern sind in grosser Anzahl von den grössten
=
bis zu den kleinsten Exemplaren auf einem verhältnissmässig kleinen
Raume zu finden.
Auf dem südöstlich von Zilly (Blatt Osterwieck) gelesenen
Schäferberge befinden sich mehrere Gruben, in welchem ein vor-
wiegend aus einheimischem Materiale bestehender, jedoch auch
mit vereinzelten Feuerstemen gemengter Schotter abgebaut worden
ist. Der Schotter wird dort von typischem Löss überlagert, welcher
nach dem nordwestlichen Abhange des Berges zu m einen Lehm
übergeht, dem sehr viel gröberes Material aus den darunter liegenden
Schottern beigemengt worden ist. Es kommen Gerölle bis zu
0,5 Decimeter Durchmesser darin vor, ausserdem viel grandiges
schichtenweise angeordnetes Material, sodass der Lehm dadurch eine
Art Streifung erhält. Neben sehr zahlreichen Kalkeoneretionen ent-
hält diese Ablagerung sehr wohl erhaltene Conchylienschalen,
und zwar:
Succinea oblonga Drr. sehr häufig
Pupa muscorum L. sehr häufig
Helix hispida L. häufig
Das höher gelegene typische Lössmaterial enthält keine
Schneckenschalen. „Jedenfalls ist auch diese conchylienführende
Ablagerung durch Abschwemmung am Gehänge entstanden, wo-
bei der Löss mit dem darunter liegenden groben Schotter ver-
mischt wurde.
Kunrtn !) erwähnt in der Thongrube bei der Frauenbornmühle
im Südosten von Hoym 25 Fuss über dem jetzigen Spiegel der
Selke eine Ablagerung von Harzschutt, welcher grössere und
c=
!) Zeitschr. d. Deutsch. geol. Gesellsch. Bd. 16, 1864, S. 357—358.
Jahrbuch 1356. IT
258 Ferıx Wansscnaree. Ueber zwei conchylienführende ete.
=
kleinere Massen von Lehm enthält, in welch’ letzterem sich Pupa
muscorum, Helix hispida und Swceinea oblonga fanden. Er be-
merkt dazu, dass durch diesen Fund die weite Verbreitung der
Lössschnecken nun auch über den Nordrand des Harzes nach-
gewiesen sei.
Das Alter des auf Blatt Vienenberg und Osterwieck nach-
gewiesenen conchylienführenden Gehänge-Lösses bzw.-Lehms
ist nach meiner Auffassung ein postglaciales, während dem
Plateaulöss nördlich vom Harzrande ein spätglaciales!) zugeschrieben
werden muss. Der Gehängelöss zwischen Rimbeck und Suderode
konnte sich erst bilden, als das Stimmecke-Thal bereits in den
Plateau-Löss und den darunter lagernden Hercyn-Schotter 20 Meter
tief eingeschnitten war. Erst nach dieser bedeutenden Thalerosion,
welche unverkennbar jünger ist, als der Plateau-Löss und daher
von postglacialen Gebirgsgewässern bewirkt sein muss, fand die
Bildung des in Frage stehenden Gehänge-Lösses statt. Dass derselbe
jedoch unter den postglacialen Bildungen zu den älteren ge-
rechnet werden muss, geht aus dem Charakter seiner Fauna hervor,
welche letztere zwar keine ausgestorbenen und seltener gewordenen
Arten aufweist, jedoch in ihrer eigenthümlichen Zusammensetzung
und Artenarmuth auf die ältere Postglacialzeit hinweist.
1) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Gesellsch. 1885, S. 904 und 1886, S. 367.
Teredo megotara Hanley aus dem Septarien-
thon von Finkenwalde.
Von Herrn Th. Ebert in Berlin.
(Hierzu Taf. VII, Fig. 1 —4.)
Von dem Bergbaubeflissenen Herrn HUNDHAUSEN erhielt ich
vor einiger Zeit ein Bruchstück einer Septarie aus dem
Septarienthon von Finkenwalde bei Stettin, welches Holz-
rveste enthält und ganz durchspickt ist mit Röhren einer Teredo.
Bei genauerer Untersuchung fanden sich auch viel Reste und
einige wohl erhaltene Exemplare der Schalen desselben, ja, es ge-
lang mir sogar, einige Paletten der Siphonen herauszupräpariren.
Der Umstand, dass Schalen von Teredo, besonders aber die
Anhängsel der Siphonen so selten gefunden werden, andererseits,
dass die seither nur lebend bekannte Art megotara, welcher wir
die vorliegenden Stücke zurechnen, nun auch in dem mittleren
Tertiär gefunden worden ist, lassen es wohl berechtigt erscheinen,
ein allgemeineres Interesse für. dieselbe vorauszusetzen.
Die Schalen sind stark gewölbt und dreilappig. Der vordere
Lappen ist von dem übrigen Schalentheil durch die vertical
laufenden Streifen des mittleren Schalentheiles abgeschlossen. Er
ist dreiseitig. Sem Unterrand bildet mit dem nach unten vor-
springenden mittleren Flügel fast einen rechten Winkel. Die
Oberfläche ist mit feinen, divergirenden, horizontalen Rippen ge-
ziert, die sich am unteren Rand näher an einander drängen.
17*
260 Tu. Ererr, Teredo megotara Hanley
Der mittlere Schalentheil ist nach unten in einen eben-
falls dreieckigen Flügel verlängert, dessen spitzes unteres Eck ab-
gerundet ist. Eine seichte, vom Scheitel zum Bauchrand ver-
laufende Furche trennt den Mitteltheil der Schale nochmals, und
zwar in einen schmalen vorderen und breiten hinteren Abschnitt. Auf
dem schmalen vorderen fallen sofort die schon erwähnten verticalen,
dicht an einander gedrängten, gekörnelten Rippen auf (Fig. lc u. d).
Bei stärkerer Vergrösserung bemerkt man, dass diese Rippen
keineswegs vom Oberrand zum Unterrand der Schale reichen,
sondern dass es die mit fast rechtem Winkel nach abwärts ge-
bogenen Verlängerungen der Rippen des Vorderlappens der Schale
sind, welche, nachdem sie ein Stück abwärts gelaufen sind, wieder
nach hinten horizontal abbiegen, und in ziemlichem Abstand von
einander die Furche erreichen. Jenseits der Furche, auf dem
hinteren Abschnitt des Mitteltheiles, treten sie nicht mehr so stark
hervor, sind aber immerhin ganz deutlich, und bei stärkerer Ver-
grösserung erblickt man zwischen ihnen zahlreiche Anwachs-
streifen.
Der hintere Schalenlappen bildet etwa ein Rechteck und ist
am hinteren Rand aufwärts gebogen. Derselbe ist von hellerer
Farbe als die übrigen Schalentheile und weist nur Anwachsstreifen
auf. Der Oberrand desselben ist etwas ausgebuchtet.
Der callöse Wirbel springt stark vor, und von ihm aus zieht
sich die callöse Masse auch noch auf den vorderen Schalenflügel
hinüber. Im Inneren der Schale (Fig. 1b) entspringt unter dem
Wirbel ein frei hervorragender, nach aussen gekrümmter, stielartiger
Fortsatz. Unter demselben läuft eine verhältnissmässig breite,
seichte Rinne vom Scheitel zur unteren Flügelspitze des Mittel-
theiles, und endigt unten in einer aus der Schale sich erhebenden
knopfartigen Lamelle. Der hintere Muskeleindruck nimmt fast
=}
den ganzen hinteren Flügel ein.
Die Anhängsel der Siphonen, die sogenannten Paletten,
(Fig. 2a u. b, 3a u. b) sind verlängert herzförmig. Die Unterseite ist
concav und wird der Länge nach von dem Schaft durchzogen. Die
Spitze ist abgerundet, in der Mitte schwach vertieft. Die Seiten sind
nicht symmetrisch ausgebildet. Beide seitlichen Aussenränder sind
aus dem Septarientlon von Finkenwalde. 261
im oberen Theil convex, im unteren Theil geradlinig bis concav
zum Schaft zurückgezogen, aber der convexe Theil ıst auf der
einen Seite viel länger als auf der anderen, und dementsprechend
der concave Theil verkürzt. Auf der Unterseite des Blattes be-
merkt man Anwachsstreifen und nach vorn einen Muskeleindruck.
Die Oberseite ist glatt. Vorn befindet sich, von den Ecken des
Vorderrandes ausgehend, eine breit keilförmige, abgerundete Grube.
Der Schaft verschwindet etwa in der Mitte des Blattes unter der
oberen Schalenschicht. Zu beiden Seiten desselben ist die Schale
etwas eingesenkt. Das frei hervortretende Stück des Schaftes ver-
jüngt sich nach hinten.
Der Bau der Schalen sowohl, wie der der Paletten stimmt
nun merkwürdig mit 7. megotara HAxLey !). Zwar ist die Ver-
tiefung des Vorderrandes der Paletten bei der lebenden Art nicht
so ausgeprägt, auch das Blatt vielleicht ein wenig breiter, indessen
kann das kein Grund sein, unsere Stücke als besondere Art ab-
zutrennen.
Von den fossilen Formen hat T. e«incta DESH. aus dem oberen
Grobkalk von Houdan eine ähnliche Schale 2). Doch ist bei
dieser Art der hintere Flügel weit kürzer und höher hinauf-
gezogen. T. cincta scheint der lebenden T. arenaria L. ver-
wandt zu sein. Aus dem Wiener Becken führt Hörxes?) die
lebende Art norvegica SPENGLER an, welche unserer Art ebenfalls
im Bezug auf die Schalenbildung nahe steht.
!) Jerrravs, British Conchology. Vol. 3, 8. 177.
2) Desnaves, Descript. d. anim. sans vertebres. Bd. I. S. 115. Taf. 3,
Fig. 7—9.
3) Hörnes, Die fossilen Mollusken des Wiener Beckens. Bd. 11. 8.8. Taf. 1,
Fig. 5—7.
Beitrag zur Kenntniss der tertiären Decapoden
Deutschlands.
Von Herrn Th. Ebert in Berlin.
(Hierzu Tafel VIII, Fig. 5—11 u. IX.)
Bei Durchsicht der tertiären Decapoden in der Sammlung
der Kol. geologischen Landesanstalt ergab sich einiges Neue oder
doch Bemerkenswerthe, welches ich in Folgendem weiteren Kreisen
mittheilen möchte. Es sind mit einer Ausnahme Vertreter des
norddeutschen Oligocäns, welche ich besprechen werde. Nur
Ranina bavarica stammt aus dem Eocän des Kressenbergs in
Bayern.
I. Brachyura.
Ranina Lam.
Die Gruppen der R. speciosa und R. Marestiana zeigen be-
züglich der Ober- und Unterseite derartig constante Unterschiede,
dass man darauf hin Untergattungen aufstellen dürfte. Auch die
Scheerenfüsse sind, soweit ich nach dem mir zugänglichen Material
und der Literatur beurtheilen kann, bei beiden Gruppen ver-
schieden ausgebildet, indem die Formen der Gruppe der speciosa
regelmässig 5, die der Marestiana nur 4 Zacken unterhalb des
unbeweglichen Fingers am inneren Rand der Hand hat. Bezüg-
lich der Trennung der Arten bei der Gruppe der Marestiana
s Pl
Tı. Ererr, Beitrag zur Kenntniss ete. 263
glaube ich, dass auf die Form der Zähne der Querleisten auf der
Oberseite des Carapax und auf die weitere oder nähere Ent-
fernung dieser Querleisten von einander zu viel Gewicht gelegt
worden ist. Besonders die erstgenannte Eigenschaft ist sehr vom
Erhaltungszustande abhängig, sodass ich, wenigstens auf Ab-
tojgto\rl
bildungen allein hin, in dieser Beziehung keinen Vergleich wagen
würde.
Innerhalb der Gruppe der Marestiana lässt sich eine weitere
Zweitheilung ausführen, und zwar nach der Beschaffenheit des
Pterygostoms. Eine Reihe von Formen haben auf dem letzteren
quer über das Feld laufende, gezähnelte Querleisten, ähnlich denen
der Oberseite. Bei anderen Formen finden sich diese, wie ich
später zeigen werde, nur im vordersten Theil des Pterygostoms,
während im grösseren hinteren Theil statt dessen kleime bogen-
förmige, gezähnelte Leisten oder Rinnen, mit der convexen
Seite nach hinten gerichtet, auftreten. Hierher gehören R. Barroisi
BroccHı, R. bavarica n. sp. und eine Ranina aus dem Val di
Ciuppio in der Sammlung der hiesigen Universität, welche der
Barroisi sehr nahe steht.
Broccu1!) hat seine Gattung Palaeonotopus gegründet resp.
R. Barroisi unter diesem Gattungsnamen von Ranina getrennt,
weil er glaubte, dass sich bei dieser Art zwei Fusspaare in der
hinteren Ausbuchtung des Sternums befänden, während die Ra-
ninen hier nur 1 Fusspaar stehen haben. Abgesehen davon, dass
es nicht leicht sein wird, bei derartig verdrückten Stücken, wie
das von Broccnı abgebildete ist, zu erkennen, ob die rudimen-
tären Basalglieder der Füsse nicht verschoben sind, liegt in diesem
Fall gewiss eine Verwechselung des Rudiments des sternalen,
blattförmigen Fortsatzes mit der Basis eines Fusses vor, wie ich
bei R. bavarica noch näher erklären werde; die Gattung Palaeo-
notopus ist also einzuziehen, da auch die allgemeine Form des
Cephalothorax bei den Raninen veränderlicher ist, als BroccHI
annımmt.
N) Broccnı, Crustaces fossiles de la tribu des Raniniens. Ann. d. sciences
geologiques. Bd. 8, S. 4, Taf. 29, Fig. 6—9,
264 Tu. Eserr, Beitrag zur Kenntniss
Ranina bavarica nov. spec.
Taf. VII, Fig. 5—9.
Der Gruppe der R. Marestiana angehörig, ist diese aus dem
Eocän des Kressenbergs stammende Art ebenfalls mit gezähnelten
Querleisten auf der Oberseite des mässig gewölbten Carapax ver-
sehen, jedoch mit Ausnahme eines ziemlich breiten Bandes am
Vorderrand, welches etwa durch eine Verbindungslinie des zweiten
rechten Seitendornes mit dem zweiten linken vom übrigen Theil
des Rückenschildes abgeschnitten wird. Dieses Band ist nur mit
unregelmässig vertheilten, nach dem Vorderrand verschwindenden
Höckerchen besetzt, welche sich öfter paarweise gesellen.
Der Vorderrand ist an der Stirn zu einem dreispitzigen
schmalen Lappen ausgezogen, der Örbitalrand beiderseits durch
zwei Einschnitte, von denen der innere noch einmal so tief ist als
der äussere, in drei Theile getheilt. Der innerste und grösste
Theil ist tief ausgehöhlt; der mittlere zahnartig von beiden Seiten
stumpf zugeschärft; der äussere anfangs eben, steigt sehr bald
zu dem ersten Seitenzahn aufwärts. Die Entfernung zwischen
dem rechten und linken ersten Seitenzahn beträgt 24 Millimeter.
Der zweite und dritte Seitenzahn sind am vorliegenden Stück
beiderseits abgebrochen, scheinen aber ziemlich stark und nach
vorn gerichtet gewesen zu sein.
Die gezähnelten Querleisten laufen wellenförmig, im mittleren
Theil in schwachen Zickzacklinien von einer Seite zur anderen,
gabeln sich auch ab und zu, im hinteren Theil des Carapax con-
stant. Die Zähne der Querleisten sind je nach dem Erhaltungs-
zustand spitz oder abgerundet. Die Länge des Carapax, von der
Spitze des Stirnlappens bis zum Hinterrand beträgt 47 Millimeter,
die grösste Breite 36 Millimeter (Verbindungslinie der beiden
hintersten Seitendornen).
Die Unterseite (Fig. 6a) des vorliegenden Exemplars, theil-
weise vorzüglich erhalten, lässt Folgendes erkennen. Das Ptery-
gostom wird durch ein Jinienförmiges, aus dicht aneinandergedrängten
Körnchen gebildetes Leistchen in seiner vorderen, spitzwinkligen
Fläche in zwei Theile getrennt; der innere ist glatt, der äussere
der tertiären Decapoden Deutschlands. 265
mit linienförmigen Querrinnen versehen, die selten über die ganze
Fläche sich erstrecken. sondern meist ein- oder zweimal unter-
brochen sind, auch wohl alterniren. Der grössere hintere Theil
des Pterygostoms, den das Leistchen nicht erreicht, ist mit kleinen,
bogenförmigen Rinnen bedeckt, deren convexe Seite nach hinten
gerichtet und deren hinterer Rand gezähnelt ist.
Das Sternum zeigt die den Ranmen eigenthümliche Gestalt,
ist aber nach hinten stark verlängert, wobei es sich noch einmal
erweitert, sodass das erste Gehfusspaar ebenfalls in eine Aus-
buchtung ähnlich der des Scheerenfusses zu stehen kommt. Parallel
dem Rande der Scheerenfuss- Bucht läuft eine Linie kleiner
Grübehen.
Zwischen dem Scheerenfuss und dem ersten Gehfuss, da, wo
das Sternum sich lappenförmig erweitert, befindet sich ein sternaler,
blattförmiger Fortsatz, der bei dem vorliegenden Exemplar ab-
gebrochen ist, und zwar so, dass seine rudimentäre Basis wohl
irrthümlich als Ansatzstelle eines Fusses aufgefasst werden kann,
wie es thatsächlich Broccnt ergangen ist bei Aufstellung seiner
Gattung Palaeonotopus (a. a. O.). Bei der lebenden R. dentata
ist dieser sternale Fortsatz ebenfalls sehr kräftig entwickelt, und
tes)
ein Vergleich unseres Stückes mit drei Exemplaren der dentata
ergab, dass eine anderweitige Erklärung dieses ellyptisch-cylin-
drischen, dünnschaligen Organ-Rudiments ausgeschlossen ist.
Uebrigens ist das Basalglied der Füsse bedeutend dickschaliger
und fast kreisrund.
Von dem Scheerenfuss sind ausser dem Basalglied noch die
drei vordersten Glieder erhalten (Fig. 7), der Oberarm ist drei-
seitig, die untere Seite glatt, die obere anscheinend auch, die
äussere mit dachziegelartig übereinander liegenden Kammleisten
besetzt. Das Schienbein ist vierseitig, jedoch bezüglich der Sculp-
tur schlecht erhalten. Die Hand ist mit meist kurzen, öfter alter-
nirenden (Querleistchen verziert, ausser dem festen, rechtwinklig
zur Axe stehenden Index an dem inneren Rande noch mit 4 Zacken
versehen. Der Daumen ist etwas gekrümmt und trägt hinten
einen schwach gezähnelten, dornartigen Fortsatz. Daumen und
Index sind mit kleinen Zähnchen bewaftnet.
266 Tu. Eserr, Beitrag zur Kenntniss
Von den oberen Grliedern des ersten Gehfusses konnte eben-
falls eine Abbildung gegeben werden (Fig. 9). Sodann sind die
Basalglieder von noch zweı Fusspaaren angedeutet. Innerhalb
des einen befindet sich aus seiner ursprünglichen Stellung verrückt,
ein Afterfusspaar (Fig. 8), wahrscheinlich das erste, das männliche
Geschlechtsorgan repräsentirende.
Der äussere Kieferfuss ist beiderseits erhalten. Ich lasse das
untere Glied und die Palpe der rechten und das obere Glied
der linken Seite vergrössert abbilden (Fig. 6b u. 6c), wodurch
die Verzierungen klarer werden dürften als durch eine Beschreibung.
Der R. bavarica nahe verwandt ist die R. Barroisi BROCCHI
(a. a. O.), doch sind bei dieser Art die Querleisten der Oberseite
des Cephalothorax nicht so zahlreich und weiter von einander ge-
rückt, der Vorderrandsaum ist schmaler. Die Bögen des Ptery-
gostoms sind weniger zahlreich und bedeutend grösser, und das
Sternum scheint schmäler im Verhältnis zur Länge. Noch näher
steht der R. Barroisi eine Ranina aus dem Val di Ciuppio in
der Berliner Universitätssammlung. Möglich ist es immerhin,
dass weiteres Material den Beweis bringt, dass diese drei Formen
nur Varietäten einer Art sind.
Ranina speciosa MÜnst.
Taf. IX, Fig. 1a—c.
Hela speciosa Müssrer, Beitr. Ill, S. 24, Taf. Il, Fig. 1—3.
Ranina » Bivrrser, Denkschriften d. Wiener Akad. Bd. 34, 8. 70.
Ranina » Nörrins, Mecklenburger Archiv, Bd. 40, 8.81, Taf. V,
Fig. 3 u. 3a.
Es liegt ein unverdrückter Cephalothorax vor, bei dem die
Spitzen des Vorderrandes abgebrochen sind, der aber auf der
Unterseite den umgeschlagenen Theil der Hepaticalgegend und
die »regio pterygostomiae« in schöner Erhaltung zeigt (die bislang
noch nicht beobachtet waren), und auch das Sternum. Ich lasse
die Oberseite des Cephalothorax ebenfalls abbilden, da ich bei Ver-
gleich mit dem Original v. MÜNSTER’s mich überzeugt habe, dass
die Münster’sche Abbildung idealisirt ist.
der tertiären Decapoden Deutschlands. 267
Die Verzierung des Carapax entspricht im Allgemeinen der
Beschreibung v. Münster’s. Nur tragen die Erhöhungen der
vordersten Zone nicht 4—5 Knötchen, sondern vorherrschend,
namentlich in der Frontalgegend, nur 2—3; nach den seitlichen
Rändern kommen aber auch solche mit 4—6 Knötchen vor. Ferner
sind die Einschnitte der Supraorbitalgegend bedeutend schmaler
als die Abbildung Münster’s dies zeigt.
Auf der Unterseite ist der umgeschlagene Hepaticalrand mit
ziemlich grossen, 2 oder mehr Höckerchen tragenden Erhebungen,
ähnlich denen des Carapax, verziert. An dem Pterygostomalrand
läuft ein glattes Band entlang, beiderseits durch eine Reihe dicht
gedrängter kleiner und kleinster Höckerchen begrenzt. Vom
hintersten Seitenstachel läuft eine ähnliche Körnchenleiste dem
Rand entlang. Der Unterrand der Augenhöhle ist mit einem Ein-
schnitt versehen, ungefähr in gleicher Entfernung vom Seitenrand
aus, wie der äussere Orbitaleinschnitt der Oberseite.
Das Pterygostom hat im Allgemeinen eine dreieckige Gestalt,
die inneren Ränder sind concav. Denselben entlang läuft eim
schmales, von Tuberkeln fast ganz freies Band, das nach aussen
durch eine von der Mundregion bis etwa zur Mitte des Feldes
laufende, durch dicht an einander stehende Körnchen gebildete
Leiste begrenzt wird. Diese hinteren Ecken des Pterygostonis
sind ausgebuchtet und in diese Buchten die seitlichen Spitzen
des Brustblattes eingeschoben. Abgesehen von dem erwähnten
inneren Band ist die Fläche des Pterygostoms ebenfalls mit
2—5 spitzigen Höckerchen besetzt, die an der vorderen Ecke des
Feldes dicht gedrängt stehen, nach hinten weiter aus einander
rücken und schliesslich undeutlich werden.
Vor sämmtlichen Höckerchen der Ober- und der Unterseite
des Cephalothorax befinden sich Vertiefungen. An abgeriebenen
Stellen sind die Höckerchen dann nicht mehr zu sehen, die Ver-
tiefungen aber sind geblieben und geben die Stellung der Höcker-
=}
chen an. Auch kann ich Brrrser's") Angabe bestätigen, dass
die untere Schalenschicht diese Eindrücke nicht hat und in Folge
) Birrser, a. a. 0. S. 70 u. 71,
268 Tu. Eserr, Beitrag zur Kenntniss
dessen die Höckerchen deutlicher hervortreten. Die Beziehungen
der R. speciosa zu den anderen ihr verwandten Formen hat
BITTNER (a. a. O.) ausführlich dargelegt.
Seylla hassiaca nov. spec.
Taf. VII, Fig. 10.
Aus dem Ober-Oligocän von Niederkaufungen bei Kassel
befindet sich in unserer Sammlung der bewegliche Finger einer
Scheere, welche wohl zweifellos einer Art der Gattung Seylla
angehört, aber von Se. serrata sowohl, wie auch von Se. Michelini
A. M. Epwarps abweicht.
Der Daumen ist stark gekrümmt, vorn seitlich nach innen
gebogen. Auf der Aussenseite läuft in der Nähe des Rückens
eine schmale linienförmige Furche, in welcher kleine Grübchen
zu beobachten sind. Auf der Innenseite befindet sich, etwa in
mittlerer Höhe, eine ähnliche Linie kleiner Grübchen, die aber
nicht in einer Furche liegen. Der kücken ist stumpf gewölbt,
der Unterrand mit Höckerzähnen besetzt, Der grosse mnere Zahn
ist am vorliegenden Exemplar abgebrochen. Auf ihn folgen nach
aussen zunächst zwei mittelgrosse, dann zwei etwa halb so grosse
als diese und schliesslich noch zwei ganz kleme Zähne.
Bis weitere Funde die Beziehungen dieses Stückes zu den
bekannten Arten aufklären, mag diese Art als hassiaca bezeichnet
werden.
Goeloma cf. baltieum SCHLÜTER.
Taf. IX, Fig. 2a—.c.
SCHLÜTER erwähnt in der Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges.
Bd. 31, S. 590 zwei Scheeren von Coeloma aus dem Unter-Oligocän
von Latdorf (aus der SchLöngach’schen Sammlung), die sich in
dem Museum der geologischen Landesanstalt befinden. Ich unter-
suchte dieses Stück genauer, und es gelang mir durch vorsich-
tiges Präpariren den vorderen Theil des zu den Scheeren ge-
hörigen Cephalothorax frei zu legen. Der hintere Theil war
leider abgeschnitten, und somit ist es trotz der verhältnissmässig
der tertiären Decapoden Deutschlands. 269
guten Erhaltung des Stückes nicht leicht, die Art zu bestimmen,
da gerade die Beschaftenheit des hinteren Theiles zur Trennung
der Arten vorzugsweise von den Autoren benutzt worden ist.
Immerhin kann man nur schwanken zwischen ©. taunicum
H. v. MEYER und €. balticum SCHLÜTER. Ich glaube aber, der
Umstand, dass die Oberfläche des Cephalothorax (Fig. 6a) mit
dicht gedrängten breiten Warzen verziert ist, weist auf C. baltieum
hin. Namentlich die verwachsenen proto- und mesogastrischen
Loben, sowie die Mesobranchialregionen sind durch vorzugsweise
breite und dicht an einander gedrängte Wärzchen ausgezeichnet,
'
während die Exemplare von €. taunicum, welche mir zu Gebote
stehen (aus dem Septarienthon von Igstadt bei Wiesbaden und
von Aebtissinhagen bei Kassel), kleinere, spitzere und entfernter
von eimander stehende Warzen tragen. Uebrigens ist auch auf
dem Mesobranchiallobus keine Spur von einem Höcker zu be-
merken, und ebenso spricht der gut ausgebildete dritte Seitendorn
für C. baltieum, da bei taunicum dieser Dorn etwas verkümmert
zu sein pflegt.
Auf der Unterseite (Fig. 6b) ist das Vordertheil der Flanken
und das fen gekörnelte Pterygostom sichtbar. Der äussere Rand
des letzteren ist nicht ganz so stark geschwungen wie bei faunicum.
Auch der linke äussere Kieferfuss ist erhalten. Das innere lange
Glied zeigt eine feine Körnelung und die Längsfurche, welche
auch auf das vordere, subquadratische, am vorliegenden Stück
etwas verschobene Vorderglied fortsetzt. Die Palpe scheimt glatt
gewesen zu sein. .
Besonders hervorzuheben sind noch die Scheeren (Fig. 66),
da bei denselben Schale und Zähne fast unversehrt erhalten sind,
während seither anscheinend nur Steinkerne vorlagen. An dem
Index ist der innerste Zahn sehr klein. Neben ihm steht ein
grosser, breiter, niedriger Zahn; es folgt ein spitzer, höherer, dann
wieder zwei kleinere, und nun ein scharfer, hoher, spitzer Zahn:
hierauf kommen wieder 2 bis 3 ganz kleme und nach ihnen ein
etwas höherer, spitzer. Von letzterem an krümmt sich der Finger
zu dem spitzen, zahnartigen Ende, das mehrere, kaum merkliche
Warzenzähnchen trägt.
270 Tu. Eserr, Beitrag zur Kenntniss
Der bewegliche Finger hat zunächst im Inneren einen grossen,
breiten, zugeschärften und nach hinten gerichteten Zahn. Es
folgen zwei Zähne mittlerer Grösse getrennt durch einen kleinen
Höcker. Direct hinter den äusseren dieser Zähne schiebt sich
beim Zusammenschliessen der Scheere der hohe spitze Zahn des
Index. Zwischen ihn und den kleineren vorn schieben sich auf
dem Daumen vier kleinere, nach vorn an Grösse zunehmende
Zähne. Der bewegliche Finger endigt in einer nach unten ge-
krümmten Spitze 1).
Im Uebrigen entsprechen sämmtliche Glieder des Scheeren-
fusses der Beschreibung NOETLING'S 2).
Il. Macrura.
Hoploparia sp.
Taf. IX, Fig. 3.
Aus der Koc#’schen Sammlung stammt ein Bruchstück
eines Cephalothorax, und zwar der hintere Theil bis etwas über
die Nackenfurche, welcher der Gattung Hoploparia ?) angehört; die
Länge vom Hinterrand bis zur Nackenfurche beträgt 36 Millimeter,
die grösste Höhe 49 Millimeter.
Der Verlauf der Nackenfurche entspricht ganz der bei H.
Klebsii NOETL. (a. a. Ö. 8.166 ff. Taf. 7—9). Von der Hepatical-
furche ist nur der oberste Theil zu sehen. Auch eine Erhöhung
zwischen beiden Furchen ist vorhanden; dieselbe reicht aber weiter
‘aufwärts als bei Klebsü, wird oben durch eine kurze, von der
Nackenfurche schief nach unten laufende Furche begrenzt, und
etwa in der Mitte durch eine flache Einsenkung in zwei Buckel
getheilt. Ferner läuft eine ganz seichte Furche, ziemlich in der
!) Ich verglich auch eine verhältnissmässig gut erhaltene Scheere (Steinkern)
von (. taunicum aus dem Septarienthon von Igstadt. Dieselbe scheint völlig analog
der des Latdorfer Exemplars gebaut zu sein.
2) Norruise, Abhandl. zur geol. Specialkarte v. Preussen und den Thüring.
Staaten. Bd. VI, Heft 3, S. 155 — 157.
3) Nach neueren Untersuchungen Pırsexerr’s (Bull. Mus. roy. d’hist. nat.
de Belgique, Bd. IV, 1885 u. 1886) soll Hoploparia mit Homarus zusammenfallen,
der tertiären Decapoden Deutschlands. DT
Höhe des Beginns der Hepaticalfurche, von der Nackenfurche nach
hinten abwärts, etwa unter einem Winkel von 70%. Doch ist es
nicht ausgeschlossen, dass letztere in Folze einer Verdrückung
entstanden ist. Der hücken des Cephalothorax ist kielartig zu-
geschärft. — Fundort: Ziegelhütte bei Igstadt (Wiesbaden) im
Septarienthon.
Calianassa sp.
Taf. VIII, Fie. 11.
Von einer Calianassa aus dem Oberoligocän von Bünde habe
ich die Hand nebst Index abbilden lassen, bei welcher die geringe
Höhe im Verhältniss zur Länge auffallend ist.
Bemerkungen über das Vorkommen von Granit und
verändertem Schiefer im Quellgebiet der Schleuse
im Thüringer Walde.
Von Herrn H. Loretz in Berlin.
Etwas nordwestlich von Neustadt am Rennsteig, im Bereiche
der Section Masserberg !) der geologischen Specialkarte von Preussen
und den Thüringischen Staaten, kommen emige nahe benachbarte
Granitmassen vor, in deren Umgebung der angrenzende cambrische
Schiefer contactmetamorphisch verändert ist. Sie liegen in der
Hauptsache auf der südwestlichen Seite der Kammlinie des Ge-
birges, oder auch des »Rennsteiges« ?), am Grossen und Kleinen
Burgberg, Ebereschen -Hügel und Hinteren Arolsberg, beiderseits
des Grabelgrundes, oder der Lichten und Finsteren Gabel, im
(uellgebiet der Schleuse. Es können diese Berg- und Thalzüge
noch dem mittleren Theile des Thüringer Waldes zugerechnet
werden, während man etwas weiter nach SO, jenseits Neustadt
a. R., den südöstlichen Theil beginnen lassen würde ®).
Des Vorkommens dieses Granits und der ihn einschliessenden,
eigenthümlichen, veränderten Schiefergesteine ist bereits wieder-
holt in der Fach-Literatur gedacht worden. Wir verweisen be-
!) Gegenwärtig (1887) noch nicht veröffentlicht.
) In der kleinen Kartenskizze (s. w. u.) verläuft der alte »Rennsteig« odeı
»Kkennweg« über den nordöstlichen Winkel in nordwestlicher Richtung; er liegt
etwas anders als die eingezeichnete neue Fahrstrasse.
”, 8. Srıisss, Physikalische Topographie von Thüringen, Weimar 1875, 8. 13 ff.
H. Lorerz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit ete. 273
sonders auf J. L. HEIM »); derselbe „iebt eine zutreffende Be-
schreibung des Granits und der veränderten Schiefer (»Guckuks-
schiefer«) und hat*auch bereits eine nähere Beziehung zwischen
beiden erkannt. Später fand das im Rede stehende Vorkommen
Erwähnung durch H. ÜREDNER sen. ?), und dann durch R. Rıicnter ?).
oO
Der letztere gab eine kurze Beschreibung der veränderten Schiefer
und des Granits (Granitits) vom Hinteren Arolsberg. — Seitens
des Verfassers ıst das Vorkommen in diesem Jahrbuche bereits
wiederholt erwähnt worden ®).
Der die Granitmassen umgebende, etwas phyllitisch glänzende
und meist feingefältelte, graugrüne Schiefer ist seiner strati-
graphischen Stellung nach im Allgemeinen als cambrisch zu be-
zeichnen; aus bereits an anderer Stelle ?) angeführten Gründen
möchte ich ihn der jüngeren cambrischen Schichtenfolge des
Thüringer Waldes zurechnen. Es erscheint etwas gewagt, den
stärkeren Glanz und die mehr gefältelte Structur, welche der
Schiefer am Burgberg und Arolsberg und weiterhin, vor den
unserer Ansicht nach im Alter entsprechenden Schiefern der
Gegenden weiter östlich voraus hat, in Beziehung zu bringen mit
Druckbewegungen, welche dem Aufdringen des Granits vorauf-
gingen; dagegen möchte ich für wahrscheinlich halten, dass die
in dieser Gegend so häufig vorkommenden Parallelknicke oder
-stauchungen im Schiefer das Ergebniss derselben Kraftwirkungen
1) Geologische Beschreibung des Thüringer Waldgebirges, des zweiten
Theiles dritte und vierte Abtheilung, Meiningen 1808, 8. 45 ff., 77 ff. — Nach
den Ausführungen S. 47 ff. muss man schliessen, dass Hm einen Uebergang
des Granits in den Schiefer durch Hornfels angenommen habe.
>) Versuch einer Bildungsgeschichte der geogmostischen Verhältnisse des
Thüringer Waldes, Gotha 1858, S. 21, nebst Karte, auf welcher diese Granit-
vorkommnisse unweit Neustadt a.R. angedeutet sind. — Etwas besser treten sie
auf der Geognostischen Karte von Thüringen, bearbeitet von B. Gorra, 1544,
hervor.
») »Das Thüringische Schiefergebirge«, Zeitschr. d. Deutsch. geolog. Ges.
Pd. XXI, 1869, S. 254 u. 400, nebst Karte, auf welcher der veränderte Schiefer
gegen den unveränderten durch eine Linie abgegrenzt ist.
#) Jahrgang 1882, S. XLIV; 1885, S. XLV £.
5) A.a. 0. 1885, S. XLI.
Jahrbuch 1886. 18
274 H. Lorwrz, Bemerkungen über «das Vorkommen von Granit
sind, welche in ihrem weiteren Verlaufe die durch den ganzen
Schieferkörper hindurchgehenden Zerspaltungen herbeiführten und
die Wege zum Empordringen des Eruptivmagmas eröffneten ?).
An gewissen Punkten haben sich aber die Knickungen und
Stauchungen im Gestein sehr gehäuft, und es stellen sich dann,
wie an manchen Fundstücken zu erkennen, förmliche Uebergänge
zu Schieferbreccie ein. Es wären das also mechanische Ein-
wirkung
Eruptivgesteins voraufgimgen, während die auf Umlagerung und
en auf das Nebengestein, welche dem Empordringen des
Unkrystallisirung der mineralischen Moleküle des Nebengesteins
hinarbeitenden Wirkungen in Begleitung oder erst im Gefolge
der Graniteruptionen sich einstellten. Jene Erschemung der bis
zur Breccienbildung gesteigerten Stauchung wurde übrigens öfter
an solchen Stellen im Schiefer beobachtet, wo derselbe von Gängen
der porphyrischen Eruptivgesteine des Rothliegenden durchsetzt
wird, so in der Gegend des Schleusethales, Tanngrundes u. s. w.,
gar nicht weit von unseren Granitvorkommnissen; der zerrüttete
breccienartig umgeformte Schiefer bildet die Wände des be-
treffenden Ganges oder befindet sich doch in nächster Nähe des-
selben 2).
Die mikroskopische Structur des cambrischen Schiefers resp.
Phyllits dieser Gegend tritt besonders auf einem Querschliff recht
deutlich hervor. Das ausserordentlich feine, vornehmlich aus win-
zigen Quarzkörnchen und höchst feinen Blättchen lamellarer Mine-
ralien von glimmerartiger und chloritartiger Natur zusammen-
gesetzte Gesteinsgewebe zeigt eine in kleinstem Maassstabe völlig
!) Die Erscheinung der Parallelknicke haben wir auch sonst an verschiede-
nen Punkten im Schiefergebirge beobachtet: manchmal liegen die Knicke deutlich
in der Richtung einer Klüftung und stellen sich dann, indem sie zwischen wirk-
lich vorhandenen Klufitlächen verlaufen, als eine Andeutung der Klüftung dar,
sozusagen als eine nicht ganz gelungene Klüftung. — Etwas anderer Natur scheint
die Knickungserscheinung im Schiefer zu sein, welche Liege, Abh. zur geolog.
Spee.-Karte v. Preussen u. d. Thüring. Staaten, Bd. V, Heft 4, S. 51, 52 beschreibt.
2) Nehmen die Stauchungen und Breccienbildungen, welche mit der die Erup-
tion von Porphyren u. s. w. einleitenden Spaltenbildung in Zusammenhang stehen,
einen grösseren Umfang an, so ergeben sich Verhältnisse, wie sie Naumann, Lehr-
buch der Geognosie, 2. Aufl., Bd. Il, S. 701 ff. beschreibt.
und verändertem Schiefer im (@nellgebiet der Schleuse etc. I
|
5)
durchgebildete, welligfaltige Structur, welche der, theils schon mit
blossem Auge, theils mit der Lupe erkennbaren feinen Fältelung
entspricht; zwischen den durch die Querschnitte der lamellaren
Mineralien angegebenen, feinen Wellenlinien sieht man die Quer-
schnitte zahlloser, feinster (Juarzkörnchen, so, dass die gegenseitige
Anordnung eine flaserige ist. Es wechseln dabei elimmer- und
chloritreiche Streifen mit einzelnen, vorwiegend aus (Juarzkörnchen
gebildeten, viel mehr durchsichtigen Streifen. (Juer dazu ziehen
sich zahlreiche, parallele, mikroskopische Falten-Zerrungen und
-Verwerfungen, welche die einzelnen Stücke der von ihnen durch-
schnittenen, quarzärmeren und -reicheren Streifen in bekannter
Weise an einander verschoben und selbst in veränderte Formen
gebracht haben (»microchvage«), ganz ähnlich wie das m viel
grösserem Maassstabe an den »Quarzphylliten« unseres Cambrium
in Thüringen zu sehen ist. (Quarz zieht sich überdies im feinen
Trümern in anderer als der Schichtrichtung durch das feine Ge-
webe der Gesteinsmineralien hindurch.
Herrn Professor Lossen verdanke ich eine genauere mikro-
skopische Untersuchung einer Probe dieses Phyllits, vom Fund-
orte Gabel; nach seiner gefälligen Mittheilung zeigt dieses Gestein
reichlich Quarzkörnchen, daneben gauz selten Feldspathkörnchen
(Plagioklas); (ein Theil des körnig erscheinenden Mosaiks dürfte
klastisch sein); als lamellare Mineralien treten auf viel lichter,
nicht pleochroitischer (Kalı-) Glimmer, daneben im geringerer aber
constanter Menge ein schwach grünlich gefärbtes und schwach
aber deutlich pleochroitisches, chloritisches Phyllit-Mineral; dazu
tritt Eisenoxyd als rothe Blättchen oder Läppehen, doch nur in
sehr kleinen und spärlichen Mengen; sehr zahlreich sind die Rutil-
Schiefernädelchen in der für Thonschiefer und Phyllite gewöhn-
lichen Ausbildung; sehr vereinzelt bleiben kleine, rundliche Zirkon-
körnchen oder -kryställchen, und ebenso Turmalinsäulchen (zum
Theil deutlich hemimorph, blau und braun pleochroitisch und zum
Theil quer zur Säulenaxe verschiedenfarbig); vereinzelte trübe
Körnchen sind vielleicht auf umgebildete Titaneisenkörner zu be-
ziehen; hier und da Quarzäderchen und färbendes Eisenoxyd-
hydrat.
15*
H. Lorwrz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
DD
et
[ep
Dieser phyllitisch-cambrische Schiefer ist von dem graugrünen,
deutlich obercambrischen, d. h. dem Silur benachbarten, grau-
grünen Thonschiefer Thüringens übrigens nicht wesentlich ver-
schieden. Bei letzterem erscheinen die Hauptbestandtheile im
mikroskopischen Bilde nicht so fein verwebt, die wellig-streifige
Structur im Querschliff kommt zwar vor, aber mehr andeutungs-
weise und auf einzelne Theile beschränkt, sie ist bei weitem nicht
so fein und scharf allenthalben durchgeführt, sondern bleibt mehr
verworren flaserig, indem die lamellaren Mineralien, unter denen
besonders der chloritische Bestandtheil sehr hervortritt, auch im
(Juerschliff gesehen mehr kreuz und quer liegen, so dass ihre
structurelle Combination mit dem Quarz etwas mehr ins Körnige
echt. An Thonschiefernädelchen scheinen diese letzteren Schiefer
fast noch reicher zu sem als die ersteren )). .
Die Lage des Granits zum umgebenden Schiefer ist
aus der nebenstehenden Kartenskizze zu ersehen ?). Das Eruptiv-
gestein erscheint demnach nicht in einheitlicher, geschlossener
Masse, sondern in durch Schiefer getrennten, kleineren und
grösseren Partieen, deren Abgrenzung gegen den Schiefer öfter
etwas schwierig ist. Die von Granit eingenommenen Flächen
sind nicht durchaus frei von Schiefer und verlieren sich anderer-
seits an den Rändern sozusagen in den umgebenden Schiefer; in
den grösseren Granit-Strecken, wie an der W-Seite des Kleinen
Burgberges und Ebereschen-Ilügels sind zwar rem nur aus Granit
bestehende Blockanhäufungen m grösserer Ausdehnung vorhanden,
) Vgl. Geognostische Beschreibung des Fichtelgebirges von Günser, 8.280 f.
Mikroskopische Beschaffenheit der Flimmerschiefer und der graugrünen
Thonschiefer.
2) Dieselbe ist ein Ausschnitt aus dem später zu veröffentlichenden Blatt
Masserberg der geolog. Specialkarte von Preussen u. d. Thüring. Staaten. Wir
bemerken, dass die veränderten Schiefer sich noch eine Strecke weit über den
Nordrand der Skizze (welcher mit dem Nordrand des genannten Blattes zusam-
menfällt) hinausziehen. Gewisse, im Schiefer aufsetzende Porphyrgänge sind, da
sie hier nicht m Betracht kommen, weggelassen; auch wurde von einer beson-
deren Auszeichnung der Quarzitlagen im Schiefer abgesehen, welche nur unter-
geordnet am Grossen Burgberg, in stärkerem Maasse am Hinteren Arolsberg, sich
einstellen.
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Maalsstab 1:25000.
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Teränderter cambr Granit. Flulsspath Zorphyr und
(Phylliisch) Schiefer, (Granit) ün Granit. Zorphyrit des
nebst Quarz. Knotenschöehr & €. Rothlieg.
gegen die Ränder jedoch, längs dem Gabelgrund und auch in der
Höhe mischt sich dem Granite viel fein zerfallener Schiefer, nebst
Fleckschiefer, bei. Andererseits finden sich Granitblöcke, mit-
unter ziemlich dicht liegend, au manchen Punkten etwas ausser-
278 H. Lorerz, Bemerkungen über «das Vorkommen von Granit
halb des Bereiches der zusammenhängenden Granit-Strecken, im
der Zone der veränderten Schiefer. Wie weit das erwähnte Ver-
halten durch blosse Vermischung des Schuttes, wie weit durch
Gänge und „angförmige Verzweigungen der Eruptivmasse im
Schiefer bewirkt wird, ist bei der allgemeinen Bewaldung nicht
immer leicht zu sagen; stellenweise aber deutet das Erscheinen
der Granitblöcke zwischen dem Schiefer mit grösserer Wahr-
scheinlichkeit auf Granitgänge und Apophysen derselben. Berück-
sichtigt man Gestalt und Lage der von Granit und der von ver-
ändertem Schiefer 1) eingenommenen Flächen, so erscheint die
Ansicht nicht unbegründet, dass das Eruptivgestein auf einem
Systeme beiläufig in südnördlicher (mit einer Abweichung nach
NW) Richtung verlaufender, vielleicht etwas verzweigter Spalten
im Schiefer aufgedrungen sei und gang- und stockförmige Massen
zwischen letzterem bilde, sodass der Granit als Gang- und
Stock-Granit aufzufassen wäre. Beziehungen der Verbreitung
des Granits zu den wichtigsten tektonischen Richtungen des
Thüringer Waldes, SO:NW und SW:NO, treten weniger hervor,
am wenigsten zu der SW:NO-Richtung; solche zu der SO:NW-
Richtung könnten im Verlauf der Flussspathgänge angedeutet
sein. Ein nahezu südnördliches Streichen macht sich mit be-
sonderer Deutlichkeit auf der westlichen Seite des Gabelgrundes
geltend; von der Oberen Gabel nach dem Hinteren Arolsberg
verläuft hier eine Gangspalte resp. ein schmaler Gangspaltenzug,
welcher durch das wiederholte Erscheinen von Blöcken und kleinen
Stücken von felsitischem und quarzführendem Porphyr, sowie von
Glimmerporphyrit in dieser Linie angedeutet ist, wozu aber auch
Granit kommt, dessen Stücke besonders auf den Feldern nördlich
von Obere Gabel, dann oben auf dem Arolsberg, aber auch in
der Zwischenstrecke angetroffen werden, und an der erstgenannten
Stelle, sowie an der Südseite des Hinteren Arolsberges, sowie
noch etwas südlich davon von Fleckschiefer, an der erstgenannten
1) Was das Fehlen des Fleckschiefers an der Granitgrenze N vom Burgbach
in längerer Strecke betrifft, so ist zu bemerken, dass diese Grenze in eine Ver-
werfungslinie fällt.
und verändertem Schiefer im Quellgebiet der Schleuse etc. 279
Stelle auch von stärker verändertem Schiefer begleitet werden N).
Eben hier findet sich auch eine sehr feinkörnige, fast ins Dichte
verlaufende Abänderung des Granits, welche kaum oder gar nicht
gewissem (Juarzporphyr zu unterscheiden ist, übrigens
y
=)
mehr von
auch oben auf dem Kleinen Burgberg und dem Iiimteren Arols-
berg in Begleitung von stark verändertem Schiefer vorkommt;
solche Stücke zeigen bei genauer Betrachtung wohl feinsphäro-
lithische Structur, welche stellenweise auch im etwas grösserem
Maassstabe vorkommt und dann leichter ins Auge fällt. Es liegen
eben auch hier die von vielen anderen Orten bereits bekannten
Zwischenstufen von Granit und @Quarzporphyr vor.
| An manchen Handstücken. erkennt man, wie der Granit in
schmalen, ja feinsten Adern den (stark veränderten) Schiefer
durchdringt; ja mitunter sieht es so aus, als ob von der Granit-
injection herrührende Feldspathpartikel sich noch weiter im Schiefer-
gestein verbreiteten, als ob ein weitgehendes Durcheinander von
Granit und (veränderter) Schiefermasse vorläge. Diese feinen
granitischen Adern senden aber auch Verzweigungen aus und
tee)
hängen zum Theil unter einander zusammen. Auch der mit dem
Schiefer vorkommende (@uarzit wird manchmal von sehr feinen
(Grranitadern durchschwärmt.
Die erwähnten Lagerungs- und Verbands-Verhältnisse des
Granits zum Schiefer überhaupt und zum veränderten Schiefer
insbesondere geben genüsende Anhaltspunkte, um zu erkennen,
dass das eruptive Magma emporgedrungen ist, nachdem die Schiefer-
schichten aufgerichtet, gefaltet und gefältelt worden waren. Es
sei hier zugleich auf den Unterschied hingewiesen zwischen der
n
oO
offenbar durchgreifenden Lagerung dieses Granits und den im
. a . fe . oo. n
Streichen der Schichten (möglicherweise an einigen Stellen nahezu
im Streichen) gelegenen Vorkommnissen von Granit und grani-
tischen Gesteinen gewisser benachbarter Gegenden, so besonders
des Schwarza-Gebietes und der Gegend von Eisfeld 2). Während
!) Diese Verhältnisse sind auf dem Kärtchen in vereinfachter Weise darge-
stellt worden.
?) Vgl. die Rıcmrer’sche Karte des Thüring. Schiefergebirges, Zeitschr. d.
Deutsch. geolog. Ges. XXI, 1869, sowie die kleine geognostische Uebersichtskarte
280 H. Lorenz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
wir bei letzteren contactmetamorphische Einwirkungen auf den
: an Br er 38 |
einschliessenden Schiefer vermissen, dagegen eine Reihe eigen-
thümlicher, feldspathführender, flaseriger Uebergangsstufen oder
Zwischengesteine vom Granit zum Schiefer als Hüllen um körnig
struirte, granitische Kerne wahrnehmen, verhält es sich bei dem
hier zu beschreibenden Granitvorkommen gerade umgekehrt. Wird
für jene anderen Vorkommnisse eine eruptive Entstehung des
eieentlich granitischen Antheils angenommen, so wird das Auf-
dringen des entsprechenden Magmas in die Zeit der Entstehung
der nordöstlich streichenden Falten, der Hauptfaltung, hinein,
wenn nicht bereits in eine frühere Zeit zu verlegen sein, während
für die zugehörigen, durch phyllitische bis sericitische Substanz
schiefrig - flaserigen Zwischengesteine eine durch mechanisch-
chemische Umformung bewirkte Umwandlung ursprünglicher
Granit- Theile geltend gemacht worden ist). Für den Granit
vom Burgberg und Arolsberg können wir, ebenso wie für weiter
ab nach SO gelegene Vorkommnisse von Granit (Hennberg u. s. w.)
nur eine spätere Entstehungszeit annehmen; die, wje erwähnt,
muthmaasslich mehr nordsüdlich verlaufenden Spalten, welche ihm
zum Aufdringen gedient haben, rissen erst nach Abschluss der
“ . @ on rc 6 7 B
Faltungsvorgänge im Schiefer auf?). Da aus hier nicht weiter
der cambrisch-phyllitischen Schieferreihe des Thüringer Waldes vom Verfasser in
diesem Jahrbuch für 1881, Taf. VI; ausserdem Blatt Eisfeld der geolog. Speeial-
karte von Preussen u. d. Thüring. Staaten.
!) Vgl. das bekannte Werk von J. Lemma: Untersuchungen über die Ent-
stehung der altkrystallinischen Schiefergesteine, Bonn 1884.
2) Wir haben also für die verschiedenartigen Granitvorkommnisse auch eine
andere Orientirung des Streichens (bez. der zugehörigen Spalten), ein Unterschied
auf dessen Wichtigkeit für das Verständniss der Altersbeziehungen von Losszx
wiederholt hingewiesen worden ist. — Die nördlich verlaufende Richtung der
Spalten und Verwerfungen gehört bekanntlich sehr verschiedenen Zeiten an. Die
hier in Betracht kommenden derartigen Spalten rühren aus einer Zeit her, wo die
bei der Bildung des Schiefergebirges besonders thätigen Druckkräfte in erzgebir-
gischer und hereynischer Richtung noch wirksam waren, und sie gehören wohl
jener Gruppe an, welche Losszs (dieses Jahrbuch für 1884, S. 73) und Liırse
(Uebersicht üb. d. Schichtenaufbau Ostthüringens, Abh. z. geol. Spec.-Karte v.
Preussen etc., Bd. V, Heft 4, S. 51) als resultirende aus der Wirkung beider
Druckkräfte auffassen. Wie bekannt, spielt dieselbe Richtung in den viel jüngeren
Verwerfungen des Stufenlaudes vor dem alten Gebirge, sowie in den Basaltdurch-
und verändertem Schiefer im @uellgebiet der Schleuse ete. 281]
zu erörternden Gründen in unserem Gebirge, wie auch in manchen.
anderen, dieser Abschluss erst nach der Bildung des Culm er-
folgte, so ist für das Alter unseres Granits keine höhere als eben
diese Zeit nach Bildung des Culm anzunehmen.
Weniger sicher ist die Altersstellung unseres Granits nach
der anderen Seite abzugrenzen, da keine directen Lagerungs-
beziehungen desselben zu Sediment- und Eruptivgesteinen des
benachbarten Rothliegenden beobachtet wurden. Wir sind ın
dieser Beziehung mehr auf indirecte und Analogie -Schlüsse, auf
5
g
Vergleichung mit ähnlichen thüringischen Granitvorkommnissen,
namentlich denen im SO angewiesen !). Diese betreffend wissen
wir durch LieBE ?), dass der Granit vom Hennberg bei Weitis-
berga, unweit Lehesten, welcher seinerseits im unteren Culm
steht und dessen Schiefer verändert hat, von Lamprophyr (resp.
Kersantit) durchsetzt wird, und dass, dementsprechend, Gänge
dieses letzteren Eruptivgesteins Stücke von Granit einschliessen ;
ebenso, dass Gänge eines melaphyrischen Gesteins Stücke von
Granit einschliessen, welch’ letztere, beiläufig gesagt, im Hand-
stück unserem Burgberg- und Arolsberg-Granit petrographisch
ähnlich sind.
Es liegt nun, wie uns scheint, kein besonderer Grund vor,
für unseren Granit ein anderes Alter anzunehmen als für die ge-
nannten Granitvorkommmnisse, deren Alter offenbar etwas höher
ist als das der dyadischen, bez. dem Rothliegenden und dessen
brüchen daselbst eine nicht unbedeutende Rolle. — Abgesehen hiervon macht
sich die nahezu nördlich verlaufende Richtung wiederholt in mehreren tekto-
nischen Verhältnissen unserer Gegend des oberen Schleusegrundes und sonst im
Gebiet der Section Masserberg geltend.
) Ueber diese im südöstlichsten Theile des Thüringer Waldes gelegenen
Granitvorkomninisse giebt Losszs (dieses Jahrbuch für 1884, S. 59) einige zu-
sammenstellende Bemerkungen. Nähere Angaben sind von Liese theils schon
gegeben (Uebers. üb d. Schichtenaufbau ete. und: Die jüngeren Eruptivgebilde
im Südwesten Ostthüringens, dieses Jahrbuch für 1885), theils noch zu erwarten
(in der Erläuterung zu Blatt Probstzella der geolog. Spee.-Karte v. Preussen u.
d. Thüring. Staaten).
?) Uebersicht über den Schichtenaufbau u.s. w., S. 74 u. 130; Die jüngeren
Eruptivgebilde u, s. w. S. 187—189,
282 H. Lorerz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
Beginn angehörenden Eruptivgesteine, und wir würden seine Ent-
stehung hiernach in die Zeit nach abgeschlossener Gebirgserhebung
und -faltung und vor dem Aufdringen der Eruptivgesteine des
kkothliegenden, wenigstens ihrer Hauptmasse zu setzen I), also als
carbonisch bis altdyadisch anzusehen haben.
Zur Stütze dieser Ansicht kann wohl noch ein tektonisches
Verhalten angeführt werden, welches auf dem später zu veröffent-
lichenden Blatt Masserberg hervortritt. Der Granit vom Grossen
Burgberg fällt nämlich mit seiner Längsaxe in die Verlängerun
Oo Oo
fe) oO
einer Verwerfung, welche aus dem Dachsbachthal über Giessübe]
und weiter N verläuft, und deren Richtung S:N mit einer geringen
Abweichung nach NW ist. In dem südlichen Theile ihrer Er-
streckung stossen in dieser Spalte an einander von W her Schiefer
resp. Phyllit des Cambrium, von O her eine bedeutende Ablage-
rung von Schieferbreccie, welche aus eben diesem cambrischen
Schiefer gebildet ist, und hier wie in der Nachbarschaft sich als
unterste Bildung des sedimentären Rothliegenden darstellt. Wenn
le)
nun, wofür ja auch sonst Anhaltspunkte vorliegen, die Entstehung
der Schieferbreccie mit der Anlage und weiteren Ausbildung der
Verwerfungsspalte in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden
darf, so würde für die erste Entstehung der letzteren die Zeit des
ältesten Rothliegenden (resp. jüngsten Carbon) anzunehmen sein;
und es kann dies, wie mir scheimt, als ein weiterer Anhalt gelten,
für den in dieselbe Richtung fallenden Granitstock kein anderes
Alter zu vermuthen.
Der Vollständigkeit wegen seien hier noch einige kurze No-
tizen über die Aechnlichkeiten und Unterschiede, welche gewisse
Granitvorkommnisse benachbarter Gegenden im Vergleich zu unse-
rem Granite darbieten, eingeschaltet, wenn auch selbstverständlich
dadurch in der Altersfrage nichts weiter bewiesen wird.
Die Vergleichung mit Handstücken von den Granitvorkomm-
nissen aus der Schwarza-Gegend lässt nicht eben grosse Aehnlich-
1) Für die Granite Ostthüringens spricht sich Liesg dahin aus, dass sie car-
bonischen Alters sind (Culmzeit und jünger): Uebersicht u.s. w., S. 74 f. (474 f.);
und: Die jüngeren Eruptivgebilde u. s. w., 5. 182 u. 189.
und verändertem Schiefer im (@Juellgebiet der Schleuse etc. 283
keit erkennen, was besonders in dem entschieden mehr hervor-
tretenden Glimmermineral der letzteren begründet ist. Dazu
kommt die Neigung derselben, durch Aufnahme sericitischer oder
phyllitischer Flasern etwas schiefrig zu werden. Gewisse Hand-
stücke rein körnigen Granits Jedoch, welche man vom Vorkommen
bei Mankenbach sammeln kann, werden recht ähnlich). Der
Granit vom Hennberg bei Weitisberga hat, nach den vorliegenden
Handstücken, einen anderen Habitus, als unser Gestein, namentlich
macht sich auf den ersten Blick ein grösserer Glimmerreichthum
geltend ?). Dagegen stellt sich eime grosse Aechnlichkeit heraus
nit einzelnen Proben des Granits vom Rabenhügel bei Knobels-
dorf (südlich von Saalfeld), welcher dort als Einschluss in einem
Melaphyrgang vorkommt und wie der unserige glimmerarm ist.
Freilich tritt diese Aehnlichkeit auch nur an einzelnen, feinkörnigen
Proben hervor, während die grobkörnigen von dort die grösste
Aehnlichkeit aufweisen mit einem grobkörnigen, granitischen Ortho-
klas-Quarz-Gestein, welches ich an mehreren Stellen des Frauen-
walder Höhenzuges innerhalb der porphyrischen Deckengesteine
des Rothliegenden sammelte und für eine extreme Ausbildung von
(=)
@Quarzporphyr halte, da öfter zwischen dem Quarz-Orthoklas-Ge-
menge etwas felsitische Grundmasse wahrnehmbar ist.
Das granitische Gestein der verschiedenen, auf dem Kärtchen
verzeichneten Stellen ist im Ganzen so einheitlich, dass es in der
Beschreibung zusammengefasst werden kann. Es besteht aus
Quarz, fleischrothem Orthoklas und zurücktretendem Marnesia-
elimmer (resp. dunklem Glimmer schlechthm), als Hauptzemeng-
theilen. Die Färbung des Gesteins ist eine röthliche, was emer-
seits durch den an Menge sehr hervortretenden, fleischroth er-
scheinenden Feldspath bedingt wird, sodann auch durch die eisen-
oxydischen Zersetzungsproducte des Glimmers. Die Structur
wechselt, sie ist feinkörnig, mitunter fast dicht, bis ziemlich grob-
ı) Vgl. H. Crepser sen., a. a. 0. 8. 21.
) Vgl. die Beschreibung von F. E. Mürwser: Die Contacterscheinungen an
dem Granite des Hennbergs bei Weitisberga, Neues Jahrb. 1882, Bd. Il, 8. 205 ff.;
und von Liege, Uebersicht über den Schichtenaufbau u. s. w., 8. 73 f.
284 H. Lorerz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
te}
körnig, wobei die erstere im Ganzen etwas mehr Verbreitung er-
reicht, als die letztere. Ein Gesetz in der räumlichen Vertheilung
der feinkörmigen und der „robkörnigen Structur ist nicht mit
Sicherheit erkannt worden. Ausnahmsweise wird die Structur durch
etwas grössere Körner von Quarz, und wohl auch von Feldspath,
die in sonst femkörniger Umgebung sich hervorheben, porphyr-
artig. Neben der rein körnigen Structur kommt auch, doch weniger
verbreitet, durch besondere Verwachsungsweise von Quarz und
Feldspath granophyrische (im Sinne von ROSENBUSCH) Structur
vor. Diese äussert sich, abgesehen von der noch zu erwähnenden
schriftgranitartigen Verwachsung, namentlich in Sphärolithbildung,
bei welcher ein Quarzkorn die Mitte einnimmt und die Feldspath-
masse radial- resp. divergentstrahlig nach aussen sich rings herum
anlegt; diese, das Gestein ziemlich dicht gedrängt erfüllenden Ge-
bilde bleiben übrigens klein, ihre Zwischenräume bestehen aus
einem in gewöhnlicher Weise verwachsenen Feldspath - Quarz-
Gemenge. Wenn solche Sphärolithe (Pseudosphärolithe nach
ROSENBUSCH) an den frei herumliegenden Fundstücken nicht eben
häufig und auffällig sich zeigen, so ergiebt doch eine aufinerksame
Betrachtung des gesammelten Materiales, namentlich auch der mikro>
skopischen Präparate, dass sich diese Structur an verschiedenen
Stellen wiederholt, und es ist dadurch eine Andeutung gegeben,
dass die Erstarrungsverhältnisse unseres Granits derartige waren,
um hier und da die Ausbildung von Uebergangsstufen zu Quarz-
oO
porphyr zu gestatten; um so wahrschemlicher ist es nun auch,
dass die an manchen Stellen innerhalb der Verbreitung des graniti-
schen Gesteins beobachteten, in ihrem Habitus an Quarzporphyr
oder felsitischen Porphyr erinnernden Stücke eine petrographische
Facies des Granites sind und nicht selbständigen Porphyrgängen
von jüngerer Entstehung als die des Granits angehören !).
Die Structur unseres Granits im Grossen, besonders die Ab-
sonderungsformen desselben sind wegen mangelnder Aufschlüsse,
) Damit ist nicht gesagt. dass sich nicht ganz ähnliche Structurverhältnisse
bei gewissen, in der Nachbarschaft vorkommenden, dem Rothliegenden ange-
hörigen Quarzporphyrabänderungen wiederholen können,
und verändertem Schiefer im @Qnellgebiet der Schleuse ete. 2385
wie Felswände, Steinbrüche u. s. w. nicht zu sehen; ebensowenig
bestehen über das Durchsetzen von granitischen Gängen und
Schlieren, «die eine von der Hauptmasse etwas abweichende Mischung
haben könnten, genügende Aufschlüsse.
Die Quarzkörner unseres Granits wechseln an ein und dem-
selben Haudstück in ihrer Grösse nicht unbedeutend; recht häufig
zeigen sie sich im Q@Querschnitte theilweise geradlinig umrandet,
und dementsprechend ragen sie auch in, besonders bei gröberem
Korn vorkommende, kleine unregelmässige Hohlräume (wie in die
noch zu erwähnenden Spalten) mit ausgebildeten Krystallspitzen
hinein. Der Orthoklas erscheint im mikroskopischen Bilde durch-
weg „etrübt. An Menge sehr zurücktretend kommt daneben, wie
die Untersuchung mit dem Mikroskop, aber kaum die mit der
Lupe zeigt, ein trikliner Feldspath in polysynthetischer Zwillings-
verwachsung vor, dessen optisches Verhalten den Schluss auf Oligo-
>
klas erlaubt. Dass dieser Feldspath sich mindestens so frisch er-
halten hat wie der Orthoklas, geht daraus hervor, dass keine ein-
zige einer grösseren Zahl sorgfältig vorgenommener Proben Kohlen-
säure entwickelte, und zeigt sich überdies bei der Betrachtung
durch das Mikroskop, wo der trikline Feldspath, zum Theil wenig-
stens, entschieden frischer aussieht, als der Orthoklas. Die Aus-
bildung freier Krystallenden in kleine Hohlräume hinein, wie beim
(Juarz, wurde manchmal auch beim Orthoklas beobachtet. An
vielen Proben erkennt man deutlich ein Umschlossensein der
(uarzkörner von der in sich zusammenhängenden Orthoklasmasse,
und überdies greifen, mikroskopisch gesehen, beiderlei Substanzen
vielfach in einander ein. Dazu aber tritt recht häufig mikroskopisch
feine, schriftgranitartige Verwachsung des Quarzes mit dem Ortho-
klas in der zierlichsten, vielfach wechselnden Weise, wobei die
kleinen @uarzkörnchen optisch einheitlich orientirt sind. Diese
Structur deutet auf Randpartieen oder Gangbildungen der graniti-
schen Massen !), und wir haben hier, in Verbindung mit dem
) Nach gefälliger Mittheilung des Hrn. Dr. Max Kocm, welcher ähnliche
Gesteine aus dem Harz untersucht hat. Derselbe hatte die Güte, meine Granit-
präparate durchzusehen und mir die Resultate, welche in Obigem enthalten sind,
mitzutheilen: ich spreche ihm hierfür gern meinen besten Dank aus.
286 H. Lorwrz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
oben bei der sphärolithartigen Structur Gesagten, wieder einen
Hinweis auf rasche Erstarrungsverhältnisse eines beträchtlichen
Theils unseres ganzen Granitvorkommens. Damit würde das weiter
oben über die Vertheilung der Granitmasse im Schiefer, nach den
Beobachtungen in der Natur Angeführte stimmen, und wir sehen
uns so wiederholt darauf hingewiesen, an vielfach verzweigte Gänge
des Granits im Schiefer zu denken.
Was den Glimmer in unserem Granit betrifft, so tritt er im
(Ganzen zurück und scheint an manchen Proben, doch, wie die
mikroskopische Untersuchung zeigt, mehr nur in Folge von Zer-
setzung, als in Wirklichkeit, zu fehlen. Selten hat er sich frisch
erhalten, und stellt sich dann, ausnahmsweise sogar ziemlich reich-
lich, in Form glänzend schwarzer, sechsseitiger Täfelchen dar, die
eewöhnlicher indess eisenoxydisch angelaufen oder zersetzt, in
anderen Fällen mit gelbgrünlicher Färbung verändert resp. chloriti-
sirt sind. — Zu den genannten Hauptgemengtheilen gesellt sich
das Eisenoxyd, welches das färbende Princip des Gesteins abgiebt,
dazu in Form von Eisenglanz auf feinen Kluftflächen zwischen
(Juarz erscheint; wie viel von diesem Eisenerz dem granitischen
Magma ursprünglich bereits als solches angehörte, bleibe dahin-
gestellt; jedenfalls ist das in Staubform bier und da stärker an-
gehäufte Eisenoxyd, welches das Gestem fleckig roth erscheinen
lässt, secundärer Natur, ebenso natürlich das deutlich als Zer-
setzungsproduct des Glimmers erscheinende. Dazu tritt noch hier
und da ein grünliches Zersetzungsmineral, dessen chemische Natur
unaufgehellt geblieben ist. (Es ist weich, mit dem Messer zu schaben,
in Salzsäure unlöslich, vor dem Löthrohr schmelzbar.) Turmalın
und seltenere Mineralien wurden als accessorische Gemengtheile
nicht beobachtet.
Ausser in Form von RKörnern zeigt sich der Quarz in unserem
Granit auch gar nicht selten in Form von starken bis schwachen
o°
und sehr feinen Trümern (Adern), welche die Gesteinsmasse durch-
setzen. Manche derselben nehmen ihren Anfang in einem Quarz-
korn und setzen in ein zweites, in emiger Entfernung davon liegen-
des fort, oder setzen in derselben Weise durch mehrere Quarz-
körner durch, diese mit einander verbindend, senden dabei auch
und verändertem Schiefer im @Quellgebiet der Schleuse etc. 287
wohl kleine, kurze Seitentrümer (wie unvollkommene Körner) aus;
dabei ist die Quarzmasse der Körner und der Trümer durchaus ein-
heitlich, zum Zeichen, dass wir es nicht mit später durch Infiltration
gebildeten, sondern mit ursprünglichen » Ausscheidungstrümern «
zu thun haben, welche nur als besondere Formen der zuletzt in den
starren Zustand gelangenden Kieselsäure, als Secretionen in dem
sich verfestisenden und hierbei Risse oder Discontinuitäten be-
S
kommenden Eruptivmagma zu deuten sind. Die stärkeren der-
artigen Trümer sind nun gar häufig »bilateralsymmetrisch« aus-
krystallisirt, indem sie emem ungefähr ihrer Mittellmie folgenden,
schmalen Hohlraum feine Krystallspitzen zuwenden "). Diese
schmalen, nach einer Ebene oder Fläche gedehnten Hohlräume
sind aber nicht wesentlich verschieden von den bereits angeführten
kleinen Drusenräumen, in welche ebenfalls Quarz sowie Feldspath
mit freien Krystallflächen hinemragen: es sind Discontinuitäten
aus der Zeit der Gesteinsverfestigung. Auf den Quarzkrystallen
der Trümer finden sich öfter Eisenglanzschüppchen, zudem zeigt
sich auch Flussspath in diesen Trümern. Aber auch ohne mit
viel Quarz vergesellschaftet zu sein, durchschwärmt und durchtrümert
Flussspath von violetter oder auch blaugrüner und grüner Färbung
mitunter das Gestein. Auch für diese Trümer ist eine Entstehung
in der Art und Weise der Ausscheidungstrümer, zur Zeit der
Gesteinsverfestigung oder als Nachspiel derselben, wahrscheinlicher,
als eine spätere ?).
Die Flussspathführung unseres Granits geht indess so weit,
dass man es stellenweise nicht mit schmalen Trümern, sondern
mit bedeutenden derben Massen zu thun hat, welche das Gestein
gangartig durchsetzen, und vielfach Anlass zur Gewinnung dieses
Minerals in Schürfen, kleinen Schächten und Stolln gegeben
) Diese auskrystallisirten (Quarztrümer sind bereits J. L. Hzım aufgefallen,
er giebt davon eine zutreffende Beschreibung: a. a. 0. 8. 40.
Als spätere Bildung kommt Steinmark mit Manganoxydstufen auf solchen
Trümern vor.
2) Wir möchten hier auf die Ausführungen Darmun’s (Die geolog. Verhält-
nisse der Insel Elba, Zeitschr. f. Naturwissensch., Bd. LVII, 1884, Sep.-Abdr.
S. 26 ff.) verweisen.
Y88 H. Lorwrz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
haben !), in früheren Zeiten zur Verwendung beim Hochofen-
betrieb, gegenwärtig für chemisch-industrielle Zwecke. Ein be-
sonders starker derartiger Gang ist derjenige, welcher in den
Schluchten zwischen Kl.- Burgberg und Ebereschen - Hügel an
mehreren Stellen aufgeschlossen ist, und von da in nordwestlicher
Richtung mindestens bis auf den angrenzenden Bergrücken ver-
folgt werden kann, gegenwärtig auch durch Stolln- und Schacht-
betrieb in Abbau steht; der Flussspath steht hier in wechselnder
Stärke, die meist wohl unter 1 Meter bleibt, zwischen Granit an.
Weiterhin sind im oberen Gabelgrund, beiderseits des dortigen
Flossteiches Schürfe in Flussspath zwischen Granit, von welchen
wenigstens die auf der westlichen Seite des Teiches gelegenen
wieder eine nordwestliche Richtung der Gänge erkennen lassen.
Ob wir es auch bei diesen stärkeren Gangmassen nur mit Aus-
scheidungsgängen zu thun haben, will ich unentschieden lassen.
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist der cambrisch - phyllitische
Schiefer in der Umgebung der Granitvorkommnisse am Burgberg,
Arolsberg u. s. w. contactmetamorphisch verändert. Wir erkennen
in diesem veränderten Gesteine die Fleck- oder Knotenschiefer,
Knotenhornfelse, Hornfelse wieder, welche unter entsprechenden
Bedingungen in anderen Gegenden vorkommen und zum Theil
in ausführlicher Weise beschrieben worden sind. So wenig wie
in jenen anderen Gebirgen finden sich bei uns die genannten
eigenthümlichen Schiefer als stratigraphische_ Glieder der ge-
sammten Schieferreihe, oder als besondere Einlagerungen in dieser
Reihe; sie sind in ihrem Vorkommen ausschliesslich an den Granit
(Granitit) der oben namhaft gemachten Berge gebunden, den sie
mantelartig umgeben, und dieselben Gründe, welche man ander-
wärts geltend gemacht hat, um solche Schiefer als nur durch den
Contact und die Nähe des Granits bewirkte Umwandlungs-
producte des gewöhnlichen, sich weiterhin anschliessenden Schiefers
I) Kleinere derartige Vorkommnisse konnten auf dem Kärtchen nicht ange-
geben werden.
und verändertem Schiefer im Quellgebiet der Schleuse etc. 289
ZUOe
zu deuten. lassen sich auch in unserem Falle anführen. Nur hat
es uns nicht gelingen wollen, auch hier, so wie anderwärts, deut-
liche, ringförmig angelegte Zonen stärkerer und weniger starker
Umwandlung von eimander abzugrenzen, in der Art, dass die Zone
te)
der stärksten Umwandlung zunächst den Granit umgeben würde;
wohl aber lassen sich die verschiedenen Umwandlungsgrade am
(Gestein erkennen und an Handstücken zeigen. Man könnte sich
denken, dass ausser den verschiedenen, zu Tage tretenden Granit-
massen noch andere in geringer Tiefe sich befinden und auf die
Vertheilung des zu Tage anstehenden, mehr oder minder stark
veränderten Schiefers von Einfluss wären, eine Annahme, die mit
dem weiter oben vermutheten Vorhandensem eines Gangsystems,
welches dem Granite zum Aufdringen gedient, in Einklang wäre.
Vielleicht trägt auch die Vermischung des Schuttes an den steileren
Abhängen dazu bei, dass gesonderte Zonen nicht so deutlich her-
vortreten. Bei der Begehung stellt sich die Sache so dar, dass
der die Hauptmasse des umgewandelten Schiefermateriales aus-
machende Fleck- oder Rnotenschiefer ziemlich viel unveränderten
Schiefer zwischen sich enthält, und dass nicht stärker als bis zu
Fleckschiefer geänderter, ja ganz unveränderter Schiefer stellen-
weise bis an die Granitpartieen heran, und, wie es scheint, selbst
bis ın diese hinein, reicht. Bei diesem Verhalten sind Betrach-
tungen über die Breite der Strecken veränderten Schiefers um
den Granit herum auch weniger leicht anzustellen und weniger
von Bedeutung als bei deutlich concentrisch um ein einheitliches
Granitmassiv angeordneten, metamorphischen Schieferzonen.
Ehe wir uns nun zur Besprechung der Veränderungen wenden,
welche der cambrisch-phyllitische Schiefer erfahren hat, indem er
zu Fleckschiefer u. s. w. wurde, seien wenige Worte über das Ver-
geerenüber gesagt. Der Quarzit
ee,
halten des Quarzits dem Granite
kommt in Form von Zwischenlagen und -bänken des phyllitischen
Schiefers vor, bleibt aber im Ganzen an Menge untergeordnet; erst
weiter nordwestlich, am Hinteren Arolsberg nimmt seme Masse
zu. In der Regel nun zeigt der Quarzit am Granit keine Ver-
änderung, und es trifft dies selbst bei solehen Stücken zu, an
Jahrbuch 1886 19
290 H. Lorerz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
welchen er sich von feinen Granitadern durchtrümert zeigt 1).
Bei anderen beschränkt sich die Aenderung auf eine ziemlich
durchgehende Röthung durch Eisenoxyd in Substanz; dabei zieht
sich auch wohl zwischen Granit und Quarzit eine dünne Quarz-
lage durch, von welcher feine Abzweigungen in die Quarzitmasse
fortsetzen, und welche ihrem Wesen nach den den Granit so oft
durchziehenden Quarztrümern gleichzustellen sem dürfte.
Ueber die Umwandlung unserer phyllitischen Schiefer
in Knotenschiefer und Hornfels nun haben wir folgende Angaben
zu machen.
Der erste Grad der Umwandlung besteht, wie anderswo,
auch hier darin, dass auf dem sonst nach Färbung, Glanz und
Structur unverändert aussehenden Schiefer kleine, rundliche,
meist etwas längliche Flecken, etwa von Hirsekorn- oder Steck-
nadelkopf-Grösse erscheinen, mehr oder minder dicht zusammen-
stehend, bald ziemlich scharf umgrenzt, bald weniger. Die Längs-
axe der Flecken liegt zwar sehr oft, aber durchaus nicht immer
in der Richtung, welche die Fältelungslinien einhalten. Die Flecken
sehen immer dunkler aus als ihre Umgebung, nämlich dunkel-
eisenoxydroth, und eine geringe moleculare bis structurelle Aenderung
an der Stelle der Flecken ist dadurch angedeutet, dass sie glanzlos
ebune unveränderte feine Fälte-
sind, und dass die in ihrer Umg g
lung der Schiefermasse innerhalb ihres Umfangs weniger deutlich
ist. Mit dem Erscheinen der Flecken ist aber öfters auch eine
leichte Röthung oder Dunkelfärbung der gesammten (Gesteins-
masse verbunden, ohne dass indess die Fältelung undeutlicher zu
werden brauchte; laugt man solche Stückchen mit heisser Salz-
säure lange genug aus, so verschwindet die Röthung durchweg,
dennoch bleiben die kleinen Flecken sichtbar, zum Zeichen einer
geringen Aenderung der Structur. Bei dicht gedrängt stehenden
Flecken sieht allerdings auch ohne wesentliche Aenderung der
Färbung der Zwischenstellen das Gestein röthlich aus. Geht die
1) Auch anderwärts werden bei der Entstehung von Fleckschiefern, Frucht-
schiefern u. s. w. durch Granitcontactmetamorphose die zwischengelagerten Quar-
zite und @uarzitschiefer nicht oder nur in weit geringerem Maasse verändert.
S. die betr. Erläuterungen zur geolog. Spee.-Karte d. Königr. Sachsen.
und verändertem Schiefer im Quellgebiet der Schleuse ete. 29]
Umwandlung nicht weiter als bisher beschrieben, so bezeichnen
wir das Gestein als Fleckschiefer oder Knotenschiefer d)
(Knotenthonschiefer, Knotenphyllit). Die Spaltbarkeit des Schiefers
hat soweit noch nicht, oder doch nicht sehr viel abgenommen.
In Bezug hierauf, sowie in der Härte und den übrigen Kennzeichen
wechselt übrigens das umgewandelte Gestein etwas und nähert
sich in seinem Ansehen mitunter wohl dem als »Knotengelimmer-
schiefer« bezeichneten Grade ?).
Bei weitergehender Umwandlung geht die Schieferspaltung
verloren, die ursprüngliche feine Fältelung ist soeben noch zu er-
kennen oder leuchtet sozusagen nur mehr schwach als eine Parallel-
streifung durch; ein feinschuppiges dunkles Glimmermineral hat
sich in der Gesteinsmasse mehr und mehr entwickelt. Damit ist
der veränderte Schiefer ein kaum mehr schiefriger Knotenhorn-
fels geworden; er wird zu eigentlichem Hornfels, wenn sich
gleichmässig dunkle, nämlich schwärzlich-, röthlich-, grünlichgraue
Färbung bei feinstkörniger bis fast dichter Structur einstellt, in
Verbindung mit grosser Härte, Sprödigkeit und fast muschligem
Bruch. Die ursprüngliche Schieferung ist dann nur noch etwa
an abgewitterten @Querbruchflächen und an einzelnen, unvoll-
kommenen, in der Schieferrichtung liegenden Ablösungsflächen zu
erkennen, auf welchen der neugebildete dunkle Magnesiaglimmer,
welcher auf dem Bruch des quarzigen Gesteins nur in sehr kleinen
Blättchen erscheint, in etwas grösseren, mehr zusammenbängenden
Schuppen und Häutchen ausgeschieden ist. — Im Ganzen be-
trachtet, und besonders bei der Begehung im Gebirge, hat man
bei unseren Gesteinen eigentlich nur den Eindruck von zwei Um-
wandlungsgraden, Fleck- oder Knotenschiefer und Hornfels, und
) »Fleckschiefer«, wenn man nur die Oberfläche in’s Auge fasst, »Knoten-
schiefer«, wenn man die räumliche Ausdehnung dieser klemen Gebilde bezeich-
nen will.
Diese Schiefer dürften auch den »Fruchtschiefern mit unveränderter Schiefer-
masse« der sächsischen Geologen entsprechen, wie sie z.B. Daımer von Section
Schneeberg beschreibt.
2) Knotenglimmerschiefer vom Burgberg führte Rosesgwusen an, in »Die
Steiger Schiefer u. s. w.«, Abh. z. geolog. Spee.-Karte v. Elsass-Lothr., Bd. 1,
Fe jS7T 8. 249.
192
292 H. Lorwrz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit
u
das Ergebniss der weiter unten mitzutheilenden mikroskopischen
Untersuchung stimmt damit überein.
Um den chemischen Bestand des umgewandelten Schiefer-
gesteins gegenüber dem des zu Grunde liegenden, unveränderten,
phyllitischen Schiefers zu erkennen, namentlich um etwaige che-
mische Aenderungen zu erfahren, wurden im Laboratorium der
Königl. geologischen Landesanstalt und Bergakademie drei Ana-
lysen ausgeführt, wovon die erste den unveränderten Schiefer zum
Gegenstand hatte, die zweite ein als Knotenschiefer (anscheinend
fast schon »Knotenglimmerschiefer«) zu bezeichnendes Gestein,
die dritte emen eigentlichen Hornfels. Die Ergebnisse der Ana-
Iysen sind folgende. Die Namen der Analytiker stehen unter jeder
Analyse.
1. 1 nu
SO, 65,84 64,25 65,13
TiO, 0.22 0.84 0,15
Als O3 17,10 18,05 17,94
Fe5O; 1,60 1.63 2.09
Feo 4,00 3,92 3,90
M&O 1,99 1,87 1,79
CaoO Spur Spur Spur
K,O 3,87 4,16 4,51
Na,0 1,47 1,41 1,47
SO; Spur Spur Spur
P,O; 0,12 0,12 0.16
CO, Spur _ Spur
1,0 4,74 3,69 3,21
100,95 99,94 99,95
Spec., Gew. 2,7413 2,7666 2,713:
STERFEN. al AMPE. STEFFEN.
I. Unveränderter, typischer, gefältelter, grünlicher, phylli-
tischer Schiefer oder Phyllit, von Grabel.
II. Stärker veränderter Knotenschiefer, mit dicht stehenden
Knoten, röthlich, hart, Fältelung noch zu erkennen,
dem äusseren Anschen nach (doch nicht unter dem
Mikroskop) fast schon als »Knotenglimmerschiefer« er-
scheinend, vom Kleinen Burgberg, Westseite.
und verändertem Schiefer im Quellgebiet der Schleuse ete. 293
III. Eieentlicher Hornfels, Fältelung verschwunden, Gestein
oO fe)
ver
hart, dieht, dunkel (etwas grünlich), fast muschlig
Bruch, auf angewitterten Ablösungen Glimmerfetzen
und -häutchen zu sehen, vom Kleinen Burgberg, W est-
seite.
Der Vergleich dieser Analysen bestätigt auch für unsere gra-
nitische Contactzone den aus entsprechenden anderen (Grebieten
bekannten Erfahrungssatz, dass keine eigentliche Aenderung im
chemischen Bestande des umgewandelten Schiefers gegenüber dem-
jenigen des unveränderten Schiefers stattgefunden hat, und dass
es somit nur moleculare Umlagerungen und Umgruppirungen zu
anderen Mineralien sind, welchen das so stark veränderte Wesen
der Contaktgesteine zuzuschreiben ist. Der Wassergehalt ist auch
hier beim veränderten Schiefer geringer als beim ursprünglichen,
in Ueberemstimmung mit den Erfahrungen aus anderen Grebieten.
Das Wesen der mineralischen Umwandlung ergiebt sich aus
der mikroskopischen Untersuchung, welche auf meine Bitte Herr
Prof. Lossen in liebenswürdigster Weise eingehend vorzunehmen
die Güte hatte; ebenso war Herr Dr. Max KochH so freundlich
einige der betreffenden Präparate zu untersuchen. Beiden Ilerren
spreche ich hierfür gern memen verbindlichsten Dank aus. Ich
gebe im Folgenden die mir von den Genannten mitgetheilten Re-
sultate, zum Theil wörtlich, wieder.
Bei den zum Knotenschiefer gehörigen Proben (dabei die-
jenige, deren Analyse unter II. angegeben ist) zeigt es sich zum
Unterschiede vom unveränderten Schiefer, dass die Grösse der
Kaliglimmerblättchen zugenommen hat, der Chlorit fehlt nicht ab-
solut, ist aber spärlicher geworden, und nicht, wie beim unver-
g vertheilt, sondern zu Anhäufungen
fe)
änderten Schiefer, regelmässi
eoncentrirt; bedeutend vorwaltend vor Chlorit ist nun das EKisen-
oxyd in Blättchen und Läppehen sehr viel stärker entwickelt und
zu Flecken resp. Knoten eoncentrirt; die Verwachsung von Eisen-
oxyd und Chlorit ist dabei zum Theil so, dass dadurch die An-
nahme einer Entstehnng des ersteren aus dem letzteren eine Unter-
stützung findet. Die Rutilnädelchen des unveränderten Schiefers
sind nicht mehr da; dafür ist nun Rutil in besser auskıystallisirten
294 H. Lorwrz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit ete.
sedrungenen, octaödrisch zugespitzten Säulchen und Körnchen
vorhanden, die selbst Pleochroismus erkennen lassen. Turmalın
und Zirkon etwa wie beim unveränderten Schiefer )).
Die zum Hornfels gehörigen Proben (dabei diejenige, deren
Analyse unter III. angegeben ist) zeigen ein Mosaik von Quarz-
oO
körnern, mit Kaliglimmer, der letztere zum Theil in pseudomor-
phosenartigen Anhäufungen (durch Umwandlung aus den beiden
folgenden Mineralien); dazu zurücktretend Feldspath?), mehr oder
ininder reichlich Andalusit (in den bekannten zerlappten Krystallo-
iden), ferner Biotit und Magnet- resp. Titaneisen. Rutil und
Turmalin, wie oben, fehlen ebenfalls nicht).
"om ‚eränderten Schiefer, sowie auch vom Knotenschiefer
Vom unveränderten S a
unterscheidet sich also unser Hornfels durch das Vorhandensein
des (wenn auch im Vergleich zu anderen, entsprechenden Vor-
kommmnissen nicht sehr reichlichen) Biotits, resp. braun und grün
durchsichtigen, eisenreichen Glimmers, des Andalusits und des
Magnet- resp. Titaneisens.
) Ganz untergeordnet wurden einmal im Chlorit stark lichtbrechende und
stark doppeltbrechende, im gewöhnlichen Licht gelblich durchsichtige Körnchen
(? Epidot) beobachtet.
2) In einer Probe, bei welcher der Hornfels von Granitadern durchschwärmt
ist, zeigte sich reichlich Feldspath, zum Theil gestreift.
3) Einzelne der hellen Körnchen, vom Habitus des Quarzes, die zum Theil
mit Kaliglimmerflitterchen durchsetzt sind, liessen, nach Dr. Max Koch, eine
spitze negative Bisectrix erkennen, sodass sich wahrscheinlich Cordierit an der
Zusammensetzung des Mosaiks betheiligt. —
Da aus dem Gesteinspulver mit dem Magnetstab Theilchen auszuziehen nicht
gelang, so ist wahrscheinlich Titaneisen, nicht Magneteisen, vorhanden.
Einige Notizen über im Jahre 1886 ausgeführte
geognostische Untersuchungen auf dem nordwest-
lichen Oberharz.
Von Herrn A. Halfar in Berlin.
Die Gegend, auf welche sich die nachstehenden, ursprünglich
für obige »Mittheilungen der Mitarbeiter der Geologischen Landes-
anstalt« bestimmt gewesenen geognostischen Notizen beziehen, ist
ein etwa 2 Kilometer breiter und 7 Kilometer langer Streifen des
Harzgebirges südwestlich von Goslar quer durch das Gebiet des
Messtischblattes Zellerfeld. Derselbe wird im NW von dem
Thale der Grane, einem Nebenbache der Innerste, im SO von
der Abezucht südlich Goslar eingeschlossen, welche gleich der
Gose, die ihn m ihrem ganzen Laufe durchzieht, der Oker zu-
fliesst. An der Südseite seines südwestlichen, kaum ein Viertel
seiner (resammtlänge betragenden Theiles, welcher, entgegen-
gesetzt dem ganzen übrigen Gebiete, vom höchsten Punkte der
Gegend — dem bis 725 Meter über die Ostsee ansteigenden
Bocksberge — sich nach SW hin abdacht, wird dieser Berg-
streifen von dem flachen Thale des Grumbachs begrenzt, der in
Wildemann in die Innerste mündet. Ist letzterer Bach an seinem
Ursprung südwestlich des Gasthauses zum Auerhahn südwestwärts,
alsbald aber, oberhalb Bockswiese und darüber hinaus, westlich
gerichtet, so fliessen umgekehrt die dicht unterhalb östlich Hahnen-
klee entspringende Grane und die aus dem Kaupenthal nördlich
am Auerhahn-Gasthause kommende Gose im Allgemeinen nach
296 A. Haurar, Einige Notizen über im Jahre 1856 ausgeführte
NO und die Abezucht nordwärts. Wie die Anordnung der Berg-
kuppen und der Verlauf eines langen Bergrückens, des Thomas-
Martins- Berges der Generalstabskarte, der Hauptrichtung der
Thäler von SW nach NO entsprechen, so ist auch mit einer Ab-
weichung letzterer von dieser Richtung bisweilen eine veränderte
Gruppirung der ersteren verbunden. So zeigen unfern des nörd-
lichen Harzrandes au der starken Umbiegung der Gose gegen
Ost westlich ihres tief eingeschnittenen Thales die beiden Kuppen
der Hohekehl und östlich desselben analoge Höhenpunkte auf den
beiden Theilen, aus welchen der Herzberg in seiner nördlichen
Abdachung besteht, nicht ene SW-—NO-liche, sondern eine
WNW-—OSO-liche Lage zu einander. Die Abhängigkeit der
orographischen Verhältnisse vom inneren Gebirgsbau ist zuweilen
deutlich ersichtlich.
Die Gebirgsglieder, auf welche sich die folgenden vereinzelten
Notizen beziehen, sind diejenigen der Devonformation, und zwar:
der Spiriferensandstein, die Ualceolaschichten, die Goslarer Schiefer
und eigenthümliche oberdevonische Schichten.
Zur allgemeinen geognostischen Orientirung sei vorausge-
schickt, dass sich in der südlichen Hälfte unseres Gebietes
zwischen dem oberen Grane-, Grumbach- und Gosethale zwei
Spiriferensandstem-Rücken als sattelförmige Erhebung in nordöst-
licher Richtung hinziehen und an ihrem Fusse, am südwestlichen
Ende beiderseits, sonst nur entlang ihrer NW-Grenze in einem
schmalen, z. Th. vielfach zerrissenen Bande von Calceolaschichten
begleitet werden, während die Goslarer Schiefer im Vergleich mit
diesen letzteren im sehr wechselnder Verbreitung auftreten. Ein
schmaler Streifen derselben folgt nordwestwärts dem nördlicheren
vösserer Mächtigkeit erscheinen sie am Südwestende
{8}
te) >
Rücken. In
beider, insbesondere östlich Hahnenklee, und treten wieder unter-
geordnet in der sehr gestörten kleinen Mulde an den Grumbacher
Teichen an der Südseite des südlicheren Rückens auf. Von dem
Südflügel dieser Mulde sind auch die unten zu erwähnenden Ober-
devonschichten bisher allein bekannt geworden. — Der nördlichere
der beiden Spiriferensandstemzüge beginnt östlich Hahnenklee un-
mittelbar nordöstlich der von ihm durch den Hahnenklee’er Gang-
geognostische Untersuchungen auf dem nordwestlichen Oberharz. 997
zug abgeschnittenen Goslarer Schiefer am Grossen Todtenthale,
dem bedeutendsten obersten südlichen @uerthaleinschnitte des
Granethales, und setzt über den Langethalskopf (mit 605 Meter
Höhe über der Ostsee) und den Töberschekopf (639 Meter hoch)
bis in den südwestlichen Theil des Glockenberges (ca. 535 Meter
hoch) fort, wo in Folge einer Hauptverwerfung die Goslarer
Schiefer in sein nordöstliches Fortstreichen fallen. Der südlichere
Zug besinnt nordöstlich von Bockswiese am südwestlichen Fusse
des Bockberges und erstreckt sich über denselben sowie den
Thomas-Martins- Berg, zuletzt östlich einer kleinen Specialmulde
aus Calceolaschichten und Goslarer Schiefern, bis zur Mitte der
Serpentine, in welcher die Neue Chaussee von ÜUlausthal, be-
ziehungsweise Zellerfeld, nach Goslar an der südöstlichen Ab-
dachung des Thomas-Martins-Bergrückens aus ca. 515 Meter
Meereshöhe auf etwa 445 Meter hnab nach dem Gosethale ge-
führt ist. Der Spiriferensandstein wird hier gleich den ihn im
NW begleitenden Calceolaschichten und Goslarer Schiefern mit
seiner Nordwestgrenze durch einen Verwurf bedeutend nach OSO
hin verschoben und erscheint erst im Schachtthale, dem engsten
nördlichen, linken Nebenthal-Einschnitt des Gosethales, hinter
einer Verschiebung nach W wiederum annähernd in der nord-
nordöstlichen Fortsetzung seiner früheren Westerenze. Zunächst
bildet er den südöstlichen Theil der bis zu 520 Meter ansteigenden
Hohckehl, setzt dann mit seiner westlichen Grenze in nordöstlicher
Richtung über das Gosethal nach dem westlichen Fuss des
631,6 Meter hohen Herzbergs hinüber und wird nun gleich dem
Calceolaschichtenbande an der jäh abstürzenden westlichen und
nördlichen Abdachung dieses letzteren, hier bei ungefähr 540 Meter
Meereshöhe, durch einige kleine Verwürfe nach O von dem nord-
östlichen Fortstreichen abgeschnitten. Dasselbe erlangen beide
Devonbildungen erst wieder östlich des Abezuchtthales und Herz-
berger Teiches in dem Rammelsberge.
An specielleren geognostischen Notizen ist von den einzelnen
Devongliedern nun Folgendes zu erwähnen.
Spiriferensandstein (oberster). Ostnordöstlich von Hahnen-
klee tritt in der Einsattelung zwischen Töberschekopf und Thomas-
298 A. Hawwar, Einige Notizen über im Jahre 1886 ausgeführte
Martins-Berg an letzterem im nur scheinbaren Liegenden (wahren
Hangenden) der Hauptmasse des Spiriferensandsteins eine schiefrige
Schichtenfolge mit nordöstlichem Streichen und südöstlichem Ein-
fallen auf. Dieselbe ist durch den neuen sogenannten Hahnen-
klee'er Weg (von dem gleichnamigen Orte nach der Hohekehl)
auf etwa 200 Schritte, leider wenig deutlich, blossgelegt. Ihre
durch die Verwitterung etwas gebleichten Gesteine bestehen vom
Liegenden nach dem Hangenden aus:
1) grauem, ins Grünliche spielenden dickflasrigen, sehr fein-
sandigen Thonschiefer, m dem ein Deckel von Calceola sanda-
lina Lam. beobachtet wurde, und welcher mehr im Hangenden
eine verwittert licht grünlichgraue, weisse Glimmerschüppchen
führende Bank von feinkörnigem, thonigen Sandstein mit Schwefel-
kies einschliesst, der ausgewittert winzige, durch ockrigen Anflug
bräunlich erscheinende Hohlräume hinterlässt;
2) vorwiegend grünlich grauem, grobflasrigen Thonschiefer,
der undeutlich grossgriffelförmig zerfällt, etwas bunt anläuft, fein-
sandig ist und winzige Glimmerschüppchen führt sowie im
Hangenden fester wird;
3) sehr sandigem und im einen dickschiefrigen Sandstein
übergehenden Thonschiefer, dessen wulstige Schichtflächen von
mikroskopisch kaum erkennbaren weissen Glimmerblättchen
schimmern und der ganz an Gesteine des sonstigen schiefrigen,
oberen Spiriferensandsteins erinnert; zuoberst endlich aus
4) grünlich blaugrauem, dünnschiefrigen Thonschiefer.
Vermuthlich dem liegenderen Theile dieser Schichtenfolge
gehört ein auffälliges, ganz verwittertes schiefriges Gestein an,
welches in einer etwa 30 Schritte breiten Zone südwärts über dem
Hahnenklee’er Wege unterhalb zweier Schürfe mit einem sehr
armen und sandigen Brauneisenerz da ansteht, wo der Wilddiebs-
weg in emer Windung steil nach dem Thomas- Martins - Berge
hinaufführt. Dasselbe ist ein auf dem Querbruche gelb und weiss
gestreifter, meist licht ockergelber, dickflasriger, knollig zerfallender,
feinsandiger Thonschiefer, welcher von dunkleren, schmalen, weiss
schimmernden Thonschieferlamellen durchschwärmt wird und zahl-
reiche, meist kleine Petrefactenreste, besonders Urinoidenstielglieder,
geognostische Untersuchungen auf dem nordwestlichen Oberharz. 299
in Hohldrücken ‘oder Steinkernen enthält. Diese sind leider oft
bis zur Unkenntlichkeit verquetscht. Es liessen sich erkennen:
ein schlechter Steinkern-Rest von dem Schwanzschilde eines Homalo-
notus, ein facettirtes Auge und zwei Rumpf-Hohldrücke von ver-
muthlich Phacops latifrons BRONN, der ganz verquetschte Hobldruck
eines 3 Centimeter grossen Brachiopods — ob Streptorhynchus
umbraculum ScHLoTH.? —, Hohldrücke von Armegliedern des
(upressoerinus Urogalli A. RÖM. und einige Fenestella-Arten. Die
gut erkennbare Crinoiden-Art allein genügt schon, um das auf-
fällige Gestein mindestens an die äusserste obere Grenze des
Spiriferensandsteins zu stellen: ich halte dasselbe für ein Sub-
stitut der anderwärts den Pentamerus hercynieus und das Conocardium
Bockbergense führenden Bänke des oberen schiefrigen Spiri-
ferensandsteins und die ganze vorerwähnte Schichtengruppe für
>
Calceolaschichten. Innerhalb dieser wurde dem Ȇalceola-
sandstem« neuerdings besondere Aufmerksamkeit zugewendet.
dem letzteren angehörie.
Hiermit soll kurz ein Gestein bezeichnet werden, welches ım
Falle seines Vorhandenseins !) stets wenige Meter über dem Lie-
genden der Calceolaschichten in einer bis zu 1,5 Meter mächtigen
Bank auftritt. Das frisch graue bis blaugraue, fast dicht aus-
sehende Gestein nimmt, je nach seinem Verwitterungsgrade vor-
herrschend eine grünliche, seltener gelblichgrüne bis ausnahms-
weise gelblichweisse Farbe an, ist im Allgememen ein feinkörniger,
weisse Glimmerschüppchen führender Sandstein mit kalkigthonigem
Bindemittel und zeichnet sich durch sehr kleine, unregelmässig
begrenzte, licht ockergelb angeflogene Hohlräume von gewöhnlich
unbestimmbaren Petrefactenresten (vorwiegend dünne Crinoiden-
stielglieder) vor allen ähnlichen Bildungen aus, sowie in lose um-
herliegenden Stücken durch deren stets schollenförnmige, fast nie von
geraden Kluftflächen begrenzte Gestalt. Durch porphyrähnlich in
ihm verstreute, bis 11/5 Millimeter grosse, hellfarbene Feldspath-
körner und, insofern die erst unter der Lupe erkennbaren, punkt-
l
l) In den Calceolaschichten an den Schalker Teichen ist Calceolasandstein
bisher nicht beobachtet worden,
300 A. Hawwar, Binige Notizen über im Jahre 1886 ausgeführte
förmigen, zahlreichen, ockergelben Hohlräume desgleichen von
zersetztem Feldspath und nicht von verwittertem Schwefelkies (?)
herrühren, geht dieser Sandstein, zumal bei dem hie und da be-
merkbaren Einschluss von dunklen, rundlichen Thonschieferblättchen
in eine Art Grauwacke über, wird andererseits aber auch örtlich
quarzitisch.
Die stete Beachtung des Calceolasandsteins erwies sich in
doppelter Hmsicht als wichtig. Einmal liessen sich durch die
schrittweise Verfolgung seiner Schollen die Calceolaschichten selbst
da noch nachweisen, wo sie durch den Waldboden oder durch
Schutt von verschiedenen anderen Gresteinen der Beobachtung
gänzlich entzogen waren, andererseits konnte, da diese Leitschicht
stets dem Liegenden der Calceolastufe angehört, festgestellt werden,
ob örtlich eine Mulde, beziehungsweise ein Sattel von Calceola-
schichten vorliegt, oder ob sich die einzelnen Devonglieder in
einfacher regelmässiger Schichtenfolge zu einander befinden.
Letztere Schlussfolgerung wird besonders für die Auffassung der
Schichten dicht südlich des Auerhahns zwischen den beiden dortigen
Calceolaschichtenbändern maassgebend. In der Zeitschr. d. Deutsch.
geol. Ges., Jahrg. 1876, deutete ich dieselben in der auf S. 450
gegebenen grundrisslichen Skizze wegen der Analogie der Schichten-
folge dicht am nördlichen Calceolaschichtenbande mit derjenigen
in der Ausfluth des Auerhahner Teiches als »Untere Goslarer
Schiefer«e (l. ec. 8. 455). Da aber in dem südlichen Calceola-
schichtenstreifen von mir neuerdings nicht blos an dessen südöst-
licher Begrenzung, sondern auch an der nordwestlichen — ob-
schon hier vorläufig nur im losen Stücken, jedoch an zwei ge-
trennten Punkten — die leitende Sandsteinbank nachgewiesen
wurde. so sind die ausserhalb dieses südlichen Streifens nord-
westwärts zunächst folgenden schiefrigen Schichten mit Grau-
wackensandsteinbäukchen als das wahre Liegende der Calceola-
stufe oder als oberer schiefriger Spiriferensandstein aufzufassen.
Freilich trifft dies nur zu, insofern beide Bildungen in ungestörtem
Zusammenhange stehen und nicht etwa durch eine der hier gerade
sehr häufigen Verwerfungen von einander getrennt sind.
geognostische Untersuchungen auf dem nordwestlichen Oberharz. 301
Während sich die typischen oberharzer Calceolaschichten an den
Schalker Teichen durch flasrige Mergelschiefer mit zahlreichen Kalk-
steineinlagerungen auszeichnen, tritt nordwestlich des Bocksberg-
gipfels, westlich am Kleinen Todtenthal an dem obengenannten
Hahnenklee’er Wege, etwa 85 Schritt weit aufgeschlossen, im wahren
Liegenden (scheinbaren Hangenden) von Goslarer Schiefer eine noch
zu ersteren zu stellende Schichtenreihe auf, deren Schiefer durch ihre
gerad- und dickschiefrige Beschaffenheit, den theilweisen Uebergang
in feinsandige Gesteine und den nur spärlichen Einschluss von Kalk-
steineinlagerungen von den charakteristischen Calceolaschichten-V or-
kommen bedeutend abweichen, in dessen wahrem Hangenden sie lie-
gen. Zuunterst erscheinen dieselben dunkel, blaugrau, schlielsen bei
100 Schritt vom Liegenden ein etwa 13 Centimenter mächtiges, braun
&
verwitterndes Kalksteinbänkchen ein, bilden von 18—40 Schritt eine
bunt verwitternde Zone mit bei 35 Schritt feinsandigen bis sandstein-
ähnlichen Schiefern, wie solche bei 54 Schritt nochmals auftreten,
während bei 40 und 47—65 Schritt eine mehr mergelige Beschaften-
heit der Schiefer, sowie bei 68—70 Schritt sogar eine den typischen
Calceolaschichten durchaus ähnliche, braun verwitternde, mergelige
Kalkbank sich einstellt, worauf jedoch von 72—74 Schritt eben-
schiefrige und auch durch ihre dunkle Farbe mehr den Goslarer
Schiefern ähnliche Thonschiefer als hangendster Theil folgen.
Von organischen Einschlüssen ist aus dieser Schichtenfolge
besonders Spirifer speeiosus BRONN hervorzuheben, und dieselbe,
da diese Art aus den höher auftretenden Goslarer Schiefern nicht
mehr bekannt ist, zu den Calceolaschichten zu stellen, ob indess
als eine obere Abtheilung dieser, bleibt noch fraglich, weil ihr
zweifelloser Zusammenhang mit dem Hangenden und Liegenden
in dem an Schichtenzerreissungen leider zu reichen Gebiete nicht
sicher zu erweisen ist.
Goslarer Schiefer. Aus ihrem Gebiete kam für die dies-
malige Kartirung besonders die Berücksichtigung ihrer unteren
Abtheilung mit der Einla;
gerung quarzitischer Grauwackensand-
oO
je)
steine in Betracht. Da die letzteren häufig allein nur zu beob-
achten sind, aber von gewissen Schichten des oberen schiefrigen
302 A. Harrar, Einige Notizen über im Jahre 1836 ausgeführte
Spiriferensandsteins petrographisch kaum unterschieden werden
können, so stösst bei dem gewöhnlichen Fehlen von Petrefacten
eine Trennung beider Stufen auf die grössten Schwierigkeiten, be-
sonders da. wo — wie an den Flössteichen ostnordöstlich von
Bockswiese — die Schichtenstörungen sich förmlich die Hand reichen.
Die örtlich bis auf 400 Schritte und mehr anwachsende Breite
der unteren Goslarer Schieferzone mit den quarzitischen Einlage-
rungen scheint an den verschiedenen Stellen ebenso zu schwanken,
wie die von kaum !/; Meter bis ausnahmsweise zu emigen Metern
anschwellende Mächtigkeit der letzteren. Ihr blaugraues bis sehr
hellfarbenes und dann am leichtesten mit Spiriferensandstein
zu verwechselndes Gestein ist feinkörnig, wohl nie ganz frei
von weissen Glimmerblättchen und einem bisweilen recht merklichen
Kalkgehalt in dem Bindemittel der Quarzkörnchen. Accessorisch
komnit in ihm sehr fein eingesprengt Schwefelkies ziemlich häufig vor
und ist in Stücken mit bräunlicher bis dunkelbrauner Verwitterungs-
rinde stets zu beobachten. Plattenförmige bis schiefrige Absonderung,
verbunden mit einer Anhäufung von weissen Glimmerschüppchen auf
den Schichtflächen, scheint, ausser an den Grumbacher Teichen,
selten aufzutreten.
Oberdevon. Was das Oberdevon betriftt, so ist es neuerdings
möglich geworden, die von mir in der Zeitschrift d. Deutsch. geol.
Gres., Jahrgang 1876 5.449 genauer beschriebenen, sehr eigenthüm-
lichen, vorwiegend dunkel- bis blaugrauen Schichten von der West-
ecke des Südrandes des Oberen Grumbacher Teiches sowie die hellen,
ausnehmend milden, auf dem Querbruche bunt gebänderten, thonig-
sandigen Gesteine, welche in dem Wasserrisse der Ausfluth des
Schalker Grabens daselbst anstehen und mit ersteren unmittelbar
zusammenhängen, ihrem Alter nach näher zu deuten. Westlich
des Teichdammes sind nämlich die dickschiefrigen, den sogen.
Oberharzer Kramenzelkalk (Intumescensschichten) gewöhnlich be-
gleitenden, graugrünen Thonschiefer zu beobachten, und in deren
Hangendem compacte, auf dem Querbruche fein gebänderte, dunkle
Thonschiefer, ganz ähnlich denjenigen, welche weiter nördlich im
(Giebiete des Blattes Zellerfeld mindestens erst über der untersten
Knotenkalkbank vorkommen. Da nun die fraglichen Schichten
geognostische Untersuchungen auf dem nordwestlichen Oberharz. 303
fast in die streichende Fortsetzung dieser Schiefer, nur in ein etwas
hangenderes Niveau, fallen, so müssen sie mindestens schon dem
unteren Oberdevon angehören. Unter den zahllosen winzigen Ptero-
podenschälchen, meist Tentaculiten, welche sie einschliessen, kommt
auch Styliola sp. vor. Von Malacozoön ist mit Sicherheit eine Cardiola
zu erkennen, welche trotz ihrer schlechten Erhaltung als ©. retrostriata
v. Buch zu deuten ist. Häufiger findet sich ein glattes, schein-
bar querovales Brachiopod von meist nur 12 Millimeter Breite bei
9 Millimeter Länge. Bleibt auch zumal bei seiner mangelhaften Er-
haltung und verquetschten Gestalt eine genauere Bestimmung des-
selben vorläufig ausgeschlossen, so erinnern die gesammelten Indi-
viduen doch meistens an Formen, wie solche MAURER in seiner
‚Fauna der Kalke von Waldgirmes« als Merista Hekate BARRANDE
und deren Varietät planolata S. 169 beschreibt und auf Taf. VII
in Fig. 13 u. 15 abbildet.
Die Lagerungsverhältnisse sind an fast allen Stellen des
bezüglichen Gebietes ungemein verwickelt. Das Schichtenstreichen
zeigt zwar, im Ganzen betrachtet, die vorherrschende oberharzer
Richtung aus SW nach NO, weicht aber — in Folee der Sattel-
fe) >
bildung im Grossen wie im Kleinen — örtlich hiervon nicht un-
wesentlich ab. So kann, beispielsweise besonders am Südrande
des Devonsattels NO-lich Bockswiese, in der ungemein gestörten
kleinen Mulde an den Flössteichen, an dem Mittleren und z. Th.
auch Oberen Grumbacher Teiche ein Streichen in hora 5 bis 7) be-
obachtet werden, während die Schichtenfaltungen im Kleinen, wie
2. B. an dem östlichen Absturze des Herzberges, hier im Goslarer
Schiefer, sogar Streichungsrichtungen in h. 8-10 in einer steilen
Sattelwendung nachweisen. Das Schichtenfallen ist ausser der an
wenigen Punkten beobachtbaren Neigung nach NW nur ein süd-
östliches. Da aber überall als Faltungen im Grossen Sättel und
Mulden vorliegen, deren Flügel in ihrem Zusammenhange nicht
aufgeschlossen sind, so wird bei dem fast immer nach derselben
') Die Compassangaben beziehen sich auf directe Ablesungen von dem
sächsischen Grubencompass. Die magnetische Deklination nach Westen betrug
während der Aufnahmezeit für das untersuchte Gebiet annähernd 12% 33’, war
demnach h. 0.6. 10. O. nach diesem Compasse.
304 A. Haurar, Einige Notizen über im Jahre 1886 ausgeführte
Richtung geneigten Schichtenfallen die Erkenntniss der Lagerungs.
verhältnisse besonders darum schwer, weil ja beinahe überall so-
genannte »Ueberkippung« stattfindet. Es ist alsdann der unter
dem hangenden Flügel eines solchen Sattels auftretende, örtlich
allein nur blossgeleste liegende Flügel desselben sehr schwer als
oO‘
o°-
rleichen Verhältnissen
te)
dieser zu erkennen und ebenso schwer unter o
der über den liegenden Flügel einer derartigen Mulde fallende
hangende Flügel derselben. Die Schwierigkeit, diesen ver-
wickelten Schichtenbau richtig zu deuten, wird dadurch noch be-
deutend gesteigert, dass Sättel und Mulden durch Verwerfungen,
welche sie in verschiedenen Richtungen durchsetzen, völlig verun-
staltet werden.
Das sogenannte niederländische System der Schichtenfaltung
herrscht vor. In dem grossen Communion-Stembruche am Rammels-
berge macht sich neben diesem jedoch auch das hercynische
Faltungssystem bemerkbar, indem aus der Sohle dieses Bruches
in Form grosser Wülste sattelförmige, theils an beiden Enden
sehr flach abfallende Aufstauungen des Spiriferensandsteins her-
vortreten,. welche an zwei Punkten in h. 9 und h. 9. 6. 12 etwas
schräg gegen die hier etwa in h. 4 liegende Haupt-Faltungs-
richtung beobachtet wurden.
Schichtenzerreissungen sind, wie wiederholt erwähnt, in grosser
Zahl und Mannigfaltigkeit in unserem schmalen Gebirgsstreifen
>
vorhanden. Die meist schon eingangs kurz angeführten Quer-
verwerfungen wiegen vor; doch fehlt es auch nicht an ınehr oder
minder streichenden Zerreissungen und solchen, die in einer an-
nähernd N — S-lichen Richtung verlaufen. Eine bedeutende und
am meisten auffallende Querverwerfung trennt bei offenbarem Ein-
fallen nach SW in schätzungsweise h. 10 im südwestlichen Theile
des Glockenberges Spiriferensandstein südwestwärts von Goslarer
Schiefer gegen NO. Dieselbe findet ihre — ob unmittelbare? — Fort-
setzung in einer Spalte, welche den auf der C. Reuss’schen Ueber-
sichtskarte von der Stadtforst Goslar (Maassstab 1:16000) » Alter
Harzweg«
genannten Rücken des »Thomas-Martins- Berges« der
Generalstabskarte quer durchschneidet und wohl mit kleinen Unter-
brechungen bis zur Thalsohle der Gose fortsetzt. Spiriferensandstein
geognostische Untersuchungen auf dem nordwestlichen Oberharz. 305
und Calceolaschichten werden hierbei mit ihrer westlichen Grenze
unterhalb der alten Chaussee ostsüdostwärts bis zur Gose ver-
schoben. — Eine andere Hauptquerverwerfung durchsetzt erst die
Nord-, dann die Südseite des Schachtthals und zieht sich, wahr-
scheinlich mit geringer Unterbrechung im Gose- und vielleicht auch
Grossen Schleifsteinsthale bis ins Kleine Schleifsteinsthal fort, wo an
ihr, mitten im Gebiete des Spiriferensandsteins, nochmals Calceola-
schichten in einer sehr kleinen Partie zum Vorschein kommen. —
An der westlichen und besonders nördlichen Abdachung des Herz-
berges scheinen, wie schon oben angedentet, emige kleine, im
Allgemeinen west-östliche Querverwerfungen vorzuliegen, die z. Th.
dem Weissen Hirsch’er Gangzuge angehören. Durch dieselben
erscheint das Calceolaschichtenband in kurze, «leichsam staffel-
förmig angeordnete Stücke zerrissen, in deren Zwischenräumen
der Spiriferensandstein im S unmittelbar an die Goslarer Schiefer
im N stösst.
Besonders bemerkenswerth für diesen Harztheil ist das Auf-
treten einer förmlichen zweiten Transversalschieferung neben der
bisher nur allein bekannten. Dieselbe stellt sich erst am nörd-
N.
es
S.
“
Grundriss.
Jahrbuch 1886. 30
306 A. Harrar, Einige Notizen über geogn. Untersuchungen ete.
lichen Gebirgsrande ein und ist westlich Goslar — schon ausser-
halb unseres Gebietes — in dem Hohlwege um den nördlichen
Fuss des Steinberges, sonst im untersten Theile der Ausfluth des
Herzberger Teiches südlich des Rammelsberg-Bergwerkes im Gos-
larer Schiefer zu beobachten.
An letzterem Punkte liegt das Streichen der ganz versteckten
Schichtung (S in vorstehendem Grundrisse), welche nur aus der
helleren und dunkleren Bänderung der Schiefer auf ihrem Quer-
bruche zu erkennen ist, in h. 5. 4: das Fallen ihrer unter 46° ge-
neigten, fein flach und unregelmässig gerunzelten Schichtflächen
ist nach SSO gerichtet. Die gewöhnliche Transversalschieferung (I)
mit der bekannten, ungemein weit gehenden Spaltbarkeit und mit
ebenen, indess überaus fein gefältelten Ablösungsflächen, durchsetzt
die Schichtung in h. 4. 4 und fällt unter 330 gegen SO ein, wogegen
die ungleich gröbere, zweite Schieferung (II) mit ihren deutlich
und zum Theil parallel geriefelten Flächen m h. 3 streicht und
unter 50% nach OSO fällt. Von den mehrfachen Zerklüftungen
verläuft die eine, ziemlich scharfe (1), ın h. 1 unter 55° Fallen
gegen W (nur am Beobachtungspunkte), scheint im Allgemeinen
jedoch in h. 3 zu liegen und steil ostwärts einzufallen. Durch
ihre häufige Wiederholung in geringem Abstande nähert sie sich
fast wieder einer transversalen Schieferung. Sie wird von einer
nahezu glattflächigen zweiten Abschlechtung (2) in einem spitzen
Winkel von 50—70° geschnitten. — Durch all’ diese Absonde-
rungen werden die Schiefer in vielflächige, spitzwinklige, in der
Mächtigkeit sehr niedrige Stücke zerlegt.
Ueber Gervillia Goldfussi von STRONBECK.
Von Herrn W. Frantzen in Meiningen.
(Hierzu Tafel X.)
In den Schaumkalkbänken (Zone y der geologischen Karten)
kommt bei Meininzen neben der Gervillia socialis und einer sehr
schiefen, als Gervillia modiolaeformis, polyodonta und Albert
citirten Species auch eine Gervillien-Form vor, welche sich durch
ihre Aufgetriebenheit und die glatte Oberfläche der Schale aus-
zeichnet. Ich werde dieselbe weiterhin als @ervillia Goldfussi be-
zeichnen. Sie findet sich in Gesellschaft der Myophoria orbieularis
bereits zahlreich in der unteren Bank, in ungeheuerer Menge aber
in der oberen Schaumkalkbank, in welcher das Gestein zuweilen
mit den Steinkernen dieser beiden Muscheln ganz angefüllt ist
und worin sie so vorherrschen, dass man an manchen Orten in
dieser Bank fast allein diese Petrefacten zu sehen bekommt. Die
genannten beiden Arten sind in grösserer Menge bei emander in
der Umgebung des Thüringer Waldes nur in diesem Horizonte
vorhanden und als Leitfossilien der Schaumkalkzone von grösster
Wichtigkeit.
In der Literatur !) herrscht über die bezeichnete glatte @ervillia
eine grosse Verwirrung, sodass es mir nicht überflüssig erscheint,
meine Beobachtungen über dieselbe hier mitzutheilen.
) vox Srmomseer, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. 1, S. 115.
Crnpsur, Neues Jahrb. f. Min. ete. S. 641, Jahrg. 1851.
Gieger, Versteinerungen von Lieskau. 8.32 ff.
vox Scnaurorn, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. IX, S. 55.
vox Sersacn, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. Bd. XII, S. 551.
von Ausert, Uebersicht über die Trias. S. 82.
20*
308 W. Frantzex, Ueber Gervillia Goldfussi vos StRomBEcK.
Die Versteinerung (Fig. 1a, 1b und Fig. 2, Tafel X) ist in
ihrem äusseren Umrisse, in der Höhe ihrer Wölbung, der Rich-
tung derselben gegen den Schlossrand und auch im Bau des
Schlosses etwas veränderlich. Ihre Länge steigt an dem grössten
mir vorliegenden ausgewachsenen Exemplare in der Richtung der
Axe
beide hoch gewölbt und äusserlich einander fast ganz gleich, die
gemessen auf 2,5 Centimeter. Die Schalen sind ebenrandig,
linke nur wenig höher, als die rechte. Unter allen Gervillien des
Muschelkalks ist diese am meisten aufgetrieben. Die Muscheln
sind zweiflügelig, ebenrandig und haben einen geraden Schloss-
rand, über welchen der sehr weit nach vorn liegende und nach
dieser Seite hin gekrümmte, stumpfere oder spitzere Wirbel ge-
wöhnlich nur wenig hervorrast.
Der vordere Flügel ist klein. Er fällt vom Wirbel aus schräg
nach vorn abwärts und ist vorn abgerundet; an einigen Exem-
plaren wird er ein wenig breiter und spitziger. Unter dem kleinen
Flügel erscheint der Vorderrand der Schalen etwas eingedrückt.
Der hintere Flügel ist breit und gewöhnlich zu einer mehr oder
weniger langen Spitze ausgezogen. Es kommen jedoch auch
Exemplare vor, an denen der hintere Rand der Schale unter
einem stumpfen Winkel gegen den Schlossrand stösst. Bei den-
jenigen Schalen, welche hinten eine Spitze besitzen, ist der hintere
Rand mehr oder weniger tief sichelförmig ausgeschnitten, während
bei solchen, die hinten stumpf sind, die Einbuchtung nur unbe-
deutend zu sein pflegt.
Vom hinteren Ausschnitte aus erstreckt sich der hintere Rand
der Schale unter einem stumpfen Winkel gegen die Richtung des
Schlossrandes zur hinteren Ecke. Hier bildet der Schalenrand
einen mit kleinerem Radius beschriebenen Kreisbogen, der gegen
den Vorderrand hin m einen Kreisbogen mit grösserem Radius
übergeht. Der vordere and verläuft etwas bogig unter spitzem
Winkel gesen den Schlossrand. So erhält die Muschel im All-
semeinen einen rhombischen Umriss.
Der Winkel, welchen die höchste Wölbung der Schale mit
der geraden Schlosslinie macht, ist nur mässig schief und schwankt
=
zwischen 40 und 50 Grad. Erstere ist mehr oder weniger vom
W. Franızex, Ueber Gervillia Goldfussi vox STRonBEer. 309
Wirbel aus nach hinten hin gekrümmt, ähnlich wie bei Gervillia
socialis, nur nicht so stark, wie bei dieser Species. Besonders
deutlich tritt diese Krümmung an der linken Klappe hervor (Fig. 1a).
Vom Wirbel aus erhebt sich die Schale, besonders die linke mit
starker Wölbung aufwärts; auch nach den Seiten hin fällt die
Schale in der Nähe des Wirbels steil ab. Weiter gegen den
unteren Rand hin hält sich der Scheitel der Wölbung nahe beim
vorderen Rande der Schale, sodass die Muschel nach dieser Seite
hin steiler abfällt, als nach hinten. Auf diese Weise erhält die
Muschel das gedrehte Aussehen.
Bei eimigen Schalen, besonders solchen, die ungewöhnlich
schmal sind, erreicht der Rücken eme ganz auffallende Höhe und
eine gewisse kantige Beschaffenheit, welche durch das steile Ab-
fallen der Schale gegen den hinteren Flügel hervorgerufen wird.
Solche Exemplare pflegen auch stärker gekrümmt zu sein, wie
die gewöhnlichen Formen. Eine Schale dieser Art hat GIEBEL
a.a. O. Taf. VII, Fig. 11 abgebildet.
An den Steinkernen erfolgt der Uebergang vom Rücken in
die Flügel gewöhnlich ganz allmählich; an den äusseren Ab-
drücken der Schalen sieht man jedoch, dass sie zwar nicht scharf,
aber doch mehr oder weniger deutlich von einander abgesetzt
sind.
Diese Versteinerungen sind, wie die Abdrücke derselben be-
weisen, bei Meiningen stets glatt. Sie zeigen wenigstens keine
stärkeren Anwachsstreifen, als die @ervillia socialis und andere
als glatt bezeichnete Muscheln.
Im Innern der Schalen sieht man zuweilen die Eindrücke des
Mantelrandes und des Muskels. Ihre Beschaffenheit stimmt genau
mit der Beschreibung, welche v. QUENSTEDT in seiner Petrefacten-
kunde S. 514, Tübingen 1852, davon macht, überein. Der Mantel-
eindruck zeigt die von ihm erwähnten perlförmigen Vertiefungen
und läuft von den Schlosszähnen aus parallel mit dein Muschel-
rande in einiger Entfernung von demselben nach dem grösseren
hinteren Muskeleindruck. Den kleinen Muskeleindruck vorn kann
ich jedoch an meinen Exemplaren mit Sicherheit nicht erkennen
(Fig. 3).
310 W. Franszen. Ueber Gervillia Goldfussi von StromsEck.
Das Schloss enthält m der rechten Schale (Fig. 4 und 4a)
unter dem vorderen Flügel einen starken, hohen, etwas schräg
nach hinten gerichteten, dreieckigen, mit der Spitze dem Schloss-
rande zugekehrten Zahn. Daneben liegt jederseits eine Grube für
die beiden Zähne der linken Schale, die vordere Grube fast senk-
recht gegen den Schlossrand, die hintere schräg in der Richtung
der Wölbung der Schale nach hinten hin gekehrt. Unter dem
Schlossrande befindet sich ferner in der rechten Schale ein langer,
leistenförmiger Seitenzahn, welcher sich erst in einiger Entfernung
vom Wirbel vom Schlossrande loslöst und sich, mit ihm einen
sehr spitzen Winkel bildend, bis nahe zum hinteren Rande der
Schale hin erstreckt. In der linken Schale (Fig. 5b) ist ein ähn-
licher Leistenzahn vorhanden. Er löst sich jedoch in dieser Klappe
nur wenig vom Schlossrande ab und greift in eine Grube zwischen
dem Schlossrande und dem Leistenzahn in der rechten Schale ein.
Unter ihm sieht man in der linken Schale zuweilen noch ein
zweites, sehr feines, kaum bemerkbares ähnliches Leistchen.
Die Bandfläche über dem Schlossapparate ist ziemlich breit,
mehr oder weniger nach dem Innern der Schale zu geneigt und
mit zur Längsrichtung parallelen Furchen versehen. Sie enthält
bei den typischen Exemplaren mehrere Ligamentgruben (Fig. 3—5),
welche mehr oder weniger schräg nach hinten hin eingeschnitten
sind und über welche sich die Furchen der Bandfläche ebenfalls
hinwegziehen. Gewöhnlich zählt man 5 grössere Gruben. An
manchen Schalen, namentlich an grösseren Exemplaren, findet
er
man hinter ihnen zuweilen noch 2 weniger scharf ausgeprägte
kleinere. An anderen Exemplaren sinkt jedoch die Zahl der
Bandgruben auch wohl unter 5 herab und an einzelnen fehlen sie
gänzlich.
Die eben beschriebene Versteinerung steht unter den Muschel-
kalkgervillien der Gerrillia costata ziemlich nahe und ist von den
meisten Schriftstellern mit dieser Species vereinigt worden; doch
ergiebt eine nähere Vergleichung so erhebliche Unterschiede, dass
ein solches Verfahren nicht gerechtfertigt erscheint.
Die typische Gervrllia costata, von der zur Vergleichung ein
Exemplar aus der hiesigen Gegend, welches aus den untersten
W. Franszen, Ueber Gervillia Goldfussi vos Srromgeer. 311
Schichten mit Ammonites nodosus von llümpfershausen unweit
Meiningen stammt, in der Taf. X, Fig. 6a, b u. c abgebildet ist,
besitzt auf der linken Schale hohe concentrische, lamellenartige
Anwachsstreifen, während die rechte nur die gewöhnliche An-
wachsstreifung zeigt. Die linke Schale ist viel weniger aufge-
trieben und auch weniger gedreht, wie bei Gervillia Goldfussi.
Ein sehr wesentlicher Unterschied der beiden Petrefacten liegt
endlich darin, dass die beiden Schalen der @ervillia costata sehr
ungleich sind; die linke ist hoch, die rechte dagegen verhältniss-
mässig flach und deckelartig. In dieser Beziehung nähert sich
diese Art der Formenreihe der @ervillia socialis. Von dem Schlosse
der Gervillia costata kann ich eine Beschreibung nicht geben, da
das von mir gesammelte Material hierzu nicht ausreicht. Nach
der von ÜREDNER davon gegebenen Abbildung muss man jedoch
annehmen, dass dasselbe mit dem der @Gervillia Goldfussi nicht
übereinstimmt.
In Bezug auf die äusseren Umrisse der Muschel und die
Ausbildung der Flügel ist die Gervillia costata der Gervillia Gold-
Fussi ganz ähnlich. Der hintere Flügel ist deutlich abgesetzt und
in eine mehr oder weniger lange Spitze ausgezogen, welche an
dem abgebildeten Exemplare, wie die Anwachsstreifen beweisen,
ursprünglich ebenfalls vorhanden war, jedoch abgebrochen ist.
Dass trotz dieser erheblichen Unterschiede im Bau der beiden
Versteinerungen der Irrthum über die Zugehörigkeit der glatten
Schaumkalkgervillie zur @ervillia costata sich lange erhalten konnte
ist meines Erachtens in nicht geringem Grade dem Einflusse zu-
zuschreiben, welche eine der ersten Arbeiten über diese Gervillie,
die des Herrn von STROMBECK, auf die späteren Schriftsteller
ausgeübt hat. Es lässt sich an den Worten, deren sich manche
bei der Beschreibung der Gervillia costata bedienen, und welche
zum Theil mit denen von STROMBECK's übereinstimmen, dieser
Einfluss recht wohl verfolgen.
Herr VON STROMBECK unterscheidet in seiner Arbeit diejenigen
Exemplare der @ervillia Goldfussi, an welchen er keine Band-
gruben fand, von solchen, an denen sie vorhanden waren. Die
ersteren stellte er zwar irrthümlich zum Genus Pterinea, beschreibt
312 W. Franzen, Ueber Gervillia Goldfussi vos Srronssck.
sie aber sonst so treffend, dass über die Identität dieser Ver-
steinerung mit der Gervillia Goldfussi kein Zweifel aufkommen
kann.
Bemerkenswerth ist in seiner Beschreibung besonders, dass
er diese Muschel als glatt bezeichnet, aber mit dem Zusatze:
»jedoch zeigt sich an einzelnen Exemplaren eine undeutliche An-
wachsstreifung«.
Seltsam erscheint es, dass VON STROMBECK die Zusammen-
gehörigkeit derjenigen Varietäten im Schaumkalk, welche keine
Bandgruben besitzen, mit solchen, welche sie haben, nicht erkannte,
Letztere vereinigte er mit der typischen @ervillia costata des oberen
Muschelkalks, die er als »mehr oder weniger gerippt«e beschreibt.
Im Uebrigen macht er auch von seiner Gervillia costata eine
Beschreibung, welche nicht auf die typische costata, sondern Wort
für Wort auf die Schaumkalk-Gervillie passt. Man kann, abge-
sehen von dem eben erwähnten Unterschiede, die Beschreibung
der Pterinea Goldfussi und diejenige der Gervillia costata die eine
durch die andere ersetzen.
Es kann das auch nicht anders sein, da VON STROMBECK bei
seiner Beschreibung gar keine echte @ervillia costata vor sich hatte,
sondern, wie aus seiner Aussage a. a. O. S. 193 hervorgeht, eine
Gervillia Goldfussi aus dem Schaumkalk mit deutlichen Ligament-
gruben. Es ist wichtig, dies festzustellen. Man kann aus der
VON STROMBECK’schen Darstellung selbst sehr wohl erkennen, dass
er nur durch die Vereinigung der Gervillien aus dem Schaumkalk,
die er als Pferinea ausdrücklich als glatt bezeichnet, mit den
Gervillien aus dem oberen Muschelkalk bestimmt worden ist, von
»mehr oder weniger starks hervortretenden Zuwachsstreifen zu
reden. Die Worte »weniger starke beziehen sich auf die Ger-
villien des Schaumkalks, die Worte »stark hervortretende Zuwachs-
streifen« allein auf die Gervillien aus dem oberen Muschelkalk.
Es ist dies ein Ausdruck, der sich bei mehreren späteren Schrift-
stellern wiederfindet, und wie mir scheint, wenigstens von einigen
derselben zum Schaden ihrer Bestimmungen der Darstellung von
VON STROMBECK oder auch der von GOLDFUSS entnommen wor-
den ist.
W. Frantzen, Ueber Gervillia Goldfussi vox Srkomsuck. 313
Was die übrigen oben angeführten Schriftsteller aus dem
Schaumkalk als Gervillia costata beschrieben haben, gehört nur
zum Theil dahin, grösstentheils aber zur Gervillia Goldfussi.
Die von GIEBEL a. a. OÖ. 8.33 als Avscula Bronni be-
schriebene Gervillie ist, wie bereits Herr von SEEBACH richtig
erkannte, eine Gervillie, an welcher die Ligamentgruben ver-
kümmert sind. Sie ist zweifellos, wie aus der Höhe des hückens
und aus der gedrehten Beschaftenheit derselben hervorgeht, eine
linke Schale der Gervillia Goldfussi. Er beschreibt sie auch ganz
richtig als glatt, irrt aber, wenn er, wahrscheinlich befangen durch
die Beschreibungen seiner Vorgänger, glaubt, dass sie auf dem
Rücken nur abgescheuert, ursprünglich aber gerippt gewesen seı.
Die Gervillia costata aus dem Schaumkalk, welche GIEBEL
von der Avzicula Bronni trennt, halte ich ebenfalls für identisch
mit der Gervillia Goldfussi v. SCHAUR. Ich schliesse dies daraus,
dass er von den lamellenartigen Anwachsstreifen der echten @er-
vrllia costata in seiner Beschreibung nichts erwähnt, was sicher
nicht unterblieben wäre, wenn er sie an seinen Exemplaren ge-
funden hätte, ferner aus dem Umstande, dass er ausdrücklich sagt,
die Klappen seien hoch gewölbt. Uebrigens sieht man der etwas
dürftigen Beschreibung dieser Versteinerung und der Abbildung
durch GIEBEL an, dass ihm nur schlechtes, ungenügendes Material
bei seiner Arbeit vorgelegen hat.
Die von ÜREDNER aus dem Muschelkalk als Gervillia costata
angeführten Gervillien, besonders das abgebildete, aus dem Schaum-
kalk stammende Exemplar, dürften schon in Hinsicht auf den
abweichenden Zahnbau, wohl zweifellos zu der echten Gervillia
costata zu ziehen sein.
Die durch von SCHAUROTH (a. a. O. S. 104 ff.) aufgestellten
Varietäten der Gervillia costata hat schon VON SEEBACH (a. a. O.
S. 592) eingezogen, lässt es aber zweifelhaft, ob er dieselben nun
durchweg auf die übrigen Arten richtig vertheilt habe. Bei Varietät
Goldfussi ist dies zu verneinen, da dieselbe wegen des Fehleus
der Rippen zu der echten Gervillia Goldfussi gehört, die aus den
oben angeführten Gründen mit Gervillia costata nicht vereinigt
werden kann.
314 W. Franzen, Ueber Gervillia Goldfussi von Stromgeck.
Ich glaube in vorstehenden Mittheilungen erwiesen zu haben,
dass eine Trennung der @Gervillia Goldfussi von der costata ge-
rechtfertigt ist und schlage für diese Species die angegebene Be-
zeichnung mit dem Zusatz: VON STROMBECK als Autor vor, da
durch ihn diese Versteinerung bereits hinreichend gekennzeichnet
worden ist.
Bis weitere Untersuchungen die Verhältnisse genügend auf-
geklärt haben werden, kann man zur ersteren alle ähnlichen
glatten Formen mit grösserem Axenwinkel aus dem Wellenkalk
und oberen Muschelkalk, zur @ervillia costata aber alle stark con-
centrisch gerippten aus diesen Schichten stellen.
(Geologische Beobachtungen
im Gebiete des liesstischblattes Charlottenbrunn
(Eulengebirge).
Von Herrn F. M. Stapff in Weissensee.
Diluvium. Die Grenze zwischen der schlesischen Diluvial-
ebene und dem, meist unvermittelt aufsteigenden, NW-Eulen-
gebirge verläuft in der NO-Ecke der Section in 310—320 Meter
M. H. Doch sind auch über diesem Horizont mit Diluvialbil-
dungen die Berggehänge stellenweise bedeckt und grössere Thäler
beschüttet, während die Diluvialdecke von anderen Gehängen
wieder weggefegt scheint, und postdiluviale Erosionsthäler durch
dieselbe in den Gneiss und seinen Grundschutt geschnitten sind.
Das Diluvialmaterial der Ebeme ist hier ganz überwiegend
Eulengebirgisch und Waldenburgisch. Nordische Gesteine (Granit,
Porphyr, Feuerstem u. a.) und tertiäre Sandsteinquarzite lassen
sich darın wohl überall auffinden, sind aber quantitativ stets unter-
geordnet. Die Masse ist aus dem Gebirge herbeigeführt, und
die fremden Anhängsel desselben müssen gleichfalls zuerst im
Gebirge abgelagert gewesen oder vor demselben dem heraus-
geschwemmten Gebirgsdiluviunm beigemengt worden sein. Ersteres
scheint Regel.
Das Gebirgsdiluvium wurde lediglich durch fliessendes Wasser
heraustransportirt. Vor der Mündung des Hauptthales — dem
fjordartigen Weistritzthal — lagerte es sich deltaartig mit nur
316 F. M. Srarer, Geologische Beobachtungen im Gebiete
9/o0o Böschung ab, ohne die flache Bucht ganz zu verlegen, in
deren Boden später das jetzige Flussthal eingeschnitten wurde.
Vor verhältnissmässig unbedeutenden Bächen, z. B. dem Ludwigs-
dorfer Wasser und dem Kohlbach, legten sich dagegen wirkliche
Schuttkegel an. Quer durch den Ludwigsdorfer vertiefte sich
nachmals die Rinne des jetzigen Bachthalbodens, auf dessen beiden
Seiten der Steilfuss des Schuttkegels gegen die Ebene deutlich
hervortritt (freilich nicht auf der topographischen Karte). Der
Kohlbach ist (und war) zu wasserarm, um sich in seinen Schutt-
kegel merklich einzugraben: er fliesst jetzt noch auf dessen Rücken,
während der Hurengraben der Einsenkung zwischen dem Kohl-
bach- und Ludwigsdorfer Schutt- Kegel folgt.
Das in die Ebene geschobene Gebirgsdiluvium besteht haupt-
sächlich aus Geröllen, Kies und Sand. Blöcke sind darin selten,
auch die Nordländer messen höchstens ein paar Kubikfuss. Ueber-
wiegend aus sehr feinem Sand besteht der Kohlbachschuttkegel
(wenigstens oberflächlich) und die südliche Hälfte des Ludwigs-
dorfer Schuttkegels. In der Sandgrube daselbst (östliche Blatt-
grenze) gewinnt man weit gesuchten Formsand. Auffällige
Biegungen und Einwickelungen der Kies- und Sandschichten
an der Südseite dieser Grube sind sicherlich keine Schub- und
Druckphänomene, sondern Folge lokaler Wasserströmungen und
Wirbel. Die Schuttkegelnatur zeigt sich aber am deutlichsten
nördlich vom Ludwigsdorfer Wasser, m der Sandgrube des
Kretschamberges, wo die Kies- und Sandschichten dem Kesgel-
mantel gleichsinnig unter ca. 40% segen die Ebene abfallen und
nahe der Oberfläche horizontal umbiegen; entsprechend dem Bau
unter stehendem Wasser abgelagerter Schuttkegel, z. B. dem
der Arve bei Genf.
Das diluviale Schwemmland ist am Gebirgsfuss sehr häufig
mit lössartigem Lehm und fenem lehmbindigem Sand be-
deckt. Scharfe Grenzen dieser Decke lassen sich aber nur schwierig
ziehen, da nach langer Cultur die Ackerkrume auf Diluvial-Sand
und -Kies gleichfalls feinerdig und bindiger scheint. Decksand
und Löss bezeichnen hier das Ende der diluvialen Aufschwem-
des Messtischblattes Charlottenbrunn (Eulengebirge). 317
mungen; sie scheinen entweder unter flachem stagnirendem Wasser
langsam abgesetzte, oder auch durch Regen zusammengespülte, zarte
Erdpartikel, analog dem sogenannten »Lätt« der Jetztzeit zu sein.
Das Diluvium der Ebene greift bis zum Schlesierthal auf-
wärts in das Weistritzthal ein, welches dahin von, stellenweise
unterbrochenen, in 320 Meter M. H. horizontal verlaufenden Flach-
rändern eingesäumt ist. Dem vorherrschenden Gneissschuttmaterial
derselben sind Diluvialgerölle beigemenst. Die Lehmdecke
auf den Weistritzflachrändern ist besonders mächtig und zusammen-
hängend nördlich und nordöstlich vom Schloss, sowie um den
Kirchhof von Oberweistritz. Neben Gmeissbrocken kommen im
Lehm vereinzelte Feuersteine und nordische Granitgerölle vor.
Der jetzige Thalweg ist steilrandig 0—30 Meter tief in den Boden
eeblieben
eingegraben, von welchem die erwähnten Flachränder &
sind; einzelne nordische Granitblöcke im Flussbett sind verrollte
Ueberbleibsel der Diluvialmasse.
Der in etwa 320 Meter M. H. sich hinziehende Diluvialstrand
bezeichnet nur die letzte lokale Station des den Grebiresfuss noch
bespülenden Diluvialmeeres. Dasselbe hat vorher viel höhere
Horizonte erreicht, und aus diesen sich ruckweise zurückgezogen.
Westlich von Burkersdorf bedeckt ein von der Kbene bis zu
430 Meter M. H. aufsteigender Diluvialzipfel das Berggehänge;
und in früheren Berichten wurde eine kleine geschlossene zeschich-
tete Diluvialablagerung (mit nordischen Geröllen), zwischen Hexen-
stein und Hausdorf in 550 — 560 Meter M. H., erwähnt; desgl.
Lehmlager mit Feuerstein in demselben Horizont an dem
Heidelberg. Ueber diesem Horizont habe ich keine Diluvial-
ablagerungen mit auswärtigen Greröllen mehr wahrgenommen, und
der höchste nordische Granitfindling liest zwischen Leutmanns-
dorf und Heinrichau, 520 Meter ü. M. Vereinzelte Diluvial-
gerölle findet man aber, unterhalb 560 Meter M. H., auf vielen
flachen Rücken und Kuppen, deren Contouren lanzdauernder Be-
spülung durch Meeresfluthen ihre eigenthümliche Rundung und
Profilirung verdanken mögen. Ihre ehemalige, vielleicht dünne,
Diluvialdecke ist nachmals zusammen mit dem Grundschutt ver-
318 F. M. Starr, Geologische Beobachtungen im Gebiete
schwemmt worden, und in der grossen Masse des Gneissschwemm-
schuttes verschwinden fast die Grerölle der Diluvialdecke. In wirk-
lichem Gmeissgrundschutt kommen sie nie vor; und wo an den
Gehängen kleiner Querthäler nur solcher erscheint, hat man es mit
postdiluvialen Rüfen zu thun.
Die meisten Strandverflachungen (zwischen 560 und 320 Meter
M. H.) — von auf der Karte gleichfalls gelb bezeichneten Resten
alter Flussthalböden ist jetzt nicht die Rede — gruppiren sich
besonders um die mittleren Horizonte 390, 440, 485 Meter. Am
bemerkenswerthesten unter diesen erscheint der Horizont 390 Meter,
denn die Diluvialablagerungen von Erlenbusch, Mährlestein und
Kynau liegen sämmtlich zwischen 400 und 370 Meter M. H., sodass
man sich dieselben als vom Gebirge zugeführte Ablagerungen im
Weistritzfjord vorstellen darf, dessen Wasserspiegel während ihrer
Ablagerungen sich aus 400 in <370 Meter senkte. Durch die
Senkung traten nach und nach die Thalschwellen S. von der Panten-
mühle (400 Meter), am Mährlestein (385 Meter), und bei Kynau
(370 Meter) hervor, hinter denen sich kleine Seeen aufdämmten,
worin ausser Kies und Sand auch Lehm und blaugrauer Thon
(Erlenbusch, Kynau) mit Holzüberresten zum Absatz gelangten.
Der einheimische Schutt dieser Ablagerungen enthält einzelne
Feuersteinbrocken, nordische Granite, u. a. (in der Kynauer
Lehmgrube polirt), sogar Bernstein (Erlenbusch). Die Seeen
hatten je 2 Abflüsse, von denen aber später nur je einer zum
jetzigen Weistritzthal vertieft wurde. Die 2 Abflüsse bei Kynau-
Schenkendorf communicirten zwischen Kynsburg (Schiesshütte)
und Kohlberg durch einen Querarm. Der südlichere dieser beiden
Abflüsse wurde zum jetzigen Schlesierthal vertieft. Von diesem
abwärts scheint das Weistritzthal schon zur Diluvialzeit offen @e-
wesen zu sein.
Schichtenbau. Der Schichtenbau auf der NO-Seite
des Eulengebirges ist sehr verwickelt und scheinbar unregelmässig.
Das entlang den NO gerichteten Thälern der Weistritz, des Ludwigs-
dorfer und Leutmannsdorfer Wassers vorherrschende nordöst-
liche Streichen dreht in den zwischenliegenden Bergrücken häufig
des Messtischblattes Charlottenbrunn (Eulengebirge). 319
in N und NW, sodass die Construction zu undulirender, selbst
rückläufiger, Schichtung führt, welche sich in den genannten
Thälern der nordöstlichen wieder anschmiegt. Ein zusammen-
hängendes Bild wird sich erst ergeben nach Aufnahme der NW-
Blattecke.
Gneisse. Von den beiden Hauptvarietäten des Biotit-
gneisses herrscht der breitschuppigflaserige entlang dem Weistritz-
thal und von da südwärts zum Ludwigsdorfer Wasser vor; der
feinkörnigschuppige zwischen letzterem und dem Leutmannsdorfer
Thal, und weiter südwestwärts bis zum Mühlbachthal. Endlose
Uebergänge und Verknüpfungen beider, sowie die oben angedeu-
teten Schichtenwirrungen, gestatten jetzt noch keine detaillirtere
Abgrenzung. Der breitschuppigflaserige Biotitgneiss ist nicht
selten körnig-massig struirt, und gleicht dann im Handstück grauem
Granit; die Verbandverhältnisse lassen jedoch keinen Zweifel
aufkommen, dass nur lokale granitähnliche Strukturvarietäten des
breitschuppigflaserigen Biotitgneisses vorliegen.
In der Umgebung von Oberweistritz setzen in letzterem Gre-
stein Schwerspathgänge auf, welche Sch wefelkies, Blei-
glanz, Zinkblende führend, öfters Bergbauversuche ver-
anlasst haben. Zwischen Michelsdorf und Mühlbach kommen im
feinkörnigschuppigen Biotitgneiss zahlreiche, z. Th. mächtige,
Pegmatit-trümer und -wülste vor, auf welchen zeitweilig
Feldspath (auch Albit) gebrochen wurde.
Grerölle und grosse Steine von Zweiglimmergneiss, meist
roth, mit dickschuppigem Kaliglimmer oder auch sehr feinkörnig,
granitisch, fast glimmerfrei; sowie Muscovitgneiss (unter-
geordnet), sind zusammen mit breitschuppigflasrigem und geröthetem
feinkörnigschuppigem Biotitgneisse auf einer 4 Kilometer langen
bis 1 Kilometer breiten Fläche ausgestreut, welche sich vom
Michelsdorfer Thal um den Kirchberg, Hahlberg und Schlossberg
herum zum Fuss des kleinen Höllenbergs erstreckt. Nirgends
aber sieht man diesen Zweiglimmergneiss und Muscovitgneiss an-
stehend; die Gerölle entstammen einem Conglomerat, von dem
weiter unten die Rede sein wird.
320 F. M. Srarer, Geologische Beobachtungen im Gebiete
Hornblendegesteine. Serpentin. Gabbro. Von spo-
radischen Vorkommnissen abgesehen, treten Hornblende gesteine
reichlich im Schlesierthal. bei Oberweistritz und Leutmannsdorf
auf. Die bekannten Oberweistritzer Vorkommnisse sind an ein
etwa kilometer-langes und -breites Ellipsoid von Granulit-
schiefer mit kleinen Granaten gebunden, welcher NNW streicht,
südwärts auskeilt, nordwärts gegen das Weistritzthal stumpf ab-
setzt, und im breitschuppigflasrigen Biotitgneiss liegt," ın den er
durch feinkörnigen, dem feinkörnigschuppigen Biotiteneiss ähn-
lichen aber feldspathreichen, streifigen Gneiss überzugehen scheint.
Namentlich am S- und SW-Rand des Granulitschiefers finden sich
Amphibolit- und Serpentin-Einlagerungen. Durch Aufnahme
von Hornblende geht der Granulitschiefer in (felsitischen) Horn-
blendeschiefer über, welcher mit grobkörnigem Amphibolit und
Serpentin wechsellagert. Der Serpentin ist mit dem Hornblende-
gestein in der Regel derartig verknüpft, dass er aus letzterem
hervorgegangen sein muss. Scheinbar durchgreifende Serpentin-
stöcke im Seylerwaldbruch sind dem Granulitschiefer concordant
eingelagerte, abgeschnittene, verworfene, und manchmal gestauchte
Schichten. Im Granulit kommt (makroskopisch) Disthen, im
Amphibolit Zirkon vor.
Von den Amphiboliten des Schlesierthals kannte man bisher
nur das unbedeutendste Vorkommniss, ein paar hundert Schritte
unterhalb des Gasthauses. Grössere Massen treten aber auf der
anderen Thalseite, am Fuss des Schiesshütten-, Kohl-, Hahnberges
auf; sowie (am rechten Weistritzufer) am Fuss des Waesteins.
Hornblendeschiefer und grobkörnige Amphibolitschichten wechsel-
lagern mit breitschuppigflasrigem Biotitgneiss, welcher in deren
unmittelbarer Nachbarschaft zu Hornblendegneiss, oder ver-
flossen feinkörnig, granulitschieferähnlich, wird. Wirklicher
Granulitschiefer, welcher in geringer Mächtigkeit am Weg
zwischen Schloss und Kynsburg entblösst ist, lässt sich nach
Lesesteinen, zu denen sich auch Amphibolitbrocken gesellen, den
Karretenweg entlang zum Amphibolitlager am Fuss des Schiess-
hüttenberges verfolgen. Dies Lager ist ausgezeichnet durch Knoten
des Messtischblattes Charlottenbrunn (Eulengebirge). 321
von Strahlstein und hellgrünem Pyroxen, welche auf an-
gewitterten Schichtflächen hervortreten.
Die Hornblendegesteine bei Leutmannsdorf und im Ludwigs-
dorfer Waldthal sind dünnstreifigem, feinkörnig-schuppigem Biotit-
gneiss eingelagert. Quarzitische (felsitische ?) Schichten des letzteren
werden dunkel, schwer, zähe durch Aufnahme von Hornblende,
und gehen allmählich in Hornblendeschiefer über, dem sich
mitunter wenig Serpertin zugesellt. Diese Vorkommnisse können
mit den Schlesierthäler und Oberweistritzer nicht in tektonische
Verbindung gebracht werden. Unter den sporadischen Hornblende-
eebundenen
eesteinvorkommnissen scheinen die an Pegmatit &
(@]
zwischen Michelsdorf und Mühlbach erwähnenswerth.
Vereinzelte Gabbroblöcke liegen am Fuss des Fuchsberges
bei Michelsdorf.
Culmgrauwacke und Porphyr. Eine bisher ganz unbe-
kannt gewesene, ca. 200 Meter lange, 100 Meter breite Insel von
Culmgrauwacke fand ich ?/3 Kilometer NW vom alten Ludwigs-
dorfer Forsthaus in 340— 360 Meter M.H. In einer unbedeutenden
Feldwegentblössung gehen die Schichten NW-NO; an den Acker-
rainen (zusammen mit Gmeiss) ausgelesene Steine deuten auf die
angegebene Ausdehnung. Das Gestein ist ein Arkoseconglo-
merat des rostig verwittert anstehenden breitschuppig-flasrigen
Biotitgneisses; einzeln herumliegende Brocken von grauem
Glimmersandstein verrathen aber, dass auch solcher hier
wenigstens angestanden hat.
Bedeutender ist eine Insel von Culmgrauwacke am Wege
vom Schlesierthale nach Ludwigsdorf und Leutmannsdorf, welche
schon Kalkowsky erwähnte, aber ohne des ihr eingeschalteten
Schlossbergporphyrs zu gedenken. Als sichelförmiger, kilo-
meterlanger und höchstens 0,3 Kilometer breiter Gürtel umgiebt
der feinkörnige (selten conglomeratische) graue Glimmersandstein
die Süd- und Südwestseite des Schlossberges; nordwestlich strei-
chend, 20—30° SW einfallend. Im Sandstein gewahrt man kleine
Anthracitschmitzen nach zerkrümelten Pflanzenresten. Die
Jahrbuch 1836. Pal
922 F. M. Srarrer, Geologische Beobachtungen im Gebiete
SW-Flanke des Schlossberges selbst besteht aus einem eigenthüm-
lichen Pseudo-Eruptivgestein, ähnlich dem schon am Uhlen-
berg bei Wüstewaltersdorf und am Friedersdorfer Spitzberg beob-
achteten: bald porphyrartig durch felsitische Grundmasse, oft mit
deutlicher Lagenstructur und Säulenabsonderung; bald kersantit-
ähnlich durch feinkörnige Structur, Quarz-Glimmer- und Horn-
blendekörnchen. — Besonders das angewitterte rostbraune, gelb-
tupfige, rauhe Gestein ähnelt Sandstein; und häufig ist die klasti-
sche Natur des Gesteins nachweisbar. Der Schlossbergporphyr
erstreckt sich bei höchstens 0,3 Kilometer Breite 1 Kilometer weit
in NW; ist nur an wenigen Punkten blosgelest und wechsel-
lagert mit dem Grauwackesandstein. Nordwärts endet er plötz-
lich am Fuss des Elflindenbergs, südwärts keilt er sich am Fuss
des Hahlbergs aus, erscheint aber dann noch einmal 1 Kilometer
weiter südlich am SW-Fuss des Kirchbergs, wo auch ein paar
kleine Serpentinbrocken gefunden wurden.
Rothes Conglomerat und Sandstein. Ueberraschend
war der Fund von anstehendem rothem Conglomerat
und Sandstein in der Michelsdorfer Bachrinne, 180 Meter und
600 Meter SW von der Kirche, und 100 — 150 Meter östlich von
letzterem Punkt auf der rechten Bachseite in eimer Weehohle,
Höfraithe und Wiesenwässerungsrinne; endlich in einer Hohle des
Feldwegs nach dem »todten Jungen« ca. 1/s Kilometer von Leut-
mannsdorf.
Das Gestein in den erwähnten Wasserrinnen ist so lose und
bröckelig, dass man dasselbe für eine recente zusammengesinterte
Sand- und Gerölleablagerung hätte halten können, wenn nicht das
Leutmannsdorfer Vorkommniss mit grossen zusammengekitteten
&
Steinen, selbst Blöcken, von Gneiss jede derartige Deutung aus-
schlösse. Ueberdies bemerkt man im Conglomerat des Michels-
dorfer Baches durch und durch weiss kaolinisirte, mit dem Finger
zerreibliche Gerölle eines felsitischen Gesteines. Der aus Detritus
nach geröthetem Biotitgneiss zusammengesetzte, intensiv bolus-
rothe Sandstein enthält reichlich Kaliglimmerschüppchen und
bildet das Cement des Conglomerates, in welchem besonders
des Messtischblattes Charlottenbrunn (Eulengebirge). 323
Gerölle von Zweiglimmergneiss, Muscovitgneiss, breitschuppig-
flaserigem Biotitgneis, geröthetem femkörnigschuppigem Biotit-
gneiss, von feinkörnigem glimmerarmem granitischem Gestein und
Felsit auffallen. Die Biotitgneisseinschlüsse enthalten stets Kali-
glimmerflimmern. Im Michelsdorfer Bach liegen die Schichten
schwebend, das Leutmannsdorfer Conglomerat lässt eine Schich-
tung nicht wahrnehmen.
Die Conglomerat- und Sandstembedeckung des Gneisses
scheint früher eine grosse Ausdehnung erreicht zu haben, denn
die Röthung des Bodens und die zerstreuten Gerölle von buntem
Gneiss zwischen Heidelberg, Michelsdorf, Leutmannsdorf (hohe
Strasse), kleinem Höllenberg dürften von dieser zerstörten und
weggeführten Decke herrühren. Der unterliegende Gneiss ist aber
in diesem Grebiet auch nirgends entblösst, und sein Grundschutt
mit dem rothen Deckschutt so verschwemmt, dass man beim
Kartiren in Verlegenheit kommt. 1—2 Meter mächtig ist der
rothe Schutt in den Hohlwegen entblösst, welche SO vom Schloss-
berg nach dem Ludwigsdorfer Bachthal hinabziehen; in der Regel
veranlasst er aber nur eine verfliessende Röthung des gewöhn-
lichen Gmeissschuttes, welchem sich dann die Conglomeratgerölle
zugesellen; bald reichlich, bald nur ganz vereinzelt. Dadurch
wird die Abgrenzung des Gebietes erschwert, welches, wie schon
oben (unter Zweiglimmergneiss) erwähnt, als ein nach Ost con-
vexer Gürtel den Schlossberg, Hahlberg, Kirchberg, Goldhöhe bis
zum Michelsdorfer Thal umzieht; dann aber weiter südwärts über
Heidelberg zum Heinrichauer Thal fortsetzt. Hier nähert er sich
dem Zweiglimmergneiss, welcher früher, gleichfalls nur nach losen
Steinen, zwischen Heinrichau und Wüstewaltersdorf aufgenommen
wurde.
Bevor mir bekannt war, dass die bunten Gmeissgerölle einem
im Kartengebiet anstehenden Conglomerat entstammen, habe ich
vereinzelte solche (z. B. am Stenzelberg) für Diluvialgerölle ge-
halten. In gewisser Beziehung sind sie das freilich, denn die
Verschwemmung des Conglomeratdetritus erfolgte wohl besonders
durch das Diluvialmeer, und am häufigsten findet man die bunten
21*
324 F. M. Srarrr, Geologische Beobachtungen etc.
Gerölle auf den früher besprochenen Bank- und Strandverflächungen
desselben, bis zu einer Höhe von ca. 560 Meter).
1) Nachschrift während des Druckes. Alle Zweifel über die Deutung dieses
rothen Conglomerates etc. schwinden durch die Besichtigung seitens des Hrn.
Geheimraths Beyeicn, im Frühjahr 1887, welcher es für echtes Culm-
conglomerat erklärte. Von besonderem Gewicht schien mir eine beiläufige
Bemerkung des Hrn. Beyrıcn, dass die zwischen 440 und 560 Meter M. H.,
auf Bergeshöhe und im Thalboden, schwebend dem Gmeiss aufgelagerten
Schichten auf eine der jetzigen conforme Thalbildung schon zur Zeit der
Ablagerung dieses Culmeonglomerates schliessen lassen.
Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf
in Schlesien.
Von Herrn E. Dathe ın Berlin.
Im Vergleich zu anderen Gmeissgebieten zeichnet sich die
Gneissformation des Eulengebirges durch einen auffälligen Mangel
an Eruptivgesteinen insofern aus, als in ıhr verhältnissmässig nur
wenige dieser Gesteinsarten und dieselben auch nur in geringer
Zahl vorhanden und bekannt geworden sind. Noch am häufigsten
durchbrechen in schmalen Gängen im nordwestlichsten Theile des
Gebirges, besonders in der Gegend von Wüste-Waltersdorf, Tann-
hausen und Charlottenbrunn und im mittleren Gebiete bei Stein-
seifersdorf, eigenthümliche Felsitporphyre, welche oft ganz frei von
porphyrischen Einsprenglingen sind und deshalb den als Felsitfels
bezeichneten Gesteinen gleichen, die dortigen Gmeisse !). Die Ker-
santite?) vom Uhlenberge bei Wüste-Waltersdorf und vom Spitz-
berge bei Friedersdorf können hier nicht mit aufgeführt werden,
weil sie zwar mitten im Gmeissgebiet liegen, aber oberflächlich nur
culmische Schichten durchsetzen. Von echt basischen Eruptiv-
gesteinen ist ein Olivindiabas am Heidelberge bei Ober- Leut-
mannsdorf durch E. KALKOWSKY?°) aufgefunden und beschrieben
!) Erläuterungen zu der geognost. Karte vom niederschles. Gebirge S. 103.
2) E. Darur: Kersantit im Culm von Wüste-Waltersdorf in Schlesien. Dies.
Jahrb. für 1884 S. 562 — 573.
®) Die Gmneissformation des Eulengebirges 8. 51.
326 E. Darur, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien.
worden, zu welcher Gesteinsart wahrscheimlich einige von mir
neuerdings an der Kleinen hohen Eule, bei Eulburg und am Mühl-
berge (Langenbielauer Forst) bei Steinseifersdorf nachgewiesene
Vorkommen, deren genauere petrographische Untersuchung indess
noch aussteht, zu stellen sind.
Alle diese gangförmig im Gmeisse aufsetzenden eruptiven Fels-
arten gehören dem nördlichen und mittleren Theile des Gebirges
an; im südlichen Gebirgstheile fehlen dagegen diese oder ähnliche
Gesteinsarten, soweit hierbei die Gmeissformation in Betracht
kommt), im eigentlichen Eulengebirge bis jetzt gänzlich. Zählt
man indess die östlich desselben aus der Ebene und den Diluvial-
bildungen bei Reichenbach, Langenbielau und Gnadenfrei hervor-
ragenden, der Gmeissformation ebenfalls angehörigen Hügelreihen
dem Eulengebirge im weiteren Sinne, wie üblich, zu, so konnte
das Vorhandensein von Eruptivgesteinen auch an einigen Punkten
in diesem Gebirgstheile festgestellt werden. Zu diesen Gesteinen,
welche durch Kartirung in ihrem Verlaufe genau festgelegt und
durch mikroskopische und chemische Untersuchung bestimmt
wurden, zählt ein Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf, dessen
Beschreibung in den folgenden Zeilen erfolgen soll.
Von Langenbielau bis Raudnitz zieht sich von N nach S eine
Hügelreihe hin, die aus Biotitgneiss besteht, zwischen welchen
aber oberflächlich an verschiedenen Stellen in schmalen Zungen
das Diluvium randlich ein- und übergreift. Durch dieses Verhalten
des Diluviums tritt der Gmneiss in diesem Gebiete in isolirten und
oft recht kleinen und rundlich gestalteten und in der Grenzlinie
vielfach ausgebogenen Partien zu Tage. Von den Structurabände-
rungen des Biotitgneisses herrscht in diesem Gebiete die breit-
flaserige vor, während die grobflaserige sehr selten vorkommt und
die flaserige, oft in die körnigschuppig übergehende namentlich im
südlichen Gebiete an Verbreitung gewinnt. Als Einlagerungen in
diesem Gebiete erscheinen in den Biotitgneissen in ziemlich grosser
Häufigkeit Amphibolite; dagegen sind Serpentine recht selten.
1) Vor einigen Wochen ist von mir in der bemerkenswerth entwickelten eul-
mischen Gneissbreccie von Silberberg ein höchst interessant ausgebildeter Ker-
santit als Gang aufgefunden worden.
E. Darıuns, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien. 327
Aehnliche Verhältnisse walten auch in der Gmeissformation bei
Lampersdorf, das der mittleren Partie der Grneiss-llügelreihe an-
gehört, ob. Zu ihrer näheren Erläuterung folgt hier ein kleiner
Kartenausschnitt der Section Langenbielau der von mir bewirkten
geologischen Aufnahme der Gegend; derselbe enthält zugleich den
Gang von (Quarz - Augitdiorit, soweit dieser im Zusammenhange
zu verfolgen war.
=]E
S
‚Brotitgneiss Amphibolit. Jerpentirn Augizdiorit. D
Maassstab: 1:25,000.
ı)
Uarvium
Der im Kärtchen eingetragene Biotitgneiss (gb) zählt nament-
lich der flaserigen, oft in das Körnig-schuppige übergehenden
Varietät zu; er führt meist in allen Gestemmslagen, besonders
aber in den körnigschuppigen Schichten, recht reichlich Fibrolith
als accessorischen Gemengtheil. Das Mineral bildet entweder
dünne, plattenartige Streifen oder bis haselnussgrosse, linsenförmige
Knötchen, die der Schichtung des Gmeisses parallel eingelagert
sind. Ausnahmsweise schwellen dieselben zu kopfgrossen Massen
an. Wie bereits in der diesjährigen Märzsitzung der Deutschen
328 E. Darar, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien.
geologischen Gesellschaft!) von mir berichtet werden konnte, sind
diese oft 4—5 Decimeter Länge erreichenden Fibrolith- Massen
dadurch bemerkenswerth, dass sie sich aus büschelförmigen oder
radialstrahligen Aggregaten, die einige Uentimeter, oft sogar
4—5 Centimeter lang werden, zusammensetzen. (Im Protokoll
der erwähnten Sitzung ist infolge eines Druckfehlers die Länge der
letzteren Aggregate mit 4—5 Decimeter angegeben, was hiermit,
wie vorstehend geschehen, berichtigt wird.) Diese grossen Fibro-
lith-Massen führen gleichsam als Bindemasse der einzelnen strah-
ligen Aggregate Orthoklas, Quarz und Muscovit in geringem
Maasse.
Von den sechs dem Biotitgneiss gleichförmig eingelagerten
Amphibolitlagern (4) sind sämmtliche Granat führend und frei
oder arm an Feldspath. Zwei kleine Serpentinlager (s) von ge-
ringer Mächtigkeit (kaum 1 Meter) und Erstreckung (10—20 Meter)
wurden, und zwar das nördliche der Karte in Weigelsdorfer
Flur in einer diluvialen Sandgrube und das südliche an einem
Feldwege in Lampersdorfer Feldmark entdeckt. Beide Serpentine
sind schiefrige, schwärzlich-grüne Gesteine.
Die diluvialen Bildungen (d) haben im Kartengebiete eine
ansehnliche Verbreitung gefunden; sie bestehen theils aus älteren,
dem nordischen und zwar gemengten Diluvium angehörigen Ab-
lagerungen und sind entweder als Geschiebelehm oder seltener als
Sand und Kies entwickelt, theils sind sie jungdiluvial wie der
Eulengebirgsschotter. Alle diese Bildungen sind auf dem Kärtchen
nicht getrennt worden; es mögen deshalb einige erläuternde Worte
über ihre Verbreitung hier folgen. Der Geschiebelehm und der
Sand sind vorzugsweise zwischen den Gmeisshügeln und längs der
Thälchen zum Absatz gelangt und daselbst verbreitet. Der Eulen-
gebirgsschotter dagegen erfüllt jene breite Rinne, die zwischen
dem Östrande des eigentlichen Eulengebirges und der davon öst-
lich gelegenen Hügelreihe zwischen Langenbielau und Raudnitz-
Quickendorf vorhanden ist. Näheres über Entstehung und Zu-
sammensetzung der betreffenden diluvialen Bildungen der Gegend
I) Zeitschrift d. Deutsch. geol. Ges. 1887, Heft I, S. 232.
E. Darue, Quarz -Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien. 329
findet sich in einem meiner früheren Berichte ) in diesem Jahr-
buche. Endlich ist noch zu erwälnen, dass die nicht schraffirten
Stellen des Kärtchens die Verbreitung der alluvialen Bildungen
zur Darstellung bringen.
Oestlich des Ortes Lampersdorf durchbricht die oben kurz
beschriebenen Biotitgneisse ein Gang?) von Quarz-Augitdiorit.
Er erreicht eme ansehnliche Länge; denn er ist fast ohne
Unterbrechung in Lampersdorfer Flur, wie die Karte ersichtlich
macht, auf beinahe 2 Kilometer zu verfolgen. In seinem Verlaufe
en. Auf eine
oO
beschreibt er einen nach SW geöffneten flachen Bo
Erstreckung von 1 Kilometer beläuft sich in seinem nordwest-
lichen Ende das durchschnittliche Streichen auf N 600° W. Da-
gegen weisen die durchbrochenen Gmeissschichten ein Streichen
von N 35° W bei steilem (70—80°) Osttallen oder saigerer Stellung
auf. In diesem Theile besitzt der Gang auch seine grösste Breite,
die sich auf dem Grundstück des Gutsbesitzers Schlotte in
Lampersdorf, wo er durch einen Steinbruch erschlossen ist, auf
25 Meter berechnet. Dieselbe Breite scheint auch südlich bis zu
Ey’s Grundstück, wie durch Erbohrung seines Verwitterungslehms
sich ergab, anzuhalten. In seinem südöstlichen circa 1 Kilometer
langen Gangstück verschmälert er sich verhältnissmässig recht
bald und merklich, sodass er nördlich die Strasse Lampersdorf-
Rosenbach kaum über 2 Meter, aber an derselben kaum 1 Meter
mächtig ist. In diesem ganzen Striche ist er auch durch wenig zahl-
reiche und grosse Blöcke, deren Entfernung freilich aus den Feldern
fast durchgängig stattgefunden hat, oberflächlich gekennzeichnet.
Ebenfalls ist eine Aenderung in der Richtung des Ganges erfolgt;
er streicht hier N 450 W bis N50°W. Letztere Richtung hält
er auch jenseits der Ostgrenze der Section Langenbielau und
unseres Kärtchens auf Section Gnadenfrei in Raudnitzer Flur bei,
en in diesem Jahre vorläufig ausgeführten Be-
wo er nach einig
!) Dies. Jahrb. für 1885 S. Lxxı— ıxxv. j
?2) Auf der älteren Karte von Niederschlesien ist ungefähr an derselben
Stelle eine kurze Strecke unter dem Zeichen J (J) Syenit angegeben worden; in
den Erläuterungen zur Karte wird jedoch auf das betreffende Gestein nie Bezug
genommen.
330 E. Dartuw, Quarz -Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien.
‚gehungen noch bis auf 1 Kilometer Länge und in geringer, kaum
1 Meter betragender Breite nachgewiesen werden konnte. Sein
Südende liegt ungefähr 300—400 Meter nordwestlich der Strasse
Raudnitz-Rosenbach. — Von seinem auf der Karte eingezeichneten
Nordwestende scheint der Gang auch nach NW weiter fortzu-
setzen; denn dasselbe Gestein wurde in einer Anzahl grosser Blöcke
auch am südlichen Fusse des Matzberges aufgefunden. Da dieser
Punkt 2 Kilometer vom erwähnten nordwestlichen Gangende ent-
fernt liegt und auch in seine geradlinige Verlängerung fällt —
auf dieser Zwischenstrecke verdecken Diluvium und Alluvium das
ältere Gebirge —, so ist die Gesammtlänge des Ganges auf min-
destens 5 Kilometer zu veranschlagen.
Auf den Feldern des Dominiums Lampersdorf und zwar nörd-
lich des sogenannten Pflanzgartens wurden Bruchstücke desselben
Eruptivgesteins, von welchem nach eingezogenen Erkundigungen
zahlreiche und grössere, jetzt aber entfernte Blöcke daselbst früher
gelegen haben sollen, nachgewiesen. Das Vorkommen ist nach
den betreffenden Aussagen und nach meinen Beobachtungen als
kleiner Gang eingetragen worden; derselbe lässt sich als eine Apo-
physe des Hauptganges auffassen. Auch an emigen anderen Stellen,
namentlich nördlich des letzteren sind vereinzelte Blöcke des Augit-
diorits der Beobachtung entgegen getreten, welche gleichfalls wohl mit
Apophysen des Hauptganges in Beziehung zu bringen sein dürften.
An dem Ausgehenden des Ganges bildet das Gestein grosse
Blöcke, die oft die Grösse von etlichen Kubikmetern erreichen;
dem entsprechend ist auch seine Absonderung, wie beispielsweise
im genannten Steinbruch zu ersehen ist, eine weitläufige und un-
regelmässige, sodass er nur in eben solchen Gesteinsstücken ge-
wonnen werden kann. Das durchgängig grosse Festigkeit be-
sitzende Gestein ist jedoch weder als Werkstein, noch Pflasterstein
zu gebrauchen; würde sich aber wegen seiner Härte wohl als
Strassenschotter mit Vortheil verwenden lassen.
Ueber die mineralische und chemische Zusammensetzung des
Quarz-Augitdiorits haben die angestellten Untersuchungen Folgen-
des ergeben. — Das Gestein ist im frischen Zustande grauschwarz
mit einem schwachen Stiche ins Grünliche spielend, im verwitterten
aber schmutziggrün-grau gefärbt; sein Gefüge ist kleinkörnig, bei-
E. Darur, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien. 331
nahe feinkörnig; daher wenigstens der feldspathige Gemengtheil
bei Betrachtung mit blossem Auge in wasserhellen oder milchig-
weissen eckig und flockig erscheinenden Partien hervortritt; deut-
liche Feldspathleisten lassen sich darin selbst mit der Lupe ausser-
dem nicht wahrnehmen; das Gestein neigt weniger zur Diabas-
als zur Granitstructur hin. — In gewissen Modificationen jedoch
3 Millimeter lange und 1—2 Milli-
ıneter breite, also breittafelförmige Feldspathe porphyrisch einge-
sind mitunter kleine, kaum 2
sprengt. Die Verbreitung dieser Abänderung ist gering, sie findet
sich häufiger im südlichen Gangende, wo dasselbe seine geringste
Mächtigkeit aufweist, sowie schembar oft an den Saalbändern und
in den Apophysen des Ganges.
Die Hauptgemengtheile des Gesteins sind: Plagioklas, Horn-
blende, Augit, Magnesiaglimmer und Quarz; als Nebengemeng-
theile kommen Orthoklas, Apatit, Titaneisen und Eisenkies und
als Zersetzungsproducte Chlorit, Calcit, Epidot, Titanit, Quarz und
Brauneisen hinzu. — Bevor wir auf die Beschreibung der einzelnen
Gemengtheile näher eingehen, lassen wir die chemische Zusammen-
setzung unseres (Gesteins nach der von Herrn W. HampE im
Laboratorium der geologischen Landesanstalt und Bergakademie
ausgeführten Analyse folgen:
SO er resplt,
1 KU Or re 97
AL OS ee 19,6
EaO:s Ar: 1,19 »
ae 0 ee 15135
MeOT rest. 8A, >
Ba) ee ran. en
KO: 0, 62,28
Nam um 0. Bl
FO ee ne 02.095
BO a ie
BO 05
SO Er
Organische Substanz . 0,06 »
Summa 100,87 püt
spec. Gew. 2,798.
332 E. Darue, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien.
Die Plagioklase lassen auch u. d. M. ihre kurzsäulen- bis
tafelförmige Gestalt erkennen; sie sind zum Theil ausgezeichnet
frisch, zum Theil sind sie jedoch einestheils in die bekannten stark
lichtbrechenden kurzen Fäserchen und Blättchen (Kaliglimmer),
andrerseits in die als Epidot charakterisirten rundlichen Körnchen um-
gewandelt. Die Zwillingslamellen sind nach dem Albitgesetz ver-
wachsen und nur selten kommt an demselben Individuum das Peri-
klingesetz vor. Nur etliche Male war an Plagioklasen ein schalen-
förmiger Aufbau zu beobachten; dieselben gehören alsdann sehr
kalkreichen Varietäten an; denn die Auslöschung des Kerns wurde
zu 35°, die der äussern Partien zu 16% auf oP& gemessen; danach
dürften Feldspäthe von der Zusammensetzung des Bytownits und
Labradors vorliegen. Nach andern ausgeführten Messungen an
zahlreichen Plagioklasen gehört auch ein anderer Theil derselben
zum Labrador oder in seine Nähe oder auch zum Oligoklas. Auf
das Vorherrschen der beiden letzteren Plagioklase scheint auch
der nicht allzu hohe Kalkgehalt (5,67 pCt.) der Analyse hinzu-
deuten. Dagegen konnte Albit im normalen Gesteinsgemenge
nicht nachgewiesen werden; letzterer ist allerdings gewissen noch
zu erwähnenden Ausscheidungen des Gesteins nicht fremd.
Neben Plagioklas liess sich auch wenig Orthoklas, dessen
Anwesenheit von vornherein der ziemlich hohe Kaligehalt (2,28 pCt.)
der Analyse wahrscheinlich machte, feststellen; er ist in breit-
tafelförmigen Individuen mit oft ausgezeichneter Spaltbarkeit aus-
gebildet. — Quarz erfüllt in meist rundlichen, seltener etwas eckigen
ziemlich groben Körnern die Zwischenräume, welche die zuerst
ausgeschiedenen Gesteinsgemengtheile übrig gelassen hatten; er
zeigt die bekannten Eigenschaften und Einschlüsse, wie sie sonst
auch den Quarzen von Dioriten, Diabasen und Augitdioriten
eigenthümlich sind. Bemerkenswerth ist indess seine zierliche
schriftgranitische Verwachsung mit den Feldspathen des Quarz-
Augitdiorits, wovon in der Regel die jüngste Feldspathgeneration
betroffen wurde; die Verwachsung und Durchwachsung ist oft der
Granophyrstructur so ähnlich, dass man sie oft derselben zu-
rechnen möchte.
E. Darnn, Quarz -Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien. 333
Die tiefbraune Hornblende überwiegt den Augit im Gestein
stets; wo sie nicht mit letzterem verwachsen ist, was nicht selten
vorkommt, bildet sie längliche nadelförmige Krystalle, die in der
Säulenzone, also in @uerschnitten meist durch die Flächen
»P.“oP% und oP» begrenzt werden.
An ihrer termmalen Endigung lassen sich keine Flächen
nachweisen; die Enden sind entweder quer abgestutzt oder schilt-
ähnlich gestaltet.
Zwillingsbildung nach P und »P«& ist schr häufig. Ein-
schlüsse von Apatit, Titaneisen, Biotit sind reichlich zugegen,
seltener darin finden sich kleine Plagioklasleisten und noch seltener
Flüssigkeitseinschlüsse. Die Zersetzung der Hornblende, «die mit
grünlicher Ausbleichung an den ändern beginnt, in chloritische
Substanz und Epidot ist die übliche.
Der Augit zeigt oft auch m der Säulenzone eme Begrenzung
durch oP.»P& und »Px; seine Verwachsung mit Horn-
blende wurde erwähnt, mit welcher er auch durch die Führung
derselben Einschlüsse übereinstimmt, seine -Zersetzungserschei-
nungen sind die bekannten.
Der Magnesiaglimmer ist mindestens in derselben Menge wie
der Augit im Gestein zugegen und fällt dem Biotit zu; Ausbil-
dung und Umwandlungserscheinungen sind die gewöhnlich vor-
kommenden.
Von den accessorischen Gemengtheilen Apatit, Titaneisen,
Eisenkies, deren Vorhandensein nach den Ergebnissen der che-
mischen Analyse zu erwarten war, lassen sich besondere Eigen-
thümlichkeiten nicht h>rvorheben. Dasselbe gilt von den Zer-
setzungsproducten Chlorit, Caleit, Epidot, Titanit, Quarz und
;rauneisen.
Eine besondere Eigenthümlichkeit des Gesteins besteht in
dem ziemlich häufigen Vorkommen (Schlotte’s Stembruch, Ey’s
Feld ete.) von schlierenartigen Ausscheidungen; dieselben bilden
entweder rundliche bis wallnussgrosse Massen oder einige Deci-
meter lange und bis 1 Centimeter starke Streifen; sie sind durch
die gleiche Mineralführung, sowie durch die innige Verwachsung
334 E. Darne, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien.
mit der normalen Gesteinsmasse, aus welcher, wie das Mikroskop
lehrt, sie gleichsam herausspriessen, als solche charakterisirt und
durchaus nicht mit Einschlüssen oder secundären feldspathigen
Trümern zu verwechseln; sie könnte man aber mit Recht als
Primärtrümer bezeichnen. Die Masse der Ausscheidungen bildet
ein fast mittelkörniges Gemenge, in dem Feldspath und Quarz
zu einer Art Grundmasse zusammentreten, in welcher schwarz-
glänzende dünne, kaum 0,5 Millimeter dicke und bis 1 Centimeter
lange Hornblendenädelchen wirr, z. Th. aber auch strahlig gruppirt
vertheilt sind; dazwischen sind bis linsengrosse citrongelbe Körn-
chen von Pistazit (Epidot) eingesprenst.
Der Feldspath, vorherrschend Plagioklas (hier zum Theil
Albit) und wenig Orthoklas ist mit dem primären Quarz schrift-
granitisch vielfach verwachsen; die Hornblende, in der Säulenzone
mit scharfen Krystallflächen versehen und oft Zwillingskrystalle
bildend, führt oft im Innern einen Kern von Feldspath. Ausgit
und Titaneisen fehlen nicht. Der Epidot ist theils in den Feld-
spath eingewandert, theils erfüllt er neben secundärem Quarz
(derselbe führt gern nach Art des Katzenauges Fäserchen von
Asbest und Aklinolith) und Calcit ursprüngliche, bei der Bildung
der übrigen Mineralien in den Ausscheidungen zurückgebliebene
Hohlräume.
Als fremde Einschlüsse wurde mehrfach Quarz in bis hasel-
nussgrossen Fragmenten und eimmal ein erhsengrosser von einer
Quarzrinde umgebener Granat beobachtet.
Ueber das Alter unseres Ganggesteins lässt sich vorläufig
und zwar so lange keine bestimmte Angabe machen, als nicht
gleiche Gesteine als Gänge oder Lager in jüngeren sedimentären
Schichten in Schlesien nachgewiesen worden sind.
Wenn wir schliesslich auf die für das Gestein gewählte Be-
zeichnung Quarz - Augitdiorit kurz eingehen, so ist zu bemerken,
dass wir dem Vorgange von A. STRENG!) gefolgt sind, welcher
bekanntlich zuerst für ähnlich zusammengesetzte und Augit füh-
) Ueber die krystallinischen Gesteine von Minnesota in Nord - Amerika.
N. Jahrb. f. M. 1877 S. 117— 138 u. 225 —235.
E. Darne, Quarz-Augitdiorit von Lampersdorf in Schlesien. 335
rende, dioritische Gesteine aus Amerika diesen Namen anwandte.
Die ziemlich reichliche Führung von primärem Quarz machte die
noch nähere Bestimmung Quarz-Augitdiorit nothwendig. Vor
nicht zu vielen Jahren hat man für gleich zusammengesetzte Fels-
arten den von V. GÜMBEL!) zuerst gebrauchten Namen Proterobas
und zwar, wie ich meine, vielfach recht unglücklich in Anwen-
dung gebracht. Neuerdings bricht sich allerdings die richtige Auf-
fassung Bahn und der Name Augitdiorit erfreut sich, wie die
Literatur zeigt, schon allgemeinerer Anwendung. Für Schlesien
wende ich, soviel mir bekannt, diese Gesteinsbezeichnung zuerst
an. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass verschiedene auf der
älteren Karte Niederschlesiens als Syenit bezeichnete Gesteine,
namentlich aus der Gegend von Nimptsch, sowie manche Diorite
der Gegend von Glatz unserem Gesteinstypus theilweise zuge-
hören.
!) Die paläolith. Eruptivgest. des Fichtelgebirges.. München 1874 u. Geogn.
Beschreibung des Fichtelgebirges S. 199 — 206.
Ueber ein dureh Zufall in einer Fensterscheibe
entstandenes Torsionsspaltennetz.
Von Herrn K. A. Lossen in Berlin.
(Hierzu Tafel XI und XII.)
Als ich vor einiger Zeit im Begriff war, das Fenster meines
Arbeitszimmers auf der Königlichen Bergakademie zu öffnen und
dabei nicht mit der Brust vor dem Griffe, sondern mit der rechten
Seite neben der Scheibe des einflügelig sich aufthuenden Fensters
stand, geschah es, dass ich vor gänzlicher Vollführung der Dreh-
bewegung am Fenstergriffe bereits starken Zug ausübte. Der an
und für sich in schwerer Fassung eingerahmte Fensterflügel macht
nur den mittleren unteren Theil des ganzen Fensters aus, der allein
geöffnet werden kann. Der Fenstergriff ist zufolge dessen, wie
Taf. XI andeutet, erst in */, Höhe der unteren grösseren ungetheilten
Scheibe des Flügels angebracht, sodass er in seinem Drehungs-
punkte noch 35 Centimeter über der Achselhöhle meines die Be-
wegung ausführenden rechten Armes stand. Die Griftstange greift
am unteren Ende etwas zu sehr schliessend ein; hier also war der nur
mit kräftiger Hand und durch Eintrocknen des Schmieröls noch
schwieriger zu öffnende Flügel noch nicht ganz ausgelöst, als
meine mit starkem Ruck vollzogene Drehung des Griffs bereits
in mindestens ebenso starken, aller Annahme nach aber wohl
noch stärkeren Zug überging, was bei der seitlichen Stellung des
Körpers neben der Scheibe und dem relativ hochliegenden An-
griffspunkt der Kraft um so leichter geschehen konnte.
K. A. Lossen, Ueber ein durch Zufall in einer Fensterscheibe etc. 337
Die blitzschnell eingetretene Folge dieser zusammengesetzten
gehemmten Aufreissungsbewegung war ein Sprungnetz, dessen
naturgetreue Abbildung Taf. XI in !/4 der natürlichen Grösse
der Scheibe wiedergiebt. Der Anblick der Gesammtheit dieser
mannichfaltigen durch einen Vorgang zugleich entstandenen,
einem gemeinsamen System angehörigen Spalten rief mir sofort
Dausgrke’s Abbildungen absichtlich hervorgerufener oder zufällig
entstandener Torsionssprünge in Glasscheiben ins Gedächtniss,
mehr aber noch erinnerte er mich an die Grundrisse der durch
den Bergmann und Geologen beobachteten Spaltennetze der
Erzgänge oder Verwerfungsspalten, welche zugleich das
Einfallen berücksichtigen.
Ein Vergleich der Abbildungen in Dausr£r’s Etudes syn-
thetiques de geologie experimentale auf Taf. I, Fig. 1—5, sowie
der zugehörigen den Text erläuternden Darstellungen Fig. 86—91
mit derjenigen auf unserer Tafel XI ergiebt mir bei grossentheils
wesentlicher Uebereinstimmung in den Grundzügen der Erschei-
nung doch sichtliche Unterschiede und vor Allem ein weniger
schablonenhaftes Aussehen des von mir zufällig hervorgerufenen
Sprungnetzes, als dasjenige der absichtlich von dem berühmten
Pariser Gelehrten erzielten Spaltensysteme. Ich glaube nicht zu
viel zu sagen, wenn ich den Verlauf des ersteren Netzes als
einen den natürlichen Vorkommen ähnlicheren bezeichne. Den
Grund hierfür wird man leichtlich erkennen, wenn man die Be-
dingungen erwägt, unter welchen DAUBREE seine Experimente
ausgeführt hat und damit diejenigen des zufälligen Vorganges ver-
gleicht.
Aus seinen Figuren 86—88 und den zugehörigen Text-
worten entnimmt man, dass die rechteckigen Glasplatten von
80-90 Centimeter Länge, 3,5—12 Centimeter Breite und 0,7 Centi-
meter Dicke an den beiden schmalen Seiten fest eingespannt, an
den Langseiten dagegen ganz frei waren, sowie, dass der Drehungs-
punkt des zweihebeligen Schraubenschlüssels in der Mitte der
oberen eingespannten Schmalseite der aufrechtstehenden Platte
angebracht war. Es war demnach das Dausrär’sche Experiment
einer symmetrischen Anordnung unterworfen, wie eine solche
Jahrbuch 1386, 22
a
338 K. A. Lossex, Ueber ein durch Zufall
in der Natur, wenn je, gewiss nur in den allerseltensten Fällen
stattfinden kann. Dagegen waren, wie die Eingangs gegebene
Beschreibung lehrt, die Bedingungen, unter denen die Zerbrechung
der in Rede stehenden Scheibe statthatte, asymmetrisch auf
das Rechteck des Fensterflügels vertheilt: denn hier war die
hintere Langseite des Fensterrahmens fast gleichmässig in den
Fensterangeln, die vordere aber nur in der unteren Ecke zufolge der
noch nicht völlig erfolgten Auslösung der Riegelvorrichtung fest-
gehalten und die vierte, obere vordere, Ecke allein in freier Lage,
sodass sie der Zugkraft folgen konnte, welche hinwiederum nicht
in der Mitte, sondern in */; Höhe der vorderen Langseite ihren
Angriffspunkt besass. Auch waren die Maassverhältnisse der in
lichter Weite 102 Centimeter langen und 60 Centimeter breiten,
sowie 0,275 Centimeter dicken Fensterscheibe solche, dass ihre
flächenartige Beschaffenheit gegenüber den mehr Glasstreifen zu
nennenden weit dickeren und schmäleren Glasplatten DAUBRER’S
deutlich hervortritt. Ferner giebt Letzterer den Drehungswinkel
im Augenblicke der Zersprengung des Glases auf höchstens 20 Grad
an, während der Grad, bis zu welchem die freie Ecke der Fenster-
scheibe der Zugkraft gefolgt war, gewiss beträchtlich geringer
war. Endlich ist wenigstens als wahrscheinlich anzunehmen —
der Text DAUBREE’s sagt darüber nichts —, dass die Drehungs-
bewegung des beobachtenden Experimentators eine mehr allmählich
gesteigerte gewesen sei, wogegen die zufällige Zerspaltung der
Scheibe unter einem mehr augenblicklichen kräftigen Ruck erfolgte.
Dies vorausgeschickt werden nunmehr Uebereinstimmung und
Unterschied bei dem Vergleich der einzelnen charakteristischen
Züge der Torsionsspalten unserer Tafel XI mit denjenigen der
DAuBREE schen Abbildungen besser verständlich erscheinen, zumal
die klare meisterhafte Beschreibung des der GurLr'schen Ueber-
setzung meiner Erfahrung nach vorzuziehenden französischen
Origimalwerks diesen Vergleich sehr erleichtert. Hinweise auf
die Analo
sich eben so leicht.
Wie DAUBEREE vor Allem hervorhebt, sind die Schnittflächen
gieen an Erzgängen oder Gangklüften überhaupt ergeben
>}
(Einfallebenen), mit welchen die Sprünge die planparallele Glas-
oO
in einer Fensterscheibe entstandenes Torsionsspaltennetz. .339
tafel ganz oder theilweise durchsetzen, bezeichnender Weise nicht
ebene, sondern windschiefe Flächen (surfaces gauches. a. a. O.
S. 310). Die Durchsichtigkeit des Glases liess klar erkennen und
die Hauptfigur auf unserer Tafel XI, sowie die in natürlicher
Grösse wiedergegebenen Stellen derselben bei a, 5 und d auf
Tafel XI zeigen danach durch die Fallrichtungspfeile und durch
die verschiedene Breite I) und verschiedene starke Schattirung der
auf die Innenseite der Scheibe projicirten Schnittflächen deutlich
an, dass die Neigungsrichtung ein und derselben Spalte an ver-
schiedenen Stellen ihres Verlaufs entgegengesetzt sein kann und
dass ebenso deren Neigungswinkel von 90 Grad bis zu recht
niedrigen Werthen schwankt (vgl. zumal Punkt d).
Zugleich aber besteht neben jener Krummflächigkeit in
der Fallebene, die sehr wohl übereinstimmt mit dem Verhalten
von Erzgängen, z. B. des Siegenerlandes, und mit demjenigen
der Gangklüfte im Steinkohlengebirge (vgl. d. Jahrb. für 1884,
S.81—82), eine auf den ersten Blick noch viel augenscheinlichere
Krümmung der Streichlinien der Sprünge. Wenn DAUBREE
diesbezüglich von einer trotz jeglicher Krümmung bemerkbaren Nei-
gung zur Geradlinigkeit der Einzelsprünge, von dem annähernden
Parallelismus der letzteren innerhalb zweier Gruppen und von der
geometrischen Regelmässigkeit dieser zwei unter gleichem Winkel
gegen die Drehungsaxe sich schneidenden Zerspaltungsrichtungen
spricht, die zusammen ein Sprungnetz mit rautenförmigen Maschen-
füllungen bilden, so trifft eine solche Charakteristik offenbar für
unseren Fall nur theilweise zu. Was an unserem Sprungnetze auf
Tafel XI zunächst und zumeist auffällt, das ist gerade die Krumm-
linigkeit der Streichlinie aller Sprünge.
Zwar lässt sich nicht verkennen, dass auch hier zwei Gruppen
von Zerspaltungsrichtungen vorhanden sind, aber sie sind
!) Selbstverständlich ist unter der wechselnden Breite hier nur diejenige
der eigentlichen Schnittlächenprojection der Sprünge zu verstehen. Ein ober-
flächlicher Beobachter der Tafeln könnte durch die weiter unten zu erwähnenden
meist muschelförmigen, manchmal aber auch langgestreckten concaven Ausbrüche
der Innenfläche der Scheibe längs des Verlaufs der Sprünge über jene Breite
getäuscht werden.
22*
340 - K. A. Losses, Ueber ein durch Zufall
weder unter sich nach Lage und Länge gleichwerthig, noch auch
durchsetzen sie einzeln oder zusammen die Scheibe gleichmässig.
Man kann unterscheiden: ausgedehntere Diagonalsprünge,
welche im Mittel annähernd parallel zu derjenigen Diagonale des
Scheibeurechteckes verlaufen, die dem einzigen nicht festgehaltenen,
vorderen oberen, Eck des Fensterrahmens, und dem mittleren,
hinteren unteren, der drei festgehaltenen gegenüberliegt; sie geben
dem ganzen Sprungnetze die äussere Form und Begrenzung, in-
dem zwei Hauptsprünge unter ihnen als Hypothenusen zweier
ungleich grosser wesentlich sprungfreier Eckdreiecke eine etwa
!/; Diagonale breite, etwas mehr nach hinten und unten als nach
vorn und oben die Scheibe durchsetzende diagonale Bahn, das
Sprungfeld, abgrenzen.
Innerhalb dieses Sprungfeldes oder in vereinzelten Fällen in
unmittelbarer Begleitung seiner Aussengrenze erkennt ıman dann
noch kürzere Sprünge. Diejenigen darunter, welche ebenfalls
Diagonalsprünge sind, spielen in ganz ausgezeichneter Weise die-
selbe Rolle, welche hangende oder liegende Trümer neben
den Hauptgängen im Erzbergbau spielen, und so findet man denn
auch gerade unter ihnen die vortrefflichsten Beispiele für Bogen-
trümer, obzwar auch die beiden grossen Hauptsprünge trotz
ihres im Allgemeinen geraderen Verlaufs keineswegs der Krümmung
entbehren. Es sind entweder solche Bogentrümer, die auf eine
kürzere Erstreckung einen Bogen über den gestreckteren Haupt-
gang als Sehne beschreiben (rechts !) unten), während der um-
gekehrte Fall, in dem der Hauptgang als Bogen, das Nebentrum
als Sehne erscheint, auch nicht fehlt (links unten gerade gegen-
über); oder das Bogentrum läuft vom Hauptgange mit stärkerer
Krümmung ab, ohne denselben wieder zu erreichen (rechts in der
Mitte) oder endlich es läuft ihm auf längere Erstreckung nur mit
etwas geschwungener Linie parallel, ohne ihn mit seinen Enden
zu erreichen (links unten bis zur Mitte). Fallrichtung und Ein-
fallwinkel der Diagonalsprünge, zumal der längeren, wechseln am
1) Die Bezeichnungen »rechts« und »links« beziehen sich auf die recht- und
linksseitige Längsgrenze des Sprungfeldes,
in einer Fensterscheibe enstandenes Torsionsspaltennetz. 34]
häufigsten und beträchtlichsten; gleichwohl ist die vorherrschende
sig von der Con-
Fallrichtung ganz unverkennbar und unabhän
vexität oder Concavität der Streichrichung gegen den Fenstergriff
gewendet.
Eine zweite Gruppe der Spalten von kürzerem Verlauf streicht
im Mittel rechtwinklig zu den Diagonalsprüngen, es sind also
Quersprünge. Auch sie sind nicht geradlinig, wenn auch im
Allgemeinen weniger dem Streichen nach gekrümmt, als die ersteren
und beharrlicher in der vorherrschend nach dem Fensterriegel
vorn unten gekehrten Fallrichtung und dem meist steilen Grad
der Neigung. Sie verbinden theils zwei neben einander herlaufende
Diagonalsprünge und gabeln oder krümmen und verbreitern sich
dann wohl auch kurz vor dem Treffpunkte (noeud), wie z. D.
links unten im Bilde des Sprungnetzes; oder sie setzen von einem
Diagonalsprunge gegen den Scheibenaussenrand (links unten,
rechts oben); schliesslich kommen auch Durchsetzungen der
beiden quer aufeinander gerichteten Spalten vor, welche noch von
besonderen Erscheinungen begleitet sein können: einmal sind
solche Durchkreuzungspunkte (Gang- oder Scharkreuze) dann
wohl auch zugleich noch der Auslaufpunkt für Nebenspalten, so
dass ein-fächerförmiges Auseinanderlaufen dreier Spalten
nach dieser Auslaufsrichtung statthat (der oberste Treffpunkt
links unten), eine von DAUBREE viel häufiger und regelmässiger
beobachtete Erscheinung, die in unserem Falle meist durch die
ähnliche ersetzt ist, dass von dem einfachen Treffpunkte eines
(Quertrums mit einem Diagonal-, Haupt- oder Nebentrum oder
doch aus der Nähe eines solchen zugleich ein Bogentrum ausläuft
(rechts in der Mitte bei c, rechts unten, links unten). Das andere
Mal treffen nicht alle vier Arme des Gangkreuzes in einem Punkte
zusammen, der eine Sprung geht gerade hindurch, der andere setzt
an diesem scharf heran, erleidet aber eine kleine, doch merkliche
Seitenverschiebung, so zwar dass er jenseits nicht in der directen
Verlängerung, sondern in einer Parallelen dazu fortstreicht (links
unten an dem Kreuzpunkt des längsten diagonalen Nebentrums
mit dem längsten Quertrume): Das ist demnach, da füglich von
einer Verwerfung oder Verschiebung hier nicht die Rede sein
342 K. A. Lossen, Ueber ein durch Zufall
kann, eine Gaugauslenkung, eine ebenfalls von DAUEREE viel
häufiger und staffelförmig mehrmals in kurzen Zwischenräumen
hintereinander wiederholt !) beobachtete Erscheinung, die uns be-
lehrt, dass doch auch diese blitzschnell erfolgte Zersprengung in
für uns nicht mehr messbaren aufeinander folgenden Zeitabschnitten
erfolgt ist.
Gegen die Mitte des Sprungfeldes sieht man drei Sprünge,
einen diagonalen und zwei Quersprünge, welche hier blind im
Glase enden ohne wieder den Rand der Scheibe oder einen anderen
Sprung erreicht zu haben. Der Diagonalsprung wird immer feiner
bis er aufhört. Ein weit höheres Interesse beansprucht der untere
der beiden Quersprünge, der mit dem Buchstaben ce bezeichnet
und auf Taf. XII in natürlicher Grösse noch einmal wiedergegeben
ist ?). Es ist dies ein siebenmal auf seinem kurzen, nur 22 Centi-
meter Sehnenlänge messenden, bogigen Wege unterbrochener
Sprung, der ganz deutlich ein und demselben Zerspaltungsvor-
gange sein Dasein verdankt, da alle die äusserlich zusammenhang-
losen Theile genau auf derselben Kurve liegen, ganz analog zu
gewissen Gangspaltenzügen, die aus hintereinander auf derselben
Streichlinie aufsetzenden zusammenhanglosen Gangstücken be-
stehen. Von den beiden Treffpunkten der Querspalte mit den
diese beiderseits abschneidenden Diagonalspalten aus setzt zunächst
ein echter, die Scheibe ihrer ganzen Dicke nach durchreissender
Sprung einwärts gegen die Mitte des Sprungfeldes hin, der schmäler
und schmäler wird, bis er blind in der Glasmasse endet. An den von
der rechten und der linken Seite her einwärts gehenden Sprüngen
ist diese Endigung nicht eine gleichmässige; deutlich nimmt man
vielmehr wahr, dass dieselben nur zur Hälfte ihres Verlaufs das
') Die Eruptivgänge der mittelharzer Meridian -Gangzone, auch Quarzgänge
im Taunus zeigen eine solche staffelförmig wiederholte seitliche Auslenkung, sind
aber nicht an Gängen, sondern an Schichtfugen oder Gesteinswechseln ausgelenkt.
°) Diese Figur ist so gezeichnet, dass die beiden Grenzlinien die Dicke des
Glases andeuten, die übrigen Linien dagegen die verschiedenen Zerspaltungs-
zustände, welche bald die ganze Dicke, bald nur einen randlichen Theil, bald
die Mitte desselben betroffen haben. An den nicht voll ausgezogenen Linien
ist das Glas ganz unverletzt geblieben. Die Kurve ist die Streichlinie des
Sprunges, rechtwinklig zur Dicke des Glases,
in einer Fensterscheibe entstandenes Torsionsspaltennetz. 343
Glas völlig durchschneiden, weiter einwärts mit einmal aber nur
dessen äussere Hälfte durchreissen oder ritzen und dem entsprechend
an Lichtglanz abnehmen. Zwischen diesen beiden einander zuge-
kehrten blinden Enden liegen dann ganz isolirt im Inneren der
Glasscheibe eine Anzahl meist elliptischer, seltener lang-
streifenförmiger Stellen, die sich vor den grellen, harten
Lichtreflexen auf den durchsetzenden Sprüngen durch einen sanften
silberähnlichen Perlmutterschein oder gar nur durch einen
schwach milchbläulichen, nur dem aufmerksamen von unten
nach oben schauenden Auge wahrnehmbaren Schimmer aus-
zeichnen.
Je länger und breiter die nur 1—%9 Millimeter messenden
Ellipsen sind, um so deutlicher ist der Silberglanz, während die
kleinsten unter ihnen und die äusserst feine streifige Lichtbahn
milchig aussehen. Das sind DAUBREE's »fissures tout A fait
interieures« oder »felures naissantes oder rudimentaires« (a. a. O.
S.312—313), obwohl derselbe nur die Streifen-, nicht die Ellipsen-
form erwähnt. Er vergleicht dieselben gewissen durch gleichen
oder ähnlichen Lichtschein ausgezeichneten Stellen in Krystallen
von sehr vollkommener Spaltbarkeit oder den »glaces« der Edel-
steine, constatirt ihre thermische und optische Differenzirung im
Sinne einer Elasticitätsdifterenz parallel und senkrecht zu ihrer
Längsaxe und betont, dass man durch einen Druck oder Stoss
die nur eben sichtbar gewordene (»petits mouvements ondulatoires
fixes ou figes« a. a. O. S. 313), aber noch nicht zum Durchbruch
gelangte Spannung in einen wirklichen Sprung überführen könne.
Dass dem so sei, habe ich selbst an dem blind endenden zusammen-
hangenden Quersprunge über dem so eben besprochenen unter-
brochenen Sprunge (ec) erfahren. Derselbe bestand ursprünglich
aus emem kürzeren echten Sprunge und einer kleinen in seiner
Fortsetzung, aber ganz getrennt, etwa an seinem jetzigen Ende
liegenden Spannungsellipse. Ein zufälliges Betasten dieser Stelle
hatte ein blitzschnelles Weiterreissen der Spalte zur Folge. Das
Ende dieses Sprunges sieht weit weniger regelmässig aus, wie die
ursprüngliche Anlage. DAUBREE betont mit Recht die ebenen,
parallelen Flächen der felures und deren durchweg rechtwinklige
344 K. A. Lossen, Ueber ein durch Zufall
Stellung zur Oberfläche des sie einschliessenden Glases. Der unter-
brochene Sprung (ec) zeigt diese Ei:
senschaften desgleichen.
Dagegen ist das an Stelle der kleinen Ellipse neu entstandene
Sprumgende, das sich entgegen der ursprünglichen Richtung des
Sprunges ganz sichtlich dem Schaarungspunkt bei ce (rechts) zu-
krümmt, durch ganz kurze, spitze, unter sehr kleinem Winkel
gleichsinnig ins Liegende ablaufende, dornähnliche Risse ge-
zähnelt, eine die Sprünge begleitende Erscheinung, die
auch anderwärts im Sprungfelde wahrgenommen wird, so links
unten bei a (vgl. die Wiederholung in natürlicher Grösse auf
Taf. XII und besonders am Hauptsprunge links oben vor dem
Ablaufen des letzten an denselben heransetzenden Quersprungs);
auch die äusserst feine und dicht gedrängte Riefung der liegenden
Sprungfläche bei a (vgl. Taf. XII) und am untersten Schaarpunkte
links unten scheint hierher gestellt werden zu müssen. Fast aus-
schliesslich die liegende Seite der Sprünge zeigt diese Zähne-
lung
den Verlauf der Sprünge begleitende Erschemung umgekehrt vor-
durch kleine Risse. Dagegen beobachtet man eine andere
zugsweise auf deren hangender Seite. Das sind leicht in dem
Bilde erkennbare flach schüssel- oder muschelförmige,
seltener längsgestreckte, hülsenförmige!), concaye
Ausbrüche aus der Innenfläche der Fensterscheibe, die
sich ebenfalls gern reihenweise län
& gs der Sprünge herziehen.
Ueberblickt man nunmehr das Sprungfeld auf Taf. XI in
seiner Gesammtanlage im Verhältniss zu der durch die Tafel-
grenze angedeuteten Fenstereinrahmung und unter Berücksichtigung
der in der Zeichnung angegebenen Lage des Fenstergriffes wenig
unter der einzigen nicht festgehaltenen ?) Ecke des Rahmens, so
ergeben sich einige, wie mir scheint, einfache Beziehungen:
Der asymmetrischen und einseitigen Vertheilung der bewegenden
Kraft und des Widerstands entsprechend giebt es, wie bereits oben
kurz hervorgehoben, keine zwei gleichmässig auf die Fensterfläche
vertheilte Sprungsysteme, wie bei den symmetrisch angeordneten
) An der linken unteren 'Hälfte des längsten Quersprunges und am links-
seitigen Hauptsprunge über dem unteren Bogentrume.
>) Der Kürze halber will ich sie die »freie« nennen.
in einer Fensterscheibe entstandenes Torsionsspaltennetz. 345
Versuchen DAUBREE'Ss, es herrscht vielmehr das diagonale
Sprungsystem entschieden vor und bestimmt die Form
und Abgrenzung des Sprungfeldes. Indem sich das Dia-
gonaldreieck des Fensters, dessen rechter Winkel in der freien
sende zwischen
Ecke nächst dem Grifte liegt, gegen das gegenüberlie
den drei Festpunktecken bewegte, mussten besonders in der Grenz-
region beider Dreiecke, aber auch noch eine Strecke weit einwärts
in dem festgehaltenen Dreieck Wellenbewegungen innerhalb der
spröden Glasmasse stattfinden, die sich vorzugsweise in Spannungen
und Brüchen nahezu parallel zu dieser Grenzdiagonale äusserten
und so das Sprungfeld schufen. Das kleinere sprungfreie Glas-
dreieck dagegen lag zu sehr festgehalten, um überhaupt an stär-
keren Bewegungen irgendwie theilnehmen zu können; das dem
Griff zunächst liegende machte als Ganzes mit dem beweglichen
Theil des Rahmens die Bewegung nahezu gleichmässig mit, so
dass es ebenfalls in der Gleichgewichtslage seiner Theilchen nicht
stark gestört werden konnte. Aus der im Sinne eines stumpfen
einwärts gekehrten Winkels erfolgten Bewegung, wonach der be-
wegte Theil der Glastafel auf den festliegenden einen Druck,
dieser aber Widerstand ausüben musste, begreift man auch, dass
das Einfallen der Diagonalsprünge fast überall gegen den Angriffs-
punkt der bewegenden Kraft gerichtet ist, dass das gedrückte
Liegende derselben örtlich von jenen zahlreichen kleinen Risschen
wie gezähnelt erscheint, während von dem daran gestauten Hangen-
den sich oberflächlich muschelförmige Scherbehen abgelöst haben.
Für die Entstehung des anderen untergeordneteren,
wesentlich auf das Innere des Sprungfeldes beschränk-
ten Systems der Quersprünge kommt in Betracht, dass theils
in Folge der asymmetrischen Vertheilung von Bewegungskraft und
Widerstand, theils zufolge des Gegensatzes zwischen der grösseren
Schwingungsfähigkeit der Scheibenmitte und der geringeren der
dem Rahmen zunächst liegenden Scheibentheile eine gleichzeitige
Fortpflanzung der Wellenbewegung parallel der Diagonale nicht
wohl statthaben konnte, wie das ja auch schon aus dem bogigen
Verlauf der Diagonalsprünge selbst ers’chtlich ist. Trennungs-
spalten der ungleichmässig bewegten Theile im Mittel senkrecht
346 K. A. Lossen, Ueber ein durch Zufall
zur Diagonale sind die einfachsten Ausgleichungen solcher in der
Fortpflanzungsrichtung der Wellenbewegung quer auf die Wellen-
axen erzeugten Spannungen. Es ist aber für die Bildung dieser
Quersprünge wohl auch noch ein anderer Umstand in Rechnung
zu ziehen, auf welchen uns ihre vorherrschend gegen den Fenster-
riegel vorn unten gekehrte Fallrichtung hinweist. In der Riegel-
ecke war der Fensterrahmen am Eckpunkt selbst zufolge der
halben Auslösung immerhin weniger stark festgehalten als an dem
diagonal gegenüberliegenden Festpunkte, welcher in der etwas tiefer
als die Rahmenecke angebrachten Fensterangel seinen Ruhepunkt
hat. Danach muss das Fensterglas in der Umgebung dieser
letzteren relativ geringeren Spannungen ausgesetzt gewesen sein.
Ganz sichtlich ist ja auch der der Riegelecke zunächst liegende
Scheibenantheil am meisten und in der mannigfaltigsten Art zer-
spalten, während sich am entgegengesetzten Ende eine Verein-
fachung des Sprungnetzes und ein stärkeres Auseinanderweichen
der Streichlinien der Hauptsprünge zu erkennen giebt. Der
schmalste Theil des Sprungfeldes und zugleich derjenige, welcher
den geradlinigsten Verlauf der Hauptspalten und das Blindendigen
oder Unterbrochensein (Intermittiren) der Nebenspalten aufweist,
liegt in der Scheibenmitte, deren aın fernsten von der Einspannung
in dem Rahmen befindliche Glasmasse weniger gehindert war, die
Schwingungen gleichmässig fortzupflanzen.
Das Oberharzer Gangspaltennetz und das Mittelharzer meri-
diane Eruptivgangspaltensystem lassen beide ebenfalls ein fächer-
förmiges Auseinandergehen der Spalten und dabei eine
grössere Anzahl Gänge in dem engeren gedrängteren,
eine geringere in dem erweiterten Theile des Fächers
erkennen. Sprünge in compactem, homogenem Glas und solche in
den bald geschichteten, bald massigen zusammengesetzten Gesteinen
der Erdfeste lassen sich selbstverständlich nicht in jeder Beziehung
vergleichen. Wenn dies doch, wie diese durch Torsion zerspaltene
Fensterscheibe beweist, in hohem Grade der Fall ist, so mag
darin ein doppelter Hinweis gefunden werden: einmal der, dass
auch die Gangspalten in der Erdrinde vielfach Torsionsbedingungen
ihre Entstehung verdanken, sodann der andere, dass die hierbei
in einer Fensterscheibe entstandenes Torsionsspaltennetz. 347
wirkenden Kräfte so gross sind, dass im Verhältniss dazu die
Unterschiede in der Struktur und Festigkeit der Gesteine im All-
gemeinen verschwindend gering genannt werden müssen. Die
festesten Gesteine, Quarzit, Grauwacke, Diabas etc. sind häufig
in geringen Abständen von überaus zahlreichen messerscharf und
plattflächig durchsetzenden Klüften zerspalten, welche beredtes
Zeugniss dafür ablegen, was für eine, jeder experimentellen Er-
fahrung spottende Gewalt geologische Druck- und Zugkräfte be-
-sitzen. Damit soll aber der Werth des von DAUBREE und Anderen
geschickt gehandhabten Experiments keineswegs verkleinert werden.
Dass aber auch der Zufall mitunter kein so übler Experimentator
ist, ergiebt das Sprungnetz unserer Fensterscheibe, welches schliess-
lich schon allein dadurch höchst lehrreich ist, weil es uns deut-
lich vor Augen führt, wie viele und zum Theil recht com-
plicirte Verhältnisse unserer Erzgänge und Gangklüfte
überhaupt durch einen einzigen Bildungsakt zugleich
entstehen können.
Abhandlungen
von
ausserhalb der Geologischen Landesanstalt
stehenden Personen.
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Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
Von Herrn Fritz Rinne in Göttingen.
(Hierzu Tafel XI.)
Auf einer von Herrn Professor Dr. A. v. KOENEN veran-
stalteten geologischen Tour in die Rhön, an der auch ich mich
betheiliste, wurden unter anderen zwei erloschene Vulkane besucht,
welche Herr Prof. v. KoEnEn bei seinen geologischen Aufnahmen
in der nördlichen Rhön als solche erkannt hatte: der Dachberg
und der Schorn. Ich wurde von Herrn Prof. v. KoENEN aufge-
fordert, den einen der Vulkane, den Dachberg, einer petrogra-
phischen Untersuchung zu unterwerfen. Das Resultat derselben
habe ich im Folgenden darzulegen versucht.
Der Dachberg ist von Hünfeld, einem Städtchen an der
Bahnlinie zwischen Bebra und Fulda, leicht zu erreichen. Die
grosse Frankfurter Poststrasse führt von dem erstgenannten Orte
nach dem ungefähr 11 Kilometer nordöstlich von ihm gelegenen
Rhöndorf Rasdorf, von dem der Dachberg im SSW nur 1,5 Kilo-
meter entfernt liegt.
Seine Höhe beträgt circa 370 Meter. Ueber Rasdorf erhebt
er sich um circa 80 Meter. Die Nachbarberge, welche den Thal-
kessel, in welchem Rasdorf liegt, umsäumen, übertreffen ihn meist
sowohl an Ausdehnung als an Höhe. So erhebt sich die gewaltige
Basaltmasse des Stallberges zu 487 Meter, der Hübelsberg zu
400 Meter, der Morsberg zu 410 Meter, der Kleienberg zu
Jahrbuch 1886. [1]
9) Frırz Rınne, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
f4
450 Meter, während der durch eine weithin sichtbare Kapelle ge-
krönte Gehülfersberg ihm an Höhe ungefähr g„leichsteht und der
Kirschberg (340 Meter) von ihm darin übertroffen wird.
Am stattlichsten erscheint er von W aus, da sich hier der
Basalt mit steilem Abfall bis zur Thalsohle erstreckt. Der Ost-
abhang führt mit sanfter Neigung zu seiner Höhe. Die Sediment-
gesteine reichen hier bis dicht an seinen Gipfel. Die beigefügten
Abbildungen sollen diese Gestaltsverhältnisse näher erläutern.
Die erste Ansicht ist von der Ostseite des Berges aufgenommen,
die zweite giebt den Anblick von SW wieder.
Vulkan Dachberg bei Rasdorf von Osten aus.
Man trifft beim Gange von Rasdorf zum Dachberge zunächst
unteren und mittleren Muschelkalk. Am Fusse des Berges er-
kennt man Trochitenkalk, dann Ceratitenschichten, auf die Kohlen-
keuper in geringer Mächtigkeit folgt.
Auf der Höhe angekommen bemerkt man, dass der Berg sich
nicht zur Kuppe abrundet: eine deutliche, allseitig umgrenzte
Einsenkung erinnert sofort an seinen vulkanischen Charakter.
Die elliptische Einsenkung erstreckt sich mit ihrer circa 140 Meter
langen Längsaxe von N nach S, entsprechend der Richtung einer
Reihe von nord-südlich verlaufenden Verwerfungsspalten, die den
Dachberg durchsetzen, und auf denen der Basalt desselben empor-
gequollen sein wird. Die Queraxe der Ellipse ist circa 60 Meter
lang.
Der Boden der kraterförmigen Einsenkung ist wellig. Eine
sanfte, quer durch die Ellipse verlaufende Bodenanschwellung
Frıız Rınne, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. 3
trennt sie in eine nördliche und südliche Hälfte. An der West-,
Nord- und Südseite ist der innere Rand der Einsenkung wohl
erhalten; der Ostrand ist niedrig und durch Rundung verwischt.
An den ersterwähnten Seiten steht der Basalt zu Tage. An der
Nordseite ist er durch einen kleinen, wieder verlassenen Stein-
bruch gut aufgeschlossen, an der Südseite tritt er spärlicher her-
vor, da hier niedriges Gehölz den Boden einnimmt. Die Ein-
senkung selbst, der Ostrand sowie der Ostabhang des Berges
wird von Feld eingenommen. Beim Pflügen brechen die Bauern
Basaltblöcke aus dem Ostrande der Ellipse, wodurch derselbe
an Deutlichkeit verliert. Ein beträchtlich grosser Block
ständig
Vulkan Dachberg von Südwesten aus.
ragt ungefähr in der Mitte der Ostseite aus dem Acker heraus.
‚Jedenfalls ist der Kraterrand ebenfalls an der Ostseite, wie auch
ich mich durch einzelne Grabungen überzeugte, geschlossen.
Eng an die Kraterwände angeschlossen trifft man in der Ein-
senkung Tuffablagerungen, braune und grünliche, echt basalt-
tuffartig aussehende, sowie auch helle, gelblich-weisse. Die äusseren
Abhänge des Dachberges sind gleichfalls an verschiedenen Stellen,
besonders an der Nordseite, von diesen Tuften umkleidet.
Nicht minder auffallend wie die Tuffe sind die ım Krater
anstehenden und in ihm überall verbreiteten losen Stücke des
basaltischen Gesteins. Sehr häufig zeigen dieselben nämlich eine
blasenreiche Structur und löcherige Oberfläche und documentiren
sich dadurch als Schlacken. Hier und dort konnte ich richtige
vulkanische Bomben aufheben, die zuweilen noch wohlerhaltene
Birnform zeigten, entsprechend den bekannten Thränen des Aetna.
[12]
4 Frırz Rısse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
Es bleibt somit in Ansehung der drastischen Vulkanform des
Berges, vor allem der noch vorhandenen Kratereinsenkung, der
Tufte, Schlacken, Bomben nicht wohl ein Zweifel, dass man
den Dachberg unter die Zahi der erloschenen Vulkane zu stellen hat.
Sehr ausgedehnte Tuffablagerungen schliessen sich an den
Dachberg im Westen an. Sie bedecken dort ein Areal von min-
destens 60 Hektar. Vielerorts sind sie hier trefflich aufgeschlossen.
Besonders der »Weisse Weo« ist gut zum Studium derselben
geeignet. Die weisse Farbe der Ablagerungen hat demselben
seinen Namen verschaftt. Ein tiefer Wasserriss, der neben diesem
Wege sich hinzieht, ist in den Tuffablagerungen eingefressen.
Auch der Bach, welcher dicht au der Westseite des Vulkans
von S nach N fliesst, giebt Einblick in diese Lager, sowie noch
mancher andere Punkt am Rande des Waldes, der westlich vom
Dachberg die Abhänge des Setzelberges bekleidet.
Der petrographische Charakter der bei der obigen
kurzen, topographischen Beschreibung erwähnten Gesteine wurde
durch mikroskopische und chemische Analyse zu erforschen gesucht.
[eo]
Naturgemäss gliedern wir die in Frage stehenden Gesteine in
solche des Dachberges und die seiner nächsten Umgebung.
Die Gesteine des Dachberges.
Unter den Gesteinen des Vulkans sind die dunklen, basal-
tischen Massen von den Tuffen zu trennen. Die ersteren bieten
dem unbewaftneten Auge ein sehr verschiedenes Bild dar, je nach-
dem man es mit dem dichten Gestein oder den Schlacken zu thun
hat. Den dichten Basalt fand ich recht gut aufgeschlossen
und anstehend in dem verlassenen, kleinen Steinbruch am Nord-
rande der Kraterellipse sowie an der West- und Südseite der-
selben. Auch an dem äusseren, westlichen Abhang sowie lose kann
er vielerorts aufgehoben werden. Es ist ein dichtes, schwarzes
Gestein. Mit blossem Auge besehen erscheint er gleichmässig bis
auf hier und dort aufleuchtende Pünktchen und 1—2 Millimeter
grosse Olivineinsprenglinge. Die verwitterten Partieen besitzen
häufig einen leisen röthlichen Hauch, der durch die Zersetzung
eisenhaltiger Gemengtheile entsteht. In solchen Stücken fällt der
Frrrz Rınse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. 5
Olivin durch gelbe Farbe und hervortretende Blättrigkeit im’s
Auge. Die äussere, eigentliche Verwitterungsrinde der Blöcke ist
gelblich und sehr dünn. Durch Verwitterung tritt an manchen
Stücken ein eigenthümliches, körnig-knotiges Gefüge hervor. Die
erbsen- bis kirschgrossen Körner heben sich dann durch ihre be-
sonderen Verwitterungsrinden gut von einander ab.
Unter dem Mikroskop gewahrt man, wie in eine reichlich
vorhandene, glasige, farblose Grundmasse die krystallinen Gemeng-
theile eingebettet sind. Am grössten entwickelt unter den Kry-
stallen ist der porphyrisch eingesprengte Olivin, dessen Durch-
schnitte meist deutliche Flächenbegrenzung aufweisen, jedoch auch
häufig unregelmässig begrenzt sind. Nicht selten zeigt er rund-
liche oder auch canalartige, sich verzweigende Einbuchtungen, die
von den übrigen Gesteinsgemengtheilen ausgefüllt sind. Die Grösse
der Olivindurchschnitte ist recht verschieden, im Mittel sind sie
vielleicht 0,25 Millimeter lang und entsprechend breit. Jedoch
habe ich auch auffallend lange und schmale Durchschnitte ge-
messen, so einen von 0,9 Millimeter Länge und nur 0,13 Milli-
meter Breite. Der mittlere Theil der Durchschnitte ist meist noch
frisch und dann farblos durchsichtig. Er strahlt in lebhaften Po-
{ao}
larisationsfarben. Das Uebrige ist zersetzt. Die Zersetzungspro-
ducte sind Serpentin, aber auch Carbonspathe. Die Zersetzung
in letztere erfolgt gerade so wie die Serpentinisirung, also vom
Rande der Durchschnitte her und auf unregelmässigen, maschigen
Rissen, die den Krystall durchziehen. Auch sonst findet man
Carbonspathe in den Dünnschliffen der verwitterten Basaltstücke
in bedeutender Menge theils in Butzen theils in langen Schnüren
den Schliff durchziehend.
Dem Olivin in Bezug auf Grössenausbildung am nächsten
steht der Augit, wo er wie Olivin porphyrisch eingesprengt er-
scheint. Dann erblickt man ihn m bis 0,30 Millimeter langen und
0,15 Millimeter breiten, einzeln liegenden, selten rosettenförmig an-
geordneten Durchschnitten von licht röthlich brauner Farbe. Sie
lassen sich auf die gewöhnliche Form beziehen. Häufig sind
Zwillinge nach © P » (100) zu beobachten. Die Krystallum-
grenzungen sind meist recht scharf, doch kommen auch mannig-
6 Ferrz Rınse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
faltige Bruch- und Corrosionserscheinungen vor. Der Pleochrois-
mus ist gering, die Auslöschungsschiefe zur c-Axe beträchtlich,
meist zwischen 300 und 45% Zonenstructur und besonders die
bekannte Sectorenbildung, die in Gestalt einer Sanduhr auf den
Durchschnitten im polarisirten Licht erscheint, sind recht häufig.
Die Sectorengrenzen sind meist scharfe, regelmässige Linien (Fig. 1
Taf. XIII). Nicht selten erscheinen diese Bildungen aber auch wie
die Fig.2 und 3, also der Art, dass die inneren Partieen sehr unregel-
mässig begrenzt sind. Es scheinen mir diese letzteren Bilder deutlich
für die Auffassung zu sprechen, dass die Sanduhraugite ursprüng-
lich Krystallskelete darstellten, die durch das Magma z. Th. an-
gefressen wurden, später dann zu regelmässig begrenzten Kry-
stallen weiterwuchsen.
Ausser den porphyrisch eingesprengten kommt der Augit in
meist recht kleinen, oft sehr kleinen Durchschnitten vor. Sie sind
farblos, erscheinen meist ohne regelmässige Begrenzung in zierlichen
Corrosionsformen, ınit Hörnchen, Stacheln, verrundeten Knöpfchen
am Rande, aber auch als von scharfen Flächen begrenzte Kry-
stalle von Form der grossen. Diese kleinen Augite sind gleich-
falls zuweilen Zwillmge nach © P & (100) und zeigen die soeben
von den grösseren erwähnte Sanduhrform. Recht auffallend sind
in den Dünnschliffen die hin und wieder vorkommenden Anhäu-
fungen von Augitkryställchen der gewöhnlichen Combination, die
sogenannten »Äugitaugen«e. Die Umgrenzungen derselben sind
rundlich, seltener erscheinen sie mehr oder weniger geradlinig um-
randet. Stellenweise ist auch ein Parallelismus der kleinen Augite
im Auge nicht zu verkennen. Die Erscheinung erinnert dann
recht sehr an die eigenthümlichen Umschmelzungen, welche die
Hornblende häufig erleidet, die durch magmatische Einwirkung in
ein Haufwerk von Augiten verwandelt wird. Die Farbe der Au-
gite in den Augen ist eine röthlich braune, zuweilen sind sie farb-
los. Ein Mal erschienen sie grasgrün. Die Färbung verschwand
indess beim Behandeln des Schliffes mit Salzsäure. In den Durch-
schnitten der Augitaugen bemerkt man ausser dem Augit noch
Magnetit, Biotit, Plagioklas und zuweilen sehr viel, zuweilen
wenig helles oder leicht bräunliches Glas, das in anderen indess
Frrrz Rısse. Der Dachbere, ein Vulkan der Rhön.
, 8
gänzlich fehlt. Glaseinschlüsse mit Bläschen wurden wie in den
übrigen Augiten auch in dem der Augen entdeckt.
Der Plagioklas bietet wenig besonders bemerkenswerthe
Verhältnisse dar. Die Grösse der Lamellen wechselt in den
Schliffen verschiedener Punkte; im Allgemeinen ist sie gering,
beträgt vielleicht im Mittel 0,06 Millimeter in der Länge und
0,01 Millimeter in der Breite. Die Zwillingslamellirung ist meist
sehr zart. Quere einfache und mehrfache Brüche, zuweilen noch
neben einanderliegende, zusammengehörige Bruchstücke kommen
vor. Auch anschemend bruchlos beträchtlich gebogene Individuen
wurden beobachtet. Eine rosettenförmige Anordnung der Kry-
stalle ist selten. Häufiger tritt durch die Gruppirung der Pla-
sioklasleisten die Erscheinun
Oo
o°-
der Fluidalstructur prächtig hervor.
Die Auslöschungsschiefen der Lamellen sind, wenn sie zur Zwillings-
grenze beiderseits gleich sind, meist beträchtlich gross. Es wurden
solche von 12°, 180, 20°, 220, 250 gemessen. Von Salzsäure ist
der Plagioklas anscheinend wenig angreifbar.
Der Magnetit tritt sowohl als Einschluss in anderen, später
als er ausgeschiedenen Mineralien auf, als auch für sich in den charak-
teristischen Durchschnitten. Höfe von Eisenoxydhydrat umgeben
ihn in einzelnen Schliffen. In verschiedenen erscheinen seine
Durchschnitte nicht undurchsichtig, sondern ganz oder in einzelnen
Flecken mit rother Farbe durchscheinend. Es ist diese braun-
bis blutrother Farbe nicht eine dem unversehrten Magneteisen
zukommende, sondern man hat hier wohl Umwandlungen, also
Pseudomorphosen vielleicht von Göthit oder Brauneisen nach
Magmnetit vor sich. Es spricht hierfür besonders der Umstand,
dass solche durchscheinende Körner häufig nicht das Licht auf
ihrer ganzen Fläche, sondern, wie erwähnt, fleckenweise durch-
lassen. Einige Male wurde bemerkt, wie quadratische Durch-
schnitte in den Diagonalen noch die schwarze Magneteiseusubstanz
aufwiesen, die Quadranten zwischen diesen Kreuzesarmen aber
roth durchschienen. Es trat somit ein widerstandsfähigeres Gerüst,
dessen Ebenen denen des Würfels entsprechen, auf diese Weise
klar heraus (Fig. 4). In Salzsäure lösen sich diese durchscheinenden
Durchschnitte elatt auf.
Oo
oO
8 Frırz Rınne, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
Ferner angeschlossen an Magnetit ist Biotit, der in beträcht-
licher Menge in den Schliffen vorhanden ist. Es sind im Mittel
vielleicht 0,05 Millimeter lange und 0,03 Millimeter breite Durch-
schnitte mit starkem Pleochroismus. Ihre Farben sind in den
beiden charakteristischen Lagen braun und leicht gelblich. Zu-
weilen haben die Blättchen rechteckig vier- oder auch sechsseitige
Umgrenzung, meist sind sie indess an den Seiten unregelmässig
begrenzt, zerfetzt, auch abgerundet oder mit treppenförmigen Ab-
sätzen versehen.
Apatit ist meist in ziemlicher Menge besonders im Glase
der Dünnschliffe vorhanden in Gestalt der feinen, wohl durch die
Contraction des erkaltenden Magmas quergegliederten, zerrissenen
Nadeln. Einzelne hatten die beträchtliche Länge von 0,3 Milli-
meter. Zuweilen sieht man den Apatit in eigenthümlich gabel-
förmiger Gestalt (Fig. 5 und 6), indem ein dicker Stiel zwei feine
Zinken aussendet.
Schliesslich sei das die übrigen Gemengtheile zusammenkittende
Glas erwähnt, das recht reichlich, zuweilen in so grosser Menge
vorhanden ist, dass die einzelnen Krystalle wie bei einem typischen
Vitrophyr rundum abgeschlossen in ihm liegen. Behandelt man
das Gesteimspulver oder einen Schliff nur kurze Zeit mit reiner
Salzsäure, so bemerkt man bald sehr reichlich ausgeschiedene
Na0l-Skelete und -Würfel, so dass die Vermuthung auf einen
Nephelingehalt des Gesteins sehr nahe lag. Im anscheinenden
Gegensatz zu diesem chemischen Verhalten zeigte mir das Mikro-
skop indess nie mit Sicherheit sein Vorhandensein. Der Wider-
spruch löste sich aber bald durch die Wahrnehmung, dass die
grosse Menge der NaCl-Krystalle nicht von Nephelin, sondern
von der reichlich vorhandenen Glasbasis ihren Ursprung nimmt.
Diese ist nämlich leicht durch Salzsäure unter Abscheidung von
NaCl-Krystallen und gallertartiger Kieselsäure angreifbar und färbt
sich deshalb nach dem Aetzen in einer Fuchsinlösung. Das Ein-
zige, was sie hiernach vom Nephelin in den obigen Punkten unter-
scheidet, ist ihre Isotropie. Ich habe wenigstens nie auch mit
Hülfe des Gypsblättchens vom Roth I. Ord. unzweifelhaft deut-
liche, regelmässige Wirksamkeit auf das polarisirte Licht bei ihr
beobachtet.
Frırz Rınse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. 9
Die chemische Analyse des Gesteins wurde unter Leitung
des Herrn Professor P. JannascHh von Herrn stud. chem. LANGE
ausgeführt. Letzterer gelangte zu folgenden Resultaten.
SL] a Re |
TiO; EEE Dt
X —= Begleiter des TiOz . 0,74
AL OS nr 2 15,80
F&0; I ie ie 5.59
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Mel ee urn. 4,85
CaOES at 10:30
N»0 ... 0.0.0.0. 0. 6,08
Ko ee 2
I,.O es. . Spur
SO Re A
Vierer ne. 2 U:46
) 5 02 0 Ja SE ur IE SE Te 72,
Ve en 2.0
EEE DEREN):
Summa 101,45
Glühverlust = 4,04 pCt. Spec. Gew. bei 21° — 2,900.
Löslichkeitsverhältnisse geren Salzsäure. Darin unlöslich
44,02 pCt.
lösliches Fe O;, Ab OÖ, (TiO3, M&O) 27,17 >»
BONES re RE EEE 9 Or EEE TEE Eee PElae 30
Sa a ER se ld sa
Ne ee ee u ld n
KO u, 02, 8
Das Pulver schmilzt im Platintiegel vor der Gebläseflamme
ziemlich leicht zu einem trüben, schwarzbraunen Glase zusammen.
Die chemischen Verhältnisse stehen im Einklang mit den oben
erwähnten Eigenschaften des Gesteins. Da kein Mineral der So-
dalithgruppe in den Schliften wahrgenommen wurde, wird der be-
trächtliche Cl-Gehalt des Basaltes der Glasbasis zuzuschreiben sein,
Ich bezeichne das Gestein als einen glasreichen Plagioklasbasalt.
10 Frırz Rısse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
Der soeben beschriebene Basalt ist von gleichmässiger, com-
pacter Structur. Davon abweichend erscheinen die basaltischen
Massen, die am Nordrande und auch an der Westseite der Krater-
ellipse anstehen, auch sonst lose auf dem Kraterboden zerstreut
liegen. Sie documentiren sich durch charakteristische Hohlräume
als Schlacken. An der ersten Stelle bilden sie grössere, anstehende
sleichmässige Massen, während an der Westseite ein Haufwerk
von Schlackenstücken, die, mit anderen dichten Basaltbrocken ver-
einigt, durch ein gelblich weisses Cement verkittet sind, hervor-
tritt. Die Hohlräume sind zum Theil rundlich, meist aber in die
Länge gezogen und zwar so, dass, da die Längsaxen der benachbarten
ungefähr parallel laufen, eme Fluidalstructur der Masse recht
deutlich durch sie hervortritt. Zuweilen verzweigen sie sich. Ihre
innere Oberfläche ist glatt, jedoch nicht eben, sondern mit einzelnen
Knötchen, Hörnchen und Spitzen versehen. Ihre Länge schwankt
zwischen dem kleinsten Maass bis zu 2 ÜCentimeter. Zuweilen
zelblichen Zersetzungsproducten
sind sie z. Th. oder ganz von &
erfüllt. Die Schlackensubstanz selbst ist, wenn frisch, dunkler
als der beschriebene Basalt, sehr dicht und schwach fettglänzend.
Durch Zersetzung färbt sie sich bräunlich oder selbst roth. Die
Schlacke hat zuweilen bis 1 Centimeter grosse Hornblendekrystalle
von der charakteristischen Grestalt der basaltıschen Hornblende
umwickelt.
Das mikroskopische Bild der Schlacken ist von einem ganz
eigenartigen Charakter. Man erkennt zunächst Augit, Plagioklas,
Magnetit, Biotit, Apatit, Glas, das oft durch feine, braune Punkte
und Striche zierlich entglast erscheint. Der Magnetit kommt
ausser in kleinen auch in porphyrisch eingesprengten Durchschnitten
vor und ist häufig skeletartig ausgebildet.
r
%
Unter der obigen Aufzählung der constituirenden Mineralien
findet sich der Olivin nicht, der in dem vorhin beschriebenen
Basalt in der ganz charakteristischen Erscheinungsweise in jedem
Schliffe zu erblicken ist. Allerdings würde man bei der Be-
trachtung ohne oberen Nicol kein Bedenken tragen, Durchschnitte,
welche ganz und gar das Aussehen des Olivins besitzen, als
solchen anzusprechen. Es finden sich nämlich zwischen den
Frırz Rınne, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. 11
“übrigen Gemengtheilen farblose Durchschnitte, wie sie in den
Figuren 7—13 gezeichnet sind. Sie besitzen die Form des Oli-
vins, treten überdies in der Anzahl und Grösse auf, wie sie dies
wohlcharakterisirte Mineral des erstbeschriebenen Basalts zeigt und
besitzen dieselben Magnetiteinschlüsse wie dieses. Bei der Be-
trachtung zwischen gekreuzten Nicols gewahrt man indess, dass
sie vollständig isotrop erscheinen.
Hiernach würden am Dachberg zwei Basalte zu Tage treten,
von denen der eine, nämlich der langsam erkaltete, compacte, nor-
mal ausgebildeten Olivin führt, der andere, die rascher erkaltete
Schlacke zwar dieselben übrigen Gemengtheile aufweist wie
ersterer, indess statt des Olivins einen Gemengtheil zeigt, der
ganz und gar die Art des Auftretens in Bezur auf Form, Grösse,
Einschlüsse und Anzahl besitzt wie Olivin, indess isotrop erscheint.
Interessant zu sehen ist es, dass die bekannten, merkwürdigen,
charakteristischen, stiefelknechtförmigen Olivinskelete, wie sie hin
und wieder im erstbeschriebenen Basalt auftreten, auch hin und
wieder in der Schlacke ihren isotropen Repräsentanten finden
(Figur 14 und 15). Kein einziges polarisirendes Olivinkorn habe
ich in meinen Schlackenschliffen entdeckt. Behandelt man in be-
kannter Weise einen Schlackenschliff leicht mit Salzsäure und
tränkt ihn mit Fuchsmlösung, so färben sich die grossen, isotropen
Durchschnitte auf die prächtigste Weise. Es wurde nun ein
wenig Schlackenpulver mit Salzsäure behandelt. Die Lösung er-
gab durch sehr deutliche Struvitreaction die Gegenwart von Me.
Andererseits färben sich die betreffenden farblosen Durehschnitte vor
der Löthrohrflamme in ein paar Secunden gelbbräunlich bis schwarz,
wie es farblose Fe O-haltige Minerale thun. Es scheint mir hier-
nach der Schluss erlaubt, dass in den fraglichen Durchschnitten die
Basen des Olivins FeO und M&O gleichfalls enthalten sind. Ver-
fasser konnte nach dem Allen den Gedanken nicht unterdrücken,
dass in vorliegenden Gebilden Zeugen einer der vielen magmatischen
Umänderungen vorliegen, wie sie frühzeitig ausgeschiedene Ge-
ınengtheile in Basalten häufig erfahren, und die diesmal den Olivin
ergriffen haben. Es liest nach des Verfassers Meinung ein Pro-
cess hier vor, wie ıhn die basaltische Hornblende in Basalten
12 Fritz Rınse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
häufig erfahren hat. Während diese unter Erhaltung der Form
zu Augit umgeschmolzen wird, liegt hier eine Umschmelzung
unter Erhaltung der Form von Olivin in Glas vor).
Was die Conservirung der Form betrifft, so kann diese in
der That so weit gehen, dass scharfe Umrisse erhalten bleiben.
Häufiger sind indess mehr oder weniger verrundete Kanten, wie
es Ja von vornherein anzunehmen ist, und wie sie ja auch die um-
geschmolzene Hornblende zeigt. Ferner kommt es vor, dass
Durchschnitte an einem Ende scharf begrenzt sind, am anderen
indess in Strähnen auslaufen und wie zerflossen erscheinen (Figur 16).
Ohne Zweifel wird bei der Umschmelzung eine Erweichung der
Substanz stattgefunden haben, und in diesem vorübergehenden
Zustande konnte bei Bewegungen der Lava sehr wohl ein Aus-
einanderfliessen der fraglichen Substanz vorkommen. Scharfe Um-
risse konnten sich wohl nur dort erhalten, wo grössere Ruhe ın
!) Zwei andere Möglichkeiten in der Deutung der in Rede stehenden Gebilde
sind nicht von vornherein abzuweisen.
Die eine ist die, dass in den fraglichen Durchschnitten nichts weiter vorliegt,
als in Zersetzung befindlicher Olivin, dessen Zersetzungsproducte entweder isotrop
sind oder durch Compensation ihrer Doppelbrechung eine scheinbare Isotropie zu
Stande bringen. Es ist aber nicht recht einzusehen, wesbalb gerade der Olivin
der Schlacken dieser besonderen Zersetzung unterlegen ist und nicht auch der
des dicht daneben anstehenden Basaltes, der ganz allgemein in Serpentin oder
Kalkspath sich zersetzt, weshalb weiter bei der grossen Anzahl untersuchter
Schliffe der verschiedenen Punkte des Vulkans in den isotropen Durchschnitten
nicht ein Mal ein Rest unzersetzten Olivins gesehen wurde, wesshalb ferner nicht
wie sonst bei Olivin diese Zersetzung auf Rissen und Spalten vor sich geht,
warum schliesslich überhaupt solche Spaltrisse bei den isotropen Durchschnitten
vollständig fehlen, die man, wenn Ölivine vorlägen, doch wenigstens hin und
wieder erwarten dürfte.
Die zweite Möglichkeit wäre die, dass die isotropen Durchschnitte zwar von
Olivin herrühren, dieser indess herausgewittert ist, und nun in den hinterbliebenen
Hohlräumen Infiltrationsproducte sich festgesetzt hätten. Allein hiergegen spricht
ein Mal das ganze Aussehen der isotropen Durchschnitte, die durch nichts sich
als Infiltrationsproducte verrathen, und ferner ist bei dieser Annahme gar nicht
einzusehen, weshalb die isotrope Substanz nun gerade nur die Hohlräume des
herausgewitterten Olivins erfüllt hat und nicht gleichfalls in die anderen Löcher
gewandert ist, die genugsam in der Schlacke vorhanden sind.
Beide Deutungen scheinen mir desshalb verfeblt zu sein und nur dazu zu
dienen, die oben auseinandergesetzte zu fördern.
Frırz Rısse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. 13
der Lava herrschte. Sicherlich haben viele zu Glas umgeschmolzene
Olivine bei der Bewegung vollständig ihre Form -eingebüsst und
sind zu Glassträhnen aus emander geschmolzen. Hierfür spricht
das Vorhandensein von oft langen Glaszügen, die sich gleichzeitig
mit den besser in der Form erhaltenen Glasdurchschnitten nach
dem Aetzen mit Fuchsin färben (Fig. 17). Dass bei einer der-
@)
artigen Umschmelzung die frühere Olivinsubstanz durch den noch
flüssigen Lavarest auch chemisch mehr oder weniger umgeändert
ist, ist wohl wahrscheinlich.
Nicht unterlassen will ich zu erwähnen, dass an den Rändern
der in Rede stehenden Durchschnitte zuweilen kleine Augite und
Magmnetite mit Biotit sich reichlich zu eimer Umkränzung ein-
finden (Fig. 18), sie zuweilen in die Oberfläche der glasigen Ge-
bilde gleichsam eingedrückt erscheinen, und dass man besonders
beim Senken des unteren Nicols des Mikroskops feine wulstförmige
Strähnen in den Durchschnitten bemerkt. Wo Zersetzungsvor-
gänge im Gestein sich einstellen, weisen auch die besprochenen
Glasdurchschnitte solche auf. Es stellt sich zunächst eine leise,
später deutliche Gelbfärbung der Durchschnitte ein. Einzelne
Stellen in ihnen zeigen Aggregatpolarisation. Besonders an ihrem
Rande bemerkt man, dass feine Fasern sich bilden, die mit ihrer
Längsrichtung senkrecht zu der des Durchschnitts stehen. Bei
stärkerer Zersetzung verbinden sich die Fäserchen zu kleinen
schmalen Schüppchen und Blättchen von gelber Farbe (Fig. 19).
Letztere haben sehr hohe Polarisationstöne, löschen einheitlich in
einem Glasdurchschnitt und zwar senkrecht und parallel zu ihrer
Längserstreckung aus. Ein deutlicher Pleochroismus und feine
Spaltrisse parallel der langen Seite der Blättchen sprechen wie
die obigen Eigenschaften für glimmerartige Natur derselben. Der
Pleochroismus äussert sich in der Weise, dass die Blättchen bei
der Betrachtung mit nur einem Nicol im dunkleren Gelb erscheinen,
wenn die Polarisationsebene des letzteren senkrecht zu ihren Spalt-
rissen steht.
Die merkwürdige Erscheinung, dass das Gestein eines und
desselben Kraters z. Th. typischen Olivin führt, z. Th. solchen
absolut vermissen lässt, verliert ihren wunderbaren Charakter, wenn
14 Frırz Rınne, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
man, wie oben geschehen, annimnit, dass in letzterem der Olivin
eine magmatische Umänderung erlitten hat.
Den schlackigen Basalt des Dachbergkraters bezeichne ich
auf Grund des Obigen als einen Plagioklasbasalt, dessen Olivin
die erwähnte Umschmelzung erfahren hat.
Der Fall, dass anderorts der Olivin bei seiner Umschmelzung
durch Bewegungen des Masmas vollständig seine Form verlor,
sich unter die (remengtheile mischte, also eingeschmolzen wurde,
ist nicht undenkbar. Und deshalb mögen vielleicht auch andere
Vorkommnisse, wo olivinhaltize und olivinfreie Gesteine geologisch
eng verbunden vorhanden sind, der Art zu erklären sein, dass
der Olivin bei letzteren vollständig wieder eimgeschmolzen ist, so
z. B. beschreibt Bückıns!) von dem Schornkrater bei Lenders
in der Rhön Nephelinbasanit und Nephelintephrit, von einer Stelle
700 Schritt s. w. vom Dachberg Nephelintephrit, während ich dort
olivinführendes Gestein fand. Theilweise magmatische Resorption
wird ja allgemein bei Olivin zugestanden, und so sind vollständige
Einschmelzungen nicht unwahrschemlich. Mit Erfolg zu unter-
suchen würden vielleicht die Nephelintephrite der Rhön sein, die
ein Mal als hellere, plattige, phonolithähnliche Gesteine auftreten,
das andere Mal in dunklen, oft säulenförmig abgesonderten, ganz
und gar basaltischen Massen erscheinen. Vielleicht hängen letztere
mit den Plagioklasbasalten enger zusammen als mit den erstge-
nannten Nephelintephriten, mit denen sie gleichen Namen führen.
Tuffe umgeben die Seiten des Dachbergs theilweise wie ein
Mantel, z. Th. erfüllen sie den Krater, in welchem sie besonders
an den inneren Seitenwänden zu Tage treten. Man kann röthlich-
braune, gelblichgrüne und weisslichgelbe unterscheiden.
Die röthlichbraunen findet man in grösseren Massen an der
inneren NW-Seite des Kraters. In der rothbraunen Masse sind
Hornblenden auffällig. Sie kommen selten in vollständigen
Krystallen vor, meist nur in glitzeruden Spaltblättchen. Die Kry-
stalle haben keine ebenen Flächen, sind vielmehr verrundet. Doch
kann man zuweilen noch deutlich die Anlagen von »P (110);
') Jahrb. der preuss. geol. Landesanst. 1881, 604.
Frırz Rısse, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön. 15
&P» (010); P(111) und o P(001) erkennen. Eine glänzende,
glatte Oberfläche, ihre tiefschwarze Farbe ist für sie charakteristisch.
‚Jedenfalls hat man es mit abgeschmolzenen Krystallen zu thun.
Diese Abschmelzung ist zuweilen so weit gegangen, dass man nur
noch tropfenartige oder keulenförmige Gebilde vor sich hat als
Ueberreste der früher wohl scharfen Krystalle. Die Auslöschungs-
schiefen wurden aus Schliffen parallel © P& (010) und o P(110)
festgestellt. Eine Auslöschungsrichtnng liest bei ersteren Schliffen
im spitzen Winkel der Axen a und c und macht mit der Rich-
tung der c-Axe einen Winkel von ca. 10° für Na-Licht. Der
Pleochroismus ist stark. Die nach a schwingenden Strahlen sind
im Dünnschliff hellgelb, die parallel © schwingenden gelbbraun.
Auf Schliffen parallel oP(i110) wurde eine Schiefe der Aus-
löschung von ca. 6° für Na-Licht zur Richtung der Spaltrisse
constatirt. Auf solchen Schliffen ist der Pleochroismus gleichfalls
beträchtlich. Auch Augitkrystalle finden sich reichlich im Tuff
eingesprengt. Im Gegensatz zur Hornblende mit ihrer glänzenden,
glatten, durch magmatische Resorption verrundeten Oberfläche
haben dieselben ein mattes, fast grauschwarzes Aeussere und wohl-
erhaltene Formen. Sie zeigen © P%& (010); oP (110) und P(111).
Ich fertigte mir Dünnschliffe nach © P» (010), © P& (100) und
senkrecht zur I. Mittellinie an. Auf denen nach P%& (010) liegt
eine Auslöschungsrichtung und zwar die, welche die Lage der
1. Mittellinie im Klinopmakoid angiebt, im stumpfen Winkel der
Axen a und ce und macht mit der letzteren einen Winkel von
42% für Na-Licht. Schliffe senkrecht zur I. Mittellinie weisen
einen grossen Axenwinkel auf und zeigen geneigte Dispersion der
Mittellinien. Der Pleochroismus der Augitschliffe ist gering und
bewegt sich in grünen Tönen.
Hier und dort eingestreut in der Masse des Tuffes liegen
ferner Biotitblättchen. Sie sind bis 1 Centimeter lang. Der
optische Axenwinkel ist beträchtlich gross und wurde im einem
Falle zu 30° für Na-Licht in Luft bestimmt. Dispersion p »
Na, 0 . . - . . . « Pi e 3 . 0,55 »
Die hohe Säurestufe des Gesteins deutet im Einklang mit
dem optischen Befund auf den sauren Charakter des die Haupt-
masse des Gesteins zusammensetzenden Feldspaths. Die Menge
der übrigen noch vorhandenen, basischeren Minerale ist zu gering,
um den SiO3,-gehalt beträchtlich herabzudrücken.
2) Frırz Rınne, Der Dachberg, ein Vulkan der Rhön.
Nach seinem optischen und chemischen Verhalten bezeichne
ich das soeben beschriebene Gestein als einen nephelinarmen
Nephelintephrit. Es baut den Tuff als hauptsächlichster Bestand-
theil desselben auf, der im Uebrigen noch Basaltbruchstücke, die
mit denen des Dachberges übereinstimmen, Gypskeuperstücke,
Buntsandstein, Muschelkalk als Einschlüsse aufweist. Der Tuff
ist mithin als Nephelintephrittuff zu bezeichnen. Da er den
Basalt als Einschluss führt und überdies dem Dachbergbasalt selbst
an verschiedenen Stellen aufgelagert ist, kann wohl kein Zweifel
darüber bestehen, dass der im Rede stehende Tephrit jünger als
der Plagioklasbasalt des Dachberges ist.
Göttingen, Mineral.-petrograph. Institut, 1. April 1887.
A.W.Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 45/46,
Seite xxxvyır Zeile 5 von unten lies;
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LXXXVII
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254
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Berichtigungen.
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oben
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unten
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»
Stockhausen statt Hochhausen.
Wenigen-Lupnitz statt Wenigau-Lupnitz.
Er giebt einen statt Er giebt keinen.
östlich statt westlich.
aus Kalk statt am Kalk.
östlichen statt westlichen.
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Fig. 1a.
Tafel I.
Weissia bavarica g.n. Sp. n.
Schädel in natürl. Grösse.
Fig. 1b. Verkleinerter Umriss desselben.
ale.
g. 1d.
1. Intermaxillare.
Maxillare.
Nasale.
Lacrimale.
Frontale anterius.
Praefrontale.
Postfrontale.
Parietale.
a
Supraoceipitale.
m
=
Epioticum.
ei
DD
Squamosum.
Postorbitale.
Jugale.
m.
ec
Supratemporale.
15. Quadratojugale.
16.? Quadratum.
Ansicht der Zahnreihe im rechten Zwischenkiefer.
Ansicht der Zahnreihe im linken Oberkiefer, soweit
solche frei gelegt ist.
Die vordersten 4 Zähne der rechten Oberkieferhälfte,
vor diejenigen der linken (1 d) gestellt.
Querschnitt vom spitzen Ende eines Zahnes des rechten
Unterkiefers, vergrössert.
Längsschnitt des vordersten Zahnes im rechten Zwischen-
kiefer, vergrössert.
Linke Unterkieferhälfte, die Innenseite nach aussen
wendend.
Treppenförmiger Absatz am oberen Hinterhauptsbein.
Nee ll.
Liehtdruck v. A. Frisch ‚Berlin
la. Taf. I
Jahrpuch d’$eolo$ Landesanstu.Bergakademie 1586
Lichtäruck v. A Frisch, Berlin.
Er
aaann
ig. 13.
1.
2.
3.
4,5
2
8
8.9.
&. 10.
ge. 11.
12:
o
Tafel II.
Enstatit in sternförmiger Gruppirung. Vergr. 12.
Schema für den Cordieritdrilling nach © P Taf. ILL, Fig. 1.
Schema für die Cordieritdrillinge nach & P3 Fig. 4, 5, 6.
u. 6. Cordieritdrillinge nach »P3. Vergr. 45.
Schema für den Oordieritdrilling Taf. III, Fig. 2.
Feldspath mit Umsäumung von Feldspathneubildungen.
Vergr. 15.
Sillimanit. Vergr. 16.
Feldspath, aufgebaut aus Einzelindividuen. Vergr. 10.
Chlorit, Chalcedon und Apatitkryställchen als Secretion
im Kersantit. Vergr. 12.
Bildungen zwischen den Einzelindividuen des Feldspathes.
Fig. 10. Vergr. 90.
Feldspath mit Sillimanitnädelchen. Vergr. 7.
Tamll
\
Jahrbuchd.geolog Laudesanst u Bergakademie 1886
Ben.
a
Tafel III.
Cordieritdrilling nach «P. Vergr. 45.
Cordieritdrilling. Vergr. 100.
Cordierit mit sanduhrförmigem Bau. Vergr. 75.
Feldspath mit randlichen Neubildungen von Feldspath.
Vergr. 45.
Granat mit Hypersthen. Vergr. 30.
Granat und Sillimanit. Vergr. 35.
Jahrbuch d.geolog.Landesanst.u.Bergakademie 1386.
UR
Tafel IV.
Glimmer mit Umwandlungszonen von Spinell und Rutil.
Vergr. 20.
Netzwerk von Korundtäfelchen. In den Maschen Spinell.
Vergr. 40.
Granat mit Spinell-Umrandung, eingebettet in Sillimanit.
Vergr. 30.
Granat mit Spinell. Vergr. 25.
Cyanit- und Granatkrystalle in Orthoklas. Vergr. 35.
Biotit und Sillimanit in Orthoklas. Vergr. 30.
Taf. IV.
eolog,Landesanst.u.Bergakademie 1806.
6
[o)
Jahrbuch d.
Lichtdruck v. A. Frisch Berlin,
Tafel V.
Zonotrichites Lissaviensis. Durchschnitt eines grossen
Stückes, in welchem sich eine Muschel eingeschlossen be-
findet. Natürliche Grösse.
Lissauer Breceie. Dünnschliff in 20-facher Vergrösserung,
ein oolithähnliches Korn von Zonotrichitenkalk zwischen
Mergel- und Kalksteinkörnern enthaltend.
Zonotrichia Heeriana NAEG. Durchschnitt eines Exemplars
aus dem Sihlwald bei Zürich. Natürliche Grösse.
Zonotrichia Heeriana NAEG. Dünnschliff in 35-facher
Vergrösserung.
Zonotrichia calcivora AL. BR. aus dem Neuenburger See.
Entkalktes Präparat in 35-facher Vergrösserung.
Jahrbuch d.Geolog. Landesanst.u.Bergakademie 1886. Taf.\V.
Fig. 1
Fig. 2
Tafel VI.
Zonotrichites Lissaviensis aus der Lissauer Breccie, Dünn-
schliffe in 35-facher Vergrösserung.
Durchschnitt parallel zur Oberfläche des Taf. V, Fig. 1
abgebildeten Stückes.
Durchschnitt rechtwinklig zur Oberfläche desselben.
Jahrbuch d.Geolog.l.andesanst u. Bergakademie 1886.
Tar. VIE
Lichtdruck v. A.Frisch ‚Berlin
Jebersichtskarte der Elbarme
zwischen Burg und Havelberg R
Jahrb. d.geol. Landesanst.u Bergakadeinie 1686.
ÜhA
ES,
f
Lin Anar. lm
Diluwiale Hoch- Möhere Ihalsohle Niedere Ihalsohle Rückstaubecen uNebenarme Niedere IRalsohle
fläche. der Elbläufe. der Elbkockhmwasser. ausserhalb d. Elbgebietes.
£ N Er} = = 5 3} f = => ee Fass vn
ı | E
ad % | ==] | nn er J | = =
Meist Unt. Dikwiun: Meist Schläck. Meist anschlichige Meist Iaımose
Numose Bildungen. Bildungen.
Maafsstab = 1 : 400,000. .
ı 2 34 56 7 8910 20
so Kil
ra ng nn —
Tafel VIII.
Teredo megotara HANLEY.
Aussenseite der Schale; nat. Gr.
Innenseite der Schale; Vergr.
Aussenseite der Schale; Vergr.
Die verticalen Streifen der Aussenseite; bedeutend
vergrössert.
Palette der Siphonen, Oberseite; nat. Gr.
7
> > » Vergr.
> » > Unterseite, nat. Gr.
> >» > » Vergr.
Steinkern der Röhre.
Ranina bavarica nov. Sp.
Oberseite des Cephalothorax.
Unterseite des Oephalothorax.
Unteres Glied und Palpe des rechten äusseren Kiefer-
fusses; Vergr.
Oberes Glied des linken äusseren Kieferfusses; Vergr.
Scheerenfuss.
Ein Afterfusspaar.
Erster Gehfuss, die drei vorderen Grlieder.
Scylla hassiaca nov. Sp.
Calianassa Sp.
Jahrb.d yeol Landesanst u Bergakad. 1886
Taf vll
u
g. 1a—c.
Tafel IX.
Ranina speciosa MÜNSTER.
Oberseite des Gephalothorax.
Unterseite des Cephalothorax.
Cephalothorax von vorn gesehen.
Coeloma cf. balticum SCHLÜTER.
Oberseite des Cephalothorax.
Unterseite des Cephalothorax.
Rechte Scheere.
Hoploparia sp.
Jahrb dgeol Landesanst u Bergakad 1836
Tafel X.
Fig. 1— 5. @Gerrillia Goldfussi VON STROMBECK.
Fundpunkt: Obere Schaumkalkbank bei Dreissigacker
bei Meiningen.
Fig. la. Aeussere Ansicht der linken Klappe eines ausgewachsenen
Exemplares.
Fig. 1b. Desgl.; jüngeres Exemplar.
Fig. 2. Aeussere Ansicht der rechten Schale.
Fig. 3. Innere Ansicht einer rechten Klappe mit den Eindrücken
des Mantelrandes und des grossen Schliessmuskels.
Fie. 4. Imnere Ansicht einer rechten Schale.
Fig. 4a. Ansicht des Schlossapparates, vergrössert.
Fig. 5a und 5b. Linke Klappe von innen; 5c. Ansicht des
Schlosses, etwas vergrössert.
Die Fig. 1 bis 5 sind nach Abdrücken von Stein
in Guttapercha und Siegellack gezeichnet.
Fig. 6. @Gervillia costata v. SCHLOTHEIM.
a) Ansicht der linken Schale;
je}
R
b) Seitenansicht der ganzen Muschel.
c) Ansicht der rechten Schale.
Fundpunkt: Unterste Schichten des Nodosenkalkes bei Hümpfers-
hausen unweit Meiningen.
Jahrb d.geol. Landesanst.u Bergakad. 1886
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resuhsel-Hohb:
Ohmann yez
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Tafel XIII.
Augitdurchschnitte.
Magnetitdurchschnitt.
Apatit.
Masmatisch veränderter Olivin.
Feldspathdurchschnitte.
Jahrb.d.geol.Landesansl.u.Bergakad. 1886. Taf. Xu.
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Rınna del ‚&.Ohmann lith Druckv. A. Renaud
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