x N \\ N N aa f — NZ — “u } \\ı 7 { \a \ " 7 — =@ N NLANIF, 2 2 a " WR— — Il an RAN EIN GL os AN \\ G Ic < RN ES > dba: ENT SEN \ -ERE — KENN — REN —— —R E - [= N [3 /k /% k LT DS 17 N < nn N . \X * > \ Vo E$ a . eb vs et — * Hu cums — für, * Fe ati und Bänderkune, Sefsigke, ; Kunſt und Literatur, — 8 ©. ac Duty ; ® Bon diefer Zeitfehrift erfcheinen nach Berhtuß des Hub ſchußes der Geſellſchaft des vaterländifhen Mufeums vom — dahre 1830 an jährlich 4 Hefte, jedes von eirca8 Bogen. Der Pränumerationspreis ut für den Sahrgang 2 Thlr. 16 gar. . fähf. oder 4 fl. Conv. Münze, und balbjährig 1 Thlr, 8 ggr. ſächſ. oder 2fl.Cony. Münze; für diefen Preis können gedachte Sahrbücher durch alle ſolide Suchhandlungen des In : und. Auslandes bezogen werden; im Sniande nehmen unter porto⸗ freier Einſendung des Dränumerationsbetraged auch alle vefpe k. k. Poſtämter Beftellung darauf. an, und ift bei denfelben balbjäprig mit 2fl. 20 Fr. €, M. zu pranumeriren, wobei die pünftliche und portofreie Zufendung ‚mit inbegriffen if. Die drei erften Jahrgange obiger Zeitfchrift find aud noch zu befommen, und zwar der Sahrgang einzeln genommen im * * IR i 3 g oo — # — — * er f / ER: ER BSUHB Sulande für 7 fl. &- M., im Auslande 5 Thlr. fühl, und = wenn alle drei Jahrgänge zuſammen genommen werden, im Sufande für 18 fl. C. M., im Auslande für 12 The fühle Einzelne Hefte werden jedoch nicht abgelaſſen. RE Alle Titl. Herren Mitarbeiter und Eorrefvondenten, —— welche mit ihren Beiträgen tie Redaction vorliegender Zeit: ſchrift beehren wollen, werden gebeten, ihre Beiträge oder Briefe an die unterzeichnete Handlung mit dem Beifaze „für die Redaction der Zeitfhriften des böhmifhen Mufeums gefälligſt einzufenden. Diejenigen aber, welchen Leipzig naher als Prag liegen follte, werden gebeten, ihre Beiträge oder Briefe an Herrn Immanuel Müller in Leipzig mit dem Bei: füge „für die Redaction der Zeitfehriften des bohmiſchen e — \ Mufeums‘‘ gefalligfi abzuſchiken. vrag, im danuar 1830. — ©. Calvefhe Buhhandlung, 5 Fi * ER E 5; ’ — ——* * ee * —— — 3v ver — des böhbmifden Muſeums für Natur— und Länderkunde, Geſchichte, Kunſt und Literatur. Erfter Band | 3 GERN eft. we Prag, 3. 6. Calve'ſche Buhhandlung. - 1830, er | —— —— di — BE Re Ei; a Sltjia von der Volga. Aus dem Böhmifchen des F. 2. Celakowſky überſezt von Sofeph-WVenzig". 9909000099 — Dämmerung bedefte rings die Erde, Sterne leubteten empor am Himmel, Und es Fehrten alle Fleine Kinver, Alle Jungen beim zu ihren Müttern; Nur ein einzig Kind, der junge Ilja, Spröfling einer reichen, Flugen Witwe, Kehrte nicht nachheim zu feiner Mutter. Bangigkeit befiel das Herz der Mutter, Und ihr in ten Sinn Fam böfe Ahnung. Marfa Andrejewna, reihe Witwe, Sprach in ſolcher Bangigkeit und Trauer Diefes Wort zu ihren treuen Dienern: Eine Probe aus den „Blüthen neuböhmifcher Poefie‘“, melde der Ueberſezer nächftens im Druk herauszugeben gefonnen ift. j (Anmerkung der Redaction.) 1* „ad ihr Diener, meine treuen Diener, Gehet allzufammen aus einander, Züntet an die Tafel frifhen Wachſes, Und zertheilt euch ringsumber im SKreife, Sucht und fragt nach meinem lieben Söhnchen. Wer ihn findet, wer ihn bringt zur Mutter, Der erhält zum Lohne hundert Rubel, Der erhält auch einen Pelz; von Zobeln.“ Alle treue Diener ſchnellen Fußes Forſchten in der Stadt auf dieſe Worte, Sprengten durch das Blachfeld hin und wieder, Riefen lange durch die dichten Wälder, Doch erriefen nicht den jungen Ilja. Und alleine geht die reiche Witwe, Sie die kluge Marfa Andrejewna, Mit zwei treuen Dienern durch die Stadt hin, Seufzet in der Stadt, wie Nachtigallen; Aus dem Thore geht ſie durch das Feld hin, Sehnt ſich auf dem Felde, wie ein Gukguk; Und das Feld hindurch kommt ſie zum Strome, Zu der ſchnellen Wolga ſteilem Ufer, Weint am Ufer, recht wie eine Mutter. Nicht in weißer Blüthe ſteht der Hagborn, Mein, es glänzt ein weifes Kleid im Buſche, Ach es ift das Kleid des jungen Ilja! „Du mein lieber Sohn, mein theures Kindchen, Hab ich dir nicht öfter vorgeredet, Hab ich dich nicht oft gewarnt, mein Söhnchen: Gehe nicht, mein Kind, zum Strome Wolga, Wag' dich nicht hinein in ihre Fluthen, Müßteſt ſonſt dein muthig Haupt verlieren; Denn gar neidiſch iſt die Mutter Wolga, Weil ſie keinen einz'gen Sohn geboren, Sondern lauter Töchter, überviele, Weberviele Töchter, ſchnelle Wogen ; Menfhenföhne lokt, zieht fie zu ihnen, Und vermählet fie mit ihren Töchtern, Bringt in Kummer alle guten Mütter. Aber nicht vernimmt der junge Ilja, Wie die theure Mutter weint und jammert, Marfa Andrejewna, arme Witwe; Denn es hüpft, es läuft der junge Ilja Unterm Strom in herrliden Palläften, In dem lichten Schloß der Mutter Wolga ; Kann der Wunder fih nicht fatt verwundern, An dem Ölanze fih nicht jatt betrachten, Wie ta Defen, Wänte find kryſtallen, Ausgelegt mit theuren Edelſteinen, Wie da Böden aus gediegnem Golde, Das gediegne Gold durchblümt mit Silber, Hier durchblümt, dort wieder ausgetäfelt. Ja und tritt heraus der junge Ilja In der Mutter Wolga Wonnegärten: Kein Dorfapfelbaum, Fein wilder Birnbaum Blüht in jenen Gärten und trägt Früchte, Sondern Wunderbäume blühn und tragen, gs meinen Sterbetabellen hingegen geht hervor, - daß ich anderfeits bei meinen Berehnungen einen ganz anderen Weg eingefchlagen, daher nad) Möglichkeit Diffe- . engen und Schwanfendes daraus verbannte, mithin aus ämtlichen Quellen fihöpfend, die runde nicht zu bezwei— felnde Zahl der Gebornen zu der der Geflorbe nen wie 1000 zu 4340, folglich eine allgemeine alljähre liche Vermehrung des Menfchengefchlehtes durch Gebur— ten bei jedem Tauſend der Geftorbenen auf die runde Zahl von 340 Individuen fürs laufende Jahrhundert feitfezte. Da, wie ſchon erwähnt wurde, Süßmilch die vunde Zahl der Mehrgeborenen mit 350 annahm, fo hat das gegenwärtige Jahrhundert 10 Geburten mehr, folglich bei jedem Taufend der Gejtorbenen eine Vermehrung der Mens fhen durch) Geburten an der Zahl 10 voraus. Um mid Aber hievon vollftändig zu überzeugen, ob diefes von Süß— milch angegebene Verhaͤltniß auch im vorigen Sahrhuns derte in Böhmen Statt gefunden habe, nahm ich die Ge— burts- und Sterbeliften desfelden Jahrhunderts, nämlich diefer 25 Jahre zur Hand, und ftellte fie mit den Ge: burts= und Gterbeliften des gegenwärtigen Jahrhunderts in ein Verhältniß. Diefem gemäß find im Iezten Viertel des verfloffenen Jahrhunderts im Durchſchnitte jährlich geboren geftorben mehr geboren als geftorben 144,925, - 86,474, 728,452. Sm laufenden Jahrhunderte Hingegen im 25jährigen Durchs ſchnitte alljährlich J geboren geftorben mehr geboren als geſtorben 137,064, 102,278 54,785. Mithin fallen auf 1000 Sterbefälle fürs vorige Jahr— hundert 1550, fürs gegenwärtige 13540 Geburten aus, und Süßmilchs lezter Ausſpruch: daß fi nämlich die Sterbe— fälle zu den Geburten wie 1000 zu 1550 verhalten, wird dadurch nicht nur gerechtfertiget, fondern ganz erwiefen. + 56. Bon diefem Gefihtspunfte betrachtet, kann freilich der Impfung binfichtlih der zunehmenden Bevölkerung Feine große Lobrede gehalten werden, indem dieſer Be— rechnung zu Folge auf Rechnung der Vermehrung der Po— pulation im gegenwärtigen Jahrhunderte bei jedem Abs gange durch 1000 Sterbefälle nur 10 Geburten“) mehr ausfallen, ald im vorigen Jahrhunderte. Doch ganz anders geftaltet fich diefer Gegenftand, wenn man ihn von einem andern Gefichtspunfte betrachtet. Auffallender hätte ohne Zweifel die Bevölkerung Böhmens zugenommen feit dem Sahre A801, mo die Daccination in Prag, und 1802 und A803, wo diefelbe auf dem Lande ihren Anfang “*) nahm, wenn fie gleich in den darauf folgenden Jahren fo allgemein wie jejt aus— geübt worden wäre; doch diefes blieb theils wegen der damaligen Kriegsunruhen, theils weil das Volk noch nicht vorurtheilsfrei, Daher dafür noch nicht geſtimmt war, ein edler Wunſch; denn ed wurden aus vorliegen= den Acten im Durchfchnitte vom J. 1808 bis Ende 1815 alljährlich nur 38,605, in den ſechs vorhergehenden Jah— ven hingegen im Durchfchnitte nach dem Ausweife der Gefchichte der Vaccination in Böhmen nur höchftend 8 bis 10,000 Individuen geimpft, wo doch, wie befannt, 137,064 Kinder im Durchſchnitte alljährlich geboren wur: den. Aus diefer Urfache flarben auch in Böhmen noch *) Larrey in ter Revue medicale Frangaise et etrangere, et Journal de Clinique de l’Hötel-Dieu, de Charite et des grands Hopitaux de Paris; par une reunion de Professeurs des Facultes de medicine etc. 1528, zog aud hierin eine Parallele zwifdien dem vorigen und ge— genwärtigen Sahrhunderte, doch er fand, daß in Befangon feit der Einführung ver Schuzpoken, namlich feit 1802 bis 1826 auf jede 1000 Öterbefälle gegen 23 Geburten mehr als im verflofenen Jahrhunderte erſcheinen. 3 **) Siehe Geſchichte der Vacrination in Böhmen. Prag, 1504. 5? im Jahre 4806 = 8459, J. 1807 = 7015, J. 1808 = 9004, 3. 1810 = 43,291, 3. A811 = 13,164, 3. 1812 — 7557, und $. 4815 — 4426 Individuen an Menfchens blattern. Huch trug nicht minder zur Entvölferung Böhmens, wie fihon erinnert wurde, das typhöſe Fieber bei, das während der, in den Nachbarftaaten fortwährenden Kriegse füge in dem J. 1806 allein mehr ald 24,000, und im J. 1814 beinahe 13,000 Einwohner in der fchönften Blüthe ihres Alters dahin raffte. Aus diefer Urfache trat auch ein für Böhmen beinahe unerhörter Fall ein, daß ftd) in dem J. 1806 mehr als 52,000, und im J. 1810 mehr denn 5600 Sterbefälle ald Geburten ereigneten, wo Doc bis zu dem J. 1780 zurüf, folglich durch volle 27 Jahre, eine fortwährende innerliche Vermehrung der Bevölkerung in Böhmen durch Geburten beobachtet wurde, Doch eine ganz andere Proportion tritt jezt feit dem 3. 1814, folglich im A5jährigen Durchſchnitte ein, näm— lich in diefer Epoche, wo im Durchfihnitte alljährlich bei der Durchfchnittszahl der Geburten von 137,064, 107,551 Sndividuen geimpft wurden, und wo im Durchfchnitte nur noch alljährlich 984 Individuen an Menfchenblattern ftarben. Sezt ftellt fich das Verhältniß der Geſtorbenen zu den Geborenen wie 1000 zu 4440, folglich um SO mehr, als im vorigen Jahrhunderte, oder um 70 mehr, wenn man die Gefammtzahl der Geborenen und Geftorbe: nen der verfloffenen 28 Jahre des gegenwärtigen Jahrhun— derts in Anbetracht zieht, wo, wie befannt, Anfangs die Smpfung ihren wohlthätigen Einfluß auf die Bevölkerung zu Außern begonnen hatte”). *) Diefe Zahl ftebt in feinem Verhältniſſe mit ten alljährlid) Geimpften, daber it die Meinung Caſpers in feinen Bei— fragen zur mediciniſchen Gtatiftif u. f. w., daß die Der: breitung ter Vaccine die Bevölferung nicht in demjelben „38 — dieſe Art hätte, folglich dieſes Jahrhundert in Böhmen ein doppeltes Geburts⸗ und Sterbeverhaͤltniß, ein allgemeines, nämlich, welches eine Durchſchnittsbe⸗ rechnung von 28 Jahren und ein ſpecielles, das nur ‚eine Berechnung von 15 Jahren zur. Orundlage hat, aufzuwei⸗ fen, wo nämlich im erſtern Falle ſich, wie ſchon oft er— wähnt wurde, das Verhältniß der Geburten zu den Ster⸗ befällen wie 1000 zu 1540, und im zweiten hingegen wie 1000 zu 1410 darſtellt. Meiner Meinung nad) dürfte e8 jedoch vor der Hand dem Zweke beffer entſpechen, das eritere Verhaͤltniß bei allen ferneren Berechnungen noch beizubehalten; einer— ſeits, weil es etwas mehr als ein ganzes Vierteljahrhun— dert zur Baſis hat, und weil es anderſeits zugleich mit wahrhaft blutigen Kriegen und großen Epidemien, folglich mit gemiſchten, d. i. ſowohl mit epidemiſchen als guten Jahren durchflochten iſt, und daher immer anwendbar ſeyn kann, wo hingegen das Verhältniß der lezten fünf— zehn Jahre ſich mit keinem Kriege, und auch zugleich mit Feiner bedeutenden Epidemie auszumeifen vermag, daher aus lauter guten Jahren beſteht“*). Doch nicht Böhmen allein erfreut fich dieſes Vor⸗ zugs, es kheilt dieſes Loos beinahe mit den geſammten Staaten Europens; denn zieht man die Geburts- und Sterbeliften anderer Staaten unferes Erdtheils in Anbes tracht, ſo iſt dort deren Verhaͤltniß. eben ſo günſtig, ja fogar hier und da noch günſtiger. Grade vermehrt habe, als fie die Todtlichfeit der natür— lichen Blattern verminderte, hier erwiefen. *) Crft dann, wenn dieſes Verhältniß durd ein volles halbes Sabrhundert fih gleich bleiben folte, müßte ‚bie Mehrzahl ver 70 Geborenen mit in Anbetracht gezogen werten, und folglich das Sterbeverhältniß eine obwohl jehr unbeleutende Veränderung erleiten. 39 Zum Beweife diene folgende Tabelle, doc mit der Bemerkung, daß fie meines Willens beinahe aus Tauter fogenannten guten Jahren beſtehe, daher auch meines Erz achtens wohl zum Beweiſe der fteigenden Bevölkerung, nicht aber als Grundlage zu ftatiftifhen Berechnungen dienen Fönne. Gerne hätte ich im diefelbe noch mehrere "Staaten aufgenommen, doch es gebrach mir an hinlänge lichen, dabei zugleich glaubwürdigen Mittheilungen. Die Zahl der Bevölkerung und die der Quadratmei— len babe ich nach Umſtänden ſowohl bei diefer, wie bet den fpätern zwei Tabellen theils aus Dis. und Profeffors Georg Nord. Schnabel „General-Statiftif der europäis fhen Staaten, Prag, 1829 und aus dem „genealogiſch— ftatiftifhen Almanady des Dr. ©, Haffel, Weimar, 1827, theils aus $. ©. Fr. Cannabich „Lehrbuch der Geogra— phie, Ilmenau, 1829, fo wie auch aus Dr. und Prof. Chriſtian Gottf. Daniel Stein's „Abriffe der mathema= tifhen, phyſiſchen und befonders politifchen Erdfunde u. ſ. w., Leipzig, 1829 entnommen, die einzelnen Ans gaben der Geburts- und Sterbefälle aber aus der Inns— brufer medicinifch= hirurgifchen Zeitung, aus den zehn Sahrgängen vom Sahre 1820 bis 1829 winzeln entlehnt, fie tHeils einzeln angeführt, oder aber bei Neichhaltigfeit der Quellen, zuvor einzeln zufammengeftellt, und erft darans ein mehrjähriges Verhaͤltniß gezogen. Auch muß bemerkt werden, daß ich hierbei nicht immer die neueften Angaben rükſichtlich der Zahl der Bevölferung benüzen, fondern fie, den vorliegenden Ger burts= und Gterbeliften angemefien, oft von früheren Jahren entlehnen mußte. ö Megen Dich: N tigkeit ter... wamen * Zahl Vevölkerung kommt auf X Pe eine Qua: h dratmeile anime r Bevölferung.|; , Geefen- zahl von Mhen I 344,455) : 4552 Anhalt» Köthen . » 33,500 2255 3,736,840 3748 ah 1,985,000 805 ae N 675,552 6850 er Eiilandtis 1 N. TC, 127,546 184 Sreanfreich 0 0° 41330,000, 0000 2985 HSanmonet is.» 1,557,000 2355 ° | Holitein ohne Pinnebung und nola. A, x 401,525 2036 I Köslin, Kegierungsbe; ib; 312,710) 41248 Marienwerder Regierungsbezirk 443,510 1380 i Meftenburg: Schwerin. » 510,000, 4999 Meklenburg-Streliz mit Raze⸗ a 1 ae N ER 75,500, 2098 I Merfeburg. 7. — 581,059) 3129 Münſter, Regierungsbezirk. . 588,898 2946 Neapel. 5,386,040 3615 Rielanddddeeee 66 "Bars | Niederöfterrih . 2... 1,048,000| 2879 1 Dberöfterreih. .- 2 0. 826,575] 3728 JOldenburggg 254,483 2024 male... 656,539 2658 6666000 649 Schleswig Herzogthum. .. 325,225) 41970 : Schwere . . . 14114,600 546 remote RN, 829,751| 24127 rein. Bez 409,992} 4770 Tirol und Vorarlberg . 2. ..h 762,055] 4446 | ter Sterbefälle ju ten Geburten Dur TE Dur Terre Es Das Berhaltnig | kommt eine Geburt auf Perſo⸗ nen Es ſtirbt Einer von Durchſchnitt von der Epoche der Jahre 1825 und 1826. 1826. von 1800 bis 1828, 1825 und 1826. 1826. 1825 und 1826. von 1815 bis 1827. 1824, 1825 und 1826. 1824, 1825 und 1826, 41825. 4824, 4824 und 1825. 41826. 1826. 1826. 4821 und 4822, 1826. 1812, 1815 und 4814. 1828. 1824, 4824, 1825. 1817, 1821, 4822, 1826. 1824, 1825 und 1826. 1825. 1826. 4826. 1826. Rn - Wenn man aus diefer Tabelle die einzelnen Durd- ſchnittsberechnungen in ein Verhältniß zufammenftellt, fo kommen im Allgemeinen auf 1000 Sterbefälle 1550 Ge— burten zu ftehen, und es fällt folglich auf eine Geburt die "Zahl von 28 Menfhen aus; ferner flirbt beinahe ‚jedes 42ſte Individuum *). Stellt man dieſe Verhältniſſe mit den des Landes Böhmen in eine Parallele, ſo iſts erſichtlich, daß zwiſchen den zwei Poportionen eine ziemliche Gleichheit obwaltet; weil befanntlih in Böhmen im 28jährigen Durchſchnitte auf 27 Menfchen eine Geburt zu ftehen fommt, und fich in guten Sahren da ein Sterbefall unter 40 bis 41 Indie viduen ereignet. Die Mehrzahl der Geburten hingegen :benöthigt eine nähere Beleuchtung, um fo mehr, als die -Differenz fo bedeutend groß ausgefallen ift. - Wie bekannt, kommen in Böhmen in den fogenann= ten gemifchten 28 Jahren im Durchfihnitte auf 1000 Ster- befälle 1340, oder, wenn man die lezten 45 guten Jahre, wo befonders die Impfung ihren wohlthätigen Einfluß auf die Bewohner äußerte, in Erwägung zieht, 1410 Gebur— ten; folglich fteigt in diefen tabellarifch aufgezählten Län— dern die Mehrzahl. der Geburten um 120 höher, als in Böhmen. Berükfichtigt man aber wieder anderfeits, daß in dieſer Tabelle nur einzeln herausgeriffene, Dabei noch gute Jahre, folglich Feine 15- bis 2Sjährigen Durchſchnitte *) Nach Profejor Schnabels Angaben; wo ed im 1. Tante feiner General-Ctatiftif wörtlis lautet: p. 1. In Nuflaud ift das Verhältnig der Sterbefälle zu der Anzabl ter Le— “ benten wie 1 : 50; in Morwegen ijt dieſes Verhalinis wie 1:4s, in Säweten wie 1:36, in Däanemarf wie 1:38, in Preußen wie 1: 34 Y,, in Franfreib wie 1:34, in Neapel wie 1:30", in England (1811) wie 1: F in’ Portugal wie 1:40 %, verhält ſich folg: u lich im Durchſchnitt genommen ebenfalld in den übrigen, 4 Staaten Europens, ſo wie in Böhmen die Sterblichkeit wie 1:41. lt cn r 43 erſcheinen; ſo dürfte es doch vielleicht rathſam ſeyn, bei meiner Beſtimmung der Mehrzahl der Geburten, je nach— dem man fie-von giten oder gemifchten Jahren millen will, zu bleiben, um fo mehr, als es häufig in der Natur geſchieht, daß in manchem Jahre oft in einzelnen Landern binfichtlich der Mehrgebornen, wie der vermehrten Gter- befälle, Ausnahmen Statt finden, die-wieder durch vor: bergegangene oder nachfolgende epidemifhe Jahre ins Gleichgewicht gebracht werden. So 5. B. gibt uns hievon Böhmen in dem Jahre 1820 den fchönften Beweis; es ftarben damals nur 89,592, und geboren wurden 450,258 Smdividuenz; folglich verhielten fi in diefem -einzelnen Sabre die Sterbefälle zu den Geburten mie 1000 zu 1632, und dennoch fällt diefes Verhaltniß im 2Sjährigen Durch— ſchnitte auf die Zahl, wie 1000 zu 1340 herab. So firbt aud 3. B. in Rufland nah Voß in man: hem Jahre erit von 55, nah Herrmann gar von 60 Menſchen einer, wo doch in diefer Tabelle im Durchſchnitte jeden Aıter Einwohner ein Sterbefall trifft ;-eben fo ftirbt nad) Profeffor Schnabels Angabe in Dänemark im ' Durchſchnitte unter 58 Menfchen einer, wo nad) diefer Tabelle fih in dem 1825" uud 1826%* Jahre das Ver: bältnig wie 4 zu 77 darftellte u. f. w. Bei allen diefen Ereigniffen iſt dennoch fiets die - Weisheit des Schöpfers zu bewundern; denn vermöge der, der Natur von ihm eriheilten Ordnung geſchieht die Ver— mehrung nicht zu langſam, fo wie auch nicht zu ſchnell, und immer meiftens nur fchneller dort, wo bei einem nur mittelmäßigen Wohlitande der Bewohner noch ganze Stre= fen Landes wenig bevölkert oder beinahe ganz entvölfert da ſtehen. Eine allzugroge Geſchwindigkeit war zwar im Anfange der Welt, oder iſt in einem noch von Einwohnern ganz leeren Lande zwekmäßig, aber fie würde in einem auch nur mittelmäßig bevölferten Lande deito mehr Unge⸗ machlichkeiten, und ein allgemein großes Gedränge.verur- ſachen, welches wieder eine Quelle vieler Uebel feyn müßte. 44 Doch dem fey wie ed wolle, fo ifts doch erwiefen, daß Europa’ Bevdlferung im gegenwärtigen Sahrhune derte in einem großen Wahsthume begriffen ift, und dag fie fpäter, wenn dazu noch die, durch die Impfung Ges retteten das Ihrige beitragen werden, verhältnigmäßig noch mehr wird gefteigert werden müffen. Wird fie fih dann nicht nach der Meinung Vieler dem Unendlichen nähern, und werden die Menfchen troz der wunderbaren Gefeze der Natur, wicht etwa, wenn nicht Kriege, epidemifhe Kranfyeiten und Hungersnot) , oder wie alle dieſe Uebel, die theilmeife ganze Länder entvöl— fern, beißen , dieſer Heberbevdlferung Einhalt thun folle ten — , entweder in andere Welttheile auswandern, oder wenn fe fich felbft nicht aufreiben wollen, ich folglich der Gefahr des Hungertodes Preis geben müffen? Für eine nicht fo Leicht einzutretende Hungersnoth ſteht uns Bürge die im laufenden Jahrhunderte beinahe in den meiften cultivirten Ländern Europa's zur höhern Vollkommenheit gebrachte Beurbarung des Erdbodens, da= ber eine verhältnißmäßig größere Ausbeute der Natur: gaben, fo wie auch der immer weiter ausgedehnte Anbau der Kartoffel. Diefem gemäß Fann ich auch füglich hier zu diefem Beweife die eigenen Worte des Grafen Kafpar Sternberg”) anführen. „Wer es num immer gewefen feyn mag — fagt er — der zuerft diefe Gottesgabe in Eu— ropa eingeführt hat, er fey uns gefegnetz er hat durch dieſe Wohlthat die blutigen Opfer gefühnt, welche die Eroberung jener Erdhälfte, aus welcher wir fie erhielten, gefoftet Hat. In jedem Falle bleiben die Erdäpfel ein fiheres Mittel, die fteigende Bevölkerung felbft bei ei— nem Mißjahre der Halmfrüchte mit aller Wahrſcheinlich— *) ©. Monatſchrift des vaterländiſchen Mufeums in Böhmen, 2. Heft 1827: „Ueber das Vaterland der Erväpfel und ihre] Verbreitung in Böhmen.“ u 45 keit gegen Hungersnoth zu ſchüzen.“ Um aber auch die weitern unheilbringenden Prophezeiungen, die Diesfalls ausgefprochen worden find, zu entkräften, will ic) die tröftenden Worte Süßmilchs wörtlich vorausfchiken, „Man darf — fagt er — wegen einer Ueberfüllung nicht unnüze Sorgen tragen. Diejenigen haben es daher fhlecht getroffen, die aus dieſer Beſorgniß Kriege und verheerende Krankheiten für nothwendige Uebel und Mittel halten, deren fich die Vorfehung zur Verhütung einer allzugroßen Menge Menfchen bedienen müffez der gütige Schöpfer hat diefe Schrefen und Unmenfchlichkeit gar nicht nöthig; er kann es ja viel erträglicher und unmerk— licher machen, er Famı allenfalls nur eine neue Krankheit entftehen, oder eine der beftehenden nur bösartiger werden laffen. Und auch diefer Geißel braucht er fich nicht zu bedienen, um diesfalld feinen Zwek zu erreichen; er kann ‚ nur bei dem gegenwärtigen Grade der Sterblichkeit Die Sruchtbarfeit der Ehen in etwas vermindern, fo ift ent— weder ein Stillſtand in der Bevölkerung vorhanden, oder fie nimmt bei fich gewöhnlich ereignenden Epidemien ab. Die Schranken der’ Vermehrung des menfchlichen Ges ſchlechtes find fo geordnet, daß er fie eben fo leicht erwei— tern oder verengern Fann, wo dann diefer oder jener Fall von felbit erfolgen Fann und muß, je nachdem die Um— fändeles erfordern oder geftatten.“* Wie oben ſchon erwähnt wurde, kommen im Durch— ſchnitte im gegenwärtigen Jahrhunderte 4%, Kinder auf eine Che zu ſtehen, und es geht von den Gezeugten all— jährlich der 36 '4f? wieder mit dem Tode ab. Es darf alfo der Schöpfer die Sterblid;feit nur all— jährlich auf das 30ſte His 35Re Individuum feſtſezen, und für eine Ehe nur 4 Kinder beftiimmen, oder es foll mit ber Zeit, nicht wie gegenwärtig unter 446, fondern erſt unter 124 oder 130 Menfchen eine Ehe gefchloffen werden, fo wird alfogleich ein Gleichgewicht hergeftellt, wenn nicht 46 ſogar über kurz oder lang eine Abnahme in der Bebölke⸗ rung wahrgenommen werden. Und treten jezt nicht ſchon ähnliche Verhältniffe ein? Schreitet jeze nicht ſchon das männliche Geſchlecht viel fpäter zur Ehe, als vor einigen Decennien, und werden die heirathsluffigen Mädchen jezt nicht viel fpäter an Mann gebracht, als noch vor wenig Sahren? Wenn nun beide im vorgerüften Alter bei der von der Natur auf Jahre beſchränkten Zeugungsfähigkeit Ehebündniſſe eingehen, wird dadurch nicht die Fruchtbate feit der Ehen vermindert werden? Daß durch die ver: mehrte Zahl der unehelichen Kinder diefer Abgang aus dem Grunde nicht erfezt wird, weil die Natur unter denſelben eine größere Sterblichkeit eintreten läßt, wird fpäter zur Sprache fommen. ı Zudem duldet es die Natur feldft für fi nicht, daß zu viele Menfchen auf Eleinen Erdftrihen wohnen, und anderfeitd ganze Striche Landes gänzlich unbewohnt und wüſte gelaffen werden follten; fie ahndet diefe Unbilden und die Verachtung ihrer Gaben dadurch, daß fie durch‘ Vermehrung und Anhäufung ihrer Schädlichkeiten, welche ftet3 eine derlei unverhältnigmäßige, in engen Naum fich zufammendrängende VBolfsmenge erzeugen muß, zugleich die Sterblichkeit vermehrt. Doch dieſer Fall wird wohl in vielen Staaten Euro— pens erſt dann eintreten, wenn alle unbebauten Steppen urbar gemacht, und nachher ſowohl dort, als in den ge— genwärrig zwekmäßig bevölkerten Ländern eine Ueberbe— völkerung eintreten wird, vor welcher wir wohl noch vor dem Verlaufe einiger Jahrhunderte nichts zu fürchten ha— ben werden, um ſo weniger, als dann im erforderlichen Falle noch ein Amerika, Aſien, die Wüſteneien am Pon— tus u. a. m. Erdflächen darbieten, wo Hunderte von Mil: lionen Einwohnern beherbergt werden fönnen, um jenen Grad der Bevölkerung an wie 2 — * — "a da Europa iaufweifen kaun. hs — ar‘ Daß Aber eine in einem engen Raume zuſammenge⸗ drängte Volksmenge zugleich die Sterblichkeit vermehrt, und daß zugleich, wenn die Bevölkerung Europa's einen noch. viel höhern Grad erreichen wird, fie dann bier und da im Stillftande, oder in einer zeitweiligen Abnahme begriffen, wahrgenommen werden dürfte, dafür bürgen fhon Süßmilchs goldene Worte: „daß mit Necht der Schade, den eine übermäßige Bevölkerung, daher das Zufammenmwohnen in großen Städten, verurfacht, dem einer wüthenden Peft gleich zu fezen ſey.“ Diefe Worte gehen bei großen volfreichen Städten, befonders aber bei der Stadt Prag beinahe. ganz in Er: füllung. Unter Verhältniffen, wo auf: dem Lande die innerlihe Bevölkerung im diefem Jahrhunderte, folglich im 29jährigen Durchſchnitte alljährlih um 34,785, und wenn man die erften 44 Jahre, nämlich. die. Epoche, wo wie befannt die Impfung ihren wohlthätigen Einfluß noch nicht fo allgemein auf Böhmens Einwohner äußern Eonnte, hievon trennt, alljährlich in den nachfolgenden «5 Jahren im Durchſchnitte um 41,824 Selen zugenommen. hatte, erfreut ſich deſſen Hauptitadt keineswegs dieſes wichtigen Ereigniffesz denn in dieſem Jahrhunderte hat fie bis zum Anfange des 1820ſten Jahres im Allgemeinen S789 mehr Todesfälle ald Geburten gezählt, und zwar in dem Ver: hältniffe, daß im Durchfchnitte alljährlich fich auf 3945 Geburten 4207 Sterbefälle, folglich immer mehr denn 262 mehr Todesfälle als Geburten einftellten. Erft danıı , wenn man die ſchon berührten der Baccie nation günftig gewefenen 15 Sahre von den erften 14 Jah— ren dieſes Jahrhunderts trennt, erſt dann fritt ein, ob— wohl ſehr unbedeutendes Uebergewicht, :und zwar in dem Derhältniffe der Sterbefälle zu dem der Geburten wie 1000 zu 1009 ein, wo nad) der erftern Angabe es fich in den erftern 144 Jahren wie 962 zu 1000 darftellte. Aber nicht allein auf Prag, fondern auch auf die meiſten großen Städte-Entopend paſſen Süßmilchs oben 48 J angeführte Worte; auch ſie zollen der diesfalls erzürnten Natur wegen der unverhältnißmäßigen Mehrzahl ihrer Bewohner den gebührenden Tribut, wie die beigefügte Tabelle hinlänglich darthut. Um aber dieſen Gegenſtand deſto anſchaulicher zu machen, theilte ich die Städte nad) der Dichtigkeit der Bevölkerung in große oder Eleinere ein, Mg Se. „ann Du nun Ö Öl Dunn Du ana nz 2 Namen Zahl Sahı Das Verbältniß der der der der Sterbefälle Städte. Häufer. Bewohner. | 34 den Geburten ift dort wie: Amfterdam . Berlin... Breslau. » Brüfel.. » Hamburg. . 8124 441,729 | 1000 : Copenhagen 4054 408,627 | 41000 : : 26,400 200,784 | 1000 London. .. „| 170,000 | 41,274,800 | 1000 : :. 1020 7083 220,277 | 1000 : 1245 3762 82,254 | 1000 : 41094 9500 100,000 | 1000 :- 1287 : 10977 : 1201 : 1288 9570 246,545 | 4000 : 41410 40,000 554,205 ı 1000 : 1185 Moskau . . Neapel... Palermo . . — 167,505 | 1000 : 1420 Paris... 26,501 713,765 |! 1000 : 41439 Petersburg. 9500 433,574 \ 1000 : 861 Prag...» 3208 106,000 | 1000 : 957 rt, — 440,675 4000: 996 BIER ıo 0... 7700 289,598 | 1000 : 1442 Zieht man die einzelnen Verhältniffe der Aten Co— Yumne in Eins zufammen, fo ftellt fih das Verhältniß der Geburten zu den GSterbefällen nur wie 1440 zu 1000 dar, wo es fich bekanntlich in der lezten Tabelle, mo diefe Derhältniffe von ganzen Ländern vor Augen geftellt wurs den — wie 1550 zu 1000 darftellte”). *) Die von Cannabich angegebene Populationszahl von Lon⸗ don fcheint unrichtig zu feyn ; denn unmöglich kann eine fo große Differenz zwiſchen ven Lebenten und ten Geftorbenen obmwalten, daß dort erft jeder cafe von den Einwohnern mit dem Tote abgehen follte, wo ſchon im Allgemeinen in andern eben fo dicht bevölferten Etädten alljährlich. ftets — der 2sſte His höchſtens ter 20f? Einwohner ein Opfer des Tores wird; daß aber diefe Unrichtigkeit Feinen Einfluß und nahm hierbei zum Maßſtabe für die erfte Elaffe der: felben als Minimum 80,000, für bie ziveite hingegen 25,000 Einwohner an. Bei den Städten der erſten Claſſe treten folgende- Verhältniffe ein: Durchſchnitts⸗Jahre. Es ſtirbt einer von Es kommt eine Geburt auf Perſonen 26 27 4822, 1824, 1825, 1826. 29 36 4820, 4821, 1822, 1823,1824,1825 u. 1826. 27 29 4824, 1822, 1826. 26 53 |1823, 1824, 4835, 1836, 29 52 4821, 4822 und 1835. 35 | 30 |4824, 4822 und A824. 51?| 6324821, 1822, 1824, 4825, ‚1826, 1827. 419 26 |1824. 24 28 4822, 1823, 1834, 1825, 1826. 24 34 [von 1805 bis 1819, dann 1823 u. 1825. 27 30 |1820, 1821, 1822, 1824, 1828. 51?| A442 1821, 1824, 1836. 26 24 | von 1800 bis 1829. 29 28 11825 und 1837, 22 25 [1820 bis 1829, Diefem gemäß ereignen fi ch in großen Staͤdten volle 400 Geburten weniger, als auf dem Lande bei gleicher Zahl der Lebenden und der Sterbefälle, und- die Natur nähert ſich allmählig im Durchſchnitte dem Stillſtande in der Bevölkerung, und ſpeciell betrachtet, beginnt fie ſchon einzelne Staͤdte zu entvölkern. Die Einwohner der kleinern Stadte denen fi zwar ‚hierin eines günftigern Verhaltniſſes, doch iſt Dass felbe weit von. dem der pen. unterfhieden. Zum Beweiſe diene gegenwärtige Tabelle: auf Das oben angeführte Werdältnig‘ haben Fonnte, ift ſchon taraus erfihtlih, weil dasſelbe nur aus ven Refultaten der „ten Columne entworfen wurde, * er Band. - 4 + “ so Bremen Brügge Caſſel Dijon Genf Gräz Haag Leipzig Leyden Mainz Peſth Riga Uttrecht Zürch Aachen . Antwerpen. Augsburg . Befancon . ° . Lüttich . . . * Düffeldorf . Elberfeld Frankfurt am Gröningen. Snnsbruf . Königsberg . . Magdeburg Nürnderg » * Prepburg . Rotterdam, Stofholm , Straßburg. Stuttgart . * . 8 2 ee... 0 . — . . . . . . e » — Name id nd ee er 1 Ya a Sy Se ee are aauer, ————— 2 . “ . 0.02 0 0. u. er 0,6 .. .. .. . 2... .. . ae Br » u . 4 - Bahl ter Häuf or. ö— —— — — — Bevöl⸗ kerung. Zahl der — — Das Verhältniß kommt R eine h { der Sterbefälle | gegurt ee Durchfehnitts » Jahre. zu den Geburten) auf Yerjo- yon if nen 1826. 1000 : 1402 24 35 41824 und 1826. 4000 : 955 | 38 56 41824 und 1826. 41000 : 1042 50 31 von 1802 bis 1826. 1000 : 1260 20 25 41827, 41000 = 1207 24 29 4825, 41000 : 1289 50 39 41824. 41000 3 1082 35 55 4821 und 1822. 41000 : 1404 18 von 1817 bis 4828. 41000 ; 1427 23 53 1825. 1000 : 1000 37 37 1826. 1000 : 1282 23 50 4825, 4822 und 1825. 1824, 1825 und 1826. 1821, 41822 und 1824. 4824 und 1822. 5 1825. 41000 : 1315 | 29 38 | 1824. 1000 : 4241 26 55 1824 und 1825. 1000 : 1176 25 32 1825. 41000 : 1060 44 46 1824, 41000. : 41250 | 49 23 | 4825. 1000 : 1015 | 31 532 | 1895. 1000 : 1263 24 50 1826. 1000 : 1289 | 21 28 | 1825. 41000 : 962 26 25 1823. 1000 : 993 | 36 26 | 1824. 41000 : 1107 | 34 27 | 1824 und 1826. 41000 : 1419 20 29 41826. 1000 : 1445 | 20 253 | 1824. 37 1824, 37 4824. b2 Aus dieſen einzeln aufgezählten Verhältniffen geht hervor, daß, je größer und volfreicher, oder je kleiner und minder bevölkert eine Stadt iſt, defto größer oder geringer ſich auch Darin die Sterblichkeit äußert, daher auch die allmählige, gegen das Land auffallend geringere Zunahme, Stillitand, oder aber gänzliche Abnahme der Bevölkerung, und es läßt fich die fortfehreitende Zunahme derfelben in großen Städten nur in den häufigen Einwan— derungen der Fremden, welche derfelben der Studien, der Handlung, der Gewerbe u. f. w. wegen aufprdinen, nachweifen. Dieſes leztere ſcheint aber nicht die einzige Urfache der alljährlichen Zunahme der Bevölkerung in Paris zu feyn, und die oben angeführte unglaublicy geringe Zahl der Geftorbenen, folglich die Zunahme der Population durch Geburten, kann ganz füglich durd) die Berichte eiz nes Billerme, Guerfent und Jadelot*) nur als relativ, daher nicht als in der Natur gegründet betrachtet werden. Sn Paris werden jährlich nach ihrer wörtlichen Anz gabe 22,500 Kinder geboren; zwei Drittheile derfelben werden gleich aufs Land gefchikt, nämlich 4200 vom ho- spice de maternite, 5000 vom bureau des nourrices, 5 — 6000 von ihren Verwandten; von den in der Stadt bleibenden 7 — 8000 fterben ım eriten Jahre 4160, alfo mehr als die Hälfte, von den aufs Land geſchikten nicht volle zwei Fünftel. Wenn folglich diefe 14,000 Kinder in Paris blieben, fo würden von jedem Taufend, wenn wir die Prager Sterblichkeit zur Grundlage annehmen, ' *) Revue medicale frangaise et &trangere et Journal de clinique de l’Hötel-Dieu et de la Charite de Paris, par une reunion de Professeurs des Facultes Medi- cine, de Medecins, et de Chirurgiens des Hospi- taux civil et,militaires, de Membres de l’Academie royal de Med, Tom. IV. und in ver Innsbrufer medi- sinifch = Wirargiichen Zeitung ©. 458, 3. Bd., 1826. - 83 368, ‚folglich in der Geſammtzahl davon jährlich im erften Bebensjahre über 5400 fterben, wo fich mithin dann das Ge⸗ neral⸗Verhaͤltniß der Sterbefälle zu dem der Geburten wie 1000 : 954 darftellen würde. Daß in London ebenfalls ein fehr großer Theil der Geborenen theild,aus Findelans falten, theils von Privaten, der phyfifhen Erziehung wegen aufs Land gefchift werden, ift befannt, und daf ebenfalls die oben angeführten günftigen Verhältniffe der Mehrgebornen als der Geftorbenen theilmeife hierin ihren Grund nachweiſen fönnen, ira — keinem Zweifel unterworfen ſeyn. Dieſem gemäß dürfte eine unverhäftnif mäßig größere Bevölkerung als unausweihliche Veranlaſſung zur Abs nahme derfelben betrachtet und erwiefen feyn. ‘ Wenn nun nach mehreren Decennien unter dem Land» volfe die Bevölkerung eben fo, wie in großen Städten beranwachfen follte, fo wird allerdings auch da ein ähn— liches Verhältnig der Geburten zu den Sterbefällen, mit: bin auch ein Stillſtand oder ein Rüfwärtsfchreiten in der Bevdlferung Statt finden. Da num eine anhaltende Bermehrung des Menfchen: gefchlechtes nicht mehr in Abrede geftellt werden kann: fo dürfte wohl Jemand die Frage aufftellen, ob und in wie viel Jahren bei den gegenwärtig. günftigen Verbält: niffen eine Verdoppelung des Menfchengefchlechtes durch) Mehrgeburten zu erwarten fey? Daß Böhmen fhon feit 60 Jahren um die Hälfte an Bevölkerung zugenommen hat, ift ſchon in Profeffor Schnabels „ſtatiſtiſcher Darftelung von Böhmen, Prag, 41826, ©. 47 hinreichend aus einander gefezt worden, und daf ferner Böhmen vom Jahre 1785 bis 1827 bereits durch Mehrgeburten, folglich in 43 Jahren um 4,397,624 Geelen vermehrt wurde, hat -Palacky in der Monate ſchrift der Gefellfchaft des vaterl. Mufeums in Böhmen, 5. Heft, 1829, aus ämtlichen Anellen nachgewiefen. 54 Angenommen, daß das oft berührte Verhältnig der Sterbefälle zu dem der Geburten wie 1000 : 13540 fid) im laufenden Jahrhunderte gleich bliebe, oder aber, daß es ſich, wie in. den lezten der Vaccination günftig gewefenen 15 Sahren mie 4000 zu 4410 darftellen follte, fo ift im erfteren Falle Böhmens Bevölkerung noch vor 80, im Yezteren hingegen ſchon vor 62 Jahren verdoppelt, und Viele von umferer zarten Jugend werden unter einer Volkszahl von mehr denn 7,500,000 Menfchen Teben können. Sollten etwa die Bewohner der übrigen Länder Eu— ropens den Wunſch hegen, auch berechnet zu wiffen, in weichem Seitraume ihre Länder oder Städte ſich einer Verdoppelung erfreuen dürften, für diefe habe ich — vor— ausgeſezt, fie wären der politifchen Arithmetik unfune dig — eine Tabelle entworfen. Sch fingirte mir hierbei ein Land der eine Stadt, die eine runde Zahl von 400,000 Bemohyern in fih faßt, und wählte hiezu im Durchſchnitte das Mittelverhältniß der Sterblichkeit Böh— mens. 3. B. nahm ich Prags runde Bevölkerungszahl von 400,000 Seelen zum Maßſtabe, hob hierbei die Zahl der im Durchſchnitte allda jährlich Geſtorbenen, welche in der runden Zahl ſich auf 4000 belaufen, heraus. Prag hat zwar, wie ſchon angeführt wurde, eine Civil— bevölkerung von 407,000, und alljährlich im 29jährigen Durchſchnitte 4207 Todesfälle. Da aber auf dieſe rük— ſtändige Zahl der 7000 Individuen beiläufig dieſe 207 Todesfälle gerechnet werden können; fo habe ich bei dieſer Tabelle der Teichteren Einficht und Erklärung wegen, ſo— wohl die 70.0 von der Bevölkerung, ald die 207 von den Sterbefällen weggelaffen, und mich daher auf runde Zahlen beſchränkt. Hätte alfo Prag auf jedes 1000 der Geftorbenen 1100 Geburten, fo würden alljährlich 400 Individuen mehr geboren werden, als geitorben find, daher dieſe 400 55 mit 250 multiplicirt, 100,000 geben, Winden hingegen auf 1000 Sterbefälle 1200 Geburten ausfallen, fo würde fchon die Zahl 125 mit 800, nämlid) mit der Zahl der alljährlich mehr Geborenen, multiplieirt, die Summe von 400,000 ausmachen; diefem gemäß im erfteren Falle in 250, und im Iezteren Falle fchon in 125 Jahren die ges genwärtige Bevölkerungszahl verdoppeln. Gegenwärtige Tabelle dürfte folglich eine weitere Erklärung überflüffig machen, und man kann fich hievon beim erſten Aublike derfelben überzeugen. Wenn in einer Stadt oder in einem Lande 100, 000 Menfchen leben, fo —————————— ⏑ werden ſich dann verhalten wird alsdann wird alſo die die Geſtorbenen zu den Ge: LE raHUBL, Berdopplung borenen wie jabrich ſeyn erfolgen in 2000 zu 1600 2400 4% 1700 2300 55% 1800 5200 51% 1900 3600 26% 2000 4000 12% Zaͤhlt das Land mehrere Hunderttaufend Einwoh— ner, fo braucht man nur den Ueberfhuß der Geborenen um fo vielmal zu erhöhen, oder mit der Gefammtzahl der Einheiten zu multiplieiven, oder wenn eine Stadt oder ein Negierungsbezir® u. f. w. nur etwa 80 bis 90 Tau⸗ fend Einwohner zählen würde, fo Fann dann das Product in einen Bruch verwandelt, und hievon entweder der 8° oder He Theil u. f. w. genommen und Summen addirt werden. B6 Land ein=, zweis, breimal u. f. w. Hunderttaufend, ober möchte, dann wird die bier in der Zabelle aufgeitellte Zahl am fo vielmal multiplicirt, als die gefammte Zahl Einheiten im fi) begreift. Nimmt man nun gegenwärtige und die ©.:40, AL rorfommende Tabelle zur Hand, fo wird man alſogleich eins feben, daß, obwohl bie abfolute Bevölkerung in unferem —— in einem fortwährenden Steigen, nach beinahe fi gleich bleibenden Naturgefezen begriffen ift, dennoch der Zuwachs in den verſchiedenen Gegenden ſich auch zu: glei verfhieden darſtellt. So Fan z. DB. Ruflands Bevölkerung ih vermöge der oben bezeichneten Durch⸗ fhnittszahl der Mebrgeburten fhon in 41’, Jahren, Sranfreihs Bevölkerung hingegen erit gegen bas 120% Sahr, Dämemarfs Bevölkerung erft in 62, und die ber Niederlande aber ihon in 50 Jahren verdoppeln. Frägt man aber anderjeits no, im wie viel Jahren fi die Berölferung von ganz Europa im Allgemeinen verdoppeln werde, fo würde ber Fall, wenn man bas oben entzifferte Verhaͤltniß des Sterbefälle zu den Geburs ten wie 1000 zu 1550 zum Maßſtabe annehmen möch⸗ te, ſchon vor dem Verlaufe von 50 Jahren eintreten; wollte man aber lieber ficherer zu Werfe geben, und auf Kriege und epidemifhe Krankheiten u. ſ. mw. den 414°), Theil, folglih von dem bezeichneten 4550 Gebores nen für die Geifel der Menden immer 4150 abr eine Zahl, die wohl niemals fo groß ausfallen wird, fo ift Europens Population ohne alle Widerrede in 62% Jah⸗ ren verdoppelt, und es zählt unfer gegen andere verhälts nifmäfig Fleinere Welttheil dann 450,142,000 Seelen *) ; *) Profeſſer Schnabel gibt in feiner General» Statifif der eurspäiiben Beröl⸗ Staaten n.f.w. ©. 133, 1. B. die Berung Europa's mit 215,071,000 Geelen an. 57 denn nach. der Iezteren wahrhaft geringeren Angabe der Meprgeburten nimmt Europa's Bevölkerung jährlich im Durchſchnitte mehr. ald um 3,468,000 Seelen zu *). - Wenn nun diefe Angabe der fteigenden Bevölkerung Europa's nicht bezweifelt werden kann, fo frägt fichs, “aus mwelhen Quellen wohl Malte-Brun**) gefchöpft baben mag, als er den jährlichen Zuwachs der Bevölke— rung Europend nur auf eine Million Menfchen feitiezte. Ueberhaupt. dürfte derfelbe in feiner ferneren Mei— nung, daß der Zuwachs im Oſten und im Norden von Europa am ftärfiten, fohwächer in der Mitte, und am ſchwaͤchſten im Südweſten fey, während man im tiefiten Süden gar feinen Zuwachs, ja wohl gar eine Abnahme in der Bevölkerung wahrnehme, durch die oben aufgeftellten drei Tabellen widerlegt worden ſeyn; denn einestheils ift es ganz ungegründet, daß im tiefften Süden die Bevöl— ‚Ferung in der Abnahme begriffen fey, und anderntheils, wenn man die Zunahme der Bevölkerung vom Lande und der Stadt Neapel,. wie die von Palermo, mit andern mehr nördlich liegenden Ländern und Städten, 3. B. Ober- und Unteröfterreih, Steyermarf, Böhmen, und den Hauptitädten Wien, Prag ı, f. w. vergleicht, fo liegt der Gegenbeweis alfogleich Elar vor Augen. Aus diefen gefammten Erläuterungen : geht Elar herz vor, daß die Weisheit des Schöpfers Alles ſo leitet, damit Feine Stofung in der Bevölkerung, hingegen aber auch Fein — Zuſtrömen von Menſchenmaſſen eintrete. Wenn ſich die Menſchen in 50, 70 bis SO Jahren in einem Lande erſt verdoppeln, fo kann allmählig mehr *) Profefor Schnabel erklärte fih S. 139, 1. Band für 2,000,000 — 2,100,000 Individuen als alljährlihen Zu: wachs von Europens Bevölkerung. ) Siehe Profeiior Schnabeld General:Statiftit 1.9. S. 140. 58 Plaz oder Nahrung für dieſelben verfchafft werben, Ginge es hingegen mit der Vermehrung allzulangfam, würde eine Verdoppelung vermöge der Zahl der Mehrgebornen erft in 3, 4 bis 5 Jahrhunderten erfolgen: ſo könnte bei einbrechenden Kriegen oder eintretenden Epidemien leicht die Welt entvölfert werden, und es würde fi dann um’ fo weniger ein Land wieder erholen Eönnen, wenn der alk zulangfame Zuwachs vier = bis _fünffach durch ſolche Ver⸗ wüſtungen fehnell würde verzehrt worden feyn. Verhältniß der Geborenen zwifchen beiden Geſchlechtern. Dieſe allmählige Vermehrung des menſchlichen Ges ſchlechtes, mithin die Bevölkerung der Welt hätte der weiſe Schöpfer nicht dergeſtalt bezweken können, wenn er nicht ein unwandelbares Verhältniß der Geborenen zu den Lebenden beiderlei Geſchlechtes feſtgeſezt hätte. Wie im vorigen Jahrhunderte, ſo werden auch im Tausenden nicht nur in Böhmen, ſondern auch in ganz Europa mehr Knaben als Mädchen, und zwar ungefähr 41050 oder 21 gegen 1000 oder 20 Mädchen geboren. Doch wird, wenn man die Zotalfumme der duch 40 Jahre Geborenen mit den in diefer Seit Geſtorbenen vergleicht, beinahe ſchon ‚durch Mehrzahl der Sterbefälfe von Geite des männlichen Geſchlechtes, in diefem Zeitz raume ein gleiches Verhältnig zwifchen denfelben wieder hergeftellt; weil vermöge der Gterbeliften in dem erften Lebensjahre mehr als %, in den ferneren Kinderjahren bis zu Ende des 10 Jahres mehr als /, vom mänıe lichen Gefhlehte mit dem Tode abgehen. Um die Seit der beginnenden Manndarkeit, und fo fort bis zum Adften Jahre, der Zeit nämlich, wo die beginnende Menftenation der Frauenzimmer, die Geburten und deren Folgen, die Sterblichkeit bedeutend vermehren, follte dafür die Zahl des männlichen Gefchlechtes die des. weiblichen überwie— gen; Doch dem diesfalls möglich werdenden Lebergemwichte 59 des erſtern wird durch die Zahl der im Kriege und andern lebensgefährlihen Künften oder bei fonftigen Beſchäfti— gungen Verkujtigten wieder zum Theil gefteuert; obwohl relativ betrachtet im höchften Alter doc ein merkbares Uebergemwicht bei dem weiblichen Gefchlechte vorwaltet, weil Diejenigen Frauenzimmer, die den gefährlichen, Schritt, welcher zwifchen dem Wechfel und gänzlichen Ausbleiben des Monatflußes ſchwebt, glüklich zurüfgelegt Haben, nicht felten ein viel höheres Alter als die Männer erreichen. Der Beweis hievon liegt klar in meinem Verſuche der medicinifihen Topographie von Prag im einer dort ©. 76, 4. B. diesfalls aufgeſtellten Tabelle vor, wo, die Natur diefem Ausweife gemäß feit diefer Epoche dent weiblichen Gefchlechte im Durchſchnitte eine längere Le— bensdauer von vollen 2% Jahren zugedacht hat. Das Verhältnif der Geburten zu dem der Chen. Da, wie oben Schon erwähnt wurde, der weiſe Schöpfer durch die größere oder geringere Fruchtbarkeit der Ehen entweder die Bevölkerung der Welt im Stille ftande erhalten, fie vermehren oder aber auch verringern kann, daher nur von deren Fruchtbarkeit die Staaten ihre innere Kraft empfangen: fo dürfte hier eine Erwähnung derfelden ebenfalls an ihrem Plaze ftehen. Böhmen betreffend, kommen auf dem Lande auf eine Che, wie fchon oben angegeben wurde, 4/,, in Böhmens Hauptftadt aber nur 4 Rinder zu ſtehen; dafür erfcheint aber auf dem Lande erft das achte, in Prag aber ſchon beinahe jedes dritte Kind als unehelih, ein Beweis, dag, wo die unehelichen Kinder an Zahl zunehmen, dort im Berhältniß die gefchloffenen Ehen weniger Kinder ge= ben; was wohl nur darin feinen Grund finden dürfte, daß befonders bei dem männlichen Gefchlechte vor den Epebündniffen die Zeugungsfähigkeit vor der Zeit in Anz fpruch "genommen und vergeudet werde, daher dann beim b 60 Eintritte in die Ehe nur noch Fleine, babei noch häufig ſchwache, mitunter noc dazu verdorbene Heberrefte davon zurüfbleiben, die die Fruchtbarkeit nicht zu jenem hohen Grade fteigern können, als es der Fall bei jenen iſt, die naturgemäß ihre Triebe im Zaume hielten, und mit ih— ver angebornen, dabei zugleich zur Reife gebrachten Kraft in den Cheftand treten. - Einwenden könnte bier Jemand, daß es wohl dem⸗ jenigen, der nur auf die Zahl oder Mehrzahl der Gebore— nen Tein Augenmerk richtet, gleichgiltig feyn dürfte, ob es eheliche oder uneheliche Gefihöpfe fi ind, nnd daß durch fie der Staat eben fo an Bevölkerung gewinne, wie durch die ehelichen. = Beim erften Anblike ſcheint dieſer Einwurf viel Grundhaͤltiges für ſich zu haben, doch anders verhält ſich die Sache felbft, indem uneheliche Kinder im Durchſchnitte immer fchwäcer zue Welt kommen, und zugleich auch) das Sterbeverhältniß diefer Gefchöpfe, befonders in dem erften Lebensjahre ſtets, wie unten gezeigt werden wird, bedeutend größer ausfällt, als das der ehelichen Kinder. Kurz, durch die vermehrte Zahl der unehelihen Kinder Theint die. Natur den erſten Schritt zum allmähligen Stillftande oder zum Rüktritte der beftehenden Populas tion zu machen, was nur zu klar in manchen Kreifen Böhmens, in Prag und in jenen Ländern und Städten Europens, die hierin Böhmens einzelnen Bezirken oder’ deffen Hauptftadt gleichfommen, erfichtlich ift, und wo daher befonders in den Hauptitädten dann die Bevölkerung entweder nur in einem Äußerft geringen Grade zunimmt, oder im Gtillftande verharrt; und es würde dann fogar eine alljährliche Entvölferung eintreten müffen, wenn durch die Einwanderungen der Fremden der Abgang nicht gedeft oder überitiegen würde, Diefem gemäß follte es für den Staatsmann, dem die Vermehrung 'und eine dauerhafte Gefundheit der 6 ‚Staatsbürger wahrhaft am Herzen Tiegt, und der darnach die innere Kraft des geſammten Staates bemißt, eine goldene Neger ſeyn, wo möglich Ehen zu begünſtigen und zu befördern, und nad Möglichkeit der unehelichen Kin: dererzeugung den fefteften Damm entgegen zu fezen. Meines Willens hat man bisher bei ftatiftifchen - Angaben auf Die unehelichen Kinder feine Rükficht genom⸗ men, ſondern fie ſtets unter bie ehelichen aufgenommen und mit eingerechnet, daher die alljährliche Zahl der ge- ſchloſſenen Ehen mit der Zahl der im dieſem Jahre in eis nem Rande oder einer Stadt fich ereigneten Geburten di⸗ vidirt, und" fodann dieſes Product als Quotient für jede einzelne Ehe betrachtet. Insbeſondere iſt erft Fürzlich Ben⸗ noiſton de Chateaureuf?) bei feiner Ueberſicht der Frucht⸗ barkeit des Menfihengefchlehtes fo verfahren, weil er Hiebei gar Feine Erwähnung von bein Verhältniffe der un- ehelich gezeiigten Kinder gemacht hät. Seinen Angaben zu Folge kommen im Norden von Europa (über den 50° Breite) auf jede Ehe 4,30, im Süden re —* 50° Br.) 4,57 Geburten **), als: ’ In Portügal . . 5514| Iw Böhmen .. 5 27. — Moskau... 5,3. | Im Canton Freis Im Gouvernement burg. 6486. Venedig. on, 6, 46. In —* re *) S. Revue medicale indes et etrangere ei — de elinique de PHotel Dieu etc. etc. 1826. Tom. II. Diefe Angabe widerfpricht auch der Behauptung des Malte: Brun (liebe Profeſſor Schnabeld General:Statiftif 1.2. S. 140), daß nämlich der Zuwachs der Bevölkerung am ſchwächſten im Südweſten ſey, und daß im tiefſten Süden gar kein Zuwachs, ja wohl eine Abnahme an derſelben wahrgenommen wird; denn wenn in jenen Gegenden, wie ſchon erwieſen wurde; die ‚Sterblichkeit- nicht größer als in nördlihen Gegenten ausfällt, wo joll alfo, wenn dort vers baltnigmäßig in einer Ehe mehr Kinder gezeugt werden, ein Stillſtand oder eine Abnahıne in ber ———** * geleitet werden können? 62 N — Bender... . 5,46. Im ſüdlichen Frank- — Srandes Comte 5,01. |, reich überhaupt. 5, 3. — Marne 509% — nördliden Frank .. — £yonmis + 65,68. reich überhaupt 4, 64. — Roufilon . » 5,417. In Mähren u. Schle⸗ Sm Dept. der obern Als fen ne 484. pen in Dauphine 5,39. 1 — Frankreich und— Su vielen Dörfern Holland in. ı. +4,20. : Schottlands .: 5,45. — England.) 273,50. Ganz anders würde fid) wohl das Verhältniß dann dargeftellt Haben, wenn er von der Gefammtzahl der Ge= Hurten die umehelich Gezeugten abgezogen hätte; und ich din der feften Meinung, daß fein Verhältnig im Durd)- Schnitte mit dem meinigen, welches bei diefer Trennung der unehelichen von den ehelichen Kindern ſich nicht nur in Böhmen, fondern aud in den meilten Ländern Euro- pens wie 4 3u 4%, verhält, ganz übereinſtimmend ausge⸗ fallen worden wäre. Specielles Sterbeverhältniß. Diejenige Ordnung, die die Natur in Hinſicht der ſteigenden Bevölkerung bei dem wechſelnden Geſchlechte der Gebornen, und bei der Zahl der auf eine Ehe im Durchſchnitte entfallenden Geburten überhaupt beobachtet, befolgt fie aud) verhältnigmäßig bei den Gterbefällen nad) den verfchiedenen Jahren und Gtufen des menfchlichen Alters. Hier zeigt ſich ein Gefez, das mit u das ſchönſte und volffommenfte genannt zu werden verdient. Hier finden wir eine allgemeine Negel, nad welcher die Dauer des Lebens aller Menfchen auf dem Erdball auf das genanefte beftimme iſt. Wenn 3. DB. ſich 1000 Ster— befälle ereignen, fo findet man unter denfelben meiftens überall eine gleiche Anzahl von 41-, 102, 202, A0=, 60:, ‚80: u. f. w. jährigen. Climate und Bi Berfepiebenbeit der Nahrun; gsmittel ſcheinen jenen Einfluß nicht zu haben, * 65 daß fie,eine Veränderung in dem Verhaͤltniß der Ster— benden in jedem Alter zu der Summe der Geftorbenen hervorbringen fönnten. Blos die Lebensart, die morali— ſchen Gebrechen, die Weichlichfeit und die Arbeitfamkeie verurfachen ine Allgemeinen einen Kleinen Unterfchied zwifchen den Sterbenden auf dem Lande und in großen Städten. „Wer follte — fagt Süßmilch — es fih wohl als möglich vorgeftellt haben, daß die Benedictiner = Mönche, die Nonnen und TIontiniten in Paris. neoft den. Bauerır von der Mark Brandenburg und denen in Schweden mei:: ftens einerlei Regeln der Sterblichkeit follten unterworfen feyn, und daß ſich fait einerlei Dauer des Lebens unter diefen fo unterſchiedenen und entfernten Menſchen finden fönnte. Ich geftehe es, Daß diefe Uebereinſtimmung mid; nicht nur in Verwunderung gefezt, weil fie meine Erwar— tungen übertroffen, fondern dag mir auch die Eutdekung ein ausnehmendes Vergnügen verurfacht hat.“ Meines Erachtens wird aber Jedermann diefe Ord⸗ nung in der Sterblichkeit unſtreitig auch noch deshalb be— wundern müſſen, der die große Verſchiedenheit der Urſa— chen des Todes, daher die Menge der Krankheiten berük— ſichtigt, die ſammt und ſonders ſich zu dem Ziele vereini— gen, in allen Perioden des menſchlichen Lebens eine be— ſtimmt abgezählte Anzahl Opfer dem Tode zu überliefern. Wenn nun die Zahl der Opfer nach Naturgeſezen ab— gezählt iſt, ſo dürfte Jemand erwiedern, find entweder jene. koſtſpieligen mediciniſch-polizeilichen Anordnungen, die die Staaten zur Verhütung der Verbreitung der Peſtübel, der Menſchenblattern oder anderer Eontagiöfen Krankhei— ten. u. a. m. nicht fiheuen, fo wie auch die gefpendete ärztliche Hilfe entweder ganz nuzlos, oder fie verlieren insgefamme dadurch viel an innerem Werthe. Daß jene Anordnungen nicht ohne Nuzen find , beweist die Ges ſchichte, die uns im gegenwärtigen Jahrhunderte wenig, » 64 ; ja gar nichts von Peftübeln, die befonders den nördlichen. Teil Europa’s getroffen haben, zu erzählen weiß, fo wie. auch, daß durch diefelbe jezt Taufende, die ſonſt von Poken hinweggerafft wurden, am Leben erhalten werden, und daß mithin auch dad Sterbeverhältnigß im All⸗ gemeinen, ohne daß dabei die nämliche Ordnung in den, von dem Schöpfer beftimmten auf einander folgenden Als terperioden geftört werden müßte, vermindert wird, was befonders ſchon oben durch die bezeichnete mehr fteigende Zunahme der innerlichen Bevölkerung hinreichend —— ſen wurde. Daß ferner die Koſten, die der Staat auf die Aus— bildung geſchikter Heilfünftler verwendet, ſich augenfchein- lich lohnen, zeigt die tägliche Erfahrung binlänglich z denn zeichnet fich im der praftifchen Laufbahn der Aerzte ein gründlich praftifches Willen des Einen nicht vor der mindern Bildung eines Andern ganz deutlich aus? Welche fchreklichen und unzähligen Opfer die in der Arzneiwiffenfchaft wenig oder fehlecht durchgedachten, nicht an dem Probirfteine der Erfahrung geprüften Theorien der Menfchheit ſchon gefoftet haben, und leider jezt noch ko⸗ ften, iſt wohl einigen Lefern nicht unbekannt. Als einen Erfahrungsfaz ſollte ich ihm hier zwar nicht mehr zur Sprache bringen, doch da er vor wenig Jahren in Paris bei einer ähnlichen Gelegenheit zum Belege deffen wieder aufgefrifcht wurde, und da befonders das gegenwärtige Sahrhundert mit derlei Theorien fhwanger geht, ja fogar einige ſchon ohne bedeutende Geburtswehen zur Welt ges bracht hat: fo bin ich der Meinung, daß man mir hier folgenden Eleinen Ausfall verzeihen, mithin nicht verargen wird. Als Brouffais im Jahre 1826 in Paris dffent- lich behauptete, die Gterblichkeit fey im Hofpital Val de Grace auffallend gering, und zugleich dabei die Meinung ausſprach, daß die phyfiologifche Medicin (feine Theorie) in Kurzem einen merklichen Einfluß auf die Bevölkerung FT —— 65 äußern mäffe, miderlegte ihn Bousquet®), indem er bee wies, daß Brouffais Syitem Feineswegs fo wohlthätig für die Menfchheit und die Bevölkerung fen, als ihr Urheber . vorgibt, fondern daß vielmehr feit der Verbreitung Diefer Lehre die Sterblichkeit in Paris und im Seine Depar- tement bedeutend zugenommen habe, Er folgerte diefen Beweis‘ aus ämtlichen Quellen, indem er die Aufnahme, Entlaffungs= und Todtenliften beigefügter Hofpitäler zufammenftellte. Nach feiner, Anz gabe verhielten fi die Sterbefälle zu der Anzahl der, bes handelten Kranken bei Brouffais, bei Des⸗ bei bei bei Bar⸗ bei Duvi—⸗ genettes, Vaidy, Pierre, bier, siert, A815 wiel:Al — 1:20% 4: A6 41:60 1: 45 4816 — 41:49 1:78 4:27 4:495 4:49 4:222 4817 — 1:16 A:44 Aria A:167 41:59 4:552 4818 — A:1A A:ı2 41:23 A: 27 1:66 1:272 4819 — 1: 8%, 1:21, 1:19% 1: A6 1:49. 1:152 Durchfchnitt wie 1:12, 1:17, 1:20% 1: 327/, 41: 587% 1:100% Gruithuifen) zeigt ebenfalls ein Supet, [us der Mortalität bei Brouſſais Kranken. Unter 18 Klanken, ſagt er, hat die Natur wenigſtens bei 5 Individuen den Kampf mit der Brouffais’fchen Heilmethode nicht ausge— halten; welche Menſchen alfo den Martyrerfranz durch Blutegelwunden ſich errungen hatten. Da nun Brouffais bei feinen Euren das Blut den Menfchen durch eine Unzahl von Blutegeln entzieht, das homöopathiſche Syſtem hierin aber fogar die Mittelftraße verdammt; fo dürfte es höchſt erwünfcht feyn, aus einem *) In der Revue medicale francaise et etrangdre Bd. IIT. ©, 413 bis 419. **) Siehe Prof. Gruithuifens Prüfung der phyſiologiſch- meti- ciniſchen Theorie des Profefior Broufais in Paris. Jahrbücher I. Band. 5 66 Hoſpitale, wen einzig und ‚allein die Homdopathie aus⸗— gebt wird, ein ähnliches unparteiifches Reſultat aus den Aufnahms-, Entlaſſungs- und Todtenliften zu erfahe ven, od es ſich nicht etwa Durch entgegengefezte Hand: lungsweiſe — nämlich oft durch Nichesthun — auch eine unverhältnigmäßig größere Sterblichkeit zu Schulden kom— men laſſe. — Mögen diefes doch bei Zeiten Staatsmäns ner und Medicinalvorfteher beherzigen, umd der leidenden Menfchheit wegen fich derlei — ——— — vor⸗ legen laſſen. Mich in weitere EEE — einzulaſſen, würde mich von meinem mir vorgeſtekten Ziele entfernen, daher nur noch dieſe wenigen Worte: daß ein ſolches Syſtem wohl in einem Lande oder einer Gtadt zeitweilig eine Henderung in dem Öterbeverhältniffe des verfchiedenen Lebensalters der Menfchen hervorbringen könne, daß aber dasfelbe bei Millionen von Geitorbenen beinahe als Null betrachtet werden müffe, daher auch Feine merfliche Ver— Anderung in dem allgemeinen Gterbeverhältniffe, fo wie ein ſtrichweiſer Hagelſchlag kein allgemein fühlbares Miß— jahr in, er Sefammtfechfung herbeiführen könne. Doch zum Ziele. Die Ergründung der Geſeze, die die Natur in den verfehiedenen Perioden des Lebens der Menſchen bei To— desfällen beobachtet, ift eine Ausgeburt des XVII. Jahr: bunderts. Ein Tuchmacher in England, Namens Johann Graunt, legte damals zur politifchen Arithmetif den erſten dauernden Grund, indem er in feinen Bemerfunz | gen über Mortalitätsliften feinen Zeitgenoffen das Ger heimniß entdefte, wie die Ordnung der Geburten und der Sterblichkeit unter den Menfchen, fo wie auch deren Zahl in einem Lande oder einer Stadt berechnet werden könne. Zu Ende des XV. Jahrhunderts Fam der Englän— der. King. fehon dem Zweke näher; er machte einen Uns terfchied zwiſchen Ländern, Städten und dem Lande, und 67 wagte ed, eine allgemeine Negel für ganze Provinzen zu geben, doch gab er hiebei die Quellen, aus denen er ge: ſchöpft hatte, nicht an. f Nah King gaben Maitland und Petty ') ihre Bemerkungen über die Verhältniffe der Geburten und Ge- ftorbenen in London?) heraus. Eine nähere fuftematifche Anweifung hingegen haben wir erft im XVII Sahrhunderte von Hogdfon, Gimp: fon, Smart’), Wargentein?), Struyf’), Ker— feboom‘), Deparcieur’), Halley’), Süßmildy°) und Baumann’). Sicher verfihaffte ſich Süßmilch 1) ©. History of the City of London. 2) Essay in political arithmetic. Lond. 1609, pag. 3. 3) Diefe drei Gelehrten haben ihre Refultate nur aus den Sterbeliſten ter in Lonton DVerftorbenen entnommen. 4) Diejer Gelebrte hat feine Belege aus Schwedens Geburts— und Gtervelijten entnommen. S. Abhandlungen der ſchwe— diſchen Akademie, Vol. 17. ©. 15. 5) Strusf war Maturforjber in Holland , gab in feinem Vervolg van de Staat vant menschelyk Geschlagt p. 83, Amſterdam 1753, die auf diejen Gegenjtand Bezug baventen Leobachtungen heraus. | 6) Kerjeboom hat feine Tabelle in Holland verfertigt, und man vermuthet, dag jie aus allen holländiſchen Liſten ent— nommen worten ift. 7) Diefes Gelehrlen Beobachtungen gründen ſich auf die abge— ſtorbenen Glieder von Tontiniten zu Paris; daher ſind ſie auch nur für ausgeſuchte Geſellſchaften, z. B. für Verſor— gungsanſtalten, Kloſtergeiſtliche und Nonnen, wo nur ge— ſunde Individuen aufgenommen werden, brauchbar. Derſelbe bat feine Rechnungen blos auf 5 Jahre der Bres— lauer Geburts: und Eterbefälle gegrüntet. 9) Süßmilch war Pönigl. preußiſcher Probſt, Dbermeticinal: Ratb u. ſ. w., lebte in ter erſten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, und benüzte gewiſſenhaft alle die ſchon be— zeichneten Queiien, wobei er jie in ein gediegenes Ganze sufammenfezte u. f. mw. Diefer Gelehrte war Prediger zu Lebos, und gab die ſpä— tern Ausgaben des Süßmilch'ſchen Werkes nah) deſſen Tore 2 3” — — 65 unter dem jezt aufgezählten Gelehrten das größte, Ber: Dienft, weil er eines Iheils die Angaben feiner VBorgän- ger umd gleichzeitiger Beobachter fleifig und getrem benüzte, fie in ein Syſtem zufammenbrachte, und daher mehr be— ftimmte Verhältniffe in der Schöpfung der jährlich Ge— frorbenen und Geborenen zu den Lebenden, des Grades der Sterblichfeit nach Verſchiedenheit des Lebensalters u. ſ. m. entdekte. Doch dieſer große Mann beging bei dieſer ſo mühſa— men Arbeit den wahrhaftig nicht unbedeutenden Fehler, daß er in feiner General-Sterbetabelle einen Stillſtand in der Bevölkerung ftillfehweigend annahm ; denn wie befannt gab er die Zahl der Mehrgeburten zu den Sterbenden wie 155 zu 4100, oder wie 42 bis 45 zu 10 an, und dod) legte er in jene Gterbetabelle nur 1000 Geburten — nicht 1200 oder 1350 — ein, von welchen er Pr bis zum 2ofen Jahre die Hälfte, und dann alle insgefammt fortfehreitend nach den Lebensperioden bis zum doſten Jahre wieder ausfterben ließ, mithin dadurd die ftete Vermeh— rung des menſchlichen Gefchlechtes ſtillſchweigend an den Tag legte. * Aus dieſer Urſache führte er auch bis zur gegenwär— tigen Zeit die meiſten Statiſtiker zu dem Irrthume, daß fie dann auch mit ihm zu Ende des Agten Lebensjahres ſchon wieder die Hälfte der Gebornen mit dem Tode ab» geben ließen; denn nad) Süßmilchs Berechnung — wie unten gezeigt werden wird — waren zu Ende des 19ter Sahres wieder geftorben 500; alfo verblieben ja, wein auf 1000 Sterbefälle 1200 oder 1550 Geburten ausfielen, im erftern Falle 700, im leztern hingegen noch 850 In— dividuen zurüf, die nicht alle insgefammt farben, fondern — — heraus, reinigte ſie dabei hier und da von Druk- und Red: nungsfehlern, und verbeferte nach ſpäter eingeholten neuen Entdekungen auch Manches darin. 69 hievon der Ueberfhuß zur Eteigerung der Bevölkerung das Geinige beigetragen hat, und es ſtarb folglich die erfte Hälfte der Gebornen ftate mit dem Anfange des zofen im erften Falle — wenn auf 1200 Geburten 1000 Zodte gezählt wurden — erjt im 37ſten Jahre, im lezteren hingegen bei dem Verhältniß der Gebornen zu den Geitor: benen wie 13550 zu 1000 erft nach Verlauf von 44 Zahren. Diefem gemäß find auch feine aus diefer Sterbeta— belle entnommenen weitern Folgerungen ungegründet, als: „Die zweite Hälfte der Menfchen braucht alfo meiſt vier: mal — nämlich vom 20ſten his 100er Jahre — fo viel Zeit zum Abjterben, als die erſte“ u. f. w. Da nun Süßmilch aus diefer Tabelle auch zugleich das fünftige Leben, die wahrfcheinliche und mittlere Lebens— dauer folgerte, fo ifts num ganz Elar, daß im Allgemeinen alle jene Nefultate auf Sand gebaut waren, und fie nur ei: nes, Windftoffes bedurften, um in ihr voriges Nichts zurük— zufehren. Nicht mit Unrecht hat fih daher Kaukol) ebenfalls über den Werth der Süßmilch'ſchen Sterbeta— belle dergeitalt geäußert: „Es unterliegt feinem Zweifel, dag den Berechnungen folcher Art eine richtige Mortalis tätstafel zum Grunde liegen müſſe; aber es ift nichts we— niger ald gewiß, daß diefem Zweke die von Baumann verbefferte Süßmilch'ſche Tafel am meiften entfpreche. Es ift unrichtig, daß fie, wie Littrom behauptet, auf der Erfahrung ganzer Länder und mehrerer Jahrhunderte bes ende; denn Süßmilchs Tafel, welche der Verfaffer für die befte hält, und auch zu feinen Berehnungen gewählt hat, befteht, wie dies alles im 2, nad 5. Bande des Süßmilch— *) Siehe Widerlegung der von 3. J. Littrow herausgegebenen Bemerfungen über Witwen » Inftitute von Leopold Kaukol, Hof: Kanzellifzen des kak. Rinanz = Minifteriums. Wien, 1820. ©. 3. 70 fhen Werkes: „Göttliche Ordnung. der Natur mof mm Berlin, 1798. 4° Ausgabe.‘ entnommen werden Fanı, a) aus der Mortalität der Stadt Wien von den 4 Jah⸗ ren, 1749, 1751, 1752, 1753. Bier andere Sabre, 1728, 1752, 1738, 1739, welche Süßmilch einbezogen hatte, wurden als Epi- demie-Jahre weggelaffen ; b) aus jener von Berlin von 4 Fahren, und von einer einzelnen Pfarrei durch 24 Fahre; c) aus Paris von einigen Pfarreien in der a von 12 derfelben auf dem Lande in der Nähe von Paris; die Ergebniffe Fönnen nach den vorfommenden gerin— gen Zahlen nur von einigen Jahren ſeyn; d) von der Stadt Braunfchweig 4 Jahre. Diefe Nefultate aus großen Städten bilden das erite Drittel des Mittelverhältniffes, aus welchem Süßmilchs Tafel befteht. Das zweite Drittel ift von zwei mittleren Städten, Wufterhaufen und Friſtenwalde; von der erftern aus 20, und von der Ieztern aus 29 Jahren; beide Städte zählten zufammen nur eine Population von 5700 Menfben. Das lezte Drittel ift aus 51 brandeburgifchen Dörfern genommen, die eine Population von 6000 Mens fhen hatten, aus Mortalitäts = Ergebniffen von mehreren Sahren. Der Umfang der Süßmilch'ſchen Tafel ift hiernach von Feiner gar zu großen Bedeutung, und nichtd weniger ald aus der Erfahrung von mehreren Sahrhunderten oder aus ganzen Ländern zufanımen getragen. ‘Der fönigl. preußifhe Staatsrath Krauſe*) ent— defte ebenfalls jene Lüfe in der Süßmilch'ſchen Tabelle; daher fagt er Geite 441, nachdem er früher Süßmilchs Berechnungen aufgeftellt und verworfen hat, „Stelzigs *) Eiehe Prineip der Gegenfeitigfeit bei — — fen. Prag, 18286. 74 Angaben *) find für den Zwek (für Berechnungen bei Der- forgungsanftalten) am geeignetejten, meil man durch jie in den Stand gefezt iſt, won einer beſtimmten Anzahl Mitglieder einer Penſionsgeſellſchaft, den Abgang von einem Jahr zum andern geradezu zu berechnen. Aus dies ſem Grunde find in diefer AbhandInng die Stelzig' ihen Verhaͤltniſſe angewendet worden.“*) Welchen Werth Süßmilch ſelbſt auf feine General Sterbetabelle gelegt hat, follen deffen eigene Worte) darthun. „Sch komme nun — fagt er — zu dem Ge— brauche meiner Tabelle und zu denen daraus herzuleiten— den Folgerungen, ‚erinnere aber nochmals , daß der ſowohl bei meiner, als allen übrigen jezt gedachten Nechnungen angenommene Fall fait nirgends als wirklich anzufeben, indem im Ganzen überall die Zahl der Geborenen größer als der Sterbenden ift, woraus eine beftändige Vermeh— rung entitehen muß.“ Ferner fährt er Seite 524, 2. B. ‚weiter fort: „Zur weitern und nöthigen Erläuterung Die N 4 *) Siehe ausführliche Darſtellung, wie eine unwandelbar be: ftebente Verſorgungsanſtalt für Greife, für oder ohne ibr Verſchulden erwerbsunfähige Männer, Witwen und Wat- fen ohne Einlagsgelter , fondern nur durch mäßige jahr: liche Beiträge ver Mitglieder gegrüntet werten kann; von ran; Aloys Steljig, Med. Dr. und PIYKcuS der Alt: ſtadt Prag. Prag, 1828. *) Nicht nur bei Tearbeitung diefes Werkchens, fontern auch da, wo dieſer koͤnigl. preußiſche Staatsrath eine äußerſt intereſſante Darſtellung und Berechnung: „Ueber die Gemeinnüzigkeit der Leben-Verſicherungs— Anſtalten“ (Ilmenau, 1830) lieferte, jagt er ©. 5: „Die neuern Beobachtungen des Doctors und Phoficus Stelzig zu Prag, baden für den Gebraud tie größere Bequemlichkeit. für fih, weil fie von Periode zu Periode von dem vorhandenen Beitand, das Verhaltiig des Abgan— ges beſtimmt angeben. Es find daher bier die Stelsig ſchen Berbältnifie angewendet worten.‘*. sn) Siehe Seite 338, 2. Br. | 72 fer Tabelle (Haupttabelle) muß ich nun hinzufügen, daß hierbei angenommen ift, daß die Geftorbenen und Gebo— venen fih einander gleich find. Nun it aber hin— länglich bewiefen, daß folches im Ganzen nicht Statt finde, und daß gegen 10 Sterbende 12 biö 13 geboren werden... .. In einigen Städten findet fich folches nur und doch felten, indem in volkreichen ihrer weniger ges boren werden als fterben..... Das hindert aber deshalb nicht ihren Wachsthum, wie wir an London und andern ähnlichen Städten fehen, wo der Handel und die Fabriken mehr Leute hinziehen oder auch wegzuztehen zwingen, nachdem felbige fteigen oder fallen. Der Fall ift- alfo in der That ein feltener Fall, wo die Geftorbenen und die Geborenen einander gleich find, und auch lange Zeit fo bleiben, und wo weder durch Emigrirende noch durch Co— Ioniften die Zahl der Einwohner eines Ortes verändert wird, welches hier der angenommene Fall ift. Aus dies fer Urfache muß man die aus diefer Tabelle hergeleiteten Folgen nicht ald völlig zutreffend, fondern ald mehr nabe Eommende Berfuche anſehen.“ „Durch das Beifpiel des Halley, Simpſon, Smarts, Kerfebooms, Struyfs, Hogdfons und Deparcieur habe ic) mic) dazu bewegen laffen, von meinen Tabellen einen gleihen Gebrauch zu machen.“ Aus dieſem offenen Geftändniffe Süßmilch s und aus den Gründen, die Kaufol angibt, iſts daher klar zu entnehmen, daß Süßmilchs Tabelle wohl für große Gtädte, nämlich für jene, deren Geburts: und Sterbe— zahl fo ziemlich ſich alljährlih im Gleichgewichte erhält, braucybar gewefen iſt; welches aud ganz natürlich ers feinen muß, weil fie, wie bekannt, größtentheils aus der Population von Wien, Berlin und eines Theil von Paris, nämlich wenig gerechner, von 5 bis 600 Tauſend Stadtbewohnern, und dann nur noch aus der fehr gerin= gen Zabl von 9700 Landbewohnern zufammengeftellt wur: 73 de, wo folglich diefe leztere Zahl beinahe als eine Ein: heit, die weder multipliciren noch dividiren Eonnte, bes trachtet werden mußte, Mithin fagte ih, war fie für Städte und Länder, wenn es ſolche gibt oder geben follte, wo die Geburtszahl der der Gejtorbenen ftets gleich Fommt, anwendbar; daß N e3 aber jezt nicht mehr ſeyn kann, wird fpäter bes efen werden. v Seit Süßmilchs Zeiten trat meines Wiffens Fein befannter, zugleich accreditirter Gelehrte auf, der die Mängel der Süßmilch'ſchen Tabelle aufgedeft hätte; doc viele, ja viele find mir bis zur gegenwärtigen Zeit be . Fannt, die auf deffen Berechnungen wie aufs Evangelium geſchworen, und ihre Arbeiten darnach gemodelt haben. Selbſt die öffentliche Bekanntmachung der loi de mortalite et de population für Frankreich, welches in dem Annuaire pour l’an 4825 aufgeftellt wird, feheint hie— von nicht ganz rein zu ſeyn; denn auch diefe Berechnung nimmt nur eine runde Zahl der Gebornen, nämlich eine Million an, und läßt fie im gleichem Verhältniffe wieder abfterben, ohne eine Ernohnung von dem Ueberfchuffe der Gebornen bei diefer Berechnung zw machen. Diefer Angabe zu Folge leben von einer Milton Men fhen, die im mittlern Theil von Europa geboren werden, am Ende des A. Jahres nur noh x. ... 767,525. Eye pin ıbBLRDR. Fu re ansehe „» » » 90. I RB: » » 40. 5 zer Re a 60. 5 Dr, entre 287,070. » » » 60%. „ a 367. ” » ” 70. „ „ „ . .. . 417,656. ” „ ” 80. 27 „ „ . . . . 54,705. „ * „ 90. „ PR 97 TU Shan 5,850. ”„ »’»1400. 5 „ U N TE) TER! 207, 74 i am Ende des 105. Jahres nur nich . . . 0.46. ” „ * 110. > * —— — — >. Bevor ih meine Meinung über diefe Angabe aus- forehe, will ih zur Grundlage derfelben einjtweilen das Sfilett meiner Berehnung — nämlich jener, wo Gebur- ten mit den Öterbefällen ſich gleihhalten, wie es im Durchſchnitte beinahe durchgängig in den leztern 15 Ja in Prag der Zall war — bier aufitellen, und Süßmilchs Berechnungen derfelben zur Seite fezen. Es leben von einer Million Gebornen nad Stelzigs neh Süsmilhs Berehnung, Berechnung. am Ende des 4. Jahres nur noch 650,000 - 750,000, re re eier EEE >» "2:20. 9» » » 418,000 491,000. ve Ubi ru ante ee * 40. * „ 22 524,000 372,000, 650. 279,000 500, 000. »¶60. » 218,500 207, 000. ee ea ” » „m 50. 2 >» = 50,500 57,000, rn; 9 Men »» 12,500 6,000. -» „10. 5» »'» 1,000 0. Bergleiht man die vorhergehende franzöfifhe Be— rechnung mit der gegenwärtigen Süßmilch'ſchen, jo findet man bier und da eine beinahe unbedeutende Differenz zwi- ſchen beiden, befonders in den erjten Lebensjahren; im höchſten Alter hingegen nähert ſich das erjtere wieder mehr dem meinigen. > J Vom gehörigen Geſichtspunkte hingegen betrachtet, zeigt fih bei der franzöfifchen Berechnung gleich in der eriten Zeile ein offenbarer Fehler, der wohl kaum wird gerechtfertigt werden fönnen. Bermöge diefer Berechnung fterben von taufend Ge⸗ bornen im erſten Lebensjahre nur 2555 ein Verhältniß, 76 J das ſich vor hundert Jahren nicht fo gering darſtellte, ins dem nad) der Angabe aller der ſchon aufgezänlten Statt- filter die vor Suüßmilch ihre Beobachtungen niederge⸗ ſchrieben haben, und ſelbſt nad Suüßmilchs Bevechnung ſtets im Duvehſchnitte davon 250 ſtarben. Nach meiner Berechnung und nad andern Beobachtungen, Die ib une von anfübren werde, ſterben Dingegen im gegenwärtigen Jahrhunderte im erſten Lebensjahre von 1000 Gebornen 550; folglich bat diefe franzdiifhe Angade bet jeden Tau— ſend der Gebornen 47 Sterbefälle im erſten Pebensjabre weniger, ald Suͤßmilch vor beinade 100 Sabren gehabt bat, und 147 weniger, als ib in meiner Berechnung ges gemwärtig gefunden babe, Da folalid fon in der erſten Zeile zwifiben meinem und diefem in Frankreich erſchienenen Sterbeverhaltuiſſe bei einer Million dev Gebornen eine Diſſerenz von 117,525 obwaltet, — welche namlich im erſten Jahre weniger fteve ben ſollen, als ich ans amtlichen Quellen ſchöpfend, ger funden babe, und da ferner die übeigen Verbéltuiſſe fo ziemlich mie den Suüßmilch'ſchen übereinſtimmend find, fo verweiſe ich, wegen dev ferneven Widerlegung Diefov Mia ſultate, auf jene Aeußerung, die ich ſpater über die Suß⸗ milch schen Tabellen zu geben mir vorbehalte. Hier mv zum Belege noch einige Widorfprücde , die hinſſchtlich Abnlicher Arbeiten fi überhaupt einige franzoſtſehe Ge— lehrten vor wenig Jahren zu Sechulden kommen Kepen ®), *) ls Grundlage zu diefon Peminglungen diene bier nad vor sllglidb die Ungane ten Oterdeverbältmiiles, dad im annnalre pour l’an 18990, porosontd au vol, par lo burean des longituden, eriienen ih Wernleiht man erſſeres mt jenen, das im demfelnen annuaire pour Dan 1899 Ange: geven wurde, ſo Aberzeugt wan ſeh alſogleſch, daß dad ere @terpeverdiltmip — namlich vom Jahre 1820 — mit 1 uberechnet, ſondern nur von dem ana Jahrgange buchablich bieder übertragen windell 0° 76 i Im königlichen Inſtitute von Frankreich ftattete Ben— noiſton de Chateauneuf folgenden Bericht: er verglich die Sterblichkeit, Geburten und Heirathen in Frankreich von den Jahren 1775, 41780 und 1825. Sm J. 1775 ſtarben, fagte er, von 100 Kindern in den eriten 2 Zah? ren 50, jejt 38 Yo. Diefer erftern Behauptung widerfprechen Süßmilchs und Deparcteur’s Angaben , die bekanntlich nur einige Sabre früher ihre Beobachtungen niedergefehrieben haben; denn nad) ihren Berechnungen jtarben im der eriten Hälfte des XVIII. Sahrhunderts von 100 Gebornen in den erften 2 Jahren 24'/, Kinder, Feineswegs 50, und jezt ſterben nach meiner Berechnung 44%, und nad) der oben aufges ftellten, oben ſchon in Zweifel gezogenen franzöfifchen Bes rechnung würden erſt gegen das 9% Jahr fo viele abgeſtor— ben feyn, als Bennoiſton ſchon gegenwärtig gegen das Ende des zweiten Jahres hat abiterben laffen. Ferner ſagt Bennoifton, daß im Sahre 4775 vor dem zehnten Lebensjahre 45%, gegenwärtig. (1825) aber 4T/o fterben. Nach Süßmilchs Tabellen ftarben aber bis zum zehnten Jahre von 100 Individuen nur 46%, nad) meiner Tas belle aber gegenwärtig ſchon 535%,.5 folglich rechnet er um 9 mehr als Süßmilch, und 6%, weniger an, ald aus meis nen Berechnungen hervorgeht, und die im Annuaire pour Van 41825 erfchienene Berechnung widerfpricht wieder der des Bennoifton, weil es mit dem zehnten Lebensjahre nur 447, Individuen als geftorben angibt. Sm 3. 1775, fezt Bennoifton weiter fort, erreich- ten das zoſte Sahr 21%, jezt (1825) 32%. Nah Süß— milchs Berechnungen hingegen erreichten 31% ., nach meiz nen aber 28'/, das 50: Jahr, folglich differivt Bennoiſton bei 100 Geburten rüffichtlih des vorigen Jahrhunderts um 10%, und rüffichtlich des gegenwärtigen um A, Inte dividuen. Auch Hierin ſtimmen diefe beiden franzöftfchen Angaben wieder nicht überein, denn nach dem oben bes 77 zeichneten franzöfiihen Schema erreichen das 5ofr Jahr nur noch 27 von 100 Geborenen. Nachher ſchließt Bennoifton mit den Worten, daft im Allgemeinen im 3. 4775 von 30 Menfchen einer, jezt (1825) aber von 59 einer ſtirbt. Süßmilch ftellte, wie bekannt, das Verhältnig wie 36 zu 4, ich Hingegen wie 36% zu 4 auf. Ein anderer franzdfifcher Gelehrte, Bil: Terme, erftattete hingegen der Föniglichen Akademie der Medicin den Bericht, daß in einem fünfjährigen Durch— fchnitte, nämlich vom J. 4817 bis 1824 die Sterblichkeit ſich im Allgemeinen in Frankreich wie 1:36 verhalte. Er las ferner im November des J. 1824 in der Sizung der Aka— demie einen Auffaz vor, worinnen er zeige, daß in den begüterten Departements jährlicd) A von 46, und in den armen Departement3 einer von 35 Menfchen ftirbt, folg- lich behauptete er einen in der Natur nicht gegründeten Fall, weil fonft wie jezt immer da, wo Wohlleben und Lurus herrſchten und herrfchen, die Sterblichkeit grö- fer war und ift, ald an jenen Orten, wo die Menſchen einen mäßigen Lebenswandel oder fogar ein Farg zuges ‚meffenes Leben führten und führen. Zulezt fage Villerme, dag im Ganzen die gegenwär— tige Sterblichfeit in Frankreich etwa zwei Drittheile von dem ift, was fie vor der Nevolution gewefen war; denn vor 45 Jahren fol jährlich 1 von29, jezt aber nur von 39 einer fterben, Diefer Angabe widerfpricht eines Theils aber wieder Deparcieur und Süßmilchs damaliges Sterbeverhältniß, welches , wie befannt, nicht wie 29 ; 1, fondern wie 56: 4 fi darftellte. Die Behauptung hingegen, daß jezt nur von 59 einer ftirbt, widerlegen feine eigenen frü— her angeführten Worte, wo er, wie befannt, diefes Ver: bältnig nur wie 36 : A angab; und die dort nach der Revolution um 2 Drittheile geringer feyn follende Sterb- lichkeit zieht wieder eine andere tabellarifche Auseinanders 78 fezung Über die Geburten und Zodesfälle zu Parts*)-in Zweifel, indem dort in einem 21jährigen Durchfchnitte, nämlich vom Jahre 1770 bis Ende 1791 ſich alljährlich 48,915, feit dem erften Jahre der Republik bis Ende 4822, folglih im 29jährigen Durchſchnitte alljährlich 23,639 Todesfälle sereignetenz denn annehmen kann man ‚wohl, daß die Hauptftadt vor und während der Nevolu: tion ein ähnliches, wenn nicht gar ein verhängnißvolleres Schikſal getroffen haben mag. Bei einer andern Gelegenheit tritt wieder Dupin in in diefem Revue medicale u, ſ. w. auf, und unterfcheidet die Departementd Frankreichs im 43 gebildetere und 43 ungebildetere, und fezt für erſtere die mittlere Lebens— dauer auf 40 Sahre 5 Monate und 6 Tage, für Teztere hingegen nur 38 Jahre 9 Monate an. . Ferner behauptet er, daß in den gebildeteften Arrondiffements von Paris die mittlere Lebensdauer 43 bi3 47 Jahre, in den unges bildeteiten aber 24 — 25 Jahre feyn foll — Behauptun: gen, die fiher nur aus der Luft gegriffen find, und kei— neswegs durch nicht zu bezweifelnde Amtliche Quellen er- wiefen werden können, um fo mehr, da die Erfahrung in andern Ländern, ‚die unter.gleichen Himmelsſtrichen lies gen, und fih ähnlicher Geiftesbildung erfreuen, fich laut Dagegen auöfpricht, Kann man alfo unter folhen VBerhältniffen unbe: dinge einer in jenem Lande verfaßten Mortalitätstifte fein volles Zutrauen fchenken, mo jeder einzelne Gelehrte bei— nahe ganz entgegengefezte, dabei noch widerfprechende Data liefert? Ich meines Erachtens würde die Frage mit Nein beantworten! Beihluß folgt im nächſten Defte,) *) Revue medicale frangaise et Etrangere., Quätricme ‚annee 1323 .. ö 79 RER MERRENER ı 3 Die flawifhen Volksſtämme in Europa, Bon F. Palacky. u 4 1 4 772-772 Bei dem ungemeinen Aufſchwung, welchen die Wiſſen— ſchaften ſeit dem vorigen Jahrhunderte in allen ihren Zweigen genommen haben, und bei dem Wetteifer ſo vie— ler Nationen, das Gebiet des Wiſſens nach allen Seiten zu erweitern und aufzuklären, iſt es auffallend, die an ſich fo wichtige und intereſſante Bölkerkunde noch im— mer in einem Zuſtande tiefer Unmündigfeit erbliken zu müſſen. Wie koͤmmt ed, daß, während wir Atlaſſe oder Landkarten für jede Art der Wiſſenſchaft, fogar für die Thierkunde befizen, die ethnograpbifchen Karten noch im⸗ mer. fo felten und fo unvollfommen find? Selbſt die be- ften ‚geographifchen oder ſtatiſtiſchen Werke find im diefer Hinficht noch ſehr unzuyerläffig, und zwar nicht allein in den Angaben über ferne Welttheile, fondern felbft. über die nächſten und befannteften. Co iſt es z. B. noch in einigen der neueſten Werke dieſer Art gang und gebe, in den Niederlanden die ſogenannten Belgen, d. i. Flamän— der und Wallonen, zu Stammverwandten zu machen und vom franzöſiſchen (1) Stamme abzuleiten; die Kymriſche Bevölkerung Frankreichs, in der Bretagne, wird zu 980,000 Seelen angegeben, während fie nad) dem Sour: nal „der Bretone“ in den fünf Departements, Nord— küſten, Sinisterre, Isle und Vilaine, Morbihan und Niederloire die Mehrzahl der Bewohner bildet und im Ganzen an 2,400,000 Seelen zählt; die Zahl der Juden ſoll fi ich im ganzen ruſſiſchen Reiche, mit Einſchluß des 80° Königreichs Polen, auf 580,000, nad Einigen gar nur auf 400,000. Köpfe belaufen, und doc) zählte der genau unterrichtete polnifche Geograph, Graf Plater, im Jahre 1825 in den ehemaligen polnifchen Provinzen allein über 9 Millionen derfelden auf. Die publiciftifchen und geo— graphifchen Schriftfteller unterfheiden fich in diefem Falle nur felten von dem gemeinen Manne; die herrfchen: ‚den mächtigen Völker befchäftigen ihre Aufmerkſamkeit; die unterjochten und dienenden verfchwinden vor ihren Biken. Und doch gibt es beinahe Fein Volk in Eu: ropa oder Aften, das nicht feinen befondern Glanzpunkt im Verlaufe der Weltgefchichte aufzumeifen hätte. Es ift daher unmöglich, die eigentliche Bedeutung der Gefhichte zu faffen, wenn uns die Individualitäten der Völker vers borgen bleiben; es ift wichtig und nothwendig, die untere fcheidenden Merkmale derfelben wahrzunehmen, bevor ſich das nationale Gepräge der großen und herrfchenden, fo wie der Fleinen und erlöfchenden Volksſtämme im Ge— dränge der Zeiten völlig abfchleife. Die größte Unkunde herrfcht jedoch bis jezt in allen: gangbaren hiftorifchen, fatiftifchen, geographifchen und linguiftifchen Werken über die Volks- und Sprachver— hältniffe der SIowenen oder Slawen. Nicht nur ſchwanken die Angaben über ihre Zahl zwifchen 40 bis 72 Millionen Seelen; man ift nicht einmal darüber einig, welche Völker man zur flowenifchen Völferfamilte zu zäh— len, wie fie zu ordnen, und welcher Menfchenrace beizu: gefellen habe. Man möchte kaum feinen Augen frauen, wenn man einen namhaften deutfchen Schriftfteller, den Necenfenten eines wichtigen ethnographifchen Werkes“) ganz unbefangen behaupten ſieht: „Man rechnet die Wenden *) Wilh. von Schütz in der Recenſion von Humboldts Werke über die vaskiſche Sprache in den Wiener Jahrbüchern der Literatur vom J. 1822, Bd. 10, S. 54. 84 den zu den Slawen, und dieſe wieder zu. ber mongoliſch⸗ tartarifchen Menſchenclaſſe;“ warum nicht gar zu dev äthiopifchen, da die „Bohemiens“ bekanntlich eben nicht weiß von Gefichte find! So lächerliche Mifgriffe und Anfihten find felbft bei deutſchen Schriftftellern feine Seltenheit, aber Feiner fpeciellen Rüge werth. Dagegen iſt die Berichtigung der Fehler, welche einer der gründ— lihften und achtbarſten Geographen der neuern Zeit, Dr. G. Haffel beging, um fo nothwendiger, als fie aus ſei— nen Werfen beveiis in andere Schriften übergegangen tft. Sn feiner Ueberficht der verfchiedenen Nationen der Erde nach ihrer Abftammung*) führt, er bei der Kaukafifchen Menfchenrage den ſlawiſchen Volksſtamm mit 70,664,000 Köpfen folgendermaffen auft A) Großruſſen oder Neußen 35,629,0005 2) Kleinruffen und NRuthenen 11,839,000 ; 3) Polen 9,200,000; 4) Litthauer 1,800,000 5 5) Letten und Kuren 630,000; 6) Öerbler, Raizen 616,000; 7) Slawenen und Mährer 4,866,0005 8) Wenden, Winden, Kaſſuben 4,470,000; 9) Kroa— ten 1,480,000 5.10) Morlafen 299,000; 11) Montes negriner 151,000; 42) Bandalen 41,000; 43) B 08: niafen 250,000; 14) Tfhehen (Gehen, d. i. Böh— men) 2,360,000. Man darf es behaupten, daß in diefer Aufzählung faft eben fo viele Fehler als Angaben enthalten find. Erz ſtens vermißt man darin ein ziemlich zahlveiches flawi- ſches Volk, die Bulgaren, welhe Haſſel in der Mons golifchen Menfchenrace zum magyarifchen Volksſtamm mit 522,000 Köpfen zähfte! Allein wenn auch die ältefte Abs *) In feinem genealogiſch-hiſtoriſch-ſtatiſtiſchen Almanach aufs 3. 1827. Diefe Ueberſicht ift in vielen Zeitfhriften und Volksbüchern G. B. in Surende’s vaterländiſchem Pilger, in dem Wiener Geſchichts- und Grinnerungsfalender ıc.) Ohne weitere Bemerkungen oder Verbefferungen nachgedrukt worden. Jahrbücher I. Band. 6 y 82 . i | kunft der Bulgaren bei Geſchichtforſchern noch zweifelhaft er ſeyn mag, fo ift doch) die Slowenitat derfelben feit taufend Sahren unbeftreitbar und offenfundig; und wenn man auch zugeben wollte (mas jedoch) bezweifelt werden muß), daß die urfprünglichen Bulgaren magyarifcher Abkunft gewe⸗ ſen, ſo dürfte man die heutigen doch ſo wenig zum ma⸗ gyariſchen Stamme rechnen, als z. B. die Spanier zum iberiſchen, oder die Meklenburger, Pommern u. dgl. zum flawifchen. Ferner ift es unbegreiflih, warum Haſſel die Lit⸗ thauer, die Letten und Kuren zum ſloweniſchen Volksſtamme zählte? Sie haben mit den Slawen nicht gemein, als einige Wörter mehr, die fie von ihnen ent— lehnt und angenommen haben. Die litthauiſche Sprache (zugleich mit der Tettifchen Varietät) ift eine Urſprache, fo gut wie die deutfche oder ſlawiſche. Mit demfelben Nechte, wie zu den Slawen, fonnte man die Litthauer auch zu dem Deutfchen, den Rateinern, den Zigeunern oder den Griechen zählen; denn ein gleicher Grad der VBerwandtſchaft verbindet ihre Sprache mit diefen allen, und ihr grammatifcher Ban macht fie inöbefondere der griechifehen am ähnlichiten. Endlich läßt ſich das von Haflel befolgte Theilungs⸗ Princip der flawifchen Volker felbft nicht einmal ervathen. Es ift weder geſchichtlich, noch geographiſch, weder polis tiſch, noch linguiſtiſch oder literäriſch — alles iſt darin willkührlich und wie aus der Luft gegriffen. Mer find jene Slawenen und Mährer, die zufammen 4,866,000 Seelen betragen ſollen? Vermuthlich die Slowaken in Ungarn, bei denen jedoch der Name „Slawene“ unerhört iſt. Die Mährer und Slowaken ſind aber kein be⸗ ſonderes Volk, denn ſie ſind mit den Gehen in Abſtam— mung, Sprache und Literatur von jeher Eins gewefen. er find. jene Wenden, Winden und Kaffuben 4,470,000 an Zahl? Ueber die geographifihe Lage der 83 Lezten (im nordöftlihen Pommern) ift Fein Zweifel; aber linguiſtiſch kommen fie zunächft den Polen beizuzählen, als eine Varietät des Polnifchen. „Wenden“ oder „Wins den‘ war bei den alten Deutfchen der allgemeine Name für alle flawifchen Völker; felbft unfere Cechen hießen bei ihnen noch vor taufend Jahren nur „Wenden“, bis dieſen Namen der eben fo unrichtige als gelehrt = gengras phifhe der „Böheimer, Böhmen“, nah und nach verdrängte. Jezt nennt man nur noch die Soraben in der Laufiz vorzugsweife Wenden, die Slowencen _ aber in der Steiermark und in Illyrien Winden. Aber wie fommen fie unter einander und mit den Kaffuben in Verbindung? fie ftehen in fprachlicher Hinficht fat am mweiteften auseinander, und ihre Gefchichte hat fich gegen: feitig fo wenig berührt, wie ihre Literatur, Daß die 41,000 fogenannten Bandalen nichts anderes ſeyn kön⸗ nen, als die SIowencen oder Wenden im weftlihen Ungarn, läßt fchon die Zahlangabe errathen; allein ihre Sprache ift eine unerhebliche Varietät des Slowenciſchen in der Steiermark. Endlich find die Bosntafen, die Morlafen und Montenegriner Feine befonderen Volker, fondern mit den Serben oder Naizen insge— ſammt nur Ein Volk, das durchgehende nur eine und diefelbe Sprache fpricht, obgleich in mehreren unbeden: tenden Varietäten. Es ift unangenehm und peinlich, zu fehen, wie ges wife Jerthümer, die einmal ihren Weg zum großen Pit blifum genommen haben, troz den forgfältigften Berichti⸗ gungen, fih dennoch faufendfach wiederholen, And wenn auch von den angefehenften Schriftftellern or widerlegt, dennoch wieder in ihrer alten Geftalt aucauchen. Die allwaltende vis inertiae fpielt auch in dee Schriftitellerei eine über die Gebühr wichtige und einflußreihe Nole. Freilich find Volks» und Sprachforfher, wie Schlöger oder Jakob Grimm, zu allen Zeiten felten gewefen, und 6* 84 < . x nicht. jede Nation hat einen John Bowring aufzumeifen ; aber. wenn man auch nicht von jedem deutfchen Gelehrten die Kenntnig des Slawifchen verlangen kann, fo darf man doc von einem Ethnographen fordern, daß er fi) über die Sprachverhältniffe eines benachbarten, fo meit ausgebreiteten und zahlreichen Volksſtammes, wie es der flawifche ift, aus Achten und verläßlichen Quellen zu une terrichten fucher Hätte Haffel, wo nicht die Werke eines Dobrowſty, oder anderer Slawiften, doch mwenigftens Adelungs Mithridates zu Nathe gezogen, fo würde er wohl die meiften von mir gerügten Sehler vermieden haben. Ganz genaue und genügende Aufſchlüſſe über alle gegenfeitigen Stammwverhältniffe der Slowenen laffen ſich freilich überhaupt noch nicht geben. Noch immer find ei— nige Dialecte des Slawifchen, wie 3. B. das Bulgarifche, das Kaffubifhe, ja auch das Nuthenifche, felbft den erften Slawiften unferer Zeit nur unvollftändig bekannt, da diefe Völker Feine eigenen Sprachwerfe befizen; auch über die Zahl und Ausbreitung mancher Stamme, insbefon- dere der füdlichen, find nur unzuverläffige Daten, über einige Slawen in Siebenbürgen, der Wallachei und Mol dau, nur leife Andeutungen vorhanden. Dobromffy mar der Erfte, der eine Claſſification der ſloweniſchen Völker nach philologiſchen Grundfäzen, di, nach einigen feſten Kennzeichen der Sprache lieferte. Er weilte fie in zwei Drdnungen, und führte fie Cin der Clowarfa I. 165 — 168) folgender Geftalt auf: I. Ordnung. U. Ordnung. 1) Ruffen. 1) Böhmen, Stowafen. 2) Serben, Bulgaren. 2) Sorben in der Ober 5) Kroaten. laufiz. 4) Winden (Krainer -5) Sorben in der Nieder: u. ſ. m.) lauſiz. 4) Polen. —— —— a nn... 85 Später änderte er (in d. Institt, ling. Slavicae, J. 1822) diefe Elaffification infofern, als er zur erſten Drdnung noch den altſlawiſchen Kirchendialect hinzufügte, und in der zweiten die Slowaken, von den Böhmen. getrennt, als eine befondere Art aufführte. Andere Hawifche Sprachforfcher ane die Rich—⸗ tigkeit dieſer Eintheilung in der Hauptſache an, beſtritten ſie jedoch im Einzelnen. Es handelte ſich um die prak— tiſche Unterſcheidung der Hauptdialecte von den bloßen Varietäten, und um die Löſung der vielbeſprochenen Frage, welchem Stamme der von Chrill und Method ums J. 855 zur Schriftſprache erhobene altflawifche Kir: chendialect angehöre? Dobrowſty hatte ihn zunächſt den Serben und den Bulgaren zugewieſen. Hr. Kopitar ſuchte ihn den Karantanen zu vindiciren, und zu bewei— ſen, daß das Bulgariſche von demſelben ſo wie von allen übrigen ſlawiſchen Dialecten weſentlich verſchieden ſey; andere Slawiſten ſtellten darüber noch andere Hypotheſen auf. Auch für die Trennung des Rutheniſchen (Klein: rufifhen) vom Ruſſiſchen (Großruſſiſchen) erhoben fich achtbare Stimmen. Der gelehrte Pole Kucharski, der mit den nöthi— gen Hilfsmitteln ausgeruftet, die meiften flowenifchen Stämme recht eigentlich in der Abſicht heimſuchte, um ihre Dialecten=Unterfehiede an Ort und Stelle gründlich fennen zn lernen, stellte im vorigen Jahre folgendes Schema für die Glafification der flowenifchen ai auf:*) ’ 5 Sn einem gelehrten Schreiben aus Raguſa dd. 28. Au: guft 1829, in der böhmifchen Zeitfchrift unferes Mu: feums (&afopis fpofeönofti wlaſt. Mufeum w Cechäch), 1829. IV. Heft, ©. 122 — 130. 86 | 1 Glaffe: | IL Slaffe: a. Ruſſiſche Dialecte: | c. 8) das Slowakiſche, 4) das Altſlawiſche, I)das Bohmiſche, 2) das Ruſſiſche, d.410) das Oberlaufizifche, 3) das Rutheniſche, 14) das Niederlaufizifche, 4) das Bulgarifche. e. 12) das Polabifche (bereits b. Illyriſche Dialece: ausgeftorben), und 5) das Gerbifche, f. 13) das Polnifche. 6) das Kroatifche, 7) das Krainifche. Doch diefe Claffification des altſlawiſchen und des Bulga- rifchen will den erften Slawiſten diefer Zeit, deren Stimmen wir vernommen haben keineswegs genügen, und fie geben der von Dobrowsky in Vorſchlag gebrachten noch immer den Vorzug, ohne fie im Einzelnen für ganz vollendet anzufehen. Die endlihe Löſung diefer noch obwaltenden Streitfragen ift nur von einem unbefangenen und gründe lichen Slawiften zu erwarten, der weder die Gefahren, noch die Mühe und Koften fheuen wird, welche mit einer wiffenfhaftlihen Reife durch Serbien und die Bulgarei über. den Hämus bis an die Pinduskette hin, unausweich— lich verbunden find. Es war des fel, Dobrowsky Lieb- lingswunſch, dein merkwürdigen Klofter auf dem Berge Athos einmal einen Befuch machen zu können; nun macht e8 mir Freude, berichten zu dürfen, daß die Erfüllung diefes Wunfhes duch einen andern, vollfommen ebenz bürtigen Forfcher, zum großen Gewinn für ſlawiſche Ge: fhichte und Literatur, fo wie für Länder» und Völker: Funde, vielleicht nicht mehr weit entfernt ift. Indeſſen will ich es verfuchen, eine Eurze Ueberficht der flowenifhen Völker, nach den mir befannt gewor⸗ denen neueften und verläßlichiten Angaben, zunächit für literärifche und fatiftifche Zwefe, zufammenzuftellen. Iſt gleich diefe Zufammenftelung im Einzelnen unvollfom- — 87 men, — wie fie denn auch nicht anders feyn Fann, —fo darf ich mich doch damit tröften,. daß fie etwa Feine großen Fehler darbietet, und überhaupt nicht viel fchlechter ift, als fie nach dem jezigen Zuftande der Diesfälligen For— fhungen feyn Eonnte. Wenn man bei einer Slaffification der ſloweniſchen Völker Europa’s, zunächit der Sprachverwandtfchaft, auch auf ihre Literatur, auf geographifche Lage und hiftorifche Derhältniffe Rükſicht nehmen darf, fo laffen fi diefe Dölfer eben fo bequem als richtig in drei Claſſen theilen: 1. Elaffe: Lechiſche*) (nordweiliche) Stämme, zus fammen 15 Millionen Seelen, und zwar: 1) Cechen (Böhmen), Mährer und Slowaken, 6,600,000 Seelen. 2) Sorben in der Laufiz, 200,000. 5).Polen, nebit den Kaffuben, 8,200,000. OD. Elaffe: Ruffifhe (nordöſtliche) Stämme, 47 Millionen. 4) Ruffen (Grofruffen, Moskowiten), 35 Millionen. 5) Rufinen, Ruthenen (Kleinruffen u. ſ. w.), 12 Mill. II. Claſſe: Illyriſche (füdliche) Stämme, 8 Mil. 6) Bulgaren (und Macedonier), 2 Mill. 7) Serben, (Raizen u.f.w.), 4,200,000. 8) Kroaten, in Civilfroatien und Ungarn, 800,000. 9) Slowencen in der Steiermark und Syrien, 1 Million. s Die zweite und dritte Elaffe find mit einander insgefammt näher verwandt, ald mit der eriten. Es ift übrigens *) Die Benennung der Iehifhen Stämme wird durch bie älteften ſlawiſchen Chroniften gerechtfertigt ; bei Neftor er« fheint fchon der Name Lech (Cjach) als gemeinfhaftfihe . Benennung einiger weftlichen Slawenſtämme, der zunädit den Polen eigen blieb ; aber auch der böhmifche Dalimil nennt -. den Ahnherrn aller Seen einen „Lech, d.i. einen Slowe— nen vom lechiſchen Stamme; daher dürfte die Wahl dieſes Wortes zur Beseichnung der eriten Claſſe nicht anftögig ſeyn 88 gleichviel, ob man die Lechiten die erfte oder die dritte Glaffe nenne; mich beffimmte blos die Rükſicht auf die geographifche Lage der Völker, bei den weſtlichen Mark: männern des Slawenlandes anzufangen. 1. Cechen. Gie bewohnen feit dem VI. Jahrhun⸗ derte Böhmen, Mähren und die Slowakei in Oberungarn ; in Böhmen bilden fie beinahe %,, in Mähren etwa %, in Ungarn Y, der Gefammtbevdlkerung des Landes. Die Städte Leitmeriz, Zaun, Saaz und Mies find gleichfam die weftlihen Markiteine der ſlawiſchen Population in Böhmen; von da zieht fich diefer Volksſtamm in dftlicher Richtung durch Mähren und Oberungarn (an den Karpa= ten) bis jenfeits Kafhau, Eperies und Bartfeld Hin, wo er an die, Ruſinen gränzt. Denkmäler feiner Literatur datiren fih von feiner erften Bekehrung zum Ehriften- thume im IX. Sahrhunderte; fie ftand im ihrer vollften Dlüthe im XV, und XVI. Sahrhunderte bis zum 30jäh— rigen Kriege; im lezten Viertel des vorigen Jahrhun— dertd wurde fie, nach anderthalbhundertjähriger Lethar— gie, durch patriotifhe Bemühungen einzelner Schriftiteller wieder zu einigem Leben gewekt, und hat gegenwärtig fehr fchäzbare Dichterwerfe, jedod) weniger gute Profaiiten, aufzuweifen. Im ganz Böhmen und im weftlihen Mähren wird derfelbe Dialect gefprochenz die. Mundarten der mährifhen Hanafen, Slowaken und fogenannten Walachen bieten einige Varietäten dar. Dasfelbe gilt auch von den Slowaken in Ungarn, deren ohnlängft eingeleitete Titerärifche Abfonderung wir um ſo weniger billigen? Fönnen , als fie uns unnöthig und dem Gedeihen der Literatur in beiden Ländern binderlich erfcheint. Wenn alle Varietäten der Volksmundart jedesmal neue Schriftſprachen begründen follten, in wie viele Litera— turen müßte nicht Deutfchland oder Italien getheilt feyn! Und doch fteht das (ohnehin vielgeftaltige) Slowakiſche dem Böhmifchen bei weitem nicht ſo fern, als z. B. 89 der fhmäbifche oder fterrei side, Dialect der, deutſchen Schriftſprache. 2. Sorben in der Saufi, gewöhnlich Wenden genannt. Ihre Zahl iſt ſehr herabgekommen, uni nimmt noch immer mehr ab; ja es ift zu verwundern, daß ſie nicht lange ſchon das Schikſal aller nordlichen Ebſlawen getheilt haben, gänzlich germaniſi irt zu werder. So ſchwach die Ueberreſte der Lauſizer Slawen ſind ſo ſind ſie doch noch durch zweierlei Dialecte, Goafeffinnen und Schriftarten unter einander ‚getheilt. Das Oberlaufizifche nähert. ſich mehr dem Böhmifchen, das Niederlauftzifche mehr dem Polniſchen; die Fatholifchen Venden bedienen ſich in ihren Schriften zum Theil der. bhmifchen Ortho— graphie, die evangelifchen haben fich nah deutſcher Com⸗ bination eine eigene gebildet. 3. Polen. ‚Ihre Zahl wird gewönlich zu groß an— gegeben ,, indem man ivriger Weiſe de in Galizien und Ruſſiſch-Polen lebenden Rufinen zu.imen zählt. . Dage— gen führte Ben ausgezeichnete polnifde Geograph ‚ Graf Dlater im J. 4825, nach älteren Sopulations-Anga- ben nut 7,070,000 Polen auf, nämlih in Oft: Preußen 280,000 , in Weit: Preußen 350,000, in Pofen 640,000, in Preufifch» Schlefien (Reg. Bez. Oppeln und Breslau) 600,000, in Krafau 100,000, Galizien 4,700,000, Kö— nigreih Polen 2,700,000, in den ehemsls polniſchen Gou— vernements in Rußland 700,000 Seelen. Zieht man den feitherigen Zuwachs der Population in diefen Lindern in Betracht, und schlägt die in: öſterreich. Schleifen leben- den Polen, fo wie die pommerfchen Rafjuben, deren Kirchenſprache ohnehin die polniſche it, dazu: fo darf man die gegenwärtige Gefammtzahl der, Polen unbedenf- Ks auf 3200,00 Seelen ſchäzen“). Die Gunzen des *) S. Cafopis fpolednofti wlaſtenſt ẽho Miſcm Ernie, r. 1330. 1,©. 24, 75. 396 Jj% * ‘ 90 Polniſchen find im Süden das Karpatengebirge; im Oſten, in Galtzien, der Fluß San, in Polen die öftlichen Theile der Wiiwodſchaften Lublin und Podlahien (denn weiter öſtlich ft nur der Adel und der Bürgerftand polnifch, das Landvolk rufinifh). In der ſüdlichen Hälfte von Oft: und Met: Preußen find zwar die Städte deutfch, das Landvolf aber polnifh. Das polnifhe Schriftwefen in der Landesſprache datirt fich erft aus dem XIV. Jahrhun⸗ dert; im XVL hatten die Polen bereits ausgezeichnete Dichter in der Mutterfpradhe; aber feit 1760 nahm ihre Literatur einen 'o Eräftigen Auffhwung, daß fie an Manz nigfaltigfeit, Eeganz und Gediegenheit ihrer Leiftungen nicht nur Die bihmifche und magyarifche übertrifft, fon- dern auch mit jeker andern von zweiten Nange in Europa rühmlich wetteifen Fann. 4. Ruffen Sie find die zahlreichfte und befann- tefte flawifche Nation; im lezterer Hinficht darf ich mic) über fie um fo kürer faffen. Die Angaben über ihre Zahl find ſehr ſchwankeid und unzuverläſſig; da ich Feine beffe- ren Quellen befize, fo laſſe ich die Haflelfche vorläufig gelten, obgleich für mir viel zu Hoch erfcheint. Der be Fannte trefflihe Hftorifer Raramzin rühmt die ruffifche Sprache, daß fieder reinfte (d. i. mit fremden Beftands theilen am wenigften vermifihte) flawifche Dialect ſey; es dürfte jedoch nicht fehwer werden, diefe Meinung zu entkräften. Das sigentliche ruffifche Schriftwefen beginnt erft mit Peter den Großen; was früher gefchrieben wurde, gehört zır Literatur der altflawifchen Kirchenſprache. Das mächtige Aufblünen der ruſſiſchen National: Literatur im gegenwärtigen Sahrhunderte ift allgemein befannt ; im furzem vird man die Nuffen auch hierin mit den Engläns dern, Fanzofen und Deutfchen wetteifern fehen. 5. Rufinen oder Ruthenen. „Wie irrig die in Weſt-⸗Gropa allgemein verbreitete Meinung von der na= tionalenEinheit der Ruffen ſey,“ fpricht Bandtkie in der 9 Einleitung zu feiner polnifhen Gefhichte 9%), „braucht man einem Polen nicht zu erklären. Jedermann weiß es, der je einen Großruffen von Moskau, Archangel, Nijnije Nowgorod und Suzdal (denn fo viele Varietäten des Ruſſiſchen gibt es), und einen Nufinen (Riſſinen oder Nuthenen) aus Podolien, aus Klein= oder Roth Ruß: land u. f. w. fprechen hörte.“ In den ruffifhen, ehe— mals zu Polen gehörigen Gouvernements, Wilna (im füdl, Theile), Grodno, Bialoftof, Minſk, Witepſk, Mo— hylew, Wolynien, Podolien und der Ukraine, in Süd— Rußland überhaupt, ferner in Oſt-Galizien und Nordoſt— Ungarn, endlich zum Iheil in den Woymwodfchaften von Lublin und Podladhien, it das Landvolf weder ruffifch noch polniſch, fondern, mie es fich felbft nennt, vuffie nifch oder rutheniſch. Auch die Rofakenftämme, am Don fowoHl als in Sibirien, find eigentlich ruffinifcher Abſtammung, obgleich ſchon fehr ruffifirt, fo wie auch die Nekraffowzen in Bulgarien zum ruſſiniſchen Stamme gehören. Diefer dürfte zufammen 12 Mill. Seelen zäh: len; eher mehr, als weniger, Die (wenigen) Schrift— fteller diefes großen flawifhen Volksſtammes wollen we— der Klein- oder Weiß-Nuffen, noh Rußniaken genannt werden, weil Feine diefer Benennungen eigentlich national fey. Ihre Sprache ift zwar mit der großruffis fhen zunächt verwandt, fteht aber den Dialecten der le— chiſchen Stämme näher, als jene. Charakteriftifch tft darin die häufige (eben nicht empfehlenswerthe) Verände— rung des o und ie ini; 3. D. des bob, Fon, pod, bieda in bih, Ein, pid, bida u. ſ. w. Daß das Rutheniſche felbft in mehrere Varietäten zerfällt, ift natürlich ; fte find aber bisher noch zu wenig einzeln erforfcht. Uebrigens fteht feine Literatur mit der rufifchen faft im umgekehrt: *) Dzieje krölestwa Polskiego przez J. 8. Bandtkie, Breslau, 1820. J. ©. 24. 92 ten Verhältniffe. Denn obgleich der Gebrauch der altila- wifchen Kirchenfprache beim Gottesdienfte und in der Ge- lehrſamkeit der literärifchen Ausbildung der Volksſprache bier eben fo hinderlich war, wie in Groß- Rußland vor Peter dem Großen: fo finden wir doch umgefehrt viel häufigere fchriftliche Denkmäler des Rutheniſchen vor, als feit dem XVII. Sahrhunderte. Das Ruthenifche war auch die Hof- und Gefchäftsfprache der ehemaligen Großfürften von Litthauen; daher denn auch das befaunte litthauiſche Statut darin verfaßt wurde. Sezt ift die Li— teratur dieſes Volksſtammes in gänzlihem Verfall; die gebildeteren Claſſen diefes Volkes ſchließen ſich entweder an die Polen, oder an die Ruffen an. 6. Bulgaren. Bis auf den heutigen Tag der une befanntefte fLawifche Volksſtamm; er bewohnt (zum Theil mit andern Völkern vermifcht) nicht allein die eigentliche Bulgarei zwifchen der Donau und dem Hämus, fondern auch die füdlichen Abhänge des Ieztern in Rumelien und Macedonien bis in die Nähe von Iheffalonich, und bis zur Pindusfette hin. (Auch in Klein: Aften gibt es bul- garifche Eolonien.) Hr. Kopitar ſchaͤzt die Zahl der Bul- garen auf mehr ald 2 Mil. Seelen”). Daß ihre Spra= che mehrere Varietäten zähle, ift fehr wahrfcheinlich; fo wie auch, daß die von Cyrill und Method im IX. Zahrh. zur Schriftſprache erhobene altſlawiſche Kirchenſprache ur— ſprünglich einem ſſawiſchen Volke im Süden des Hämus angehöre. Doch darüber müſſen noch neue Aufſchlüſſe ab— gewartet werden. Es eriftirt noch Feine bulgariſche Lite— ratur, da die chriftliche Geiftlichkeit fich daſelbſt eben fo, wie bei den griechifchgläubigen Serben, Nuthenen und Nuffen, an Cyrills Bücherfpracdhe hält. Die wenigen bis jezt in Druf vorhandenen bulgarifhen Schriften hat Hr. Kopitar namhaft gemacht; fie ftellen das Bulgarifche als eine Art ſloweniſcher langue romane dar, mit angehäng- *) Wiener Jahrbücher der Titeratur. 16. Band, 1329, ©. 37. 5 tem Artikel und ohne andere Declination als durch Prä- pofitionen, — flawifhe Materie in albanefifcher Form, Uebrigens verdiente das Zeugniß des berühmten Samm— lers ferbifcher Volkslieder, Wuk Stefanowie, daß näm: lih die Bulgaren an trefflihen Iyrifchen und epifchen Bolksliedern eben fo reich find, wie die Serben felbit, bald beberzigt und von einem neuen Wuk benüzt zu werden. 7. Serben. Noch vor dreißig Jahren unbeachtet und fait unbemerkt, hat dieſer Volksſtamm feitdem fo- wohl in der politifchen als der literärifchen Welt Aufmerk— famfeit erregt. Lezteres vorzüglich durch feine fchönen Bolkölieder, die in ganz Europa, und felbft in Nord Amerika befannt und beliebt wurden. Die Serben find viel ausgebreiteter als ihr Land; denn außer dem eigent- lihen Serbien find es auch die Bewohner von ganz Bos— nien, des Herzegowina und Montenegro, die von Dal: matien, von MilitärzKroatien und ganz Slawonien, end- lich anfehnliche Golonien im füdlihen Ungarn und der Danater Gränze, welche insgefammt eine Sprache fpre: hen“), obgleich fie in literärifcher Hinſicht vielfach ges theilt find. Die Bosnier find großentheils Mahomedaner. Die übrigen Serben find zum Theil lateinifchen, zum Theil griehifchen Bekenntniffes. Die erften, von den leztern gewöhnlih Schofzen genannt (in Dalmatien, Bosnien, Slawonien u. f. w.), fcehreiben entweder mit glagolitiſchen, oder mit lateinischen Buchftaben, und zwar entweder nach italienifcher Kombination (wie die Ragus finer), oder nad) froatifcher (wie die SIawonier). Die griehifchgläubigen Serben werden dagegen von ihren las +) Ihre Zahl läßt fih folgender Geftalt angeven: in Serbien 1 Million, in Bosnien, Herzegowina und Montenegro 1,400,000, Dalmatien 300,000, Kroat. Militärgränge 440,000, Slawonien 600,000,» Banat. Militärgränze 400,000, Ungarn 360,000, zujammen alſo 4,200,000 Seelen. x 9 _ teinifchen ‚oder türfifchen Sprachgenoffen Wlach en be nannt (daher die Morlafen, eigentlich Morowladen, d. i. die am Meere wohnenden Wlachen); fie bedienen fich des Cyrilliſchen Alphabet, und haben zwar Nationalfchrift- ſteller ſcon aus dem KIM. Jahrhunderte aufzumeifen, fan— gen jedoch erft feit einem Menfchenalter wieder an, ihre wohltönende Mundart fleifig und allfeitig zu bilden. Der Mangel an guten Schriftftellern ift bei ihnen gegenwärtig noch um fo fühlbarer, als des ferbifchen Volkes Kefeluft unverkennbar. ift. 8. Kroaten. Der Name der Chormaten (Kroaten) erfcheint, fo wie der der Serben, ſchon in der älteften Gefhichte der Slowenen in verfchiedenen Ländern, ohne daß man die hiftorifche Bedeutung desfelben fiher angeben kann. Sezt find unter diefem Namen nur allein die Be- wohner von Provincial- oder Eivil= Kroatien, und von einigen ſüdweſtlichen Gomitaten in Ungarn zu verftehen, da die Bewohner der Froatifchen Militärgränge fo wie des türfifchen Kroatiens ihrer Sprache nad) den Serben bei- zuzählen fommen. Die Froatifhe Sprache ift zunächft mit der flowencifchen in Illyrien und der Steiermarf verwandt, und wird von einigen Gelehrten für eine bloße Varietät derfelben ausgegeben. Ihre Literatur hat ſich ni) zu keiner Bedeutung erheben können. 9, Slowencen oder Winden in Krain, Unter: Steiermark und UntersKärnthen, ferner in den ungrifchen Eomitaten Szala und Eifenbura (die fogenannten Vanda— len), dürften zufammen 4 Mill. Menfchen betragen. Sie befizen ältere Denfmale ihrer Sprache, als faft alle an= dere flowenifche Stämme, nämlic) drei Auffäze in einem Münchner Coder aus dem X. Jahrhunderte; gleichwohl beginnt ihre ziemlich. dürftige National: Literatur erſt in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts; die Menge der in nenerer Zeit gefchriebenen Grammatifen und Schrifte ſyſteme diefes Dialects contraftirt auffallend mit der ges 9 ringen Anzahl ihrer auch für die Nachwelt gezeugten poeti- ſchen und profaifchen Producte. Sn ſtatiſtiſcher Hinficht läßt fi) von den bill Volksſtaͤmmen folgendes Schema entwerfen: Ru Land Ei Kr a ir ng 1) Cechen (und Slo⸗ walten)... . » — | 6600,00]? - ee 2 Sorben (d. Laufiz) _ _ 150,00) — — 150,000 3) Polen (u, Kafiuben) | 3,750,000| 2,100,000 | 2,250,000| °— I1o0,000| — a) Ruffen » » » « ]35,000,000 _ — — ie: 3 s) Rufinen. . . 9,600,000| 2,400,000 _ ? — — 6) Bulgarıns vs. _ ? — 12,000,00| — | — 27) Serben. «+ «+ ? 1,800,000| — 12,400,000| — _ 8) Kroaten »» «+ _ 800000) — _ REN Slowencen » » — | 1,000,000| — * BER 275 —— — — j — 7 — — —— — — — — — — Summa— Be RL Die Gefammtzahl aller Slowenen in Europa (und Afien) beträgt dem zu Folge 70 Millionen Seelen. Die meiften flawifchen Dialect = Unterfchiede bietet die dfterrei= Hifhe Monarchie darz denn von den neun Bolfsftämmen, welche oben angeführt wurden, bewohnen fie nichts weni= ger als ſechs, worunter drei, die Gehen, Kroaten und Slowencen, ihr andfchlieglid eigen find. Eine zweite Folgerung ergibt ſich aus der bloßen Anficht diefer Zahlen: daß nämlich, wo es fih um ſlawiſche Sprad: forfhung und Literatur im Allgemeinen. han: delt, Die öfterreichifch = flawifchen Gelehrten vorzugsmweife fhon durch ihre geographifchen VBerhältniffe dazu berufen zu feyn fcheinen. — — — — u u — — 96 v. B i l ve Tr), Von Sofeph Schön. — EPEREEREEE I. Reidenat. D füße Zeit, durchbebt von Wehmuthſchauer Gedenk' ich dein; Den Blik nad) dir , getrübt von fpäter Trauer, Hellt bendfchein. Salis. Die Sonne kündigt einen lieblichen Tag an; der Sep— tember verſpricht, ihre Kraft zum Frommen des Wan— delnden zu mäßigen; und die Verhaäͤltniſſe geſtatten dem Erwachten einen Genuß, den ihm fpätere Jahre verküm— mern, will er nicht bei’ jedem Begegnenden, der ihn kennt, und bei vielen, die ihn nicht kennen, das Kopf: fpütteln der Verwunderung und manches fpize Wort über den Sonderling veranlaffen, den Genuß nämlich, feine Füffe nach Herzenstuft zu gebrauchen, und wenn es ihm eben beifällt, einen Spaziergang von einigen Meilen zu machen. Go rafft er fich denn auf, ergreift ein Buch zur Geſellſchaft, und hüpft ftab = und bündellos über die Zugbrüfen von Joſephſtadt ins Freie, durch viel verfpre- ende Lindenreihen durch offenes Akerfeld, auf Jaſena *) Nämlich zunächſt topographiſche Bilder, wie e fe der Hr. Berfafer bereits in die Monatfehrift des Mufeums vom 3. 1829 lieferte (Böhmens Nordoft und Südweſt; Klofer Sedlec und Neuhof) ; fie Eönnen als Fortfezungen und als ein unabhängiges Ganzes, einzeln betradytet wer- den. (Anmerk. d. Redact.) 97 Wohl von feinen Eſchen, ga an, fo benannt) zu, geräth dann in unerfreulichen Fetten = und verwitterten Mergel: grund, bald hinter Meztic aber an einzelnen Spiegeltei- chen vorüber in fchöne Wiefenflächen mit herrlichem Vieh, neben ſehr ſtattlichen Meterhöfen durch dunkellaubige Neiz hen ſtarkſtammiger Nußbaͤume, nach Opoena oder Opoeno, einem ſchönen Fürſtenſiz und gleichbedeutend im Namen mit dem fürſtlichen Monrepos in Deutſchland. Und nun wird das Bächlein unterhalb Opoeno überſchritten, und mit ihm die Scheidewand der bisher fo anmuthigen Gegend. Warum führt du uns alfo bieder, Freund Schreiber ? — Habeich dir doch Bil der der Wirklichkeit verfprocenn, Freund Leſer! ohne dabei zu bedingen, daß nur die ſchöne Wirklichkeit Boöhmens hervorgelangt wird. Nicht lauter Verklaͤrungen von Raphael, nicht eitel liebliche Gegenden von Claude Lorrain, keunt jene Kunſt, die uns den Titel Bilder“ fir unfer Gefchreibfel lieh. Auch) die niederländifche Schule will ihr Recht haben, und ge— fälle fih in einer rauchigen Stube, wo pauſchwammſige Säfte mie Spizhut und Hapnenfeder, ihre Freude an Schinken, Wurft und vollen Flaſchen haben, indeß ein Hund, ganz Auge und Ohr, in Demuth die freigebige Laune feines Heren erlauert und ein fhleferhaftes Käze hen nad) den noch hängenden Spekſeiten ſchielt. Da’ hinein werde ich dich führen müſſen, wenn es von außen wenig zu bemerken gibt; es wäre denn, du wollteſt nicht immer diefe trofene Oberfläche der Erdrinde, die wir betreten, fondern auch das Gebiet der Gefühle mitunter begrüßen, und wenn auch fonft ganz unbekannt mie deinem fchreibfeligen Gefährten, jene Iheilnahme ihm ſchenken, die ihn gar oft auf gemeinfamen Wegen, oder daheim in wirthlichem Empfang, an Perfonen feffelte, deren er ſich noch izt mit Vergnügen erinnert, ohne ihren Nas men, Vaterland und Berhältniffe zu Eennen, gleich den alten Britten, die erſt nach drei Tagen ihren Gaft um Jahrbücher I. Band. 7 „26 derlei gemeine Dinge fragten; eine löbliche Sitte an ſich, weil ſolche xorzeitige Auskünfte nur zu ſchnell die kalte Scheidewand der Berhältniffe herſtellen und offenen Aus— tauſch gegen offene Fröhlichkeit hemmen; ungeſchikt aber darum, weil die Aufmerkſamkeit auf den Menſchen und die Unachtſamkeit für feine bürgerliche Lage, die Mögliche feit vernichtet, nach Jahren über fo eine freundliche Erz feheinung der Vergangenheit nachzufuagen. ‚Auch ‚hier: bes gegnete mir eine ſolche, auch: hier, im, Nadelwäldchen, wo ich. anf duftendem Moofe, den erſten Ruhepunkt von Joſephſtadt her, in der Vormittagsftunde des kaum be— ginnenden heitern Septembers,. troz wohlgefüllter Taſche, dem Biergeruche der erft um 12. Uhr unausweichlichen Wirthsſtube, vorzog. Weit mehr Süngling: als Manı, fuchte ich gleichwohl noch jüngere Tage im Wiederfehen aufzufrifchen, und fiehe! da fehreitet fchwebenden Schrit— tes, ein noch jugendlicheres. Wefen einher, im Ueber— gange vom. Knaben zum. Jüngling, ſchlank, ‚gefundge- bräunt, mit dem Metallffang einer wohl -lautenden Stim⸗ me. ‚Und ſchnell befreundet wandern fie weiter, nie. vor⸗ her bekannt, nie nachher wieder ſich begegnend. O! wandeln wir ihnen nach, in das Land der Ju— gend, in das man um ſo williger freundliche Rükblike hinwirft, je mehr man ſich von ihm entfernet. Und, wie. auch nicht? Der Zauber, der. damal alles verherrlichte, iſt dahin, und die pielleicht wirklich beſſere Gegenwart kömmt den Täuſchungen jener, vielleicht hie und da un⸗ behaglichen Zeit lange nicht gleich, ſo wie der zarte blaue Anhauch der Pflaume mehr ergözt, als wenn die zermal- menden Zähne bereits den wirklichen Genuß bereiten. Es iſt die Zeit der fchönften Blüthe, nicht blos der körperli— chen, die wohlgefauis ins Auge fällt, auch der mor ali—— ſchen. Jung wird die Unſchuld gemalt, und die Nai— vetät wohnt nicht auf. alternden Lippen, Das Gewiffen bekoömmt erft mit den Jahren feine Schwielen; ein Ge— iv We. 99 wohnheitsſunder wird man mit der Zeit; und ſcheue Seru⸗ pulanten findet man öfter vor 20 als mit 40 Jahren. Sung war Gurtius, der in den gähnenden Abgrund. für das Vaterland ftürzte, meift jung die Helden unter allen Zonen, die für dasfelbe im Ehrenfampf fielen. Befonnes ner, bedächtiger, Fälter, und wenn man will, egoiftifsher, fohreitet in allem jener zu Werke, der fih von diefem Alter merklich entfernet. Wohl pflegt man um diefe Zeit, und zumal izt, die Jugend weidlich zu fhmählen; allein es ift diefes nach dem befannten des Horaz: Laudator temporis aeti, eine wenigftens zweitaufendjährige Mode, ‚gerade ein Beweis für die Vorzüge der Jugend, weil fie ein jeder Greis, allein freilih nur die feine, rühmt und erhebet. Sch, unparteiiſch genug, da ich bereits den Schmählenden näher ftehe als den Getadelten, halte es daher mit dem alten Montaigne, der vor Alters *) als Greis, fehr günftig über die Jugend urtheilte. Kurz, Liebenswürdigkeit in mancher Hinficht ift ihr Eigenthum, und nur fie Die Poefie des Lebens, die alles vere *) Er febte im fechzehnten Sahrbunderte und jagt: (Michael Montaigne’s Gedanken und Meinungen über allerlei Ge: genftände, s. Band, Wien und Prag 1797, bei Franz Haas, Seite 61) „Mid däucht, im Alter find unjere Seelen ans dern Krankheiten und laſtigeren Unvollkommenheiten unter: worfen, als in der Jugend. Wir nennen die Grämlichkeit unſerer Launen, und den Ekel an gegenwärtigen Dingen, Weisheit; im Grunde aber entfagen wir nicht fo wohl den Laſtern, als wechfeln vielmehr damit, und nach meiner Meinung, immer zu fehlimmerem Uebergange. Das Alter zieht noch mehr Runzeln auf unjern Verſtand, als auf un: fere Stirne, und findet man wenige Seelen, und fehr fel- ten, welchen man’ beim hohen Alter nicht das Sauer - und Kahnigtwerden anmerkte.““ — Da nun ein jeder von uns, wenn er dieſes Alter erreicht, oder ſchon darin ift, das Recht bat, fi unter diefe Ausnahmen zu jäblen; fo be leidigt der gute alte Montaigne mit diefer feiner Anſicht, eigentlich niemanden. 7* 100 goldet, alles verklärt, über manche ekelhafte oder bekrubte Wirklichkeit den Schleier ſich ſelbſt tröftender Tauſchung breitet. Und wo fände der arme Sterbliche in ſeinem, meiſt unerfreulichen Seyn, fo manche fröhliche Stunde, fuchte er fie nicht im eigenen Bufen? hätte er nicht aus einer unentweihten Jugend (die wir immer vorausfezen) Er freundliche Erinnerungen, das Fefthalten des Augenbliks, Freude an der Gegenwart, Feine ängftlihe Sorge für die Zukunft, mitunter offenen Erguß des Herzens, und etwas leichten Sinn in böſen Tagen, das Behagen an harmloſen, leicht beſtrittenen, leicht gefundenen Vergnügungen, in die froſtige Zeit der ſpateren Jahre hinüber gerettet?“) und *) Wie lieblich deutet auf dieſe Kunſt und jene Zeit, das 104te Sonett Kollars! (Slawy deera, vd I. Kollara— BD Zurjnd, 1824.) i Tu ſem nẽkdy prwuj til. radoſt, Zaͤtri Tater fpattim zardelau, Tu wſſem winſſuͤm pjfnj wefelau Kazda lauka ucinila zadoſt; Nynj zrawau w jrdei noſjm jaͤdoſt, Wlaftnj jel ſwuͤg lkäti nejmelau. Ab, kdoby mi onu zmizelau Mopt geiite nawratiti mladojt ! Ertce ſamo dawa wecem barwil, Smjdy Fade na riy ftarobe, Ta twar mladi plaͤt a ſſedin larwu; Ono na mäg menj naby leden, Suälj ſtohy zlata chudobe, A ma, kde chce, peklo aneb Eden. Der Sinn, entblößt vom Zauber der Sprache und des Versmaes iſt: Hier fühlt' ich einſt die erſten Freuden im Anblik des Wiederſcheins der erröthenden Tatragebirge, hier ſtillte alle Wünſche jede Wieſe, bei fröhlichen Geſän— gen. Izt trage ich zehrende Sehnſucht im Buſen umher, in Schüchternheit kaum mein eigenes Leid zu beſeufzen wa— gend. Ach! wer vermöchte es, mir jene hingeſchwundene Jugend wieder zurükzuſtellen! Das Herz allein gibt jedem Dinge feine Farbe. Es legt ein Lächeln auf alternde Lip: ven, Thränen und eine Greifenfarve auf vie Wange der a vor allem — den neidlofen unbekümmerten Anblik fremder Herrlichkeit. Erſt wenn man die Schule verlaffen, merkt man, daß man faſt gar nichts ſey, und richtet verglei⸗ chende, begehrliche Blike über und neben ſich, die den Betrachtenden wahrlich nicht glüklich machen. Wie ganz anders mit. 45, 46 Jahren! Wir, waren ſelbſt etwas Wir waren Poeten!“) Wir hatten wohl gelernt, daß es allerlei vornehme Leute, dann höhere und geringere Be⸗ hörden in der Welt gibt, wir wußten auch ihre Size treff- lich herzufagen, und hatten gar nichts gegen die ihnen zuftehenden Vorzüge; allein was weiter? Wir waren, ‚doch ‚auch etwas, laut Zeugniß der Schüler geringerer Klaſſen, die vor uns den Hut zogen, und die Beamten allda tha— ten jedesmal mit freundlihem Lächeln. ein Gleiches, da wir aus angeborner Humanität uns nicht entbrechen konn— ten, ihnen hierin mit gutem Beifpiele voranzugehen. Die Hausmagd endlich nannte uns: Herr Student, und wir fühlten dunkel das befannte: Und die Lebenten haben Recht! und der Jugend gehört: die Belt! ‚Sie gehört vorzugsweife zu jenen, mit der weiten Aus—⸗ fiht auf kommende Jahre, und fchiebt allmählich die älteren von der Bühne diefer Welt, um dann, wenn fie hinab in die Gruft’gefunfen, nach Befund, mas diefe gethan, beizubehalten, abzuändern, fir Necht oder Une recht zu erklären, bis auch fie, umfchwärmt bereits von der Zukunft, d. i. von Kindern am Gängelbande, als JZugend. Es umwandelt, ſchöner als den Mai, den nakten Jänner, häuft Klumpen von Gold bei dem Armen, und bat überall, wo es will, ein Even, oder die Hölle. Der Abgang des Artikels und des Hilfszeitwortes macht, ohne Umſchreibung, jede Ueberſezung ind Deutjche Länger. Dies zur Erklärung, für Nichtböhmen. u) Cigentlich Schüler der Rhetorik und Poetik, ‚in den Sahren 1805 und 1806. 102. einem neuen Nah, verdrängt wird, Bid dahin aber hat es’ gute Zeit! Je Fürzer die Jahre im Amt und bei männlichen Sorgen, wo fie mit der Schritt fir Schritt beflügelten Eile des bergab kollernden Cteines dahin rau— ſchen, deſto länge, wenn man noch nach Vacanzen zählt. Welche unmenfihliche Länge bis zur nächften! Welch ein Zeitraum, wenn man den Fühnen Gedanken faßt: In fünf oder fechs Jahren wird diefes und jenes! Welch ein noch längerer, vier, fünf Jahre rühwärts! Das find fir den Sechzehnjährigen, uralte Greigniffe, für den Vierziger, Ge: ſchichten von geftern. Und doch haften jene weit leben- diger bis in den Fleinften Zügen, felbft noch im Greifen: alter, während die meiften Begebenheiten fpäterer Zeiten in gleichgiltiger Afftäglichkeit verfchwimmen. Sa, eben darum darf ich immerhin hoffen, daß die Breite gegenwärtiger Mittheilung leicht überfehen wird; denn fchon Framt der Lefer felbit im weiten Schubfaf aͤhn⸗ licher Erinnerungen aus dem eigenen Leben, und überhört es bald, wie Leute, die bei langen Erzählungen erſt ein Niken, dann der Schlaf beſchleicht, daß ich vollends jene zwei Jahre im ſteten Roſenlicht erblike, da ſie auf frühere, unbehagliche, zu Königgräz folgten, durch andere unbe— hagliche weiterhin, unangenehm erſezt wurden. — Wir waren nicht blos Poeten, ſondern auch die erſten Poeten des nach einem furchtbaren Brande im Piariſtencollegium und jahrelanger Unterbrechung, eben erſt in etwas herge— ſtellten Gymnaſiums, und unter den erſten Poeten, der unbeneidete Erſte: ich, mit liebender Aufmerkſamkeit ge— pflegt von den guten Vätern der frommen Schulen und im unvergällten Genuß des Horazianiſchen: Quam pulchrum est, digito monstrari, etdicier: Hic est! Sehet, da geht er, der tie lateiniſchen Verfe mahen Fann! Der Hauptfummer folder Zeiten, das unerquik— liche pensum behob ſich daher flinf und leicht, und das, heim ward bei den pflichtgemäßen häufigen Abwefenheiten 105 des verwitweten IT TEEN ver Tiſch das Praͤſidium ge⸗ führt, indeß der Gluͤkliche das Jahr darauf in der Rang— ordnung des Alters, der lezte unter den Lezten ward, die noch größere Sertlichkeit eines Logikers und den Titel „Herr,“ ſogar aus des Profeſſors Munde, nie erlebte, und mit Eeinem noch fo ehrenvollen Tifcehprafidium fpäte- ver Sahre, mit feinem, durch deutfche und lateiniſche Superlative geſchmükten „ae“ fih wieder fo befeligt fand. . So wandeln wir wohlgemuth weiter, der Lefer nt die Leſerin in Träumen und Rükbliken auf die Tage, wo ſie zuerſt einen kleinen Hof um ſich erblikte; wo er das erſte Mal den Säbel erklirren ließ, oder als machtha— bender Praktikant durch Feld und Wald umherſchritt; ich, jeden bekannten Strauch und Baum mit freundlichem Niken begrüßend; der vorgedachte Jüngling endlich in heiterer Mittheilung, immer ſchönere Seiten entwikelnd, Durch Teudwä oder Trnowka, das in Ternowa verwan— delt, in Kroatien, ober Görz, und ſelbſt in Servien, ſei— nen ſlawiſchen Namen als „Dornort“ überall gleich beur— Fundet, und Reſte von Proteffanten enthält, die ſich ſo— gar nach dem furchtbar beendigten Aufitande diefer Ge⸗ genden, im 3. 1628 bis auf Joſeph HI. zu verbergen wuß⸗ ten, durch ſumpfige Stellen und düſtern Nadelwald auf Weka Kothboden neben irgend einem Kreuze, dem Zeugen weiland verübten Mordes, durch das wenig an fprechende Dorf Hroſſta (Birnort) nach Solnic, eines jener Staͤdtchen, die ziemlich zahlreich in der Gegend, außer dem Nange, nicht eben viel ſtädtiſches aufmeifen, durchrauſcht von der eiligen Alba, echt römifcher Na— mens, und erblifen endlich hinter diefer Stadt die Pia- riſtenkirche ſammt Theilen des Schloſſes und des Golle: giums von Reichenau. Immer näher rüken dieſe, und man gewahrt eine weite Seldinfek, will man die überall den Horizont umkrauzenden dürtern Nadelwalder füe 10 dunkle Meeresfluth anſehen, eine Inſel von etwa einer halben Quadrarmeile im Umfang, in, weiteren, Ausdeh⸗ nung vor uns, in geringerer links und rechts, mit gänz⸗ lich verſchloſſenen Fernſichten, als welche von eben nicht bedeutenden, aber hiezu hinlänglichen Höhen: hintange⸗ halten werden. Nur auf dem Pfade hinter dem Piariſten⸗ Collegium, zur Waſſerleitung hin, öffnen ſich zwei Ferne bike, der eine ins Land hinein, auf die vothen Dächer von Opoeno und die in duftiger Dläue verſchwimmende Schneekappe mit einigen ihrer Rieſennachbarn, dann gez gen Südweſt auf die maleriſchen, oft im Abendroth er⸗ glühenden Trümmer der Feſte Pottenſtein. Ein Gebirgsbach ſtrömt zwiſchen und und den er⸗— wähnten, zuerſt ausnehmbaren Theilen von Reichenau. Tief eingewühlt hat er ſich im Laufe von Jahrhunderten; denn er allein ſcheint nach und nach das enge Thal gebil- det zu haben, das zwiſchen hohen Hügelwänden, links. von ums Neifenden, im Walde eine Bleiche, das Dörf- hen Havrowa (gleichſam Weißbuchenau), die baumum— pflanzte Schießftätte der Neichenauer, die herrſchaftlichen Wirthſchafts- und Amtsgebäude nach einamver umschließt, fih nun in eine bloße erweiterte Schlucht verwandelt, au deren fanften Abhängen und in deren Tiefe die zerftveuten Glieder der Stadt liegen, während der Haupitheil an der jenfeitigen Höhe, aber merklich tiefer als die Schloßge: gend ſich ausbreitet. So gelangen wir denn von Lipumfa, dent meiland feine Linden, von denen es wohl den Na: men hat, einen freundlicheren Anblik gewähren mochten als die izigen Navdelwäldchen, hinab an den Bach und ſchnell wieder links aufwärts auf.einen offenen Plaz, den man billig den Schloßplaz nennen möchte, da dieſes ein Hauptbeſtandtheil desfelben iſt. Wir ftellen uns deffen Angefiht gegenüber, und erblifen links eine hohe lange Mauer als Geländer mit dem Herabblik auf die Tiefe, aus der wir heraufgefommen und die darin liegenden 105 Käufer und Gärten”), rechts eine ‚Reihe fteinerner Haͤu⸗ fer, zu, einem tofmerfe, im Ruͤken eine niedrigere, ‚von Holz,,umd, vor und links, das Schloß, rechts die lange Mauer, des Schloßgartens, und zwiſchen beiden den 39 in das rükwarts gelegene Piarijten-Collegium. Das „C Schloß gehört zu „den geſchmakvollſten ‚im Lande, blloet ein regelmaßiges Quadrat, von A4 Fenſtern Länge, ein okwert hoch und, einen Aufſaz darüber von 6 Fen⸗ fein, dann ‚mei Seitenfligel zu, 3 Fenftern ein (etwas niedrigeres) Stokwerk hoc, die ſich in zwei Thürme endigen, ‚von denen der links, zugleich ein Waſſerthurm mit hochgewolbtem Too, den Fahrweg i in das vorbefagte Thal gegen Habrowa zu — fnet. Wir aber ſchreiten unter den Bögen, eines beveften Ganges, der aus dem Schloffe ‚in Die Reitſchule und den erwaͤhnten Garten führt, auf: warts, erbliken zur Rechten den Piariſtengarten, liuks die langen hochummauerten Hofe des Schloſſes, unmittel⸗ bar mit einer majeſtatiſchen Kirche und dem daran ges bauten ‚Sollegium zufammenhängend, ſo, daß der ſtets verſchloſſene Haupteingang in jene Höfe führt, indeß eine Seitenthür von außen her die andächtige Gemeinde einz, läßt. Noch erblift man da die Wappen der ‚Herren - Betengel von Neuendurg, die bis zur Schlacht am weis fen Berge, über Reichenau herrſchten, und. von deren Ahnherrn ein halbes Wunderbuch erzählt, er habe, ein armer Handwerker, am Ausgange des Waldes, der bis zum Collegium reichte, an der Stelle ausgeruht, wo izt eine Dreifaltigkeitsſtatue zu ſehen. Die Broſamen, die von ſeiner offenen Tafel fielen, lokten ein kekes Maͤuslein herbei, das jedoch ſeine Zeche gar reichlich mit einem Goloſtüke, das, es zwiſchen den Zähnen hielt, und wel- ) In der neueften Zeit‘ erhob fich im diefer ‚Gegend ein #3 freifiebendes, recht rain ante: ‚für, Re Trivial⸗ Elaſſen. PR a6 | ches hin After bezahlte, Die Mauſe mögen an aldi! Geldverſchleppen Freude Sisen“ denn auch der Berühmte‘ 1. Balbin fah in einem Garten dies Geſchlecht mit Gold⸗ ſtüken herumlaufen, die man ihm; wie billig, abjagte, indeß man es izt auf ein ſolches Verſchleppen gar nicht ankommen laͤßt, ſondern den Mauſen allwegen durch Selbſtgebrauch, diefe Mühe erfpart. Freund Betengel ließ ſich nun, wie P. Balbin, im triftige Nachforſchun⸗ gen ein, und hob einen Schaz, „der ihm. die Herrſchaft Reichenau erwarb. Ungleich jünger als die Kirche, iſt das piarit en⸗ Collegium, vielekig, aber gut ins Auge fallend, mit ſei⸗ ner ſchmalſten Seite und dem Eingange uns zugekehrt, auf derſelben ein Stokwerk, auf der andern aber ſo hoch, daß man in den Keller Hineinfahren fönnte, in welchem eine andere Seltenheit, ein tiefer Brunnen fich befindet, zu dem man ans dem Innern des Gebäudes durch die Kellerthüre hinabgelangt. Seitwarts ſteht ein niedtiger Thurm, aber mit einer Gloke, die unter die größeren Böhmens gehört, und wenn wir ihn im Rüken laſſen, ſo gelangen wir ins offene Feld, mit der Ausſicht und einem Fahrwege Hinabwärts ins fogenannte alte Schloß oder die vorbefagten Amtsgebände im Ihale. Wenden wir und daher rükwärts, und wenn wir das itberaus reinliche heitere Innere des Collegiums und feine Biblio⸗ thek beſehen, ſo können wir durch einen Gang aus der. Kirche unmittelbar das Schloß betreten. Der Theil, der von dort aus geſperrt wird, iſt zugleich eine lange Bil⸗ dergallerie, in welcher und im näͤchſtanſtoſſenden immer die erlauchten Ahnen des hochgraͤflichen Haufes Kolowrat überhaupt, und insbeſondere des hier gebietenden Zwei— ges Liebſteinsky in den intereſſanteſten, vielfältigſten Ge— ſtalten, was Schnitt und Farbe der Kleider betrifft, für einen dergleichen gern fizzivenden Walter Seott, was den Ausdruk des Gefihts anfang; für den Phyſtognomiker, tn ee — 107 den Vaterlandsfreund, den Hiftoriker, der hier vieleicht manchen jener berühmten’ Namen finden dürfte, die unter dem Titel „Die Kolowrate* in einem Auffaze der Unterz baltungsblätter des J. 1828 erfiheinen. Aus den hundert Gemächern des Schloffes gelangen wir endlich ins Freie, um eben fo viel in hundert einzel: nen Bürgerhäufern zu finden. Wie? ein Haus, ein Zim⸗—⸗ mer? — Und warum niht? Baut man doch für fein Bes dürfniß, und nicht für die Schauluft anderer, und in Städten, die weder Militär, noch Faiferliche Beamten, aufzunehmen beftimme find, hat man deffen nicht mehr nöthig. Wohl gibt es Haufer genug, die mehrere und gute Gemächer aufzumweifen haben; wohl nehmen die fteis nernen, weiland: rari nantes in gurgite vasto, hier, wie überall, fichtbar zu; allein die Hauptmaffe ift doch von der befagten Art, und in ein folches wollen wir uns ver— fügen. Wir erblifen von außen ein oder zwei Fenfter, oft and) vergittert, denen man es wohl anfieht, daß nie= mand dahinter Haufet; denn das find ofenlofe Kammern, für allerlei Bedürfniß. Wir treten in ein reinliched Vor— hans mit tennenmäßig geftampftem Lehmboden, wohl auch mit Steinplatten. belegt, dann in ein großes, weites, fichtes Zimmer mit der Ausficht in den Hof. Dahin hat der Hausherr zu bliken, nicht auf den entvölferten Plaz, den nur Sonntags die elegante Welt ziert, da jeder Bür— ger, in doppelter Eigenſchaft, als Handwerker und Lande mann, daheim und im Felde, die Woche hindurch nur zu ſehr befpäftige it. Im Hofe aber überfieht er feine Stal— lungen für den gehörnten und ungehörnten Viehſtand, den Fleiß der melfenden Magd, de3 an der Häferlinglade befchäftigten Knechtes, die Holzuorräthe und die Hoffnun- gen im Garten für den Fommenden Herbſt. Es wird Mit- tag und das Gefinde tritt ein, um fid) um einen Tiſch mit einem ungemeffenen Suppennapf und thurmhohen Lagen von Kuchen zu lagert, die jedoch hinſichtlich des Mehls 199 und des darauf beſindlichen Obſtmußes, auch ung beſſer munden würden, als die magern Haferkuchen im Edel⸗ hauſe des Herrn Milnwood *). — Weniger herablaſſend als dieſer, theilt der Hausherr nicht denſelben Tiſch, ſon⸗ dern ſizt in einer andern Eke bei boͤhmiſcher Kernkoſt, fern von Milnwoods ſchwimmenden Hammelrippen, wobei je⸗ doch, mit Homer zu reden, geflügelte Werte, herüber und hinüber fhwärmen, Abends dasſelbe, bei doppelter Leuchte, worauf ſich jene auf dem Boden und in den ver⸗ ſchiedenen Kammern vertheilen, indeß der Gaſt, wenn ‚einer da iſt, im ein beſonderes Dachſtübchen, oder in be⸗ ſondere Abtheilungen desfelben 3 Zimmers mit leichter Bret⸗ terwand geſchieden (kancelakicek), geleitet wird, und der Hausherr mit den Seinen ein Himmelbett (mo. ſich derglei⸗ hen Antiquitäten noch finden), oder ein hochgethürmtes offenes Federnlager. befteigt. Und iſt das alles nicht wohnlicher als die rauchfangs⸗ loſen Häufer Schottlands, wie ich aus der Erdkunde, oder Kraind, wie ich aus Selbſtanſicht entnommen, beide von Stein und von außen genug gut ins Auge fallend, ſonſt aber dem beſagten Holzgebäude weit nachitehend. Selbſt manches ſchöne Bürgerhaus des fehönen Italiens muß ihm in Bequemlichkeit weichen. Es ift von Stein, weil Italien durchaus holzarm ift; es ift ein Stokwerk hoc), weil das Clima unfer hohes Dach mit feinen. vielen Bodenfammern überflüßig macht; es wird aber daſelbſt gleichfalls jenes verwahrt, was wir im weiten Bauche des Daches bergen, altes Gerülle ſowohl als Fruchtvorräthe. Allein eben darum ſieht es da ſo wüſt aus, wie kaum in mancher Bodenkammer, und ſtatt durch das Vorhaus, wie durch eine Art Antichambre einzutreten, fällt man im ſtrengen Wortverſtande, mit der Thüre ins Haus. Dieſe *) Siehe das treue Bild eines ihottifgen Haushalts beſerer Art, in Walter Scotts Schwärmern, oder: Old Mortality. 409 öffnet ſich nämlich, und man ſtehet mitten in’ der Küche, der Wohnſtube und dem Paradezimmer. Als erfteres gilt der fpannenhohe Herd mit feinem weiten Hut oder Schirm⸗ dach und den ihn umgebenden hohen Sirohſeſſeln, von wo man die erfälfeten Füſſe dem Feuer entgegen ftreft; das zweite if diefer Naum von ‚früh bis Abend, denn nur in fpäter Nacht verfügt man ſich auf feitermäßiger Stiege in die ofenlofen Stuben, um auf klafterbreiten Matrazen zu ruhen; und das dritte ſcheinen die langen und doppel- ten Reihen von blanf geſcheuertem Kupfer, Zinn und Meſſing, in allen Geſtalten, die Wand entlang, vorzu⸗ ſtellen. Alle dieſe Wirthſchaften i im Küken, fhreiten wir nun vom Schloßplaze dur) die Herrngaffe, welche diefen über= müthigen Namen in Hinfiht auf mandes beffere Haus angenommen haben mag, gerade auf den Hauptplaz, ein ungepflaftertes Vierek hölzerner Hauſer zu einem Stok— werk, mit Lauben rund umher, gebildet von hölzernen Säulen, welche das Oberſtübchen tragen. Die Verbin: dung zwifchen den vier Laubengängen ftellen Stufen her, zum Ueberhüpfen unentbehrlich, da zwei Gaffenöffnungen des Viereks tiefe Hohlwege find, der eine fogar von einem Thore überfpannt, in welcher Efe auch die Fleine Stadt: firche mit dem ehemaligen Kirchhofe im Schatten eines herrlichen Baumfchlags fteht, worauf nach allen Richtun— gen eine gute Zahl Häufer *) diefes ftarf bevölkerten, zu— *) Der Anblif des einen gemahnt mich betrübend an die alte Wahrheit: Niemand legt. die Gewißheit ald Grundftein, wenn er ein Haus baut, daß aud) ‚feine Enkel darin woh- nen werden; und jener , der es beiizen jolte, als ebemali- ger Nachbar, an jene Verſe, die Roufieau in feiner neuen Heloiſe anführt: L Congiunt eran D alberghi, Ma piü congiunt i cuori ;_ Conforme era T’ etade, Ma I pensiet, piü Be, 410 eh mal im Tuchmachen gewerbfleifigen, Iebensfroben und immer mehr in Aufnahme kommenden Ortes liegen. Smmer fhöner wird es hier. | Häufer fon yon Stein erbaut, Bunt, doch mit Geſchmak bemalt, Bäume hoch gen Himmel firebend, Schattengänge hie und da, Gelbft der Kirhhof*), ah! fo freundfich, Freundlich grünend umd beblumt. Aber dieſer Raſen deket Viele, die mir lieb und theuer, Und dies Haus, ſo ſtolz umbaut, Meiner Jugend frohe Spiele, und die Pappel, hoch und ſchlank, Kannt' ich als ein Meines Stämmen. Alles, alles ift hier anders, Fremd und unbekannt der Mandrer, (Enfel jener, die mic) liebten, Spielen froh wie ich umher). Sene Zeit ein alted Damal, md nur ich ein Geift, ein Schatten, Der aus ihr rüffehrend wandelt. Bin denn ih ein Greis geworden? ein Nahruf in weile Ferne, ihm, dem izigen Nachbarn der Osmanlis: Nah’ waren unfre Wohnungen, Noch näher unfre Herzen fi; An Alter faſt ihm gleich war id), Noch gleiher in Gefinnungen. *) Außer der Stadt, bei’dem Kirchlein Chrifti Verklärung, wo einft ein heldenminhiger Vater mit thränenlofem Schmerz den Sarg der Tochter und des Enfelhens eigenhändig hinab- fenkte, und .nun ein waferer Ehrenmann, auch daneben ruht. u © | | | F j IN? Mei, kein Greis bin ich geworden 1 © Doch, was lebet, ſchwindet ſchnel/ Ku uni Rd wer etwas ſich verfpätet 1, Dier sum Mann Hevangereifet, Eieht verrauſchend und verfchmunten. ‚ ‚Die da älter „ die ihmgleidh,. Hd J „Ja, die jünger noch als er. nd die Erde, immer ‚grün „8 „Immer ‚neu, belebt und blühend, - Smmer vorwärts, jugendlich, Nur die Gegenwart beadhtend, } J Mahnt Nicht Seufzer rükwärts mehr, — Ad, nicht Thränen mehr geſeendet! nn Lebe lebe, eh' auch dich, 19 1, Der, gefräßigem Zeit ein Opfer, an Rajens Grün, umwallet. a, dc 3% ultd, fit. 97 Darum —44 vollends Bine 4 am anfa Sir j mit, ‚einigen . verfchönernden Pinſelſtrichen zu vollenden. Hinaus, hiuaus in den grünen Wald, wo der Amſel, der Finken Lied erſchallt wig es. in einem altengliſchen Liede heißt, den Weg zur Waſſerleitung hinter dem Piariſten⸗ Gollegium hinab, zum Brünnchen, das ſich aus einer einſamen Waldquelle in ein Bad mit Tanz und Wein verwandelte, hinab zur Bleiche und noch tiefer hinein, bis zur Kazenbütg (kocicj Head), . einem Felfen, mit Moos, und Fichten gekrönt, und einer immer, mehr verſchwinden⸗ den Inſchrift, welche ihn der Freundin des Beſizers, So⸗ phie Goltſch, weihet. Mühſam entdekte ich fie weiland von Moos Halb überzogen. Vielleicht iſt fie nicht mehr ſichtbar, und mag ein Glied der ausgeſtorbenen Familie, von der Goltſch⸗Jenikau auf der Caſlauer Straße den Na— men führt, meinen; ſicher aber noch ruht das abgerolite Selsftüf mitten im ſchaumenden Bache am Fuße der Ka- senburg,, ‚ei, ‚bequemer Siz für Liebhaber einer tomantis 113 fhen Umgebung *). — Noch einmal will ih hinüberhü- pfen, noch einmal mich" da niederlaſſen, wie damal, ein einfames nachdenfliches Werfen, das fih gern Träumereien hingab, aber nicht um den Lefer, wären ſie auch nod) fo melancholifch = Irebfich",; damit anzuſteken, fondern, um wie einft einem lächelnden hochaufhorchenden Gefährten zu erzählen, beide umfloffen von den Roſenwolken der Kindlichkeit, eine Morgengluth jugendlicher Tage, die nur zu bald im Wirbelwind nnd Stuͤrmen untergeht. Aber feine Mährchen wie damal, will ich erzäßfen, fondern Eurze Wanderungen im der Umgegend 'andeuten, Die zur Vollſtändigkeit des Ganzen’ gehören dürften Nicht uneben iſt der Weg nach Joſephſtadt über Do. bruffka bis im diefe Stade, auf jeden Fall fchöner als der nach Dpocno, vollends anmuthig im Thale bei ©falfa, das aber izt die ſeitdem entſtandene Kunſtſtraße nicht be— rührt. Eine hohe wehende Pappelnreihe führt in das nahe . Cernikowic mit lieblichen Anlagen und’ Bequemlichkeiten, die ſchon lange im Hierſeyn der hohen Beffzer, dem prãch⸗ tigeren, faſt immer leeren Schloſſe zu Reichenau: vorgezo⸗ gen werden. Sehe anſprechend eimpfänge den Spazierenden *) Zitternd beglänzte der. Strom’ die felfigen Trümmer; ein Baum hing Ueber tem Strom; der gaügphgne Shild des Sohnes von ” Eiatho ; Shiegelte dort fih am Fichte des Mondes. — — — Immer vorüber: ihr! düfteren Sahrel — — — — — — Schon find fie zur Ruhe gegangen‘ Viele Söhne des Lieds. Nur Oſſian ſingt noch, ein Windſtoß, Welcher am einſamen Selfen , immitten des Meeres er- ſchallet, Wenn ſich kein Wirbel mehr. regt. Dort ſauſet der finſtere Mooswuchs Und der entfernte erbliket die wallenden Wipfel. SI WHffran) nd Denis. 115 eine wüſte Wald = Gapelfe *) feitwärts Lipuwka, umd der Gang in den nahen Fafangarten Dubno, geztert mit verfereichen Denfmalen an edle Freunde, oder glänzende Genies am Horizont der Fiterarifchen Welt. Ganz ent: blößt von irgend einer Augenluſt durd) teten Waldgrund und Sandebenen, iſt der vier Meilen fange Weg nad) Königgräz, fehr artig aber der von Portenftein, dahin an der erlenreichen Adler, durch ſchöne Wiefenflur, durch das hübfeh gebaute Koftelec, Caftalowic, neben dem unabe ſehbaren ITpiergarten von Tiniffe, über Hohenbruf oder Trebechowic, izt dem Baterlande zahlreicher Studieren— den, ehedem der Drediten. Um aber nad Pottenftein zu gelanzen, follte jeder Freund verfallender Größe, den Eleinen Umweg über Litic nehmen. Unmillführlich, und berzlicher als je, wieder: holt der Wanderer aus tiefer Bruft, Eberts wunderfchö- nen Gruß”): Ihr Berge, ftolje Berae, du ſchwarze Wäldernacht, Ihr golderfüllten Ströme, ihr Au'n in grüner Pracht, Ihr ſanftgewölbten Hügel im blumigen Gewand, | Du Erte beil’ger Etätte, tu Grab fo vieler. Kraft, Ihr Trümmer alter Baue, in Schutt dahin gerafft, Ihr Reſte hohen Geiftes, der jedes Herz entbrannt, Sn trauersollem Sinven habt ihr mich feftgebannt. ***) Den Stein am Boden küß' ih, drauf einft mein Ahn gewallt, Und in Ruinen wein’ ih, d’rin öd mein Wort verhallt, Und drin in nächt'ger Etunte, bei rauber Winde Wehn Gefrönte bleibe Schatten durch morſche Hallen gehn. Des großen Königs Georg von Podiebrad Schatten umweht bier deu Einfamen ; hier barg er Krone und *) Eins ter vom 9. 1780 bis 1790 ——— —4 **) Eingang ter Wlaita. #*#) Verzeibung dem eingefliften, beim Anblik von Litie, ge⸗ rechtfertigten Verslein. Jahrbücher I. Band. 8 w Zu r — — — — — 414 Schäze vor dem undanfbaren Matthias; bier finden fi) noch ſchwache Spuren eines Ehrendenkmals jener Zeit, bie Bienenberg mit befanntem Fleiße befchrieben und abge zeichnet, und worauf der Freund der Gefchichte verwiefen werden muß, da wir. es blos mit Umz und Ausfichten zu thun haben. Die nad) und um Litic bieten insbefondere alles das, was oben des Dichters Worte über Böhmen überhaupt fo ſchön ausgedrüft. Man ſchweift über blu— mige Hügel, mit deren Ertrag ein botaniſirender Freund Hut und Rok behing; durch Ihäler von Bächlein durch⸗ rieſelt, an denen ein anderer in die Elangreichen Saiten griff; durch dunkle Waldesnacht *), wo faftiger Sauerklee den Wandelnden behagte; an einen ſchroffen Felſengrund, in deſſen Tiefe durch hindernde Felsblöfe, in luſtigem Gefprudel die hier noch kleine Adler Corlice, das Weib⸗ chen des Adlers) dahin hüpft, unſchuldig wie eine harm— loſe Waldnymphe, tükiſch, und manches Opfer bei König: gräz verfihlingend, fobald fie ſich Städten nähert; ihr nach endlich im ftolze hohe Berge, Die ſich immer mehr verengen, bis fie einen echten heimlichen Verſtek erſchlie⸗ ßen, ein kleines Thal nämlich, in deſſen Umfang ſich der "Berg erhebt, der die Veſte Litic trägt, von noch etwas höheren überragt ; und daher nirgends, ald von der Schlucht aus fihtbar, durch die man vorgedrungen, und da erft in geringer Entfernung. Diefe Lage, der den Berg umarmende Waldftrom, in nod fihtbaren Stollen in den Felfen hinein, wie man meint, von Gchleußen und Ganälen, zu Gunften der etwa Belagerten **) bes *) Die Dörfer Sahotow, Erdbeerentorf, Jawornic, Ahornau, das obgenannte Habrowa, Dubno und Lipuwka, Hagebu— chen-, Eichen- und Lindendorf, bezeichnen den Charakter der ehemaligen, izt mehr mit Nadel- als Laubholz be— ſchatteten Gegend. *) Es geſchah dies wirklich im J. 1460, und zwar mit nichts weniger als 15,000 Mann, mit denen Matthias Eor.i- 115 herrſcht, machten die Veſte weiland wenig bekannt und unbezwingbar. Auch ich fab dich Balclutha, Dody war dein Gemäuer entftellt, Es hatte das prajjelnde Feuer Dur deine Gewölbe geherrſcht. Der ftummen entvölferten Wüſte, Nicht Burg mehr, glichſt du Balclutha, Dom Schutte jerfallener Feften War jelber der Clutha verdrängt; Dort nikte das Diftelhaupt einfam Und fauste der Mooswuchs im Winde, Aus Fenftern blikten. die Füchſe, Dom Grafe ter Mauer umwallt. So wir mit Dffian! zwiſchen den noch ziemlich er- baltenen Trümmern, am Fuße einer hoben Burgmarte, mit dem Anblik hinab auf mehrere zerftreute Hütten und Gaͤrtchen, deren Bewohner auf fehwanfenden Stegen berüber und hinüber fchweben und den fchäumenden Strom allmählich an Flöße gewöhnen, bis er theils diefe, theils zerftreute Holzicheite, gezähmt und immer fanfter, gen Königgeäz trägt. Ein malerifher Weg aufwärts über den Gebirgsfamm, der diefen romantifchen Keffel ums ſchließt, führt nach Pottenftein, ein Städtchen mit einem Schloſſe, wo noch die Abbildung der erſt feit Leopold I. eingegangenen, gewaltigen Veſte Pottenftein zu finden, Schon Karl IV., noch Markgraf von Mähren, belagerte fie als ein Naubneft mit 4 Heerhaufen, gefandt von den nus, König von Ungarn, König George Schwiegerfohn’ nad) dem Beſiz von Litic und den daſelbſt gedorgenen Schä— zen ftrebte. Er verbeerte die Gegend bis zur Hungers: - noth, erzielte aber doch nichts als einen ſchimpflichen Abzug. 8* 446 Herren Cenẽk von Lipa, Wenzel von Wartenberg, Saro: flaw von Sternberg, unter der Anführung Bertholds von Lipa und Johanns von Tribau. Niklas, der Burgherr, ftürgte mit einem durch Manerbrecher erfchütterten Thurme herab; viele retteten fich durch unterirdifche Gänge; große Schäze, Kriegsvorräthe und Kaufmannswaaren fielen in die Hände der Sieger; die Veſte endlich ward zwar zer— ftört, aber nad) der Hand wieder aufgebaut, und foll vor der eben bezeichneten Epoche den Tempelherrn gehört has ben, wie denn eine dafelbft an der Efe des Hanptgebäudes befindliche lateiniſche Inſchrift, Der Gegenſtand vielfälti⸗ ger Unterſuchungen der Gelehrten neueſter Zeit, als Ham—⸗ mer, Millauer u. ſ. w. geworden. In der Nachbarſchaft endlich, zu Zampach, erfolgte jenes berühmte Ereigniß, daß derſelbe Karl IV. im J. 1356 dem dafelbft gefanges nen, ehedem von Diefem Fürften feiner Tapferkeit wegen, nit einer goldenen Kette beebrten Raubritter Pancyt, oder. nach andern den fechzigjährigen Johann von Smeyna, mit eigener Hand den Strik umhing und abführen ließ, mit den Worten: Nicht immer werden goldene Halszierden vertheilt. | Die Adler oder Erliz (nach dem böhmiſchen Drlice) Hat ſich indeß aus ihrem Verſtek bei Litic hervorgeſchli⸗ chen, und bildet nun ein längliches, landeinwärts in die volleſte Ebene verſchwindendes Thal, das ftromaufwärts, ans irgend einem verfallenen Burgerker gefehen, fich ſehr lieblich ausnimmt. Leb' wohl Reichenau, Pottenſtein und Litie! Wir gewahren bei Daudleb, auf dem Wege nach Königgräz, eine Höhe. Wir fteigen hinan, noch ein Blik rükwärts ”), hinabwärts! — und wir ziehen nad Mähren, um feiner — — — — Man ſieht von da die zwei erſtgenannten Orte mit dem geihärften Auge des Wiedererkennens nad) einiger Abwe— 4117 Zeit vielleicht wieder (denn in wirklichen Reifen, wie in deren -Befchreibung waltet das Schikſal) nach Böhmen zurükzukehren. Einer jener Blike gehört, weithin bis Gofnic fliegend, einem eben ſo traulich verborgenen Thale, wie das, wel— ches wir ſo eben zu Litic verlaſſen, in die Eiſenwerke hin— ter Quasnai bei Solnic, deren eins izt Roſahütte nach der erlauchten Gebieterin, ehedem (1814) nach der Mit— beſizerin Joſephinenthal genannt“), im geſegneten Fami— lienkreiſe von 44 Kindern, deren die älteſten den Degen, die jüngften die Bibel trugen, nachftehende Gedanken er— zielte, mit denen am abermaligen Schluße eines Sahres (1829) die Fernficht in jene Gegenden, in die Vergan— genheit, im die nächit verfloffenen 12 Monate, die jedem Lofer am 34. December fich von feldft aufdringt , ſchließen mag: D Thal! von der ſprudelnden Alba durchrauſcht, Wo Ruhe und Friede im Hinterhalt laufcht, Wohl berget uns Fremdlinge traulich dein Schooß Und machet der trübenden Sorgen uns los, ſenheit, fogar im magifshen Lichte des Mondes, wie das erſte- und leztemal, wo ich auf diefer Höhe (1808) ftand; Luna fere tremulum praebebat lumen eunti, Ut comes in nostras ofliciosa vias. Der Mond lieh, fagt Dvid, fo eben feine zitternde Leuchte, dem Wantelnten, ein aufmerfjamer Geführte meines Pfades. *) Ein Thal, eng und lang, von hohen ſteilen waldumgürte— ten Felſen eingeſchloſen, an deren einem ein hübſches Ge— bäude, etwa 10 Fenſter lang , ein Stofwerf hoch, ange» lehnt ift, mit einem ftattlihen Garten und Glashaus, dann einem Hochofen, Hammerwerk und einigen Hütten, vor tem J. 1806 noch eine Wildniß, in der erft Feljen geſprengt, Sümpfe getrofnet und das Ganze wohnbar ge: mat werden mußte, 418 Im Lanthaus, wo Frohfinn mit Güte gepaart, Als Wirthe ung wohl zu empfangen, nichts fpart, Beſchließen wir ernft und gemüthlic das Sahr, ind denfen, was werde, was ift, und weg war? 9. Thal, du dem Leben entjpredhentes Bild! Wohl lächelt im warmen Gemach' uns jo mild Bei frohen Gejängen, bei'm Scherz und bei'm Spiel, Der zaubrifben Gegenwart Wonnegefühl; Doch außen tobt herriſch des Sturmes Gebraus. Die Bäume, die ftarren, fehneeflofigt und kraus, Ungerne verweilt da ver flatternde Blik, Ruft lebhaft Vergangenheit! uns dich zurük. Gen Himmel anſtrebender Felſen Verhau Verſchließet die Ausſicht zur ferneren Au, Wie unſere Zukunft. Der Himmel allein Soil unferer Wünſche und Blike Ziel ſeyn. Laß toben der trüben Vergangenheit Wuth! Der Zukunft Unfenntniß, fie frählet den Muth. Auf! auf zu der Gegenwart Freudengenuß ! Es Fröne der Himmel des Lebens Beihlug! 119 vr | Sohann Dismas Zelenka, % böhmiſcher TZonfünftler. Eu 5 EL 20% 2 25 X 2 Herr Friedrich Nochliz, deſſen Verdienſte um die mu— ſkaliſche Kritik in Deutſchland eben fo hoch geſchäzt, als allgemein bekannt find, bat im zmeiten Bande feines MWerfes „Für Freunde der Ionfunft‘* (Leipzig, 1825) zu dem Auffaze „Vom zwekmäßigen Gebrauch der Mittel in der Tonfunft“ ©. 178 — 482 eine ausführlide Anmer— fung hinzugefügt, welche für die Gefchichte unferer vater- ländifhen Kunft zu wichtig und intereffant it, als daß wir Anftand nehmen follten, fie, unfern Lefern hier ganz und wörtlich mitzutheilen: „Anftatt meinen Fehler, bier über Verhaltniß um⸗ ſtändlich geweſen zu ſeyn, zu entſchuldigen, will ich ihn, vertrauend der Nachſicht der Leſer zu Gunſten einiger we— nigen aus ihnen, wenigſtens in einer Note ſogar ver— mehren, indem ich hier noch einen Mann nenne, der voll- kommen ebenbürtig in jenen würdigen Kreis gehört”), und der doch fo unbefannt geblieben ift, daß Faum Einer oder der Andere meiner Lefer, auch der unterrichteten, nur feinen Namen gehört haben mag. «(Gerber hat dieſen Namen, aber nur einige Zeilen über ihn.) I o— bannes Dismas Zelenfa if diefer Mann. Er war ein Zeitgenoffe des Sebaftian Bad, nur etwa dehn bis zwölf Jahre jünger, von Geburt ein Böhme, *) Nämlich derjeniger Tonfünftler, welche fih in der Dar— ftellung tes Großen und Erhabenen in der Mufit ausge: zeichnet haben, als welche vom Verf. zunächft Mozart und Beethoven in der neuern Zeit, im ver alteren aber Seba— ftian Bad, Karl Philipp Emmanuel Bad, Francesco Feo, Scarlatti u. n. a. genannt und gewürd ge wurden. 420 aber fchon früh nad Dresden ausgewandert und dafeldft in der Gapelle des Kurfürften Auguft, nachher erften ſäch— fiihen Königs der Polen, als Violiniſt angeftellt. Hier zeigten fich bald feine bewundernswürdigen Naturgaben und feine unwiderſtehliche Neigung für Kirchencompoſi— tion in der grandiofen Weiſe und der gelehrten Vollſtim— migfeit, wie fie damals in Deutfchland herrſchte. Zelenka wurde dem Könige bekannt. Auguſt J., bekanntlich), liebte die Künfte, vorzüglich die Bau- und Tonfunft, und une terftügte fie DIS zur Verſchwendung; auch Jag ihm, dem Gonvertiten, gar fehr daran, dem Gottespdienfte in feiner neuen Hoffirche fo viel Seierlichkeit und Glanz zu geben, als möglich. Go nahm“ er fich Zelenfa’s an, zumal da dDiefer ein, in feinem Glauben eifrig frommer, übrigens ſtiller, demüthig ergebener Jüngling war; und fandte ihn, zu höherer Ausbildung, Dem grumdgelehrten und damals hochberühmten Sur, erſtem faiferlichen Gapellmeifter in Wien, zu, und, nachdem Ddiefer erklärt hatte, nun wiffe er ihn nichts mehr zu lehren, nun müffe er Vieles und Verfipiedenartiges hören, auf-drei oder vier Jahre nad) Stalten, wo damals noch die Tonkunſt auf der höchſten Stufe, die fie dort jemals erreicht hat, ſich erhielt.“ „Empfohlen durch einen Fürften, der in ganz Europa viel von fich reden machte, in hohem Anfehen fand, und befonders in Stalten ungemein gefeiert ward, fand Zelenka überall Eingang, und benuzte alle große Meiiter dieſes Landes: fol fi) aber ganz vorzüglich an Francesco Feo in Neapel gefenloffen Haben; was auch bei der Verwandt: ſchaft ‚beider Geifter leicht zu glauben ift und aus dem Styl Zelenka's in fpätern Werken fich zu beftätigen feheint. Jezt rief ihn fein Eöniglicher Gönner und Wohlthäter zus rük, und ernannte ihn zu feinem erften Kirchencomponi— ſten; in welchem Amte, und für welches ausſchließlich, er denn auch bis an fein Ende (1745) treulichſt gelebt und gewirkt hat.“ „Aus jenem feinem Berhältniffe ift nun die nähere Befchaffenneit feiner Werke; aus diefem, daß er umd fie für die übrige Welt wie nicht vorhanden, zu erklären.‘ „Anlangend feine Werke, fo zeugen fie von einem Tief⸗ ſinn, von einer Kenntniß gelehrter Harmonie und einer Geübtheit in deren Handhabung, die ihm ſeinen Stuhl nabe an den Vater Sebafttans rüken: aber er verwendete dieſe Vorzüge zurüfpaltender und räthlicher; bog nicht fo hartnäfig jedem aus, was gut, aber and andern Zeitges 421 noffen gemein war; zeigte fich dagegen erfinderifcher und forgfamer für, an ſich ſchon ausdrufsvolle, anſprechende Melodieen und für Faplichfeit in deren Ausarbeitung. So blieb er an Adel, an Großartigkeit und auch an Fröm— migfeit des Sinnes und Geſchmaks, wie des Styls und der Darftellungsweife, unter den Herriichiten, die, eben in diefer bier befprochenen Gattung, nur jemals die mus fEalifche Welt gefehen hat. Was fodanı feine Verbor— genheit betrifft, fo hatte fi Damals noch, wenigftens in Italien und Deutſchland, die Sitte erhalten, daß die Meiſter nicht, was fie Vorzügliches hervorgebracht, kos— mopolitifch, Jedermann, ſondern, patriotifih, allein dem Fürſten oder dem Inſtitute (der Kirche, dem Klofter ꝛc.) darboten, dem fie fich, oder Doch diefes ihr Werk, ge— weihet hatten; und diefe Fürften, diefe Inſtitute, ihrerz feits hielten folhe Werke, als ihr alleiniges Eigenthum, boch, braten fie an Ort und Gtelle von Zeik zu Zeit immer wieder zu Gehör, und waren, bei dem Allervorz züglichften, wohl gar ſtolz auf fie und ihre Verfaſſer: Zelenfa aber, der anfpruchlofe, lebenslang dankbare Mann, ging in dieſer Verpflichtung gegen feinen König fogar fo weit, daß er von feinen Werfen nicht einmal eine Abfchrift für fi) ſelbſt zu behalten fich erfaubte; weßhalb denn auch jene von feiner eigenen Hand in der überaus reichen köſtli— chen Mufifaliene Sammlung der Föniglich = fächfifchen ka— tholifchen Hoffirche vorgefunden werden, „Dort ruhen fie nun, zahlreich aufgefchichtet im wohlsefeftigten Schranke, der des Meifters Namen trägt; und feit, unter dem thronfolgenden Auguft, mit Halle und zunächſt durch ihn, eine ganz andere Gattung und ein ganz anderer Styl beliebt und herrſchend wurden, tft wohl nie auch nur Ein Accord Zelenka's dafelbit, und fhwerlih) auch anderswo, erflungen. Nur durch beſon— dere, ſchwer zu erlangende VBergünftigung boher Behör— den tft e3 vor Jahren mir gelungen, auf Stunden mic) mit einigen dieſer Werke, wie fie aus dem Convolut eben der Zufall herausgriff, zu befihäftigen. Darunter war 3» B. eine große Missa für fünf Gingchorftimmen (zwei Bäſſe) und ein veichgearbeitetes Orcheſter, das Gloria aus D dur, das Credo aus A moll (aus der Erinnerung kann ich das Werk nicht näher bezeichnen), von einer Bortrefflichkeit, und vorzüglich das Credo mit feinen Folgefäzen von einer Größe und wahrhaft heiliger Würde, dabei yon (nach Verhältniß) einer Faßlichkeit 122 und Klarheit, daß ich mir gar nicht anders denken kann, als würdig umd vollkräftig ausgeführt müſſe dadurch ein Jeder, der ſich nur ſammeln, zuſammenhalten und hin— geben will, ergriffen, erfehütttert und dahin nachgezogen werden, wohin fich der Geijt des treflichen Meiſters aufs gefajwungen hatte,“ „Jezt, mein Lefer, bitte ich für diefe unverhältniße mäßige Ausführlichkeit dich um Nachftcht, nicht um mei— netz, fondern um der Gerechtigkeit willen gegen den großen, verdienten und vergeffenen Mann. Was ich übri— gens von feinen Kebensumjtänden beigebracht, babe ich ‚don Bater Hiller erfragt, der bei feinem mehrjährigen Aufenhalte im Haufe des ehemaligen Minifters Brühl, noch vertraute Freunde des früher verftorbenen Zelenfa fennen gelernt hatte. Ne’, iſt überzeugt, daß diefe Worte des mit Necht hochgeachteten Kunftennerg mehr ald zureichend find, um unfern edlen Verein der Kunftfreunde für Kirchenmuſik zu veranlaflen, dahin zu wirfen, daß dem großen vers geffenen Künſtler, der eigentlich unjerm Vaterlande ans gehört und. einen. Glanzpunkt in deflen Kunftgefhichte bilden follte, fein Recht bei der Nachwelt. widerfahre, daß man ihn felbit in den großartigen Gebilden feiner frommbegeifterten Mufe hören und bewundern könne. Da— ber begnüge ich mich, zu größerer DBervollitändigung dies fer Notizen, noch aus Dlabac’s böhm. Künſtlerlexikon anzuführen, daß Zelenfa, aus Launowic in Böhmen ges bürtig, im J. 1717 bei Fur in Wien den Gontrapumet ſtudirte, daß feine Chöre und Fugen allgemein ale Meise fterfiüfe galten, daß er der großen bei der Krönung K. Karls VI im 5. 41725 in Prag aufgeführten Oper „Constanza et Fortezza‘ beimohnte, mo dann auch die von ihm für das Altftädter Sefuiten - Collegium in Mufif gefezte Oper „Sub olea pacis et palmıa virtutis conspieua Orbi regia Bohemiae Gorona* mit allgemeinem Beifall aufgeführt wurde. Er ſtärb zu Dresden am 22. December 1745. Dlabad wiederholte auch bei ihm feinen (leider . nur zu häufigen) Fehler, daß er einen Künftler als zwei verfchiedene Sndividuen, nämlich als Dismas Zelenfa und als Iwan Zelenka anführte. 2 VI. Literärifhe Anzeigen aus Böhmen. I — 1. Hiſtoriſche Preisſchrift. Die k. böhmiſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Prag machte den 25. Juni 1826 die von der biftorifchen Claſſe entworfene Breisaufgade: „Ausfühbrlihde Würdigung der böhmi— ſchen Geſchichtſchreiber, vom erften derjelben bis zur Hagekiſchen Chronif herab,‘ öffentlich befannt. In ihren ortentlihen Gizungen, den 20. Dec. 1829 und 24. Jan. 1830, wurde der Preis dem mit dem Wahlfpruce „Plus ultra‘“ bezeichneten Aufjaze, verfaßt von Hrn. Franz Palacky, Re: dacteur ter Zeitfhriften des Mufeums, zuerkannt. Dieje Preis: schrift wird demnach in einigen Wochen auf Koften der Gejell- ſchaft in Druf erſcheinen. Bon der F. böhm. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften. Prag, den 27. Januar 1330. Prof. Aloys David, d. 3. Secretär. 2. Zeitfhriften in Prag. | Im Laufe diefes Jahres erfheinen in Prag nachſtehende Sournale und periodifhe Werke: j L Sn deutſcher Sprade: 1) Eine politifhe Zeitung, nebft einem Amts = und Intelligenzblatte (Prager Zeitung), wöhentlid viermal. Bei Gottl. Haafe Söhnen. 2) Die gegenwärtige Zeitfhrift, als Fortfezung der jeit 1827 erfhienenen „Monatſchrift der Gejellfhaft des vater- ah Mujeums in Böhmen, in der Buchhandlung 3. ©. alve. 3) „Bobemia oder Unterhaltungsblätter für gebildete Stände,“ wöchentlich drei Nummern in a., bei Gottl. Haaſe Söhnen. Liefert (mitunter ſehr gelungene) Driginalaufiüze uns terbaltenden Inhalts, Gedichte, Erzäblungen, kurze vaterländi- Ihe Notizen u. dgl. Durch Einfiht, Geift und rükſichtsloſe Un— parteilichkeit ausgezeichnet find darin die (won Prof. Anton Müller gefchriebenen) Fritifhen Auffäze über öffentlihe Kunſt— leiftungen in Prag, insbefondere der Prager Bühne, - 424 4) „Oekonomiſche Neuigkeiten und Verhand— fungen. Zeitjebrift für alle Zweige der Land - und Hauswirth— fbaft, des Forſt- und Jagdweſens im öfterreichifdhen Kaiſerthum und dem ganzen Deutjchland. Herausgegeben von C. C. Andre und 3. ©. Elsner, in ter Buchhandlung 3. G. Ealve, jähr— lih 96 Quartbogen. Dieſe gehaltvolle Zeitjchrift erfcheint feit 18141, und ift dem Publikum fängt vortheilhaft befannt. 5) „Forft: und Jagd-Neuigkeiten,“ redigirt vom Dperföriter F. G. Rietſch, bei ©. Haaſe Söhnen, wökhent- lich eine Nummer in a. nebft. Beilagen; erjheint feit 1824. 6) „Erinnerungen von 8. E. Nainold;“ erfheinen in monatlichen Heften von 4 Quartbogen Text, nebſt Beilagen, die feinen Anjpruch auf Kunftwerth maden wollen. Der Tert iſt größtentheils Nachdruk aus ausländiſchen Quellen. Sn zwanglojen Heften erjceinen: 7) Abhandlungen der Fön. böhmifchen Gefellfchaft der Wiſſenſchaften. s) Neue Schriften der k. k. patriotiſch-ökonomiſchen Geſellſchaft im Königreihe Böhmen. i 9) Ch. Liebich, „ter aufmerkſame Forftmann ‚“ oder das Neueſte und Bemerkenswertheite aus tem Forſt- und Jagd— fathe (feit 182%). ie N. In böhmiſcher Sprade: 1) „Prazſkée Nowiny“, eine politifhe Zeitung, wö— hentlic eine Kummer in 4., bei G. Daaje Söhnen. 2) »Safopıa fpoleinojit wlaſtenſkého Mufeum w dgehad,“ die böhmifche Zeitjchrift des vaterl. Muſeums, re— digirt von F. Palacky; erjbeint feit 1527 in vierteljährigen Herten, jest bei 3.6. Calve. Ihr Inhalt ift theils wiſen— ſchaftlich, theils belletriſtiſch; fie liefert auch mitunter fehr ſchäz— bare Denfmäler der altern böhmiſchen Literatur. 3) „&afopis vro Fatolide duchowenſtwo.“ Eine theologiſche Duartalfrift, herausgegeben ſeit 1828 won dem Prager fürſterzbiſchöflichen Conſiſtorium. — 4) „Rozliknoſti Prazſtÿch nowin,“ eine Wochen— ſchrift in 4. unterhaltenden Inhalts, redigirt von 3. Linda, er— ſcheint neben der böhm. Zeitung bei G. Haaſe Söhnen. 5) „Gindy a Nynje . i. Einſt und Jezt), eine ähn— liche Wochenſchrift, rerigirt von 8. Raimold und 3. Hybl, sum Theil Ueberſezung aus Rainolds veutjhen Blättern, nebft Beilagen, wie in den „Erinnerungen.“ 6) „Prjtel mlädeze“ @. i. der Iugendfreund). Cine Quartalſchrift für Schullehrer, redigirt vom Dechant J. 8. Ziegler; dieſe ſehr nüzliche und zwekmäßige Zeitſchrift ward ſeit 1828 unterbrochen, fol jedoch wieder fortgeſezt werten. 125 In zwanglofen Heften erſcheint 9) „Krok.“ Eine encyflopädiihe Zeitfchrift vom höherer wiſſenſchaftlicher Tendenz, berausgegeben von Prof. Joh. Swat. Prefl, feit 1824; fie bat ver wißenſchaftlichen Pflege ver böb: mijhen Sprache bereits einige gute Dienfte geleiftet. 5) Sommers Tafhenbud für 1850. Tafbenbub zur PVerbreitung geograrbifder Kenntnijje. Cine Ueberſicht tes Meueften und Wiſſenswür— digften im Gebiete ter gefammten Länder» und Völkerkunde. Herausgegeten von Sob. Gottfr. Sommer. Adter Sabrgana, mit 7 Kupfer: und Ctabltafeln. Prag, 3. ©. Calve'ſche Buch— hantlung, 1830. S. CLXXVII. und 314 in gr. 12. Der Zwek und vie Einrichtung diefes trefflichen Taſchenbu— es find tem gebilteten Pudlikum aus ven früberen Jahrgängen befannt, und wurden auch fchon in der Monatſchrift tes böhm. Mufeums (1828, Februar ©. 1783.ffg.) mit gebührentem Lobe zur Sprache gebracht. Im vorliegenten Sahrgange hat der Her: ausgeber in ter Ginfeitung über tie neueften Reifen und geogra- phiſchen Entdekungen umftändficheren Terict erftattet, und nicht nur interefiante Auszüge aus ten bisber erſchienenen Veſchreibun— gen ter Reifen Clappertons (und Sanders) im innern Afrika, Caille’s in Timbuktu, Champollion’s d. Jung. und Ri— faud’s in Aegupten, Linant’s in Nubien, Tbompfon's und Hallbeck's in Südafrika, Hilfenbergs in Matagascar, Beauclerfs in Maroffo, Descoudray's ebendajelbjt und in Arsbien, Schulzens in ter afiatiihen Türkei, Cversmanng am Ural u. dgl. m. gegeben, fontern audh über Pentland's Enttefungen in den tropiſchen Gegenten Amerika's, Andrews Reifen daſelbſt, und Thompfon's in Guatemala, über die durd) Caritain Stirling angeregten Hoffnungen für die Colonie am Schwanfluge an ter Weſtküſte von Neubolland, über Dillon's und D’Urville’s Bejuh auf der Inſel Wanikoro, wo einft La— perronfe ſcheiterte, u. a. m. ausführlicher berichtet, und, endlich auch derjenigen Reifen erwähnt, deren Nefultate erſt befannt gemadit werten folen. Wenn. die Müzlichfeit einer fo be— quemen und vollftändigen Ueberſicht von ſelbſt in die Augen fält, fo empfiehlt fih die Auswahl größerer Aufjäze, wie fie bier aus Biſchof Hebers Neife dvurb Vorter : Indien (S. 1— 84), aus Crawfurd's Tagebuche über die für ten Welthandel in neuerer Zeit fehr wichtig gewortene Infel Singapore (an ter Südſpize der hinterindiſchen Halbinſel Malacca (S. 85 — 116), aus den in London 1827 erjhienenen Sketches in Ireland (©. 126 447 — 197), und endlid (S. 198 — 311) aus verſchiedenen neuen Qutellen über das griehifhe Feftland gegeben werden, durch eben jo anziebende als befehrende Detaild. Der in allen Jahrgängen dieſes Taſchenbuches befolgte Plan, nad) und nad) alle Theile der Erd-Oberfläche auf diefe Art zur Sprache zu bringen, und die Lejer mit dem neueften Zuftande der verfchiede- nen Sander befannt zu machen, fihert denjelben auch fir die Zu- kunft Werth umd Intereffe. Die 7 von Döbler für diejen Sahrgang gelieferien Kupfer» und Stahltafeln find jehr nett und gefallig. 1 4) Kreybihs Kreisfarten von Böhmen. Kreisfarten des Königreihs Böhmen Mad zuverläſſigen geographifchen Hilfsmitteln bearbeitet von 8.3.9. Kreybich, ‚Doctor der Philofophie, Mitglied der k. k. patr. öfon. Gejelijihaft in Böhmen, Domberr und Confiftorialrath zit Leitmeriz , und Dechant zu Schütteniz. Prag, bei Enders, 1828 und 1830, ‚ Ref. hat fibon im Augufthefte 1827 der Monatjihrift des Mufeums Gelegenheit gehabt, das Publifum auf die Bortreff- lichfeit diejer Kreisfarten, von welchen damals fünf Blätter er- fhienen waren, aufmerkfjam zu machen. Seit jener Zeit find drei neue Blätter berausgefommen, welche ten bydjower, elbogner und budweijer Kreis darjtellen , und in Hinfict der forgfältigen Ausarbeitung von Seiten des Hrn. Herausgebers tasfelbe Lob verdienen, weldes den frühern Blättern allgemein zu Theil geworden ift. In Betreff des Stiches, welcher bei den leztern noch Vieles zu wünfchen übrig ließ, müſſen wir tie fen drei neu erfehienenen Karten einen noch höhern Plaz anwei— fen; bejonders ift die fo ſchwierige Darjtellung der Gebirge jehr wohl gerathen. Nur die Schrift ift nicht rein genug. Es ift zu wünfhen, daß dieſes preiswürdige Unternehmen (weldhes aud vor Kurzem in dem zu Berlin erſcheinenden „Kris tifhen Wegmweifer im Gebiete der Landkarten Kunde‘ (ıs29, erfted Stük, ©. 7 u. ff.) von Geiten des Herausgebers desfelben, Orn. Prof. Berghaus, eine ehren- volle Anerkennung gefunden hat, bald beendigt und dadurd) eine in der andkarten » Literatur bisher ſchmerzlich gefühlte Lüke vollftändig ausgefüllt werden möge. Zu beflagen wäre es jedoch, wenn daß, was dem Ref. aus guter» Quelle verfichert wird, Grund bätte, dag nimlih Hr. Canonieus Kreybich beabſich— tige, einen Theil des noch übrigen nordweftlihen und nördlichen Böhmens, namlih ten Leitmerizer und Bunzlauer Kreis, als ein bejonderes Werk in dreimal größerem Maßſtabe 127 herauszugeben. Wir dürfen zwar nicht im geringften daran zweifeln, daß der Hr. Verfaffer etwas Ausgezeichnetes liefern werte; aber das bis jest begonnene, fo ſchöne Unternehmen bliebe dabei dennoch lükenhaft. “ 5. Hölzels Schlofjerwaarenfunde, Abbildungen von Schlofferwaaren im neueften Wiener, VParifer und Londner Geſchmak ıc. ꝛc. Ein Handbuch für Baufünftler, Ingenieurs, Wirthſchaftsbeamte, Eifenfabrifanten, Gifenbandler und vorzugsweije für Shlofier. Herausgegeben von Thomas Hölzel. (XII, bis XVII. Heft. Prag, 1829, in Commifjion ver 3. G. Calve'ſchen Buchhandlung. (a fl. 30 fr. C. M. Preis aler 18 Hefte 10fl. 30 fr. €. M.) — Bon diefem Aufßerft nüzlihen Werfe, deſſen erfte zwölf Hefte ſchon im Septemberhefte 1527 der Monatjchrift mit ge— bührendem Lobe angezeigt wurden, verdient auch die vorliegende Fortjezung einer rühmlichen Erwähnung. Dieje neuerſchienenen ſechs Hefte enthalten: auf Tafel 73 und 74 Thorgitter, auf Taf. 75 bis so Balcons (30 an der Zahl), auf Taf. 81 bis 33 Stiegengeländer (12), auf Taf. 84 drei Geländer für Wendeltreppen, auf Taf. s5 u. s6, 16 Fenſterfüllun— gen, auf Taf. 87, 5 Gitter auf Grabmäler, auf Taf. ss u. 89, sÖrunnengeländer (worunter befonters das auf Taf. 39 als böchſt originell und geſchmakvoll erfheint), auf Taf. 90 einen Föwenzwinger, auf Taf. 91 bis 97 Siegelpreſfen, auf Taf. 98 bi8 102, 14 eiferne Geldladen (unter welden die vier erften, fo wie die zwei lejten ganz befondere Auszeichnung verdienen; die Schönheiten der Arcitectur find bier mit dem Zwefe tes Protucts in eine jo glükliche Uebereinſtimmung ae: bracht, dag man ein Gebäude, einen griechiſchen Tempel, nicht aber eine Gelteajje vor fih zu haben glaubt), und endlich auf Taf. 103 bis 108, 6 große Vorhängſchlöſſer. Der Tert zu dieſen ſechs Heften enthalt in gedrängter Kürze weitere Auskünfte über alle abgebildeten Gegenſtände, und nennt die Quellen, aus denen fie entlehnt find. Die Erklärung der nöthigen Zeichnungen ift jo deutlih, daß jeter nur einigermajjen unterrichtete Schlofjer darnach arbeiten Fann. Wir wünfben tem verdienftvollen Unternehmen glüffichen Erfolg, und fehen, gewiß in Webereinftimmung mit allen Freun- den der Technologie, der Erſcheinung der folgenden Defte begie- rig entgegen. ©. 188 vu, Bericht vom vaterländifhen Mufeum, (December 1829.) Materialbeiträage. Für die zoologifhe Sammlung: Bon Hrn. Grafen von Kinffy: ein Weibchen des großen Gänfe - Sägerd (Mergus merganser L.). — Bom k. f. Fort: rath Hrn. Tomaſchek: ein FZuhsmännden. Für die Bibliothek: Bon Hrn. Wenzel Grolmus, Localift zu Kieijn: eine alte böhmiſche Drukſchrift. — Bon Hrn. Franz Brüdl, Verwalter zu Patek: eine böhmiſche Drukjorift vom J. 1754. — Bon Hrn. Sofepb Schokälek, Localiſt zu Koftie: eine böhmiihe Druffcrift von I. 1695. — Bon Hrn. Wenzel Sauref aus Moskau: eine rujifhe Drukſchrift. — Bon Hrn. Menzel Robert Grafen Spork: ein Exemplar feiner getruf: ten dramatifhen Verſuche. — Von Hrn. Grafen Adam Ros— ciszewski aus Galizien: 4 polniſche Orukſchriften. Fur die Hantfhriften-Sammlung: Bon Hrn. Dunder, Schulfehrer zu Straſſie: Me Coyie einer böhmifben Schrift aus der Zeit Ferdinand I. bis Ru— volph IT. — Vom Buchdruker Hrn, Johann Pofpjfil: ein Brief König Ferdinands von Gicilien vom J. 1461 auf Perga: ment. — Don der E. f. Univerſitätskanzlei-Direction: eine Sammlung alter Driginaltauffbeine. Für die Münzfammlung: Bon Hrn. Prof. von Hirzenfeld: s Etüf Silbermün- zen, 4 Stüf größere und 55 Stük fleinere Kupfermünzen, und 2 Stüf Münzen von Compofition. — Von Hrn. Med. Dr, und Prof. Johann Prefl: eine Mevailte von Ludwig XIV. — Bon Hrn. Anton Wilfarth: eine franifhe Münze vom J. 1655. — Bon Hrn. Wenzel Grolmus, Localiſt zu Kreſjn: eine alte römifche Silbermünze. — Von Hrn. Vitus Danikek, Gymnafial » Präfect zu Deutfhbrod: eine große filberne, bei Deutſchbrod Aaufgefundene Denfmünze vom 9. 1585, dann 11 auswärtige Kupfermünzen. — Bon Hrn. Adalbert Stowi— ef, Debant zu Deutſchbrod, eine große filberne Denkmünze. — Bon Hrn. Kolarfty, Eaplan zu Polna: 4 Fleine alte Sil— bermünzen. —— — Redacteur: F. Palacky. v. Schönfeld's Papier und Drur. (en — — ñ— PROSPECTUS PRAG wie es war und wie es ist, nach Actenstücken und den besten Quellenschriften geschildert von JULIUS MAX SCHOTTKY, Professor. In grofs Octay auf Velinpapier mit 8 Kupfern und zwei Plänen. Papier und Druck gleich diesem Prospecte. Mater diesem Titel erscheint im Verlage der unterzeichneten Buchhandlung eine bisher nicht nur von Reisenden, sondern selbst von Einheimischen ungern vermifste gründliche Schil- derung der hundertthürmigen Hauptstadt Böhmens, mit wel- cher, hinsichtlich ihres grofsartigen imposanten Aeulsern, keine Stadt Deutschlands den Vergleich aushält, und die aufser- dem noch zu den bevölkertsten deutschen Städten gezählt wer- den mufs. Romantische, an Roms älteste Mythen erinnernde Sagen knüpfen sich an Prags Gründung. Und wo die Periode der Sagen endet, beginnt für diesen Ort sogleich eine thatenreiche Historie; denn länger als ein halbes Jahrtausend war Prag der ‚Sitz der herzoglichen und königlichen Beherrscher aus dem ‚Stamme der Premysliden, welchen die Monarchen aus: dem Luxenburgischen Hause folgten, deren Wirken uns in grols- artigen Baudenkmälern noch überall entgegentritt. Kaiser Karl der IV. gestaltete Prag zur ersten Stadt von ganz Deutsch- land, und hob seinen Lieblingssitz auf eine Stufe von Reich- thum und Glanz empor, von welcher er selbst durch die wüthen- den Stürme des Hussiten- und des dreifsigjährigen Krieges nicht gänzlich herabsinken konnte. Dadurch, dafs Prag so lange Zeit der Wohnsitz deutscher Kaiser, und späterhin der Mittelpunkt jener Kämpfe war, welche nähere und entferntere Länders»erzit- tern machten, gelangte ‚die Stadt zu einer) welthistorischen Berühmtheit, die von jedem Geschichtsforscher anerkannt ist. Diese geschichtliche Bedeutung drängt sich dem Besucher fürwahr in jeder Strafse, auf jedem öffentlichen Platze schon beim ersten Schritt entgegen,. wefshalb es zu den uner- läfslichen Pflichten einer Schilderung Prags gehört, ihren Le- sern historisch treue, aus Archiven und Bibliotheken geschöpfte Mittheilungen über all’jene Einzelnheiten vorzulegen; was auch in diesem jahrelang vorbereiteten Werke mit kritischer Genauig- keit und unermüdetem Eifer geschehen ist. Indefs verdient der gegenwärtige Zustand der Stadt nicht weniger gekannt zu seyn, da sich Prag durch die Wich- tigkeit seiner öffentlichen und Privat-Institute, so wie über- haupt durch zahlreiche Einrichtungen auszeichnet, die jedem für echte Bildung empfänglichen Menschen von hohem Inter- esse seyn müssen. Bei Abfassung dieser Schilderung war demnach stets der doppelte Gesichtspunkt von Vorzeit und Gegenwart fest- zuhalten; eine schwierige Aufgabe, deren Lösung nur dadurch zu erreichen blieb, dafs dem Herrn Verfasser das’ Glück zu Theil ward, von allen betreffenden Behörden und von sehr vielen der geistreichsten und unterrichtetsten Einwohnern mit actenmälsigen Beiträgen unterstützt zu’ werden, die dem Werke einen bleibenden Werth sichern, welcher ihm nächstbei um so weniger fehlen dürfte, als der Herr Verfasser auch diefsmal zur Genüge bewies, wie er sogar wissenschaftliche Gegenstände selbst dem Laien 'anziehend zu machen versteht, da er sie in das Gewand einer klaren und blühenden Sprache. einzukleiden weils. Dieses Werk erscheint in zwei Ausgaben, und zwar in sechs einzelnen Meften; jedes dieser Hefte wird ‘acht Bogen stark, und mit dem letzten Hefte in beiden Ausgaben erfolgt ein voll- * — ständiger Plan der Stadt und eine Karte von den Umgebungen Prags. Aufserdem wird die erste auf stärkerem Velinpapier gedruckte Ausgabe noch acht verschiedene, meistens von DuTTENHOFER in Kupfer gestochene und zur Hälfte noch unge- kannte Ansichten enthalten. Zur bequemern und schnellern Auffindung aller in diesem Werke aufgezeichneten und beschrie- benen Plätze, Stellen, Paläste, Häuser, historischen Datas und egebenheiten, soll das Ganze mit einem genauen Inhaltsver- ur. und möglichst vollständigem Namens- und Sachregister schliefsen. Der Preis eines jeden Heftes ist; a) Für die erste Ausgabe auf stärkerem Velinpapier mit8 Kupfern und 2 Plänen 4Thlr. 2 gr. sächs. oder 4fl, 30 kr. C.M. Für Diejenigen , welche auf 4 Heft vorausbezah- any wo.uteren ae tes .4 Thlr. sächs, oder1,20 » » » b) Für die zweite Ausgabe auf schwächerm Velin- papier, uhne Kupfer, mit 2 Plänen 18 gr. sächs.oderiy — » » » Für Diejenigen,‘ welche auf 1 Heft vorausbezah- € len, nor nee. ..o| 0. 0... 16 st. sachs. oder — ; 56 >» 9» Da übrigens das Manuscript zu vorgedachtem Werke voll- endet vor uns liegt, so soll alle 4—6 Wochen ununterbrochen ein Heft erscheinen, wonach das Ganze im September d. J. vollendet seyn wird. Zugleich bemerken wir, dafs binnen einigen Monaten von dem Herrn V erfasber dieses Werkes ein kleiner Auszug desselben, oder vielmehr ein rapider Ueberblick der Hauptstadt Prag, auf 6—8 Druckbogen ebenfalls in unserem Verlage erscheint, welcher insbesondere den Frem- ‘ den als ein geistreicher und zuverlässiger Wegweiser willkom- men seyn dürfte. Prag, im Januar 1830. J. G. Calve’sche Buchhandlung. ji Dim: — Ku aus han an * hr Anna hut Be F u a A Inu mn} Ds 57 5 br un wi! »alroninl ee — — —J——— ang, Klee rue * FE ur, — —J—— aihuktulloe 5 fe i * nl ut ‚Rubel, r — kann ar a Mh ac u: } . MR Ai — 37 J a F nano YET RE ias u far — DR rer ah ER NE ER a. il LET gie su —— N bh BR x Nandsungpr Dt — RL r | 4 # Hm — — Re Herde un " ba Be wo dk alle Inu Ye x 'y RR 158 ui os) ah an Hi Ri: Fate Bunt vr 4* * ß — ch er ur 4 —* —V — —— —* A Bi. 4 Dr h rl h ‚war an reg, —* a " ." FLIESSEN a0anih 7 9 Ana su wohin IR; win glogelnig hr, ar er Ey alle | RE a ah Mau — ale mhalou BUTERELSENETIEEN —* c au — zarı bau und seie Met N ET — —E * —— une si Br; 2 * t T * 4 j v * — —X — a A { , ? 9 * * VE 8* —— — J F Ma er Be 21. Aug A ©. J Nee ER — * y m. ns Re — ee" —J * Be; N \ a RT ERR — Io 5 4 di E 7 t 5 v u Te — wir Di [4 —9 Inhalt des erften Heftes. SL Barth m 1) Ilja von der Wolga. Aus dem Böhmifhen des Fe ® 5 In &elafomfEy, Überfegt von Sof. Menzig. ©. 31m: r 2). Der Dom zu Freiburg im Breisgau. Don R & a Ebert. ©. 14. 2 j ; HN | — EN — “U. wurden 3) Notiz von einer. neuen Pfendomorphofe. Don ER Haidinger. ©. 16-— 1% 4) Beichreibung zweier neuen Plangengaktungen. Don Dr. * K. B. Preil, ©. 1922 ER Ile Statifik , . 5) Refultate der Geburts : und Sterbeverhäftniff e ſeit der Eaton ‚Veriote. Bon Dr. F 4. Stel ie i ©. 23 — 78, 7 IV. REN 6). Die flawiſchen Volks ſtamme in ah Bon 3. — = lacky. &:79 — 95. ee Topographie 7) Bilder. Don. Schön. 1) Reichenau. S, 96 er VL BSunftsefdidte — 122, VII. iterärifär Anzeigen aus Böhme 1) ‚Diftorifhe Preisihrift. ©. 123. 2) Zeitfhriften in Prag. S.123, 3) ‚Sommers Taſchenbuch für 1830. ©.125. 4) Kreybichs Rreisfarten. & 126. sro oft erman venfunde, ©..127. — — vii. Bericht von sateständifgen Mufeum. COecember 1829.) S. PT, 8) Soh. Diem. Belenfa , böhmifcher‘ ——— © Ro Fre UT EEETEER EETTET ERELLTTETEN TTROTT mem * Iaprsaner | — er des | Hapmifden Mufeums RR für Satirsu Laͤnderkunde, Geſchichte, II Kunſt und Literatur. Jett⸗er Band. 3 a. Heft. - —— 18.8 0. an wei Kupfertafeln) er “9, —— Von Blepr. Zeitfchrift erfäeinen uk Beſchluß des 2 SE. ſchußes der Geſellſchaft des vaterlaändiſchen Muſeums vom $ Zahre 1830 an jährlich A Hefte, jedes von circa 8 Bogen. Der Pränumerationspreis ift für den Jahrgang 2 Thlr. 16 gar. — ſächſ. oder 4 fl. Conv. Münze, und halbjährig 1 Thir. s gor. — ſächſ. oder 2 fl.Eons,. Münze; für dieſen Preis können gedachte N; Sabrbücher. durch alle folide Buchhandlungen des: In a) Auslandes bezogen werden ; im Inlande nehmen unter. porto⸗ freier Einſendung des Pränumerationsbetrages auch alle reſp · RE Yoftämter Beftellung darauf an, ‚und ift bei ‚benfelben. ’ IE balbjährig mit 2 fl. 20: Fr. CM. zu pränumeriren, wobei die pünktliche und portofreie Zufendung mit inbegriffen iſt. Die drei erften Sahrgänge obiger Zeitfchrift find auch noch zu bekommen, und jwar der Sahrgang einzeln genommen im se Snlande für 7 fl..C M., im Auslande 5 Thlr; fahf., und 7 wenn alle drei Sahrgänge jufammen genommen werden, im Snlande für 18 fl. €. M., im Auslande für 12 Thly. The, N Einzelne Hefte werden jedoch nicht abgelaffen. - Ale Til. Herren Mitarbeiter und Korreibanbenen“: welche mit ihren Beiträgen die Redaction vorliegender Zeitz fihrift beehren wollen, werden gebeten, ihre Beiträge oder Briefe an die unterzeichnete Handlung mit dem Beifaje „für die Redaction der Zeitſchriften des bohmiſchen Muſeums gefälligſt einzufenden. Diejenigen aber, welchen Leipzig näͤher als Prag liegen follte, werden gebeten, ihre Beiträge oder ‚Briefe an Herrn Immanuel Müller in Leipzig mit dem Bei- ſaze „für die Redaction der Zeitſchriften des böhmiſchen * Mufeums“ getälligſt abzuſchiken Prag, im Zanuar 1830. I. ©. Lalve ſche Buchhandlung. * Sahbrbüder des böhbmifhen Muſeums für Natur und Länderkunde, Gefchichte, Kunft und Literatur. Erſter Band. 8 Zweites Heft. Prag, J. G. Calve'ſche Buchhandlung. 1830. Ve Al — * BR ua ie a * Hetero Tas Hr — 5) Eriter Gefang der Idylle: Das Klofter, —u Karl Egon Ebert. a. ELITE TE 5 reundlich blifte die Sonne, doch ſchon mir flerbensem Strahfe Abſchied nehmend hinab in den friedlich ruhenten Thalgrund, Yeichter Duft entjtieg der Erd’ und webt’ um die Erizen Des fanft ſäuſelnden Grafes; ein Liſpeln ging durch Me Bäume, und tie Lerch’ entfchlief im der Saat mit zwitſcherndem Liede. Herrlich war's bier am Tag; es wechſelten farbige Wieren Dit ver Felter Gold, und dunkelſchattige Haine Mit dem Fichten Grün ter ringsum liegenden Gärten, Und durd die Wieſen und Aefer, und durd tie fühligen Haine Schlang ſich ein blauer Bah, der glatt und fachte dahin zog, Bis er, in Gräben gefapt durch die Hand des betriebfamen Menſchen, Rafcher ſich wälzt', und brauſend, zerftäubt in funkelnde Tropfen, Nierer ſich ſtürzt' auf's gefhwungene Rad der geihäftigen Mühle. Aber nun halte ter Abend fhon Alles verwiſcht und ver: ſchmolzen Mit der Nebelhand, und Nacht ſchon wär’ es geweſen, h 9* 452 Hätten nicht droben tie Höhen der Berg’ und Wipfel ver \ älter Und die darüber ziehenden Wolfen noch röthlich geflimmert; Und ſchon wäre rings ein jeglih Leben verflungen, Hätte ter Bach nicht geraufht, und nicht geflappert die Mühle, Horch, da tönt aus der Fern’ ein rafher ſchallender Fußtritt Durd die Stille des Abends einher, und fiehe, ein Wand’rer Schritt vom Berge hernieter, und eilte, trozend der Schwere Seines gefüllten Ränzeld, mit ſtets verdoppelter Schnelle. Aber e3 hatte ihm wohl Freute den Fuß nicht beflügelt, Denn gar düſter blifte fein Auge, und bleib war vie Lippe, Tief gefurcht die Stirn’, die Wange fahl und verfallen, Und das volle Haar, das wild und verworren umberhing, Schien zu frühe beftreut mit des Winters traurigen Flofen. Still ftand plözlid ter Mann, geftüzt auf ten Etab, und zum Thale Sah er ſchweigend hinab, und wie er ſo ſah, da entrang ſich Schwer ein Seufzer dem Herzen, und viele folgten dem Einen, Und es hob ſich die Bruſt im Sturme banger Empfindung. „Himmel! rief er jest aus, ih babe Schweres gelitten, „Viel verſchuldet, doch viel gebüßt — o laß es genug feyn, „Aldarmberziger Gott, und laß mid wieder nun finten, „Was einft ſelbſt ich verfherzt in eitel verterblidem Wahne.“ Alſo ſprach er, und ihm erſtikte die Stimme, und fürder Schritt er zum Thal hinab, und richtete gegen die Mühle Graden Weges den Fuß. Dort faß auf der Schwelle der Tpüre Eine, holdſelige Magd; ein Tauben rubt ihr im Schoße, Das ſich innig ſchmiegt in der Jungfrau ſtreichelnde Hände, Welche es freundlich liebkost', und mit weicher Stimme dies Lied ſang: Täubchen, Täubchen, fliege nicht aus In's Feld und Waldesgehege, Bleib bei mir daheim im Haus, Damit ich dich zärtlich pflege. Draußen im Freien da ſchlingen dich Die wilden Tauben in Bande, 433 Und führen bidy weit aus mit ſich Sn ferne fremde Rande. Und kommſt du einft wieber bereuend her _ Don deiner weiten Reife, Da kennt dich Keiner , Keiner mehr, Und Niemand reiht dir Speiſe. „Iſt's ein prorbetifh Lied, das du mir finger, o Mädchen ?* Rief der Wanterer bang — „bin ich die thörichte Taube, „Die mit den wilten entflogen, Fein Aug’ mehr Fennt in der Heimatb ? „O dann brich mein Herz, zerbrich, damit ich nicht länger „Trage den brennenden Schmerz, der die finfenden Kräfte mir aufzehrt !“ Und er trat zu dem Mädchen, und fand, und fragte mit Beben: „Sage mir, gutes Kind, du kennſt wohl Konrad den Müller, „Und Gertrude fein Weib ? fie wohnen wohl noch in ter Mühle?“ Aber mit fraunendem Blik befah ten Fremden die Jungfrau — „„Ei, ihr ſeyd wohl lang nicht bier in der Gegend gewejen, „„Daß ihr fo ſeltſam fragt nad halbvergefienen Alten, „Deren Name fon faum uns jüngerm Volke befannt if. „„Aber wo Konrad weilt, ic Fann es euch künden. Erblikt ihr „„dort an dem Kirchlein die Mauer, die Trauerweide darinnen, „„Die fo tief fih fenft? Dort fteht ein Stein, und darüber „„Iſt ein ehern Mühlrad zu ſchaun — dort ſchlummert dey Alte, „Odb Frau Gertrud noch lebt, ich weiß es micht, Doch ich meine, „„Anderswo ſchlaͤft auch fie, denn alt ja waren die. Beiden.‘ Wie vernichtet ftand der Wand’rer; es Fniften die Kniee Ihm zufammen, und Faum vermocht’ ihm der Stab noch zu a balten. Aber fein Auge war ftarr , und über die Wangen ergoß ſich Bläfe, wie über das Antliz des Sterbenden; wankend und mühſam, Wortlos, ſinnlos ſchleppt' er ſich fort, und, ohne zu wiſſen, 154 Bing: er thu', war er jhon in den Kirchhof getaumelt, und lag ſchon Ueber Konrad: Grab, und ftöhnte, und drüfte die Lippen Sn den Falten Rafen, und grub die Frampfigen Hände In ten Hügel ein, und jammerte: „Varer! Geliebter ! „Unvergeßlicher! Theurer! for biſt du denn Staub, und ver: magft nicht. „Deines Sohnes Neue zu feb'n, nicht zu hören die Worte „Seiner Liebe zu dir, den er kränkt' im Taumel der Tugend, „Den er verließ im thörichten Drang nad) bitt’rer, Erfahrung! „Ach! mis grüb' ich mun gern aus dem Grab das Haupt, das in Sorge „Mein fü zärtfich gedacht, Ihr Arme, die mid einft wiegten, „Seyd nun morſch, und das Ye das taufend Thranen ver: gofen .w, „Um den entavteten Sohn, ift nicht mehr, nicht mehr! O wär' ic „Selber nicht mehr, und hätte das tiefe Meer mich verſchlungen, „Hätte mich die Lauine bedekt, zerſchmettert ein Blizſtrahl, „Eh' ih das Grab geſeh'n des ſchwer beleidigten Vaters, „Eh' ich, verlaſſen von Gott, von der Welt, und dem beſſern Bewußtſeyn, „Hätte die Heimath wieder geſchaut, die entfreudigte Wüſte.“ X Alſo jammert' er, und jezt, wie von Neuem erſchüttert, Krampft' er ſich feſter um's Grab; die einzelnen Worte, fie wurden © Ein zerfhneidendes Schrei'n, und dann ein leifes Gewimmer, Dann ein leiſ'res Geächz', und dann verſcholl auch das Aechzen, Und er lag wie tobt, Iag ohne Negung am Hügel, Und fhon dunkel war's, ganz dunkel ringsum ; doch den Himmel Ueberglänzt' allmählig ein ſanftes Zwielicht, der Schleier, Den ter Abend ausgeſpannt, zerging, und, wetteifernd, Früher. die Erde zu grüßen, fprang- hier. und, dorten in Eile, Stern an Stern hervor, und alle ſchienen zu zittern, BR. Gleich als fürhteten fie die hüllenden Wolfen noch ein Mat. Leite Damm’rung durchwob die Luft, und jejt, wie ein König, | ‘155 Tat aus ſilbernem Spore ver Mond, und blikte mit Ruhe Sn die Verſammlung der Seinen, und heller ſchienen die Sterne, Und es ſtrahlte ver Himmel, jo weit das Aug’ ihn erreichte. ' Aber unten im Thal war's jezt gar lieblich — die’ Bäume und die Felder nd Wiefen, verffärt von weißlichem Lichte, Flimmerten heil im nächtlichen Thau, ver überall glänzte Auf Son Blättern und Blumen und Halmen, und Fühlige Winde Regten fie auf, daß die Tropfen entfielen wie klare Demanten ; Flüßiges Silver wälzte der Bach, und das Schwungrad der Mühle Schien ein fenriges Nav, ein Meer von verſchütteten Sternen. Da erhob jein Haupt der Wand’rer am Grab’, und er schaute Ueber den Kirchhof dahin mit flierem Auge, dann wieder Auf das Grab hinunter, und dann empor zu den Sternen, ‘Und zu dem ſtillen Mond, dem milden Freunde der Wehmuth. Und da warb es ibm, daß er weinen fonnte — es ftürzten Heife Ströme vie bleihe Wange binab, und benezten Mit dem bitterften Thau den Hügel, aber um's Herz ward Leichter dem Weinenden ſchon, und endlich) vermocht' er ſich wieder Aufzurichten, und ſtand, und ſprach in gebrochenen Tönen: „Vater, du zurneſt mir nicht, gewiß, du zürneſt dem armen, Reuigen Sohne nicht mehr, „du ſchauſt qus dem lächelnden 2148, 4 Monde „Tröftend herab, und willft, daß ich büße, was ich yerfchuftet, „Aber nicht, daß ich ſtets, ein ewig Geächteter, gehn ſoll. „Nun denn, büßen will ich fürwahr, und thätig beweiſ' ich's, „Daß der Mann verdammt, was der wilde Süngling gefehlt hat. - „Weiß ih dom noch nit, ob die Mutter nicht lebt; fie zu fügen, „Zieh ich durchs weite Land, und find’ ich ſie irgend, ſo weich ich „Nimmermehr von ihr, und was id) erworben, fie „nehm’ es, „Was id vermag, fey ibr, und was ihr leifefter Wanſch iſt, „Streb' ich ihr zu erfüllen, und lauſche dem Winke der Brauen, Pfleg und hege ſie treu, verſüßend das Fränffiche Alter... 2 „Und ein Wefen noch, ein ſchwer befeidigtes Wefen, 456 „Laffe der Himmel "mid finden, damit ih an ihr. auch, der Guten, „Ein Vergehn vergelte, das ſchwer die Bruſt mir belaſtet. „Find ich die Beiden auf, dann wahrlich hoff’ ich zu werden „Wie ein gebeſſertes Kind, und ein neues Leben wird aufblühn. „Aber find ich fie nicht, dann hüte mich Gott vor Verzweiflung, „Der er lege mich bald zu den glüklichern Eltern in’s Grab hin !« Alfo ſprach er, Füßte den Falten Rafen noch einmal, Schritt dann, heftig bewegt, aus der Thür’ des Kirchhofs, doch 2 draußen Stand er wieter ftili, und dadte bang: „Ach wohin nun ? „Tief ift’3 in der Nacht, was athmete, ſchlummert, und nirgend „Iſt ein freundliches Obdach, ein Mund, der willkommen mid) hieße. „Sollt' an der Mühl' ich pochen, ein Lager begehrend? O nimmer! „Dort nicht fänd' ich Ruh'; das Mühlrad, das einſt den Knaben „Nicht im Schlafe ſtörte, mir wird's jezt brauſen wie Stimmen „Grollenden Donners, mir ſprächen die kalten ſtarrenden Wände „Bittern Vorwurf zu, und des Vaters finſterer Schatten „Stände am Lager mir, und der Zug des Wind's durch die Thüre „Schiene zu wimmern: Sohn! o Sohn, fo ſpät aus der Fremde? „Nein, ich wandre lieber die Nacht durch, oder ich ſchlafe „Auf dem lärteften Stein, nur, in die Wohnung nicht eingehn, „Ueber die ich einft mit leichtem Sinne hinwegſchritt, „Sch erbärmliher Thor, um beimzufehren voll Sammer !« Ind er ging, und fehielte mit ſcheuem Blife zur Seite Nah ver Mühle — da fholl mit einem Male von. fern ber Weiches Abendgeläut” von melandolifhen Glofen ; Und es wuchs und ſchwoll der Klang in den Lüften, als dehnte Jeder Ton fih in Sehnſucht auf ‚zum Himmelsgewölbe, Drin er endlich verſchwand; ed war ein Gebet, das der Worte, Aber nicht des Sinns entbehrt’ und der jeligen Wärme, a 157 Die den Beter erfüllt, wenn fein Herz ſich erhebt zu ten Sternen. „Töne, rief der Wand’rer, „ihr ernften Töne, ich kenn' euch, * euch wohl; ihr rieft den Landmann zur Kirche — fo: bald ihr „Morgens und Abends da zog der Vater die Müze „Bon dem würdigen Haupt, es kniete die Mutter, und Beide „Stimmten frommen Gefang zu der Glofe melodifhem Klang an. „Ruft ihe mir nun wieder ? wohlan, ich folg’ euch, ihr führt at mid ; „inter ein Obtah auch, und weft den Geftärften am Morgen, „Daß er beginne den Lauf, zu fuhen die Reſte des Glükes.“ Wie gezogen am Jangen Ton der bebenden Glofe, Eilte der Wand'rer ihr nah, durchſchritt die thauigen Wiefen, Stieg am Hange tes Berg’s empor, und fah fih nun oben Auf der Höhe ftebn, und vor fih, weithin gebreitet, Eine ſchöne Fläche, zu ſchauen im flimmernten Mondlicht Mie ein weiter wallender See, darinnen inmitten, Giner Inſel gleih, ein Peiner umfriedeter Hain lag. Dorther tönte die Glofe, und dorthin eilte der Mann jest Unaufbaltfam fort auf wenig betretenem Fußpfad, Bis er am Ziele ftand. Da ging um das Waldchen im Vierek Eine glänzende Mauer; auf ihr. in gemefjenen Räumen Standen Heil’genbilder von Erz mit vergoßdetem Hauptſchein, Und weit über fie verbreiteten mächtige Eichen Shre rieſigen Arme, befhattend die Schirmer des Haines Düfter was ed drin, doch durd die Fugen der Zweige Sah ein ſchimmernder Thurm, und ein rothes freundliches Haus— | { dad, Und, um die Efe gewendet, erreichte der Wand’rer ein Pförtlein, Das, gar wohl verfehen mit eifernen Riegeln und Bändern, Finſter war zu ſchau'n ald verböt’ es jedem den Eingang, Hätte daneben nicht die ‚menfhenfreundlihe Klingel ‚ Den Betret’nen bald zu Eräftigem Ziehen ermuntert. Und er faßte den Ring, und zog, und fern in der Tiefe 158 Klang ein Gloklein heil, und jezt erhob ſich gewaltig = — Wildes Gebell im Innern des Hofs, und die wachſamen Hunde Stürzten zu auf das Thor, und ſchlugen daran mit den Tazen, Daß tem draußen Steh'nden das Herz erbangte im Buſen. Aber da tönte ein Ruf, und die Doggen liefen zurüke Zu dem rufenden Mann, der mit gewaltigem Schritte Sich der Pforte nahte, und ſprach: „Wer iſt's, der ſo ſpät noch „Cingang begehrt in den Hain tes Friedens ? Iſt es ein Wan: Im ’ d’rer, „Der ein Obdach ſucht, ein Abendbrod,. und ein Lager, „Oder. bedarf des himmlischen Troſtes irgend ein Bruter, „Der mit dem Tode ringt? Iſt folches, was dich hieher führt, „Fremdling, fo frrich ein Wort, das Vertrau'n mir erwekt in \ ter Seele, „Dir zu öffnen, denn ſchlimm iſt die Zeit, und die Raubjucht . der Böſen „Schont ‘fein Heiligthum, und Noth thut’s, fireng ſich au wahren.“ „„„Jeſus CHrift fey gelobt, «* fo rief der Wand’rer, und drinnen Scholl's : „Gleich will ich dir öffnen, denn deine Worte find ‘ chriſtlich, „Wer den Göttlichen preisſt, hegt nimmer Falſch auch im Herzen; „Gleich! doch harr“ noch ein wenig, damit ich zuerſt an die Kette „Noch die Hunde lege, die treu, doch gefährlich zur Nachtzeit.“ Und er entfernte ſich wieder, es tönte über den Hofraum Schallend fein Tritt, Dann raffelten Ketten, die Bunde erhoben Ein entfezlih Geheul, und jchleiften die Flingenden Bande; Aber jejt Enarrte der Schlüffel im Schloß, es ächzten die Riegel, Und die Pforte ging auf. Da ftand in härnem Gewande, Eine Latern' in der Hand, ein würdiger Alter; fein Scheitel Hatte Fein Haar, indeß ein filberner Bart bis zum Gürtel, Der aus Strifen geflohten, in glänzenden Wellen herabfloß. Aufrecht ſtand noch der Greis, ihm hatten die Lüſte der Erde Nicht ven Naken gebeugt, und munter ſtrahlte das Auge, Das ſich nicht matt geſchaut am eitel blendendem Weltglanz. 459 *8 * — ſprach er, und faßte die Hand des Fremden — Bere = das Ränzel, „So ihr am Rüken tragt, zeigt, daß weither ihr gekommen, „Und der Rube bedürft und der Labung. Was wir befizen, „Theilen wir gerne ſtets mit dem Dürftigen oder Verirrten.“ Alſo ſprechend, trat er in's Haus, und der Wand’rer folgte Lange Gänge hindurch, darin verdoppelt die Tritte Don’ dem einen Ende zum andern hallten — die Leuchte Sn der Hand des Mönchs beſchien an den Seiten die Wände, Bilder in gold'nen Rahmen, Altäre und Schnizwerf und Zierrath Mannigfaltiger Art, und zauberijch ſchien es, wie immer Stets das Nächſte nur fihtbar, bei jedem weiteren Schritte Wieder in’s Dunkel trat, und Neues flimmert” und glänzte, Gleich als wandelten fie durh Schachte von firahlenten Erzen. — "Und fie traten hinein in den Saal. Gewaltige Bogen Woͤlbten ſich oben zufammen in fharfer Neigung, und liefen Hier und: dort herab in gewundene gothifche Knäufe, Die, in Kreuze. fih endend, an langen feidenen Schnüren Silberlampen fenften herab in die Tiefe der Halle. Fern im Hintergrund, da blühten röthliche Lichter, Frühlingsrofen ‘gleich, vor dem Bild des fterbenden Heilands, Das, aus. Holz gar Fünftlicd) geſchnizt, mit geſunkenem Haupte, Halbgebrochenen Blifs von der Höhe des Kreuzes herabjah ; Rings beveften Gemälde die Wand. Ein Märtyrer Eniete Hier vor dem Blok, dort ftand wor der Höhl’- ein freundlicher ‚lernen‘ IR nanfrier >; Futter ſtreuend dem Wild, das trautich dem Greije fih .nahte, Hier erhob ein Priefter fein Kreuz inmitten von: Mohren, Die um ihn her tanzten in tollen Weifen, und drüben — War ein Mönch zu ſchau'n am Sterbebette, zur Seit ihm. Seine betenden "Brüder ‚die nicht den Engel bemerften, Der bei dem Bleihen ftand, und die Dornenfrone dem Dulder ‚Still vom BONN — mit ſtrahlendem Schein es be: ee Be © ann stur. n in, din derbe wränz toauus Alles das * * — der Wand rer. Sein Auge 140 BWeilt’ auf den Bildern jest, und jet auf ver Def’ und. den Wänden, Dann auf dem bunten Getafel des Bodens, und dann auf den. Stübfen, Die, mit grünem Damaft gepolſtert, die mächtigen Lehne Majeftätifh rings an die Wände legten, und ragten Um den Tifh, der inmitten der ſchönen Halle gedekt ftand. Reinlich glanzte die Tafel, belegt mit fehneeigem Weißzeug, Drauf die Teller rubten von glatt gefcheuertem Zinne, Und vor jedem Gedek gefhliff'ne flimmernde Flaſchen, Drin die Flammen. glänzten der diken wachſernen Kerzen, ı - Die aus Leuchtern ragten von alter finniger Arbeit. Zwifhen ihnen ftand ein weites filbernes Beken, Draus fih ein Delphin erhob von ſchimmerndem Gofte, Der aus geöffnetem Schlund in bochgeſchwungenem Strahle Kühles Waſſer trieb, das, niederträufelnd zum Grunde, Wieder verfhwand, und von neuem in leichten Bogen emporftieg. Während dies der Wand rer betrachtete, war aus dem Saale Deſſen Führer verſchwunden, und plözlich klang durch die Mauern Einer Gloke Ton, und zweimal ſchwieg ſie, und zweimal Hub ſie wieder an. Da ſcholl es weithin im Hauſe, Wie Geknarr' von Schlöſſern und mächtig donnernde Schläge Zugeworfener Thüren, und vielfach, wirr durcheinander, Hallten Schritte die Gäng' entlang, ſtets näher und näher, Bis mit einem Mal ſich alle ſchienen zu ſammeln, Und ein dumpfes Gemurmel von unverſtändlicher Rede Draußen zu hören war. Und jezt Fam Bruder Juſtinus Wieder in den Saal, und fprah zu dem Fremden in Eile: - „Gleich erfcheint der Prior mit ‘allen Brüdern zum Male, »Wahrlih, ihr ſollt euch freu'n des wakern Priefterd; ein Mann iſt' %. „Wie man wenige findet. — Doch feht ihn ſelbſt, ich verbürg’ 'es, „Theuer wird er euch bald, wie unendlich werth er und Allen.“ Kaum geſprochen, da ging die Thüre auf, und es traten 141 Viele Mönche herein in langem Zuge, ein Ieter Trug ein Feines Licht, und wunterjeltfam erſchienen Au’ die dunklen Geitalten, ein Jeglicher einzeln: beleuchtet ; Da ein würdiger Greis mit filbernem Bart, dort ein Süngling, — Neben ibm ein Mann mit finiterm Auge und Haare, Diefem zunachft ein Blaſſer mit eingefallenen Wangen, Wie ein Büger zu ſchau'n; — vor Allen dod an der Spize Stand der Prior, ein Mann voll Anftand, aber nicht zierlich, Stolz; nicht, aber erbaben, voll Demuth, aber nicht gleißend, Würdig, doch nicht gerläbt vom Bewußtſeyn eigenen Werthes. NRüftig war fein Wuchs und Gang, wohl ſchien er nicht alt noch, Aber auch nicht jung; doch ſah man, er zähle ver Sahre Mebr, als Fund fih that in Geftalt und Miene und Haltung; Schön nicht war er zu nennen, doc fpielt ein unendlicher Liebreiz Um ten lähelnden Mund, das vertrau’nerwefende Auge, Und um die hohe Stirn, die firenge wäre erſchienen, Hätten nicht Menfdenlieb’ und Huld, und feliger Glaube Sanften Wiererfhein auf das ganze Antliz gebreitet. Alfo naht’ er jest dem Wand’rer, bot ihm die Rechte, Stark fie ſchuttelnd, und ſprach: „Willkommen im Haufe des Friedens, Müder Wandersmann! ruht aus bei und, und verweilet, „Bis ihr weiter müßt; fo lange es euch ſelber genehm iſt, „Sreist am umjerm Tiſch, und ſchlaft auf unjeren Matten; * wie's euch behagt! — nur geht nicht morgen von hier noch, — und den nächſten Tag, der uns ein fröblicher Tag iſt, „Denn wir feiern das Feſt der Kirche, die bier uns verfammelt, „Und wie wir ung des erfreu’n, fo möchten wir gerne, „Daß aud) And’re tpeilten, was, einzeln empfunden, nur bald ift.* Sittig dankte ver Wand’rer, im Augenblife empfand er Lieve zu dem Mann, die nur von Ehrfurcht gedämpft war. Und er verſprach zu bleiben am nächſten Tage, und freundlich Danft’ * der Prior dafür, und gab dann ein Zeichen den Brüdern, 142 Die fih Alle jest um: den Tiſch ‘her reihten,, und fanden Seder an feinem Plaz, und, fromm vie Scheitel .entblößend, Und die Hände faltend, den Blik zu Boden geheftet, Schweigend harrten des Wort's aus des Priors würdigem Munde. „Ewiger‘, — betet' er jezt, und blikte mit Augen voll Rührung Zu dem Gekreuzigten auf, — „wir nah'n in gebührender De— J— muth „Deinem Gnadentiſch, mit irdiſcher Speif’ uns zu ſtärken. „Shüdtern nahen wir nur, denn ‚wie Mander hat ſich wohl heute „Die, Speife * auf's Stroh geworfen, wie Mancher „Irrt auf Steppen vielleicht mit lechzenden Lippen, wie Mancher „Ringe: mit dem Tode jest, auf ewig. Allem entjagend, »Was ein Labfal iſt dem fterblichen Leib — und wir Reiden, „Heberreichen ſteh'n vor tem Mahl, und genießen den Gegen „Deiner Liebe, o Gott, in vollem Mage! — BWohlanı denn, » Was du uns gewahrt, wir nehmen’s dankenden Herzens, „Aber gib, Allgnadiger auch, tag feiner aus uns ift, „Der aus ander'm Triebe ſich ſtärkt, denn darum, daß er wieter „Rräftig fe dienen vermag in —— Geſchäfte, in Uebung „Frommer Prieſterpflicht und menſchenfreundlicher Werke, „Daß er Stüze ſey dem Sinkenden, Krüke dem Kranken, „Dem Verzweifelnden Troſt, und leitendes Licht dem Verirrten. „Dieſes gib, o Herr, ſonſt lieber ſollen wir darben, „Umd in Schmach vergehn als Sünder, Amen! — Er ſprach es, »Amen !«Ewiederholten zuſammt die Mönde, und jezo Rükten die Stühle fie weg, doch harrten fie nor) ſich zu ſezen, Bis der fromme Prior den widerſtrebenden Fremden Hatte genöthigt zu ſizen am Ehrenplaze des Tiſches. Dieſer nahm es numan mit beſcheidener Miene. Zur Rechten Saß der Prior ihm, zur Linken der ält'ſte der Mönche, Ein gebeugter Greis, viel näher dem Grab als dem Leben. Aber jezt noch trug fein Geſicht erhabene Spurrenn Eines gewaltigen Geiſt's, der nur den Jahren erlegen, 443 Die ja Gewaltiges auch in arme Ohnmacht verwanteln. Neben ibm war ein Bruder gejejt, ein freundlicher Graufopf, Der nod) rüſtig war, und mit zarter rührender Sorgfalt Jenem in Allem diente, die Speif’ ihm ſchnitt, und den Becher Ihm zum Munde führte, denn zitternd nur bob ihn der Alte. Hinter Diefen Beiden zur Linfen, und hinter dem’ Prior An der Rechten jagen nod mehr der älteren Priefter. Aber Laienbrüder befezten das Ende der Tafel, Und vie jüngern Mönde, die Dalbgeweihten des Drdens, Die erft faflen follten das wunderbare Geheimnig Senes felt'nen Glüks in tes Klofters heiliger Stille, Diefe bliften noch frei umber, indefjen die alten Schon den ftarren Blik ter Betrahtung hatten. Wenn diefe . Sprachen, jo waren tie Säze gemejfen zumeift; doch bei Jenen, Hielten fie auch das laute Wort zurüfe, jo waren Tod vie leifen Reden in ihrem Kreije fo lebhaft Bon der Mienen Spiel und tes Leibs Zewegung begleitet, Das man gleich erkannte, es treibe nach in den Adern Ionen ſtürmiſches Blut, und fie ſey'n erft Schüler ter Ruhe. An tem overn Ente tes Tiſches ward das Gej;radh nun Lauter und bewegter, es fprang von einem auf's and're, Wie ſich's even fügt in größerm Kreife. Ein Jeder Gibt das Seine dazu, die Frage will Antwort, und dieſe Wekt die nee Frage und fordert’ neue, Erwied'rung. Seder faßt nun auf nad) feinem Gemüth, und verjhieden, - Wie die Gemüther ſelbſt, wird jo die Wendung ter Rede, Die bald hierhin ſchwankt, bald dorthin, Einzelnes jezo Scharf beleuchtet, und jezt an einem der minderen Strahlen Des beleuchteten. Dings ſich zu dem entfernteften binfpinnt, Während im Dunfel oft bleibt, was nah’ ift und werth der Betrahtung. Denn tem Scmeiterling gleicht das Geſpräch, der, flatternd "as im Winde, Ihm zu gehören Teint; — er fliegt von Blume zu Blume, Naſtet auf keiner lang, berührt mit dem Fittig den Flieder, * 144 Naſcht vom Blüthenſtaub der Nelke oder Narciſſe, Weilt minutenlang auf der ſteifen Tulpe, und ſchwingt ſich An der Lilje vorbei, und läßt zur Seite die Roſe. Aljo ging ed aud hier, und Alle gaben fih flühtig Solchem Wechſel hin; nur Einer ſaß an der Tafel Nächſt dem Prior, den nicht der Rede Schwanken dahinriß, Sondern welcher ftets auf einen Punkt nur zu zielen, Und nur auf Eines hin das Gefpräd zu bannen bemüht war. Ward die Sonne genannt, dann fprad) er: „Ach, wie die gold’ne „Andern Ländern ſcheint, die ſchöner find als das unj're, „Weiß wohl unfer geehrter Gaft zu fagen.“ Erwähnte Semand eines Berg’s, fo meint’ er: „Höhere Berge, „als wir hierland’s ſchau'n, hat unfer Gaft wohl beftiegen.“ Kam es auf Waffer zu fpreden, da rief er: „Herrlich vor g | Allem „Iſt dies Element; habt nie am Strand ihr geftanden, „Werther Fremdling? — erzählt uns doch etwas vom Meere !e Aber als er bemerkte, daß fruchtlos alle ſein Lenken Nach dem Ziele blieb, da wandt' er ſich mürriſchen Blikes Zu dem nächſten Bruder, und murmelte: : „Wahrlich, verdrüßlich „Iſt das tolle Geſchwäz; ihr thut, als kam’ uns ein Fremder „Ale Tage ins Haus, ein Wand’rer, der weitum gereist iſt. „»Plaudert ihr da doch fort, als wär's nicht beſſer, zu hören, „Was er felber erzahlt von feinen Geſchiken und Fahrten. „Laßt mich doch nur thun; ich öffne gewißlich die Quelle „Seiner "Erzählungen meinem und eurem Ohre, das leider „Jahr und Tag nur hört, was ed Jahr und Tag ſchon gehört | bat. Diefes murmeit’ er, und im Augenblife gerate Stofte jest das Geſpräch; da richtet’ er eilig die Rede Anden fremden Mann, indeg fih über jein Antliz Schon ein Lächeln ergoß der nahen Freud’, und inteffen Schon fein Haupt geneigt, und der Hals fhon vorwärts ges fireft war, . 4145 Einzufaugen die Kunde des vielgereisten Erfabr'nen. „Wertber Fremdling, verzeiht,‘* ange er mit ſchmeichelnder Stimme, das ih Eines —* Es blikt aus eurem Geſichte „Reiche Kenntniß der Welt, und viel Gewandtheit erſcheint mit „So in eurem Thun, als Fremdes im Laute ver Sprache „Täuſch“ ich mich nun nicht, ſo feyd ihr über die Gränzen „Eures Vaterlands gar. weit. gefbritten, und könntet.» „Viel berichten vom Wuntern. der Erd’. und den Gitten ter Bolfer, „Was das Derz erfreut, und ten Geiſt mit Wiſſen bereichert.“ Wohl, entgegnete trüb) der Wand’rer. „„Vieles erblikt' ich, „„Was noch Wenige jah'n, die reichten, berrlichiten Länder — und —— des Meers, denn weithin bin ich ge— Fommen, » „006 auf der. alpen ie und tief in die Steppen des Südlands. FR Aber was ihr fagt von meinen Zügen — Erfahrung, „„Aber bitt' re Erfahrung bat fie gezeichnet „ und gerne „„Tauſcht' ich heut fie ein um die frohe Miene: tes Fand» manns, ne ‚ten Wes nut — von —* Hütte zur Scheun' und zum Aker, — dem, rükgekehrt von jaurer Arbeit, daheim „„Weib und Kind begrüßt „und ter da betet am Abend: Herr, Meier was mein: das BWeid, die Kinder, die j j Wirthſchaft! sh * vo nicht beten. — —* mein iſt, bin ich alleine, „„Und ein Eigenthum it’ 8, um das mich Niemand beneide lt. Alſo ſprach er, und düfter und düft’rer ward ibm die Stirne, . Und man jab ed ibm an, daf er rang, und Fümpfte, zurüke Eine Thräne zu drängen, die ſchon in's Auge seichlüpft war. Und der Prior ſah's, und wie ein Schatten des Trübfims, Bon tes Fremden Geſicht, ergoß fih's über das feine, Und er faßte die Dandı des Trauernden, fühlte fie sittern, Sabrbücer I. Band. 40 446 Und es zitterte auch in Mitenmfintung tie feine. - TER Aber er jrrady Fein Wort, er blikt' ihm nur an, und genug war's, Solche Blike verfieht, wer. tbeilnahmlofe geichaut hat. Stille war's an der Tafel; doch endlich bemerkte der Prior Weichen Ton's: ‚„Vergebt, wenn unfanft Bruder Metardus, „Deſſen Neugier nicht rubt, an erlebies Leid eud) gemahnt bat.“ Aber raſch und gefaßt entgegnete ihm jezt ver Wand'rer: „Nein, erbabener Herr! mic mahnten nimmer tie Worte „„Eures würdigen Bruders, mich mahnte das eigne Bewußtſeyn. „„Keines Druk's betarf die Wunte, damit fie mich fohmerze, 35» Denn fie Flaffft weitauf, der Verband ift heut' erſt geriſſen. „„Aber id) faſſe mid fhon, und wenn es euch wirklich erfreuen ‚ kann °; „„So bericht’ ich gerne von Allem, was mir geiheben iſt, »»Was- ich geſchaut und erlebt — nur Eines wollt' mir erlaſſen, „„Namen und Vaterland, und was nod) Andres Tas Unglük „» „Gern ins Dunkel verhüllt. Ach, frei mit der goltenen Heimath »»Prabft nur ter glüflihe Mann; er ruft tem Fragenden ſieghaft „„Seinen Namen zu, denn er nennt was Liebes und Gutes. „Aber wer ein gebrohenes Herz bat, wantelte gerne. „„Namenlos durch tie Welt, ter Mebelwolfe vergleichbar, „„Die nur wantert bei Nacht, und finft beim Gtrahle des Morgens, „„Und erft wieder fih hebt, went die Sonne lang ſchon hinab . * if. Wieder ward dem Spreder ein Bhf voll Mitleid vom RN Prior, Und er ſprach: „Wohlan, erzählt — ih hoffe, ihr follt euch. „Mehr erheitern, wenn fo das Schöne, das ihr gewiß auch „Allwärts defunden, neu aus eurer Erinn'rung emporſteigt. „Aber uns auch gebt ihr Genuß, denn eure Berichte „Bringen uns Farben in's Haus zu neuen Bildern, be eben „Uns die öden Gänge mit bunten Geſtalten, verändern „Ueber uns den Himmel, verwandeln die Tannen des Wäldchens „Uns in fremde Bäume, in deren duftenden Zweigen „Fremde Vögel flattern mit buntem grellem Gefieder. „Solche Kunze verleiht fur ſchöne felige Träume, . „Grund und Geſtalten uns; und ach, wer ſelig zu keainen: „Dter zu fhwärmen vermag, der iſt Doch allein der Beglüffe !“ Wonnig lädhelte da der Wand’rer wieter. Er fand bier Einen frommen Mond, ver fhwärmen Ponnte, und Schwärmen Mar es ja auch allein, was ihm einft rublos hinaus zog In die ferne Welt. — Ein folder Prieſter, fo dacht' er, Wird mich nicht mißverfteh'n, und nit dem Geänafteten hart ſeyn. Ja, ihm will ich geheim vertrau'n, was ſchwer ich geſtünde Einem, der Menſch allein, und Einem, der Prieſter allein iſt. Aber er iſt Beides in vollem Sinne. Wohlan denn! Seine Seele ſey's, in die ich ergiebe die meine, Und auf ſeine Hand, die heilige, welche ich küſſe, Bill ih vie Thranen der Reu', die bitterſüßen verſtrömen! Waäͤhrend er dies gedacht, war durch tie Sorge des Priors Schon der ältete Mind zur Ruh' geleitet, die andern Schloſſen engeren Kreis um den Wand’rer, und ſaßen, begierig Auf den jelt’nen Bericht, die Alten ruhig, die Jüngern Mit bewegter Miene, voll Unruh fchaufelnd die Stühle, Theilnahmsvoll der Prior, doch Bruder Medardus, die Stirne Mächtig vorgeſtrekt, mit triumphirendem Lächeln; Denn er hatte allein den Genug doch Allen bereitet, Während er jeloft von Tem Werk ten meiſterwünſchten Gewinn. Aa Kae 12 15 — 1 4 309. Ber: fi 10* 148 nı Refultate der Geburts = und Sterbevechl ee « feit dev, Scugpoten- Sinimpfungs- —2* Von — Franz. Aloys Stelzig, " b. Phyſieus ver Altſtadt Prag RENTEN RE BenhTtuß.)! Nun kehre ich, wieder zu Süßmilchs Sterbetabellen, die befanntlich „ald die. einzigen. in, Deutfchland feit dev, erften Hälfte des; vorigen Jahrhunderts bei.allen politiſch⸗ arithmetiſchen Berechnungen, und bei Gründung der ſo vielen Leibreuten?⸗/ Witwen- und Waiſenverſorgungsan⸗ ſtalten betrachtet, daher auch hiebei benüzt wurden. Höchſt ungerecht müßte man handeln, wenn man ihnen in ſpecieller Hinſicht, nämlich dort, wo die Gebur— ten mit den Stexbefällen gleichen Schritt halten, ihren Werth abfprechen wollte, um fo, mehr, da Europa vor und nach feiner Berechnung ſich mit keinen beffern und fleis- Figer zufammengeftellten Sterbetabellen ausweifen; konnte; und hätte dies Sterbeverhältniß m. gegenwärtigen ‚Sahrz » hunderte durch die VBaccination Feine Veränderung erlitz ten, jo würde deren ganzer Werth fich dafelbft vieleicht noch über Jahrhunderte erftreft haben. Um diefe Bes hauptung dem Leſer Elar vor die Augen zu ftellen, wählte ich hiezu tabellarifche Beweife , und fezte zur Seite der Süßmilchſchen Tabellen meine Berechnungen bei, mit dem Bemerken, daß auch ich hier bei diefen erften Tas bellen, fo wie Süßmilch, mir ein Land oder eine Stadt dachte, wo die Zahl der Geburten der der Sterbefälle, was, wie gefagt, befonders im Durchfihnitte in Prag 149 feit dem 1844ten Jahre, folglich im A5jährigen Bari ee Fall war, immer glei bliebs ah Wenn man num das Sterbeverhaͤltuiß auf Sagen Durchſchutt feſtſezt, ſo ſtirbt: int 1, Nach Süfmilche Berech⸗ | Nach Stelzigs Berechnung nung von 1000 Gebprnen von 1000 — im auf in der meinen | Ende Stadt . I im All⸗ gemei⸗ nen auf dem Lande |, im Sahresalter groß, im Ss Abe 5 den Sabrpsalter afen | 250) 545) 501] afen | 350 | 5141586 vom 2. bie] . vom 2rbiel > zum 5. | 37) 1651 zum 5. | 140 4591121 5—10 48| 381 5-10 | 42 54 30 10—15 14, 10-15 | 92%| 311 14 15—20 20) 1520 | 27%.) 24 31 20—25 50] 20—25 | 24 48: 50% 25—50. - 375 25—30 | 22/0! 418: 27 50—55° 32] 50—35 | 25% | 22] 24% 55—40 "44h 35240 24 45| 55 40—45 551 40-45 | 20 19] 21 45—50 441 45—50 | 25 20| 50 50—55 371 50-55 |. 29 27| 54 55—60 461 55—60 | 56%.| 33) 40 60-65 36] 60—65 } 47%, 45152 65—70. 401 65-70. | 46% u| 7.511 42,0 7075, 501 504, 70—75 |" 59% 54 25 75-80 26] 75—80 | 29%.) 59] 20 180—85- 15] 80—85 | 23 '50) 16 85-90. si S5--90 | 415 47) 43° ‚90—95. 51 90—95 8 9hu8 95—100 af 95—100| 5 2 „4, über Dee — Füber 1001 4 it i eſammt⸗ * Geſammt— * zahl 11000 1000| 1000 zahl 1000 ooojıooo ne Bar Da meine Angabe fo fehr von der Suͤßmilchſchen ab: weicht, fo will ich zur Rechtfertigung diefer Abweichung | | | j 450 die Sterbetabelle, die Dr. Friedrih Erdmann im feiner medicinifchen ‘Topographie des Gouvernements und der ‚Stadt Kaſan*) herausgab, anführen, mit der Bemer⸗ fung, daß die darin befindlichen geringen Abweichungen im mannbaren Alter wohl nur daher zu leiten feyn wer: den, weil er nur das männliche Gefchleht in dieſe Berechnung hinein bezog, Von 4000 männlichen — — — ner Angabe im Aſten Lebensjahre 359,3 — a BL: 6.2.40 52 GR I. 29 a Ta 25 1 — 30., 55 31 — 40 5 52 41 — 50 5 58 Bl — 60 „ 56,5 61 — 70% 62,5 Wer 1 OR R 47 31 — 90 27,5 9 — 100 „ 9 nad) dem hundertften 2,5 Da befonderd die Sterblichkeit im erften Lebens: jahre fo fehr in meiner Tabelle von Süßmilchs Berech— nung abweicht, fo will ich hier einftweilen noch einen zweiten Beweis zur Unterftügung meiner Behauptung an⸗ führen, Dr. Johann Ludw. Eafper fagt ih feinen Beiträs gen zur medicinifchen GStatiftif und Staatsarzneifunde, Berlin, 1825: „Von den lebend Gebornen ftarben in Berlin in den erften Jahren wenig mehr, als die Hälfte; von ch *) Siehe Beiträge zur Kenntniß des Innern von Rußland, von Dr. Johann Sriedrich Erdmann, ruſſiſchem kaiſ. Collegienrathe, Profeſſor der The— rapie und Klinik zu Dorpat. Riga und Dorpat, 1822. 451 5000; 1561. Während der Periode von 4804 bis 1844 ftarben 60 von 100 Gebornen. Die feindlihe Invaſion erklärt dies Hinlänglich. 1806 bis 4808 farben gar 7A von 400. In den lezten 8 bis 40 Jahren- bleiben: unge- er> von 100 am Leben“) u. f. w. 7P2 ı Aus diefem nur in Kürze Ermähnten ifts tlat erwie⸗ * daß, wie ich ſchon erinnerte, Süßmilchs GSterbeta- bellen wohl im vorigen Jahrhunderte, folglich vor der Einführung der Vaccination brauchbar waren, : daß fie es aber deshalb jezt nicht ſeyn können, weil gegen: wärtig. das Verhältnig der Sterbefälle nach den verfchie- denen Altersperioden geändert erfcheint, So 3. B. fer: ben vermög des Ausweiſes beider Tabellen von 1000 Ge⸗ bornen im erften Lebensjahre im Allgemeinen jezt 350, wo im vorigen Jahrhunderte nur 250 mit dem Tode abgingenz ebenfalls ftarben fonft bis zu Ende des vierten Sahres nur 407, jezt ſterben hingegen ſchon beinahe 500, folglich ſchon die Hälfte der Gebornen dort, wo Geburten mit den Sterbefällen im Gleichgewichte frehen; wo himges > im vorigen Jahrhunderte diefer Sal erft gegen das ‚Sahr eingetroffen iff. Dieſem gemäß Fommen -jezt der anderem AR zurüf: onen Hulk der Gebornen ganze 15 Jahre zu Gute, *) So eben als ich diefen Auffaz beendigte, theilte mir ber kön. bairiſche Rittmeiſter aus Büdingen, Hr. Bickes, wehrhaft intereſſante Notizen über die Bewegung der Bevölkerung von Frankfurt am Main mit. in welchen er mir alle dort, durch volle 12 Sahre, nämlidy feit 1817 big 1328 gefchloffenen Ehen, Geburten, Sterbefälle u. f. w. offen darftellte. Diefem Ausweife zu Folge ſtarben dort in diefem ı2jährigen Zeitraume - in der Gefammtzahl 13,438, und zwar 6313 männliche, und 6623 weik- liche Individuen, unter welchen ſich 639 Todtgeborne befanden, Hie— von farben aber im erften Lebensjahre im Durchſchnitte unter 1000 Gebornen mehr denn 360 Individuen, und fomit ift auch hier der Be— weis hergeftellt, dab im laufenden Zahrhunderte um 100 Sterbefälle unter jedem 1099 der Gebotenen 119 mehr wreignen, als im verfleifiiten. 152 Er. ‘ um welche fie im Durchſchnitte Länger Teben ,. und es fter: ben verhältnißmäßig dann auch ſtufenweiſe vom G6ten Fahre anzufangen, bis zum 6oſten alljährig ‚weniger Mienfchen, - als nach der Süßmilchſchen Angabe im vorigen Jahrhuns derte geftorben find, .. Bom Kolten His zum 8oſten Jahre, in der Epoche nämlich, wo nad) dem Laufe der Natur in der zweiten Hälfte der Lebensdauer: fi die meiſten Sterbe— fälle ereignen, stelle fich zwifchen Süßmilchs und meinen Angaben beinahe ein Gleichgewicht ein, doch für die übrie ‚gen 20 Lebensjahre,’ nämlich vom sofern His 400ſten Fahre erübrigt das gegenwärtige Sahrhundert mehrere Indivis duen, und zwar von jenen, die bis zum 6oſten Jahre wer niger geftorben find; deshalb ift auch jezt die Zahl derjes nigen, die das solle his 85ſte, das S5 bis 9ofe, das gofe bis Höfe Jahr erreicht haben, verhältnigmäßig größer, als in der Süßmilchſchen Berechnung, und.diefes Jahr: hundert zählt unter jeden 1000 Todten einige Individuen, die. von 96 bis 100 Jahren und noch Darüber gelebt ha— „ben, wo. nach Süßmilchs Berechnung mit dem gäften Jahre, die Geſammtzahl der Geborenen ſchon wieder aus: geftorben iſt. Zur nähern Heberficht diene, gegenwärtige Tabelle, ‚die nad) einzelnen Lebensjahren zufammenge- ſtellt uf. DET 155 = Nach Sußmilchs Berech⸗ nung*) Nach Stelzigs Berech⸗ nung | im | "die | von 1000 '| alliährlich ſj im | die | von 1000 aujährlich Jahre Zahl Sebornen |einer vonfIahre| Zahl Gebornen ‚einer von J 250F4000 | ‘4 | a 1350 400003 2189] 750. 8 1 2] s2 | 650 g: "3|43 | 661, | 15 5 | 37 |) 568:| 15 41 25 19648 25 4\ 21 |: 5351| 25 5| 4#|: 595° | 42 5 | ı5 | 51o'| 59 "64121 579: | As 6 |: 9 | 497 | ı55 z:| 41 |= 567: | 51 71 si ass| 61 '8.| :9>|: 556: | 62 s| 6| 4so| so y| 8) 547:| 68 9 | 6]: 474] 79 101 71. 559 77 10| 6] 468 | 78 al 51552: Ja10o6 Jan | 5], 4620| oo 12 | 4) 7597. | 132 4122| #| 457 | 154 13] 4 | 525: | 151 13 |’ 4 1: 45501-145 1414| 2| 519 | 4159 Jaa| 21.449 | 419 5| | 515 | 429 15 | Bl Aaas0| so 16| 41-541 | 128 1461 5440 88 47| |: 507. | 197 | |: A350) 72 18:| 4 |: 503 | 126 18 | 64290 74 j >») Sn feinem Werke hat (Seite 319, 2.8.) Züßſmilch in dieſer Tabelle J noch eine Columne, wo es heißt: Summe aliler Lebenden in jedem 5 Sabre, nebik denen die darunter find.” Diefe habe ich gefliſſentlich Hier nicht angeführt, und auch bei meinen Berechnungen nicht \in Anbetracht gezogen, weil diefelbe nur geringe Wahrſcheinlichkeit enthält, die dazu nod) beinahe Alles von ihrem Werthe verliert, wenn man die Neful- tate der alljährlichen Volkszählung in einem Lande oder in einer Stadt mit dieſer Berechnung vergleicht ; denn nad) ber dort angegebenen Anz che müßte nad) dev jährlichen Zahl der Geftorkenen, Prags Eisilbe= völkerung allein für fid) 121,700, Böhmen Dingegen nur 2,936,700 See⸗ in sählen, wo dod) eritere wad) der Volkszählung vom Zahre 1827 ohne ' die Garniſon nur 107,%00, Böhmen Bingegen 3,736 ,840 Köpfe ausgewie⸗ — fen hat, . — — J 45% Nah Sußmilchs Berech⸗ im Jahre | bie Zahl PPPPPPREEREEEBEREELELELELCERLELELS | | von 1000 Gebornen —— — — — — — — —— — — — ——— — — alljährlich im einer von J Jahre 125 19 12 20 98 21 97 22 96 23 95 424 94 25 95 26 92 27 91 38 75 #29 74 1 50 3 I 31 72 32 71 33 70 4134 69 35 58 136 57 137 56 1 38 55 5 39 54 40 55 AL 52 42 51 5 50 44 49 45 48 46 41 47 40 48 59 49 38 50 55 51 32 52 | die Zahl »Ssssäauuosguuuspenup+resouunee = oO ur or or Ot | von 1000 Lebenden 4133 his 413: 408 403 398 393 389 555 381: 376 571 "567 565 358 553 348 : 544 3539 334 329 324 320 316 512 308 504 299 294 289 284 279 27% 268 Nah Steljigs Bere): alljährlich einer- von \ 455 Rad) Süßmilchs Berech⸗ JNach Stelzigs Berech⸗ nung > 55 54 55 56 | 67 58 59 60 wuPP>noaSsänsnnncono die ‚nung | von 1000 alljährlich 10 — — im bie, | von 00alljährlich GPU © 456 Nah Süßmilchs Berech⸗ | Nach Stelzigs Berech⸗ nung nung im die von 1000, | alfährih im i von 1000 Palljährlich Sahre| Zahl | Gebornen | einer von J Sahre | — — Lebenden einer von Ira ran o° —— © 2 2 ‚2 2 4 4 4 1 4 ' | | J. — IIIlewarnoruon | Summal1ooo| Am auffallendften tritt beim erſten Anblik a ‚ wie fhon erinnert wurde, die gegen das vorige Sahrhundert durch 100 vermehrte Zahl der Geftorbenen im erften Les bensjahre hervor, um fo mehr, wenn ich aus ämtlichen Duelfen beweife, daß diefes Verhältniß auch während der 45 Jahre, wo die Impfung in Böhmen allgemeiner auge geübt wurde, eben fo befchaffen blieb. ' Aber nicht vieleicht in Böhmen alfein, fondern im Durchſchnitte auch in andern Ländern und Städten Euros pens ereignet fich der Sal, daß gegenwärtig entweder ſchon in dem eriten Lehensjahre im Durchſchnitte 100 Ins dividuen mehr als im verfloffenen Sahrhunderte fterben, oder daß anderfeitd, wo ſich in Diefem Zeitraume nicht fo viele Sterbefälle einftellten, Diefer Abgang dann im den 157 nachfolgenden 3, 4, höchſtens 5 Jahren, wenn nicht * ſtiegen, dennoch ſicher erſezt wird — Wbvo duͤrfte wohl hievon der Grund zu finden ſeyn Anzunehmen, daß es der Wille des Schöpfers ſeyn folkte, gegenwärtig unsern Welttheil vor zu fehneller Verdopplung oder, por, einer Ueberbevölferung zu fchüzen, daher ein Gleichgewicht dadurch. zwifchen den fpäter durch die Im— pfung am Leben Erhaltenen herbeizuführen, iſt nicht denke bar, und läßt fih nicht mit feiner Weisheit vereinbaren. Der Baccine Fann es nicht zur Laft gelegt werden, weil; die meiſten von diefen ©eftorbenen derfelben noch nicht theilhaftig wurden, um fo weniger, weil die, ‚größte Sterblichkeit in die erften 12 bis 20 Wochen nach der Geburt fällt, wo alſo, befonders auf dem Lande, wohl « Die) wenigften geimpft werden fonnten. Diefem gemäß muß die wahre Urfache anderswo, mithin ganz allein in der phyſiſchen und .moralifchen Handlungsweife der Mens ſchen gefucht und aufgefunden werden, Ich meines Theile finde eine verhältnißmäßig arb⸗ ßere Sterblichkeit bei Kindern in jenen Familien, wo de⸗ ren ſehr weichlich erzogene Eltern, ſi ch ſehr dem Iururide ſen Lebenswandel hingeben, und wo folglich dann auch die Kindererziehung naturwidrig eingeleitet wird, daher ſolche Sproößlinge oft nicht. für das Clima, in welchem fie geboren wurden, und in welchem fie leben follen, ers zogen werden, mithin mie Treibhauspflanzen ſchön wads ſen und blühen, aber zur Reife gebracht, ſelbſt dann keine derlei dauerhafte Fruͤchte erzeugen fönnen, wie jene, bie naturgemäß. gepflanzt ,, und, ihrem angebornen Clima und ihren -fpätern Verhältniffen angemeffen ‚erzogen wurden, Sn “N Do diefe größere Sterbtihtsit im eriten Lebensiahre aber “auch während‘ der ziveiten Bälfte des vorigen Jahrhunderts in Böhmen Statt gefun⸗ den di, Tann ic) leider deshalb nicht bejahen, noch Yerneinen, weil man ſich damals in den⸗ Hauptausweiſen meiſtentheils nut.um die Total⸗ ſumme der Geſtorbenen bis zum sten Lebensjahre, nicht aber einzeln auch um die ſchon im erſten Jahre Dahingeſchiedenen bekümmert hat. 88 Sehr viel, ja vielleicht a am meiſten trägt zu der übermäz Figen Zahl der Sterbefälle im erften Letzensjahre die im diefem Jahrhunderte fFetd zunehmende Zahl der‘ —* chen Geburten bei; weil unehelich gezeugte Früchte mei ſtens eine drükende Laſt der Gefallenen find, die jene 3 lange als möglich auf Koften fo ihrer, wie ihrer Liebes— pfänder Gefundpeit zu verbergen trachten, oder deren ſich diefefben oft auf mannigfaltige Weife zu entledigen fuchen. Nicht minder treffen in unehelih Schwangere viele, theils phyſiſche, theils moralifche unabfichtlihe Momente zu: fammen, die alle insgefammt, wenn nicht jur Vernich— tung, doc häufig zum Schmwächezuftande der Keibesfrüchte beitragen; eine Erfahrung, die wohl alle Gebärhausver- waltungen Europens unterfertigen dürften, um fo mehr, da im Dürchfehnitte beinahe alle in jenen Haͤuſern Ges bornen fhwächer zur Welt fommen, und im Verhältniß auch viele davon gleich in den erften Tagen ihred Dafeyns fhon wieder dahin fcheiden. Daß ferner die Sterblich— Feit der unehelich Gebornen fo in Findelpäufern, wie da, wo fie auf Koften des Staates von Pflegeeltern oder fogar von eigenen Müttern erzogen werden, immer größer er— ſcheint, als bei ehelich Gebornen, ift ein Erfahrungsfaz, der feiner Beweisführung mehr benöthigt. Aber nicht allein unmittelbar, fondern auch mittelbar trägt die’ une ehelihe Kindererzeugung fein Schärflein zur vermehrte Sterblichkeit der Neugebornen bei; meil hiebei die phyſi— ſchen Kräfte der Jünglinge vor der Zeit vergeudet werden, daher für den Ehejtand hievon dann oft nur ein ſchwa— cher; Ueberveft erübrigt , der entweder nur zu bald ver- ſchwindet, oder den Impuls zu einer ſchwachen Generation geben kaun. Ergeben fich aber fogar verehelichte, früber ſchon fo gefhwächte Männer diefem Lafter, dann ift das Schikſal folher oft doppelt Gezeugten noch verhängnife voller, daher auch deren vermebite — um ſo gewiſſer. 459 Ein zweiter Grund der vermehrten Kindermortalität, fagt Dr. & Eafper *), liegt in ben Berhältniffen mans her Ehen, die ohne hinlängliches Auskommen gefchloffen werden. Dann find in Berlin, al3 dem Centrum: der Berwaltung, fo viele zu einer der Kindererzeugung ungüns igen fizenden Lebensart verdammte ausgetrofnete Rechen oder Schreibmafhinen, in deren Sprößlingen der von ihren Vätern empfangene ſchwache Keim melft. ‚Unter mehreren andern dürfen aber auch jene Urſa— den, die zur vermehrten Kindermortalität das weibliche Geſchlecht theils mittels theils unmittelbar, vielleicht jezt mehr ald im vorigen Jahrhunderte Veranlaffung geben, nicht übergangen werden; denn daß die unfinnige Mode ihrer küraßförmigen Schnürbrüſte, die oft während der Schwangerfchaft nicht abgelegt werden, daß die fchlüpfrige Lectüre, daher der dadurch auf Koften der Förperlüchen Kräfte verfeinerte Geſchmak, Empfindelei, Eofetterie, dann ein Lafter, welches ich mich hier zu bezeichnen fchäme, und der hier und da immer mehr und mehr überhand nehmende dftere tägliche Gebrauch eines ſtarken Kafferabfudes, die and Uebermaß gränzenden wilden Tänze u. a. m. zu Kranfpeiten den Grund legen, die entweder zu Anomalien der Regeln, zu Frühgeburten, zu Blutfiüffen, daher zu Uebeln, die alle insgefammt dem im Mütterſchoße ſchlum— mernden Sprößlinge Feine gefunde Herberge verfchaffen, mithin auf denfelben nur ſchwächend eimwirfen können, iſt eine Erfahrung, die mit mir nicht vielleicht Aerzte- allein, fondern jeder andere Beobachter theilen wird. | Daß aber die Sterblichkeit: im gegenwärtigen Jahr— hunderte vom 6" Jahre angefangen wieder geringer ſich darjtelit, das wird wohl eines Theils der Vaccine, andern Theils aber der im Durchfihnitte jezt mehr gediegenen aͤrztlichen Einwirkung, und den immer mehr und mehr zur Bollkommenheit gefteigerten medicinifch = polizeilichen *) Beiträge zur mebicinifchen Statiſtik und Staatsarzneitunde. Berlin, 182%. 160 Mafregeln zugefchrieben werden; müffen, weil das, Men-- ſchengeſchlecht dieſes Jahrhunderts nicht mehr fo, wie das des vorigen periodiſch durch Peften und andere epidemifche bösartig wüthende Kraufpeiten, wegen der zur, gehörigen. Zeit angewendetem. kräftigen Entgegenwirkung , und Behe⸗ bung der Urfachen. u. f. w. in diefem Grade entvölkert wird. Auch iſt es Diefem gemäß beinahe ganz erwiefen, daß die Sterblichkeit unter: den Erwachfenen in Folge der Kuhpokenimpfung bis:zur gegenwärtigen Zeit nicht. zuge⸗ nommen habe, daher es auch ungegründet iſt, „daß nach der Meinung der Widerfacher fie den natürlichen, Entwik— lungsproceß des Ihierlebens hemme, eine Anlage zu vers fehiedenen chronifhen Hautausfchlägen,, und. überhaupt ein fieches Leben zurüklaſſe, welches leztere dann eben fo rafch wieder, als es fich entwifelt hat, verwelfen werde ;** denn bei guter Gefundheit und mit reiner Haut leben noch diejenigen, die vor 28 bis 29 Sahren in einem Alter von 8 bis. 12 Jahren geimpft wurden, folglich jezt im zefen bis Aoften Jahre, ohne daß fie es je bedauert hätten, fih der Vaccination unierzogen zu haben. Vor einzelnen Sterbefällen vom sofern his Soßen Jahre. kann wohl hie und da ärztlihes Willen fehüzen, oder manchen in diefen Jahren von einer gefährlichen Kranke _ heit Heimgefuchten vetten, doch dem gebührenden Tribute des Todes kann es ſich bei aller erdenklichen Mühe wohl häufig nur fruchtlos widerſezen. Doch daß oft nach dieſer Periode noch Menſchen [eis dentlich mittelft diätetifcher Vorſchriften, oder hie und da durch aͤrztliche Einwirkung ihr Leben friſten, iſt bes ſonders in jenen Ländern und, Städten, wo mehr oder weniger diefelben zwekmaͤßig und allgemein in Nuzanwen⸗ dung gezogen werden können, „fichtbar. . So erreichen 3. B. in Prag im, Berpältniß mehrere Menfchen Das 100 bis 445%, Sahr, als auf dem Lande, wo ‚ung hievon befonders der 4828 Jahrgang einen binveichenden Bes — 104 weis liefert, indem damals in Prag acht Individuen mehr denn das 100 Jahr, folglich zwei unter. jedem Zaufend der Geftorbenen erreichten, wo fürs Land das Verhältniß nur wie 1000 zu A ausfiel. Doch nicht ganz allein kann und darf diefes glütkliche reigniß der Einwirkung der Arzneikunde zugeſchrieben werden, weil fie eigentlich Dort fi) nur eine günſtige Wir— fung zu verfprechen vermag, wo fie durch hinreichende Naturkräfte unteritüzt wird, und. weil auch oft im man⸗ chen Ländern die älteften Menfchen gefunden werden, die nie Arzneien zu fid) genommen oder zu nehmen fi ihnen feine Gelegenheit ‚dargeboten hat... So bin ich der feiten Meinung, daß viele von diefen Meuſchen, ‚die in dem fo umfangreichen Rußland, ‚ wo es überhaupt. im Oanzen noch an einer genügenden ärztlichen Behandlung der Lande bewohner gebricht, ein hohes Alter erreicht haben, es wohl mehr ihrer angebornen feiten Leibesconftitution und naturgemäßen Lebensart, als irgend einer ärztlichen Vor— fhrift werden zu verdanken haben. Dem fey aber wie ihm wolle, dem ruffifchen Neiche gehört der Ruhm, daß es in Europa die älteſten Menſchen aufweiſen kann. So erreichten im Jahre 1827, vermöge einer von der Synode publicirten Ueberſicht der der griechiſchen Kirche zugethanen Eiuwohner*), unter 828,564 Geſtorbenen 733 Individuen das 100%, 85 das 115°, 51 dası2ole , 21 das a2sfe, 7 das 450Re, 1 das 155Re, und A das 440° Jahr. Sm J. 1821 hing gegen Famen unter 945,088 Geftorbenen 724 Menfchen vor, die das 100, 224 die das A105, 120 die das 110%, 78 die das 148te, 49 die das A20fe, 46 die das a25fe, 5 die das 150fe, 4 der das 445 bis 15ofe, und noch einer der das 150 bis ı55fe Lebensjahr erlebt hat. Ungeachtet aber Rußland viele Menfhen auf zuzählen vermag, die ein fo hohes Alter erreichen, fo *) S. Innöbruter medic. chirur. Zeitung, 1322, % B. ©, 1275 1827, 1. B. 383, Sabrbüder I. Band. 4 162 fteht es doch im Allgemeinen nicht in einem ſolchen Ver⸗ haͤltniſſe, daß es ſich bei jedem 1000 der Geſtorbenen mit einem Individuum ausweiſen könnte, welches über 100 Jahre gelebt hat, welcher Fall ſich doch, meinen Quellen zu Folge, beinahe in allen weftlichen und füdlichen Ländern und Städten Europens im Durchfchnitte ereignete, und da, wo das Verhältniß im mehrjährigen Ducchfchnitte nicht wie 1000 zu 1 eintrat, da waren es fiher 7, Theile von 4, wo hingegen Rußland immer nur bei dem — wie 1000 zu 7, verblieb. Nun übergehe ich zu den fernern Nefultaten, die aus A aufgeftellten Tabellen felbft Hervortreten. - Dergleicht man Ddiefe Tabellen (S. 149 nnd 153) unter einander, fo ftirbt bis zu Ende nad Süßmilchs nad) Stelzigs ’ Berechnung Berechnung des 4A. Lebensjahres Einer von 4 — 5 um das 10. Lebensjahr & A a; » .» 20. ”„ : „ „ 126 — 83 ” „» 50. „ ” ” 74 — 82 m 79 20, ER „nn 54 — 8 ” » 50. ” ” „ 58 — 58 » 55. 27 2 „ 29 — 55 2.9 ” 60. „ ” ” 24 — 26 ” » 65. „ ” ” ae 16 — PR) 70. 27 ” ” 12 — 14 » „» 75. b>) „ ” — —— 80. 2 7 — 10 — ».9. ” ” ” 4 _ 6 „.,.9..90 „ "9 De nn.» 9%. 9— — en ” ». 97. „ 77 „ ad Kt] ” “ 98. „ 9 „ ey) Se rg ” » 9. „ „ ” DRM Yo 27 „100. „ 27: aaa Se: she Yıo über 100. 165 Eben fo, wie ſich in den Aojährigen Zwifchenräumen die Sterbeverhältniffe im diefem Jahrhunderte geändert haben, eben fo muß diesfalls auch eine Aenderung in der Dauer der Fünftigen Lebenszeit, der Fünftigen \ | | \ Lebensdauer u. ſ. w. fi) einftellen. Der bildlichen —— wegen, wählte ich wieder eine tabellarifche useinanderfezung, welcher aber folgende Erklärung vor— -angefchikt werden muß. Will man das Wahrfcheinlichfeits « Verhältnig wiſ— fen, wie lange einer in einem feftgefezten Jahre noch hoffen könne zu leben, und wie lange Hoffnung und Furcht einander gleich feyn werden, fo fieht man in der Tabelle Seite 155 nad), mo fich die Hälfte, nämlich 250, von der zweiten Hälfte der Geftorbenen befindet. In Süß— milchs Tabelle erfcheint bei dem 75ſten Jahre die Zahl 246, welche der gefuchten am nächſten kommt; in meiner Tabelle aber erſcheint rein die Zahl 250 bei dem 5afn Jahre. | Wenn man nun 19 von 57 abzieht, fo zeigt bei Süß— milchs Tabelle die Differenz 38 die Jahre, die einer noch wahrfcheinlich zu leben hat; in meiner Tabelle aber, wenn man. 5, nämlich das Jahr, wo fehon die erite Hälfte der Gebornen wiedersabgeftorben ift, von 55 abzieht, fo iſt dann die Differenz 50, folglih um 42 mehr als bei Süßmilch, und es ift daher im Allgemeinen das Wahr: ſcheinlichkeits-Verhaͤltniß der Eünftigen Lebensdauer in dieſem Jahrhunderte vom 38ſten his zum 5Sofen Jahre ge— fliegen. Nach dieſer erklärten Methode habe ich folgende Tabelle entworfen, in welcher die zweite Golumne die ahre anzeigt, die einer in jedem Jahre noch wahrfchein: lich zu leben hoffen Fan. Die dritte Columne zeigt das ganze vermutpliche Alter eines jeden Menſchen in jedem Jahre, das man erhält, wenn man zu den noch hoffen: n Jahren die ſchon gelebten Hinzufügt. u 14* 164 Nah Steljigs Berech⸗ nung Nach Süßmilchs Berech⸗ nung rünftige Lebenszeit J vermuthli⸗ ches Alter künftige im Lebenszeit Jahre vermuthli⸗ ches Alter im Jahre 19 0— 0—i 19 1 1 2 4 40 1— 2 BERN a er 35— 4 | 50 . 47 5-4 4—5:|. 51% |..47%h a 5 b—6 52 47 8,6 6—733 47 6— 7 eu 53"% A6Y, u, 8— Bu BT Ye 46° 8:9 9-10 54% 45, 4... 9—10 10—11 55 45 10—11 12—13 55 45 12-13 45—1A 55% ka, 15—14 44—15 | 55% | Ad 1445 45-16 56 A, 15—16 416—17 56 40 46—17 39,9. .47—18S | 60 13° 38%, 1 18—19 | 60% | 42% ‚38 19—20 | 60% WA 57 »20—21 61 44 36%] 24- 22 61% 40% 354,1 22—25 ı 61% | 39% 35 23-24] 62 . 59 34 24—25 | 62% 38% 35% 1 25—26 |. 62% 37% 32,1 26—27 } 62% 36% 32 27—28 | 62% 35% 51 28-29 I 63 35 50% 9 29—50 3% 34% 30 50—51 | 63'% 33", 29 51—32 | 657% 32% 287,1 33-33 |. 09% | 817 8 55—34 1412 | 55 44 | 141—12 165 Nah Süßmilchs Berech⸗ nung — — vermuthli= | Fünftige ches Alter | Lebenszeit 166 Nah Süßmilchs Bered: | Nah Stelzigs Berechs nung nung VE SEE TEE — — künftige im Lebenszeit Sahre im vermuthli= Sabre des Alter 96— 97 97— 98 95— 99 99_-100 über 100 96—97 68—69 | 76% 8, 1 68— 69| 77 9 69—70 | 77 8 69— 70| 78 9 70-71 | 78 s 1 70— 71| 79 9 I 7172 | 78% 7,1 a1— 72| 80 |°9 72—73 | 79% TAN T2— 731 805 9% 75—74 | 80 7 73— 741 u 8 7h—-75 | & 7 74— 75| 82 8 75—76 | 81% 6; 75— 760 82% | 7% 76=-71 | 82 6 N ie [Ä 77—78 | 855 6 7 781 84 7 7s—79 | 84 6 73s— 79) 84% 6%, 79—80 845 5% 79— 80 845 5% so—81 | 85% 5,1 80— 81] 86 sı--8s2 | 86'% 5,1 sı— 82| 87% 6%, 82—83 | 87 5 1 82— 85] 88% 6% s5—84 | 88 5 835— 84| 88% ByA Ssa—85 | 89 5 84 — 85| 89 5 s5—86 | 89% 4/1 s5— 86| 90 5 86—57 | 90% 4a 8S6— 87| 91 5 87-58 | A 4 s7— 881 91% WA s8—89 | 92 A 88— 89] 92% 45 89-901 95 4 89— 90) 93 4 90-91 ! 94 4 90— 9| 9 - 4 91—92 | 9% 5; 1— 92) 9 4 9—95 | 9 3 93—94 95% * 94—95 | 96 2 94 — 961 97% 3% 95—96 | 96 1 95— 9| 97% 2%; 0 3 1 92— 95] % 4 2,1 95— 97 A 467 ‚Eben fo, mie in den erftern Tabellen, ift auch hier ein Unterfchied in der Beitimmung des vermuthlichen Al: ters und.der Fünftigen Lebenszeit zwifchen Süßmilchs und meiner Berechnung gleich beim erften Anblik-fichtbar, weil Erfterer im erften Lebensjahre eine Fünftige Lebenszeit von 49, ich aber nur von 5 Sahren verfpreche; im zweiten Jahre ift bei mir die Fünftige Lebenszeit mit 39, bei Süß— milch mit 4035 im dritten Jahre bei mir mit 47, bei Süß— milch mit 455 im vierten Jahre bei mir mit 49%, bei Süßmilch mit 47 u. f. w. bezeichnet, fo zwar, daß meiner Berechnung zu Folge die Menfcher, wie fhon erwähnt wurde, im Durchfchnitte jezt in Böhmen, und mie bald erwiefen wird, auch die übrigen Bewohner Europens, eine längere Lebensdauer zu erwarten haben. Daß meine Berechnung hierin ſich andern diesfalls anfgeftellten Berechnungen fehr nähert, ja bie und dA mit denfelben gleichftimmig erfcheint , fol folgendes Neful: tat”), das unlängft von der kön. Akademie der Willen: ſchaften zu Stofholm zur Publicitaͤt gebracht wurde, dar: thun; doch muß hiebei bemerft werden, daß es wieder nur da brauchbar feyn kann, wo in einem Lande oder einer Stadt Geburts= oder Sterbeverhältniffe ſich gleich blei— ben, oder mo man fich nur mit beiläufigen Durchfchnitts- zahlen begnügen, mithin, wo man fi) aus der Mehrzahl der Gebornen nur eine runde Zahl von 1000, 400,000 oder 1,000,009 Lebenden herausheben, und dann die Eterbefälle Hievon abziehen will. Stellt man meine und Die izt erwähnte Berechnung in eine Parallele, fo hätte der Europäer *) Siehe Prof, Schnabeld General: Statikif, 1. B. ©. 143. 168 nach ber Stokholmer nad) Stelzigs —D——— Berechnung Berechnung vom 1. Sahre noch zu hoffen 52 J. 2M. — 39 3. ” 5. „ ” 50 „” 5» — 50 5 » 40, „ ” 47 Baar 1775 474 ” „» 45. ” ” 135,8, — Hy „20. ” ” 40,5 ”, — 40 5 ” 25. 2 ” 57 1 „9,45, 37) ” » 90. 9 ” 3539 — 557% LE ” 55. ”; ” 50 „ 4 „. m 29% „,. 2 40. „. ” 277,6. — 257% ” 20 45. 27 390480 238» —.22 ». 50. 00» 20 b — AT 55. ” ; ” 17 2 5 RB 14): ” » 60. ” „. 14,55 — 42 m „ 65. ” 27:99, 41 ».8 „ — 10 57 ”: 70. ” ui 92; I 2 I m „ 75. Vi) „ 7 ” ö MB} 74 ”». „» 80. ”, „ 4 »5» — 65 9, 85. I; ” 2 Ti mn 9:9 ” 90. „ » 1 9m — 4 WET ” 95. * 1 STE 4 9 41T A BB) „ 100, ” „ at ah Stellt man diefe Auseinanderfezung gegen einander, fo fälle hier eine bedeutende Differenz im erften, und dann vom 8hdſten Lebensjahre anzufangen, zwifchen unfern Angaben auf, wo aber erftere dadurch erklärlich tft, weil in Schweden eine bedeutend geringere Sterblichkeit unter den Gebornen im erften Lebensjahre Statt findet. Doc wie fihon erwähnt wurde, mit dem Sten Jahre iſt das Gleichgewicht, weil das im erſten Jahre Erübrigte nur für die Fünftigen 3 bi3 4 Jahre aufbewahrt wurde, wieder hergeftellt, und von diefer Epoche angefangen, waltet dann zwifchen unfern beiderfeitigen Berechnungen bis zum söten Jahre beinahe gar Fein Unterfchied nd. Daß aber 169 gegenwärtig in Schweden weniger Menfchen das Greifen alter erreichen, als vor 80 Jahren, nämlich in diefer Zeit, wo Vargentin *) feine Abhandlung über Schwedens Ges burts= und Sterbeverhältniffe bekannt machte, ift wahr: baftig auffallend, um fo mehr, als alle unter. gleichem Himmelsfteiche liegenden, dazu noch angränzenden Länder ſich hierin ähnlicher Vorzüge, wie die übrigen theils mehr ſüdlich, theils Pk lieamiden. Staaten Europens er⸗ freuen. Nach dieſer Bergleiung will ich nur noch zu Fine laifons Berehnung der mittlern Lebensdauer der Menfhen übergehen, und fie dann mit meiner Angabe vergleichen. Um es aber ganz Flar vor Augen ftellen zu können, dürfte zuvor eine Furze Erklärung derfelden manz chem Lefer vieleicht nicht unwillfommen erfcheinen. Die mittlere Dauer des Lebens nennt und findet man, wenn man die Summe aller Jahre, die eine gewiſſe Anzahl Perfonen gelebt hat, addirt, und nachher durch) die Zahl der Perfonen dividirt. Quotient ift dann die mittlere Zahl der Jahre, die ein jeder gelebt Hat, und gelebt haben würde, wenn ihre Lebensjahre alle: gleich ge— mefen wären. 3. B. wenn von 3 Perſonen eine 6, die andere 10, und die dritte 14 Jahre gelebt hätte: fo würde die Summe der von ihnen durchgelebten Jahre 50 bes fragen, und ein jeder würde 10 Jahre befommen, diefe lezte Summe iſt alfo dasjenige, was man mittleres Alter nennt, | Diefe mittlere Dauer des Lebens erfordert alfo, daß man die Zahl der Jahre von jedem Geftorbenen wiffe, und fo auf befchriebene Art verfahre. Man fieht Leicht, daß diefe Methode etwas mühfam fey. Meiner Einficht nach kann man aber diefer mühfamen Arbeit leicht aus. weichen, da die fchon oben bezeichnete Art, die wahr: *) Siehe Abhandlungen der ſchwediſchen Akademie, Kol. 17, ©. 15. 170 ſcheinliche Hoffnung des Lebens zu finden, mit dieſer Mes thode in der Beftimmung der mittlern Lebensdauer .beis nahe durchgängig einerlei Refultate Liefert. Nah Finlaifons Berehnung*) fol gegenwärtig bei dem, durch die Einimpfung der Schuzpoken fo vor: theilhaft geänderten Verhältniffe der Lebenden zu den Sterbenden ein jähriger auf noch 541 Lebensjahre, »A10 5 „.» 48 „ ”» 20 ” ”„ 2) 44 ’ ” 40 „ ” 07 36 5 2 60 27 27 Eh) 22 „ 27 60 „ eh) ” 15 ” = A 930 „, zu rechnen haben, während von dem Jahre 1695 — 1789 die mittlere Lebens: dauer bei einem jährigen, 41 Jahre, | ” ” 10 27 38 2 399 20 55. 31 5 ” ” 50 ” 27» 22 27 40 27 22 „ 9.22.1939 50 2) 17 „ 22 27 60 27 12 ku). a EL Eh: 7 5 betrug. Da diefe Angabe einerfeits hie und da richtig, und durch andere Erfahrungen bewiefen wurde, hingegen aber anderfeitd ganz ungegründete Nefultate geliefert zu haben fcheint: fo will ich zum Schluße hier nur noch folgende Vergleichung anftellen. Hat folglich jeder Lebende eine mittlere Lebensdauer im gegenwärtigen Sahrhunderte, mo nämlich die Vaccine ihren wohlthätigen Einfluß auf die menfchliche Natur äußert, *) Siehe Prof. Schnabels General-Statiſtik. 1.8. ©. 149: 171 nn: Ma Finlaiſons nach Stelzigs — Verecnung Berechnung im 5. Jahre auf —95 [2 pe 50 Jahre, ” a 48 — 47705 ⸗ an — œ— 4 ii 40 a „A » nm 56 25% » 60. 22 — 17 35 „ 60. men. 45 aa ” 5 le 5, 10 — 9 Anſpruch aa mithin unterfcheidet fich feit dem yoften Jahre deſſen mittlere Lebensdauer auffallend ‚nicht nur von der meinigen, fondern eben auch fo von der, der ſchwediſchen Afademie der Wiffenfchaften, welche, wie bes kannt, mit meinen Angaben beinahe gleichlautend fich darftellt. Eines andern Verſtoſſes fcheint fih Finlaifon ans derfeits noch ſchuldig gemacht zu haben, bei der Angabe der mittlern Lebensdauer der Menfchen vor der Einfüh— rung der Schuzpofe, indem ſeine Angaben mit denen der mürdigften Männer des vorigen Jahrhunderts wenig oder beinahe ganz und gar nicht übereinftimmen. Um es zu beweifen, will ich hier deren mehrere anführen‘, nad welchen die mittlere Lebensdauer vor der Einführung der Schuzpofe war bei einem ‚nad Finleis nad) Süß- nach Halley’s nad) Kerfes nach Depare ſons Ber milde Ve— Berech⸗ booms Be: cieur Be— rechnung rechnung nung rechnung rechnung jährigen. NM. — 47 — 44 — 44 — 48 10 8 — 45 — 40 — 42 — 46% 20 „ 31 — 37 — 3%. —36—404 5 2 —- 3 — 24 — 3% — 27% 50. .42. —..47 — 1% — 19 3—.120% ur — 14 70°, 71-8. 7 — go 5% Um endlich in die genauefte Keuntniß der mittlern Lebensdauer des gegenwärtigen wie des vorigen Jahrhun⸗ 472 dert3 wo möglich zu gelangen, 309 ich einen Durchſchnitt aus den Angaben des Süßmilch, des Halley,. des Ker⸗ feboom, des Smart, fo wie auch aus den Berechnungen der Tontiniten, der Benedietiner: Mönde, und der Be: nedictinerinnen nach Deparcigur Angabe, und es kam nach dieſer, wie nach meiner frühern Berechnung hervor, dag die mittlere Lebensdauer war im verfloffenen ift im gegenwärtigen Sehrhunderte Sahrhunderte im 6. Rebensjahre 44 — 50 Jahre jr een kun mern „» 20. "7 Vay 7 — 40 MN „ 50% » 50. — 3% „ 40. » 24 — „650. 175 — dx „20 „ 60. » 123 — 12 ” '„ 70. zer 745 — 9 8 „80. 42 Bo 6 gi „ 90. » 2, — 4 N 9. 2) BIN ER Ya 'y .„„ 100. 44 — — m DET folglich iſt die Lebensdauer des gegenwärtigen Jahrhun— derts bedeutend größer, als die des vorigen, welches auch fon oben aus der Behauptung, daß die Sterblichkeit fih gegenwärtig unter den Lebenden im Durchfihnitte in gemifchten Jahren verhalte wie A zu 36'/,, und in guten Jahren hingegen wie 1 zu 40 bis AL, wo es fi) hinges gen im vorigen Jahrhunderte nach Süßmilch wie 1 zu 55 bis 36 verhalten hat *). ) Profeffor Schnabel nimmt in feiner General-Statifif, ©, 145. 1. B., im Durchſchnitte kei den dort aufgezählten Staaten unter den Lebenden ein Sterbeverhältniß wie ı zu 11 —; Seite 149, 1. B. — abet aud) eine vor— theilhaft geänderte mittlere Lebensdauer feit der Impfung nad) Finlais fons Berehnung, und dennoch fagt er ©, 1419, 1: B. wörtlih: Im Allgemeinen aber kann man aus dem gemachten abftrahirten Ge— 473 Wenn nun, ‚wie oben fchon erwähnt wurde, . die Statiftifer. in ihren Angaben nicht ganz übereinftimmen, ja ſogar oft bedeutend hierin differiven, fo wäre es mans chem Leſer wahrhaftig nicht zu. verargen, wenn er folche Data in Zweifel ziehen, und auf den Gedanken geratheit möchte, daß. bei folhen Arbeiten doc ‚hier und da ein Irrthum zum Grunde liegen müſſe. Nicht ganz ungegründet iſt diefe Dehauntann Bi von liegt hiebei nicht immer ein Jrrthum zum Grunde, denn wohl nur wenige Gelehrte werden bei ihren Arbeiten uns richtigeQuellen benüzt haben ; aber die wahre Urfache wird wohl hierin zu fuchen feyn, daß mancher Gelehrte bei dies fen, Berechnungen nur einen Ljährigen, ein anderer aber einen 5=, 40-, 20jährigen Durhfchnitt angenommen hat, welche Durchſchnitte dan zwar alle richtig, aber dennoch bier und. da fcheinbar widerfprechend. erfiheinen müſſen. Wählt anderfeits ein anderer Gelehrte zu feinen Berech⸗ nungen nur die Geburts und. Sterbeliften.von einer gros en, oder von mehreren Fleinern minder bevölferten Städs ten, fo ftellt er nun ein- richtiges, doch aber nur für Städtebewohner, oder wenn er nur von Dörfern diefe Liz ſten benüzte, nur ein fürs Land paffendes Verhältniß auf. Wo aber ſich einer oder der andere nicht um Original⸗ quellen vefümmert, ſondern nur die vorhandenen Berech— nungen einzelner Gcatiftifer oft von. einem halben bie ganzen Jahrhundert benüzt, fie zufammenzählt, und darz aus dann ein Durhfchnittsverhältnig, ohne zu berükſich— tigen, daß vielleicht ſchon ein Vorarbeiter auf eine ähnz feze der Sterblidyleit in Europa für ein Menfchenalter den Zeitraum von 33. Fahren annehmen, indem im Durchſchnitte jährlich) der gaſte Menſch in Europa, und alfo jährlich der aafte Theil aller Europäer ſtirbt, folglich angenommen werden muß, daß in jedesmal 33 Jahren das ganze Menſchengeſchlecht in Europa, dad am Eintritte dieſer 33jäh— rigen Periode gelebt Hat, ausſterbe. — Was mag ihn wohl zu dem ‚Scyluße verleitet haben ?. 174 liche Art verfahren ift, folgert, der weicht vom geraden Wege ab, und führt auch Andere auf Irrwege. So hat 3. 8. Süßmilch fein Sterbeverhältnig nur deshalb wie 1: 35 bis 36 feftgefezt,.weil vor ihm King ind Schoit es geringer, nämlich der erſte wie 1: 32, der zweite aber wie 41: 54, Vargentin hingegen höher, und zwar wie 1: 40, und Graunt für die Landbewohner Englands wie 1: 50'u. a. m. angegeben haben, Darum fagt aud) Süßmilch: „es würde alſo nad) diefer Dürchſchnittsbe— rechnung das allgemeine Maß für ganze Provinzen und Länder, Städte und Dörfer in eins geworfen, wie 1: 37 feyn. Mittlerweile, erwiedert er, halte ich dafür, daß man niemals fehlen werde, wenn man die allgemeine Sterblichkeit auf 1: 36 oder 1:’35 ſezet.“ Wer alfo jezt wieder ein Berhältniß aus allen diefen Angaben, die Süß: milch ſchon mit eingerechnet Hat, ziehen wollte, der wide . fehr irren, weil es ſchon Erfterer that, und weil auf diefe Art dann ein ſolches Verhältniß entweder größer oder einer ausfallen, daher rg zu Irtthumern ir ren müßte. Eine andere Urſache, warum diefe Angaben nicht immer gleich von Statiftikern im einem und dem naͤmli⸗ hen Lande erfcheinen, wird wohl darin zu fuchen ſeyn, weil man hiebei äußert felten originelle Generaltabellen von ganzen Ländern, fondern meiftens Data von einzel- nen Negierungsbezirfen oder von einzelnen Pfarreien be: nüzte, oder weil man nicht felbft die Bereinungen ges macht, fondern fie von andern in die politifch = arithmeti= fhen Rechnungen nicht Eingeweihten verfertigen ließ, nnd nicht dabei zur größern Evidenz die alljährlichen Nefultate der erhobenen Volkszählung zu Rathe zog, daher auf der andern Seite fi den Beweis nicht verfchaffte, ob die in den Generalliften vorkommende Mehrzahl, der Geburten und der Abgang durch die Geftorbenen mit den Gonferips tionsliften Harmonire oder nicht u. f w. 175 ‚m Um allen »diefen Mängeln ausjumeichen, ' habe ich, wie fchon erinnert wurde, aus den Haupttabellen der Ges burts= und Sterbefälle Böhmens meine Tabellen verfaßt, fie mit den alljährlichen General-Eonferiptionsfiften verglie - hen, feldit dabei alles anfgefucht, zufammengeftellt und berechnet, mich folglich dabei nicht fremder Hände bedient, mithin auch für das verfloffene Jahrhundert nach gehöri— ger Prüfung Fein anderes Geburts = und Sterbeverhaltniß als das des großen Süßmilch angenommen, und es nachher mit dem des Iaufenden Jahrhunderts verglichen. Ferner habe ich gefliffentlich bei Verfaffung meiner Haupt: Sterbelifte einen Fehler, den bis zur gegenwärtigen Zeit fih durchgängig alle Statiftifer zu Schulden kommen lie: Gen, vermieden, denn man legte, mie ſchon erintert wurde, fonft gewöhnlich eine befiebige Zahl, meiftens 1000 Geborne, nicht aber, wie es die Natur der Sache for: derte, die ganze verhältnigmäßige Zahl der Mehrgeburten in die Rubrik der Sterbetabellen, von welcher der Abgang durch Sterbefälle abgezogen wurde, ein, fo zwar, daß mit dem I5fen oder 100ſten Jahre alle Gebornen oder Le: benden wieder verfehwanden, und fomit bekümmerte man ſich wenig oder gar nichts um die Ausſcheidung der Zahl derjenigen ‚ bie die Natur zur ſteten Vermehrung des menſchlichen Gefchlehts am Leben erhalten hat, welche Zahl ih, wie Anfangs fihon erörtert wurde, auf 540 Individuen bei jedem 1000 der Geftorbenen feftfezte. Doch dieſer Mißgriff wäre immer noch verzeihlich gewefen, wenn nur dadurch nicht ein anderer, daziı nicht unbedeutender Fehler fich eingefchlichen hätte, der Stati— ftifer, Staatsmänner, Gründer der verfchiedenen Tontinen md anderer Verforgungsanftalten u. a. mi en in Irrthümer verfezen mußte. 0 Ulm mich hierüber näher zu erflären, * ich mich | Hier nochmals des Vergleiches mit einer Gaffe bedienen, in welche die eine Partei 1000 Gulden, die andere aber 176 | eine größere Summe einlegt. Wir wollen — da wie bes kannt die Geburten fih in Böhmen zu den Sterbefällen im Durchſchnitte wie 4540 31.1000 verhalten — für die zweite Partei 13540 Gulden einlegen. Nimmt man nun das erftes mal 350 Gulden — dies iſt das Gterbeverhältniß im erſten Lebensjahre — aus einer wie aus. der andern Caſſe heraus, fo iſt in der erften mehr, denn jeder 5 und in der andern aber erft: jeder 4° Gulden, wenn man nun das zweitemal 82 Gulden — diefes ift die Zahl der Sterbefälle im zweis ten Lebensjahre — aus beiden Caſſen herausnimmt, fo ift jezt in der erften. ſchon jeder 7%, in der zweiten aber erft jeder 42° Gulden u. ſ. w. herausgehoben worden, und fo iſt's nun erflärbar, daß, wenn man durch hundertimalige Ausgabe 1000 Gulden ausgegeben. hat, dann in der einen Gaffe nichts, in der andern aber noch 340 Gulden zurüfges blieben find. Eben fo verfährt auch die Natur bei ihrer Ausgabe, wenn wir den jährlichen Zuwachs durch Gebur- ten mit den Gterbefällen vergleichen, daher bleibt, im Durchſchnitte alljährlich ein Ueberſchuß auf dem Weltall zurük, der zur allmähligen Vermehrung der Bevölkerung beftimmt if. Da aber die Natur dieſes Ueberſchußes wegen an eine gewiffe Zeit gebunden ift, wie lange fie den- felben in der Eaffe — auf dem Erdboden — die Menfchen behalten kann; fo tritt dann wieder deshalb ein ganz ande- res Derhältniß ein, weil diefer Ueberſchuß — der nun wie— der durch einen andern erſezt wird, dann verhältnißmäßig während dev Haubeahanligen Zahlung mit en wer⸗ den muß. - Aus diefer Urſache tritt te ein ganz anderes ia beverhäftniß ein, wo. alljährlich, 4000 Menfchen gebo- ven werden, und auch, 1000 abfterben, als da, wo 1540 geboren wurden, und im Verhältnig davon. Anfangs all- jährlich nur 1000 fterben, bis endlich. die Neihe auch auf den Ueberſchuß von 340 kommt, daher erfcheint dann auch bei: der erften wie bei der zweiten Zahl der Gebornen ein | 477 geändertes Verhaͤltniß der mittleren Lebensdauer, des vermuthlichen Alters, der künftigen Lebenszeit‘ * wein, was alsbald erwieſen wird. Bemerken aber muß ich hier nochmals, daß deshalb alle die früher von anderen Gelehrten erfchienenen Bereche nungen nicht als nuzlos zu befrachten find, weil fie für ſolche Länder und Städte, z. B. die von mir ſchon anges führten vorzüglich für Prag anwendbar find, deren Ge: burts= und Sterbeliften im Durchſchnitte feit 45 Jahren von einander wenig oder nichts differiren, Doch diefe jezt S. 179 vorfommende Sterbetabelle it für Landbewohner, und diefe ©. 155 und 164 ſchon bezeichnete fammt den übrigen Berechnungen der wahrſcheinlichen Lebensdauer u. f. m. für Bew obner . großer Städte anwendbar. Für kleinere Landitädte hätte ich gerne auch eine ſolche Berechnung vorgenommen, wenn mir hinreichende Quellen zu Gebote geftanden wären; doch meine id, daß daraus Fein fo großer Gewinn entfprungen wäre, weil | früher der Begriff, dem man fi von Landftädten zu machen N | bat, feitgefezt, daher die Zahl und die Dichtigfeit der Bes völferung, die Befchäftigung, Eitten, Gebräuche, Lebenss art der Bewohner u. a. m. im denſelben himeinbezogen werden müßten, wo dann wohl die meiften darunter zu ' den Landbewohnern, die weni igften aber zu den Bewohnern großer und volfreicher Städte gezählt werden könnten. Da man nun bei einer folchen Arbeit mit nicht zu befeitigenden Schwierigkeiten zu Fämpfen hätte, die am Ende nur dars hun würden, daß die Sterblichkeit der Bewohner der Landftädte fich Hier derjenigen der großen Städte, dort aber fi) beinahe ganz fo, wie auf dem Lande verhalte, Aus diefer Urfache wäre ich der Meinung, diesfalls eine Mittele ftraße zwiſchen beiden Sterbeverhältniffen einzufchlagen, folglich im Allgemeinen für die Landftädte das Verhältnig der Lebenden zu den Gejtorbenen wie 4: 52 anzuneh: Jahrbücher 1. Banp, 12 178. men“), und diefem Verhältniffe angemeffen, auch die mitts lere Lebensdauer zu bemeffen. Um die vorliegende Tabelle den Ereigniffen der Na: turgefeze anpaffend zu verfertigen, legteich, wie ſchon erin- nert wurde, die ganze Durchſchnittszahl der Geburten ein, ſchloß aber nicht wie oben““) den Ueberſchuß der Meprgebornen davon aus, fondern berechnete die einzelnen Verhältniſſe der Sterbefälle der Landesbemwohner nad) dem Verhältniffe der zur Evidenz gebrachten Sterb⸗ lichfeit der Hauptftadt, und ftellte dann ein anderes zugleich. größeres Verhältniß der mittleren Lebensdauer für die Bewohner des Landes feit u. f. w., wie es fpäter näher bezeichnet werden wird. Meiner Meinung nach, dürfte Diefe Tabelle, und die fpätern darauf Bezug habenden Berechnungen auch für, andere Staaten Europens paffend feyn, meil, wie ic ſchon oben gezeigt habe, zwar manches Land fpeciell genommen, von dem Verhältniffe der Sterblichkeit Böhmens in etwas abweicht, aber doch im Allgemeinen beruffichtigt, wenn: man nämlich alle jene abweichenden Verhältniffe zuſam— menzählt, und fie durch die Zahl der Länder dividirt, doch dann in Europa im Durchſchnitte beinahe das nämliche Sterbeverhältniß unter den Lebenden, wie, das in Böhmen und zwar in gemifchten wie 1: 36'/,, und in guten Jahren wie 1: 40--44 beobachtet wird. Nach einzelnen Jahren berechnet, ift der allmählige Abgang durch Sterbefälle auf, dem Lande *) Süßmilch gibt ©. 9ı J. B, ebenfalls die Sterblichkeit in kleinen Städten wie 1:32 an, **) Siehe Seite 23 in diefer Zeitfchrift S. 1330, I. Band, Es iſt Es in Es iſt die die die Im Unter | Es IIm |: Unter | Es | Im j ah 1330 |firbtf_ Aabt 1349, |itirbt Beh! Sabz] (Go- | Les | beisPSabe] So. | Les | beis Pah⸗ S.- . ftor= | ben= |nzhe ftor- | ben= Inıhe ſtor⸗ re | pe: | den |der f re | ge. | den | ber Jreve nen nen nen 688/171} 69]. 46 820/156] 42) 8| 648] S1f 7u| 45 814135) 45] S| 640| 80] 77| 45 808134) 44] 8) 6352| 79] 78| 10 802 4601 45| 10!,624) 62] 79| 40 797|199] 46, 10] 614] 614 SO| 10 793180] 47| 10| 604| 60f Sı] 10 7894971 As] 10| 5094| 50] 82 7855/1575 49 10| 5854| 58] 85 41155011340) 4] 35) 4 2| 82) 996 5| 684/156] 7u] 46 3[ 37) 9o0s| 241 37| 5| 6791135] 71) 46 “al 21874 Arf 38| 5) 674J134] 72] 18 5| 15! s50| 65] 39) 5| 6691554 73! 48 6 s| 664| 85] 74] 15 7 s28l105| AL] S| 656| 821 75| 46 8 9 40 [es] o a je} © = o > m wue>pusoaoamo SS 00 16 780l156| 50) 410| 574) 57] 84 17 6| 775/129] 51) 42|.564| 471 85 18) 6: 769[128| 52] 12; 552] A6f 86017 191 5! 7631152] 55] 12) 540| A5f 87] 6 20 5, 758 161) 54| 12) 5253| a1] ss| 6 [21 5| 755150 55] 44) 516| 57| 80] 5 22| 5 748 1491 56] A4| 502) 361 90| 5 231 5| 748 1481 57) 14| ass] 35] 91| A 24 573814471 58] Ar! a7al. 54] 92| 4 251 41 732|185| 59] 16| 460! 28] 95] 3 >|. 4| :29!1828 60| 46| ara! 275 94). 3 27, 4 7251484) GL! 16| 428 26] 95| 2 28| 5| zaultasf 62] 20] a12) 20| 96) 2 29| 5) 716/145 63, 22] 392) 48] 97, /io 501 4 714|177] 64) 22; 370! 17] 98, Yu 51j 4 707l176f 65! 21| 5348| 16] 99] % 52| 5| 703/140] 66 20) 3527| 16J100| '% 55] 5| 60814301 67. 21] 307) A4lüver H 3 54 5| 693J138 ” ıs| 286) 45110011 412 Er 150 Dergleicht man num die für große volfreiche Städte entworfene Tabelle ©. 153 mit diefer gegenmwär- tigen, fo geht daraus. hervor, daß auf dem Lande erft gegen Dad 5gfe Jahr die Hälfte der Gebornen wieder aus— ftirbt, wo hingegen in großen Städten der Fall fehon gegen das 6te Jahr eintritt, und dag bis zum 8oſten Lebensjahre eine Differenz zwiſchen der Gterblichfeit der Stadt- und Landbewohner obwaltet, doc. von diefer Epoche anzufan— gen, daß fi) dann das Verhältniß der Sterblichkeit dort wie hier beinahe ganz gleich verhält. - Hingegen ift aber dieſe Teztere Erfcheinung nur Heid tiv, ınd das Gleichgewicht zwifchen beiden verſchwindet wieder, wenn man fi nur nad) dem Geburts = und frü- heren Aufenthaltsorte der in großen Städten gejtorbenen Greife umſieht, weil die wenigften von ihnen dort geboren wurden, fondern es meiftens eingewanderte Fremde vder Landbewohner, die erft in ihrem Mannsalter dahin übers fiedelt, und dazu noch dürftige und wahrhaft arme Leute - find, die oft bei großen Nahrungsſorgen und ſtrengſter Srugalität u. ſ. w. ihre Lebenszeit zu diefer hohen Alters- ftufe fteigerten. Folgende Auseinanderfezung wird diefe Behauptung näher beleuchten, weil von den Lebenden aufdem in volkreis Lande Gen großen Städten & ſtirbt exft firbt ſchon im erſten Jahre im Durchſchnitte jeder 4. — 3. vom 4. bis zu Ende des 5. J. erſt jeder 29. — 17. rs: ee 2 6 20 — 60, a ER 4 Ihe: 5 » 4180. — 107.. was Br Ben REM a gt er BEE 8 — BD 55 Eh, 5 m ee. de RE Sa a J 124, — 70. ) 40. ” » 45. 37 „ 79. — 75. 181 auf bem in volkrei⸗ Rande Be. gropen 3. 1 ſtirbt erſt ſtir ẽ + vom 45. bis zu Ende des 50.3, erit jeder 59. — 57. 50...» zu: „BBe ul aa JA 66. TE * 32. — 30. u 60. |, „n 65 dd » 19. — 419. „65. ,„ » 70. 15. — 10. ri SEE ER | ER » 44. — all 4.75, '„ 129 Ber si » 10. — 41... „80. » ” 85. ” „ 410. — 41. * 85. a. DR 19 6. Tr 6. ” 2. 5 » 9. 2277 4. — 4. „ 9. ‚» „ 100. ” > Yo F "har 5400... abwärts J 4. — 4. Wem ſollten wohl beim erſten Aublik dieſer Ausein— anderſezung nicht alſogleich alle jene phyſiſchen und moraliſchen Gebrechen der Menſchen, die ich früher fhon als Urfachen der in der zarten Jugend vermehrten, nur dem laufenden Sahrhunderte eigenthümlichen Gterb- lichkeit angegeben habe, einfallen, da ſie beinahe ſammt amd ſonders den Stadtbewohnern eigen find ?. Diefes geänderte Verhältniß erfiheint aber noch in einem grellern Lichte, wenn man die- mittlere Lebensdauer u. f. w. der Landbewohner mit der der Städter auf eine Wagfchale legt. Vorliegende Tabellen gepen: einander geſtellt, wer⸗ ben es näher beleuchten. Sn der Stadt — ——— —— En Auf dem Lande im vermuthli⸗künftige im vermuthli⸗künftige Jahre ches Alter Lebenszeit Jahre ches Alter Lebenszeit 1 gen 3 A| 5 497 ——— r 6 3 1% 8 9 m 55 62%. | 53% 35 2 2 62% 52'% '58 7 63 2 3, 3 63 51 5%, 63 50 63 49 | | 65% | 48% 65% 16" 3 7 42/ 63"). 45/% PÄI ) 63% AN: 2 i 63% 43% 2 2. 64 0143 23 ,|.: 39% 64 42 64% 41 6% | 40% | 57%, 64% 39% : ji 61%, | 38% . { 64% 37% 640% 57% 65 37 5 65% 56% 1-32 | 63 | 65% | 35% 33 | ;5 5 5 65'% 54% | 33-51 | 64 1 31. | 35-54 | 65% | 55% | | 185 Sn der Stadt Auf dem Lande fünftige im Lebenszeit vermuthli= ches Alter vermuthli= | künftige 162] 52—553 151 54—55 70 14. 1 56—57 | 70% | 45% 70% 15%, 57 —58 | 7A 15 71 13 | 58-59 | 71 44 71% 121, 1 59—60 | 717% | 43% 12 60—61 411, 9 61—62 14 62—65 104 1 65—64 10 64—65 10:1 65—66 10 66—67 AA 67—68 67%.| 19%, | 48-49 | 67% | 20% 68 49 5 49—50 | 68% | 20% 68 48 50—51 | ‚68 19 184 Sn der Stadt Auf dem Laude im Jahre künftige Lebenszeit im vermuthli⸗ vermuthli⸗ Jahre ches Alter künftige 68—69 | 77 9 68— 69| 76'% 8, 69—70 | 78 9 69— 70| 78 10 70-741 | 79 9 70— 7A|. 78% g'], 7ı—72 | 80 9 7ı— 72| 78% 8, 72—73 | 80% 9%, 1 72— 75| 79 8." 75—74 | 81% 8 73— 74 79% 1 274, 74—75 | 82 8 7A— 75) 80% 6", 75—76 | 82% — Zorn 7. 76—77 | 85'% TR 76— 77| "83% 7, 77—78 | 84 7 778 89 7, 78-79 ı 84% 6, | 7s— 79| 84% 7, 79—80 84% 5, 1 79— 801 85), 7, 80-81 | 86 6 80— 81] 86% 7% 81-82 | 87% 6% | S1— 82]. 87%, 7 82—85 | 88% 6% | 82— 85) 874 6", s3—84 | 88% 5% | 85— 84) 83% | 6, 84—855 | 89 5 84— 85) 88%, PR S5—5s6 | 9 5 | s5— s6| 89%, AL s6—87 | 91 5 86— 87| 90, F ‚87—88 | 91% 4%; 1 87— 88| 1%, | gi 83—59 | 92% 4%, 1 8Ss— 89| 91%, A s9—90 | 93 4 89— 90) 92%, u 90—91 | 94 4 1 90— 9] 9%, |. „6 91—92 | 3 4 91-- 92| 94%, he 92—93 | % 4 923— 93) 95%, hl? 953—94 | 97 A 93— 94| 96%, 34* 94—9 | 97% 34, 1 94— 95|' 97 ME 95—9 | 97; 3%; 95— 9%) ‚97% 5. 96—97 | 98 2 96— 97| 98 Jh 97—98 | 99 2 97— 981 99 ala 93—99 99 4 95— 99| 99 N 99—100 100 1 99 —100| 400 1 über 100 4 über 100 1 —T 185 Eben fo, wie bie ©. 153 und ©. 179 angeführten Tabellen, die eine nämlich, welche für die Bewohner gro— ber volfreiher Städte, und die andere, welche für Landbewohner entworfen wurde — unter einander fich im Verhältniß der Zahl der Sterbefälle nach den nach einander folgenden Lebensjahren wefentlich unterfcheiden ; eben fo tritt auch bei der Angabe der Fünftigen Lebens— zeit und mittlern Lebensdauer der Fall ein. So z. 2. erſtrekt ſich leztere im erſten Jahre in der Stadt, wo nämlich Geburten mit der Sterblichkeit im gleichen Ver— hältniß ſtehen — auf 5 Jahre, wo fie hingegen auf dem Lande, wo auf 1000 ©terbefälle 1540 Geburten zu ftehen fommen, volle 39 Sahre beträgt. Im zweiten Sahre iſt hingegen der Unterſchied ſchon weniger bemerkbar, und im höchſten Alter waltet ſchon beinahe Fein Unterfchied mehr ob: ein Umftand, der für Staatsmänner, Statiſti— . fer, Gründer und Mitglieder der verſchiedenen Leibrenten und ähnlicher VBerforgungsanftalten von größtem Sntereffe ſeyn muß, weil eritere fie bei Berechnung der Verhält— niffe, die auf die Verſchiedenheit der Lebensdauer der Staatsbürger Bezug haben, benüzen, leztere diefelbe aber bei Gründung diefer Verforgungsanftalten u. f. w, zur Grundlage wählen, und auf ihre erprobte Unzerſtör— barkeit bauen müffen. Aus dem jezt Erwähnten dürfte folglich hier die Brage von felbft jedermann einfallen: ob und wo diefe entworfenen Tabellen ganz unbedingt in Nuzanwendung gezogen, oder oo fie vielleicht nicht früher hier und da geläutert, daher nur bedingt angewendet werden Füns nen? Doch diefes im folgenden Artikel ®). *) Dieſe gefammten Berechnungen Fünnen überhaupt nur in jenen Ländern und Städten ähnliche Nefultate liefern, wo die Sterbeprotocolle fo ge= nau wie in Böhmen zufammengeftelt und zugleich geſezlich ſtreng cons trollivet werden, Daß man aber nicht in allen Staaten Europens bei Verfaſſung derfelben jo Angftiig zu Werke gehet, bürfie folgende 186 \ Anweifung zut Verfertigung und zum Ges braude der Sterbetabellen. Schon aus der Auseinanderfezung und Vergleihung der Geburts> und Sterbeverhältniffe unter einander, fo Stelle, die ich erſt nad) Beendigung dieſes Artikels aus dem Morgens blatte Jahrg. 1830 N. 58 und 59 entnommen habe, hinlänglich be— weiſen. Wörtlich äußert fich dort der Correfpondent auf folgende Weifes „Gelangen wir nun zu den Geburts- und Sterbeliffen der Hauptftadt (London). Die neuefte Angabe diefes wichtigen ftatiftifchen Punktes ift von dem Rechnungsjahre 13, Dec, ı327 bid zum 12. Dec» 1828. Die Zahlen lauten: Geburten 26,545, nämlich) männliche, 13,360, weibliche 13,185. Sterbefälle 21,709, und zwar männliche 11,112, weib⸗ liche 10,307. 6380 Perfonen oder 290 vom Hundert ftarben unter dem Alter von 2 Sahren, und 100 Perfonen erreichten das in unferm Him— melsftriche gewöhnliche höchſte menfchliche Alter von so bis 100 Sahren 5 * folglich erreichte dasfelbe nur Einer unter 217 Perfonen. : Glauben Sie aber ja nicht, daß jene Angaben irgend einen Unfprud auf Ge— nauigkeit mahen können. Gie find vielleicht die unvolllommften diefer Art in Europa. Unter den Geburten werden eigentlich nur die in ben Pfarrkirchen und Pfarrcapellen getauften Kinder verſtanden; nun gibt es aber mehrere proteſtantiſche Secten, deren Anhänger gar gute Bibelchriſten find, und dennoch nicht taufen, wie z. B. die in der Haupt— ſtadt ſo zahlreichen und gefhäzten Quäfer, Die Sterbeliften find jivar etwas vollſtändiger, aber auch hier zeigt fidy wiederum die Eigenthüm— lichkeit unferer hieſigen gefellfchaftlihen Einrichtungen. Könnte es Ihnen wohl träumen, daß die Führung dieſer in ſtaatspolizeilicher Hinſicht ſo wichtigen Angelegenheiten ben Händen von alten Frauen aus der ärmſten Claffe anvertraut ift? Und dennoch verhält es fich wirklich ſo.“ ..Die vormaligen Kirchenväter oder Kirchenſpielherren Londons Kamen auf den glüklichen Einfall, ſtatt ärztliche oder polizeiliche Be— amte zur Leichenbeſchau zu beftellen, denen ein Gehalt hätte angewiefen werben müffen, das ganze Gefhäft alten Witwen oder Muhmen von Tobtengräbern, Kirchthürhütern, Balgentretern u. |. w. ald eine Gnade zu Überlaffen, weil fie dadurch aus den Armenliften wegkommen.** „Man darf den Sargdekel nicht fließen, bevor nicht unfere alten Frauen ihre Schau gehalten haben. Sie erfheinen, gewöhnlich ein Pärchen, gufen der Leiche ind Gefiht, ſchütteln den Kopf, biöweilen 187 wie aus den Sterbeverhältniffen für fi allein, je nach: dem die dem Tode unterworfenen Menfchen „ entweder auf dem Lande geboren, erzogen, dort gelebt, oder: je nach: dem fie diefes Loos ausfchließig mit den urfprünglichen Stadtbewohnern theilten,, its klar, daß der Staats: mann, der Statiftifer, der Gründer der verfchiedenen In— ftitute u. f. w., fo die Städter wie die Landbewohner im Durchfchnitte in seine andere Kategorie fezen, und daher einen veränderten Maßſtab zu der Berechnung Met mitte lern Lebensdauer wählen müffen. Der Staatsmann und der Statiftifer kann diefe oben ©. 127, 4.Bd., 4155, 164 und 179 von mir aufgeftellten Sterbetabellen dort, wo fich die Geburts- und Gterbever: bältniffe eben fo, wie in Böhmen, verhalten, unabgeändert benüzen; wo aber etwa entweder die Zahl der Geburten in einem Zeitraume von 25 Jahren im Ducchfchnitte bedeutend vondem VBerhältniffe Böhmens abweichen follte — z. B. wo in einem Landeauf 1000 Sterbefälle ftatt 1540, 1570 oder 4400, oder umgefehrt, wo diefe runde Zahl von 30 Ge: burten weniger, folglich nur 4510 zu ftehen fommen — da müßte man dann bei Diefen Berechnungen entweder den zehnten Zheil der Zahl der Gebornen zu= oder abfchlagen, und auf diefe Art dann auch bei der Angabe des Verhälte niffes der Sterbefälle und der mittlern Lebensdauer der J —— betaſten ſie auch wohl den Hals u. ſ. w. Dieſe Angaben dieſer alten armen unwiſſenden Frauen bilden nun die Grundlage zu allen ftaatöpolizeilihen und ſtatiſtiſchen Daten über die Mor— talität unferer Hauptſtadt.“ : ; Bei foldy bewandten Umftänden find meine in ber (im erſten Hefte befindlichen), Tabelle ©. 49 gemachten zwei Fragzeichen und der ©, 48 zur Sprache gebrachte Zweifel hinfichtlic) der dort ange— gebenen Verhältniſſe der Geburts- und Sterbeliſten Londons nicht nur gerechtfertigt, ſondern dadurch auch zugleich der Beweis herge— ſtellt, daß den Reſuͤltaten der in England verfaßten Geburtö= und Sterbeliften das gehörige Zutrauen keineswegs geſchenkt werden Fann. 185 Menfchen verfahren. So 5. B. würde auf dem Lande, wenn Dort von 1570 Gebornen im erften Sahre 550 fter- benmöchten, jedes 34° 5 dort aber, wo unter 1400 Ge: bornen ebenfalls im erften Sahre fi) 550 Sterbefälle er eignen follten, erſt jedes vierte Kind ein Todesfall treffen. Diefer Zu- oder Abfchlag bei diefer Berechnung müßte danır bei jeder einzelnen Rubrik bis zum 100er Jahre in Betracht gezogen, und folglich auch daraus dann die mitte fere Lebensdauer. entziffert werden. Der nämlihe Sal müßte aber auch bei der Berechnung der Sterbeverhältniffe der Stadtbewohner eintreten, wenn fich entweder die Mehrzahl der Geburten auf 50 oder 100 erſtreken follte, dann würde anderfeit3 wieder das Verhältniß bei Beſtim— mung des allmähligen Abgangs durch Sterbefälle eine Abänderung um 4, oder u, und fomit auch die mittlere Lebensdauer einen verhältnißmäßigen Unterfehied erleiden. Ganz anders haben aber hierbei Gründer und Gefihäftd- führer der Leibrenten, der Tontinen, der verfchiedenen Derforgungsanftalten der Witwen und Waifen u. f. mw. zu verfahren; diefe haben es nicht nothwendig, fi um die Mehrzahl der Gebornen fo ängftlic zu bekümmern, weil fie fi nur einen Theil von den leztern, und dazu noch meiftens bievon nur den gefunden, oft in der ſchön— ften Blüthe ihres Alters ftehenden, und zwar beinahe durchgängig nur Männer auswählen, die, wie fihon ers wähnt wurde, vom 208er pis zum Sofern Jahre einer ge— ringern Sterblichkeit, als das weibliche Geſchlecht, une terworfen find. Doch dafür kann wieder der Staatsmann und. der Statiſtiker feine einzelnen Glieder nah Willkühr, je nachdem fie Lande oder Stadtbewohner find, unter jenes Maß ftellen, welches für diefelben aufgeftellt wurde, wo hingegen wieder die Gründer und Gefchäftsführer folder Inſtitute dieſe einzelnen Mitglieder ohne Unterſchied fo Land» wie Stadtberohner gemiſcht aufnehmen, und daher 489 J dadurch ein gemiſchtes Sterbeverhältniß abwarten und er halten müffen. Aus dem num Erwähnten geht daher klar Hervor, daß jene urfprünglichen Tabellen (S. 27 A. Band, 153, 464 und 479 eigentlich für Statiffifer und Staatsmänner am geeignetften find, und daß diefelden von Gründern und Gefchäftsleitern der verfchiedenen LeibrentensVerforgungss Inſtitute nur modifteirt angewendet werden können. Daß überhaupt fo aligemein verfaßte, folglih auch Süßmilchs Sterbetabellen bei Gründung ſolcher Verſor— gungsanftalten nicht ohne eine merfliche Abänderung be: nüzt werden fönnen, hat Kaufol unlängft in dem ſchon erwähnten Werkchen: „Widerlegung der von Hr. 3. 3. Littrow herausgegebenen Bemerkungen über Witwen Ins ffitute‘“ pinlänglich bewiefen. Er wählte zu diefem Behufe die vieljährigen Nefultate einiger Inftitute, die, weil fie wahrhaft intereffant find, ich hier wörtlich anführen will. „Die Behauptung des Verfaffers (Littrow), daß die Klagen über die Ungewißheit der Mortalitätstafeln ungegründet find, ift — erwiedert er — daher nichts we— niger, als erwiefen. Die gedachten Ergebniffe weifen die Mortalität nur nad) dem Durchfchnittsalter aus, fie müffen aber, follen verläßliche Berechnungen darauf ges gründet werden, nach Altersclaffen bekannt ſeyn. Dieſe Arbeit Habe ich unternommen, und ich benüze biezu die 56jährigen Erfahrungen des Olmüzer, die 20jährigen des Prager, und die Gjährigen des Wiener Inftituts. - Das erite hat 2500, das zweite 9000, das dritte 2200 Mitglies der Aufgenommen. Die Mortalitäts-Ergebniffe find daher aus einer Maſſe von 13,500 Mitgliedern ausgemittelt. Da die fpecielle Nachweifung darüber in einer Zeitfihrift erfcheinen wird, fo befihränfe ich mich hier darauf, die aus diefer Zufammenftellung. genommenen Nefultate vor— läufig bekannt zu machen, und denfelben der Vergleichung wegen, die Süßmilchſche Mortalität beizufügen.“ DD a ar nl —— ——— Im |BeiWirwen-Inftituten. | Nah Süßmilchs | (Nad) Kaukols Berechnung.) Tafeln. Alter „| Aus einer| Sind | Es ftirbt ievon | _Es von 25 Anzahl | geſtor⸗ _ Lebende, 2 irb bis 26 Lebenden. "ben. einer von ftarben | ı von ————— —— — — Jahren 4000 | 5 200 466. | 5 93 26—27| 95 | 5 | 199 Per er 92 27—28| 990 | 5 4198 A56. 1.5 94 38-29) 95 | 5 | 197 Far | 6 | 5 29-301 9801 6 | 4163 A5 | 6 | 74 30—31| 974 | 6 | 462 439 6 73 3132| 98 | 6 | 46 433 6 72 3255| %2]| 7 437 427 6 71 3534| 95| 7 | 136 421 6 70 3455| 948 | 8 | 118 ABS hrngec ing 3556| 90 | 8 47 209 | 7 58 56—37| 952 | 8 446 402. |..7«.].:67 37—-55| 924 | 9 | 103 395 7 56 35-39) 95| 9 102 — | ra! ROSE 39—40| 906 | 9 104 381.11 87%: 12-54 4041| 897 | ıo | 9 374 7:,.61953 A—h2l 887 | 10. | 89 367 — As 8771 10 88 5600| 7 51 4344| 867 | 11 79 553 7 1 ‘50 A445] 856 | 11 78 346 | a 1546|: 845 | 12 70 339.1 7:1 «48 A6—47| 835 |a2 | 69 332 s | Aa A7r—h8) 821 | 15 63 324 8 40 hs-_49| 808 | 13 62 sı6 | 8 | 39 1950| 795 | 1% 57 58 | s | 58 50—51l 781 | 45 52 300 9 19385 5152| 766 | 46 48 294 9 | 32 5955| 750 | 46 h7 282 ti 3554| 75% | 17 43 273 9 | 30 5a_55| 717 | ıs 40 2364 | 9 29 5556| 699 | 18 59 255 1:9 :h.328 5657| 681 | 19 36 246 | 9 | 38 5758| 662 | 19 | 35 937 | 9 | .% 5859| 643 | 20 32 os I|9 I 3 5960| 623 | 22 28 219:| 9 | 24 6061|. 601 | 24 295 1019| 3 — — — Sm WBeiwWitwen⸗Jnſtituten einer von Es ſtirbt er | —bo A a OO DO Oo Pe Nach Süßmilchs Tafein. ο 191 Es ſtirbt ı von 40 i ο 192 Obwohl man dem Verfaffer diefer tabellarifchen Zus fammenftellung für die dabei gehabte große Mühe Dank wiffen muß, fo kann doch diefelbe nicht als genügend, und für Witwenverforgungs» Inftitute brauchbar, fondern nur als Gegenbeweis der Nichtzulanglichkeit der Süßmilch— ſchen Tafel angefehen werden; denn eines Theils ift fie nur von der Zahl von 43,500 Individuen, die noch dazu nicht alle in einem Jahre, fordern die mehrften hievon, näm— lich .9000, nad) und nach in 20, andere wieder an der Zahl 2500 erft in 56, und die leztern 2200 in 6 Jahren zufanımentraten , folglich viele fhon aus den Verhält— niſſen, theils durch freiwilliges Entfagen ihrer angefaufs ten Rechte, theils durch Todesfälle ausgetveten find, als andere wieder im Diefelbe eintraten. Mithin Eonnte man wohl alljährlich in folchen Inſtituten, der wievielte Le bende von der beftehenden Anzahl der Mitglieder, und in welchem Sahre er geftorben ift, Leicht berechnen, und diefe Derhältniffe dann Leichter in Eines bringen; doch hier, nad) Kaukols Anfichten, find die Antworten auf die Fra= gen: — der wievielte ift dort im 36-, der wievielte da im 20-, und der wievielte bier im Gjährigen Durchs fehnitte von 4000 Lebenden geftorben, — in ein Generals verhältniß gebracht worden, welches zu entziffern fo dem Verfaſſer wie jedem andern ſchwer fallen dürfte, um fo mehr, da in neu errichtete Inſtitute — wie ed auch der Ball bei dem Wiener Inftitute war, nicht alte betagte Männer, fondern meiftens Individuen der für ihr Alter bemeffenen geringern Ablöfungsgebühren wegen in den ſchönſten Lebensjahren eintreten, wo daher Anfangs auch die Sterblichkeit für ſich klein und unbedeutend art len muß. Day ferner nad) feiner Berechnung unter sbadfeben. den in dem Alter von 25, 26, 27 Jahren erft der 200°, der. 199ſte und AgSRe ſtarb, wird, wie gefagt, wohl nur dadurch erklärbar feyn, weil in derlei Snftituten die wenigiten in Dies 195, fem Alter‘ eintveten, oder gerade nur diesmal eingetveten find; ein Fall, der keineswegs bei ſolchen zur Bafis dienen⸗ den Berechnungen übergangen werden darf, weil er danu eine Beranlaffung zu Beirrungen geben müßte, wenn man 3: B. bei Gründung der Leibrenten und Zontinen: fihere Rechnung darauf mahen würde, daß von jenem Tauſend, die in den eriten Lebensjahren eingetreten find, im.25"r, 26ſten, arten Jahre nur die oben bezeichnete Zahl abfters ben: werde, Auch bin ich der Meinung, daß dieſe Sterbetas belle vom gofer Jahre anzufangen, ebenfalls nicht ganz richtige Nefultate liefern Fann, weil es nur einzelne, und dazu noch wenige Individuen von dem Olmüzer Jnſtitute aufzumeifen hat, die zu diefem hohen Alter gelangten, dad Prager Eonnte Kaukol hier nicht zum Maßſtabe ‚ indem es nur höchſtens 60 Jahre alte Mitglieder aufgenommen hat, die folglich bis zur gegenwärtigen: Zeit zu jener Altersftufe noch nicht gelangt find, um zur Baſis diefer Berechnung dienen zu können; das Wiener Jnſti⸗ tut aber um deito weniger, weil es bekanntlich erſt Ro 6 Jahren begründet wurde. Zudem hätte aber auch zugleich bei. ber Berfaffung. einer folhen QIabelle bemerkt werben ſollen, in weis dem Alter die Mitglieder, nämlich vom 285ſten His zum Schlußjahre — nad) Umftänden iſt lezteres das 60ſte bis 65 Sape — und wie viele von denfelben nach den wers fhiedenen Altersitufen in Diefe SInflitute aufgenommen worden find; denn ein ganz. anderes Gterbeverhältniß tritt dort ein, wo mehrere Judividuen vor der Aufnahme das boſte bis boſte Jahr erreichten, ald da, wo die Mehrs zahl derfelben, die 25, 30,40 bis 50 Jahre zählten, vorwaltete. Auch hätte Hiebei Kaukol die nicht unbedeus tende Zahl der Gründer von dieſen Inftituten genau bes zeihnen und ausfcheiden ſollen, die gleich bei ber Grün⸗ dung dieſer Anftalten penfionsfähig erflärt, daher auch nach ihrem Hinfcheiden als geftorben in ben Inſtitutsbü⸗— Sahrbüder, I. Band, 43 19 chern geführt wirrden zn Unterfchiede derjenigen, die erſt naͤch zuruükgelegten meiſtens beftimmten drei’ Proben jahren Penſionsfaͤhig anerkannt, daher deren Sterbefälle dann genau und richtig in Anbeuent gezogen werden. Gengau und wichtig ſagte ich, weil manches Inſtitut, wenn es auch‘ diejenigen, "die während ‘der Probejahre geſtorben find, genau bezeichnen wollte, diesfalle nicht in den’ Stand geſezt wird, es thun zw können, indem Todesz faͤlle derjzenigen, die vor Diefer Zeit geftorben find," von den Verwandten oder Angehörigen ,; weil feikeinen Vor⸗ theil daraus ziehen Finnen, bei den Inſtituts verwaltun— gen nicht gemeldet, daher hievon dann auch viele nur als che Zahlende in den Inſtitutsbüchern bemerkt und ges löſcht werden. Zudem dürfte Kaukol bei der größten Summe: ſeiner Berechnungen, namlich bei der Zahl von 3000 der Prager Inftituts - Mitglieder den Umftand über: fehen Haben,’ daß aus diefem Inſtitute feit einigen Jah⸗ ren viele, ja ſehr viele Mitglieder theils freiwillig aus⸗ getreten find," teils wegen nicht geleiſteter Zahlung der rn gelöfcht wurden. J Aber deſſenungeachtet darf diefe Kaut oliſche Zabelle feineswegs als vielleicht ganz unbrauchbar betrachtet wer: den; denn hätte Dabei der Verfaſſer Fein vanderes Ber: dient , ’als daß ver Süßmilchs Tafeln in Zweifel zog, daher ihnen das undedingte Zutrauen, das ihnen bis zur gegenwärtigen Zeit'unangefochten gefchenkt wurde, ſchmä⸗— lerte, und dadurch aller Inſtitutsgründer und Vorſteher auf ihre bedingte Unbrauchbarkeit aufmerkſam machte, ſo müßten’ wir ihm wahrhaftig ſchon dafür viel Dank wiſſen. Zudem können wir mit Zuverſicht Hoffen, daß er als ber kannter fleißiger Sammler mit der Zeit eine ſolche, ganz dem 8weke entſprechende Tabelle zuſammenſtellen werde, die dann mehr als jede andere dem laͤngſt gefühlten Bes důrfniſſe entſprechen wird, weil nur auf dieſer gebrochenen Bahn 2 alle derlei Snftitute bei *— REN 495 ber arithmetifchen Gewißheit näher und näher rüfen, und 1A vielleicht auch werden erreichen fönnen. hpman' 1 Daß Kaufols Berechnung fih hie und da ben Res heise ‚meiner Berechnungen annähert, kann theils zur Berräftigung des Obengefagten, theils auch dazu dienen, daß meine Tabellen nicht durchgängig eben fo unbedingt, als fieraufgeftellt wurden, von den Gründern der verfchjie: denen Verforgungs- Snftitute, fondern erft modificirt benüzt werden fünnen. Doch bevor id) diefes einzeln bes urfunde, will. ich in Kürze meine ungetrübten ** nz — Tabelle vergleichen. — ee Rue meun 213 * urchſchnitte un⸗ der ftirbt auf dem Bl: a5 ce ER; a *— — ae er ; Im — — —— — einer von vom 26 bis 30. Jahre 101 — 5 — 464 30. 56. 442 — 78 — 43535 5 40. 407 —70 BEE >>) PR IT." FREIEN |: VERBAUT 64 —26 —1178 ARE ar 5Dens 657 — 5659 3:60 ——— 44 und u 44 Berne ern 30 32 nt — 40 — 49 68.. 70... 44 —40 — 415 70. 75. ꝓaa⸗ —V— 4 sy. Tau, 80. ‚6 hiılzalr 41 RE [3 VB nd — LiPE: 9. ‚8b. ». 9. „. ; 4 —— 6 Kurz 6 . Et 90. „ ‚9. 39:7 277 Ti 4 —J 4 dr. 9. ; 5.1400. 5. ) RT, 7 — fa über 100. — — 1 — 1 Warum meine allgemein aufgeſtellten Tabellen, wie ſie ©. 453, 464, 479 und 482 erſchienen find, nicht unbedingt von Grimdern und. Gefchäftsleitern der, Witwen, = und Waiſen ⸗Verſorgungs-Inſtitute u. a. m. benüzt werden 13 * 496 können, liegt der Grund darin, weil in derlei Verſor⸗ gungs-Inftitute, vermög beftehender Divectivregeln, immer nar ganz gefunde Individuen aufgenommen werden, unter denen fich folglich fpäter und feltener ein Todesfall ereignen muß, als da, wo von Natur aus gebredjliche, krüppel⸗ bafte und fieche, oder durch erlittene Krankheit ſiech ger machte Menfchen; ferner durch Kriegsftrapazen gebrech⸗ liche, mitunter auch lebensgefährlich bieffirte Krieger ſich befinden, zu welcher wicht unbedeutenden Zahl dann noch das geſammte weibliche Geflecht gezählt werben muß, das befonders in jenen Jahren — mp die. Männern in Kraft und Fülle ihre fhönfte Lebenszeit geniegen — theils durch unglüfliche Geburten, theils im Kindbett und ans dern nur ihnen angehörigen Krankheiten u. a. m. fterben, daher alle insgefammt in jenen allgemein verfaßten Sters beliften eine Mehrzahl der Todesfälle herbeiführen, die ſolche ausgefuhhte Geſellſchaft nicht treffen können. Aus diefer Urfache wird daher ftets einer ſolchen Ta: belle, die nur aus lauter Sterbefällen einer hinlänglichen Anzahl Inftituts = Mitglieder verfaßt feyn wird, der Bor: zug eingeräumt werden müffen, um fo. mehr, da diefen Re= fultaten ein um fo größeres Vertrauen gefchenkt werden Fann, weil das Alter der Geftorbenen im gemeinen Leben größtentheils auf beiläufigen Angaben des Alters bes ruht, und ſchon deswegen die hervorgegangenen Mortalis tätstafeln minder verläßlich gemacht werden. Weil aber diefe Tabelle, wie ſchon erwähnt wurde, nicht fo. bald ganz dem Zweke entfprechend wird aufgeftellt merden können, fo ſchlug ich *) einen andern Weg ein; ich benüzte dabei die fehon oft erwähnten Sterbetabellen (©.153, 164, 479, 182), *) Ausführliche Darftellung , wie eine unwandeldar beftehende Verſor⸗ gungsanſtalt, für Greiſe, erwerbsunfähige Männer, Witwen und Waiſen ohne Einlagsgelder, ſondern nur durch mäßige jährliche —9— träge gegründet werden kann. Prag. 1828. | | 497 feparirte dabei zugleich forgfältig die berühtte verhältniße mäßigeMehrzahl der Sterbefälle des weiblichen Gefchlechtes, 309 von dem Durhfchnitts- Sterbeverhältniffe der Män— ner zugleich eine beiläufige Zahl der von Inſtituten auszu: fheidenden Siechen, Gebrechlichen u. f. w. ab, berüffich- tigte hiebei zugleich das in Süßmilchs Werfe ©. 294 2. B. erfchienene Sterbeverhältniß der verfchiedenen ges funden, folglich ausgefuchten Gefellfhaften, 3. B. die in Paris gemefenen Benedictiner: Mönche, Tontiniten und a. m., verglich dasfelbe dann mit den Nefultaten aller in dfterreichifchen Staaten befindlichen derlei VBerforgungsz, anftalten, und ftellte endlich für derfei Verſorgungsinſti⸗ tute ein ſogenanntes größtmdgliches Sterbeverhältniß auf, wobei ich folgerte, daß ein jedes Inſtitut, das kein Mitglied, auch fogar die Gründer nicht vor dem Verlaufe der drei Probejahre penfionsfähig erflärt, und mo der Abs gang durch Sterbefälle ſtets wieder durch nen eingefretene Mitglieder im Gleichgewicht erhalten wird, fih alljährlich auf einen Todesfall unter 75 Mitgliedern ‚gefaßt machen müfe. Vorzüglich aber beſtimmte mich zu diefer Behaup— tung das Sterbeverhältniß der Mitglieder der in Prag bes findfichen bereitd 24 Jahre dauernden Verforgungsanftalt der für ohne ihr Verfchulden verunglüften Männer und für Witwen und Waifen. . Nicht minder beftätigte dieſe Behauptung nachher Kaukol in der oben erwähnten Widerlegung der von J. J. Littrom beransgegebenen Bemerkungen über Witwen In: ffitute m. ſ. w. dort, wo er wörtlich Folgendes anführt: „Die erften 2000 Mitglieder des Olmüzer Juſtituts, welche beim Eintritt ein Mittelalter von 55 Jahren hatten, erlitten, wenn man fie ald gleichzeitig eingetreten betrad): Be“ in 40 er — — **— * u A tum Bill} 2 Im 1. Jahre 20 geftorben. Int rn s REEL TEE U „ Rn . Re >> * 4. FREE RS ki » oo en) 27 * a a „ ’ ” 7. ” 25 » m ra“ nn a re 9 29 —J 40. 40 BE ne Geſammtzahl 251. | Nach meiner Angabe hätten aber — weil 78 mit 1000 dividirt, dieſelbe Zahl gibt, und folglich in dieſen 10 Jahren 266 Mitglieder — ſterben ſollen. Ferner ſagt Kaukol: „Bei dem Wiener Inſtitute, wo 3 Probejahre eingeführt find, iſt das Reſultat noch günſti— ger. Die im Aſten Jahre der Gründung dieſer Anſtalt ein: . getretenen 1000 Mitglieder, ende im Pe wen von SB ‚Sabren waren, verloren sn im 4. Jahre durch Ableben 6 » un» „8 Po 5 »„ 1° un ” „ 45 nd > a » — — nr m TB 3 Da aber 4 meiner Berechnung alljährlich 13%, In⸗ dividuen von 1000, mithin in 5 Jahren 66 hätten ſter⸗ ben follen, fo ift in beiden diefer Angaben bewiefen, daß ‚ich folglich das grdftmdglich fFe Sterbeverhältniß aufge⸗ ‚ftellt Habe; und-ich bin der fetten Meinung, daß jedes an- dere Inſtitut ficherer zu Werke gehen möchte, wenn es nad) meiner Anficht auf mehrere Sterbefälle gefaßt wäre, und nach deffen Mehrzahl feine Leiftungen Anfangs bemeffen möchte, wo dann nad) einem feftgefezten Zeitraume immer wieder der dadurch erübrigte Geldbetrag an die Penftoni: : 100 fen verhäktnißmäpio-allfähelichwerabreicht merbentönnte Daß. eine diesfallige entgegengeſezte Handlungsweiſe bei⸗ nahe die, meiſten gegenwärtig: noch in öſterreichiſchen Staaten beftehenden Inftitute in eine: mißliche Lage ver- ſezte, und-daf einige fich nur deshalb ſchon ihrer Auflöfung nähern, iſt bereits eine Thatſache, * OR Beweisſub⸗ zung mehr benöthigt. An Ara ur + Aus dem nun Gefagtem Dürfte er leicht auf den Gedanken verfallen; daß die obenmaufgeftellten Ster⸗ betabellen für Gründer der verfchiedenen Verſorgungs » In: ftitute entbehrlich -feyen , weil: das ftege Nachſchlagen in dieſen Tabellen durch :diefe einfeuchtendere Beſtimmung der unters einer beftimmten Zahl der Mitglieder ſich alljähr: lich einftellenden Sterbefälle nuzlos zu feyn ſcheine. +. Odbwohl Jedermanu wohl einfehen wird, daß durch dieſe Anſicht es allen Gründern und Geſchäftsleitern jezt leichter ſeyn wird, ‚die Leiſtungen der eintretenden Mit— glieder wie die zu leiſtenden Penfionen mit Sicherheit zu beftimmenz; *) fo darf. man doch. nicht ganz unbedingt dieſen Sterbetabellen dabei allen. Werth .abfprechen; um ſo weniger, weil fie anderfeits bei Gründung der verſchiede— nen: Zontinen und. Leibventen = Gefellfehaften u. a. minicht nur nicht, unentbehrlich, fondern ſogar außerſt nothwendig find, ja weil leztere, ohne beinahe taͤgliche Einſicht in dies ſelbe, nicht dauerhaft und unwandelbar beſtehen können. Bevor ich aber das Geſagte begründe, will ich noch zum Schluße eine: kurze Beſchreibung und: Erklärung der verfchiedenen Witwen= und. Waifen = Berforgungsanftalten ſo wie der — noreaoſchiten.· vo u Ran IST TEEN ar Det. vreufifge Stastsra, erklärt ſich diesfalls in ſeinem —2* der Gegenfritigkeit bei Ber orgungsanfitten, (S. u) guf,folgend« 2 Beife: „Seine (Gteljige) Angaben An für den But am seigneffien, weil Min, dur fie i e in vden © St A get it, von : Ik etimmten ‚Anzahl | 3 mu Mitglieder einer Penfiond + Gefelttäjaft; Gh aa Fi einem Jahre 9" zum andern gerabezit zu berechnen m nenn 200 Penfionsinftitute, die nur für Witwen und Waifen * ſtimmt find, zählt gegenwärtig Deutſchland verhältnißmäßig mehrere, als andere Staaten Europens; auch if in Prag eines darunter, welches zugleich den ohne ihr Verfchulden verunglükten Männern eine jährliche Leibrente ausfolgt, und es wird dafelbft noch ein zweites, welches bereits hohen Ortes ſchon zur Genehmigung vorgelegt wurde , ges gründet werden, "das nebft ben verunglükten Männern auch zugleich Greifen ohne Unterſchied, ob fie bemitteft oder mittellos find, ‘fo wie aucd den Witwen und Waifen eine Re jaͤhrliche Penſion verabreichen wird, Da der erftern Verfaffung nur zur bekannt ift, * das * bereits bekanntlich von mir in einem eigends erſchie⸗ nenen Werkchen beſchrieben wurde, ſo dürfte hier eine * here Erläuterung derſelben entbehrlich ſeyn. Die Leibrenten betreffend, dieſe ſind vorzüglich von zweierlei Art. Die erſtere Art ſind gewiſſe feſtſtehende jaͤhrliche oder Zeitrenten, ſo in den jährlichen Abtrag des Capitals und der Zinſen zugleich in einer feſtgeſezten Zeit beſtehen, da z. B. ihrer zwei ſich mit einander dahin vers gleichen‘, daß einer dem andern ein Capital leihet, unter der Bedingung, daß diefer dem andern nicht nur jährs lich die verabredeten Zinfen in 4, 5 oder 6 vom Hun⸗ dert gibt, fondern dag er ihm auch zugleich jährlich einen Theil des Capitals wieder abträgt, dergeftaft, daß auch das Capital in der verabredeten Zeit zugleich getilge, und wieder abgetragen fey in 10, 20 oder: in fo viel Jahren, als man will, Zweitens, die zweite heißt ögeutiich Bhiskente Hierunter verfteht man Renten, die auf die ganze Zeit einem Menſchen gegeben werden, es mag ren bald fterben, oder fehr alt werden. > Die erite Art der Renten hat ihren Grund in der wills Führlihen Verabredung. Von den Leibrenten liegt aber der Beltimmungsgrund im der Dauer des Lebens eines Fr Menſchen, fo von der Ordnung der Sterblichkeit, nicht Aber von der Willkühr der Gontrahenten abhängt: Wenn alfo der Käufer ſowohl als der Verkäufer einer Rente nicht einen merklichen Verfuft erleiden follen, fo muß man hier einen gewiſſen Grund haben, und man muß wiffen, wie fange: der andere leben werde, Hiebet iſt num diefes zur merken, daß eine von andern erfaufte jährliche Zeitrente die ganze Zeit von Jahren über, welche verabredet ift, bezahle werden muß, und es geht die Rente auch auf die Erben des Käufers über, da hingegen bei Leibrenten die Hebung ders felben mit dem Tode des Käufers aufhört. Wenn z. B. 100 Perfonen, die alle von gleichem Alter find, in eine Ge= ſellſchaft zuſammentreten, und auf fich Leibrenten Faufen, und zwar dergeftalt, daß das ganze gegebene Capital mit den Binfen in 20 Jahren von dem Verkäufer foll ausgezahlt ſeyn: ſo ſterben fehr viele Glieder diefer Gefellfchaft von dem Jahre an, da die Hebung der Nente anfängt, bis zu dem ofen Jahre, deren Nente folglich aufhört, und nicht auf die Erben übergeht, Dahingegen leben auch andere länz ger ald 20 Sahre, oft 10, 20 und mehr darüber, die ein: be feftgefezte und erfaufte Leibrente geht aber immer fort, an das Ende des Lebens, da denn die leztern dann viel —8 heben, als ihr Capital ſammt den Zinſen ausmacht. Das, was die vor dem Loſten Jahre Verſtorbenen zu wenig ‚empfangen haben, haben die Ieztern noch, und der Berluſt der erften wird der Gewinn derer, die das Glük haben, länger zu leben. Hieraus ift klar, daß bei einer Geſell⸗ ſchaft ſolcher Rentiniers ein gewiſſer Hazard befindlich ſer, da die Glieder gleichſam eine Wette eingehen, wer von ihnen länger als der andere leben werde, und da fie unter ſich verabreden, daß die frühzeitig Sterbenden, denen, die länger Teben, ihren Theil der Rente, fo fie emipfangen, Aber⸗ laſſen, Tontine iſt eine andere Art der Negotiation oder des Eontracts. Hier tritt eine Geſellſchaft unter der Bedin⸗ gung zufanumen, daß ihe das Capital und Zinfen fo lange ſoll ausgezahltiwerden, bis der lezte verſtorb und da die Portionen denen, fo am Leben ‚bleiben, a ſo kann es ſich ereignen, daß einer. die. Renten der ganzen Geſellſchaft endlich jährlich allein hebt. Die Renten der vorigen Inſtitute bleiben folglich einerlei. Dieſe er ten aber wachſen jährlih, weil. Bein Jahr hingeht, nicht einer oder mehrere nad) der Größe. der en ferben. Diefe leztern zwei Leibrenten-Verſorgungsanſtal⸗ ten befinden ſich vorzüglich in Holland, England, Schwer den, Frankreich, und einige find dort ſchon im azten,, ans dere erſt im agten < Jahrhunderte gegründet worden, wozu vorzüglich die Mortalitätöberechnungen. des Depareieur, Halley, Hogdfon u. a. m. Veranlaffung gaben. - Gegenwärtig verdient hier unter andern befonders die auf folche Art-gemodelte, zugleich mit der. erften öfterreis chiſchen Sparrcaffe vereinigte, Wiener allgemeine Verfors gungsanftalt, die im Jahre. 1823 gegründet wurde, seiner Erwähnung, im welche ſowohl Kinder als Greife aufges nommen. werden. Sie befteht aus ‚lauter Fahresgefell- fhaften, beren Mitglieder nach der Verſchiedenheit des fhon vor dem Eintritte erreichten Alters, in 7 Glaffen eine getheilt werben, wo dann bei der Einlage von-200 M. M. das Mitglied vom AR" bis zum 10% Jahre 8 Gulden, vom Aofen his 2oſten Jahre 8 Gulden 30 kr., vom 2oſten His Söfen Jahre 9 Gulden, vom 5öten pis 5oter Jahre 9 Gul⸗ den 50 fr., vom sofen bis.65fen Sapre.41 Gulden, vom ofen his 65ſten Jahre 12 Gulden, vom 65r Jahre und darüber 43 Gulden an jährlichen Zinſen bezieht; „welche Zinfen ſich ſpäter alljährlih nach und nad werden vers mehren müffen, weil die Erben der abgeftorbenen Mitglies der keinen Anſpruch auf das eingelegte: Capital haben, wenn das Mitglied bereits fehon fo viel an Zinſen erhoben bat, als die Summe der Einlage betrug, und im entges gengefeztem Falle nur jenen Theil erhalten, Der. nad) Abs ſchlag der erhaltenen Zinfen ald Neft zurückblieb. Mithin 205 gewinnen die von einer Jahresgeſellſchaft laͤnger Lebenden durch das Abfterben Anderer, fo an Stammvermdgen, wie an laufenden Inter effen, und es muß daher die Leibrente jebes einzeln am Leben Gebliebenen allmählig ſich mit der Zeit vermehren. Ein anderes in der innern Verfaſſung zwar von die⸗ fen ganz unterſchiedenes Leibhrenten-Inſtitut iſt im Jahre 4829 in Paris unter dem Titel ‚L’Union , Compagnie d’Assurances sur la vie humaine. Autorisee par Or- donnance du.Roi du 21. Juin 1529; auch unter der Firma: ‚Constitution de Rentes viageres sur les tetes = ‘souverains et princes de ‚l’Europe. Nebſt diefen verfchiedenen Arten von Leibrenten gibt es Bach ee die man. Behenöuerfigerungsanflalten armen f Unter Lebensberſi cherung — wird ein Vertrag — welchen Jemand mit einem Zweiten oder. einer fogenannten Geſellſchaft (Actionaivs) dahin abſchließt, daß ihm gegen gewiffe jährliche Leiftungen“ eine. beſtimmte, nad) dem Erlöfchen des. einen oder eines andern Lebens—⸗ verficherten zahlbare Capitalsſumme zugeſichert wird. Die Urkunde, welche die Bank darüber ausſtellt, heißt die p o⸗ lizze; die jaͤhrliche Beſtimmung heißt die Prämie. Dieſer Urfache wegen werden auch unterfchieden: a) Verfiherungen für, die ganze Lebensdauer. — Alaͤngliche Verſi icherungen), und... 6) Verſicherungen auf beſtimmte Zeit, erg auf J on 2 oder auf eine namhafte Reihe von Jahren (ſo⸗ In genannte kurze Verfiherungen) u. ſ. w·.. Eine der: vorzüglichſten ſolcher Anſtalten iſt gegen⸗ 32 4829 unter dem Schuze Sr. herzoglichen Durch⸗ laucht des regierenden Herzogs von Sachſen⸗ Coburg und „Gotha, unter, der Firma: Lebensverſich erungs⸗ bank für — errichtet — — Zar ah 4 £ i 204 Da e8 aber die Tendenz dieſer Särift nicht zulaͤßt, ſich wegen der Innern Verfaſſung aller diefer Inftittte in ein näheres Detail einzulaffen, fo verweife ich den Leſer diesfalls an jene Schriften, die darüber ſchon in * er⸗ ſchienen ſind. Berükſichtigt man folglich alle dieſe Verhaltniſſe, be⸗ ſonders aber ſolcher Inſtitute, die keine Auswahl hinſicht⸗ lich der Geſundheit der eintretenden Mitglieder zur Be— dingniß ſezen, folglich auch gebrechliche, von Natur aus ſieche Individuen, fo des männlichen wie des weiblichen: Geſchlechtes aufnehmen: fo leuchtet es von felbft ein, dag diefe Fragen: — was für eine Lebensdauer verfpricht im Allgemeinen das Kind in der Wiege, der Züngling, der - Mann, die Frau, der Greis u. f.w.? wann hat z.B. beim Wiener Juſtitute die erſte, zweite, dritte Claſſe durch den wahrſcheinlichen Abgang der Sterbefälle der fünften, ſechſten, ſiebenten Claſſe der Mitglieder einen Nuzen zu gewärtigen, oder wie dürften ſich dann die einzelnen Zins fen der untern Elaffen dadurch vermehren? — u. fe w., nur durch richtig verfaßte Mortalitätstafeln berechnet und bes antwortet werden Fönnen. Alles diefes Kann ihnen der oben bezeichnete 75° dahin Gefchiedene nicht erflären; dazu bedarf es einer richtigen Berechnung, und zwar einer folhen, die nicht etwa von 1000 bis 2000 Lebenden, fon- dern von viel größeren Summen entnommen wurde, um fo mehr, da man aus der Erfahrung weiß, daß es nicht möglich ift, das Ziel des Lebens und des Alters eines Menfchen in einzelnen und wenigen Fällen zu beftimmen. Aber nicht allein Leibrenten = Gefellfehaften, fondern auch die Witwen: und Waiſen⸗Inſtitute können diefe oben bezeichneten Sterbetabellen ©. 155, 164, 179 und 182) nicht ganz entbehren, weil mach der künftigen Lebensdauer ja auch die Einlage ſo wie die Nachzahlungen beſtimmt werden müſſen; denn ſicher ſehr unzwekmäßig würde man handeln, wenn man das 50: bis 6ojahrige eintretende Mitglied eben ſo 205 beftenern wollte, ald das 25= bis A0jäprige, indem nach “obiger. Angabe das Verhäftnig des noch anzuhoffenden künftigen- Lebens fich viel geringer bei erſteren als bei ben lezteren darftellt, daher auch die älteren Mitglieder im Durchſchnitte früher Witwen und Waifen binterlaſſen als die jüngern u. ſ. w. h Wollte mancher Lefer meine Anfichten hierin Seller unefolgen, den verweife ich auf meinen Vorſchlag, den ich über ein foldyes zu gründendes Inſtitut ſchon der Publicitat übergeben habe. Hier nur noch zum Schluße eine aus allen den oben S. 453, 464, 179 und 182 angeführten Tabellen entnom⸗ mene Berechnung vorzüglich für jene Snftitute, die entweder ausfchliefig nur. Stadt: oder Landbewohner, oder beide gemifcht ald Mitglieder aufgenommen haben. Wollen nun folhe Snftitute —* den wievielten von ben Mitgliedern im Durchſchnitte alljährlich ein To— besfall treffen wird, fo können diefe nur in den Tabellen — und ſie werden ſich überzeugen, daß auf dem Lande in der Stadt folglich im unter 1000 Leben⸗ unter 1000 Le⸗ Allgemei⸗ ben jeder *) benden jeder nen jeder vom 0 bis zum 5, Jahre — 1%, — 17 — 19%, A „» 0. —⸗90 — 60 — 7 „ 10. „ „ 45. 9 — 153% — 107 vr 120", „ 45. „ „ 20. „ ba a 106'% — 79 — 92%, „ 20, „ „ 25. „ — 445 — 84 — 99% „ 25. „ „ 30. „ —n 120 De; 89 104%, „ 50. „ „ 35. „ —— 414 — 78 — 96 „5, 40. . — N, — 70 — 8% *) Die hier geringere, als in den obern Tabellen angegebene Sterblich⸗ keit der Landbewohner darf Niemand irre führen; denn dort gab ich das Sterbeverhältniß von den Geſammtgebornen, nämlich von 1340, hier gebe ic) ed aber nur von 1000 bag mithin für ausgefuchte Geſell⸗ ſchaften an, ROHR BEL ERENT 3 > aufdemBande in dee Stabt »-folglid im , Pe unter iooo Leben⸗ unter 1000 Le⸗ Allgemeis den jeder _ benben jeder nen jede _ vomdo, sis zum a5. dahre —589—78 ⸗67 —J———— 50. ° Pr aa 57° — 5 zB eg - ». 5, a ee 25 — 30 0 2 ” 60. 5, » ‚65. a0 4 Ska ha 14 — a” — * — ——— 76. EN 8 — RER gr ar a in So DT N Ba, re re „ 85, » Si 90. ee a — ll 5 ” 90. 27 9%. 5 — 3 SR: —— 37 9. I er 100. » —— — Zu Yıo — 2 über 100 DR — are — Mi firbt, we . Schließlich lieferte ic durch eye 5 sandte: auch hier noch den Hauptbeweis, daß ich bei meinem in Borfchlag gebrachten Inftitute (©. 8) die groͤßt⸗ moͤglichſte Sterblichkeit angenommen habe; welchen Weg ich einzufchlagen mich um fo mehr verpflichtet fühlte, weil ich, auch auf Rechnung der unvorgeſehenen Fälle, wenn ich erſteres als unwande Abar beſtehend anempfehlen wollte, Rütſicht nehmen mußte. ER En Verhandlungen der Gefellfhaft des vaterländi: ſchen Mufeums in Böhmen 0 in der achten allgemeinen Verſammlung am 3. April 1830, br — —— u Bortrag des Gefhäftsleiters Joſeph Steinmanı, Prof eñor ber Chemie, End u & 4 5 ml i Sochanlehntiche! Mies dem abgefchiedenen Jahre 41829 bat er * ua clus des Beltandes des vaterländifhen Mufeums begon- nen, und ich entledige mich heute zum erſtenmale der mir durch das Vertrauen des Verwaltungsausfhuffes aufer⸗ legten Verpflichtung, Shen in der Eigenfchaft des Ge fchäftsleiters Bericht zu erftatten über den perfonellen und materiellen: Zuftand einer Anftalt „ -an- welcher fie fortwährend, ihre Zweke fördernd, regen Antheil nehmen. Wenn der Ueberblik der Fortſchritte dieſer vaterlaͤndiſchen Anſtalt, waͤhrend des erften Cyclus, wie fie Ge, Excellenz der Hr, Präfident infeiner in der lezten Generalverfanm- lung gehaltenen Rede mit eben fo wahren, als kurzen und. kraftigen Zügen gefchildert Hat, nicht anders ald erfreulich aufgenommen werden founte: fo wird, ich hoffe es, mein diesjähriger Bericht Beweife liefern, daß feitdem die Theilnahme daran nicht erfaltet, und ihr Gedeihen fort- während im Zunehmen ift. Der bisher befolgten Ordnung in den Vorträgen der Sefchäftsleitung gemäß, beginne auch ich zuerſt mit den- jenigen Ereigniffen des verfloffenen Jahres, welche zu den betrübenden gehören, nämlich mit dem Verluſte mehrerer yerehrungswürdiger Mitglieder unfers Vereins, Es wur: den ihm durch den Tod entriffen: Aus der Glaffe der wirfenden Mitglieder: Se. Erc. der Graf Joſeph Auersberg; Ge. Exc. der Sraf Joſeph Wratislam, uud der hochwürdige Abt de8 — — Flat Adalbert Fähnrich. In die Geſellſchaft traten im Verlauf des verfloſſe⸗ nen Jahres ein, und zwar: - * In die Claſſe der wirkenden Mitglieder: durch Er: legung des foftemmäßigen Stiftungs = Capitals: Hr. Leo: pold Edler von Lämmel, Großhändler zu Prag; — durch Erklärung zu jährlichen : ſyſtemmäßigen Beiträgen : der hohw. Hr. Wenzel Berfhan von Rothenburg, Domherr zu Königgräz 5; und Se. Durdlaudt der Fürſt Friedrich von Dettingene Wallerfbeiny.— Durch: Materialbeiträge im Syſtemalwerthe: Hr. Joſeph Devoty, Ehrendomberr am Woffehrad und Pfarrer zu Sedlez; der Freiherr Franz Malowez von Chei— now.und Winterberg, Here auf Sfaliz, & k. Ober⸗ lieutenant in.der Armee; und Hr. Wenzel Nombaldi | Ritter von Hohenfels, E £ Bergrath zu Stadt—⸗ Steier in Defterreich 5; — durch Selbftfundirnng mittelſt wiffenfhaftlicher Leiftungen fir die Zweke der Geſellſchaft j | | | 209 im Folge des 5. $. der von Er. k. k. Majeftät beftätigten Grundgefeze unfered Vereins: der Hr. Med. Dr. und Prof. Johann Swatopluf Prefl; und Hr. Joſeph Sungmann, E k. Humanitätsprofeffor am altjtädter Gymnaſium. Die Sammlungen des Muſeums ſind in dieſem, wie in den früheren Jahren, durch Schenkungen, Tauſch und Ankauf anſehnlich vermehrt worden. Die beträchtlichſten Vermehrungen verdanken die Bi—⸗ bliothek und die naturhiſtoriſchen Sammlungen abermals dem großmüthigen Wohlwollen Sr. Excell. unſeres Hrn. Präfidenten. Derfelbe verehrte den mineralogifchen Sammlungen vier Suiten von ausgezeichneten norwegi: ſchen, fächfifhen und böymifchen Mineralien, und ſechs Partien Peträfacten aus verfchiedenen Gegenden. Die botanifhe Sammlung erhielt 600 Species am Vorgebirge der guten Hoffnung gefammelter Pflanzen, von denen über die Hälfte in dem Herbarium des Muſeums noch. nicht vorhanden waren; 425 Species fehr feltener neuholländi- ſcher Pflanzen, die fat ſämmtlich bisher dem Herbarium des Mufeums fehlten ; endlich 300 Arten cultivirter Pflan— zen, von welchen faft 4, als neuer Zuwachs für die Sanıms lung anzufehen ift. : Die zoologifche Sammlung endlich bereicherte Ge. Excel. der Hr. Präfident mit 3 Säugthies ven, 3 Vögeln und 8 Amphibien. Die Bibliothek erhielt von demfelben 128 Bände naturhiftorifcher Werke mit 1392 Kupfern und Lithographien, worunter ſich mehrere Prachtausgaben befinden. Durch anderweitige Gefchenfe, von denen im der. beutfhen Monatfchrift und in der böhmifchen Quartals Ächrift des Mufeums ins Einzelne gehende Anzeigen ge: ſchehen find, dann durch Taufch und Ankäufe wurden die naturhiftorifhen Sammlungen nicht minder vermehrt. - Die mineralogifchen erhielten 1) durch Gefchenfe, und zwar: die oryktognoſtiſche Sammlung 5 Partien und 7 Jahrbücher. I. Band. 44 210 einzelne Stüfe, die geognoftifche 2 Lieferungen, und die Peträfactenfammlung 2 Suiten und 2 einzelne Stüfe, unter welchen eine Partie Rafeneifenfteine aus Ungarn, mit merkwürdigen, in Eifenerz verwandelten Pflanzentheiz len, ein Gefhenf Sr. Majeftät unfers allergnädigften Kaifers , befonders erwähnt werden müſſen; 2) durch Tauſch: eine Suite von Fofilien aus der tertiären For: mation Dberitaliens von dem Hrn, Profeffor Bronn zu Heidelberg, eine Partie feltener Peträfacten von Hrn. Hö⸗— nighaus in Krefeld, und eine lehrreiche Suite verftei: nerter Soophpyten von dem Hrn. Grafen Münfter in Baireuth. Noch einer Bereicherung, welche die Samm: lung der Meteorolithen in diefem Jahre erhalten hat, muß bier befonders erwähnt werden, nämlich einer im verflofs fenen Herbft bei Bohumilic im prachiner Kreife aufgefun- denen Maffe meteorifchen Gediegeneiſens, welche: der Freis herr Franz von Malowec auf Sfalic dem Mufenm ger fchenft hat. Alle diefe Ermwerbungen wurden in die Sammlungen ; in die fie gehören , eingereihet, und es erhielt die vaterländiſch- oryktognoſtiſche Sammlung da= durch einen Zuwachs von 25 Eremplaren und 42 größeren Aufſaz- oder Schauſtüken; die allgemeine orpftognoftifche Sammlung vermehrte fi um 117 Eremplare, 18 Par: tien lofer Kıyftalle, und 5 größere Auffazftüfe. Die lezs tere umfaßt gegenwärtig 288 Gpecied des Mohs'ſchen Syſtems in 6595 Eremplaren, 430 Partien Eleinerer Stüke und loſer Kryftalle, und 520 Auffazitüfe. Die Perräs factenfammlung des Thierreichs wurde vorläufig nach den Gebirgsformationen, in welhen dieſe Verſteinerungen vorkommen, geordnet, und mit der fyftematifhen Beftim- mung der einzelnen Gegenftände der Anfang gemacht. Dbgleich diefe Sammlung fpäter ald die der Verfteines rungen aus dem Pflanzenreiche, ja erft feit wenig Jahren angelegt und vermehrt wurde, und fie fih ſchon deshalb — als eine der jüngften — mit andern öffentlichen Samm⸗ x 244 lungen diefer Art, welche in Gegenden, die wegen ihres Reichthums an dergleichen Peträfacten bekannt und be= rühmt find , zufammengebracht und aufgeftellt worden find, weder in Hinfiht auf Wiannigfaltigkeit, noch auf die Anzahl von Seltenheiten diefer Gegenfrände meffen kaun: fo enthält fie deffenungeachtet ſchon gegenwärtig viel Merk⸗ würdiges und Eeltenes, was hieher gehöret, und im Va— terlande felbft aufgefunden wurde, und gewährt fomit einen _ Ueberblik über den Neichthum, den Böhmen au an die- fen Bildungen der Natur befizt, und der von demjenigen, welchen andere Länder von einem gleihen Flacheuraume befizen, keineswegs in Schatten geftellt wird. Die zoologifche Sammlung erhielt 4 Arten Säug— thiere, 10 Arten Vögel, unter welchen ein von Ih. Durch: laucht der Frau Fürftin Kinſty gefchenkter Lori befonders erwähnt zu werden verdient, 9 Arten Reptilien, eine Art Krebs, eine Schneken- und eine Korallenart, 3 Pfauen⸗ eier, und das Weit eines Vogels. Bon diefen Ermwer: bungen find als neuer Zuwachs für die zonlogifhe Samm= lung anzufehen: 4 Species Reptilien, ein fceletirter Hirfchs Eopf, "die Pfaueneier und das Vogelneft. Im Verlaufe des Jahres wurde von dem Hrn. Cuſtos Preil die Her: ausgabe des Afın Heftes der Reliquiae Hänkeanae, wel- ches die Gräfer enthält, fowohl was den Tert als was die Abbildungen betrifft, beforgt, und das allgemeine Her: barium, welches bisher nach dem Linne’fhen Syſtem ge= ordnet war, nach dem natürlichen Pflanzenfyftem umge: ordnet. Dieſe Umordnung ift bis zu zwei Drittheilen des Ganzen der zahlreichen Sammlung vorgeſchritten; die neu zugewachfenen Pflanzen wurden genau beſtimmt, eingerei- bet und verzeichnet. Die Bibliothek erhielt außer den ſchon erwähnten Geſchenken Sr. Excel. des Hrn. Präfidenten, durch ans ‚berweitige Schenfungen und durd Ankauf in Auctionen 325 Bände verfchiedener Drukſchriften, 42 Hantfchriften, 44% 212 44 Driginal = und copirte Urkunden, 3 Fascikeln merk: wärdiger Documente, 24 Karten, Pläne und einzelne Abs bildungen; endlich als Legat des verftorbenen Ausſchuß— mitgliedes, des Abbe Dobrowfiy, 56 Manuſcripte, 172 von ihm felbft und einigen feiner Sreunde gefchriebene Collectaneenhefte, welche merkwürdige Sorfehungen im Ges biete der Philologie und der Geſchichte enthalten, und eine anfehnlihe Anzapl von meift auf Böhmen und Mähren ſich beziehenden Urkunden, Borfchlägen und derlei Acten— ffüfen. Unter den Erwerbungen an Drukwerken verdient noch einer befondern Erwähnung das von dem Hrn. Gra— fen Ervin WNofiz dem Muſeum geſchenkte englifiye Prachtwerk von Edward Upham: „Gefchichte und Lehre des Budhaismus,“ Londen, bei Akermann, mit 45 lithos graphirten Abbildungen. — Die Supplemente zum Nomi: nalfatalog der Bibliothek wurden gehörigen Orts einge fragen, und die Vorbereitungen zur Verfaſſung des nad) den Materien zu orönenden Bücherfatalegs von dem Hrn. Bibliothekar Hanfa fortgefezt, die eben erwähnten, aus dem Nachlaſſe Dobrowſty's herrührenden Manuferipte und Eollectaneenfaseifeln durchgefehen und geordnet, Tämmts liche Bücher und Geſtelle der Bibliothek gereinigt, und die erftern neu geordnet, und endlich an der Verfafung eines Katalogs der Duplicate gearbeitet. a Mein Vortrag wendet fid) nun der angenommenen Drdnung der Materien nad) einer Sammlung zu, die bid- _ her gegen diejenigen, von welchen eben gehandelt wurde, weit: zurük fand, im diefem Jahre aber wie durch einen Zauberfchlag eine völlige Umgeftaltung erfahren hat. Es it Die Münzfammlung des Muſeums! — Se. Erlaucht der Hr. Graf Franz Sternberg: Manderfheid ſchenkte — er felbft Hat es einen Taufch nennen wollen — dem Mufeum feine durch 50jährigen raftlofen Eifer zuſam⸗ mengebrachte, in ihrer Art einzige monographifche Samm⸗ lung von böpmifchen, mährifchen und ſchleſiſchen Münzen, 215 nebſt einer anſehnlichen Sammlung treuer Münz: Abbildun⸗ gen, und handſchriftlicher Bemerkungen über alle Zweige des böhmifchen Münzweſens, — gegen eine. geringe Anz" zahl von Doubletten aus der bisherigen Sammlung des Mufeums. Diefe Schenkung begreift in fih: Münzen und Medaillen von Gold 261 Stük, im Gewichte von 950" Ducaten, Münzen von Gilber 3079, und von Kupfer und andern unedlem Metall 4205 zufammen. 3760 Stüf*). Aus der bisherigen Sammlung wurden der neu gebildeten böhmifhen Münzfammlung noch 79 Stüf einverleibt, fo daß diefe nun 3859 Stük Münzen enthält, wobei die nod) vorhandenen Duplicate wicht mitgezählt, fondern je— desmal unter einer Nummer begriffen find. -Bei dem Mus feum blieben noch außerdem aus der bisherigen Samm— lung als Stamm zur Bildung einer allgemeinen Münz- fammlung zurüf: *) Der diefer Schenfung beigefügte literäriſche Apparat ent— „. balt: 1) vier Portefeuilles » Zeichnungen von böhmischen Minzen und Medaillen, und zwar von der Negentenfolge 641 Stüf, von Städten und Orticaften 26 St., von geiftlihen Münzen 23 St., von Innungen und Corpora- - tionen 3 St., von münzberechtigten Herren 4s St., von Samilienmünzen des Herren-, Ritter = und Bürgerftandes 137 ©t., von Misceiian » und noch zubeftimmenden Mün— zen 26 St., von mähriſchen Münzen 3ı St., von Glaz und Reichftein 24 St.; zufammen. 959 Stük, worunter mehr ald bundert Zeichriungen von Münzen, welche in die- fem Cabinette nicht vorbanden find; 2) handſchriftliche Bes merfungen über böhmiſche Münzperfpnen und Familien, zu: fammen 200 Blätter; 3) Verzeihnig aller Münzwerke, worin Abbildungen böbmifcher Münzen vorfommen; 4) Bemerkungen, die Münze iiberhaupt , ihre Benennung, Theilung und Curs, Münzftätten, Oberſte Münzmeilter, sr ‚Münzbeamten und die Münzliteratur betreffend; außerdem * mehrere Convolute von miscellaneen Bemerkungen über * Münzweſen; endlich 5) eine vollſtändige et AnrE y böhmijchen Münzverordiunungen. 21a antife Münzen ee su nenn... 979 Stük, Münzen des Mittelalters 0.2... 208 „ Brafteatteen EEE TEN Moderne Münzen os cn cn 00. 24 Zufammen.. . 3369 Gtüf. Noch verdient bier einer Erwähnung ein goldener und mehrere filberne Bractesten, als Geſchenk Er. Durch⸗ laucht des Hrn. Fürften von Dettingen. Die ethnographifche Sammlung wurde mit 60 Num⸗ mern vermehrt, von denen 20 Gegenftände aus der Vorzeit, und 40 Gegenftände aus der neuern Zeit umfaſſen; unter- den erftern muß befonders erwähnt werden eine Taſchenuhr in der Form eines fogenannten Nürnberger Eies, ohne Glasdeke, mit dem bloßen Stundenzeiger, aus der frühes ften Zeit der Erfindung der Tafchenuhren, gleichfalls ein Geſchenk des Fürften von Dettingen; unter den Veztern aber verdienen die von dem Glasfabrikanten Hrn. Egermann zu Blottendorf erzeugten, und dem Mufenm - verehrten Proben feiner neuen Erzeugniffe aus buntem Glas, eine befondere Erwähnung. In die Sammlung der Siegelabdrüfe (Sphragido- thef) wurde eine beträchtliche Anzahl Eremplare eingerei- bet, und die erforderlichen Anmerfungen darüber in den dazu beftimmten Coder eingetragen. Die beiden Zeitfchriften des Muſeums haben ihren Fortgang; jedoch hat fi der Verwaltungsausfchuß bewo⸗ gen gefunden, die deutſche Monatfchrift mit Eintrit® des Jahres 1830 gleichfalls in eine Auartalfchrift unter dem Zitel: „Jahrbüder des böhmifhen Mufeums“ umzuwandeln. Die Verlofung von 84 Stüf Actien von ber im J. 1826 vorfchußweife aufgenommenen Anleihe ift der dama⸗ ligen Zufiherung gemäß am 31. Mai v. J. vorgenommen, und es find die Inhaber der gezogenen Actien, fo weit fie fi) Hisper gemeldet haben, befriediget worden. — — — folgende Data vor: Mit Einſchluß der Actien verblieben 215 Ueber den Vermdgensftand der Gefellfchaft Eommen in der zur Uebergabe an die heut zu wählenden Rech— nungsreviforen vorbereiteten Rechnung des Jahres 1829 W. W. am Schluße des Jahres 1828 .. 116,884 fl. 327, kr. Hiezu Famen im Jahre 1829: An Zinfen von verfiherten Capitalien An Zinfen von Staatspapieren ... An fubferibirten größeren Syſtemal⸗ es aaa ae, An Eleineren Beiträgen...» An erworbenen Gapitalien «2... An Mängel: Erfaz . Dagegen wurden 1829 ver wendet: Zum Bau und zur innern Einrich⸗ Aus dem Debit von Verlagsartifeln 5, Summa bes Empfangs „ 154,492 fl. 31, kr. tung >. nie 0,070 0 0 Ei u © 4 . Für Miethe und Steuern. . . Zu Befoldungen 2...» Für Handwerker» Beftallung . Für die Sammlungen... . . Zu Verlagsartikeln EAU ae % * Für Kanzleiauslagen und AN Heine Bedürfniffe 2... .. ESEL. Me Für Rükzahlung von Vorſchüſſen. Summa.. Diefe Ausgaben von dem Empfang abgezogen, geben einen Reſt von . 124,987 fl. 18Y/, Er BB es; 587 ,, 49, » 430 — 32 „40 „ 6500 „— 5 12 „50 „ 1185 „ — » 1403 fl. 45% kr 975, 14% 22 4656 97” 20 „ — 448 „ 5% 2508 „43 „ 103 „22 2 ,— 4200 „ — 12,505 fl. 15% Er. 216 Daran ergibt fi der Vermögens: zuftand der Gefellfchaft für Das Jahr 41850 wie folgt: i W. W. An verſicherten Eapitalien . .... 92,600 fl. — fr. An Staatspapieren. oo. een... 16,875 „ 47 An. Berlagsartilet or MA „2A „ An RUBRANBEH oo see on 0. 20 rn Sm Baaren ver er nenn. 4955, ah n Summa wie oben. . 121,987 fl, 1, 18/4 Ei er. ” Die neue Schuld der Gefell- {haft beträgt: An Hrn. Burde für die Giegel- TAmmlung A. > ae we ee euer 520 fl. 50 fr. Für 54 gezogene und noch zu bezah— lende Actien..... e. 850 „.— Für SO Actien, die noch zu ziehen, und vom Junius 1829 an zu verz zinfen find.» eo y oo nn 0. 200 5 — &umma,.. 3570fl. 50 fr. ” Wird auch diefe Schuld von der obigen — abgezogen, fo verbleiben noch 118,616 fl. 28, fr, W. W. als Activſtand des Vermögens der Gefellfchaft. Sowohl die aus diefer Zufammenjtellung bervorge- hende Vermehrung des der Gefellfehaft gehörigen Fonds an Gapital, wie auch die anfehnliche Bereicherung ihrer Sammlungen, geftatten einen erfreulichen Rükblik auf das Jahr 1829, und ich kann getroft meinen Bericht mit dem Wunfche fchliegen, daß das Jahr 1850 eben fo ge: deihlich für unfere Anftale feyn möge! — 4 De a — SEI ee 217 Rede des Prafidenten - bei der allgemeinen Berfammlung des böhmifhen Mufeums' am 3. April 1850. hr 0, pr — Das erfte Jahr des zweiten fechsjährigen Cyclus feit Eonſtituirung diefer Gefellfchaft wird in den Annalen der— felben durch die merkwürdigen Bereicherungen, welche uns feren Sammlungen geworden, als ein ftrahlender Licht— punkt hervorleuchten. Gleichwie in der anorganifchen Na: tur um einen Kriftall oder Steinkern fich concentrifche Ninge oder verfchieden geftaltete Linien anſchließen, um einen ägyptiſchen Kiefel oder wundervoll geftalteten Agath zw bilden: fo reihen fih an den Kern der erften Samme lungen, welche die Stifter der Anſtalt widmeten, die Gaben der Mitglieder und fonftigen Freunde der Natur: wiffenfhaft und vaterländifchen Gefhichte, um unfere Sammlungen zu jener Vollſtändigkeit zu erheben, melde dem Standpunkt der Wiſſenſchaften, dem Bedürfniffe der Lehre angemeffen, dem Vaterlande ehrbringend tft. Durch den Bericht des Gefchäftsleiters haben Gie, meine Herren, bereits eine allgemeine Weberficht hierüber erhalten; nur über den befonderen wiffenfchaftlichen Werth einiger einzelnen Gegenftände, muß ich mir die Erlaubniß erbitten, noch Einiges nachtragen zu dürfen. Einen doppelten Werth für ung haben die in Rafen: eifenftein übergegangenen Holzarten, Blätter und Früchte von Botiza in der Marmaroſch, welhe-anf allerhöchtten Befehl Sr. Majeſtät von dem E. k. Hof-Mineralien-Ca— binette an das böhmifche Mufeum überſchikt wurden; fie find eig Beweis der alerhöchten Huld unfers allevgnädig- 2315 ken Sonverains, ber bei uns, wie in der ganzen Mon- arhie, das Eireben in den Biffenfhaften und insbeions dere den Naturwiffenfhaften beachtet und unterſtüzt, dies keln Wirkens der Natur in den Pſeudemorpheſen. Unter den Kryſtallfermen werden fie häufiger beobachtet. Unſer Mitglied, Hr. Haidimger, bat uns unlängt auf das parafitiihe Borfommen des Schwerſteins in Wolframs⸗ formen, und des Bolframs in Schwerſteinform aufmerk⸗ ſam gemadt *); in dem vorliegenden Exemplaren fehen wir mit Bewunderung den Rajeneijenitein unter vegetabis liſchen Formen erſcheinen; die Art, wie die aufgelöste Holjmaffe durch die Moleculen des Eifens erſezt wird, ohne die zarteften Formen der Blätter, oder der Schuppen eis nes Fichtenzapfens, im geringen zu verändern, bleibt uns jedoh ein Seheimniß, eb wir gleich die chemiſchen Pro⸗ cefle, melde hier Statt finden müffen, ahnen fünnen. _ Der Zuwachs en foſſilen Pflanzen, der unſere Samm⸗ lung im heurigen Jahre anſehnlich vermehrte, it ven ſol⸗ Her Wichtigkeit, daß er zu einem Gupplementheft der Slera der Vorwelt Beranlaffung geben wird; befonders merfwürdig find mehrere Fäherpalmen aus den Kohlen werfen zu Hering in Tirol, melde der k. k. Bergrath Hr. Aleys Maier in Pribram dem Mufeum verehrte, und meßrere Holjverfteinerungen mit erfeunbarer Drganifation, melde geſtattet, diefelben als Cycadeen, Palmen oder Surrenfräuter zu harafterifiren, von Hrn. Eufos Zippe in Böhmen gefammelt. Die bereits von dem Hrn. Gefhäftsleiter befprochene Meteor - Eifenmaffe von Bohumilie erwekt in uns das an⸗ genehme Gefühl der Wichtigkeit und Nüzlichkeit eines Rational: Mufeums; denn höchſt wahrfheinliher Weiſe würde es nie den Raturforfhern zur Kenntuiß gelangt °) Jahrbücher tes schm. Muſeums, 2. 1... ©. 1., ©. 16. 219 ſeyn, menn ein ſolches Inftitut nicht vorhanden gemefen, und auf die Wichtigkeit des Sammelns und Vereinigens des Gefundenen aufmerffam gemacht worden wäre. Der Plug war vielleicht ſchon Jahrhunderte lang über diefen verborgenen Schaz hinweg gegleitet, als er am 49. September voriges Jahr, wo der Regen von dem Abhange des Berges viele Erde abgefpült, durch diefe Maffe feitgehalten wurde. Die Schwere derfelben verrieth ein Metall, das man für ein edles hielt; fie wurde in das nur 450 Schritt entfernte Schloß gebracht, von dem Schmied ein Stüf davon abgefhlagen, und als Eifen erkannt. Hr. Karl Claudi, Dr. der Rechte und Befizer des nahbarlihen Gutes Eyfin, fah den gefunde— nen Schaz in dem Schloffe Bohumilic, und urtheilte aus dem Umftande, daß diefe 103 Pfund fchwere Eifenmaffe fhmiedbar war, und in jener Gegend weder Eifenmanus faeturen, noch Bergwerke befannt find, daß fie wohl me: teorifchen Urfprungs ſeyn Eönne; er theilte das von dem Schmied abgefhlagene Stüfhen dem Hrn. Profeffor der Chemie, Steinmann, zur Unterfuhung und Beurthei⸗ lung mit, welcher durch den darin entdeften Nifel, das Gefüge und die übrige Befchaffenpeit der Maffe jeden Zweifel an den meteorifhen Urfprung derfelden befeitigte. Hr. Baron von Malowec, Befizer von Sfalic und dem Schloffe Bohumilic, hievon unterrichtet, übergab diefes Eremplar mit patriotifcher Bereitwilligfeit dem vaterläns difhen Mufeum. Sehr wünfhenswerth wäre es, einige Notizen über den Fall diefer Meteormaffe zu erhalten, allein nach der difen Krufte von Oxyd, womit der innere Metallkern bedeft ift, zu urtheilen, kann diefelbe mehrere Sahrhunderte alt fern. Aus einer fo frühen Zeit haben wir nur eine einzige, leider fehr unbeftimmte Nachricht von Marcus Marci de Kronland (Landskron), ei— ner im Jahre 1618 in Böhmen herabgefallenen Metall maffe, ohne Angabe des Orts, wo der Fall beobachtet 2320 ı worden); es läßt fih daher mit Feiner Beſtimmtheit ausmitteln, ob die Bohumilizer Eifenmalfe diejenige fey, deren er erwähnt, oder nicht. Es unterfcheidet ſich die Bohumilizer Meteormaffe vor andern ähnlichen dadurch, daß fie mit Adern von Graphit (Neisblei) gemengt, mit Magnetkies und Körnern von Silicium-Eiſen durchzogen ift, und daß ihr Nikelgehalt in einigen Stellen bis zu 4 prCt. und darüber fteigt, während Klaproth den Nikel— gehalt des verwünfchten Burggrafen zu Elbogen nur zu 2, den der Agramer Eifenmaffe zu 3'4, den fibirifchen zu 4%, und den von Merico zu 3", prCt. fand "HL DRS fogenannte Gediegeneifen (ker natif), welches in der Wüſte von Atacana in Pern zerftreut, und nad) Angabe von Negerfelaven im Inneren der Wirte anftehend gefun— den werden fol, enthält zwar noch einen größern Antheil von Nikel (6%), und einen Antheil von Koboftz die Nachrichten über diefe Entdefung find jedoch noch übers haupt fo ungenügend, daß man vorerft die Beſtätigung abwarten muß. In der Form wird es als fehr pords, der vom Pallas befchriebenen ſibiriſchen Eifenmaffe ähnlich, an— gegeben, das bei der Bohumilizer nicht der Fall iſt*5). Wir übergehen manche andere Babe, durch melche unfere naturhiftorifihen Sammlungen wichtige Ergänzuns gen erhalten, erwähnen auch bei der Bibliothek nur eines der neueſten englifhen Werke über die Neligion der Bude has mit vielen merkwürdigen Abbildungen, welches uns von Hrn. Grafen Ervin Noftiz verehrt wurde, um ums zu den Manuferipten zu wenden. Es erinnert und zwar *) Millauers Meberficht der bisher befannt gewordenen böhmifchen meteorifben Metall: und Steinmaffen. Ber: bandfungen des Muſeums, 1325, * Heft. **) Siehe Beilage A. **x) Notice sur une Masse de fer natif, du desert d’Ata- cana au Perou par T, Allan. Bull. des Sci. nat. Sept. 1629, pag. 55o. 221 der Zuwachs an Handfihriften, ben wir-erhielten, an den empfindlichen Verluft, den wir durch den Tod unfers würs gen Mitglieds, des allgemein verehrten Abbé Dos Be erlitten, aus deffen an das Diufeum gemach— tem Legat fie herſtammen: doch ſchäzen wir uns glüflich, die Beweiſe und Belege feines erworbenen Titerärifchen Ruhms und feiner raſtloſen Thätigkeit der Nachwelt zur Aneiferung aufbewahren zu können. Unter den 161 Num— mern von Handfihriften, weiche und zugefommen, müſſen wir vor allem feine eigenen GCollectaneen, Excerpten und Apparate zu feinen Werfen vaterländifch = hifterifhen und ſlawiſch⸗ philologiſchen Inhalts anführen, wenn auch das Meiſte davon ſchon gedrukt iſt, da wir hiedurch mit der Art und Weiſe des Studiums eines Gelehrten bekannt werden, der ein ſo gründliches Syſtem für feine literäri— ſchen Arbeiten aufzuſtellen wußte. Sie werden ſeinen Biographen die Mittel darbieten, in den Geiſt des Schriftſtellers einzudringen, ihn nach ſeiner Würde zu ſchildern. Die von Fortunat Durich fleißig geſammelten Excerpten aus den Schäzen ſeltener böhmifchen und ſlawi⸗ chen Werke der Wiener k. k. Hofbibliothek, hat der Ver— ewigte, als er am Sterbebette ſeines Freundes Abſchied nahm, in Turnau erhalten, und dem Baterlande aufbe⸗ wahret. Unter den von ihm gefammelten älteren Handſchriften in lateinifcher Sprache und verſchiedenen flawifchen Diaz leften finden fi) mehrere aus dem XIV. bis XVI. Jahr: hunderte, verfchiedenen Inhalts, und aus der erften Hälfte des verfloffenen Jahrhunderts eine noch ungedrufte, von unferem Landsmann, dem Sefuiten Karl Prikryf, deſſen Lebensumſtaͤnde Pelzel erwähnt hat, in Goa ges ſchriebene Gramatik der Brachmaniſchen Sprahe, welde in unferen Tagen, wo man ſich viel mit den indifchen Sprachen befchäftiget, manchem Philologen willfommen 222 feyn wird. Auch Collectaneen zu feinem botanifchen Werke; Entwurf eines Syftems der Botanik nach Zahlen und Vers “ hältniffen, verdienen eine befondere Erwähnung, * der erſte war, welcher dieſe Ideen zu einem Syſtem reihte, welches ſeit jener Zeit von mehreren Botanikern aufge— nommen und erweitert worden. Auch in diefem Fache hat er ältere Handfihriften gefammelt. So z. B. die Dietae generales et partieulares Constantini aus dem XIII. Sahrhundert, welche die zu jener Zeit als officinell geach— teten Pflanzen enthalten, mehrere Abfchriften von dem böhmifchen Jadro. Die Eurze Zeit, feit welcher wir Diefe Schriften befizen, hat noch nicht geftattet, ihren Inhalt in vollem Maße zu würdigen. Die lezte und wichtigfte Gabe für unfer Mufeum, welche ich zu erwähnen habe, fezet mich in einige Verle— genheit. — Die Pfliht, die mir ald Präfidenten obliegt, muß bier die Rüffichten der Befcheidenheit ald Freund und Verwandter zurükdrängen; auch ift die Minzfammlung des Hrn. Franz Grafen v. Sternberg Manderfheid im In- und Auslande fo hinreichend befannt, daß ich Fei= nen Widerfpruch zu beforgen habe, wenn ich fage, daß dur die großmüthige Weife, womit felber fich feiner großen ‚vaterländifhen Münzfammlung entäußerte, unſer Mufeum! mit einemmal in den Beltz des bis jezt vollftän- digften Cabinetts diefer intereffanten und lehrreichen Denk: mäler unferer Vorzeit gelangt ift. Durch fünfzig Jahre fihente der edle Sammler wes der Mühe noch Koften, um feinen Schaz durch jede, die Wiſſenſchaft fördernde Erwerbung zu bereichern; ein feltes nes Glüf unterflüzte den eben fo feltenen Eifer. Erbe der anfehnlichen gräflih Manderfheidfhen Sammlung auf dem Schloſſe Blankenheim, erlangte er ſchon in früher Zeit intereffante Beiträge dazu aus dem Nachlaſſe des für Böhmen unvergeglihen Karl Egon Zürften von Fürftenberg, kaufte die ganze an Seltenheiten reiche 225 Sammlung des ehemaligen Gecretärd des Ciſtercienſer Stiftes Oſſek, Leopold Zeidlerz ferner die von dem ernialrathe von Bienenberg, und von Hrn. Itz n Mildenftein hinterlaffenen Sammlungen; endlich im Jahre 1805 auch diejenige, welche einft dem hochher— zigen Biſchof von feitmeriz, Ernft Grafen v. Waldſtein gehörte, und größtentheils die Urbilder zu Voigts noch immer nnentbehrlicher Befchreibung der böhmifhen Mün— zen geliefert hatte; auch der mit dem in der Münzfunde des Mittelalters noch umübertroffenen Prof. Mader ein: geleitete Tauſch ausländifcher Münzen gegen böhmifche, vermehrte diefe Sammlung mit ausgezeichneten Erempla= ren. Was jedoc) einziges in andern Cabinetten des In— und Auslandes vorhanden ift, und nicht erlangt werden fonnte, wurde wenigitens in treuen Zeichnungen, Abdrüs fen und Befchreibungen verſchafft, und dadurch, fo wie durch einen reichen hiſtoriſchen Apparat, das Lehrreiche diefer im ihrer Art einzigen Sammlung noch ungemein erhöht. Es fey ums vergönnt, einige gefhichtlihe Andentun: gen über die Epochen und Charaktere unferes vaterländis fhen Münzmwefens auszufprechen, wie fie die Anficht diejer dem Mufeum dargebradhten Sammlung veranlaßt. Diefe Denkmäler erlangten feit dem Anfang des XVI. Sahrhunderts,, noch mehr aber feit K. Ferdinand I. Res gierung eine wefentlich veränderte Geftalt, rechtfertigen daher die Eintheilung der böhmifhen Münzen in die des Mittelalters nnd der neueren Zeit feit dem XVI. Jahrhun⸗ dert. Aus dem Mittelakter find uns nur laudesherrliche Münzen bekannt, und die Münzberechtigten diefer Zeit prägten felbft Feine anderenz in der neueren Zeit wird die Menge der Medaillen aller Art anſehnlich, fo wie auch die Münzen einiger Münzberechtigten. In dem Münzwefen des Mittelalters Taffen ſich fünf Hauptperioden bezeichnen, welche unterfcheidende Charak— 224 tere an fih tragen*). Die älteften Münzen diefer Samm⸗ lung, welde mi: den Boleslawen anfangen und bis zur Mitte des XI Sahrhunderts herabreichen, find b Blechmünzen, wie alle gleichzeitigen, noch fehr roh beitet; die Stempelſchneider begnügten fich damit, Die Linien der gezeichneten Figuren, welche in Umriffen ge: liefert werden follten, zu zählen; die Buchftaben der Auf— fhrift wurden oft durcheinander geworfen, verwechfelt, oder entftellt, daher es oft uumdglich wird, ihren Ginn ne > ee ie ie BE. zu enträthfein,. Mit Herzog Spitignew, dem Sohne Bie- tislaws, fängt eine zweite Periode an, wo zwar im Gans zen derfelbe Charakter in den Contourzeichnungen noch: vor= herrſcht, die Münzen jedoch Fleiner, diker und gediegener erfheinen, und feit dem Anfange des XI. Sahrhunderts nach und nach in den Charakter der dritten Periode über: gehen, welche mit dem Herzog Wladislaw J. beginnt und mit dem Xil. Sahrhundert endet. Diefe Periode zeichnet fi) durch feine plaſtiſche Vorjtellungen in Basreliefsform aus, deren Inhalt großen Iheils aus der Legende des heil. Wenzel entlehnt wurde, für uns eben darum befon- ders merfwürdig, da ihr Charafter unferem Vaterlande eigenthümlic) angehört, und von feinem gleichzeitigen im Auslande erreicht oder übertroffen wird. „ Unfere neue Sammlung ift daran vorzüglich reich, indem fie unter Wladislaw allein nicht weniger ald 7 Inedita zählt, Ans der Periode der böhmifchen Ottofare, ja aus dem ganzen XII. Jahrhunderte find ung außer einer eine zigen Münze, welche die Auffchrift Premisl Rex führt, nur die Bracteaten befannt, deren nähere Beftimmung, ſelbſt nach den Bemühungen des verdienftvollen Prof, Ma- der, noch immer ſchwierig ift. So auffallend. es erfcheinen muß, daß die von den Griechen auf den höchften Glanzpunkt erhobene Prägekunit *) Siehe Beilnge B. fo gang vertilgt werden konnte, daß fie im Mittelalter bis zu der Linienzeichnung abenteuerlicher Menfchen und Ihierz formen: herabſank, wo fie nur Kinder oder Stämme alle Givilifation entbehrender Nationen darzuftellen pflegen ; eben fo befremdend ijt der rafıhe Uebergang in die dritte Periode im XII. Jahrhundert, welche Feinen geringen Kunftfinn in der Darftellung Ina Geftalten ver: räth. - Die hierauf folgende Epoche der ſonderbarſten alten Münzen, der Bracteaten, die eine eigene Epiſode in dem Münzweſen bilden, und wenn gleich ſehr verbreitet, doc, einzig für fi da ſtehen, im Gehalte geringer als je zuvor und nachher, auf dem Gepräge die Arabeske in den Thier— geftalten aufnehmend, aus welcher vielleicht nach mannig: faltigen Uebergängen endlich der doppelt geſchwänzte böh- mifche Löwe hervorging, Fönnte auf die Vermuthung lei— ten, daß, fo wie die Baukunſt in ihren Formen und Ver: jierungen in der Zeit der Kreuzzüge in den fogenannten neugriechifehen Stil überging , auch die Prägefunit im Drient neue Bilder und Formen entlehnt haben möge. Unter König Wenzel dem II., und zwar nach dem Berichte des gleichzeitigen Ehroniften Peter von Königfaal erft im Jahre 1300 wurde durch eine Neform des ganzen Münzwefens, die fünfte böhmiſche Münzperiode, die der Prager Groſchen begründet, welche mit ihrem Stifter am glänzendften begann, und erft im XVI. Jahrhundert, na= mentlich im Jahre 1547 gänzlich aufhörte, nachdem der Werth der Münze mit jeder nachfolgenden Negierung im— mer tiefer gefunfen war. Sn diefer Periode, unter König Sohann, beginnen unfere Goldmünzen, den florentiner Ducaten mit der Lilie und dem heil. Johann Baptift voll- Kommen ähnlich; doc) find ung zur Zeit noch feine in Böh- men geprägte Ducaten, von Kaifer Sigmund bis auf Kö— nig Georg herab, bekannt geworden. Kaifer Karl des IV. Regierung lieferte die erften Dikgroſchen, eine Lurusmünze, Jahrbücher. I. Band. 45 226 die bis auf König Ludwig üblich war. Es find zwar aus: gezeichnet fhöne Eremplare dieſer Gattung mit der Auf- ſchrift Wenceslaus III. vorhanden; aber es ift Faum zu zweifeln, daß die unzähligen Prager Grofchen mit gleicher Auffchrift insgefammt unferem König Wenzel dem IV. zu: geeignet werden müſſen. ‚Da. der lezte Piemyslide noch vor feiner Krönung unter dem Dolce des Meuchelmör- ders gefallen war, fo wurde er zwar gefchichtlich, aber nicht verfaffungsmäßig mitgezählt; Daher, finden wir auch andere, gleichzeitige Denkmäler, wo unfer König Wenzel der IV. noch Wenceslaus tertius genannt wird. Sehr anfehnkich ift die Zahl der Ueberftemplungen feiner Prager Grofhen in den deutfchen Neichsftädten, zumal des ſchwä⸗—⸗ bifchen und fränfifchen Kreifes von Salzburg bis. Schaff- haufen, Elfaß =» Zabern und Mainz. Der gänzlihe Manz gel von Prager Groſchen aus der Regierung. der Könige Sigmund, Albreht und Ladislaw ift Faum zu erklären, da deren Prägung aus gefchichtlihen Denfmälern gewiß ift, und ein fchöner Dikgroſchen des Königs Ladislaw fich in dem k.k. Münzcabinet in Wien befindet; um fo größer ift die Anzapl der unbejtimmbaren Münzen diefes vielbe— wegten Zeitalters. Ob der Buchſtabe G. auf einigen neu aufgefundenen Pfennigen K. Georgs nicht auf feine Glazer Münzftüfe zu beziehen fey, muß noch unentfchieden blei— ben. Die Regierung des unglüflihen K. Ludwig. Liefert die erften Zahrzahlen auf böhmifchen Münzen, die vou da faft ununterbrochen fortdanern. In diefer Zeit beginnt überhaupt eine neue. Epoche des böhmifchen Münzwefens. Die herrlihen Schlififhen Münzen von Joachims— thal, welche den Namen der Thaler in die ganze Welt brachten, eröffnen die Reihe der böhmifchen Privatmün— zen und Medaillen; die ältefte Jahrzahl auf dieſen Tha— Vern ift 4520, die jüngſte 1528, welche noch auf den Na— men des bei Mohacs gebliebenen Grafen Stephan geprägt wurde; fpäter wurde Joachimsthal Fönigl. Kammergut. ei 227 ©eit 1529 beginnen daher unfere erften königl. Thaler mit ibren Unterabtheilungen, wiewohl ſchon eine Münze K. Lud⸗ wigs von 1524 den Namen eines halben Thalers verdiente, ' Die Regierung K. Ferdinands lieferte die erften königl. Medaillen, und die erften fupfernen Naitpfennige der böh— mifchen Fönigl. Kammer, welche im Jahre 1560 anfangen ‚und 4661 aufhören. Die fhönften königl. Medaillen find von K. Marimilian vorhanden; unter ihm und feinen zwei Söhnen Rudolph und Mathias lernen wir auch die bild groffe (weiße Groſchen) kennen, feit 1578 auch den ‚maley gros (Fleinen Grofhen). Aus der Menge-und Vorzüglichkeit der Lurusmünzen diefer Zeit läßt fih auf die reihe Ausbeute der böhmifchen Bergwerke und die Blüthe des Münzwefens unter K. Rudolph II. ſchließen; unter ihm wurden die doppelten und zehnfachen Ducaten, fo wie die doppelten und dreifachen Thaler und Klippen zuerft eingeführt; unter feinem Nachfolger Mathias die böhmifchen Krönungsmedaillen und Krönungsausmwurfse münzen, obgleich es nicht zu läugnen ift, daß eine feltene Münze des XU. Zahrhunderts mit der Aufſchrift rex Wladislaw und Judita regina fohon auf einen ähnlichen Gebrauch hinzudeuten fcheint. Die traurige fogenannte Kipper und — periode unter K. Ferdinand II. dauerte glüklicherweiſe nur einige Jahre bis 1626, doch zeigt ſich die Verarmung der Münze von Kuttenberg unverkennbar ſchon unter Leopold dem J. Dafür wurde unter Karl dem VI. die Prager Münzſtaͤtte um ſo thätiger. Die Krönungsmedaillen die— ſes Kaiſers ſind beſonders ſchön und häufig; unter ihm wurden von der Ausbeute in Eule wieder böhmifche Gold: ftüfe, unter feiner Nachfolgerin M. Therefia in den Jah: ven 1757 und 1758 auch Soachimsthaler wieder geprägt. Die erfte curvente Kupfermünze erfcheint erſt in den Jah— ven 4759 und 1760, doc, hören die Dreipfennigmünzen (Gröfchel) unter Kaifer Joſeph 1782 mieder auf. 415 * 228 An Münzen und Medaillen von Städten und Ort: haften ift unfer Vaterland nicht reich. Die älteften von Prag mit der Jahrzahl 1585 und den Auffchriften Znameni snemowniho snesseni, Signum concessae li- bertatis, Signum indultae servitutis, find um fo auffal⸗ lender, als es zur Zeit noch unmöglich ift, das Ereignif, worauf fie fich beziehen, beftimme nachzuweifen. Eger, deffen Wappenfhild unter K. Dttofar auf einem Bractea⸗ ten erfeheint, liefert uns zu Anfang des XVI. Jahrhun⸗ derts noch einen fehönen Dikpfennig. Noch ſchöner iſt der unter K. Rudolph geprägte, vielleicht einzige Difpfennig von Budweis in unferer Sammlung. Außerdem haben wir noch Medaillen von Kuttenberg, Nudolphftadt, Pilfen, Hribram, Abertann, Niflasberg, Tepliz, Karlsbad, ne ſtadt und Reichenberg aufzumweifen. Die Neihe der geiftlihden Münzen, inöbefondere des Prager Erzbisthums, fängt feit dem Dreißigjährigen Kriege mit dem Gardinal Harrach an, und dauert ununs terbrochen fort bis zur Gegenwart, Auch find Leitmerizer bifchöflihe Medaillen, und außer der Wyffehrader, noch von vielen andern Kirchen und Gnadenorten Böhmens vorhanden. Die Münzberechtigten in alter Zeit prägten bei uns nur landesherrlihe Münzen; fo die Herren von Nofenberg und von Caftolowie im XV. Jahrhunderte. Die erfte Aus- nahme davon machen die Schlike mit ihren ſchönen Joa— himsthalern, woran unfer Cabinet befonders reich ift. Ihnen zunächit folgten die Herren Wilhelm und Peter Wok von Nofenberg, J— auf ihrer Herrſchaft Reichſtein in Schleſien. Vom Herzoge von Friedland be— ſizt unſere Sammlung, unter andern Münzen, auch fünf- bis sehnfache Ducaten, Thaler, Gulden, und einen felte: nen Fupfernen Raitpfennig der fürſtlichen Kammer zu Friedland. Das Shlifffhe Münzprivilegium wurde im J. 4627 erneuert; unter ihren feitdem geprägten Münzen 229 _ zählen wir auch ‚einen 20fachen Ducaten vom I. 1649. Dann wurde noch. von den Fürften von Eggenberg, als Herzogen von Kruman, und im vorigen Jahrhunderte vom Fürſten Karl Egon von Fürftenberg, namentlich aus dem bei Podmofl gefundenen Golde geprägt, Doch eine der intereffanteiten Partien unferes alten Miünzwefens find die in anfehnlicher Zahl vorhandenen Samilienmedaillen und Gedächtnißmünzen. Man hat deren feit dem XVI. Sahrh. fait von jedem böhmifchen Herren: gefchlechte, von vielen Nitterfamilien und Perfonen bürs gerlichen Standes, mehrere darunter von vorzüglicher Schönheit, aufzumeifen. Wir wollen hier nur die Namen befannter Familien und einiger Münzmeiſter angeben. Augezd, Berchtold, Berka, Crocin von Drahobeyl, Cernin, Drachowſky, Gallas (als Beſizer von Friedland), Gelcan, Gendorf, Globen, Greiffenberg, Griespek, KHafenburg, Huber von Rieſenpach, Kapaun, Kek von Schwarzpach, Kinſty, Knobloch, Kolowrat, Kraigk, Löwenftein, Lobs Fowiz, Mazanee von Frimburg, Mystik von Hirſſow, Neuhaus, Noftiz, Pernftein, Roſenberg (Wilhelm und Peter Wo), Schmitgräbner, Schönfeld, Sſtreta Sot⸗ nowſky, Spork, Sternberg, Sturm, Schwamberg, Schwars zenberg, Swihowſky, Treka, Varnspach, Waldſtein, Wartenberg, Windiſchgräz, Woradicky, Wiefowie, Wunſchwiz, Zdiar m. a: m., deren Namen geſchichtlich weniger bekannt find, Als Anhang folgen die mährifhen Münzen und Mes dailfen der Dlmüzer Bifchöfe von Stanislaus Pawlowſtky an, und ununterbrochen feit Cardinal Dietrichftein bis auf die gegenwärtige Zeit, der Aebte von Hradifch und Wer lehrad ıc., Münzen von Glaz, welche.eine Zeit lang einem Heren von Pernftein gehörten, und von Neichftein unter dein Befize der Prinzen aus dem Poriebradifchen Stamm und der Roſenberge. Hi 230 Diefer flüchtige Weberblif mag hinreichen, um den gefchichtlichen Werth diefer auserlefenen Sammlung, den doppelten für das Mufeum, und den Edelmuth des Gebers zu bezeichnen. -— Das verfloffene Jahr gemährt uns eine neue Bürgfchaft, wie raſch durch patriotifchen Gemeinfinn eine vaterländifche Anftalt zur Vollkommenheit vorfehreiten fönne, und, wie wir hoffen und glauben, auch ferner vor⸗ fehreiten werde. — Beilage AL Befchreibung der Bohumilizer Meteormaffe. Die Geftalt der Bohumilizer Meteormaffe ift die eines unregelmäßig vierefigen Klumpen, deffen drei Di- menfionen 15°, 12° und 8" find. Die Figur der Maffe geftattet Beine Vergleihung mit irgend einem anderen Ge- genftande, vielmeniger läßt fie fih auf eine regelmäßige zurükführen. Die Oberfläche derfelben it im hohen Grade uneben, das heißt, fie befteht aus abwechfelnden Erhaben- heiten und Vertiefungen; leztere find, befonders auf der einen Seite der Maffe, welche durch einen gefrümmten ſcharfen Rüken in zwei ungleiche gegen einander geneigte Abhänge getheilt wird, Feffelförmig oder fhüffelfdrmig, und haben an ihrem Rande einen Durchmeffer von Abis 2301, auch gruppiren ſich einige ſolche Vertiefungen zu größeren, von einem Durchmeſſer von 4 bis 6 Zoll. Dieſe, für die Meteormaſſen wie es ſcheint, charakteriſtiſchen Vertiefun⸗ gen, haben einige Aehnlichkeit mit denen, welche ſich bei beginnendem Thauwetter auf Schnee⸗ und Eismaſſen bilden. Die Meteormaſſe iſt mit einer ziemlich diken Rinde von braunem und gelblichen Eiſenoxydhydrat überzogen, welche ſich auf der Maſſe ſelbſt durch die Länge der Zeit gebildet haben mag; die Farbe der Maſſe von außen iſt 254 dem gemäß nelkenbraun, mit dunklern und lichtern, * ochergelben in einander verfließenden Fleken. Im Innern iſt die Farbe lichtſtahlgrau, etwas hellen als die einer frifch gefeilten Fläche von Schmiedeifen, doch nicht fo Licht, als die Farbe der elbogner Meteormaffe. “Eine mit Salpeterfäure geäzte Schnittfläche zeigt Die für die Meteormaffen charakteriftifhen, von Widtmann- ftedten zuerft beobachteten, und nad) ihm benannten Figu* ven, wiefie der beiligende Abdruf, der von dev Maffe feldft gemacht wurde, darftellt. Vergleicht man diefe Figuren mit denen der elbogner Maffe, * ergeben ſich folgende Unterſchiede: Die meiſten erhabenen Linien erſcheinen auf der Bo⸗ humilizer Maſſe ſparſamer als auf der elbogner, die Zwiſchenfelder, welche auf lezterer von zweierlei Art, heller und dunkler, die erſteren durch die Lupe betrachtet von aͤuſterſt zarten ſich durchkreuzenden Linien durchzogen, die lezteren aber ganz fein gekörnt erſcheinen, ſind auf unſerer Maſſe blos einerlei, nämlich ſehr deutlich, ſchon mit freiem Auge bemerkbar, von Linien durchzogen, die ſich unter ſchie— fen Winkeln fohneiden, die aber nicht mit den weißen er— babenen Linien parallel find. Die Fläche ſelbſt erhält dadurch Aehnlichkeit mit den fogenannten geftriften äußern Geftalten mancher Mineralien. Bei der elbogner Maffe ſchneiden fich die weißen Linien meiftens unter Winkeln von 60° und 120°. Bei der Bohumilizer Maffe ift diefe Negelmäßigkeit nicht bemerkbar, die Winkel, unter welchen ſich diefe Linien (auf dem Abdruk die ftärferen ſchwarzen) fhneiden, find durchans nicht conitant ; ; am häuftgiten fin= den ſich noch die von ungefähr 70° und 110°; auch gehen die Richtungen diefer Linien nicht fo durch die ganze Maffe, ‚fie find vielmehr Häufig unterbrochen. Dieſe Befchaffen- heit der Schnittfläche Täßt ſchon vermuthen, dag die Maffe zuſammengeſezt ſey, und wirklich gelingt es auch durch an— haltende ſtarke Schläge an hervorragenden Efen, oder 232 dünnern abgefchnittenen Stüfen, die Zufammenfezungsftüße von einander zu trennen; fie zeigen dann eine Achnlichkeit mit der äſtigen Geſtalt der fibirifchen Eifenmaffe ; es ſcheint daher die ganze Maffe aus folhen Fürnigen und äftigen Stüken zufammengefezt, welche, ohne mit einander verfhmolzen zu feyn, bafenförmig in einander greifen, und dicht an einander ſchließen. Daß die Winkel, unter welchen die, oben erwähnten Linien auf der geäzten Schnittflähe der Maffe fih fchneiden, nicht conftant feyn können, ergibt fi daraus, weil die Schnittfläche nicht alle Individuen, aus welchen die Maffe zufammengefezt ift, unter dem nämlichen Winkel fchneidet. Theilbarkeit ift bei der Maffe wahrnehmbar, und die Iheilungsrichtungen ſcheinen ſich rechtwinklich zu ſchnei⸗ den, als Theilungsgeſtalt würde daher das Hexaeder ans zunehmen feyn. Diefe Theilungsflähen wurden erhalten, indem ein zum größten Theile von der Maffe abgefägtes Stük mit Gewalt abgeriffen wurde es zeigten fi an der abgeriffenen Stelle Zufammenfezungsflächen, Bruchflächen von hadiger Befchaffenheit, und deutliche Theilungsfläs hen; wegen der großen Zähigfeit der Maſſe laſſen ſich aber diefe nicht wohl verfolgen, um über ihre wahre Nichz tung völlige Gewißheit zu erhalten, Die Maffe zeigt einige bedeutende Zwifchenräume in Geftalt von Riſſen und Klüften, welche auf eine merfwürs dige Weife durch ein Gemenge von Graphit, magnetifchem Eifenkies, und einer filberweißen Förnigen, etwas fpröden Metallfubftanz ausgefüllt find; leztere, welche auch in fleinen Partien in der elbogner Diaffe bemerft wurde, findet_fich auch, hier noch in einzeln eingefprengter Geftalt in dev Maffe, hauptſächlich aber am Nande zwifchen der Meteormaffe und den größern Graphitfnollen, deren eis nige gegen einen Zoll im Durchmeffer haben. Auch auf dem beiliegenden Abdrufe zeigen fich diefe Stellen, und in der Nachbarfchaft derfelben ift die Structur der Maffe 253 viel unregelmäßiger, Der Magnetkies erfcheint gleichfalls in anfehnlihen Partien, faft von der Größe, einer Hafel: nuß, und er ift von höchſt feinföeniger Bufammenfezung. Zippe. —VV — — A, I. Spemifge Unterfuhung der Hohomiliger Eifenmaffe. zus fpecififche Gewicht der Eifenmaffe ift gleich 7,146. Beim Auflöfen von 100 Gewichtstheilen desfel: ben im Salzfäure, entmwilelte fih Schwefelwaſſerſtoffgas, welches in eine Bleizuferauflöfung geleitet, einen Nieder ſchlag von Schwefelblei gab, deffen Menge 0,51 Schwefel anzeigte. “Die Salzfäure ließ einen feldft in Königswafler wnauflöslichen Rükſtand von 1,12, welcher aus einem Ge⸗ menge von Reißblei (Graphit) und Fleinen metallifch gläns zenden Blättchen von lichtgrauer Farbe beftand. Die falze faure Auflöfung wurde mit Galpeterfäure gekocht, um das- Eifen auf die höchfte Orydationsftufe zu verfezen, dann durch Eohlenfaures Kali zerlegt, und der erhaltene Miederfchlag mit Aezammontaf digerivt, Die blaue ammos niafalifche Auflöfung hinterließ nach dem Verdampfen und Ausglühen 5,44 Gewichtstheile Nikeloryd, welche * Theile metalliſches Nikel anzeigen. Es beſteht alſo die Bohumilizer Eifenmaffe in 100 Theilen, aus: BT N, RT EFT GG ae Sr ao .. 40 Graphit und einer noch näher zu erfors ſchenden metallifchen Subftanz „. 1,12 Schwefel Ve RE BE Summa 100,00. Prof. Steinmann. ı B e i l a ge B. 2 u H 7 Erflärung ber Kupfertafel, | Die beiliegende Kupfertafel enthält Abbildungen eiz niger noch unedirten Münzen, welche fi in dem von ©r. Erlaucht, Grafen Franz von Sternberg: Mander: ſcheid, dem vatsrländifhen Mufeum gefchenkten Cabinette befinden. Es war dem hochverehrten Grafen ſelbſt vorbe— halten, unſern Leſern die Bedeutung dieſer Münzen zu erklären. Doch fein unerwarteter, im 67ſten Lebensjahre noch viel zu früher Tod, entriß ihn cam 8. April d. J.) der Pflege und den Hoffnungen vaterländifher Kunft und Wiffenfhaftz mit ihm ging ein Schaz von Kenntniffen zu Grabe, deffen Verluſt vecht eigentlich unerfezlich iſt. Neferent kann den Auftrag, dieſe Münzen zu befchreiben, nur in fo fern erfüllen, ald es ihm gelang, des unvergeßs lichen Wohltpäters flüchtige Bemerkungen darüber * Gedächtniſſe einzuprägen. Die erſten vier Münzen, von Boleslaw, Jaromir, Udalrich und Bietislaw, gehören der erften oben näher bezeichneten Epoche unferes alten Münzwefens an; die von Spitihnẽw und Wratislam der zweiten; die von Boris woi und Wladislaw der dritten; die von Pkemysl Dt- tofar nebit den Bracteaten der vierten, und die von oz hann, Wenzel und Wladislaw der fünften I. Boleslaw. Av. Sn runder Einfaffung zwei beinahe paraflelliegende Schwerter. Umſchrift: Durch einander geworfene und mangelhafte Elemente der Worte Boleslaw Dux (LB.OEDXIUAYX). Rrv. Sm glei: her Einfaffung ein bis zur Unfenntlichkeit verzeichnetes Bruſtbild; Umfchrift eben fo verworven und unfesbar: HAOMCVMIDTXGC. Der ganze habitus diefer Münze und ihre Berglei- hung mit andern gleichfalls unedirten Münzen in diefem 255 Gabinette beweifen es, daß diefe Minze einem böhmiſchen Boleslaw angehöre. Es war, wie ich. glaube, des be— rühmten Kennerd, v. Mader, Anfiht darüber, daß die zwei Schwerter, Zeichen der Herrfchergewalt, fich auf die Herrfchaft über zwei. Königreiche beziehen dürften, und daß diefe Münze-daher auf die Ufurpation Böhmens durch Boleslaw Chrobry (1005) hindeute. U. Saromir. Av. In runder Einfaffung der Name PRAGA; Umfchrift: JAROMIR.DVX: Rv. in gleicher Einfaffung eine DER ** * ſchrift: DEXTERA DEI. Diefe Münze ift das Prototyp aller Münzen. Jaro⸗ mirs, und ſezt die fo oft verkannte und mißdeutete Les gende „Dextera Dei‘ außer Zweifel. Man vergleiche damit die Münze Udalrichs ber Voigt, I. pag. 214, Num. 7*). II. Udalrich. Av. Das Bruftbild des Herzogs mit einer Krone. Umſchrift: ODALRICUS. DVX. Bv. Ein Kreuz im einer runden eingeferbten Einfaffung ; in deffen erftem und vierten Winkel ein Ringlein, im zweis ten drei durch Striche verbundene Punkte, im dritten drei Punkte. Umfohrift: SOL AREENET IN —— @Solidus argenteus in Praga.) \ Die Legende „Solidus argenteus‘* * daß fi ie fo gelefen werden muß, läßt fi kaum in Zweifel ziehen) macht diefe Münze fehr intereffant , und begründet die Dermuthung, daß die häufig unlesbaren und unverftändlis en Umfchriften auf Münzen diefes Zeitalters die gleiche Beſtimmung haben dürften, den Werth oder die Gattung der Münze zu bezeichnen. Im Uebrigen gleicht dieſer Solidus dem von Voigt I. ©. 244, N. 2 gelieferten. *) Adauct Voigt Befchreibung der bisher bekannten böhmi- fen Münzen. Prag, 1771 — 84. 4 Theile in 4. IV, Bietislaw, Av. In einer runden Einfafs fung die zwei Buchitaden 4, und w., aus deren leztem ein Kreuz empprragt; zwei. Punkte .zu beiden Geiten der Buchftaben. Umſchrift: BRACISLAV}. Rv. Bruft: bild eines Heiligen mit einer Ropfzierde und einem Kreuze in der rechten Hand. Umſchrift: SS. CLEMENS. ; Die Umſchrift des Rv. weicht ganz von den gewöhn⸗ lichen ab, Die befondere Verehrung des heil. Clemens unter Bretislam, dem Zeitgenioffen des heil. Profop, — bat fie feine Beziehung auf die damalige flawifche Liturs gie in Böhmen? — Das 4 und © des Av. erflärem auch manche fonft dunkle VBorftellungen auf Münzen aus diefer Periode, fi > men, V. Spitipnew. Av. lingeftaltes Bruſtbild des Herzogs mit einer Fahne in der Hand; Umfchrift: ZPITIGNEVS DVX. Rv. Links gewendetes Bruftbild des Heil. Wenreslans mit einem Kreuze in der Hand; Umforift: SCS WENCEZLAVS. Ä . VI Wratislaw. Av. In einer runden Einfafe fung fizt König Wratislam auf den Throne, mit Krone, Scepter und Reichsapfel; Umfehrifts WRATIZLAVS REX. Rev. Su. gleiher Einfaffung eine linfsgewendete ungeftalte Figur, mit einem Pfeile in der Hand; Um: fyrift: S WENCEZLA. Diefe Münze ift durch ihre Vorftellung , durch die Attribute des Königthums, womit K, Wratislaw darauf erfcheint, intereffant z; eigenthüntlich ift darin die Geſtalt des W auf dem Averfe. VI. Bokiwoi. Av. Der Herzog fizt auf einem Throne, und hält im der Rechten eine Fahne, in der Lin⸗ fen den Reichsapfel; vor ihm fteht eine Perfon mit aufge: hobenem Schwert. Umſchrift: DVX BORIVOI;. Rv. Ein Bruftbild, in der Nechten einen Neichsapfel, in der Linken ein Buch Haktend. Umfchrift: S WENCEZ- LAVS;. | 257 Voigt bat am Münze irrigerweife dem Herzog Wladislaw (1. ©. 343, N, 4) zugefchrieben, indem er die Umſchrift des Averfes unrichtig las. VI. Wladislaw. Av. Bruftbild des Herzogs, mit einer Fahne im der Nechten und einem Schilde in der Linken: Umſchrift: DVX. VVLADIZLAVS}+. Br. Zwei Engel halten in ihrer Mitte ein gewifeltes Kind empor. Umfdrift: 8. — LANG, TE. (ET) ADALERTWVS +. IX. PrempslDttokar, Av. Ein gefrönter Kopf en face in einer runden Einfaffung; Umfohrift: PR... REX;#. Rv. Ein bedefter Kopf in mehreren —— gen. Umſchrift: SANCTVS. WENCEZLAVS;. Dieſe Münze, die einzige diefer Art, welche uns aus dem XIII. Sahrhunderte bekannt iſt, lieferte zwar fhon Voigt in den Supplementen feines II. Bandes (Tab, VIII.), nad einem fchlecht erhaltenen Eremplare, welches fich jezt gleichfalls in unferer Sammlung befindet; er ließ fie unbeftimmt , wollte fie aber dem Könige Wen: zel I. zueignen. X. Dttofar. Ein Bracteat, Der König, mit der Krone auf dem Throne fizend, in jeder Hand ein Scepter, und zu beiden ©eiten die Umfchrift: ODAK. REX. XI. (Derfelbe.) Ein Bracteat. Der gefrönte Kö- nig fizt auf dem Throne, in der Rechten ein Gcepter, in der Linken das Schild von Eger. XII. Johann. Ein Halbgroihen. Av. Das ge: frönte Bruftbild des Königs en face; Umfhrift: JOHANNES: PRIMVS ;. Rv. Der böhmifche doppelt gefhmeifte Löwe. Umfchrift: DEI: GRATIA: REX: BOEMIE ;. Diefer Halbgrofchen hebt zum Theil den Verdacht der Unächtheit einiger von Voigt angeführten Halbgro: ſchen von Wenzel I. und Wenzel IH. auf. 238 XIII. Wenzel IV. Ein Dircaten. Av. Ein großes W mit deutfcher Fracturſchrift, im: architectonifchen Eine faffungen; Umſchrift: Wenezeslavs: dei: gra- ciat. Rv. Der böhmifche. Löwe mitten in einer runs den Einfaffung von einer Bandfchleife, welche bis auf die Umfchrift herabhängt.. ne — — boemie: r 7̃. Dieſer Ducaten mit der * ganz —— — — * der Buchſtaben, ſcheint geeignet, den Glauben an die Aechtheit der Prager Groſchen K. Sigmunds (bei Voigt II. S. 201, N. 4) zu erweken, wovon, außer der Zeich⸗ nung, zur Zeit noch gar kein Exemplar bekannt iſt. XIV. Wladislaw II. Eine Klippe, mit bei böh⸗ miſchen Löwen und den Buchſtaben W und S (Wladis- Jaus Secundus). "Sie erflärt uns eine ähnliche im k.k. Münzcabinette in Wien: vorhandene (auch bei Voigt II. ©. 232, und in den Monnaies d’argent), welche bis: ber, aus Mangel einer la —* näher beſtimmt werden konnte. ee, Yalacky. 239 Bon Joſeph Schön. — U. Neuſtadt an der Metan. Bei dem unbeſtreitbaren Rechte, deſſen ſich vor allem die Dichter, indem ſie uns ihren Pegaſus vorreiten, dann auch andere, nicht reimende und ungereimte Regierer des Federkiels, ſonſt Schriftſteller genannt, erfreuen, den Leſer wie mit einem Feenſtabe, bald hierhin, bald dorthin zu verſezen, ſehen wir uns plözlich zu Schwadowiz, einem Wallfahrts- und Badeörtchen, drei Meilen nördlich ober Joſephſtadt, in blanken Reimen und Verſen aufgeführt in der Iſis des Jahres 1844, begeben uns aber ſofort dieſes Rechtes, um ganz ehrbarlich auf gewöhnlichen Wegen un: gefeiter Chriſtenkinder, von Schwadowiz nach Neuſtadt zu wandeln, höchſtens dag wir mitunter Meilenſtiefel anzie— ben, und mit einem weit aushohlenden ergiebigen Schritte, über Batiowic nad) Roftelec, durch wenig auffallende Ge— genden gelangen. Won dieſem Orte, welcher der Natur der Sache nad) (wörtlich: Eine ziemliche Kirche). nicht feltene Namensfchweitern in Böhmen hat, geftalten ſich die Berge immer malerifcher, und umdrängen bei Nach od ein tiefes Thal, aus dem abermal-ein viefiger Kulm empor: fteigt, um ein Schloß zu tragen, alterthümlichen, halb rite terlichen Anfehens, berühmt durch feine früheren Beſizer, ‚die Herren von Nachod, noch mehr ‚durch den Herzog von Friedland, der da mitunter haußte, feine ungebetenen Ere ‚ben, die nun ausgeftorbenen Piccolomini, und in der neues 240 ften Zeit durch dem Iezten Herzog von Eurland, der da bis an fein Ende, einen kleinen, unterhaltungsveicyen Hof hielt. Die Stadt dagegen macht feine großen Anfprüche binfichtlih der Baulichkeit; auch ift ihre Rage an der Hauptftraße aus Schleſien und Glaz, ‚wohl günftig für Handel und Wandel, war aber nicht beneidenswerth in den weiland preußifchen Kriegen,da durch fie feindliche Truppen nur zu oft hin und wieder wogten, und fie bei veränderter Kriegsfunft, nicht mehr zu leiften vermag, was ihr im Ad!en Sahrhunderte, wenigftens auf kurze Zeit gelang. Johann Kolda der ältere von Nachod, ihr damaliger Gebieter, ein rauf- und beuteluftiger Gefelle, ſammelte mit Benes von Mokrowaus (bei Sadowa im bidfchomwer Kreife) im 3. 1459 allerlei Iofes Gefindel, fiel in Schle⸗ fien, dann bei den Königgrägern ein, die-denn nicht unter: ließen, es ihm zu entgelten. Die Schleſier drangen bis Skalic und Jaromẽẽ vor, Afcherten feine Dörfer ein, ver: einigten fich mit den Böhmen, die indeß fein Schloß Dubenec (nordweitlich von Sofephftadt) eingenommen hat: ten, und rüften vor Nichenburg, zwifchen Neichenau und Dpoena. Er verlegte fih nun auf's Bitten, bald aber wieder, wie der gefchonte Wolf in der Fabel, auf feine Liblingsbeſchäftigung, und erblifte im Jahre 1442 einige fchlefifhe Fürften, die Breslauer und Schweidnizer, vor Nachod felbft. Er entwich mit 37 Gewaffneten, denen in der zweiten Nacht andere 70 folgten; bei einem durch 150 Reiter verfuchten Ausfalle aber, drangen am dritten Tage die Belagerer ein und verbrannten die Burg Malepartus diefes neuen Neinefe Fuchs, fammt der fehuldlofen, u: glüflihen Stadt. Bon gleich edlen Trieben für das Leben aus dem Stegreif entbrannt, Tauerte Johann Kolda der jüngere, im J. 1447 den nach Hohenmaut ziehenden Kaufleuten auf, und führte fie nah Nachod; den Schlefiern und Laufizern 2Al aber fiel er fo Täftig, daß fie endlih, um ihn im Guten 108 zu werden, feine Echlöffer Adersbach, Wiefenburg, Schazlar, Skal kauften und fchleiften. Zwei Jahre darauf befehdete er mit dem zu Kolin vefidivenden abtrünnigen Prieſter Bediih aus Strajnic in Mähren und Swoyſſe von DOpoena fogar den Neichöverwefer Georg Podiebrad und zwar nicht unglüklich; verlor an die Königgräzer Skalice und Bolehofft, im 3. 1457 endlich an den großen Georg, nad) einer zweimochentlihen Belagerung Nachod, dann Eernikowic (bei Reichenau) und Richenburg, welche zwei Schlöffer gefchleift wurden, indeg Kolda der Verbanz nung, feine Herrfchaft Nachod aber, Georgen anheim fiel. Ein rühmlicheres Andenken hinterließ Hron von Nas chod, der als Gefandter des Königreichs auf dem Eonci- lium zu Lyon, unter Gregor X. in Gegenwart Kaifer Ru: dolphs von Habsburg erfihien. Diefer ehrte ihn fehr und ertheilte ihm ein eigenes Wappen; allein im 5. 1274 ward er abermal nad Lyon gefandt, um dem Pabfte in Dttofars Namen vorzutragen, daß Rudolph durch Feine drdnungsmäßige Wahl den Thron beftiegen. Auch wir freigen aufwärts, aber nur eine Höhe hinan, die ober Nachod auf dem Wege nah Neuftadt zu im Sü— den thronet, indeß die vorbefagte Hauptftrage weſtſüdlich das offene Land gewinnt. Fröhlicher Waldgefang aus flüchtig uns umfchlüpfenden Kehlen begrüßt die Wandern: dem, umd immerhin mag ihnen ein überpoetifches: Bene- detti tutt’ i sassi, che calpesti sulla strada*) fang- weiſe antworten. Will nämlich uns Jemand für fo hoc): gefeierte Werfen anfehen, die alles verherrlihen, was fle betreten; Steine finden wir genug, um foldhe in der Art zu beglüfen, und nebit Gefang an obigen Gefchichten, hin— längliche Ingredienzien für mehrere Bände (zumal unter: wdische Gänge und Höhlungen von Nachod bis Jaromer *) Gefegnet alle Steive, die du auf dem Weg betratit. Jahrbücher. I. Band. 46 242 laufen follen) falls es ung gelüftete, mittelft einer Zur that der umftändlichft befchriebenen Schuhe und Kleider, jener Zeit, der Zwiegeſpräche einiger Knappen, Bettler und. Sigeunerinnen, der weißen Fran von Avenel — will ſagen, von Neuhaus, die durch Nahahmungen eines gefihikten Kiels ohnehin genug geplagte Lefewelt heimzuſuchen. Allein die fich. almählig öffnende Gegend hindert uns in. dem Entwurfe hiezu, und zu fehr zu vertiefen, und das Auge, treu feiner Beſtimmung, eine Topographie der An- fihten böhmifhher Gegenden genau zu faſſen, blift nun mit doppelter Iheilnahme landeinwärts, da hiezu auch der Gleichgultigfte verleitet wird. >. Angelehnt an die hohe Gränzwand der glägifhen Berge, breitet ſich nämlich eine breite fchiefe Fläche, der Vezte Abhang des Gebirges aus, an deren Fuß, in einer herr— lichen, ungemeffenen Ebene, vor zahllofen Orten und Dert- chen, die Zeitungen Joſephſtadt und Königgräz, jenes 2, dies ſes 4 Meilen entfernt, in allen bedeutfamen Theilen aus: nehmbar, des Wallenden Aufmerkfamfeit auf ſich ziehen, * Und überall gewahrt er Iuftiges Grün, das Dunkle des Na— delwaldes, das Hellere des Laubgehölzes hinter fich, daß viel: fad) VBeränderte in taufend und abermal taufend Obſtbäu— men, die bald in Gruppen jedes Häuschen, ganze Dörfer umbegen, bald. in endlofen Reihen die Felder. entlang ſich durchfreuzen, um und vor fich, und darunter befonders die Kirfche, die Weichfel, in al’ den Arten und Abftufungen, die fie nur immer durch, Geſchmak, Größe und den Glanz der Farbe empfehlen Eönnen, im Mai endlich ein herrliches Blüthenmeer, deſſen Anblif zu genießen, Jahr für Fahr gerade. diefe Zeit von beiden Seiten der Gränze immer mehr Befucher anloft. Und wir folgen dem winfenden Sienchumgen: von Neuftadt und den unfehlbaren Wegweifern dahin, Den fruchtblizenden Baumreihen, und gerathen unvermerkt zwi— fhen die Häuschen der Vorftadt, an das ftattlihe Barmz ’ E 243 herzigenkloſter ſammt Kirche, neben dem wohlgebauten Bancalamte, an ein Brüfchen zwifchen zwei grünenden Abgründen, einen Thurm ſammt Thor, Eugelbefpikt, mit einer Birke als Federbufch aufgepuzt vor und, und die Metau links neben uns in des tiefen Ihalgrunds ſchwei— zeriſcher Lieblichfeit fi windend, in die Stadt felbft. „Und woher die Kugeln? und wohin weiter die Mes tau? und was weiter in Neuſtadt?“ — Gleich, gleich wollen wir die allzeit fertige Zunge und den Lefer dahin fpazieren führen. | Ueber ben erften Punkt foll uns König Friedrid) II. von Preußen felbft belehren, über den zweiten und dritten, der Berlauf des gegenwärtigen Vortrags. So vernehmen wir denn aus Friedrichs II. Werfen (Wien, 1789, bei % ©. Dehler, II. Band, ©. 532) wörtlich diefes: 33weimal verfuchten es die Feinde (namentlich vom „7. bis 42. September 1745) mit offener Gewalt die Eleine „Stadt Neuftadt einzunehmen, worin der Major Tauen—⸗ ien befehligte; aber jedesmal wurden fie durch die Tas ;;pferkeit diefes würdigen Dfficiers zurüfgefchlagen. Dies „ſer Poften war fehr wichtig, weil er die Verbindung mig „Schlefien fiherte. Der Prinz von Lothringen, der fid) „durch die erhaltenen Hilfstruppen weit mehr verftärft „glaubte, als er durch den Abmarfch der Sachfen geſchwächt „worden war, ging über die Adler und nahın das Lager, „das die Preußen zwifchen Königingräz und Krälowälhota „gehabt hatten, ein. Die Preußen machten dem zufolge „eine Bewegung. Sie ftellten ſich fo, daß die Elbe vor „ihre Front Fam, ihr rechter Flügel fand an Smikic und „ihr Finker an Jaromer. Herr du Moulin behielt feinen „Posten bei Skalic, und der General Lehwald befezte die „Anhöhe von Ples beim Einfluß der Metan in die Elbe *), *) Der fremte König befümmerte fih befier um den Einfluß der Metau in die Elve, ald mander Einheimijche, wonad) 16° 24h Ab daßz die Precen * en Flüſſ e in In Yen Bd She Und! Seite 35 wird — ** ren von Ener sin einem unhaltbaren Nefte, deſſen Mauern voll Riffe „und Borften waren, eingefperrt, hatte fi) dennoch, da „con fünf Tage lang die Lanfgräben geöffnet waren, ge: „gen 10000 Feinde gehalten, die ihn belagerten und die „in den-beiden lezten Tagen ihm die Canäle abgefchnitten „hatten; welche das Waffer zu’ den Gtadtbrunnen Tieferten. „Auf die Mauern fenerten 40 Artillerieftüfe, wovon eine „große Wand einftürzte. Man hatte feſte Pläze geſehen, „welche die Bauban umd die Koehorn befeſtigt Hatten „und die ſich verhältnigmäßig nicht fo Tange gehalten „haben. Man fieht alfo, daß es nicht immer die Gtärfe „der Werke ift, wodurd eine Feſtung vertheidige wird, ‚fondern vielmehr die Tapferkeit und Einficht des daſelbſt „befehlenden Officiers.“ Ein Neſt it nun, mit des koöniglichen Feldherrn Er- laubniß, Neuftadt eben nicht, freilich auch Fein Berlin, und wir bemerken daher blos über den meiteren Lauf der Metau (Metus, Metuge) und die Stadt, daß jene hier den zweiten Theil von Elbogen und gewiffermaffen von ned namentlih, im 3.1825 gedruft heißt: tiefer gehe, bei ‚Saromet vor fih, in Wahrheit aber damal, bei dem abge- tragenen Theile tes noch bejtehenten Dorfes Ples, ist im Bereich der Feftungswerfe von Sojephitatt. Daß tiefes damal nicht fand, daß Major Tauenzien, der nachmal fo berühmte General, der Prinz von Lothringen, Karl, Schwa- ger ter regierenden Kaiferin fey, und dag die hier genann— ten Orte im Original fehr entftellt (was böhmiſchen Namen nur zu oft widerfährt) getruft erfiheinen, daß in dem eben— falls verdrehten Krälowälhota der König ſchwerlich ein gleichfalls königliches Veiwort geahnt, ergibt ſich faſt von ſelbſt. Die eben zu erwähnende Belagerung Neuftatts aber endete mit dem Abzug der Preußen, die bald darauf ven ‚Sieg bei Sorr erfochten. Tabor liefert, da fie gleich. der Eger, und Luznice, die hohe Erdzunge, auf der Neuftadt Liegt, umarıyt und eben ſo ans muthige Landfchaftsßilder, wie, jene.dort, gewährt. Unter; halb jenes Thores nämlich, an deffen Schwelle wir eben ſtehen geblieben, ſchlaͤngelt fie, ſich in einer ſchmalen Wieſenmatte, gleichſam wie in einem überaus weiten Stadtgraben zu unſerer Linken einher und erſcheint in kleiner Entfernung zur Rechten, nachdem ſie den Raum, den Neu⸗ ſtadt einnimmt, umzüngelt hat, einen Raum von vielleicht 40 einftöfigen Häuſern, Die, einen vierefigen Plaz bilden, in deffen erfter Eke, am befagten Thore das Nathhaus, in der zweiten das Schloß, in der dritten das zweite und lezte Thor, in der vierten die Dekanalkirche ſteht. Aber hoch, bedeutend hoch hebt ſich dieſer Raum über den ihn umarmenden Fluß. Gehen wir nämlich vom dikbeſagten Thore einen halben aber maleriſchen Gemſenſteg, gleich links hinab, fo muß man das Haupt ziemlich auf den Nas Een legen, um Mauern und Baftionen zu gewahren, wie fie. nur- immer die, wirkliche oder idealiſche Darftellung einer Burg des Mittelalters reichen. kann. Ein Spaziers gang den Fluß aufwärts zeigt in derfelben Höhe. das vor— erwähnte Klofter, und dann. bei jedem Buge lachendere Anfichten, Wald und Fels am linken, Obftgelände am rechten Ufer, hinabwärts aber eben fo fteile Felſen als jene, auf denen die Stadt ruht, ein Zeichen, daß fich die Metau ‚ihren Rinnfaal allmäplig immer tiefer und tiefer zwischen Diefen zwei Scheidewänden gegraben, w zwar in einer, Breite, daß fie izt einer Leinwandbleiche und Schießſtaͤtte hinlänglihen Raum zugefteht. Ueber ein Brüf- hen führt der Weg in die nahe Waldfapelle fammt Bad, Reſek genannt „und etwas weiter ‚hin, "der Stadtkirche gegenüber, entdeft man an demfelben Linken fehr teilen Ufer wo Reſek gelagert iſt, die ſpärlichen Reſte einer, verz fallenen Burg, welche ich laut Wette in zehn Minuten hinam und. Herabflog. Die beiderfeitigen Selfen ſelbſt ſchei— 245 nen, fcherbenartig, ebenfalls nur Trümmer zu feyn, und manche Stüfe mit einem gefährlicheren Sturze zu drohen, als mi: einjt am Iſonzo vorfam, mo ein ganzes Aferfeld Yange ſchon benagt, mit frifch grünendem Weizen, vor mei: nen Augen binabflog, ohne übrigens dem Befizer einen andern Schaden zu verurfachen, als daß er ein merkliches tiefer zur Erndte hinabfteigen mußte, und ohne den Flufe, an deffen tiefen Ufern ſchon ungeheuere Blöke als Stüzen des neuen Zumwachfes lagen, den geringiten Eintrag zuthun. Dber einem derlei ätherifchen Felfenabfaze, die übri— gend alle anmuthig bebüfcht find, ift in einem alten Ber: theidigungsthurme eines der wohnlichften, ausfichtlohnende ſten Zimmerchen, die es hier geben mag, gelagert, ſammt zwei Geitengängen entlang der Mauer und einem Gärtchen ftadteinwärts, ein glüflicher Gedanfe des leztgeweſenen Herrn Dechants Franz Kauba, ein freundliches, aber nicht das einzige rühmliche Andenfen an einen würdigen Einges bornen. i Und num wendet fih die Metau um den Bogen ber. Erdzunge, befpült ihren Fuß, von einer Brüfe überfpannt, über welche der Auszug aus dem zweiten Thore der Stadt durch einen Thurm mit langen Einfchnitten für die Ketten oder Hebbäume der ehemaligen Zugbrüfe, und durch Die zweite Fleinere Vorftadt, gleich wieder eine fteile Höhe hinan fortgefezt wird, eine Höhe mit zerftreuten, gleich fam angeflebten Häuschen, mit einem dichten Obft: walde und nicht felten mit irrenden Ziegen befezt, die fih in offene Pläze Hereinftehlen, an wilden Strauch— werk in befannter Genäfchigfeit fehmaufen, und mit neugierigen Blifen den vorbeigehenden Fremdling mus ftern. Noch fteiler, ja fenfrecht, bilden fich weiterhin die Felfenwände, ein freier Spielraum für das boföbärtige Volkchen, oben in voller Fläche mit obftreihen Baumrei— ben gekrönt, tief unten auf grünende Matten, weidende Kühe und den Fluß Hinabblifend, und im Angefiht, die 246 zweite Tange Seite der Stadt, das Schloß und endlich die Thorbrüfe, bei der wir zuerft eingetreten. Niedriger, fanfter werden fortan die getrennten Zelfenabhänge, fenken und verlieren ſich bei und hinter Krejn in eine volle ans muthige Wiefenebene, nachdem fie noch zuvor, ehe man dahin gelangt, das Schaufpiel geboten, dag Dvid fo artig im Munde der vom Theſeus verlaffenen Ariadne, auf das Echo anwendet: — — quoties ego te, toties locus ipse vocabat, Ipse locus miseræ ferre volehat opem *). Ein freundliches: Lebe wohl! wird von einem danfen- den Leb' wohl! erwiedert, das jene höfliche Selfenwand ausfpricht, ober deren Haupt, hart am fchrefpaften, wies wohl in der Tiefe fo malerifhen Abgrunde, der Fahrweg von Joſephſtadt zu dem oftbenannten Thore führt, Deffen Fortfezung bis Sofephitadt leitet durch Obſtreihen, durch— fhneidet andere, zieht fich durch Dörfchen in Fruchthai— nen verfteft an ftattlichen Meterhöfen und leichten Wäld— chen vorbei, wird aber an Anmuth bei weitem von jenen Stegen übertroffen, auf denen der Wandelnde unbemerkt die vollen zwei Meilen bis dahin auf jtetem fanften Wie— fengrund, mehrmal die Metan überfchreitend und nie fern von ihr, an einfamen Mühlen, an baumumkränzten His geln vorbei, durch Erlengebüſch und Dbitgelände zurüffegen kann, wo er, je nachdem er es trifft, ober Altples oder unterhalb der Gitadelle von Sofephftadt hervorfümmte Derfelbe wiefenreiche, fih immer mehr erweiternde Thal⸗ grund führt eben fo weich, aber weniger fchattig in das nordweſtlich gelegene Skalic; wir aber müffen zurüf, um auf andern Wegen Neuftadt, deffen Richtung gegen Jo— fepbftadt auc angedeutet werden wollte, zu verlaffen, da *) So oft ald ih, fo oft ruft die Gegend ſelbſt deinen Na— men; ad! fie ſelbſt wollte der Unglüflichen Beiftand leiten. 248 faſt alles, was die Gränzen eines Landſchaftsgemaͤldes überfchreitet, hieher eigentliy nicht gehört und ohnehin ſehr umftändfich von einer ihren Stoff löblich erfchöpfen- den Feder, im Aprilheft 1829 der Monatſchrift unſeres Muſeums bereits vorgetragen worden. Wir ziehen zum vorerwähnten zweiten Thore aus einer Stadt fo heiter wie die Gegend und zumal in günſti⸗ gen Jahren yon fröhlichen Nachbarn auch im Winter gern befucht ; wir erflimmen die fteile Anhöhe, welche von der Stadt durch den Fluß getrennt wird; wir gelangen durch neue oftbelobte Baumanlagen jeder. Art, durch Wiefenland und Akerfeld nah Dobruffka, eine mäßige Stadt, dann nad) Opokcna, und wollen und,. an den ſchen befannten Anblik der Gegend gewöhnt, mit Geſpräch und Erzähluns gen die Zeit Fürzen. Ein Rükblik auf Kräjn zeigt ung die Reſte der Nefte einer Burg, die noch aus der Markfomanz nenzeit herrühren fol, worauf uns freilich die hiftorifche Kritif mit dem Weidſpruche des böhmifchen Landmanns antworten Fönnte: Ja, fo wahr, als dag die Flöhe huften. Darum reihen wir der unnachfichtigen, die unbezweifel bare Ihatfache, daß Hynek von Gerwenähora, Hauptmann der nahen k. Leibgedingftadt Jaromẽk, mit der fFädtifchen Befazung am St. Stephanstage 1420 in die Kirche zu Krejn einbrach, wo eben das Volk unter beiden Geftalten das Abendmal nahm. Dieſes ward mifihandelt und Hynek nahm dem Zaboritenpriefter den geräumigen Kelch aus der Hand, gab feinem Pferde Waller daraus und rief? Sein Roß fey nun auch sub utraque, — eine That, die ſchon im Mai darauf Zizka damit rächte, daß er bei der Einnahme von Jaromet die vornehmſten Weltlichen beiderfei Geſchlechts und 21 Auguftiner in die Elbe fürs zen ließ. Hynek felbft *) ward am Yen Januar 4422 bei *) Aus tem Stanıne Berka. 249 Deutſchbrod, beider befannten Niederlage Kaifer Sig— munds gefangen, zu Prag im altſtaͤdter Rathhauſe aufbe⸗ wahrt, dann gegen Koſtka, einen Anhänger der Taboriten, ausgemechfelt , fein Schloß aber Cerwenaͤhora (Rothberg in einem wilden Thale über der Aupa, die bei Saromer in die. Elbe fich ergießt) im J. 1427 von den Königgräs zeru, Jaromẽkern, Königinhofern und dem Herrn Mathias Salawa von Lipa eingenommen, und dem Erdboden gleich gemacht. Ein Blik vor uns dagegen auf das hoch —— gende rothbedachte Opoẽna erinnert uns an den dritten ritterlichen Abenteurer für ein Kleeblatt der alten guten Seit, an Johann Miftecky ı von Heimanmeftee und Lichtens burg. : Gaftfreundlich im berühmten Klofter Opatowic bei Königgräz aufgenommen, wußte er nach und nad) fo viele Raubgenoffen einzuführen, daß es ihnen ein Leichtes ward, die-wehrlofen Benedictiner zu überwältigen. Der Abt Peter Lazur ward, um verborgene Schäze zu entdefen, vollends gefoltert, von den gefundenen Vorrathen der be⸗ nachbarte Adel durch 16 Tage köſtlich bewirthet und vom baren Gelde Dpoeno gekauft. Und das alles that die Liebe, nicht der Haß. — Die Liebe? — ja, die Liebe für Hab und Gut, Fein Religionshaß; denn es gefchah dies (1445) vier Jahre zuvor, eh’ als die Klofterffürmerei im chtbar entflammten Neligionskriege an die Tagesord— nung Fam, und jener-erfte Klofterftürmer war keineswegs ein Freund der Taboriten. Vielmehr verfolgte er fie von Lichtenburg und Opoẽno aus, befagerte im J. 1421 Chor tẽboẽ und verbrannte 700 derfelben, gegen fein ausdrük— lich bei der Uebergabe verbürgtes Wort. Als er jedoch zu Chrudim, als dortiger Stadthauptmann, von den Pras gern in die Enge getrieben ward, trat er zur Partei der Taboriten über; ; und obfchon er bei dieſer Gelegenheit von ihnen an ſich ſelbſt gelernt, wie wohl es thue, wenn dem Capitulirenden Wort gehalten wird, beging er gleich dar— 250 auf eine nene Treuloſigkeit an den Katholiken zu Zaromer. Bald wieder hielt er fich an diefe, und um fich für Zizka's Siege zu rähen, brad) er am 27 Men Auguſt 4425 in bie Et. Ana = Vorftadt zu Königgräz ein, züundete fie an, und tödtete einen Taboritenprieſter, der eben ohne Firchliche Kleidung Meffe las. Das Zahr darauf wagte er fih am ten Januar 1424 von einem Hinterhalte aus bei Sfalie, an Zizka feldft, ward aber fammt Puta von Gerwendhora und Ernft von Gerneie (ein Dorf nicht weit von Neu- ftadt) gefchlagen, worauf die Königgräzer im $. 1425 Dpoena und Hradek (ober Neuſtadt) nach einer Beilage: rung von 3 Wochen erftürmten und zerftörten. Ein Ber: ſuch auf Prag durch Ueberfall im 3. 41427 in Gefellfchaft Hynko's von Waldjtein und Johanns Smikicky, mißlang ihm ebenfalld, nicht aber den Waifen die Eroberung von Lichtenburg. Sie belagerten es ein ganzes Jahr Tang, bis es am 2öfen November 1429 in ihre Hände fiel. Der allezeit unruhige, handfeſte Beftzer ftarb das Jahr darauf zu Arnau an der undenkbarften aller Krankheiten, an der Krankpeit zartfinniger, fhwachnerviger Seelen — — vor Sram. Und fiehe! wir find zu Opoẽno oder Opoena anges langt, einem Orte, geziert mit dem Namen einer Stadt, aber, wie zahlreiche Namensfchweftern in Böhmen, nur bei uns als folche annehmbar. Freigebiger war vor Als ters nicht leicht ein Land mit diefem Titel, als Böhmen, Wo fi) nur immer einige Handwerker im Schuze einer Burg anfiedelten, gleich gewannen fie ihren acht bis zehn Häufern, den Namen Stadt. Für das Land indeg war das nicht ohne Vortheil. Handwerfe führen auf Künfte und Handel, diefe auf Wiffenfchaften, und alles vereinigt zur Bildung, die in Böhmen weit früher als anderwärte um fich griff, wo große Städte, in großer Entfernung von einander, den weiten Mittelraum, der roheften Barbarei preis gegeben fahen. 251 Opoẽno aus einer nicht bedeutenden, aber gut ins Auge fallenden Häuferanzahl erwachſen, hat ein anfehnli: : ches Schloß zur Seite, angelehnt an einen waldreichen Bergrüfen mit dem herrlichften Sagdgebiete, Gärten und Bafanerien, die mit einen Beleg zu der Behauptung geben. dürften, die ich in fernen Landen von Nichtböhmen gehört : Böhmen: habe die fhönfte Jagd der Welt. Gleichfalls auf einer Höhe, an deren Fuß, gegen Reichenau zu, ein Waͤſſerchen fi Frümmt, liegt die Stadt, fieht weit, und wird weit gefehen, befonders gegen Zofephftadt zu, „Wo in jeglihem ER’ Krieger bewaffnet ftehn; „Bo fih thürmend das Bollwerk bebt; „Wo von hoher Baftei und von dem Wall "herab „Feuerſchlünde Verderben fpei’n; „WVo erſchreklich zu ſchaun! über der Gräben Raum „Hoch in Ketten tie Brüfe dröhnt; „Wo die Erde fogar trüglich dem Feinde winkt *) ;« ‚alles laut Zeugniß eines der erften Berfuche des erſten Verſemanns, den die gute Feftung erzeugte, ein Bruch⸗ ftüf, ald Reliquie der Zeit, wo den Sünfzehnjährigen das Fieber der. Sylbenzählerei plagte, aus einer. alten litera= riſchen Patrontaſche hervorgelangt , indeß er izt Doctor Fauſts Mäntelcden ausbreitet, um im nächften Bilde, mit einem Ruk den Lefenden und Schreibenden, die zwei Bien bis dahin, hinüberzutragen. r *) Die Minen. 252 | WER EEn "OT “ ueber Bahn Gegenfand ſollen ep rinnen ſchreiben? — i ur ee 1 (Bow der Verfafſerin des Aufſazes u „Weber: das. ne Spielen der Fraue u.) 2. danis.iun en J ' Eh Obige Aufgabe wurde der Verfafferin von einem Schrift⸗ fteller des Nordens zur Löfung vorgelegt. Ob die Beant- wortung einer fo verfänglichen Frage dem Geſchmake ei⸗ nes fein gebildeten Publikums entſprechen wird, überläßt ſie anſpruchlos demſelben, ſein ER auszufprechen, dem fie fi unbedingt unterwirft. Nur fo viel kann fie ver: fihern, daß es ihr an der höchſten Achtung für die natür— lichen Anlagen ihres Gefchlechtes nicht fehle, und fie ſich fchmeichle , fo ziemlich genau die Gränzlinien zu Fennen, die jenes nicht überfchreiten darf. Der Behauptung, daß jede geiftig gebildete Fran eine geborne Nomanfchreis berin fey, trete ich gerne bei, denn das menſchliche Herz ift ja ihre Fundgrube ; dort fuchen fie und finden oft Schäze, die den gelehrteften Manne entgehen; mie viel Gutes können Frauen durch diefe Schäze nicht wirken, denn wo wirket Moral leichter als in gefälligen Beiſpie— len? Was fie in jenen Sundgruben Durch jahrelanges Studium gefammelt haben, follen fie in anmuthiger Form ihren jüngern unerfahrnen Schweftern mit Gutmüthigfeit anbieten, nicht als Hofmeifterinnen mit Falter ftrenger Miene auftreten, nicht mit gelehrtem Bombaft fih dem | Schüchternen nähern , wohl aber in der Geftalt einer | Freundin, wodurch ficher ihr Entzwek nicht verfehlt wird, denn was Herzlichfeit anbietet, wird wohl felten mit Uns 255 muth aufgenommen. Das Nüzliche mit dem Angeneh⸗ men zu verbinden, ſoll das Streben der, Schriftitellerin ſeyn; fie huldige dem Zeitgeſchmake fo weit es ihre Kräfte erlauben, und fo lange er der Achten reinen Kunſt ents fpricht 3 fie benüze die Gefchichte, aber mit der, behutſam— ften Auswahl, mit zarter Schonung; denn, ob fie in dies fen Felde mit der größten geiftigen Anftrengung den fräfs tigen Pinfel des männlichen Schriftitellers je erreichen wird überlaſſe ich allen: Kennern felbft zu beurtheilen — aber um alle Grazien würde ich Echriftitellerinnen bitten, über Staaten, "über Politik Nichts zn fehreiben. Die zarte Hand der Frau, fir den Fächer und die Spindel (denn auch die Feder erlaubt man uns nicht gerne) gefchaffen, fol das Nütteln an dem ehrwirdigen Staatsgebäude uns terlaffen; e8 werden immer Verſuche über ihre geiftigen Kräfte feyn, und die machen oft lächerlich; — es fehlt faft jeder Schriftftelerin am Gefezkenntniffen, an jener ruhigen Ueberficht, die nur das Eigenthum des andern Geſchlechtes iſt; mit Kraft, mit Energie über Politik zu ſchreiben, ziert den Mann, wenn es mit Verftand und Würde geſchieht; die Lebhaftigkeit aber, die faft jede geiftieiche Fran befizt, artet bei Beurteilung von Dingen, die zu hoch über ihre Begriffe ftehen, in eine Art Stroh: feuer aus, das unangenehm praffelt, aber Feine Fräftige Flamme gibt, und fehlt: diefes Feuer, find blos Falter Verſtand und Kenntniffe da, wie weit find diefe von denen des Mannes verſchieden, und Verftand und Kenntniffe werden nicht anmuthiger, wo jene Lebhaftigfeit mangelt. Ueber alle Lagen der Frauen, über ihre Aeußeres und Inneres vermag die Schriftftellerin beffer zu uirtheilen, als der Schriftfteller, und fonderbarer Weife! fo wenig in der Regel unfer Gefchlecht gerne fich Rath von Frauen ers theilen Täßt, fo gerne folgt ‘es dem Gedruften; ein Be: weis, daß wir anfpruchslofer gegen unfere fepreibenden —2 ſind, als man glaubt, und das ſchön Geſagte, 254 noch beffer gut Gemeinte, mit Dank annehmen. Die Schriftſtellerin fol aber auch vermeiden, uns blos ihr eis genthümliches Ich zum Beſten zu gebenz denn: nicht alles, was einzeln gefällt oder mißfällt, iſt geeignet. auf andere zu wirken, ich glaube eim Fehler, im den oft berühmte: Schriftſtellerinnen fallen; denn nad) meiner ſchwachen Ein: fiht fol vorzüglich unfer Geſchlecht, niht das, was es allein in einfamen Stunden befchäftiget, der oft Tieblofen Menge anbieten, fondern was man glaubt, das angenehm: unterhält, auch oft belehrt. : Ob unſer Geſchlecht im Hu⸗ moriftifchen, im Satyriſchen etwas leiften fönne, dieſes iſt etwas fehwerer zu beantworten, wenigftens fenne ich unter unfern ausgezeichnetften fchreibenden Frauen Feine, die. dieſes Fach gewählt hättes Ich glaube wohl, daß Frauen mit großer Leichtigkeit Satyren zu fehreiben im Stande wären; aber welche Feinfühlende könnte ſich dazu entfchließgen, auch. nur im Entfernteften verlegen zu. wollen, denn auch da würde fie ihre Lebhaftigfeit Hinreißen, und. Caſtelli's befonnenerr Gang zwifchen Horaz und Juvenal iſt mie Beweis, welchen Pfad. nur der Mann mit Sicherheit gehen kann, während Frauen auf dem nämlichen, leicht in Medifance ausarten dürften. — Bleiben wir immer auf dem Wege des Zierlichen und Guten, fuchen wir bei uns ferm Geſchlecht Anmuth und Geift zu vermehren, erfcheis nen wir als Schriftſtellerinnen, wie wir in der Gefell: fchaft: ald wohlerzogene Frauen erfcheinen würden , die wohl ein Schärflein zur Unterhaltung beitragen, aber feineswegs fich anmaffen, die Erften ſeyn zu wollen, wenn auch geiftiger Nang ihnen dort das Necht Dazu geben follte. So nur können wir. Gutes und Nüzliches wirken, und wenn:auc bei unferem Ableben Fein finniger Dichter uns Todtenkränze flicht, fo wird dad Bewußtſeyn, zu einer freundlichen GSittenlehre ‚beigetragen zu haben, uns binlänglich belohnen. Benedicte. 255 Vergleichende Bemerkungen über Hrn. de Carro's Polyglotte. Bon Franz Palacky. BETEN E20 Die Polnglotte der Ode des Freiherrn Bohuslaw von Lobkowic „in Thermas Caroli IV.“ ıft durch die thätige Derwendung des um Karlsbald fehr verdienten Med. Dr. Ritters de Carro, bis jezt auf neunzehn Ueberfezungen in vierzehn verfchiedenen Sprachen des alten und neuen Europa angewahfen*). Obgleich noch unvollftändig, bies tet- fie doch bereits um fo anziehenderen Stoff zur Ver: gleihung der poetifhen Sprachweifen Europa's dar, als es Hrn. de Carro gelungen ift, einige der ausgezeichnetz ften jezt lebenden Dichter im In- und Auslande dafür zu gewinnen. y Die bisher gelieferten Nachbildungen diefes Alteften und fchönften poetifchen Denfmals von Karlsbad find: _ - 4) vom lateinifhen Sprachſtamm, außer dem Driginal, eine italienifhe und zwei franzöſiſche Heberfezungen ; f 2) eine in altgriechifcher, und 5) zwei in Hebräifcher Sprade; _ 4) vom germanifchen Sprachftamm: zwei Deutz, ſche, zwei englifche, eine ſchwediſche und eine hol- ländifche Ueberfezung; — 5) vom flawifhen Sprachſtamm: eine böhmi: fhe, eine polnifche und eine ruſſiſche; I *) ©. Ode latine sur Carlsbad, composse vers la fin du quinzieme siecle par le, Baron Bohuslas Hassensiein de Lobkowitz, avec une traduction polyglotie ete. par le Cheval. Jean de Carro. Prague, 1829, 8. (Auch in deutſcher Ueberſezung von Ritter von Ritters berg, ebentaf.) 956 6) ferner. zwei ungriſche (ma yarifche) und 7) endlich eine gaelifche (erfifhe) Ueberſezung. Man Fann bei der Würdigung diefer poetifchen Wache bildungen von zwei Gefihtspunften ausgehen, deren einen man den philologifch = Eritifchen, den andern aber den äfthbetifchenationalen nennen Fönnte. Sm erfteren wird vorzüglich das freue und zwangloſe Wieder⸗ geben des Originals in Stoff und Form in's Auge ges faßt; im zweiten aber die reine Auffaſſung des Stoffes, nämlich der im Original gegebenen poetiſchen Idee, und ihre correcte Darſtellung in volksthümlichen Geſangweiſen berükſichtigt. Es folgt jedoch aus dieſer Anſicht Feines- wegs, Daß die Kritik dort eine fogenannte buchftabliche, hier eine freie Ueberfezung ALTE ; denn während. fie bier ſtets auf die möglichite Irene in der Nachbildung des Einzelnen dringen muß, Fann fie dort die Forderung der natürlichen Lebendigkeit und Klarheit der Darftellung am fo weniger erlaffen, als ohne diefelbe nur der todte Buchſtabe, nicht aber der poetifche Geist, und fomit das eigentliche Weſen des Driginald wiedergegeben wers den Fann. Es ift aber dem Einzelnen beinahe unmöglich, eine Polyglotte aus einem andern als dem philologifc) = < kriti- fhen Gefichtspunfte zu würdigen. Um den äfthetifchen Gehalt einer eigenthümlichen nationalen Gefangmweife zu erkennen, muß man mit der Bildungsftufe, den Sitten und conventionellen Anfichten, den Gefühlen und dem ganzen ‚geiftigen Leben der Nation vertraut feynz man muß, mit einem Boten der Nation felbft wenigftens geijtig angehören. Dies kann wohl nur bei fehr befchränfe ter. Zahl von Ueberfezungen Statt finden, da man zwar, in feltenen Fällen, zwanzig bis vierzig Sprachen verftes ben, aber unmöglich fo vielen Nationen geiftig verwandt und verbunden feyn Fann. Sch befchränfe mic) daher im Nachftehenden auf eine philologifch = Eritifche Vergleihung der Heberfezungen, umd mache dabei um fo weniger Anz fpruch auf eine. entfcheidende oder vollgültige Stimme, als ich von mehreren der bier vorfommenden Spraden eine fehr unvollfommene, von der hebräifchen und gaeli= ſchen aber gar Feine Kenntniß befize. - +. DBor allem dürfte es nothwendig feyn, das lateini— ſche Driginal ſelbſt Herzufezen, um bei der Vergleichung feloft einen feften Anhaltspunkt zu gewinnen: 257 ı) Fons, Heliconiadum merito celebrande cohorti, Unde tibi latices calidi, venaeve meantis Sulphuris, aut vivae, dictu mirabile, calcis? Per terras Siculumne ignis qui provocat Aetnam, 5) /d facit? An Stygiü forsan vicinia Dilie.: Has tepefecit aquas? Baiarum littora cedant, Atque Antenoreum prospectans unda Timavum, Et quae caeruleo consurgit proxima Rheno, Nobilitata tuo, sanctissime Carole regum, 10) /nteritu. Quantas emittit in aera bullas! Aspice quam vari& lapides et marmora pingit, Per quaecunque fluit! Fix ipsa coloribus Iris Collucet totidem! Felix per secula mana, Fons sacer, humano generique salutifer esto! 15) Redde seni validas vires, pavidaeque puellae Formosam confer faciem, morbisque medere Omnibus, et patrias accedat laetior oras, Onisquis in hac Iympha fragiles immerserit artus! Die erite Bemerkung, die ſich dabei darbietet, bes trifft die äußere Form, nämlich das VBersmaß des Ge— dichts. Das Driginal ift, wie man fieht, in Herames tern nah dem Zeitmaße, d. i. nad) der Quantität (der natürlichen Länge oder Kürze) der Sylben, mit Bes obachtung der fogenannten Pofition, nicht des Accents, gefchrieben. Diefe metrifche Form. konnte nur in ſehr wenigen Sprachen, namentlich nur in den zwei alten, der griehifchen und Hebräifchen, und in zwei neuen, der böhmifhen und ungrifchen, genau nachgebildee werden. Unter allen literärifch = gebildeten neueuropäi— fhen Sprachen find es nämlich diefe zwei allein, die des quantitirenden Sylbenmaßes fähig, und daher zur ges naueften Nachbildung aller antiken Versmaße vollfommen geeignet find, — eine Thatfache, die den Philologen im Auslande noch wenig befannt, und Doc vorzugsmweife zur beachten ift, wenn man einmal über die wahre Beſchaf— fenheit des antiken Rhythmus ins Neine fommen will; denn nur in diefen beiden Sprachen Fann man es lebhaft wahrnehmen, wie die beiden Principe im Vortrage der Rede, die Quantität und der Accent, von einander getrennt, und lezterer der erften untergeordnet ſeyn kann. Ihrem natürlichen Zeitverhalte nach gleicht die böhmifche Sprache mehr der griechifhhen, die ungrifche mehr der lateinifhen; denn die langen Sylben verhalten fich zu den Furzen Jahrbücher. I. Band. 17 im Griehifchen wie 13: 14 im Böhmifchen wie A1: 13 im Lateinifhen wie A: 3 © -im Ungrifhen mie 9: 79, daher in den beiden erften die Kürzen, in den leztern aber die Kängen vorherrfchen, folglich die Rede in jenen rafcher und Tebhafter, im diefen ernfter und gehaltener fließt. Herameter nah dem Zonmaße, oder dem accentuirenden Sylbenmaße (mit Beobachtung des Accents, nicht der Poſition), werden uns in gegenmwärtiger Poly- glotte nur von den beiden deutſchen und dem ſchwe di— {chen Ueberfezer dargeboten (doch fol nächſtens auch eine ſoiche vuffifche Ueberfezung Hinzugefügt werden). Ob: gleich diefe Herameter den vorigen an Weichheit und mes lodifchem Fluß der Nede nothwendig nachſtehen müffen, da die Nichtachtung der Pofition fie ſtets mehr oder mins der. holpericht macht, fo gewährt doch die Möglichkeit, antife Versmaße nachzuahmen, diefen Sprachen beach— tenswerthe Vortheile vor den nachfolgenden. Außer einer italienifchen Leberfezung in fogenannten versi sciolti, und einer ihr ähnlichen hebrätfchen, find Die übrigen alle gereimt, daher in eine vom Originale wefentlic abweichende poetifche Form gegoffen. Doch fin: det auch hier, ſowohl durch den Geift der Spraden, als durch die Smdividnalität der Heberfezer, ein bedeutender Unterfchied Statt, wie wir fpäter zu bemerken Gelegen— heit haben werden. Wenn ich, bei der Betrachtung der Verdienfte aller einzelnen Ueberfezungen, zunachſt vom philologifch » Fritiz ſchen Gefihtspunfte ausgebe, fo Fann ich Feinen Augen⸗ bͤlik anftehen, der griechiſchen, welche uns Hr. Ju— lius Beyer in Dresden geliefert hat, den Vorzug vor allen andern einzuräumen. ie fehmiegt fich dem Origi— nal faſt durchaus mit buchftäbliher Treue an, folgt den leifeften und zarteften Wendungen desfelben, und bewegt ſich doch in ihren homeriſchen Weifen mit viel Leichtigkeit und Grazie. Immerhin mag der Heberfezer die Vorzüge feiner Arbeit zum Theil den unvergleichlichen Eigenfchaf- ten der griechifchen Sprache felbit zu verdanken haben; dies mindert jedoch ihren Werth keineswegs, und die *) Vergl. Pocätkowe deffeho bafnictwj, obzwläſſtẽ prozodye. Presb. 1818, in 8. ©. 81. 259 feltene Fertigkeit, womit diefer Helleniſt die Formen einer todten Sprache zu handhaben weiß, macht ihm viel Ehre. Der griechiſchen zunächft Eommt die böhmiſſche | Veberfezung des Hrn. Karl Winarficky anzureiben; aud) dieje gibt das Driginal meiit mit buchftäblicher Treue wieder, ohne daß darunter die Natürlichkeit, Klarheit und Kraft der Diction etwas gelitten hätten; ja Hr. Wi— nakicky hat fogar alle Wendungen des Versbau's in Hinz ſicht auf die Cäfuren wiederzugeben fi) bemüht, obgleich man wohl gefteben muß, daß die Kunft des fonit mit Recht gefeierten Bohuslaw hierin weit hinter der eines Dirgilius zurüfgeblieben iſt. Durch Verſehen ift bei dem Mbdruf diefer Heberfezung folgende Stelle übergangen worden: (8.12) — — Pix ipsa coloribus Iris Collucet totidem. — — — Takowfmi se barwami sotwa Irida zaskwjwä. Auch Hrn. W. A. Swoboda's deutfche Ueberſe— zung wetteifert mit den vorigen um den Preis der Treue und Genauigkeit in der Nachbildung ſowohl des Stoffes felbft, der Nede namlich, als auch der Form, des Vers— maßes. Sie hat viel Feuer und Kraft, läßt fich aber gegen den Vorwurf der Härte nicht ganz in Schuz neh— men. Diefen Vorwurf kann man der gleichen Ueberfezung des Hrn. Nitter von Rittersberg nicht machen; dages gen hält fie fi minder genau an das Driginal, zieht ſo— gar dritthalb Verſe (14 — 15) in einen zufammen, und ſteht an Kraft der Diction der vorigen nach. Der berühmte ſchwediſche Dichter, Bernard von Beskow, fihmedifcher Akademiker und Privatfecres tär ©r. fün. Hoheit des Kronprinzen von Schweden, bat unferd Bohuslams Dde in feine klangreiche Mutterſprache fehr glüflich übergetragen, und einige Abweichungen im Einzelnen durch edle Einfalt, Leichtigkeit und natürlichen Schwung der Rede im Ganzen vollfommen erfezt. Auch die beiden ungrifchen Ueberfezungen gehören zu den befferen im der Polyglotte; insbefondere hat Hr. Paul von Szemere die Berfe 1, 4 — 6 und 15 — 18 mit unübertrefflicher Wahrheit und Treue nachgefungen, obgleich übrigens weder er, noh Hr. Franz von Ka— zinezy, der hochverdiente Veteran der magyarifchen Liz teratur, ſich ſtreng an den Versbau des Driginals hiel: 47° 260 ten, fondern es fogar, jener um einen, biefer um zwei Herameter abfürzten. Was die Ueberfezungen in dem übrigen Sprachen betrifft, — welche für das römifche Versmaß nicht geeige net waren, und fich fchon deshalb dem Driginale nicht fo nähern fonnten, wie die vorigen, — fo weiß ich nicht, ob ich der einfachen Treue, der Zartheit und natürlichen Grazie der italienifhen Seiolti des Hrn. Nicolo Barbieri, Profeffors am f. k. Gymnaſium zu Pavia, oder der ganz eigenen Virtuofität den Vorzug geben fol, womit Hr. Pierce Morton: in London die Dde in leichte vierzeilige Strophen zu gießen wußte, fo daß er faſt buchftäblihe Treue mit der Eräftigften Kürze, mit reizender Anmuth und Klarheit verband. Beide dieſe Ueberfezungen find in ihrer Art unübertrefflih. Die zweite englifche, von Hrn. Wilmot, hält mit der erfigerühme ten feinen Vergleich aus; fie gehört unter die fhwächften der Sammlung. Beide franzöfifhen, von Hrn. 9. Chodo— wiecki, Paſtor der franzöfifhen Gemeinde in Pots— dam (Sohn des berühmten Kupferftehers), und Hr. Alexander Dumas in Paris, Verfaffer der beliebten und vielbefprochenen Tragödie „Henri III.“ haben ihre Verdienſte; doch wird man die erftere, nicht allein wegen größerer Treue und Bündigkeit, ſondern auch wegen der ächtpoetifhen Haltung und feltenen Eleganz der Diction, noch vorziehen müſſen. Den hier mitgetheilten anonymen Ueberſezungen, ei— ner ruſſiſchen und einer polniſchen, kann die unbe— fangene Kritik wenig Beifall zollen; am wenigſten aber der hol ländiſchen, welche von Hrn. U. F. Sifflé in Middelburg herrührt. Dieſe läßt den Dichter am mei— ſten vermiffen; breit und flach, mit willkührlichen Zuſä— zen überhäuft, unterſcheidet fi) ihre Diction von der. Proſa nur durch den Neim und das trochäifche fechzehn- fyldige Versmaß. Der poluifche Ueberfezer hat ſich zwar dagegen um fo Fürzer gefaßt, aber einerfeits viele bedeutfame Züge oder Farben des Originals weggelaffen und verwifcht, anderfeits auch, um des Reimes willen, eigene Zufäze fich erlaubt, Mit der ruffifhen Nach— bildung in den beliebten Alerandrinern kann man zufrieden ſeyn, wenn man fie wicht als Ueberfezung, fondern als freie Nachahmung des Driginals anfehen will. Die Stelle 261 „Quantas emittit‘ bis „confer faciem“ ift hier zwar nicht ganz dem Original gemäß, aber doch mit unverkenne barem poetifhen Schwung und mit Eleganz wiedergeges ben; andere Strophen find Dagegen um fo matter. Doch ich fühle die Pflicht, die bier geäußerten Ans fihten wenigftens mit Beifpielem zu belegen, und des— halb in ein näheres Detail einzugehen. Um die Lefer nicht zu ermüden, werde ich mich jedoch dabei nur auf einige Hauptitellen des Originals befchränfen. Gleich der erfte Vers: ; „Fons, Heliconiadum merito celebrande cohorti,‘* fcheint den Leberfezern die meifte Schmierigfeit gemacht zu haben; fie weichen darin am weiteften von einander ab. Am genaueften haben die HH. von Szemere und von Deskow ‚die Worte des Driginald wiedergegeben, weil ihnen dabei die, den meiften Sprachen unbekannte, paf- five Form des ungrifchen und fhwedifchen Zeitwortes trefflic) zu Statten Fam, Jener fohrieb: .. Forräs, a’ Helikon’ seregötöl hirre veendö! Diefer: 2 „, Külla! Af Helikons Muser m? du med rätta besjungas! „. Die andern überfezten dies meift mit: „Duelle, würdig des Gefangs“ u. ſ. w. Der Holländer fagte: „Quelle; die du durch die Sanggöttinnen nie nach Werth ° zu preifen biſt,“ oder eigentliche: „Quelle: die Shr.. | zu. preifen ſeyd,“ da'die holländiſche Conventenz das „Du“ nicht einmal dem Dichter geftatten will. Am weis teten entfernte fich hier der Nuffe mit feinem: „Preis, Preis dir und Gefänge des Helifon, du Quelle“ u. f, w., “wogegen diefer Ders in der nachſtens nachzutragenden me— triſchen Ueberfezung des Hrn. v. Malzoff: „Klius, Helikonskago chora p&snej chwalebnyeh dostojnyj“ * 98 — — r * e "” ” * w in Hinfiht auf Treue nichts zu wünſchen übrig Täßt.! a Ceſchluß im nächſten Hefte.) VI. Adalbert Fähnd rich, Abt des königl. Prämonſtratenſer-Stiftes zu Seelau. XXXXX Am 20. März 1830 verlor das Nationalmuſeum eines jener wirkenden Herren Mitglieder, die gleich bei der erſten Bildung dieſer gemeinnüzigen Geſellſchaft zu ihrer ſoliden Begründung und ferneren Emporhebung rühmlich zuſammengetreten waren, nämlich ten hochwürdigen Hrn. Adalbert Fähndrich, Abt des Fon. Prämonftratenfer = Stiftes Seelau, DBater - Abt zu Gerad in N ever: Defterreih, infulirten Prälaten im Königreiche Böhmen, Inhaber des filbernen Civil-Ehrenkreuzes, und Mitglied des po- mologifhen Vereins in Prag. Zu Sclan im Jahre 1776 den 7. Februar geboren, legte er ſeine niederen Studienjahre theils zu Brüx, theils zu Prag zurük, und wurde Dann, nad der zu Prag abſolvirten Philo- fophie, im Jahre 1797 in ten canonifchen Orden zu Seelau auf: genommen, wo er am 12. April. 1800 die Drdensgelübde abge— legt, und hierauf, nad den.an der Prager k. k. Univerſität ab⸗ foloirten theologifhen Studien, in demjelben Jahre am 21. Sep⸗ tember das erfte Dpfer als Priefter dargebracht hatte. Die ihm im Stifte und in der Seeljorge übertragenen Pflich» ten erfüllte derfelbe zur vollen Zufriedenheit feines Herrn Dr- densvorſtehers, nach deſſen Ableben er im Jahre 1807 am 19. Sanuar duch Mehrheit der Stimmen zum Abt erwählt wor— ten ift. Die erfte Sorge des Neuerwählten ging dahin, die von feinem Herrn Vorganger, Sigismund Hemerfa, bereits eingelei- teten Verhandlungen wegen ter Uebernahme des Deutjchbroder Gymnaftums fortzufezen, und fein diesfalls fehr reger Eifer hatte zur Folge, daß durd die thätige Mitwirkung des damaligen k. k. Hrn. Gubernialraths und Caslauer Kreishauptmanns, Norbert Schmelzern, und ter Deutfhbroder Bürgerfchaft, das Gymnaſium fhon mit Anfange November 1807 eröffnet, und der Unterricht von Geelauer Stiftsintiriduen ertbeilt werten Fonnte ; wodurd aber die Zahl der Priefier im Stifte jo fehr vermindert wurde, 263 daß der Herr Präfat ſelbſt die Katechetenftelle bei der Geelauer Pfarrſchule! durch eine geraume. Zeit verfab, und es auch drei Fahre fpäter nicht beſchwerlich fand, . bei ‚feinen übrigen vielen Arbeiten den im Stifte wegen Abhaltung des Chors zuxükbehal— tenen Elerifern VBorlefungen über die Gegenftänte des eriten Iheo= logiſchen Sahrgangs zu halten, welche rühmlihe Verwendung mit dem erwünfcdteften Erfolge gefrönt wurde. Cine nicht mindere Sorgfalt widmete er der Defonomie, als der Haupf- quelle, durch welche die Eriftenz des ganzen Gtiftsförpers ge: fihert werden Fonnte, was um fo nöthiger war, als ohnehin der Boden in der Ergiebigkeit karg, bei einem, jedem öfonomi: fhen Vortheile ungänftigen Clima nur durch künſtliche und richtig berechnete Verſuche zum gewünſchteren Refultate gebracht werden konnte. Seine ökonomiſche Inſtruction für die Wirthſchaftsbe⸗ amten zeugt von ſeiner genauen Localkenntniß und von jenem diesfalls durchdringenden Blik, der nur den erfahrenſten Oeko— nomen eigen iſt, wofür zugleich die von ihm auf das zwekmä— ßigſte errichteten Wirthſchaftsgebäude ſprechen; betrachtet man aber die vielen neuen, auf ſein Geheiß und unter ſeiner eigenen Leitung geführten Straßenzüge auf der ganzen Herrſchaft: ſo läßt, fih fein Gemeinfinn nicht verfennen. Als Staatsbürger zeichnete fich derfelbe in dem für Oeſter⸗ reich verhängnißvollen Jahre 1809 und den darauf folgenden auf eine ſo glänzende Art aus, daß Se. f. &. Majeftät feine Bür— gertugenden mit dem filbernen Civil = Chrenfreuze im Jahre 1815 zu belohnen allergnädigft geruht haben, wo er dann fo geſchmükt als, Deputirter ter hochlöbl. Herren Herren Stände des König: reichs Böhmen nah Wien reiste, ald man nad der neuen Ver: mählung Sr. E. k. Majeftät, Ihrer Majeftät der allergnadigiten Landesmutter, die Huldigungswünfche des Königreihs darbrachte. Was der Verblichene übrigens als Priefter der Kirche, als Abt den DOrdensbrüdern, ald Dbrigfeit den Unterthbanen, und überhaupt ald Menſch feinen Nebenmenjben geweſen, und. wie febr fein Verluſt zu betrauern fey, ‚fühlen am meiften die, welche fein fäglihes Wirken zu. beobachten Gelegenheit batten, dem nun die von ihm ſo oft, unterftüzte Armuth, und alle, die ihn gefannt, mit dem frömmften Gemüthe nahrufen: —* Sanft ruhe ſeine Aſche!— Manlero 264 vr Literärifhe Anzeige —XXXE Sammlung der vom 8. Mai 1817 bis 31. Decem— ber 1827 im k. k. Convictgebaude nächſt dem Piariftencollegium auf der Neuftapt Prag Nro. €; 856 angeftellten aftronomifhen, Meteorolo- sifhen und phyſiſchen Beobahtungem von ©. Hallaſchka, Priefter des Ordens der frommen Schufen und Confultor des Ordens-Provincials, Doctor der. Philo- fophie, öffentlichen und ordentlichen Profefior der Phyſik und angewandten Mathematit an der F. f. Univerfität in Prag, u.f.w., u.f.mw.;,u.f. w. Prag, 1830, Druf bei Lan- dau (und in Eommiffion der 3. ©. Calve'ſchen Buchhandlung). 4, ©. VI. und 250. Der würdige Herr Berfafer bat den großen Verdienften, die er fich bereits als öffentlicher Kehrer, Schriftfteller und prak— tifher Aftronom um das Studium‘ der Naturwiffenfchaften im Allgemeinen , insbefondere aber um die mathematifihe und phyſi— ſche Geographie unſers DBaterlandes erworben, durch die anges firengten und wichtigen Arbeiten, welche den Gegenftand des hier angezeigten Werkes ausmadhen, ein neues, nicht minder großes, beigefügt. Wir wollen zur Beftätigung diefer Behauptung eine geträngte Weberficht von dem Inhalte diefes Werkes geben. Nachdem Hr. Prof. Hallaſchka fih in der Vorrede fehr befriedigend über die Gründe erklärt hat, warum hier nur die Driginal: Beobahtungen, ohne irgend eine Reduction oder weis tere Rechnung, mitgetheilt worden, gibt er ein Verzeichnig der von ihm gebrauchten aſtronomiſchen und meteorologifchen Inftrus mente, aus dem jeder Kenner des Gegenftandes entnehmen kann, daß ter Hr. Verf. mit den neueften Fortſchritten und Hilfsmit- teln der Wiſſenſchaft hinlänglicy vertraut, und fonad) im Stande war, die ſich vorgefeste Aufgabe vollfommen zu löfen. Hierauf beginnt das Werk ſelbſt und enthalt nachftehende Abſchnitte: I., Beffimmung der geographiſchen Breite des Beobahtungsortes. Gie war 1817 zu 50% 5‘ 13°. 5 ges funden worden; aber ſpätere Beobachtungen mit vollfommeneren Snftrumenten, nämlich einem 10zolligen Spiegelfertanten v. Lieb- herr, und einem multiplicirenden Theodoliten von demſelben, ergeben im Mittel eine Polhöhe von 50° 5’ 13”. 715. 265 I. Beftimmung der geograpbifdhen Länge des Beobahtungsortes. Sie wurde mittelft Pulverſignalen, die am 1. und 5. April 1513 im Ballabenifchen Garten vor der Statt abgebrannt, und auf der F. k. Sternwarte, ſo wie in der Woh: nung des. Hrn.. Prof. 9. beobachtet wurden, zu.48' 22°. 44 in Zeit, öftlih von Paris, ‚gefunden. \ I. Sternbedefungen vom Monde. IV. Verfinfterungen der Supiterd- Trabanten. V. Planetienbedefungen vom Monde, VI. Sonnen- oder Erdfinſter niß. VII. Möndesfinfterniß. VIII. Cometenbeobachtuugen; von den Jahren 1810, 1321, 1822, 1823, 1824 Und 1825. i IX! Meteorologifhe Beobahtumgen, Diefer Abs fhnitt iff der größte unter alten und bildet den wichtigften Theil des Werkes. Der Hr. Berf. bemerkt über diefe Beobachtungen vorläufig! „Für die meteorologiihen Beobachtungen wählte ich vom Jahre 1817 den 3. Mai bis 1823 folhe Zeiten des Tages, welche für die Beftimmung: der mittlern Wärme eines Ortes am geeignetften zu ſeyn foheinen. Vom Jahre 1824 bis 1827 am 13. Auguft, an welhem Tage ich meinen zehnjährigen Beobadı- tungs = und Wohnungsort , wegen der bevorftehenden Einrichtung des E. £. Convictes, verließ, beobachtete ich an gleichzeitigen Stunden, an welhen die namlihen Beobachtungen an der k.k. Sternwarte in Wien angeftellt werden, um feiner Zeit meine gefammelten Beobachtungen mit jenen ‚anderer Orte, und vor: züglich mit jenen, welche an oder nicht weit von der Nordfee ge: madt werden, vergleihen zu Fonnen, ‚Die Barometerftände res dueirte ih auf 0° R. nach der Tafel, welhe in dem I. Hefte der Sammlung von Hilfstafeln ©. 53 (Eopenhagen, 1822) enthalten it. Die Scala des Barometers iſt nach dem alten Pariſer Fuß— maße auf Meſſing bei + 13° R. getheilt. Im Sommer des Jah— red 1821 verfertigte ich mir einen neuen Barometer, deſſen Scala ih dei + 13 R. in Linien (9. Fußm.) theilte, um mittelft des DVerniers "/,., einer Linie unmittelbar ablefen zu kön— ‚nen. Die ‚Lufttemperatur ift nach einen Reaumurſchen Drath— filber = Thermometer beobachtet worden.‘ Es folgen nun a). die mittlern ®arometer: und b) Thermometerftände, c) die. Beobach— tungen der Winde und -d) der atmofpharifhen Befhaffenpeit, für die oben angegebene Zeit, nämlich vom s. Mai 1817. bis 31. December 1827 ; alle vier tabellarifch für jeden Tag neben einan- der geſtellt. Vom s. Mai bis 31. December 1823 if täglich) zwei Mal, bei Sonnenaufgang und Nachmittags, und zwar vom Mai bis October um 2 Uhr, vom Detober aber bis Mai um 200 a Uhr, beobadtet worden. Don 1. Sanpar 1824, bis 31. De: cember 1827 find die Beobachtungen vier Mal. täglich angeſtellt worden, nämlid um s U. Morg,, 12 4. Mitt., 3 U, Bad. und 10 U, Abends. Die mittlern Stände waren (mit PAD des Sahred 1817, wo nur vom s. Mai am beobad)tet worten) : Barometer, Thermometer. 1318. „arts, 585 +3s,oı NR. 1819 . . 27° 4,925 + 8,.425.9 1820 ,.27 5. 35 + 7..465.) 5 aa „ag /tadlt 38 + 8,037, 1822.. 27 6“., 38 +3.81 5 1823 ...27 5. .2085 + 7°%.694 18246 .. 27 6. 2.989 -> 9°,1025 „ 1325 4.0:22,.,:B-4,,408 + 80,56 u 1826 „27 6.. 265 * Le AT Ur BR 70,768 05 Es erreichte den höchſten Stand: das Bar, das Therm. 1818 mit 28° 0°, % Le 43819 „ 27% gung + 29 45» 13820 „ 23” 0’, 0° + 20° 3,» 1821 » as’ 4,0 + 230 5 — + 200» 18238 „ 28% 016 4 26° 0, 1824 „ 23% 1“. 92 + 25° 0» 1825 9 28 1°, ug + 26°9 » 1826 .» 28” 410,74 + 278, 1827 „. 28" 0%, 93 + 230, ‚den niedrigfien Stand: Das Bar, das Therm. 1818 mit 26° sta — 100,3 R 1819 5» 26% 9“. 3 — 10%. 1» 1820 „26% 5tmrg — 20%. 55% 41821 » 26 30 — 10%. 0, 1822 5» 2610,38 LU RB 1823 26 4“. 74 — 248. 85 1820 267 ya 12 — 68. 55 1825 26 54, 04 — 1,39% 13826 26“40“. 29 — 16%. 655 1827 26*8“. 26 — 419%, 8 » 267 Auf dieſen Abschnitt folgt X, Heberfiht der mittlern a led Make, meter- und Thermometer: Stände von 1817 bis 1827. Es ergibt fih, daß in Bezug auf das Barometer die Mittel ter Monate Januar, Februar, Mai, Auguft, Sep: tember, October und November größer, die Mittel der übri— gen Monate aber Fleiner find. als das Sahresmittel. In Hinfiht ded Thermometers zeigt fih, dag im Juli die größte, im Januar die Fleinfte Temperatur beobachtet wor- den, die Temperatur des’ Augufis aber nur um Y/, RR. Eleiner ift als die des Juli. Die mittlere Temperatur der Monate April und Dctober nähert ſich am meiften dem allgemeinen Sahresmittel, wel— ches aus fammtlichen Beobachtungen von 1817 bis 1827 hervorgeht. XI. ueberſicht der böchſten und niedrigften Ba- rometer- und Thbermometer= Stände, welde von 1817 bis 1827 beobahtet worden find; ebenfalls für jeden einzelnen Monat. Das Barometer ftand am höchſten den 8. Februar 1821 um 11 U. 30 Min. Vormittags, mit 28‘ 4’, 0, .am.niedrigften den 25. December ıs2ı um ı U. Nahm. mit 26° 3. 7. Dad Thermometer erreichte das Marimum am s. Juli 1819 um 2 U. Nachm. mit + 29° u R., das Minimum am 23. Sanuar 1823 um 8 U. Morg., die ge— wöhnlihe Beobachtungsſtunde, mit — 21° 8; es hatte aber an demjelben Tage um 6 U. 30 Min. früh auf — 22 o a und fiel um s U. 30 Min. auf — 22° 3. xl. ueberſicht der 8 welche vom 1. Sanuar 1818 bis 31. December 1827 zur Zeit der verfhiedenen Mondesphafen, der Mondferne und Mondnähe, und des nördlidhen und füdlihen Lunijtitiums find beobachtet worden. Ein ungemein wichtiger und anziehender Abſchnitt! Es ergibt ſich ein mittlerer Barometerſtand für die Zeit des Neumonds von 275,90 » » » » 1L. Octavſcheins von 27 5. 51 ”: » der DQuatratur 3 -27 5. 95 »- » » des II. Dctanfheind„ 27 * 14 » » » » Vollmonds Ve 3 Ak 5) 10: »»»» III.Octavſcheins 3,727 449,027 » » 9» der I. Quadratur » 27 5. 63 » des VI.Octavſcheins,, 27 5. 53 » 3 der Mondferne 27 "5. 62 „ » m» » Mondnähe ».427 15, 20 3 des nördl. Luniſt. 27 6.29 ” » » „ ſüdl. Luniſt. Be ‚27 5, 69 268 DBergleiht man diefe Stände mit dem aus 12602 Beobach⸗ tungen berechneten allgemeinen mittlern Stande von 27° 5“, 60, fo ergibt fi : 1) daß das Barometer dieſen Punkt überfeigt: bei den Quatraturen, x bei dem Neu: und Bollmonde, bei der Mondferne, und bei den Luniftitien ; 2) daß das Barometer unter diefem Mittel Reit: bei den vier Octavſcheinen, und bei der Monpnäbe; 3) daß die größte Höhe des Barometerd mit dem noͤrd⸗ lichen Luniſtitium, die geringfte aber mit dem II, Octavſchein (oder der Zeit zwiſchen dem erſten Viertel und dem Bollmond) sufammenfällt ; 4) daß die Barometer = Höhe in der —— ag iſt als in der Mondnähe. Man ſieht aus dieſen (bisher gewiß nur an wenig ſo vollſtändig und ſorgfältig angeſtellten) Beobachtungen, daß der Mond während ſeines Umlaufes um die Erde eine Ebbe und Fluth in der Atmoſphäre der Leztern bewirkt, und daß dieſer Einfluß auf die Atmoſphäre nicht blos von den Phaſen des Mondes, ſondern auch von ſeinem Abſtande von der Erde und ſeiner Abweichung vom Aequator abhängt. xIII. Richtungen der Winde. Während des Zeit: raums von 1817 bid 1827 wurde beobadıtet: Welt... . 2129 Mal. Südgenweſt . . 51 Mal Südwef. . . 1291 5° Nordgenwel - » 39 5 SE la RE gun re ee Nordweſt . 1104 » Gülgenft. » Mord. Vier tarı. 964 Asyam Dftfüdoft Hr Sa... 362 3 Sühhſttt Dfigennord. »; ar. 23 5 Dr 07 area. 22 m Mordoft » 2.509 3 Mordweitgemweft Südſüdweſt . . 472 » Südweſtgeuweſt . 10 » Nordnordweſt. 2741: Südwefgenfid . . 7» Südſüdoſt 2553 Oſtgenſud u. Bd Weſtnordweſt . 203 5. Mortdweitgennord .. ,„ 5 Nordnordoſt. 71» Süpofigenfid . ». . 2 Weſtſüdweſt.. 66 „» Süpofigenft ... . 15» 1 1 * . [3 on * > MWefigennord . 55 3» Mortofigenoft . Oſtnordoſt . 47 5. Nordofigennord ... 269 XIV. Befondere Naturerfheinungen, welde vom Sabre 1817 bis 1827 in und um Prag beobs achtet worden find. Diefer Abſchnitt ift nicht wohl eines Auszugs fähig, aber in Verbindung mit den übrigen meteorolo: gifhen Beobachtungen von nicht minder großer Widhtigfeit für die phufiihe Geographie ‚unferer Dauptftatt und ihrer Umgebuns gen, als jene felbft. j Wir müffen am Scluffe diefer Anzeige noch anführen, daß der Hr. Verfaſſer dad Werk Sr. Majeſtät, unſerem erhabenen Monarchen, zugeeignet, und zum Beweiſe des allerhöchſten Wohl— gefallens darüber eine goldene Doſe zum Geſchenk erhalten hat. Möchten wir doch von allen Orten, wo meteorologiſche Beobachtungen angeſtellt werden, fo genaue und umfaſſende Re— fultate erhalten, als fie Hr. Prof. Hallaſchka bier in Bezug auf Prag geliefert bat! Wie jehr würde dadurd) die Naturkunde im Allgemeinen und die Witterungslehre insbefontere gewinnen! ©. VIII. Bericht vom vaterländiſchen Muſeum. (Januar, Februar, März und April 1830.) Geſellſchaft. In die Claſſe der wirkenden Mitglieder find einge- treten: durch Erklärung zu dem jährlichen ſyſtemmäßigen Geldbei— trag: Se. Durchlaucht der Fürſt Friedrich von Oettin— gen-Wallerſtein. Durch Materialbeiträge im Syſte— maͤlwerth: der kak. Herr Bergrath Rombaldi Ritter von Hohenfels zu Statt -Steyer in Oberöfterreih, und Herr Stanz Freiherr von Malowec, k. k. Oberlieutenant ın der Armee, und Befizer des Gutes Skalic. Dei der am 3. April gehaltenen Generalserfammlung wurs den zu Ehrenmitgliedern erwählt: Heinrich Fürft Lubomir— ſty, Curator des Oſſolinſtiſchen Inftituts zu Lembere. Graf Adam Nosciszewffy von Rosciczew, Mitglied ver Krakauer Gefellihaft der Wifenfhaften. Herr Nitter von Schreibers, Director des k.k. Naturalien-Cabinetts in Wien. ‚Herr Paul Joſeph Schaffarif, Mitglied mehrerer gelehr- 270 ten Gefellfhaften. Herr Bibliothekar Bandtkie zu Krakau. Herr Hofrath Tiedemann, Profefior der Anatomie zu Heidel- berg, und Herr, J. U. D. Karl Klaudi zu Prag. Materialbeiträge Für die Mineralien: und Peträfactenfammlung:. von Sr. apoftol. Majeftät dem Kaifer und König: 7 Eremplare Rafeneifenftein mit in Eifenerz 'verwandelten Pflan- zentheilen aus Ungarn. — Bon Herrn Aloys Oberſteiner, fir von Schwarzendergifhen Eiſenwerksdirector zu Murau : eine Kifte mit: Pflanzenabprüfen aus Stehermark. — Bon Herrn Franz Freiherrn von Malowec: eine bei Bohumilic im prachiner Kreife aufgefundene Maſſe Metevreifen. — Bon Deren Sofepb Hadel, Weltzriefter und Profejjor der Landwirth— ſchaft zu eitmeriz: ein Schauftüf von Navdelzeolitb in Bajjalt. — Ron Herrn Med. Dr. Friedrih Bifhof in Tepliz, ein aus— gezeichnete Stük Natrolith im Klingftein. Für die zo ohogiſcche Sammlung: Bon Sr. Durdlauht dem Fürften von Taxis: 2 Stük Schneeammern (Emberiza-nivalis). — Bon Herrn Criminalrath Zohann Schmidl zu Pifek: ein Eremplar vom Gänfejäger (Mergus merganser L.). — Bon Ihrer Durchlaucht der Für⸗ ſtin Maria Kinſty: ein Lori. Sür die Bibliothek: Bon tem hochw. fürfterzbifhöfliden Conſiſto— rium: Das u. Heft des 2., und das 1. Heft des 3. Jahr— ganges der Zeitfhrift für den katholiſchen Clerus. — Von tem fürfterzbifchöflihen Alumnus Herrn Joſeph Wagenftnedt: eine alte böhmifche, und eine teutfhe Drukſchrift. — Von tem fürfterzbifhöflihen Aumnus Herrn Georg Peffice: .eine ältere bohmifche und eine deutſche Drukſchrift. — Bon tem FE. f. Profeffor am Gymnafium zu Gitfbin Herrn Franz Schier: 2 Bände feines Werkes „Wybor ze spisowatelü teckfch“, — Don Herrn F. P. Hollmann zu Gitfhin: 3 Bände eines von, ihm verfaßten böhmifhen Werkes von 18529. — Von Herrn Martin Schiman, Prager fürftersbifhöflichen Conſiſtorial— Cafier: ı Exemplar tes Univerfal: Katalogs des gefammten Res gular - und Gecular:Elerus aller Diecefen Böhmens. für 1830. — Bon dem Herrn 8. R. Bayer, Scaufpieler beim ftändifhen Theater zu Prag: ein deutfhes Gedicht auf die Nüffehr tes Kaifers Franz des I. im Auguft 1769. — Bon Herin Ignaz Geibt in Prag: ein Gremplar ver von ihm beforgten Aus— gabe tes Aurelius Victor. — Bon ver Pijefer Leſegeſellſchaft: | | 271 ver Jahrgang 1829 von 3 verſchiedenen politischen Zeitungen. — Don ter Pijefer Statf : Gemeinde: 10 Drufwerfe, tie auf Bohmens Gejhichte Bezug baden, und zum Theil in Böhmen verlegt find. — Bon Herrn Wenzel Grolmus, Localift zu Ktefjn: # Bande von Khuns Conntags : Predigten. Prag, 1776. — Bon Herin Gottfried Menzel, Kaplan zu Grottaut Lobels Herbarium, 1. Band, in Fol. — Von Herren Grafen Adam Roschszewffyr 13 neue polniide Drukſchriften, und 5 Yortraite berühmter Polen. — Yon tem wirkenden Mitgliede Herrn Dechant Devoti: eine lateiniſche und eine böhmifche Drukſchrift. — Bon Herrn Grafen Erwin Noſtiz: ein engli= fhes Drufwerf mit vielen Abbildungen. — Bon Herrn Dechant Ziegler zu Chrudim: das 23. umd 2%. Heft von "feinem „Pijtel Miadeje*, 1828. — Bon tem Ausichug - Mitgliete Heren Profeffor Millauer: 1 Exemplar feiner Abhandlung über die Matrifen der Afatholifen, Prag, 1330. — Bon Herrn Sob. Sof. Lenhart, Bürgermeifter- zu Karlsbad: ı Exrem— plar von dejen gedrukter Schrift : „Ueber tie Cigenfchaften eines Richters.“ — Bon Herrn Johann Wuffin, stud. jur. im 3,. Jahre: 4 alte lateiniſche Drukſchrift. — Bon Herrn €. Dallafhfa, k. f; Profefjor der Phyſik: feine „Sammlung von aftronomifchen Beobachtungen während der Jahre 1817 — 1827%, in 4, Prag, 1830 — Von Herrn ©. Schneider in Brünn, deſſen Druffhrift: „Brünns Merkwürdigkeiten.“ — Bon Herren Arhitecten Soendel in Prag: dejen Werk „Ueber landwirthſchaftliche und Induftrial = Baufunft“, 3 Bände Text und 1 Band Kupfertafeln. — Bon Herrn Ignaz Nowak, Caplan bei Set. Nicolaus in- Prag: eine ältere Drukſchrift. Für die Handfhriften: Von Herrn Wenzel Grolmus, Localfeelforger zu SKtefin: 1 Codex auf Papier im bebräifher Sprade. — Bon Deren Dr. und Profefor Shönbed zu Budweis: ein auf Pas pier gefhriebener Codex, in Fol., mit eregetifhen und homi— letijhen Aufſäzen aus dem XIV. Sabrhuntert. — Bon Herrn Sof. Schön, Präfecten am Pifefer Gymnaſium: 2 Gedichte auf Parier aus dem XVII. und XVII. Sahrhuntert. Für die Münzfammlung: Don der Frau Wilhelmine Tomaſchek: eine Bela- gerungs : Münze von Lurenburg, und eine franzöfifhe aus der Zeit ver Revolution, beide von Bronze. — Bon Herrn Forft: bereiter Recht zu Bufhowiz: eine Fupferne Denfmünze. — Bon Herrn Herold, Beneficiaten zu Riefioblaw: 2 alte Sil- ber und 2 Kupfer» Münzen. — Bon Herrn Sopann Miynai, 272: Gymnafialfhüler zu Piſek: eine römifhe, und eine altböhmiihe Silvermünze. — Bon Herrn Karl Polan, Gymnafialfhüler zu Piſek: eine ältere böhmifhe Silbermünze. — Ben. Herrn Dechant Rubeſch zu Haide: 3alte kleine auswärtige Silber: münzen. — Bon Herrn Franz SlIanina, Pfarrer zu Citow: eine Fupferne Inthronifationsmünze tes. Prager Fürſt-Erzbiſchofs Prichowſky, und eine Eleine Kupfermünze von Pabft Pius dem VI. — Bon Herrn Adalbert Rennelt, k.k. GStraßencoms mifär zu Königgräz: eine alte Kupfermünze. — Bon Gr. Durdlauht dem Fürften von Dettingen: ein goldener und mehrere filberne Bracteaten. — Bon Herrn Joſ. Haufer, Dedant zu Peruz: 12 Stük verſchiedene Gilber - und Kupfer: münzen. — Bon Herrn Johann Wuffin, Suriften im 3. Sabre: 2 Stük Halbbracteaten. Fur die ethnographifhe Sammlung: Bon der Frau Wilhelmine Tomafher: ein Medail- fon in Spefftein aefchnitten, den Kopf Raimund Fuggers darſtel— end. — Bon Herrn Jakob Weinhuber,, Erzpriefter, Bezirkövicar und Confiftorialrath zu Gojau: das Warpen des Goldenfroner Abted auf Glas gemalt. — Bon dem Director zu Unterbtejan, Herrn Ignaz Praffy: 4 Gtüf alte Rich— terftäbe (Präwa). — Bon tem Herrn Poftmeifter Afermann zu Zerhowiz: ein bei Zerhowiz aufgefundenes fteinernes Beil. — Dom Fürftenbergifhen Herrn Hofrath Nittinger: einen-alter- thümlichen eifernen Sporn. — Bon Freiheren von Genften: berg: 10 Stük Mofaifwürfeln von Glasflüfen. — Bon Gr. Durchlaucht dem Fürften von Dettingen: eine alte Taſchen— uhr in Eiform Nürnberger Ei). — Kedactenr: F. Palacky. v. Schönfeid’s Papier und Druk. — — —— — ef BERN Fe NONE f ’ 1 — 5* U 4 u A N ‘ . h wi 4 & 4 i Er ) N . h iv Y u — — J un‘ g Asia —— —D — 22 — 44 Te \ — —— ca 4 4 ⸗ I \ — / | / Er L? ge Ga ir L Arermterg: [4 Meteoreifen von Bohumilic. Inhalt des zweiten Heftes. L 9sefie — 1) Er ſter Geſang der Idylle: das — Von RE. Ebert &. 131 — 147 —— U. Statiftir E 2) Refultate der Geburtd » und Sterbeverhäftniffe ſeit der Schuzpoken⸗ Einimyfungs Periode. Bon Dr. 5. U. Stelzig. Geſchluß) ©. 148 — 206. ——— Hl. Böhmiſches Mufeum | 3). Rerhantlungen der Gefellfhait des vaterländifhen Mufeums in Höhmen in der achten allgemeinen Berfanm- R lung am 3, Aprif 1830. ©. 207 — 238. : RER a) Vortrag des Gefhäftsleiters Inf. Steinmann, b) Rebe des Präfidenten. | ©) Beilagen: Beſchreibung und. hemifthe Yinterfuchung 4 der Bohumilizer Meteormaſſe. Erllarn ng der Rune | tafeln. 4) Bilder. Don J. Schon. 2) Neuſtadt an ber Mettau. ©.239 — 351. —— 1) Ueber welchen Gegenſtand ſollen Schriftſtellerinnen ſchreiben? Bon der Verfaſſerin des Aufſazes: a 2 — der Frauen.“ ©, 252 — 254. | - 2) Bergleihende Bemerkungen über Hrn. be Carro's. ER Bon Franz Palacky. ©. 268 361. VI. Nekrolog Abt Adalbert Fähndrich. S. 262. ® vi. fiterärifhe Anzeigu © Beofefior Hallafchfa's Beobahtunger. ©. 264260. VIEL. Beriat vom vaterländifhen Mufeum. Ganuar, debruar, März und April 1830.) S. 269, Wegener , “ Jahrbuͤcher Be: | des Re Ü vobmiſchen Muſeums Il wn & Ratur- und Landerkunde, Geſchichte, I RE und Literatur. Erfer Ban — N Drittes.Heft. — ſachſ. oder A fle Con, Münze, und balbjäbrig 1 ‚The 8 99%. —— Bon dieſer Zeitſchrift erſchelgen — Beſchlaßß des Pers ——— fhuses der Gefelifhaft des Haterländifpen Mufeums vom = Sabre 1830 an Jährlich 4 Hefte, jedes von circa8 Dogen. De ; Pränumerationspreis it für den Gabrgang 2 Thlr. 16 sn x a fähr. oder 2fl. Eonv, Münze ; für tiefen Preis können gedachte 7 Sabrbüher durch alle folide Euhbandlungen des Sn » und — Auslandes bezogen werten; im Inlante nehmen unter ports 5 a - freier. Cinfendung des Pränumerationsbetrages aud alle ref ° BE. Poltämter Deftellung darauf an, und if bei denfelben balbjährig mit 2 fl. 20 Pr. EC. M. zu pränumeriren, ober die pünftlihe und portofreie Zuſe dung mit inbegriffen iſt. Die drei erften Jahrgänge obiger Zeitſchrift ſind auch noch u 3 befommen, und zwar der Sahrgang einzeln genommen im Inlande für 7 fl. C. M., im Ausfande 5 Thle. fähl., und. wenn alle drei Sahrgänge: zufammen genommen werden, im A Inlande für 18. fl. C. M., im Ausfande für 12 Thlr. fiat. Be Einzelne Hefte werden jedoch nicht abgelaffen. — Alle Titl. Herren Mitarbeiter und Gorrefianbenh, Be “welche mit ihren Beiträgen die Nedaction vorliegender Zeit: fhrift beebren wollen, werden gebeten, ihre Beiträge oder Briefe an die unterzeichnete Handlung mit dem Beiſaze ‚für die Redaction der Zeitfhriften des böhmiſchen Mufeums‘ a gefälligft einzufenden, Diejenigen aber, welchen Leipzig näher | | als Prag liegen folite, werden: gebeten, ihre Beiträge der... 4 Briefe an Herrn Immanuel Müller in Leipzig mit dem. Bei: 2 faje „für die Redaction der Zeitfhriften des — 4 Museums gefäligt abzufhifen. — rtas im Januar 1830. I.®. Safve’fde Burhaudinug. he REN u r [2 Jahrbücher des boöhmiſchen Muſeums für Natur: und Länderkunde, Gefchichte, Kunft und Literatur, Erftter Band, Drittes Heft. Prag, J. ©. Calve'ſche Buchhaudlung. 1830. —W une 5 + —F —0 er N n% er NRun 30 V——— — x — un BT: * 0 SEE ID Fe nei ni * J — Ri Bar eo) Bi? 2 N Klsuiad ur anne — — LET EETET IT ESTER FNENETEE U EERERTERERERERTEFEREN “ m iS — Aa 4000 Was will wohl um den Thurm herum Das bunte Volk zuhauf, Was bliken Alle ernſt und ftumm Zum Gitterfenfter auf? Ein Mann fteht oben Frank, und ‚bla, In föhrigem Gewand, Die Haare wild, das: Auge naß, Ein Geiglein in der Hand, Und troz der Feſſel ſchwerem Zwang, An der die Kette klirrt, Ertönt ſein Spiel, daß Allen bang, Und wieder wohlig wird. Wie Naͤchtigall im Käfig ſingt, Wenn ſie in's Freie blikt, So klagend auch ſein Spiel erklingt, So ſchmelzend und gedrüft. Und als er ſchließt mit dumpfem Ton, Ruft alles Volk empor: ı3® 276 „O, werte Freiheit: dir zum Lohn, „Du etler Dalibor!“ Der König geht vorbei am Thurm, Des Bolfed Ruf er hört: „„Wie? duld’ ich's, dag mein Volf der Wurm „„Mit Saitenflang bethört ?* „„Beſtrafung ſprach mein Richterwort, „„So wird ihm wohlgethan, „„Auf, Wächter, nimm fein Spiel ihm fort, „„Und Fett’ ihn fefter an!““ Als fhlummernd Dalibor am Stein, Die Geig’ im Arme, ruht, Tritt raſch der rauhe Knecht herein Mit: altem Sinn und Blut. Er faßt den Armen an der Hand, Ind wild fein Lachen gellt, Die Geige wirft er gen die Wand, Daß dröhnend ſie zerſchellt. Vom Boden taumelt Dalibor, Und ſieht erſt, was geſchehn, Und ringt entſezt die Händ' empor, Mit Heulen und Geftöpn. „O Fluch, du finſt'rer Scherge, dir, „Fluch deiner ſchnöden Hand, „Die mein alleinzig Labſal mir, „Den lezten Troft entwandt.“ „O Spiel, nur dir no) febte ich, „Die Geel’ ift mir geraubt — „Sp brid denn Herz, du armes, brid, „ind finfe, müdes Haupt!“ 277 So Flagt er jammernd, feufjt und meint, Und nimmer enden will, So Flagt er, bis der Morgen fheint, Da wird er plözlich fill. Und Mittag wird’s, und Abend graut, Und nächt'ge Kühle weht, Da wird’s am Fuß des Thurmes laut, Das Volk verfammelt fteht. Erwartend horchen Alle auf, Doch Eait’ und Bogen fehwetgt, Sie ſpäh'n zum Fenfter ftarr hinauf, Doch Niemand dort fi zeigt. Als aber Naht am Himmelsjaal Ihr Sternenkleid entrollt, Da klingts vom Thurm mit einem Mat Gar ſüß und wunderhold. Wie Nachtigall am Baume fingt, Wenn fie der Haft entfloh’n, So freudig ed und jubelnd Flingt, Ein Jauchzen jeder Ton. Und Jedem wird fo wohl und weit, So mild bewegt die Bruft, Als zög in's Herz ihm Geligfeit, Und aller Himmel Luft. Der König wieder geht vorbei, Boll Zornes fteht er da — „He, Wächter! noch die Melodei? „Mein Wille nicht gefchah ?«* „„O Herr, dein Knecht war flin bereit, „„Erfüllt ward dein Gebot, 278 „„Doch den Gefangenen fand ich deut „„Am frühen Morgen todt.ccee Der König zittert und erbleidht ; Er eilt entfezt davon, Doch nicht aus feinen Ohren weicht Der wundervolle Ton. Er hört zu Nacht ihn und am Tag, Sm Kummer und im Glük, Er hört’ ihn, als er fterbend Tag, In Schauder brad) fein Blik. = 8. € Ebert. PD TEE gu dem hiforifden Shaufpiele: Bretislam und Jutta). re Din eilen Sahr auf Sahr mit Windesflügeln, Gejhlehter treten ein und treten aus, Die neue Welt baut auf den Leichenhügeln Der alten boffend ihr vergänglich Haus, Den Tod vermag Fein Machtgebot zu zügeln, Was je gelebt, verfanf in Naht und Graus, Der Leib zerfällt, das Schönfte liegt im Staube, Die That allein wird keiner Zeit zum Raube. Und wenn den Enfeln von vergang'nen Tagen, ' Bon Fühnen Thaten manches Lied noch fagt, +) Beftimmt, vor der erfien Aufführung gefprochen zu werben, aber nich zue Wirklichkeit gekommen, 279 So fühlt fein Herz der Knabe höher fchlagen, Indeg der Greis um feine Kräfte klagt; Es fapt den Süngling, daß er ohne Zagen Für Gott und König Blut und Leben wagt, Die Jungfrau horcht, und ihre Wange fodert, Sie liebt den Helden, der im Grabe modert. Schon manch Jahrhundert ift auch er gefallen, Der Held, den heut ihr ſchauen ſollt im Bild, Denfelben Boden trat er, drauf wir wallen, Er trank vom Quell, der jest für uns noch quillt; Geftürzt find feines Schloſſes weite Hallen, Der Kampf vertofte, und die Zeit ward mild, Doch Vhantafie, die warme, foriht ihr: Werde, Und Bretislaw entfteigt der. Grabeserde. Ihr ſollt ihn feh’n, wie er im Leben ragte, Ein Fühner Jüngling, hohen Dranges voll, Wie ſelbſt fein tapfer Herz nicht weichlich zagte, Da es von ſüſſem Liebesjehnen fchwoll, Wie jeine Kraft das Ungeheure wagte, Sein off'ner Sinn bezwang der Feinde Groll, Wie Muth und Treue ftets den Sieg behalten, Das foll fih hier vor eurem Blik entfalten. Der Dichter ſtellt nur fhüchtern diefe Gabe Vor einer edlen Menge Elugen Sinn, Und wird fie innig Fühlenden zur Labe, Iſt's ihm der einzig Eöftliche Gewinn ; Doll Dankes legt er feine geiſt'ge Habe "Auf feiner Heimath heil’gen Altar bin — Das Ganze fagt im wechfelndem Gewande : „Sein volles Herz gehört dem Vaterlande !“ 8. €. Ebert. 280 n. Ueber das Vorhandenſeyn der ſalzführenden Ge— birgs-Formationen in Böhmen. Bon F. X. M. Zippe. — **04 7 — Es iſt bereits durch Zeitungsnachrichten bekannt, daß Se. Majeſtät der Kaiſer, unſer allergnädigſter Landesva— ter, ſtets darauf bedacht, das Glük und Wohl feiner Völ— fer zu fördern, einer Geſellſchaft von Unternehmern huld— vollft die Bewilligung ertheilt hat, in Böhmen Unterfus - ungen über das VBorhandenfeyn des Salzes anzuftellen, und die zu erforfchenden Lagerftätte zur Gewinnung dess- felben unter dem Schuze eines allerhöchften Privilegiums mittelft Anlegung von Salinen zu benüzen. An der Spize der Unternehmung fteht der in ganz Dentfchland rühmlichit bekannte Saliniſt, Herr Hofrath Glenk, welcher in verfchiedenen Gegenden bereitd Vers fuche der Art unternommen, und mit Glük zu Ende ges führt Hat. Einem ſolchen Manne Fann man wohl das Dertrauen nicht verfagen, daß er mit den zu einem fo Foite fpieligen Beginnen höchft nöthigen Erfahrungen und Kennt: niffen hinlänglic) ausgerüftet fey, und daß eine Grundlage für das Ganze vorhanden feyn müffe, welche das Opfer fehr beträchtlicher Summen rechtfertige. Da diefer Grund, worauf das Unternehmen fich vor: nehmlich ftüzt, ein rein wiffenfhaftliher iſt, näms lich dieKenntniß der geognoſtiſchen Verhältniſſe der falzführenden Gebirgsbildungen, fo darf die Sache wohl aud) in diefen, den Wiffenfchaften gewidine:- ten Blättern befprochen werden. | 3 Die Frage fiber das Vorhandenfeyn eines der wich— tigften Lebensbedürfniffe, des Kochfalzes, in einem Lande vom einer folhen Ausdehnung wie Böhmen, hat von jeher die denfenden Köpfe des In- und Auslandes befchäftigt, fie wurde aber immer mit Nein beantwortet, und alle ältern und neuern Topographien und Befchreibungen ftims men darin überein, daß Böhmen zwar ein von der Nas tur im hohen Grade gefegnetes Land fey, welches alle für die Unterhaltung des menfchlichen Lebens nöthigen Bes dürfniffe zum Theile in hinveichender Menge, zum Theile in großem Leberfluße hervorbringe, welches eine große Menge von Mineralfchäzen in feinem Schoße beherberge, dem aber eines der mwichtigften Lebensbedürfniffe, das Salz, verfagt fey. Dies Verhältniß gab Stoff zu Bes trachtungen über die Vertheilung der Naturproducte in den verfchiedenen Ländern unfers Erdballs, durch welche gefolgert wurde: der allmächtige Schöpfer habe die irdis ſchen Glüfsgüter nach feiner Weisheit fo verbreitet, daß fein einzelnes Wefen alles befize, und fo auch Fein eins zelnes Land alles für die Bedürfniffe des Menfchen Noth— wendige, allein hervorbringe, damit einzelne Menfchen und ganze Völker als zu einer allgemeinen Gefellfchaft bes ftimmt, fich nicht von einander abfondern, fondern gezwun— gen würden, im allgemeinen Verbande unter einander zu bleiben. Mag num die Grundlage, fo wie auch die Fol— gerumgen von dergleichen Betrachtungen auch ihre volle Nichtigkeit Haben, fo geht doch das Beſtreben jedes eins zelnen Menfchen, fo wie das Beftreben ganzer Länder und Völker andererfeits gerade nach dem entgegengefezten Ziele, nämlich) fich mit ihren Bedürfniffen von einander unabhäns gig zu machen. Dies Beftreben ift gewiffermaffen die Mutter der Eultur und Induſtrie, durch welche, wenn auch ein einfeitiges Ziel der Art erreicht, und in einigen Beziehungen eine gewiffe Unabhängigkeit errungen worden ft, doch wieder fo viel nene Bedürfniſſe gefhaffen wer: 282 den, daß der urfprüngliche Zwek, die Vereinigung ber Menjchen zu einer allgemeinen Gefellfchaft, dadurch uns perrüft erhalten wird. Wenn daher auch in unferer Zeit ‚ wirklich ein fo wichtiges Bedürfniß, als das Salz ift, un⸗ ferem Nationalfchaze zumachfen würde, fo gibt es eine zahllofe Menge von folchen durch die Cultur entftandenen Bedürfniffen, daß Böhmen deswegen doc im allgemeinen Derbande der Länder und Völker in der nämlichen Stel⸗ lung verbleiben würde. Ueber das wirkliche VBorhandenfenn des Galzes in Böhmen Fann jedoch nicht durch dergleichen Betrachtuns gen, wenigftens in einer Zeit nicht abgefprochen werden, in welcher man angefangen hat, fich von dem Abftracten, Speculativen, zur Betrachtung der Natur zu wenden, des ven richtige Erfenntniß gewiffermafien das Ziel der gegens wärtigen Richtung des menfchlichen Geiftes zu feyn fcheint, Durch die Forfohungen im materiellen Gebiete der Natur, welche allgemad) anfangen, an die Stelle der philofophifchen Syfteme zu treten, und einem Theile der fpeculativen Wiffenfchaften eine andere Nichtung zu geben, find wir auch in der neueren Zeit in der Kenntnig des Baues unferer Erdrinde, der Art und Weife des Vorkom— mens der in derfelben enthaltenen verfchtedenartigen Mines ralien, und fo auch in der Kenntniß der Lagerungsver— hältniffe des Steinſalzes fo weit vorgerüft, daß wir wer nigftens über das Vorhandenſeyn desfelben mit zuverläfs figer Beſtimmtheit eine negative Antwort geben Fünnen. Dies ift ganz gewiß fhon ein großer Gewinn, und wahr: foheinlich für lange Zeit noch die größte Forderung, die an die Geognofie als Wiſſenſchaft geftellt werden kann, nämlich: mit Beſtimmtheit zu entfcheiden, in welchem Ge⸗ biete, in welchen Landftrefen man nach gewiſſen Producs ten des Mineralreiches vergebens ſucht. Um fich der Entfeheidung der Frage über dad Bor: bandenfeyn oder den Mangel der Steinfalz = Formation 285 im Böhmen in Etwas zu nähern, ift es nothwendig, vors exit die Gebirgsbildungen, welche dies Mineral, den biss herigen Erfahrungen zu Folge, enthalten, zu betrachten, dann die Gebirge unferes Vaterlandes zu vergleichen, und zu unterfuchen, ob unter denfelben eine ſolche Formation wirklich vorhanden fey, oder vorhanden feyn fönne. Das Steinfalz ift ein in den Gebirgsfchichten der füngern, oder beffer zu fagen der mittlern Flözgebirge, in muldenförmigen Maffen abgelagertes Mineral. Dieſe Maffen find zuweilen von fehr großer Mächtigkeit und uns geheurer Ausdehnung, wie z. B. die längs den Abhängen der Karpathen vorhandenen Lager, fo daß daraus das Salz ald Steinfalz bergmännifch gewonnen werden Fann, wie dies zu Wielicka und Bochnia geſchieht; häufig find fie aber von geringerer Stärke. Die beftändigen Begleis ter Diefer mehr oder minder mächtigen Maffen iſt der Gyps und eine eigene Art von Thon, Galzthon genannt. Lezterer umgibt gewöhnlich die Lager von Gteinfalz, bei einigen Ablagerungen ift aber auch diefer Thon der vor- berrfchende Theil der Formation, und das Salz findet fich in demfelben in einzelnen Klumpen und Eleinen Zlözen vers theilt. Aus dergleichen Lagern wird das Salz durch Auf löſung und Verfiedung der erhaltenen gefättigten Salz— fohle erhalten, fo in den oberöfterreichifchen Salinen. Die Floözformationen, welche diefe Salzmaffen enthalten, wer: ‚den von den Gengnoften unter der Benennung: bunter Sandftein und Mufchelkalkftein aufgeführt, und mit ihren Eigenfchaften in den Syſtemen und Lehrbüchern näher bezeichnet. In der Aufeinanderfolge der Flözforma— tionen, wie fie Durch die forgfältigften Unterfuchungen der berühmteften Geognoften ausgemittelt wurde, bilden fie faft die mittleren Glieder. des Syftems der fecundären Flözgebirge; fie find nämlich, fpäter gebildet als die Stein⸗ kohlenformation, der rothe Sandſtein (das fogenannte rothe todte Liegende) und der Zechftein, und liegen daher 284 wo fie mit einander. vorkommen, immer auf diefen, find aber von älterer Bildung als die Formation des Keupers “ fandfteines, des Liaskalkes, des Jurakalkes mit den Dolithen, des Grünfand = oder Auaderfanditeines und der Kreide, melde leztere die Neihe der fecundären Flözges birge beſchließt; diefe find daher da, wo fie zuſammen vors Eommen, immer auf die falzführenden Formationen abges lagert, und befinden fih über diefen. Ueber alle diefe Gebilde gelagert, finden fi dann erft die jüngften oder terfiären Slözfornationen, wohin gehörig das Braunkoh⸗ lengebirge und die fogenannten Güßwafferbildungen. Wenn es irgendwo ein Land gäbe, mo die bis jezt bekannten Flözgebirge in der angeführten, faft allgemein angenommenen Ordnung regelmäßig auf einander folgten, und mo fie fo abgelagert wären, daß die älteren Glieder mit ihren Rändern oder Ausgehenden unter den jüngern bervorragten, fo mürde es leicht geweſen feyn, die richtige Altersfolge derfelben nach dem gengnoftifchen Grundfaze, daß das, was zu unterft liegt, früher gebildet feyn mußte, als das darauf Tiegende, zu beftimmen. Dies ift aber nirgends der Fall, denn immer fehlt ein oder das andere, zumeilen mehrere diefer Glieder. Am regelmäßigften und vollftändigften, fcheint es, folgen ſich diefe Gebilde in England, allein auch dort fehlen einzelne Glieder in der Reihe. Diefer Umftand macht viele Schwierigkeiten in der Beſtimmung der Formationen, und es müffen für diefen Zwek mancherlei andere Hilfsmittel aufgefucht were den. Eines der wichtigften, und in den meiften Fällen fiherften, ift die Betrachtung der in den Flözgebilden vors Fommenden DBerfteinerungen , da die Erfahrung gelehrt bat, daß jedes befondere Glied auch durch eigenthümliche Ueberrefte von organifchen Wefen charafterifirt ift. Sn den Gegenden nun, in welchen die Glieder des falzführenden Gebirges zu Tage ausgehen, fo daß fie eir nen bald größern, bald geringern Raum der Oberfläche 285 einnehmen, zeigen ſich Diefe Gebilde als das mehr oder minder. fefte Geftein, weldes durch natürliche oder künſt— liche Entblößungen unter dev Dammerde oder den wenig mächtigen jüngeren Formationen zum. Vorfchein kömmt, nämlich ald Mergel, Gyps in Dünnern ‚oder mächtigern Lagern, oft ganzen Gebirgsmaffen, als, der, der Forma- tion eigenthümliche bunte Sandſtein, und als der durch eigenthümliche Verfteinerungen. (hauptfählic durch Am- monites nodosus, Enerinites liliformis,, mytilites so- cialis) charafterifirte, und von dem häufigen Erfcheinen der Ieztern fogenannte Muſchelkalk. In einigen Gegenden fteht auch das in der Formation enthaltene Steinfalz felbft als Felsmaffe zu Tage an, oder iſt in. nicht bedeutender Tiefe vorhanden. Zumeilen offenbart. fi, das Dafeyn.des Salzes durch den mehr oder minder ‚beträchtlichen Koch— falzgehalt der Quellen, der bei einigen fo bedeutend, ift, Daß dieſe ſelbſt unmittelbar ald Salzſohle benüzt und vers fotten werden können. Dieſe Salzquellen find jedoch. nicht immer eine, bes ſtimmte Auzeige von, in der Gegend wirklich vorhandenen, Salzlagern, denn es gibt deren eine Menge, welche mehr unter die Claſſe der Mineralwäſſer gehören, mit dieſen ‚einerlei, Bildung haben, und von denen es erwieſen iſt, daß fie ihren Urfprung nicht aus ‚der Salzformation neh— men. Man fann alfo aus dem Vorhandenfeyn von Salz⸗ ‚quellen nicht i immer auf eine Salzformation fhließen, fo wie ſich dieſe auch keineswegs immer durch den Salzge— halt der Quellen in der Nachbarſchaft verräth. Eine Menge Gegenden, in welchen die Salzformation wirklich vorhanden iſt, zeigen in den Quellen keine Spur derſel⸗ ben, weil der die Salzmaſſen umgebende Thon (der Salz⸗ thon) für das Waſſer gänzlich undurchdringlich iſt. Betrachten wir nun unſer Vaterland Böhmen in Be: ziehung auf ſeine geognoſtiſchen Verhältniſſe, ſo finden wir, daß es ringsherum mit einem Kranze von Gebirgen ums ö66 geben ift, welche fi) von der füdlichen, füdmweitlichen und füdöſtlichen Seite allmählig gegen die Mitte des Landes zu verflächen, von der nordweftlichen und nördlichen Seite aber mehr fteil abfallen. Einzelne mächtige Arme ftrefen fich auch in verfchiedenen Nichtungen von diefem Gebirge: franze ans gegen das Innere des Landes. Diefe, das Land gleich einem Walle umgebenden Gebirge'beftepen faft durchaus aus Gliedern der Urgebirgsformation, nnd nur an zwei Stellen wird diefer Wall von jüngern Gebirge: maffen formirt, nämlich im Norden beim Ausfluß der Elbe, und im Nordoften in der Gegend von Braunau und Trautenau. Durch diefeUrgebirgsmaffen wird der größte Theil des Landes im Dften, Süden und Südweſten gebils det, und von Welten her, don der Seite von Eger, ftellt der den nördlichen Rand des pilfner und rafonizer, und den füdlichen Theil des elbogner , und zum Theil des faas zer Kreifes bildende Gebirgszug, fich gleichfalls als Urges birge dar. Durch diefe Urgebirgsbildungen wird der ganze Enjlaner, taborer, budweifer und prachiner Kreis, der größte Iheil des Flattauer, des kaukimer und berauner Kreifes , der weſtliche und nördliche Theil‘ des pilfner Kreifes, der eldogner Kreis ſammt einem Eleinen Theile des ſaazer Kreifes im Süden desfelben, dann der nördliche Iheil des faazer, Teitmerizer, bunzlauer und bydzower, zum Theil des Föniggräger, und der öftlihe Iheil des lez⸗ ten, fo wie des chrudimer Kreiſes gebildet. "An diefe Urgebirgsmaffen fchließt fih in der Mitte des Landes eine weit verbreitete Webergangsformation, welche den nords weitlichen Theil des Faufimer Kreifes, die nordweſtliche Hälfte des berauner, und füdliche des rafonizer, dann den übrigen Theil des pilfner und klattauer Kreifes eins nimmt. Es find alfo durch diefe Ur = und Uebergangsges birgsmaffen die genannten Theile unferes Vaterlandes von einer ſolchen Befchaffenheit, daß fich die Frage über das Vorhandenfeyn einer Salzformation für diefe angeführten U ee 287 ‚Gegenden von ſelbſt mit Nein beantwortet, weil nur Flöz- formationen für Unterfuchungen diefer Art günftige Reful- tate gewähren fünnen. Betrachten wir nun die Verbreitung und Befchaffen: heit der Ieztern in unfern Vaterlande, fo finden wir als ſolche, welche die Oberfläche des Landes bilden, oder zu Tage ausgehen, mit Gewifheit die Formation der Stein: kohle, die des rothen Sandfteines (rothen todten Lies genden), die des Quader = oder Grünfanditeines und der Kreide, und über diefen die Formation der Braunkohle und einiger andern weniger verbreiteten Glieder der ter- tiären Flözgebilde. Diefe Flözgebilde beftehen Hauptfäch- lich aus Gandfieinen, und es iſt eine eigenthümliche Er: ſcheinung bei unfern Flözformationen, daß zwifchen den fandfteinartigen Gliedern derfelben die Gebilde von Flözs kalk faſt gänzlich fehlen, fo daß die Sandſteine der Altern, und ‚die der jüngern Gebilde durch Feine Zwiſchenforma— tion von Kalkiteinen getrennt find, fondern unmittelbar über einander gelagert fich vorfinden; Dies macht für die fihere Begränzung diefer Schilde Feine geringen Schwies rigkeiten, da die den verfchiedenen Formationen angehds rigen Sandfteine meift ſchwer von einander zu unterfcheis den find, und die Lagerungsverhältniffe zum Theil in eins ander verfließen. Am leichteften ift noch die Begränzung zwiſchen dem rothen Sandfteine und dem darauf liegenden QDuaderfandfteine auszumitteln; viel fchwieriger gelingt die Gonderung des‘ rs ———— von dem aufge: zu jüngern. ' Bon diefen Formationen nun find die der Steinkohle * des rothen Sandſteines Alter als die ſalzführenden Flözgebilde, mithin diejenigen Theile des Landes, welche von dieſen Gebirgsmaſſen bedekt ſind, gleichfalls der Un— terſuchung auf Salz entzogen. Es finder ſich aber das Steinkohlengebirge auf die nördliche und. nordweitliche Abdachung des Uebergangsgebivges im piljner und rako— 238 nizer Kreife, zwar nicht überall im Zuſammenhange, aber meift fo abgelagert, daß die Lagerungsverhältniffe gegen das darunter liegende Uebergangsgebirge ganz deutlich er» fcheinen, indem faft überall in den Zhaleinfchnitten der genannten Gegenden das Teztere zum Vorſchein kömmt, und faft in allen Gruben, wo Steinkohlen abgebaut wers den, die Flöze bis auf das darunter liegende Uebergangs⸗ gebirge unterfucht find. Im rakonizer Kreife bauptfächlich ift das Steinfohlengebilde von dem des Quaderfandfteines und des Plänerfalkes (der Kreideformation) bedeft, welche lezteve bei Prag feinen Anfang nehmend, in wenig maͤch— tigen Lagern die obern Thäler der. langgezogenen Berg» oder vielmehr Hügelrüfen bildet, wie fie Hauptfächlich zwi⸗ fchen Prag und Schlan erfheinen, an den Ihalgehängen und in den Gründen der Thäler erfcheint bier aber überall noch das ältere darunter befindliche Gebirge. Bon der Breite von Zloniz und Welwar ungefähr anfangend, er» ſcheint dieſes jüngere Flözgebirge mehr im Zufammene hange und von größerer Mächtigfeit, erſtrekt fih bis an den Fuß des Erzgebirges im leitmerizer und faazer Kreife. Alle Ihaleinfchnitte im faazer und nördlichen Theile vom rakonizer Kreife, felbft das Ihal der Elbe und Eger gehen nicht durch das tiefſte dieſes Gebildes, fo daß hier dad darunter liegende und unbekannt iſt. Dieſelben Verhälts niffe finden Statt im nordweftlichen Theile des rafonizer Kreifes; in der Gegend von Nakoniz , Koleffowiz, dort bildet das Steinkohlengebirge die Oberfläche des Landes; in der Gegend von Rentſch, Kruffowiz und nordwärts von Horofedl erfcheint ebenfalls wieder das erwähnte Ges bilde der jüngften fecundären Zlözformation, und auf dies fem noch weiter nordwärts bis zum Fuße des — die Formation der Braunkohle. Das Gebilde des rothen Sandſteines herrſcht am Fuße des Rieſengebirges, unmittelbar in Hohenelbe ans fangend, von wo es ſich nach Süden bis Belohrad 289 erſtrekt, in diefer Breite zieht es fi) über Irantenau und Schazlar über die Gränze Böhmens nah Schlefien, gegen Weſten aber immer ſchmäler werdend, länge dem Fuße des Rieſen⸗ und Iſergebirges, wo es fich in einer ſchma— len Zunge am füdlichen Abhange des: Jeſchken hinter Lie— benau endigt. Im kaukimer Kreiſe kommt bei Böhmifch- Brod diefe Formation abermals zum VBorfchein, und zieht fih von da bis gegen Kaufim, auf das Urgebirge auf: ‚gelagert. Auf diefe Formation aufgelagert, erfcheint nun aber: mals die des jüngften ſecundären Flözfandfteines, bier aber fait überall fcharf getrennt, um die Begränzung Teich: ter aufzufinden, E3 verbreitet fich Died Gebilde von Aders— bad) über Sofephitadt und Königgräz herab, Durch den ganzen mittlern Theil des Eöniggräzer Kreifes, bis tief in den chrudimer Kreis, dann durch den füdlihen Theil des bydzower Kreifeds von Weiß » Tremeffna, Belohrad, Eifenftadt hinab, bis an die Gränzen des Caflauer Kreis fes, in welchem es fich in einzelnen Lagern auf dem Ur— gebirge verliert, welche bier nicht mehr in Betrachtung Fommen können; ferner bildet e3 den größten Theil des bunzlauer Kreifes von Tatobit, Kleinfkal, Liebenau herab, bis über die Ufer der Elbe in den nördlichen Theil des Fautimer Kreifes, mo fie fich in nicht mehr mächtigen Las gern noch bei Gbell, Profit, auf dem Uebergangsgebirge vorfindet. Vom bunzlauer Kreife aus verbreitet fich dieſe Formation im Zufammenhange durch die dftlihe Hälfte des leitmerizer Kreifes, mo fie in bedeutender Mächtigs feit das Gränzgebirge beim Ausflufe der Elbe bildet. Sie i macht ein zufammenhängendes Ganze, welches ſich über aA . die genannten Gegenden von Böhmen ohne Unterbrechung ausbreitet. Dieſe Formation ift nun Hauptfächlich das Feld für die in Rede ftehenden Unterfuchungen, es muß aber noch davon ausgefchloffen werden der leitmerizer, und der weſt⸗ Jahrbücher. I. Band, 19 290 liche an diefen gränzende, Theil des bunzlauer Kreifes, denn im leitmerizer Kreife entblößt die Elbe hie, und da das unter der Formation befindliche Urgebirge, auch dürfte wohl in diefen Gegenden durch das von unten empor ges triebene fehr mächtige Bafaltgebirge der Zufammenhang der Gebilde in der Tiefe gänzlich zerrüttet, und höchſt wahrſcheinlich Die allenfalls unten liegenden Altern Flöz⸗ gebirgsmaffen in eine ſolche Lage gebracht feyn, daß fie Feine Unterfuchung durch den Erdbohrer zulaffen. Ob nun überhaupt unter. diefer Formation des jüns gern Sandfteines ältere Flözformationen, und darunter die feinfalzführenden vorhanden find, oder nicht, das. ift die Frage, die zuerft Durch Verſuche mit dem. Erdbohrer zu beantworten feyn wird. Einige Anzeigen fprechen da: für, als: die am füdlihen Nande des Mittelgebirges mit dem Pyrop vorkommenden kleinen Berfteinerungen, welche von Sr. Excellenz dem Hrn. Grafen Kafpar, Sternberg, als zur Liasformation gehörig erkannt wurden (©. April heft 4828 der Zeitfohrift des vaterl. Mufeums, ©. 295), und welche beim Emporheben des Bafaltes aus der. Tiefe mit heraufgebracht worden feyn dürften; der am. Rande der rothen Sandfteinformation ‚bei Tatobit, und. eben fo der bei Budeniz wahrfcheinlich. zwifchen der Steinkohlen— und jüngern Sandfteinformation, eingelagerte Kalkjtein, welche wegen Mangel an Berfteinerungen und nicht bin: länglich Elaven Lagerungsverhältniffen nicht genau geogno— ftifch beftimmt ‚werden können; der bei Daubiz auf der Herrſchaft Böhmifch » Kamniz zwischen Bafalt vorkom— mende, und von diefem emporgehobene Flözkalk, welcher auch Feine nähere Bezeichnung erlaubt; lezteres iſt auch mit dem bei Pezkau im Gebiete des rothen Sandſteines ‚vorkommenden Flözfalk der Fall. Es ift nicht unmög— lich, daß der ſüdliche Theil der rothen Sandſteinfoputa⸗ tion bei Lomniz, Neupaka, Pezkau zur bunten Sands fteinformation gehört, worüber wegen Mangel an deutlich 291 trennenden Lagerungsverhältniffen nicht mit Beſtimmtheit abgefprochen werden kann. Dasfelbe ift der Fall mit dem rothgefärbten Sanditeine, der fih am füdlichen Rande des faazer Kreifes nördlich von Kruſſowiz, Horoſedl im bes deutenden Hügeln hervorhebt, auf die Steinkohlenformas tion aufgelagert, und von der jüngern Sandfteinformas tion bedeft wird... Die aus alten Zeiten her bekannte Salzquelle von Schlan, welche der Stadt den Namen ges geben haben foll, kömmt unter diefen Anzeigen auf das Vorhandenfenn einer Salzformation kaum in Betrachtung, ſchon ihrer Wafferarmuth und ihres fehr geringen Salz— gehaltes wegen, dann machen es auch die, Verhältniffe ihres Borfommens nicht wahrfcheinlich , daß fie mit der Salzformation in Verbindung ftehe, denn fie ntquillt dem Steinfohlenfandftein am Fuße eines Bafaltberges, und fie dürfte daher mehr zu den oben berührten Mineralquels len, als zu den Salzfohlen zu zählen feyn. Die Bohrverfuche zur Ausmittlung des Vorhandens | feyns von GSalzformationen haben bereits begonnen, und — es wurde für den erſten Verſuch die Gegend ſüdlich von Jungbunzlau, auf dem Gute Stranow, zwiſchen der Iſer und der Straße zwiſchen den Dörfern Lhotta und Bez deein gewählt, weil diefer Punkt hinreichend von den nördlich hinter Jungbunzlau hervortretenden Bafaltbergen entfernt ift, fo dag von diefen Feine durch denfelben bes wirkte Störung in den Lagerungen der tiefer liegenden Gebirgsmaffen zu vermuthen ift, und weil in diefer Ges gend ungefähr die Formationen am mächtigiten abgelagert feyn dürften, indem fie fich weiter füdlich gegen das Elb— thal zu verflähen. Nach vorher errichteten nöthigen Ges bäuden wurde nach den mir vom Gefihäftsleiter der Uns ternehmung, Hrn. Wehfer, mitgetheilten Nachrichten am 2%. Juni das Bohren begonnen, und Ge, Excellenz der für Bohmen unvergeglihe Hr. Staats- und Conferenz- Miniſter, Graf Franz Kolowrat = Liebfteinfiy, gerupten 49* 292 im Beifeyn Sr. Excellenz des Hrn. Oberftburggrafen, Gras fen Karl von Chotek, und mehrerer Hoher Gäfte das wichtige Unternehmen durch Vollbringung des erften Bohr: ftoffes zu ehren. Um das mit diefem Unternehmen ver— bundene wiffenfchaftliche Sntereffe nicht außer Acht zu laffen, haben mir die Herren Unternehmer von Zeit zu Zeit die nöthigen Mittheilungen gefälligit zugefagt, welche dann auch jedesmal in diefen Sahrbüchern mit dem Be- richte über den Fortgang des Unternehmens befannt ge— macht werden follen. Das Bohren fchreitet natürlich Ans fangs ziemlich vafy vor, und geht. Tangfamer, wenn fhon eine bedeutende Tiefe erreicht lift, ‚und fo tft auch jezt das Bohvloch bereits auf eine Tiefe von 40 Fuß nie= dergeftoffen. Möge es einen folchen Fortgang nehmen, daß bald ein ſolcher Bericht mit einem fröhlichen „Glük anf!“ begonnen werden Fann. m. Ueber die Feinenwaaren- Production in Böhmen. Von Dr. und k. k. Prof. G. N. Schnabel. ka dd 3 0 I 5 35 I el Wenn es anders richtig iſt, daß die ſtaatswirthſchaftli— che Wichtigkeit irgend eines Productionszweiges einerſeits von der Mannigfaltigkeit und Menge feiner Erzeugniſſe und von der hieraus zum Theile von felbft vefultivenden, zum Theile doch fonft zu ſchließenden Allgemeinheit des Gebrauches derfelden, anderfeitd aber von der Menge der dabei befchäftigten Perfonen abhängt, fo verdient wohl unter den vielen Zweigen der veredelten Production, Die 295 im unferm Königreihe mit glüklichem Erfolge betrieben werden, die Berarbeitung des Flachſes, und ind: befondere die Leinwandproduction mit Recht obenan geftellt zu werden, indem diefer Productionszweig in der That fich vor allen übrigen in den oben erwähnten Eigen: fchaften auszeichnet. Betrachtet man erftlich diefen Zweig der vaterländie ſchen Snduftrie nah der Mannigfaltigfeit der Er: zeugniffe und ihrem Quantum, fo findet man eine DVielartigkeit der Producte und eine Menge derfelben, von denen die erftere höchftens etwa von der böhmifchen Eifen- fabrication, die leztere aber, in Geld angefchlagen, von durchaus Feinem Zweige der vaterländifchen veredelnden ‚Production überboten wird. Im wie unzählig vielen Stu— fen der Verarbeitung und Veredlung erfcheint nicht hier der rohe Leinftoff oder der Flachs von dem einfachen Näh— und Strifzwirn an, durch alle Arten von geftrikten, ge: wirkten, gemwebten, rohen, gebleichten, gefärbten und ges druften Waaren bis zum fchweren Tafelzeuge, der Wachs: leinwand und dem Papier und Mafche- Fabricat? Und welche unendlich vielen Unterfchiede wieder finden fich bei ‚jeder einzelnen von diefen Productengattungen blos in Hinz ſicht auf Qualität und Feinheit? Welch ein Unterſchied z. B. zwiſchen einem rohen Näh- und Bandzwirn und dem feinſten Spizenzwirn, wie er auf der Herrſchaft Hohenelbe im bydjower Kreife bereitet wird, von welchem ein 5333 Fuß enthaltender Strähn nicht mehr als 60 Gran wiegt! Welch ein Unterfchied zwifchen einer rohen Sakleinwand und einem Starkenbacher Battift, der aus einem Garne bereitet ift, welches feiner als ein Menfhenhaar, und zwar fo fein ift, dag ein Gewicht von ?/, Loth diefes Gar: nes —9 —— Ellen mißt! —— "Anten Abtheilung der böhmi—⸗ ee a6 wir, | Sr Beinwanderzeugung itriegweige nter allen iſt, 23 finden. 294 Nach einer in der vorjährigen öffentlichen Ausftels fung der Gewerbsproducte Böhmens mit enthalten gewe⸗ fenen, mit vieler Umficht und Sachkenntniß zuſammenge— tragenen Mufterfarte yon den verfihtedenen Leinwandgats tungen, die in diefem unferm Baterlande erzeugt wers den), gibt es, die Ganefafle, Swillihe, Gradel, Kö— per, Tiſchzeuge und Tüchelarten ausgefchloffen, nicht wer niger ald 25 eigene Hauptforten von Leinwanden, die fich durch befondere Namen, einen eigenthümlichen nach der Zahl der Gänge zu berechnenden Grad der Feinheit**), *) Diefe ſyſtematiſche Zufammenftellung bat den Hrn. Peter Karl Schlechta, Leinwand-Negotianten in Lomniz Cbyds jower Kreifes), zum Urheber, und ijt nunmehr nad der Widmung desjelben ein Eigenthbum des vaterländifhen Mus ſeums. **) Die Art, die Feinheit einer Leinwand numeriſch zu beſtim⸗ men, iſt folgende: Man nimmt ein Mag von /, Zoll Länge, legt ed an das Ente des Stüfes Leinwand, deſſen Feinheit man beftimmen will, an, und zählt die Fäden, welche in diefer '/, Zollbreite enthalten find, und multipfieirt dann diefe Fädenzahl mit 4, um die Fädenzahl einer ganzen Zoll⸗ breite zu erhalten. Die jo gefundene Fädenzaähl einer Zoll» breite multiplieirt man mit der ganzen Breite des Stükes in Zollen ausgedrüft. Das Product gibt die Fädenzahl des ganzen Stüfed, in deren Verhältnig zur ganzen Breite des Stüfes eigentlich die Feinheit befteht. Um dieſes Verhäfts niß einfacher auszudrüfen,, bedient man ſich weiters der Gänge, in welde ein jedes Stüf Leinwand beim Ausles gen in der Werfte oder Kette abgetheilt wird. Ein folher Gang enthält jedesmal 40 Fäden. Man vivivirt namlich die gefundene Fädenzahl des ganzen Stükes mit 0, umd der Quotient gibt die Zahl der in dem ganzen Stüfe ent» baltenen Gänge, welche Zahl mit der Breite des Stüfes sufammengebalten , jenes Feinheitsverhältnig ausdrükt. 3. 2. ein Stük Leinwand zahlt in Y, Zoll s Fäden, und ift 30 Zoll breit: fo ift ed ein Gtüf von 2 ‚Hängen ; denn 8 X 4 X 30 1: * rg : Zu D = 24. 40 3 1, Dir 293 eine eigenthümliche Breite des Gewebes und zum Theile auch durch eine eigenthümlihe Stüflänge von einander unterſcheiden. Die Namen, unter welchen jene befondern Leinwandforten im Verkehre vorkommen, find: rohe Sak— leinwand, Wachsleinwand, Pak- und Sakbleichleinwand, —* Farbpuzel, kürzere und längere Bleichlein— wand, Farbleinen, Schleier, rohe Schokenleinwand, Bleichleinen, Schatern, Farbweben, Weben und Roane, weißgarnigte Schokenleinwand, bleichtaugliche Webenlein— wand, Roane, feſte Bleichweben, Hausleinwand, feinge— richtete Weben, Taffetleinwand, weißgarnigte Webenlein- wand, Battiſte, Doppelweben. Der Feinheit oder Qualität nach werden in Böhmen Leinwanden von 8 bis 4180 Gängen in einer Breite von / bis 9, Wiener Ellen bereitet. Die gröbfte tft die rohe Safleiuwand von 8 bis höchftens 14 Gängen in einer Breite von 7; Wiener Ellen, und einem Preife 1 dis 2, fl. C. M. pr. Stük; die feinfte ift die Doppelwebe von wenigftens 100 und böchftens 180 Gängen, im einer Breite von“, W. Ellen, und einem Preiſe von 50 bis 200 fl. C. M. Zwiſchen dieſen beiden Ertremen befinden fih dann die übrigen Sor— ten, fowohl der Feine nach, als auch rirkfichtlich der Breite des Gewebes, mit der einzigen Ausnahme, Daß die weiße garnigte Webenleinwand auch in einer Breite von En a. Ellen bereitet wird. Was die Stüflänge der böhmifchen na betrift, fo ift die kürzeſte, die rohe Sakleinwand 50, die längfte, die Roane 60 Wiener Ellen lang. Die gewöhn⸗ —JF Zwiſchenſtufen find 56, 42, 45, 50, 50%, 52 und », Wiener Ellen. Nicht minder bedeutend iſt die vaterländifche Leinen- waaren⸗ Production in Rükſicht des Quantums, welches überhaupt und in den verfchiedenen Sorten jährlich er: zeugt wird. In der neueſten Zeit wies bei diefem Indu⸗ ſtriezweige das regſte Leben, und diefem gemäß das größte 2% . Erzeugniß auf die Periode von 1824 bis 1827. Nach den verläßlichften Schäzungen waren im J. 1827, mit Rük⸗ bIiE auf die frübern Jahre bis 4824, nicht weniger als 896,300 Stüf Leinwanden von oben bezeichneter Feinheit, Breite und Länge verfertiget worden, Nednet man dazu noch die nach ähnlichen Schäzungen zu gleicher Zeit eve zeugten 35,000 Stük Zwillich, 25,000 Stük Canefaß, 51,000 Stüf Züchel, 11,000 Stüf glatten und geftreiften Köper, dann 5000 Stük Gradel und Tiſchzeug: ſo ers fteigt das Totalerzeugniß des genannten Jahres ein Quan— fum von 4,023,500 Stüfen. Davon wird der größte Theil zugleich im Lande gepantjcht oder ganz gebleicht , ‚gefärbt, gedruft und gewichst, fo daß man annehmen Fann, daß 552,400 Stük gepantfcht und gebleicht, 68,000 Stüf ger färbt, 40,000 Stüf gedruft, 1600 gewichst, und die übris gen blos roh in den Handel gebracht werden. Unter allen. den oben angegebenen Sorten wird von der rohen Scho— Fenleinwand, in einer Breite von Y, Wiener Ellen, einer Stüklänge von 42 Wiener Ellen, einer Feinheit von 26 bis . 410 Gängen und einem Preife von 4, — 120 fl, C. M. erzeugt, das Meifte angefertigte. Für das Jahr 1827 Fann man für diefe Sorte allein ein Quantum von 480,000 Stüken in einem Erzeugungswerthe von 4,000,000 fl. C. M. annehmen, Nach diefer Sorte fällt das größte Erzeugniß- quantum auf die Bleichleinwand, die in einer Breite von Eh Wiener Ellen und einer Feinheit von 20 — 34 Öäns gen, bis einer Länge von 50 und 50% Wiener Ellen und einem Erzeugungspreife von 27; — 7 fl. C. M. gefertiget wird. Don diefer Sorte dürfte für das genannte Jahr ein Quantum von 85,000 Stüfen Eommen. Gonft wurde noch am meiſten an der °/, breiten und 45 Ellen langen Pak: und Gafbleichleinwand, die in einer Feinheit von 15 Gän⸗ gen in einem Werthe von 3% — 20 fl. C. M. verfertigt wird, „erzeugt. Das Gefannnterzeugniß an diefer Sorte 297 für jenes Jahr kann auf 60,000 Stük und einen Erzeue gungswerth von 500,000 fl. C. M. angefchlagen werden. Der Totalerzeugungswerth aber von den fämmtlichen oben angefezten Leinenproducten Böhmens im Jahre 1827 wird nach mäßigen Schäzungen zu 8,948,000 fl. C. M. ange: nommen werden können. Schlägt man für die übrigen vaterländifchen Keinenproducte, ald: Zwirn, geftrikte und gewirkte Waaren und Bänder verfchiedener Art, noch einen Erzeugungswerth von 500,000 fl., wovon der größte Theil auf die leinenen Bänder ausfallen wird, hinzu, fo erſteigt der Gefammt-Erzeugungswerth der Leinenwaaren in Böh— men für das Jahr 1827 die Summe von 9,448,000 fl. ©. M.; und rechnet man vollends für die mehr zugerich- teten Sorten noch den Bleich'ohn, Farbs und Druffoften mit 700,000 fl, hinzu, die Summe von 10,148,000 fl. C. M. — In den Fahren 4828 und 1829 dürfte das Quantum diefer Production fih um ein Namhaftes ver mindert Hat, da in diefen beiden Jahren dad ausländi- ſche Begehr ziemlich abgenommen hat, und zwar nach ver- laͤßlichen Schäzungen in dem erftern Jahre um beinahe Y/, indem leztern aber faft um Y, gegen dad Jahr 1827. Auch duch die Vielſeitigkeit und Allgemein beit des Gebrauches feiner Erzeugniffe ift der in Nede stehende Induſtriezweig Böhmens ausgezeichnet. Dies läßt fich zum Theil ſchon aus der eben unternome menen Darftellung des Auantums der in Böhmen jährlich erzeugten Leinenwaaren ermeffen. Denn in der Negel und im Ganzen genommen, hält fi) immer die Production ‚ na) der Confumtion, fo daß man annehmen fann, die Eonfumtion der frühern Jahre beftimme die Größe der Pro- duction in den folgenden Sahren. Demnach wird man auch annehmen müffen, daß jenes bedeutende Quantum an Leinenproducten, welches Böhmen liefert, einen eben fo bedeutenden und allgemeinen Verbrauch vorausſeze. Noch ſicherer aber wird der Schluß auf den Umfang uud die Als 298 gemeinheit biefes Verbrauches, wenn man zugleich die oben erwähnte fo große Mannigfaltigkeit der böhmifchen Leinenproducte in Erwägung bringt. Zu welch einer Uns zahl von Zweken und Bedürfniffen werden nicht jene viel a artigen Leinenproducte von dem einfachen Bindfaden an bis zu den feinſten Haubenfpizen, von dem rohen Getreides ſak und der Ballenhülle bis zur battiftenen Puzkrauſe und dem Öchleier der Damen, von dem einfachiten Leis nenbande bis zu dem feinften Tifchzeuge und Giletföper verwendet! Welch eine unberechenbare Menge der verfchies denartigiten Kleidungsjtüfe werden nicht aus Leinwanden jeder Art bereitet, ja felbft unmittelbar aus leinenem Garn und Zwirn geftrift und gewirft! Man kann anneh— men, daß im Lande Böhmen felbft von dem angezeigten jährlichen jProducte der Leinwanden, mit Inbegriff der Canefaſſe, Gradel, Tifehzeuge, Köper und Tücheln etwa 500,000 Stük gebraucht werden, deren Geſammt-Erzeu⸗ gungswerth mit Berüffichtigung des Umftandes, daß die feineren und feinften Sorten dem größern Theile nad) ein Gegenftand der Ausführ find, zu 4,000,000 fl. C. M. ans gefchlagen werden kann. Nechnet man hiezu noch die Hälfte von den oben auf 500,000 fl. Erzeugungswerth ges feyäzten anderwärtigen Leinenprodueten , die ficherlich auch auf die innere Confumtion ausfällt: fo Hat man eine allere dings nicht unanfehnliche Werthfumme, welche — dem inländiſchen Gebrauche zugeführt wird. — Allein nicht nur daß die Conſumtion, und — eigentliche Wohlſtand des Landes durch die große Menge der ihm von dem beſprochenen Induſtriezweige zugeführten Gebrauchsgegenftände fo viel gewinnt, fo ift die Bechäf: tigung und der Verdienft derjenigen Individuen, welche ſowohl dasjenige Quantum von Leinenwaaren, das im Lande bleibt, als auch jenes, das auswärts verführt wird, in den verfihtedenen Stufen der Verarbeitung und Ver: edlung produeiren, ein noch weit größerer Vortheil. Na 299 den Manufacturtabellen vom Jahre 1825*) fanden fi in den fämmtlichen 16 Kreifen des Landes und der Haupts ſtadt Prag 50,130 Individuen, die als Meifter, Gefellen, Lehrjungen und Hilfsarbeiter bei dem Gewerbe der Leins weberet an 22,975 Wirkſtühlen Befchäftigung und Unters halt fanden. Nechnet man dazu noch die aus den wahr: foheintich weit hinter der Wirklichkeit zurükbleibenden Anz gaben der Drtsobrigfeiten in den fogenannten Spinnertas bellen **) zu entnehmende Zahl von 447, 914 Flachsſpin— nern, von denen 92,557 bejtändige Spinner find, ferner die bei diefem Gewerbszweige noch weiter befchäftigten Perfonen, als: Bleiher, Striker, Wirker, Spizenflöps Ier, Bandmacher, Färber und Drufer, deren Gefammts zahl man nad) Vergleihung der Manufacturtabellen,, und mit Ausſchluß derjenigen, die nur nebenher die Stikerei oder die Spizenflöplerei betreiben, auf wenigſtens 20,000 anfchlagen kann: fo ergibt fih eine Zahl von 142,687 Pers - fonen, welche im Jahre 1825 fortwährende Befchäftigung — und ihren Unterhalt bei der Leinenwaaren-Production fan⸗ den. Da bis zu dem Jahre 1827 die Production der Lei⸗ nenwaaren in Böhmen offenbar zunahm, in den beiden folgenden Jahren aber wegen des verminderten auswärtis gen Abfazes wieder um etwas fank: fo dürfte auch für ige noch die oben herausgebrachte Anzahl der bei der Leis waaren = Production ihren Unterhalt findenden Arbeis ter als die geltende angenommen werden Fönnen. Kann man num in Böhmen höchftens von dem zehnten Theile der gefammten Bevölkerung, alfo von etwa 580,000 Indi⸗ viduen, Zi daß fie bei. den Gefhäften der Kunft- Be Bekanntlich ift feit diefem Jahre die Einbringung diefer - Tabellen von Seite der Ortsobrigfeiten und Kreisämter abgeftelit. "u gm denen es ebenfalls feit dein Jahre 13525 abgefommen ie ie. * 500 production als bleibende Arbeiter Befchäftigung und Un— terhalt finden, fo leuchtet der verhältnigmäßig große Anz theil ein, den die Leinenproduction an der Gefammtbe- fehäftigung des böhmifchen Gewerbftandes nimmt. Uebrigens hat diefer Induſtriezweig vornehmlich ſei— nen Siz in den nördlichen, öſtlichen, und einem Theile der füdlichen Gränzgegenden des Landes, und zwar die eigentliche Leinwandfabrication hauptfächlich in dem kö— niggräzer, bydjower, leitmerizer, bunzlauer und chrudi— mer Kreife*), die Zwirn- und Spizenproduction im Erz | und Fichtelgebirge, die Bandmacherei im Elattauer Kreife um Taus und Teiniz. Im Eöniggräzer Kreife find es be fonders die Gegenden um Nachod“*), Trautenau, Braus nau, Poliz, Neuſtadt an der Metau, Grulich, Genften- berg und Hohenbruk; im bydjower die Gegenden von Starkenbach**), Lomniz, Neupaka und Hohenelbe; im leitmerizer die Gegenden von Schlukenau, Warnsdorf und Rumburg; im bunzlauer die Gegenden von Neichenderg, Liebenau, Krazau und Böhmiſch-Aicha; im chrudimer die Gegenden von Landskron, Voliefa, Böhmifch » Trie bau und Hlinsko, wo die Erzeugung der Leinenwaaren, *) Im Pöniggräger Kreife waren im Jahre 1825, nah Maß— gabe ter Manufactur » Tavellen, 7590 Leinweber = Indivi- duen mit 4903 Werkſtühlen, dann 45,710 Spinner; im bydjower Kreife 4120 Leinweber » Individuen mit 2895 Werfftühlen, dann 48,276 Spinner ; im leitmerizer Kreife 3294 Leinweber-Individuen mit 2375 Werfjtühlen, dann 55,345 Spinner; im bunzlauer Kreije 2433 Leinweber- Individuen mit 2023 Werkftühlen, dann 52,825 Spin— ner; im chrudimer Kreife endlih 4676 Weber-Individuen mit 3517 Werkftühlen, dann 43,655 Spinner. Auf der Herrfhaft Nach od, mit Inbegriff der Statt gleiches Namens, befanden ſich Taut den Manufactur - Ta: bellen vom Sahre 1825 allein 1219 mit der Leinweberei beichäftigte Perſonen. ***) Auf der Herrſchaft Starkenbach aab es im Sahre 1825 nicht weniger als 1123 mit der Leinweberei befchäftigte Perionen. * — J 504 und darunter befonders die der eigentlichen Leinwanden am ftärkften betrieben wird. Freilich ift nicht zu läugnen, daß im Vergleiche mit den früheren Sahrzehenden, und namentlich mit den er- ftern Sahren diefes Jahrhunderts, diefer Zweig der Be: fhäftigung namhaft abgenommen habe. Diefes läßt ſich unter anderem auch daraus entnehmen, daß die Zahl der bei diefem Gewerbszweige Befchäftigten in der lezteren Zeit fi) bedeutend vermindert hat. Go war die Zahl der blos mit dem Weben der leinenen Zeuge befchäftigten In— dividuen, die, wie oben erwähnt, im Jahre 1825 30,130 betrug, im Jahre 1801 noch 80,645. Die Urſache davon iſt wohl hauptſaͤchlich in der theils in Folge der Conti— nentalſperre während der franzöfifchen Dictatur, theils in Folge des fpäter eingeiretenen Friedenszuftandes fich er— gebenen bedeutenden Verminderung des auswärtigen Bes gehrs zu fuchen, mebenbei aber auch in dem Umftande, daß feit dem Jahre 1814 die ungleich wohlfeileren weißen Baummollenwaaren in vielen Stüfen die Leinenwaaren aus dem Gebrauche verdrängten, 7 Gleichwohl ift auch der auswärtige Verkehr mit böhmifchen Leinenproducten noch immer ein anfehnlicher Artikel in der Handelöbilanz des Landes. Von dem im Sahre 1827 hier in verfchiedenen Leinenwaaren erzeugten Werthe von 10,148,000 fl. C. M. kann man mit gutem Grunde annehmen, daß mehr als die Hälfte an das Aus— land überlaffen wurde. Bon den Leinwandforten allein kann man für das gedachte Jahr füglich 518,300 Stük als Ausfuhr annehmen, welche mit Berükfichtigung des Um— ftandes, daß meift die feinern und feinften Sorten ins Ausland gehen, zu einem Erzeugungswerthe von 5 Mill. 648,000 fl. C. M. angefchlagen werden können, und welche, wenn man noch die Handlungsprovifion , den Frachtlohn und die übrigen Verfendungskoften a 15% ‚mit 837,200 fl. Hinzurechnet, dem Lande im Ganzen eine Einnahme von 6 Mill. 475,200 fl. C. M. vom Auslande 302 ber zu Gute kommen ließen. Die vorzüglichften auswaͤr⸗ tigen Abfazorte für böhmifhe Leinenwaaren find: Preus fen, Sachſen, Baiern, Hamburg, Bremen, die Schweiz, der Kirchenftant, Neapel, : Spanien, Portugal, ſelbſt Amerika und Weftindien, wohin jedoch meift nur mittel: bar gehandelt wird; ferner auch von den Provinzen unfers Kaiferftaates: Niederöfterreich, Steiermark, Tirol, Ga: lizien, Ungarn, und feit dem im Jahre 1819 für die Lom—⸗ bardie und Venedig ergangenen Verbote der ausländifchen Leinenwaaren, auch diefes Iombardifc, = venetianifche Kös nigreich. Dabei ift jedoch zu bemerken, daß jene Länder, die eigene ausgiebige Bleichanftalten haben, wie z. B. Preußen, Baiern, die Schweiz, ihre Beftellungen meift auf rohe Stüfe beſchränken, und eben deshalb, um näms lich die Bleiche gleich im Frühjahre beginnen laſſen zu können, ihre Einkäufe gewöhnlich im Winter zu machen pflegen. Sonſt iſt aber der auswärtige Abſaz in der Pe— riode von März bis October in der Regel am ſtärkſten. Wenn übrigens die böhmifihe Leinenproduction und der böhmifche Leinenhandel fo lange Zeit hindurch einen alle übrigen europäifchen Staaten prävalivenden Flor bes haupteten, und aud) gegenwärtig noch einen fo anfehnlis hen Induſtriezweig nicht nur für Böhmen, fondern felbft für den gefammten dfterreichifchen Kaiſerſtaat bilden: fo iſt wohl Die Urfache davon weniger in einer befondern Güte des Stoffes, da der Leinfame und feldft auch der Flachs großentheils eingeführt wird, oder in gewiffen Geheimniſſen dev Fabriken, deren es bei diefem Producs tionszweige gar Feine gibt, als vielmehr in der beiſpiel⸗ loſen Wohlfeilheit der erſten Vorarbeiten, beſonders des Spinnens und Zwirnens zu ſuchen. Denn dieſe Spinner und Zwirner, und zum Theile auch die Weber gehören zu der ärmlichſten und genügſamſten Claſſe des Volkes. Sie ſind größtentheils, in ſo fern man ſie als eigentliche Com⸗ mercialarbeiter betrachten kann, Bewohner der öſtlichen und nördlichen Gränzgebirgsgegenden, wo fie, als Nach 505 fommen der bei den früheren Unruben entflohenen ärmeren Familien, von Noth und Undankbarfeit des Bodens dazu gewöhnt, mit ausdauerndem Fleiße, und bei der felten- ften Genügfamfeit, eine Befchäftigung treiben, die ihnen zum Theile ihre Wohngegend, zum Theile die von Capita— lien entblößte Aermlichfeit ihrer Lage anrieth. Insbeſondere enthält die allen Glauben überfteigende Genügfamkeit der in jenen Gebirgögegenden zevitreuten Spinnerfamilien, von denen es im buchftäblichen Vers ftande gilt, daß fie ihr ganzes Leben hindurch blos an Hochzeitsfeiten Fleifch genießen, indem fie beinahe einzig von Kartoffeln und, geringerem zum Theile aus Hafermepl bereiteten Brote und dem Milchnuzen von etwa einer oder zwei Kühen leben, nächſtdem aber auch ein in Folge ihres ausdauernden Fleißes erlangter außerordenflich hoher Grad von Fertigkeit in ihrer Arbeit den Hauptgrund von der in den nordöftlihen Gränzgegenden fo ſtark betriebe- nen Leinwauderzeugung. Dieſe Spinner bringen nämlich ihr einfaches Erzeug— niß gegen, wie geſagt, fehr geringe Preife an die einzels nen Weber zum Verkaufe, oder aber fie liefern, was noch gewöhnlicher ift, ihr Gefpinft an die einzelnen größern "Unternehmer , welche dann durch eigends bezahlte Weber, Zurichter, und wohl auch Bleicher die weitern zur Volls ‚endung des Products erforderlichen Arbeiten beforgen laſ— fen, fo daß jene ärmlichen Spinner, dann die meift eben fo wenig wohlhabenden Weber. und Zurichter, und die reichen Unternehmer zufammengenommen, die ganze nords Öftliche Gebirgsgegend eine einzige große Werkanftalt für Leinwanderzeugniffe vorftellt. Auf diefe Art vereinigt dieſer Zweig der böhmifchen Kunftproduction in ſich gewiſ— fermaffen die große und die Feine Induſtrie des Landes; ‚und man könnte nicht unſchiklich denfelben das in einem engen Rahmen gefaßte Bild von dem großen und Kleinen Leben in jedem bedeutenden Manufacturftaate nennen. wc U 7ER 304 - 4 sat or, IV. rear 2 d aio Federnhandel in Böhmen... u — Wi u Die Zucht der Sederthiere wird von allen cultivirten Völ— Fern nicht nur wegen ihres zue Nahrung dienenden Flei— fees, fondern auch wegen der Federn betrieben, die für mehrere Zwefe Bedürfniß, und deshalb ein nicht unbe— deutender Handelsartifel mehrerer Länder find. Liefland, Lithauen, Polen, Preußen, Pommern und Ungarn wer: den im diefer Beziehung von mehreren Schriftftellern ges nannt, und unter den Gegenftänden ihres activen Handels Bettfedern und Federfielen angeführt, womit auf den Hans delöpläzen Libau, Memel, Danzig, Stettin , Frankfurt a. D., Naumburg, Breslau, Pefth u. a. ein nicht unbe deutender Verkehr befteht. Die Bedeutung dieſes Hanz dels in der preufifchen Monarchie wird aus der Angabe Ferbers*) erfichtlich, nach welcher im derfelben an ud derpofen und Bettfedern im Jahre 1825 4648 Cr. eingeführt, 4541 z ausgeführt, und 748 ,, durchgeführt; im Jahre 1828 8379 ,, eingeführt, 4380 , ausgeführt, und 1064 durchgeführt worden find. Wobei jebodh zu bemerfen ift, daß während die dftlichen Provinzen, Preußen und Pommern, ibren Ueberfluß ins Ausland verkaufen, in den weftlichen Pro- *) Beiträge zur Kenntniß des gewerblichen und commerciellen Zuftandes der preußifchen Monardie. Aus ämtlichen Quels len. Berlin, 1829, ' ‚805 vinzen ein Theil des Bebdürfniffes aus fremden Staaten eingeführt werden muß. | Weniger befannt fiheint zu feyn, welch bedeutender Hanbelöverkehr mit Bettfedern feit unbekannter Zeit in einem Fleinen Diftricte Böhmens befteht, und wie wichtig derfelbe für eine große Zahl fleifiger Gebirgsbewohner des Flattauer Kreifes ift. Folgende, das Wefentliche diefes Erwerbszweiges betreffende Nachrichten dürfen Freunden des Daterlandes nicht unwillkommen ſeyn. Wer Böhmens mannigfaltige Productionszweige in ihrer ganzen Ausdehnung mit Aufmerkſamkeit beobachtet bat, dem kann nicht entgangen feyn, wie lebhaft die Zucht von Federvieh, imöbefondere der Truthühner und Gänfe, im ganzen Lande, vorzüglich aber im taborer, budweifer, prachiner, klattauer und pilfner Kreife betrieben wird; wo ausgedehnte Weidepläze , feuchte Niederungen und Zei: he, befonders die Erziehung und Ernährung der Gänfe begünftigen. Alljährlich werden aus diefen Gegenden den größern Städten, insbefondere der Hauptftadt Prag, viele taufend Gänfe entweder in Heerden zugetrieben, oder ſchon gefchlachtet zugeführt. Die hiedurch den Landleuten zus fließende bedeutende Geldfumme wird aber noch vermehrt durch Verkauf von Federn, die den alten zur Zucht Dies nenden Gänfen zu wiederholtenmalen, den zum Schlachten beftimmten aber vor dem Verkaufe ausgerupft werden. So wie das Sammeln oder Aufkaufen Tandwirthfchaftlicher Producte, in Eleinen zu größern Partien, in Böhmen übers haupt das Gefchäft mit nur geringem Betriebscapital vers fehener Jfraeliten ift, fo find auch Federn ein vorzügli— her Gegenftand ihres mühfamen Ermwerbes. Aermere Haufiver tragen fie dei mit größern Mitteln: verfehenen Handelsleuten zu, die fie wieder auf größere Handeldorte, auf die Märkte in Pilfen oder nad) Prag, vorzugsweife aber nach dem Hauptfize des böhmifchen Federnhandels, Jahrbücher. I. Band. 20 806 nach dem Städtchen Neuern*) bringen, und an biejenis gen Handelsleute verfaufen, welche den Abfaz von Betts federn in beinahe ganz Europa vermitteln. Im diefem wenig über hundert Wohnhänfer begreifenden Städtchen, wird fchon feit undenflicher Zeit diefer Handel von beis läufig fünfzig, außerdem aber auch von einigen in Schütz tenhofen, Deffeniz, Drofau, Neumarkt u, a. O. wohnen: den Handelsleuten in der Art betrieben, daß fie die Bett: federn nicht allein auf den Märkten Böhmens und von im ganzen Lande zerftreut wohnenden Ankäufern, deren auf der Herrſchaft Biftriz über 140, und auf der Herrfchaft Kauth mehr ald 60 anfäffig find, zufammenfaufen, fons dern auch aus fremden Ländern, insbefondere aus Une garn herbei führen, um fie hier reinigen, und nad) den Forderungen ihrer Abnehmer fortiven und zurichten zu Taf: fen. Von diefen Handelsleuten befaffen fich mehrere nur mit der Herbeifchaffung der Federn, andere nur mit deren Reinigung und weiterem Abfaz, zu deffen Beförderung alls ' jährlich mehr ald 50, vonder hohen Landesftelle mit Neis fepäffen verfehen, Reifen ind Ausland unternehmen, die von vielen bis an den Niederrhein, Frankreich und bis nach Holland ausgedehnt werden; oder fie fenden folche in ihre im Auslande fortwährend beftehenden Niederlagen in München, Rheinfelden, Zurzah, Hannover, Naum⸗ burg u. a. O. So groß indeſſen in Böhmen die Quantität der das eigene Bedürfniß überſteigenden Federn auch angenommen wird, ſo betragen böhmiſche Federn doch nur den kleinſten Theil derjenigen, welche in den bezeichneten Orten zufams mengebracht, und ins Ausland vertrieben werden. Der größere Theil wird aus Ungarn geholt, wohin von eini⸗ “er Neuern, aus Ober: und Unterneuern beitebend, liegt am - Angelbadye, auf ver Herrſchaft Biſtriz (Byſtric) im klat— tauer Kreiſe. 507 gen in Neuern, Deffeniz, Schüttenhofen- und Neumarkt wohnenden Handelsleuten Neifen unternommen werden, um Federn entweder auf den Märkten zu Peſth, oder von dort zerſtreut wohnenden Handelsleuten einzukaufen, oder fie faffen den Ankauf von beftändig daſelbſt ſich aufhaltens den rn a beforgen. In Bohmen werden die Federn ſchon größtentheils in ziemlich reinem Zuftande gefammelt, fie bedürfen dann nur des Sortirens; eine forgfältigere und mühfame Bes handlung erfordern aber die ungarifchen, die gemöhnlich mit vielem Unrath verunreinigt find. Diefe müffen gelüf- tet, geflopft, gefiebt und fortirt werden, wodurch zugleich) ihre Elafticität erhöht wird. Das Sortiren gefchieht nach ihrer Abſtammung von Gänfen, Enten, Truthühnern, Hühnern und anderem Geflügel, dann nach der Größe und Stärfe, und auch nach der Färbung, weil hierauf an mehreren Abfazorten ein befonderer Werth gelegt wird. Hiemit und mit dem Schleifen (Abzichen der weichen Fa: ſern von den Kielen) werden viele Menfchen befchäftige, a — deren Zahl aber mit dem zeitweiligen Handelsverfehr ver: mehrt oder vermindert; deshalb kann hierüber nur bes merkt werden, daß in günffigen Zeiträumen nicht felten mehrere taufend Menfchen dabei lohnenden Erwerb finden, der vom Gentner 2 bis 20 fl. ©. M. beträgt. + Die Bedeutung dieſes Verfehrs deuten die Ausfuhrs— liſten an, nach welchen an geſchliſſenen und ungeſchliſſenen ünd Flaumfedern aus Böhmen ausgeführt wurden, "im Jahre 1805: 2668 Etr. 20 Pf. ——— war — ON RE SO N On — — EIS „4825, 7055. „ ‚Bl. se um R *. 9 1826: 9575 2 94 8 * 182777078 '» 177 er 808 Wie viele hievon in Böhmen ſelbſt erzeugt, oder mie viele aus Ungarn zugeführt wurden, kann nicht mit Beftimmtheit angegeben werden, weil die aus Ungarn zus geführten beim Eintritt in deutfch » erbländifche Provinzen meiftens zum Confumo verzollt, und ſodann bei der Wie⸗ derausführung aus Böhmen von den Zollämtern ebenfalls wie die in Böhmen erzeugten behandelt" und vorgemerkt werden. Nach andern wahrfcheinlichen Angaben Fann aber angenommen werden, Daß Böhmen in den meiften Jahren nicht weniger ald 4000 Etr. zur Ausfuhr erübrigt. Als Haupturfache der auffallenden Verſchiedenheit im diefen Angaben der Ausfuhr, kann vorzüglich dad Steigen oder Sinken des Wohlſtandes der erwerbenden Volfsclaffen im nördlichen Auslande angenommen werden, weil Damit die Anfhaffung von Bettfedern gleihen Schritt hält. Ein anderer Umftand Fanı jedoch nicht übergangen werden, der in neuerer Zeit eine zeitweilige Stokung fo lange hervors brachte, bis deffen Befeitigung erfolgte. Seit dem Jahre 1788 bejtand für die aus Ungarn nach Böhmen und an: dern deutfch = erbländifchen Provinzen gehenden Federn ein - Confumszoll von 35 Er. pr. Etr., der nebft einem Aus: fuhrszolle von 12'% Er. entrichtet werden mußte, wenn die ungarifhen Federn der befehriebenen Behandlung in Böh— men unterzogen werden follten. So lange diefer Conſu⸗ mozoll nur 55 fr. pr. Etr. betrug, bewirkte derſelbe nur eine geringe Preiserhöhung, die durch einen billigen Ars - beitslohn für das Reinigen und Sortiren ausgeglichen wurde, und deshalb unfühlbar war. Im Jahre 1822 wurde diefer Conſumozoll von 35 fr. auf 4 fl. 45 fr. er: höht. Schon diefe Erhöhung hatte zur Folge, daß große Quantitäten ungarifcher Federn. directe aus Ungarn ins Ausland verführt, und deren Reinigung dort vorgenoms men wurde, weil dabei der Conſumozoll erfpart, und nur 12° Er. Ausfuhrszoll zu entrichten war. AS aber im Jahre 4828 eine weitere Erhöhung des Conſumozolls auf 509 2fl. 30 Er. pr. Etr. erfolgte, da änderte fih das Ver: hältniß gänzlich, und fo weit zum Vortheile des Auslan— des, daß plözlich eine Stofung des vom Neinigen und Sortiven entfpringenden Erwerbes für die Bewohner von Neuern u. a. D. eintrat, und deffen gänzliches Verfchwins den zu beforgen war, weil nun in allen Fällen die ledig: _ lich aus einem billigen Arbeitslohne hervorgehenden Vor⸗ theile verfehwinden mußten, indem diefer. nicht felten wer niger beträgt, als der Conſumozoll. Sezt war es offenbar vortheilhafter, alle ungarifchen Federn unmittelbar ins Ausland zu verführen, und dafelbft die Reinigung, wenn auch mit öfters größern Koften als in Neuern, vorzus nehmen. Dieſes einem böhmifchen Induftriezweige nach— theilige Verhältniß war jedoch Faum zur allerhöchften Kenntniß gebracht, als Se. Majeität die genaue Erbe: bung der vorgebrachten Befchwerden, und nach hievon.ers langter Ueberzeugung, mittelft allerhöchter Entſchließung vom 20. Auguft 4829 anzubefehlen geruhten: daß der deutſch-erbländiſche Conſumozoll für die gemeinen unga= riſchen Bettfedern Fünftighin nur mit 12’ Er. für den Etr. sporeo Wiener Gewichts eingehoben werden folle. Welche allerhöchſte Beſtimmung in Folge hohen Hoffammerdecrets vom 47. September durch Cireularverordnung des k. k. böhmischen Landesguberniums vom 3. Detober 1829 mit dem Beifaze zur allgemeinen Kenntniß gebracht wurde, daß diefe Zollbegunftigung vom Tage der Verlautbarung zu beginnen habe. Hiedurch wurde das frühere günftige Verhaͤltniß nicht nur hergeftellt, fondern aus allerhöchiter Gnade vermehrt, indem der Betrag der frühern zuſam—⸗ ‚men mit 47%, Er. zu entrichtenden Ein = und Ausfuhrszölle, auf 25 fr., mithin um 22°, Er. vermindert wurde, Go . gering diefe Begünftigung auch erfcheinen mag, fo wichtig . iſt fie für die Bewohner einer, mit Producten des Afer: baues färglich begabten, und anderer Manufacturzweige entbehrenden Gegend, und daher zu hoffen, es werde der: 310 felben der durch eine lange Reihe von Sahren cultivirte Ermwerbszweig nicht nur verbleiben, fondern noch weiter ausgedehnt werden Fünnen, weil die genügfamen Handelss leute, die weder Mühe noch Gefahr fcheuen, nun noch mehr fuchen werden, ihre Speculationen auch in. bisher noch nicht befuchte Länder auszudehnen. Noch „wird bemerkt, daß aud in Prag fehon feit Sahrhunderten ein bedeutender Federnhandel im mehreren Familien gleichfam erblich beiteht, Die nicht allein Die Hauptftadt mit Bettfedern verforgen, fondern davon aud) bedeutende DVerfendungen ind Ausland machen. Bon dies fen rührt die Angabe der Preife her, die hier angeführt werden, um die verfchiedene Qualität der im Handel vor: fommenden Bettfedern zu bezeichnen. Es Eoftete nämlich zu Anfang des Jahres 1850 ein Pfund Wiener Gewicht: ungefchliffene Federn 12, 18, 24, 50, 36, 40 bis 42 fr. 6. M.; geſchliſſene 40, 15, 20, 28, 30, 36, 40, 46 bis 50 fr. EM. ; Flaumenfedern 48 Er., fl, 1 fl. 12 Er. und L fl. 24 fr. C. M.; Hühner: und ans dere geringere Federn der Diener En. fhwarze 2 fl. 50 fr., weiße 6 fl. C. M. Einen befondern Erwerbszweig bildet das. Sammeln von Federkielen und deren Zurichtung zu Schreibfes dern. Am bedeutendften wird diefes Gefchäft von den Gebrüdern Löwy in Prag betrieben. Alle im Ins | und Auslande befannten und gebräuchlichen Sorten von Schreibfedern werden von denfelben fo. zwefmäßig zuge— richtet, daß dieſelben nicht nur im Inlande, ſondern auch im Auslande den Hamburgern gleich gefchäzt werden, und | auf den Meffen zu Leipzig ftarken Abgang finden, wozu fie die rohen Kiele aus Böhmen, Mähren, Ungarn, Po: len, und auch aus dem Auslande beziehen; folgende Preis⸗ liſte zeigt die Mannigfaltigkeit iprer Fabricate. Es Foftete | nämlich zu Anfang diefes Jahres Eintaufend Stük: Neo, 4 ordinäre in grünem Bund. fl. 42 fer EM. — —— = „» Drange ee N ” Pro. 2 Kreuzkiele in orange Bund 5fl.43 fr. EM. » 53 ordinäre in carmoifin „ 4245 „ » 5 Kreuzfiele „ „ by » » 5 Glaskiele „ * bu —» * Pre z „grünem 6» 48» „ u‘ B „ „ rofa PR 7» 24 » Pr 6 fhwere Hamburger. x. 12 u —n Mn) »T7T ” 2 „85 Pommerſche.. 8. — 5 „ 9 Glaskiele 0⏑ä —3 „40 engliſche Kreuzkiele .« Sn — 14 Rabenfedern. 8, —b 42 Seekiele EEE BON —4 2 43 Schwanenkiele...4160 —5 „Aa geſchnittene Kiele 4 — gas Ripskiele 42 ⸗5 Wollmarkt in Prag im Jahre 1830. ALLE I 0002 | Der Prager Wollmarkt wurde diefes Jahr zu Folge hoher Gubernialverordnung vom 6. Mai d. 5. auf ein dringen: des Anfuchen der k. k. patriotifcheöfonomifchen Geſellſchaft und des Schafzüchter-Vereins in Böhmen, und mit Rüfe fiht auf den damit übereinftimmenden Wunfch des Han: delsftandes und der Wollpändler, vom 24. bis 28. Juni abgehalten. | Mach Ausweis der vom Magiftrate ausgegebenen li⸗ thographirten Liften gelangten vom 21. bis 28 Juni incl. 10,514 Etr. 49%, Pf. Wolle nach Prag, wovon 1300 Etr. ‚ Im Herzfeldifhen Magazin, der größere Theil in eigenen Häufern der Producenten lagerten, ein Iheil aber auch ſchon in die Magazine der Wollpändler, auf dem zum eigentlichen Wollmarkte beftimmten Heuwagsplaze aber nur wenige Gentner unterbracht wurden. 312 Die Hoffnung auf beffere und den Productionskoften angemeffenere Preife, als im verfloffenen Sabre, wurde | durch dei ftrengen und fehr lang dauernden Winter, das durch entftandenen Futtermangel, Krankheiten und bedeus tende Verluſte in den meiften Heerden von ganz Deutfchs land, und durch die hierauf gegründete Beforgniß einer mehr als 10 Procent betragenden Verminderung der dies— jährigen Wollerndte verftärft, aber nur fo weit realifirt, daß ordinäre zwei= und einfchürige Wolle, deren Preis von 55 bis 52 fl. pr. Ctr. angegeben wird, um 5 bis 40 Procent, Mittelwolle von 55 bis SO fl. um eben 5 Pros eent, einig® Partien hochfeiner von 120 bis 150 fl. um eben 10 Procent höher als im verfloffenen Jahre verkauft worden find; die gewöhnlich fte feine Wolle, im Werthe von 90 fl. bis 120 fl., aber nicht über den vor: jährigen Preis angebracht werden konnte. : Die Behandlung, insbefondere die Wäfche der Wolle wurde dieſes Jahr wieder allgemein tadellos: gefunden, Fremde Käufer waren etwa zwölf aus Sachfen, einer aus Nürnberg, und einer aus Königsberg in Preußen zugegen. Engländer und Niederländer erfchienen erft nach der Markt: zeit, umd machten fo wie einige Sachſen bedeutende Aus käufe. | Käufer und DBerkänfer zeigten diefes Jahr größere Dereitwilligkeit zur Vereinigung ald im verfloffenen Jahre. Der größte Theil aller in Böhmen erzeugten Wolle, die wohl nicht unter 40,000 Etr. beträgt, war aber fchon vor dem Markte verkauft, daher unter den in den Marktta- gen nach. Prag gebrachten 10,514 CEtrn. beiläufig 1200 tr. ſchon früher verkauft, fo wie eben 2500 tr. aus Ungarn, Defterreich und Mähren ſchon in zweiter Hand zugeführte mit einbegriffen, und nur eben 6800 Gtr. auf dem Marfte ausgebotene zu rechnen find; wovon während der Marktzeit wenigftens 5000 Etr. und die noch übrige in den unmits telbar folgenden Tagen abgefezt worden find. 315 IV. = eine Meinung über die Franken und Waräger. Von Franz Palacky. us 44 t— 1. Etymologiſch⸗ hiſtoriſche Verſuche ſind bei kritiſchen Ge⸗ ſchichtforſchern vielleicht nicht mit Unrecht in eine Art von Berruf gerathen, da es wohl kaum irgend einen verkehr⸗ . ten oder abgeſchmakten biftorifchen Saz gibt, den man - durch etymologifche Deutungen nicht zu begründen und zu beweiſen gefucht hätte, und eine hiftorifche Quelle, die zu allen Beweifen taugt, ebeif deshalb als gar feinen Bes weis führend, angefehen werden muß. Doh der Mißbrauch der Etnmologie darf ihren Gebrauch in der Gefchichte nicht hindern. Die Gpras den der Völker find ihre älteſten hiſtoriſchen Denkmäler ; der geſprochenen Rede folgte die gefchriebene überall erſt in fpätern Seiten nach, und unterblieb fogar bei vielen BVölfertämmen. Iſt nun die gefunde Hermeneutif bei allen Denfmälern des Alterthums nicht allein zuläffig, fondern auch nothwendig, fo darf auch der Etymologie, als einer Hermeneutif der hiftorifchen Namen, ihr Recht nicht ftreitig gemacht werden, und es kömmt nur darauf an, daß man fich bei folchen Unterfuchungen nicht von den Grundſäzen der (freilich noch fehe unmündigen) etym os Togifhen Kritik entferne. Daher darf ich es wohl wagen, meine aus etnmolo- gifhen Gründen gefchöpfte Anſicht über einen Gegenftand, der ſchon fo viele gelehrte Federn in Bewegung gefezt bat, 3 3518 nämlich über die Abkunft der Franken und ber Waräger, biemit vorzulegen. Eine hiftorifche Frage, welche die Urgefihichte dreier der mächtigften Völkerfchafs ten des heutigen Europa berührt (der Sranzofen, der Deuts fhen und der Ruſſen), muß wohl vielfeitiges Sntereffe anregen, und die faft bis in’s Unzählige abweichenden Meinungen, welche darüber feit Zahrhunderten ans Tas | geslicht gefördert worden find, geben zugleich den Elarften Beweis von der Schwierigkeit, dieſelbe entfcheidend und genügend zu löſen. ‚ Der Volfsname der Franken erfcheint in der Ges fhichte zuerft um das Jahr 242 nach Chr. Geburt). Er bedeutete urfprünglich einen neuen Völferbund am Nieders vhein und Der Wefer, deffen Macht in Kurzem fo hoch ffieg, daß er im V. Jahrhunderte die Herrfchaft der Rö— mer in Gallien ftürzen, und damit den erften Grund zu Karls des Großen nachmaliger Univerfalmonarchie Iegen Fonnte. Doch es ift unndthig, die welthiftorifche Bedeu: _ rung der Franken und ihrer Neiche im Mittelalter hier zu ſchildern. Luden fagt in feiner Geſchichte des deutſchen Volks kes (M. Bd. ©. 69), man wiffe den Namen der Frans ken nicht zu deuten, „‚weil niemand weiß, wie der Völ- Ferbund, der diefen Namen führte, zu Stande gefommen iſt.“ In neuerer Zeit Habe man dem Worte die Bedeu⸗ tung „frei, freie Männer,“ aufzudrängen geſucht, die dasfelbe niemals gehabt hat. Philipp Eluver (+ 1623) fol der erfte gewefen feyn, ber „Frank“ fir ‚gleichbedeutend mit „frei“ erklärt habe; Gibbon und Mö— fer haben dieſe Meinung, der auch die neue Deutung des franzöfifchen „‚Erane‘ und des italienifchen „‚franco““ gün- ftig ift, alsdann recht in Umlauf und Aufnahme gebracht (U, 484). ber in den altdeutfchen Sprachen, aus wel: — *) Bei Flavius Vopiscus um Leben Yureliant ec. 7. 4 315 chen der Sinn bes Wortes gedeutet werben muß, findet ſich eine Spur davon. Gottfr. Wendelin (in feinem. Glossarium Sali- cum) nennt „Wrang,“ trux, ferox, ein atuatifches Wort, und leitet die Franken, gleichfam „Wrangen“ daher ab; mit ihm ſtimmen Fulda (im Wurzelwörter—⸗ buche) und, Enden (I. 482) überein; wobei Eriterer auf Das verwandte deutfche Wort „frech, der Leztere ‚aber auf das. im Niederfächfifchen und Englifhen noch übliche »Branger“ (Raufbold), und wrong, wronger (Verlezer, Beleidiger) hindeuten. Allein man muß bemerken, daß das N in Frank Fein Wurzellaut ift, und das Wort urſprünglich, wie im Seländifhen „Frack“ gelautet habe *). Statt vieler ans bern Beweife diene die Stelle in E. C. Werlauffs „Sym- bolae ad geographiam medii aevi, ex monumentis Is- - Jandieis‘* cKoppenhagen, 1824, 4 ©. 18), wo von den Wallfahrten nad) Nom die Nede it: „Dar koma leidir saman Peirra manna er: fara of Mundiofinll sudr: Frackar, Flemingiar, Valir, Englar, Saxar, Nord- men ‚‘“ — ibi junguntur viae, quibus Alpes transituri Romam petunt variarum gentium peregrinantes, sci- Ueet; Franci, Flaemingi', Galli, Angli, Saxones et Seandinavi.‘“ ‚Frank‘ iſt daher eben fo aus „Frack“* ‚oder, „Wrack entftanden, wie trinfen aus dricka, dünken aus tye Ka, danken aus tacka, wanfen aus wacken (daher diminut. wadeln), — nämlich durd) den fogenannten Rhinesmus. Mach diefen Andeutungen Fann man nicht anftehen, die Wurzel des Wortes „Frank“ mit Eccard und Wachter**) in demZeitworte „reden“ oder „wreden‘ \ *) Siehe Joh. Ihre Glossarium Suiogothicum , Upſala, 1769, fol. I. p. 583 unter Frankrike. —*) Thomas Benfon im Vocabularium Anglo -Saxoni- cum. — 3. G. v. Eccart in Leges Francorum Salicar 316 zu ſuchen. Wachter bemerkt darüber im Artikel „Warg“ Solgendes: „Warg, exul, pago expulsus; alia dia- | lecto wrag, quod origini propius, quia descendit a recken (pellere) per prosthesim literae w. Hinc idem homo Anglo-Saxonice dieitur AAO et in lege Salica wargus, transposita canina.“ Und im Artikel „Wrak: :““ praedo, latro, Anglosax. wraecca; idem qui literis transpositis warg, de quo supra; sed wrak origini propius. Est enim a recken (wre- cken, pellere), et primo pago expulsum, postea prae- donem significavit.‘“ Im gleichen Sinne hatte'fich ſchon früher Eecard geäußert (©. unten). Und diefe Anficht wird auch durch die älteften Denkmäler der flawifchen Sprache beftätige. Im Altſlawiſchen heißen nämlich die Franken von jeher „Friagowe, Friazi,‘ was den Singular „Friag“ oder eigentlich „Fr’ag““ vorausfezt. Man vergleiche darüber Schlözers Neftor, * rd ©. 61. Aber auch diefes gibt uns noch nicht bie —— liche reine Wurzel des Wortes; denn dieſe it W-R-G, welches nach dem befondern Genius der Dialecte Bee ald WARG oder ald WRAG ausgefprochen wird. Erftere Form herrfeht in den germanifchen, leztere in den fla= wifchen Dialecten vor, wie man es an hundert Bei- ‚fpielen laut und finnverwandter Wörter fehen kann ; wo⸗ bei jedoch das Ruffifche den für die gegenwärtige Unters fuchung bedeutfamen Unterfchied macht, daß es im folchen Fällen weder mit dem Altjlawifchen, noch mit dem Ger: manifchen übereinftimmt, fondern einer eigenen RE tion folgt. Man vergleiche: | { et Ripnariorum (in den Anmerk. zu Leibnitz's Abhand- lung de Origine Francorum ©. 253). — 3. G. Wach— ter im Glossarium Germanicum (unter Warg und Rrad. — 517 Bi Wurzel ‚Germanifd Slawiſch Rufſiſch G.R-D gard grad gorod B-R-6 berg bregzbereg B-R-7 bart brad-a boroda „“W-L-T -walt (wald) wlad wolod „K-L-T kalt chlad cholod .C-R-P scherb erep terep „@-L-D gold zlat-o zoloto u. f. w. u. ſ. w. In dieſer durchgebends üblihen Auflöfung der mit R und L gebildeten flawifhen Wurzelwörter bei den Rufe fen, die den flamwifchen Sprachen fonft ganz fremd ift, glauben die Sprachforfcher den Einfluß der Nachbarfpras chen Rußlands, insbefondere der finnifhen, wahrzunehs men... Dem: fey jedoch, wie immer, fo erflärt fie uns den Tall volllommen, wie e8 Fam, daß „Warg,““ der Urname der Franken, bei den flawifhen Völ— fern überhaupt in „Wr ag,“ bei den Ruſſen aber insbefondere in Winsagf überging. ‚ Sch habe in diefen Worten bereits meine Meinung üben, die Abkunft der vuffifhen Waräger ausgefpros chen, und es bleibt mir. nur noch übrig, dieſen Saz etwas näher zu beleuchten. Bekanntlich brachen um die Mitte des IX. Jahrh. n. Chr. G. die Waräger, ein Haufe Fühner und tapfe— ver Eroberer, ins nördliche Rußland ein, und legten den Cuden, den Slawen am Ilmenſee, den Kriwicen und Mes ven, Tribut auf. Obgleich fie nun nach Verlauf von zwei Sahren wieder. vertrieben wurden, fo Juden die Slawen, ihrer innern Zwiftigfeiten müde, im J. 862 doch ſſelbſt von neuem drei warägifche Brüder, Rurik, Gineus - und Truwor, zu fih ein, und Rurik ward nun, wie bes kannt, der Gründer der ruſſiſchen Monarchie. aa Hr. Tappe, der dies in feiner Geſchichte Rußlands a Th., Dresden, 1828) dem berühmten Karamzin nach⸗ 318 erzählt, frägt dann in feinen Anmerkungen bazu (©. Al): „Wer waren die Waräger? Das ift die große „Frage: eine wahre erux interpretum. Baron von Hers „berftein hielt fie für Wagrier, d. i. aus der Gegend von „Lübek und Holitein; QTatiscem leitete fie von den Finnen „ab, und Lomonoffow von den Prengen. — Ewers hält „die Gründer des vrufifhen Reihe für Chafaren, — „Bayer, Ihunmann, Schlöger und —* für Nor⸗ „männer u. ſ. m. Man halte ſich zunächft an die erſte und einzige Quelle über die Waräger, an den Chroniſten Neſtor, der zu Anfange des XII. Jahrhunderts ſeine (von Schlo⸗ zer in Göttingen in 5 Bdn. commentirten) ruſſiſchen Anz nalen fchrieb; man fehe, welche geographifhe Bedeutung diefer feinen unbefannten Warägern gibt. Schlöger er— Eannte es felbft (II. 187), daß Waräger ein nomen genericum fey, das viele Species unter ſich begreift, als Schweden, ‚Norwegen, Engländer, Dänen; er befannte ferner (I. 56, 90), daß Neftor unter dem Namen „War rägifches Meer“ nicht allein die Oſt- und Nordfee, ſon— dern auch das atlantifche und ſelbſt das mittelländifche Meer verftehe. Wie Fonnte und durfte nun der fo um— fihtige Gritifer fagen (IT. 155), er werde die „Waräger‘* fortan durch „Normänner“ überſezen? Durfte er wohl feinem Chroniften die Anficht zumuthen, er habe alle weft: enropäifchen Meere für normännifch gehalten? Allerdings berrfchten oder raubten fie vielmehr im XI- Jahrh. auf allen diefen Meeren. Aber läßt denn Neftor (Il. 95) den heil. Andreas nicht auch aus Nowgorod ins Warägerland nah Nom zu Land fommen? „ide w Wariagy, i pride w Rim ‚““ — deutet das nicht an, dag Nom felbft im Was rägerlande liegt? Hat Neftor die Normänner (IT. 24 u. a.) nicht von feinen Warägern unterfchieden? Braucht er nicht endlich (IT. 189) ſelbſt das synonymum „Niemei* fir „Wariazi ?““ — lin 519 Afo Neſtors Warägerfind Franken — Franken in dem Sinne, wie man diefes Wort noch jezt im Driente deutet, nämlih Weit:Europäer, abend: fändifche Völker überhaupt, insbefondere aber vom germa= niſchen und germanifch = lateinifchen Stamme. So muf man aud) die Bapayyoı der Öyzantiner, und die „Wa- rank“ des Abulfeda deuten, weil diefe Namen zu ihnen zunächft aus Rußland gekommen waren (Schlözer, U. 56, 196). Freilich hätten wir durch diefe Erklärung nichts ges wonnen für die Beantwortung der Frage, woher eigent lich Rurif mit feinen Brüdern gefommen fey? „Iz zamo- ria,“ e transmarinis partibus, deutet wohl nicht allein auf das gegenüber. liegende Scandinavien hinz es fagt nichts mehr, als daß fie über’s Meer nah Rußland kamen, alſo allenfalls eben fo gut von der füdlichen als nördlichen Küfte der Oſtſee. Man muß wohl aud auf die Lesart „ot Niemec‘ billiges Gewicht legen (II. 189). Schwerlid ‚würde ein Glawe die Normänner jemals „Niemei“ genannt haben; denn Die Erklärung „ daß jene auch germanifchen Stammes waren, liegt für Neftors Zeitalter zu weit. Wir müffen uns begnügen, zu wiffen, daß die Waräger, Fühne Seeräuber oder heimatlofe Slücht: linge germanifchen Stammes, aus dem Weiten Europa's über die Dftfee nach Rußland gelangten. Alle nähere Angaben, insbefondere über den Namen dev Nuffen, find bloße Bermuthungen, denen ed an, foliden Gründen gebricht. 0 Allerdings ſtehen auch meiner Meinung zwei Daten im Wege, die noch behoben werden müſſen: 4) daß Ne— for (I. 24) die Sranfen (oder Sranzofen?) aud) Friazi pder Friagowe neunt; 2) daß nad) der oben erklärten Analogie, das germanifhe Warg und flawifche Wrag, J im Ruſſiſchen als Worog, nicht als Warag erſcheinen müßte. Aber dieſe Widerſprüche find nicht wefentlich. 520 > Das ruffifche unbetonte o lautet befanntlich wie das mas gyarifche kurze a, oder das ſchwediſche ä, doch nur in ber Volksſprache; die altflawifche (kyrilliſche) Bücherfprache, worin Neftor feine Annalen fehrieb, behält das reine a in allen oben angedeuteten Fällen. Da wir nun diefe Annalen weder im Driginal, noch im gleichzeitigen Abs ſchriften mehr befigen, fo wimmelt die Sprache Neftors von Ruffifmen der fpäteren Abfchreiber und Interpolato⸗ ren, fo daß feine urfprünglihen Wortformen nicht mehr überall mit Sicherheit zu erfennen find. Auch die „Fra- gove‘* entfcheiden unter folhen Umftänden nichts; fie find eine bloße Variante, wo nicht im Munde des Volks, doch unter der Feder des gelehrten Schriftitellers oder des unwiffenden Snterpolators. Die einzige Stelle, worin diefer Name vorfümmt, macht die Hypothefe von den Nor—⸗ mannen oder Schweden nicht minder fehwierig, wie es auch Schlözer (MI. 58) erfannte. Der Name Wrag bat in den flawifchen Dialesten, und insbefondere auch im Böhmifchen (wrah) zweierlei Bedeutung: A) Feind, und 2) Mörder. Es ift wohl fein Zweifel, daß Diefe Bedeutung des Wortes uralt ift, da die verfchiedenften flawifchen Stämme fie kennen; fie weift _ fomit auf die Nachbarfchaft und feindfelige Berührung der Franken und der Slawen in vorgefhichtlicher Zeit Hin, und ift ein bedeutfames hiftorifches Denkmal der Yalram fhen Sprade. Ich Eehre num zu den Franfen, als der Wiege der ruffifhen Waräger, wieder zurüf,. Der Franfenbund taucht in der Geſchichte des IH. Jahrhunderts plözlich auf, ohne daf diefe uns meldet, wie er zu Stande gefoms men ift; denn fie Hatte anderthalb Sahrhunderte lang auf die Gegenden zwifchen dem Rhein und der Wefer Feinen Blik geworfen, bis ihr die Sranfen mit der Schärfe des Schwertes die Augen öffneten. Daher Fann es über. den Urfprung des Frankenbundes überall nur Bermuthuns 321 gen geben; ein offenes Feld für gelehrten Streit: „Die „Franzoſen, Nachkommen der mit Galliern vermiſchten „Franken (ſpricht Pfiſter in feiner Geſch. der Deutſchen, „1829, 1. 482), haben es für unrühmlich gehalten, die „Stifter ihrer Monarchie für Deutfche zu erkennen, und „daher vielfältig verfucht, die Franken von den Gelten, „oder ausgewanderten Galliern, oder aus dem feythifchen „Afien, oder von den Macedoniern, oder von den Troja= „nern abzuleiten. Deutfche hingegen, um ihnen die Ehre - „der Deutfchheit nicht zu laſſen, haben die Sranfen mit „Vandalen, oder Baftarnen, oder andern ausgearteten „dentfchen Abenteurern, die urfprünglic auch von Afien „bergefommen, in Verbindung gefezt.“* Die Deutfchheit der Franken ift, wenigftens feit dem V.Sahrhunderte, wohl außer Zweifel; aber fie beweist für ihren Urfprung nichts. Auch die Ruſſen kennt man feit - dem X. Jahrhunderte ald Slawen, und doch waren fie, nämlich Nurifs Gefolge, im IX. es noch nicht gewefen. Der Streit wäre freilich gelöst, wenn der von den meis ſten deutfhen Gefhichtfchreibern aus bloßer Vermuthung angenommene Saz erwiefen werden Fönnte, daß die aus früheren Zeiten bekannten Attuarier, Amfivarier, Bruc— teren, Chamaven, Chatten, Marfen, Eigambern u. a. m. deutfche Völker einen Bund unter einander gefchloffen häts ten, der num der Bund der Franfen genannt worden wäre; Aber diefer Saz ift eben mehr als zweifelhaft. Unabhän— gige Völker vereinigen fih wohl zu einem Truzbündniſſe, wen und fo lange fie von auswärtigen Eroberern bedroht werden; außerdem iſt es aber, nach aller Gefhichte, nur die äußere Gewalt, welche fie zufammenfügt und hält, Diefe fcheint bei dem Franfenbunde um fo mehr gewirkt zu haben, als er fortan einen neuen Charakter zeigt, der den oben genannten Völfern nicht. eigen war: der seines nad außen ftrebenden, erobernden Volkes. Daher iſt die Meinung anderer Hiftorifer viel wahrſcheinlicher, der Sahrbücher. I. Ban. 21 Na 522 \ zu Folge die Franken, ein befonderes Volf von unbe— Fannter Abftammung, etwa im II. Sahrhunderte nad) Ehrifti Geburt von Norden oder von Oſten ber, in die Länder des alten Eherusferbundes eingedrungen wären, die dortigen Völker ſich unterworfen, und ſich mit ihnen vermifcht hätten, Sch fehliege diefen Auffaz mit den Worten Eccard's, der die Urfize der Franfen, mit Eumenius, dem Geogras phen von Ravenna und Leibniß, nach Mauringien, d. i. ins Holfteinifche und Meklenburgifche verfezt: „Profiteor hie ego, me statuere, gentem Francorum esse ip- sas Cimbrorum veterum reliquias; quia situs Fran- corum in Mauringia quadrat in Cimbrorum civitatem Tacito memoratam. — Cimbros ab antiquo prae- dones et vagos fuisse Posidonius et ex eo Festus asserunt. Imo genuinum ipsorum apud Germanos no- men , ab illo Cimbrorum diversum, Piutarcho teste, latronem denotavit. Vetustissima autem vox, qua latronem vel praedonem, nec non et vagum sive exu- lem indicavimus, fuit warge et wrake. — Septem- trionalibus speciatim warge designat piratam. Et cum olim pi atica laudi apud populos barbaros ha- beretur, Septemtrionales nomen Wargorum hono- rabile sibi putabant- — Warge vero hoc Anglo-Sa- xones wrace, wraece, sive vraece et fraece enuneciarunt ete. — Cum igitur Waregi sive Fracei aut Fraci h. e. vagi, exules, et piratae vel latrones, eo loco inveriantur, ubi parvam Cimbrorum civita- tem ‚veteres ponunt, et Cimbri Germanice nomine, quod latronem denotet, insigniti fuisse a veteribus autoribus ferantur: hoc ego nomen Frace vel Fracke fuisse non vane existimo.“ (©. Leges Fran- corum Salicae et Ripuariae, Francof. et Lips. 4720, fol. pag. 253.) 523 2. Beitrag zur Gefchichte der Karl- Ferdinandifchen Univerfität. Die Geſchichte des philofophifchen Rechtes, als Lehrgegenftand betrachtet. (Kortfezung der Nummern 5) im Suliheffe 1827, 2) im Aus gufibefte 1827, 4) im Maibefte 1529, und 6) im Detobers befte 1529 ter Monatfihrift tes Mufeums.) — — — — Bon Dr. und k. k. Prof. G. N. Schnabel, ’ = E77 Volle 400 Jahre hindurch waren blos die Fächer der po— fitiven Nechtsgelehrtheit Gegenſtände des juridifchen Stu— diums an der Prager Univerfität. ° Von ihrer Stiftung an bis auf das Jahr 1748 wurden an derfelben blos rö— mifches und canonifches Recht, wenn auch In meh— veren Abtheilungen, gelehrt. Und felbft diefe pofitive Rechtsgelehrtheit befchränkte fich Tediglich auf das Pri— vatrecht; alles öffentliche Necht, worüber bis dahin an der Univerfität gelehrt worden war, beitand in dem Öffentlichen Kirchenrechte. Diefes alfo, dann das weltlihe und geiftliche Privatrecht waren die ges fammten Lehrgegenftände der juridifchen Facultät. Fühlte man auch früber ſchon die Nothwendigfeit, über die Eles mente oder die Grundbegriffe des Rechts gleichfalls vorzutragen, fo glaubte man doch mit gewiffen allgemeis neren Grundfäzen des römifchen Rechtes, namentlich) mit den Suftitutionen desfelden *) diefen Vortrag abgefers *) Diefe Institutiones wurden wirffich immer feit ter Verei— nigung der Carolinıfden Univerfität mit derders 21» 324 tigt zu haben. Erft ald zu Ende des XVI. und im An: "fange des XVIII. Jahrhunderts die Philoſophie auch im das Gebiet der Nechtögefezgebung immer mehr eindrang, Unterfuchungen über dad Wefen des Nechtes, Syſteme allgemeiner Nechtswahrheiten und Lehrbücher des Natur: rechts erſchienen, und neben andern neueren Wiſſenſchaf— ten (die man im Gegenfaze zu den eigentlichen Facultäts- Wiſſenſchaften studia nobiliora nannte), auch das Nas turreht (natürliche Privatrecht) , das allgemeine Staats um Völkerrecht auf verſchiedenen deutfchen Univerfitäten ein Gegenftand des Lehrvortrags zu werden anfingen: da wurden gleichfalls, und zwar noch in der erften Hälfte des XVIII. Sahrhunderts das Nature und das allgemeine Staatsrecht bald von diefem, bald von jenem juridifchen Profeffor an der Prager Univerfität zu Gegenftänden ihres Lehrvortrags, zum wenigſten in ihren Privatvorlefungen, gewählt. — Erſt durch Marien Iherefiens große Neform des Stu: dienwefens gefchah es, daß auch die philoſophiſche Rechts— lehre zu einem ordentlichen Univerſitätsſtudium erhoben ward. Bereits im Jahre 4748 wurde nämlich mittelſt Hpfrefcfipts vom 30. Mai für das Naturzund Staats— recht (Jus Naturae & publicum) ein eigener Profeffor in der Perfon des Dr. Franz Bourgignon mit der Verbindlichkeit zu öffentlichen Vorlefungen angeftellt, und diefen Gegenſtänden feines Lehrvortrages auch das Lehe vecht (Jus feudale) beigegeben. Zwar wurde diefer Pro: feffor Anfangs als ein gewiffermaffen außerhalb der Ges meinfchaft der Univerfität und der Facultät beftehender Professor regius — gleich dem ungefähr um diefelbe Zeit angeftellten Profeffor der Gefchichte (Professor Historia- dDinandeifhen Afademie neben tem canoniſchen Nehte, dem Cover und den Digejten bis 1274 als ein eigenes Fach vorgetragen. — PREV 325 rum) — betrachtet: allein ſchon im Sahre 1752 wurden diefe beiden Profefforen durch ein eigenes Hofrefcript vom 12. Februar als eigentlihe Mitglieder der Univer— fität und ald dependent von derfelben erklärt. Dei der gänzlichen Reform des juridifchen Studiums im Jahre 1754”) wurden die Lehrfächer des Natur: und des allgemeinen®taatenrechtes getrennt, und das eritere im Verbindung mit den Snftitutionen, daß leztere in Verbindung mit dem Lehnrechte zweien beſon— dern Lehrkanzeln im erften und im vierten Sahrgange zu— gewiefen, und für diefelben die Doctoren Anton Fin fen und Joſeph Franz Schrodt angeitellt. Sn den für diefe beiden Profefforen erlaffenen Sn: fruetionen **) wird zugleich dig nähere Einrichtung ihrer Borlefegegenftände angedeutet, Es foll nämlich das Na: turrecht blos das jus Naturae privatum enthalten, und fih alfo blos auf diejenigen Nechtsverhältniffe erftrefen, „die den Menfchen als Menfchen angehen,‘* mit Ausfchluß jenes andern Theil des natürlichen Nechtes, welcher „den ' Menfhen als Bürger, oder ganze Gefellfchaften (Staaten, Völker) betrachtet,“ und als Jus publicum Universale et Gentium jener zweiten Lehrfanzel zugemiefen ward, Es ſoll zugleich die Eintheilung dieſes Naturrechtes ſo viel möglich nach den Hauptgegenſtänden des römiſchen Rech— tes gemacht, dabei aber wohl in Acht genommen werden, daß das Naturreht nicht etwa nad dem Maß— ftabe des römifhen Rechtes, fondern vielmehr ° Diefes nad jenem abgemeffen werde. Bis ein h diefem Plane angemeffenes. Compendium von dem Profef for verfaßt feyn werde, follen die Vorleſungen inzmwifchen nad Anleitung der eben damals erfchienenen XAllfen Differ: *) Hofrefeript vom 9. Februar, und Proteetorial-Eröffnung vom 22. Mai. **) Protectorial-Intimation dd. 22. Mai 1754. 326 tation Cocceji's, nder nah Puffendorf's Fleinem Werke: de officio hominis et eivis eingerichtet werden. Das allgemeine Staatenrecht aber foll nedft einer furzen Gefchichte des öffentlichen Rechtes zus vörderſt das eigentlihe Staatsrecht oder die Dar— ftellung der Rechtsverhältniſſe zwifchen der Regierung und den Unterthanen, dann auch das Bölferrecht, oder die Darftellüung der allgemeinen Nechtsverhältniffe zwifchen ganzen Völkern und Staaten enthalten, und inzwifchen, bis von dem Profeſſor felbft ein auf richtigen Principien ruhendes Compendium wird herausgegeben feyn, nach Bohmeri Introduetio in Jus publicum Universale vor: getragen werden, Uebrigens wurde die bereits früher erlaffene Vor—⸗ feprift wegen Nothwendigfeit der juridifchen Studien für die höheren Staatsämter, fo wie für die Procuratel und die Advocatie auch auf das Naturreht im J. 1755*), und auf das allgemeine Staatsrecht im J. 1758") ausgedehnt. Unter diefen Beftimmungen wurden jene Fächer des philofophifchen Nechtes von zwei Profefforen bis zum Schuljahre 178% öffentlich gelehrt. Finkens Nachfolger war 1758 Dr. Sofeph Ant. Schufter, und Shrodts Nachfolger, der E k. Gubernialrath Jofeph von Rieg— ger (1778), nad) diefem Dr. Wenzel Dinzenhofer (1782). Doch waren inzwifihen (1774°°*) für das Nature recht des Freiherrn von Martini Druffcrift: Posi- tiones ex Jure Naturae, und für das dffentlide Necht desfelben Jus eivitatis zu Leitfäden bei den Vorle— ſungen empfohlen worden. *) Hofrefeript vom 4. April, 2*) Hofrejeript vom 20. Dctober. **) Hofdecret vom 3. October. 527 Mit dem Schuljahre 178% wurden die beiden Fächer der philofophifhen Rechtslehre, weldhe visher un: ter zwei Lehrkanzeln vertheilt waren, unter einem Lehr: amte vereinigt. Es erhielt nämlich die Kanzel des Na: turrechtes im erften Sahrgange, gegen das Fach der In— ffitutionen, welches demfelben abgenommen und mit den Pandecten vereinigt ward, die Fächer des allgemeinen Staats: und Völkerrechtes, wie auch des Krimi: nalrechtes. Diefe Kanzel des vereinigten natürli— hen Rechtes bekleidete noch Prof. Joſeph Schufter bis ins Jahr 1796, worauf dann Dr. Martin Adolph Kopez zu derfelben angejtellt wurde. Vorgetragen wird gegenwärtig das philofophifche Recht nach Zeillers Lehrbuch über das natürliche Mrivatreht”), und nah von Eggers Erläuteruns gen des Martinifhen Staatsrehtes"*). % *) Hofteeret vom 20. März 1805. 9) Hofterret vom 7. Eeptember 1810. ’ Die Legenden auf dem Numus des Herzogs Boleslam (2). IRRE (In der Beilage zum 2. Hefte diefer Sahrbüder, und ©. 234 daſelbſt.) J0 Sie lauten, und zwar auf beiden Seiten, ganz auf die gewöhnliche Weife, d. h. von der Linken zur Rechten ges leſen: J. Jene auf dem Avers mit den beiden Schwer— tern: DEO. ELEVAVI ; vermuthlich dieſe Enses, nad) der damaligen Sitte, beim landesherrlidhen Eid. Dad Kreuz ftatt des dritten E darf uns nicht beirren, defto weniger das eine verkehrte E und das B ftatt E, da es auf Münzen des Mittelalters an aͤhnlichen Beiſpielen nicht fehlt. — II. Sene auf dem Revers mit dem verzeichneten Brufte bilde (eigentlich einem Hahne, nicht nur in der Abbil- dung, fondern auch auf dem von mir genau geprüften Driginal): CHAO MEVM ID esT z. Chao mit ver- kehrtem C, abgekürzt. für das griechifche zaixog, d. i. Aes. Das E wie ein C, dad D verfehrt, das T fhiefs liegend, weil es für das ES bereits am Naume gebrad. Somit Aes meum id est, zum Unterſchiede von anderen, durch die vorhergehenden Negenten geprägten, und in jenem Neiche, für welches diefe feltenen Denare be ftimmt waren, bereits früher gangbaren Münzen. Prag am 45. Mai 1850. Prof. Millauer. j 529 Bon Joſeph Schön EERTEET EEE | 1. > a a A So fol ich denn bereitö, du traute Flur! von binnen zieh’n ? Soll ohne Dank und Gruß, fo herzlos nur und Falk, dic fliehn? 2 Wein traute Flur! So viel vielleicht der Neid auch von mir fprichtz fo ift gleichwohl gewiß Undankbarfeit mein Sehler nicht. Nimm hin demnach, nimm hin du wirthe lich Thal! nimm meinen Dank! Dein denkt der Fremd» ling fiher überall und lebenslang. Wie follt ich auch ver- ‚geffen, euch ihr Höh'n, vom Wald umthront, in deren Schoß das feltne Gerngefehn und Liebe wohnt; wie dic) vergeſſen? Bach, der hell und rein, den Blik nicht trügt, der murmelnd, oft in füße Träumerei'n mich eingewiegt; euch Felfen, die der Schörferwinf des Herrn emporges thürmt, die ruhig ftehn, wenn auch von nah und fern der Donner ſtürmt; dich Wiefengrund, zum fhönften Aus gentroft mit Grün gefhmükt, deß Hoher Neiz, vom Flüß— chen raſch durchtost, mich oft entzükt. Wo nur ein Bad auf blanfen Kiefeln wallt, da dene ich dein’, bei jeder Felſenwand, bei jedem Wald, gedenk' ich dein. Und fänd’ auch wohl auf meinen Reifen ich ein fchön’res Thal, je doch fo edle Menfchen finden fich nicht überall! _ Bei: So fang ih — dein der Lefer wird hoffentlich. ſchon gemerkt Haben, daß da im gemeinen ſchlichten 570 Kleide*), mie das befannte Liedchen fagt, eine parnaffis fhe Gabe, wenn auch aus dem Weiherchen, den der Abs fluß der Hippokrene bildet, gereichet worden, und ift von altersher gewohnt, jede Sylbenzählerei einen Gefang, ein Gedicht fhimpfen zu hören. Go fang ich alfo am 6. Oe⸗— tober AS15, die Zeche ausgezeichneter wirthlicher Auf nahme, nach Art armer Poeten, mit baaren Neimen bes zablend, was um fo leichter ging, als da weder auf ges reimte noch Elingende Nichtigkeit gedacht ward, denn — — ich wohnte im Prämonftratenfer = Chorherrenftifte , ges gründet vom Herzog Sobeslaw I. (Selbſtruhm**), in fauftrechtlihen Händen zur. Huſſitenzeit**), und wieder zwei Jahrhunderte darauf an feine rechtmäßigen Beflzer bis heut zurüfgefehrt. Das Andenken des würdigen Präs Taten hat diefe Zeitfchrift im zweiten Hefte d. 3. ©. 262 gefeiert, und der Empfang, der dem Gaſte Durch volle acht *) Es geſchieht dies aus Buße, falls ih je, wie mancher Mitbruder in Apoll, an kurzen und langen, am Ende mit Keimen, am Anfange mit großen Buchſtaben verfehenen Zeilen eigener Fabrication Freute gehabt, und ift fiber fein Mittelchen erfprießliher für einen angehenden Verſe— mann, wenn er eben im Begriffe ift, ein Nad zu fhlagen, demüthig auf jeine Pfauenfüfe zu blifen, als wenn er feine Berslein wie Profa fhreibt, wo fih dann fo viel fhiefe MWortwendungen, verrentte Size, Worte mit wenig Aus— druf, oft nur vom Reim hereingezwungen, finden, als man es nimmermehr geglaubt, fo lange fi das Product- den, als Ders gefchrieven,, gar auferbaufih ausnahm. Freilich würde dann fo mancher Almanach gar ſchmählich ausjehen, aber aud am lieben Papier würde in etwas erſpart. *) Vorgänger des Könige Wladislaw J., Sieger über Kaiſer Lothar, den er bei Chlumec oder Kulm, einem im 3. 1813 eben jo verhängnißvollen Punkte wie im 3. 41126 gefan- gen nahm. **) ine wichtige politifhe Rolle fpielte damal zu Prag der im 3. 1422 enthauntete Chorherr Johann von Selau. 331 Zage von allen andern geworden, mill blos ‚angedeutet ſeyn, da einige Umftändlichfeit hierin dem Lobe in’s Ane geficht ähnelt, Das nicht leicht jemand vertragen mag. So kehrt denn diefes Bild zu feiner Urbeftimmung, zur Landichaftsmalerei zurüf, nachdem es nebenher von ans dern Bildern im Innern eine vergnügliche Anficht genoms men. Diefe hängen im Vierek des Eonventganges, und ſtellen alle Aebte des Stiftes vor, feit der Gründung bis anf die neneite Zeit, alles mit entfprechenden Infihriften, wo man fich denn nicht genug verwundern mag, darunter auch gav fo junge, deren Gejtalt wohl nyr 20 Jahre vers räth, zu finden. Es iſt dies ader ein artiger Gedanke des verfloffenen Jahrhunderts, wo der damalige Prälat fih und alle feine Mitbrüder, die Cleriker nicht ausges nommen, malen lief, wonach fomit mancher zu Infel und Stab gelangte, den er in der Wirflichfeit nie getras gen, dazu aber auch im der Zufchrift, Name und Ihaten des feit Jahrhunderten Entfehlummerten darzuftellen bes rufen ward. Bliken wir jedoch nach außen, fo fehen wir fehr ftatts liche Gebäude, die wohlbethürmte Stiftskirche, die Prä— latur, für fih, aber zufammenhängend mit dem Gonvente, Meierhof und Beamtenwohnungen, Gärten überall dazwi— ſchen, alles in ziemlich befchränftem Naume gleichfam im anfehnfich erweiterten Flußbette der Zeliwfa, Die dem Stifte den Namen Zeliw reichte. Der Deutfche, der ihn in Selhau verkehrte, Fann fich wenig dabei denken, als etwa noch verfehrter, eine Seelenau, eine Au ald Zus fluchtsort frommer Seelen; der Eeche aber findet noch) mehr Kloftermäßiges darin, wenn er den Namen von Ze- liti, büßen, bereuen, berleitet, da ſich alle Klöfter vor Alters als Bußorte für engelveine und ſchuldbewußte Flüchtlinge aus dem Weltgewirre öffneten. Der Orden ‚endlich benüzte des Flüßchens Namen, um das Gtift las teinifch: Silo& zu nennen, eine freundliche Erinnerung 332 an den fo wieder belebten biblifchen Brunnen unter Jeru— falems Mauern. D Diefer Bach oder das Flüßchen, denn er ift beiders let Geſchlechts, bildet num einen gar traulihen Thalgrund, und begränzt den faborer Kreis, aus dem er von Rothe Reẽic (gleichfam Rothflüßchen) hereingeſchlichen; aber da= bin, und gegen Deutſchbrod, dann gegen andere Geiten überall muß man waker bergan, aus jtiller anmuthiger Derborgenpeit. Ja, alle diefe Theile von Südbohmen haben den Charakter weithin verbreiteter, feierlicher Stille. Wißte man nicht, daß Nordböhmen gewerblicher, bevöl— ferier und ſtraßendurchzogener fey, zu welch’ lezterem Zwefe fogar die Elbe das Ihre beiträgt; man würde das bier von felbft, ohne Topographie und Bevölkerungsliſten begreifen, fo wie das rauhe Clima in diefem Süden, im Gegenſaz anderer Länder fich überall äußert. Zu Deutfchbrod hatte man mich aufgelefen, und wil— fig ließ fich der Planloſe hinführen, wohin eben der Zus fall winfte, zuerft nah Okrauhlic, die Sazawa hinab, die hier in etwas an die Mur erinnert, nur daß fie Feine, fo grünlichen Wogen wirft, Feine fo bufchreichen luſtigen Ufer hat, und von feinen fo Hohen Bergfpizen unabläffig umgürtet ift. Hier öffnet fi) fogar die Gegend ziemlich. Zahlreihe Schaaren von Ungarn und Deutfchen hatte fie einft, da fie vor den Hufliten im J. 1422 flüchtend, der Eisrinde tranten, bei Deutfihbrod verfchlungen, und fie fhien ganz willig auch mich aufzunehmen, als ich allein anf ſchwankendem Kahne ruderlos hingleitete, Indeß nım zu Okrauhlic die Sehnſucht nah den Gtudienjahren zu Königgräz und der damaligen Sefuitenzeit, im Anblik des dortigen Profeffors, den alten Gaftfreund bei einem: Laetamini o socii, nastaly wakace ete. faft zu Thrä— nen rührte, verging der Saft am Fenfter vor Gehnfucht, Das noch ſtark erhaltene, bei herrlicher Umleuchtung fich prächtig in feinen Trümmern darftellende Lipnic (Lin: er > RL 535 denau) zu fehen. Hier hatten die Herren Treka, dann zu Welis bei Giejn, die Compactaten verwahrt, hier Bifchof Herrmann taboritifhe Priefter geweiht, über 60 Jahre darauf (1482) dev -utraquiftifche Bifchof Auguftin aus Ita— lien gewohnt, und zu allen Zeiten war das eine der an— fehnlichften, jtattlihften Velten gewefen. Aber ich mußte nah Deutfhbrod") zurüf, und fortan meiftens durch Waldgründe, an Worlif vorbei, das noch in fpärlichen Trümmern prangt, indeß das gleichbenannte an der Mols dau, aus denfelben, in einen reizenden Fürftenfiz umwan— delt, im Namen (Adlerbrut, ein junger Aar) an die Sage von einem da durch Adler geranbten Kinde, dem nachherigen Gründer der Veſte erinnernd, felbft Rußlands Herrfcher, im Befuche des Siegers bei Leipzig, gaftlih zu empfan— gen würdig befunden ward. Und bald rollt man durch Humpolec und immer tiefer nad) Selau hinab; Humpo— lec, ein Städtchen, bekannt als Werkftätte unglaublich wohlfeilen Tuches, das denn freilich auch darnach iſt; und eben fällt mir der Generaltroft eines Alten bei: „Nako bylo, bude üak, fprechen die von Kumpolec!“ blos deß— balb, weil die durch wegfallende Geſchlechts-Hilfszeitwör— ter und gedrängtere Drthographie ungleich Fürzere böh— mifhe Sprache in diefem einfahen Saze, dem Deutfchen eine harte Ueberfezungsnuß bietet, da fich diefe vier Worte fhwerlich anders als mit diefen zahlreichen, finns gerecht ausdrüfen laſſen: „Es ift bisher auf irgend eine „leidliche Art gegangen, und wird wohl auf irgend eine „Art noch gehen.** ' 2 *) Ein hybridum , halb deutſch, halb böhmiſch, ftatt: Deutſchfurth, als Stadt, nicht uneben gebaut, mit einem ehemaligen Auguſtinerkloſter, izt von Prämonſtratenſern, Profeſſoren am hieſigen Gymnaſium, bewohnt, in einer bedeutenden Tiefe, von Prag aus erſt ganz nahe ſichtbar, gegen Wien einen anfebnlihen Berg im Augeſicht. 534 Und wieder bergauf ging es dann von Selau nach Bogflawie (Shladtenrudm), tief bergab nad) Zas hradka (Gärtchen), fehr richtig benannt nach den Bergen ringsum, und fort und fort bergan, bergab nach Leded (Eisau), wieder an die Sazawa, die fich hier köſtlich ausnimmt, zumal von der alten Burg herab breit einhers ſchimmernd, zwifchen malerifchen Bergwänden und Fels: fpizen mit Kreuzen. Wie aber laut Erfahrung endlich alles zu Ende geht, fo auch hier die Berge, und es er— fliegt fi) etwa zwei Meilen vor Caſlau eine feheinbar unermeßliche Ebene nad) allen Seiten hin, vorzüglich ges gen Norden zu, wo erft das Niefengebirge, etwa in einer Entfernung von 14 Meilen, den Horizont begränzt, alles baumreich und erfreufih, von zahllofen Kirchen, fernen Höhen und Ihurmfpizen unterbrochen, fihöner fruchtbarer Boden, um Caſlau günftig der Stefrübe, wogegen im Rüken, um Selau, ein trefflihes Flachsland. Wir haben jedoch das Meifte da oben in früheren Bildern fchon gefehen, und fehren daher von Caflau, das’ feinen Namen dem Stammvater der Grafen Woradicky von Pabenic, als Gründer dieſer Kreisftadt verdanken fol, wieder in den unfüdlichen Süden Böhmens hinauf, eben bis Roth-Janowic (auch ein Baſtardname, gleichfam Noth = Sohannsort), dann immer hügeliger, bis Hügel in Berge übergeben, durch Ibraflawic, bei Zrud über bie Sazawa, die hier mit der ihr zueilenden Zeliwka ein gar freundliches Thal bildet, nah Sautic, ein Schloß, verfchönert durch Parkanlagen, die trefflihe Blife auf die Zeltwfa hinab gewähren, dann meift eben durch verlorne Dörfchen, ftille weite Wiefenfluren und Waldgründe in das Städtchen Naceradec, den dicht bewachſenen Bla— nif vor Augen. Wie befannt, fpielt diefer eine Haupte rolle in den Spinnftuben, im Sagen: und Mährchenfreife Böhmens, birgt anfehnliche Maſſen von Nittern aus dem Gefolge des Heil. Wenzel in feinem Schoß, wie man 355 denn, wer eben fiharfhörig ift, im Innern des Berges deutlich die Noffe wiehern hört, und, wenn man das Glük Hat, am Fuße desfelben Eleine Urinbäche, als unwi— derlegliches Zeichen ihres Dafeyns und Wohlbefindens, fehen kann; wonach denn auch jene, denen die Tezten Kriegsjahre, oder die Gegenwart überhaupt nicht recht zufagen will, fich tröften und belehren mögen, dag es noch ‚Lange nicht fo fchlimm war oder ift, als fie ſich verdüftert vormalen, allermaffen erft dann, wenn es wirklich recht fhlimm, ja überfchlimm im Lande feyn, alles bunt über Ek gehen, und Zeindesfchwert und Feindeshuf alles rings— um in Böhmen vernichten und verheeren wird, befagte Ritter hervorbrechen, alle Fremdlinge verjagen, und eitel Friede, Freude und goldene Zeiten herftellen werden, alles echt und wahr, da die Berichterjtatterin niemand anderer iſt, als die uralte Pranoftifa”), diefelbe glaubwürs dige Perfon, die ald Sibylle aus der Unterwelt rüffehs rend, uns berichtet, daß dafelbit vor dem Ihore der Has geitol; Sand in Garden binden, und die unbezähmbare - alte Jungfrau, Schwefelhölzchen verfaufen muß. Eben fo einfam geht es dann fort durch feltene, eben fo auögeftorbene Ortfehaften, wie das erwähnte Städtchen, durch wenig anfprechende, keinen Eindruf hinterlaffende Sluren nah Tabor, und noch einfamer die fünf Meilen von da nach Piſek, meiltens durh Wald, auf Spuren einer Kunftftraße aus Dlimszeiten, ein Beleg, daß man in Böhmen auch im Mittelalter welche der Art gefannt, über Bernardiz(Bernatice), ein Duodezftädtchen, wohl fih im J. 1440 ein Theil der Ultrataboriten zurüfgezos gen, (wenn die Chronik nicht etwa Vernatiz im pilfner Kreiſe meint), dann mittelft eines Iuftigen Durchhau's im ze bes Volks bald eine Mähre, Sage, bald Prophezeiung h ) Berfehrt aus tem griedifhen Prognosticon, im Sinne und Wetteranzeige. 556 Walde, an die fteifen Ufer dev Moldau. Das Häuschen für den Fährmann, weithin aufs und abwärts des Stro— mes tief abgeſchieden, die Ufer beiderfeits fo kahl, nichts als das fchwellende Waffer an den breiten Machen fehlas gend, und fehattende Wolken hoch oben dahineilend, alles ein Bild finnender Einfamfeit, wie ich fie bei Feiner Ueber fahrt je gefehen. Und wieder eine ausdrufslofe Ebene, mit verflahhten Hügeln, Sandfeldern und Kiefergruppen bis Pifek hinab. _ 5 Ein Querflug über die Südſpize Böhmen mag den leichten Umriß diefes Theiles der Heimath befchliegen. Das Bild: „Böhmens Südweſt und Nordoft“, zeichnete bereit3 den Zug von, Klattau, dann von der paflauer Gränze nach Pifef, und fo wandern wir von da an nad) Moldautein (Zein, wohl von tegno, ein Verftef, ein abgelegenes heimliche Dertihen). Durch lauter Wald, erft Nadelgehölz, dann Buchen, gelangt man auf Landwegen gerade dahin, mit einem geringen Ummege der Kunftitraße halber, über Protiwin, von da, wie von Wodnian aus, über nichts fagende Flächen mit Wald abmwechfelnd, nur daß rechts Hohenhradek (Hochſchlößchen) mit einigen Baumreihen das Auge an fi) zieht, in die Schlucht hinab, wo ſich die überall fteile Ufer Tiebende Moldau hindurchzieht. Eine hölzerne Brüfe führt hinüber, Die Stadt felbft von leidlicher Bauart, mit einem fürfterjbi- fhöflihen Schloffe, ziemlicher Schiffahrt und guten Märk— ten, liegt am vechten Ufer. Bon da an blos einförmiges fades Feldland bis Sobeslau (Selbſtruhm, nach gleich» hamigen Herrfchern Böhmens) an der Luznic, die Eomifchen Laufs, nordwärts nad Tabor eilt, um fi) noch tiefer herab, als fie bei Sobẽslau gewefen, zu ſchlängeln, und bei Zein mit der Moldau zu vereinigen, Dann weite wohl angebaute Gefilde an fanften Anhöhen, von fern wie eine anmuthig eingetheilte Zeichnung, aber mit feltenen, weithin zerftreuten Ortſchaften, bis Kamenic (gleichfam a N 5537 Steinau), ein ärmliches, doch reines Städtchen, mit Gi: fenwerfen und einem gewaltigen Schloffe , deſſen ſaalmä— ßige, im J. 1825 unbewohnte Zimmer in einem Thurme (die Zugbrüke ward vor nicht gar langer Zeit beſeitigt) endigen, wo der zeitweilige Bewohner, der Schreiber die— ſes, jedes Räuſpern in der andern Eke des hohen weiten Gemachs, als lautes Echo wiederkehren hörte. Mehr Lärm als fo geſpenſterartige Wahrzeichen der Anweſenheit eines Lebenden, gab es da zur Huffitenzeit, wo Agnes, des eben verblichenen Hrn. Profops von Auftie Tochter, die Vertheidigung der ganz eben gelegenen Veſte übernahm, und eine fo tapfere Gegenwehr den ftürmenden Zaboriten entgegenftellte, daß ihr endlich Prokop der Große, vor dem Deutfchlands Nitter und Fürjten fo oft ge: flohen, und alle Länder ringsum gezittert, ihr, dem Mäd— hen, nach vierzehntägiger Belagerung freien Abzug nah Neuhaus geftattete *). Ein lebender Zeuge ſolchen Helden- muths ſteht noch da. — Wie? mas? ein lebender Zeuge, der vor 400 Jahren da gewefen ? — Ei freilich, eine Linde im Schloßgarten, deren uralte Schriften bereits erwäh— nen, ein Gegenſtük der eben fo berühmten zu Bifenz in Mähren. Diefe indeß, auf lauter Balken gefpannt, mit Säulen geftüzt, welche die ſtarken Bäumen gleichenden Hefte tragen, überdies mit geftuztem Strauchwerf, duch das natinliche Ihren gebrochen find, im Eirkel umgeben, *) Ich folge bei folhen zu/ällig eingeftreuten hiſtoriſchen Zügen einem Dange, den wohl fehr viele Yejer theilen, und Fleury in feinen Betrachtungen über die Kirchengeſchichte (zweiter Band, ©. 191. Wien, bei Trattner) am glän— zendſten rechtfertigt. „Ich halte auf die Geſchichte fo viel, „daß, wenn ich einen jungen Menſchen in den Wiſſenſchaf— „ten zu unterrichten hätte, ich von vderjelben anfangen „würde. Das war die Meinung des Erasmus, welder „in dieſen Sachen, wie in vielen andern, ein guter Ken— „ner war, — Sabrbücher. I. Band. 22 358 gleicht einem Saale, angeblich mit Raum für ein ganzes Regiment, und wird Diefer niedrig gehaltenen Geftalt nad, ganz nahe daran Faum bemerftz; jene aber ungefünitelt, ununterſtüzt, ihrer natürlichen Freiheit überlaffen, maje— ftätifh an Höhe und Umfang, feheint im fallenden Laube und in allen Zweigen, vom Winde fanft durchhaucht, von fernen Tagen, von Agnes und Profop zu flüftern, Wir folgen dem Fühnen Fräulein nah Neuhaus. Wir gewahren bei Weelnte eine offene liebliche Gegend, ein freundliche® Schloß am baumumfchatteten binfenum: gürteten Teiche”), wir rollen durch manche nicht unebene Flur, bis fih Neuhaus in ftattlicher BaulichFeit vor und an einem bedeutenden Teichfpiegel ausbreitet. Die Häu— fer überragen allerdings manche Kreisftadt Böhmens; die Umgebung als Landfchaftsbild ift von fehr geringer Erheb- lichkeit. Weiße Frauen gab es genug zu fehen, und Eopf- lofe Neiter, die in der Gegend, nach Balbin, den Neifene den erfchrefen, find in der ganzen Welt Fein Unerhörtes, beide aber fehr friedficher, gefpenfterlofer Natur. Wir end» lich, Die wir das Necht haben, ung mit Geifterfcehnelle vor: und rükwärts zu verfezen, find. eben fihon wieder in Ka— menic, durchbrechen das endlofe, jtellenweis für mande Drtfchaft ausgehauene rauhe Waldgebirg, das fich gegen Mähren zieht, gewahren uns, von Nebelfchauern umrie— felt, bald über der Gränze, in der Nähe von Gaar in Mähren, und beenden fo den oben angedeuteten Duerflug durch den füdlihen Saum des VBaterlandes. *) Der Fifher fingt im Kahne, der gemach Im rothen Widerjbein zum Ufer gleitet, _ Wo ver bemoosten Eiche Schattendach, Die nezumhang'ne Wohnung überbreitet. Erinnerung am Genferfee, von Mathiffon, 2: Der Gorfo zu rief. Bon Karl Zofeph Ezoernig, 4040404 Trieft, am Aſchermitwoche 1330: &; gab eine Zeit, mo die verfchiedenen Stände noch nicht, wie in der altflugen nüchternen Gegenwart durch die kalte ſchroffe Scheidewand der Convenienz getrennt wurden, die die fogenannte vornehme Welt in langwei— lige Salons, die Mafe des Volkes aber in rauchige Schenkſtuben verwies. In jene Zeit fiel die Entwikelungs— periode, das Blüthenalter der Völker, wo jede Nation ſich als ein untheilbares Ganze betrachtete, und von einem Glauben befeelt , nach demfelben Ziele ſtrebend, durch vers einte Ihatkraft Begebenheiten hervorrief, deren Erzählung wir mit ſtaunender Bewunderung vernehmen. Allein nicht blos an Thaten war diefes Zeitalter reich, es vage auch hervor durch fröpliches Treiben und duch Fülle wahren Lebensgenuffes, der fich auf eine poetifche Auffaffung des Lebens gründete, und durch gefellige Freude ausfprachs Breilich mag der reflectirende Verftand in dem luſtigen, wilden Uebermuthe jener Tage den feinen Anftand und das glatte Benehmen unfrer cultivirten “Zeit vermiffen:: erfennt ja auch das gereifte Alter die Thorheit des jugend» lichen ungeftümen Dranges, und doc fehnt es ſich nad) der diefem eigenthümlichen fügen Täuſchung zurük, die | Dornen mit Rofen verhüllt, und traurige Eindden in reizende belebte Gefilde verwandelt. Der reine Quell fitt: licher Würde ftürzte fih damals ſchäumend über rauhe ; 23” 540 Felſenklüfte, jezt fchlängelt er fich zierlich durch fette Wie- fen; es ift aber derfelbe ewige Urquell, nur in veränder: ter Umgebung. Wenn gefellige Freude, gemeinfchaftliche Luſtbar— feit fehon überhaupt dem Charakter des damaligen Volks— lebens entfprachen, fo mußten fie fih um fo eher und ſtär— fer unter dem milden Himmelöftriche Staliens bemerkbar machen, wo die ftetö heitere Luft und die wärmende Sonne die Menfihen zu öffentlich gemeinfamer Thätigkeit einla= det, und das heißere Blut die Bewohner zu lauten Ver— gnügungen antreibt. Hier bildete ſich zuerft das bunte Faſtnachtsſpiel aus, deſſen jährlich wiederkehrende Herr— ſchaft allen gefellfchaftlichen Zwang verbannte, und gewiſ— fermaffen beftimmt ſchien, Die Epifode des fröhlichen Ju— gendtreibens durch das ganze Leben feſt zu halten; hier erreichte der Carneval feine höchſte Ausbildung, und er— hielt fich in fhwachen Umriffen bis auf die Gegenwart. Freilich hat er num nicht mehr das frifche Leben und die volfsthümliche Bedeutung, die ihm einft einen fo hohen | Reiz verliehen; doch find feine Leberreite, wenn aud nur als Hifkorifche Erinnerung, immerhin noch intereffant, und haben einen um fo gegründeteren Anſpruch auf die allge: | meine Aufmerkfamfeit, als die ſtets weiter um ſich grei, fende weltbürgerfihe Gultur alle befonderen Einzelnheiten | in Sitte und Gebrauch allmählig zu verdrängen droht. Unter die noch vorhandenen Bruchftüfe folder aus alter Zeit ffammender Volksluſtbarkeiten gehört auch der Corſo zu Trieſt; er unterfcheidet fich einigermaffen von ähnlichen Ergözlichfeiten, die unter demfelben Namen in verfchiedenen Städten Staliens Statt finden, und fpricht uns Deutfche ganz befonders an, da er auf deutfchem Bo— den und zum Theile auch von deutfhen Bewohnern beganz gen wird. — Nachdem der Garneval durch Tanz und Spiel gehörig gefeiert worden ift, wird er durch die anziehendfte, heiterfte und unfhädlichfte aller Unterhaltungen würdig Sl befhloffen. Der fogenannte fette Donnerstag, befonders aber die Iezten drei Fafhingstage find ihr gewidmet; bald nach Tiſche füllen fih an jenen Tagen die Pläze und Hauptitraßen mit einer zahlreichen, die Eifenz der ganzen Bevölkerung bildenden Verſammlung, zu der alle Stande gewiffenhaft ihr Eontingent ftellen. Der Gentleman eilt von der Tafel, der Kaufmann verläßt die GSchreibftube, ber Handwerker fehließt feine Werfftätte zu, und der Facchino fliept das Magazin, um fih in jener zwar nicht gefchloffenen aber gemifchten Geſellſchaft zu präfentiren. Bald machen fih in dem wogenden Gewühle einige Mas- fen, meift aus der. untern Glaffe bemerkbar; der Matrofe blaͤht ſich behaglich als Nitter oder ald Spanier auf; ein Eriegerifcher Muth fährt in den ciabatin*), diefer aber in eine Hufarenuniform. Mancher Hält fich durch eine ähn— lihe Zraveftirung ſchon für unfenntlich genug, und ſchrei— tet, die läſtige Gefichtsmasfe verſchmähend, mit felbitge- fälligem Lächeln durch die Verſammlung; auch weibliche Masken fcehlüpfen, von einer fröhlichen Jugendſchaar ver: folgt, hie und da durch die Menge, und ſuchen ihrem viel: Teicht fchon zu befannten Gefichte durch eine ſchwarze Larve wenigftens den Neiz der Neuheit zu, geben. Inzwiſchen— werden alle in der getreueften Stadt vorhandenen Roſſe und verfcehiedene andere Zugthiere des gemohnten Frohn-⸗ dienfted vor dem Güterfarren enthoben, und mit gehöri- gem Aufpuze vor elegante Equipagen oder auch minder vornehme Fuhrwerke gefpannt. Nun erit, wenn die Wa— gen theils mit Eoftbarem Inhalte, d. h. mit ſchönen veich und gefhmafvoll gepuzten Damen, theils mit Kindern, - Masken und anderem Troſſe beladen, auf dem Plaze er- feinen, fängt der eigentliche Eorfo an, der nichts anderes it, als eine Spazierfahrt in der Nunde durch die bedeu- tendften Stadttheile. Der Zug beginnt auf dem Börfen- - *) Die gemeine Benennung ver bier ſehr vanfigen Schuhflifer. 342° plaze, und geht in _Itrenger Ordnung und gefchloffener Reihe längs der ſchönen Eorfo= Straße bis zu dem foge: | nannten alten Schranken hinab; dort wendet er fih, um anf der anderen Seite der Corſo-Straße über den Börfene plaz nach dem großen Plaze zu gelangen, von wo fich die Runde über die Straße am Mandracchio und den Theater: plaz auf dem Börfenplaze ſchließt. Derjenige Theil der fhönen Welt, welcher in den Befpannungen feinen Siz finden kann oder will, gibt fich auf den Balconen, womit | faft jedes Haus verfehen ift, den forfchenden Bliken der verſammelten Menge preis, während die neugierige Schaar der Zofen und Mägde, ſo wie die Mädchen der minderen Stände die Zwiſchenſtöke und die Gewölbe des Erdgefchoffes in Befchlag nehmen. Doch alles, was bis: ber angeführt wurde, macht nur die Einfaffung, den Nah: men zu dem bewegten und lebensvollen Bilde, das fich nun dem Auge des Zufchauers darbietet. So wie fich nämlich die Einzelnen anfpruchlos in der bunten Mifchung verfchmelzen, fo fällt in diefen Stunden auch der Schranfen rüffichtsvoller Abfonderung und hHöflicher Ehrerbietung, welcher fonft die verfchiedenen Stände, wie die beiden Ges fehlechter von einander trennt; die Eigenthümlichkeit der nekenden Begrüßung folget befonderen Negeln, und beugt fi nicht unter die Herrfehaft des gemohnten Anſtandes. Seder wird in den Zuftand der urfprünglichen Sreiheit verfezt, und der Gebrauch, den er hievon machen will, hängt lediglich von feiner Laune ab, Doch was iſt es denn eigentlich, frägt mich der Lefer, was dieſe feltene Vereinigung der Volksmaſſen bewirkt, und eine folhe Ummälzung in alle Verhältniffe der gefell- fhaftlihen Verbindung bringe? Es ift die feindfeligite, und Doch wieder Die wohlmollendfte Abfiht, die heute Sreunde und Bekannte einander gegenüber ftellt, um fich gegenfeitig — zu befchießen. Damit der Widerfprud voll wird, beftimme fich die Stärke des Gefchoßes, dad in Ku— 543 geln jeglichen Ealibers und andern drohenden Wurfmitteln beiteht, fogar durch den Grad der Zuneigung, und das fhwahe, doc, Feineswegs wehrlofe Geſchlecht bildet den befonderen Gegenftand des Angriffes. Diefes Bombarde: ment ift übrigens das füßefte, das je bei einer Belage— rung vorgefommen: denn es wird mit Zufer unterhalten. Die Sitte will nämlih, daß Jedermann fich mit einer Ladung von Zukerwerf auf den Kampfplaz begebe, um feine Bekannten, befonders aber die Damen, durch eine reiche ihnen entgegen geworfene Spende feines Proviantes zu begrüßen, Die Holdfeligen Schönen wiffen diefen fie ehrenden Beweis jarter Aufmerkſamkeit zu fchäzen, und es iſt, ohne unartig zu feyn, ihre Schuldigkeit, durch einerähnliche Erwiederung für den Gruß zu danfen, zu welhem Zweke fie ebenfalls bedeutende Vorräthe von ſchmakhaften VBertpeidigungsmitteln in ihren Carroſſen mit- bringen. Wie ader alles in der Welt dem Gefeze der ei: genthümlichen Schiklichkeit unterfteht, fo werden auch bier die feiniten Nüancen, in der Art des befondern Ausdrufes der Gefinnungen beobachtet. Chrerbietige Hochachtung 3. B. erfordern einen fanften Wurf der ausgefuchteften Eonfitüren im gold- und filberpapiernen Hüllen; Schön— beit und liebende Auszeichnung geitatten einen feferen Anz “ griff mit Bonbons, deren vegetabilifhe Süßigkeit eben: falls noch durch die wäfjerige eines angeflebten Verſes verftärft wird — nefender Uebermuth endlich, fendet eine volle Ladung dragantener überzuferter Kügelchen in das feindliche Gefiht. Freilich bleiben, bei Weberfchreitung des Maßes im lezteren Falle, zuweilen Fleine Spuren der Verwüſtung auf dem Schlachtfelde: aber die Möglichkeit einer ſolchen Befhädigung ertheilt derlinterhaltung in den Augen der Damen einen um fo picanteren Reiz, als die Größe der Gefahr mit dem Grade der ihnen dargebradhten Huldigung in gleichem Verhältniffe fteht. Auch bleiben . jene felten unthätig, und es iſt recht erbaulich zu bemerz fon, wie manches fihüchterne Fräulein, das fich fonft kaum getraut, den DIE vom Boden zu wenden, nun recht waker und muthig mit Freude ftrahlendem Geftichte den Kampf beiteht, auch wohl denfelben durch Fühnen Angriff felbft hervorruft. Dabei muß es feine Aufmerkfamfeit nad allen Seiten theilen, und befonders auf die Engpäffe in den Straßenwendungen bedacht feyn, wo wohl angebrachte Diatterten unter Dichtem Kugelregen fptelen. Den härter ſten Stand haben aber die durch Schönheit und Anmuth ausgezeichneten Mädchen, wenn die Wagenreihe fich feſt— ſtellt, und fie zufällig in die Nähe einiger muthwilligen jungen Herren zu ftehen Fommen. Da hat jeder Unter: fhied und jede Schonung ein Ende, ohne Schuz und Schirm find fie dem furchtbarften ſtets unterhaltenen Feuer ausgefezt, umd ich ſah es, wie einige der Belagerten, durch Die harte Bedrängnig entmuthigt, mit bittender Geberde ihre Verfolger um Schonung anflehten; aber diefe Hartherzigen Eannten nicht das fanfte Gefühl des Mitleids, und verdoppelten nur ihren unfeligen Eifer, bis bei einer rafch eingetretenen Bewegung des Zuges’ die Lei— denden fich dem Ungeftüme ihrer Verehrer durch fehnelle Flucht entzogen. Dabei find freilich die armen wehrlofen Bedienten am meiſten zu bedauern, wenn fie durch manche ihnen nicht zugedachte Ehrenbezeigung incommodirt werden, oder zur Zielfcheibe fröhlicher Ausgelaffenpeit dienen. Da die Damen hinreichende Beweggründe haben, fich bei diefer Gelegenheit zu zeigen und Eenntlich zu machen, fo gehören die wenigen Masken, die man in dem Aufzuge bemerkt, meiftens Perfonen an, die eim befonderes In— tereffe haben, dem Schaufpiele incognito beizumohnen ; ihre Feierftunde beginnt erft beim Anbruche der Dämmerung, wenn die allgemeinere Verwirrung die früher beobachteten Unterfchiede aufpebt, und eine reine abftracte Luft am Werfen fih des erhisten Publikums bemächtiget. Daß die Männer überhaupt diefen Tagen, die den Kreis ihrer 545 Befugniffe fo fehr erweitern, mit Vergnügen entgegen fehben, bedarf wohl Feines Beweiſes; wo fände fich auch eine günftigere Gelegenheit, der Gefeierten feines Herzens vor aller Welt Augen eine verhüllte Liebeserklärung fo unbemerkt zuzufenden, und, was noch preiswiürdiger iſt, fo fehnell eine unverhüllte Erwiederung zu erhalten? Das Savoir faire if freilicy auch hier unentbehrlich; wie denn überhaupt in der fhlagfertigen Menge aus der Unzahl der unkundigen Neulinge, die den größten Iheil ihrer Mus nitton, ehe fie an den Dre ihrer Beſtimmung gelangt, vers geuden, leicht die geübten Veteranen herausgefunden wers den, deren mwohlberechneter Wurf ſtets Das fichere Ziel trifft. — Während diefes Iuftige Treiben um die Kutfchen die Mitte dev Strafe füllt, geht es zu beiden Seiten der— felben, unter den Fenftern und an den Thüren nicht weni— ger lebendig zu. Auch jene Abtheilung des ſchönen Ge: ſchlechtes, Die hier ihren Poften gefaßt hat, macht Anz fpruch auf die Anerkennung der VBerfammlung, und for dert deren Huldigung, die ihr auch, und zwar nicht blos von der ihe zunächft ftehenden Glaffe zu Theil wird; nur geftaltet fich Hier nach Maßgabe der Streiter, der Kampf zuweilen erbitterter,, und wird mit fchärferen Warten | geführt. | Unbillig wäre es jedoch, wenn der gefammte Auf: wand des bei diefem Gpectafel an Tag gelegten Muthes auf alle eben genannten Perfonen allein befchränkt werden wollte; die Gerechtigkeit erfordert es zu bemerken, daß ein großer, ja vielleicht der größte Theil diefes Anfpruches der hoffnungsvollen, hier befonders zahlreichen Straßenjus gend gebührt, welche ſich mit Fühner Veradhtung der Ge: fahr, troz dem Abwehren der Wachen, haufenmweife zwi— ſchen Pferde und Räder wirft, um das berabgefallene Zuferwerf aufzulefen. Nie ftürzte fih eine Schaar hun— griger Naubvögel gieriger auf die frifhe Saat, als diefe leichtbewegliche buntfärbige Compagnie anf die unter den 546 Wagen liegenden Süßigkeiten; mit feltenem Scharffinne weiß fie die Perfonen herauszufinden, die ihr die meifte Ausbeute verfprehen, und diefe befreien fid dann Teiche ter von ihrem eigenen Schatten, als von jener läſtigen Leibwache. Wenn endlich die eintretende Dunkelheit jedes wei— tere Erkenneu der Perſonen verhindert, verlieren ſich die Wagen, und die Menge zerſtreut ſich, — jeder zufrieden, mancher beglükt, durch den ihm’ zugefallenen Antheil an der Beluftigung. — Es läßt fi denfen, daß an einem folhen Tage eine bedeutende Menge Zukerwerk jeder Gat: tung verbraucht wird, deffen Werth in einem Garnevale oft 10,000 fl. überiteigen fol. Sch wünfchte, der große Grfparnißprediger Hume erführe dies, es würde ihm Stoff zu einer um fo eindringlicheren Rede geben, wenn er zugleich wüßte, daß feine, das Uebermaß liebenden Landsleute einen großen Antheil zu diefer Summe beis ftenern. Allein das ehrenmwerthe Parlamentöglied für Aberdeen möge bedenken, daß diefe den Damen darges brachte Huldigung in der Würdigung des Nationallebens vielleicht eben fo fehr gegen ihn fpricht, ald die den Zufer- bäfern dadurch zufommende Aufmunterung in der National« wirthſchaft, und befonders — daß ed durch die beite Rede nicht anders würde, "TE 347 m 7 Notiz über das Alterthum der Teplizer Bade— Anftalten. Von Dr. Joſeph Erneft Ryba. BEFTELNLIELT IT Var in allen neuern Befchreibungen von Tepliz finde ich die Behauptung it Di daß die Gefchichte der dor— tigen Badeanftalten erft mit dem Jahre 1580 oder 1589 beginne, zu welcher Zeit dad große Männer-, Weiber: und das Frauenzimmerbad dur Radislaw Wchynſky (Kinſky) vollendet worden fy. W. C. Ambrozi*) erzählt: „Radislaw von Wehyniz machte fich zuerft durch Anlegung des vortrefflihen Baues der Bäder verdient.‘ Und an einer andern Stelle**): „der Chynezifche (wchyn⸗ ſtyſche) Bau des großen Männerbades, der zwei Weiber: bäder in der Stadt, und des Frauenzimmerbades in der Vorſtadt, wird in das Jahr 1580 gefezt. Radislaw der - ältere, Freiherr v. Wehynic und Tettau, fol diefe Bäder, wie fie noch izt zu fehen find, angelegt und gebaut haben.“ 8. A Reuß***) fagt: „die eigentliche Ge— fhichte der Heilquellen beginnt erft mit dem Jahre 1589, in welchem Jahre das große Männer=, die zwei Weiber: und das Frauenzimmerbad durch Radislaw Wehynffy voll: endet wurden.“ Andere Schriftiteller, welche diefe Anga— *) Yhnfiih « hemifhe Unterfuchung der warmen Mineralquel- fen zu und bei Teplis. Leipzig, 1797. 8. ©. 10. ”) 4009. ©. 77. **) Tafchenbuch für die Badegäfte von Tepliz. Tepliz, 1823. ©. 48. ’ 548 ben den eben genannten Topographen geradezu abgeborgt hatten, darf ich mit Stillfehweigen übergehen. Die ältern Schriften über Zepliz, fo fern fie mir befannt find, fagen hierüber nichts Beitimmtes aus. An verfchiedenen Ber: muthungen fehlt es freilich nicht. Go fhlieft Dr. Troſchel*) aus der eigenen Bauart diefer Bäder, daß namentlich die darin befindlichen Wölbungen viel älteren Urfprungs ſeyen. Ein Ungenannter *”*) läßt ſich über die⸗ fen Gegenftand folgendermaffen aus: „Schon in frühern Zeiten werden doch die Menfchen nicht bei offenen Ufern die Quellen zum Baden betreten haben; auch läßt ſich dieſes von dem Befize züchtiger Nonnen, jawohl zum Theil ſchon von den erften Befizern erwarten, daß fie doch einige Einfaffung um die Quellen werden gemacht haben, wenn gleich Fein Document darüber vorhanden ift.“* Ein Gediht von Thomas Mitis***), worauf meines Willens bisher Niemand in diefer Beziehung bins gewiefen, fezt die frühere Entftehung der Teplizer Badean— falten außer allen Zweifel. Diefem unbeftreitbaren Zeug: niffe nach hatte, lange bevor die Wehynffyfhe Familie *) Allgemeine Bemerkungen über die Teplizer Waſſer. Greiz, 4 A **) Befchreibung von Tesfiz in Böhmen. Vrag, 1798. 8. ww ©.i2c: ***) Ad D. Johannem Hoddejovinum Jdillion de Thermis Teplicensibus sub ditione supremi D. notarii in Reg- no Bohemiae, im zweiten Bante ver Farrago poema-. tum ab aliquot studiosis Poeticae Bohemis scripto- rum adD. Joh. Hoddejovinum ab Hoddejova. fol. 241. Diefer Band trägt die Sahrszahl 1561; die meiften darin aufgenommenen Gedichte find jedoch offenbar viel früher fer: tig geworden. Der bier erwähnte Gründer der Teplizer Badeanftalten, Wolfgang von- Wtefowic, wird von Pubitſchka Cihronolog. Geſchichte Böhmens, Th. VI. 50.3, ©. 153) ſchon bei dem Jahre 1547 ald neuer: nannter Landfchreiber vom Böhmen aufgeführt. 549 zum Belize von Tepliz gelangt, fihon ein früherer Guts— herr, der oberfte Landfchreiber in Böhmen, Wolfgang von Wrefomwic, mit vielem Aufwande zwekmaͤßige Bade— anftalten bei den Quellen errichtet, deren umftändliche, in folgender Stelle des angeführten Gedichts enthaltene Bes fchreibung feldft noch mit der heutigen Geftalt und Eins richtung der Teplizer Badehäufer in vielen Stüken zuſam— mentrifit. Heros Volfgangus thermas muniyit et ipsas, Utpote seryandas divini muneris instar, Corpora ne possint cerni nudata lavantüm: Intus at exciri cameras curavit, in illis Res habitatorum tuto serventur ut Omnes, Et nil tollatur peregre venientibus (ante Quod multis solitum est contingere). — Lympha decenter Aedibus haec unis, et muris undique clausa . Fumat, ut hic sexusque cohorsque virilis, at illie Matronae, Venerisque seges Nymphaeque la— ventur Corporis eximii, calidis mundentur et undis Immunda, et morbis languentia quaeque leventur. ı) His et pauperibus mendicis altera praebet Hospitiumque domus, sanos simul arcet ab aegris, (Quam construxit eis ductus pietate suaque, Hortatuque bono Catharinae conjugis, olim „ Quae genus a Maltitz traxit cum stemmate claro, Heros Volfgangus) sint ut loca certa quibusvis, Balnea certa, simul diverso limine, tectis Fornieibusque suis distincta, cubile seorsim "Pauperibus dando: de Nobilitate laboret Aut siquis morbo, hic poterit gaudere benigni Secessu hospitii, curareque corpora victu. 2) Non procul hinc vero thermarum profluit humor Ehullitque latex calidus, qui balnea praebet Cum DominoDominae, domuique ministrat herili. 5) 350 Hic prope lervescens reperitur vena, scaturit Haec eademgue magis, testudine clausa ni- \ - tenti: Ipsiuse terra moles consurgit in altum, Et caputinde suum sensim sustollit in auras, Omnibus ut merito videatur mira, lavanti Et Wrzesovicio non injucunda, suisque, 4) Praeterea est pagus, Sfonow dix&re Bohemi, Quem propter calidi laticis primordia rivo Ducuntur tenui, reliquis tamen inferiora; His consueverunt pariter deponere sordes Agricolae, nec non humili de plebe creati: At lepra turpes alibi scabieque lavantur, 5) Erläuterungen. Die ganze Stelle beweifet, daß die Teplizer Quellen ſchon damals nicht etwa blos mit einfahen Mauern umges _ ben, fondern mit wohleingerichteten Badehänfern (aedes, domus, moles), welche abgefonderte Nebenkam— mern und die nöthigen Geräthe enthielten, verfehen waren. 4) (Lympha decenter — quaeque leventur.) Wer erkennt in diefer alten Befchreibung nicht fogleich die heu— tigen Stadtbäder, die auch jezt noch unter einem Dache, in einem und demfelben Gebäude zwei große, mit eigenen Quellen verfehene Badanftalten, dad Männer: bad (von Schmwenffeld das große Herrenbad genannt), und das vor Zeiten vereinigte Weiber=: und Frauen bad enthalten? 2) (His et pauperibus -— corpora vietu.) Ein ans deres Haus diente den Fremden zur Herberge; eine Art Hofpital, welches von Wolfgang Wiefowiz, mie mir bei dieſer Gelegenheit erfahren, auf Anrathen feiner Gemah— lin Katharina, gebornen von Maltic, erbauet worden it, und wahrfcheinlich an der Stelle der nun mit den Stadt: bädern verbundenen Separat= und Judenbäder ftand. Es 551 enthielt verfhiedene Quartiere fomohl für Arme als für Reiche und Vornehmere, mit abgefonderten Eingängen, heizbaren Gemächern, Kranfenzimmern u. ſ. w., mobei fih auch befondere Badepläze für die gemeine Volksclaffe, wahrfcheinlich das noch zu Schwenkfelds Zeiten vorhan— dene gemeine Männerbad und das gemeine Wei- berbad befanden, die ihr Wafler vom Abfluße der Stadt: bäder erhielten, blos mit einfahen Mauern umfaßt waren, und wozu von der Straße befondere Eingänge führten. 5) (Non procul —herili.) Diefe Verſe feheinen die Sandquelle (das ehemals fogenannte tiefe Bad) im fürſtlichen Badehaufe zu bezeichnen, die aus dem, fandigen Boden hervorfprudelt. 4) (Hic prope — suisque.) Das hier fo fehr ge— rühmte Bauwerk iſt ohne Zweifel Fein anderes, als das in der Vorftadt befindliche, zunächft an die Stadtbäder gränzende Frauenzimmerbad, morin jezt gemeine Weiber in Gefellichaft baden. ein fehöner alter Bau verräth eine anfehnliche Beftimmung. Es ift nach Art des Männerbades angelegt; fein hohes Gewölbe ruhet in der Mitte auf einem fteinernen Pfeiler, in deffen Höhlung dad Waller aus einer eigenen Quelle emporfteigt, und durch zwei metallene Mündungen oder Hähne herausfließt. Bei Schwenffeld heißt 83 das Herzoginbad, nad einer verwitweten Churfürſtin und Herzogin von Sachſen, welche ſich deſſen bediente. 5) (Praeterea est — lavantur.) Die Quellen von ‚Schönau, die heutigen Stein-, Schwefel- und Schlan: genbäder, waren zu jener Zeit noch unbedeft, und nur von dem Pöbel benüzt; doch war ſchon die Einrichtung getroffen, daß die mit efelhaften Ausfhlägen und Ge: ſchwüren behafteten Kranken von den übrigen abgefondert badeten, Das Gedicht deutet übrigens auf einen fo blühenden Zuſtand von Zepliz und einen fo zahlreichen Zufammenfluß J 352. von fremden Badegäften hin, daß man die von Wolfgang | geftifteten Anjtalten wohl nicht als die erften Verſuche diefer Art betrachten kann; ja es dürften fogar einige der in der angezogenen Stelle befchriebenen Badevorrichtungen aus einer noch früheren Zeit herrühren, indem der Dich: ter fie nicht alle geradezu für das ausfchließlihe Wert diefes von ihm gefeierten Mannes ausgibt. VI. Erhnographifhe Miscellen. Die Eoloniften von Neu-Süd-Wales. ERTL ET Tr N 1 Es kann nicht leicht eine Menſchenclaſſe geben, welche dem Pſychologen einen fo intereſſanten Stoff zu Bemer: kungen darbietet, als die Coloniften, welche die Wälder Auftraliens bevödifern, aus den widerjprechendften und uns vereinbarften Eigenfchaften zufammengefezt. Großmüthig und freigebig gegen den Fremden, der durch feine Wälder zieht, verſagt fi) der Colonift oft alle Annehmlichkeiten des Lebens, entzükt über die Gefellfehaft eines Freundes, findet er doch feinen Paz, ihn zu beherbergen. Geine rohe Erdhütte, die jeden Augenblif den Einfturz zu drohen ſcheint, widerfteht gleichwohl der Wuth der Stürme, welche die größten Bäume fällt, und oft gewährt diefe armfelige] Wohnung dem ermüdeten Neifenden Zuflucht, und ermuns] tert feine Lebensgeiftee durch die wohlthätige Wärme, | welche ein großer Holzblof, auf dem Heerde brennend, verbreitet. Wenn ein Sremder anlangt , breitet der | 553 Golonift fein Tifehtuch auf, und bedeft es mit dem Beiten, was feine Hütte enthält. Der Thee ift der wichtigfte Gegens ftand des Males, welcher, wenn der Grog bereits auss getrunken ift, ihm Hilft, den Abend angenehm zuzubringen, und wenn er einen Gaft hat, fezt er eine Schüffel mehr auf. Das Gefpräch dreht fih gewöhnlich um die Hand» lungen der Regierung, den Zuftand ded Landes, den Aus fhein zur Ernte des einen Nachbars, das Pferd, den Stier oder den ganzen Viehſtand eines andern, die Wette rennen zu Sydney, kurz, um Befchreibungen der Umges bungen, welche immer mit den Worten ſchließen: „Es gibt Fein Grundſtük, welches werth ift, daß man es Faufe,‘* oder: „die Gründe find da, aber das Waller fehlt.“ Dann fängt der Coloniſt an, fich über feine unges ſtaltete Wohnung zu entfchuldigen, und kündigt an, daß er bald eine anftändigere bauen werde, fobald nur das Getreide eingebracht, oder der Mais geerntet feyn werde. Gleichwohl gefchieht dies felten eher, als bis der Wind die alte Hütte umwirft, dann errichtet er eine zweite, Die jener auf ein Haar gleicht, aber fie ift nur zur einftweiltz ‚gen Wohnung beſtimmt, er hat zu viel zu hun, um zeit zu dem nöthigen Bau zu finden, und hegt ftets den Plan, felben nähftens zu beginnen, Sodann wird der Fremde zu feiner Zagerftätte geführt, welche gewöhnlich auf difen Bretern oder Kiiten bereitet wird: Man ruht vecht wohl Darauf, die Unbequemlichkeit zahllofer Flöhe abgerechnet, die fich in den Hütten aller Eoloniiten befinden. Wenn der Neifende erwacht, findet er feinen Wirth fihon auf, und vor dev Thüre feiner Hütte, ev gebt zu ihm, und nach⸗ dem er die Art und Weife bewundert hat, womit alles, was er fieht, angeordnet iſt, entfaltet ihm der. Colonift all feine Entwürfe zur Verfehönerung feines Eigenthums, führt ihn durch das bethaute Gras, um ihm die feine Wolle feiner Schafe und AU dasjenige zu zeigen, wodurch fi) fein Gut vor allen benachbarten zum och aus⸗ Jahrbücher. J. Band. 23 354 zeichnet. Er hofft, daß im einigen Jahren das Gebiet, welches er bewohnt, eine hinlängliche Menge von Ges treide, Vieh, Butter und Käfe erzeugen werde, um das ganze Land damit zu verfehen. Man Eümmt endlich in die Hütte zukük, wo das Frühftüß bereits aufgetragen ift, das gemdhnlich aus einer Schnitte Spek und Eiern bes ftept. Wenn nun der Colonift darum erfucht wird, Täßt er das Pferd des Neifenden perbeiführen, und beflagt ſich ‘ bitter, daß er fich fo bald wieder entferne, er würde ihn auf die Kanguruh » Jagd geführt haben, denn er hat vor= trefflihe Hunde. Er drükt ihm herzlich die Hand, und kehrt zu feinen Gefchäften zurük. Co ift der Coloniſt von Meus Sid» Wales, wenn er Befuch erhält; aber wenn er feinen Fremden bei fich empfängt, iſt er den ganzen Tag über auf feinen Beinen oder auf dem Noffe, unterfucht, beobachtet, ordnet an, und macht Pläne zur Verbefferung und Bewirthfihaftung feines Befizthums während der nächftfolgenden Sahre, und findet felten Zeit zum Mittagse effen, ehe die Sonne untergangen ift. Dann nimmt er zugleich den Thee ein, theilt feine Befehle für die Arbei— ten des folgenden Tages aus, und wirft fich ermüdet aber vergnügt auf fein Lager, Wenn er bemerkt, daß fein Zufer und Thee abnehmen, und er fir) neuen Vorrath anz ſchaffen muß, fieht er fih in die Nothwendigkeit verfest, nah Sydney zu gehen, wo man ihn an feiner grauen Stute, feinem breiten Strohhut und feiner Barchentjake erkennt; er trägt feinen Mantelſak hinten am Sattel an— gefhnallt, und die Deke am Sattelknopf. Er reitet. gewöhnlich einen ſtarken Paß, und legt 50 bis 40 (engli» fhe) Meilen an einem Tage zurük. Smmer bedauert er aber, daß er feine Hütte verlaffen mußte. Wenn er zu Sydney angekommen ijt, betreibt er feine Gefchäfte mit der größten Eilfertigkeit, iſt entzükt über alle Perfonen, denen er begegnet, und gedenkt zugleich ungeduldig der Heimkehr. Selten bleibt er länger als eine Woche in der | | | | gi J J 355 ‚Stadt, und kömmt fo froh wieder in feiner Wohnung an, als wäre er aus einem Gefängniffe entwifcht, Im Ganzen hat fich der Anblik diefer Landftrihe in unferm Sahrhunderte fehr verändert, und Neu: Süd: Wales, welches vor etwa 39 bis AO Jahren nur den Andlik eines weiten unwirthbaren Landftriches darbot, . zeige gegenwärtig die malerifchfte Mannigfaltigfeit. Wälder find in Gärten, Wiefen und fruchtbare Aeker ver: wandelt worden, und die Wülteneien, worin ehemals einige unglüflihe Wilde ihre Pflanzenleben hinbrachten, find gegenwärtig mit volkreichen Städten und Dörfern bedeft; Sydney, die Hauptftadt von Neu: Süd: Was les, enthält eine Bevölkerung von 7000 Seelen, fie be— fizt mehrere gelehrte Gefellfchaften, Freiſchulen, eine Bank, welche am 1. Juli 1825 eröffnet worden ift, und 3 Zeitfehriften: „The Sidney Gazette, Howe’s express, ‘und the Australian.“ Man findet darin die Berichte der Akerbau-Geſellſchaft, die Verhandlungen der Gerichts: höfe, lange Columnen von öffentlichen und Privat » Anzeis gen, mit einem Worte alles, was ein englifches Journal bezeichnet. Paramatta, im Innern des Landes gelegen, bat 1500 Einwohner, miehrere Schulen und Hofpitäler, eine Tuchmanufactur, und einen Markt, auf welchem fi) die Urbewohner des Landes in großer Zahl einfinden. Wind» for, am Fluße Hawkesbury, zählt 900 Einwohner, und Mewcaftle am Coalriver hat ungefähr diefelbe Bevölke— zung. Die Felder find mit Fleinen Dörfern und artigen Pachthöfen überfäet, und man erzeugt Korn, Lein, Neid, Mais, Wein, Zufer und Eaffee. Neuerdings hat man den Plan entworfen, eine Colonie portugiefifcher Bauern von der InfelMadera, zum beffern Gedeihen des Weine baues, hier einzuführen. Die Wiefen find mit: zahlreis hen Heerden erfüllt, deren Felle nach) Europa ausgeführt werden. Der Eapitän Salmon hat. auf feiner Fahrt 25% 856 von Sydney nah Galentta nächft dem Dorf: Gebirge die wichtige Entdefung ‚einer Korallenbanf von ungefähr 200 Meilen im Umfange gemacht. Die Zahl der Verbrecher, welche feit der Gründung der Eolonie 1788 bid AS15 nah Meu: Güd- Wales deportirt wurden, beläuft fic) auf 17,066, wovon 6067 ihre Sreiheit wieder erhalten haben. Nach einer Zählung von 1824 befanden ſich dafeldft an freiwilligen Auswandes tee: nie hi arte dran A ORR BEN u tan cn na adııe aldi a ee Arad m ARE dazu deportivte Männer und Weiber . 13,814 Summa 37,068 Man berechnete zugleich, die Golonie befize 700,000 Morgen Landes, 4 bis 5000 Pferde, 120,000 St. Horn: vieh, und 550,000 Schafe; fie verbrauchte für 550,000 Pfund Sterling englifher Waaren, und führte ungefähr für 400,000 Pfund Sterling einheimifcher Producte nach Europa aus. Noch rafcher find die Fortfchritte der Cultur und des Akerbaues in van Diemens- Land, obſchon diefe Co— Ionie erft 45 Jahre fpater entitand, als jene von Neus Sud: Wales. Blos in den zwei Jahren von A818 bis 41820 hat fich ihre Bevölkerung verdoppelt, und man behauptet, daß in dem lezteren 4060 freimillige Coloniſten angekommen feyen. Hobart-Town enthält 3500 Bes wohner, Launcefter 1200, und Georgs-Town 600. Diefe Städte befizen, wie jene von Neu: Süd: Wales, Schulen, Kirchen und Märfte, Go hat Hobart-Tomn einen Zanzfaal, 16 Bräuereien und Branntweinbrennes reien, eine Bank, mehrere Tuchmanufacturen, eine Buchs drukerei, zwei Seitfehriften. Das Clima in van Dies mens-Land iſt gemäßigter als jenes der andern Golo: nie; der Boden bringt alle Gattungen von Körnern und Früchten hervor, und die glüfliche Lage des Landes ge: 857 währt ihm im den Augen der Europäer einem großen Vor— zug vor Neu: Süd: Wales. Im Jahre 1821 belief fich die Bevölkerung an freien Goloniften 3246 Deportirte 3939 Summa 7185 Das Land befizt 34,890 Stük Hornvieh, 170,591 Schafe, und führt jährlich für 600,000 Pfund Sterling Getreide und Kupfer aus. Seit 1788 bis zum Ende des Jahres 1821 gab Großbritannien für die Unterhaltung, Bewachung u. f. w. von 33,155 Verbrechern, die nach Neu» Sid: Waled deportirt wurden, 5,501,025 Pfund Sterling aus. Es hätte menigftens dev dreifachen Summe bedurfte, um diefe Unglüflichen in den Gefängniffen von England zu verpflegen, und dann hätte man noch das Bewußtſeyn entbehren müſſen, Menfchen, welche den Abs ſchaum der Gefellfhaft ausmachen, in nüzliche Staats— bürger verwandelt zu fehen, Die Armenier in Serufalem. Die Zahl der Bewohner der heiligen Stadt belief fih 1825 auf 20,000, darunter 5000 Ehriiten, 5000 Mu— felmänner und 10,000 Juden. Die Mufelmänner woh— nen zum Theil in dem Viertel Harem-Cherif, alfo genannt von dem großen Minaret, welches an der Stelle des Tempels Salomons in dem dftlihen Stadttheile gelegen ift, Die Ehriften wohnen meiitentheils nächft ihren Klöftern in dem höher liegenden, und im meftlichen Theile der Stadt; die Römiſch-Katholiſchen nahe bei dem Kloter des Erlöſers. Die Griechen haben den tiefiten Theil der Stadt im Güdoften inne, wo einſt ein Theil der Stadt St. Jean d'Acre lag, und nahe dabei findet man das Klofter St. Johannes, zur Zeit der Römer erbaut. In diefem Drte befinden fi nur Chriſten aus Syrien. Im Süden und beinahe auf dem Gipfel des Berges Sion liegt das armenifhe Klofter St. Jakob, 558 das glänzendfte in Jerufalem. Es iſt der Wohnſiz des armenifchen Patriarchen, der Bifchöfe und vieler Geiſt⸗ lichen. Ihre Kirche iſt die größte und reichſte in Jeru— falem, Die Reifenden und die armenifchen Pilger kom— men zum Ofterfefte baufenweife'dahin aus Conſtantino— pel, Amerika, Yegypten, und aus allen benachbarten Läns dern. “Die Armenier halten fehr genau auf die Gebräuche der Faftenzeit. In Bezug auf ihre Gefundheit find fie abergläubifch, und laffen nicht zur Ader, ohne den Kalens der vorher um Rath zu fragen. , Die Armenier find von ftarfer Leibesbefchaffenheit und hoher Geftalt, im gefelligen Leben ernft, doch höflich und zuvorfommend,. Diele find reich, alle fehr gaftfrei, und empfangen die Fremden mit Wohlmwollen, fie bieten ihnen Caffee, Ihee, Tabak, gebrannte Waſſer und Bak- werk, die entweder der Hausherr, feine Tochter oder die Dienftleute herumreihen. Nachdem fie ihren Gaft zu trinken angeboten, nehmen fie feinen Becher, und Eüffen ihm die Hand. Der Herr und feine Frau oder Tochter fezen fich felten in Gegenwart eines Fremden, aus Hoch— achtung gegen die Gaftfreiheit. Die Armenierinnen find zuvorfommend, artig, ſchön, und fehr liebenswürdig im Umgange. Gie haben gewöhnlich. fhwarze Augen und eine angenehme Geftalt, und manche, unter. ihnen auch jenen bezaubernden Blik, welcher die Griechinnen und Jü— dinnen jener Gegenden auszeichnet. Öle. 359 VI. Nekrolog. Wenceslaus Peters, Maler. —* Das Stuttgarter Kunſtblatt liefert in feiner Agften Nummer d. 3. einen Eurzen Nekrolog unfers berühmten Landsmanns in Rom, Wenc. Peters, den es jedoch irrig „Peter“ nennt. Da uns Diabad*) von diefem Künft: ler fo wenig zu fagen wußte, fo theilen wir unjern Lefern jenen Auffaz mit, um das Andenken an einen in der Ferne Verſtorbenen unter uns zu erneuern. Den Gebrechlichfeiten des Alters und der Strenge des legten Winters unterliegend, ſtarb zu Nom der berühmte Maler Wenceslaus Peters, Profeffor an der Aka— demie ©t. Lukas. Peters, zu Karlsbad in Böhmen am 22. November 1742 geboren, hatte in feiner Jugend das Waffenfchmied- handwerk erlernt, und durch feine correct und verftändig gezeichneten Gifelirungen fih den Beifall des Grafen Jo— ſeph von Kauniz, öfterreichifchen Gefandten am päbftlichen Stuhle, erworben; der Graf glaubte ihn für die Bild: nerei geboren, und ließ ihn deshalb nah Nom fommen, um ihm Gelegenheit zu geben, die dortigen Monumente zu ftudieren. Sein erftes Werk in diefer Kunft war ein Basrelief von zwanzig Figuren aus gebrannter Erde, wel: 96,3. Diavac; allg. hiſtor. Künftler » Leriton für Böhmen. Brag, 1315. 2.80. ©. ınB. 560 ches von Lord Briftol,gefauft wurde, und fich gegenwärtig in England befindet. | Der junge Künftler fand fich jedoch von dem Erfolge, welchen ihm die Bildhanerfunft verfprechen Fonnte, nicht befriedigt, und glaubte einen, meitern Wirfungsfreis in der Malerfunft zu finden; er widmete fich ganz befonders der Ihiermalerei , ohne jedoch das akademiſche Studium des Naften zu vernachläffigen, wie fein Daniel, fein Her: Eules und feine Juno beweifen. Aber bald trieb ihn ein unwiderftehlicher Hang, ausſchließlich nur Thiere, theils die zu Rom gewöhnlichen, theils ſolche, die er fich allers wärtd her zu verfihaffen wußte, im Großen zu malen. Peters hatte feinen Beruf erfannt, Durch) feine uns ermüdlichen Studien, wobei er vielfältige Opfer nicht fheute, war es ihm gelungen, nicht nur die Färbung, das Zell, die Muskeln, die einem jeden Thiere eigen find, auf der Leinwand wiederzugeben; fondern er freute auch dem aufmerkfamen Beobachter den Luchs unruhig, den Tiger grimmig, den Löwen großmüthig dar; kurz er wußte feinen Gemälden. ein folches Leben mitzutheilen, daß man nicht allein die Formen, fondern and) die Des wegung, das Eigenthümliche, die Etellungen und Ge— wohnheiten, welche jedes der dargeſtellten Gefchöpfe charak— terifiren, genau wahrnehmen Fann. Der Fürft Marc= Antonio Borghefe, Baker des ges genmwärtigen Fürften Borghefe, wurde der erflärte Ber fhüzer Peters, deffen Werfe man bald zu Rom, befon: ders im Quirinal und im Pallafte Torlonia in bedeuten- der Anzahl ſah. Zahlreiche beftellte Bilder wurden nach Neapel, Florenz, Mailand, Prag, nach Preußen, Ruß— land, Spanien, Frankreich, Amerika, und vor allem nad) England gefendet, wohin er befonders eine große Menge Wolfe verfertigte, welche die Engländer vorzüglich ſuch— ten, weil diefes Ihier fich nicht mehr in ihrem Lande findet, — Das befondere VBerdienft jedes diefer einzelnen 564 Werke findet fih in einem einzigen Gemälde von großem Umfange, das irdifche Paradies vorftellend, vereinigt. Hier bildet die mannigfaltigfte Menge von vierfüßigen Zhieren, Reptilien, Vögeln, die paarweife in einem reis zenden Garten verbreitet find, ein friedliches Gefolge um das erite Menfchenpaar. Diefes Bild war für den Künftler ein Gegenftand vieles Nachdenfens, fehwirriger Arbeiten und berrächtlicher Unkoſten; er bildete darin alle Thiere ab, nach denen er Studien zu machen Gelegenheit hatte, und es wird ſtets fein vorzüglichfter Ruhm bleiben. Es ift jezt zu verfaufen, da Peters es während feines Lebens an Niemanden hat abtreten wollen. Sein Eifer, jedes Thier vom-ansgezeichneter Schön— heit zu malen, veranlaßte eine fonderbare Anefdote, welche Peters oft zu erzählen pflegte. Ein junger Sranzofe übers brachte einft nah Nom Empfehlungsfihreiden an Herrn G. d. R., der zugleich Banquier, Fomifcher Schriftitellee und ein ſehr ausgezeichneter Archäolog war. Der Nei* fende forderte zuerft bei Hrn. d. R. auf feine Greditbriefe Geld, dann wurde er ganz vertrant und erklärte ihm mit ſelbſtgefalliger Miene vor einer zahlreichen Gefellfchaft ganz laut, daß er in Slovenz eine fehr fhöne Dame kennen gelernt, die ihm nur unter der Bedingung nach Rom abzureifen geftattet habe, daß er ihr nach den erften Tagen feiner Ankunft fein Porträt ſchike. Er drang fo inftändig in Hrn. d. R., ihm’ die, Adreffe eines Malers zu vers ſchaffen, dag diefer nicht umhin konnte, ihm zu willfahren; aber um ihm eine Lehre zu geben, zeigte er ihm Peters Wohnung an, und übergab ihm einen, wie er fagte, fehr dringenden Brief an diefen Künftler. Der junge Neifende Läuft’ zum Amphitheater des Auguſtus, wo Peters wohnte, dringt in fein Atelier und überreicht ihm den Brief. Peters Liest ihn und ruft mit ‚Entzüfen aus: Ah, Sie mahen mich zum glüflichiten Menſchen auf der Welt. Ich verdanke Ihnen etwas, das 562 ü mir bisher aufzufinden unmöglich war. Iſt ihnen bei die—⸗ fen fammergleihen, fo zarten Farben nicht ein Unfall bes. gegnet? Nein, Herr Peters, Fein einziger, ich verfichere, Sie; aber laſſen Gie ung an das Werf gehen, ich habe. Eile. Das Bild gehört für eine Dame in Florenz, und wenn ich Hrn. d. R. glauben darf, fo find Sie ein bewun. derungswürdiger Mann. — Alles gut, mein Herr ! aber unglüfficherweife bin ich in diefem Augenblik verhindert, und überdies ift das Thier noch nicht da. — Wie, das Thier? Sch foll ja gemalt werden, und find Sie denn nicht Porträtmaler? — Sa, mein Herr, aber Maler von Ihierporträten, und Hr. d. R. fagt mir mit eigenen Wors ten: „Hier fchife ich Ihnen Semanden, der Ihnen Geles genheit geben wird, einen auserlefenen franzöfifchen Pfau zu malen.“ Sch hoffte einen Pfau zu fehen. — Sch merke, hier fteft eine Schelmerei, — fagte der junge Mann, und in feiner glüklichen Unbefangenheit confequent, kaufte er einen von Amor gebändigten Löwen um. fehr theueren. Preis. Peters war ein Mann von. fanften, gebildeten und theilnehmenden Charakter. Er hatte bei ziemlich gleicher Gefundheit ein Hohes Alter erreicht. Aber die, Strenge und Andauer der Kälte zu Ende des. vorigen Jahres fhwächte feine Kräfte. Er ftarb in der. Nacht vom. 27. zum 28. December 1829, Einer feiner, Sreunde ‚bereitet einen ausführlichen Bericht vor, welcher die Aufzählung der Werfe Peters, und intereffante Züge aus feinen. Ders hältniffen und Verbindungen mit einer großen Anzahl aus: gezeichneter Perfonen des vergangenen Jahrhunderts und unferer Zage enthalten wird, So weit das Stuttgarter Kunftblatt vom 17. Juni 4850. Auch Goͤthe hat dieſen Künſtler eines Denkmals in ſeinem Entwurf einer Geſchichte der Kunſt des XVIII. Jahrhunderts gewürdiget. (S. Winkelmann und ſein Jahrhundert, Tübingen, 1805, ©. 346.) „Dieſer treffliche 663 J Khiermaler (fagt er) vereint in. feinen Darftellungen mit Naturſiun noch die lokenden Eigenfchaften einer ſchönen markigen Behandlung und glänzenden Farbe, Wiewohl ‚bie Ihiere als das Hauptfach unferes Künftlers zu betrachs ten find, fo hat er doch nebenher auch nicht ohne Lob biftos riſche Darftellungen und Bildniffe verfertigt.“ — vi. Vergleichende Bemerkungen Aber Hrn. de Carro's Polyglotte. Von Franz Palacky. TE EINEN TE E22 GBGeſchluß.) Dieſe Polyglotte iſt ſeit dem Abdruk der erſten Hälfte eſes Aufſazes neuerdings um vier Ueberſezungen, arunter zwei ſpaniſche und zwei portugieſiſche, T. mehrt worden, und damit nun ſchon auf 23 Ueberſezun— n in 16 Sprachen geſtiegen. Bevor ich daher in mei: e n ſpeciellen Bemerkungen fortfahre, iſt es nöthig, noch inen Rükblik im Allgemeinen darauf zu thun, um auch N neuen Gäften darin die gehörige Stelle anzuweiſen. Beide fpanifchen Ueberfezungen lieferte der außeror— Pr liche Geſandte und bevollmächtigte Minifter Gr. Fathol. tajertät am fönigl. preußifchen Hofe, General £. 3. von Sordova, in feinem Vaterlande auch ald Dichter prtpeilbaft befannt. Die eine portugieſiſche zühre 1 D, Vicente Pedro Nolasco her, einem porkus ill.) 111 ſchen Arzte und Philologen, der erſt ſeit Kurzem leider 364 mit Tode abgegangen feyn ſoll; die andere von Manpvel. | de Souza, Profeffor der Rhetorik zu Aveiro. Ich halte die leztgenannte Ueberſezung für die geluns genfte unter den vieren; fie würde der ttalienifchen , mit der fie auch im Versmaße übereinftimmt, den Preis ftreitig machen, wenn der Leberfezer fih überall gleich geblieben wäre; fein Vortrag verbindet die höchfte Klarheit der Ideen mit poetifhem Schwunge; er ift correct und hält fich treu an das Original; aber an zwei wichtigen Stellen (,„Fons, Heliconiadum“ und „Felix per secula‘) fanf er zur gemeinen Profa herab, und verfündigte fich dadurch ‚gegen unfern Sänger. Veberrafihend war es für mich, Nolasco's portus stefifhe Herameter, nah dem Ton- und Zeitmaße zugleich geformt, Eennen zu lernen. Sn der That wird dadurch meine oben ©. 257 geäuferte Meinung berichtigt, und wir müffen nun auch den Porkugiefen die Fähigkeit zugeftehben, Herameter nach der antifen Form, d, ti. nach der Quantität der Sylben mit Beobachtung der Pofition in ihrer Sprache zu bilden. Es iſt jedoch unverfennbar, daß fih die Sprache in diefen Formen nicht fo frei und natürlich bewegt, als e8 die antife Grazie wohl heifchen mag. Die 48 hier mitgetheilten Herameter geben nur 55 Dactylen gegen 73 Spondäen! Ein foldhes Uebermaß ber Längen macht den Fluß der Nede nicht blos ernft, fondern fhwerfällig. Bemerkt man noch dazu, daß die vier mehr? folbigen fremden Namen, die der Ueberfezer brauchte, (Aonia, Siculo, Stygio und Antenoreos) insgefamınt zur Bildung der Dactylen beitragen mußten, daß Nolasco ferner noch Drei Dactylen der zwar gebräuchlichen, aber doch ſchon Iatinifirenden - -Superlativform der Adjeckive (dignissima, piissimo, faustissima) verdanfte, fo wird man wohl von ſelbſt gewahr werden, daß die portugiefifche Sprache fih zwar zur Bildung antifer Herameter eignen kann, daß es ihr aber unmöglich ift, die unendliche Mannig« 866 faltigkeit des griechiſchen Rhythmus in ſich lauszubilden. Dieſes wehrt ihr der Mangel mannigfaltiger proſodiſcher Wortformen, noch mehr aber die Unbeſtimmtheit des pros fodifchen Sylbengehaltes ſelbſt, die ſchon die Metrif aller germaniſchen Sprachdialeete erfchwert, in den romanifchen aber viel größer und häufiger ift. Daher gefchah es, daß auch die Jtaliener dem antiken Versmaße entfagt haben, obgleich eö ſchon feit dem XV. Sahrhunderte nicht an Derfuchen fehlte, dasfelbe bei ihnen einheimifch zu machen, Sm Mebrigen kann man Nolasco's UWeberfezung unferer Dde unter die gelungenen zählen, da fie dem Driginal ziemlich treu bleibt, und es weder verwäflert, noch mit Flittern ziert. Dagegen muß man die beiden fpanifchen Ueberfezuns gen mehr eine freie Nachahmung der Ode, als eine Ueber« fezung nennen. Sch fage eine Nachahmung; denn beide MHeberfezungen find bis auf das abweichende Versmaß einander fehr ähnlich. Diefelben poetifchen Ideen, diefel- ben Bilder, oft mit denfelben Worten ausgedrüft, manchs mal blos durch Synonyme oder durch Umfezungen veräns ‚dert; darum. hätte eine Nummer ohne Nachtheil zurüks bleiben Fönnen. Die Eigenthümlichkeiten der caftilianifchen Mufe, eine glänzende, ja glühende Phantafie, und ein feierlicher, beinche pomphafter Vortrag, find auch hier leicht zu erfennen ; das Gedicht Fiest fich fehr gut, aber mit der Leberfezung darf man es, wie gefagt, nicht genau nehmen, Diefe fcheint auch mehr den beiden franzöfifchen Ueberfezungen als dem —2 nachgebildet zu feym. Gleich der erſte Vers: VVFuente A al Numen de las Musas und; Al genio de las Musas Sagrada; oh fuente! — fagt etwas ganz anderes, als Bohuslam mit kefhim: „Fons, Heliconiadum meritö celebrande cohorti,“* fagen wollte. Dies ift: „Quelle, der Weihe ber Mufen 366 würdig,‘ jenes: „Quelle, den Mufen geweiht.“ De Souza überfezte buchitäblich, aber, wie gefagt, gar zu proſaiſch: Oh fonte, que das Muzas celebrada Com razao deves ser — o Quelle, die du von den Mufen mit Recht gefeiert werden ſollſt; Nolasco Eräftiger, aber etwas ge: zwingen: Dos sons d’Aonia certo dignissima Fonte, Der Töne Aoniens wahrhaft höchſtwürdige Duelle. Doh nun hebe ich den verlaffenen Faden meiner früheren Nede wieder auf. Der zweite und dritte Meras meter des Driginals Unde tibi latices calidi, venaeve meantis Sölphuris, aut vivae, dietu mirabile, calcis? find von Hrn. Beyer unübertrefflich wiedergegeben wor⸗ den; man vergleiche die Worte: Toũto nosev 001 Geuue rvgoVr, 7 Helov lorrog Unde tibi latices calidi, v. sulphuris meantis Aide plL?es, rırdvov 7 aopeorov, Jadu‘ ovoudlew ; Venae, calecisve vivae, mirabile dietu? Das Toüro und ade find zugleich artige Helleniss men, die da bemeifen, daß derlieberfezer nicht ohne Weihe an feine Aufgabe ging. Ihm zunädit traf es Hr. Wis naficky: Odkud twe prameny wraucj, nebo wyskakugjcj Unde tui latices calıidi, aut meantis AZ k podiwu, spolu sjry a wäpna Ziweho tu Zjly ? Mirab. dictu, cumsulph.tum calcis vivae venae? Die übrigen Stimmen *) vergleihe man felbft: *) Die Proben in den bei ung minter befannten Syraden liefere ih zugleih in einer deutſchen Heberfejung. 567 a) die hexametriſchen: Swob od a: Sage, wo ſchöpfſt du die brodelnde Fluth? Sind’s Adern von Schwefel, Streidend im Flötz, o Wunder! find’s Lager zifchenden Kalfes? NRittersberg: Tief aus verborgenem Schaht, vom Lager feurigen Schwefels, Wo oh brennende Kalk aufbraufend zifchet,, erglühft Du ? NMolasco: D’onde tuas agoas calidas? em fervida vea D’enxofre, ou cal viva a tua torrente s’acquece ? Woher deine heißen Waſſer? erwärmt fi dein Strom in glühender Ader von Schwefel oder ungelöfhten Kalk? Beskow: Hvarifrän kommer din ljumma väg? — Det eldiga svafvel, Hvilket sa underbart igenomströmmar din ädra ? Woher Fommt deine warme Welle ? der. feurige Schwefel, der jo wunderbar deine Adern durchſtrömt? Kazinczy: — — Honnan Jönek 45 vizeid, 's a’ mes2’ es ken’ ere benned? h Woher fommen ka Waſſer und des Kalks und des Schwe⸗ fels Ader in dir? Szemere: Honnan rejtekeid ? 's ereidnek her folyamatja ? Es csuda mondani is, kenköd &lö mesze honnan ?_ Woher dein verborgener Urfprung, deiner Adern warmer Strom, und wunderbar zu fagen, deines Schwefeld unge: löfchter Kalk (sic), woher ? b) die reimlofen: R Barbieri: — Da cui avesti ‘ * Il calore dell’onde, e quelle vene | Dello scorrevol zolfo, e della viva Calce, che di stupor l’alma confonde? 565 De Souza: — De qual origem Dimanao tuas calidas correntes ? D’onde as veias de sulphur, ou cal vira Que em meätos serpeiao? Oh prodigio! Moher fliegen deine heifen Wogen, woher die Adern von Schwefel oder ungelöfhtem Kalk, die da in Gängen ſich fhlän» gen? o Wunder! Eordona: 1) Quien da la vida ä tu calor etherea ? Por donde su tesoro nos envia La ardiente vena de calcareo azufre ? Mer gibt Leben deiner ätherifchen Wärme? Woher fendek uns deinen Schaz die brennende Ader Falfigen Schwefels ? 2) A dö esconde su focus Tu curso ardiente? De cales y de azufre Por que secreta via, Tan precioso tesoro Dios nos envia? Wo birgt dein heißer Strom feinen Brennpunft? Durch welchen geheimen Gang von Kalk und Schwefel fentet uns Gott deinen Foftbaren Schaz? ce) die gereimten: Y. Morton: Whence to thee this fervid spring? Whence thy sulphur-oozing veins, Ä And quickening marl thy waters bring? Wilmot: All hail! Say) whence thy steaming torrents spring, When, bursting thro’ the sulphury vein, they boil? Dumas: Quel est donc le foyer de ta chaleur secrete ? D’oü vient ton lit brülant et de soufre et de chaux? Ehodowiecfi: D’ou viennent de tes eaux les bouillantes ardeurs, Et ces veines de soufre, et ce depöt calcaire, Que laisse sur ses bords ton onde salutaire ? 569 Der Pole: Powiedz, coé grzeie i moc dziwna, dawa? Ska,d siarki barwa, i wapna zaprawa? Cage, was wärmt dih und gibt dir die Wunterfräfte ? Mober tes Schhwefeld Farbe und des Kalfs Zuthat ? Giffle: Welk een onverklaarbaar wonder zet u zulk een hette by? Ongeleschte kalk bezielt u; zwavel kleurt uw watren geel ? (Welches unerllarbare Wunter gibt dir folte Hize? Ungelöfhter Kalk beſeelt dich? Schwefel fürbt teine Mater gelb?) Der Ruffe — lieh die ganze Stelle unüberſezt, und feblüpfte Darüber hinweg. (Nicht fo Hr. Malzoff, deffen Ueberfezung hier den beiten beizuzählen Fommt.) Man wird diefe Proben meiner oben angegebenen allgemdinen Charakteriſtik der Ueſerſezungen nicht ganz entſprechend, ſondern das eine beſſer, das andere ſchlechter gelungen finden, als es dort heißt. Dies iſt natürlich, und bei einzelnen Stellen leicht erklärbar; und dennoch hoffe ich, daß man mehr oder weniger im jenes Urtheil einſtimmen würde, wenn ich erſt die ganze Dde auf dieſe Weife verglichen hätte; was mir jedoch weder meine Um— jtände, noch die Rükſicht auf die Geduld der Lefer, noch auch der Raum diefer Blätter geitatten. Non homines, non Di, non concessere columnae! Daher ar ich mich im Folgenden Fürzer faffen, und nur die in irgend einer Hinficht bedeutfameren Züge Diefer Polyglotte hervorheben, Die folgenden Bere: Per terras Siculumne ignis qui provocat Aeinam; Ja facit? An Sıygü forsan vicinia Ditis Has tepefecit aquas? haben Winaticky und Szemere genau wiedergegeben; d. i. zunächſt mit den Worten und dem Rhythmus des Originals: Zdazli ohei, w Sikulä kraginäch, gen? Aetnu popauzj, Tez to delä? Ci snad sausedstwo wladare Orka Twe wody ohtjwa? — Jahrbücher. I. Dans. 24 370 A’ melly tüz Aetnät felidezi Sziczilia’ földen, Az hat-e itt? Avvagy Pluto’ szomszedja hevite E’ vizeket vallyon? — N Ihnen zunächt Beyer, Swoboda, (Malzof), Bare bievi, de Souza und Beskow. Chodowiecki faßte fich hier kurz und gut: Jaillis-tu de l’Etna par de secrets canaux ? Puises-tu Ja chaleur aux gouffres infernaux ? Noch beffer Pierce Morton: Tbrough mid-earth has Aetna’s heat Hither from Sicania run ? Or neighbouring Pluto’s fierce retreat Warmed thee with its nether sun? Die folgende Stelle „Bajarum littora cedant“* bis „Iateritu“ erlitt unter den Händen der Ueberſezer die meiſte Willkühr. Wenige (wie Beyer, Winaricky, Swoboda, de Eouza) begnügten fih mit dem einfahen Schmufe des Driginals; Hr. Landau nahm fi) eine Freibeit, die im Munde des althebräifchen Dolmetjchers allers dings paffend erfheint, die Bäder von Tiberias dutatt der von Bajähu. f. m. in Vergleich zu bringen; mehrere Ueberfezer Fürzten diefe an fich wenig poetifche Steliv ab, wie Chodowiecki, Kazinczy, der Ruſſe, der Pole, andere fuchten fie durch Zlitter eigener Erfindung glanzender zu machen. So lift Wilmot die Waffer Aadiens „warme Zähren über Karls des Mächtigen Grabe vergießen;“ Eor— dova fagt: „wie die Sonne den Morgen = und Asenditern verdunfelt ,“* fo vernichte Karlsbads Heilkraft die althers gebrachten Vorzüge jener andern Bader; Sifflé umſchreibt alles mit mehreren Worten, nach feiner Weife. — (uantas emittit in aera bullas! Man muß es geftehen, die lateinifche Sprache hat unferm preiswürdigen Sänger mit den Worten „eniteie bullax !* feinen binlänglichen Dienft erwiefen. Wer das Wunderppänomen des Sprudels felbft geſchaut hat, 374 wird zugeben, daf von Wafferblafen dabei gar nicht die Nede ſeyn kann. Bohuslaw wollte offenbar mehr fa: gen, fand aber die Sprache dazu nicht gefehmeidig genug; die Worttreue der Leberfezer ward unter folchen Umſtän— den Untreue gegen den Geiſt, und man, muß ed daher nur loben, wenn einige ihre Laute etwas Fräftiger ertönen liegen: fo fang Swoboda: — Wie fprübet der Giſcht hochauf in die Lüfte! Beskow: — Sprudel, hurhög är ej din sprittande bölja! — wie bo ift nit teine emporfprizende Welle GSiffle: Bron! wier deugden ik vereeuwig, met wat golvivg bruischt gy, op! Quell! teen Tugenden ich verewige, mit welchem * Wellenſchlag braust du auf! De Souza: Como em fervidos burbulhoens rebenta Esta agoa portentosa! (Wie bricht diefe Wun« derguelle in fiedenten Wellen bervor.) Der Nuffe malt bier felbftftändig, und eben fo fhön als kräftig: Parami obleden — Sumiasteju strujeju - Skwoz dikijä skaly, fontan bjet diwnyj twoj! | Bon Tampf umhüllt — in raufhentem Strom » Durch wibe Klaäfte jchlägt die Wunterfontaine empor. Chodowiecki gibt ein anmuthigeres Bild: En houillons ecumans ta gerbe se deploie., Am wenigiten Fann man damit zufrieden feyn, wenn Morton fih begnügt zu fagen: How it bubbles from below! und Nittersberg: — Wie üppig die Perlen dir ſchäumen! fo wie man es dagegen auch nicht fehr billigen mag, wenn Dumas dis Eurze Frafiige Bild im mehrere niedliche alefpinnt; Bm Quelle cause, agitant tes cavites brülantes, Fait bondir ces milliers de bulles petillantes, * Que ta surface voit se resöudre en vapeurs ? - 377 re -N% 572 und wenn der Caſtilianer diefelben dann noch mehr dehnt; ı) En tus hondas y ardientes cayidades De subterraneos montes: quien agita La espuma que brotando centellea Y en vapores de fuego al ayre vuelan? Mer treibt in teinen tiefen und brennenden Döhlen von unter: irdifhen Bergen ten Schaum empor, der borvoritürzend Funfen ſprüht, und in Feuerdampf zur Luft emporjliegt 9 Der folgende Theil der Ode ift an fich viel poetifcher, als der erite; auch haben fat alle Leberfezer darin einen höheren Schwung der Rede angenommen. — — Felix per secula mana, Fons sacer, humano generique salntifer esto! ®Winaticfy: — Blaho po weky preysti se, wrjdlo Poswätne! a budiz rodu lidsk&mu zdra- wonosne. Kazinczy: — Folyj, boldog, szazadokon tül, Szent kütfd, folyj, es hozz idvet az emberi nemnek. ae, tiefe glüklich, Jahrhuͤnderte hindurch, beiliger Brunnen, fließe und bringe Geſundheit dem Menſ hengeſchlechte. Beskow: — Hell! Genom seklerna flyte din heliga vag, och till menskors Slägten före du helsan.... . (Heil! Durch Sahrbunterte Tiefe deine heilige Welle u. f. w.) Barbieri: — Scorri felice in ogni etade, o sacro Fonte, al genere uman tanto salubre ! Morton: — Sacred fount, flow on for ever, Still on mortals health bestowing! CD. Rufe): — Hatis’ iz weka w wek, potok blagosiowennoj, Stradanjä tjäzkijä ty smertnych obleh&aj: Kliege von Jahrh. zu Jahrh. du gejegnete Quelle, erleichtere tie ſchweren Leiden ter Sterblichen. CD. Pole): — Dla dobra ludzi plyh nam blogi zdroiu! Zum Wobhl ter Menfchbeit fliege uns Du X. * 37 Siffle: — Vloei in vrede door al de eeuwen, bron- wel, die my dierbaar zyt! Blyf het menschdom tot een zegen, en der Godheid toegewyd! Fliege in Frieden durch alle Zeiten, Quelle, tie du mir 5 tbeuer biſt! Bleibe der Menſchheit zu einem Segen, und ter Gottheit geweibt. Chodowiecki: — Source heureuse et sacree...Ah! coule d'age en äge, Rends A l’homme -souffrant la force et le courage. Dumas: Ah! puisse l’avenir, pour le bien de la terre, Conserver de tes flots le tresor salutaire ! — Pavidaegque puellae Formo»sam eonfer faciem... } Man hat die Bemerfung gemacht *), daf es hier im Driginale wohl nicht „pavidae,“ fondern „pallidae,“ oder des Metrums wegen „palidæ“ heißen ſollte, da pavida und fornos: Feine Gegenſäze bilden, und pallida hier nicht nur einen richhtigeren Sinn, fondern auch den Bes weis liefere, daß Karlsbad fhon im XV. Jahrhundert als ein Gegenmiccel der Dleich = und Gelbſucht angewendet worden ey. Idh kann dieſer Anficht unmöglich beitreten; Bohuslaw hatte ſich mit diefem „palida‘* nicht allein ges gen die Profodie, ſonern vtel ftärfer noch gegen den Ge— nius der Poefie verfundigt, aus deſſen Gebiet er plöz— lic) in die proſaiſcheſte Therapie übergegangen wäre, Der Greis und die Ju agfrau find bei ihm doch wohl nichts, als eine poetiſche JZudividualifirung des „humanum ge- nus.“ Leider Haben fünflleberfezer, Dumas, Winaficky, Kazinezy, Eordova und der Ruſſe wirklich nicht „pavida** fondern „pailida,* wo nicht gelefen, doc) gefihrieben. — Et patrias accedat laetior oras, Quisquis in hac Iympha fragiles immerserit artus! Swoboda: — Daß frober kehrt zu ten theueren Fluren der Ads . Heimat, A Mer je in dieſe Welle getaucht die entfrafteien Yu ; Glieder. *) S. Monatſchrift der Geſellſchaft des vaterländiſchen Mu- ſeums, 1820, November, ©. 338. 374 Szemere: Hogy haza partjaihoz vigabban jusson e) üjra, A’ ki töredlekeny tetemet e’ vizbe merilti, Winaricky: Weselegsj wrat se do ot&iny läna, Kdozkoli pohrauzj do tokü twych audy chorobne&- Desfow: Matte hvar fremling, som sig förtror at dia helande bölja, Äterse, med förnyadt lif, sitt älskade hemland! Möge jeder Fremdling, der fih vertraut Deiner beis lenden Welle, wiederfehen, mit erneuertem Leben, feine geliebte Heimat. Cordova: Y cuantos banen tus corrientes ondas Que la salud hallando en tus cristales ‚Al retornar alegres ä su patria Canten tu gloria en himnos inmortales. Und daß, wer immer in veinen fliegenden Melfen badet, Geſundheit fintend in teinen Krystalle, bei ter froben Wiederkehr in feine Heimat, teinen Ruhm finge in unfterblichen Hymnen. Ehodowiecki: Qe linfirme, en plongeant dans tes eaux secourables, De son corps épuisé retrempe les ressorts,. Et cherisse, au retour, l’image de tes bords! Der Holländer breitete fich bier noch mehr, aber nicht fo ſchön aus; feine geheilten Kranfen reifen froh und dankbar ins Vaterland zurüf, „wo der Altar der Erfennts lichEeit ewig Dir (der Quelle) zur Ehre brennt.‘ — Wenn dieſe flüchtigen Bemerkungen - gründlichere Kenner und Liebhaber veranlaffen, in die Vergleichung Diefer Heberfezungen näher einzugeben, und daraus richtige Anfichten über die poetifchen Fähigkeiten mancher europäiz ſchen Sprachen zu ſchöpfen, fo haben fie ihren Zwek ers reicht. Es thut mir leid, daß ich außer Stande war, von Herrn Landau’s intereffantem Verſuche hebraifcher Herameter zu fprechen. Eben fo mußte das Gaeliſche des gelehrten Buchhändlers in Edinburg, Herrn Donald Macpherfon, bier übergangen werden, doc wird es demfelben, fo mie der nächftens zu erwartenden Kambri— ſchen (Kymriſchen) Ueberfezung in Karlsbad felbft nicht an Kennern und Liebhabern fehlen, dem Drte nämlich, den man während der Curzeit mit Necht „Die lebendige Polyglotte der Völker des Erdbodens‘* nennen darf. 575 giterärifhe Anzeigen. -irrtotort rt — 1: Unter dem befheidenen Titel eines Leitfadens bei dem zwekmäßigen Studium der redenden Künſte (Wien, 1829, bei 3. 9. Sollinger, 177 Seiten, Octav) bat Herr Profeſſor Joſeph R. Müller zu Iglau, eine Lehrern und Lernenten willfonmene Gabe gereiht. Die Dumanitäts: Claſſen, tie er lebrt, waren wohl die naturlichjte Veranlaſung dazu, diefe Cla en, in teren beiden tie Nhetorif und Poetik vorgetragen wird, in der erſten die leichteren, in der zweiten die wichtigeren Gegenſtände beider Art, und deren Zöglinge (wie denn. nichts jib ſo windſchnel fortpflanzt, ald der Irrthum) höchſt unrichtig Poeten und Ahetoren genannt werden, nicht blos weil an fih 3. B. ein Roetor nur der Lehrer ter Beredtjams feit beißen Fann, fontern auch, weil in Feiner diefer Claſſen wie etwa vor dem I. 1808 Rhetorik oder Poetik ausſchließ— lich getrieben wird, und weil nicht zu begreifen, wer zuerſt auf den geſezlich und ämtlich nirgends berügrten Gedanfen verfallen, während tamal vie oberſte Claſe des Gymnafiums Poeſie, die nächſte unter ihr, Rhetorik hieß, ist jene Rhetorik, dieſe Poefle iu taufen? Für die zwei Humanitätsclaffen nun befteht ein vom Stante vorgefhriebenes Lehrbuch, die Institutio ad eloquentiam, das eben auc nichts mebr als ein Leitfaden feyn will, indem zwar der Einheit willen‘, (nebenher zum Vortheil des Uebertritts von einem Öymnalium an das andere, bei Amtsverjezungen Der Eltern eines Jünglings, oft aus den entfernteften Provinzen), dem Profefior deſſen Gebrauch ftreng geboten it, feine Inſtruc— tion aber es obnehin mit jih bringt, ſich über diefes Lehrbuch fo viel er kann und mag, mündlich zu verbreiten. Ja, es bleibt ihm ſelbſt unbenommen, feine projectirten Berbefjerungen, Zu: füge w.dgl. sur höheren Genehmigung und allenfallſigen Aufnahme 376 vorzulegen, wie ausdrüklich in der Sammlung der Verordnungen und Vorſchriften über die Verfaſſung und Einrichtung der Gym— naſien (Wien, bei St. Anna in der Johannisgaſſe, ſeit 1808 in mehreren Auflagen) bemerkt wird. Eben dieſe Vorſchriften aber erklären ſich auf das nach— drücklichſte gegen alle Dictaten, ein Unfug, der den Profeſor ſchon an fi herabwürdigt, da ein folhes Amt, fehlt der münd« liche. Vortrag, die Nede des Augenblifs, von jetem Knaben, der lefen Fann, verfehben werden könnte. An Gymnafien zeigt ſich— vollends die Unfchiklichkeit des Dictirens. Sind es erläuternte Noten zum Schulbuche, fo find fie zugleich anmaſend; denn Fein Gebildeter hält fein Wiffen für tadellos, und unterwirft eö, würte dad auch Fein Geſez fordern, gern ter Einfiht ans derer, namentlih der Vorgefezten, vie — umgekehrt ohne dieſe Vorlage ſelbſt zu meiſtern ſich erlaubt. Sind es Ueberſe— zungen der Claſſiker, fo find fie verderblich. Noch vor 20 vis 30 Sahren gab es alte Lehrer, die des Deutſchen nicht voll kommen kundig, den lateinifhen Auctor lateiniſch erklärten, und wahrlih, man lernte ihn da oft beffer verftehen, als vom beiten Ueberſezungskünſtler. Auch fogenannte todte Spraihen wollen lebend betrieben werten, und ſo wie niemand franzdfifcdy oder italieniſch lernt, um zu überfezen, fo wie niemand Werfe einer fremden neueren Sprade für ſich Tefend überjezt, fondern im Leſen fhon verjteht: fo will auch der mit dem Leſer ſpre— chende Claſſiker in feiner lirfprache, ohne den magern Behelf ter Heberfezung in eine zu feiner Zeit barbarifche undefannte Spra- che, begriffen werden. Weberfezungen dienen nur der Peichtigfeit ſich in zwei Sprachen ſchnell zurecht zu finden, der Gewandtheit und Wahl im Ausdruf, endlih, um den Zuhörer befonders bei Prüfungen zu überzeugen, dag man das Leſeſtük wirklich verſtehe. Um hierin, befonvers bei den Endprüfungen des 2. Seme fters Feine befhamenten Blößen zu geben, mag es wohl gut feyn, dag jorgfältig einſtudirte Neberfezungen nah Voß und. andern ger druften Quellen, oder nach den ungetruften des Lehrers, Daheim abgejihrieben, vorgetragen werden. Deßen aber bedarf es nicht ſo 1377 viel, und eben fo kann für diefen Zwek das Schulbuch ohne alle Zu ſaze genügen. Das Meiſte, was wir wiſſen, lernen wir ja ohnehin auf Wegen, die für keine Prüfung berechnet ſind, folg— lich hier auch aus mündlicher Erläuterung des vorgeſchriebenen Lehrbuchs, aus nicht dictirten, nicht gedrukten Ueberſezungen, oder bloßer Interpretation ohne Ueberſezung. net nn jedoh die geftatteten Zuſäze des Lehrbuhs, die der Profeſſor mittbeilt, beſſer einzuprägen, als nach tem bloßen mündlichen Vortrage denkbar ift, kann allerdings das im Eine gang erwähnte Werkchen trefflihe Dienfte leiften. In gedrängter Kürze entwikelt es logiſche Vorkenntniſſe, die im Lehrbuche feh- len, theilt die Redekünſte in Profa, Poefie und Beredtfamfeit ein, bringt darnach Interabtheilungen an, die im Lehrbuche in ganz anderer Ordnung erjheinen, und in diefer wieter Ergeb— niffe der neuejten Zeit, welche dasſelbe noch nicht aufgenommen, ald: die Cantate, das Sonett, Matrigal u. f. w., die dort unter dem. Generalnamen Carmen Iyricum begriffen find. Eben fo ijt die Literatur mit den neuefen, mitunter min- der befannten Früchten ausgeftattet, und zwar nidt blos im Deutiben, Latein und Griebijhen, fondern auch mit einem Ueberblik ter Leitungen im Böhmiſchen, Ruſſiſchen, Schwedi— ſchen u. ſ. w., alles mit unverkennbaren Belegen von Talent, Einſicht und ausgebreiteter Beleſenheit. Wenn daher der Lehrer hoffen darf, dag fo manche münd— fihe Zugabe zum Lehrbuch, in ter er mit dem PVerfafer übers “ einftimmt, bier durch den Druf bei feinen Zöglingen dauerhafter erhalten, daß das Dictiren überflüjig wird: fo darf allerdings, wie oben erwähnt, dieſes fehr empfeblenswerthe Werkchen, Lehe renden und Lernenden willtommen fenn. Joſeph Schön, mol! 4 nah 114 378. 2,‘ Kurzgefaßte theoretifch - praftifhe Gefangfchule, mit bejonderer Rüfficht auf Jene, welche ſich diefe Kunſt zu ihrem Vergnügen auch ohne Meijter eigen machen wollen u.f.w. Bon 5. T. Blatt, Directorats - Adjunct am Eonjervatorium der Mufif zu Prag. Aufgelegt von Joſeph Rudl: (4830.) Se feltener bei ung Erfheinungen im Gebiete der theores tischen Muſik find, — wenigfteng im Verhältniß zu der Menge von reinpraktiſchen Werken oder bloßen Compoſitionen, mit wel— chen wir von Zeit zu Zeit von einheimiſchen Tonkünſtlern beſchenkt werden, — deſto mehr Aufmerkſamkeit verdient das Wenige, was unſere vaterländiſchen Preſſen in jener Hinſicht liefern. Das angezeigte Werkchen, deſſen Verfaſſer laut der Vor— rede und des Titels keineswegs eine vollſtändige, alle Theile des Geſangunterrichts umfaſſende Anweiſung zu liefern beabſich— tigte, ſondern rorzüglich für jene ſo zahlreiche Claſe von Di— lettanten ſorgen wollte, denen die Fertigkeit in der Geſang— kunſt blos als häusliche Erholung und zur Begleitung des Clavier⸗ oder Guitarre-Spiels wünſchenswerth iſt, entſpricht dieſem ans ſpruchloſen Zweke vollkommen, und, was die Reichhaltigkeit der Uebungsbeiſpiele betrifft, auf eine Weiſe, daß auch der nach hö— herer Ausbildung ſtrebende Geſangſchüler ſich des Werkes mit Nuzen bedienen kann. Der Hr. Verf. handelt in dem theoreti— fen Theile zuvörderft von den verfhiedenen Arten der Stimmen, oder den fogenannten Stimmregiftern, und gibt hierauf eine Furze WMeberficht vefen, was man mufifalis fde Zeihenlehre zu nennen pflegt. Hierauf folgt die Lehre von den Verzierungen des Geſanges, und zwar 1) vom Triller und dejen verfchiedenen Arten, 2) vom Vorſchlag, und 3) vom Doppelfhlag. Der Abichnitt: vom Tempo oder Zeitmaß enthält zugleich ein alphabetifches Verzeichniß aller ges bräuchlihen italienifhen Kunftwörter und deren Erklä— 57 rung. Den Beſchluß machen fehr faßliche und treffende Bemer: Fungen über das richtige Atbemhbolen. Ueberall find zwekmäßige Notenſpiele beigefügt , um das VBorgetragene dadurd binfänglih zu erläutern, Die zweite rein-praktiſche Abtheilung befchäftigt fih nun— mehr mit ten eigentlihen Gefangübungen. Den Anfang maben Scala-Uebungen in langen gehaltenen Noten, fo» wohl auf: als abwärts, welche zuerjt mit dem Vocal A, dann ' niit Zu. f. w. einzuüben find. Auf diefe folgen Tonfeitern im beidleunigten Zeitmage und kürzern Noten, welche in ei:“ nem Atbem binauf und eben fo wieder abwärts gefungen werten folen. Die Beijpiele find ſowohl bei diefen als allen nachfolgens den Uebungen fo eingerichtet, daß fie in jedem Stimmregifter gelungen werden können; auch laſſen fh die Ober: und Unter ſtimmen, unbeſchadet der Harmonie, verwechfeln. Die weitern Motenveiiviele befteben aus lebungen in 1) Secunden, 2) Terzen (welchen aber eigene Borbereitungsüubungen vors geihift find, worin die zu überfpringende Stufe ausgefüllt ift), 3) Duarten (eben jo), 4) Quinten, 5)Serten, 6) Sep timen und Octaven. Auf dieje äußerſt initructiven und malte nigfaltigen Uebungen — zufammen an 92 — lüft ter Hr. Verf. von Pr. 93 an Uebungen in Läufern, funcopirten oder ! gezogenen Noten, punftirten Noten, Triolen, Trile lern ıc. folgen, an welche ſich zulezt Uebungen im Intoniren der übermäßigenumd verminderten Intervalle anjhliegen. Als Anhang, zur Uebung im PVortrage eigentlicher Gejangftüfe mit Tert, iſt noh Mozarts geniale Tontichtung zu Göt he's Veilchen, ſowohl mit Guitarre = als Pianpforte-Bezleitung beie gefügt. Da alle Uebungsſtüke aus der Tonart, worin fie hier vor« Fommen A auch nod in andere fransponirt werten Fönıen, je nachdem es der Umfang der Stimme eines Jeden zuläft, und dieje Transpofition von jedem nur einigermajfen muſikaliſch Gebil« teten leicht feloft vorgenommen werden Fann: fo laßt fih dadurch tie Zahl aller diefer Hebungsftüfe auf mehrere Hunderte verviel« 380 fältigen, ein Qortheil, der die Braucbbarkeit diefes Merken, auch abgefehen von deffen übrigen Vorzügen, gewiß in ein fehr aümftiger Licht fest. 3 Zum Behufe einer rihtigen, und den diesfälfigen F. F. Gefegen genau entfprehenten DVermaltung eines in mehreren Beziehungen erheblichen Zweiges der Seeljorge, erjchien im Marz d. 3. nachſtehende praftifc = theologifhbe Abhand— lung, und wird in v. Schönfelds Bücerverlag (Altjtatt, Annas hof, Nr. 211) um 20 fr. C. M. verfauft: Die Matrifen der Afatholiten. Bon Maximilian Millauer, Dr. und kaiſ. Eön, öffentl. ordentl. Profeffor der Gottesgelehrtheit. ‚ Seinen bisherigen Zuhörern im Vortrage ter Pajtoral an ter PR. F. Karl-Ferdinand'ſchen Univerfität in Brag, von 1815 dis 1830 ald Nachtrag zu feinen Borlefungen gewidmet. Prag, 1830, v. Schönfelds Papıer und Druf, Mit Umſchlag brojwirt. no Geiten in Ss. Inhalt. Die Matrifen der Akatholifen. — I. Abfhnitt. . Einleitung. — II. Abſchnitt. Die bisherigen k. f. Berordnuns gen darüber. — III. Abſchnitt. Die neue k. P. Verordnung (om Nov. 1529). — IV. Abſchnitt. Kommentar derjelven, 1. $. Die Matrifen. 2. $. Die Duplicate. 3. $. Ihre Zu— ftellung. 4. 9. Und Behandlung. 5. $. Die Zeugniffe. 6. $. Die Auffiht. — V. Abſchnitt. Die bejonteren Fälle. VI. Abs ihnitt. Einige Zweifel und Betenklichfeiten. Anhang. Die Matriten der Sfraeliten. Shen dieſe Ueberſicht it hinreihend, die erſchöpfende Vollſtändigkeit diefes Auffazes darzuthun, während in den fogenannten deutſchen Erbländern des öſterreichiſchen Kaiſer— ſtaates jährlich mebr ald 20,000 Anwendungen der darin enthals tenen allerhöchſten Vorſchriften, Grundſäze, Manipulationen u. ſ. w. Statt finden, da z. B. Böhmen allein im Verlaufe jedes Jahres über 2000 Taufen, 500 Trauungen, 2000 terbefälle, und 1500 Zeugnijsfe über dieſe Amtshand— ngen zählt , welche gegenwärtig nach jenen Anweifungen behan« delt werden milj;en. 581 4. Malerifbe Darftellung von Prag, in fieben fein colorirten Blattern mit Tert. Zweite Liefe- rung. Prag, U. Borroſch's Buchhandlung. Diefe zweite Lieferung enthalt zwei Blätter: 4) den Dom von St. Veit, gezeichnet von 3. Schembera, geftohen von G. Döbler; 5) ten Hradſchin, die Anfiht von Südweſt, ge: zeichnet von V. Morjtadt und 3. Schembera, radirt von Prof. €. A. Richter (in Dresden). Ueber die ausgezeichneten Vorzüge diefer Feiftungen verweiien wir auf unfere Anzeige der erjten Lie: ferung in der Monatjhrift des Mufeums vom 3. 1329, Nos vember, ©. 441 u. fg. Dieje neue Lieferung entſpricht vollkom— men den Erwartungen, welche vie erite erregt hatte. Das herr: libe Denkmal ter Baukunſt des Mittelalters, die Domkirche, erfdheint bier zum erften Mal ım aröften Format, mwodurd es dem Zeihner möglihb wurde, die Detaild dieſes mwunderfhönen Baues mit jeltener Treue und Wahrheit wiederzugeben; das Co: lorit ift zart und warm, mur allzu amfig. Das zweite Blatt haben wir bereits als vorzüglich gelungen bezeichnet. P. IX. Bericht vom vaterländiſchen Mufeum, (Mai, Juni, Juli 1630.) Materialbeiträge. Für die Mineralien- und Peträfacten- Sammlung: Von dem k. k. Hrn. Bergrath Aloys Maier zu Pri- bram: ein großes, befonders ſchönes Exemplar von Fryftallijirtem Weigbleier; von Privram. — Bon Hrn. Cuſtos, M.Dr. Karl Presi: ein Eremplar von fojjilem Cerithium giganteum aus Gicilien. — Von tem FE. f. Stragenmeifer Drn. Johann Pojielt zu Jungbunzlau: ein Abdruk eines fehr großen Ino. ceramus in Sandſtein von Sungbunzlau. Für die zoohogiſche Sammlung: Bon Er. apoſtoliſchen Majeſtät dem Kaifer und Rönig Franz I: 2 Gäugtpiere, Dasyprocta Aguti um» ‘582 MyoxusGlis. 25 Bügel in 30 Crempfaren, als: Tcterus phoeni-. ceus mas. , Bombycilla cedrorum fem,, Turdus polyglottus und arundinaceus, Sylvia phragmitis mas. et fem., Anıhus aqnaticus byem., Fringilla cisalpina mas,, fem. et jur., Fringilla Ciris mas,, Crotophaga Ani, 2 Üremplare, Hi- -rundo rupestris fem., Andea Egretta, comata hornot., minuta, purpurea adulta et hornot., Tringa subarquata fem. glareola fem., Limosa melanura hyem., Himantopus atropte- rus fem., Charadrius cantianus m., Parra Jacana m., Sterna englica hyem., Larus argentatus, Procellaria capensis, Anas Sponsa mas,, Anas Tadorna. — Von Er. Durchlaucht tem Fürs ſten Rudolph von Colloredo =» Mannsfelt: ein auf der Herrſchaft Duppau gejihofener weiblicher Luchs und deſſen Ske— lett. Bon Sr. Durchlaucht dem Fürfen Karl Taris: 2 Exemplare ter gemeinen Meerfchwalbe (Sterna Hirundo L.) Für die Bibliothek: Don Hrn. Adam Adamowicz, Doctor und Profeſſor an der Univerſität zu Wilna: 2 Iateinifche Drukſchriften, "und en Kupferftih (die Abbiltung des Auerochjes.) — Bon Hrn. Barthol. Kopitar, Euftos an der P. k. Hofbibliothek zu & -ien: Tomja’s Wörterbud) der böhmiſchen, deutjchen und Tas teinifben Sprache. Prag, 1791, mit Zufäzen von Zlobicky. — Don Hrn. Grafen Adam Rosciszewski: 3 neuere polniſche Druk— fhriften, 7 Stück Landtagsverhandlungen in Galizien von ven Sahren 1820 bis 1826 incl., 10 Stück lithographirte Abbilduns gen won altpolniſchen Münzen, 11 Vortraite ausgezeichneter Pos le, ein Kupferfiih,, eine Anfibt der Stadt Tyniec in Galis zien darſtellend, eine lithographirte Anfiht tes Schloſſes zu Kr 'au, und eine von dem Monument, welches tie Zöglinge ter Militärfhule zu MWeft: Point in Amerika errichtet has ben. — Don Hrn. Wenzel Grolmus, Locafiften zu Kre— fin: eine böhmiſche Drufjchrift vom Sabre 1522. — Von Hrn. Franz Kurz, reguf. Chorberrn zu St. Florian in Deilers reich: deſſen Werk „Defterreih unter Albrecht tem IV.“ 2 Tante. Linz, 1830; dann ein Fac-simile eines alten zolniſchen Pſalters. — Bon dem hochw. Hrn. Auguftin Rob, Prälaten zu Raigern in Mähren: 2 Drufwerfe und ein Portrait. — Von tem Fönigl. bairifden allgemeinen Reichsarchiv: ter 28. Band der monumenta boica. — Von tem koͤnigl. bairt« fen geheimen 'Raty ,„ Freiherrn von Hormanr ! tech „Taſchenbuch für tie vaterländiſche Geihidte* 1830, teen Sresien in ven Arcaden tes Dofgartens zu Münden, und tejen gedrakte, in ver Münchner Akademie ver Wißſenſchaften an deren Bm ® v 34 * 583 # zıfen. Stiftungstage gehaltene Nede: Ueber die monumenta boica. Minden, 18330. — Von Hrn. Thomas Hölzel, Eifenbäntler zu Prag: das 13 — 18. Heft feiner Abbildungen von Schlojerwaaren. Prag, 1330; — Von Hrn. Med. Dr. W. Meitenweber: deſſen Snauguraldifiertation „Synopsis nosologica febrium et phlegmasiarum, Prag, 1330. — Von Hrn. M. Dr. Ritter te Carroz eine litbograpbirte chine— fiide Schrift über Kuhpockenimpfung. — Bon Hrn. Joſeph Ehmela, k.ek. Profeffor an tem Königgräzer Gymnaſium: deſſen lateiniſch-böhm.-deutſches Wörterbuch. Koniggräz , 1830, in 8. — Bon nn Doctor und Profejor La dislaus Sandera: tejjen „Beiträge zu einer leichtern ımd gründlichern Behand⸗ lung einiger Lehren der Arithmetik. Prag, 1830, und deſſen Abhandlung über Miletin in Böhmen. — Von der Cal— ve'ſchen Buchhandlung: die 3 neueſten Bände von An— dre’s ökonomiſchen Neuigkeiten, ver 3. und 4. Band der zwei— ten Auflage von Sommers Gemälde der phufifhen Welt, Nat: terdö Gebetbuh, 7. Auflage, 1829, Eberts Wlafta, 18329, Elsners Ueberſicht der europäischen Schafzucht, 2. Band, 1829, Röslers Comptoirkalender für —— 3 Taſchenbuch zur Verbreitung geographiſcher — 1830, Ehrenfeld's nenzucht, 1. Band, 1829, Königi —* Handſchrift, 2- flage, 1820, Elsners Schäferkatechismus, 1830, Schottky's Prag mit Kupfern, 1. und 2. Heft, 1830, deſſen Paganini's Leben und Treiben, 1830. Sämmtliche Werke Verlag der Cal— ve'ſchen Buchhandlung. — Von Sr. Durchlaucht dem Ehrenmit- gliede Heinrich Fürſt Lubomirski: ein Prachtexemplar von Eduard Fürft Lubomirski's ſtatiſtiſch-politiſcher Beſchrei— bung Englands in polniſcher Sprache. Für die Handſchriftenſammlung: Bon Hrn. Karl Brandt, k. k. Straßenmeifter: ein Auffaz über tie Ruine Tolenftein im leitmerijer Kreife. — Don - Hrn. Sof. Cybulka, Dechant zu Diwifhau: eine Monogra- pphie der Herrihaft Böhmifch » Sternberg. R Für die Urfundenfammlung: Bon Orn. Sana; Hornitel, Pfarrer zu Kofel: ein rag auf he vom $. 1676. — Bon Hrn. Das vid N euftaptl Antiquarduchhändfer zu Prag: 2 Ceſſions⸗ F urkunden, eine —* J. 1656, die andere vom J. 1767, ein - Fragment eines. Atelsdiploms für Georg MWilderode, und ein Lehrbrief ter Liechtenſteiniſchen Forftbehörte vom 9. 1787, alle 3 Urkunden auf Pergament. — Bon dem afademifben er Senat der prager Umiverjität: eine a auf Vergament von Kaijer Ferdinand dem II. vom J. 1626 über die Errichtung eines Bräuhauſes im Jeſuitencollegio zu Prag. 584 Für die Münzſammlung: Bon Hrn. Karl Trandtl, k. k. Gtraßenmeifter: 3 alte Eilbergrofben. — Von H AT. zu Prag: 3 Haldbtracteaten, ein Raitpfennig, eine Fupferne Familienmünze und eine fil- e Meraille. — Bon Hrn. Joſeph Schara, Vicär zu 3: eine £upferne Denfmünze. — Bon Hrn. Anton Sins „Bezirksvicär zu Dlaifowiz : ein tiroler Doprelfreuzer Ferdinand tem II. son Silver. — Bon Hrn, Franz Rufe, Pfarrer zu Hochpetſch: ein Meißner » Grofhen. — Bon Hrn. Anton Handa: 3 Stück verfbiedene Münzen. — Von Hrn. Sofepb Beramann, Prager Handelsmann und fubftituirten Keifizer des E. k. Mechfel: und Mercantifgerichts:- 12 Fleine filderne türfifde Münzen (Para's). — Bon Hrn. Mori; Der: jogenrath: 16 alte Kurfer= und 16 dergleichen Silbermun— zen. — Von Hrn. Wilbelm Kilian, Praftifanten bei der Paurimer F. f. Kreiscafle : die Zeichnung und ein Stanniol-⸗ abdruf eines felten en d enars von Derzog Boleslaw. Für die ett Eranbiihe Sammlung: _ a Bonter Fr. Anna Zimmerhadel: ein in der Ruine Walekow gefuntenes Er wftüf von einem alten in Thon gepreften Wappen. — Bon tem verjtorbenen f.f. Oprijilieutenant ve Flines durch Vermächtniß: ein alterthümlicher filberner Becher, mit Perlmutter und Eoelfteinen beſezt. — Bon dem füniogräger F, k. Kreicbauptmann und Gubernialratb, Hrn. Krticfa, Ritter von Saden: 2gemalte Warpen. — Von Hrn. Jakob Weinhu— ber, Xürger zu Brür: ein Trinfglag mit tem x rufibil w Kaiferin Maria Therefin, einem Wappen und einer böhmi Inſchrift. Nedacte ure F. Palacky⸗ 7 v. Shönfeid’s Papier und Drak Snhalt' be& dritten Heftes. LH Pac Pr. 1) Dalibor. Von K. €. Ebert ©. 275— 278. ; 2) Prolog zu dem hiſtorifchen Schauſpiele Bretislam und II Zutta. Von K. E. Ebert, ©.278—279. ER U Raturtune 0. Ueber dad PVorhandenfeyn der falzführenden Gebirgs⸗ Formationen in Böhmen. Bon F.E.M. Zippe: ©. 280-192. III. Statifik ueber die. Leinenwaaren Production in Böhmen. Bon Dr. und k. f. Prof. G. N. Schnabel. ©. 292 — 303. 3 2) Federnhandel in Böhmen. S 304 — 311. 3) Wollmarkt in Prag im J. 1830. ©. 311-312. IV. Gefdidte. — h Auch eine Meinung über die Franken und Waräger, Von Franz Palacky, ©. 313 — 322. = 2) Zeitrag zur Geſchichte der Karl - Ferdinandifchen Unis verfität. Die Geſchichte des philofophifhen Rechtes, als Fehr- N gegenftand betrachtet. Bon G. N. Schnabel. "S.323—327, II 3) Die Legenden auf dem Numus des Ders Boleslaw. Von Prof. Millauer. ©. 328. V, Topograpbie, Länder: und Völkerkunde 1) Bilder son 3. Schön, .«Selau. ©. 329-338. 2) Der Eorfo zu Trieft. Bon K.S. Eyvernig. ©. 339-346. 3) Notiz über das Alferthum der Teplizer Badeanftalten. Il Bon Dr. Sofeph Erneft Ryba. 5. 347— 352. 4) Ethnographiſche Miscellen : a) die — ——— von Neu⸗ Süd⸗Wales; b) die Armenier in Serufalem. ©.352— 35% VL Nefrolog Wenceslaus Peters, Maler. ©. 359—363. = VH Siteratur und Runf.. 8) Geſchluß) DVergleihende Bemerfungen über Hrn. de | Carro's Polyglotte. Bon F,. Palacky. S. 363 — 374: 2) Anzeigen:.a) Sofeph N. Müllers Leitfaden beidem ' ae Studium der'rerenten Künſte; von J. Schöff; b) Blatts Furzgefaßte tbevretifch - — "Belang. “ ſchule; Maxmilian Mlauers Matriken der Afathofifen; d) maleriiche Darftellung Jon Prag, 2 . Heft: ©. 375-381. h VIH. Beridt vom vaterländifhen Mufeum. * Mai, Sund und. Suli 1830.) ©, 381. Sabrbüder —— n Muſeums für Br = Birrtes Heft 1830 RN —— a 9, i es ©. Gate‘ ſche Buhpanblung- — ſachſ oder 4 fl. Conv. Münze, und balbjährig 1 Th. 8 ‚998. x. k. Poftämter Beſtellung darauf an, und iſt bei denſelben bekommen, und zwar der Jahrge Von dieſer Beitfieift ——— Beſchluß des — — fhufes der Geſellſchaft des vaterlaͤndiſchen Mufeumd som Sahre1830 an jährlich 4 Hefte, jedes von circa8 Bogen. Der Pranumerationspreis ift für den Jahrgang 2 Thlr. 16 ggr» Tichf oder 2 fl.Conv. Münze; für diefen Preis Fönnen dedachte Sahrbücder durch alle ſolide Buchhandlungen des Ins und Eu Auslandes bezogen werden; im Snlande nehmen unter porto⸗ freier Einſendung des Yränumerationebetrages auch alle vefpe balbjahrig mit 2 20 fr. €. M. zu pränumeriren, wobei die punktliche und portofreie Zufendung mit inbegriffen ift. = h Die drei erften Sahrgange obiger Zeitfchrift find auch noch zu- jang einzeln genommen im Inlande für 7 fl. & M., im Auslande 5 Thlr, ſachf. und wein alle drei Sahrgange zuſammen genommen werden, im Inlande für 18 fl. C. M., im Auslande für 12 Thlr, ſächſ. Einzelne Hefte werden jedoch nicht abgefaffen. en Alle Titl. Herren Mitarbeiter und Correfsondenten, 3 welche mit ihren Beiträgen die Redaction vorliegender Zeit- fhrift beehren wollen, werden gebeten, ihre Beiträge oder 2 Briefe an die unterzeichnete Handlung mit dem Berfage „für die Redaction der Zeitfheiften des böhmifhen Mufeums« ° gefalligft einzufenden. Diejenigen aber, welchen Leipzig naher - E als Prag liegen follte, werden gebeten, ihre Beiträge oder Briefe an Heren Immanuel Müller in Leipzig mit dem Bei: } ſaze für die Redartion der Zeitfähriften des böhmifhen Muſeums“ gekalligſt abzuſchiken. Prag, im Januar 1830, I ®. : Calveſche Buchhandlung. N Jahrbücher des boöhmiſchen Muſeums er für Natur: und Länderkunde, Gefchichte, | Kunft und Literatur. 7 4 Erfer Band, Viertes Heft. Prag, S. 6. Calve'ſche Buchhandlung. 1830, I. Ueber den Ehroniften Fredegar und feine Nach— rihten von Samo, König in Böhmen. Ein fritifcher Verſuch von Franz Palacky. ee rebegars Chronik gehört zu den wichtigiten hiſtori— hen Quellen des Mittelalters. Diefen Vorzug verdanft e aber nicht jo dem Umfange oder der Reichhaltig- it ihrer Mittheilungen und der Treue der Erzählung, vielmehr dem bedauernswerthen Umitande, daß fie größtenteils die einzige iſt, welche uns über merfwür: ige Ereigniſſe eines halben Jahrhunderts, vom J. 592_ id 641, eigene Aufichlüffe bietet. Ihr eigentliher Ge enitand iſt die Geſchichte der Fränkiſchen Reihe jener it, mit befonderer Aufmerkfjamfeit auf das damalige igreich Burgund im Süden Franfreihs; und da die iſche Macht fi von den Pyrenäen bis an den Harz, m Böhmerwald und die Farnifchen Alpen erifrefte, da 1 538 ed an Anläffen zum Streit mit den Nachbarn nie fehlen konnte, ſo war es natürlich, daß der Geſchichtſchreiber der Franken auch auf dieſe einige Rükſicht nahm. Daher fällt auch bei Fredegar mancher, wenn gleich trübe und ſchwache, doch bei ſonſt völligem Dunkel immer noch will fommene, Lichtitrahl auf die Völker im Oſten Europa’s, Snsbefondere ift es diefer Chronift allein, dem wir Nach— richten über ein hochwichtiged Ereigniß in der älteiten Gefchichte unferes Vaterlandes, die Bildung eines mächtigen flawifchen Staates in Böhmen im VU. Sahrhunderte, unter dem Konige Samo, zu vers danfen haben. Es ift über diefen Gegenftand von Gelehrten vers fihiedener Länder bereits viel gefchrieben und geftritten worden; Nudbefismus und Kritif, Nationaleitelfeit und Selbftverläugnung, Fabelſucht und ernfte Wahrheitsliebe haben fih an ihm vielfach verfuchtz, man bat Samo's Neich in verfchiedene Gegenden von Europa verfezt, nad Pommern, Böhmen, Ungarn und Kärnthen. Alle diefe abweichenden Meinungen beruhen allein auf der verfchies denen Deutung der Worte Fredegars und ihrer Combi— nation mit anderweitigen Daten der Geſchichte; denn au: Fer dem, was und diefer Chronift berichtet, weiß die ganze Gefchichte des Mittelalters nichts von Samo und feinem Reihe). Wenn daher das einftige Dafeyn eines großen und mächtigen Staates, defjen Mittelpunkt Böh— men war, die Aufmerffamfeit aller Freunde unferer vater: ländifchen Gefchichte in Anfpruch nimmt, fo wird die Anz *) Der Anonymus de gestis Dagoberti bei Du Chesne (l. 550 — 2), der Fenedictiner Aimoin (CF 1008) u. a. m. jhöpften ihre diesfälligen Nachrichten feloft aus Fretegars Series ter Anonymus de Conversione Carantanorum / und der ibm nachſchreibende Anonymus de vita S. Vir- gilii (bei Surius VI.) können bier nicht ald Quellen ange— fübrt werten, * 589 führung und umſtändliche Prüfung aller darauf ſich bezie— henden Angaben in Fredegars Werke, welche hier ver— ſucht werden ſoll, keine zwek- und nuzloſe Mühe ſeyn. Zuvor aber iſt es nothwendig, den Verfaſſer ſelbſt und fein Werk überhaupt näher kennen zu lernen. Wer eigentlich diefer Fredegar gewefen fen, läßt fih um fo weniger fagen, als fein Name ſelbſt nicht gegen alle Zweifel ficher geſtellt iſt. Dieſer wird nämlich in Eeiner bisher bekannten alten Handſchrift feines Wer: fes genannt, und es läßt fich nicht angeben, woher er urfprünglich entlehnt ſey; man iſt jedoch längft einvers ftanden, den unbekannten Verfaffer einen „Fredegarius Scholastieus“ zu nennen, und da diefes zur genauen Be: zeichnung des Werkes taugt, ohne dabei etwas zu vers wieren, oder Jemanden nahe zu treten, fo thut man wohl daran. Die VBermuthung des trefflihen franzöfifchen Hi— ftorifers Adrian Valois (Valesius F 1692), daß fein - Daterland das damalige Konigreich Burgund, insbes fondere aber die Stadt Aventicum (Avenche, im heutigen Canton Waadt, am Murtner See in der Schweiz) gewes fen, bat alle Wahrfcheinlichkeit für fih, und iſt infofern auch von andern Gelehrten zugeftanden worden. Schwieriger iſt die Frage über das Zeitalter, in welchen Fredegar gelebt und gefchrieben hat. Cani— ſius und Freher, welche fein Werk von dem feiner unge: nannten Fortfezer nicht unterfchieden, waren dev Meis nung, er babe unter K. Karl dem Großen gelebt; Du - Chesne glaubte aus ähnlichem Anlaffe, fein Nachlaß reihe bis zum J. 752. Daß aber Fredegars Chronik ſchon mit dem J. 641 abbricht, und alles Spätere darin - (bis 768) andern unbekannten Verfaffern angehört, it eine durch feinen tüchtigiten Herausgeber, den Beuedicti— mer Theoderih Ruinart (im J. 1699) abgethane Sache. Es frägt fih nur, in welchem Jahre nach 641 er fein Weork verfaßt Habe: eine, wie man wohl zugeben wird, 390 a fehr mwefentliche Frage, von deren Löſung feine größere oder mindere Glaubwürdigkeit zum Theil abhängt. Die Antwort darauf läßt fich aber nur aus einigen zufälligen Anzeigen in feinem Werfe fchöpfen. Um die Lofer nicht mit langwierigen Unterfuchungen zu ermüden, fpreche ich vorhinein meine Ueberzeugung aus, daß Fredegar fein Werk kaum vor dem Ende des VIT. Jahrhunderts, insbefondere nicht vor Der epochebildenden Schlacht bei Teftri (3. 687) gefihrieben hat; d. i. um mehr als ein volles Menfchenalter fpäter, als man feit Valeſius anzunehmen gewöhnlich geneigt ift. Meine Gründe find diefe: 1) Er fagt (ap. 48), Samo fey im vierzigften Jahre der Negierung Chlothars, alfo im J. 623 zu den Slawen gekommen, fey dort nach mehreren Heldenthaten zum Könige gewählt worden, und habe dann volle 35 Fahre lang glüflich regiert (f. unten). Nimmt man mit Profeffor Muchar‘) das Jahr 627 als die wahrfcheinliche Epoche feiner Königswahl an, fo regierte er bis 662, und Fredegar kann folglich diefes erft nach 662 gefchrieben haben. Auch gibt ſich im ganzen Werke Feine Spur fund, daß ſich Fredegar den Samo ald Zeitgenoffen vorgeitellt babe. Indem er, bei der fonftigen Dürftigkeit der Mit- theilungen von ihm, die Jahre feiner Regierung zählt, -fezt er voraus, daß fie den Lefern feiner Zeit nicht bes kannt waren; er nennt ihn ferner „homo quidam‘‘ : aber ein im Andenken der Zeitgenoffen noch lebender mächtiger und glüflicher Herrfcher ift Fein „„quidam.“ 2) Zum Jahre 655 fpricht er von dem durch KR. Da⸗ gobert zwifchen den Neuftriern und Auftrafiern errichteten Dertrage über die Erbfolge feiner Söhne, und ſchließt dann mit den Worten: „„@uod postea temporibus Sigi- *) Steiermärkifhe Zeitſchrift, VIII. Heft, Gräz 1827, ©, 112. 59 berti et Chlodovei regum (alfo zw. 658 — 658) con- servatum fuisse constat.“ Warum nicht lieber „‚tem- poribus nostris“ oder „hactenus?“ Man fieht es wohl den Worten an, daß fih der Verfaſſer im diefen Zeiten nicht als in den feinigen gedacht und gefühlt hat. 5) Der fprechendite Beweis liegt jedoch im Cap. 84, wo Fredegar eine vorläufige Ueberficht der ganzen Regie rung des griechifchen Kaifers Conftans II. (zw. 642 — 668) liefert, und dann hinzufügt: „Auemadmodum hoc fac- tum fuisset eventum, anno in quo expletum est, in . ordine debito referam, et seribere non silebo, donec de his et aliis optata, si permiserit Deus, perficiam, huie libello cuncta mihi ex veritate cognita inseram.“* Diefes ganze Gapitel läßt jeden unbefangenen und auf— merkfamen Lefer deutlich wahrnehmen, daß auch die Zei— ten des Conſtans dem Geiſte des Verfaffers als Tängft vergangen vorgefchwebt haben müſſen *), und die An— nahme, er habe dies erft etwa zwanzig oder dreißig Jahre fpäter gefchrieben, erfcheint um fo natürlicher, als fi im ganzen Werke nichts findet, was ihr widerfpräce. Auf jeden Fall iſt es nach den fo eben angeführten Worten außer Zweifel, daß Fredegar erft nach 668 fehrieb, daß er die Gefchichte bis dahin fortzuführen gefonnen war, und daß wir nun fein Werk nicht fo vollitändig beſizen, als er es zu hinterlaffen verfprochen hatte, | oder, — wer entfcheider es? — auch wirklich hinter: ließ. Ih muß hier die Vermuthung wiederholen, welche einer der fcharfiinnigiten Gefhichtforfher unferer Zeit, Hofrath Luden, vielleicht im anderer Beziehung ausge: ſprochen hat, deren Anwendung jedoch auf diefen Fall mit triftigen Gründen unterftüzt werden kann: Daß das große *) Auch bier heißt ed: ejus (Constantis) tempore — etiam et in postremo — tribus annis circiier et fertur adhuc amplius — u. dgl. m. 393 piftorifche Dunkel der Periode des Lintergangs der Meros vinger und der fich über fie erhebenden Karolinger (zw. 642 — 752) keineswegs ganz zufällig fey *), und daß der Gedanke an abfihtlihe Unterdrüfung gleichzeitiger unparteiifcher Denkmäler durch die Karolinger felbft, oder durch ihre Anhänger, als glaubwürdig erfiheine, Schon der ehrwürdige Bifhof Gregor von Tours (F 595) fand es nothwendig, feine Nachfolger zu bitten und „per ad- ventum Domini nostri Jesu Christi ac terribilem reis omnibus Judieii diem‘ zu beſchwören, „ut numquam li- bros hos (feine Chronik nämlich) abolere faeiatis, aut reseribi, quasi quaedam legentes et quasi quae- dam praetermittentes: sed ita omnia vobiscum integra illibataque permaneant, sicut a nobis relieta sunt‘“*). Alfo war folhes Thun feinem Zeitalter nicht fremd und unbefannt. Nun war es eben das Jahr 642, wo der ehrgeizige Grimoald, nachdem fein Gegner Dtto auf fein Anftiften umgebracht worden war, die Würde ines Major = Domus mit vorhin ungewöhnlicher Macht *) Geſchichte des teutfchen Volkes, III. 531. „Die Nachfols ger Gregors (von Tours), Fredegar an der Spize, haben alle feine Fehler, und nicht eine einzige feiner Tugenten. Es iſt auffallend, dag unter allen Bifhöfen in Gallien auch nicht Einer durd feinen Eifer aufgeregt worten ift, fortzufezen, was er begonnen hatte. Faft fann man den Gedanfen nicht unterdrüfen, daß in ſpä— terer Zeit, als das Haus der Merovinger zu Grunde gegangen war, und ein neues Haus den Thron gewonnen hatte, Manches unterdrükt worden ſey.“ — Denn (jagt er an einem andern Orte, IV, 7) „bei der Armuth und der Parteilichfeit der Schriftiteller ift es ſehr ſchwer, den Gedanken nieder zu halten, daß die Stufen, auf wel— hen die Karolinger zum Throne gelangten, nicht immer fo rein gewefen ſeyen, als diefer Thron glanzuoll war, nad): dem fie denfelben erreicht hatten.“ Man Iefe überhaupt den ganzen Abſchnitt über „die Testen Merovinger‘ daſelbſt. **) Historia Francorum, Lib. X. am Schluße. 395 an fich rißz; er, der einige Jahre fpäter zuerit den verwe— genen Gedanken faßte, feinen eigenen Sohn auf den Thron der Merovinger zu fezen, aber dafür auch bald mit dem Tode büßte. Man begreift wohl, daß es den Nachkome men Pippind daran gelegen war, den nächften. Zeugen diefer und anderer ähnlicher Gefchichten verftummen zu machen, Ihre Aufmerkffamfeit und Iheilnahme an Fres degard Werke verbürgt die Notiz zum J. 752, aus einer der älteften Handfchriften bei Duchesne und Nuinart ges fohöpft: „Usque nunc inluster vir Childebrandus co- mes, avunculus praediecti regis Pippini, hanc histo- . riam, vel Gesta Francorum *), diligentissime scribi procuravit. Abhine ab inlustre viro Nibelungo filio ipsius Childebrandi, itemque comite, succedat auc- toritas.“ Der Inhalt und das angebliche Alter des von Nuinart benüzten Codex Claromontanus beweifen nichts, da fie im Widerfpruche fteben mit den beftimmteften Das ten der Chronik ſelbſt *). Iſt nun aber der Saz, daß Fredegar feine Chronik exit im lezten Diertel des VIL. Jahrhunderts verfaßt habe, vernünftigermaffen glaublich und wahr: fo wird man aud) zugeben müſſen, daß er nicht als Zeitgenoffe und Augen: zeuge derjenigen Creigniffe gelten kann, die er 3. B. zu den Zahren 623 bis 652 berichtet. eine volle Glaubs würdigkeit wird diesfalls um fo mehr in Zweifel gezogen werden müſſen, als es unläugbar ift, daß er die Mängel der meiften Chroniften des Mittelalters, Unwiffenbeit, Fabelſucht, Einfeitigkeit und Parteilichfeit in hohem Grade theilte, Es ijt unnöthig, anderweitige Be: *) Nämlich die Kortjezung der Chronik des Fredegar bis 752. *) Ihnen zu Kolge müßte diejer Cover nah vor dem I. 649 gejhrieben worden feyn, was nad den obigen Nachweiſun— gen rein unmöglich ift. Der Coder dürfte höchitens aus dem Anfange des VIII. Jahrhunderts herzuleiten jfeyn. 394 weife dafür hier anzmführen*): fie werden fich aus ber umjtändlicheren Beleuchtung feiner Angaben über Samo von felbit ergeben. Man leſe und prüfe das Folgende, Gap. 48, 3. 625. Aımo XL regni Chlotharii, homo quidam, nomine Samo, natione Francus, de pa- go Sennonago, plures secum negotiantes adseivit, ad exercendum negotium in Sclavos, cognomento Wini- dos, perrexit. Sclavi jam contra Avares, cogno- mento Chunos, et regem eorum Gaganum coeperant rebellare. Winidi befulci Chunis fuerant jam ab an- tiquitus, ut cum Chwi in exereitu contra gentem quamlibet aggrediebant, Chuni pro castris adunato illorum exereitu stabant: Winidi vero pugnabant: si vero ad vincendum praevalebant, tune Chuni praedas capiendum adgrediebant: sin autem Winidi supera- bantur, Chunorum auxilio fulti vires resumebant. Ideo Befulei vocabantur a Chunis, eo quod dupliei in con- gressione certaminis vestita proelia facientes, ante Chunos praecederent. Chuni ad hiemandum annis sin- gulis in Sclavos veniebant: uxores Sclavorum et filias eorum stratu sumebant; tributa super alias oppres- siones Sclavi Chunis solvebant. Filii Chunorum, quos in uxores Winidorum et filias generaverant, tandem non sufferentes hanc malitiam ferre et oppressionem, Chunorum dominationem negantes, ut supra memini, coeperant rebellare. Cum in exereitu Winidi contra Chunos fuissent adgressi, Samo negotians, de quo memoravi superius, cum ipsis in exercitu perrexit, ibique tanta ejus fuit utilitas, ut mirum fuisset, et nimia multitudo de Chimis gladio Winidorum truci- data fuisset. Winidi cernentes utilitatem Samonis, eum super se eligunt regem, wbi triginta quinque *) Wer fie fuchen[will, findet fie z. B. bei Luden, im dritten Bande, in hinlängliher Anzahl, 595 annos regnavit feliciter. Plura proelia contra Chu- nos suo regimine Winidi gesserunt: suo consilio et utilitate Winidi semper superarunt, Samo duodecim uxores ex genere Winidorum habebat, de quibus vi- ginti duos filios et quindecim filias habuit-** Dies ganze Gapitel ift zum größten Theile ein Mähr—⸗ chen, von gelehrter Philiſterei erfonnen und naherzählt bis auf den heutigen Tag. Denn was erſtens das des fpotifhe Verhältniß der Avaren zu den Sla— wen betrifft, fo ftehen die darüber gegebenen Details nicht allein im Widerfpruche mit der Gefchichte, mit der Natur des menfchlichen Geiftes und dem allgemeinen Laufe der Dinge, fondern auch zum Theil mit fich feldft. Wie? ein Volk, das fich des halben Europa bemächtigt, deffen Waffen alle Länder in Schrefen gefezt, Oſtrom erfchüttert, und nach dem Zeugniffe der Chroniken, die Avaren vor k ‚und nach ſelbſt mehrere Male befiege hatten, dieſes Volk wäre damals fo feig geworden, den empdrendften Ueber— ‚much fremder Näuber viele Jahre lang zu dulden, mit Derläugnung aller menfchlichen Gefühle den wilden Gelüs ften der Feinde zu fröhnen, für fie in Vordertreffen zu kämpfen, um ihnen die Früchte des eigenen Sieges in die Hände zu fpielen? Wer waren denn jene Feinde der Avaren, gegen die fie mitfämpfen follten? Doch wohl felbt Slawen; feltener Franken, Longobarden oder Dyzantier. Nun hätten fie nicht Menfchen ſeyn müſſen, wenn fie, ins Vordertreffen geftellt, nicht lieber zum Feinde übergegangen wären, um mit ihm vereint, die ruchloſen Dränger aus ihrem Lande zu treiben, und das mit wenigftend in eine mildere Knechtſchaft zu gelangen. - Aber Fredegar weiß noch mehr: es mußten erft die avari⸗ ſchen Baſtarde unter den Slawen aufwachſen, um dieſe nur auf den Gedanken zu bringen, das ſchimpfliche Joch von ſich abzuwälzen. Als wenn bei einem rohen Volke die Söhne ſich nicht lieber an das herrſchende und übermü— 398 | thige Gefchlecht der Väter als das der gefchändeten Mütz fer anzufchliegen pflegten, und die Avaren nicht Einficht und Politik genug gehabt hätten, diefe günftigen Elemente auch für fh zu benuzen! Aber die ganze Erzählung, — vielleicht nur eine ungeſchikte Deutung des nicht verftans denen und unverfländlichen avarifchen Wortes Befulei oder Bifulei, — ift nicht nur widernatürlich, fie ift auch albern; glaube daran, wer fie verdauen kann. Daß die böhmifchen Slawen etwa feit dem Ende des VI. Sahrhuns dertö von den Avaren abhängig gemacht worden waren”), läßt ſich freilich eben fo zugeben, als es wahrfcheinlich ift, daß die rohen Barbaren fich dabei manchen empdrenden Frevel gegen die Natur werden erlaubt haben: aber das Einzelne dieſer Art ift Feine Negel, Eeine Gewohnheit, fein Grundzug der Geſchichte. Zweitens iſt die hier erzählte Abkunft Samo's nnd die Weife feines Emporfommens mehr als zweifelhaft. Daß er ein fränfifcher Handeldmann gewe— fen ſey, iſt zuerft von F. M. Pelzel“*) mit guten und fihlechten Gründen beftritten worden. Diefer fleifige Ge: fhichtforfcher fühlte wohl das Unzuläffige der Angaben Fredegars; da er aber feine Worte nicht geradezu verwer— fen mochte, fo fuchte er ihnen einen Sinn zu unterlegen, der vielleicht nicht in des Verfaffers Abficht gewefen, Er überfezte jene Stellen folgendermaffen: „Ein Mann, Na: mens Sam, aus dem Reiche der Franfen ma- *) Die damalige Gefchichte ſchweigt von dieſen Rändern ganz: lich; da jedoch die Avaren von Pannonien aus feit 563 wiederholte Einfälle nah Thüringen madten, fo muß ihnen Böhmen wohl offen geftanden feyn. Auch die fpätere Befreiung der böhmischen Slawen durch Samo fezt ihre frühere Unterjodhung voraus. **) Abhandlung über ven Samo , in ten Abhantlungen einer Privatgefellichaft in Böhmen, I. Band, vom Jahre 1775. © 222 — 242. ‚597 tione Franeus) warb viele Kriegsleute (negotiantes), und zog zu den Slawen, um da fir Gold Kriegs dienfte zu thbun (ad exercendum negotium ).“ — „Als die Wenden ihr Heer wider die Hunnen ausziehen liegen, zog der bei ihnen in Gold ftehende (nego- tians) Samo mit ihnen. Hier zeigte er fo viel Tapfers Feit (utiitas), daß eine große Menge Hunnen durch das Schwert der Wenden niedergemacht wurde. — Dap Fredegar mit der „utilitas“ ſtets die Tüchtigfeit, Tapferkeit bezeichne , kann nicht bezweifelt werden. Der Ausdruf negotium, negotians, negotiator kömmt bei ihm blos an drei Stellen vor: Cap. 55, „Theudebertus Bilichildem habebat uxorem, quam Brunichildis a negotiatoribus mercaverat;“* Gap. 48, wevon eben die Nede ift, — und Cap. 68, fiehe unten. Daß er dabei an Kriegsdienfte gedacht habe, iſt möglich, aber nicht zu erweifen: das „a negot. mer- eaverat‘ fpricht dagegen. Was foll aber die fremde Kaufmannsgilde bei den Böhmen? — zu einer Zeit, wo bier für die Nationalunabhängigfeit gekämpft wird ? Soll man etwa glauben, diefe Slawen hätten eine fo hohe Stufe der Civilifation erjtiegen, daß Handelsverhältniffe, von denen bei Fredegar fonft nirgends die Nede ift, bier im I. 625 und 650 eine fo wichtige Rolle fpielen? Oder dachte Fredegar, wie Cap. 55, fo auch hier etwa gar an einen Sklavenhandel? Aber die Sklaverei war ja bei den Slawen jener Zeit etwas Umerhörtes; es gab noch Feine Unfreien unter ihnenz felbft ihre Kriegsgefangenen pfleg- ten fie als freie Leute zu entlaffen, oder bei ſich zu bes halten #) ; erſt fpäter wurden fie von ihren weitlichen Nachbarn in folhen Künften der Barbarei, wie der Men: fhenhandel, unterrichtet. Diefe innern Widerſprüche ſind +) Man Teje darüber das gleichzeitige Zeugniß des Kaiſers Mauritius im Strategicon, LI. ec, 5. 598 doc) wohl erheblih. Und fie werben durch das „matio- ne Francus, de pago Sennonago‘ nur noch vermehrt. Man weiß diefen Gau (pagus) nirgends zu finden. Gewöhnlich fuchte man ihn in Gallien, im De: partement Donne, wo Gens, die ehemalige eivitas Se- nonum; aber wer. wird wohl vernünftigerweife an eine fo mächtige Handelsverbindung im jener Zeit zwifchen zwei fo entfernten, fremden, und durch Feine Localverhältniffe dazu begünftigten Puncten denken? Pelzels Meinung, der die Variante „„Senonico“ vorziebt, und darin ein forbie fches Dorf (!) mit Namen Senonice zu fehen glaubt, ift fehr gezwungen. XLuden deutete Sennonago durch „Semnonengau,“ mit Beziehung auf die einft an der mittleren Elbe (in Meißen) anfäffigen Semnonen; und da ihm nicht unbefannt war, daß dieſe Gegenden feitdem von Slawen befezt waren, fo frägt er: „Waren etwa diefe Semnonen den Slawen unterworfen? und erhob fi) Samo aus der Unterwürfigfeit durdy Tugend und Ihat zur Herrfchaft? oder waren die Semnonen nod) ein freies Volk, und war Samo den Slawen mit einem Öeleite*) zu Hilfe gezogen?“ Allein Samo war allem Anfchein nach felbit von Geburt ein Slawe, fein Franke, fein Semnone Mag der Unterfchied, den Pelzel zwifchen Fredegars Aus: drüfen genere Franeus „von Geburt ein Franke, und natione Francus „Unterthban des Reiches der Franken‘ zu machen ſuchte, immerhin unbegründet feynz; es gibt andere Gründe in der Natur der Sache ſelbſt, welche dafür ſprechen, und ihre Stimme gilt wohl mehr, als Fredegars nicht zu reimende Worte. Erſtens ift der Name „Samo“ flawifch; man braucht nicht an: *) Es iſt nicht ohne Fedeutung, dag auch Luden, ohne von Yelzel zu wiften, den Samo aus dem Lande der Gorben herleitet, und in ven „negotiantes‘ ein Friegerifches Ge— leite erblift. 599 zunehmen, daß er eine Fürzere Form des (allerdings härs figeren) Samoslaw fey; Sam iſt fo gut Wurzelmort und Name zugleich, wie 3. B. Tas, Mach, Cac u, dgl. me; verglichen mit sam-ec und sam-ice, läßt es feine mfprüngliche Bedeutung ahnen; o iſt bloße latinifivende Endfylbe, wie bei Krok-o, Vok-o u. f. w. Zweitens war Samo offenbar noch Heide; wäre er aus Gallien ge: fommen, wo damals fchon alles chriftlich gewefen, fo würde der Chroniſt gewiß nicht unterlaffen haben, feinen Rükfall ins Heidenthum anzudeuten und zu rügen. Drits tens iſt es auffallend, Daß in den fpäteren Verhandlun— gen Samo’3 mit den Franken fo gar nichts zu finden, was an. fein früheres Verhaͤltniß als Franke oder fränkifcher Unterthban auch nur von ferne erinnerte; Samo handelt ftets als Slawe für fein Volk und mit ihm; es zeigt fich fein fränkifches Element an feinem Hofe, Viertens, ber Anonymus de conversione Carantanorum (im 1X. Jahr: Yundert) nennt ihn ausdrüflich einen Slawen: quidam Slavus, Samo nomine; feine Worte haben zwar an fich feine Beweiskraft, aber eine Bedeutung darf man. ihnen doch immer zugeftehen. Endlich — und das ift wohl das Wichtigſte — bei der feit Jahrhunderten eingewurzelten Feindſchaft zwifchen den Franken und den Slawen ift es kaum glaublich, daß Einer von genen fih Diefen zur Hilf: leiftung angeboten, und noch weniger wahrfcheinlich, daß diefe, die wohl nicht ohne eigene Stammfürften waren, ihn, den fremden Handelsmann, jemals freiwillig als König anerkannt haben follten. Man wende dagegen nicht das Beifpiel Ruriks in Rußland ein; diefer Fam mit gro— ßem Geleite, 309 noch Lange weitere Kriegerhaufen der Waräger nach fi, und hatte wopl mit den Eingebornen viele Jahre zu Fämpfen, bis er allenthalben anerkannt wurde: Samo's Hof iſt aber fo rein flawifch, daß felbit der fränfifche Gefandte fich ſſawiſch leiden mußte, um nur zu ihm zu gelangen (ſ. unten). Daher gehört Fre: 400 begars Bericht. von Samo's Herkunft unter die hiftoris fhen Mähren), wie fie von den meiften Gründern gros Fer Reiche erzählt werden. Die Volksfagen wollen e8, daß aufßerordentlihe Männer auch auf außerordentlichem Wege zur Macht gelangen. Fredegar aber gefällt fich überhaupt in detaillirter Schilderung feiner gefchichtlichen Perſonen, und es wird nicht zu entfcheiden feyn, was daran der Gefihichte, und was der Phantafie des Chro- niften angehört. Ein dunkles Gerücht von Samo's Ab: Eunft kam ihn zu Ohrenz vielleicht brachte er den Namen mit dem fränfifchen „Semno“ oder „Senno“ in Verbin: bung, und wurde Dadurch auf den „„pagus Semnonagus“ geleitet; die Tüchtigkeit Samo's machte den auf fein Volk ſtolzen Ehroniften um fo mehr geneigt, ihn für einen Stammgenoffen zu halten. Gap. 58, zum J. 628 — „Dagobertus — usque eodem tempore ab initio quo regnare coeperat, con- silio primitus beatissimi Arnulfi Mettensis urbis pon- tifieis et Pippini majoris - domus usus, tanta prosperi- tate regale regimen in Auster regebat, ut a cunetis gentibus immenso ordine laudem haberet. Timorem vero sic fortem sua concusserat utilitas, ut jam de- votione arriperent suae se tradere ditioni;z ut etiam gentes , quae circa limitem Avarorum et Sclavorum consistunt, eum prompte expeterent, ut ille post ter- gum eorum iret felieiter, et Avaros et Sclavos, cete- rasque gentium nationes usque manum publicam suae ditioni subjieiendum fiducialiter Spondebat.“ -—— Bei diefen Worten iſt nicht außer Acht zu Taffen, daß Fredegar die Avaros et Selavos ald zwei von einan— der verfchiedene und felbftändige Völker bezeichnet, und *) Selbſt Luden jagt darüber: „Es ift unmöglich dem ge: ſchichtlichen Werth viefer Mähr zu würdigen. Groß dürfte derfelbe wohl nicht feyn.“ Geſch. v. t, Volkes III, 376. 401 damit Slawenſtaͤmme andeutet, welche weder von den Avaren, noch von den Franken abhängig waren. Gind darımter etwa die Slawen an der untern Elbe, die Luti— cen und Obotriten zu verftehen ? Cap. 68, Jahr 650: „De scandalo etstrage Francorum cum Winidis.“ „Eo anno Sclavi, cognomento Winidi, in regno “ Samonis negotiantes Francorum cum plurimam multi- tudinem interfeeissent et rebus exspoliassent, hoc fuit initium scandali inter Dagobertum et Samonem regem Sclavinorum. Dirigensque Dagobertus Sicha- rium legatarium ad Samonem, petens ut negotiantes quos sui interfecerant, et res quas inlieite usurpave- rant, cum justitia faceret emendare. Samo nolens Sieharium videre, nec ad se eum venire permitteret; Sicharius vestes indutus ad’ instar Selavinorum cum suis ad conspectum pervenit, Samoni universa quae injuneta habebat nuntiavit: sed ut habet gentilitas et superbia pravorum, nihil a Samone quae sui admi- serant est emendatum, nisi tantum plaeita vellens in- stituere, ut de his et aliis intentionibus, quae inter has partes ortae fuerant, Justitia redderetur in invi- cem. Sicharius, sicut stultus legatus, verba impro- perii quae injuneta non habuerat, et minas adversus Samonem loquitur, eo quod Samo et populus regni sui Dagoberto deberent servitium. Samo respondens jam saueius dixit: Et terram quam habemus Dago- berti est, et nos sui sumus, si tamen nobiscum dis- posuerit amicitias conservare. Sicharius dicens: Non est possibile, ut Christiani dei servi cum canibus amieitias conlocare possint; Samo e contrario. dixit: Si vos estis dei servi, et nos sumus dei canes, dum- vos assidue contra ipsum azitis, nos permissum ac- cepimus vos morsibus lacerare. Ejectus est Sicha- Zahrbücher. I. Band, 26 402 rius de conspeetn Samonis, Cum haec Dagoberto nuntiasset, Dagobertus superbiter jubet de universo regno Austrasiorum contra Samonem et Winidos mo- vere exercitum: ubi tribus turmis phalangae super Winidos exercitus ingreditur: etiam et Langobardi solatione Dagoberti idemque hostiliter in Sclavos perrexerunt. Sclavi his et aliis loeis e contrario praeparantes, Alamannorum exereitus cum Chrodo- berto duce in parte qua ingressus est, vietoriam ob- tinuit. Langobardi itidemque vietoriam obtinuerunt; et plurimum numerum captivorum de Sclavis Ala- manni et Langobardi secum duxerunt. Austrasü vero cum ad castrum Wogastisburc, ubi plurima manus fortium Winidorum immoraverant, eircumdantes, tri- duo proeliantes, plures ibidem de exereitu Dagoberti gladio trucidantur, et exinde fugaciter omnes tentoria et res quas habuerunt relinquentes, ad proprias se- des revertuntur. Multis posthaee vieibus Winidi in Thoringiam et reliquos vastando pagos in Francorum regnum inruunt. Etiam et Deruanus dux gentis Ur- biorum, qui ex genere Sclavinorum erant, et ad re- gnum Francorum jam olim adspexerant, se ad regnum Samoni cum suis tradidit. Istamque vietoriam quam Winidi contra Francos meruerunt, non tantum Scla- vinorum fortitudo obtinuit, quantum dementatio Au- strasiorum, dum se cernebant cum Dagoberto odium incurrisse, et assidue exspoliarentur.‘“ Die Ermordung und Plünderung einer fehr großen Menge (plurima multitudo) fränfifher Negotianten in Samo's Reiche war alfo der erfte Anlaß zu jenem gro⸗ fen Streite (scandalum) zwifchen Dagobert und Samo. Waren es Kaufleute, die damals freilich in Karavenen und bewaffnet gereist haben müſſen, fo entftehen daraus eine Menge Fragen, die wohl intereffant, aber bei der Dürftigkeit der Notizen nicht zu beantworten find. Gollte 405 der Handel in Samo's Neiche fo Iebhaft betrieben worden feon, daß er felbft Dagoberts Aufmerkfamfeit im fernen Paris auf fich lenken und als eine Staatsſache fo wichtige Ereigniffe veranlaffen konnte? Dder ging etwa die orien- talifche Handelsftraße durch diefes Land? Da der fränfifche Gefandte fo große Mühe hatte, eine Audienz zu erhalten, fo darf man ſchließen, daß Samo eine Art geregelten Hofitant hielt. Sichar mußte ſich mit den Geinigen erft ſlawiſch Fleiden, bevor er zur Samo gelangte. Die Zeugniffe der Alten über die flawi- fhe Tracht (welche auch bei den Franfen und Griechen zumeilen nachgeahmt wurde), find in Hrn. Joh. Kollars neueftem Werke (Rozprawy o gmenäch etc. Dfen 1830, ©. 70 fg.) zufammengeftellt; die Slowaken in den Kars pathen fcheinen ihr 'noch am meiften treu geblieben zu ſeyn. Sichar erreichte nicht den Zwek feiner Sendung; denn er verlangte Genugthuung für den an jenen nego- tiantes verübten Frevel, und was ihm der König dafür bot, war bloße DBereitwilligfeit, über beiderfeitige Bes ſchwerden der Völker zu unterhandeln (plaeita institue- re), damit die Gerechtigkeit, beiderfeits mehrfach verlezt, gegenfeitig gewährt werde. Man follte diefes wohl für billig erachtet haben; der unfinnige Gefandte cstultus legatus) brach) jedoh in Schmähworte und Drohungen ans, und forderte Gehorfam, unter dem Vorwande, daß ſowohl Samo als fein Volk dem Dagobert zur Dienftbars Feit verpflichtet feyen. Schon gereizt (Jam saucius) ante mwortete Samo: „unfer Land und wir mollen gerne zu Dagobertö Dienften feyn, wenn er mit uns in Freund- ſchaft zu leben geneigt if.“ Da er darauf die Frechheit gehabt haben fol, Samo's Volk „Hunde“ zu fihelten, (offenbar ift das ganze Geſpräch von Fredegar concipirt), fo wurde er fchimpflich abgewiefen, und zwar, was wohl zu beachten ift, ohne daß das befeidigte Volk ſich an feiner Perſon vergriffen, und fomit das Völkerrecht verlezt hätte. 26 * 404 Diefer Vorfall beweist nicht allein, dep Ruhe und Drönung in Samo's Neihe, und Mäfigung in feinen Rathe Herrfihten, fondern er läßt aud auf deffen fefte rechtliche Verhältniffe mit den Nachbarftaaten ſchließen. Zwei Staaten verhandeln nie über gegenfeitig verleztes Recht, wenn dieſes Necht zwifchen ihnen nicht vorher ver: tragsmäßig ausdrüflich (wenn auch nicht geradezu fchrifte lich) anerkannt worden tft; und da Dagobert zuerft den Weg der Unterhandlung einfchlug, fo muß er auch zwek— mäßiger Gerechtigfeitöpflege von Seite Samo's gemärtig gewefen fern; denn ihre Schuld war es nicht, daß der tolle Gefandte alles verdarb. Unbegreiflich ift es aber, wie einige Schriftfteller, und darunter felbit Pelzel, aus Sichars Worten ſchließen Fonnten, daß Böhmen damals noch von dem Franfenreiche abhängig gewefen fey. Hatte denn Samo und fein Volk die Befreiung vom Avarenjoche etwa den Sranfen zu verdanken? hatten diefe jemals vor: her auf das Land Anfprüche geltend gemacht, fo lange es unter dem Drufe diefer wilden Horden feufzte? darf man Samo's höfliche Rede für einen Beweis feiner Unterthä— nigfeit anfehen? pflegt man etwa zu Vaſallen Gefandte zu ſchiken? Aber Fredegar will es offenbar felbft nicht behaupten, daß Samo und fein Volk den Franken dienft: bar gewefen feyen; diefes waren ja eben die verba im- properii, quae — stultus legatus — injuncta non ha- buerat. Es Fam zu offenem Kriege. Dagoberts Nüftungen waren furchtbar; das ganze große auftrafifche Reich wurde gegen die Slawen aufgeboten, felbft die Longobarden zu Hülfe gerufen. Aber auch die Gegenanftalten der Slawen waren der Gefahr angemeffen, die fie bedrohte. Nicht nur die Worte des Chroniften: „his et aliis locis e con- trario praeparantes,‘* fondern auch die Eintheilung der fränfifchen Macht in drei große Heerfäulen, weifen auf die allgemeine Bewaffnung aller weftlichen Glawenftäms 405 me, vom böhmifchen Erzgebirge bis zu den julifchen Alpen bin. Wie weit ſich Samo's Reich erftreft Habe, iſt nicht genau zu beſtimmen; nördlich im Gorbenlande (in Sachfen und der Laufiz?) Herrfchte Herzog Derwan, der.es mit den Sranfen hielt; füdlich in der windifchen Mark (in Ka: tantanien?) Herzog Waluch, wahrfheinfih Samo's Bundesgenoffe. Welche Gränze diefes Reich von den Avas tem gefihieden, darüber ſchweigt die Gefchichte; vermuth— lich waren e3 die Karpathen im Norden der Donau. Ob aber auch die Slawen jenfeits der, Oder gemeinfchaftliche Sache mit ihm gemacht, muß dahin geitellt bleiben. Zu feinem Glüke waren die Avaren eben im J. 650 herrenlos und mit dem Bulgaren in ſchwerem Kampfe begriffen; da— her war von dieſer Seite Feine Gefahr zu befürchten, Als es nun, zum Kriege Fam, fol das longobardiſche Heer (das ohne Zweifel in Karantanien eingefallen war), die Slawen befiegt, und eine große Menge Gefangener abgeführt haben; gleiches Glük fchreibt der Chronift dem allemanifchen Heere zu, weches unter Herzog Chrodobert feinen Feldzug vermuthlich über Regensburg ins füdliche Böhmen hinein gemacht hatte. Indeffen müfen ihre Sie: ge nicht fo entfheidend gewefen feyn, da fie fich begnügten, mit einiger Beute an Öefangenen zurüfzufehrenz vielleicht war auch eine bloße Diverfion ihre Abſicht. Das Hauptheer der Auftrafier 309 dagegen, wie es fiheint, von Mainz herauf, den Main entlang, gegen Samo und feine Hauptmacht, welche im heutigen Der» Mainkreife des. Königreichs Baiern aufgeftellt war. Bei der Woga— ffishurg fliegen die Heere auf einander, Drei Tage lang währte die entfiheidende mörderifche Schlacht; die Franken wurden gänzlich gefchlagen, nnd fuchten ihr Heil in vegellofer Flucht. Die zufällige Aehnlichkeit diefer Schlacht mit der bei Leipzig in neuefter Zeit gelieferten wird auch durch den Umftand erhöht, daß die Befiegten ihre Nieder: lage nicht ſowohl der Tapferkeit ihrer Feinde, als viel: 400 mehr der Zwietracht im eigenen Heere zufchrieben, Die Abneigung der (germanifchen) Auftrafier gegen die (romas nifirten) Neuftrier mag allerdings in der Stunde der Ent: ſcheidung böfe Früchte getragen haben: da jedoch von kei— nem Verrathe die Nede war, fo muß man wohl den Ruhm des großen Gieges den Cechen diefer Zeit und ihrem Könie ge unverfümmert laffen. Ein feiges Volk Hält einen dreis tägigen harten Kampf nicht aus; und Eonnte wohl der Ausgang diefer Schlacht den Franken, welchem Stamme ſie auch angehören mochten, jemals gleichgültig erfcheinen ? Ueber die Lage der Wogaftisburg ift ſchon viel geftritten worden. Die Mehrzahl älterer Hiftorifer Haben fie im Süden der Donau gefucht, und Einige namentlich in Bvitsberg in der Steiermark zu finden geglaubt. In neuerer Zeit ift diefe Anficht noch von Kopitar und Dobrowſky vertheidigt worden; vermuthlich auf die Auctorität ded Anonymus de conversione Carantanorum, der feine hiftorifche Gtreitfchrift gegen den flawifchen Ritus in Pannonien ums Jahr 878 verfaßte, die Ereigniffe aber zwifchen Dagobert und Samo entweder nicht Fannte, oder abfichtlich entftellte.*) Der erfte Gefchichtforfcher, der Samo's Neich mit Gründen hifforifcher Induction nad) Böhmen verfezte, war (meines Wiffens) Joh. Thuns mann in feinen „Unterfuchungen über die alte Gefhichte einiger nordifchen Völker, Berlin 1772; ihm folgte unfer *) Ceine Worte find: „Temporibus gloriosi regis Fran- corum Dagoberti, quidam Slavus Samo nomine, ma- nens in COharentis, fuit dux gentis illius, qui venientes negotiatores Dagoberti regis interficere jus- sit, et regna exspoliavit pecunia. Quod dum comperit Dagobertus rex, misit exercitum suum, et damnum, quod eidem Samo fecerat, vindicare jussit; sieque fecerunt, qui ab eo illuc missi sunt, et regis servitio subdiderunt illos.“ Es ift wohl unnöthig, in die Wider: legung diefer Angaben näher einzugehen. 407 Pelzel im Jahre 47755 dann unter andern Karamzin, Euden und Mannert (lezterer in feiner „Sefchichte der alten Deutfchen, befonders der Franken“, Stuttgart 1829, ©. 267). Nad) dem endlich, was Prof. Alb. v. Muchar in der fehr gehaltvollen „Steiermärfifchen Zeitfchrift‘‘ (X. Heft, 1830, ©. 51 — 65) darüber gefchrieben hat, *) kann man diefe Frage fortan für abgemacht, und den Samo unferem Baterlande ohne fernere Widerrede vindicirt anfes ben. Daher enthalte ich mich aller ferneren Beweisführung hierüber, um nicht oft Gefagtes wiederholen zu müffen. Die Wogaftisburg lag dem zu Folge, nad Mannerts wahrfheinlicher VBermuthung, in der Oberpfalz, unmeit von Hersbruf, wo fpäter das Bergſchloß Reichenek gebaut wurde. Diefe Gegend war bekanntlich, feitdem wir fie aus der Gefihichte näher kennen, und bis in das XI. Sahrhuns dert herab, von Slawen bewohnt; denn hier faßen Die aus den Diplomen der Karolinger **) befannten Mainmwenden und Nedniswenden (Moinwinidi et Radanzwinidi); an fie erinnert noch jezt mancher topo- und Hydrographifche Name, unverkennbar ſlawiſchen Urfprungs, wie die Nede niß, die Pegniz, Kuba (Cham), Kulmbach n. a. m. ***) Auch dürfte Samo's Reich über die heutigen Gränzen von Böhmen tief in die Dberpfalz hinein fich erftreft haben. *) Daß ich nicht mit Allem einverftanden fenn Fan, was dies fer gelehrte Geſchichtforſcher ſowohl über Fredegar ald über Samos vorträgt, ift aus gegemwärtiger Abhandlung ſelbſt fihtbar; aud ließen fi feine Gründe gegen den Karantas nismus des Samo nod vermehren. Indeſſen find auch die von ibm angeführten mehr als hinlänglich, die Streitfrage außer Zweifel zu fiellen. **) &©.Monumenta boica, neue Folge, I. Bd. S. 41 und 95. +) Kür den Main hatten die böhmifhen Slawen noch im XIV. Sabrhunderte eine eigene Wortform: fie nannten ihn Moban, fo wie fie Mainz noch heutzutage Mohu? (ogl. Moguntia) nennen. 408 Eine Folge diefes Gieges war es, daß Derwan, - Herzog der Serben, non den Franken abftel, und fich mit feinem Volke in Samo's Schuz begab. Und fo waren denn alle ſtawiſchen Stämme im Often des fränfifchen Reiche, von der Mittelelbe herauf bis zu den julifchen Alpen hin, als Samo’s Unterthanen oder Bundesgenoffen vereinigt; die gemeinfame Gefahr vor den Franken und den Avaren, fo wie die perfönliche Klugheit und Tüchtigkeit Samo's, begünftigten in gleicher Weife die fehnelle Entftehung dies fes großen flawifchen Staates, des erften, den die Ge— ſchichte keunt. Von nun an ergriffen diefe Slawen die Dffen- five gegen die Franken; fie fielen zu wiederholten Malen verwiritend in Thüringen und in die angränzenden deutfchen Länder ein. Daß fie ihre Vortheile nicht zur Eroberung deutfher Länder benüzten, ift wohl aus ihren Verhält— niffen als aferbauendes Volk zu erklären. Der Nomade zieht, ohne fefte Heimath, Hin und her, und wird oft aus Noth Eroberer; der Akermann bleibt feiner Heimath treu, und trennt fih nur gezwungen von den Feldern, die ae zum Lohne feines Fleißes, ernährten. Gap. “m Sahr 650. „De Hunis in Bajoaria oecisis. „Eo anno in Abarorum, eognomento Chunorum, regno in Pannonia surrexit vehemens intentio, eo quod de.regno certarent, cui deberetur ad succedendum, unus ex,Abaris et alius ex Bulgaris; collecta multitudine uterque in invicem pugnarunt. Tandem Abari Bulga- ros superant. Bulgaris superatis, novem millia viro- rum cum uxoribus et liberis de Pannonia expulsi, ad Dagobertum expetunt, petentes, ut eos in terra Fran- corum ad manendum reciperet. Dagobertus jubet eos ad hiemandum Bajoarios reeipere, dummodo pertrac- _ taret cum Francis, quid exinde fieret. Cumque disper- si per domos Bajvariorum ad hiemandum fuissent, con- silio Francorum Dagobertus Bajoariis jubet, ut Bul- 40) garos illos cum uxoribus et liberis unusquisque in da- mo sua in una nocte Bajoarii interficereat, quod pro- tinus a Bajoariis est impletum. Nec quisquam ex illis remansit Bu’'garis, nisi taıtum Altioeus cum septin- gentis viris, et uxoribus cum liberis, qui in Marca Wini- dorum salvatus est. Post haec cum Walluco duce Winidorum annis plurimis vixit cum suis.‘ Die Gefhichte von den in Baiern gemeuchelten Buls garen ijt von Hofr. Luden in Zweifel gezogen worden, und allerdings ſcheint Fredegar hier abermals nur nach feiner Phantafie gefhildert, und die Ihatfache bis ins Mährchens bafte entftellt zu haben: daß aber eine Ihatfache der Er: zählung zu Grunde lag, wird man fehwerlich läugnen dür— fen. Das Gapitel it für und vorzüglich wegen des Her: 3095 Waluch oder Waljuch wichtig, der inder Marca Winidorum um diefe Zeit viele Jahre lang herrfchte, un— abhängig ſowohl von den Franken als von den Avaren, und daher Samo’s natürlicher Bundesgenoffe. Wenn man auch über diefe Marca Winidorum ftreiten mag, fo wird ed wohl nicht zu läugnen feyn, daß fie an das damalige Baiern gränzte, alfo im Süden der Donau lag, und daher wahrfcheinlich zu Karantanien gehörte. Cap. 74, Sahr 631. „Amno X rezni Dagoberti, cum ei nuntiatum fuisset, exercitum Winidorum Thoringiam fuisse in- gressum, cum exercitu de regno Austrasiorum de Mettis urbe promovens, transita Ardenna, Magantiam * magno cum exereitu adgreditur, disponens Rhenum transire, scaram de electis viris fortibus de Neuster et Burgundia cum ducibus et grafionibus secum ha- bens. 'Saxones missos ad Dagobertum dirigunt, peten- tes, ut eis tributa qui fisei ditionibus dissolvebant indulgeret: ipsi vero eorum studio et utilitate Wini- dis resistere spondent, et Francorum limitem de illis partibus custodire promittunt. Quod Dagobertus con- 410 silio Neustrasiorum adeptus praestitit Saxonibus, qui his petitionibus suggerendum venerant. Sacramentum, ut eorum mos erat, super arma placata pro universis Saxonibus firmant. Sed parum haec promissio sorti- tur effectum, tamen tributum Saxones, quod reddere consueyerant, praeceptione Dagoberti habent indul- tum. — Dieſe Erzählung ift wieder räthfelhaft. Der König unternimmt einen neuen großen Feldzug gegen die Slawen, kömmt mit dem auserlefenen Heere bis an den Rhein nad) Mainz und gibt da die Unternehmung auf, ohne daß man weiß, warum. Denn (fo fchreibt Luden III. 581), „was Fredegar angibt, das erklärt die Sache nicht, und iſt an fich ſelbſt irrig, unzuläffig, widerfinnig . .. Die Zinsbarfeit der Eachfen feit des erften Chlotars Zeiten mwiderfpricht der Gefchichte ; für fünf Hundert Kühe ift fein Krieg zu führen gegen ein mächtiges Reich; und die Lage des Landes der Gachfen machte die angebotene Vertheidis gung unmöglich“ u. f. w. Im Vorbeigehen will ich hier die Dertheidiger der Karantanität des Samo auf den gar zu tollen Unfinn aufmerffam machen, den fie unferem Fre— degar und der ganzen Gefchichte aufbürden, indem fie die an der unteren Elbe, in Holftein und Hannover, woh: nenden Gachfen mit den Karantanern in Thürin⸗ gen Krieg führen laſſen! Gap. 75, Jahr 632. „Anno XI regni Dagoberti, cum Winidi jus- su Samonis fortiter saevirent, et saepe transcenso eorum limite regnum Francorum vastandum, Thorin- giam et reliquos pagos ingrederentur, Dagobertus Mettis urbem veniens, cum consilio pontificum seu et procerum, omnibusque primatibus regni sui consen- tientibus,, Sigibertum filium suum in Austeris regem sublimavit, sedemque Mettis civitatem habere per- misit. Chunibertum Colonise urbis pontificem, et 411 Adalgiselum ducem palatium et regnum gubernandum jnstituit . . . Deinceps Austrasii eorum studio limi- tem et Regnum Francorum contra Winidos utiliter defensasse noscuntur.“ — Die häufigen Einfälle der Slawen, die vorzugsweife dem Lande Thüringen und den angränzenden Gauen gals ten, laffen vermuthen, daß Samo's Hofburg und Haupts macht fi) irgendwo im nordweftlihen Böhmen, in den Gegenden zwifchen der Eger, der Elbe und der Moldau, etwa im Nakonizer oder Saazer Kreife befanden. Die, Einfälle müffen dur) das Egerland, im Süden und im Morden des Fichtelgebirges gefchehen feyn. Daß Fredes gar immer nur Thüringen und „reliquos pagos‘ nennt, kömmt wohl nur daher, weil ihm und feinen Lefern, außer dem altberühmten Thüringerreiche, in dieſen Gegenden Fein Gau mit Namen befannt war. Es iſt aber faum zu zwei⸗ fein, daß diefe Feldzüge zunächft das Mainthal entlang Statt gefunden haben, Merkwürdig ift dabei der Umftand, dag Dagobert, der Alleinherrfcher von den Pyrenäen bis an den Harz und das Fichtelgebirge, der lezte mächtige König des mervingis ſchen Haufes, Fein zwekmäßigeres Mittel zu treffen wußte, den Fortfchritten der flawifchen Macht im Dften feines Keiches zu fteuern, als die Trennung des größtentheils deutſchen Auftrafien, deffen Hauptftadt Metz war, von dem romanifirten Neuftrien und Burgund, mit der Haupts ftadt Paris. So mächtig war fehon damals der Nationale haß beider großen Völker! Die Auftrafier befchränften ſich auch ferner, und zwar mit Glük, auf die Defenfive, wie es auch die nachfolgenden Stellen Fredegars beftätigen. Gap. 77, Sahr 633. „Radulfus dux filius Chamari, quem Dagobertus Thoringiae ducem instituit , pluribus vicibus cum exercitu Winidorum dimicans, eosque victos vertit ‚in fugam. Hujus vietoriae superbia elatus, et contra 412 Adaleiselum ducem diversis occasionibus. inimieitias, tendens, paullatim contra Sigjbertum jam tunc coe- perat rebellare.“ — Cap. 57, Jahr 649. — „Radulfus superbia elatus ad modum regis in Tboringia se esse censebat, amicitias cum Wini- dis firmans, ceterasque gentes, quas vieinas habe- bat, eultu amieitiae obligabat. In verbis tamen Sigi- berto regimen non denegabat, sed in factis fortiter- ejusdem resistebat dominationi.“ 6 Dies find. die Stellen alle, welche in Fredegars Ehronif auf die Slawen und auf Samo’s Neih Bezug nehmen. Sch habe fie hier vollftändig angeführt, um fie den Liebhabern der vaterländifchen Gefchichtforfhung zus gänglicher zu machen, ald es Fredegars Werk an ſich ift. Man wird fie nun um fo leichter feldft prüfen Fönnen. Mir aber möge es erlaubt feyn, noch einige Bemerkungen über die Epoche Samo's hier anzufchließen. Samo's Neid) ift eine von denjenigen Erfiheinungen in der Gefchichte, welche wie ein glänzendes Meteor fich unbemerkt und unverhofft bilden, um nach Eurzem Daſeyn fpurlos zu verſchwinden. Man weiß nicht, wie es be- gann, und. noch weniger, wie es endete. Wenn es wahr. ift, daß Samo 35 Jahre Tang glüflich regierte, d. h. als weifer Machthaber im Innern, und als Sieger nad) Außen, fo verdiente der große König im Andenken dev Nachwelt Höher geftellt zu werden, als es bisher der Fall war. Aber fehon vor Eofmas Seiten fcheint er ganz aus der heimifchen Sage verfchmunden zu ſeyn, und unfere va- terländifche Gefihichte hat ihn erft feit 1775, nicht ohne Widerfpruch, in ihre Blätter aufgenommen. Von Dun— tel umhüllt, erfcheint er hier allein auf dem großen Schaue plage feiner Thaten; feine Tüchtigfeit und Handlungs: weife ‚fpiegelt ſich nur in feinen Feinden, nicht in den Freunden und Lntergebenen ab, Ueber feine Nachkom— 413 men und Nachfolger aber laͤßt fih auch nicht eine Ver: muthung wagen; nur negative Säze gelten von ihnen, Pelzels Anficht, daß Samo nur ein Feldherr der Slawen, fein Herrfcher mit königlicher Macht" gewefen, und daß feine Milttärgewalt daher mit feinem Tode won ſelbſt habr zerfallen müffen, — diefe Annahme würde Vieles. erfläs ren, wenn fie nur befjer begründet wäre. Denn daß die Fürftengewalt damals noch bei den Slawen nicht geduldet worden wäre, iſt nicht zu erweifen, und widerfpricht bes ffimmten Daten der Gefihichte; man erinnere fih nur an Fredegars Derwan und Waljuch, der vielen flawifchen Stammfürften , die ung das Zeitalter K. Karls des Gros fen Fennen lehrt, nicht zu gedenken. Welchen Einfluß Samo’s Herrfchaft auf die von K. Conftantin Porphyrogenneta etwa zum J. 639 erzählte Auswanderung horwatifcher und ferbifcher Stämme aus den Dders und Elbgegenden an die Gawe und nad) Dalmia tien gehabt habe, ift bei der Unzuverläffigkäit der Anga— ben nicht Teicht zu beffimmen, und mag Ffünftigen Untere fuchungen vorbehalten bleiben. 414 II. Hiſtoriſche Notizen über den hölzernen Becher in Ellbogen, und die erfte in Karlöbad aufgeführte italienifhe Oper, von Johann Ritter de Carro, Med. Dr. und ausübendem Arzte in Karlöbad. u a £ & u & & & Du 4. Sm Sabre 4347 bewohnte befanntlich Kaifer Karl IV. das in wralter Zeit erbaute Ellbogner Schloß, als er die Heilung feiner bei Grey im Sahre vorher erhalte: nen Wunden durch unfere Bäder erlangte, und ihnen fei= nen Namen und einen allgemeinen Ruf gab; der große Böhme, Bohuslam von Lobfowiz, der erfte und umüber- troffene Sänger Karlsbads, fchrieb gegen das Ende des XV. Jahrhunderts ein elegantes Quatrain über Ellbogen (a), den er, zwar Fühn, mit Ancona (Cubitus) verglich; Ellbogen war die Wiege des Arztes Wenzel Payer, des älteften und fehr verdienftvollen Schriftftellers über die Heilfräfte unferer Quellen; in diejer Kreisftadt wird eine merkwürdige meteorifche Eifenmaffe von unbekannten Alter (a) . De Cubito, civitate Bohemiae, Derica Dalmaticis agitatur fluctibus Ancon, Sustinet et Boreae flamina saeva feri; Armisonis Anion quatitur sed nostra procellis Et patitur flammas, frigora, bella, famem. 415 aufbewahrt, welche von zahllofen gelehrten und ungelehr- ten Karlsbader Eurgäjten jährlich befucht wird (b). Diefe verfhiedenen Umſtände und die malerifche Lage Ellbogens geben unftreitig diefer Eleinen Stadt ein hohes Intereſſe. Im Senatszimmer des Nathhaufes zeigt man auch den Fremden einen hölzernen, einige Eleine alte deutfhe Münzen enthaltenden Becher, manchmal ohne, dfters mit einer fehr irrigen Erklärung. Da meiftens bes hauptet wird, daß diefer hölzerne Becher nur das fac simile eines alten goldenen oder filbernen Gefäßes iſt, melches einft der Münze abgeliefert wurde; fo ließ ich diefe Behauptung urkundlich prüfen, und fand das Folgende: + um Sahre 1352 am St. Clemenstage des heil. Pabſtes und Martyrers, erließ zu Prag Kaifer Karl IV. einen Majeftätsbrief (Privilegium), wodurd die Bürger der Stadt und Fürburg zu dem Ellbogen, ihre Erben und Nachkommen ewiglichen aller Steuer, Lofungen, Gefchoßen und der Fönigl. Beren ledig und los feyen follen, und daß feiner Majeftät, deren Erben und Nachkommen zu Böhem in allen fünftigen Zeiten nichts mehr als fünf Pfund fhwäbifcher Haller in einem neuen hölzernen Becher geben und gelten follen, fo oft feine Majeftät in allerhöchft eiges ner Perfon nach Ellbogen kommen, jedoch das Jahr nur einmal.‘ Diefes Gefäß war alfo nie anders ald von Holz, und mußte bei jeder Leberreichung neu beigefihafft werden. - Der dermalige Becher wurde im Jahre 1752 in Nürnberg neu verfertigt, weil Kaifer Karl VI. Damals die Karlds bader Eur brauchte; doch blieb der hölzerne Becher zu (b) Siehe Ceite 3 meines Werkchens: Ode latine sur Carls- bad, composee vers la fin du quinzieme siecle, par le baron Bohuslaw Hassenstein de Lobkowitz, avec une traduction polyglotte, une notice biographique sur ce po&te, des observations sur l’Ode, et sur l’antiquit® de ces thermes. Prague 1829 (u. der deutſchen Auf— lage ©. 11). A16 Ellbogen, weil Seine Mafeftät diefe Kreisſtadt nicht be— fuchten. — Bei der Gründung des böhmifchen National: Mufeumsd wurde ein fac simile des hölzernen Bechers nach Prag eingefandt. — 2. Unlängft fand ein Karlsbader Bürger ein altes Büch- lein, das ich jezt felbft befize, betitelt: L’Amore in Mu- sica, dramma giocoso da rappresentarsi nel teatro di Carlsbad, l’estate dell’ anno 1765. Sotto la direzzione ed impresa di Giuseppe Busselli, impressario delli spettacoli diPraga, In Praga, nella stamparia di Carlo Giuseppe Jaurnich. La musica € dal Signor maestro Antonio Boroni. Die Tonfezung und Ausführung diefer italienifchen Oper in Karlsbad ift defto merfwürdiger, weil damals, eine bei der Puppifchen Allee befindlich gewefene elende hölzerne Theater Baude ausgenommen, Fein ordentliches Schaufpielhaus hier eriftirte. ine italienifche Truppe mworunter fehr berühmte Sänger waren, wie die Gignora Zannini, Tibaldi, Paradifi und Bodoni, die Gignori Gnardaffoni, Gibelli und Tibaldi, mußte gewiß, um fie bieher kommen zu laffen, mit fehr großen Auslagen ver: bunden werden; die Zahl der Parteien damals in Karls: bad mährend der ganzen Gurzeit war unter 500, folglich faum 1000 Individuen. Das gegenwärtige Schaufpiel: haus wurde erft im Sahre 1787 erbaut. Ungewiß alfo bleibt es, wo diefe Dper vorgeftellt wurde, Da im Jahre 41765 die höchfte Naug = Perfon unter den Eurgäften, der Prinz Heinrich von Preußen, Bruder des großen Fried- rich, war, fo ift ed mehr als wahrfcheinlich, daß diefe Dper zu Ehren diefes füniglichen Helden gegeben wurde, . defto mehr, da er bekanntlich ein großer Liebhaber der Zonfunft war, und eine herrliche Muſikcapelle in Reins—⸗ berg unterhielt. Karlsbad, 20. September 1830. #7 Ueber einen alten (für böhmiſch gehaltenen) auswärtigen Denar, 4 TEE I 2200 Von dem aus Köhlers Münzbeluftigungen (VI. heil ©. 447) entlehnten, ‚und in Voigts Befchreibung böhmiz ſcher Münzen (1. B. XVII St. ©. 545) unter den Denas ren des Herzogs Wladislaw Num. 15.abgebildeten Stüfe, heißt es dafelbft ©. 347: „Av. Ein Kirchendach über zwei Stufen, in der Mitte die Buchftaben OMO. Die Umſchrift: SVTIVID. VIENVS. — Rey. Eine von oben , herabgeſtrekte Hand zwifchen den zwei Buchftaben V und J, über welche Fleine DEN gefezt find, Umſchrift: t. VLDIVIZOVIVDVL.“ - Sn der Erklärung diefer "Münze ©. 371 fagte Voigt: „er habe fie blos deswegen hieher gefezt, weil Freiherr von Röbel in feinem Schreiben an Köhler, fie unferem Herzog Wladislam (1109 — 1125) zueignete, und die Umfchrift auf den Av. alfo las: VLADISLAI DVX. — den Rev. aber auf folgende (leider nicht fehr erbauliche) Weife ergänzte: Divus VITVs VIti Manus (D. Doch fehe jeder, wie fehr diefer Denar, fowohl nach feinem Gepräge als auch nach feinem Gehalte von den übrigen, dieſem Herzog unftreitig angehörigen fih unterfcheide, und viele mehr den Münzen der Herzoge Boleslam II. und Jaromir gleihe. Wollte man alfo auch wirklich die Umfchriften auf öbige Weife lefen, fo müßte man dennoch diefe Münze ‚einem anderen und älteren Wladislaw beilegen; und da unter den Prager Herzogen Fein zweiter diefed Namens bekannt ift, einen anderen irgendwo in Böhmen, 3. B. zu Saaz, Bilin u, ſ. w. herrſchenden Herrn auffuchen, von Jahrbücher. I. Band. 27 418 dem diefe Münze geprägt worden fenn Fönnte. Denn, warum hätten diefe an fih faft unumfchränften Herzoge nicht eben fo, wie die zu Prag, Geld ausmünzen follen ? Jedoch fey dies abermal nur eine Muthmaßung.“ — Alfo Voigt, der aber dadurch neuerdings bewies, in welches Gewirre der Numismatiker bei der Beftimmung von Münzen unausweichlich gerathen muß, wenn e8 dem: felben am erften und wichtigften Erforderniffe dazu, und an der eigentlichen Grundlage diefer Arbeit, nämlich an der richtigen und verläßlichen Erörterung der Legenden gebricht. Kitter von Mader hat diefen Denar weder in feinem Auffaze: „Ueber einige ivrig für böhmifch gehaltene Mün- zen u. ſ. w.“ im IV. Bande der Abhandl. der k. böhm. Geſellſchaft der Willenfchaften vom Jahre A814 — nod) bei irgend einer anderen Gelegenheit berührt. Nach der von mir vorgenommenen Prüfung, wie auch mit Rükſicht auf die Manier und auf die Unarten der Stempelfchneider jener Zeit, lauten die Umfchriften dess felben auf folgende Art: T. Auf dem Av. mit dem Kirchendache, eigentlich dem Sinnbilde einer Stadt: SAMBIV. CIVITAS. — II. Auf dem Rev. mit der Hand: LVDIVICO IN- DVLgente. 7 Neben diefer Hand (Dextera Dei) befinden ſich hier ftatt des auf Münzen jener Zeit an demfelben Orte fo häu— fig vorfommenden, und fich gleichfalls auf Gott beziehen: den Alpha und Omega: die Buchftaben A und I. Die in der Mitte des Gebäudes angebrachten, ebenfalls auch auf anderen gleichzeitigen Denaren mit mannigfaltigen Veränderungen vorfommenden Buchftaben OMO aber, follen bekanntlich bloße Müngmeifterzeichen feyn (?). SAMBIV abgefürzt für Samarobriva bezeichnet die von Frankreichs Königen als dem Orte ihres öfteren Hof: haltes ſehr begünftigte Stadt Amiens, izt Ambianum, in der Picardie. (S. Martiniers geogr. Lexikon.) 419 Unter den Regenten des angeführten Namens herrfch- ten: Ludwig V. im 3. 986. — Ludwig VI. von 4108 bis 4157. — Ludwig VII. von 1137 bis 1180. — Ludwig VIII. von 1223 bis 1226. — _ Mir Rüfficht auf feinen unverfennbaren Habitus muß diefer fomit nicht böhmifche, fondern franzöfifhe Denar, von der Stadt Amiens, unter Ludwig VI. oder höchſtens dem VII. — und zwar nicht etwa nad) den gleichzeitigen, ihm ähnlichen böhmifchen Denaren, fondern vielmehr wie diefe lezteren felbit, nach weit älteren gemeinfchaftlichen Vorbildern, geprägt morden feyn. Ob, und in wie fern es aber in Frankreich felbft ſchon befannt fey, daß auch die Stadt Amiens im Mittels alter das Münzrecht nicht nur befaß, fondern fogar wirks lich ausübte? — welcher Negent es derfelben verlieh? — welhe Sinnbilder und Inſchriften auf ihren älteften Münzen erfcheinen ?— Furz, ob diefer Denar von franzds fifhen Münzforfchern etwa fchon früher richtig erkannt, und in ihren diesfälligen Werfen richtig behandelt worden fey? — vermag man aus Mangel an den hiezu erforderlis chen Behelfen nicht anzugeben, während Röbel, Köhler, Voigt und Mader, nach dem, was fie darüber fagten und nicht fagten, vielmehr das Gegentheil vermuthen laffen. Prag, im September 1850. M. M. ea 420 * er - oO ” > Von Joſeph Schön. a FE a ee Rura mibi et rigui placeant in vallibus amnes, Flumina amem silvasque inglorius. O, ubi campi, Spercheosque et virginibus bacchata Lacaenis Taygeta! o, qui me gelidis in vallibus Haemi Sistat et ingenti ramorum protegat umbra! **) Firgü. Georgie. IT. ysy, Man behauptet, wie denn gar manches in der Welt be: hauptet und gedruft wird, die Alten haben der. fhönen Natur fehr wenig Aufmerkfamfeit gefchenkt, am mwenigften in ihren Schriften, und man ift geneigt, unfere Vorliebe dafür,. einer gewiffen Schwäche und Empfindelei, einer leeren Gofetterie mit Hain und Flur zuzufchreiben, Allein, *) Gewöhnlih, nad deutfher Art gefhrieben, Gitfhin, aber auszufprehen: Sitjchin. Died für Fremde, welche laut Erfahrung, diefen in Schillers Wallenftein vorfommenten Drtönamen fo auöfprechen, wie das teutfhe © eigentlich lautet. **) Der Dichter wünſcht fich zuvörderſt das Glük, in die Ge— heimniſſe der Natur eingeweiht zu werden, als die des Laufs der Geſtirne, der Ebbe und Fluth u. ſ. w. Sollte ihm jedoch hierin ſeine blöde Einſicht im Wege ſtehen, dann, ſpricht er nach Voß's Ueberſezung: Dann ſind Felder mein Wunſch und wäſſernde Flüß' in den Thälern, Bäch' erfreu'n und Gehölze mich ruhmlos. O in Spercheos Ebenen! Auf zu Taygetos Höh'n und lacäniſcher Jungfrau'n Bachiſchen Tanz! O, wer leitet in kühlende Thale des Hämus Meinen Gang und bedeft mic) in dicht umlanbter Beſchattung! 421 abgefehen davon, daß zahllofe Werke, unter denen viel: leicht auch dichteriſche Landfchaftsmaler, wie Salis und Matthiffon, für ung auf immer dahin find, fo widerfpre- den die übrig gebliebenen genug dieſer Anfiht. Wenn ihnen auch nicht bei jedem Vergißmeinnicht die Augen übergingen, bei jedem Teichabfluß murmelnde Bäche beifte- len und die Ueberzarten darob Halbkrämpfe anwandelten! fo ehrten und Liebten fie gleichwohl Naturfchönheiten, wo fie fie fanden, erftarkten an ihrem Anblif, genogen fie, ohne ‚allzuviel Worte darüber zu machen; — aber fie machten fie doch. Virgil in feinem Werfe über den Landbau, und font gar oft, Horaz *) und Homer **) — ich dächte, drei folhe Herven genügen als Beleg — zeigen uns die anmuthvollite Empfänglichkeit dafür; ja ihre Bauten, ihre Statuen athmeten das tiefite Studium der Natur; aus ihe hoben fie ihre fchönften dichterifhen Bilder; dahin zielten ihre Sorgfalt, ihr Aufwand für reizende Landhäus fer; und ihr ganzer Gottesdienft war faft nichts als per- fonifieirte Erfheinungen der Natur. Ihr Eindliher Sinn befeelte und bevölferte alles, was wir als leblos betradye ten, und hierin ganz entpoetifiren., Zephyr, als ein reizendes Knäbchen, taumelte mit dem Weftwinde einher, und gaufelte liebend um Blumen und Sträuhe; Nymphen und Najaden, blauaugig, grünz haarig, wie die langen, langen Wafferpflanzen im Fluße, tauchten nefend aus den Wogen empor, bargen fich wies der, und fpielten mit den blanfen Kiefeln im Bade; Dreaden hüpften rehfüßig um Felſen und Bergfpizenz und holde Dryaden lispelten aus dem anmuthig wanfenden Haupte hochmwipfliger Bäume, oder erfeufzten laut, wenn graubärtig und fintern Bliks, Boreas beide Baken aufs blies und in vafendem Andrang fie zu entwurzeln drohte. *) 3.8.0Odar I. >. HI. 3. 6. 15. II. 1. 15. Epodon II, &c. *) Dliad. IV. 422. 482. V. 87. Odyss. V. 401. VI. 85. XVII. 205 &c. 422 Das ritterlihe Mittelalter, für die Nationen gothis fchen, nordifchen Stammes, für das izige Europa über: haupt, diefelbe gemüthliche, forglofe, gläubige Zeit, wie das unbefangene Knabenalter, mit vorherrfchender Einbil⸗ dungskraft für den einzelnen Menfchen, war eben fo ges neigt wie diefer, Findlichen Ginnes, Berg und Hain und Bach, mit Niren, Undinen und Feien zu bedenken; vor allem aber genofen die Bäume von jeher eine unbedingte Hochachtung. Bei den Alten waren fie als Wohnungen der mit ihnen lebenden und erfterbenden Hamadryaden, an fich Heilig, und fanden in diefer Meinung einigen Schuz gegen zerftörenden Muthwillen, aus Furcht, die blutende Nymphe ächzen zu hören, oder ſtraks ihre Nahe zu ers fahren. In Deutfchland und Frankreich wohnten die Göt⸗ ter und Druiden in dunkeln uralten Schauerhainen, bei den Preußen Perun und feine Waidelotten, unter taufende jährigen Eichen, und die Slawen in Böhmen ließen fih noch manches Sahrhundert nach der Einführung des Ehri: ſtenthums, mit Mühe vom einzelnen Begräbniß an Quels len und Hainen, fern vom Kirchhof, abbringen. Gie fohienen in Eühler Umdachung gleichfam fanfter ruhen, und während der Geift fegnend auf die Enkel vom Sternenplan herabblifte, in dem durch ihre Säfte belebten Baume, die Nachkommen befchatten, mit fügen Früchten befchenken- zu wollen. Und wenn man fich fehon unter fie gelagert in Träumereien einwiegen will; fo follte man denken, Pytha⸗ goras hätte mit feiner feltfam ausgeheften Geelenwandes rung von Thier in Thier, die freundlicher anfprechende von Baum in Baum, erfinnen follen, und wäre die Eins quartierung in Linde und Buche, ficher anfpredender, als die im Langohr und Borftenvieh, freilich nur fo lange — — bis eine grobe Holzhafe dem Baume, unfern Traumgebils den umd diefem Gerede ein Ende machte. Sa wohl Gerede! fpricht der Lefer, langes, unge: droſchenes Gerede! Wir gedachten etwas über Giejn _ 423 zu hören, und finden ein breites und weites über Bäume. Aber nicht ohne Grund, mein Gegner! Sch habe dich in den vorhergehenden Bildern, im Nordoſt und. Südweſt Böhmens, im Klofter Sedlec und Neuhof, Reichenau, Neuftadt an der Metau, Sfwadowic und Selau, unter eitel Bäumen berumgeführt, und da ich dir Baumfchlag und Schatten in allerlei Geftalten aufs gefezt, thut es Noch, dir felbe nochmal Fünftlich zuge: richtet, geniefbar zu machen. Go entfchließe dich denn nach diefer Vorbereitung in Geduld mich nochmal, von Sofephftadt aus, in eine freundliche Landſchaft zu geleis ten, nochmal, aber zum leztenmal. Wohl gedachte ich einft, aus diefem meinem Geburtsorte dahin verfezt, ihn zur neuen Vaterftadt, zur einjtigen Ruheſtätte zu machen; allein ein anderes befchloß das allgewaltige Schiffal, und jene Wahrfcheinlichkeit rafften die Lüfte aus einander und freuten fie leer in die Wolken, mit Virgil CAeneid. KX, 315) zu fprechen. Dir jedoch winkt hier volle Ruhe vor allen erdenklihen Bildern, da die Leitung dieſes Ges ſchiks von meinem Willen abhängt, und diefer fich unver: rükbar dahin geitaltet hat, daß ich Fieber deiner Hausfrau zu Ehren eine ökonomiſche, als nochmal eine landfchaft befchreibende Reife durch Böhmen mache, Fieber den Holz, preis der verfchiedenen Drte, als ihren Baumſchmuk, die Miethzinfe, die Beſchaffenheit der Quartiere, ald das Aeußere der Städte, die gelben und rothen Rüben, als den blauen Duft der Berge, in Erwägung ziehe. Durch diefen fo annehmbaren Vertrag vollfommen wieder vereinigt, fchreiten wir denn aus den Feilungswer: fen von Zofephftadt hervor, laſſen die Elbe im Rüken, und ziehen auf den Ziegelfchlag los. Hier wurde das zahle lofe Material zur Aufführung und Dachung der Häufer, ‚zur Verkleidung der Schanzen, zur gefammten Heritellung des Niefenbaues der Feftung geliefert, und während zum 424 ferneren diesfälfigen Bedarf hier noch einige Pläze aus: gewiefen find, bauten da die Jofephftädter ihre Landhäus fer , pflanzten Gärten, fiedelten fich auch andere Leutchen an, und gaben mit Beibehaltung des Namens feiner Bes ffimmung, einem neuen, eleganten Dorfe den Urfprung. So entitand aus dem Ziegelplaze zu Paris, der bewun- derte Königspallaft der Tuillerien (tuille, der Ziegel); fo in Athen aus demfelben Anlaß, der berühmte Ceramicus*); fo Hier unfer Ziegelſchlag, der fich befcheidentlich an feine vornehmen, griechifch = franzöfifchen Herren Vetter von ferne her anſchließt. Das Niefengebirge winkt num rechts im Norden herüber, von niedrigen Waldhügeln in der Nähe biswei— len verdeft, und geradehin weftwärts aus Waldesdunfel, das Kirchlein von Litic, noch freundlicher aber das Capell⸗ chen von Welchowef, ein Gut, deffen Herrfchaftsftz ganz in veihen Obſthainen verborgen, diefe überall hin, die Wege entlang, durch lohnende Fruchtftrahlen verlängert, Rauher wird indeß die hügliche Gegend, gleichfam die erfte Vorpoftenfette der nahen Niefenberge, und ganz unfcheinbar wie feine Lage, zeigt fic) Pirgliz oder Wẽeſſtow, mit wenig ausnehmbaren Neften einer Burg, deren ein: ftiger Gebieter, Ales Weeſſtowſky von Niefendurg fich und dem Dertchen, in Böhmens Gefhichte, unfterblichen Namen erwarb, da er durch die That, Kaifer Sigmunds Spruch: Böhmen könne nur durch Böhmen befiegt wers | den, bewahrheitete. Zuerſt ſelbſt bei der Gegenpartei, * er von Kunkẽtickäa hora, dem Sammelplaze her, im J. 4420 die Beſazung von Königgräz herauszuloken, zu ſchlagen und ſich der Stadt zu bemächtigen, ward dagegen mit den Königgraäzern bei der Stürmung des nahen Klofters *) Ein Stadttheil, von der Töpferarbeit ſo benannt, aus deren Abfällen der eben fo bekannte, noch beſtehende Scherben. berg (mons testaceus) zu Rom erwuchs. "425 Opatowic zurüfgefchlagen, brachte dann im J. 4435 die Compactaten ded Basler Conciliums mit Böhmen, nad Prag, mo er fie im vollen Landtage vorlas, ward ehrens voll von allen gemäßigt Geinnten im Lande betraut, Neichsverwefer, und fchlug am 50. Mai 1454 bei Lipany jwifchen Kolin und Kaufim, die Iaboriten aufs Haupt, wonach denn Friede und Ruhe ins Land zurükfehrte, Katz fer Sigmund anerfannt wurde. Ales aber, für den Ge— fhichtsfreund wenig befannt vorher, und nachher wieder verfchwindend, wie ein glanzvolles, im weiten Bogen am nächtlichen Himmel dahinflammendes Meteor, das nad plözlihem Urfprung fpurlos fich verflüchtige, ftarb im J. 4442, und nicht lange nach ihm fiel auch die Burg, zer— flört durch die Königgräzer im 3. 1467, ala Siz des dem Könige Georg widerftrebenden Wilhelm von Hafenburg. Diefes anmuthlofe Hügelland verliert ſich jedoch bald vor Eerefwic, einem Schloffe mit anfprechenden Gartens anlagen, und eben und Iuftigen Umbliks geht es gegen Hofic, an einer Berglehne dahin, welhe zwei Meilen weiter gegen Gicjn zu, bei dem bedeutfamen Konechlum (Ende des Berges) beendigt, gleichfam einen Vorhang bildet, der das weite, rülwärtige Thal und den Fuß des Niefengebirges dekt. Diefe Lage, welche der Gegend eine natürliche Spalierwand reicht, vertritt auch diefen Dienſt für Herrliches Obſt, erlefene Kirſchen und Aprikofen, wie vielleicht nirgends in Böhmen fo groß, duftend und geſchmakreich; dazu an allen diefen fanften Höhen, wie die von St. Gotthard *) bei Hofic, die erquifendfte Aus: fiht füdwärts hinab, in die fruchtbarfte, lachendſte Land: ſchaft. 55) Hieher zog ſich im April 1423 Zijßka, von vielen Herren gedrängt und verfolgt, die er aber durch glükliche taktiſche Vorkehrungen fhlug. Weiterhin an der Berglehne, finden fih noch Spuren von Verſchanzungen, belobt von befuhen- den Militärs unferer Zeit. 426 Dffener als über Pirgliz gelangt man über Hokeño⸗ wes hieher, Königgräz und das malerifche Kunẽtickaͤ hora meift im Angeficht, jenes (Schloß und Dorf) der Geburts— ort unferes bier im J. 13412, zum Frommen der vater: ländiſchen Gefchichte, der Heimath geſchenkten Abtes Neplach*), dann des um Böhmen hochverdienten Grafen Spork Befizthum, im 5. 1775 ein Hauptfchauplaz des Danerntumult3, und vom J. 1787 bid 1792 der Siz des Föniggräzer Kreisamts; diefes, Böhmens Wartburg , als wohin Dionys Borek Dohalffy von Kunẽtic, ganz in ders felben vettenden Abficht und im gleicher Angelegenheit, wie das nächte Sahrhundert darauf Luthern der Kurfürft von Sachſen, im J. 4437 den prätendirten Erzbifchof Roky— cana entführte. $ Noch angenehmer aber ift die Fahrt von Königgräz nad) Hofic, ebenfalls drei Meilen wie von Sofephitadt, durch das fruchtbarfte Gemüsland, das artig gebaute Schloß Nedelifft und die nahe Kirchhöhe zur Geite, über das hochgelegene Lipa (Linde), vondem das fait auf jeder Geite unferer Gefhichte erfheinende gleichnamige Herrn: gefchleht feinen Namen führen fol, in die ausnehmend fhöne Vertiefung um Sadowa. Park, Wald, Obſtrei⸗ ben und wehende Pappelnzüge, mächtige Eichen **), harmz los an der Straße einherziehende Phafanenheerden, weite ZTeichfpiegel und hurtig dahinhufchende Wäfferchen, entfal- fen ein anmuthiges, zufammenhängendes Bild, bis Necha— nie und noch füdlicher, wohl zwei Meilen weit, wo ehedem in fetten ſchwarzen Gründen Nitter an Ritter fich drängte *) Auch unferes rühmlich befannten Mufeums : Bibliothefard Danfa. +) Wieden Lüften vertraut, an den Waldungen lauterer Ströme, Nahe dem lieblichen Borde des Athefis oder des Padus, Zwo aufftrebende Eichen, die unbeihorenen Häupter Stolz in den Himmel erhöhn, mit bochher winfender Scheitel. Virgil. Aeneid, IX, 660. 437 die Sadomwffy, deren lezter als fchwedifher General aus unferer Gefhichte verfhwand, die Dohalſty *), die von Mokrowaus (Feuchtbart), von denen Bened oder Benes dict, ein kühner Wagehals feiner Zeit, bei allen Haupts händeln der erften Hälfte des XV. Jahrhunderts erfcheint. Umd über alles das im Hintergrund gen Norden, die blauen Bergkuppen des fernen Riefengebirgs und die Nähe des Swicjn, nicht uneben fo benannt, da er weit ins Land Hineinleuchtet,, von jenen bunfeln Wäldern umgürs tet, an die fich vor grauen Sahrhunderten, vielleicht vor einem Zahrtaufend, bie Verlaffene mit dem rührend Flagenden : Fan Ah wy lei, tmamj left, Leſi Mitetinfitj! **) aus der Königinhofer Handfchrift befannt, wandte, über: haupt rund herum, fo weit das Auge reicht, für Böhmen ein claffifher Boden. Hart am Schloffe von Sadomwa führt die Kunftitraße nah Gicjn, läßt Stracow (Elfternau) mit Schloß und jierlihen Gartenanlagen links, Ienft mit einem Ummege nad Hofic ein, und verfolge nun ihren Weg an der ob- erwähnten Berglehne bis Konechlum, wo fich das reizende * Amphitheater öffnet, in welchem Gicjn liegt. Ein wahres t 4 . ' \ *) Eine artige Erfheinung im Baufache ift die Darfkirche von Dohalicka, fehr heil und freundlih, der Hauptaltar, die Taufe Chrifti, in hohen Standbildern ausdrüfend, gegen die gewöhnliche Art ganz in der Mitte, von oben dur eine Kuppel von einem Lichtſtrome Überftrahlt, an das Himmlis ſche, Wunderfame, bei jener heiligen Handlung erinnernd. *) Ach ihr Wälder! dunkle Wälder! Miletiner Wälder ! j Sagt, warum ihre Sommers, Winters, immer gleich er« grünet? u. f. w. Duch Miletin, nahe am Switjn, gebt ebenfalls ein Weg von Joſephſtadt nah Giljn, hinter dem befagten Bergvors bange von Horic über Belohrad, etwas rauber, aber durd= aus eben und nicht reizlos. 428 weites Amphitheater, von Suüden her betrachtet, gegen Bydzow und Chlumer, von deffen vier Meilen fernen - Schloßhöhe man die Gegend fehr genau ausnimmt, bis. auf zerftreute, fehr fanfte Höhen, alles offen, ditlich das vorbenannte Konechlum, gleichfam der lezte Faltenwurf des Bergevorhangs um Hokic; weftfüdlich der blau anges hauchte Welt mit feiner Verflachung landeinwärts, zwi⸗ ſchen beiden Endpuncten von Oſten nach Weſten der oft umwölkte Kumburg, Bradlec, Tabor, eine maleriſche wohl bebüſchte Felſenreihe gen Norden, dann Waldhügel, die Lorettohöhe und der ergänzende Zuſammenhang mit dem Welis, alles ſcheinbar eng geſchloſſen, da die Oeffnung, durch welche die Kunſtſtraße nach Prag weſtnördlich, im— mer eben, aus dieſem Gebirgszirkel entweicht, erſt ganz in der Nähe bemerkbar wird. Nahe an der Stadt endlich, die fo ziemlich im Mittelpuncte diefes Amphitheaters, Doch mehr füdwärts ins offene Land hin liegt, der Zebjn, ein Zuferhut, ganz frei und abgefondert, als ob er zu vor- nehm wäre, mit andern Bergen Gemeinfhaft zu haben. Er fpizt fih Hoch und fcharf zu, wirft die Augen weit und breit in die Ferne, und gab bei feiner Lage und Geſtalt der überpoetifhen Phantafie des Volkes Anlaß zu dem Schwanke, es fey der Zebjn ein Sandkorn, das dem Teufel auf feinen Neifen in den Stiefel gerathen, und bier als überläftig, vielleicht aus Furcht vor Hühneraugen, heraus gefchhttelt worden, ©» die Natur, und nun Dazu fo manches ihre lieb- lihen Erfcheinungen hebende Menfchenwerf, und zwar von der Stadt aus gefehen, abermal von Dften nad Weſtſüd, das Kirchlein amı Abhange von Konechlum, das Schloß Kamenic und im Ihalgrunde gegen Miletin zu, der Kirch— thurm von Luzan, Radjm, und nördlich von Eifenftadtel die Trümmer der Vefte Kumburg, doch ftarf vom Walde verdekt, ganz offen, die der Burg Bradlec, die Wallfahrts⸗ Eiche am Tabor, herwärts der Zebin mit einer Capelle, 429. am Fuße mit den rothen Dahungen eines Meierhofs, feitwärts die berühmte Karthaufe Waldie, nun die Fels— fpizen um Prachow und Lochow, manche gleichfam Anfüh— rer mit einer einzelnen Tanne als Federbufch geſchmükt, unterhalb Dbftgärten am fogenannten Weinberg, der wohl den Namen von diesfälligen Verfuchen unter Karl IV., wie in vielen izt weinlofen Gegenden des Landes, behals ten, dann ein Gloriett auf dem lezten VBorfprunge, den diefe Bergreihe bildet, mit der Ausficht auf die Prager Straße unter fih, gleich gegenüber die Fortfezung diefer Waldhügel, mit einer Deffnung im Walde, aus der die fattlicheKirche von Woſtruzno (Brombeerort) und etwas höher ein artiges Capellchen hervorblift, tiefer, nach Sü— den, ein Lorettofirhlein auf einer lofenden Höhe, ein Schuzengel = Capelhen und Schloß Wokſſic zu feinen Fügen, endlich der Welis, an fich feldft von malerifcher Form mit fhwahen Trümmern einer weiland berühmten Defte gekrönt, ungewiß, ob die Burg dem Berge, oder der Berg dem Baue, den er trug, den Namen gegeben ? Dies die Umficht im anmuthigen Panorama, von eis nem Zeichfpiegel bei Gicjn, Eleineren Weihern bei Eifens ftadtel und von der Cidlina bewäffert, die von dem in Hpftfluren verfteften gleichnamigen Dorfe, aus, an ſich zwar unanfehnlich aber freundlich umbüſcht, dann mit Fruchtbäumen umfriedet, das Ihak durchfchleicht, fich all mählig erfräftigt, und bei Chlumec bereits die herrlichen Eichftämme der Elbe zu tragen hilft, welche diefe über Hamburg nach England fördert. Wohl mag dann. einft wieder im weiten Ocean irgend ein Tropfen der Elbe die heimifche Planke des brittifchen Drlogs nezen, etwa wie Gefpielen der Kinderjahre, fernhin zerftreut, im Welts gewühle, verwundert fi) wieder begrüßen! % u en ev Und nun noch einen Umgang im Halbzirkel von Gi— ein, nad) mehreren der genannten Puncte, die fih höch— ftens über eine ſtarke Stunde davon entfernen, oft Darunter 450 bleiben ; zuerft nach Kamenic, wo zierlihe Gartenanlagen den Beſuch Iohnenz gegen Luzan (Sumpfort) über Auli— bic, einen alten Ritterſiz, an einem altergrauen Capellchen vorbei, unter des Druidenbaums düftern Zweigen, mit dem wunberfamen Klange feltfamer Stimmen *), fo oft der Weit durch den reichen Lindenduft hauchet; den Kumburg hinan, deſſen anziehende Gefchichte wir bei einer andern Gelegenheit zu erzählen veranlaßt waren, und der trefflis che Fernfichten Iandeinwärts und in das hohe Gebirg bie: tet; dann auf den noch höheren Tabor, zumal im Früh: ling überrafchend, wie in dem des Jahrs 1817, wo am 16. Mai, am diesfeitigen Fuße des Berges, ganz Eidlina eine Blüthenflur, und am jenfeitigen, im tiefen Fahrweg bei Lomnic, fehneeballende Jungen, der Bergfamm aber die gefammte mehr und weniger befchneite und beeiste Kette des Niefengebirgs bot, die beffere Sahrszeit endlich hindurch ftetS widerhallender, wechfelnder, gemifchter Ge: fang der Pilgrime in beiden Landesfprachen. Einfam, aber in anderer Art eben fo anziehend, find die Felfen von Prachow und Lochow (zwei Dörfchen, gleiche fam Staubau und Hagedornort), leicht denkbar für jenen, der Adersbach Fennt, nur dadurch fehöner als diefe, daß fie mit Schlingpflanzen und Beeren bekleidet, mit Laub: und Nadelholz überall reich ausgeftattet, munterer ins Auge fallen als jenes Fahle Sanditeingeripp, dann daf fie aufs und abwärts durch manchen freundlichen Srrgang lei— tend, überrafchende Aus = und Fernfichten, in den bunz⸗ lauer und bydzower Kreis gen Norden gewähren, wogegen ihnen freilich Adersbachs Echo, Waſſerfall, und vor allem die Berühmtheit fehlt. Den Genuß zu erhöhen, gab es vor einem Jahrduzend, feitdem vielleicht eher gefördert ald eingegangen, durch die Vorforge des gräflichen Beft: zers gute Wandelbahnen und Nuhepuncte, dann bei der *) Schiller's Sungfrau von Orleans , zweite Scene. 431 Betriebfamkeit einer Hüttenbewohnerin manches Labfal für den Ermüdeten, mit einiger Vorbereitung felbft irgend ein reiches, fröhliches Feſtmal, ganz in der Nähe der fpärlihen Mauerrefte einer Warte (für eine Burg ift der Raum zu EFlein), oder eines Thurmes, bdergleihen in Scotts: Schloß Avenel, den blühenden Halbert groß zog. Sie mochten den ganzen Felfen umgürten, in dem man durchaus in Stein gehauene Gemächer (ob Kerker, Vor— rathskammern oder VBerftefe?) gewahrt, und über den man außer dem Namen Zatode, weder in der Sache, noch in der Gefchichte etwas Erzählbares vorfindet. Eine jener Ausfichten ift das vorbefagte Gloriet an ber Prager Straße, und indem wir von da binabfchreis tend im Vorbeieilen bemerfen, daß es in den Dörfern Wos ſtruzno, Slatina, Welis (alles, wie die Felfen um Prachow, Graf Shlififh) Kirchen gibt, die manche Kreis ſtadt ſchmüken würden, ftehen wir unvermuthet vor einer ganz einfamen, auf der Höhe des Hügelfammes, der ſich von Woſtruzno (Brombeernau) gegen Welis hinzieht, ein treues vollfommenes Abbild der zu Loretto in Stalien, die befanntlich von einem großen Dome *) überbaut iſt. Hier fehlt blos der Dom; ihm bilden der weite Himmels— bogen und der heitere Laubwald mit vierfahem Durchhau von oben herab, mit vierfach mwechfelnder Fernficht. Die eine romantifch und mittelalterlich, zeigt die malerifchen und wirklich oft abconterfeiten Burgruinen von Troffy oder Troffa, auf einem feltfam, etwa fattelförmig geftals teten, nach Balbin, den gereijteften Fremden auffallen: den Felsrüfen und zahllofe Bergkuppen dahinter, immer dunkler und dunkler, wie die ferne Nitterzeit, die König Georgs, der Troffa ſtürmend einnahm, und. die der zwei Schweſtern, die da in getrennten noch beftehenden Warten *) Auch zu Brünn bei den Minoriten, dann zu Reichenau im Pöniggräzer Kreiſe fiebt man fo Kirde in Kirche. 432 diefelbe trennende Glanbensanficht "von einander hielt, - welche damals das ganze Land fpaltete; die zweite, im . Rüken des Gotteshaufes, die noch fernere in unausnehme baren Sagen fich verlierende Ur- und Heidenzeit Böh— mens, In ödes Geftripp und verlorne, weite, wenig er: Eennbare, meift ebene Waldflur hinausblikend; die dritte gegen Süden überfteht das zwar theilweife ausnehmbare, aber durch zu vielen Wechfel von verirrenden Ortfchaften, Zeichen und Hügeln ziemlich unbekannte, ſchwer zu ent: räthfelnde Flachland, gleich unferer Zukunft *); die vierte endlich gegen Nordfüd, gleichfam die Gegenwart, das ganze freundliche Ihal um Giejn mit feinen Ziegeldä- chern, feinen erquifenden Matten, wechfelnden Feldern, Wieſen, Dbftlehnen, Gebüſchen und Wäſſern, die unmwill- führlich den Gedanken aufregen, es fehle diefer fo ſchönen ‚Gegend zur vollfommenen Schönheit nichts, als ein bes deutender Strom, etwa die Elbe von Leitmeriz. Statt daß fie fo ein Silberband ducchflöße, hat fie jedoch einie ‚gen Erfaz, welcher der Umgebung von Leitmeriz fehlt, au dem fchattenreichen Baumgange, der von Giejn bie ges gen Waldie führt. Und fo ijt denn die Stadt nicht blos reich an weiten, ausgiebigen, fondern auch an nahen nicht ermüdenden Spaziergängen, namentlicd durch jugendliche Obſtreihen nach Wokſſic mit trefflichen Wirthſchaftsgebäu— den, worunter ein fehenswerther Kuhftall, und noch mehr. durch vierfahe uralte Linden, wohl dreiviertel Stunden *) Noch mehr erweitert fih diefe Ausfiht von Welis gegen den gejegneten Landftri von Kopidlno, Rojdialowic, Kti: nec, ein Name, den jeder Gourmand mit goldenen Buchs finden in fein Gedenkbuch eintragen follte, denn er ift die Pflanzſchule der lekerſten aller böhmiſchen Phaſanen, was wohl die Eigenthümlichkeit des Bodens, des da hauſenden Gewürms erzielen mag, da gleich aufmerkſame Pflege ans - terwärts, Feinen böhmiſchen, und- in Böhmen ſelbſt nicht überall jeinen fo vorzüglichen Phafan erzieht. 435 lang mäßigen Ganges, bis in den Fürft Trautmannsdors fifchem Luſt⸗ und Iniergarten bei Waldic. Dahin geleiten fie in dichter dunkler Wölbung, Yafs fen links ein luftig bewachlenes Hügelchen fammt Stein: bruch , ſtoßen etwa in der Hälfte an einen gewaltigen Garten, in deffen Mitte ein Wirths- und Tanzhaus, ver: einigen ſich endlich mit andern eben fo alten Zeugen der Herrlichkeit des Herzogs von Friedland, die gruppenmeife bereits im befagten fürftlihen Parke befindlih, genau denfelben Gartenpavillon umfchatten, den jeder Spazier⸗ gänger Prags im gräflih Waldfteinifhen Garten, der dort wie hier durch die Liberalität der erlauchten Befizer jedem Befuchenden offen fteht, fehen kann. Derfelbe Bes fizer vor 200 Jahren, vermuthlich derfelbe Baumeifter. — Und fortan erfchließen fi) unabfehbare Wandelbahnen nad) verschiedenen Richtungen, überraſchende Umfichten in das Sunere und nah außen, Sägerhaus und Kornfeld, Pha— fangehege und Blumenflur, Geitripp für den Damhirſch, den wilden Schöpfen, und wohlbeſchornes Gartenfpalier an Nofenhefen, das Ganze von ausnehmendem Umfange, ein Genuß, den nicht leicht eine andere Stadt, in diefer Art und fchattenden Bequemlichkeit dahin zu gelangen, bieten mag; gleich am Parfe endlich, auch da durch eine drathumgitterte Wandöffnung fihtbar, die Karthauſe Wals die, die Stiftung, und bis auf Sofeph IL, das Grab des großen Friedländers, Diefelbe ftrenge Einfamkeit, welche der Orden nad) dem Vorfpiele der grande chartreuse im Delphinat Frankreichs, in gräßlicher Felswüfte, überall fuchte, welche im uralten Geiz (eigentlich Zagje, Hafenore) in der füdli- chen. Steiermark die Natur felbft gewährte, ward hier durch ein Vierek hoher Burgmanern mit vertheilten Vers theidigungsthürmen und Schießfharten erzielt. Eben fo feſt und vittermäßig der Eingang, dann ein weiter Hof, zwei Flügel als ehemalige Prälatur von der anfehnlichen Jahrbücher. I. Vand— 28 454 Kirche in der Mitte getheilt, dann der im Vierek herum: gehende Kloftergang, deffen zahlreiche Ihren aber nicht wie in andern Klöftern oder auch weltlichen Gebäuden, unmittelbar in Zellen und Zimmer führen, fondern in ab» gefonderte Häuschen zu einem Stokwerk, von einem Gärt— chen umgeben, das durch hohe Mauern von dem Des Nachbarn getrennt, jede Anfprahe, jedes Menfchenantliz fern hielt. So abgefchieden diefe Bauart, fo heil und freundlich dagegen die Zimmer, nichts weniger als Klo— fterzellen wie in Dichterwerfen *), oder hie und da in der Wirklichkeit; die obern gewölbt, mit Stuccatur verziert, das untere, eine Werkftätte zu beliebigen Handarbeiten des Einfamen, ald: Maler, Tiſchler oder Drechsler, end» lich eine Fleine Nifche darin fammt Drehwerk auf den Gang hinaus, von wo der Klofterfoch ungefehen, und nicht fes hend, Jahr aus Jahr ein, feine Faftenfpeife hineinwand, fo genau hierin waltend, daß er Dept ftatt Butter, Manz delmildy ftatt gewöhnlicher, und ftatt des Eies vom Huhn, das der Schildkröte reichte, So reiht fit) Häuschen und Gärten an Häuschen und Särtchen von drei ©eiten, die vierte, die Vorderfeite, der Prälatur überlaffend, indeß ein eigenes Haus für Gäfte und die Wirthfchaftsgebäude außerhalb des Klofters, mit der befagten VBorderfeite, ein zweites freies Vierek, gleihfam den Hauptplaz eines Städtchens bilden. Wir fcheiden mit dem Wahlfpruche des hier aufges hobenen Ordens: Memento mori! — Der Anblif diefer eben fo eingehenden Häuschen wie ihre dahingeſchwunde— nen Bewohner, der des Steines, unter dem einer der Haupthelden des dreißigjährigen Krieges ruhte, bis unter Sofepp IT. fein Leichnam mit bedeutender militärifcher Feierlichfeit nah Münchengräz übertragen ward, das voffelnde herbſtliche Laub, falb und röthlich, gleichzeitigen *) GSalis: Bild des Lebens. 435 Linden entraufchend , weft von felbft gleiche Gedanfen mit Homer, auch in jenem, der nie feine Ilias (VI. 446) be> rührte: On neo pvAlov yeven, Toınde zur avdowv, Dvila Ta were” avsuog yaundız yes, alla des van TrkeJowoa gveı zaugog d* eruyıyverau Won. ia Denfelben Weg nah Giejn zu, nahm zu des Fried: länders Zeit, eine feierliche Proceffion mit dem Sarge der h. Secundina, der da in der Zefuitenkirche bewahrt wird, und eben aus der Befchreibung diefes Feftes, aus ber gefchriebenen Gefchichte des Giejner Collegiums, begonnen vom P. Balbin, fortgefezt vom jeweiligen Nector, zeigt fich der Beftand diefer Allee in den Worten: Tiliae quadrupliei ordine. Hier erging fi) wohl auch bisweilen der Herzog in hohen Entwürfen für die Verherrlihung feines Lieblings ſizes, in welchem er vor feinem lezten Commando, von Staats- und Kriegsgefchäften zurüfgezogen, königlich Hof bielt.» Die Gefuiten und 100 adelige und bürgerliche Stiftlinge hatte er hier eingeführt; hier gedachte er eim Bisthum zu ftiften, die Stadt ald Hauptort feiner weiten Befizungen bis zum Welis zu erweitern; hinterließ aber, in allen Entwürfen unterbrochen, von diefen Plänen blos das, nad der Zerftörung im J. 1620 neu umbaute, nicht vollendete Schloß mit fehenswerthen Stallungen, und die gleichfalls.nicht beendigte Decanalfirche, nad) dem Mufter von ©. Jago in Compoftell. Ueber feinen Tod drüft fih P. Balbin im befagten Manuferipte fo aus: „Um diefe Zeit Fam zu und die „Nachricht, der Fürft fey zu Eger ermordet worden. Mir *) Gleich wie Blätter im Walde, fo find die Gefchlechter der Menſchen, Einige ftreuet der Wind auf die Erd’ hin, andere wierer Treibt der knoſpende Wald, erzeugt in des Frühlings Wärme, 25% 436 „kömmt es nicht zu, feine Feinde und die böfen Gerüchte, „ſo damal in Umlauf waren, zu widerlegen; das aber ift „ficher, daß er viele Widerfacher und Neider hatte, Sonſt „war er ein überaus großmüthiger, in feinen Entwürfen „weit ausfehender, für uns fehr gütig gefinnter Herr. „Auch hatte ich ald Knabe Gelegenheit, näher um ihn zu „ſeyn, da ich unter die Zahl feiner Pagen aufgenommen „war. Nach feirter erften Entfezung vom Generalate hielt „er fih viel in Giejn auf, wo ihn oftmal der Cardinal „Fürft- Erzbifchof von Prag, Graf Harrach, fein naher „Verwandter befuchte, um ihn zur tröften. Auch taufte „ihm Diefer dafelbft im 3. 1627 ein Söhnen, das aber „nicht Yange lebte *). Er hatte fich fonft oft in unſerer „Kirche, oft im Collegium, ja felbft bei Tiſche eingefun- „den, auch Prämien an die Schuljugend vertheilt, und „war überhaupt fehr herablaffend und freundlich gegen uns. „Die lezten Zeiten z0g er ſich fehr zurük, und Flagte oft „über die Intrigen unferes Ordensgenoffen Lamormain, „des Faiferlichen Beichtvaters. inige Jahre nad) feiner „Ermordung führte feine Gemahlin den entfeelten Körper „im Stillen Hier durch, und ließ ihn eben fo fill in der „Karthauſe Waldic beifezen. Für uns aber war fein Tod „von fehr traurigen Folgen. Die Frechheit der Soldaten „wuchs fo fehr, daß die Eaiferlichen Truppen alle Böhmen „gerade für Feinde anfahen, und im Lande nicht anders „als im feindlichen Befizungen wirthfchafteten. Kaum war „der Herzog todt, fo überfielen alfogleich italienifche Re— „gimenter alle Waldfteinifchen Herrfchaften, als ob fie „befürchteten, die Unterthanen dürften feinefwegen Unrus „ben anzetteln. Diefe Krieger fehalteten nicht nurin Giejn, „ſondern ſelbſt auf unfern Gütern ganz nach Willkühr, „tödteten das Hornvieh, fchleppten das Getreide und Die + Ein Töchterhen, alfo doch eine Schilleriſche Thefla, nur nicht in der vom Dichter angegebenen Lage und Reife, Tiegt in den izigen Trümmern eines Kirchleins im Deranalgarten begraben, tes Herzogs Eltern zu Hermanie bei Jojephitadt. 437 „pferde weg, fo Daß die Feinde eben nichts Argeres hätten „thun können, ‚bis der Kaiſer die Stiftung des Herzogs „in Betreff unfer beftätigte. Dazu Fam noch diefes Jahr „die Peſt und ein Ueberfall fchwedisch = fächfifcher Truppen.“ Diefe waren unter Banner, einem berühmten, gefchiks ten Feldheren, aber durch feine niedrige Graufamkeit in den Ländern, die. ev betrat, ewig gebrandmarkten Unmen— fhen, aus der Laufiz eingebrochen. Sein Volk wüthete ſchrekbar im faazer , leitmeriger, bunzlauer und zum Theil königgräzer Kreiſe, wozu der izige bydjower damal gehörte, Wie dann nun weiter durd) lange fchauderhafte Kriegsjahre gewirthfchaftet worden, gehört im eine Gefchichte, nicht in eine Landfchaftsbefchreibung, und für diefe genüge es, noch von Welis zu erwähnen, daß diefe erft unter. Leopold I. gebrochene Burg gar oft den Sefuiten von Giejn ſchnelle Zuflucht gewährte, wo fie das traurige Vergnügen hatten, fih zwar in Sicherheit, aber auch täglich neue Feuers— brünfte in dev Umgegend zu fehen, da die Schweden aus den Schlöffern Grabftein und Skal zahllofe, die ganze weite Nachbarfchaft verheerende Naubzüge unternahmen. Eben fo merkwürdig als durch Waldftein, wird übris gend das Schloß zu Gicjn für ewige Zeiten durch den Aufenthalt des allerhöchften Hofes im, 184135 denn hier (man zeige das Zimmer) entfchied ſich endlich die Allianz mit dem damal zu Opoeno refidirenden Monarchen Ruß: lands und feinen Verbündeten, gegen den an Böhmens Bergen wie eine ſchwere Wetterwolke Jagernden Feind. Und weil wir denn ſchon in der Stadt find, fo be merken wiv Fürzlich, daß fie, als folche, Feine großen Anz fprüche macht, Der Paz, vierefig, gepflaftert, vom Schloſſe und einftöfigen Bürgerhäufern *) gebildet, dann *) Ginem uralten Holzſtiche zu Folge, den Brand von Gi— ein. darftellend, waren fie zu zwei Stöken, und.die Stadt überhaupt anſehnlicher. Dieſer Brand dürfte der vom 15. Mai 1519, vder noch wahrjiheinlicher vom J. 1589 ſeyn, in 433 Hinter demfelben ein zweites Hauptgebäude, das der Jes firiten, izt für eine Kaferne, Gymnaſium, Normalfchule, Kreisamt und drei Bürgerhäufer hinreichend. Ganz bes fcheiden verwahrt fie fich gegen jeden Vergleich mit Leits meriz, das hier genannt wird, weil man nicht felten die beiderfeitige Gegend verglichen hört. Man will fogar die von Giejn der von Leitmeriz vorziehen. Das möchte ſeyn, je nahdem man fich mehr für ein gedrängtes, viels feitiges Bild, als für ein offenes, weit ausgebreitetes bes ftimmt. Als diefes hat aber Leitmeriz große Vorzüge, und immerhin erlaube man dem Lobenden einige Verfe des franzöfifchen Dichters auf die Lage am Genferfee abzus ſchreiben: Que tout plait en ces lieux à mes sens etonnes! ’ D’un tranquille ocean l’eau pure et transparente Baigne les bords fleuris de ces champs fortunes; D’innombrables cöteaux ces Champs sont couronnes; Bacchus les embellit; leur insensible pente, Vous conduit par degres, a ces monts sourcilleux, Qui pressent les enfers, et qui fendent les cieux. Le voilä, ce theatre et de neige et de glöire, Eternel boulevard, qui n’a point garanti Des Lombards le beau territoire!*) welcher leztere, wie ein böhmifcher Kalender vom 3. 1653 berichtet, durch einen blutigen Regen, drei Jahre vorher, am 18. März 1586, vorbedeutet ward. Sn jenem, der angelegt war, ging die halbe Stadt mit der Vorftadt , im lejten aber ganz Gicjn von Grund aus, in Flammen auf. Den verfelofen Berfuch, fie hiemit für manchen Lefer deutfch zu geben, mag des freundlichen Zwekes willen die Kritif entjchuldigen: „O, wie gefällt hier’ alles meinen bezauber⸗ „ten Sinnen! Das reine, durchfichtige Gewäſſer eines ru— „higen Oceans, benezt die umblümten Ufer diefer beglüften „Gefilde, von zahlloſen Weinabhängen gekrönt. Bachus ver- „ſchönert dieſe, ihre unmerkliche Neigung führt dich ſtufen— „weiſe zu jenen finſterdräuenden Bergen, welche die Unter— „welt bedrängen und den Himmel ſpalten. Sieh' hin auf „ienen ſchneiigen Schauplaz des Ruhms, dies ewige Boll „werk, das indeß gleichwohl das herrliche Gebiet der Lom— „barden nicht ſchüzt.“ — * — 439 Die Elbe vertritt hier Geneva's veizenden Zauber: fpiegel, das Erzgebirge und die lange Bruderhand, die es der Schneefuppe reicht, die Alpen» Berge, die zwar weis land die Schweden und Preußen, wie dort die Karthager und Gallier einfiegen, aber nie ruhmlos nachgaben, und fid) im J. 1813 mit unſterblichem Lorbergrün ſchmükten. Der Neft des Bildes paßt ganz hieher, auch fehlt ed nicht an einzelnen malerifchen Zuferhüten von Bergen, welche bier auf der Fläche fo feltfam laffen, wie der durchgän— gig Ähnliche Hauptfhmuf zafiger Felsfpizen den riefigen Alpen, — am wenigften an veizenden Nebhügeln und Blus menplänen, das Ganze mit zartem bläulich grünem Duft umflort, wenigftens im Herbfte, wo ich die Gegend fah, ein eigener Zauber der Tage, der Sahrszeiten, die freilich auch Leitmeriz, auch Gicjn, fo umwandeln, daß der Neifende nach Lefung diefer Zeilen, gewaltig über den une redlihen Landfhaftszeichner das Haupt ſchütteln würde, führe er da durch „wenn Negenfhauer Schlag um Schlag das Wagenfenfier peitfchen, der Fluß in finftern Runzeln eher rükwärts als vorwärts zu fireben ſcheint, graues Ge— wölf alle Hügel umlagert, die Häufer felbft, zumal die chamoisfarbnen die edle Geftalt gewiffer Gaffenwinkelhen gewähren, alles Blumenwerk an den Fenſtern an das be— trübte Anfehen einer begoffenen Henne mit ftruppigem Ge: fieder mahnt, niemand endlich ſich wohl befindet, als die Ente, die mit unendlihem Behagen von einem Weiher: hen zum andern wafelt. Ei, das alles haben wir auch zu Haufe, und, den Winter ungerechnet, manchen Sommer hindurch mehr als nöthig; aber eine Gegend wie Leitmeriz haben wir nicht, und mögen davon noch mehr hören. Nun, dem ift ja gar leicht abzuhelfen. Es ift wahr, auch ich war in Arkadienz; auch ich genoß manchen Blik in Böhmens ſchönere Hälfte, z0g aus von Prag, bewun—⸗ derte zu Weltrus, Schloß und Oartenanlagen, beides eine 440 eigene Reife Yohnend, dann den Obſtwald nach allen Sei⸗ ten hin mit Aepfeln und Pflaumen, die theild in erdrüfen- dem Ueberfluß an den Bäumen hingen, theils in hohen Pyramiden aufgethitemt, allgemach in Körbe und‘ Fäffer gepakt und der Moldau für das Ausland anvertraut wurs den; ich befah vom Thurme zu Melnik herab, das übri⸗ gens von der Flußfeite Her mit halb Fahlem Hügel nicht _ fonderlich anfpricht, die Vermählung der beiden Haupts flüffe der Heimath; flog auf ftaubiger, fandiger Flur nad Thereſienſtadt; fehiffte im reizenditen Wechfel der Land: ſchaft nad) Außig, und durchwandelte das vielbelobte Thal von Zeplic*), die gerühmte Schlucht von Karlsbad; — — allein alles das genofen, durchzogen, bewunderten, befas ben, durchflogen, befchifften und durchwandelten Tauſende vor mir, mit Feder, Pinfel und Grabftichel, und ift das Meifte hinter Glas und Nahmen gar Tieblich zu ſchauen, in zierlihem Einband gar erquiklich zu lefen. So hieße denn das Holz in den Wald, Waller ins Meer und Eulen nach Athen tragen, zumal uns eine Wiener Zeitfchrift vers fpricht, Herr Profeffor Schottfy werde ganz Böhmen bes hufs einer befchreibenden Landfchaftsbildnerei bereifen, Da wird ſich ſonach in einem Guß, ein heiterer Ueberblik des Landes erfchließen, während vorliegende Bruchftüfe fi) blos über wenig oder nie befchriebene Theile desfelben zu verbreiten Fiebtenz und fo heißt es denn mit Horaz (Epistol. I. 4): Nunc igitur versus et caetera ludiera pono! frei überfezt: | Bildchen und Verslein und Scherz, fort unter das Dach in's Gerülle! *) Warmbad, von teply, warm, daher irrig: Toͤpliz. 441 Ethnographiſche Miscellen. —D——— (Beſchluß.) Ueber die Bildung der Kaiſſak-Kirgiſen. Die Lebensart, die Sitten und die Religion dieſes Volks— ſtammes ſcheinen ihm jede Art von Bildung zu verſchlie— ßen, und die ſchwachen Lichter, welche ihn erhellen, wer— den noch vom Aberglauben verdunfelt. Die Sprache der Kaiſſak-Kirgiſen ift ein verdorbener türkifcher Dialeck, mit manchen Worten untermifcht, die fowohl für einen - Zürfen als für einen Iartarn der Krimm, und oft ſelbſt für den Bewohner von Drenburg gleich unverſtändlich find. Ein Kirgife, welcher den Koran, folglich die arabi— fhe Sprache verfteht, gilt für ein Wunder von Wils fenfhaft, und wer tartarifch Iefen und fihreiben kann, heißt ein Gelehrter, denn im Allgemeinen kann faft Feiner lefen; ihre Chang, Sultans und Bey’s find nicht mehr unterrichtet als ihre Unterthanen, *) und haben Gecrefaire oder Mullah's bei fih, deren Gefchäft darin befteht, ihnen ihre Briefe vorzulefen und zu beantworten. Die Anführer der Horden drüfen auf ihre Depefchen ein Giegel, in wel- ches ihr Name gegraben ift, und welches zugleich zur Bes fieglung der Päffe und Schuzbriefe dient. Die Leute aus den gemeinen Claſſen bedienen fi) der „Tomgui“ oder *) Durch die Ukaſen von 1781 bis 1736 u. f. w. befahl die Kaiferin Katharina an den Gränzen des Landes der Kirgifen Moſcheen und Schulen zu errichten, wofeldft die ‚Kinder auf Koften der Regierung unterrichtet werden follten. Shre Gebote wurden erfüllt , aber die Schulen find immer leer geblieben, und die Gebäude zerfallen jezt ſchon im Ruinen. Auch die Bemühungen der ſchottiſchen Mifionare waren bei diefem rohen Wolfe fruchtlos. 442 wiffer Stempel, die ihnen ftatt Unterfchrift gelten. Doc findet man troz Diefes Anfcheines von Rohheit und Un: miffenheit bei den Kirgifen einige Anfänge von Dicht: und Tonkunſt, und die Volkslieder, welche faft jeder Kirgife aus dem Ötegreif fingt, feheinen den alten Grundfaz zu uns terftüzen, daß der Menfc ein geborener Dichter und Muſi⸗ fer ift. Auch befizen fie eine große Zahl von Mährchen, mit Zaubereien und Zodtfchlägen erfüllt, deren Helden glei) den Nittern des zwölften und dreizehnten Sahrhunderts die Welt durchziehen, um Abenteuer aufzufuchen. Die Melodie ihrer Gefänge ift fo viel als nichts; ihre vorzüge lichten Inſtrumente find der „Kobuiza‘“ und die „Ifchie buizga;‘ die Saiten des erften beftehen aus Pferdehaa: ven, und geben nur einfache Töne von großer Reinheit. Die zweite ift eine Art Flöte aus Schilfrohr, ungefähr 7, Ellen lang, und mit 5 bis 4 Löchern ohne Tonfhlüffel verfehen, und noch unangenehmer als das erfte Inſtrument. Außer diefen haben fie noch die „Balalaika“, eine plumpe Laute mit drei Saiten (dem Kobuiza ähnlich), die fie von den Ruſſen entlehnt haben, und welcher die gemeinen Dolksclaffen die Namen „Vaigan und Organ‘: geben. Diefes ift gewöhnlich ein fehr biegfames Eifenblech, das fie gegen die Zähne fezen, und ihm durch die Bewegung eines Eifendrahtes, der ftatt der Saiten dient, einige "Töne entlofen. Die Griechen hielten die Tonkunſt für ein unentbehrliches Mittel, um die Sitten zu verfeinern; die Kirgifen pflegen fie nur, um Aberglauben zu verbreis ten, und die Kranken zu heilen, wovon man fich überzeu- gen Fann, wenn man die tragifomifchen Vorftellungen der „Baren“ fieht, die bei ihnen die Stelle der Aerzte und Schwarzkünftler befleiden. Außer diefen abergläubifchen Geremonien haben jedoch die Kirgifen einige Heilmittel ; fie geben für Bruftübel ein Decoct von Hagebuttenwurzel mie Honig und Butter; für die Lungenfucht und einige andere Krankheiten, Bäder in den Seen von gefalzenem 445 Waſſer; für Gefhmwülfte, Räucherungen von verfchiedenen Gewächfen. Eine Pflanze, „Schiraco“* genannt, dient ihnen ftatt der Saffaparilfe, und fie bedienen fich der DBärengalle, wo mir die fpanifhen Müfen gebrauchen. Gegen das hizige Fieber und die Wafferfcheue trofnen fie die Pfoten eines Vogels, den fie „Zilleguß“ nennen, ungefähr einem Rebhuhn ähnlich, ſtoßen felbe in einem Mörfer und geben das Pulver dem Kranfen ein. Was ihre aftronomifchen Kenntniffe jbetrifft, fo halten fie den Polarftern, den fie die eiferne Achfe nennen, für das wich— tigite Himmelsgebilde, das ihgen zum Führer auf ihren Reifen dient. Venus heißt bei ihnen der Abendſtern, und von dem großen Bären behaupten fie, daß diefes Geftirn aus fieben Wölfen gebildet ift, welche zwei Pferden nachs laufen, die immerwährend vor ihnen fliehen, und das Enz de der Welt werde eintreffen, fobald diefe von jenen eins geholt und erwürgt würden. Die Plejaden nennen fie den wilden Hammel, und da diefes Thier durch einige Zeit des Frühjahres für fie unfichtbar wird, fo bilden fie fi ein, es feige in den Schooß der Erde hinab, um daraus die nöthige Weide fir ihre Heerden hervorgehen zu laffen. Sie fennen auch mehrere andere Sternbilder, denen fie eigene Namen geben, und die Milchftraße nennen fie den Weg der Vögel, weil fie felbe als die Straße anfehen, welche die Zugvögel von Afien nach Europa und zurüf einſchlagen. Das Jahr der Kirgifen fängt mit dem März an, und die Art, die Wochentage zu zählen, haben fte von den Perfern entlehnt, die dem Koran gemäß mit dem Sonnabend die Woche beginnen. Die Aera der Hegira ift nur den Mullah's bekannt; das Volk zählt nach mons goliſchen Zubeljahren von 12 Jahren, deren jedes den Nas nien eines Thieres trägt. Da fie Eeinen anderen als Taufche handel treiben, fo haben fie weder Münzen, noch eine Wa: ge, noch fonft eine andere Art von Magen, die bei andern Völkern im Gebrauche find. Ihre Münzen find Hammel 444 und Schafe, deren Zahl fie nach dem Werthe diefes oder jenes Gegenftandes beftimmen. Bei Waaren, die nad) dem Gewichte gekauft werden follen, halten fie fir) blos an das Augenmaß. Gefezgebung der Birmanen, Ein Theil des Gefezbuches der Birmanen ift ind Eng⸗ Yifche überfezt worden. Diefe Gefeze zeigen theils Einfache heit, zu. großem Theile aber auch. die Ungereimtheit des Syſtems der Gefezgebung eines noch halb -barbarifchen Dolfes, Einige betreffen die VBerhältniffe des Herren zum Sclaven, was mancher zur Bezahlung feiner Schuld. wird, wenn er aber das Geld erlegt, erhält er eine Freiheit wieder. Wenn der Sclave ein Verwandter feines Herrn ift, wird er nach defien Tode frei. Für ein afiatifches Gefezbuch iſt es den Frauen gün⸗ fig genug. Wenn ein Mann feine Gattin mißhandelt, wird er das erftemal gerichtlich eumahnt, bei einem; Rük— fall ift aber die Frau berechtigt, ihn zu verlaffen und fein Hab und Gut mit ſich zu nehmen, fo dag ihm nichts bfeibt, als die Gewänder, die er am. Leibe trägt. Ueberhaupt fcheint es, daß bei den Birmanen das weibliche Geſchlecht nicht fo herabgewürdigt iſt, als in Indien. Eine große Zahl der dortigen Frauen kann Iefen, und hat alfo das Mittel fich zu unterrichten, „Sie haben die Freiheit aus— zugehen,“ fagt ein NReifender, welcher das Königreich Ava vor Kurzem befuchte, und „genießen fo viel Einfluß, wie in jedem andern Lande, wo fie für etwas gelten, gleichwohl werden fie weder mit fehr vieler Zärtlichkeit und Zeinheit behandelt, noch fie fo angefehen, als ftünden fie auf der Stufenleiter der Wefen auf gleicher Höhe mit den. Män—⸗ nern, Die Königin übt große Gewalt aus, und man weiß, daß der Teste Statthalter von Ranguhn feiner Frau felbft Theil an den Gefchäften zu nehmen geftattete. Ein Vater kann feine Kinder, ein älterer Bruder den jüngeren 445 ’ oder die jüngere Schwefter gleichfalls mit Schlägen ſtra— fen. Eine Stiefmutter hat befondere Rechte aufden Stief— ſohn; wenn er ihr nicht eine beſtimmte Summe bezaplt, regiert fie das Haus, und er muß fie durch drei Sahre, drei Monate und drei Tage ernähren. Ich habe in zwei Gelegenheiten für meine Dienftleute die Summen zahlen müffen, die in ähnlichen Fällen verlangt wurden. Sch glaube, daß in den meiften MNechtsangelegenheiten die Frauen gleihe VBorrechte mit den Männern genießen, aber in der Meinung herrfcht ein großer Unterfchied zwifchen beiden Gefchlechtern, wenn jedoch diefe Weiber nur nach) ihren Tugenden und Eigenfchaften gefihäzt würden, fo dürften ihre Anfprüche fehr gering ausfallen, denn fie find kek, zänkifch , unruhig und im Allgemeinen fehr unrein auf ihren Körper.‘ Der Preis eines Mannes, ber fein Wahsthum volls endet hat, ift dreißig Tifals, einer Frau fünf und zwanzig. Ein Elephant Eoftet im Augenblife feiner Geburt fünfzig, und fein Preis fteigt mit jedem Jahre bis zum dreißigften um zehn Tikals. Man findet in diefem Gefezbuche Feine Geldftrafe für den Verluſt des Lebens oder eines Gliedes, ausgenommen, wenn ein Sclave oder ein Schüler in Folge einer zu harten Züchtigung ftirbt, dann zahlt der Herr oder der Lehrer eine Geldftrafe, gleich dem Preife von zehn Menfhen. Die Gefeze in Erbfcehaftsangelegenheiten find ſehr verfchieden von dem Gefezbuche der Hindu’s, den Ums ftand ausgenommen, daß der Vollzug der Beerdigungs- Feierlichkeiten felbit einem Fremden ein vorläufiges Erb: recht gewährt. Troz feiner Unvollfommenheit und Rohheit bemüht ſich das Geſezbuch der Birmanen gleichwohl die Rechtstreitigkeiten zu vermindern. Der Procepführer, der gewinnt, zahlt die Gerichtsfoften, der Verlierende aber wird zu einer Geldbuße verurtheilt. Die Entfheidung des Königs gilt mehr als alle Geſeze. Die befte Art, eine Streitigfeit auszumaden, iſt, wenn die Parteien ſich 446 unter einander vergleichen, ‚ohne fih an einen der —* Gerichtshöfe zu verwenden. Criminal⸗ Verfahren in China. In Neo. 426 der Zeitung von Peking kündigten die Minifter an, daß fie die Lifte der Verbrecher, deren Todesurtheil von dem Monarchen, betätigt werden follte, in fieben Theile eingetheilt, und die Meinung des aſtro— nomifchen Rathes eingeholt haben, um die Tage zu be— ftimmen, an welchen der Kaifer fein Blut hinzufügen folle, Diefe Feierlichkeit befteht darin, daß der Landesherr eine Linie mit vother Dinte unter dem Namen desjenigen zieht, den er zum Zode verdammt. Die Zahl der Verbrecher auf der erwähnten Lifte war 479. Der Kaifer verordnete den erften Tag, daß 76 im Laufe von vierzig Tagen hin- gerichtet würden; den zweiten Tag, daß 65 in demfelben Zeitraume ihr Todesloos erfüllten; den dritten befahl er den Tod von 84 Perfonen in achtzehn Tagen an; den vier: ten von 74 in fünf und dreißig Tagen ; den fünften von 75 in zwölf Tagen; den fechften von 82 in neun Tagen, und den fiebenten von 25 in vier Lagen. Auf diefer Lifte bes fanden fi nur Perfonen, welche fogenannte minder wich- tige Hauptverbrechen begangen "hatten; die großen Verbre— chen werden alfogleich beftraft, damit Feine Zweifel über die Nechtmäßigkeit der Strafen auffommen können. Des— Halb ift es unmöglich, eine genaue Ueberſicht der Zahl der Berbrecher zu erhalten, die im Laufe des Jahres hinge— richtet werden. Es gefchieht bisweilen, daß felbft in Fälz len, in welchen die Entfcheidung des Kaifers nothwendig ift, der Verurtheilte ſchon vom Leben zum Tode gebracht ift, ehe die Beftätigung des Urtheils angelangt ift. Sn den Eriminale Proceffen wird auch die Tortur angewandt. Gegen das Ende des Jahres 1822 ließ der Kaifer ein Ediet befannt machen, in dem er erklärt, es fey zu feiner Kenntniß gelangt, daß fieben Zeugen (darunter 447 zwei Weiber) auf der Folter geftorben, oder fich den Tod gegeben hätten, um ihren Qualen zu entgehen. Gleichwohl bat der Monarch die Folter noch nicht abgefchafft, doch verbot er, fie auf den Grad auszudehnen, wo der Tod erfolgen könne, zugleich "befahl er die Gefangenen genau zu bewachen , um Selbftmorde zu verhüten. Doctor Morrifon meldet uns, daß es in China fonft der Gebrauch war, mit den Todten einen Wagen von Thon(t’chontchay) und menfchliche Geftalten aus Stroh zur Bedienung des Veritorbenen in der andern Welt, ins Grab mitzugeben. Diefer Gebrauch ift noch nicht erlos ſchen. Man macht alle Arten von Geräthe ans Papier, und, indem man fie verbrennt, bringt man fie in den un: fihtbaren Zuftand, in dem fie zum Dienfte des Todten feyn müffen. Man bezeichnet fie mit dem allgemeinen Namen: „ming-Kh’e.‘ So macht und verbrennt) mar Tragfeffeln, ein Schiff, Puppen, Schiffer und Bediente vorftellend, Kleidungsftüfe und andere Gegenftände. Man yerbrennt befonders die Gewänder des Verftorbenen, die vei den Armen zwar nicht viel Werth haben, aber die Jlänzenden Kleiderfammlungen der Reichen werden. eben- falls verbrannt; dieſer Gebrauch heißt : Chaou - koho (das Verbrennen der Gemänder, um über den Fluß zu kommen), und diefer Fluß heißt: Hoang - ho, der gelbe Fluß. Erinnerungen aus dem Miſſiſſippi-⸗Thale. Das unermeßliche Beken, in welchem fich der Miffif- fippi Hinwälzt, hat uns erjt angefangen durch die Werke der amerifanifchen Schriftftelleer Bradenridge, Dar: by, Schoolcroft und die Reife des Major Long bes Fannt zu werden; doch verändert fih von Jahr zu Sahr fo vieles, daß ein neuer Neifender immer auch viele neue Beobachtungen zu machen findet. Herr Timotheus Flint Hat fih in feinen „Erinnerungen der lez— 448 ten zehn Fahre im Thale des Miffiffippi« weniger mit Gegenftänden der Statiftif und Staatswirth— fchaft befchäfiget, als mit den phyſiſchen und moralifchen Eigenthimlichkeiten des Landes, dem gefellfchaftlichen Zu: ftande der Bewohner, den Fortfehritten der Eultur, und ende lich dem Charakter ded Volkes, das fih im Weiten der vereinigten Staaten niedergelaffen hat. Hr, Flint, ein Miffionär, verließ im Jahre 1815 mit feiner Familie Philadelphia, um fih nah Pittsburg zu begeben, Er fchiffte den Dhio hinab bis Weeling, von mo er nah Marietta kam, und brachte den Winter in Eins cinati zu. Im folgenden Frühling unternahm ev ei⸗ nen Ausflug und eine evangelifche Milton durch einen Theil des Ohio» Staates über die füdliche Gränze von Sndiana und in einen Theil von Kentucky bis Lexington. AUS er nad) Cincinati zurüfgefommen war, ſchiffte er fich auf dem Miffiffippi ein, und befuchte St. Ludwig und St. Karl. Im Frühling 1819 fhiffte er auf dem Miſ— fiffippi bis Arkfanfas hinab, wo er alle Arten von Uns fällen erfuhr; feine Familie erfranfte, und. er bielt es für das Befte, den Zluß wieder hinaufzufahren. Er hielt fih ein Sahr in Neu: Madrid und Jackſon auf, während welcher Zeit er die Landitriche von Cap Girans deau, St. Genovefa und die LUmgegend befuchte, Nachdem er 1822 nad) St. Karl zurükgefonmen war, wurde er dafelbft bis zum Herbft durch Krankheit zurük— gehalten. Durch) den Beiftand feiner Freunde fihiffte Hr. Flint den Miffiffippi bis Neun» Orleans herab, und über— nahm hier die Direction der Anftalt von Napidez aber feine ſchwache Gefundheit zwang ihn feine Entlaffung zu nehmen, und nach Neus England, feinem Vaterlande, zu— rükzukehren. Er befchreibt mit großer Lebhaftigfeit des Geiſtes die Eindrüke, die er auf allen diefen Hin= und Herzügen empfangen; ev geht von grünenden Auen zu traurigen Sümpfen über, von Wülten zu volkreichen Stad— — * Y { —13 — B 449 ten, zeichnet mit vielem Intereſſe die Schiffahrt auf dem Miſſiſſippi, das Leben der Schiffer auf dieſem Fluße, die Sitten derl Jäger in den Wäldern, der Neger, der Predi— ger u. ſ. w. Folgendes ift das höchft anziehende Gemälde der Schiffahrt auf dem großen Fluße, welches er ent- wirft: „Im Frühling hat man oft bis 100 Fahrzeuge ges zählt, die an einem Zage in der Mündung des Bayou zu Neu: Madrid ankommen; fie bedefen einen Raum von mehreren Morgen. Man Eann feinen der zahlreichen Puncte des Ohio und Miffiffippi nennen, von dem nicht einige Schiffe angelangt wären. Diefe VBerfammlung, die Bewegung der Schiffsleute und der Neifenden, die Ladun⸗ gen, die lebenden Thiere, welche die Eleine Flotte mit fih führt, bieten den intereffanteften Anblik dar, Man fieht hier Fahrzeuge mit Bretern beladen, die aus den Fichtenwäldern des Güdweftens von Neu= Dorf kommen; Kentucky fendet Schweine, Mehl, Branntwein, Hanf, Tas baf u. f. w. Aus andern Gegenden fommt Baumwolle, Schlachtvieh, Pferde, Pelzwaaren und Blei; einige Schiffe find mit Getreide in Körnern und in Garben belaftet, ans dere mit Aepfeln und Kartoffeln, nocy andere haben Ladun⸗ gen von Dbftwein, und dem Getränfe, welches man „Cyder royal“ itennt, weil man feine Kraft durch Kälte oder Hize eoncentrirt hat. Man fieht trofene Früchte und ges brannte Waller von allen Gattungen, und endlich alle Erzeugniffe der Landwirthſchaft aus dem hohen Weitlande. - Manche Waaren fommen aus einer Entfernung von mehr als taufend Meilen. Das Geflügel von Dunghill flats - tert über die Brüken; man hört den durchdringenden Hah— nenruf; die Thiere grunzen, fehreien, blöfen und mekern; die Pferde wiehern, wie im Stalle. Einige Schiffe find zum Transport der indifhen Hühner beftimmt. Gobald nun die Fahrzeuge angelegt haben, gehen die Neifenden von einem auf das andere. Man zieht Erfundigungen ein, macht Bekanntfchaften, und verfpricht fich mechfelfeiz Sahrbücher, I: Bant: 239 450 tigen Beiftand auf der gemeinfchaftlichen Neife nach Neus Drleans, dann fteige man and Land, verfieht feine Gr: fchäfte, oder folgt feinem Vergnügen, Um Mitternacht liegt alles in tiefer Ruhe, aber mit Tagesanbruch läßt fich der Schall des Hornes vernehmen, und Alles eilt zu den Schiffen. Im einer halben Stunde fezt fi) die Flotte in Bewegung — bald ift Alles verſchwunden, und man fieht nur die weite, leere Oberfläche des Stromes.‘ Niederlaffung auf Fernando» Po, Man befchäftige fih mit großen DVerbefferungsent- würfen für das Wohl der Pflanzer diefer Infel, deren Lage in Bezug auf Gefundheit der alten Niederlafung auf Sierra-Leona weit vorgezogen wird. Die Offi— ciere und Schiffsmannſchaft des Föniglihen Schiffes „Eden“ verfihern in ihren Berichten über die leztern Todesfälle, daß fie Folgen von Fiebern gewefen, von denen die Kranken auf SierrasLeona befallen worden, und daß jene, die auf der Krankenlifte geblieben, ihre Gefund- heit gleich nach ihrer Ankunft auf Fernando Po wieder erhalten hätten. Man hat drei hölzerne Häufer von hun— dert Fuß Länge und fünfzig Fuß Tiefe auf Pfahlwerf er baut, wovon das eine von den Gewerböleuten und Matro— fen, und das zweite von den Dfficieren bewohnt wird; das dritte dient zur Kirche. Der Boden diefer Inſel ift ein fefter Lehm von etwa 10 bis 412 Fuß Tiefe. Etwas Geftein, weldes an der Geefüfte geholt worden, wurde zur Errichtung eines Gebäudes für einen Schmied verwendet. Sobald man hinlängliche Wohnungen für die Pflanzer haben wird, follen aud) neue Magazine ebenfalls aus Stein erbaut werden, denn das Materiale der gegenwärtigen Gebäude befteht aus Erde und Palmblättern. Der Handel mit den Eingebornen hat fich bedeutend vermindert, und die Bes dürfniffe find daher theurer geworden; denn da man fic) 451 felbe gegenwärtig fir Eifen (der einzige Artikel, auf den die Inſulaner einigen Werth legen) erfaufen muß, fo er: halten die Pflanzer weniger Geflügel und andere Lebens mittel, welche ihnen die Eingebornen Anfangs zutrugen z doch fahren diefe fort, freundfchaftliche Gefinnungen gegen die Weißen an den Tag zu legen, defto wilder ift ihr Haß gegen die „„Kromen“ und die Schwarzen von Sierra⸗ Leona. IV. Die Gewerbsmafchinen- Fabrik zu Harzdorf bei Reichenberg. Bon Prof. 3. G. Sommer. +04 4— Das Neichenberg eine ber bedeutendften Manufacturs Städte des öfterreichifchen Kaiferftaates ſey, iſt wohl alle gemein anerfannt. Die Fortſchritte, welche befonders feit den lezten zehn Jahren in allen Zweigen der Induſtrie das felbft gemacht worden , das rühmliche Beftreben der meis ften Fabriksbeſizer, fich das Neuefte und Beſte fo fihnell als möglich eigen zu machen, berechtigen den Vaterlands— freund zu der ſchönen Erwartung, dieſer Ort werde fid) bald auf eine noch höhere Stufe der Vollkommenheit em 29 ae — 462 porſchwingen, und ſich ſelbſt mancher engliſchen Manufac— tur-Stadt ehrenvoll an die Seite ſtellen. Außer dem Hauptzweige der Reichenberger Induſtrie, der Tuch manufactur, welche den größten Theil der Einwohner befchäftige, gewinnt auch die Baumwolle Spinnerei immer mehr an Ausdehnung, und es wer— den in der Umgegend von Zeit zu Zeit neue Baumwoll—⸗ Spinnfabrifen errichtet, welche diefen Induſtriezweig in Kurzem um fo bedeutender machen werden, ald ſich ſämmt— liche dortige Gebirgsbewohner größtentheild von der Cat— tunweberei naͤhren. Ein höchſt intereſſanter, für das geſammte Fabrik— weſen äußerſt wichtiger Gegenſtand war für mich bei einem Ausfluge, den ich vor wenig Wochen nach dem freundli— chen Reichenberg und ſeiner romantiſchen Nachbarſchaft machte, das neue Etabliſſement, welches die Herren Ed— ward Thomas und Bracegirdle erſt im Sommer 41829 für den Bau von Gewerbömafchinen alfer Art das feloft gegründet haben. Es liege nur eine Viertelftunde von der Stadt, in Harzdorf, und verdient in jeder Hinficht allgemeiner befannt und gewürdigt zu werden, als dies bisher der Fall gemwefen zu feyn fheint. Da ich das Glük genoß, bei meinem Befuche diefer intereffanten An— ftalt von den äußerft humanen und zuvorfommenden H9. Beſizern perfönlich überall herumgeführt, und über alles, fowoHl im Ganzen ald im Einzelnen, binlänglich belehrt zu werden: fo glaube ich im Stande zu feyn, eine gewiß nicht unbefriedigende Auskunft darüber zu geben, Vor— läufig muß ich noch in der Kürze bemerken, daß der an der Spize der Anftalt ftehende Hr. Thomas, ein Mann von ausgezeichneten Kenntniffen, und überhaupt von viele feitiger Bildung, fich fehon dadurch), daß er in Böhmen, nämlich zu Markersdorf bei Gabel, und zu Wern- ſtadtl, die erften Dampfmafıhinen baute, um unfer Va— terland ein nicht unbedeutendes Verdienft erworben hat. 453 Aber noch verdienter hat er fih um das böhmifche Fas brifsmwefen durch diefes neue Etabliffement gemacht, indem er feine in England mit ungemeinem Zeit» und Koftene aufwande gefammelten Baum: nd Schafwoll-, Kammgarn:, Seide-, Flahsfpinne nd Webes mafhinen, nebſt einer Menge von Werfjeugen und Vorbereitungsmafchinen nad Böhmen brachte, und ſich nebit feinem nicht minder fachfundigen und gebildeten Herrn Mitunternehmer, Bracegirdle, der die unmittelbare Aufficht über das Ganze der täglichen Arbeiten führt, im Neichenberg niederließ. Sch wende mich zur Befchreibung des Etabliffements ſelbſt. Gleich beim Eintritt in den einen Flügel des Fabrik— gebaͤudes findet man zu ebener Erde eine große Schmied— MWerkfftätte, eine Meffinggiefßerei, verfchiedene Borrichtungen zum Neinigender Gußwaaren, Preſſen d Schrauben- Schneidmafhinen. Eine Treppe höher erblift man die Tiſchler- ud Schloſſer— Werkſtatt. Alles ift mit der höchſten VBollfommenpeit und Mettigkeit erbaut, wie es nur immer im der eriten Babrifftadt Großbritanniens ſeyn kann, und der erite Eindruf, den ich hier gleich Anfangs durch den Anblik fo vieler Menfchen erhielt, welche in voller Arbeit begriffen waren, und deren Feiner den andern flörte, mar fo gün— fig, daß ich mich mit Vergnügen und voll ungeduldiger Erwartung deffen, was mir noch ferner gezeigt würde, weiter führen ließ. \ Wir betraten nun einen großen Saal des Haupfges bäudes, welcher die Dreh =- und Bohr: Mafhinen enthielt. Sie find ſämmtlich aus England gebracht wor— den, und fo trefflich gearbeitet, daß, wie ich mich durch den Augenfchein überzeugte, Knaben von 12 bis 15 Jah von die ftärkften Eifenftüfe mit der größten Leichtigkeit abe drehen oder bohren Fönnen. Das Bewundernswärdigfte 45% fie jeden Kenner des Maſchinenweſens iſt hier, unter vie lem Andern, eine Schneidmafchine, welhe, ohne Tpeilfcheibe, blos durch einen Mechanismus von ganz eigenthümlicher, hier ohne Zeichnung nicht wohl deutlich zu macender Befchaffenheit, in Räder von allen Dimen- fionen aus Meffing oder Gußeifen, jede beliebige Anzahl Zähne mit einer folhen Genauigkeit ſchneidet, daß fie nicht der geringften Nachhülfe bedürfen, fondern fogleich in der größten Vollkommenheit geliefert werden. Dabei muß ich noch bemerken, daß diefe ganze Arbeit des Eins fehneidens blos von einem, etwa achtjährigen Knaben ges Yeitet wird, welcher, nachdem ein Zahn vollendet tft, durch eine ganz einfache Bewegung das Nad fo weit forte dreht, Daß ein neuer Zahn eingefchnitten werden Fan. In demfelben Saale befindet fih auch eine eiferne Drehbank, welche, fobald der abzudrehende Gegenftand und der Meißel in die gehörige Lage und Stellung ger bracht worden find, ganz allein, ohne fernere Aufficht, eiz ferne Wellen von beliebiger Länge mit der größten Ge— nauigfeit abdreht. Eine Treppe höher werden in einem andern Saale die größern Mafchinen zufammengefeztz; auch befindet fich dafelbft eine Anzahl Schloffer, welche die verfchies denen Mafchinen = Beftandtheile rein feilen, puzen und an einander paffen. Noch andere Säle und Zimmer enthalten die Schlei- ferei und die Werfftätten der Spengler und Modell: macher, fo daß Alles hier vereinigt iſt, was zu einer vollitändigen und vollfommen eingerichteten mechanifchen Werkftätte erfordert wird. Man ift erftaunt, eine fo große Menge der verfchtedenartigften Vorbereitungs » Mas ſchinen und Werkzeuge zu fehen, wie fie nur das weltbe: kannte Erfindungs = Genie der Dritten zu Stande brin- gen kann. | 455 Die im diefer Gewerbsanftalt aufgehäuften höchſt an- fehnlichen VBorräthe von Guß- und Schmiedeifen find fämmtlih das Erzeugnig böhmifcher Eifenwerfe, und zeigen, welche hohe Stufe die böhmifche Induftrie aud) in diefem Gewerbszweige bereits erjtiegen hat. Die Anftale liefert: I. Für Baumwoll:-Spinnereien: * Willow oder Aufloferungs: Mafchinen ; Blowing oder Reinigungs = Mafchinen; Spreading engine’s oder Wifel- Mafıhinen; Carding engine’s oder Krempel= Mafchinen, einfach und doppelt; Lapping oder Watten- Mafchinen ; Grinding engine’s oder Schleif = Mafıhinen für Krempeln; Stretcehing frame’s oder Strek-Maſchinen; Roving frame's oder Kannen-Maſchinen; Fly roving oder Spindelbänke; Bobbin und Jack frame’s oder VBorfpinn-Mafchinen ; Mulejenny’s oder Feinfpinn = Mafchinen ; Box organ mule’s do. do. für ganz feine Nummern; Throstle’s oder Water: Mafchinen. Ferner‘: Weifen- und Garnpreffen; Mafchinen, um Dber = Eylinder mit Leder ohne Math zu beziehen; gereis felte Eylinder und Spindeln; mechanifhe Webftühle; Dandy-looms fowohl als Power-looms mit den dazu gehörigen Spul- und Scheer = Mafchinen; zum Weben glatter und gemufterter Stoffe, in Baumwolle, Leinen, Seide, Kammgarn und Tuch. U. Für Schafwoll:Spinnereien: Shafwoll-Spinnmafchinen mit allen Vorbereitungs- Mafihinen, von den bisher gebräuchlichen fehr verfchies den; Tuchſcheer-Maſchinen neuefter in England patentir- ter Art, und ſämmtliche Mafchinen für die Kammgarn— Spinnerei. Da das Verfahren der Kammgarn-Spiu— 456 nerei auf dem Gontinente noch Feine hohe Stufe der Aus: bildung erftiegen hat, und die wenigen Spinnereien diefer Art in Frankreich und Sachſen alle Handgriffe und Vorrichtungen dabei als das größte Geheimniß bewahren : fo kann das Verdienft, welches fih die H9, Thomas und Bracegirdle durch die Einführung: derfelben in unfer Daterland um dasfelbe erworben haben, nicht genug an erfannt werden; denn wir find nunmehr in den Stand gefezt, dergleichen Spinnerejen mit weit geringern Koften, und doch in derfelben Bollfommenheit wie in England, bei und berzuftellen; ein Vortheil, der um fo größere Beachtung verdient, ald der Verbrauch von Merinos und andern Stoffen, zu welchen das Kammgarn bis jezt aus— fehlieglich vom Auslande bezogen werden muß, in unfern Staaten immer allgemeiner wird, und von Jahr zu Jahr immer bedeutendere Summen dafür aus dem Lande gehen. Sämmtliche unter I. und UI. genannten Mafchinen find, nad den neueften englifchen Principien, ganz von Eifen gebaut, und vereinigen mit der größten Gplidität die höchſte Vollfommenheit und Eleganz , fo daß dem ſchärfſten Kennerauge nichts dabei zu wünſchen übrig bleibt. - Sch hatte Gelegenheit, in der Fabrif der H9. Nedelhbammer und Rieger zu Tannmwald, bei Rei: chenberg, eine englifche Baummoll - Spinnmafchine diefer Art, nebft allen Vorbereitungs- Mafchinen, aufgeftellt und in Wirkfamfeit zu fehen. Site entfpricht durch das Erzeugniß , welches fie liefert, allen Erwartungen auf das vollfommenfte. Bald wird die Spinnerei der HH. Mfeiffer et Comp. zu Gablonz, die noch in der Eine richtung. begriffen ift, fich eben fo rühmlich empfehlen. Das gangbare Zeug ift in beiden Fabrifen von Eifen, und ebenfalls in der Mafchinenfabrik der HH. Thomas umd Bracegirdle gebaut, Außer dem fo eben befprochenen Etabliffement in Harzdorf befit Hr. Edward Thomas, unter der 457 Mitwirkung feines Bruders, Hrn. James Thomas, ein zweites in Neichenberg felbit, wo Dampfmafchinen von 6 bid 100 und mehr Pferden Kraft, Dampfheizungen, gangbare Zeuge für Fabriken jeder Art, Mühlwerke, Wafferräder von Eifen, englifhe Tuchwalfen, Rauch— und Walch» Mafıhinen für Tuch, ferner für Eottondrufs fabrifen Wafchräder, Quetſch-, Troken- und Seng-Ma— fhinen, Canoroy's und Calanders, Apparate, die Farben mittelit Dampf zu kochen, eine, zwei= und dreifärbige Walzendruk-, nebft allen übrigen Mafchinen, wie fie in den beften engliſchen Drufereien gegenwärtig beftehen, gebaut werden. Hr. Edward Thomas übernimmt außerdem auch) Baue von hydraulifhen Werfen aller Art, als: Preffen, Saug- und Drufpumpen, Wafferleitungen u. f. w.; fers ner Baue und Einrichtungen von Baumwoll- und Schaf— wollſpinn-, Druk- und Tuchfabriken, Bleihen, Walken, Färbereien, dann Eiſen- und Meflinggießereien, Kupfer: und Eifenhämmern, nebit Walzwerfen fir die Blechfabris eation und Gasbeleuchtungen, Wenn man alles hier Angeführte aufmerffam erwägt, und Gelegenheit hat, diefe Mafchinenfabrik in Harzdorf felbft in Augenfchein zu nehmen: fo fühlt man fich gedrun— gen, dieſem Unternehmen des Hrn. Edward Thomas alles Gedeihen zu wünſchen. Jeder, der für das Vor— fihreiten der vaterländifchen Snduftrie nur einigermaffen Sinn hat, muß von dem Nuzen überzeugt feyn, der uns ferem Kaiferftaate aus der Acquifition eines fo kenntniß— reichen und unternehmenden Mannes, wie der Gründer diefer Anftalt, bereits erwachfen ift und noch ferner er- wachſen wird, wenn anders fein Streben hinreichende Uns terjtüzung, und fein Wirfen angemeffenen Spielraum fin= det, Der Fabricant hat nun nicht mehr nöthig ,„ ſich das Neuefte und Beſte, was die Kortfchritte in der Mechanik und Technologie hervorgebracht, mit vielen Schwierigfeis 458. ten und Koften aus England Eommen zu Yaffen, ohne genau zu wiffen, ob das Erhaltene feinen Erwartungen "und Auslagen entfprechen werde. Er Fann feine Wünfche anf heimifhem Boden befriedigen, und geniefit dabei des Vortheils, ſich an Drt und Stelle mit eigenen Augen von der Bortrefflichkeit des Beftellten überzeugen zu können. V. Die Klanggränzen zwiſchen der böhmiſchen und polniſchen Sprache. Von A. Uhle in Lemberg. hir Diefer Auffaz ift die Frucht einer nicht blos oberflächli- chen Kenntniß der von mir unausgefezt gepflegten böhmiz fchen Sprache, meiner Mutterfprache, und zwölfjähriger Beobachtungen der polnifchen Sprache in Lemberg, von dem in Betreff der polnifchen Ausfprache ein Gleiches gel= ten fol, was das bekannte italienifche Sprichwort von der Bocca romana befagt. Zu Papier gebracht habe ich diefe Vergleichung für junge Böhmen und Mährer, die nicht nur geläufig und mit Wörterfülle die böhmifche Sprache richtig ſprechen, fondern auch der böhmifchen Irthographie Fündig find, und ihrer Beſtimmung wegen die polnifche Sprache aus dem . Grunde Ternen wollen. 459 Bewährt ift ed, daß man das Unbekannte am ge: fhwindeften und richtigften durch Gegeneinanderhaltung mit dem Bekannten faßt. An der polnifhen Sprache aber it es nicht die Grammatik und Syntar, welche beide im den meiften Fällen mit den böhmischen Sprachgefezen über: einfommenz fondern die, durchaus jeder nichtpolnifchen Zunge unbegreifliche Weichheit der polnifchen Ausfprache, die den Böhmen und Mährer anfänglich ſtuzen macht, nad) und nad) aber zu Nachverfuchen loft; die eben dar— um oft das ganze Leben hindurch verunglüfen, weil der Böhme und Mährer meines Wilfens noch in feinem Bus ce die Parallele zwifchen der böhmiſchen und polnifihen Ausfprache vorgezeichnet finden Eonnte. Eine höchſt noth— wendige Voreinfiht, die dem Böhmifchfprecher aud der gelehrteſte polnifhe Sprachlehrer nicht geben Fan, wenn er nicht fehr viele Sahre unter lauter blanken Böhmen ges lebt, und ihre Sprache auch wiffenfchaftlich gelernt hat*). 9 Unter der Regierung des gelehrten Kaiferd Rudolph II., der in Prag refidirte, und um deſſen Thron ſich nicht nur die anfehnlichften Stände Böhmens, Mährens , Ungarns und anderer öfterreicifchen Provinzen, fondern aud viele hohe Reihsfürften und Magnaten anderer, nicht vom rö— mifchen Reiche abhängiger Kronen, neben einer Menge von Gefandtihaften verfammelten, mochte es wohl aud dem ans febnlichen polniſchen Adel an tiefem glänzenden, hochgebilde— ten Hofe gefallen, und ter böhmifhen Sprache, die vom Kaifer ſelbſt und vom ganzen böhmifben, mährifhen und fhlefishen Adel als Hof- und Converſationsſprache gefpro- en wurde, jenen gewiſſen Glanz hochadelicher, diplomatis fher und gelehrter Salons verliehen haben ; daher der pol: niſche Elaffifer, Lucas Gornicki CH 1591), in feinem Buche vom Höflinge wohl noch fehreiben Fonnte: „Polak, cho- „eiaz nie bedzie w Czechach, jedno i% ‘granice „Szlaska przejedze, to ju& inaczey nie bedzie chciat „möwic, jeno po Czesku; a Czeszczyzna, wie to »Bög, jaka bedzie!* (E8 wird-der Pole, wenn er auch nicht in Böhmen ift, wenn er nur ein: A60 Ueberdies hindert die meiften Böhmen und Mährer an der treuen Nachahmung der polnifchen Weichheit jene leichtgläubige Gelbftzufriedenheit des Gehörs, die man bei allen Völkerſchaften findet, die nicht fehr verfchiedene, vielmehr höchft wort» und Elangverwandte Sprachen has ben, wie 3. B. bei den Spaniern und Staltenern, bei den Deutſchen und Holländern. Sehr bald überreden fich das her die meiften Böhmen und Mährer felbft, daß die weis chen Laute der böhmifchen Sprache eben fo weich feyen, als die weichen Laute der nämlichen Wörter im Polni— ſchen. &o wähnt 3. B. der Böhme und Mährer den Taufe namen Maciej vom Polen nicht anders ausgefprochen zu hören als im Böhmifchen, nämlich Mateg; und doc fehlt im Böhmifchen bei aller Zartheit der Findliche Zwit— fherlaut des polnifchen ci. Gewöhnlich geht e8 dem Böh— men und Mährer mit dem Nachahmen der polnifchen Weichheit, wie jenem Slowaken, dem ein Mährer das mal über die Gränze Schlefiens hinausgefah— ren ift, fhon nit mehr anders als böhmiſch ſprechen wollen. Doch wie diefes Böhmiſchſpre— hen ausfallen wird, das weig Gott!) Zezt ift es nicht mehr fo. Die böhmiſche Sprache ift vorlängft aus ben Salons verdrängt, in Dörfer, Märkte, Wirthſchafts— Fanzleien, Dorffchulen, Dorfpfarreien, und höchſtens in die Studierzimmer der Slawinenforſcher und Alterthums— freunde verwiefen worden. „Des-lors elle sent la roture et le pedant.“ Dieſes Urtheil mußte ih hier von einem in Böhmen gebürtigen Manne von Stand und Rang gegen Polen, die nad der Eultur der böhmifchen Sprade frag- ten, äußern hören. Er feldft Fonnte nur böhmiſch flu— hen. Was Lucas Gornicfi über die Bohemomanie fei« ner landsmännifchen Zeitgenofjen fchrieb, das gilt in unfern Tagen Wort für Wort von den Böhmen und Mährern, die nad) Polen Cfreilih nicht als bloße Reiſende) überfieteln, und vom erſten polnifhen Gränzpfahle an fi ihrer flawi- fhen Mutterſprache fhamen, und kek darauf, ohne die mindefte Theorie, böhmifch = polnifch radbrechen. 461 flüſſige ẽ der böhmifchen Sprache beibringen, und ihn daher zuerft einüben wollte, repa ſtatt repa auszufpres chen. „Ay, trebas tricat punktiku, predce gen repa! antwortete der ungeduldige Slowak. Höchſt felten bemerkt es ein Böhme oder Mährer an ſich felbit, daß er das Polnifche nicht weich genug, oder (mie es ihm weiterhin Flingt) zerweicht genug ausfpreche; ja er nimmt auch die glimpflichfte Rüge über die noch im— mer nicht gelungene Weichheit für pedantifhe Grübelfucht, die ihn entmuthigen Fönnte. Daher bleibt er gerne bei je= ner, wirklich oft poſſirlichen Verpolniſchung der böhmi— ſchen Spradye, wobei er alles geleiftet zu haben wähnt, wenn er die Penultimen zieht, fo lange ihn der Nedeeifer nicht daran hindert. Ueber die erweichenden Mitlaute, und über das geftrichene 3 (das Dobrowffy auch das hohle nannte) hüpft er mit böhmifcher Schlichtheit hinweg *), und fo faßt er im Kurzen, da die galizifhen Polen alle an diefe Ausfprache der in Galizien überaus zahlreichen Böhmen und Mährer fchon gewohnt find, und ihn leicht verftehen, den ermunternden Wahn, er könne ſchon ganz allerliebſt polniſch ſchwazen. Allein ohne vergleichendes *) Unter böhmiſcher Schlichtheit verftehe ich die Ungezwungen- beit der Böhmen und Mährer, mit der jie die böhmiſchen Laute ungeziert, glatt, ungekünftelt und ohne Gefallſucht gerade fo vorbringen, wie fie beim gemeinen Volke tönen, Eine affectirte böhmiſche Ausſprache gibt es nicht, obgleich viele Unbeleiene manches ächte Wort für einen affeckirten Neologismus nebmen,. Eine verfünftelte Gerfhönerte) Ausſprache findet man nur bei füfen Herrchen und Eos quetten, die nicht zum gemeinen Wolfe gehören, und ſolche fügeln und fajeln in Böhmen und Mähren nicht böhmifch, fondern deutſch, franzöfifh, italienifch oder englifh. In Polen und Galizien hingegen ift die polniſche Sprade, wie billig, auc die Converjationsfprahe der höheren Stände ; it Daher aber auch der Gefahr preisgegeben, von gefen- haften Lippen überfünftelt zu werden. (Wymawianie üilgranowe,) 462 Studium der zweiten flawifihen Sprache mit der feinigen, Bann durchaus Fein Slawe eine andere flawifche erlernen, Er muß im Spreden und Schreiben prüfen lernen, - was feiner flawifchen Sprache angehört, muß es oft verleug: nen und mit dem Eigenthümlichen jener Slawine erfezen lernen, deren ev fich bemächtigen will, Jede Mannigfal: tigkeit in der Ausfprache, Profodie und Flerion muß ihm in beiden Slawinen immer gegenwärtig ſeyn. Nicht ver: geffen, fondern mitpflegen muß er feine mitgebracdhte Sla—⸗ wine, font unterfchiebt fie ihm alle Augenblike ihre Wör⸗ ter, ihre Ausfprache und FSlerionen, ohne dag ihm das Bewußtſeyn mehr beiwohnt, daß ihm die Mutterfprache etwas unterfchoben habe. Wil er von einer zweiten ſlawi— fhen Sprache mehr erlernen, als man bendthigt, um mit dein Hausgefinde, den Marktverfäufern, und dem Land: volfe über Werkeltagsdinge zu ſchwazen; will er mit ge: bildeten, fein erzogenen Perfonen converfiren, oder nah feiner Stellung als Nichter oder Beamter mit einiger MWohlredenheit fprechen , oder vollends Auffäze Tiefern fönnen: fo muß er unerläßlicy die ihn neue Slawine an der Hand feiner flawifchen Mutterfprahe aus einer guten Grammatik fFudieren. Um diefes in viel Fürzerer Zeit und zugleich fo weit bewerfftelligen zu fünnen, daß ihm feine angeborne flawifche Sprache zum Leitfaden bei Er- lernung der zweiten flawifchen Sprache dienen Fünne, muß er mit ganz befonderer Aufmerkfamkeit die Umwandlung der Buchitaben, Sylben, oder vielmehr der ganzen Laute feiner Sprache in die Laute und Schreibart der ihm noch fremden flawifchen Sprache genau erkannt haben, wohl auch dabei das Gedächtniß zu Hilfe nehmen. Wie diefe Ueberwandlung gefchehe, ift in diefem Auffaze mit zurei— chender Ausführlichkeit angedeutet, zuvor aber auch dem Böhmen und Mährer die von der böhmifchen Sprache ab— weichende Ausfprechart der polnischen Buchftaben genau angegeben worden. Buchſtaben, die hier nicht befonders 463 behandelt werden, find ganz wie in der böhmifchen Sprache auszufprehen. Die Angabe der von der böhmifchen ab- weichenden Ausfprache ift für die Gehör» und Sprach— ‚werfzeuge gut ſprechender Böhmen und Mährer berechnet wordeit. Mer daher nicht fertig und richtig böhmifch Tefen und ſchreiben Fann, uud blos von der Dienerfchaft im Elternhaufe böhmiſch ſchwazen gelernt hat, für den dürfte diefer Auf- faz von wenigem Nuzen feyn; während er dem in der böh— mifchen Sprache grammaticalifch Unterrichteten einen fehr großen Vorfprung in der polnifchen Sprache bahnen kann. Folgende polnifche Buchftaben weichen in der Aus: fprache von jener ab, die ihnen in der böhmifchen Sprache zukommen würde: a (1) in der Wortmitte wie on mit einem ſchwachen Nafenbei> Elange, wie im franzöfiihen Worte bonte, 3 blos wie ein o am Wortende. 3 blos wie ein o vor dem geftrichenen 3, Beifpiele: bak (bonk, die Rohrdrommel), maga (mago, fie haben), kwitnat (kwjtnol’, erblühete). au iſt nicht, wie im Böhmifchen der Dopvellaut au (ou), ſon— dern wie a und u jedes abgefondert zu leſen. Nur die frem— den Namen machen eine Ausnahme, in welchen dad au, wie im Deutfhen, ald ein Doppellaut zur lefen iſt. Beifpiele: zauszek (zausek, dad Ohrgehänge), Aus gust (A - uust). e (2) in der Wortmitte wie en mit einem ſchwachen Nafenbei- lange, wie im franzöfiihen Worte bien das em nad) bi. _ (1) Eine Erfindung neuerer Sahrhunderte, vermuthlih von Tachygraphen und Abbreviatoren eingeführt ftatt des Nafen- laute? om, on, oder auch) ftatt des böhmijchen au. Es bat unten am zweiten Schattenftriche eine franzöfifhe oder ſpaniſche Cedille angehängt; und ift einzig und allein der pol: nifhen Sprache eigen; a, (2) Desfelben Uriprungs wie das a (ſiehe Anmerf. (1). Auch diefer ureigenthümliche Selbftlant der Polen hat unten eine franzöfifhe oder ſpaniſche Cedille; ge 464 e blos wie ein e am Mortende, ge blos wie ein @ vor bei geftrichenen &. Beifpiele: beben (bemben, die Trommel), bede (ben- de, ich werde ſeyn), kwitneta (kwjtnel’a, fie blühete). € iſt nicht, wie im Böhmifchen, ein langes &, fondern wird wie ein i (j) oder y, je nachdem es einen harten oder weichen Mitlaut vor fih bat, ausgeſprochen. Beifpiele: rzeka (tjka, der Fluß), ser (syr, der Kife), ey (&j) wie ig oder yg5 3.2. w,mejej (w mogig, in ter meinigen). i wird vor jedem mit ihm zufammenhängenden Selbſtlaute wie das böhmifche Z, und vor dem e zufammen wie das böhmi— fhe € ausgefürochen, fo wie ed ten ihm unmittelbar vorher⸗ gehenden Mitlaut erweicht, Beifpiele: biada (bgada, wehe!), bieda (beda, Elend), kıedy (kedy, wann, wenn). j welches in der neuen Drthographie fehr oft die Etelle des polnifhen i oder y einzunehmen beginnt. Es Fann durchaus wie das böhmifche flüfjige g ausgefprodhen werden. Beifpiele: jary (jary, fommerig), majatek (magon- tek,, die Habe), möj (mug, mein). 6 iſt nicht, wie im Böhmifhen ein langes 6 oder ü, fondern wie ein ganz kurzes böhmifhes u; z. B. woz (wus, der Wagen). Gy immer wie das böhmifche ug; 3. DB dj (mug, mein). (0) Mitlaute: b’ das erweichte b’ am Wortende, Der fcharfe Accent über die: fem und andern erweichten Mitlauten (fiehe unten), ift eigentlich ein obenan geſeztes ĩ, das aber in gewiſſen Bewe— gungen, befonders vor einem zufammenhängenten Celbjtlaute vollftändig neben dem b gefchrieben wird, und fowohl oben angedeutet , ald nebenan ausgejchrieben den Mirlaut fo erweicht, als ob ein böhmifches flüfjiges g hinter ihm ftände. 3. 3. jedwab‘ (gedwabg, die Eeite), jedwabiu (ged- wabgu, der Seite Genitiv), Siehe auch oben beim is 465 e das erweichte e mit dem obenan geſezten ĩ. Alle fo erweichte Saufelaute (6, $, Z) werden etwa fo Tieblich hervorgezwit- fhert (sweholmo) wie kleine Kinder das böhmiſche & (5, Z) unvollfommen vorbringen Diefe Laute Eönnen Erwachſene dadurch richtig nachahmen, daß fie die Zungenfpize zwifchen die ſanft geöffneten Zähne bringen, und den Gaufelaut mit einem Nachlaute des böhmifchen flüfigen g weich ausfprechen, wodurd er eben etwas ähnliches mit dem fernen Gezwiticher der Schwalben erhält: Diefe wirklich ſüſſen Saufelaute ges währen der polnifchen Sprache jenen ihr ganz eigenthimlis chen naiven Liebreiz , der freilich nicht auch Menfchen gefez: ten Alters, am wenigften aber rüftige gefezte Männer Eleidet, Solche Menfhen bringen daher diefe Saufelaute lieber etivas weich zifhend (sy&mo), als fo tandelnd gezwitfchert hervor. In gewiffen Beugungen, befonders aber vor einem zufams menbängenden Gelbftlaute wird das obenan gefezte i neben dem € (Ss, z) gefihrieben, ohne daß dadurch die zwitfchernde Ausfsrache geandert wird. Beifpiele: nic (nicg, der Zwirn), niei (niegi, ded Zwirnsy, niciany (niegäny), zwirnen, aus Zwirn), rys (rysg, der Luchs), Yysia (rysga, des Luchfes), bydz (bydzg, feyn), bedzie (bendzge, er wird feyn). ez wie das böhmijche & oder das nicht mehr übliche cz. 3. B. cꝛas (das, die Zeit) d niemals wie das böhmifche flüfige Cermeichte) di, fondern immer wie in den böhmifhen Wörtern dam, den, do, dub, dym. dz wie dz böhmifch ausgefprochen, obgleich es im Böhmifchen nicht üblich iſt. d2 wie dzg, nämlich wie ein böhmiſches hartes d mit dem Zwitfcherlaute zg (Z, zi); z. B. miedz (medzg, das Ku— pfer), miedzi (medzgi, des Kupfers), (Siehe oben bei €, und bejonders das lezte Veifpiel.) g niemald wie das böhmifche flüfjige g, fondern immer wie das bohmiſche gebärtete Z mit dem Schnörfel für fremde Wörter, Beifpiele: gadaé (Zadacg, ſchwazen), gesty (Zen- sty, dicht), glina (Zljna, der Thon). Sahrbücher. I. Band. 50 466 gi mie im Böhmiſchen das harte Z mit dem flüfjigen hinterher alfo wie &8. Beifpiele: giad (dgoneg, rühren, beugen), giba& (ägjbacg, biegen), giemzie (Zemzgieg, jufen). j (Siehe bei den Gelbftlauten.) ki wie im Böhmifihen kg vor Celbfiläauten, oder ki (kj) vor Mitlauten auszuſprechen wäre. Beifpiele: kielich (kgelich oder kElich, der Kelch), kipiee@ (kjpeeg, übermwallen beim Eieden).- kt das fogenannte geftrichene (gefihloffene, grobe) 1’, welches die böhmifche Sprache ſchon vorfangft abgelegt hat, und nur nod) zum Theile bei den Oftmäahrern und Glowafen hörbar ift, In der polnifhen Sprache wird es für wichtig gehalten, ob— fhon es eben nicht wohlklingend genannt werden Fan. Es fol am beiten dadurch hervorzubringen feyn, dag man die aufwärts gebogene Zungenfpize an die Zähne ſtößt. Es it etwa dem 1 im öjterreichifihen Patois, bei den Wörtern viel, Del ahnlich, und vertieft auch, wie dieſes, den vor— bergehenden Mitlaut. Am Wortende nad) einem Mitlaute ift diefes polniſche gar nicht hörbar. 8. B. mögt (muZ, er Eonnte), wiodt (wgod, er führte). das erweichte m, tem böhmifchen unbeftimmten m vor &, i oder j ahnlih. (Siehe oben bei b’.) Beifpiele: karm (karmg, die Nahrung, das Futter) karmi (karmgi oder karmi, der Nahrung, des Fut— ters), karmiony (karfigöny, der Gefütterte, der Genahrte). (Siehe au oben beim 1.) n ift ganz dem böhmifchen Nafenlaute ii glei. 3.8. pien (pEh, der Etamm). Wie im Böhmifchen vor &, 1 (j), eben fo ver— liert auch im Polniſchen dieſes erweichte A fein obenan gefez- tes 1, wenn es ohnehin fehon ein i hinter fih hat. 3. 8. pnia (pua, des Stammes). (Siehe auch oben beim i.) 5» p ift dem böhmiſchen unbeftimmten p vor €, i oder j ähnlich. (Siehe oben bei b’.) Beifpiele: kwap’ (kwapg, ter Slaum), kwapiu (kwapgu, des Zlaumes). (Siehe aud) oben beim i.) 467 rz beinahe noch weicher als das böhmifhe f, indem das x halb ſtumm it. 3. 8. rzepa (fepa, mit fehr ſchwachem Vor: Flange des r, die Rübe). xZ härter als das böhmifche F, indem das F recht hörbar wird« 3. B. dr2ee (drtieg, beben). (Siehe auch oben beim €.) das erweichte s mit dem obenan.gefezten i, weldhes wegbleibt, fobald ein i hinter dem $ zu ftehen kömmt. In beiden Fällen iſt dieſes ein Zwitfcherlaut. (Siehe oben beim €.) Beifpiele: smieré (sgmöreg, der Tod), los (I’osg, das Clendthier), tosia (l’osga, des Elendthieres). 50 das erweichte s mit dem erweichten & in einen Mitlaut zit» fammengedrängt. (Siebe oben bei € und 5.) 3. B. dose (dosgeg, genug). Aus dem Munde eines gefesten Polen hört der Böhme dieſen gedoppelten Zwitſcherlaut nicht viei anders, als fein st im Worte stal (autet, alfo nicht viel zwit⸗ ſchernder, als wenn er ſelbſt ſagen möchte dost. 82 iſt dem böhmiſchen IL CS) ganz gleich. 34 8. szesc (Sesgeg, oder Sest', ſechs), masz (mas, du haft). t niemals wie das böhmifche flüfjige Cerweichte) 5 fondern im— mer wie in den böhmifchen Wörtern tam, ten, to, tu, ty, u“ w ift dem boͤhmiſchen unbeftimmten w vor &, i oder j ahnlich. (Siehe oben bei b‘;) Beifpiele: paw (pawg, der Pfau), pawi (pawgi, vom Pfaue, pawia (pawga, des Pfaues). wie im Sateinifhen, Deutſchen, Franzöſiſchen; wird aber häufig mit ks erſezt. 3. 8. Xiazg (ksiaze, ksgonze, der Fürft); das erweichte z mit dem obenan gefezten 3, welches wegbleibt, fobald ein i hinter dem z zu ſtehen Fommt. In beiden Fäl— fen ift dieſes z ein Zwitfcherlaut: (Siehe oben beim & und s.) Beifpiele: Zmija (Zgmjga, die Watter), kadz (kadzg, der Zuber, Bottich), z kadzi (z kadzgi, aus dem Zuber). [75 N - F z iſt vollkommen dem böhmiſchen flüſſigen Z gleich. Z. B. (Saba (2) (Zaba, der Froſch), ma“ (monZ, der Mann). 50“ 468 Zufammenfezungen aus dieſen ein = und zweibuchitabigen Selbſt- und Mitlauten find hiernach für Jedermann lesbar, der böhmiſch leſen kann. Beifpiele: chrzaszez, worin beiderſeits zwei zuſam— mengeſezte Mitlaute vorkommen, nämlich: 1) ch (ch), 2) rz 3; Dsz &), D ez (8), böhmifch auszuſprechen: chronse, der Käfer (böhmiſch chraust); — szezodry, worin zwei zu— fammengefezte Mitlaute vorfommen, namlih: 1) 82 (8), 2) cz (8) , böhmifch ausgefprohen: S&odry, der Freigebige (böhmiſch stedrf); — chrzczony, worin ‚drei zufammengefezte Mitlaute beifammen vorkommen, namlich: 1) ch (ch), 2) rz.(), 3) ez (2), böhmifch ausgefprochen: cht&ony, in der Taufe erhalten (böh— miſch kitiey); — strzasnae, worin zwei zufammengefezte Mit- laute vorkommen, namlich: 1) st (st), 2) rz (X), böhmiſch aus» zufprechen! strasnoneg, zerfchmettern (böhmiſch zttesknaut). Folgende böhmifche Buchitaben verwandeln ſich im Pol- niſchen in die ihnen hier nebenan ftehenden: Das Wird ; Böhmiſche Aus- böhmi⸗ im Pol: Böhmiſche Worter Se ſprache der polni= fhe niſchen P {hen Wörter 8) a gadro jadro gondro e dafto czesto densto ia paͤtek piatek pontek a ie mafo mieso menso o play plochy pl’ochy õ bora göra Zura u dlabat diuba® dl’ubacg a feufy wasy wonsy au e .pauto peto pento u Faule kula - kula we sauber wegorz wengor 3) Obſchon ich die Selbftlaute ver Penultimen in mehr als zwei— ſylbigen Wörtern mit dem langen j, oder mit dem Dehnungs— zeichen der böhmiſchen Sprache bemerkt habe; ſo glaube ich dennoch den geneigten Leſer, dem die polnſhe Sprache un— bekannt iſt, erinnern zu müſſen, daß mit einer böhmiſchen Dehnung des Selbſtlautes noch nicht die polniſche Dehnung, die noch einmal fo viel Zeit erheifht, bergeitellt it. Wenn das böhmifhe Dehnungszeihen die Dauer einer Adhtelnote erfordert, fo muß den gejtreften, polniſchen Penuftimen wer nigjtend die Dauer einer Viertelnote gegeben werten. 46% Dad Wird Dieſelben Böhmiſche Aus: böhmi⸗ im Pol: Böhmiſche Wörter ofnifch ſprache der polni⸗ ſche niſchen polniſ⸗ ſchen Wörter ag ( 3 bäg 8aj Sag ( .ay bägka bayka bagka pg C bia belawf biatawy bgal’awy C bie bh bieg bes bj bi bie bie bicg cr € dz moc modz modz ( ezci poctiwy poczeiwy po&cgjwy ẽ ez derweny czerwony derwöny de dz dewẽt dziewiee dz&wencg dd) dz bus badz bondzg € dzi oelo dziato dzgal’o di dzi diw dziw dzgiw dj dzi djlo dzieto dzel’o a bievy blady blady e bieb brzeg bri3 * ia feno siano sgano ie teplo ciepto egepl’o io ſedlo siodto sgodl’o id wewerka wiewiorka wewgurka eg ( aj obyeeg obyczaj obytag "hal - oblideg oblicze oblj&e aj woley wotaj wolag ey I i Feywat kiwaẽ kjwacg y bevwa bywa bywa ia ſmẽly smiaty sgmgal’y Pr} ie bẽhaͤm biegam bẽgam ie mäökkſ miekki mgenki (5) io namẽtek namiotek namgotek (0) Der Schnörfel (auch wohl Punct genannt) über dem d’ (jo wie auch über dem: A, p und t)ift ganz dem obenan gefezten 1 der polnifhen Sprache, das einem feharfen Accente gleicht, abnlih. Er ermweicht diefe Mitlaute dergeitalt, ald ob ein . böhmifches, flüfjiges g (oder ein deutfches j) mit ihnen verbuns 65) den wäre. (Siehe oben beim polnifhen: 1, c, b,n, p, Ss, W und 2.) Dagegen theilt derfelde Schnörfel dem &, #, * und Z einen ihnen font nicht eigenen Zifchlaut (mehr oder weniger wie das deutfche ſch) mit, Wenn ih mir in der böhmischen Ausfprache der polniſchen Wörter manche Abweichung von der böhmifhen Orthogranbie erlaubt habe, fo iſt es hier mit gutem Vorbedachte geſchehen. Die böhmifhe Sprache ſchreibt: ky, weil fie das k immer nur für einen harten Mitfaut betrachtet. Die polnifche Sprache ie ſich in der Erweihung gefällt) fhreibt: ki. Von dem Dad Wird i Böhmiſche Aus- böhmis im Pol: Bbhmiſche Wörter DENT frrahe ter po fe niſchen p ſchen Wörter gaſno jasny gasny geden jeden geden 8 j giche jucha gucha gonaͤk jonak gunak gunec juniec gunec ga id gdu ide yde gm im gmeno imie ymẽ gsem jestem gestem gsy jestes gestesg gsme jestesmy gestesgmy gste jestescie gestesgege gsau sa so a 3 groß grosz Zros 8 & Galege galera Zalera ch hwjzdnaut chwistna® chwjstnoneg = hotowy gotowy Zotowy h banbe hanba hanba kk lebty lekki (letki) leky (letky) w hauſenka wasionka wonsgonka ia mjva mjara mgara _ ia kniha ksiazka ksgonzka = 6) ie bjda bieda beda ie wice wiecey wenceg io pijſnicka piosneczka posneöka u tlje klucz klu& heiderfeit8 angenommenen Grundfaze ausgehend, daß das ı ein weicher, dad y aber ein harter Selbftlaut ift, haben beide Spraben Recht, wenn die böhmifche das harte ky mit y, die polnische das weichliche ki mit i fihreibt. Der Sprachge— braud iſt ein Despot, bei dem nur das felbftgefchaffene Pofitive als Beweisgrund gilt. Philofoppifhe Gründe entrüjten ihn nur. Wenn die polnifhe Sprache miekki, nicht aber miekky ſchreibt, fo hat fie meines Erachtens vollfommen Recht; denn die Ausfprahe malt der Bedeutung nah. Wenn fie aber auch: tyrafiski (tyrafiski) fehreist, fo würde ich allerdings unmafgeblih das böhmifd; geſchriebene: tyransky, wobei auch noch das x und n herzhaft ausgedrüft wird, richtiger, ich meine onomatopöifcher gefchrieben finden. Umgekehrt aber bedünft mic das böhmifche mẽkky nicht fo treu der Natur des Begriffes nachgemalt zu feyn, als das yolnifhe miekki (menkgi), Drthographifhe Regeln follten mehr die Sprachmalerei vor Augen haben, wenn fie philofophifch feyn wollen, und nicht blos ein materiell gejchlichtetes Fachwerk aufſtellen. Das Wird - böbmis im Pol: Vöhmiſche Wörter 237 ſche niſchen polniſch gd kdy gdy kd I gdz Ede gdzie kied Eoy kiedy kit chrze kẽrtjt chrzcie laffawy taskawy 1 1 maly maty byl byt 1& ilez milder milezee Ih itg wlhkoſt wilgosẽ Ik ilk wiF wiik In ein ping pelny Ist ° les piſt pilse n n geien jelen n..l 4..n manjel matzonek Pe CR. baũñka banka (ai koñowi koniowi ni) 2 (Cnikoy nigdy na) "City niski io motaͤ fe miota sie o I ö bor bör u pſſtros strus og oj wogua wojna P pP) trp (Imperat.) cierpj p vozpiasy rozpiety p&® i pẽna piana pi P pigaß pijak Pi pjha piega gu kw quitancy kwitacya r r2 orel orzel reh ierzch wrchowatß wierzcho- waty r& arcz wrẽet warczy& rd ard hrdlo gardto ık ark krk kark ıl art snel$ zmarty arn ſrna sarna rn I jarn 3rno ziarno iern gem ciern xp ierp trpky(acerbus) cierpki xs iers prs piers ıst ars® hrſt garsẽ ( at re chart ( iere ſmrt smier& xw ierwe prwuj pierwszy 474 Böhmiſche Aus: ſprache der polni⸗ ſchen Wörter &dy ädzge kedy chiejeg l’askawy mal’y byl’ mildecg wil’gosgeg wil’k pel’ny pilsgeg geleä mal’zönek barika kosowi njädy njsky mgöta sgä bur 7 strusg wogna egerpg rozpenty pana pigak pega kwitäcya orel wetchowäty wardicg Bardl’o kark zmarl’y sarna zgarno cgern cgerpky persg garsgcg chart sgmercg perway 472 Dad Wird > Diefelben Böhmiſche Aus: boͤhmi⸗ im Pols Böhmiſche Wörter ofnifeh ſprache der polni⸗ fhe niſchen p ſchen Wörter ( arz mrznuu marzne marzne 12 (wos. welfrz wskrös wskrusg t r⸗ utad urzad urond £ fwjce Swieca sgwe&ca {(9 5 (we wies — fedam siadam sgadam £ si e sie sge feftra siostra sgostra ſſat szata Sata fc 82 | weffe wasze wase mas masz mas s6 doſt dose (dosy&) dosgeg(dosycg ft | scie ftefat(defluere) AR T — * t fttewic trzewik ttewik ftö scia ſtẽna sciana sgegana ci fin cien ogen fti sci ( mafti(Genitiv) masci masgegi ı (2, . .v ( ftiham scigam sgcegigam fl? ſſtaſtuÿỹ szczesliwy Sdensgliwy fIte RR, ſſtẽdrÿy szczodry Sdodıy ffti ß ſſtipawy szczypawy seipéwy Iſtj ſſt jt szczyt scjt 3 & nat nad nacg ws % cie tẽſſj m ciesze cgese ( sie täẽzty ciezki cgönzky ti ci tichy eichy egichy tj cie tjſeũñ ciesũ ogẽesgũ RE bus badz bondzg Fre - tupy tepy tempy ug uj bugny bujny bugny vh we vbi wegle wengle «1.08 düklaony doktadny dokl’ädny (6 fül sol sul üg oj dis 15j lug * ( vgdu uyde ugde ( vcho ucho ucho we ( wia weno wiano wgano ( wie we wiek wek wilwj) ) wia witr wiatr wgatr ) wie wm wiem wgem wl ( wel wlna welna wel’na ( wil wlk wilk . wil’k wr ) war wetos warkocz warko& ) wier wrtit wiercie wöeregicg 473 Das Wird Dieſelben Böhmiſche Aus⸗ boͤhmi⸗ im Pol: Böhmiſche Wörter ofnifch fprahe der polni: fhe niſchen p ſchen Wörter ebubſnek bebenek bembenek i hynu gine öyne‘ ie bfebiner grzebienek &tebenek] I io wöÿſka wioska wgoska iö pöÿrko piörko purko u plywiän pluje pluge dz wno;e w nodze wnodze zZ 3zmyge Zmija zgmjga z zia zrno ziarno zgarng zie zem ziemia zgemga zio zeljẽko ziolko zgiul’ko, Ergebniffe diefer Vergleichungen. Die polnifhe Sprache ift um fehr Vieles weicher ald bie böh⸗ miſche; allein eben dieſe (oft üppige) Weichheit macht ſie für alle nicht polniſchen Sprachwerkzeuge überaus fhrvierig und den Ohren räthſelhaft. Selbſt die vielen Conglomerate von Mitlauten, die jeden Fremdling verblüffen müfen, und die doc fo leicht (wie im Böhmifhen und Rufifhen) mit neuen, einzelnen erſezt werden fönnten, find, mit wenigen Ausnahmen, Werkzeuge diefes Stre— bens nad) Weichheit. Kein PBortoghefe, Fein Italiener, ja fogar fein anderer Slawe Fann fich diefer überſüſſen Weichheit jemals ganz bemädtigen; einer Weichheit, die zugleich fo überaus zart ift, daß fie durchaus in Feiner europaifhen Sprache mit der Schrift vorge— zeichnet, und ſelbſt in den flawifchen Sprachen nur mit forgfältiger Erklärung und fteter Vergleihung mit befremdenden Ausſprachen angedeutet werden kann. Dagegen hat die böhmifche Sprache Fein einziges Wort, das nicht ganz leicht mit polnifher Schrift und den profodifhen Quantitätszeichen treffend vorgezeichnet werde Finnte;; wofern der Pole dem zarten, böhmifhen h aufer der Sylben = und Wortende feine deutihe, oder franzöſiſche, oder griechiſche Lindig- Feit befaffen will, Ein Beweis, daß die böhmifche Ausſprache zwar bei weitem weniger doblend und zärtlich, dafür aber auch weit ein- facher und erlernbarer ift, als die polnifche. “Alle Deutfihen, Fran» jofen, Staliener u. a. m. ſprechen das Polnifche gewöhnlich ihr Les belang mit einiger, dem Böhmifchen ähnelnden Härte aus, was doch gewiß darthut, dag die böhmifche Ausſprache der gemeinfamen, 478 europaifhen Ausſprachsfähigkeit naher liegt, ald die polniſche. Alle Fremden erlernen in Böhmen und Mähren das Böhmiſche, feldft fhon Tange nach den Milchzähnen; wenn auch die Deutfhen, die fhon mit den Weisheitszähnen nach) Böhmen Fommen, faft immer nod) das d mit dem e, dad w mit dem f, das b mit dem p ver“ mengen; aber die reine, die ſüſſe Naivetät der polnifchen weichen Mitlaute erlernt man nur noch) mit den Milchzähnen, für die fie fo ganz geeignet ift, daß Kaifer Karl V. zu feinem bekannten Aus: {suche über die Anwendbarkeit der Sprachen gewiß noch zugefezt haben würde: „Polniſch will ich mit meinem Lieblingsfinde koſen,“ wenn er auch dieſe Sprache gefannt, und fie ſchon Damals dieſe Weichheit gehabt hätte. m Die polnifche Sprache hat noch immer das geftrichene 3, das ſchon im XVI. Sahrhunderte der clafjifhe Dichter Polens, Johann Kochanowski barbarifh nannte. Sn der böhmischen Sprache wird nur in der Sprachgeſchichte desfelben erwahnt, III. Die polniſche Sprache hat die franzöſtrenden Laute a und e, welche die böhmifche nicht Fennt; dafür aber noc immer ihren alten Doppellaut au (der auch ehevor den Polen genügte) beibehalten bat. Den Doppellaut ou (böhmifch au) Fennt die polnifhe Sprache nicht mehr an, bei ihr find es immer zwei abgefonderte Gelbitlaute. 3. 8. Poufaty (po-ufal’y, vertraut). Auch der Doppellaut au gibt der polniſchen Sprache zwei abgefonderte Selbftlaute, wie oben gefagt worden ; ‚IV. Die unfelöftlautigen Sylben der böhmifhen Sprache, benen man füglich ein Feines Chalbftummes) e einflifen Fönnte, wenn man den Trismegiften Schlendrian nicht fürchtete, macht die pol: nifhe Sprache für dad Auge dur Einfhiebung eines GSelbftlautes befreundlicher, und die Zunge des Fremden wird dadurch Fühner, fih an eine folhe Ansfprahe zu wagen. Diefe unfelbftiautigen Sylben find: IE, IH, IE, In, I, ch, ed, vu. eh, el, cm ep, rs, vfl, ce, vw, v3, wi, wi. (6) Allein von der andern (6) Gerwöhnfih hört man diefe böhmiſchen unſelbſtlautigen Spl ben für widerfihe, ungeheure und graßlibe Afterfylben 475 Ceite hat auch die polnische Spradhe in manchen Wörtern Selbſt— laute weggeworfen, die in der böhmifchen desfelben Urſprungs noch gefunden werden. 3.8. drzwi, böhmiſch dwere; pstry, böh— miſch pefefty ; pchla, böhmiſch blecha ; rdza, böhmiſch rez. Die polnische Sprache vertieft gern die Selbſtlaute, d. h. fie macht gern aus engen Gelbjtlauten breite. So verändert fie das böhmifche g in a, o, 6, u; au in u; ein a,ia,io,io; egin aj; eyinaj; ẽ in ĩa, io; i (j) in ĩa, ia, io, u; o in6, u; yine, ie, jo, i6, u. Diefes Vertiefen oder Breitmachen der Selbftlaute erinnert an den dorifchen Dialect der griedifhen Sprache. Das lange u (nicht das Furze 6) ift im Polnifchen weit felte- ner zu hören, ald im Böhmifchen. VII. Die polniſche Sprache erweicht Cober nafelt) fehr oft die Selbſtlaute, die im Böhmiſchen der Naſenhülfe nicht bedürfen, als: a in ia, ie; e in ia, ie, ie, io, iö; y in ig, io, iö; o in io. VII. Die polnifche Sprache erweicht auch gerne die Mitlaute, bie im Böhmiſchen ganz fchliht, ohne Beiffang eines Nafen = oder Zwitfcherlauted vorgebracht werden. b in b/, bi Ed in gd, gdz rſt in arst cd in dz krt in chrze f (@) in 5, si ct in czci n ind, ni ft in se de in dzie p in p, pi eine, cı di (dj) indzei rinız,ız 3 in dz, 2. ð (dj) in dzi rch in ierzch (zgtoskiny) erklären. Man verfuche aber nur, fie ohne Nengjilichfeit oder Carricatur einem gebildeten Böhmen nach— zufprechen, und fie nicht fo hart, noch ftoßweife hervorzu— zwängen, wie ed Unkündige aus Schabernaf thun, und man wird jie bald nicht mühfamer finden, als die Weglaffung des ſtummen e in deutfchen Endſyſben. — Sedermann Fann 3. B. ausfprehen St! womit man Stillfchweigen erlangt. Seder- mann Fann auch ein x vor dieſem jt hören laſſen, mithin Fann er fhon ausfprechen vft. Macht er nun vor dieſem rſt noch ein f hörbar, jo hat er das unfelbftlautige Wort: frft (as Furze Balghaar der Thiere, polnifh siert oder auch siersc} richtig ausgeſprochen. * 476 IX, Dagegen härtet die polnifche Sprache oft das böhmifche I in t, und das böhmiſche h in ch oder g. Das fanfte, gewiß lieblihe b jenes Mittelding zwifchen dem griehifhen 7Wedun Wılov und dem TWwevus duov, das die böhmiſche Sprache mit der deutfhen, engliſchen, franzöſiſchen, ſpa⸗ nifhen Sprache u. a. m. gemein hat, bejizt zwar auch die polnifhe Sprade; allein am gewöhnlichften hört man es viel zu raub, näm— fi) wie das hebraifhe m ausfprehen, welches wohl auch von Mindergebilveten gefhieht, wenn fie deutſch oder Tateinifch ſprechen. 3.8. Chammer ftatt Hammer, chorror jtatt horror. Einen ähnlichen Fehler Infien fih die von Kindesbeinen an böhmiſch fpre= chenden Böhmen und Mährer zu Schulden Fommen, in dem Iatei: nijhen g, das fie wie das böhmifche flüfjige g lefen. 3. 8. lege- bam, legebam, ftatt legebam. X. Noch mehr als bequem hat ſich die polniſche Periode geſtaltet, aber die Metrik hat dabei nicht gewonnen. In der Regel wird in jedem polniſchen Worte die vorlezte Sylbe gedehnt, gleichviel, ob ſie die Stammſylbe, oder eine durch Declination oder Conjugation entſtandene Zuwachsſolbe iſt. Z. B. Sasiad (ſauſed), sasiada ( fruſeda), sasiadowi (faufedowi); wotam (woläm), wolamy (woläme), wotajace (wolagjce), wotajacemu (wolagjcemu). Ein angehängtes Suffirum wird im Polnifhen für unvermö— gend gehalten, die lezte Sylbe des ihm vorjtehenden Wortes ge— dehnt zu machen. 3. B. wiedzieliby w — v v (we£dEliby). Fremdſprachige Wörter follten zwar im Polniſchen ihre ur— fprünglihe Quantität beibehalten ; allein mit Ausnahme des Fur: zen i vor einem andern Selbitlaute, welches alfo nur ein Erwei— chungsmittel des folgenden Seldftlautes ift, bindet man ſich nicht fo genau daran, zumal wenn man der fremden Ausfpradhe nicht vollfommen Fündig ift. 3.8. biblia— v o (bible), Wolter — » (Wolter)'Voltaire, i oalo vu — » (Boalö), Boileau. Die böhmifhe Sprache hat zwar auch eine Vorliebe für die Betonung einer Sylbe im Worte, und zwar der erjten, weil fie, wo nicht die Stammfylbe, doch menigftens die Sylbe des declama= torifhen Nachdrukes it; allein nebſt diefer Betonung haben fehr viele böhmifche Wörter auch noch eine Dehnung, die aber der Me: 44 477 trik ſo wenig im Wege ſteht, daß gedehnte Sylben ſehr oft die pro— ſodiſche Fänge verlieren (7), wenn eine vorhergehende den Ton bat. 3. 8. zwonjm (ich laute). Hier hat die erfte ald die Stammfylbe den Ton, die zweite mit dem Dehnungszeichen (der Verlängerung des 3) ift fang, und dennoch wird in der Metrif, wie im gemei: nen Leben, aus diefem Worte ein wahrer Trochäus (2), der polnisch zwonim ausjufprehen wäre, Wied twůg (dein Schwert). Hier bat das erſte Mort wegen des declamatorifchen Nachdrukes den Ton, obgleich es Furz iſt, das zweite Mort aber ift zwar wegen des Ringes über dem u gedehnt, verliert aber in der Metrik wie im genieinen Leben diefe Dehnung (Fänge), und beide Wörter zu— fanmen machen einen wahren Trochäus, der polnifch ausjufprechen wäre: Mecz twöj. — Dazu die Beyuemlichfeit der Metrif bei mehr ald zweiſylbi— gen Wörtern, woron die dreifplbigen entweder Daktylen oder Am— phimakern, die vierfplbigen zwei Trochaen (auch ein Epitrit der zweiten Art) oder ein Chorijamb, die fünffyldigen ein Daktylo— Trohäus, ein Spondäo » Daftylus, oder Trodas - Daftylus ſeyn Fann. Alle diefe Vortheile entgehen der polniſchen Metrif am Ende der Berfe, deren le;ter Fuß immer ein Trochäus oder. Spondäus feyn muß, wodurd der, auch in feiner Wirkung auf das Gehör ded Namens männlich würdige, einfylbige Reim verloren gegans gen it, den doch felbjt die weichiten europaifihen Sprachen werth— ſchäzen, weil er (um das Allerwenigfte von feinem Nuzen zu er— wähnen) in den Endfüffen der Verſe die wichtige Bedingung der Schönheit , die Mannigfaltigfeit befördert, Wie fehr aber nicht allein die polnifche Profodie, fondern auch die Eleganz der mündlichen Beſprechung das Ziehen der Penulti— men liebe, felbft wenn die Stammfylbe dabei unterdrüft, oder ſo— gar der Redeton (declamatoriſche Nachdruk) verfehlt würde, mögen von taufend und abermal taufend Beifpielen nur folgende zwei be> weifen: Sukiennica (ſaukenice, die Tuchmaderin, Tuchhändfe- rin). Diefes Wort, deflen Stammfylbe unbeftritten die erite iſt, fheint im Böhmifchen eine richtigere Betonung zu haben, Die erite verdient .ganz befonders hervorgehoben zu werden, wird aber im Polnischen ganz vernachläſſigt, und dafür die unbedeutende Sylbe ni gedehnt, woraus nad) Umftänten des Redeſinnes leicht ein Miß— veritand entſtehen kann. Nach der polnischen Betonungsart könnte 478 man das Wort sukiennica für stkien nica (ſuken Gen. Pur. rub, V’envers, die unrechte (Abichte) Eeite der Tücher) nehmen. Jak sie masz? (GaF fe maͤs? Wie haft Cbefindeft) du dich ?) Ungeſäumt muß der Verftand den Redeton in, dem erften diefer drei ſlawiſchen Wörter finden, denn um das Wie ift e8 hier dem Fragenden zu thun. Die böhmiſche Sprache betont auch wirf- lih dad gak (wie) recht bervorftechend, und zieht das dritte Wort mas, als auch nicht unwefentlih, etwas länger ald das zweite Wort fee Allein im Polnifhen wird gerade das zweite Wort, blos weil es eine Penuftime bildet, gedehnt, welches deelamatorifch be: trachtet, ziemlich drollig Flingt. Wie würde man den Deutſchen anftaunen oder belachen, wenn er in der Frage: „Wie befindeft du Dich?“ das dich fo emphatifch hervorheben möchte, wie man es m Polniſchen bei diefer Frage, befonders von Geziertſprechern bört? (7) ZZ Z—————— (7) Um diefe hier (wie auch in überaus vielen Fallen) ſinnwi⸗ drige Accentuation) nicht nachahmen zu müſſen, und ſich doch nicht gegen die unduldſame Uſurpatorin Mode aufzuleh— nen, geben wiſſenſchaftlich Reflectirende dieſe Redensart lie— ber im Frequentaͤtiv, und fragen : „Jak sie miewasz ?‘ (fprih mewas). „Oak fe mjwäs?"“ Wie pflegft du dich au haben, zu befinden? 479 VI. Nekrolog. Franz Graf von Sternberg-Manderſcheid— EREEN ET Den 8. April 1850, am Gründonnerftage früh Morgens, verfchied nach einem Furzen Krankenlager in Prag der ers lauchte Graf Franz von Sternberg: Manderfcheid, Here auf Zasmuf, Caftalowic, Schuffenried und Weißenau, Commandeur des kaiſ. öfterr. Leopoldordens, k.k. wirk⸗ licher geheimer Rath und Kämmerer, Oberſtlandkämmerer des Königreichs Böhmen, Präſident der Geſellſchaft pa— triotiſcher Kunſtfreunde in Prag, Mitglied der Akademie der vereinigten bildenden Künſte in Wien, Ehrenmitglied der Fön, böhm. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften, Ausſchuß— mitglied und Caſſier der Gefellfhaft des vaterländifchen Muſeums in Böhmen u. f. w. Die lebhafte Bewegung und Iheilnahme, welche dies fer unerwartete Todesfall bei allen Ständen in Prag und Böhmen erregte, fprach laut für die allgemeine ſchmerz— liche Ueberzeugung, daß das Vaterland einen feiner edels ften Söhne, der Hohe Adel feine Zierde, Böhmens wiffens fchaftliche und Kunftvereine eine Eräftige Stüze, die Uns tergebenen einen Freund und Vater, und die Menfchheit überhaupt eine der fhönften Geelen, die je hienieden ges waltet, an ihm verloren hatten. Einem Geſchlechte entfproffen, deffen Ahnen feit ſechs Sahrhunderten in alfen Blättern der böhmiſchen Geſchichte glänzen, erblifte er in Prag am 4. September 1765 zus erſt das Licht der Welt, Sein Vater, Chriftian Graf von Sternberg, Ritter des goldenen Bließes und k. k. ges 450] heimer Nath, Tieß ihm nach der damaligen Seit, durch) franzöfifehe Erzieher in feinem Haufe den erften Unterricht geben. ALS aber nach dem Tode feines Großoheims, des legten vegierenden Grafen von Manderfcheid - Blankenheim im Sahre 1780 feine Mutter Augufte, geborne Gräfin von Manderfcheid, Erbin der Manderfcheidfchen reichsunmit— telbaren und anderer Befizungen über dem Nheine gewor— ben war, und feine Eltern ihren bisherigen Wohnfiz mit Köln am Rheine im Winter, und dem Schloſſe Blanken: ftein im Sommer vertaufchten, genoß der junge Graf dort den Unterricht des den Kölnern durch fein herrliches Muſeum unvergeglichen Canonieus Wallraf. Des feltes nen Mannes Lehre und Beifpiel machte einen tiefen Eins druf auf fein jugendliches Gemüth; er bildete zuerft feinen Sinn für Denkmäler des Alterthums und der ſchönen Kunft, und erwekte in ihm jene Luft zu fammeln, welche den Verewigten bis zu feinem Ende nicht mehr verließ. Sin erften Eifer wurde diefe Tendenz nach allen Richtun— gen thätig. Das böhmifche Mufeum befizt gegenwärtig noch) viele DVerfteinerungen und vulcanifhe Gebilde aus der Eifel, welche er in diefer erften Periode geſammelt hatte. Bis zum Jahre 1787 lebte der Graf in den Rhein— gegenden, unternahm von daher Reifen nah Frankreich und den Niederlanden, und Fieß fich eine Eurze Zeit als Prafticant bei der Regierung in Bonn gebrauden, Aber feit feiner. Vermählung mit der Gräfin Franctöca von Schönborn am 25. September 1787 nahm er feinen blei— benden Wohnfiz wieder in Prag, um fo mehr, als feine mütterlichen Befizungen am Rheine durch den franzöfifchen Kevolutionskrieg bald verloren gingen, und fein Haus, in Solge des Friedens von Amiens, durch einen Reichs— Deputationsfhluß für die erlittenen Verlufte mit den für eularifirten Abteien Schuffenried und Weißenau nur zum Theil entfihädigt wurde. 481 In Böhmen hatte ſich in den lezten Jahren dev Res gierung der Kaiferin Maria Zherefia, und in den erften des Kaifers Joſeph II. ein geiftiger Aufſchwung entwifelt, welcher nicht ohne Einwirkung auf die damals ins geiftige Leoben eingetretene Jugend bleiben Fonnte. In Prag was ren Dobner, Belzel und Dobrowfiy als Eritifchfichtende Gefhichtforfher aufgetreten; durch den Edlen von Born wurden die Naturforfcher geweft, und Dr. Johann Mayer, ein Freund von Born, nahm einen bedeutenden Einfluß auf jedes geiftige Wirken. Bei ihm verfammelten ſich fait täglich zu befiimmten Stunden die meiften nach wiffenfhaftliher Bildung Strebenden jedes Alters. Graf Franz Sternberg, deſſen Durſt nah Willen fich jeden Tag höher äußerte, befuchte, vorzugsweife dieſen Kreis, der ihn in vielfeitige Berührung mit gelehrten Männern brachte. Näher mit dem Umfange der Wiſſenſchaften vertraut, bemerkte der Graf von felbit, Daß ein allgemeines Sam: meln die Kräfte eines Einzelnen überfteige. Er überließ Daher das Naturreich andern jungen Männern, welche aus Sohann Mayers Kreife hervorgingen, einem Thaddäus Hänke, dem nachmaligen Weltumfegler mit Malafpina, einem Jiraſek, Lindaker u. f. w., und befchränfte fich auf Gefchichte und Kunft. Eine Münzfammlung und eine Kupferftihfammlung wurden von ihm angelegt; Anfangs, wie gewöhnlich, nach einem breiteren Maßftabe und viel- leicht noch ohne beftimmten Plan: als er fi) aber in beide Fächer mit unfäglihem Fleiß und mit Beharrlichkeit eins gearbeitet hatte, fo entwikelte fein richtiger Verſtand von felbft ein eigenes Syſtem, um feine Kupferftihfammlung zu einer chronologiſchen Weberficht der Kunſt ſelbſt zu ges falten, und eine, fpecielle böhmifhe Münzfammlung als Beleg zur Gefchichte aufzuftellen. Seinen Bemühungen und feinem Eifer für vaterläns difche Kunft ift es größten Theils zu danken, daß ſich aus Sahrbücher, I. Band. 31 ‘432 der Mitte des böhmifchen Adels im J. 1796 eine Privat: Geſellſchaft patriotifcher Kunftfreunde bildete, welche feit 4800 eine Akademie der bildenden Künfte, und noch früt- ber eine Bildergalerie, zum Beften der Kunftzöglinge, aus ihren Mitteln ftiftete, und bis auf den heutigen Tag erhält. Gleich Anfangs war er felbft im Lande herum ges reist, um die noch etwa verborgenen und vernachläfligten Kunftfchäze der Dunkelheit zu entreißen, und für die Gal- lerie, deren Aufftellung er felbit beforgte, zu gewinnen, Bei den Lebzeiten des älteren eifrigen Kunftfreundes, Gra— fen Franz Anton Nowohradffy von Kolowrat, führte Graf Sternberg als Neferent die Gefchäfte diefes Vereins, und nach deffen Tode im J. 1802 wurde er an feine Stelle als Präfident der Gefelfchaft gewäylt. Was er in folder Stellung durdy 26 Jahre wirkte, wie er die Anftalt unter den fehwierigften Zeitumftänden felbft mit Vorſchüſſen aus feinem Vermögen, nicht allein erhielt, fondern-auch hob und ermweiterte, wie dadurch manches bedeutende Kunft- talent gewekt und gebildet, und veredelter Kunftfinn im Daterlande verbreitet wurde, wird noch der fpäten Nach— welt in dankbarem Andenken bleiben. Er war Fein bloßer Liebhaber und Befchüzer , fondern auch ein tiefer und gründlicher Kenner der Kunftz fein Urtheil, durch umfaß fendes Studium und viele Anfchauung gereift, war den— noch ſtets fo befcheiden als richtig und treffend; unbeſto— chen durch falfehen Schimmer jeder Art, erfannte er das wahre Schöne in allen Formen, und erfreute fich daran noch in feinen legten Jahren mit der ganzen Innigkeit und Gluth eines begeifterten Sünglings. Einen Schaz von Lehren zur Bildung, Warnung und Gelbftverftändigung des Künftlers enthält die Sammlung von Neden, wel: che er an die afademifchen Zöglinge bei Gelegenheit der Preisvertheilung feit 1804 jährlich zu halten pflegte; fie find Zeugen, nicht allein feiner gründlichen Einfiht in das praktifche Kunſtſtudium, fondern auch der hohen Meinung, 435 die er von der Würde der Kunft und dem Berufe des Künftlers hegte. Schon im J. 1796 wurde der Graf, als vorzüglicher Münzkenner, von der kön. böhm. Gefellfchaft der Wilfen- fchaften mit einem Diplom ald Ehrenmitglied beehrt, nache dem er der Gefellfchaft über zwei ftrittige alte Münzen eine befriedigende Aeußerung übergeben hatte, Er be fuchte jedoch) ihre Sizungen wie ein ordentliches Mitglied der hiſtoriſchen Elaffe, führte die Caſſe der Gefellfchaft mit der pünetlichiten Sorgfalt, und wirkte thätig mit in allen Unternehmungen derfelben. Eine gleiche Thätigkeit wandte er dem ſeit 1818 geftifteten vaterländifchen Mu: feum zu. Er nahm Einfluß auf alle Gefchäfte von der ers ften Entftehung diefes Inſtituts bis zu feinem Tode, be— veicherte es überdies mit manchem Schaze aus feinen Sammlungen, bis er ihm endlich auch den größten und geliebteften, den er befaß, ganz zum Gefchenke machte. Graf Sternberg war ein Patriot, im Achten Sinne des Wortes. Bei allen den Vereinen und Anftalten, des ren Menge und Wirkfamkeit dem Vaterlande eben fo zum Nuzen als zur Ehre gereicht, war er ein wirfendes Mit— glied, nicht blos dem Namen, fondern der Sache nad) z jeder Oftentation und allen hochfahrenden Entwürfen feind, bot er gleichwohl überall die Hand, wo eine das Gemein wohl, die Kunft und Wiſſenſchaft fördernde Idee ins Werk zu fezen wars Des Landes Flor und feines Volkes Ruhm waren ihm wichtige Angelegenheiten des Herzens, und ließen fein Streben nie erfalten. Obgleich er aus Liebe zur Häuslichkeit und zu wiſ— ſenſchaftlicher Befhäftigung den Hof- und Staatsdienft mied, und fid nur außerordentlich und zeitweilig zu bes ſonderen Sendungen gebrauchen ließ, fo wurde feine pas triotifche Wirffamkeit von feinen Monarchen doc huldvoll anerkannt und mit Auszeichnungen belohnt. Von Kaifer Joſeph IL, der während feiner Regierung nicht mehr als 51 Er 484 vier Kammerherren ernannte, erhielt er den KRammerherrn: ſchlüſſel; von Sr. Maj. dem regierenden Kaifer Franz I. wurde ihm das Commandenrfreuz des k. öſterr. Leopold— Ordens und die Geheimenrathe » Würde verliehen; im J. 1824 wurde er zum Dberftlandfämmerer des Königreichs Böhmen ernannt. Auch genoß er das volle Vertrauen fämmtlicher Behörden im Lande, welche ihm nach und nad) 17 Suratelen übergeben hatten. Dagegen war fein Verhältniß als Befizer von Schuffenried und Weißenau, durch Zeit und Umjtände, die Quelle mannigfacher Unan— nehmlichkeiten für ihn, felbft noch Eurz vor feinem Tode. Sn feinem Privatleben war er anſpruchlos, gaft freundlich, wegen feiner Nedlichkeit und Herzensgüte von allen Ständen geehrt und geliebt. Als treuer Gatte und Viebevoller Vater entfernte er fich flets nur ungern und auf fo Furze Seit ald möglich von dem Kreife feiner Fa— milie. Gein Haus war viele Jahre lang der Verſamm— lungsort der durch Geift und Bildung fich Augszeichnenden unter dem höheren Adel in Böhmen, und der Umgang mit wiffenfchaftlich gebildeten Männern aus allen Stän— den war ihn Bedürfnif. Sn vertrauteren freundſchaftli— chen Verhältniffen lebte er insbefondere mit dem ehemali— gen Oberjtburggrafen in Böhmen, Grafen Nottenhan, dem Fürften Anton Sfidor von Lobfowiz, dem Abbe Gruber, dem Afademiedirector Bergler, dem als Arzt und Kunft: liebyaber gefchäzten Dr. Ambrozi (der ihn im J. 18414 von einer gefährlichen Krankheit Yeilte, und den lange hernach noch geſchwächten Geift durch) feinen Umgang und durch allmählige Befchäftigung mit Kunftgegenitänden wies der zu wefen wußte), mit dem geiftreichen großen Münze kenner Prof. Mader, und in den lezten zwanzig Jahren vorzüglich mit dem unvergleichlichen Dobrowffy, und dem geiſt- und blutverwandten Grafen Kafpar von Sternberg. Er Hatte den Schmerz, alle diefe Männer vor fi) ins Grab feigen zu fehen, mit nur Ausnahme des Leztern, des 485 ehrwürdigen Veterans der böhmifchen Naturforfcher, den der Himmel unferen wiffenfchaftlichen Vereinen und Anz jtalten lange noch erhalten möge! Seine Vorliebe für die Studien vaterländifcher Ge- ſchichte, welche ihn felbft zu wieljährigen fleifigen For: ſchungen in den böhmifchen Archiven veranlaßt hatte, ver: gönnte auch mir feit 1824 das Glük feines höchft lehrrei— hen und anziehenden Umgangs, und ich erhielt dadurch häufige Gelegenheit, feine geiftreichen, treffenden, auf ein gründliches Quellenftudium geſtüzten und durch helle ‚ Einfiht in das Völkerleben geläuterten Urtheile und Anz fiyten nicht nur zu bewundern, fondern auch zur Berich- tigung meiner eigenen anzuwenden. Immer blieben jedoch die bildenden Künfte und das böhmifhe Münzwefen die eigentlichen Lichtpuncte feines wiffenfchaftlichen Strebens. Sein diesfälliger Nachlaß iſt der fprechendfte Beweis des Eifers und der Beharrs lichkeit, womit er diefe Zwefe verfolgte. Außer der ans tiken fizenden Statue des Sokrates, mit dem Giftbecher in der Hand (einſt in der Villa Giuftfiniani), der Drigi- nalffizze der in der Münchner Gallerie befindlichen heil. Samilie von Raphael, — einer Neliquie aus Kaifer Nu: dolfs II. Kunſtkammer, — und mehreren Gemälden von hohem Werthe in der Prager Gallerie, hinterließ ev eine mohlgeorönete Sammlung von 72,000 Kupferflichen, in einer lehrreichen Neipenfolge, von den erſten Verfuchen der Holzfchnitte bis auf unfere Zeit herab; auf der Rük— feite der Blätter find, fo weit fie befannt waren, die Werke angeführt, worin fie befchrieben werden. Die von ihm angelegte Bibliothek von ‚mehr als 10,000 Bänden, ente halt nebft einigen feltenen Handfchriften und Incunabeln in verfchiedenen Sprachen, die wichtigften numismatifchen und artiftifhen Werke des Auslands. Geine griechifche und römische Münzfammlung hatte einft Eckhel ſelbſt für fein clafifches Werk mit Vortheil und Dank benüzt; die —— * 486 böhmiſche aber hat an Reichthum und Vollſtändigkeit ihres Gleichen bei weitem nicht, und zählt viele Hunderte von koſtbaren Münzen, welche außerhalb dieſes Cabinettes gar nicht bekannt ſind. Welcher Anſtrengung und welches Glücks es bedurfte, um eine ſolche Sammlung zu Stande zu bringen, darüber geben dieſe Jahrbücher des böhmiſchen Muſeums (1850, N. Heft, ©. 212 und 222) nähere Auskunft. Die in diefen Jahre, aus Anlaß feines fünf zigjährigen Sammlerjubiläums an dad Mufeum gemachte Schenkung diefes berühmten unfchäzbaren Cabinettes, war des Grafen patriotifcher Schwanengefang. Bon der Natur mit einem gefunden Körper ausge: ftattet, den er durch angemefjene Uebungen und durd) die Liebhaberei der Jagd noch abzuhärten gewußt, durfte der Graf bei feiner ruhigen und mäßigen Lebensweife einem hohen Alter entgegenfehen: aber ein häufig wiederfehrene der und, wie gewöhnlich, zu gering geachteter Katarıh wurde endlich in feinen Folgen fo heftig, daß er aller arztlichen Hilfe trozte, und der irdifchen Laufbahn des großen Mannes ein allzufchnelleds Ende machte. Sein Leichnam ward in der Familiengruft zu Zafmuf, an der Seite feiner unvergeßlichen, ihm im J. 1825 voranger gangenen Gemahlin beigefezt; unzählige Ihränen folgten dem Theuren ing Grab. Pinfel und. Grabftichel hatten ſich oft bemüht, die Gefichtszüge des Grafen auf Leinwand, Elfenbein, Glas, Stein und Kupfer feftzuhalten, jedoch, fo viel uns bes kannt ift, ftets mit unvollfommenem Erfolg. Es lag in der äußern Bildung feines Kopfes, in dem antiken Profil feines Gefihtes, und in dem zugleich milden und fenrigen ' Auge fo viel Adel, Geift und Seele, daß fein Portrait eine lohnende Aufgabe für einen großen Künftler geweſen wäre: er aber mochte Denjenigen, die fich an diefe Auf: gabe machten, felbft nicht figen. Mit Verlangen fteht man nun der Büſte entgegen , welche der talentvolle 3 u Zi — 487 Prachner nad einer Originalgypsform zu liefern unter: nommen bat. Der Wunſch, etwas Vollftändiges zu leiften, und eine zu große Befcheidenheit hielten den Geligen ab, als Schriftfteller aufzutreten. Sm Druf befizen wir von ihm, außer den bereits erwähnten jährlichen Neden von 1804 bis 4841, und A813 bis 1828, nur noch zwei Auffäze in den Verhandlungen der Eönigl. böhmischen Gefellfchaft der Wiffenfhaften vom 5. 1796 und 1825, und einen in der Monatfchrift der Gejellfchaft des vaterländifhen Muſeums vom Sahre 1828 (September, ©. 228), alle drei numis- matifhen Inhalts. Um fo größer ift fein handjchriftlicher dachlaß von hiftorifchen und Eritifchen Bemerkungen über die gefammte Gefhichte des Münzwefens und der fchönen Kunft in Böhmen. Es ift dies ein in feiner Art einziger Schaz, deilen Schenkung an das vaterländifhe Mufeum den Werth des Mimnzcabinettes erhöht, und der dafeldft als Fiterärifches Denkmal eines großen Patrioten mit Achtung bewahrt werden wird, Franz Palacky 483 VII. Aphorismen über Kunſt und Künſtlerberuf. Aus den Reden des Grafen Franz von Sternberg- Manderfcheid gefammelt *). —r0r0L0 1. Mon den eriten helleren Eindrüfen des Schönen auf die Geele, bis zur wärmften Anbetung der Wahrheit, bis zum Hochgefühle der Größe, gibt e8 Feinen Sprung mehr; eine Folge verwandter Empfindungen, die aus immer licht: volleven Anfichten hervorgehen, führen, den Geift allmäh- lig veredelnd, mit fihern Schritten zu dem erhabenen Ziele,. (A810, 13. San.) 2: Dei dem geiftigen Eigenthum finden wir in dem Er: rungenen einen geficherten Befiz, während das Angeborne für einen erft zu rechtfertigenden Anfpruch git. Sa, das jtille, feite, ftete Fortfchreiten erhebt uns zu größern Er— warfungen, als der glänzendfte Schimmer einer genialis fhen Erſcheinung; denn felbft im hohen Fluge bedarf es zur Ausdauer nicht der Kraft allein, fondern des geüb- *) Da eine vollfiändige Sammlung der im vorangehenden Ne— Erolog erwähnten Reden des Grafen an die afademifchen Schüler jest ſchon felten, und ihr Inhalt auch für ein grö— ßeres Publikum anziefend Pyn dürfte, fo laſſen wir hier eine planlofe Auswahl von Stellen aus derfelben folgen, die den Werth des Ganzen von ſelbſt beftimmen werden. 489 ten Fittigs, und des erlernten, angewohnten Schwungs. 67 Die Kunft verlangt, daß, Mas die Seele richtig empfunden, im fichtlich fchöner Form erfcheine. Sie dul- det Fein langes Verweilen bei der Betrachtung und dem Worte. ie fordert die vege Hand, das überlegt unter— nommene, mit Muth und Liebe vollendete Werf, Gie will, unter Mühe und Genuß, ein raftlofes Streben nad) der nie zu erreichenden Vollkommenheit; alle Zweke, die ſich mit einer unrühmlichen Genügfamfeit vertragen, bleis ben ihr ewig fremd, Dies iftihr Dienft, dies ift zugleich ihr Lohn. (Daf.) 4. Die Künſte hat man, noch in der neueſten Zeit, den Lurus einer glüklichen Civiliſation genannt. Go wohl Eingend diefer Saz tft, fo paflend der Ausdruf gefunden werden mag, wenn von dem fo felten erreichten Stande ihrer glänzenditen Blüthe die Rede ift, fo gefährlich iſt auch der Mifverftand, zu dem damit Anlaß gegeben wer— den kann, befonders für jene, denen die zarte Pflege der Kunft empfohlen, oder ihre Dienſt zum Bedinfniß, wie zur Pflicht, geworden ift. Aus Begriffen diefer Art ent ſteht gar bald der Wahn, daß e8 entbehrlich, ja fogar nihtswürdig fey, jenes Treiben, das vermeintlich nur dein ſchwelgenden Ueberfluß und der weichlichen Ueppig- Feit fröhnt. Dann tritt eine Ealte, haushälteriſche Klug— heit auf, beFleidet mit dem Anfehen der Moral, und warnt, und mahnt ab von dem Streben nad) eitlem, er= träumten Ruhme, weil fie doch jede Mühe tadeln muß, deren Nuzen nicht fühlbar, nicht einmal erwiefen, deren Lohn nicht zu berechnen ift. (1818, 18. Febr.) 5 Die im Menfchen erwachende Liebe zur Kunft halten wir für das untrüglihe Merkmal feiner innern Beredlung. 490 In der Neife des, mit Fertigkeit, Kenntniß, Gefchmaf, Kraft und Würde begabten Talents, bewundern wir eine wahre. Größe, verehren wir eine göttliche Weihe. Wie wohlthuend ein warmes Kunftgefühl den Geift erhebt, wie es das fchönere Leben bildet und deffen Werth erhöht, dariiber befriedigt und eine Heberzeugung, die Sie ſchon mit uns theilen, meine Herren, die fih Ihnen aber mit jeglichem Gedeihen noch Dogg aufdringen wird. (Daf.) In der Menfchenwelt, 2. weiten Neiche der ver⸗ worrenen Begriffe, in dem ſich Jedermann umhertreibt, in dem folglich auch der Künfkler feinen Standort zu fuchen beftimmt ift, maßt ſich bekanntlich, immer Geftalt wech— felnd, Doc) ftets mit offener oder verlarvter Tyrannei, ein conventionnelles Ding, Einfluß in Sitte und Geſchmak an. Sm Kleinen wirfend, nennt es fih Mode, mit Grds ßerem fich befaffend, tritt es ſtolz als Zeitgeift auf. Laſ— fen Sie fi) davor warnen; es ift die Herrfchaft des Leicht: finns und der Laune. Der wahre Kunftmann, dem neben Tugend und Weisheit, aud Schönheit ein hohes Weſen ift, ewig wie die Seele, unveränderlich wie die Natur, der ed angehört, erträgt nicht ihr Joch. Es ift unter feinee Würde, ihrem unfteten Willen zu feöhnen, und ihre flüchtige Gunft zu erfchleihen; es iſt ihr Lautefter Beifall ihm ungenügend. (1819, 10. März.) 7. So wie der Kunſt jede Form angehört, ſo kann ſie, der Natur getreu, auch jedes Gefühl zu ihren Zweken ſich aneignen, nur unedle Regungen dürfen fie nicht herabwür⸗— digen, und träger Unmuth darf nie denjenigen fefleln, der ſich in ihre Schule aufnehmen Yaffen, die heil fehen, wahr auffaffen und würdig darftellen lehrt. Wo Auge, Hand und Sinn fi) vereinigen müffen, um Schönes zu ſchaf— fen, da muß der Entwiklung der Fähigkeit, der geiſtigen Ausbildung, die nöthige Zeit gegönnt werden, da gilt 491 voreilige Anmaſſung ſo wenig, als voreilige Forderung, da führt allein der unverdroſſene Fleiß, bei Beharrlichkeit und Geduld, zur Befriedigung — ſelbſt des beſchränkteſten Ehrgeizes. Den man vor Abwegen warnen will, den weiſ't man auf den betretenen Weg; eben ſo wird Ihnen das Be— kannte, das Erprobte empfohlen. Sehen Sie mit unver— wandtem Blike auf den nächſten Zwek hin, wenn Sie einen höheren erreichen wollen. Es find keine Ruhepläze, die man Ihnen behagfich einzunehmen anräth; es find Standpuncte, nicht zum Stilfftande bequem, wohl aber zur Umficht nothwendig, um ficherer und Fürzer hinanzufteigen. So, meine Herren, verhält es ſich in jeder Kunde, mit dem Fortfchreiten des Unbefangenen, des aufrichtig Befliffenen. Im wachen Leben werden nicht die Wunder des Traumes verwirklicht, in dem man auf Flügeln über Klüfte fezt, mit leichtem Sprunge ſich auf den Gipfel ſchwingt, ohne Schwindel von Zinne auf Zinne hüpft. (1821, 17. April.) 8 Erfahrung, däucht uns, iftes, lang bewährte Er— fahrung, die im unferer Kunit den Gang des Unterrichts eingeführt hat, und wefentliche Abweichungen davon nur als feltene Ausnahme zuläßt. Und in der That, die ein— fahe Vorbereitung, die Folge der Uebungen, die Wahl der Mufter, was nach und nach zum geläufigen Griffe werden fol, welche Fertigkeiten zu erlangen find, ehe es vathfam wird, fich der Eingebung eigener Phantafte zu überlaffen, — ift ſchärfer und gründlicher überdacht worden, als es Jene wiffen mögen, die über die Feffel trauern, in die man, im altväterifch angelegten, fteif geregelten Anz ftalten das Genie einengt. (1822, 17. April.) 9, Die Zeiten, die man die Epochen des Flors der Künfte zu nennen pflegt, werden, felbft wenn man fie mit 492 Eifer und Nachdruf herbeizuführen wähnt, nicht aller Orten oft erlebt. Vergebens iſt hier die Forderung, daß das, was mit Einfiht getrieben, vollkommen gelingen, was nach der Regel angebaut, zur beftimmten Nerndtezeit rei— fen müſſe. Unfer Himmel, meine Herren, hat feine eis genen Launen, und auch unfre Sonne ihre Fleken. Sollte man aber darum fi) ſcheuen, Herrliches zu pflegen, weil es feltener und ohne Geräufch lohnt? Nein! Es bleibt mächtiges Gefez für jeden Stamm, der auf Bildung Anfpruch macht, die Künfte zu ehren. Wie Ge: werbe der Nahrung, nüzlihe Kenntniffe und Wiſſenſchaf— ten dem Wohlftand und dem Ruhme, fo gehören vorzüge lic) Tugend und Kunft dem Adel eines Volfes an: aber diefe gründen nicht auf Fülle und Glanz, fondern auf Würde ihren Stolz; fie behaupten ihn auch da, wo fie nicht Bewunderung erregt, manchmal nur Troft ffatt Lob, Balſam ftatt Palmen gewonnen haben. (1825, 14. April.) 40. Eines können wir nicht umhin, Ihnen, meine Herz ven, mit Nachdruf zu wiederholen: daß die, gleichwohl hoch zu achtenden Auszeichnungen, die Sie hier erringen, Ihnen nicht als Lohn, noch als Lob gelten; daß der ei= gentlihe Werth, den Sie darin finden follen, in dem Winfe liege, in der Hindeutung auf das Gute, das von Ihnen, es fey auf verfchiedenen Wegen, es fey mit un— gleichem Streben gefucht, durch die Billigung Ihrer ges Iungenern Verſuche anfhaulicher wird; — und wie wäre ed, wenn auch aufregender Troft in dem Erfaze läge, den ein mit Wohlwollen und Ruhe, nah Grund und Negel gefällter Spruch gewährt, für fo viele Urtheile, die vers worren und fich widerfprechend um Sie ertönen, aus des nen fogar manchmal Vorliebe und Abneigung, nicht felten Defangenheit oder Unkenntniß und Schiefheit hervorz leuchten? 495 Lauffen wir jedoch bier feinem Mißverſtande Raum. Wir wollen nmeigennüzig für Ste vorbauen, meine Herren, wir befcheiden uns gern, daß Ihren Leiftungen nicht allzeit unſer Maßſtab angelegt werde. So lange Sie vorzüglich uns angehören, weichen wie nicht von der Pflicht, im allem, was von uns über Gie ergeht, den Ernft des Rich— ters mit Wahrheit und Schonung zu vereinen. Nach und nach überliefern wir Sie aber dem mweitern Kreife, der Shre Welt wird. Gefez und Noth erheifchen, daß Sie diefer gefallen, — doch nie auf Koften Ihres gereiften Verſtandes, Shres beffern Gefühle. Lernen Gie bei Zei: ten Necht und Unrecht ertragen. Dann erft, wenn Gie auf noch fo hoher Stufe ftehen, ift es Ihr unausweichlis ches Loos felbft den Vebertreibungen von Bewunderung und Tadel zu begegnen; erleuchten Sie daher Ihr Künſt— lergewiffen, werden Sie gerecht in Ihrem Schaffen und reiben, feit in Shrem Glauben, um den Ertremen von Uebermuch und Entfinkfen der Kraft, dem gleich ſchädli— hen Mittelding von Zweifel, ficherer zu entgehen. (1824. 5. Mai.) 411. Die Kunſt, im jeder Forderung über das Gemeine erhaben, verlangt vor Allem einen reinen Beruf, einem ungetheilten Sinn. So frei die Wahl des Kunftbefliffes nen war, fo raftlos muß fein Hinanftreben feyn, fo uns verrükt fein Blik an dem Ziele hängen. Es bieten ſich ihm äußere Mittel fattfam dar: Rath und Lehre, Mufter und Beifpiel. Auch innere Hülfen müffen mitwirken: Ems pfänglichfeit und Vertrauen, Liebe und Fleiß. Zreibt ihn noch ein befcheidener Ehrgeiz, ein alles befiegender Wille an, fo entwifelt fich die Kraft in ihm; er erreicht die lichtvollen Höhen, er lebt im Gebiete des Schönen. So mögen daher Talent mit Bemühung, natürliches Vermögen mit erlerntem Wiffen, angeborene mit angeübs ter Fertigkeit fi) vereinen, um den Künftler zu vollenden. 494 Einen folhen Weg muß der Geift gehen, der fich zum Heren des Werks bilden will; man glaube ja nicht, daß er ihr im Swang der Ketten zurüflegt, weil eine ernſte Leitung ihn zur Erfenntniß zu bringen ftrebt, daß das Band des Gefezes ihm Wohlthat ift. Gar bald, und zu feiner vollen Beruhigung, gelangt er zu diefer Erfahrung, er wird dann frei, ohne vegellos zu feyn. Der eitle Streit über die Frage: Was das Genie hebt, was es feffelt, — mag immerhin diejenigen befchäf: tigen, die die-Kunft nur lieben, oder zu lieben wähnen; die arbeitende, die wirkende Kunftwelt foll ev nicht ent: zweien. Am allerwenigften darf Sie, meine Herren, wenn fie auch um Sie her mit Wichtigkeit befprochen würde, eine fo müßige Controvers in Ihrem Fortgang fldren; fie würde Ihnen, ohne Nuzen, unwiderbringliche Stun— den rauben. Gleichviel nad welchem Erziehungsplane das Kind zum tüchtigen Manne, der Lehrling zum wafern Meifter heranwächsſt. Der fich willig zum Guten anleiten läßt, wird am fiherften Gutes Teiften. (1825, 34. Mai.) 42. | Bei der öffentlichen Aufnahme in der Kunftwelt, mo ed Noth und Drang wird, im Gebrauche des in den Lehr: jahren erworbenen Vermögens, die erften freien Verfuche zu wagen, müffen unumgänglich im Sunern des, obgleich vorfichtig , dennoch mit warmer Empfindung auf den Schauplaz Auftretenden, verſchiedene Gefühle ftreitenz und es ift Fein Glük für ihn, wenn diefer Kampf leicht entfchieden ift, wenn die ſchnell erfaßte, obfiegende Idee ihm eine Richtung gibt, die zum feiten Charakter wird, ehe ed ihm möglich war, in der großen Schule der Erfah: rung fih umzufehen, und in derfelben Winfe wahrzuneh: men und Rath zu benüzen. Wir geftehen es, dem Aufän— ger in der Meiiterfchaft — denn als folchen begrüßen wir den Ausgezeichneten in der Lehre, — möge in Dem ver hängnigvollen Augenblife fehwer fallen, das wahre Maß 495 der Befcheidenheit zu treffen, und wir finden um fo mich. tiger, ihm ernftlich zu empfehlen, den Eindruf, den in ihm eigenes und fremdes Urtheil über feine jugendlichen Leiftungen hervorbringen, zu prüfen, um Täuſchungen zu entgehen, und bei Zeiten Störungen zu befeitigen, die feine Fortfchritte hemmen könnten. Wielleicht hängt nur von diefer Erforfchung, vielmehr von der Aufrichtigkeit, mit der er fie anftellt, feine Fünftige Ruhe ab, und jene Unbefangenheit, ohne welche man wohl hie und da Wohk- gefallen erregen, aber zulezt fich felbit nicht genügen Fann. Wie gemein ift nicht, bei denjenigen, die Eigen- dünfel zum Hafıhen nach Beifallsbezeigungen antreibt, der Mißgriff, ein ermunterndes Wort für Billigung, ein Zeichen der Zufriedenheit für unbedingtes Lob, fogar die Anerkennung einzelner Vorzüge für hohe Bewunderung zur halten! — Dem wir wohl wollen, den warnen wir vor fo falfhem Genuße, und der Kunft, die wir verehren, wollten wir nicht Anhänger zugeführt haben, die ihr mit fo getheilter Treue huldigten. Lieben Sie fie denn, meine Herren, ihrer Schönheit, ihrer Würde wegen. Erfreuen Sie ſich in dem Glanze, der von ihr auf ie herabitrahlt. (1826, 20. Mai.) 43. Soll fih der Künftler dem Einfluße feiner Zeit hins geben, oder foll er gegen ihre Forderungen ankämpfen, fie zit bemeiftern ſtreben? — Wenn das Erfte unbedingt gefihieht, und mit Entfagung auf eigene Einficht, fo ift ed unwürdig. Wenn man das Zweite wagt mit ſtolzem Vertrauen auf eigene Kraft, fo dürfte man es eitle Ver: meffenheit nennen. Das bereits bis zur Erbitterung gejteigerte Intereſſe für diefe Streitfrage, die auch Ihnen, meine Herren, nicht mehr fremd fenn kann, ſcheint uns aus falfchen Vor— ausfezungen zu entipringen ; denn die Zeit ift wirklid) nicht fo defpotifh , als fie zu ſeyn befchuldigt wird, ‚496 wenn auch manchmal gegen Nachgiebige anmaffend; bin: gegen kann auch nicht das einzelne Genie, eben fo wenig der Bund von Einigen, fie nach Wohlgefallen bilden, Ihr Strom wälzt ih unaufhaltſam fort; der Gewandte, der fih in die Wellen wirft, hemmt Feineswegs feinen Lauf, die Zluth treibt ihn aber auch nicht wider feinen Willen, er verfteht 3 ald guter Schwimmer, in allen Richtungen kühn durchzudringen. Indeſſen, wenn man den Gang der höheren Kunſt urkundlich verfolgt, fo läßt fi eine Art von Abhängigs feit derfelben vom ‚Charakter der Zeit im Allgemeinen nicht durchaus verfennen, Gleich bei ihrer Wiedergeburt zeigt fih die Kunſt fleif, dürftig und kindiſch. Hernach wird fie fromm und feft, doch noch unbeholfen. Es währt nicht gar lang, und wir werden überrafcht durch den er— freulichiten Uebergang in das Einfache, Gemüthliche und Schöne. Das Alter der männlichften Kraft tritt ein. Die Größe verirrt fi) aber nur zu bald in Prunk und ges räuſchvolle Pracht. Diefe führen das Gezierte herbei. Endlich wird die Manier fo platt und bedeutungslos, daß die demüthigende Entartung Efel erregt, und die tief Ger fallenen zu dem Wunfche zwingt, einen älteren Zuftand wieder hervor zu rufen. Da offenbart fich denn bei Manchen die Verlegenheit in der Wahl der erreichbaren Mufterepoche, während Anz dere wähnen, ihre Weisheit habe alles durchforfeht und erwogen, den Grund des Uebels aufgedeft, die Jahrhun— derte gerichtet, und fie feyen, einmal damit im Reis nen, jezt erſt im Stande jeden Vorzug fi) anzueignen, und mit allen zugleich geſchmükt, imponivend aufzutreten. (1827, 2. uni.) 44. Geborene Talente habe fih zu allen Zeiten. dur) treues Wollen, Fleiß und Geſchmak zu ehrenvollem Rang erhoben; felbft die minder Glüklichen unter ihnen haben 497 der Kunftwelt noch Genuß, nie Nerger bereitet. Durch beharrlichen Fleiß wird Fertigkeit erworben, die Fähig- feit erhöht, QTüchtigkeit erreicht. Der ächte Geſchmak ift Sache des Gemüths; denn die unerläßlichen Bedinguns gen der Schönheit in einem Kutitwerke = Wahrheit, Schiklichkeit, Harmonie, Anmuth und Würde, erfordern die Wirkungen des geraden Sinnes und des reinen Ge— fühls einer fhönen Seele. Auf diefem Wege find vor uns und neben und Männer groß geworden, ohne mit ihrem Zeitalter zu rechten. Sie brauchten nicht deffen Herrichaft anzuerkennen, nicht deifen Macht zu laugnen. (Daf.) 45. Unter dev zahllofen Menge, die fih an Kunſt ergözt, und mie Muße darüber denkt und fpricht, herrſchen die verfchtedenften Meinungen , manche ſich mwiderfprechende Begriffe, über das Wirken der Kunft, ihren Nuzen, ihre Wichtigfeit, ihre Wefen, Ihnen, meine Herren, ziemt inzfolder Angelegenheit Fein Zweifel; es ift Ihnen nicht mehr erlaubt, ja nicht mehr möglich, die Wirde der Kunft zu verkennen. Ihnen wäre es gleich unverzeihlich, fie, ent: weder als eitlen Zeitvertreib, oder als gemeines Gewerbe ausüben zu wollen. Indem Sie ſich ihr init Bewußtſeyn mweihten, haben Sie fi) ohne Rükhalt ihrem Ruhme hinz gegeben ; wie groß auch die Forderungen feyen, Gie has ben verfprocyen, fie zu erfüllen. Es gibt zwar Feine Ge— währleiftung für die Vergeltung, die Ihnen für fo ange— firengte Mühe werden fol, allein Sie, meine Herren, eifert ein fchöner Ehrgeiz an; ohne alle Bürgfchaft fharren Sie in der edlen Anftrengung aus, die Höhen zu errei⸗ hen, wo man einen reinen Himmel und heitere Fernen gewinnt, und verlaffen auf immer den bef chränkteniStand- punct, den felten ein lichter Schein erhellt, und nie eins lachende Ausficht erfreut. (3. Juni 1828.) Jabrbücher. J. Land, 32 498 VII. Göthe's Stimme über die böhmifche Literatur, — ** * ** Der allverehrte Veteran der deutſchen Literatur, J. W. v. Göthe, hat im Laufe dieſes Jahres eine ausführliche Recenſion des erſten Jahrgangs unſerer „Monatſchrift der Geſellſchaft des vaterländiſchen Muſeums in Böhmen“ in die Berliner Jahrbücher für wiſſenſchaftliche Kritik (März, Nro. 58 — 60) einrüken laſſen, und darin Anlaß genom— men, ein reiches und belebtes Gemälde von Böhmens Vorzeit und Gegenwart, materiellem und geiſtigen Inhalt, zu entwerfen. So hocherfreut wir über den Beifall des großen Mannes ſeyn dürfen, und ſo anziehend und beleh— rend zugleich der ganze Aufſaz iſt: ſo geſtatten doch die Verhältniſſe unſeres Blattes nicht, ihn unſern Leſern ganz mitzutheilen. Wir müſſen uns begnügen, darauf hinzuweiſen, und nur einige Stellen anzuführen worin vorzüglich Göthe's Urtheil über die Verhältnirfe und die nothwendige Richtung unferer Nationalliteratur enthalten ift. (Die Nedaction.) Zettfohriften. „Neben der böhmifhen Sprache befteht die deutfche jezt als eine wirkfich einheimifche in Böhmen, und hat im wiffenfhaftlichen und gebildeten Lebenskreife entfehiedenes Uebergewicht. Die meiften Bit cher und Zeitfehriften erfcheinen in ihr. Allein die böh— mifhe Sprache befteht auch ihrerfeits in voller Kraft, und Bücher, Zeitfchriften und Flugblätter für das Volk werden häufig im ihr gedruft, Beide Sprachen vereini— gend und vermittelnd, indem fie Eine derfelben verab- 499 fäumt, wirkt die Gefellfchaft des vaterländifhen Muſeums befonders auch durch ihre beiden Zeitfehriften ein, von denen wir die deutſche hier ausführlich in Betracht haben, die böhmifche aber, welche der Lage der Sachen gemäß in minder zahlreichen Heften erjcheint, nad) dem davon mitgetheilten Suhaltsberichte als höchſt bedeutend umd fhäzbar anfprechen müſſen.“ „Die Erhaltung und Belebung einer Literatur, deren Sprache ſich in engeren Gränzen abfchließt, geraume Zeit faft nur dem unteren Volke überlaffen war, und mit einer theilweife eingebürgerten, über große Länder weithin ver: breiteten Staats» und Bildungsfprache zu wetteifern bat, iſt ein gewiß preiswürdiges Bemühen, das eben fo viel Selbftverläugnung als Kraft und Geſchik fordert. Der Reichthum an MittHeilungen aus der Altern böhmifhen Literatur, die ja auch eines claffifchen Zeitalters ſich rüh— men kann, muß freilich jtets die Grundlage folder Bes mühungen feyn. Denkmäler der alten Sprache in Profa und in Verſen, Gefhichtserzählungen, Sammlungen von Sprichwörtern, Briefe, Neifebücher, Heldenlieder und Bolfsgefänge werden mit forgfältigem Fleiße zum Druf befördert. Indeß ſchließen fih an diefen Kern ſchon gez nug neuere Arbeiten an, Gedichte mannigfacher Art, his forifche, kritiſche, und fogar philofophifche Auffäze. Pa— lacky, der die Herausgabe aud) diefer Zeitfchrift beforgt, Dobromffy, Hanka, Ifhelafowffy, Kollar, Sedlatſchek, Swoboda und Andere bilden eine tüch— tige Reihe neuböhmifcher Schriftiteller, auf deren Schul: tern die Fortbildung der nationalen Literatur und Sprache ſchon Hinreihend emporgetragen fcheint, um gegen die Flu— then der Zeit einftweilen gefichert zu ſeyn.“ „Nicht ohne Verwunderung findet man unter den in’s Böhmische verfuchten- Ueberfezungen, nebft einem Auffaz von Franklin und einigen Elegien von Tibull, auch Pins dars erfte olympische Siegshymne aufgezählt, und daß 32* 500 Ieztere ald dem Versmaße der Urfehrift genau entfprechend angegeben ift, darf von dem Reichthum und der Biegfam: feit der böhmifchen Sprade, fo wie von dem Talent des Ueberſezers Machatſchek, eine nicht geringe Vorſtel— lung erweken.“ — Poeſie. „Böhmen hegt in feinem Innern, wie auch die vorliegenden Hefte bezeugen, eine reiche dichterifche Slora, welche fogar, gemäß den eigenthümlich zwiefachen Gefchicht3efementen ihres Bodens in doppeltem Dafeyn, in einem Böhmifchen und einem Deutfchen hervortritt, Bon dem Zufammenleben zweier Sprach= und Dichtungs⸗ fphären gibt und Böhmen jezt ein merfwürdiges Bild, wor: in bei größter Trennung, wie fihon der Gegenfaz vom Deutfchen und Slawifchen ausdrüft, doch zugleich die ftärffte Berbindung erfcheint. Denn, wenn die böhmifchen Dichter, felbft indem fie alten Muftern folgen, nicht um: bin können, durch Sinnesart, Ausdrufsweife und Ge- dichtformen doch auch in heutiger Bildung Deutfche zu ſeyn, fo find hinwieder die deutfchen Dichter in Böhmen, durch entfchiedene Neigung und ftetes Zurükgehen zum Altnationalen, ihrerfeits recht eigentlich böhmifch.“* Unter den leztern ift als hervorragendes Beifpiel bes fonders Karl Egon Ebert zu nennen, ein ſchönes Ta— lent, welches Hauptfächlich böhmifche Stoffe gewählt, und fie in mehrfachen Formen, auch fogar in einem großen Epos, mit Feuer und Leichtigkeit behandelt hat. Auch Anton Müller zeigt eine ſchöne Gabe folche Stoffe ly— riſch zu bearbeiten, und fchon bei früherer Gelegenheit ift feiner Romanzen von Horimir und deffen Roß She mik mit Anerkennung gedacht worden. Von anderer Seite haben wir aus deutfcher Ueberfezung neuere böhmi— ſche Sonette von Kollar kennen gelernt, und da auch deutfche Gedichte von Ebert und Müller über nationale Gegenftände dur‘) Swoboda und Hanka in’s Böhmi— | ; | | 501 fhe übertragen worden, fo kann der Austaufch und die Wechfelfeitigkeit nun nicht weiter gehen.“ „Aus allem diefen aber dürfte das Ergebnif folgen, daß, in Gemäßheit des fchon fetgeftellten Berhältniffes, beiderlei Dichtungszweige, der böhmifche wie der deutfche, ihren wahren Grund und Boden dennoch ftets in dei Altböhmiſchen zu fuchen haben, wo Leben, Sprache und Poefie der Nation noch die eigenfte und. felpftändigfte Geftalt tragen. Böhmen ift reich an Denkmalen diefer Blüthenzeit. Die Eoftbaren Ueberbleibfel feiner alten Liz teratur, nie ganz vergeffen, find in unfern Tagen unver: hofft durch die reichten Entdefungen vermehrt worden. Durch eine bedeutungsvolle Schikung fand gerade in die fer Zeit, wo die Liebe zum vaterländifchen Altertum überall neu erwacht ift, Hr. Bibliothefar Hanka die Kö— niginhofer Handfchrift, eine Sammlung böhmifcher Hel- denlieder ,. die ung auch bereits in deutfcher Weberfezung durch zwei Auflagen bekannt geworden. Die Sammlun: gen jlamifcher und böhmifcher Volkslieder von Tſchela— kowſty, und andere dahin gehörige Mittheilungen ſchlo— fen fih an, und feitdem bereichert fich diefe Literatur von Tag zu Tag, Noch manchen größern Fund diefer Art zu machen, fehlt es nicht an Hoffnung und Ausficht, befon- ders jest, da eine allgemeine Aufregung für diefe Gegen: fände, durch das böhmiſche Mufeum fo Eräftig unterhal— ten wird.“ „So häuft fih denn ein Schaz an, den immerhin, wie wir auch an unfern deutſchen Schäzen ſolcher Art Aehn— lihes fehen, nur ein Eleiner Kreis genauer Fennen und genießen mag, defien Wirkung aber darum nicht weniger allgemein iſt.“ | „Den naturkräftigen und phantaftereichen Charafter des altböhmifhen Lebens aus diefen Quellen, zu denen wir auch Chroniken rechnen müffen, klar und ſtark hervors ſtromen zu Iaffen, und in ihrer auffriichenden Behandlung 502 Die Derbpeit der antifem Motive möglichft beizubehalten, wollen wir den neueren böhmifchen Dichtern, wenn fle dergleichen Stoffe wählen, beftens empfohlen haben, wel⸗ ches nicht ausfchließt, auch einen heutigen, allgemein ans fprehenden Gehalt damit zu verknüpfen.‘ — Debatten. „Auch diefe Rubrik finden wir in dem Schlußverzeihniß , und verbergen unfere Zufriedenheit darüber nicht, daß nur wenige Seiten diefem fraurigen Gefhäft gewidmet find. Wir wollen zwar die wakere Redaction von foldyen Eontroverfen nicht ganz abmahnen, aber fie doch erfuchen, ſich nur höchſt felten dazu aufregen zu laſſen. Ueber wen befehweren fie fi? Weber Durch— reiſende, und wer hat fich über die nicht zu beklagen, — iiber mißwollende Stadt- und Landögenoffen, — diefes Geſchlecht ſtirbt nicht aus; alfo nur im äußerſten, und zwar im feltenen Falle der eigentlichen Berläumdung wür— den wir dergleichen Nügungen räthlich finden, und da auch Fieber den eigentlichen Nichter anrufen, als das Pu— blikum, bei welchem Gleichgültigkeit und vorgefaßte Mei— nung gewöhnlich obwalten und regieren.“ — IX. Literärifhe Anzeige, EEETET LIT ne Casopis spole&nosti wlastenskcho Museum w Cechäch. (Zeitſchrift der Gefellfhaft des vater!, Mufeums in Böhmen.) Jahrgänge 1829 und 1830, zu vier Quartalheften in s. Prag, bei 3» ©, Calve. Diefe Zeitfhrift erfheint feit 1827 ununterbrocden in vier— teljährigen Heften, retigirt von Hrn. Palady, obgleich nad) einem antern Plane als die deutfchen Jahrbücher desfelben Mus ſeums. Shren Inhalt bilten : I. Mittheilungen aus der älteren böhm. Literatur, Unter diefen bemerfen wir zuerft Bruchftüfe aus einer Inter: linear» Berfion des Evangeliums Johannis aus dem f 605 XI. Sahrhunderte, welche der Bivfiothefar des Muſeums Hr. Hanka auf einem alten Bücherdekel gefunden. Sie find das älteſte bis jezt befannte Denkmal des böhmiſchen Schriftweſens; ein fac-simile der Handſchrift liegt dem Hefte (Uus29, II., ©. 33) bei. . Die Aechtheit diefer Bruchftüfe iſt neulich ohne Grund in Zweifel. gejogen worten. Even fo wichtig ift die Mittheilung einer Legende vom beil. Wenzel (ıs30, IV.), welde Hr. Woſtokow in St Petersburg in. einer altſlawiſchen Handſchrift fand, und Hr. Hanka ins Böbhmiſche überſezte; Beide vermutben, dag fie ur: ſprunglich böhmiſch verfaßt gewejen.. Wir werden von dieſer Les gende ein andermal umſtändlicher reten. Zehn alte böhmiſche Briefe (1330, IL, der älteite ift vom 9. 1396) find nit allein durch ihren hiſtoriſchen Subhalt, jonvern auch durch natürliche Kraft der Diction anziehend. Die Auszüge aus den Denfwürdigfeiten des berühm— ten Freiherrn Karl von Jerotin®lıs29, IV., und 1830, 1I.)- geben eine vortheilhafte Idee von der männlichen Beredfamkeit, welche einit bei den öffentlihen Verhandlungen in Böhmen und Mähren herrſchte. Die Bruchſtüke epifher Gedihte aus dem XIV. Sahr- hundert (1s29, III), die Sammfung böhmiſcher Sprich— wörter aus dem XVI. Jahrh. cıs29, IV.), die Denkwür— digfeiten des Ritters Paul Korka von Korfyne (1829, I. und 1830, IV.), das Leben des Fraftigen und biedern Freiherrn Bobuslaw von Schwamberg (1830, II.) u. m. a. begnügen wir uns zu nennen. Wer aber den aleidjzeifi- gen Bericht von dem Einfalle der pafjauer Truppen in Prag 1611- (1830, IV.) mit der Shilderung des Einfalls der Schweden eben daſelbſt 1648 (aus Beckowky's hiftoriihem Nachlaſſe, 1829, I.) vergleichen will, findet reihen Stoff zu ernften Bes trachtungen- darin. : Beide Auffaze bieten neue, interejjante Auf: ſchlüſſe über die beiden, bereits jo oft bejprochenen, Ereignijfe. I. Neue poetiſche Beiträge, Darunter zeichnen fih durch acht poetiſchen Gehalt die von Telakowſky, Kollar und Langer aus, In des Erfteren „Nachhall böhmiſcher Lieder“ (1830, I. und II.) glaubt man das Köftlichfte, was reine Volkspoeſie in böhmiſchem Gewande je bieten konnte, beifanımen zu finden; vergleicht man es mit den - anderweitigen poetifchen Leiftungen des Verfaſſers, insbejondere mit dem „Nachhalle rujifher Lieder,“ fo wird man dem fo viel: feitigen Talente und der tiefen Kenntnig flawifcher Gefangweifen jeine Anerkennung nicht verjagen können. Kollars mit Redt 508 gepriefene „Släwy dcera“ erfcheint bier in gleihem Geifte fort gefezt (1830, 1.); Langers Fabeln (1829, I.) und ſatyriſche Mährchen C1s29, III., IV. und 1830, I.) zeugen von einer glüflihen Anlage, die nur zwefmäßiger Pflege und Uebung bes darf, um ihm einft unter die Ausgezeichneten feines Volkes zu ftellen. Auch Kamaryts und Kamenicky’s Verſuche, ten Ton des böhmiſchen Volksliedes in feiner edlen Weife wiederzu: geben (1830), fheinen ung gelungen. Unter ten dreizehn übri— gen Dichtern, von denen fih noch Beiträge in beiten Sahrgängen finten, nennen wir ten zu früh geftorbenen Joh. Pilnädek, die Fr. Magd. Rettig, ten wafern Ueberſezer Karl Wina- ricky, die Hrn. Chmelenffy, Swoboda, Marefu. a. II. Proſaiſche Aufſäze. Die meiſten ſind vom Redacteur ſelbſt verfaßt. Zwei Auf— ſäze über das alte böhmiſche Kalenderweſen, in Stoff und Form troken; eben ſo wenig für ein größeres Publikum berechnet zwei philoſophiſche Unterſuchungen über das Schöne, iad Komiſche und Tragifche. Anziehender ift die ausführliche Biographie des 3. A. Eomenius (1829, III.), und die zwei ethnographifhen Verſuche über Ungarn (1829, IV.) und Polen (1330, I.) Der erftere, weil er nicht ganz aus Rob zufammengefezt war, veranlaßte einen Mitarbeiter tes Tudomänyos Gyüjtemeny, ald Champion belei: tigter Nationaleitelfeit gegen Hrn. Palacky aufzutreten. In den erften zwei Heften des Jahrgangs 1830 finden wir auch einen unterhaltenden Aufſaz: Correfpondenz gemeiner Leute. So abgenüzt diefes Thema ift, fo ausgezeichnet iſt ed diesmal gelungen. Der Berfafler verftehbt ed, Erzählungen zwekmäßig anzulegen, Sitten uud Charaktere mit kurzen keken Zügen jo zu fhildern, daß man die Leutchen vor ſich leiben und leben fieht. Dies bewährt feinen Beruf zu Höherem in diefem Fade. Die profaifhen Aufſäze von Sungmann, Slama, Swo— boda, Schaffarif und Zahradnjk zeichnen fih vor den übrigen aus, können aber hier nicht näher erwähnt werden. IV. Anzeigen aus der Gegenwart beziehen fich meift auf die neuen Exrfcheinungen in der böhs- mifhen Nationalliteratur, auf Leiftungen der Prager Bühne in der böhmifhen Sprache u. dgl. Auch hier erhebt fih eine von Celakowſty unterzeichnete Necenfion über das neuböhmifche Idyllenweſen durch Gehalt und Form zu dem Range der englifchen Reviewer. 505 X Beriht vom vaterländifhen Muſeum. (Auguſt, September, October 1830.) Materialbeiträge. Für die Mineralien - und Peträfacten-Sammlung: Don Ihrer Exc. der Frau Gräfin Rofa v. Kolomwrat: eine Suite Verfteinerungen aus der Gegend von Mecholup. — Bon tem P. F, Kreishauptmann zu Königgräz, Hrn. Johann Kr— filfa Nitter von Saden: eine Suite Pflanzenabvrüfe aus ten Steinfohlenwerfen von Nachod. — Bon Hrn. Daniel Corda in Prag: eine Partie Verfteinerungen aus der Gegend von Peſth. — Von Hrn, Joſeph Hakel, Profefior der Landwirthſchaft zu Leitmeriz: 2 Schauftüfe von Navelzeolith aus der Gegend von Böhmisch = Leira. — Von Hrn. Wenzel Poban, Pfarradmi: niftrator und bifhöfl. Notar zu Plana: 2 Stüf Eifenerz aus der Gegend von Plana. — Von der k. böhm. Gefellihaft der Wiffenfhaften: 3 verfteinerte Rhinoceroszähne, gefunden bei Drahobus im leitmerizer Kreife. Für die zoologifhe Sammlung: Don Hrn. Grafen Joſeph Noftiz: 2 ausgeftopfte aus» ländifhe Vögel, und ein Capuzinerafe. — Von den Hrn. Brü« dern David und Sobann Knoll zu Karlsbad: ein Exemplar ter Haſelotter, und zwei ausgeftopfte Raubvögel. — Von Hrn. Joſeph Heller, Apotheker zu Iglau: ein Ei der Seeſchlange (50a marina), | Für die Bibliothek: Bon Hrn. Prof. Puſch zu Warſchau, deſſen: „Geognofti- fhe Beſchreibung Polens und der Nordfarpathen* in polniſcher Sprade. Warfhau, 1830. — Bon dem Ehrenmitgliede Grafen Adam Rosciszewſti: das zweite Heft der Abbildungen bes rühmter Polen, das Portrait des Fürften Lubomirſti, das des Cä— ſarowit Alerander, und eins der Fürftin Sfabella Lubomirſka, geb. Cjartoriffa, die „Schriften des FelirBosmanffi* poln.), 3 Bde, „die polniſchen Hlüje‘, ein Gedicht in poln. Sprache von Mareins Powffi. Warſchau, 1826, die Nummern 13 bis 20 der poln. Gar⸗ 505 h tenzeitung, 2 gedrufte Gelegenheitsreden in poln. Sprade, den 2. Band der Zeitfhrift: „Haligganin“, Lemberg, 1330, das erite Heft der Zeitjihrift des Oſſolinſtiſchen Infituts, Lemberg, 1830, die „NRegierungs = Gefhichte Heinrich von Valois, Kö— nigs von Polen, und vie des Stephan Batory“, 2 Bänte, 1808. — Bon Sr. Durchlaucht dem Fürften Heinrich Lubomirffi: 3 Borträte (Kupferfibe). — Don Hrn, Wenzel Halla in Prag: 3 ältere böhmifche Drukſchriften. — Von Hrn. Menzel Nlerander Pohan, Pfarrverwefer zu Plana: mehrere Jahr— gänge der budweiſer Diöceſankataloge, s ältere böhmiſche Druk— ſchriften, und 56 Stük gedrukte Gelegenheitsſchriften. — Von tem wirkenden Mitgliede Hrn. Liboslaw Ziegler, Dechant zu Chrudim: das fünfte Heft feines „Prjtel mlädede“, fein „Zpew ucty a radosti® etc. Chrudim, 1830, dann eine ges drukte böhmifhe Verordnung des Dberamts zu Pardubic. — Bon Hrn. Wenzel Derzel, Kanzelliften zu Liſſa: 2 alte de: fecte Chroniken. — Bon Hrn. Scholz, Caplan zu Liſſa: ein alıes böhmiſches Erbauungsbuh. — Von der Matica srbska, einem Vereine zur Unterſtüzung der ferbifchen Literatur: das 4. bis 20. Heft der ferbifchen Sahrbücher von dem Sabre 1826 bis 1530, in ferbifher Sprade, dann Swatislaw und Milewa, eine Tragötie in ſerbiſcher Sprache. — Von Hrn. Johann Kollar,. erang. Prediger in Peſth: ein Eremplar jeines Werkes „Rozpra- wy o gmenäch, po@ätkäch i starozitnostech närodu Slaw- skeho.* Dfen, 1830. — Bon der philoforhifhen Facultat der Prager Iniverfität: den erften Band des von ihr herausgegebe- nen Werfed: „Monumenta historica universitatis Carolo- Ferlinandeae.‘“ Prag, 1330. — Bon Hrn. Wenzel Pro- hasfa, Schüler der Humanitätsclaffe am Gymnafium zu Piſek: eine alte Drukſchrift. — Don Hrn. Johann Dtt, Profeflor am Gymnaſium zu Piſek: 3 ältere Drukſchriften. — Von dem Ehrenmitgliede Hrn. Peter von Köppen, deſſen: „Veſchreibung ſlawiſcher und ruſſiſcher alten Druke.“‘ Moskau, 1829, in ruſſi— ſcher Sprache. — Bon Hrn. Joſeph Chmela, Profeſſor am Gymnaſium zu Königgräz: einen Fascikel böhmiſcher Gelegenheits— Gedichte. — Von dem Prager fürft=erzbifhöflihen Con— fiforium: das 3. Heft des III. Sahrg. des? „Casopis pro katolicke duchowenstwo,‘* Prag, 1330, und den 2. Theil von „Sw. Augustina o möst& boZjm.“ — Von Hrn. Wenzel Grolmus, Localiften zu Kreſſjn: „Katechismus Antonjna Pe- ira Prichowskcho.“ W Praze, 1762. — Bon der Fön. böhm. Gefellihaft der Wiffenfbaften: ein Eremplar der von ihr gekrön— ten Preisfchrift über die Würdigung der alten böhm. Geſchicht⸗ ſchreiber. 507 Fir die Handfhriftenfammlung: Von dem ſammelnden Mitgliede Hrn. Fialka, Dechant zu Schüttenhofen: ein Manufeript in 4. vom Jahre 1533. — Bon Hrn. Wenzel Halla: 4 alte Handichriften, davon 2 auf Pers gament. — Bon Hrn. Wenzel Hawel, Pfarrer zu Protiwin: ein alchemiſtiſches Manufeript auf Papier aus dem XVI. Jahrh. — Bon Sr. Ere. dem Grafen Kaſpar v. Sternberg, Prä— fidenten ter Gefellfchaft tes vaterländ. Mufeums: ein Manuſcript des Cerwenka von Welnow: „de rebus gestis Waldsteinii ‚Fridlandiae ducis.* — Von Hrn. Kollar in Peſth: 2. böhm. Hantjehriften aus tem XVII. und XVII. Jahrhundert. Für die Hrfundenfammlung: Bon dem wirk. Mitgliede, dem k. k. Profeſſor Helbling von Dirzenfeld: ein Fragment eines Diploms auf Pergament. — Don Hrn. Joh. Kollar in Peſth: ein Arelsdipfom in böhm. Sprache vom 3. 1706. — Von Hru. Joſeph Shön, k. f. Gymnaſialpräfecten in Piſek: ein Kreiscircufar vom J. 1749. — Don dem fammelnden Mitgliete Hrn. Fialfa, Dehant zu Schüttenhofen: ein Freimaurer: Diplom auf Pergament. — Bon Hrn. Wenzel Halla in Prag: 2’ alte Verordnungen von den Sahren 1620 und 1625. — Von Hın, Franz Klein, Pfarrer zu Aubod: eine Sammlung von gecruften adeligen Familien— Wappen, Fur die Münzfammlung: Don Hın. Wenzel Halla in Prag: eine böhmiſche Denf- münze vom J. 1822, einen Waldfteinifchen Grofben vom 3.1630, eine jilberne Münze des Königs von Polen Eigismund IIL, vom 3. 1595, eine Fleine filberne und eine kupferne alte Münze. — Von Hrn. Anton Raym, bifchöfl. Notar, Vicar und De— hant zu Profeö: 5 ältere Silbermünzen. — Bon Hrn. Do- ſtraſſil, Sufticiar zu Liſſa: 3 alte Heine Silber- und 2 Ku- pfermünzen. — Bon Hrn. Wenzel Herzel, Kanzelliften zu Liſſa: eine Rofenberg:Pernfteinifhe, und 2 pädftlihe Kupfermün- zen, — Bon Hrn. Scholz, Caplan zu Liſſa: 5 Kurfermünzen und eine antife Silbermünze. — Von Hrn. Adalbert Cjed, fürſterzbiſchöfl. WVicariatsfecretär und Pfarrer zu Zettliz: eine Fupferne Familienmünze aus dem XVI, Jahrh. — Bon der Dile. Sobanna Tenfa zu Prag: 3 neuere Feine Silbermünzen. — - Bon Hrn. Franz Tippmann, Domberrn und Conftftorialrath am Prager Domcapitel: einen Bracteat, eine Fleinere filberne böhm. Denkmünze, und drei alte Meißner: Grojhen. — Von 508 Hrn. Dr. Robert Peter, Adminiftrator des Stiftes Emaus : einen Raitpfennig der böhm. Kammerbuhhaltung vom J. 1565. — Bon Hrn. Anton Sungmann, Dr. und Prof. der Meti- ein: eine Eleine filberne Denfmünze aus dem XVI. Jahrh. — Bon Hrn, Franz Klein, Pfarrer zu Aubot: 7 Eleinere aus— wärtige Silbermünzen. — Bon Hrn. Johann Ott, Prof. der zweiten Dumanitätschafie zu Pifef: eine Silbermünze vom J. 1676, — Bon Hrn. Franz Bezdefa, Gymnafialfateheten zu Piſek: 2 alte Silbermünzen. — Bon Hrn. Präfecten des Pi: fefer Gymnafiums, Joſeph Schön: eine polnische Silbermünze. — Bon Hrn. Wenzel A. Pohan, Pfarrverwefer zu Plana : 17 alte Kupfermünzen. — Bon Hrn. WenzelGrolmus, Lo— califten zu Ktefjjn: einen Grofhen des Königs Georg von Po- debrad. — Bon Hrn. Fialka, Dechant zu Schüttenhofen: eine alte römifhe Subilaums - Kupfermünze. — Für die ethbnographifhe Sammlung: Bon Hrn. Anton Afermann, Dberförfter zu Stefna: einen alterthümlichen, in den Ruinen der Burg Mladegowic ge— funtenen Schlüſſel. — Bon der k. böhm. Geſellſchaft der Wiſſen— fhaften: verſchiedene Gegenftände von Metall und gebranntem Thon, welche bei Lohowie ausgegraben wurden, und von denen fi) eine Beſchreibung im erften Bande der Abhandlungen -der eben genannten Gefellfhaft vom 3, 1804 findet, dann einen chineil- fen Compaß *). *) Sn dem im 3, Hefte diefer Jahrbücher befindlichen Berichte fol es Geite 384 Zeile 5 von unten heißen: Bon Hın. Krticzka Ritter von Saden, E 2, Gubernialrath und Kreishauptmann zu Königgräz; 2 Stük auf Glasſcheiben gemalte Wappen aus dem XVI. Sahrhundert ale Muſter der alten Gladmalerei, 509 Snhbaltsverzeihniß der 4 Hefte des erften [Bandes diefer Sabrbüder. rer — I. Poefie. Stja von der Wolga. Aus dem Böhmifchen des F. 8. de lakowſtey, überfest von J. Wenzig, I. Heft, Eeite 3 — 14. K. E. Ebert: 1) Der Dom zu Freiburg im Breidgau. I. ıu. 2) Erfter Gefang der Idylle: das Klofter. II. 131 — 147. 3) Dalibor. III. 275. 4) Prolog zu dem hiftorifhen Schaujpiele: Bretislaw und Sutta. II. 273. U. Naturkunde. W. Haidinger: Notiz von einer neuen Pfeudomorphofe, Il 16 — 19. 8. 3. Prefl: Beſchreibung zweier neuen Pflanzengattuns gen. I. 19 — 22. FR? E.M. Zipper: 1) Ueber das Vorhandenſeyn der falz: führenden Gebirgs » Formationen in Böhmen. III. 280 — 292. 2) Beſchreibung der Bohumilizer Meteormaffe. II. 230. .. Prof. Steinmann: Chemiſche Unterfuhung der Bohu⸗ miliger Eiſenmaſſe. II. 233. II. Statiſtik. a) Politifhe Arithmetif: ... 4 Stelzig: Refultate der Geburts- und Sterbever- bäftnifje jeit der Schugpofen = Einimpfungsperiode. I. 23 — 78. II. 148 — 206, b) Commerz- und Gewerböwefen: G. N. Schnabel: Ueber die Leinenwaaren-Production im Böhmen. III. 292 — 303. Federnhandel in Böhmen. II. 304 — 311. Wollmarkt in Prag im I. 1830. II. 311. 3. 6. Sommer: Die Gewerbsmajhinen = Fabrik zu Darzdorf bei Reichenderg. IV. 451 — 458. 510 um. Geſchichte. F. Palacky: 1) Auch; eine Meinung über die Franken und — III. 313 — 322, 2) Ueber ten Ehroniften Fredegar und feine Nachrichten von Samo, König in Böhmen. IV. 387 — 413. k 3) Erklärung einiger böhmischen Münzen. II. 23%. ©. N. Schnabel! Beitrag zur Gefhichte der Karl-Fer- tinandeifchen Univerfität. Die Geſchichte des philoſophiſchen Rech— tes, als Lehrgegenjtand betrachtet. III. 323 7327. M. Millauer: 1) Die Legenden auf dem Numus des Herzogs Boleslam. III. 328. 2) Ueber einen alten (für böhmiſch gehaltenen) auswär— tigen Denar. IV. 417, 3. de Carro: Hiftorifhe Notizen über den hölzernen Becher in Elbogen, und die erite in Karlsbad aufgeführte italie- niſche Oper. IV. 414. V. Völkerkunde, Topographie, 3. Palacky: Die flawiihen Volksſtämme in Europa, I, 79 — 95. 3. Schön: Bilder. 1) Reichenau. I. 96 — 118. 2) Neuftadt an der Metau. II. 239 — 251. 3) Selau. III. 329 — 338, 4) Gitjn. IV. 420 — 440. a. 8. 3. Czoernig: Der Corfo zu Trieft. III. 339 — 346. I. € Ryba: Notiz über das Altertbum der Teplizer Badeanfialten. III. 347 — 352, Ethnographiſche Miscellen. Won Gerle. a) Die Coloniften von Neu: Sid-Wales ; b) die Armenier in Serufalem. III. 352 — 358. 0) Ueber die Biltung der Kaiſſak-Kirgiſen; d) Geſezge— bung der Birmanen; e) Criminalverfahren in China, f) Erin: nerungen aus dem Mifjifiippi= Thale; g) Niederlaſſung auf Fer: nando = Po. IV. 441 — 451. VI Kunſt. Joh. Difm. Zelenfa, böhm. Tonkünftler. I. 119-122. Aphorismen über Kunft und Künftlerberuf. Aus den Re— den des Grafen Franz von nr Manderſcheid geſammelt. IV. 488 — 497. 541 VI. Sprade und Literatur. Ueber welchen Gegenftand ſollen Schriftitellerinnen ſchreiben? Von Benedicte. II. 252 — 254. 8. Palacky: Vergfeihende Temerfungen über Hrn. de Carro's Polyglotte. II. 255 — 261. III. 363 — 374. A. Uhle: Die Klanggränzen zwiſchen ter böhmifchen und polniſchen Sprache. IV. 458 — 478. Göthe’s Stimme über die böhm. Literatur. IV. 498 -502. VII. Böhmiſches Mufeum. Verhandlungen der Geſellſchaft des vaterländiſchen Muſeums in Böhmen in ter achten allgm. Verſammlung am 3. April 1830: a) Vortrag des Gejhäftsleiters Sof. Steinmann. b) Rede des Präfidenten Kafyar Grafen v. Sternberg: Berichte vom vaterländifhen Muſeum Citehender Artikel). . IX. Nefrolog. Abt Adalbert Fähnrich. II. 262. Wenceslaus Peters, Maler. III. 359 — 363. Franz Graf von Sternberg» Manderjcheid. Bon F. Pas lacky. IV. 479 — 487. X. Literärifhe und Kunftanzeigen aus Böhmen. 1) Hiftorifhe Preisfchrift. T. 123. 2) Zeitfehriften in Prag. T. 123. 3) Sommers Taſchenbuch für 1830. I. 125. 4) Kreybichs, böhm. Kreisfarten. I. 126. 5) Hölzels Scylofjerwaarenfunde. I. 127. 6) Prof. Hallaſchka's Beobachtungen. II. 264 — 269. 7) Müllers Leitfaden bei dem Studium ver red. Künſte. III. 375. s) Blatts Geſangſchule. II, 378. 9) Millauers Matriten ter Afatholifen. IH. 350. 10) Maleriihe Darftellung von Prag, bei Borroſch. III. 381. * R 11) Casopis spole&nosti wlast, Museum w Cechäch: IV, 512 — 513, 512 Nachriccht über die. Fortſezung dieſer Zeitſchrift im J. 1881. X&XXXX& Die Jahrbücher des bbhmiſchen Muſeums mer: den im J. 1831 unter demſelben Titel und in derſelben Art wie im gegenwärtigen Jahre erſcheinen, nämlich in 4 Heften, jedes zu ohngefähr acht Drukbogen, welche in der bisherigen Verlagshandlung, Firma: „J. ©. Cal vefhe Buhhandlung in Prag,“ zu Ende der Mo: nate Januar, April, Juli und Detober werden herausgegeben werden. Der Pränumerationspreis ift für den Jahrgang auf 2 Thlr. 16 ggr. ſächſ., oder A fl, Conv. Mze., und halb» jährig auf 4 Thlr. 8 gar. ſächſ., oder 2 fl. Conv. Mze. fetgefezt. Für diefen Preis können diefe Jahrbücher durch alle foliden Buchhandlungen des In- und Auslandes be— zogen werden; im Inlande nehmen unter portofreier Ein— fendung des Pränumerationsbetrags auch alle reſp. k. k. Poſtämter Beftellung darauf an, und ift bei denfelben halb- jährig mit 2 fl. 20 fr. C. M. zu pränumeriren, wobei die pünctliche und portofreie Zufendung mit inbegriffen ift. Die bisherigen Jahrgänge diefer Zeitfchrift, welche unter dem Titel: „Monatfchrift der Gefellfchaft des vater- ländifhen Mufeums in Böhmen“ im J. 1827 — 1829 erfchienen, find fowohl einzeln ald auch zufammen genoms men, bei der Verlagshandlung noch zu haben. Prag, 31. Detober 1850. Redacteur: 8. Palacky, » Shönfeid’s Papier und Druß,. Bnsart de⸗ lerten Heftes — I. Getäihte. 4) Weber den Chroniften Fredegar und feine Nachrichten von Sam, König im Sod men Bon Sranz Palack & 387 — 413. 2) ‚Hiftorifhe Notigen über den hölzernen Becher in Ellbogen und die erfte in Karlsbad aufasführte italieniſche Oper. Bon Tohann Ritter de Carro. ©. 414 — 416, 3) Ueber einen alten (für böbmifch gehaltenen) ande wärtigen Denar. Bon M, M. © M7—419. 1. Topo⸗ und Ethnographie— Bilder. Giän. Bon Joſeph Schön. S. 420 — 440. % Ethnographiſche Miscellen. Sen. Don — Gele ©. 441 —460. IV, tatiftiße Die ‚Generbömafhinen Fabrik zu "Harzdorf ‚bei Reigen. \ — Von Prof⸗ 3“ & Sommer. S 401 457. Vv S prche Die Klanggranzen wighen der boͤhmiſchen und iinſcen — N. upfe in Lemberg. ©. 458 — 478, BR g 2 ME Netrolog ' Frang ‚Graf von Sternberg Danerigeid, Bon Bram. a S. 479 — 487, VE Run. — ve Aphor smen über Kunft und Kunſilerberuf. Aus den - Reden des Grafen Franz von Sternberg: Dranderfgeid ger, — ©. 488 — 497; Vin. Literatur Göthe's Stimme Uber bie oögmifhe Siena, © 189 — 503. IX. Literarifhe Anzeige: Ca sopis spole&nosti wlast-Museum. ©, 502-584 X. Beritht vom vaterländiſchen Mufeum. Eluguft, September, October 1830.) ©. 505 — 508. Snhaltsverzeichniß der 4 Hefte des erſten Bandes dieſer N Sapypüger. -©. 509 — 511. „Nachricht über die Forfezung dieſer geitsrift im Sue 1831: © DLR, — an EEE EEE TEE TE RT h Le * * . un J R he ® er - ® u i y, vw’ N * vl 4 4 * RK % —8* —— ———— — * En | f ( — — — er , u - P y A + — — N b = Pr P J ER \ Run YA N ws — ITS 2 . * * N —M — — BD) N \ J Ss = ıy 40— 1 — — N — — —— — * er N N I IY 477% * ca * ’ a RD \ N \ N