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OF

COMPARATIVE ZOÖLOGY,

AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS,

PFounded bp private subscription, in 1861.

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No.11g. Dr ars (3%. Sek 18.1887.

Fünfzigster

Jahres-Bericht

der

Schlesischen Gesellschaft

für vaterländische Gultur.

Enthält

den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft

im Jahre 187

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"” Breslau, 1873,

Bei Josef Max und Komp.

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Inhalt des 50. Jahres-Berichts.

Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Ge- sellschaft im Jahre 1872, vom General - Secretär, Staatsanwalt Ve CR iz Re ee re

Kurze Uebersicht der im Jahre 1872 thätig gewesenen Sectionen: De aatuvssenschaftliche Section, „4.4 en dc ac Fame: Diezeatomolgeische Section... ie een An eple Die BoluziseherBeetlony. 3. BE, BE ee Nermadienische, Bechom u. sa IN Baal EN? Die, metegrolorischenßecun hi a A nr ran Die technische ‚Seehofer Re re Menge Die, akpnomsische, Sean u a ed ' Die Section für Obst- und Gartenbau ...... ee ES IE EN. Sc Ineybiainnische, Bechion;, Say nr Kae Biie padagpsische Böchiom 2... en ee eaerelee Die, pas cische Section, a. 1. N a fe Dans Fake age Wiessrehäologische Bechonr 1. Ar ad Biie Tumabiache, Section. u.a nel ee aaa ale Dresmeukalsche section 8 Mn tn N ra Bericht über die Kassen- Verwaltung pro 1872, vom Kassirer, Geh. Com- TROERISHRAUH RE Ale ee N N Bericht über die Bibliotheken der ‚„‚Schlesischen Gesellschaft“ im Jahre 1872, vom, Bibliothekar, Redatteur Th. VDelsner ...........1»..-2:.:. Bericht über die naturhistorischen Sammlungen der „Schlesischen Gesell- schaft‘, vom Conservator, Prof. Dr. W. Körber ................

Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Sectionen.

I. Naturwissenschaftliche Section.

Prof. Dr. Galle: über Verlauf und Sichtbarkeitverhältnisse des Venus- Durchganges im Jahre 1874 und über die zur Beobachtung des-

. „selben bisher getroffenen Vorbereitungen .....e-.uu.... 2. dal. Prof. Dr. Poleck: über die experimentellen Grundlagen der sogenannten moßernen Chase... „Bilin scgunll ara

Knochenreste von Rhinoceros tichorhinus und eines Exemplars von Ceratites nodosus; Bericht über fossile Pflanzenreste aus einem Ver- suchsschachte bei Wünschendorf (Lauban) und über neu auf- gefundene Versteinerungen des devonischen Kalksteins vom Kanzel- berge bei Kielce in Polen; 'Mittheilung einer auf die Schalen- substanz von Üeratites nodosus bezüglichen Beobachtung ..........

über eine in den Monaten October und November d. J. ausgeführte Reiseinnch ‚Spanien !... inaanwaal. Ines

*

Seite,

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II Inhalts - Verzeichniss.

Ober-Bergrath Prof. Dr. Websky: über die Auffindung mikroskopischer Diamanten in den metamorphosirten Schiefern der Schischimski- schen Berge, Bergdistriet Slatoust am Ural, durch Prof. v. Jeremejeff in Petersbutg' sr ash nare of: ii. a0 Mae...

über ein Exemplar von Malachit von der Grube „Joseph“ zu Birk bei Plauen (Sachsen) und das auf der Grube „Pucherzeche“ bei Schneeberg aufgefundene Mineral Pucherit .....................

Prof. Dr. Ferdinand Cohn: über Bacterien und deren Beziehung zur

Fauimss und 2: Contagieh'!t. Sri, U Ra Geh, Medieinalrath Prof. Dr. Göppert: zur Geschichte des Elenthieres in Behlesien 2 1 2 DT BL RN AR

Staatsrath Prof. Dr. Grube: über die pflanzenfressenden Cetaceen ....... über die von Dr. Agatnon Bernstein in Java gesammelten (im zoologischen Museum aufgestellten) Naturalien, nebst Mittheilungen

über. B.s Lebensschicksale. 2: .22:....2.,. 842 2: HUN PENAR Demonstration eines ungewöhnlich grossen Exemplars: einer Kaul- quappe von Göppersdorf (Strehlen) und Vorlegung des 2. Bandes

von H. A. Meyer’s und Möbius’ „Fauna der Kieler Bucht“ . über eine Zusendung transkaukasischer Arachniden und Myriopoden Vorlegung von Gray’s „Genera of birds“ und Alder & Hancock’s „British nudibranchiate Mollusca“ (aus der Bibliothek des Breslauer

ae Museums) 1. 2 RE i über ein paar neue Anneliden aus der Familie der Bhiodeen “über die Familie‘ der: Ofrratuliden :2:.:... PU 9 SRERFZ TUR

über einige bisher noch unbekannte Baron abs Baikalsees ..

II. Botanische Section.

Prof. Dr. Körber: über eine neue Abhandlung des Dr. Max Reuss und die Natur der Lichenen als selbstständige Pflanzen. Prof. Dr.

Ferd. Cohn über denselben’ Gegenstand. ..i. .......... 2.2. 208

Prof. Dr. Körber: Vorlage einer Bearbeitung der Flechtengattung Lecidella als Probe für die in Aussicht genommene schles. Kryptogamenflora

Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert: über die Verwachsung der Bäume beim Pfropfen und über eine im botanischen Garten vorkommende

NEetrin » -. 0 ne ee Ar hee Sa FE Le NL RRLRE

Prof. Dr. Ferd. Cohn: Vorlage des 10. Doublettenverzeichnisses des schles. botan. Tauschvereins, eines Aufsatzes von R. Hartig über Ver- wendung des Hypnum tamariscnum zur Anfertigung künstlicher

Blumen (,,Pariser Moos“) und der Abbildung eines von ihm beobachteten Doppelapfels auf einfachem Stiele (mit Aufforderung

| zur Beobachtung von Doppelblüthen) ..........2.. . er... Prof. Dr. Ferd. Cohn: über einen von Herrn Apotheker Wetschky in Gnadenfeld (Cosel) daselbst beobachteten Meteorstaubfall ....... Oberlehrer Dr. Stenzel: über J. Milde’s Verhältniss zum Darwinismus, und Vorlesung einer von Herrn Prof. Hensel in Proskau eingesandten Schilderung des ersten Aufenthalts von Milde in Ustron (gedruckt

im 49, Jahresbericht, 1871, in Milde’s Nekrolog)........ .......

Dr. phil. W. G. Schneider: Beschreibung eines neuen, von Herrn Geh,

Med.-R. Göppert zwischen Hünern und Kapsdorf bei Breslau

gefundenen Aecidium auf Lytrum Salicaria, als Aecidium pallidum n. sp.

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Inhalts - Verzeichniss.

Schneid. benannt; Vorzeigung einiger Deformitäten verschiedener Pflanzen, 1871 bei Reinerz gefunden, sowie mehrerer Schwämme, besonders Phallus impudieus in instructiven Exemplaren ..........

Bericht über ein in Alt-Heide (Glatz) aufgefundenes Kalktufilager

mit Abdrücken von Blättern jetztlebender Bäume. Bemerkung

von Prof. Dr. F. Cohn über ein dergl. am Spiegelberge (Cudowa)

Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert: Vorlage von 1) Bericht der Natur- forscher-Versammlung 1870, 2) Photo- und Photolithographien von Stammdurchschnitten, Frostrissen und Ueberwallungen, 3) trico- tylischen Wallnüssen, gefunden durch Redacteur Oelsner, und

einer fupslangpn. Dacdalea..,.-neir here rn ensure Mittelschullehrer Limpricht: über die Flora von Grünberg .... »...:... Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Göppert: Demonstration der von Herrn v. Thielau auf Lampersdorf übersendeten höchst interessanten Wachsthumsverhältnisse aus seinen Forsten ..........:2erer000.

Prof. Dr. Ferd. Cohn: Demonstration verschiedener Mikrotome zur Ver- fertigung feiner Querschnitte für mikroskopische Präparate ......

über die von Prof. Hoffmann in Giessen erfundenen neuen Auf- bewahrungsflüssigkeiten für mikroskopische Präparate, Bemerkung

Geh.-R. Göppert’s über Mandelöl für diesen Zweck .. ........

über Reizbarkeit-Erscheinungen der Staubfäden von Opuntia Ficus ER EN RE DS Rage ASP RI SCRRNIERS N RER ORT PTR EL RIT TAN SER Rittergutsbesitzer Dr. Max Heimann: über Pfropfhybriden bei der Kartoffel Cand. phil. David: über die Keimung der Schwärmsporen von Chroolepus END REEL CET ENTE EIDE EP SLEAUR TOIELENTEGER EIER ROHR LO

Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert: Vorlegung von neuen Belegstücken für Ueberwallung von Pfröpflingen und eines grossen, von Herrn Gartendirector Pätzhold in Muskau dem Breslauer botanischen

Garten geschenkten Herbars des dortigen Arboretums ..........

Herr B. Stein: Vorlage von 1) einem prachtvollen Rasen von Tetraplodon und Geaster fimbriatus von Zobten; 2) für Schlesien neuen und sel-

tenen Flechten. Bericht über den schlesischen Tauschverein (ge-

gründet durch v. Uechtritz 1862, jetzt unter Apoth. Fritze in Rybnik)

Prof. Dr. Ferd. Cohn: über das Breslauer Wasserhebewerk ............ Bericht über die dritte Wanderversammlung der schlesischen Botaniker auf dem Rummelsberge bei Strehlen, 12. Mai 1872. Kg]. Forst-

meister v Tramnitz: über die Strehlener Berge. v. Thielau:

über eine Platte von Acer pseudoplatanus und Vorlegung anderer botanischer Seltenheiten. Geh. Med.-R. Prof. Dr. Göppert: über

die neuesten botanischen Entdeckungen und Einführungen, mit

Vorlage von Abbildungen. Derselbe: über mehrere morphologische Vorkommnisse an Bäumen. Derselbe: über die Bedeutung der

fossilen Flora und ihrer Leitpflanzen zur Auffindung nutzbarer Fossilien (Kohlen etc.). Derselbe: über die wichtigeren paläon- tologischen Forschungen und Entdeckungen des Herrn Custos Apotheker Peck von Görlitz. Derselbe: Fund von Pyrus torminalis

Ehrh. auf dem Rummelsberge. Derselbe: Vorlegung von Thon- Etiquetten, von Hrn. Director Pätzhold in Muskau. Oberlehrer

Dr. Stenzel: über das Riesengebirge als Vegetationsgrenze. Prof.

Dr. Ferd. Cohn: über parasitische Algen, Prof. Dr, Körber;

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IV Inhalts - Verzeichniss.

Vorlegung eines Verzeichnisses der im Besitze der Schles. Gesell-

schaft befindlichen, auf schles, Flora bezüglichen Manuscripte und .

Sammlungen. Apotheker Ende aus Grottkau: Vorlegung einer Auerswald’schen Drahtpresse. Beamter Scholz: Vorlegung einer kolossalen :Bschenwarzel 22 IN DI RR U. Mittelschullehrer G. Limpricht: über die Moostflora der oberschlesischen Müschelkalkhügel:'. 2.17. Zr TU. Sa MAL I AUT NETT. Oberstabs- und Regiments-Arzt Dr. Schröter (in Räptaiij: Zusammen- stellung der im Breslauer botanischen Garten beobachteten Pilze (schriftliche Eimsendung)‘.. 1. „EHRE TEN RN

Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über die Pilz- u im Museum des 'Dotanischen Gartens‘ HN) AIR IE BRENNER

!über''den Trüfelverkauf in Carlsbad ! Ar AI HEEIDN Obergärtner Stein: über zwei in diesem Jahre von ihm gemachte botanische Extnrsionen nach. 'der' Bahiapora *. 2. KRITERIEN 2 Mittelschullehrer G. Limpricht: Nachträge zu Milde’s „Bryologia Silesiaca“ Prof. Dr. Ferd. Cohn: Erläuterung des nach Prof. Hanstein construirten Phyliotactischen Apparats wer... MINE RE RENNEN Oberstabs- und Regiments- Arzt Dr. Schröter (in Rastatt): über einige schlesische Uredineen (schriftliche Mittheilung) .................

Lehrer Zimmermann (in Striegau): ein Spaziergang in den Striegauer Bergen: (schriftliche Emsendung) ZH ». N. 2 2. MER 2

Verzeichniss einer Sammlung von Pflanzen-Abnormitäten ....... Prof. Dr. Galle: Vorlegung einer Zusammenstellung der im October und November 1872 in Breslau beobachteten (abnormen) Temperaturen

Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über das Verhältniss der Pflanzenwelt zur gegenwärtigen Witterung, mit Nachträgen .................. Verzeichniss der bis zum 11. December 1872 blühend gefundenen Pflanzen. (Mit Beiträgen von Unverricht in Myslowitz, Zimmer

in Striegau, B. Stein, Schumann, Knebel und L. Becker in Breslau EN RN Ua ABEND NE SERIES TABRSR LIE

Hr, R. v. Uechtritz: Die bemerkenswerthesten Ergebnisse der Durch- forschung der schles. Phanerogamen-Flora im Jahre 1872 (schrift-

liche -Einsendühe AU m at. AD EUREN, AREB TREE

Dr. phil. W. G. Schneider: über Puccinia Helianthi Schw. .............-.». Hr. B. Stein: Nachträge zur Flechten-Flora Schlesiens, IL. ............

III. Entomologische Section.

Graf v. Matuschka: Vorzeigung eines Laccobius aus der Pliniusquelle in TE ee ee ae en Ta le ee ee = A Se Oberamtmann Naacke: über die bisher Anwesen Tödtungsmittel der Schmetterlinge, insbesondere der Makrolepidopteren ............ über seine Wahrnehmungen in Betreff der Insecten-Fauna in der Umgebung der Grotte von Monsummano und die daselbst gemachte AUSDERbE NN ee ee RA Ernie Arc EEE 1,.; Dr. phil. W. G. Schneider: über die Beziehung der Inkeclön zu den Pilzen, und über die in und an Insecten schmarotzenden Pilze . Candidat E. Schwarz: über die schlesischen Throscus-Arten ........... "über die schlesischen Fhilhydrus-Atten N en

Seite.

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Inhalts - Verzeichniss.

Beschreibung einer in Schlesien gefundenen neuen Art Coryphium

Or Betaneri: nov.: spa PAR FIN In a I 2 Ban

Dr. med. Wocke: über Albinismus bei: Schmetterlingen .:.....:...:..... über zwei in Schlesien bisher übersehene Eupitheecien .......... Hauptlehrer K. Letzner: über die weitere Entwickelung des Lasioderma serricorne F, aus ächter Rhabarberwurzel (s. vor. Jahresbericht)...

über die mit Hydrobius fuscipes Lin. nahe verwandte, von Gerhardt

in Liegnitz beschriebene neue Käferart Hydrobius Rottenbergii Gerh.

und über die von ihm selbst benannte neue Öurculionen-Species Ekihmbiröhl Seihekres EARTH WAREN AN BHTIN ER

Vorlegung des Verzeichnisses der zum Verkauf ausgebotenen Käfersammlung des Grafen Ferd. Kuenburg.....................

weitere Nachträge zu seinem Verzeichnisse der Käfer Schlesiens

DUebersicht der bis jetzt in Schlesien beobachteten Dipteren- Schwärme und Berichte über die 1872 in Schlesien und Branden-

burg wahrgenommenen Schwärme von Chlorops ornata Meig.......

IV. Medicinische Section.

Privatdocent Dr. Nothnagel: über nervöse Nachkrankheiten des Typhus Prof. Dr. Waldeyer: über Hermaphroditismus im Anschlusse an eine De- monstration des Hermaphroditen Katharina Hohmann ........... Privatdocent Dr. Sommerbrodt: über seine experimentellen und mi- kroskopischen Untersuchungen über Lungenblutung .............

Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über giftige und essbare Pilze in me- Meinisch-polizeiicher "Hinsicht c.n u ern eee Suc Privatdocent Dr. Hermann Cohn: über die Wirkung des Strychnins bei versehiellenen Anscnleiden ur... nun eg ee ea Privatdocent Dr. Gustav Joseph: über eine bisher unbeachtete dritte halbkreisförmige Linie, Linea semicircularis suprema, am oberen Theile

des menschlichen Hinterhauptbeines ................Corccncnco.

über die Auffassung des Schädels als Wirbelcomplex ........... Prof. Dr. Heidenhain: Demonstration der brechenerregenden Wirkung des salzsauren Apomorphin und über die Wirkungen einiger Alcaloiden

auf die Nerven der gld. submaaillaris ......2222220escneseeeereenn

Beobachtungen über einen bisher unbekannten „Stäbchen-Apparat“ in.der Niere den Säugathlere......24..2.0. nn RNIT.

Dr.med. Ludwig Joseph: Mittheilungen zur Anatomie der Uterusflexiönen Dr. med. Schnabel: über einen Fall von Exophthalmie als Symptom von Boris RT SENDER NN ER INESEREIT DER DIN a Privatdocent Dr. Freund: über pathologische Anatomie und Behandlung von Haematometra und Haematokolpos bei Uterus duplex mit einseitiger

Algesa VRR NR an hal ee RR ERTNNE EYDL,

-— Wlüiber Mahrosomia parhälis 2. 12122. 2 DRAMEN Ann Bi, Privatdocent Dr. Köbner: über die neueste diagnostische Verwerthung mikroskopischer Blutuntersuchungen (Lostorfer’sche Syphilis-Kör-

perchen)'. 22T PANNE REIT HS UNRRERBBDN 2: rüber’ die Aetiologie’der!Psoriasis! "Ni. 2 Hy DRAN, EANERRUN. :.. Dr. med. Martini: über die Bildungs-Anomalien des weiblichen Utero- Vaginal-Canales und einen seltenen Fall von Uterus et Vagina duplex

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al Inhalts- Verzeichniss.

Dr. med. Lipschitz: über die sanitätspolizeiliche Frage bezüglich der Fa- brikation und des Vertriebes bunter Papiere ................... Privatdocent Dr. Hirt: über die Verwendung gifthaltiger Farben zu ge- werblichen Zwecken und die darauf bezugnehmenden sanitäts- pnlizeilichen Vorschriften. ernst sul umefeh en EEE. Sanitätsrath Dr. Paul: Demonstration eines Knaben mit erfolgreicher Re- sestion des. Ellenbogengelenkes. 3... ...ir+ sauisalueldo Higearieemenn ne Privatdocent Dr. Nothnagel: über experimentelle Untersuchungen über eine. Eunction der, Grosskisnhemisphäre ... Hr. sinsaeinien or meee

Dr. med. Horwath aus Kiew: Untersuchungen zur Physiologie der thie- Fachen MER en aneh e LRR nae ua Ba eE Apotheker Julius Müller: über den Werth der aus plastischer Kohle ver- fertigten Wessennlter a aus ae ee ame Privatdocent Dr. Hermann Cohn: Vorlegung eines von ihm construirten Augenspiegels für schnelle Refractions-Bestimmung ae DE

über: Nachstäar-ÜDEERBORS Sy. ren en ern es on ee Dr. med. Riesenfeld: über einen ihm zur Behandlung gekommenen Fall vdh subperitonslem ‚Fibrom ‚des Dierus, .........» mn.

Dr. med. W. A. Freund: über die organische Grundlage der klimak- tierischen. Baschwerlen. za... vorher EN,

Geh. Sanitäts-Rath Dr, Grätzer: über die Armen-Krankenpflege Breslaus Im Jahre IBZi ri ie a0 la url uf kl a ren ine ua SEE > A ERGEE

Dr. med. Ludwig Joseph: über das Verhältniss des Ureter zum Uterus im normalen und pathologischen Zustande ...........2.222222..

Geh. Medicinal-Rath Prof. Dr. Lebert: über die Lungenkrankheiten der Affen und ihr Verhältniss zu denen des Menschen ..............

Prof. Dr. R. Förster: über Schutzmassregeln gegen Cholera (mit Bez, auf Abfuhr der Excremente und Trinkwasser) .............-.2220..

Dr. med. Asch: über die Canalisation grösserer Städte.........-......... Dr. med. Schmeidler: über einen Fall von Stearrhoe und den diagnosti- sehen; Werth dieses. Symptoms; ...ı... eiu..ala/ nt spe Apotheker Julius Müller: über die zu vorstehendem Falle gehörige Analyse

V. Historische Section.

Prorector Prof. Dr. Schmidt aus Schweidnitz: über den im Jahre 1613 in der kurbrandenburgischen Linie der Hohenzollern erfolgten Con- fessionswerhsel. +2: 4...47+4 20% : Arie NAME Harn eh

Prof. Dr. E. Reimann: über den Kölner Kurfürsten Friedrich v. Wied

Gymnasial-Oberlehrer Dr. Markgraf: über die Geschichte Schlesiens und besonders Breslaus unter König Ladislaus posthumus ...........

Prof. Dr. Kutzen: über die Eigenthümlichkeit des Heuscheuer-Gebirges in der Grafschaft Glatz und ihre Einwirkung auf Gemüth und Leben 88. Menschen. ... - u euer aaa A ee Mani nA

Rector Dr. Luchs: Biographie Bolko’s I. von Schweidnitz (1278—1301) und seines jüngsten Sohnes Bolko von Münsterberg (F 1341) ........

Ausflug der Section nach dem ehemaligen Cisterzienserstift Leubus. Zur historischen, kunstgeschichtlichen und biographischen Vorbereitung hierauf Vorträge von Staatsarchivar Prof. Dr. Grünhagen, Privat- docent Dr. Alwin Schultz und Prof. Dr. Kutzen.............

Privatdocent Dr. Lindner: über dieSage von der Bestattung Carl’s des Grossen

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Inhalts - Verzeichniss.

Dr. phil. August Mosbach: über die französische Expedition nach San Domingo in den Jahren 1802 und 1803, nach den Berichten zweier pölnischen Offiziere‘... KUNA. 2ER NDR EN...

Staatsarchivar Prof. Dr. Grünhagen: ein Bild des Zustandes von Schlesiens Handel und Industrie aus amtlichen Berichten vom Jahre 1698 ..

Realschul-Lehrer Dr. phil. Bobertag: über einige den Robinsonaden ver- wandte Erscheinungen in der deutschen Literatur des 17. Jahr- hundBaßs. 2 2a IDEE BREI NIEDER TE DTAEERE

Archiv-Seceretär Dr. Grotefend: über die im 14. Jahrhundert unter den schlesischen Fürsten und Städten sich bildenden Bündnisse, be- sonders die von allgemeinerer Bedeutung am Ende desselben ROLE N Dr a aha eh

VI. Section für Obst- und Gartenbau.

Kaufmann Stadtrath E. H. Müller: Rückblick auf das abgelaufene erste RIeHteljanriitidert der BecHon nee... ee aanene ne casnne une

Bericht über die Thätigkeit und die Sitzungen der Section im N ee RE El 0 A EA Baumgärtner R. Sonntag in Zobten: über Weiden-Anpflanzung u. -Nutzung Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzütz: über Frühjahrs- Decoration DENKE ERTASAR AU, Mia EIER ER ee ern lehnt Kunstgärtner Grunert in Gr.-Paniow: über Vermehrung der Azalea indica Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert: über die bisher ungekannten Vor- ganse beim Veredeln der Baumes... RE Baumgärtner C. Pfeiffer in Zölling: Einiges über die nachtheiligen Wir- kungen der beiden Winter 1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation Apotheker M. Scholtz in Jutroschin: über chemische Salzdüngung bei der

VIELE NIE ner ae ee Kunst- und Handels-Gärtner W. Kühnau in Breslau: über Cultur der Alssoemeremun Lopien tr nenn N ee Te ee Kaufmann J. Hutstein in Breslau: über alpinische Gewächse und deren LSB SB ER AN A DEE RES Ir 2. Sl She PR eres äh 5 UNEEEN. RE RR Hofgärtner W. Peicker in Rauden: über einige einheimische Waldgewächse wumd deren; Verwendung in Gärten... rund. ann na Obergärtner A, Schütz in Wettendorf (Ungarn): Zur Decoration von Rasen- | Pariser DA Rn an, a BINNEN. 23 Kunstgärtner Frickinger in Laasan: über einige interessante Laubbäume im: Park’von Laasaniauy rein HT

Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau: über Cultur der Ismene calathina Hb. Kunst- und Handelsgärtner R. Riedel in Löwenberg: Einiges zur Cultur

EN SEN PAIN IEE E e NEL, ET Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzütz: Beobachtungen bei der Treiberei der Maiblume (Convallaria majalis) .........---...or.000

Apotheker Scholtz in Jutroschin: ein paar gärtnerische Miscellen: a) Con- volvulus tricolor fl. pl.; b) ein Beispiel von Boden-Erschöpfung .... Hofgärtner W. Peicker in Rauden: eine Schutzvorrichtung gegen Frost für niedrige Cordon-Obstbäumchen (mit xylogr. Abbildung) ......... Bürger-Mädchenschul-Lehrer C. Becker in Jüterbog: nachträgliche Bemer- kungen zum Schutz der Obstbäume etc. vor schädlichen Insecten Apotheker Sauer in Cudowa: über gefülltes Bellidiastrum Muhelu Cass. ....

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VIII Inhalts- Verzeichniss.

Seite. Obergärtner O. Lorenz in Bunzlau: über Erzeugung von Morchelbrut im Frühbeetkastens.. Kia: 2 KArRAT see na iea. 306 über Anzucht der Rosen aus Stecklingen ............c.c22220.. 307 Sections-Gärtner J. Jettinger: über Erdbeeren und deren Cultur ........ 308 Obergärtner 0. Lorenz in Bunzlau: über die amerikanische frühe Rosen- Karben RER LE u Ei 3ll Garten-Inspector Bürgel in Wittgenstein (Rumänien): über Wassermelonen- Bastard und dessen Verwendung im Winter ........cnceeeenen. 312 Sections-Gärtner J. Jettinger: über die Cultur-Ergebnisse einiger an Mit- glieder der Section vertheilten Gemüse-Samen .......::2..2... .,. Kaufmann Stadtrath E. H. Müller: statistische Notizen aus der Section .. 316

VII. Meteorologische Section. Navigationsschul-Lehrer Georg von Boguslawski aus Stettin: über Schiaparelli’s astronomische Theorie der Sternschnuppen ........ 319 Prof. Dr. Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königl. Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1872 322

Nekrolog

der im Jahre 1872 verstorbenen Mitglieder der ‚„‚Schlesischen Gesellschaft für vaterländ. Cultur“, von Redacteur Th. Oelsner, Bibliothekar BarlgeBelischalt ne en. ee 327

Schriften der Gesellschaft.

Abhandlungen. Philosophisch-historische Abtheilung. 1872/73. Ein Heft. 114 Seiten. Inhalt: Grünhagen, Ueber den Zustand des Handels und der Industrie Schlesiens am Ende des 17. Jahrhunderts. Bobertag, Ueber einige den Robinsonaden verwandte Erscheinungen in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. E. Baumgart, Ueber den Streit zwischen Phöbus und Pan, ein Drama per musica von J. 5. Bach. H. Grotefend, Zur Genealogie und Geschichte der Breslauer Piasten.

Abhandlungen. Abtheilung für Naturwissenschaften und Mediein. 1872/73. Ein Heft. 62 Seiten, 3 Tabellen und 1 Steindrucktafel.

Inhalt: J. Grätzer, Ueber die öffentliche Armen-Krankenpflege in Breslau im Jahre 1871. G. Limpricht, Auf der Wasserscheide zwischen Weide und Bartsch.

Allgemeiner Bericht

über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1872, abgestattet in der allgemeinen Versammlung am 28. December 1872 von

dem Kgl. Staatsanwalt v. Vechtritz,

“zur Zeit General-Secretair,

I. der am 29. December 1871 abgehaltenen ailgemeinen deliberativen Versammlung der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur wurden sämmtliche bisherige Mitglieder des Präsidii wiedergewählt. Das Präsi- dium besteht daher auch für die Etatsperiode 1872/73 aus den Herren:

1) Geh. Regierungs-Rath Bürgermeister Dr. Bartsch, 2) Appellations- gerichts- Präsident Dr. Belitz, 3) Geh. Ober-Bergrath, Berghauptmann a. D. Dr. v. Carnall, 4) Geh. Commerecienrath Franck, 5) Professor Dr. Förster, 6) Director Dr. Gebauer, 7) Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert, 8) Geh. Regierungsrath v. Görtz, 9) Oberbürgermeister Hobrecht, 10) Kgl. Kammerherr Graf Hoverden, 11) Prof. Dr. Kutzen, 12) Geh. Regierungsrath Professor Dr. Löwig, 15) Director Dr. Luchs, 14) Stadtrath Kaufmann E. H. Müller, 15) Staatsanwalt v. Uechtritz, von denen aber Öberbürgermeister Hobrecht Breslau im Laufe des Jahres verlassen hat.

Das Präsidium constituirte sich am 4. Januar 1872 und berief ein- stimmig von Neuem Herrn Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert zum Präses, Herrn Geh. Regierungsrath v. Görtz zu dessen Stellvertreter und Herrn Geheimen Commercienrath Franck zum Schatzmeister. Da der um die Gesellschaft hochverdiente langjährige General-Secretair Herr Geh. Regierungsrath Dr. Bartsch erklärte, die gleichfalls einstimmig erfolgte Wiederwahl zum Generalsecretair nicht annehmen zu können,

1

2

Jahres - Bericht

wurde der bisherige zweite Generalsecretair Staatsanwalt v. Uechtritz zum ersten, Herr Prof. Dr. Kutzen sum zweiten General- Secretair

gewählt.

In dem Jahre 1872 sind 33 Mitglieder neu aufgenommen worden, nämlich die Herren:

Du

1) Privatdocent Dr. med. Richter, 2) Buchhändler Julius Hainauer, 3) Kunst- und Handelsgärtner Ernst Junger, 4) Eisenbahn - Director, Regierungs- und Baurath a. D. Vogt, 5) Prof. Dr. phil. Hertz, 6) Director des Magdalenäums Dr. phil. Heine, 7) Lehrer an der Realschule Dr. phil. Bobertag. 8) Secretair des Staatsarchivs Dr. jur. Grotefend, 9) Ritter- gutsbes. Aug. Hanel, 10) Fabrikbesitzer u. Kaufmann Theodor Wiskott, 11) Fabrikbesitzer und Kaufmann Max Wiskott, 12) Privatdocent Dr. phil. Lindner, 13) Fabrikbesitzer und Kaufmann Hermann Seidel, 14) Director der Schlesischen Feuer-Versicherungs-Gesellschaft Hermann Heller, 15) Fabrik- besitzer und Kaufmann Carl Beblo, 16) Sanitätsrath Dr. med. Hirschfeld, 17) prakt. Arzt Dr. med. Kaufmann, 18) prakt. ArztDr. med. Dyrenfurth, 19) prakt. Arzt Dr. med. Steuer, 20) prakt. Arzt Dr. med. Krauskopf, 21) Oberstabsarzt Dr. med. Trautmann, 22) Königl. Forstmeister a. D. Graf Matuschka, 23) Kaufmann Eduard Kionka, 24) Rittergutsbesitzer von Tempski, 25) Rittergutsbesitzer Oscar Cohn, 26) Sanitäts- rath Dr. med. Röder, 27) Landesältester und Majoratsherr von Kessel, 28) Pastor Dr. Schimmelpfennig, 29) Pastor Kölling, 30) Dr. phil. Vollrath, 31) Kaufmann Schröder, 32) Rechtsanwalt Zenker und 33) der Gewerbeverein für Gleiwitz und Umgegend.

Ehrenmitgliedern wurden ernannt: 1) Herr Direetor der Anatomie in Strassburg Prof. Dr. Wal-

deyer, 2) Herr Geheimer Sanitäts-Rath Dr. med. Martini in Dresden.

Diplome als correspondirende Mitglieder erhielten:

1) Herr Apotheker Fritze jun. in Rybnik, 2) Herr Conrector Höger in Landeshut, 3) Herr Oberstabsarzt Dr. med. Schröter in Rastadt, 4) Herr Justizrath v. Willmowski in Berlin.

Dagegen verlor die Gesellschaft im Jahre 1872:

Durch Ausscheiden meist wegen Verzuges

11 Mitglieder, von denen ihr aber nunmehr 2 als Ehrenmitglieder und ein anderes als eorrespondirendes Mitglied wieder angehören,

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. B

Sie verlor ferner:

Durch den Tod:

die wirklichen Mitglieder:

1) Generallieutenant v. Ehrhardt, 2) Buchdruckerei-Besitzer W.Friedrich, 3) Medieinal- Assessor und Stadtrath Gerlach, 4) Commereienrath Gierth, 5) Director Inkermann, 6) Pro- rector Professor Dr. Kampmann, 7) Kaufmann C.F. Keitsch, 8) Director der Königlichen Gefangenen-Anstalt Schück, 9) Ju- stizrath Simon, 10) Hauptlehrer Stütze, 11) Bergrath Dr. Thiele, 12) Baron v. Bohlen, 13) Apotheker Cochler, 14) Königl. Kammerherr Geh. Justiz-Rath Graf Hoverden- Plenken, 15) Geh. Sanitätsrath Dr. med. Preiss, 16) Landes- Aeltesten Wolf auf Ober-Gorpe, 17) Dr. med., Prof. und Guts- besitzer Kuh auf Woinowitz;

die Ehrenmitglieder:

endlich

Baron von und zu Aufsess, Dr. jur. in Nürnberg, Königl. Wirklicher Geh. Rath u. General.-Direetor der Museen Dr. med. Ölfers, Kgl. Wirkl. Geh. Ratı und Ober-Präsident der Pro- vinz Schlesien Grafen Eberhard zu Stolberg-Wernigerode; die correspondirenden Mitglieder

Kgl. Geh. Archivrath Prof. Dr. philos. Riedel in Berlin und Gymnasial- Oberlehrer und Stadtbibliothekar Anton Tobias in Zittau.

Die Gesellschaft zählt hiernach gegenwärtig:

443 wirkliche Mitglieder, 32 Ehrenmitglieder, 198 correspondirende Mitglieder.

Unsere Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 106 einheimischen und 292 auswärtigen, zusaınmen aus 398 Mitgliedern.

Auch in diesem Jahre hatte das Präsidium die Freude, ein Mitglied der Gesellschaft, Herrn Grafen v. Saurma-Jeltsch zu seiner fünfzig- jährigen Mitgliedschaft und ein anderes Mitglied, Herrn Geh. Sanitäts- rath Dr. med. Martini zu seinem fünfzigjährigen Doctorjubiläum zu begrüssen.

Ausserdem wurde die Königl. Maximilians- Universität zu München zu ihrem Jubelfeste und die landwirthschaftliche Academie zu Proskau zur Feier ihres 25 jährigen Bestehens beglückwünscht.

Allgemeine Versammlungen haben in diesem Etats-Jahre sechs statt- gefunden und wurden in denselben folgende Vorträge gehalten:

am 29. December 1871 wurde durch den General-Secretair Geh.

Regierungsrath Dr. Bartsch der Jahresbericht pro 1871 er- stattet und darch den Bibliothekar Dr. Th. Oelsner die Nekro- r*

4 Jahres-Bericht

loge der verstorbenen Mitglieder: Kunsthändler Karsch sen., Buchhändler Maske, Regierungs-Präsident v. Götz, Apotheker Güntzel-Becker, Seminarlehrer a. D. Dr. phil. Schneider, Prof. Dr. Zeuschner vorgetragen;

am 1. März ce. von Herrn Privatdocent Dr. med. Hermann Cohn über „die Augen der Schüler des Friedrichsgymnasiums und ihre Veränderung im Laufe von 1'/, Jahren‘;

am 8. März c. in combinirter Versammlung unserer Gesellschaft und des Vereins für Geschichte der bildenden Künste von Herrn Privatdocent Dr. Richard Förster über „Entstehung und Ge- schichte des Vaticanischen Museums“ ;

am 15. März c. von Herrn Professor Dr. Polecek über „die Luft

der Wohnungsräume“;

am $. November c. von Herrn Prof. Dr. Alwin Schultz „ein Tag

aus dem Schlossleben des XIII. Jahrhunderts“ ;

am 6. December c. von Herrn Privatdocent Dr. Hugo Blümner

über „die Verarbeitung der Wolle bei Griechen und Römern“,

Oeffentliche Vorträge sind auch für das Winterhalbjahr 1872/73 in dem von der Königlichen Universität wieder bewilligten Musiksaale ver- anstaltet und von den Herren Staats-Archivar Professor Dr. Grünhagen, Prorector Dr. Maas, Apotheker J. Müller, Dr. med. Heller, Prof. Dr. Alwin Schultz, Sanitätsrath Dr. Hodann, Professor Dr. med. Neumann und Gymnasiallehrer Dr. Eitner in dankenswerther Weise übernommen worden.

Ausser diesen war auch der Vortrag des Herrn Privat- Docent Dr. Riehard Förster in der combinirten Sitzung unserer Gesellschaft und des Vereins für Geschichte der bildenden Künste insofern ein öffent- licher, als den Mitgliedern beider Gesellschaften gestattet war, Güste, Herren und Damen, einzuführen.

Im Laufe des Jahres 1872 sind Seitens der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur ausser dem Jahresbericht von 1871 folgende Schriften herausgegeben worden:

1. Heft Abhandlungen Abtheilung für Naturwissenschaften und Mediein 1869/72, enthaltend:

J. Sehröter, Die Brand- und Rostpilze Schlesiens.

G. Limpricht, Ergebnisse einiger botanischen Wanderungen durch’s Isergebirge.

. Grätzer, Ueber die öffentliche Armenkrankenpflege in Breslau im Jahre 1870.

E. Grube, Mittheilungen über St. Malo und Roseoff und die dorlige Meeres-, besonders Annelidenfauna.

v. Jacobi, Zweiter Nachtrag zu dem Versuch einer systematischen Ordnung der Agaveen.

der Schles, Gesellseh, f. vaterl, Cultur, 5

2. Heft der philosophisch - historischen Abtheilung von 1871, ent- haltend:

H. Palm, Neue Beiträge zur Lebensgeschichte von Martin Opitz nebst vier ungedruckten Briefen desselben.

Ed. Reimann, Papst Paul IV. und das Kaiserthum.

Hermann Markgraf, Nachtrag zum Liegnitzer Lehnsstreit 1449 —1469,

J. Kutzen, das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz oder das Gebiet des Habelschwerdter Gebirges.

Für das Etatsjahr 1872 hat das Präsidium aus den Mitteln der Gesellschaft einen Geldbetrag zum Zwecke der Erforschung der flora cryptogam. Silesiaca ausgesetzt.

Der Section für Obst- und Gartenbau ist von Sr. Excellenz dem Herrn Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten auch für das laufende Jahr ein Zuschuss von 400 Thlr. zur Unterhaltung ihres pomo- logischen Muster- und Versuchs- Gartens und der damit verbundenen Baumschule geneigtest bewilligt, und in Aussicht gestellt worden, dass dieser Zuschuss auch für die folgenden 5 Jahre gewährt werden solle. Es drängt uns, auch an dieser Stelle hierfür unsern ehrerbietigsten Dank auszusprechen.

Die Vervollständigung und Vermehrung der Gesellschaftsbibliothek und der naturwissenschaftlichen Sammlungen ergiebt sich aus den Berichten des Conservators dieser Sammlungen Herrn Prof. Dr. Körber und des Bibliothekars Herın Dr. Theodor Oelsner.

Die Rechnung der allgemeinen Kasse und über den besonderen Fond der Section für Obstbau ist für 1872 von dem Schatzmeister Herrn Geheimen Commerecienrath Franek in sorgfältigster Weise gelegt und nach erfolgter Revision dem Rechnungslegenden dechargirt worden.

Das Stiftungsfest feierte die Gesellschaft am 23. Januar in gewohnter Weise.

Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren Secretaire Folgendes berichtet:

Die naturwissenschaftliche Section

(Secretaire: Herr Staatsrath Professor Dr. Grube und Herr Geheimer Bergrath Professor Dr. Römer)

hat neun Sitzungen gehalten. In diesen sprachen:

Den 17. Januar: Herr Oberbergrath Professor Dr. Websky über die Auffindung mikroskopischer Diamanten im Distriet Slataust am Ural, auffallend grosse Malachit-Zwillinge von Plauen und einige seltene neue Mineralien,

6 Jahres - Bericht

Herr Staatsrath Prof. Grube über einen neuen Scorpion (Andro- ctonus scrobiculosus) und einige neue Myriopoden einer Sen- dung aus Trranscaucasien von Dr. Radde.

Den 14. Februar: Herr Prof. Dr. F. Cohn über Bacterien und deren Beziehung zur Fäulniss und zu Contagien.

Den 13. März: Herr Professor Grube über die von der verw. Frau Geheimräthin Bernstein aus dem Nachlass ihres Sohnes, des Naturforschers Dr. Ag. Bernstein dem zoologischen Museum geschenkten Vögel und andere Thiere der Sunda- inseln.

Den 25. April: Herr Prof. Dr. Poleck über die experimentellen Grundlagen der sogenannten modernen Chemie.

Den 15. Mai: Herr Geheimer Bergrath Prof. Dr. F. Römer über Knochenreste von Rhinoceros trichorrhinus von Trachenberg, ferner über Versteinerungen des devonischen Kalksteins von Kielce in Polen und über einen Ceratites nodosus mit wohl erhaltener Schale und einen anderen mit zur Hälfte erhal- tener Mündung.

Herr Professor Grube über die pflanzenfressenden Cetaceen mit Hinweis auf Haut und Skelet des Manatus americanus und den Schädel von Italicore im zoologischen Museum, sowie über ein paar neue Spiodeen.

Den 24. Juli: Herr Professor Grube über eine lebende COlepsine maculosa aus der Gegend von Königsberg, den kürzlich entdeckten Ctenopiscus australis und die Familie der Cirra- tuliden.

Den 20. November: Herr Prof. Dr. Galle über den Verlauf und die Sichtbarkeitsverhältnisse des Venus-Durchganges im Jahr 1874 und über die zur Beobachtung desselben bisher getrof- fenen Vorbereitungen.

Den 4. December: Herr Prof. Dr. Römer über seine diesjährige Reise in Spanien.

Den 17. December: Herr Professor Dr. Göppert über das frühere Vorkommen des Elens in Schlesien.

Herr Prof. Dr. Grube über eine ungewöhnlich grosse Larve von Pelobates fuscus und noch einige wirbellose Thhiere des Baikalsees.

Die entomologische Section (Seceretair: Herr Hauptlehrer K. Letzner)

hat sich in dem Jahre 1872 zu zwölf Sitzungen versammelt, in denen folgende Herren Vorträge gehalten haben:

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. ;;

Herr Graf Matuschka: Ueber eine von ihm gesammelte, wahr- scheinlich neue Art der Gattung Laccobius aus der Plinius - Quelle in Bormio.

Herr Oberamtmann Naake: 1) Ueber die besonders bei den Gross- schmetterlingen angewendeten und anzuwendenden Tödtungsmittel. 2) Ueber seine entomologische Ausbeute in der Umgebung der Grotte von Monsummano und über die Heilkraft der letzteren bei chronischem Rheumatismus.

Herr Dr. Schneider: 1) Ueber die Beziehungen der Insecten zu den Pilzen. 2) Ueber Pilze in und auf Insecten.

Herr Dr. E. Schwarz: 1) Ueber die Unterschiede der deutschen Arten der Gattung Throscus. 2) Ueber die europäischen Philhydrus-Arten. 3) Ueberblick über die Sammelthätigkeit der schlesischen Coleopterologen im Jahre 1872. |

Herr Dr. Wocke: 1) Ueber den Albinismus bei den Schmetter- lingen. 2) Ueber das Vorkommen der Raupe von Eupithecia Digitaliata D. in Schlesien. 3) Ueber Coleophora brevipalpella n. sp. 4) Elachisia con- sortella, für Schlesien neue Species.

Der Seeretair: 1) Ueber 33 für Schlesien neue Käferarten. 2) Ueber die Entwickelung des Lasioderma serricorne in der Rhabarber auch im Laufe dieses Jahres. 3) Ueber Hydrobius Rotienbergü Gerh. (n. sp.) 4) Ueber Gymneltron Schwarzü n. sp. 5) UÜ&ber das Massen-Auftreten der Chlorops ornata M. zu Steinau an der Oder, Erdmannsdorf, Hammerhof bei Schmiedeberg, Schönau bei Landeck, Tarnowitz und Gross - Ossnigk bei Cottbus.

Die botanische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn)

hat im Jahre 1572 neun ordentliche und eine ausserordentliche - Sitzung gehalten; es trugen vor die Herren:

Dr. David, z. Z. Lehrer der Botanik an der Kgl. höheren Lehr- anstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim a. Rh., über Entwickelungs- geschichte von Chroolepus.

Geheimrath Prof. Dr. Göppert: über Verwachsung beim Pfropfen über die Wirkung des Beschneidens auf die Wurzeln über die mor- phologische Sammlung des Herrn v. Thielau auf Lampersdorf über das Arboretum von Muskau unter Vorlage eines von dem Director Petzold eingesendeten Herbar über die Witterung der letzten Monate und ihre Wirkung auf die Vegetation.

Rittergutsbesitzer Max Heimann auf Wiegschütz bei Cosel: über Pfropfhybride bei Kartoffeln.

8 Jahres-Bericht

Professor Dr. Körber: über Fleehtengonidien über die Gattung Ledicelia über die im Besitz der Schlesischen Gesellschaft befindlichen botanischen Sammlungen.

Mittelschullehrer Limpricht über die Phanerogamenflora von Grüne- berg über die Moosflora des Annaberg über neue Bürger der Schlesischen Laubmoosflora.

Dr. phil. W. G. Schneider: über seltene Pilze aus der Gegend

von Reinerz über Aecidium pallidum über Puccinia Helianthi. Herr B. Stein: über interessante Moose und Flechten über den Schlesischen botanischen Tauschverein —- über zwei Exeursionen nach

der Babia Gora.

Dr. G. Stenzel: über Milde’s Verhältniss zum Darwinismus.

Der Secretair der Sretion: über einen Meteorstaubfall bei Gnaden- frei über mikroskopische Hilfsapparate über die reizbaren Staub- gefässe der Opuntien über Hansteins phyllotachischen Apparat,

Zum Vortrag kamen folgende Mittheilungen eorrespondirender Mit- glieder der Herren:

Oberstabs - und Regimentsarzt Dr. Schröter in Rastadt: über einige Schlesische Uredineen Verzeichniss der im Breslauer botanischen ®arten gefundenen Pilze.

Herr R. v. UVechtritz: über die im Jahre 1872 in Schlesien ge- machten Entdeckungen neuer oder seltener Pflanzen.

LehrerZimmermann in Striegau: Spaziergang in den Striegauer Bergen am 2. November 1872 Verzeichniss seiner terratologischen Sammlung.

Am 12. Mai veranstaltete die Section die dritte Wanderver- sammlung Schlesischer Botaniker zu Strehllen und hielt eine ausserordentliche, zahlreich besuchte Sitzung auf dem Rummelsberg, in welcher die Herren: Geheimer Rath Göppert über interessante Vege- tabilien und über die paläontologischen Forschungen des Herrn R. Peck zu Görlitz, Herr Oberforstmeister Tramnitz über die Strehlener Berge, Herr v. Thielau über Stücke aus seiner Sammlung, Herr Dr. Stenzel über die Vegetationsgrenzen des Riesengebirges, Herr Prof. Körber über die im Besitz der Schlesischen Gesellschaft befindlichen botanischen Manu- | seripte und der Secretair über parasitische Algen Vorträge hielten. |

Das Stiftungsfest der botanischen Section ist in Gemeinschaft mit dem der entomologischen Section in gewohnter Weise am 21. December gefeiert worden.

Die medicinische Section (Seeretaire: Herr Privatdocent Dr. Freund, Herr Prof. Dr. Waldeyer [bis zum 8. März] und Herr Prof. Dr. Auerbach [vom 8. März an]) hat im Jahre 1872 achtzehn Sitzungen abgehalten, in welchen die fol- genden Vorträge und Demonstrationen vorgebracht wurden, nämlich:

der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 9

Von Herrn Privatdocent Dr. Nothnagel:

1) Ueber nervöse Nachkrankheiten des Typhus (1. Sitzung am 5. Januar).

2) Neue Exprrimente über eine Function des Grosshirns (9. Sitzung am 14. Juni).

Von Herrn Professor Dr. Köbner:

3) Ueber das pathologisch-anatomische Verhältniss der Lepra zur Tuberculose (1. Sitzung am 5. Januar).

4) Ueber die Lostorfer’schen sogenannten Syphilis - Körperchen (7. Sitzung am 12. April).

5) Zur Aetiologie der Psoriasis vulgaris (8. Sitzung am 3. Mai).

Von Herrn Professor Dr. Waldeyer:

6) Ueber Hermaphroditismus mit Demonstration der Catharina Hoh- mann (2. Sitzung am 19. Januar).

7) Demonstration eines von Medieinalrath Prof, Spiegelberg ex- stirpirten, invertirten uterus (3. Sitzung am 10. Februar).

Von Herrn Privatdocent Dr. Freund:

8) Ergebnisse seiner Untersuchung des Hermaphroditen Catharina Hohmann, durch welche die Schultze’schen Beobachtungen be- stätigt, ausserdem das Becken jener Person als männlichen Characters erkannt wurde (2. Sitzung am 19. Januar).

9) Ueber pathologische Anatomie und Behandlung der Haematometra und Haematocolpos bei uterus duplex mit einseitiger Atresia vaginae (7. Sitzung am 12. April).

10) Ueber Macrosomia partialis (7. Sitzung am 12. April).

11) Ueber die organischen Grundlagen der climacterischen Beschwer- den (13. Sitzung am 11. October).

Von Herrn Privatdocent Dr. Sommerbrodt:

12) Ueber den Einfluss von Blutergüssen in das Lungengewebe auf das letztere selbst (3. Sitzung am 10. Februar).

Von Herrn Geheimen Medieinalrath Prof. Dr. Göppert:

15) Ueber die essbaren und die giftigen Pilze und Schwämme (4. Sitzung am 23. Februar).

Von Herrn Privatdocent Dr. Hermann Cohn:

14) Ueber die Anwendung des Strychnins bei Amaurosen und Am- blyopieen (4. Sitzung am 23. Februar).

15) Demonstration zweier Fälle von gelungener Blepharoplastik (5. Sitzung am 8. März).

16) Ueber einen Augenspiegel zu schneller Refractionsbestimmung (12. Sitzung am 4. October).

17) Ueber Nachstaar-Operationen (7. Sitzung am 4. October).

10 Jahres-Bericht

h. Von Herrn Dr. med. Gustav Joseph:

18) Ueber eine Linea semicircularis suprema (Joseph) am Hinterhaupts-

bein des Menschen (5. Sitzung am 8. März). i. Von Herrn Professor Dr. Heidenhain:

19) Ueber Apomorphin als Emeticum. (5. Sitzung am 8. März).

20) Zur Histologie der Nieren (5. Sitzung am 8. März).

21) Ueber die Einwirkung verschiedener Gifte: Atropin, Calabar, Digitalis, Nicotin, Schwefeleyankalium auf die Speicheldrüsen (5. Sitzung am 8. März).

k. Von Herrn Dr. med. Ludwig Joseph:

22) Zur Anatomie der Uterus-Flexionen (6. Sitzung am 23. März).

23) Ueber das Verhältniss der Uretheren zum Uterus im normalen und in pathologischen Zuständen (14. Sitzung am 1. November).

l. Von Herrn Dr. med. Schnabel: 24) Ueber einen Fall von Exophthalmie als Symptom von Meningitis (6. Sitzung am 23. März). m. Von Herrn Dr. med. Martini: 25) Ueber Uterus und Vagina duplex (9. Sitzung am 17. Mai). n. Von Herrn Dr. ıned. Lipschitz: 26) Ueber giftige Bunt-Papiere (9. Sitzung am 17, Mai). vo. Von Herrn Sanitätsrath Privatdocent Dr. Paul:

27) Demonstration eines Knaben, an welchem nach Resection eines Ellenbogengelenks ein brauchbares Gelenk sich bildete (10. Sitzung am 7. Juni). |

p- Von Herrn Privatdocent Dr. Hirt: |

28) Ueber die Verwendung giftiger Substanzen zu gewerblichen | Zwecken und die bezüglichen polizeilichen Vorschriften (zehnte Sitzung am 7. Juni).

q. Von Herrn Dr. med. Horwath aus Kiew:

29) Zur Physiologie der thierischen Wärme (12. Sitzung am 4 ten October).

r. Von Herrn Apotheker Müller: |

30) Ueber den geringen Werth der Kohlenfilter in gesundheitlicher | Hinsicht (12. Sitzung am 4. October). |

31) Chemische Untersuchung der Excremente in einem Falle von |

. |

Stearrhoe (im Anschlusse an den Vortrag des Herrn Dr. Schmeid- ler in der 8. Sitzung am 13. December). s. Von Herrn Dr. med. Riesenfeld: 32) Ueber erfolgreiche Anwendung subeutan eingespritzten Ergotins in einem Falle von ‚ibroma uteri (13. Sitzung am 11. October). t. Von Herrn Geheimrath Dr. Grätzer: | 33) Ueber die Armenkrankenpflege Breslau’s i. J. 1871 (14. Sitzung am 1. November). |

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 11

Von Herrn Geheimrath Professor Dr. Lebert: 34) Ueber die Lungenkrankheiten der Affen und ihr Verhältniss zu denjenigen des Menschen (15. Sitzung am 15. November).

je

v. Von Herrn Professor Dr, Förster: 35) Ueber die Schutzmittel gegen die Cholera (16. Sitzung am 22ten November).

w. Von Herrn Dr. med. Asch: 36) Ueber die Canalisation grosser Städte (17. Sitzung am 29 ten November).

x. Von Herrn Dr. med. Schmeidler: 37) Ueber einen Fall von Stearrhoe (18. Sitzung am 13. December).

In der Sitzung vom 8. Mai wurde an Stelle des von Breslau nach Strassburg berufenen Herrn Professor Waldeyer als zweiter Secretair Herr Professor Dr. Auerbach gewählt; derselbe nahm die Wahl an.

Die meteorologische Section (Seeretair: Herr Professor Dr. Galle.)

hat im Jahre 1872 eine Sitzung am 10. Juli gehalten, in welcher Herr Georg v.Boguslawski aus Stettin einen Vortrag über Schiaparelli’s astronomische Theorie der Sternschnuppen hielt.

Die technische Section Secretair: Herr Dr. phil. Meusel.)

hielt im Laufe des Jahres 1372 vier Sitzungen, in welchen folgende Vorträge gehalten wurden:

Erste Sitzung: 1) Anwendung der Flammenschutzmittel. Vom Secretair. 2) Ueber die in den Gewerben angewandten Farben in sanitätspolizeilicher Hinsicht mit besonderer Berücksichtigung der Breslauer Verhältnisse. Vom Secretair.

Zweite Sitzung: 1) Die neuen Bergwerksversuche bei Lauban, der dort gefundene Kupfercoprolithen- und Paraffinschiefer. Vom Secre- tair. 2) Die neuen Milchmesser,. Vom Secretair. 3) Speetroscopische Erscheinungen. Von Herrn Dr. Büchler.

Dritte Sitzung: Die Entluftung des Wassers. Herr Fabrik- besitzer A. Anderssohn.

Vierte Sitzung: Die Kalksalze, der Marmor, der Gyps, die Seekreide Schlesiens. Besprechung der neuesten Funde. Der Secretair,

12 Jahres-Bericht

Die Oekonomische Section (Secretair: Herr Forst-, Oekonomie- und Stadtrath Dr. Fintelmann) hielt im Jahre 1872 drei Sitzungen ab.

In der ersten Sitzung am 24. Januar erstattete der Secretair zuerst Bericht über die eingegangenen Schriftstücke und legte die bis dahin eingegangenen Preisverzeichnisse über verkäufliche Düngemittel und land- wirthschaftliche Sämereien vor. Demnächst folgte ein kurzer landwirth- schaftlicher Literaturbericht des vergangenen Jahres, wobei namentlich eine Abhandlung von Dr. Moritz Fleischer: „Versuch über den Einfluss der Ernährung auf die Milchproduetion“ im Journal der land- wirthschaftlichen Versuchsstation Weende VI. Band 4. Heft zur näheren Besprechung kam.

In der zweiten Sitzung am 4. April theilte der Secretair zuerst den Inhalt der eingegangenen Schriftstücke mit, ebenso den Bericht des landwirthschaftlichen Centralvereins für Schlesien aus dem Jahre 1871. Sodann wurde die von Herrn Georg von Kessel- Zeutsch gestellte Frage: „welche Maassregeln empfehlen sich, um den provinziellen Flachs- bau zu fördern?“ zur eingehenden Debatte gestellt.

Hieran schloss sich endlich eine Besprechung über die Cultur des Moor- und Haidebodens in Folge eines von Wilhelm Peters an den Herrn Minister für die landwitrthschaftlichen Angelegenheiten erstatteten Berichtes über eine Reise in die jütischen Haiden.

In der dritien am 13. December abgehaltenen Sitzung gelangten zuerst die eingegangenen Preisverzeichnisse und Schriftstücke zum Vor- trage. Zur näheren Besprechuug kamen ferner noch: ‚‚die Bildung von Provinzialfonds“ von EC. M. von Unruh, der ‚‚rheinische Pflug“ von Schmitz von der Hübsch, der „Jahresbericht über den Zustand der Landeseultur in Preussen für das Jahr 1871‘, die schwedischen Meiereien auf Actien, die ländliche Arbeiterfrage und mehrere andere wichtige Gegenstände.

Die Section für Obst- und Gartenbau (Secretair: Herr Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller)

hat im Jahre 1872 dreizehn Sitzungen gehalten; es trugen vor: Herr Geheimer Rath Professor Dr. Göppert: Ueber bisher noch unbekannte Vorgänge beim Veredeln der Bäume Herr Kaufmann Hutstein: über die Cultur der alpinen Gewächse Herr Professor Dr. Ferd. Cohn über Hyacinthen und über eine Reise nach Italien der Gärtner der Section, Herr Jettinger: über Erdbeeren und deren Cultur, und Herr Geheimer Rath Professor Dr. Göppert: über das gegen Ende November

WE N

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 13

d. J. häufige Vorkommen von Frühlingsblumen. Die von einer grösseren Anzahl hiesiger und auswärtiger resp. Mitglieder eingegangenen und zum Vortrag gelangten Abhandlungen, kleineren Berichte über mannigfache Gegenstände von gärtnerischem Interesse und Vorlegung interessanter Pflanzen und Früchte, denen sich bezügliche Besprechungen und weitere mündliche Mittheilungen anreihten, gaben anerkennenswerthes Zeugniss für das zunehmende Interesse an den Bestrebungen dieser Section. Ausserdem kamen innere Angelegenheiten und laufende Geschäfte der Section zur Berathung. An die resp. Mitglieder wurden auch im Frühjahr d. J. reiche Samen - Sortimente empfehlenswerther Gemüse- und Florblumen, deren Sorten theils einige Mitglieder freundlich zuwendeten, theils aus dem Garten der Section, oder aus den besten Bezugsquellen entnommen - waren, zum Versuchsanbau und Berichterstattung gratis vertheilt.

Bezüglich der Bewirthschaftung des Pomologischen und resp. Obst- baumschul- und Versuchsgartens wurde zunächst Sorge dafür getragen die bedeutenden Schäden, welche der Winter von 1870/71 in demselben verursacht hatte, weiter zu repariren und eine noch zweckmässigere Ein- theilung desselben herzustellen. Im Uebrigen erfolgte die sorgfältige Bewirthschaftung des Gartens nach dem sich dafür bewährt erwiesenen Plane und fanden die herangezogenen jungen Obststämmehen meist durch die resp. Mitglieder, sowie auch die Nebenproducte bereite Abnahme.

Immer empfindlicher fühlbar und gradezu nachtheilig für die Pflege des Gartens erweist sich aber der Mangel eines Gärtnerhauses in demselben.

Zwar verdankte auch in diesem Jahre dem Minister für die land- wirthschaftlichen Angelegenheiten Herrn von Selehow Excellenz die Section die schon früher auf mehre Jahre zur Unterhaltung ihres Gartens gnädigst zugesicherte Subvention von 400 Thlr. uud in Folge einer Petition des verehrlichen Präsidii der Schlesischen Gesellschaft die dank- barst aufgenommene Versicherung gnädiger Gewährung der gleichen Beihilfe auf weitere 5 Jahre, auch werden voraussichtlich dem vorig- jährigen Bestande der Sections- Gasse mit Schluss dieses Jahres weitere ca. 700 Thlr. hinzugefügt werden können. |

Hiermit sind jedoch die zum Bau eines Gärtnerhauses erforderlichen Geldmittel noch nieht gewonnen, sie fehlen vielmehr gänzlich und um so mehr, als die vorhandenen Kassenbestände in den beiden nächsten Jahren ihre Verwendung lediglich auf die Bewirthschaftung des Gartens werden finden müssen, weil derselbe während dieser Zeit wegen der vor 2 Jahren erlittenen Schäden nur äusserst geringe Erträgnisse gewähren wird.

Um nun aber das recht eigentlich unabweisliche Bedürfniss eines Gärtnerhauses der endlichen Befriedigung zuzuführen, wird die Seetion demnächst Veranlassung nehmen, ihren und den resp. Mitgliedern der Schlesischen Gesellschaft um freundliche Beihilfe hierzu näher zu treten.

14 Jahres-Bericht

Historische Section. (Secretair: Herr Professor Dr. Kutzen.)

Die historische Section hat während des Jahres 1872 vierzehn Sitzungen gehalten, in welchen hauptsächlich folgende Abhandlungen zum Vortrag und zur Besprechung kamen:

Am 11. und 18. Januar über den im Jahre 1614 in der kurbranden- burgischen Linie der Hohenzollern erfolgten Confessionswechsel von Herrn Proreetor Prof. Dr. Schmidt aus Scehweidnitz.

Am 25. Januar über den Kölner Kurfürsten Friedrich von Wied (1562—1567) von Herrn Professor D. Reimann.

Am 15. Februar über die Geschichte Schlesiens und besonders Breslau’s nnter König Ladislaus Posthumus von Herrn Gymnasial- Ober- lehrer Dr. Markgraf. |

Am 22. Februar über denselben Gegenstand von demselben Ver- fasser (Fortsetzung und Schluss).

Am 14. März über das Heuscheuer-Gebirge und dessen Beziehungen zu den Menschen von dem Secretair der Section.

Am 18. April über Bolko I. von Schweidnitz und einige seiner Nachkommen vom Reector der höheren Töchterschule Herrn Dr. Luchs.

Am 8. Mai über die Gründung, die Besitzungen und Schicksale des Klosters Leubus vom Staatsarchivar Herrn Professor Dr. Grünhagen,

und über die Hauptkirche daselbst und deren Grabdenkmäler, von Herrn Professor Dr. Alwin Schultz.

Am 12. Mai Excursion nach Leubus und Vortrag daselbst über Baustil und Alterthümer der dortigen Kloster- und kirchlichen Gebäude von Herrn Rector Dr. Luchs.

Am 30. Mai über die Sage von der Bestattung Karls des Grossen von dem Privatdocenten an der Universität Herrn Dr. Lindner.

Am 17. October über die französische Expedition nach San Domingo in den Jahren 1802 und 1803 von Herrn Dr. Mosbach.

Am 31. October über den Handel und die Industrie Schlesiens am Ende des 17. Jahrhunderts vom Staatsarchivar Herrn Prof. Dr. Grün- hagen.

Am 21. November über einige mit den Robinsonaden verwandte Erscheinungen in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts von dem Lehrer an der Realschule zum heiligen Geist Herrn Dr. Bobertag.

Am 12. December über die schlesischen Einungen im 14. Jahr- hundert vom Secretair des Königl. Staatsarchivs Herrn Dr. Grotefend.

Die pädagogische Section (Secretair: Director der Realschule am Zwinger Herr Dr. phil. Kletke)

hat im Laufe des Jahres keine Versammlung gehalten.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 15

Die philologische Section

(Secretair: Herr Professor Dr. Palm)

hat im Jahre 1872 sechs Versammlungen gehalten:

1. Am 9. Januar las Herr Gymnasial-Lehrer Peiper über das Pervigilium Veneris.

2. Am 27. Februar Herr Gymnasial - Lehrer Dr. Müller über Scherer’s Theorie des Ablautes und der Lautverschiebung im Deutschen.

3. Am 16. April Herr Gymnasial-Lehrer und Privatdocent Doctor R. Förster über eine Inschrift aus Arkadien.

4. Am 4. Juni Herr Gymnasial-Lehrer Dr. Weniger über Caesars Rheinbrücke (De bello Gallico IV., 17).

5. und 6. Am 29. October und 17. December der Secretair der Section Professor Dr. Palm über Daniel von Czepkos deutsche Dich- tungen.

Die archäologische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Alwin Schultz)

hat im Jahre 1872 acht Sitzungen gehalten, es trugen darin vor:

Il) am 19. Januar Herr Privatdocent Dr. Blümner über Broncen des Wiener Antiken-Cabinets;

2) am 2. Februar Derselbe die Fortsetzung desselben ;

3) am 1. März der Secretair über mehrere neuere Publicationen im Gebiete der Archäologie;

4) am 7. Juni Herr Privatdocent Dr. Blümner über die neuesten Publieationen der Petersburger archäologischen Commission;

5) am 25. Juni Herr Privatdocent Dr. Richard Förster über das Theseion in Athen;

6) am 22. November Herr Privatdocent Dr. Richard Förster, archäologische Mittheilungen ;

7) am 28. November der Secretair über eine Bilderhandschrift der königlichen und Universitäts-Bibliothek ;

8) am 20. December Herr Privatdocent Dr. Richard Förster über die Aldobrandinische Hochzeit und einige neue Publicationen;;

der Secretair über Giv. Batt. Rossi’s römische Mosaiken

und R. Bergau’s schönen Brunnen zu Nürnberg.

Die juristische Section (Seeretair: Herr Appellations-Gerichts-Präsident Dr. jur. Belitz) hat im Laufe des Jahres 1872 vier Sitzungen gehalten.

Am 6. März sprach Herr Dr. jur. Teichmann über das Tele- graphen-Strafrecht.

16 Jahres-Bericht

Am 20. März; Herr Referendar Dr. jur. Max Cohn sprach über das Verhältniss der deutschen Reichs-Gewerbe-Ordnung zu den gewerbe- polizeilichen Vorschriften der Landesgesetzgebung.

Am 17. April; Herr Professor Dr. Friedberg sprach über die Rücksichten der öffentlichen Gesundheitspflege auf die Gefängnisse.

Am 11. December; Herr Professor Dr. Neumann sprach über das neue Strafgesetzbuch vom psychologischen Standpunkte.

Die musikalische Section. (Seeretair: Herr Königl. Musikdireetor Dr. Schäffer.)

Die musikalische Section hat im verflossenen Jahre 1872 eine Sitzung am Dienstag den 10. December gehalten. In derselben hielt der Herr Sectionssecretair einen Vortrag über Robert Franz und die indi- vidualistischen Tendenzen der Neuzeit.

Bericht über die Kassen-Verwaltung pro 1871.

Der Kassen - Abschluss des Jahres 1870 ergab für die Allgemeine Kasse einen Baarbestand von 487 Thlr. 22 Sgr. 8 Pf. und einen Effeeten- bestand von 7700 Thlr.

Die Einnahmen im Jahre 1871 betrugen 2908 Thlr. 28 Sgr. 6 Pf., gegen das Vorjahr, in welchem dieselben 2918 Thlr. 12 Sgr. 6 Pf. be- tragen haben, 9 Thlr. 14 Sgr. weniger.

Die Ausgaben beliefen sich auf 2443 Thlr. 13 Sgr. 8 Pf., gegen das Vorjahr, in welchem sich dieselben auf 2739 T'hlr. 4 Sgr. 11 Pf. belaufen haben, 295 Thlr, 21 Sgr. 3 Pf. weniger.

In dem Bestande der Effeeten der Allgemeinen Kasse ist im Laufe des Jahres 1871 eine Veränderung nicht eingetreten, und es verblieb am 31. December 1871 ein Baarbestand von 9553 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf. und ein Effecten-Bestand von 7700 Thlr.

Die Specialkasse der Section für Obst- und Gartenbau schloss am 31. December 1370 mit einem Bestande von 92 Thlr. 22 Sgr. 2 Pf.

Die Einnahmen betrugen 2466 Thlr. 26 Sgr. 1 Pf., im Vorjahre 1750 Thlr. 8 Sgr. 6 Pf., also im Jahre 1871 mehr 716 Thlr. 17 Sgr. 7 Pfennige.

Die Ausgaben betrugen 2323 Thlr. 1 Sgr. 4 Pf, im Vorjahre 1660 Thlr. 16 Sgr. 6 Pf., also pro 1871 mehr 662 Thlr. 14 Sgr. 10 Pf., einschliesslich der Ausgabe für angekaufte 600 T'hlr. zinstragende Effecten,

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Keen \Xbschluse für das Jahr 1872. Soll |

an Ist eingekommen. ADEUL Ist verausgaht laut 2 —— ; 1 re Allgemeine Kasse, u er Re dem Eat 0 Allgemeine Kasse, 1872/73. In aa ; Effecten. Baar. Dh Einnahme. Ä el eb | 6 9 Ausgabe. e” ee Here An Bestand aus dem vorigen Jahre . . » » . me. . . ..| 7700 953 iM. 6 600 1— | | Miethe . 5 a —.,.600.,| Same 316|15/— | Zinsen von Eifecten: 180 I|— | | Honorare und Remunaren ln : 150,1 von 2400 9. Niederschles.-Märk. Eisenbahn-Pr.-Oblig. a 4% 96 +% 400) |— | Gehalt dem Castellan . = 400, | se 1200 Bresl.-Schweidn.-Freib, Eisenbahn-Prior.-Oblig. 15 | —|— | Neujahrsgeschenk demselben = 15. ee für das 1. Sem. 44% . 2 Er. 3I—|1— ns dem Haushälter Se rn er RI en e pe 3, ae für das 2. Sem. wegen Umtausch von 100 Heizung ..° sn Et en a 6 200 4g.4% gegen 200 .. 44% Oblig. 244 „, 35) I lFBeleuchtuner au IE Ne NEE NER D9 des _ 85 | ol © 481, 10 | | Unkerkaltuns der Mobilien Beat No arzchaffungen N De Fe 29 Di » 900 Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. E.& 32% . 311, 20, ||| ‚Reuierversicherunae Pro na Atmen: _ Pe 177000, e » 9 nm „Disks. 404, 1.18 al Bchreibmaterialten Bar & 1025.26 ae au ERBE BEE Wi BER: _ 21. | De » 300 Preussische Prämien-Anleihe & 33% . . . 10L,, =3 210 Zeitungs Annoncen, ee ee | 155 |10 | » 2000 Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. G. a4% . 90 900: == —|.Druckkosten!. 1. ee ee nn 2833 Kolere Te la I 68 = NBuchbinder Anpeitenp En la _ 93 1.1210 1716| --/|—| ‚, Beiträgen einheimischer Mitglieder: EU |, Borto Fe. 0 De 1 34 | 14 | 10 Pro I. Semester von 277 Mitgliedern & 3 831 vg: 15|15|) | Kleine Aussaben . . . ae Ve rer Se RE N 202 nd SER 5 290 # AB BE... 870 ;, 25|— | | Naturwissenschaftliche Sedkbn En em Tee _ 20 | —| - ee on 5 en 20: | | Entomologische (Secton m an 2... Delphi = 16 [25 | 296 | | Beiträgen auswärtiger Mitglieder: 60) | ;Technische., Section Re ee ne, 62 | 26 4 Pro I. Semester von 71 Mitglieden & 2 2. ..... 142 28:—> | Bolanische Section Wer u 26 |— | SI aR, Bl \ a2 ame. 142 ll. QeconümischenSeeion a. == a) = Be Da a 00 | Binlioihekzgg zeree a EN Ra 1 198 RIDR ENG 36/—|—} Eintrittsgebühren neuer Mitelieder 28: & 3 +. 84 | | ||| 157) |—| Unvorhergesehene Ausenbil BL. zu mL06 IE 150/—|—| Miethsbeitrag vom Schlesisehen Kunst-Verein == 150) | Für an Stelle der verloosten 200 +7: Ag Hieihnrgen Bar Ohlie, eindekanit: | I, N r Gewerbe-Verein en 1800| —| 200 6 41% Bieiburgen Prior.-Oblie. . ... . 2. 2.000. | 17 [27|9 ee 1 ni „» klassischen Musik-Verein 4383| | Für ausgegangene verl. 200 #5. 4% Freiburger Prior.-Obig. . 2... 200 a 100|—|—| ‚„ Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat 100 | | Auskereewöhnliehe Hinnalmen: " u fr Bestand am Schlusse des Jahres 1872: | Vom Verein für bildende Künste . . . 0 __ _—_ 2400 4: % Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. | Für Benutzung des Locals . . . . BELe 1000 „, 4 Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. | Für Gasbenutzung . . 1313: 9 200 , Ri » » » DENE Zinsen von zeitweise sauce ahakın ER 52 15 900 „„ 33% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. E. Für eingezogene Valuta einer verl. 4% Freib. Pr Ob. 20) a | 900 45% b) 2) LüF. Se) | 2000 44% a en SEN Für an die Stelle dieser verl. 4% Prior.-Oblig. eingekauft 200 +4. 44% Rrei- 300 33% Prämien. Anleihe ) 78 burger Prior. Oblig. (siehe Ausgabe) eo . 200m le 7700 | 920 { f 7900 | 1105 | 9 | 1900 |4105 | 9 3

Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.

Pr U e “r% vr u 7 wu m. De), . =. pP u ”ı ER u zZ Fr} v » Ser

Kan Skechlus fir das J ahr 1872.

Ist eingekommen. L Ist verausgaht. Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. |zrecten) Baar. Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. lüneion| Baar “% MM db | 2.0007 Ausgabe. zo 1 ru das 6 Einnahme. Für den Lesezirkel: | Journale und Bücher . . : Bei... 21 Du An Bestand aus dem vorigen Jahrer 1. nn NONE 600 236.1 16 ll Colportage 1... Fa ri 48 u | oe | Buehibinderarbeiten . esemme ee ern MEN. = Zinsen von Activ-Capitalien: Beleordnana IE: . | | von 600 »g: 43% Oberschl. Eisenb.-Pr.-Obl. vom 1. Oetbr. 1871 bis 1. Octbr. 1872 pa Da ee 27 ne : Mitglieder-Beiträgen: Für Sämereien 2 Edelreiser zur Vertheilung: | | von 26. einheimischen..a Vim. cn uns u a 6 te Sämereien ..'. .:, .. EEE... 0 369 I | 284 auswärtigen AL yo... an Se 7.54 Eimpfangs- und Versendunesemsn . ....... 7,35, 9 nn | | 2 Byeyoe es nn | 54 |5/6 Insgemein: | | Beiträgen für den Lesezirkel: | R ER : Porto ; 22 7 Ph 3 2P y:0n..6@..Miteliedern @&, 1 er U en NIE bei: Gelee Imeeonsosten RE Alp che Einnahmen für den Garten und dessen Erträgnisse: ale) oelen 1222 2 ee Ele N a Ber A eher Bu Angesthatfte Werke und Buchbinderarbeiten b) 12 ,„ Beiträge von 39 einheimischen Mitgliedern . ... ... . 2... 4 Ag: 5 ä | 142 auswärtigen 169 Kleine Ausgaben . EN ag | 2 Dh % N ne 2 Exträordinaria .. er. a ran r | a ln - 128 dal, 3 Einnahmen für Edel-Obstbäume, Sträucher und Weinreben . . 821 ng 24 MI pp Für den Garten: für verschiedene Garten-Produdte . . ..2...... 215 „15 „6 n Gärtnergehalt und Weihnachtsgeschenk .......41 2: 19 9% —15,10374 30 3 Arbeitslöhne‘.. .. . „ren. ELENA Dr eur 1208 >. 2 . i EDER Dunsgstoffe 1 hen LO). =, Subvention von dem Landwirthschaftlichen Ministerium . 2 22 oo 2 _ 400 | | Sämereien, Obst-Edelbäume und Reiser .......28, 7,5, Für angekaufte 700 „9. 4, % Oberschl. Eisenbahn-Prior.-Oblig. im Nominalwerthe von . 700 —ı-|— Insogeong une Druckke a ee en. Baulichkeiten und Utensilien . ..... an en 2b an AR, Porto und Extraordinaria . . ı 2... IR OR NO ren | 1337 | 27 9 Für angekaufte Effeeten: 700 #9: 41/,% Oberschlesische Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen Litt. F. a 92°), und !Zinsen düss a nn = 698 u Bestand} ."R®. hu 3.5. Ve. MERK Tr N 43|9| 2 1500. K2s880 27 | 00° 1300 | 2358 |27| 2

Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 17

und es verblieb am 31. December 1871 ein Baarbestand von 236 Thlr. 16 Sgr. 11 Pf. und ein Effectenbestand von 600 Thlr.

Im laufenden Jahre haben weder bei den Einnahmen, noch bei den Ausgaben der Allgemeinen Kasse wesentliche Veränderungen stattgefunden.

Breslau, den 27. December 1872.

Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.

Bericht über die Bibliotheken der ‚‚Schlesischen Gesellschaft“ im Jahre 1872.

Während eine Anzahl neuer Tauschverbindungen geschlossen wurde (wofür bezüglich Nord-Amerika’s Herr Dr. Flügel in Leipzig seine Be- mühungen fortgesetzt, bezüglich Italiens Herr Dr. Senoner in Wien auf dankenswerthe Weise sich ihm angeschlossen hat), ist die Zahl der im Rückstand befindlichen Vereine ete. nicht vermindert und hinsichtlich unserer Provinz, obwol der vorjährigen Aufforderung unseres Präsidiums noch einige weitere Folge gegeben ward, doch eine Vollständigkeit noch nicht im entferntesten zu constatiren.

Zuwachs durch Ankäufe erwächst der „allgemeinen Bibliothek allermeist durch den medicinischen, den botanischen, den technischen uud den Gartenbau-Sections-Lesezirkel.e. Doch sind auch mehre besondere Anschaffungen zu erwähnen; voran das neue Elfmännerwerk über Alex. v. Humboldt (,,‚eine wissenschaftliche Biographie“ von K. Bruhns in Verbindung mit zehn anderen Gelehrten, Leipzig 1872, 3 Bde.); der Schlussband des Meitzen’schen Werkes über den Preussischen Staat; weitere Complettirung der ‚‚Annales de la societE entomologique‘, das „Bulletin“ der ‚‚Societe geologique de France“, „La Belgique horticole‘“ und v, Harold’s ‚Coleopterologische Hefte“. Für die „schlesische Biblio- thek‘“ wurden u. A. erworben: die grössere Ausgabe des „Monumentum pacıs etc.‘‘, ein Band Schriften des polyhistorischen Staatsmanns Dornau, eine 1715 in Breslau erschienene Uebersetzung des ‚Telemaque‘“, Ver- mehrung der Flugschriften-Literatur von 1848 und von 1870/71 und Anderes.

Durch Schenkungen grösseren Umfanges wurden die Bibliotheken erfreut seitens des Herrn Kaufmann F. W. Kramer Namens der Sasse’- schen Erben (183 Nrn. in 514 Bänden, nebst 29 Nrn. an Karten und Bildern, worunter 16 Atlanten und Hefte, 238 einzelne Karten und Ab- bildungen); ferner der Frau Dr. Krause als Nachtrag zu vorjähriger Schenkung (38 Werke in 76 Bdn. und 1 Atlas); von Herrn Geh.

2

18 Jahres-Bericht

Sanitätsrath Dr. Martini (66 Nrn. in 90 Bdn. und 1 Stahlstich) und von Herrn Apotheker Hensel (5 Werke in 8 Bdn. und eine Anzahl Abbildungen). Herr Geh. Rath Prof. v. Ehrenberg schenkte seine Arbeit „über das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben“, Herr Geh. Med.-Rath Prof. Barkow seine „Bemer- kungen über Gegenstände aus dem Gebiete der vergleichenden Ana- tomie, Physiologie und Zoologie‘ (1. Abtheilung 1871); Herr Prorector Krügermann 2 starke Volumina einer handschriftlichen eneycelopädischen Sammlung des verstorbenen Superintendent Nagel; Herr Graf J. A. von Hoverden-Pleneken den Schlussband des Registers zu seiner Samm- lung schlesischer Grabdenkmäler; Herr Superintendent Wolff seine „Geschichte der Mongolen“. Auch eine Anzahl auswärtiger Mitglieder fuhr in dankenswerther Weise fort, den Bibliotheken theils ihre eigenen, theils anderweite Schriften zuzuwenden. Ueber diese sowie über andere Einzelheiten, insonders auch über Interessantes aus den Universitäts- schriften geben die „‚Schlesischen Provinzialblätter‘“ des Unterzeichneten von Zeit zu Zeit Berichte. Dass zum ersten male die Doctor-Dissertation einer Dame eingegangen (Louisa Atkins aus London, von der Uni- versität Zürich: „über gangraena pulmonum bei Kindern“, 4 Bogen stark, nebst Beobachtungtabelle), darf vielleicht hier bemerkt werden.

Unter Denen, die sich durch Aufsammlung kleinerer Sachen beson- ders um die schlesische Abtheilung ein sehr willkommenes Verdienst er- worben, sind zu nennen die Herren Post-Commissarius R. Schück (jetzt in Danzig), Lehrer C. Klimke, Hofrath Krätzig, Artiquar Stett. Der Bibliothekar hat die Genugthuung, diesen Theil der Bibliothek eben- falls in grösserem Umfange bereichern zu können. Die Namen der einzel- nen gütigen Geschenkgeber sowohl wie die der in Tauschverband stehenden Vereine, Behörden und Institute sind, nebst der betreffenden Stückzahl, in der nachstehenden Zusammenstellung verzeichnet.

Der Ziffer nach belief sich der gesammte Zuwachs auf 946 Jour- nal-Nummern in 4151 Bänden, Heften, Mappen oder Blättern, und zwar entfallen hiervon:

auf die allgemeine Bibliothek 756 Nrn. in 2260 Bänden oder Heften,

auf die schlesische Bibliothek 153 Nrn. in 1534 Bänden, Heften oder Blättern,

auf die Sammlungen von Karten und Abbildungen 37 Nrn. in 357 Bänden, Heften oder Blättern.

Gesellschaftschriften sind durch Tauschverband eingegangen von 44 schlesischen (19 Breslau, 25 Provinz, hierunter 8 neu), 118 anderweiten deutschen (11 Berliner), 8 amerikanischen, 2 belgischen, 3 dänischen, ] englischen, 3 französischen, 8 italienischen, 3 luxembur- gischen, 3 niederländischen, 3 norwegischen, 1 ostindischen, 30 öster-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 19

reichischen (10 Wiener), 7 russländischen, 3 schwedischen, 11 schweize- rischen, 2 siebenbürgischen, 3 ungarischen, zusammen 209 ausserschle- sischen (hieruuter 23 neu) Vereinen, Behörden und Instituten.

Besonders zahlreich und werthvoll war die Zusendung der ‚‚Magyar Tudomanyos Academia“ zu Pest. Zu bedauern als ein bedeutender Verlust für den freien Austausch der wissenschaftlichen Arbeitfrüchte ist es jedoch, dass immer weiter die Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten ausschliess- lich in den betreffenden Landessprachen in Uebung tritt. Das fremde Idiom verschliesst die Früchte für die Weltbenutzung. Denn ausser den in Europa herrschenden Sprachen sich auch noch aller Seitenzweige zu bemächtigen, ist für den Gelehrten, wenn er nicht das Sprachgenie eines Mezzofanti zur Verwendung neben seinen anderweiten Berufsarbeiten mitbringt, unausführbar. _

Es sandten ein:

A. Bei der schlesischen Bibliothek.

a. Behörden, Institute, Vereine. *)

Das königl. Oberbergamt 2 Stücke, der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens 4, der Verein für das schles. Alterthümer-Museum 2, der Verein für Geschichte der bildenden Künste 1, der schlesische Kunst- verein 1, die Handelskammer 2, der Breslauer Gewerbeverein 4, der schlesische Forstverein 1, der kaufmännische Verein 1, der Centralverein für Gärtner und Gartenfreunde 5, die Universität 89, das Matthias-Gym- nasium ], das Magdalenen-Gymnasium 1, das jüdisch-theologische Seminar Fränkel’scher Stiftung 3, die Realschule I. (am Zwinger) 1, die städt. höhere Töchterschule I. 1, die städtische höhere Töchterschule I. 1, die Lindner’sche höhere Mädchenschule 1, die Blinden-Erziehungsanstalt 1 sämmtlich zu Breslau; die ökonomisch-patriotische Societät des Fürsten- thums Schweidnitz-Jauer zu Jauer 1, der Gewerbe- und Gartenbau-Verein zu Grünberg 3, die Philomathieen zu Neisse, Oels, Reichenbach je 1, die Gymnasien: zu *Bunzlau 11, *Glatz 2, Hirschberg 1, Leobschütz 1, Neisse (kgl. kathol.) 2, Oppeln 1, Gross-Strehlitz (Progymnas.) 1, Waldenburg 1, die Ritter-Akademie zu Liegnitz 1; die Real- und höheren Bürger- schulen: zu Guhrau 1, Kreuzburg 1, Landeshut 4, Neisse 1, Neustadt O.-S. 4, Sprottau 1, *Striegau 1; die landwirthschaftl. Akademie zu Proskau 4; die Provinzial-Gewerbeschulen zu Liegnitz 1, Schweidnitz 3; das Cura- torium der *Muster-Webe- und Fabrikantenschule zu Grünberg 24.

b. Einzelne Geschenkgeber.

Die Buchhaudlung Aderholz 1, die Herren Gymnasial-Director Prof. Dr. Fickert 4, Antiquar Finkenstein 1, Buchdruckereibesitzer Leopold Freund 2, Geh. Medicinal-Rath Professor Dr. Göppert 9, Graf J. A. von Hoverden - Plencken 1, Buchhändler Jacobsohn 2, Lehrer Klimke in Frankenthal bei Neumarkt 13, Kaufmann F. W. Kramer 16, Hofrath

*) Die mit einem * bezeichneten sind neu hinzugetreten. I%*

30 Jahres-Bericht

Krätzig in Brieg 3, Lehrer Kretschmer in Woitsdorf bei Brockendorf 3, Prorecetor a. D. Dr. Krügermann in Hirschberg 2, Kaufmann Lasswitz 12, Redacteur Berthold Lessenthin 4, Geheimer Sanitätsrath Dr. Martini in Leubus 2, Buchhändler Josef Max 2, Redacteur Th. Oelsner 783, Professor Palm 1, Antiquar Peuckert 15, Fräulein Marie Rambach 1, die Herren Castellan Reisler 13, Buchhändler Skutsch 5, Posteommissar R. Schück in Danzig 21, Antiquar R. Stett 1, die Redaction der Schle- sischen Zeitung 2.

Gekauft wurden 12 Nummern in 196 Bänden, Heften oder Blättern,

Eingetauscht wurden 7 Nummern in 223 Bänden, Heften oder Blättern.

B. Bei der allgemeinen Bibliothek.

a. Behörden, Institute, Vereine etc. *)

Der historische Verein von Mittelfranken zu Ansbach 1, der histor. Verein von Unterfranken zu Aschaffenburg und Würzburg 1, die schwäbisch -bayrische Gartenbau-Gesellschaft zu Augsburg 2, *der histor. Kreisverein im Regierungs-Bezirk Schwaben und Neuburg zu Augsburg 1, der Gewerbe- Verein der Stadt Bamberg 2, der histor. Verein zu Bam- berg 1, die naturforschende Gesellschaft zu Bamberg 1, die historische Gesellschaft zu Basel 1, die naturforschende Gesellschaft zu Basel 1, der historische Verein von Oberfranken zu Bayreuth 3, das Curatorium des deutschen Reichs- und preussischen Staats-Anzeigers zu Berlin 2, die kgl. preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 13, die Universität zu Berlin 7, die Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 1, die deutsche geologische Gesellschaft zu Berlin 4, die juristische Gesellschaft zu Berlin 1, der Verein für Siegel- und Wappenkunde zu Berlin 10, der Verein zur Beförderung des Gartenbaues in deu preussischen Staaten zu Berlin 1, die Gesellschaft für Heilkunde (medieinische Gesellschaft) zu Berlin 3, das Landes- Oeconomie-Collegium 8, der landwirthschaftliche Provinzial- Verein für die Mark Brandenburg und die Niederlausitz zu Berlin 4, die naturforschende Gesellschaft zu Bern 2, die Academia delle scienze dell’ Instituto zu Bologna 4, der landwirthschaftliche Verein von Rheinpreussen zu Bonn 3, der naturwissenschaftliche Verein der preuss. Rheinlande und Westphalens zu Bonn 3, die Universität zu Bonn 59, *der Verband der rheinischen Gartenbauvereine zu Bonn 1, die Societe des sciences physiques el naturelles zu Bordeaux 4, der Verein für Land- und Forstwirthschaft zu Braunschweig, und zwar dessen Gartenbausection 4, Obstbausection 4, *der landwirthschaftliche Centralverein des Herzog- thums Braunschweig daselbst 12, der naturw. Verein zu Bremen 2, der landwirthschaftliche Verein für das Bremer Gebiet 2, das Institut für Heilgymnastik zu Bremen 1, der naturforschende Verein zu Brünn 1, die Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landes- kunde zu Brünn 5, deren Obst-, Wein- und Gartenbau-Section 12, die Academie royale de medecine de Belgique zu Brüssel 13, * die Societe palaeo- logique de Belgique zu Brüssel 1, das Geological Survey Office of India zu Caleutta 5, das Museum of comparative zoologie zu Cambridge (Amerika) 3,

*) Die mit einem * bezeichneten sind neu hinzugetreten.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. vn

der erzgebirgische Gartenbau-Verein zu Chemnitz 2, die Societe imp. des sciences naturelles zu Cherbourg 3, die Videnskabernes Selskabet zu Christiania 8, das Institut meteorologique de Norvege daselbst 1 nebst einem Atlas, die naturforschende Gesellschaft in Graubündten zu Chur 1, die Direction der Gärtner-Lehr- Anstalt zu Cöthen 12, die naturforschende Gesellschaft zu Danzig 1, der Verein für Erdkunde und mittelrheinische geologische Verein und die grossherzoglich hessische Centralstelle für Landesstatistik 1, der historische Verein für Grossherzogthum Hessen zu Darmstadt 1, *der Gartenbau-Verein zu Darmstadt 1, der Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar und angrenzenden Landestheile zu Donaueschingen 1, die gelehrte estlinische Gesellschaft zu Dorpat 4, * die SocietE royale des Sciences zu Drontheim 1, das kgl. sächs. statistische Bureau zu Dresden 13, die naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“ zu Dresden 3, die photographische Gesellschaft „Helios“ zu Dresden 8, die ökonomische Gesellschaft im Königreich Sachsen zu Dresden 3, *die Gesell- schaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden 10, *die Gesellschaft „Flora“ für Botanik und Gartenbau im Königreich Sachsen zu Dresden 2, der natur- wissenschaftliche Verein der Rheinpfalz ‚Pollichia‘“ zu Dürkheim 1, der bal- tische Centralverein zu Eldena 3, die naturforschende Gesellschaft zu Emden], der Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Erfurt 1, die physi- kalisch-medicinische Societät zu Erlangen 1, die Universität zu Erlangen 23, die Soc. geografica Italiana zu Florenz 1, der physikalische Verein zu Frankfurt a. M. 2, die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft zu Frankfurt a. M. 1, der Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt am M. 3, die Gartenbaugesellschaft „Flora“ daselbst 2, der landwirthsch. Centralverein zu Frankfurt a. d. OÖ. 1, *die schweizerische naturforschende Gesellschaft zu Frauenfeld 1, der Alterthum-Verein zu Freiberg 1, der Gewerbe-Verein zu Freiberg 3, die Universität zu Frei- burg i. B. 15, die naturforschende Gesellschaft zu Freiburg i. B. 1, der historische Verein zu St. Gallen 2, die naturwissenschaftliche Gesell- schaft zu St. Gallen 1, die Societe d’histoire et d’archeologie zu Genf 1, *die Societü di letiure e comversazioni scientifiche zu Genua 4, die oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz 3, die natur- forschende Gesellschaft zu Görlitz 1, der Gartenbauverein daselbst 4, die königl. Gesellschaft der Wissenschaften und Georg-August-Uni- versität in Göttingen 1, der naturwissenschaftliche Verein in Steiermark zu Gratz 1, der historische Verein für Steiermark zu Gratz 1, der aka- demische Leseverein der Universität und landwirthschaftlich - technischen Hochschule zu Gratz 1, *der k. k. steiermärkische Gartenbau-Verein da- selbst 1, der Verein für Naturwissenschaft zu Halle 1, der naturwissen- schaftliche Verein für Thüringen und Sachsen zu Halle 6, *der Congress von Gärtnern, Gartenfreunden und Botanikern zu Hamburg 1, der histor. Verein für Niedersachsen zu Hannover 2, die naturhistorische Gesellschaft zu Hannover 1, die polytechnische Schule zu Hannover 1, die Societe

' Hollandaise des sciences zu Harlem 5, der naturhistorisch - medieinische

Verein zu Heidelberg 2, die Sällskapet pro Fauna et Flora Fennica zu Helsingfors 2, der siebenbürgische Verein für Naturwissenschaft zu Hermannstadt 2, die Universität zu Jena 33, der Verein für thüringische Geschichte und Alterthumskunde zu Jena 1, das Ferdinandeum für Tyrol und Vorarlberg zu Innsbruck 1, der naturwissenschaftlich - medieinische Verein zu Innsbruck 2, die k. k. Landwirthschaftsgesellschaft für Tyrol

2323 Jahres-Bericht

zu Innsbruck 1, *der landwirthschaftliche Central-Ausschuss für Tyrol, Gartenbauverein in Bozen und landwirthschaftliche Bezirksverein zu Innsbruck 2, der Verband der rheinischen Gartenbau-Vereine zu Karls- ruhe 10, der Verein für Naturkunde zu Kassel 1, *der Gartenbauverein zu Kassel 1, die Universität zu Kiel 1, die Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg zu Kiel 3, die schleswig-holstein-lauenburgische Gesellschaft zur Erforschung vaterlän- discher Alterthümer zu Kiel 7, der Gartenbau-Verein in Schleswig- Holstein zu Kiel 12, das naturhistorische Landesmuseum in Kärnthen zu Klagenfurt 1, die Universität zu Königsberg i. Pr. 8, die ostpreussische landwirthschaftliche Centralstelle zu Königsberg und der Hauptverein der westpreussischen Landwirthe zu Danzig 2, die königl. physikalisch - öko- nomische Gesellschaft zu Königsberg 2, die kongelige Danske Videnskabernes Selskab zu Kopenhagen 5, die kongelige nordisk Oldskrift Selskab zu Kopen- hagen 6, die Universität zu Kopenhagen 9, der botanische Verein zu Landeshut (Bayern) 1, die nederlandsche botan. Vereniging zu Leiden 1, die Maischapij der nederlandsche Letterkunde zu Leiden 3, die polytechnische Gesellschaft zu Leipzig 7, die kgl. sächsische Gesellschaft der Wissen- schaften zu Leipzig 7, das landwirthschaftliche Maximilians - Institut zu Lichtenhof bei Nürnberg 2, das Museum Francisco-Carolinum zu Linz 1, *die Realschule I. Ordnung zu Lippstadt 1, die Royal Society zu London 11, das Institut royal grand-ducal, section des sciences nat. et math. zu Luxemburg 1, die section historigue desselben 1, der Acker- und Garten- bau-Verein im Grossherzogthum Luxemburg 2, die Societe Linndenne zu Lyon 1, der naturwissenschaftliche Verein zu Magdeburg 2, das Reale Instituto Lombardo di science e lettere zu Mailand 31, die Societü Italiana di science naturali zu Mailand 8, die Universität zu Marburg 26, der Verein für Pomologie und Gartenbau zu Meiningen 1, die *Societa dei naturalisti zu Modena 1, die SocietE imperiale de naturalistes zu Moskau 4, die Societe imp. d’agriculture zu Moskau 8, die königl. bayerische Aka- demie der Wissenschaften zu München 17, der landwirthschaftliche Verein in Bayern und agriculturchemische Versuchsstation zu München 3, der Verein für Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg zu Neu- Brandenburg 1, das Germanische Museum zu Nürnberg 12, die natur- historische Gesellschaft zu Nürnberg 1, *der Gartenbauverein daselbst 1, der Verein für Naturkunde zu Offenbach 2, *die County Society of natural sciences zu N.-Orleans 2, *der naturwissenschaftliche Verein zu Osna- brück 1, der kgl. ungarische naturwissenschaftliche Verein zu Pest 9, die Magyar Tudomdnyos Academia zu Pest 40, die Academie imperiale de sciences zu Petersburg 8, die kaiserl. russische geographische Gesellschaft (Societe imp. geographique de Russie) zu Petersburg 7, die Wein- u. Garten- bau-Gesellsch,. zu Peterwardein 1, die Academy of sciences zu Philadelphia 4, *das Board of public education for skooldistrict of Pennsylvania zu Phila- delphia 1, *die Philosophical institution daselbst 1, die patriotisch - öko- nomische Gesellschaft im Königreich Böhmen zu Prag 1, der natur- historische Verein „Lotos“ zu Prag 1, *der akademische Leseverein zu Prag 1, der Verein für Naturkunde zu Pressburg 2, der zoologisch-mineral. Verein zu Regensburg 1, der historische Verein von Oberpfalz und Regens- burg zu Regensburg 1, der esthländische Gartenbau-Verein zu Reval 3, das pomologische Institut zu Ringelheim 2, die Universität Rostock 57, der mecklenburgische patriotische Verein zu Rostock 1, die Gesellschaft für salzburgische Landeskunde zu Salzburg 3, der Verein für mecklenburgische

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 33

Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin 1, der Verein zur Beförde- rung der Landwirthschaft zu Sondershausen 2, der provinzial-landwirth- schaftliche Verein zu Stade 2, der Entomologen-Verein zu Stettin 2, die polytechnische Gesellschaft daselbst 2, “der Gartenbau-Verein daselbst 1, die Kongl. Vetenskaps - Academien (Ac. Roy. Sueduoise des sciences) zu Stockholm 18, das Bureau de la recherche geologique de la Suede zu Stock- holm 5, nebst 4 Karten, der württembergische ärztliche Verein zu Stutt- gart 1, die polytechnische Schule zu Stuttgart 2, das königl. statistisch- topographische Bureau zu Stuttgart 22, die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier 1, die Societü agraria zu Triest 4, *die Societü zoofila daselbst 1, *die Stazione sperimentale agraria zu Udine 1, *das Reale Instituto tecenico zu Udine 4, der Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben zu Ulm 1, die Societas regia scientiarum zu Upsala 1, die Universität zu Utrecht 17, das Ateneo Veneto zu Venedig 3, das Instituto Veneto di science, lettere ed arti zu Venedig 12, die Smith- sonian Institution zu Washington 3, das Departement of agriculture of N.-Am. zu Washington 2, das War-Departement, surgeon general office zu Washington 7, "das Board of trustees of public schools of the City zu Washington 1, der Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde zu Wernigerode 3, die k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien 21, die k. k. geologische Reichs- Anstalt zu Wien 15, die geographische Gesellschaft zu Wien 1, die Universität zu Wien 11, die Centralstelle für Meteorologie und Erd- masnetismus zu Wien 1, die anthropologische Gesellschaft zu Wien 4, die zoologisch-botanische Gesellschaft zu Wien 4, der Alterthumsverein zu Wien 1, der akademische Leseverein (Lesehalle) zu Wien 1, die k.k. Gartenbau-Gesellschaft daselbst 3, der nassauische Verein für Naturkunde zu Wiesbaden 1, der polytechnische Centralverein zu Würzburg 10, der fränkische Gartenbauverein zu Würzburg 1, die physikalisch-medieinische Gesellschaft zu Würzburg 6, der oberlausitzische Obstbau - Verein zu Zittau 2, die naturforschende Gesellschaft zu Zürich 8, die antiquarische Gesellschaft zu Zürich 1, die Universität zu Zürich 35.

b. Einzelne Geschenkgeber.

Die Herren Dr. Alphonse Amnssat in Paris 27, Geh. Medie.- Rath Prof. Dr. Barkow 2, Dr. Ludw. Bauer in Darmstadt 1, Dr. H. W. Berendt in Berlin 1, Prof. Dr. Ferd. Cohn 1, Privatdoc. Dr. Herm. Cohn 1, Geh. Ober-Hofbuchdrucker Decker in Berlin 1, Prof. Dr. v. Ehren- berg in Berlin 2, Kreisger.-Rath a. D. Fischer 2, Generalconsul a. D. Dr. Flügel in Leipzig 4, Stabsarzt Dr. Fräntzel in Berlin 1, Georg Ritter von Frauenfeld in Wien 4, Prof. Dr. Geinitz in Dresden 1, Geh. Med.- Rath Prof. Dr. Göppert 12, Dr. med. Heller 1, Apotheker Hensel 8, Buchhändler Jacobsohn 1, Gymnasial-Direcetor Prof. Dr. Kämmel in Zittau 1, Pastor Kawall in Pussen bei Riga 2, Prof. Dr. Kenngott in Zürich 2, Lehrer Klimke in Frankenthal bei Neumarkt 1, Kaufmann F. W. Kramer (Namens der Sasse’schen Erben) 507, verw. Frau Dr. Krause 82, die Herren Oekon.-Commiss. Redacteur A. Krocker in Berlin 1, Dr. Friedr. Leitschuch in Würzburg 1, Buchhändler List & Franke in Leipzig 1, Geh. Sanitätsrath Dr. Martini zu Leubus 88, Dr. Aug. Mosbach 1, Ver- ags-Buchhändler Max Müller (in Firma U. Kern) 2, Redact. Th, Oelsner 40, Prof. Dr. Orth in Berlin 1, Kaufmann E. Schindler 2, Geh. Regier.- Rath Director Dr. Settegast in Proskau 1, Redacteur Dr. W. Sklarek in Berlin 14, Bureau-Chef Rud. Temple in Pest 4, Geh. Regierungsrath von

24 Jahres-Bericht

Tettau in Erfurt 1, Prof. Dr. Tschermak in Wien 1, Botaniker v. Uechtritz 6, Professor Dr. M. Wilkens in Rostock 1, Superintend. a. D. O. Wolff 2 und das Etablissement horticole des freres Simon-Louis zu Plantieres bei Metz 1. Gekauft wurden 39 Nrn. in 400 Bänden oder Heften. Eingetauscht wurden 2 Nrn. in ebensoviel Bänden.

C. Die Sammlungen der Gesellschaft

erhielten Zuwachs, ausser den bei deu Schriften bereits erwähnten Atlanten und Karten, durch 5 Abbildungen und 2 Karten von Herrn Apotheker Hensel, 16 Atlanten und Kartenhefte, 11 Karten, 227 Blatt Tabellen, Pläne, Ansichten und andere Bilder von Herrn Kaufmann F. W. Kramer, 4 Photograpkieen von in Schlesien gefundenen Gletscher- schliffen von Herrn Prof. Dr. Orth in Berlin, 1 Blatt Carrieaturen aus dem Jahre 1813 von Herrn Antiquar Stett, 81 Blatt Abbildungen (schlesische und ausserschlesische Ansichten und Portraits ete.,) von verw. Frau Weitzner, 1 vorgefundene Lithographie und durch Ankauf zweier kleinen v. Grossmann’schen Breslauer Ansichten unter Glas und Rahmen.

Th. Oelsner.

Bericht des Conservators der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur für das Jahr 1872.

Seit einem Jahre habe ich die Ehre, als Custos der genannten Sammlungen zu fungiren. Da ich beim Antritt dieses meines Amtes über die reichhaltigen Schätze der botanischen Sammlungen kein de- taillirtes Inventar derselben vorfand und übrigens der verstorbene Custos Milde zunächst nur darauf zu sehen hatte, das Material des grossen „Henschel’schen Herbars‘‘“ und des „‚Schlesischen Herbars““ nach dem Endlicher’schen System, sowie auch die vorhandenen grösseren krypto- gamischen Sammlungen systematisch zu ordnen, was ihm auch in Folge anerkennungswerther Thätigkeit gelungen ist, so drängte sich mir als das nächste Object meiner Thätigkeit die vollständige In- ventarisirung der vorhandenen botanischen Sammlungen bis in das kleinste Detail nothwendigerweise auf. Diese mühevolle Arbeit hat das ganze Jahr in Anspruch genommen und bin ich mit derselben erst im Laufe dieses Monates fertig geworden. Ich habe die Ehre, bei- liegend das genaue Verzeichniss sämmtlicher im Besitz der Schlesischen Gesellschaft befindlichen botanischen Sammlungen Einem Hochlöblichen

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 25

Präsidium mit der ergebensten Bitte zu überreichen, von diesem Ver- zeichniss etwa 200 Separatabdrücke genehmigen zu wollen, damit dieselben an die Botaniker des In- und Auslandes zur Kenntnissnahme und event. Benutzung der Sammlungen übersandt werden können.

Als Geschenke eingegangen resp. durch Kauf erworben waren wäh- rend des laufenden Jahres:

Milde’s Herbar der Schlesischen Gefässkryptogamen mit dazu sehörigem Schrank (ef. Nr. 34 des Verzeichnisses).

v. Uechtritz, 2 Pakete schlesischer Flechten (ef. Nr. 70).

Pfeiffer, Nomenclator botanicus 1, 1. 2.

Rabenhorst, Lichenes Europaei fasc. XXXIV.

Rabenhorst, Algen Europas. Decade 227—231.

Rabenhorst, Index in Hepat. Europ. exsicc. Dec. 1—55 und Index in Bryothec. Europ. fasc, 1—24 (Nr, 1—1200).

Apotheker Vigener in St. Tönis bei Crefeld, seltene deutsche Pflanzen.

Dr. Schröter in Rastadt, seltene (theils neue) Pilze.

Für die geordneten entomologischen, mineralogischen und physika- lischen Sammlungen der Gesellschaft ist ein Inventar vorhanden und ist auch sonst über dieselben nichts Neues zu berichten.

Breslau, den 20. December 1872. G. W. Körber.

Verzeichniss

der botanischen Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. (December 1872.)

Angefertigt vom Conservator der Sammlungen Prof. Dr. Körber.

Nr. 1. Graf v. Mattuschka (+ 1779) Herbarium schlesischer Pflanzen, nach dem Linne’schen System geordnet und die Belege enthaltend zu seiner Flora Silesiaca (1776) und Enume- ratio stirpium in Silesia sponte crescentium (1779).

» 2. A. J. Krocker (+ 1323), Herbarium schlesischer Pflan- zen, nach dem Linne’schen System geordnet. Liefert die Belege zu Krocker’s: Flora Silesiaca renovata (1787, 1790, 1814), die bis zur 23, Klasse 1823 Nummern umfasst. 1823

26

,„

Jahres-Bericht

gab K. noch 2 Supplementbände zu dieser Flora heraus, worin bis zur 19. Klasse incl. noch 780 Pflanzen auf- geführt sind.

. Mückusch (+ 1830, k. k. Hauptmann in Troppau), Forst-

gewächse aus Oesterreich-Schlesien. In 24 Paketen.

Geschenk von ihm. Aufbewahrt im Schrank des Krocker- schen Herbars.

Das Starke’sche Herbar, nach dem Linne’schen System ge-

ordnet, einen besonderen Schrank ausfüllend, sehr gut erhalten, (Starke, Pastor zu Gr.-Tschirnau bei Guhrau, + 1808.)

Das grosse Henschel’sche Herbarium. Geschenk des

1856 verstorbenen Prof. Dr. Henschel in Breslau. Aeusserst werthvoll. Enthält: A. Phanerogamen 614 dicke Pakete, geordnet nach Endlicher’s Enchiridion.

B. Kryptogamen 124 Pakete, und zwar: 22 Pakete mit Gefäss-Kryptogamen,

ZEIT}, Laub- und Lebermoosen, 2%, Flechten, A Algen und Charoceen (darunter in

mehreren Paketen eine Formensuite des Sphaero- coccus CriSPUus), 18 Pakete mit Pilzen.

Sämmtliche Pflanzen des Phanerogamenherbars sind durch Sublimat vergiftet und so auf viele Jahre hin gegen Insecten- frass geschützt. Der Hauptwerth dieses kostbaren Herbars besteht in den exotischen Gewächsen, zu deren Beschaffung aus den käuflichen Sammlungen aller namhaften Reisebotaniker der verstorbene Henschel beträchtliche Kapitalien verwendete, Henschel selbst hatte das vorliegende Herbar in zwei be- sondere Herbarien getheilt, von denen das eine nach einem von ihm selbst abgefassten systematischen Entwurfe, das andere (grössere) alphabetisch nach den Gattungen geordnet war. Durch Milde’s jahrelange Arbeiten sind beide Herbarien in eins verschmolzen und, den Bedürfnissen der Neuzeit ent- sprechend, nach Endlicher geordnet und äusserlich durch zweck- mässige Etiquettirung und Numerirung für den Gebrauch be- quem gemacht worden. Einverleibt ist diesem grossen Herbarium Henschelianum ein reichhaltiges Herbarium der ge- sammten Flora Deutschlands, welches der verst. Dr. med. Scholtz (der Verfasser der Flora von Breslau) einst der Schlesischen Gesellschaft schenkte.

Zum Henschel’schen Herbar in unmittelbarer Beziehung stehend, zum Theil auch einen integrirenden Theil des ursprüng lichen Vermächtnisses ausmachend, gleichwohl aber wegen äusserer Rücksichten dem Herb. Henschelianum nicht einver- leibt, sind die in den folgenden Nummern 6—23 inel. auf- sezählten Sachen.

Terminologisches Herbarium, von Henschel (wie Nr. 7

und 8 wohl zum Zwecke seiner Vorlesungen) angelegt und

NT: %. PanE: P u: 30% EN in are o. 18. rd; AST a a IS; 32,60% he 320 ia: 22. BR02B. ee, ua

26.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 97

neben getrockneten Pflanzentheilen zur Erläuterung der Ter- minologie auch massenhaft Zeichnungen enthaltend. Mehrere Pakete in blauen Umschlägen in 5 grosse Volumina gebunden. Ieconographisches Herbarium der Gattungen der Gefäss- Kryptogamen, enthaltend sehr instructive lithographische Abbildungen und Federzeichnungen, Ein aus mehreren Con- voluten bestehendes Paket in gross Fol. Pharmacognostisches Herbarium in 4 grossen Paketen. Hybride Nicotianae. Beläge zu Henschel’s Studien über das Geschlecht der Pflanzen. Mehrere Voll. in 7 gesonderten Paketen. 1 Paket unbestimmte exotische Phanerogamen. 1 Paket Zeichnungen zur Pflanzenanatomie. 1 Paket Zeichnungen zur Familie der Farne. 1 Paket unbestimmte Plantae Poeppigianae. 1 Paket bestimmter Pflanzen, deren Gattungsnamen aber nicht in Endlicher’s Enchiridion stehen. Il Paket unbestimmter Ecklon’scher Pflanzen. 1 Paket Plantae officinales. I Paket unbestimmter Myrtaceae, 47 Spec. enthaltend. 1 Paket Beläge und Zeichnungen zur Morphologie der Weiden- Staubgefässe. Zollinger, Plantae Iavanicae. Ein grosses Paket in Royal-Folio. 1 Paket mit allerhand Kryptogamen. 4 Pakete in starken grünen Papphüllen, enthaltend bestimmte Phanerogamen ohne Standortsangabe. 1 Paket Schomburgk’sche exotische Pflanzen. Nume- rirt, aber ohne Namen. Sieber & Labillardi&re, Plantae Novae Hollandiae ignotae. Sehr dickes Paket. Herbarium Silesiacum phanerogamicum in 161 Paketen, deren Inhalt nach dem Endlicher’schen System geordnet.

Im besonderen besteht dies Herbar aus den Einzelherbarien der verstorbenen Schlesischen Botaniker Apotheker Krause und Musikdirector Siegert (z. Th. auch Grabowski und Wichura) sowie aus dem von dem sogen. „jüngeren botanischen Vereine‘ (v. Uechtritz, Stein, Fritze, Junger, Kabath, Limpricht, Schwarzer, Sadebeck, Langner, Engler, Zimmermann, Hausknecht, Schulze) gesammelten und vor einigen Jahren der Gesellschaft ge- schenkten Herbar. Werthvoll, weil namentlich auch diejenigen Pflanzen enthaltend, welche nach der letzten Ausgabe der Wimmer’schen Flora in Schlesien neu entdeckt worden sind.

Als Appendices zu diesem Herb. Silesiacum können die nachfolgenden Nummern 25—31 incl. betrachtet werden.

1 Paket unbestimmter Schlesischer Phanerogamen aus dem Siegert’schen Herbar. Moritz Winkler, Fabrikdirector in Giessmannsdorf, Pflanzen

28

Nr.

ET.

28.

29,

30. 31. 32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39,

40,

Jahres-Bericht

aus der Umgegend von Neisse. 4 grosse Pakete in Stroh- papier.

Wimmer et Krause, Herbarium Salicum. Sammlung getrock- neter Weiden-Arten, Abarten und Bastarde, zunächst aus Schlesien. VII Dodecaden in 7 in Pappe gebundenen Heften in Fol. Schliesst mit dem Jahre 1854.

Everken, Staatsanwalt in Grünberg. 1 Paket Phanerogamen aus der Gegend von Sagan.

1 Paket bestimmter Schlesischer Pflanzen, gesammelt vom jüngeren botanischen Vereine.

13 Pakete bestimmter Schlesischer Pflanzen. 7 Pakete unbestimmter (meist Schlesischer) Pflanzen.

Allgemeines Herbarium, aus allerhand zusammengelegten deutschen und ausserdeutschen Pflanzen (darunter auch Flech- ten und Pilze) bestehend und vorläufig nach natürlichen Fa- milien geordnet. In 3 verschiedenen Schränken in Zimmer II. und Ill. untergebracht.

(Das Gute aus diesem Herbar auszuscheiden, um es event. dem Herb. Henschelianum oder Herb. Silesiacum einzuverleiben, wird ein Gegenstand nächster Arbeit sein.)

Günther und Schummel (später auch unter Mitwirkung von Grabowski und Wimmer), Centurien Schlesischer Pflanzen. 22 Pakete (die ersten 3 Centurien befinden sich gegenwärtig noch im 2. Schrank des Krocker’schen Herbars). Bekanntlich Hauptgrundlage der Phanrogamenflora Schlesiens,

Prof. Dr. Milde (+ 1871), vollständiges Herbar der Schle- sischen Gefäss -Kryptogamen. Aus dem Milde’schen Nachlass sammt dem dazu gehörigen Schrank käuflich erwor- ben. (Scheint das Haupt- und Handherbar Milde’s gewesen zu sein und finden sich deshalb darunter auch eine grosse Menge ausserschlesischer Exemplare mit den betreffenden Originaletiquetten, Bemerkungen von A. Braun u. A.)

Herbarium deutscher Phanerogamen in mehr als 30 Paketen. (Ist das Geschenk eines verstorbenen Goldarbeiter Böttcher.)

Fusz, Herbarium normale Florae Transsylvanicae, 6 Centurien in 6 dicken Paketen.

Erbario Crittogamo Italiano. Bis jetzt (Ende 1872) 30 Fascikel (1500 Nummern enthaltend) in 20 Foliobänden. Von der Schles. Gesellschaft angekauft.

Dazu gehört: Commentario della Societa Crittogamologica Italiana. 5 brochirte Bändchen in gr. 8.

A. Braun, Rabenhorst und Stitzenberger, die Cha- raceen Europas in getrockneten Exemplaren. Fase. I u. II (Nr. 26—50). Dresden 1859. Fol.

Rabenhorst, Cryptogamae vasculares Ewuropaeae. Fasc. 1—3. Dresden 1858—60. Fol.

Rabenhorst, Bryotheca Europaea. Die Laubmoose

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Nr.

41,

42.

43.

44, 45,

46.

der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 29

Europas, unter Mitwirkung mehrerer Freunde der Botanik gesammelt und herausgegeben. Fasc. I—X (500 Nummern enthaltend). Dresden 1858—1862.

Rabenhorst, Hepaticae Europaeae. Die Lebermoose Europas etc. . Decade 1—22 (in 11 Heften), 25—23 und 38—41 (zusammen in 4 Heften). [Wie die anderen Sammlungen Rabenhorst’s ein Geschenk desselben an die Gesellschaft, wobei aber leider die Lieferungen nicht immer regelmässig eingegangen sind, daher die Lücken.]

Rabenhorst, Lichenes Europaei exsiccati. Die Flechten Europas ete. Fasc. I-XXXIV. 1855—1872. [Fasc. XIII und XIV fehlen, weil nicht eingegangen.]

Rabenhorst, Oladoniae Europaeae. Die Cladonien Europas ete. 39 Arten auf 39 Tafeln, nebst beschreibendem Text, in grauem Pappearton. Dresden 1860.

Rabenhorst, die Bacillarien Sachsens. Fasc. I—VII. 1849 52.

Rabenhorst, die Algen Sachsens resp, Mitteleuropas. Decade 1—100. [Decade 5 fehlt.)

Rabenhorst, die Algen Europas. (Als Fortsetzung der Algen Sachsens, welche 100 Decaden umfassen; deshalb von da fortgezählt:) Dec. 101—2283 bis April 1872.

[Es fehlen leider in dieser sehr werthvollen Sammlung: Dec. 101—104, 117—122, 139—142, 166—173, 179 —182, 211—214. Dagegen sind doppelt vorhanden: Dec. 147, 148, 183—186. Die Decaden 161— 163, 174— 176, 187—189 und 198—200 sind in kl. Fol. herausgegeben, weil sie Meeresalgen enthalten.]

Rabenhorst, Klotzschii Herbarium vivum mycologicum sistens fungorum per totam Germaniam crescentium collectionem perfeeclam. Centuria XX. Dresden 1858 (Nr. 1901—2000).

[Mehr als diese eine Centurie ist nicht vorhanden.]

Rabenhorst, Klotzschü Herb. viv. mycolog. ete. Editio nova. Centur. I—-VII. Dresden 1855—1858.

Rabenhorst, fungi Europaei exsiccati (Klotzschü Herb. vivi etc. Continuatio). Edit. nova. Series secunda. Centur. I—V, (Nr. 1—500.) Dresden 1859—1862. [Centur. III fehlt.]

v. Flotow, Schlesische Laubmoose, Lebermoose und Flechten. 1 Paket,

Stein, Schlesische Flechten, 2 Pakete.

OÖ. Sendtner, Musci frondosi Silesiae, gesammelt und mit eigenhändigen Bestimmungen versehen. 5 Bde. in 4. Wäh- rend seines Aufenthalts in Schlesien im Jahre 1835 gesammelt.

Limpricht, Bryotheca Silesiaca. Bis Oct. 1871 VII Fasc.

Brockmüller, Mecklenburgische Kryptogamen. 5 Fase, 1862—1865. (Fase. 4 fehlt.)

B. Wartmann und B. Schenck, Schweizerische Krypto- samen. XIV Fasc. 1862—69. [Es fehlen Fasc. V u. VII.

30

9

69.

70.

1,

72.

Jahres-Bericht

Einige Fascikel, wie I, III, XI ete., sind vorläufig unvollstän- dig, da der Schenker der Sammlung, Herr Dr. Schneider in Breslau, die in diesen Heften enthaltenen Pilze noch für sich zurückbehalten hat.)

Wichura, Phanerogamische Keimpflanzen, eigens ge- züchtet. (Einige sind vom Geh. Kriegsrath Winkler in Berlin eultivirt.) 3 Pakete.

Wichura, Karpathische Pflanzen. 2 Pakete.

Wichura, Nordische Oarices. 1 Paket.

Wichura, Lappländische Phanerogamen. 3 Pakete.

Wichura, Lappländische Moose. 1 Paket.

Wichura, Lappländische Flechten. 1 Paket.

Aus Wichura’s Herbar. Eine Partie diverser von Bartsch, Winkler u. A. an Wichura gesandter Pflanzen. 1 Paket.

Dr. Schneider, Sammlung Schlesischer Pilze auf losen Quartblättern, sämmtlich in einem Pappcarton enthalten. [Ge- schenk des Herausgebers.] 2 Pakete.

Dr. Sehneider, Schlesische Synchitria auf 46 Quartblättern.

W. Roth, Laubmoose aus der Umgegend von Langenbielau. 5 Tafeln auf starkem Papier.

Herbarium Schlesischer Laubmoose in 11 Paketen. (Grösstentheils gesammelt von Milde, Limprieht, Wichura.)

Josephine Kablik’s in Hohenelbe Pracht-Herbarium (Phanerogamen). In 2 grossen Papp-Cartons in Royal-Folio. Geschenk des Herrn Gottwald.

Herbarium der Schlesischen Gefäss-Kryptogamen. In 29 losen Paketen.

Ph. Wirtgen, Herbarium Mentharum Rhenanarum. 2. und 3. Edit. 1 Paket in Fol.

v. Uechtritz sen. et jun. 2 Pakete Schlesischer Flechten, darunter auch einige vom sel. Ludwig gesammelte. (Ein Paket enthält bloss Cladonien.) Ludwig war Gärtner bei dem be- rühmten Lausitzischen Gelehrten und Naturf. Herrn v. Gersdorf, der in seinem Gefolge oft das Riesengebirge besuchte in Be- gleitung eines anderen Forschers des Riesengebirges, Raths- secretair Mosig in Görlitz.

1 Paket Pflanzen aus verschiedenen Familien. (Schei- nen aus Reichenbach’s Centurien zu stammen.)

Loth. Becker, Pflanzen des Libanon, gesammelt 1853 (loses Paket).

1 Paket unbestimmter Pflanzen. Geschenk des Consist.-Rath Dr. Lorinser.

Nitschke, Prof. in Münster, 1 Paket von ihm gesammelter und geschenkter Pilze (Pyrenomycetes).

Bernstein, einige wenige Pflanzen aus Java gesandt.

Ein grosses Paket Pilze, von W. Siegmund in Reichenberg herausgegeben (durch den Wiener Tauschverein ??).

Lk.

73.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 31

Eine Sammlung aufgeklebter Laubmoose (nach Art des Funk- schen Moostaschenbuchs) in einem Kästehen in Form eines Buches. [Scheint von Starke zu stammen.]

Kny, kleine Collection von ihm gesammelter ausserschlesischer Phanerogamen. 1 Paket in gr. Fol.

1 Paket Gartenpflanzen.

1 Paket in starker grüner Papphülle, enthaltend Pflanzen ohne Namen und ohne Standort.

12 Pakete bestimmte ausserschlesische Pflanzen.

20 Pakete bestimmte (meist deutsche) numerirte Pflanzen, (Nach Endlicher geordnet und numerirt, um dem grossen Henschel’schen Herbar einverleibt zu werden.)

3 Pakete Dubletten.

Schnizlein’s Abbildungen von Pflanzenfamilien mit latein. Beschreibung. In losen Blättern. Scheint defecet. (Dabei: Günther’s Portrait in Steindruck.)

Die Breslausche Flora, wie sich selbte binnen 3 Jahren als 1713, 14, 15 theils in dehnen Gärthen kuriöser Bluhmen- Liebhaber in und auser der Stadt, theils in Wald, Feld und Seen, in ihrem prächtigsten Rubin- Smaragd- Chrysolith- Purpur- und Atlasschmuck zur Verwunderung aufgeführt und zu deren preiswürdigstem Andenken nach dem Leben in möglichster Accuratesse, jedoch nur als ein Schattenwerk durch den touchirenden Pinsel M. Christiani Hampeli von Breslau zu be- schauen und vorgestellt worden in Breslau.

(Grosser Folioband mit Goldschnitt, 500 eolorirte Tafeln enthaltend. Das Werk ward 1865 durch die Schles. Gesell- schaft von der Wittwe eines Dr. Jähne in Breslau käuflich erworben. Auf der letzten Seite des Werkes berichtet dieser Dr. Jähne, dass das Werk in einem uralten Gewölbe in Probsthain bei Goldberg aufgefunden worden, welches früher die v. Röder’sche Familie besessen, später an Herrn v. Bock kam, welcher dies Werk dem Dr. J. schenkte.)

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T. Bericht

über die

Thätiekeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1872

erstattet von

Herrn Prof. Dr. Grube und Herrn Prof. Dr. Römer,

zeitisen Secretairen der Section.

Herr Professor Dr. Galle machte in der Sitzung am 20. November Mittheilungen

über den Verlauf und die Sichtbarkeits- Verhältnisse des Venus-Durch- ganges im Jahre 1874 und über die zur Beobachtung desselben bisher getroffenen Vorbereitungen.

Unter Bezugnahme auf einen im Jahre 13866 gehaltenen Vortrag über die neueren Bestimmungen der Entfernung der Erde von der Sonne (Jahresber. der Ges. 1866) erörterte derselbe zunächst die eigenthüm- lichen Vorzüge der Venus-Vorübergänge vor der Sonnenscheibe zur Be- stimmung der Venus- und hiernach der Sonnen-Parallaxe im allgemeinen, und ging dann auf die von verschiedenen Standpunkten auf der Erd- oberfläche aus bei derartigen Erscheinungen sich zeigenden parallaktischen Einwirkungen über. Diese äussern sich in der Verfrühung oder Ver- spätung der Ein- und Austritte der Venus auf der Sonnenscheibe, in der verschiedenen Dauer des Vorüberganges je nach der Grösse der beschrie- benen Sehne, und endlich in den verschiedenen Stellungen der Venus auf der Sonnenscheibe überhaupt, welche durch mikrometrische Apparate zu messen sind. Im vorigen Jahrhundert bei den Durchgängen von 1761 und 1769 beschränkte man sich vornehmlich auf die Beobachtungen der Zeiten der Ein- und Austritte und der Dauer, wozu nur ein Fernrohr und Bestimmung der Zeit an dem betreffenden Orte erforderlich war. Die

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34 Jahres-Bericht

erwartete Genanigkeit der Zeit-Momente des Ein- und Austrittes wurde nicht ganz erreicht, da die äussern Berührungen der dunkeln Venusscheibe am Sonnenrande an sich schwer zu erkennen sind und bei den inneren Berührungen wegen der Irradiation die Urtheile über das eigentliche Zeit- moment der wahren Berührung merklich verschieden ausfielen. Für den bevorstehenden Durchgang von 1874 hat man daher in Rücksicht auf die inzwischen sehr vervollkommneten mikrometrischen Apparate beschlossen, die Zwischenzeit zwischen Ein- und Austritt ebenfalls und zu möglichst vervielfältigten Messungen der Distance der Venus vom Sonnenrande zu benutzen, wofür besonders zwei Methoden in Vorschlag gebracht worden sind. Die eine ist die Anwendung von Heliometern, von welchen Instru- menten in Deutschland mehrere zum Transport sich eignende kleinere vorhanden sind, und zwar vier gleich grosse, noch von Fraunhofer selbst verfertigte, mit Fernröhren von 3"), Fuss Brennweite und. 3 Zoll Oeffnung. Diese vier Instrumente befinden sich auf den Sternwarten in Berlin; Göttingen, Gotha und Breslau und sind von der die betreffenden Beobachtungen vorbereitenden deutschen Commission zu diesem Zwecke geliehen worden.

Dieselben werden in ihren mechanischen Einrichtungen wesentlichen Umgestaltungen unterworfen und ist das Breslauer Heliometer bereits im Frühjahre dieses Jahres an die mechanische Werkstatt von Repsold in Hamburg abgesandt worden. Als zweite Beobachtungs-Methode ist die Photographie in Vorschlag gebracht, in dem Sinne, dass auf den gewon- nenen photographischen Platten die Distancen der Venus vom Sonnen- rande später mikroskopisch abgemessen werden. Inzwischen hat die jüngste Zeit doch auch für die Möglichkeit von genauen Beobachtungen der Contacte neue Aussichten eröffnet: bei den inneren Berührungen in Folge der Herstellung eines künstlichen Vorüberganges bei Lampenlicht, wodurch das Kennzeichen der wahren Berührung sich sicherer heraus- gestellt hat, bei der äusseren Berührung vielleicht mittels der Speetroskopie, durch das Verschwinden oder Erscheinen der hellen Linien in der soge- nannten Chromosphäre der Sonne.

Der Venusdurchgang am Morgen des 9. Decbr. 1874 ist vornehmlich nur auf der Europa gegenüber liegenden Erdhälfte zu sehen, am voll- ständigsten in den Gegenden um Neuholland. In Europa sehen nur die Sternwarten in Athen, Nicolajew am Schwarzen Meere, Kiew, Moskau und Kasan kurz nach Sonnenaufgang noch das Ende der Erscheinung. In Breslau ist bei Sonnenaufgang auch das Ende schon um eine Viertel. stunde vorüber. Die meisten grösseren Staaten bereiten demgemäss mehrere Expeditionen nach der östlichen und südlichen Erdhälfte vor, so England, Frankreich, Deutschland, Russland (welches besonders auf sei- nem asiatischen Gebiete, in Sibirien und dem Amurlande zahlreiche Sta- tionen einzurichten die Absicht hat) und die Vereinigten Staaten Nord-

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Amerikas. Speciell seitens des deutschen Reiches sollen, sofern von dem Reichstage die erforderlichen Mittel bewilligt werden, 5 Expeditionen aus- gerüstet werden: nach dem nordöstlichen China (Schanghai), nach den Aucklands-Inseln bei Neuseeland, nach der Kergnelen-Insel, nach der Insel Mauritius und nach der Gegend des persischen Meerbusens. Im Allgemeinen sind die beiden Venusdurchgänge von 1874 und 1882 minder günstig als die des vorigen Jahrhunderts, wegen der geringeren Menge festen Landes auf der Südhalbkugel und der miuderen Zugänglichkeit der südlichen Polarländer, wodurch die Auswahl der Beobachtungs-Stationen eine beschränktere wird. Inzwischen ist zu hoffen, dass die neueren Communications- und Beobachtungsmittel diese Nachtheile sehr wesentlich ausgleichen werden. In jedem Falle darf man sich neue und wichtige wissenschaftliche Erfahrungen von den beabsichtigten umfangreichen Unter- nehmungen versprechen, die um so mehr die vollste Aufmerksamkeit ver- dienen, als die Venusdurchgänge überaus seltene Erscheinungen sind und nur nach Zwischenzeiten von abwechselnd 105 und 122 Jahren wieder- kehren, dann jedoch immer paarweis, durch einen Zwischenraum von nur 8 Jahren von einander getrennt.

Herr Professor Dr. Poleck sprach in der Sitzung am 25. April über die experimentellen Grundlagen der sogenannten modernen Chemie.

Die gegenwärtig in der Chemie zur Herrschaft gelangten Ansichten haben sich auf der von Richter, Lavoisier, durch den wissenschaftlichen Kampf von Berthollet und Proust, durch Dalton, Gay-Lussac, Berzelius u. A. geschaffenen sicheren, weil thatsächlichen Grundlage der festen un- veränderlichen Gewichts- und Volum-Verhältnisse der chemischen Ver- bindungen allmählig und in organischer Gliederung entwickelt, sie sind die nothwendigen Folgerungen des vergleichenden Studiums des chemischen und physikalischen Verhaltens der chemischen Elemente und ihrer Ver- bindungen. Es ist daher der, nicht grade glücklich gewählte, weil zu Missverständnissen führende Ausdruck „modern“ in seiner etymologischen Bedeutung und nicht in dem Sinne aufzufassen, in welchem man damit oft etwas ganz Neues, noch nicht Dagewesenes, etwas rein Aeusserliches, der Mode Unterworfenes zu bezeichnen pflegt.

Der Ausgangspunkt für die gegenwärtigen chemischen Anschauungen und der von ihnen benützten Verbindungsgewichte der Elemente ist das chemische und physikalische Verhalten der gasförmigen Körper. Gay Lussae hatte zuerst das Gesetz ausgesprochen, dass die gasförmigen Rle- mente in sehr einfachen Raum-Verhältnissen sich unter einander verbin- den und dass der Raum, welchen die entstandene Verbindung in Gasform einnimmt, zu jenen in einer gleich einfachen Beziehung stehe. So ver- einigt sich ein Volum Wasserstoff und ein Volum Chlor zu 2 Volumen Chlorwasserstoff, 2 Volum. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff zu 2 Vol.

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Wasserdampf, 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stickstoff zu 2 Vol. Am- moniak. Diese einfachen Verhältnisse wurden durch das Experiment in Apparaten zur Anschauung gebracht, deren vortreffliche, für die Demon- stration besonders geeignete Einrichtung wir Professor Hofmann in Berlin verdanken. Der durch eine kräftige galvanische Batterie von 20 Kohlen Zink-Elementen erregte Strom zerlegte gleichzeitig in drei U-förmigen, mit Elektroden versehenen und mit einander verbundenen Apparaten im ersten Chlorwasserstoff in gleiche Volumina Clor- und Wasserstoff, im zweiten Wasser in 2 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff, im dritten Ammoniak in 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stickstoff. Die Gase wur- den gesondert aufgefangen und die an den Apparaten angebrachten Hähne gestatteten den Nachweis ihrer Identität. Durch drei andere Apparate wurde gleichzeitig constatirt, dass diese genannten Gase nach ihrer Ver- bindung den Raum von 2 Vol. einnehmen. Ein Gemisch gleicher Volumina Chlor- und Wasserstoff zeigt nach seiner Vereinigung zu Chlorwasserstoff keine Volum.-Veränderung. Elektrolytisches Knallgas, 2 Vol. Wasser- stoff und 1 Vol. Sauerstoff, wurde in einem mit einer Glashülle um- sebenen Eudiometer, durch welche die Dämpfe von siedendem Amylalkohol strömten (Siedepunkt 132°) durch den elektrischen Funken verpufft. Der entstandene Wasserdampf nahm nur ?/, des Raumes der Elementar-Gase ein, es hatten sich daher 3 Vol. derselben zu 2 Vol. verdichtet. In einem dritten Apparat, einem U-förmigen Eudiometer mit oberem Glas- hahn wurden 20 CC. trockenes Ammoniakgas der beständigen Einwirkung eines elektrischen Funkenstromes ausgesetzt. Nach kurzer Zeit hatte sich das Volumen des Ammoniaks verdoppelt, es war in Stickstoff und Wasser- stoff zerfallen und zwar enthielten die 40 CC. Gas 30 CC. Wasserstoff und 10 CC. Stickstoff, welche im Ammoniak zu 20 CC. verdichtet ge- wesen waren. Die Zeit reichte nicht aus, um ähnliche einfache Verhält- nisse bei anderen Gasen durch das Experiment nachzuweisen.

Wenn die Gewichte gleicher Volumina der verschiedenen Elementar- Gase auf das Gewicht des gleichen Volums Wasserstoff, des leichtesten Körpers, bezogen werden und dieses Gewicht mit 1 bezeichnet wird, so drücken die Volumgewichte dieser Gase gleichzeitig ihre Verbindungs- gewichte aus. Das Volumen Chlor wiegt 35,5 Mal, das Volumen Sauer- stoff 16 Mal und das Volumen Stickstoff 14 Mal mehr, als das gleiche Volumen Wasserstoff, welches 1 wiegt. Diese Zahlen sind aber gleich- zeitig die Verbindungsgewichte dieser Gase.

Das physikalische Verhalten der einfachen sowohl wie zusammen- gesetzten Gase ist ausserordentlich übereinstimmend. Durch gleichen Druck erleiden alle Gase die gleiche Volumveränderung, für jeden Tem- peratur-Grad dehnen sie sich alle um dieselbe Volum-Grösse aus. Wie Dalton das Gesetz der multiplen Proportionen in den Verbindungs- gewichten der chemischen Elemente auf die alte atomistische Auffassung

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der Materie zurückgeführt hatte, so erklärte schon Avogadro im Jahre 1311 das gleiche physikalische Verhalten und die einfachen Verbindungs- verhältnisse der Gase durch die Annahme, dass gleiche Volumina dersel- ben eine gleiche Anzahl von materiellen Theilchen enthielten, welche er Molecüle nannte. Die neueren, jetzt zu unbedingter Herrschaft gelang- ten Ansichten über die Natur der Wärme als einer Bewegungserscheinung materieller Theile führen mit Nothwendigkeit zu derselben Hypothese disereter, bei demselben Körper einander gleicher Körpertheilchen, den physikalischen Moleeülen. Enthalten gleiche Volumina der verschiedenen Gase eine gleiche Anzahl von materiellen Theilchen, Molecüle, so sind die Verbindungsgewichte der Gase gleichzeitig ihre Moleculargewichte.

Chemische Elemente sind jene Körper, welche in. ungleichartige Theile zu zerlegen bis jetzt noch nicht gelungen ist. Durch ihre Vereinigung entstehen die chemischen Verbindungen, deren Charakter dadurch bedingt wird, dass dieselbe chemische Verbindung stets dieselben Elemente in denselben Gewichtsverhältnissen enthält. Die Molecüle des Wasserstoffs, Chlors, Sauerstoffs u. a. Elemente sind daher gleichartig, die Molecüle des Chlorwasserstoffs, des Wassers, des Ammoniaks ete. sind zusammengesetzt, sie enthalten Wasserstoff mit Chlor, Sauerstoff und Stickstoff verbunden, also noch kleinere Theile. Fussend auf der von Dalton zuerst con- sequent durchgeführten atomistischen Hypothese hat man die kleinsten Gewichtsmengen der chemischen Elemente, welche in chemische Ver- bindungen eingehen, Atome genannt. Ob damit der Begriff einer wei- teren mechanischen Untheilbarkeit verbunden werden müsse, diese für die Naturwissenschaft zunächst unfruchtbare Streitfrage möge auf einem anderen Gebiete ausgetragen werden. Hier handelt es sich um die kleinsten, in chemische Action tretenden Massentheilchen der Elemente und diese nennen wir gegenwärtig Atome. Die relativen Gewichte dieser Atome sind uns gegeben in den Verbindungsgewichten, und wenn wir diese auf die Volumgewichte der gasförmigen Elemente und den Wasserstoff als Einheit beziehen, so drücken die Volumgewichte 1 für Wasserstoff, 35,5 für Chlor, 16 für Sauerstoff ete. gleichzeitig die Atomgewichte dieser Elemente aus.

Aus der oben gegebenen Definition von Molecül folgt, dass es die kleinste Gewichtsmenge eines Körpers im freien Zustande repräsentirt. Das Moleeül eines zusammengesetzten Körpers enthält mindestens 2 Atome, wie der Chlorwasserstoff, ein Moleeül Wasser 3 Atome, ein Moleeül Am- moniak 4 Atome. Aus den gasförmigen Verbindungen des Kohlenstoffes mit dem Sauerstoff und namentlich den zahlreichen Kohlenwasserstoff- Verbindungen hat man das Atomgewicht resp. Volumgewicht des Kohlen- stoffes abgeleitet. Zahlreiche Analysen dieser Verbindungen haben die Thatsache ergeben, dass die Gewichtsmenge jener Körper, welche im gas- förmigen Zustande den Raum von 2 Volumen Wasserstoff, also von

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2 Gewichtstheilen Wasserstoff einnimmt, die kleinste Menge des betreffen- den Körpers repräsentirt, welche im freien Zustande existirt, welche mit anderen Verbindungen in chemischen Verkehr tritt. Man bezeichnet daher ganz allgemein jene Gewichtsmenge einer chemischen Verbindung, welche im gasförmigen Zustande den Raum von 2 Volumen Wasserstoff einnimmt, als das Moleculargewicht derselben. So ist das Moleculargewicht der Essigsäure gleich 60, in ihrem Molecül sind 8 Atome, in einem Molecül Essigäther 14 Atome Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten. Die Wichtigkeit der Bestimmung des Volumgewichts der flüchtigen Ver- bindungen springt daher in die Augen. Der Vortragende führte in dem Hofmann’schen Apparat, welcher die Barometerleere für die Daınpfbildung benützt, eine Volumgewichts-Bestimmung des Chloroforms aus. Es wird aber auch das Molecül eines einfachen Körpers mindestens aus 2 Atomen bestehen müssen. Ein Molecül Sauerstoff enthält 2 Atome, in seiner activen Modification, dem Ozon, sind drei Atome enthalten. Aus dieser Annahme einer verschiedenen Anzahl von Atomen in einem Molecül er- klären sich ungezwungen die Modificationen der Elemente, ihr Verhalten im sogenannten status nascendi etc.

Die durch das Studium der Gase gewonnenen Resultate übertrug man nun auf jene Elemente, welche, wie die meisten Metalle, weder für sich, noch in ihren Verbindungen gasförmig bekannt sind. Man zog hier sowohl ihre durch den Versuch festgestellten Verbindungsgewichte, wie ihr Verhalten zur Wärme, ihre Wärmecapaeität in Rechnung. Gleiche Gewichte der verschiedenen Elemente auf dieselbe Temperatur erhitzt, geben an Wasser sehr ungleiche Wärmemengen ab gleichgiltig ob wir die Wärme als Stoff oder als Bewegung auffassen. Diese Ungleichheit verschwindet aber, wenn die Elemente in den Gewichtsmengen erhitzt werden, welche wir oben als ihre Atomgewichte bezeichnet haben. Das von Dulong und Petit hieraus gefolgerte Gesetz, dass die speeifischen Wärmen der chemischen Elemente sich umgekehrt wie ihre Atomgewichte verhalten, oder mit anderen Worten, dass die Atome aller einfachen Körper dieselbe Wärme-Capacität besitzen, enthält zwar noch einige Aus- nahmen, doch schwinden diese immer mehr und sind fast nur bei den- jenigen Elementen vorhanden, bei welchen auf anderem Wege das Atom- gewicht mit Sicherheit bestimmt werden kann.

Auf diese Weise ist man zur Feststellung der Atomgewichte der chemischen Elemente gelangt, welche gleichzeitig die Verbindungsgewichte derselben darstellen.

Die von Berzelius geschaffene Zeichensprache drückt mit dem An- fangsbuchstaben des chemischen Elements dieses selbst und gleichzeitig sein Verbindungsgewicht aus. Durch Combination der Symbole der Be- standtheile einer chemischen Verbindung entstehen die chemischen For- meln. Berzelius hatte die Verbindungsgewichte der chemischen Elemente,

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welche er Aequivalentgewichte nannte, weil die Elemente in diesen Ge- wichtsmengen sich in Verbindungen ersetzen, was nicht in allen Fällen richtig ist, festgesetzt ohne Rücksicht auf ihr Volumen im Gaszustande. Seine Aequivalente fallen daher nicht bei allen Elementen mit den neuereu Atomgewichten zusammen, stehen aber zu ihnen in einem sehr einfachen Verhältnisse. Eine Anzahl der letzteren ist doppelt so gross, wie z. B. die Atomgewichte des Sauerstofis, Schwefels, vieler Metalle.

Mit den Symbolen der Elemente bezeichnet man jetzt ihre Atom- gewichte und die gegenwärtigen chemischen Formeln sind Molekular- formeln, sie drücken jene Gewichtsmenge aus, welche im Gaszustand den Raum von 2 Volumen Wasserstoff, 1 Volumen Wasserstoff = 1 Gewichts- theil, einnimmt oder einnehmen würde, wenn der betreffende Körper ver- gasbar wäre.

Der Angelpunkt der gegenwärtig zur Herrschaft gelangten Ansichten in der Chemie liegt in den Atomgewichten. Sind die vorstehend ent- wickelten und zum Theil durch das Experiment belegten Schlüsse, welche sich auf das gesammte chemische und physikalische Verhalten der Elemente gründen, für die Annahme deı neueren Atomgewichte zwingend, dann ergeben sich alle übrigen Folgerungen, die Werthigkeit der Elemente, ihre auf diese Werthigkeit fundirte Aequivalenz, die veränderte Auffassung von Säuren, Gasen, Salzen etc. als nothwendige, und die Versuche, zur Erklärung der Eigenschaften und des Verhaltens gleich zusammengesetzter, isomerer Verbindungen auf die Bindung der Atome, auf die Struktur des chemischen Molecüls zurückzugehen, sind in ihren Resultaten ebenso be- friedigend, als sie die Hoffnung als stillschweigende Voraussetzung ent- halten, dass es in nicht allzuferner Zeit gelingen werde, die wissenschaft- liche Chemie zu einer Mechanik der Atome zu entwickeln. Der Vortra- gende musste einer späteren Zeit die Besprechung der aus der Annahme der neueren Atomgewichte fliessenden Consequenzen vorbehalten.

Herr Geheimer Bergrath Professor Dr. F. Roemer legte am 15. Mai bei Trachenberg gefundene Knochenreste von Rhinoceros tichorhinus vor. Dieselben bestehen in einem 1!/, Fuss langen Stücke der Schädeldecke, einem Fussknochen und dem Bruchstücke einer Rippe. Diese Knochen wurden im vorigen Jahre beim Graben eines Brunnens bei der Zucker- fabrik unweit Trachenberg in 26 Fuss Tiefe gefunden und durch den Di- rector der Fabrik, Herrn Eugene Beauvais, an Herrn Geh. Rath Göppert eingesendet, der sie seinerseits dem mineralogischen Museum übergeben hat. Nach dem Zusammenvorkommen von Schädel-, Fuss- und Rippen- knochen kann es nicht wohl zweifelhaft sein, dass an der bezeichneten Fundstelle das ganze Skelett des Thieres gelegen hat, und es ist sehr zu beklagen, dass durch Unkenntniss oder Unachtsamkeit der Arbeiter auch hier, wie es so häufig geschieht, der wissenschaftliche Schatz bis auf die

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genannten Bruchstücke verloren gegangen ist. Uebrigens ist es nicht das erste Mal, dass Knochenreste des Nashorns mit knochiger Nasenscheide- wand, dieses weit verbreiteten und nächst dem Mammuth (Elephas primi- genius) wichtigsten Diluvial-Thieres, in Schlesien aufgefunden wurden. Namentlich bewahrt das mineralogische Museum mehrere im Jahre 1856 im Abraume eines Steinbruches bei Ottmachau gefundene und ebenfalls durch Geh. Rath Göppert dem Museum übergebene Backzähne dessel- ben auf.

Derselbe Vortragende berichtete über fossile Pflanzenreste aus einem Versuchsschachte bei Wünschendorf unweit Lauban, welche durch Herrn R. Peck in Görlitz gütigst mitgetheilt wurden. Aus derselben Gegend wurden früher schon durch Herrn Peck Acanthodes gracilis, Palaeoniscus Wratislaviensis und Üyatheites arborescens in einem schwarzen Brandschiefer eingeschlossen eingesendet (vergl. Bericht über die Sitzung vom 13. Dee. 1871) und die dortige Ablagerung nach diesen Einschlüssen als dem Roth- liegenden angehörend und dem schon länger bekannten Brandschiefer von Klein-Neundorf bei Löwenberg im Alter gleichstehend bestimmt. Dazu passen die jetzt eingesendeten Pflanzen. Es sind, wie namentlich Walchia pimiformis und Odontopteris obtusiloba, bekannte Arten des Rothliegenden.

Die diese Pflanzen einschliessende Schichtenfolge besteht aus sehr dünn.

geschichteten fetten grauen und röthlichen Schieferletten, die mit sandigen Schichten wechseln und steil aufgerichtet sind. Wahrscheinlich bilden sie das Liegende der fischreichen schwarzen Brandschiefer.

Derselbe Vortragende berichtete über neu aufgefundene Versteinerungen des devonischen Kalksteins vom Kanzelberge bei Kielce in Polen, welche für die nähere Altersbestimmung dieses Kalksteines wichtig sind. Namentlich gilt dies von Rhynchonella cuboides, welche auf ein unteres Niveau der ober-devonischen Abtheilung mit Bestimmtheit hinweist. Diese Versteinerungen wurden durch Herrn Hube, Berg-Ingenieur in Kielce, ein- gesendet, welchem der Vortragende schon für mehrere andere werthvolle Mittheilungen über die so sehr mannigfaltigen geognostischen Verhältnisse der Gegend von Kielce zu Danke verpflichtet ist.

Es wurde ferner ein Exemplar von Ceratites nodosus vorgelegt, an welchem die Mündungsform der Wohnkammer zu beobachten ist. Das 18 Centimeter im Durchmesser haltende, auf dem letzten Umgange mit sehr hohen, durch 2 Centimeter breite Abstücke getrennten Rippen ver- sehene Exemplar zeigt nämlich am Ende der Wohnkammer eine deutlich begrenzte Umbiegung der rechten Mündungswand nach innen in solcher Weise, dass dadurch, die gleiche Inflexion bei der hier nicht erhaltenen linken Mündungswand vorausgesetzt, die Oeffnung der Röhre bis auf einen Spalt von gleichschenkelig dreieckiger Gestalt geschlossen wird. Das vorgelegte Exemplar wurde durch Herrn Geheimen Kriegsrath Schumann bei Kissingen gesammelt und dem mineralogischen Museum der k. Univer-

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sität gütigst überlassen. Nachdem die bezeichnete Mündungsform an diesem Exemplare erkannt war, wurde sie später auch an anderen, aber nur an grossen und ausgewachsenen Exemplaren mehr oder minder deut- lich wahrgenommen. Es wäre nun noch zu ermitteln, ob etwa dieselbe Münduugssform ein allen Ceratiten gemeinsames generisches Merkmal ist.

Endlich wurde eine auf die Schalen-Substanz von Ceratites nodosus bezügliche Beobachtung mitgetheilt. Während bekanntlich die Exemplare dieser Art regelmässig nur als Steinkerne ohne eine Spur der Schale selbst im deutschen Muschelkalk vorkommen, wurde von dem Vortragen- den am Rotzberge bei Hildesheim in der Provinz Hannover ein etwa 21), Zoll grosses Exemplar gesammelt, an welchem die perlmutterglänzende Schale selbst mit lebhaftem Farbenspiel zum Theil erhalten ist.

Derselbe Vortragende gab in der Sitzung am 4. December einen Bericht

über eine in den Monaten October und November d. J. ausgeführte Reise nach Spanien.

Das Ziel der Reise war im Besonderen der Südabfall der Sierra Morena in der Provinz Huelva in Andalusien gewesen. Diese Gegend ist vorzugsweise durch den Reichthum ihrer Erzlagerstätten bergmännisch interessant. Kupferhaltiger Schwefelkies und Manganerze sind im Beson- deren wichtig. Der erstere bildet Lager im Thonschiefer von zum Theil sehr bedeutender Ausdehnung. Am bekanntesten ist unter diesen neuer-

liehst das Lager von Tharsis durch den grossartigen Tagebau geworden,

in welchem der kupferhaltige Schwefelkies durch eine Englische Gesell- schaft abgebaut wird. Auf eine Länge von 500 Meter und in einer 100 bis 140 Meter betragenden Mächtigkeit ist hier die aus dichtem Schwefel- kies mit einem zwischen 2—12 Procent schwankenden Kupfergehalt be- stehende reine Erzmasse, nachdem der dieselbe in einer Mächtigkeit von 20 bis 25 Meter bedeckende Thonschiefer abgeräumt ist, dem staunenden Blicke des Beschauers blossgelegt. Viele hundert Arbeiter sind in diesem Tagebau mit dem Abbau des Erzes beschäftigt und auf einer bis in den Tagebau selbst geführten, mit Locomotiven befahrenen Eisenbahn wird das Erz fortgeführt. Die Gewinnung beträgt gegenwärtig 30,000 bis 40,000 Tons pro Monat. Da die ganze Länge des Lagers durch Versuchs- schachte und Bohrlöcher zu mehr als 1 Kilometer ermittelt ist, da ferner durch einen vor der Sohle des gegenwärtigen Tagebaues niedergebrachten über 40 Meter tiefen Schacht das Fortsetzen des von Ost nach West streichenden und mit 70° bis 80° einfallenden Lagers in die Tiefe nach- gewiesen ist, so ist auch für eine noch sehr gesteigerte Gewinnung ein ausreichender Erzvorrath noch für lange Jahre gesichert. Der geringere Theil des gewonnenen Erzes wird an Ort und Stelle geröstet und für die Darstellung von Caement-Kupfer verwendet. Der grössere Theil aber wird

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auf der ausschliesslich zu dem Zwecke erbauten 48 Kilometer langen Eisenbahn an die Küste bei Huelva geschafft und hier in Dampfschiffen nach England verladen, um dort zunächst für die Darstellung von Schwefel- säure und demnächst auch vermittelst eines neu entdeckten Verfahrens für die Gewinnung von Kupfer und Eisen benutzt zu werden. Ein ähn- liches Lager ist das im Besitz der Spanischen Regierung befindliche von Rio Tinto,. welches bisher nur für die Darstellung von Caement-Kupfer benutzt wird und durch die weitere Entfernung von der Küste und durch das Fehlen aller Communicationen benachtheiligt ist.

Die Manganerze sind in ihrem Vorkommen an das Auftreten von mächtigen durch Eisenoxyd roth gefärbten und zum Theil in rothen Eisen- kiesel übergehenden Quarzlagern, deren Ausgehendes in der Form von mauerartigen Felskämmen auf der Höhe der Berge hervortritt, in der Art gebunden, dass sie unregelmässige Nester oder grössere Massen zwischen den Quarzlagern und den Thonschiefern und zwar namentlich im Liegenden der Quarzlager bilden. Es werden gegen 40,000 Tons soleher Manganerze aus der Provinz Huelva alljährlich ausgeführt. Der grösste Theil geht nach England, aber auch Frankreich und Deutschland beziehen davon.

Das Thouschiefer-Gebirge, welchem alle diese Erzlager der Provinz Huelva untergeordnet sind, wurde bisher für Silurisch gehalten, nach den Beobachtungen des Vortragenden ist dasselbe jedoch von viel jüngerem Alter und gehört der Culm-Bildung, d. i. der in vielen Gegenden Deutschlands den Kohlenkalk vertretenden eigenthümlichen Facies des unteren Kohlengebirges an, welche paläontologisch vorzugsweise durch das gesellige Vorkommen von Posidonomya Becheri bezeichnet wird. Die- selbe Muschel wurde in einer dem Vorkommen in Deutschland täuschend ähnlichen Erhaltungsart an mehreren zum Theil weit von einander ent- legenen Punkten in dem genannten Gebiete und namentlich auch bei dem Städtchen Alosno beobachtet.

Dieser Darstellung der geologischen Verhältnisse wurden verschiedene Mittheilungen über Vegetation, Klima und Volkszustände der Provinz Huelva, dieses südwestlichsten, wenig bekannten Theils von Spanien, an- gesehlossen.

Herr Ober-Bergrath Professor Dr. Websky berichtete in der Ver- sammlung am 17. Januar 1872

über die Auffindung mikroskopischer Diamanten in den metamorphosirten

Schiefern der Schischimski’schen Berge, Bergdistriet Slatoust am Ural, durch Professor P. von Jeremejeff in Petersburg,

anknüpfend an eine von Professor Poleck vor einiger Zeit der Section

gemachte Mittheilung, dass auch der Geheime Regierungsrath Professor

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G. Rose in Berlin durch chemische Versuche das Vorhandensein dieser mikroskopischen Edelsteine constatirt habe.

P. von Jeremejeff hat seine Entdeckung im Neuen Jahrbuch für Mi- neralogie 1871 p. 589 beschrieben, nachdem schon früher eine vorläufige Anzeige dorthin gelangt war; auf einem der an genannter Localität ent- stehenden Magneteisenstein-Lager finden sich Knollen eines blassgrünen feinschuppigen Chlorit’s, fälschlich Speckstein und Talk genannt (Kenngott’s Uebersicht 1844—49 p. 85), am Rande dieser Knolleu sind blassgelbe, auch grünliche und graue glimmerartige Blätter eingelagert, ein eigen- thümliches, von G. Rose (Reise nach dem Ural, B. II. 120) mit dem Namen Xanthophyllit belegtes Mineral; wenn man dünne Blättchen des letzteren unter 200facher linearer Vergrösserung betrachtet, so erkennt man in denselben kleine eingelagerte Krystalle von einer besonderen fast nur dem Diamant eigenthümlichen Krystallform. Der Vortragende zeigte ein dem hiesigen Museum gehörendes Exemplar von Xanthophyllit und ein daraus hergestelltes mikroskopisches Präparat und erläuterte die Krystallform unter Vergleichung mit einem gleichgeformten Diamant- Krystall aus Brasilien.

. Es wurde sodann ein zu den neuesten Erwerbungen des Museums gehörendes Exemplar von Malachit von der Grube ‚Joseph‘ zu Birk bei Plauen in Sachsen besprochen, welches 3 Millimeter dicke, kurze Zwillinge dieses Minerals zeigt, eine Grösse, die zu den grössten Seltenheiten ge- hört, ferner ein Exemplar der Species Adamin, kleine blasscarmoisinrothe Krystalle von der Zusammensetzung H (Co, Zn) As OÖ, von der Kupfer- gsrube am Cap Garonne, südöstlich Toulon (Comptes rendus LXX. p. 1001). Sodann zeigte der Vortragende ein Exemplar des neuen Minerals Nadorit vom Gebel Nador, südlich Constantine in Algier, das der Geheime Me- dicinal-Rath Professor Lebert dem Museum neben einer Anzahl anderer afrikanischer Mineralien verehrt hat, braune, undeutlich begrenzte Krystalle von der Zusammensetzung Sb Pb Cl O, (Comptes rendus LXX1. 1870 p. 319) und verglich dasselbe mit einem ähnlichen, aber dichten Mineral Partzit aus Californien, das der verstorbene Bergrath A. Roemer seiner Zeit dem Museum verehrte, und das durch einen erheblichen Silbergehalt sich auszeichnet.

Es wurde ferner das vor Kurzem auf der Grube Pucherzeche bei Schneeberg in Sachsen aufgefundene Mineral Pucherit, braune diamant- glänzende Krystalle auf Klüften eines Ganggesteins vorgezeigt, das eine Verbindung von Vd, O,, Bi, O, ist, und der Section mitgetheilt, dass der Mineralienhändler Leisner in Waldenburg noch einen Vorrath dieses sehr merkwürdigen Vorkommens zur Verfügung habe, und auch Exemplare einer anderen Novität, nämlich von Montebrasit, abgeben könne.

Dieses letztere ist, wie die von Herrn Leisner eingesandten, der Section vorliegenden Exemplare bekunden, ein weisses, dem Feldspath

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ähnliches derbes Mineral, das aus phosphorsaurer Thonerde und Fluoraluminium-Lithium-Natrium besteht, und von dem Professor Moissenet in Paris als reichlich vorkommende Gangart der Zinnerze von Montebras» Dep. Creuse, entdeckt und im vorigen Jahre in einer besonderen Brochüre beschrieben worden ist.

Herr Professor Dr. F. Cohn hielt am 14. Februar einen Vortrag über Bacterien und deren Beziehungen zur Fäulniss und zu Contagien.

Wir bezeichnen gewisse durch mikroskopische Organismen erregte Zersetzungen stickstofffreier Körper als Gährung (Alecohol-; Milchsäure-, Essigsäure-, Tanningährung ete.), die analogen Zersetzungen stiekstoffhaltiger, insbesondere eiweissartiger Substanzen als Fäul niss. Während die Gährungserscheinungen in neuester Zeit vielfach und mit dem reichsten Gewinn neuer Thatsachen und Ideen durch Pasteur erforscht wurden, sind die Vorgänge der Fäulniss bisher von den Natur- forschern, insbesondere den Chemikern, vernachlässigt worden. Die Unter- suchungen des Vortragenden haben folgende Thatsachen ergeben:

1) Alle Fäulniss ist von der Entwiekelung von Bacterien begleitet, sie unterbleibt, wenn diesen der Zutritt abgesperrt, sie beginnt, sobald Bacterien auch nur in geringster Zahl zutreten; sie schreitet in demselben Maasse vor, als diese kleinsten aller Organismen sich vermehren; mit der Beendigung der Fäulniss hört auch die Vermehrung der Bacterien auf, welche sich ais pulvriger Absatz oder in Gallertklumpen (Zoogloea) niederschlagen, ähnlich wie Hefe in ausgegohrnen Zuckerlösungen.

Es kann daher nicht daran gezweifelt werden, dass Bacterien in gleicher Weise wesentliche Faetoren der Fäulniss sind, wie dies für die Alcoholgährung von den Hefenpilzen erwiesen ist. Die Bacterien sind auch die einzigen Organismen, welche unter allen Verhältnissen bei der Fäulniss, und wenn der Zutritt fremder Keime verhindert wird, ausschliess- lich auftreten; sie sind daher allein Erreger der Fäulniss (saprogene), während die übrigen in faulenden Stoffen sich häufig entwickelnden Schimmelpilze und Infusorien nur als Begleiter der Fäulniss (saprophile) zu betrachten sind; ein entwickelungsgeschichtlicher Zusammen- hang zwischen Bacterien und Schimmelpilzen, wie er vielfach behauptet, findet nicht statt.

2) Die Frage, auf welche Weise in stickstoffhaltige Substanzen die Fäulniss erregenden Bacterien gelangen, wird gewöhnlich dahin beant- wortet, dass ihre Keime mit dem Staube aus der Luft herabfallen. Gegen diese Annahme, welche aus den Versuchen von Appert, Schwann, Schröder, Dusch, Pasteur, Tyndall in gleicher Weise gefolgert wurde, scheinen die höchst beachtenswerthen Untersuchungen zu sprechen, welche Burton Sanderson in seinem II. Report of researches concerning Ihe intimate Pathology of contagion so eben veröffentlicht hat; hiernach

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gelangen zwar die Sporen der Schimmelpilze, nicht aber die Bacterien- keime aus der Luft auf fäulnissfähige Substanzen; die Infection mit Bac- terien geschieht allein durch Berührung mit unreinen Körperoberflächen (der Haut, Werkzeugen und Gefässen), ganz besonders aber durch das Wasser, welches stets Baeterienkeime enthält, es sei denn frisch destillirt, Selbst Speichel, Harn, Blut, Eiter, Milch, Hühner-Biweiss sollen zwar schimmeln, aber nicht faulen, wenn sie zwar der Luft ausgesetzt, aber vor der Berührung mit bacterienhaltigem Wasser oder dergleichen Ober- flächen geschützt sind.

Die Untersuchungen des Vortragenden haben zwar diese Angaben nur theilweise bestätigt; doch blieben allerdings, wie Sanderson gezeigt, chemische Lösungen (vgl. 3) an der Luft in der Regel vor Fäulniss, nicht aber vor dem Schimmeln bewahrt. Jedenfalls geschieht die Uebertragung der Bacterienkeime, deren Verdunstung übrigens der Vortragende direct nachgewiesen, durch die Luft nur schwierig, vermuthlich, weil die Luft nicht reich genug von Bacterien erfüllt ist, während Infection durch Wasser augenblicklich die Fäulniss einleitet.

3) Die Ernährung der Bacterien auf Kosten der faulenden eiweiss- artigen Substanzen ist gewöhnlich so aufgefasst worden, als ob aus diesen Stoifen die Bacterien den stickstoffhaltigen Inhalt ihrer Zeilen (Protoplasma) unmittelbar entnehmen. Diese Ansicht ist unrichtig.

Während die Thiere in der That ihre stickstoffhaltigen Gewebe aus Eiweissstoffen gestalten, welche sie schon fertig gebildet mit ihrer Nahrung empfangen, stimmen die Bacterien, und vermuthlich alle Pilze, mit den grünen Pflanzen darin überein, dass sie den Stickstoff ihres Protoplasmas in Form von Ammoniak oder Salpetersäure assimiliren. Die Bacterien, und die Pilze überhaupt, unterscheiden sich dagegen von den grünen Pflanzen dadurch, dass sie den in ihren Zellen gebundenen Kohlenstoff nicht aus der Kohlensäure, sondern aus anderen, leichter spaltbaren Kohlenstoff- Verbindungen, namentlich aus Kohlenhydraten, aufnehmen. Schon Pasteur fand, dass Hefenpilze sich in einer Flüssigkeit normal ent- wickeln, welche in 100 Theilen destillirtem Wasser 10 Theile krystallisir- ten Candiszucker und 1 Theil weinsaures Ammoniak enthält, und Sanderson hat gezeigt, dass die Pasteur’sche Lösung auch für Bacterien eine geeignete Nährflüssigkeit ist. Die Untersuchungen des Vortragenden haben ergeben, dass für Bacterien der Zucker nicht erforderlich ist; dieselben ent- wickeln und vermehren sich völlig normal in jeder Flüssig- keit, welche ausser Ammoniak oder Salpetersäure noch einen stickstofffreien, kohlenstoffhaltigen Körper enthält. Wird einer einprocentigen Lösung von weinsaurem Ammoniak ein Bacterien- tropfen zugefügt, so trübt sich bei einer Temperatur von 30 Grad nach drei Tagen die bis dahin klare Flüssigkeit, wird allmälig milchig, während an der Oberfläche sich dicker Bacterienschleim anhäuft, bis nach einigen

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Wochen die Flüssigkeit sich wieder klärt und einen reichlichen Bacterien- absatz niederschlägt. Fast ebenso verhält sich eine Lösung von bern- steinsaurem Ammoniak, von weinsaurem Kali und salpetersaurem Am- moniak, von Glycerin und salpetersaurem Kali, von weinsaurem und sal- petersaurem Kali u. s. w. Dagegen vermehren die Bacterien sich nicht in salpetersaurem Ammoniak, in weinsaurem Kali, in Harnstofflösung, wohl aber in letzterer nach Zusatz von weinsaurem Kali. Dass bei allen diesen Versuchen noch eine gewisse Menge von Phosphorsäure, Schwefelsäure, Kali, Kalk und Magnesia der Lösung zugesetzt werden muss, ist nach den Pasteur’schen Versuchen selbstverständlich.

4) Da die Bacterien den Stickstoff in Form von Ammoniak oder Salpetersäure assimiliren, so lässt sich ihre Arbeitsleistung bei der Fäul- niss nur so auffassen, dass dieselben die eiweissartigen Verbin dungen spalten, und zwar in Ammoniak, welches assimilirt wird, und in andere Körper, welche als Nebenproducte der Fäulniss auftreten, deren Natur bisher jedoch nur unvollkommen be- kannt, durch das Studium der Fäulniss chemischer Lösungen (3) jedoch sicher ermittelt werden wird. Vielleicht ist es das hierbei frei gemachte Ammoniak, durch welches die Bacterien auch unlösliche Eiweissverbindun- gen bei der Fäulniss löslich machen. Fäulniss ist Spaltung von Eiweissverbindungen durch Bacterien, in ähnlicher Weise, wie Alkoholgährung Spaltung des Zuckers durch Hefen- pilze ist.

5) Bei einer gewissen Klasse von Bacterien sind die Spaltungs- producte der Eiweisskörper dadurch charakterisirt, dass sie gefärbt sind. Diese Pigmentfäule ist bisher namentlich an der Oberfläche gekochter Kartoffeln, Brot, Fleisch ete. beobachtet worden, wo sie purpurrothe Gallertmassen erzeugt (Monas prodigiosa); in der Milch sind gelbe und blaue, im Eiter grüne, in anderen Fällen orange, gelbe, braune, violette Pigmente beobachtet. Erreger der Pigmentfäule sind nicht die gewöhn- lichen Stäbehen- oder Cylinder-Bacterien (Bacterium Termo), sondern kugelige, paarweise oder in rosenkranzförmigen Ketten zusammenhängende, oder in Schleim gebettete Körperchen, die der eigenen Bewegung ent- behren und als Kugelbacterien oder Bacteridien unterschieden werden.

Dem Vortragenden ist es gelungen, auch die Pigmentfäule in chemischen Lösungen hervorzurufen. Lösungen von essigsaurem Ammoniak und weinsaurem Kali färbten sich nach Zusatz eines Bacterien- tropfens nach einigen Tagen grünlich, dann blaugrün, zuletzt schön blau, wie Kupfervitriollösung, unter steigender Trübung durch Cylinder-- und Kugelbacterien, wobei zugleich die bis dahin saure Reaction alkalisch wird. Der blaue Farbestoff wird durch Säuren roth, durch Ammoniak wieder blau, und scheint mit dem Lakmus

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übereinstimmend, welcher bekanntlich ebenfalls aus der Pigmentfäule farb- loser Flechtenauszüge bei Gegenwart von Ammoniak erzeugt wird.

6) Bei einer Reihe contagiöser Krankheiten ist in der letzten Zeit das Auftreten von Bacterien im Blut oder in Secreten verschiedener Art nachgewiesen worden; es ist im hohen Grade wahrscheinlich, dass diese Körperchen die Träger der Infection und die Erreger der pathologischen Processe sind. Vermuthlich führen dieselben, in die Blutwege aufgenom- men, eine Spaltung des Blutes und die Erzeugung von Nebenproducten herbei, welche schon in minimaler Menge eine Störung des normalen Lebensprocesses zur Folge haben. Der Vortragende constatirt, dass alle bis jetzt in contagiösen Krankheiten wirklich nachgewiesenen Organismen (bei Milzbrand, Pocken, Vaceine, Puerperalepidemien, Krankheit der Seidenraupen etc.) nicht zu den beweglichen Cylinderbacterien der Fäul- niss, sondern zu den unbeweglichen, oft rosenkranzförmig verbundenen Kugelbacterien gehören. In Bezug auf die Uebertragung der Con- tagien macht der Vortragende darauf aufmerksam, dass nunmehr (vgl. 2) das Trinkwasser ganz besonders im Auge behalten werden müsse, umso- mehr, als sich in fast allen Fällen, wo Wasser aus verdächtigen Häusern dem Vortragenden zur mikroskopischen Analyse eingesendet wurde, ein hoher Grad von Fäulnissfähigkeit, oder selbst eine eingetretene Fäule erkennen liess, die wieder einen reichlichen Gehalt an eiweissartigen oder doch an Ammoniakverbindungen beweist.

Herr Geheimer Medicinalrath Professor Dr. Göppert hielt in der Sitzung der naturwissenschaftlichen Section am 18. December folgenden Vortrag:

Zur Geschichte des Elenthiers in Schlesien.

Die Auffindung einer Anzahl fossiler, der Diluvialzeit angehörenden Knochen von Mammuth, Urstieren, Hirschen und Elen in einer Mergel- grube zu Wittgendorf bei Sprottau veranlasste mich einst zu meiner ersten paläontologischen Abhandlung, welche in den Schlesischen Provinzial- blättern des Jahres 1328 p. 101—119 veröffentlicht ward. In der darauf folgenden Zeit wurden diese interessanten Reste insbesondere durch den Eifer des um die Museen unserer Universität so hochverdienten Otto noch ansehnlich vermehrt, so dass ich dem ersten Monographen unserer schlesischen fossilen Fauna, meinem jüngeren Freunde und Schüler Herrn Dr. Hensel, ein ganz bedeutendes Material zur Disposition zu stellen vermochte. Die von ihm gelieferte Beschreibung der zur Feier des 50jährigen Jubiläums der Schlesischen Gesellschaft 1853 veröffentlichten Schrift gereicht ihr zu ganz besonderer Zierde. Zwanzig Jahre sind seit jener Zeit wieder verflossen, Vieles ist hinzugekommen und wünschens- werth, dass es dem geehrten, jetzt an der königl. landwirthschaftlichen Akademie in Proskau so erfolgreich wirkenden Verfasser, nun einer der

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Ersten seiner Wissenschaft, abermals gefallen möge, sich einer neuen Bearbeitung desselben zu unterziehen. Hier nur einige historische Beiträge zu dem mir jetzt ziemlich fremd gewordenen Zweige schlesischer Naturgeschichte.

Obschon wohl sicher das Elenthier in Deutschland in der frühesten Zeit allgemein verbreitet war, finden sich doch nur sparsame Angaben über sein Vorkommen in historischer Zeit. Sie fehlen nach Virchow über Pommern und die Mark, über Schlesien liegt nur eine eben sehr unzuver- lässige, aus dem 12. Jahrhundert von Friedrich Schmaus (dessen historisches Staats- und Heldencabinet Schlesiens 1649) vor, zufolge des- selben Boleslaus I. 1186 in einer zweitägigen mit 1205 Treibern veran- stalteten Jagd bei Oppeln nicht weniger als 860 Elenthiere erlegt haben soll. Jedoch ist es mir ebenso wenig wie dem Herrn General-Landschafts- Repräsentanten v. Haugwitz, dem wir sehr interessante Untersuchungen über das Vorkommen des Elen verdanken (Jagdordnung von Albert Hugo 1864, 8. 507), gelungen, diese Schrift zu verschaffen oder auch nur die Quelle zu entdecken, woher diese an und für sich sehr unwahr- scheinliche Notiz stammt. Unter allen Umständen war das Andenken an die vaterländische Existenz dieses Thieres in den darauf folgenden Jahr- hunderten so erloschen, dass Schwenkfeld, Verfasser der ersten Fauna und auch Flora Schlesiens, sich nur begnügt, Ungarn, Litthauen und Preussen als seine Heimath zu bezeichnen. Haut und insbesondere die

Klauen wurden häufig nach Schlesien gebracht und letztere zu allerhand -

abergläubischen Kuren gebraucht, wovon leider die Gegenwart sich noch nicht freisprechen darf. 1663 wurde ein Elen im ölsnischen Fürstenthum bei Rake erlegt, zwei andere im Liegnitzschen bei Modlau und bei Kotzenau 1675, letzteres nach Brieg gebracht, wo diese seltsamen, so auf einmal zum Vorschein gekommenen Thiere im Allgemeinen unheimliches Auf- sehen, ja Wehklagen erregten und zu traurigen Ahnungen Veranlassung gaben, die, wie man damals wenigstens meinte, in dem kurze Zeit darauf, 1665, erfolgten, allgemein beklagten Tode des letzten der Piasten, Herzog George Wilhelm, leider eine sehr gerechtfertigte Bestätigung erhielten. Die letzten Elenthiere in Schlesien erjagte man 1725 in Stein bei Poln.- Wartenberg (von C. v. Prittwitz) und 1743 bei Lampersdorf im Oels- nischen, dessen Andenken in dem dasigen Schlosse durch ein Oelgemälde bewahrt wird. Des ersten fossilen Elens in unserer Provinz gedenkt David Herrmann, Pastor zu Massel bei Oels, der nebst Volkmann, Kundmann, Gr. Matuschka und Krocker zu den gefeiertsten schle- sischen Naturforschern des vorigen Jahrhunderts gehört. Ein wahrschein- lich ganz vollständiges Skelett dieses Thieres wurde in seinem Garten in 20 Fuss Tiefe aufgefunden, aber leider, ehe er es zu retten vermochte, von den Arbeitern zertrümmert, so dass er nur noch Bruchstücke zu retten vermochte, deren Abbildung und Beschreibung die Richtigkeit der Be-

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stimmung jedoch bezeugen. Die kleine diesfallsige, jetzt sehr seltene, von ihm zur Feier seiner Ernennung zum Mitgliede der Berliner Akademie ver- fasste Schrift befindet sich auf der hiesigen Stadtbibliothek [Relativ histo- rischer Bericht aus der Antiquität von einem Eienthier-Körper, welcher 1729 im Mai im Masselischen Pfarrgarten-Graben zufälliger Weise gefun- den worden etc. Hirschberg, 16 Blätter in 4. ohne Seitenzahl und eine Kupfertafel]. Mit Recht schliesst er aus der grossen Tiefe, in der es ge- funden, und aus der Lage der ordentlich aufeinandergesetzten Erde, Sand, Lehm, Lette, Kies und Schlammbänke, dass es nicht ein jetztweltliches zufällig dahin gelangtes, sondern ein vorweltliches sei. Zeichen und Zeu- sen der Sündfluth (unsere Diluvialformation). Die jedenfalls werthvollen Sammlungen des verdienten Mannes sollen sich noch bis zu Anfang dieses Jahrhunderts auf der Kunstkammer in Oels befunden haben, aber dann etwa um 1869, um zu räumen, verkauft und nach Warschau gekommen sein.

Anderweitige Funde von fossilen Elen, ausser den oben erwähnten, in einer Mergelgrube zu Wittgendorf bei Sprottau (Neumann), eben- falls in Mergelgruben zu Cavallen bei Trebnitz (v. Prittwitz), bei Nimkau und neuerlichst bei Petschkendorf (Kr. Lüben) durch Herrn Wirthschafts-Inspector Langer daselbst, zwei Bruchstücke von Geweihen, welche den in der so ausgezeichneten Monographie unseres Ehrenmitgliedes Staatsraths Dr. F. v. Brandt auf Taf. II. Fig. 3 abgebildeten fossilen Elengeweihen am nächsten kommen. Die vor 2 Jahren in Begleitung von Hirsch-, Schwein- und Pferde-Resten und mit Urnen und einem Götzen- bilde im Bereiche der Stadt Bunzlau selbst entdeckten, von Herrn Dr. v. d. Velde unserem Verein für das Museum schlesischer Alterthümer an den Secretair Herrn Rector Dr. Luchs eingeschickten grossen Elenthier- Geweihe, als Zeugen einer alten Opferstätte, halte ich zwar nicht für fossil, doch für unsere urgeschichtlichen Verhältnisse von nicht geringerem Interesse. Es hat sich daher auch der Vorstand dieses Vereins bewogen gefühlt, aus allen diesen und ähnlichen bereits vorhandenen, in inniger Beziehung zu einander stehenden Fossilien eine eigene Abtheilung in dem hoffentlich sich bald erhebenden Museumsgebäude unter dem Namen „Museum für Urgeschichte des Menschen“ zu begründen oder eigentlich dann nur zu translociren, da das Material hierzu schon aus- reichend vorliegt. Der Verein bittet angelegentlich um fernere Einsen- dungen dieser Art.

Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube hielt in der Sitzung am 15. Mai einen Vortrag über die pflanzenfressenden Cetaceen und erläuterte deren Eigenthümlichkeiten an der ausgestopften Haut und dem Skelet eines Manati (Manatus americanus), von welchem auch die Backenknochen erhalten sind, und dem Schädel eines Dugong (Halicore 4

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tabernaculi), sehr kostbare Gegenstände, in deren Besitz das zoologische Museum erst vor Kurzem gelangt war.

Die pflanzenfressenden Cetaceen besitzen zwar die Leibesform der Wale mit Brustflossen und Schwanzflosse, weichen jedoch durch den kurzen Kopf, dessen Kiefer durchaus nicht verlängert sind, die Eigen- thümlichkeit des Gebisses, die stumpfe behaarte Schnauze und die Brust- zitzen, wie durch ihre Nahrung so sehr von den anderen, von Fischen, Tintenfischen oder Nacktschnecken lebenden Walthieren ab, dass sie als ein Uebergang zu den Dickhäutern anzusehen sind, und einige Zoologen sie sogar zu diesen selbst rechnen. Manatus und Halicore sind die ein- zigen noch lebenden Gattungen; eine dritte, Rhytina, die nur in einer Art Rh. borealis existirte und das Behringsmeer bewohnte, ist in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gänzlich ausgerottet, doch vom Natur- forscher Steller noch lebend beobachtet und beschrieben, und das im Petersburger Museum davon vorhandene Skelet von Brandt auf's Gründ- lichste untersucht worden, so dass eine genaue Vergleichung mit den beiden anderen Gattungen möglich ist. Jene sind mit wirklichen Backzähnen, Halicore auch mit 2 Hauern im Zwischenkiefer versehen, die Rhytina aber, das Borkenthier, war gänzlich zahnlos und besass nur eine, die Decke der Mundhöhle und eine deren Boden bekleidende hornige Kauplatte, deren Abbildung vorgelegt ward, und die offenbar zum Zerreiben der Seepflanzen diente. Aehnliche Gebilde der Schleimhaut besitzen aber auch die Manati’s und Dugong’s ausser ihren Backenzähnen. Beim Manati beschreibt sie Humboldt als 2 Polster, von denen das obere vor einer Vertiefung, das untere hinter einer solchen liegt, beides einander ent- sprechend und in einander passend; die Vertiefung ist mit einem chagri- nirten Ueberzug bekleidet. Die Kauplatten von Halicore, welche dem gekauften Schädel angehören, erinneren viel mehr an Rhytina; sie liegen in der vorderen Hälfte der Mundhöhle, noch ein gutes Stück vor den Backzähnen, von denen bei unserem Schädel jederseits 4 oben, 3 unten existiren, und sind durchaus hornig, obwohl Beschreiber sie knorpelig nennen, die obere bis 6 M. dick, mit einer mittleren ansehnlichen, von 2 Wülsten eingefassten Längsrinne versehen und ganz rauh von kleinen pilzförmigen, durchfurchten Erhabenheiten; der Längsrinne entspricht auf der dem Schädel zugekehrten Fläche ein Längsrücken, den Erhabenheiten Vertiefungen, so dass man jene als verhornte Papillen deuten muss; die untere Kauplatte zeigt nur eine Längsfurche mit 2 scharfen Rändern, auf der Innenseite einen Längskiel, auf der Aussenseite wenigere, dünnere und gestreckte Papillen, ist kaum /, so diek und durchscheinender. Der Vor- tragende glaubt in diesen Gebilden eine Andentung der Fischbeinbildung der Bartenwale wieder zu erkennen. Die Zunge soll bei Manatus kurz und dick und unbeweglich, bei Halieore dünn und an der Spitze mit knorpeligen Stacheln besetzt sein, von Schneidezähnen zeigt auch unser

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Schädel von Manatus keine Spur, ausgebildete Backenzähne 20 (oben wie unten 5) und 4 im Entstehen begriffene, die oberen haben 3, die unteren 2 Wurzeln und alle, wie beim Tapir, 2 zum Theil schon recht abgeriebene (Juerjoche, während die Zähne von Halicore ganz glatte Kauflächen und keine Wurzeln besitzen. Die viel weiter vorragende Oberlippe dient dem Manati als ein zum Tasten tauglicher Rüssel. Unter den Verschiedenheiten im Skeletbau zwischen jenen beiden Thieren wurde namentlich auf die Sechszahl der Wirbel, die Zweizahl der echten Rippen und die gewaltige Auftreibung des Jochbeinsatzes vom Schläfenbein beim Manati und auf die Vierzahl der echten Rippen, die Herabkrümmung und Höhe der Kiefer beim Dugong aufmerksam gemacht. Aeusserlich wird das Manati durch die gerundete, der Dugong durch die halbmondförmig ausgeschnittene Schwanzflosse, jener durch die ganz nach vorn, dieser durch die nach hinten und oben gerückten Nasenlöcher charakterisirt. Beide haben kleine Augen, eine sehr kleine Ohröffnung, eine blaugraue Farbe und einen sehr plumpen Körper, der bei unserem Manati nur 6 Fuss lang ist, doch giebt es über 9 Fuss lange und 8 Centner schwere, und dasselbe gilt von den Dugongs. Wie sehr verschwindet aber diese immerhin schon ansehnliche Grösse gegen die Steller’sche Seekuhb, welche eine Länge von 24 Fuss und ein Gewicht von 80 Centner erreichte! Das bei beiden reichlich vorhandene Fett ist durchaus nicht übelriechend und wird zu Speisen be- nutzt, das Fleisch, wohlschmeckend, wenn auch etwas süsslich, wird ge- trocknet und eingesalzen, und auch die Milch soll gut sein. Ebenso war die Seekuh eine sehr gesuchte Nahrung, ihr Fleisch soll wie Kalbfleisch geschmeckt, ihr Fett wie süsses Mandelöl gerochen haben. Die Dugongs sind, wie es die Stellersche Seekuh auch gewesen, wahre Meerbewohner, halten sich in der Nähe der Küsten und nähren sich von Tangen; ihr Gebiet ist der indische Ocean bis in das Rothe Meer hinein, wo Rüppell und Klunzinger sie antrafen, und bis zu den Philippinen und Molucken; die Manati’s dagegen gehören recht eigentlich dem süssen Wasser an. Wenn man sie im Meere trifft, hat man sie in der Nähe von Quellen be- merkt, sie gehen weit hinauf in die Flüsse der afrikanischen West- und der südamerikanischen Ostküste, öfters wohl bis einige hundert Stunden von der Mündung und verbreiten sich bei Ueberschwemmungen auch weiter in das Land, die Ufer abweidend, wobei sie sich auf ihre Brust- flossen stützen und mit dem Vordertheil emporragen. Sie nähren sich nieht nur von Gras, sondern nach den Berichten Kapplers aus Surinam, von dem wohl die meisten Manati’s in die Museen gewandert sind, auch von den herabhängenden Zweigen einer stachligen Papilionacee und den Früchten von Coladium arborescens. Derselbe Vortragende hatte am 13. März die von H. Dr. Agathon Bernstein in Java gesammelten Naturalien

im zoologischen Museum aufgestellt, welche in dem Nachlass des für die

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Wissenschaft so unermüdet eifrigen Sammlers vorgefunden waren, und die seine Mutter, die verw. Frau Geheimräthin Bernstein in liberalster Weise dem hiesigen Museum zum Geschenk gemacht hatte. Indem der Vor- tragende der wohlwollenden Geberin dafür den wärmsten Dank hiermit öffentlich ausspricht, hegt ‘er die Ueberzeugung, dass diese mit dem Namen Bernstein gezierten Gegenstände in den von so vielen Hunderten be- suchten Räumen des Museums ebenso sehr als ein Beweis wahrer Pietät die gebührende Anerkennung finden, als andere Schüler und Gönner dieser Hochschule zur Nachahmung dieses rühmlichen Beispiels anregen werden.

Die Sammlung besteht zum grössten Theil aus den befiederten Be- wohnern jener Gegenden, in denen Bernstein so lange gelebt hat, aus deren Eiern, Nestern und Skeletten oder Skelettheilen, aber auch aus mehreren Säugethieren und Reptilien und Schädeln derselben, unter welchen vor allen ein grosser Schädel von Crocodilus biporcatus, ein Schädel eines seltenen Delphins (Delphinus pseudodelphis), eines javanischen Ebers (Sus verrucosus), des javanischen Nashorns (Rhinoceros javanus) und der Schädel eines Malaien vom Stamme der Madura’s, wie Herr Dr. Joseph ihn bezeichnet, besonders hervorzuheben sind.

Die Sammlung von Vögeln enthält nicht weniger als 234 Species, von denen das Museum 78 bisher noch nicht besass, und von diesen 78 Arten sind, wenn man Bonaparte’s Conspectus zu Grunde legt, 16 Ver- treter von Gattungen, die bis dahin der Sammlung fehlten. Eine bedeu- tende Zahl von Arten befindet sich bereits in der sehr umfangreichen Sendung, welche Dr. Bernstein im Jahre 1868 aus Gadok in Java unserem Institute verehrte, und welche die Grundlage für einen Vortrag über die javanische Vogelfauna (s. den Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1860) bildete; zu bedauern ist bei diesem neuen Geschenk, dass Angaben über das Vaterland der betreffenden Bälge nicht vorliegen, doch ist nur bei wenigen anzunehmen, dass sie nicht aus Java selbst, sondern von einer anderen der Sundainseln oder den Molucken herstam- men. Dieser neue Zuwachs bildet jedenfalls eine wesentliche Ergänzung der früheren Sammlung, namentlich auch in den Ordnungen der Schwimm- und Stelzvögel. So besitzen wir jetzt Anas javanica und Carbo javanicus, Rallus gularis, Totanus tenuirostris, den durch seine hohen rothen Fleisch- lappen an den Mundwinkeln und den Sporn am Flügelbug auffallenden Lobivanellus tricolor und von Reihern Argala javanica und Buthorides javanicus. Neben diesen der Insel Java eigenthümlichen Stelzvögeln finden wir aber in Bernsteins Sammlungen auch den uns wohlbekannten Goldregenpfeifer (Charadrius pluvialis) und von seinem Verwandten Aegialites curonicus und cantianus, Totanus glottis und glareola und unseren Fischreiher (Ardea cinerea) vor.

Von Raubvögeln sind ein paar in Bälgen, andere in Skeletten vertreten, so Hacmatornis bacha Daud., Spizaetus caligatus Raffl. und

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Falco ponticerianus Gm. Unter den ersteren befindet sich auch unser Sperber. ER Von Hühnervögeln sind Gallus javanicus und Perdix javanica hinzu- gekommen; mit dem prächtigen javanischen Pfau (Pavo muticus) hatte uns bereits die erste Sendung beschenkt. Verhältnissmässig viel für das Museum Neues befindet sich unter den Tauben; so Jotreron viridis, eine grüne Taube mit violettrother Kehle, die auffallend bunte Lampretreron superba und die ansehnliche, graue, mit grünen kupferroth spielenden Flügeln versehene Ducula Paulina.

Von den Singvögeln stellen die unsere Finken dort vertretenden Ploceiden, die Edoliiden, Muscicapiden und Turdidae das ansehnlichste Contingent. Unter den Edoliiden sieht man jetzt neben dem in tiefes Schwarz und Feuerroth gekleideten Pericrocotus miniatus den sehr ähnlich, doch minder scharf eontrastirend gefärbten P. igneus und den kleineren P. flagrans, bei welchem das Schwarze in das Schwarzgraue, und das Feuerrothe in das Orangegelbe verwandelt ist. Sehr interessante Drosseln sind Turdus sibiricus und Brachypus dispar; von jener besitzt das Museum seit längerer Zeit ein Weibchen aus Schlesien (früher als T. auroreus Pall., dann aber von Blasius, Brandt und Radde als sibiricus bestimmt, eine seiner grössten Seltenheiten), jetzt ist durch Dr. Bernstein das alte, ganz düster gefärbte und das jüngere Männchen hinzugekommen, Brachypus dispar, oben olivengrün, unten hochgelb, ist durch eigenthümlich schmale, spitze und glänzende blutrothe Kehlfederchen ausgezeichnet. Myiophanes flavirostris, eine der grösseren Pittiden von einem matten Schwarz, fällt durch den metallisch schimmernden dunkelblauen Anflug an Flügelbug und Flügelspitzen und durch die ebenso blau schimmernden, wıe Tropfen erscheinenden Enden vieler Schulter- und Brustfedern auf, Crypsirrhina (Glaucopis) aterrima, eine Garrulide, von der leider keine Abbildung zur Vergleichung vorliegt, ein ganz schwarzer Vogel, durch eiuen sichelförmigen weit über den Unterschnabel herabgekrümmten Oberschnabel. Es giebt nur 2 Arten Raben auf Java, deren Nestbau auch Bernstein beschrieben hat. Das Museum ist jetzt wenigstens in den Besitz der ansehnlicheren und bei Gadok häufigeren Art Corvus macrorhynchus gelangt, der jedoch weder an Grösse noch an metallischem Schimmer des Gefieders unserem Raben gleichkommt. Der ausgeprägte, an die Kolibri’s erinnernde Metall- glanz des Gefieders, namentlich an Scheitel, Kehle und Flügelbug, kommt nur bei den Honigvögelchen (Cinnyris) vor, von denen C. fuliginosa und ©. Aspasia im Museum noch nicht vertreten waren. An Nashornvögeln ist die Insel Java noch nicht halb so reich, als Sumatra, es ernährt nur drei Species: alle von sehr ansehnlicher Grösse und mit grossen Schnabel- Aufsätzen; da nun auch Hydrocissa convexa oder pica eingetroffen ist, sind sie im Museum sämmtlich vorhanden, aber von den Sumatranischen ver- misst man noch die meisten.

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Dagegen giebt Rosenberg für die dortige Fauna 10 Arten von Eis- vögeln an, von diesen ist wenigstens die Mehrzahl vertreten, seitdem sich jetzt die beiden kleinsten Alcedo biru und der dreizehige A. meninting auch eingestellt haben, die hinter unserer einheimischen Art noch merklich an Grösse zurückstehen. Es ist ferner hinzu gekommen die zierliche Tanysipter«a dea, die aber nur auf den Molucken und in Neuguinea zu Hause ist, und im Gegensatz zu allen ihren Verwandten einen stufig verlängerten Schwanz mit 2 ganz schmalen, bloss an der Spitze verbreiterten Mittelfedern besitzt; ebenso ausgezeichnet ist ihre Färbung, die Basis des Schwanzes ist vom leuchtendsten Lasurblau, die Schultern auf braunem Grunde blau getropft. Von Spechten liegt eine ganze Reihe vor, zum Theil sehr buntfarbige, wie Venilia punicea und miniata und andere, auch in der ersten Sendung ent- haitene; aber ein sehr interessanter neuer Ankömmling ist die winzige, oben olivengrüne, unten zimmetfarbene Sasia abnormis, da sie, wie die ebenfalls javanische Tiga tridactyla und der nordische, in Schlesien schon seltene Apternus, nur 3 Zehen besitzt. Auch von unserem Cuculus canorus liegt ein Exemplar aus Java vor.

Zum Schluss theilte der Vortragende einiges über die Lebensschicksale Agathon Bernstein’s mit, der sich von Jugend an ebenso sehr zum Studium der Natur hingezogen als ein ganz besonderes Interesse für die Sundainseln fühlte und kaum seine Studien unter Gravenhorst, Barkow, Goeppert beendigt hatte, als er auch schon 1855 in holländische Dienste trat und als Schiffsarzt nach Java ging. Bald darauf kehrte er noch ein- ma) nach Europa zurück, um das zum Praktisiren in Java erforderliche ärzt- liche Examen in Holland zu machen, reiste dann abermals dorthin und liess sich in Gadok nieder, einer wegen ihrer gesunden Lage am Fusse des Gedee-Gebirges bekanuten Gegend, von wo er bequemer mannigfache ornithologische Streifzüge in die Insel unternehmen konnte, nicht nur um die Repräsentanten der dortigen Fauna zu sammeln, sondern auch sie in ihrer Lebensweise zu belauschen und ihren Nestbau kennen zu lernen, über die er viel Schätzbares mitgetheilt. So lebte er fort bis zum Jahre 1860, wo die holländische Regierung in ihm den geeigneten Mann fand, eine auf mehrere Jahre ausgedehnte Expedition zur Erforschung der Inseln um Neuguinea und Neuguinea’s selbst zu leiten. Nachdem er 4 Jahre laug das holländische National-Museum aus Halmahera, Moretai, Ternate, Batjan, Gebeh und Waigeu durch die umfangreichsten Sammlungen be- reichert, war er endlich bis Neuguinea vorgedrungen, allein ein Fieber, dem sein durch die anhaltenden Strapazen bereits früher angegriffener Körper jetzt wohl leichter zugänglich war, ergriff ihn während des Auf- enthalts in der ungesunden Bai Natral (auf Neuguinea) im Winter 1864 und raffte den eifrigen Forscher, den unermüdlichen, in seiner vollen Manneskraft, im Alter von 37 Jahren, in wenigen Tagen auf Babanta am 19. April 1865 dahin. Die Arbeit, in welcher Bernstein seine erste

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wissenschaftliche Befriedigung suchte seine Doctor-Dissertation be- handelte die Anatomie der Raben, und ein nach älterer Ansicht raben- artiger Vogel, ein Paradiesvogel, war es, der ihm die letzte Freude dieser Welt gewährte: wenige Tage vor seinem Tode war er so glücklich, auf Waigeu in den Besitz der so seltenen, vor Bernstein noch von keinem Naturforscher an Ort und Stelle gesehenen und für einen Paradiesvogel seltsam grell gefärbten Paradisea Wilsoni oder calva zu gelangen, von dem das Leidener Museum prachtvolle Exemplare besitzt, den Versam- melten aber nur eine Abbildung vorgelegt werden konnte.

Die rühmende Anerkennung, mit welcher der Vortragende bei seinem neuerlichen Aufenthalt in Leiden den Director des dortigen Museums, den ausgezeichnetsten Kenner der Sunda- und Molucken-Fauna, Professor Dr. Schlegel, von Bernstein’s Verdiensten sprechen hörte, war das schönste Zeugniss für die Grösse des Verlustes, den wir durch seinen Hingang erfahren haben. Eine niedliche grüne Taube mit ocherfarbigem Bauch, welche wahrscheinlich auf der Insel Batjan lebt, Ptilopus Bernsteini Schleg., verewigt in der Wissenschaft seinen Namen. . (Beschreibung und Abbildung in Nederlandsch Tydschrift voor de Dierkunde Deel I p. 59 pl. III Fig. 1.)

Derselbe Vortragende zeigte am 18. December ein ungewöhn- lich grosses Exemplar einer Kaulquappe, der Larve der Wasser- oder Knoblauchkröte (Pelobates fuscus), welches Herr Rittergutsbesitzer Mätzke in Göppersdorf bei Strehlen beim Ablassen eines Teiches gefunden hatte. Dies Exemplar war noch grösser als das grösste von Rösel abgebildete und mass einen halben Fuss, wobei der Bauch eine Dicke von 1'/, Zoll besass. Die Hinterfüsse am Anfang des ausserordentlich langen Schwan- zes waren erst °/, Zoll lang, Vorderfüsse noch gar nicht vorhanden, das Kiemenloch noch weit geöffnet. Nach Rösel geht die regelmässige Ver- wandlung der Knoblauchkröte in der Art vor sich, dass das vollkommene Thier gegen das Ende des Juli, 3 Monate nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei, auftritt, der Vortragende hat jedoch noch in der Mitte des August Larven erhalten, welche in dem oben beschriebenen Stadium standen, aber nur halb so gross waren, und von dem vorliegenden Exemplar, welches im November gefangen war, lässt sich wohl mit Sicherheit an- nehmen, dass es in diesem Zustande auch den Winter verlebt hätte, ein Fall, der in der Reihe der ungeschwänzten Batrachier nicht vereinzelt steht, da Hamiin im Main noch gegen den Winter Froschlarven ent- deckte, die in der Entwickelung weit zurück waren. Interessant ist, dass nach Rösel in manchen Gegenden die Larven der Knoblauchkröte als Fische angesehen und gegessen werden.

Hierauf wurde der 2. Band von H. A. Meyer und Moebius Fauna der Kieler Bucht vorgelegt, mit welchem die Mollusken-Fauna abgeschlossen

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ist. Nach einer Einleitung, welche die Strömungen in der Ostsee, ihre Temperatur, ihren Salzgehalt und die Eigenthümlichkeiten der in ihr vor- kommenden Schaltbiere behandelt, folgen die Beschreibungen der einzel- nen Arten und ihre nach dem Leben colorirten, oft ansehnlich ver- grösserten Abbildungen, welche das Werk zu einem der luxuriösesten machen, deren die deutsche Gelehrtenwelt auf diesem Gebiet sich rühmen kann. Auch einzelne Körpertheile, wie die Zungenbildung bei den Schnecken, die Tracheen der Muscheln und die Form des Laichs, die den Nicht-Eingeweihten nur zu oft in Verlegenheit setzt, sind auf den Tafeln dargestellt, und man hat ausser der Anatomie Alles beisammen, was man wünschen muss. Wir wissen nunmehr, dass in der Kieler Bucht nicht weniger als 40 Gattungen Mollusken in 63 Arten vorkommen (40 Gastero- poden, von denen 27 Schnecken mit dauernden Schalen und 23 Muscheln), unter ihnen sind jedoch einige nur als Gäste, nicht als eigentlich in der Bucht heimisch zu betrachten, Dintenfische und Brachiopoden fehlen ihr gänzlich.

In der Sitzung vom 17. Januar berichtete Herr Professor Grube über eine Zusendung transkaukasischer Arachniden und Myriopoden

von Herrn Dr. Radde, von denen er die Scorpione und Geophilen hervor- hob, da sich unter ihnen einige noch nicht beschriebene Arten befinden.

Dies gilt zunächst von einem Scorpion, der seinem ganzen Habitus nach zu den Androctonen gehört, obschon sich mit Sicherheit nur 4 Augen jederseits unterscheiden liessen (A. scrobiculosus). Er muss in die Gruppe der Prionuren gestellt werden und ähnt am meisten dem A. bicolor Ehrbg., der ebenfalls in jener Sendung vertreten ist, Letzterer ist ganz schwarz, wie ihn Lucas abbildet, oder hat blos gelbe Tarsen und Scherenfinger, wie Ehrenberg angiebt. Die neue Art ist an der Oberseite dunkellauch- grün, unten schmutziggelblich grün und hat blassgelbe Beine und Pulpen, auf diese Verschiedenheit der Färbung und auf die geringere Grösse denn kein Exemplar misst über 1%, Zoll wäre vielleicht kein grösseres Gewicht zu legen, es könnte der jüngere A. bicolor auch lichter gefärbt sein, allein die Sculptur des Schwanzes ist eine ganz andere. Alle Seg- mente desselben sind an den Seiten der Unterfläche von gleichmässigen Grübchen erfüllt, bei bicolor glatt und nur mit einigen Körnchen überstreut, auch Ehrenberg gedenkt keiner Grübchen. Die Bauchseite der 3 ersten Segmente zeigt 4 schwache Längskiele von winzigen Körnchen, das 4. und 5. nur 2, nämlich die äusseren, die Kante selbst bildenden, bei A. bicolor hat das 5. Segment 3, alle übrigen 4 solche Kiele und der Stachel selbst ist an der Unterseite mit 3 Längskielen und 2 dazwischen befindlichen Rinnen versehen, bei A. scrobiculoses dagegen ganz glatt. Auf dem Rücken der Abdominalsegmente machen sich bei A. bicolor 3 Längs- kiele bemerkbar, bei scrobiculoses nur 1, auch sind hier die Seitenwände

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des Schwanzes sichtlich gerundet, nicht eben, und weniger scharf gegen die Rücken- und Bauchfläche abgesetzt. Die Hand der Palpenschere von oben betrachtet erscheint kaum etwas angeschwollen. Beachtung verdient, dass diese Art bei Lenkoran in einer Höhe von 4000 Fuss gefunden ist, während Ehrenberg Scorpione nur bis zu einer Höhe von 1500 Fuss antraf.

Die Geophilen unterscheiden sich von den Seolopendren durch die stets l4gliedrigen Antennen, den Mangel der Augen, den meist linearen, mit zahlreichen Beinpaaren versehenen Körper und die Schwäche des letzten, nie mit kräftigen Klauen versehenen Beinpaares (sog. Schleppfüsse). Bergsoe und Meinert in ihrer durch Gründlichkeit ausgezeichneten Arbeit, haben eine Reihe Gattungen aufgestellt, von denen 3 unter den eingesen- deten vertreten sind: es liegen 2 Arten von Geophilus i. e. S., 1 von Scotophilus und 1 von Mesocanthus vor. Letztere (M. Raddeanus) fällt vor allen durch ihre Länge auf, da ein Exemplar mit 125 Beinpaaren fast 5 Zoll misst, während M. albus, die einzige sonst bekannte Art, nur eine Länge von 64 M. erreicht, auch nur 89 Beinpaare besitzt. Die Farbe ist ochergelb, die Stirnplatte abgesetzt, die grossen Klauenkiefer erreichen fast den Stirnrand, die Rücken- und Bauchplatten sind nicht granulirt und letztere meistentheils mit einer Area versehen. sScotophilus bivittatus ähnt dem $. pulchellus darin, dass der Rücken dunkle Längsstreifen hat, doch nur 2, nicht 4; Stirnplatte abgesetzt, 62 Gangfusspaare, das letzte etwas kürzer als die sehr dicken Schleppfüsse; Bauchplatten mit einer länglichen Area. Von den Geophilus zeichnet sich G. angusticeps durch die sehr lange, vorn breitere Kopf- und die schmale, mitten verengte letzte Bauch- platte aus, das schmale Blatt der über die Stirn hinausragenden Klauen- kiefer am Innenrande mit 2 nicht immer gleich deutlichen auseinander stehenden Zähnchen, die Coxae mit Grübchen versehen. Pleuren der sehr dünnen Schleppfüsse mit vielen Poren. Keine deutlich abgesetzte Stirn- platte. Bei G. Bakuensis ist die letzte Bauchplatte breiter, die fein punk- tirte Kopfplatte ebenso breit als lang, die grossen Klauenkiefer reichen bis an den Stirnrand. Schleppfüsse etwas länger als die vorhergehenden, ohne Klaue, Pleuren mit 8 Poren, Stirnplatte nur durch die etwas hellere Färbung abgesetzt. Bei beiden Arten keine Analporen, bei ersterer 49 bis 55, bei letzterer 67 Beinpaare.

Hierauf legte der Vortragende zwei kostbare Kupferwerke vor, welche die Bibliothek des zoologischen Museums vor nicht langer Zeit angekauft hatte, Gray’s ‚„‚„Genera of birds“ und Alder und Hancock British Nudibranehiate Mollusca.

In der Versammlung am 15. Mai sprach derselbe Vortragende über ein paar neue Anneliden aus der Familie der Spiodeen, welche Herr Professor Stossich in ''riest im nördlichen Theile des

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Adriatischen Meeres gefunden hat, und die zugleich eigene Gattungen repräsentiren.

Periptyches festiva Gr. gehört in die Abtheilung der Spiodeen, welche nur an einigen wenigen vorderen Segmenten Kiemen tragen, und erinnert dadurch am meisten an Prionospio Mgn., dass diese Organe gefiedert sind, was sonst nicht vorkommt, es treten hier aber nur 2 Paar solcher Kiemen auf, während Prionospio ausserdem noch 2 Paar glatte besitzt, und zwar befinden sie sich auf dem vierten und fünften Segment, doch zeigt sich bei einem Exemplar noch ein Anhang rechterseits am zweiten Segment, der, da man an ihm einige Fiederchen erkennt, ebenfalls für eine Kieme zu halten ist. Bei Prionospio stehen die Fiederchen jederseits in einer einfachen Reihe und ziemlich weitläufig, hier aber so gedrängt, dass sie mehr als eine Reihe zu bilden scheinen. Da bloss 33 Segmente erhalten sind, lässt sich nicht bestimmen, ob in den unteren Rudern der hinteren Segmente auch Hakenborsten wie bei Prionospio vorkommen; an den er- haltenen Rudern, den oberen wie den unteren, zeigen sich nur Haarborsten und je eine ansehnliche gerundete Hinterlippe, die obere ist die grössere. Jedenfalls unterscheidet sich Periptyches durch den Besitz von zwei läng- lichen Augen vorn neben der schmalen platten Karunkel, die bis an das vierte Segment reicht, und einen nach vorn verbreiterteren Leib, an dem sehr niedrige Hautfalten oder Säume der Segmente Gürtel bilden.

Eine zweite neue Gattung derselben Familie ist Paraonis; die einzige Art P. tenera Gr., ebenfalls aus der Adria, und von Professor Stossich eingesendet, ist nach einem sehr zarten und schwer zu behandelnden, hinten nicht vollständigen Exemplar aufgestellt. Die Kiemen sind schmale, langsam zugespitzte, aber glattrandige Blätter und kommen nur vom vierten bis zehnten Segment vor. Auf dem halbkreisförmigen Kopflappen zwei punktförmige Augen, dahinter eine kleine, platte, längliche, bis auf’s zweite Segment reichende Karunkel, jederseits neben ihr ein schwarzer Längsstrich. Fühler und Füblereirren nicht bemerkbar. Die oberen Borstenköcher jener vorderen Segmente tragen ein längeres zugespitztes hinteres Lippenblatt, die unteren ein kurzes breites und beide blos Haar- borsten. Die übrigen Köcher ragen nur sehr wenig vor, und die oberen derselben haben Haar-, die unteren kürzeren wenig dickere nadelförmige Borsten, beiden fehlen Lippenblätter.

Bei dieser Gelegenheit berichtigt der Vortragende in Betreff der Be- schreibung seiner Notopygos erinita, einer Amphinomee, dass auch die Borsten der oberen Bündel mit zwei sehr ungleich langen Zinken enden, und dass auch ein zweiter Rückeneirrus nahe der Kieme vor- kommt, dieser ist aber früher als ein isolirter Kiemenfaden von ihm betrachtet. Demnach fallen die Gattungen Notopygos und Lirione wohl zusammen.

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Der Vortrag über Anneliden, den Professor Grube am 24. Juli 1872 hielt, bezog sich auf

die Familie der Cirratuliden.

Die Cirratuliden sind rothblütige Meeranneliden vom Leibeshabitus unserer Regenwürmer, mit sehr kurzen Segmenten, einem einfachen, wie eine Oberlippe gestalteten kurzen Kopflappen ohne Fühler, einem borsten- losen Mundsegment*) und einfachen Borsten, welche fast ohne Ausnahme nicht in Ruderplatten oder Borstenköchern stecken, aber, abgesehen von dem sehr abweichenden inneren Bau, auch äusserlich dadurch wesent- lich von jenen verschieden, dass mehr oder weniger Segmente, zuweilen alle, auf dem Rücken ein Paar lange fadenförmige, im Leben sich mannig- fach windende Kiemen tragen. Was die Borsten anlangt, so ist zwar die kurze nadelartige, den Lumbrieinen eigenthümliche Form überall vertreten, aber neben solchen stehen auch haarförmige, an den vorderen Segmen- ten in der Regel nur solche in beiden Zeilen (jederseits), ja zuweilen giebt es durchweg nur haarförmige; auch ragen die nadelförmigen weiter vor als bei den Lumbrieinen, sind nie eigentlich S-förmig, sondern am unteren Ende fast gerade und dicker, an der Spitze oft nur wenig gekrümmt und überhaupt richtiger den eigentlichen Aciculae, als den Uncini zu vergleichen. Lange fadenförmige Kiemen besitzen zwar auch die Hesioniden und manche Syllideen, aber sie sitzen hier auf Rudern, bei den Cirratuliden höchstens auf niedrigen Polstern, auch fehlt den Cirratuliden der vor- streckbare Rüssel von jenen, sonstiger Unterschiede nicht zu gedenken, Mit anderen Anneliden, denen fadige Kiemen zukommen, wie Sabellides und verwandte, kann man sie noch viel weniger vergleichen, da diese in einer ganz anderen Abtheilung der Anneliden stehen, Sie zeigen viel- mehr die meiste Verwandtschaft mit den Spiodeen, bei denen sich freilich nicht nur die Kiemen verkürzen, sondern auch die Borsten zu viel an- sehnlicheren Gruppen ausbreiten und Borstenköcher mit Lippenblättern sich entwickeln, namentlich stimmen sie mit ihnen darin überein, dass bei einzelnen Gattungen zum Greifen dienende Fühlereirren (Cirri tentaculares prehensiles) auf dem Mundsegment auftreten, die bei den Spiodeen so all- gemein verbreitet sind. Die Familie der Cirratuliden gehört zu den klei- neren, denn obwohl eine ganze Reihe von Gattungen in ihr aufgezählt wird, scheint es doch geboten, manche derselben als blosse Untergattungen zu betrachten, da sie nur einzelne und nach der verbreiteteren Ansicht

*, Das Mundsegment ist in der Regel in 2 deutliche Ringel getheilt, zuweilen kann man auch 3 unterscheiden, zählt man diese als Segmente, was gewöhnlich geschieht, so können die Angaben über das Segment, das eine Querreihe von Kiemen trägt, für dieselbe Art sich widersprechend lauten, was bei der anderen Art der Betrachtung vermieden wird,

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nicht so wichtige Unterscheidungsmerkmale an sich tragen, mehrere davon auch nur auf einer Art beruhen und einige wohl durchaus identisch mit anderen sind. Die hierher gestellten Gattungen sind folgende: Cirratulus Lam., Audouinia Qf., Promenia Kbg., Timarete Kbg., Archidice Kbg., Cirrinereis Blv, Labranda Kbg., Chaetszone Mgn., Dodecaceria Oersd., Heterocirrus Gr. und Nangaraseta Leidy und eine neue, von Heteroeirrus abgezweigte, Acrocirrus, wird hinzutreten müssen. Sämmt- liche von Kinberg aufgestellte Gattungen sind dem Vortragenden leider nicht aus eigener Anschauung bekannt, auch fehlen noch die ausführ- licheren Beschreibungen ihrer Arten, die übrigens sämmtlich ausser- europäischen Meeren angehören.*)

Jene Gattungen ordnen sich zunächst am natürlichsten in 2 Reihen: in der einen fehlen Fühlereirren, in der anderen mit Heterocirrus begin- nenden kommen sie vor.

I. In der ersten Reihe steht Cirratulus Lam. und Cirrinereis Biv., die sich allein dadurch unterscheiden, dass bei Cirrinereis kein Segment mehr als 2 Kiemenfäden trägt, bei Cirratulus dagegen eines der vorderen jederseits eine ganze Gruppe derselben, oder wie man sich kürzer ausdrückt, da diese Gruppen immer eine quere (richtiger schräg nach hinten convergirende) Stellung einnehmen, eine Querreihe von Fäden trägt. Zuweilen dehnen sich diese Gruppen so sehr gegen die Mittellinie des Rückens aus, dass zwischen ihnen kaum noch ein Zwischenraum übrig bleibt, im entgegengesetzten Falle beschränkt sich die ganze Gruppe auf 4, selbst 3 oder 2 Fäden, so dass man eigentlich von einer Gruppe nicht mehr sprechen kann, man darf daher bei solchen Schwankungen eines Charakters denselben wohl nicht mehr für einen Gattungscharakter halten und eine besondere Gattung Archidice, die Kinberg auf die Anwesenheit von 4 Fäden in jeder Gruppe basirt hat, nicht zulassen; da aber der Name Cirrinereis einmal eingeführt ist, kann man damit eine Unterabtheilung der Gattung Cirratulus bezeichnen. Es kommt ferner dasjenige Segment in Betracht, auf dem die Kiemengruppen sitzen. Fast immer sitzt die Quer- reihe der Kiemen auf einem der ersten borstentragenden Segmente, in seltenen Fällen trägt aber schon das immer borstenlose Mundsegment Kiemen. Aus solchen Cirratulen bildet Kinberg die Gattung Promenia. Würden diese Organe eine von den übrigen Kiemen abweichende Be- schaffenheit besitzen, so würde die Gattung Promenia ganz berechtigt sein, da dies aber nicht erwähnt wird und auch bei einzelnen Cirratulen i. e. S. bereits das Mundsegment jederseits wenigstens einen Kiemenfaden trägt, scheint es am gerathensten, auch Promenia mit Cirratulus zu ver-

*) Kinberg Annulata nova in Oefvers. of Vet. Akad. Förhandl. Stockholm 1865, Nr. 4 p. 253.

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einigen, und die Gattung Audouinia @f.,*) dereu Eigenthümlichkeit nur darin besteht, dass der Kiemenreihe noch einige kiemenlose borsten- tragende Segmente vorausgehen, ist auch nicht scharf von der Gattung Cirratulus i. S. von Quatrefages geschieden, da derselbe bei Cirratulus sich unbestimmt auslässt: ‚Branchies laterales et dorsales se montrant ü la fois ou presque en meme temps“, und die von den Borsten hergenommenen Unterschiede nicht begründet sind. Claparide weisst bei ©. chrysoderma, den er zu diesen eigentlichen Cirratulus rechnet, einen Unterschied in der Beschaffenheit der vorderen und der übrigen Kiemenfäden nach, wogegen nicht dargethan ist, dass dasselbe auch bei C. borealis stattfindet, der gleichfalls zu Cirratulus i. e. 8. gehören soll.

Was endlich Kinberg’s Gattung Timarete betrifft, bei der die Kiemen- fäden 2 bis 3 Querreihen bilden und, wie es scheint, auf eben so viel Segmenten stehen sollen, so ist dies doch nur eine mässige Vermehrung desselben, auch bei anderen Arten zuweilen schon in grosser Zahl vor- kommenden Organs, und, soviel man aus der Beschreibung erkennen kann, mit keiner Abweichung in den übrigen Körpertheilen verbunden, ausser dass einige Haarborsten gesägt erscheinen, und es scheint deshalb die Erhebung zu einer Gattung nicht nothwendig.

Indem man die besprochenen Unterschiede als Gruppen bildend be- sonders beachtet, erhält man folgende Uebersicht der Arten:

Cirratulus Lam.

1. Kiemenfäden auf einem oder ein paar vorderen Segmenten in grösserer Zahl als 2, meist in 2 Gruppen, auf den anderen zu je 2 (Cirratulus s. str.).

A. Kiemenfäden in Querreihen auf 2 bis 3 vorderen Segmenten hinter- einander und in grösserer Zahl vorhanden (Timarete). T. fecunda Kbg. (Prof. Jackson), polytricha Kbdg. (Chile), ? C. po- Iytrichus Schmd. (Valparaiso). B. Kiemenfäden nur auf einem der vorderen Segmente in grösserer Zahl als 2, B! auf dem Hinterrande des Mundsegments selbst (Promenia Kbg.) Pr. jueunda Kbg. (Magalhaensstrasse), Pr. spectabilis Kb. (Vancouveri-Insel), B? auf einem der vorderen borstentragenden Segmente,

a. jederseits eine grössere Gruppe oder Querreihe (Arten mit ungeflecktem Leibe). «@. Gruppe der Kiemenfäden auf dem 1. borstentragenden Segment: C. borealis Lam., die einzige bisher bekannte Art, welche mehrere jederseits in einer Bogenreihe stehende Augen trägt. (Von

*) Quatrefages Hist. nat. des Anneles. 1865. Tom I p. 459.

62 Jahres-Bericht

Grönland bis zum Oeresund und dem Kanal herab, auch im Ochotskischen Meere.)

8. Gruppe der Kiemenfäden auf einem der nächstfolgenden Segmente,

%' Aciculae der unteren Zeile auffallend stark geschweift und viel dicker als die oberen:

C. ancylochaetus Schmd. (Neuseeland), ©. capensis Schmd. (Cap) von Kinberg wieder beobachtet, doch hebt er nicht hervor, dass die unteren Uneini so ausgezeichnet sind, C. eylindricus Schmd. (Ceylon).

8? Aciculae der unteren Zeile, zwar stärker als in der oberen, aber nicht von abweichender Gestalt (Audouinia Q/f.). Einfarbige Arten:

0. melanacanthus Fr. Müll. Gr. nov. sp. (Desterro).

C. miniatus Schmd. (Jamaica).

C. Lamarckii Aud. Edw. England, Frankreich, Mittelmeer. (Audouinia Siligera COlap. ist dieselbe Art) C. chrysoderma Clap., Neapel (soll die Kiemenreihe auf dem 4. borstentragenden Segment haben, kann daher wohl nicht zur Gattung Cirratulus s. str. Qf., wie sie Claparede auffasst, gestellt werden), C. norvegicus Qf. (Norwegen, Franz. Canalküste), ©. flavescens Fr. Müll. Gr. nov. sp., Desterro, C. gravilis Ehrb. Gr., Rothes Meer.

C. obscurus Val. Qf. (Gloria), C. australis Stimps (vom Cap), C. austr.a- lis Gay (Chili), ©. australis Val. @f. (Neuholland, Bai de Ferris). Diese letztgenannten 4 Arten bedürfen einer genaueren Beschreibung, um sie von anderen unterscheiden zu können, besonders die 3 gleich- benannten, die nicht identisch sein können, und daher zum Theil umgetauft werden müssen.

Gefleckte Arten:

©. punctatus Gr. Oersd. (Antillen).

b. Kiemenfäden jederseits nur 2 bis 4 in der Querreihe (Archidice Kbg.) Einfarbig:

A. patagonica Kbg., Magalhaensstrasse, C. filicornis Kef., St. Vaast,

C. pallidus Gr. nov. sp. Gefleckt: C. nigro-maculaltus Ehrb. Gr. (aus dem hothen Meere).

2. Nur 2 Kiemenfäden auf den Segmenten, wo sie vorkommen, jederseits 1 (Cirrinereis Blv., Labranda Kbg.). A. Die beiden Zeilen der Borstenbündel jederseits bis zum Ende getrennt fortlaufend: a. in beiden Zeilen der Borstenbündel bloss Haarborsten: C. tenuisetis Gr. (Adriatisches Meer), C. fuscus Gr. nov. sp. (Adriat. Meer),

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b. in der oberen Zelle Haarborsten und Acieulae:

mit 2 Augen: Ü. bioculatus Kef. (St. Vaast), ohne Augen: C. Blainvillii Gr. (Triest), ©. caribous Gr. (St. Croix),

e. in beiden Zeilen Haarborsten und Acieulae:

C, fragilis Leidy, Marine invertebrate Fauna ob Rhode Island and New- Jersey p. 15 (Point Judith), L. erassicollis Kbg. (Honolulu). Cirrinereis Bellavistae Biw. (La Rochelle) Dict. des seienc. nat. Tom LYII p. 488 und C. filigera Biv. O. c. Vers p. 21 F. 1 sind zu kurz be-

schrieben, um ihnen eine nähere Stellung anzuweisen.

B. Die beiden Zeilen der Borstenbündel jederseits anfangs getrennt, im hinteren Theil des Körpers sich vereinigend (Chaetozone Mgn.). Diese Vereinigung geschieht dadurch, dass die Borsten jedes Bündels, oder eigentlich jeder Querreihe, in der sie neben einander stehen, all- mählich auseinanderrücken und sich so begegnen.

Ch. setosa Mgn. Annul. Polychaeta p. 96 Tab. XIV F. 84, Spitzbergen, Island (Prof. Häckel), Bohuslän.

Die genauere Untersuchung der Arten muss einer anderen ausführ- licheren Mittheilung vorbehalten bleiben, hier mag zur Charakterisirung der neu aufgestellten nur Folgendes bemerkt werden:

C. melanacanthus Fr. Müll., Gr., fleischfarben, erreicht eine Länge von höchstens 36 M. (im Weingeist) bei einer Zahl von 160 Segmenten und trägt nur etwa bis zum 76. Kiemenfäden, welche vom 40. Paar an allmählich zum Rücken emporsteigen, am 5. Borstenbündel jeder- seits an 12 Kiemenfäden, Aciculae, an den vordersten Segmenten fehlend, dann mit, Haarborsten zusammen, in der unteren Zeile auf- fallend durch ihre Stärke und schwarze Färbung, zuletzt ohne jene und ganz einzeln. Kopflappen halbkreisförmig oder halboval.

C. flavescens Fr. Müll., Gr., lebend gelblich, im Weingeist bleicher, schlaffleibig, mit mehr als 300 sehr kurzen Segmenten bei 76 M. Länge (im W.). Kiemenfäden bis zum 160. Segment fast ohne Unterbrechung, dann mit kleinen Unterbrechungen, zuletzt ganz ver- misst, am 5. Borstenbündel eine fast ununterbrochene Querreihe bil- dend, vom 40. an sich nach dem Rücken hinaufziehend. Die Aci- culae treten etwa erst am 50. Segment zu den Haarborsten hinzu, stehen zu je 2 bis 3 und sind von blasser Farbe, an ihrer Spitze fast gerade. Kopflappen abgerundet dreieckig, fast gleichseitig.

C. pallidus Gr., im Museum Godeffroy ohne nähere Angabe des Fund- orts, im Weingeist hellgrau, etwas lilla, schlaffleibig, mit mehr als 200 zuletzt schwer zählbaren Segmenten, 65 M. lang, Kiemenfäden an den vorderen Segmenten dicker, am hintersten Dritttheil gänzlich fehlend, am 5. Borstenbündel jederseits 6. An den vorderen Seg-

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menten bloss Haarborsten, goldig glänzend, danach treten in beiden Zeilen 2 bis 3 Acieulae von ebenfalls heller Farbe hinzu. Kopf- lappen stumpf und breit-dreieckig.

C. fuscus Gr., eine kleine Art, von der nur 10 M. lange Exemplare vorliegen, von schwärzlicher Farbe im Weingeist, mit fein punktirter Haut, die längsten Borsten 2 bis 3 Mal so lang als der rundliche Leib breit, 110 Segmente. Die Kiemenfäden beginnen etwa auf dem 5. borstentragenden Segment und auf dem Rücken und steigen all- mählich zu den Seiten herab.

ll. Die 2. Reihe, welche die Cirratuliden mit Fühlereirren bilden, um- fasst nur wenige Gattungen, von denen 2 wohl auch zusammenfallen, nämlich Heterocirrus Gr. und Narangaseta Leidy; ob Dodecaceria Oersd. auch dazu gezogen werden kann, ist noch zweifelhaft. Quatrefages betrachtet Dodecaceria als selnstständige Gattung, dagegen wird man Heterocirrus spalten müssen, indem eine bisher unter dieser Gattung aufgeführte Art, H. frontifilis Gr., durch die Stellung ihrer Fühlereirren so auffällig abweicht, dass ich daraus eine eigene Gattung Acrocirrus bilden möchte. Für diese 2. Abtheilung scheint der Aufenthalt in engen Gängen in Kalkstein oder Muschelschalen charakteristisch.

Heterocirrus Gr. besitzt wie Cirrinereis nur paarweise gestellte Kiemenfäden auf den Segmenten, und keine in einer Querreihe stehende, Die Fühlereirren sitzen auf dem Mundsegment, welches zwar borstenlos wie bei den Cirrinereis, aber nicht so lang gestreckt, auch nicht in 2 Ringe getheilt ist und neben jedem Fühlereirrus auch einen Kiemenfaden trägt. Der Kopflappen tritt nach hinten nicht in das Mundsegment hinein; die Fühlereirren wahre Greifeirren, wie bei den Nerinen und Spio, fallen sogleich durch ihre viel bedeutendere Stärke und Länge und ihre kräftige Bewegungen, namentlich die Neigung, Spiralwindungen zu bilden, auf, und haben eine ansehnliche Längsrinne. Zwar beschreibt Claparede ähnlich gebildete, stärkere Fäden auch bei seinem Cirratulus chrysoderma, aber sie scheinen doch nicht so auffallend zu jenem Zweck gebildet, kommen auch in grösserer Zahl und auf mehreren Segmenten vor.

Als Arten der Gattung Heterocirrus werden aufgeführt: H. saxicola Gr., H. multibranchis Gr. und H. ater Q/.

Die Exemplare, nach denen ich die Beschreibung von H. saxicola (Arch. Naturgesch. XXI. Jahrg. p. 109 Taf. IV Fig. 11) gab, besassen nur 3 Paar Kiemen, später stiess ich auch auf solche, welche 4, selbst 5 Kiemenpaare zeigten, jedes an einem borstentragenden Segment, aber bei mehreren Exemplaren sitzt das 1. Kiemenpaar schon auf dem (borsten- losen) Mundsegment selbst über den Greifeirren. Ebenso ist zu bemerken, dass ich später bei einigen Weingeist-Exemplaren 2 Augenpünktchen zu erkennen glaubte. (Adriatisches und Mittelmeer, St. Malo.)

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 65

H. multibranchis Gr. ist an der viel grösseren Zahl der Kiemen- fäden zu erkennen, von denen die vordersten 11 Paar unmittelbar auf- einander, die übrigen sich mit Unterbrechungen folgen; das hier am Kopf- lappen beobachtete Augenpaar ist in der Figur (Arch. für Naturgesch. XXIX. Jahrgang Bd. I Fae. V F. 2) aus Versehen nicht angegeben. Ob diese Form auch weiterhin als eigene Art betrachtet werden kann, ist mir zweifelhaft geworden, seitdem ich einen Heterocirrus beobachtet, bei dem hinter den Kiemenpaaren der 3 ersten Segmente rechterseits noch 5, linkerseits 6 ganz kurze unmittelbar auf einander folgende Kiemen vorhanden waren, während an den übrigen Segmenten keine mehr vor- kamen. (Adriatisches Meer.)

H.ater Qf. (Brehät) soll ganz schwarz und sein Kopflappen jederseits mit einer doppelten Reihe winziger Augenpünktchen versehen sein. Die Beschaffenheit der Nadeln, deren Spitze löffelartig ausgehöhlt beschrieben wird, zeigt sich bei stärkerer Vergrösserung auch bei H. saxicola.

Narangaseta Corallii Leidy (Marine Invertebrata of the coasts of Rhode-Island and New-Jersey im Journal aff Ihe Acad. of nat. scienc. of Philadelphia Second ser. Vol. III p. 12 pl. XI Fig. 46—48) scheint H. saxicola und H. ater sehr ähnlich, die Abbildung zeigt aber die 2 vordersten borstentragenden Segmente nicht so verkürzt. Augen sollen fehlen.

Ob die von Oersted beschriebene Dodecaceria concharum trotz- dem, dass alle 5 oder 6 Paar fadenförmige Anhänge als Kiemen bezeich- net, und an dem vordersten keine Längsfurchen angegeben werden, doch ein Heteroecirrus ist, vielleicht eine Art, bei der jene Längsfurchen weniger stark ausgeprägt sind, kann ich, da mir kein Original-Exemplar vorliegt, nicht entscheiden, ich habe aus Austerschalen Cirratuliden mit 3 Paar Kiemen erhalten, die ausserdem noch ein Paar Anhänge von sehr in die Augen fallender Verschiedenheit besassen und die ich für 7. sawicola halten musste, und Johnston beschreibt als Dodecaceria concharum Thiere aus der Schale von Cyprina islandica, deren Anhänge er zwar sämmtlich branchiae nennt, von denen aber 2 vordere als proper tentacula den anderen, die er ientacular filaments nennt, entgegengesetzt werden.

Acrocirrus Gr.

Ich glaube mich berechtigt, die im Archiv für Naturgeschichte 1860 p. 89 als Heterocirrus frontifilis beschriebene und Taf. IV Fig. 1 abgebildete Annelide zu einer eigenen Gattung zu erheben, da die Form des Kopf- lappens und die Ansatzstelle der Greif-Fühlereirren von den übrigen Gat- tungen abweicht und die Borsten, wenn auch an niedrigen, so doch deut- lich hervortretenden und mit einigen Papillen besetzten Köcherchen oder Wülsten sitzen.

A. frontifilis Gr. I. c. Der trapezförmige Kopflappen ist so ganz in die Rückenfläche des Mundsegmentes eingedrückt, dass man an letzterem

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66 Jahres-Bericht

kaum Seitenränder unterscheiden kanı, denen doch die vor dem Kopf- lappen sitzenden Greifeirren angehören. Dabei trägt der Kopflappen, wie sonst nie bei den Cirratuliden, 4 fast in einem Quadrat stehende Augen, deren vordere grösser und nierenförmig sind. Die Haarborsten erscheinen bei 300facher Vergrösserung nicht glatt wie Heterocirrus, sondern fein ge-

ringelt oder gekerbt und die Aciculen am 5. bis 10. Segment stärker und vorragender als an den andern. (Adriatisches Meer.)

Am Schluss der Sitzung legie derselbe Vortragende Clepsine maculosa Rathke und einen patagonischen Seestern (ÜOtenodiscus australis Loven) vor.

Die Clepsine, die möglicherweise auch hier vorkommt, stammt aus Östpreussen, wo sie in dem See von Dammhof bei Königsberg vor 16 Jah- ren von Herrn Stadtrath Hensche entdeckt und erst jetzt wieder gefunden wurde, Das Thier besitzt 4 Paar Augen, wie Cl. tesselata, ist aber leicht an seiner Färbung zu erkennen. Der sammetschwarze Leib, der sich bis auf 58 Cm. ausstrecken kann, trägt jederseits 20 rostgelbe Rand- flecken in ziemlich gleichen Abständen von je 3 Ringeln und ähnliche unregelmässig gestellte in Querreihen an denselben Ringeln. Das eine der Exemplare, welche lebend hier anlangten, trug durchsichtige Junge am Bauche, welche für ihre Grösse schon mit sehr zahlreichen schwarzen Punkten übersäet waren, und zeigte, nachdem es bei dem Versuch, die Jungen zu isoliren, etwas unsanft behandelt war, über Nacht eine merk- würdige Entfärbung, indem es Tages darauf ganz aschgrau erschien, die rostgelben Flecken aber schwärzlich umsäumt waren. Von Schnecken scheint diese Art nicht zu leben, wenigstens blieben solche hier ein paar Wochen lang von den Clepsinen unberührt.

Von der Gattung Ütenodiscus kannte man bisher nur eine Art, eine arctische (Ct. crispatus Retz.), die vorliegende, von Herrn Salmin in Hamburg bezogene, ist die entsprechende der südlichen Hemisphäre. Die kleinen, mit beweglichen Stacheln versehenen Kalkplättchen (Paxillen), die den Rücken bedecken, sind bei dieser patagonischen Art viel ansehn- licher, wohl 3 Mal so gross im Durchmesser, aber minder zahlreich, und die Stachelehen der Paxillen oft sternartig ausgebreitet; die Madreporen- platte dagegen winzig, kaum grösser als eine Papille, doch wohl erkenn- bar, die Mitte des Rückens, welche bei Ct. crispatus sich in einen conischen Hügel erhebt, hier mit dem übrigen Rücken gleichmässig gewölbt.

Sitzung am 18. December. Herr Prof. Grube berichtete über einige bisher noch unbekannte Bewohner des Baikalsee's, welche die jüngst angekommene Sendung von Herrn Dr. Dybowsk enthielt. Auch in dem Boden dieses See’s finden sich Thiere, welche den Regenwürmern nahe stehen. Es liegen 2 Arten vor. Die eine ge-

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hört, so viel sich ermitteln lässt, zur Gattung Euaxes und zeichnet sich wie unsere einheimischen durch ausserordentliche Briichigkeit aus, so dass in der That fast nur Bruchstücke eingeschickt sind, theils Kopf-, theils Schwanzenden, die aber alle sich reprodueirt haben und für unverletzte Thiere gelten könnten, wenn uns nicht einige wenige vollständige Exemplare eines Besseren belehrten. Diese letzteren besitzen eine Länge von 62 bis 85 M. im Weingeist und eine Dicke von 3,5 bis 4 M., und nicht weniger als 181 bis 240 Segmente oder Ringe, einen kurzeonischen Kopflappen und ein nicht abgeplattetes, sondern drehrundes Schwanzende, gegen welches hin sich der Körper langsam verjüngt, unter dem 10. Segment 2 winzige Papillen und unter dem 11. zwei von einem Hof: umgebene (uerspalten, beides der Analogie nach als die Mündungen von männlichen und von weiblichen Genitalorganen zu deuten. Von den oben erwähnten Bruchstücken lassen sich diese Theile nur an sehr spärlichen wiederfinden, die meisten zeigen keine Spur davon und erinnern durch ihre kurze dieke Gestalt an die Abbildung eines Wurmes, den Kessler im Onegasee ent- deckt und als Enchytraeus juliformis beschrieben hat, der aber nur 10 bis 12 M. lang und 0,6 bis 0,7 M. diek ist und 50 schwer unterscheidbare Ringe hat. Auch Menge’s Enaxes obtusirostris, an den man zunächst denken kann, zeigt andere Körperverhältnisse, so dass man bis auf Wei- teres unsere Baikalbewohner wohl als eigene Art (Enasxes baicalensis) in die Wissenschaft einführen darf.

Eine zweite Art muss eine eigene Gattung oder Untergattung von Euaxes bilden (Lyeodrilus), welche sich dadurch von den anderen Euazxes sehr auffallend unterscheidet, dass von dem 2. bis 10. Segment in der unteren Zeile statt der winzigen, nur äusserst wenig vorragenden und wenig ge- krümmten Borstenpaare je 2 viel grössere und weit vorragende sehr stark gekrümmte Haken stehen, die aber an Brüchigkeit den anderen nur wenig nachstehen. Von diesem Lycodrilus (L. Dybowskii) liegen leider nur ein paar bis 19 M. lange, 40 Segmente zeigende, wahrscheinlich unvollständige Exemplare vor. Der Kopflappen ist ähnlich wie bei E. baicalensis, Genital- öffnungen nicht wahrnehmbar.

Sehr eigenthümlich ist ferner eine jetzt bleichochergelbe Discophore (Codonobdella truncata), wahrscheinlich ein Fischegel von 13,5 M. Länge und 2 M. Breite, der durch ‘die Gestalt seiner Haftorgane von den Pis- eicolen des süssen Wassers bedeutend abweicht, indem diese durchaus nicht flach ausgebreitet sind, vielmehr ist das vordere stark abgesetzte wie bei Pontobdella gewölbt, napfförmig und viel breiter als die anstossende Körperpartie, das hintere kleinere, fast nur halb so hohe, kaum von srösserem Durchmesser als das Hinterende des Leibes, ein sehr niedriger geradefort angesetzter Napf, der After auf der Rückenseite. Der dreh- runde und kurze Leib verjüngt sich etwas nach vorn, nach hinten nur sehr wenig, und besteht aus etwa 75 schwer erkennbaren Ringeln, hinter

sr

68 Jahres-Bericht

dem 15. liegen die beiden Genitalöffnungen, von da an ist jedes 5. Ringel reifartig verdickt und trägt jederseits eine kleine rundliche Erhabenheit. Augen nicht wahrnehmbar.

Endlich hat das zoologische Museum auch den Süsswasserschwamm des Baikaisee’s erhalten, den Pallas wohl unter dem Namen Spongia baicalensis aufgeführt, aber nicht weiter beschrieben hat. Es liegen von ihm ein paar Aeste in Weingeist vor, welche bis 4,5 Zoll lang und °/, Zoll dick und fingerförmig oder doch eylindrisch und nicht weiter verästelt und von sehr fester Consistenz sind, ganz im Gegensatz zu unserer leicht zerreissbaren Spongilla fluviatikis, die in der Ohle an der Spitzer’schen Badeanstalt das Holzwerk überzieht, doch übereinstimmend mit den Angaben von Flemming über seine Spongia lacustris, welche aber nicht die Spongilla lacustris ist, die Lieberkühn anführt. Jene besitzt stachliche, diese aber glatte Kieselnadeln. Der Weingeist, in welchem jene Aeste von Sp. baicalensis aufbewahrt waren, hatte eine sehr intensiv grüne Fär- bung angenommen, und doch war der Schwamm dadurch nur sehr wenig ausgezogen; bei unserer Sp. fluviatilis findet dies Ausbleichen in einem sehr starken Grade statt. Da dem Vortragenden keine anderen Süsswasser- schwämme zu Gebote stehen, ist es ihm auch nicht möglich, eine ein- gehendere Vergleichung anzustellen. Sp. baicalensis besitzt nur höckrige Kieselnadeln, die so dicht aneinander liegen und so feste Züge bilden, dass es etwas schwer hält, sie zu isoliren. Diese Züge laufen theils strahlig gegen die Peripherie hin, theils mit dieser mehr oder minder con- centrisch. Was aber ganz besonders charakteristisch scheint, ist die An- wesenheit von Oeffnungen, die sich in der feinen porösen Oberfläche so- wohl durch ihre Grösse (bis 2 M. im Durchmesser), als auch durch ihre nahezu sternförmige Gestalt sehr bemerkbar machen. Sie stehen in Ab- ständen von wenigstens ®/, Zoll und ziemlich in 2 oder 3 herablaufenden Reihen meist nur an einer Hälfte des Umfanges, zuweilen auch mehr zer- streut, und ihre Strahlen haben ein zackiges oder etwas zerrissenes Aus- sehen, was mit der groben Beschaffenheit des ganzen Gewebes zusammen- hängt. Dergleichen Oeffnungen wird von keinem Beschreiber anderer Süsswasserschwämme gedacht, was wohl dafür spricht, dass sie hier über- haupt nicht vorkommen. Gemmulae waren leider nieht vorhanden.

II.

Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1872

erstattet von

Ferdinand Cohn,

zeitigem Secretair der Section.

Die botanische Section hielt im Jahre 1872 neun ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung, in denen Nachstehendes verhandelt wurde:

In der ersten Sitzung vom 18. Januar referirte Herr Prof. Koerber über eine neue Abhandlung des Dr. Max Rees, worin dieser nach Aus- saat der Sporen von Collema glaucescens auf Nostoc lichenoides, das Ein- dringen der Keimfäden in die Nostocgallert zwischen den Zellschnüren und demnächst die Umwandlung dieser Alge in ein Collema beschreibt, und so durch das Experiment die Bestätigung der Schwendener’schen Ansicht, dass die Lichenen nur Pilze, welche im Thallus von Algen schmarotzen, seien, gegeben zu haben glaubt. Dieser Auffassung gegenüber hält Mr Vortragende mit aller Entschiedenheit an der Natur der Lichenen als selbstständige Pflanzen fest.

Prof. Cohn kann sich ebenfalls nicht davon überzeugen, dass die Auffassung der heteromerischen Flechten als eine Art Doppelwesen, als Verbindung oder Consortium eines Pilzes und einer Alge in der Natur gegründet sei; ihm scheint noch immer die Gesammtheit der physiologischen, morphologischen und pflanzengeographischen Verhältnisse für die einheit- liche Selbstständigkeit dieser Flechten entscheidend, und die Deutung der Gonidien als Gewebselemente wahrscheinlicher als die von selbstständigen,

70 Jahres-Bericht

in das Mycel eines Ascomyceten eingelagerten Algen. Die Gewebsver- schiedenheiten im Thallus der Florideen bieten anscheinend Analoga zu der anatomischen Structur der heteromerischen Flechten.

Für die Collemaceen dagegen fallen die von de Bary und Rees hervor- gehobenen Thatsachen wohl ins Gewicht. Der Vortragende hat selbst beobachtet, wie in gallertartigem Substrat sich parasitische Mycelien so constant entwickeln, dass sie bei oberflächlicher Beobachtung als zu- sammengehörig erscheinen; so fand derselbe die sogenannte Sternschnuppen- gallert fast immer von einem Hyphengeflecht durchwachsen und Ehren- berg und Meyen haben in der That hier Gallertpilze eigener Art (Tre- mella und Actinomyce) zu finden geglaubt, ohwohl es sich nur um auf- gequollene Froscheileiter mit parasitischem Penicilium- und Mucor-Mycel handele; ebenso sind die Gallertalgen (Palmella, Gloecapsa u. a.) regel- mässig von Mycelfäden durchwachsen, in denen man früher specifische Charaktere erblickte (Palmogloea, Trichodictyon); die in Bergwerken bis zu 100 Lachter unter der Oberfläche lebenden, meist farblosen Zoogloea- artigen Gallertalgen (Palmella) sind ebenfalls von Fadenpilzen so regel- mässig durchwuchert, dass man daraus eine besondere Gattung Erebonema Roemer gemacht hat.

Hierauf gab Herr Prof. Koerber als Probe für die in Aussicht ge- nommene schlesische Kryptogamenflora eine von ihm abgefasste Bearbei- tung der Flechtengattung Lecidella, und besprach die von ihm benutzten Kennzeichen.

Herr Geheimrath Goeppert machte Mittheilung über die Ver- wachsung der Bäume beim Pfropfen und legte einen ausserordentlich instructiven Längsschnitt eines grossen auf Acer platanoides gepfroplten Stam- mes von Acer striatum vor; derselbe erwähnte, dass anscheinend die nämliche Nectria, welche vor einigen Jahren nach der Untersuchung des Stabsarzt Dr. Schroeter einen grossen Pandanusstamm im botanischen Garten ge- tödtet, nunmehr auch an Carica hastifoha aufgetreten ist, welche ebenfalls im Absterben begriffen ist.

Prof. Cohn legt vor das zehnte General-Dublettenverzeichniss des schlesischen botanischen Tauschvereins von ungewöhnlicher Reichhaltigkeit, sowie einen Aufsatz von R. Hartig über die Verwendung des Hypnum tamariscinum zur Anfertigung künstlicher Blumen, von welchem unter dem Namen Pariser Moos alljährlich allein in Berlin für 20,000 Thlr. aus Frankreich bezogen worden sei, während dasselbe bei uns überall in Wäldern zu haben sei.

Derselbe legte die Abbildung eines von ihm beobachteten Doppel- Apfels auf einfachem Stiel vor, welcher, wie die vollkommen gesonderten Kelche und Fruchtgehäuse beweisen, aus der Entwickelung zweier Blüthen auf einem Blüthenstiel hervorgegangen sei, und forderte zur Beobachtung soleher Doppelblüthen auf, da bisher nur die Früchte untersucht wurden.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 71

Schliesslich berichtete derselbe über eine Mittheilung des Herrn Apo- theker Wetschky in Gnadenfeld bei Cosel, dass in der Nacht vom 5. zum 6. Januar daselbst die Gegend weit und breit mit feinem Staub be- deckt, auch am 6. früh die Luft derartig mit feinem Staub erfüllt war, dass man um Y,9 Uhr bei Lampenlicht arbeiten konnte. Eine Probe des eingesandten röthlichgrauen, äusserst feinen Staubes stimmte ganz mit den schon früher mehrfach in Schlesien beobachteten sogenannten Meteor- oder Passatstaubmassen überein, welche immer nur bei plötzlichem Ueber- gang der polaren in die äquatoriale Luftströmung und begleitendem Süd- oder Südweststurm auftreten und oft ganze Länder mit Staub beschütten.

In der zweiten Sitzung vom 1. Februar verlas Herr Dr. Stenzel eine von Herrn Professor Hensel in Proskau eingesandte interessante Schilderung des ersten Aufenthalts von Milde in Ustron, als Gast des Pfarrers Kotschy ; der Brief ist in dem von Herrn Dr. Stenzel verfassten und in den Verhandlungen der botanischen Section (Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1871) abgedruckten Nekrologe des Prof. Milde aufgenommen worden.

Hierauf besprach der Vortragende das Verhältniss Milde’s zum Darwinismus. Milde hatte die europäischen Farne aus dem Gesichtspunkte dieser T'heorie verglichen und constatirt, dass einzelne Farne nur sehr wenig variiren, andere so bedeutend, dass man aus ihnen verschiedene Species bilden würde, wenn nicht Uebergänge vorhanden wären, dass endlich bei vielen Farnen sich gewisse Merkmale durchaus constant zeigen, welche gleichwohl nur unbedeutend und von geringer Wichtigkeit seien und nur schlechte Species gründen.

Herr Limpricht berichtete, Milde sei in seiner letzten Zeit zu der Ueberzeugung gelangt, dass seine Untersuchungen nicht gegen, sondern für Darwin sprechen.

Herr Dr. phil. W. G. Schneider beschrieb ein neues, von Herrn Geh. Rath Göppert zwischen Hünern und Kapsdorf bei Breslau gefun- denes und von demselben gütigst mitgetheiltes Aecidium auf Lytrum Salicaria, dessen Teleutosporen jedoch leider noch unbekannt sind, unter dem Namen:

Aecidium pallidum n. sp. Schneid. Pseudoperidüs plerumque dispersis, rarius gregarüs, plerumque hypophylhs, rarius epiphyllis, brevibus flavidis, margine subintegro; sporidüs hyalinis, junioribus flavescentibus, angulato-globosıis.

Sehr ähnlich den Aecidium-Sporen auf Silene inflata.

Ferner zeigte derselbe einige Deformitäten, vergrösserte Kelchblätter von Geum rivale L., verbänderte und proliferirende Blüthenstände von Knautia arvensis Coult, vergrünte blühende Dianthus barbalus L., sowie abwechselnde Blattstellung von Epilobium montanum L. vor, sämmtlich im

72 Jahres-Bericht

August 1871 bei Reinerz gefunden, und ausserdem noch einige seltenere Pflanzen der Reinerzer Flora, wie Galium Cruciata, Cardamine trifolia L., Epipactis rubiginosa Crantz, Anthemis linctoria.

Bei einem voriges Jahr im August von Reinerz aus unternommenen Ausfluge nach dem kleinen Badeorte Alt-Heide zwischen Glatz und Reinerz wurde der Vortragende auf ein Kalktufflager aufmerksam gemacht, wel- ches in der Nähe des kleinen Badehauses in einem frisch aufgeworfenen Strassengraben zu Tage steht, etwa Y/,—1’ unter der Dammerde. Dieser Tuff enthält eine Menge gut erhaltener Abdrücke von Blättern verschie- dener jetzt lebender Bäume, anscheinend von Almus und Acer, sowie auch von Aestchen derselben. Wahrscheinlich rührt dieser Tuff von einem Kalkgehalt des in Alt-Heide befindlichen Stahlsauerbrunnens her. Ein ähnliches Tufflager soll sich in geringer Entfernung in der Richtung nach Schwedeldorf zu befinden, wo eine der Alt-Heider ähnliche Quelle ihren Ursprung hat.

Auch wurden schöne Exemplare von Phallus impudicus, welche die gesammte Entwickelungsgeschichte veranschaulichen, von Reinerz, sowie vom ehemaligen Militärkirchof in Breslau demonstrirt, ferner Morchella conica, Agaricus conchatus, Boletus viscidus, Peziza brunnea? von der Ulbrichs- höhe bei Reichenbach.

Professor Cohn bemerkte, dass er 1870 ein Kalktufflager in der Höhe eines der Vorberge des Spiegelberges bei Cudowa nachgewiesen habe.

Herr Geheimrath Goeppert legte vor 1) einen Bericht der Moskauer Naturforscher-Versammlung von 1870, ein starker Quartband in russischer Sprache, 2) Photographien und Photolithographien von Stammdurch- schnitten, Frostrissen und Ueberwallungen, welche die feinsten Structur- verhältnisse unübertrefflich treu wiedergeben, ausgeführt in dem Atelier von Schmidt hierselbst, 3) trieotylische Wallnüsse, von Herrn Redactenr Oelsner mitgetheilt, und eine fusslangeDaedalea.

In der dritten Sitzung vom 15. Februar verlas Herr Geheimrath Goeppert einen Brief des Herrn Kreisphysikus Dr. Bleisch in Strehlen; worin derselbe über die Wanderversammlung der schlesischen Botaniker, welche im Monat Mai in Strehlen resp. Rummelsberg stattfinden solle, bereitwilligst Auskunft ertheilt.

Hierauf hielt Herr Mittelschullehrer Limpricht einen Vortrag über die Flora von Grünberg

unter Zugrundelegung einer reichen Pflanzencolleetion, welche Herr Lehrer Hellwig daselbst gesammelt hat, sowie der Beobachtungen des Herrn Kreisgerichtsrath Everken. Derselbe sprach über die Verbreitung der Gefässkryptogamen und Phanerogamen in dem nordwestlichsten Gebiete der Provinz, das zwar in Wimmer’s Flora von Schlesien keine Berück- sichtigung erfahren hat, wol aber in Ascherson’s Flora der Mark Branden-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 73

burg nach Weimann’s Verzeichniss der Grünberger Flora öfter genannt wird. Ergänzungen brachte Herr Dr. Engler in seinen Nachträgen zur schlesischen Flora, wozu ihm seinerzeit Herr Hellwig Belagsexemplare übermittelte; wie denn auch bereits im vorigen Jahre die Entdeckungen des Herrn Kreisgerichtsrath Everken mitgetheilt worden sind.

Demnach besitzt die Grünberger Flora von selteneren Gefässkrypto- samen: Polypodium vulgare, Blechnum Spicant, Asplemium Trichomanes, Os- munda regalis (Halbemeile-Mühle), Botrychium Lunaria und Lycopodıum complanatum et inundatum.

Unter den Phanerogamen sind einige, wie auch anderwärts, bei uns für die Oderniederung charakteristisch, so Allium acutangulum, Rumesx maritimus et sanguineus, Dipsacus silvestris, Senecio barbaraeifolius, Xanthium strumarium, Serratula linctoria, Cirsium acaule, Teucrium scordium, Veronica longifola, Melampyrum ceristatum, Cardamine Impatiens, Eryngium planum, Erysimum strietum, Arabis Gerardi, Euphorbia palustris etc., während andere seltene Arten die zahlreichen Diluvialhügel schmücken, unter denen be- sonders die Dammrauer Berge, der Schlossberg bei Bobernig und die Höhen um T'schicherzig sich auszeichnen durch Phleum Böhmeri, Melica uniflora, Koeleria glauca, Allıum fallax, Carlina acaulis, Erythraea pulchella, Origanum vulgare, Stachys recta, Verbascum phlomoides, Digitalis ambigua, Prunella grandiflora, Pyrola uniflora, Sempervivum soboliferum, Alyssum caly- cinum, Lepidium campestre, Arabis arenosa et hirsuta, Dianthus prohfer et Armeria, Silene chlorantha et Otites, Mercurialis perennis, Geramium sanguineum, Hypericum montanum, Medicago minima_ etc.

Die Vegetation der Laubwälder enthält von selteneren Arten nur Polygonatum anceps, Phyteuma spicatum, Galeobdolon montanum, Galeopsis versicolor et pubescens, Pulmonaria officinalis, Actaea, Corydalis cava, Circaea alpina, Orobus tuberosus, vernus et niger etc.

Als bezeichnende Glieder der Flora der sandigen Kieferhaide er- scheinen: Avena praecox, Anthericum ramosum Scorzonera humilis, Chondrilla, Veronica spicata, Pyrola secunda, umbellata etc., Hypopitys, Dianthus arenarius, Gypsophila fastigiata, Potentilla opaca, Cylisus nigrieans etc. Auf reinem Sandboden gedeihen: Elymus arenarius, Carex ligerica, Polycnemum arvense, Plantago arenaria, Teesdalia, Illecebrum, Herniaria hirsuta, Alsine viscosa, Poterium Sanguisorba, Ornithopus, Astralagus arenarius etc.

Dagegen finden wir aus der reichen Vegetation der niederschlesischen Haidetorfsümpfe hier nur Care Pseudo-Cyperus et pulicaris, Limnochloe pauciflora, Blysmus compressus, Rhynchospora alba, Calla, Sparganium natans, Menyanthes, Pedieularis palustris, Oxycoccus, Spergula nodosa var. pubescens, Comarum und Polygala amara.

Von Wasserpflanzen sind zu erwähnen: Stratiotes, Potamogeton trichoides et pectinatus, Ceratophyllum submersum, Oenanthe fistulosa, Batrachium divari- catum und Ranunculus Lingua. Auf feuchtem Sande wurden beobachtet:

74 Jahres - Bericht

Oyperus flavescens, Juncus capitatus et Tenageja, Gnaphalium luteo-album, Limosella, Centunculus, Montia minor et Elatine Hydropiper.

Feuchte Wiesen werden geziert von Polygonum Bistorta, Valeriana sambucifolia, Cirsium palustre et oleraceum, Gentiana Pneumonanthe, Sanguisorba und Lathyrus palustris, und in Wiesengräben gedeihen Gratiola und Seu- tellarıa hastata.

Auf Aeckern wachsen: Senecio vernalis, Arnoseris minima, Stachys annua, Nigella arvensis, Papaver dubium und Radula Millegrana.

Als Ruderalpflanzen treten auf: Atriplex hastatum und roseum, Cheno- podium Vulvarıa et bonus Henricus, Amarantus retroflexus, Onopordon, Nepeta Cataria, Datura, Anthriscus vulgaris, Lepidium ruderale, Potentilla supina, Cynoglossum offieinale und an den Mauern der Champagner-Fabrik Echinospermum Lappula. Verwildert sind Dipsacus fullonum, Xanthium spinosum, Rudbeckia laciniata, Onicus benedictus und Nicotiana rustica.

Unter den genannten Pflanzen sind von grösserem Interesse: Medicago minima, Dianthus arenarius und Carex ligerica, weil sie in Nieder-Schlesien ihre Ostgrenze erreichen, ebenfalls Juncus Tenageja und Herniaria hirsuta, obgleich diese ihre Vorposten bis Ober-Schlesien aussenden. Wahr scheinlich dürfte um Grünberg auch Cladium Mariscus gefunden werden, da es noch im benachbarten Züllichau-Schwiebuser Kreise auftritt.

Aus der Flora von Freistadt wurden, von Herrn Th. Hellwig gesam- melt, noch vorgelegt: Phleum Böhmeri, Senecio vernalis, Chimophila umbellata, Gypsophila fastigiata, Genista pilosa et tinctoria, Orobus tuberosus und Tri- folium fragiferum, und schliesslich von demselben aus der Umgegend von Muskau Herniaria hirsuta und Juncus tenuis.

In der vierten Sitzung vom 7. März demonstrirte Herr Geheimrath Goeppert die von Herrn v. Thielau auf Lampersdorf übersendeten höchst interessanten Wachsthumsverhältnisse aus seinen Forsten, in denen mit nicht genug zu rühmender Sorgfalt schöne alte Bäume besonders geschont werden: darunter Frostrisse einer Buche, wellenförmig, wie öfter auch bei Linden beobachtet; Durchschnitte einer Weissbuche von eigenthümlicher Gestalt, vier in regelmässigen Abständen in Folge von Frostrissen, an Malpighiaceen erinnernd; knollige, etwa zollgrosse Auswüchse bei einer Weisstanne aus verkümmerten Zweigen hervorgegangen; sie sind analog den Knollen von Kieferstämmen im Riemberger Forst, die durch Ueber- wachsung abgestorbener Zweige entstanden sind, aber ganz verschieden von den äusserlich ähnlichen Bildungen einer Weisstanne, welche Dr. Stenzel aus der Sammlung des verstorbenen Ober-Forstmeister v. Pannewitz beschrieb, die blos der Rinde angehörten. Herr Professor Goeppert sprach sich um so dankbarer für diese Mittheilungen aus, als Herr von Thielau seit länger als 30 Jahren zu seinen gütigen Gönnern gehört, der durch seine von Sachkenntniss erfüllten Gaben mit zur Bereicherung

der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultnr. 75

und Erweiterung der morphologischen Verhältnisse der Bäume wesentlich beigetragen hat. Zum Vergleiche wurden auch Wurzelknollen von Taxodium distichum von ihm jüngst im Mohnhaupt’schen Garten beobachtet, sowie die kopfgrosse Knolle einer Kieferwurzel aus dem Leubuser Wald vorgelegt. Aeussere Verletzungen haben sicher zu diesen Bildungen keine Veranlassung gegeben.

Der Secretär Professor Cohn demonstrirte verschiedene Mikrotome zur Verfertigung feiner Querschnitte für mikroskopische Präparate; der- selbe hat durch freundliche Mittheilung des Herrn Dr. Johannes Groen- land, früher in Paris, jetzt in Dahme, für das Pflanzenphysiologische In- stitut einen Microtom von Verick in Paris, 2 Rue de la Parchimerie, nach der Erfindung von Rivet bezogen, der sich durch seine sinnreiche und einfache Construction, durch billigen Preis (7 Thlr.) und vor allem durch grosse Zweckmässigkeit auszeichnet; er gestattet nach geringer Uebung die Anfertigung der schönsten Schnitte aus nicht zu harten Pflanzentheilen mit einer Vollendung, wie sie aus freier Hand nicht zu erzielen ist, und ist daher allen Pflanzenanatomen auf das Wärmste zu empfehlen. Herr Mechanikus Pinzger hier hat auf des Vortragenden Bitte zwei Mikrotome nach einem anderen Princip construirt, von denen der eine für weiche, der andere für harte Objecte (Hölzer ete.) bestimmt ist; namentlich dürfte der letztere (Preis 4 Thlr.) einem allgemeineren Bedürfniss entgegenkommen, da er grosse und feine Schnitte liefert.

Ferner berichtet derselbe über die von Herrn Professor Hoffmann in Giessen erfundenen neuen Aufbewahrungsflüssigkeiten für mikroskopische Präparate (eine Mischung gleicher Theile von Gummischleim und essig- saurem Ammoniak, resp. Chlorcaleium, der zur Verhütung des Schimmeln ein Tropfen Creosot zugesetzt wird.) Das Präparat wird in diese Flüssig- keit gelegt, mit einem Deckglas bedeckt, und hält sich dann unverändert, da der eintrocknende Gummirand das Innere schützt; die starke Licht- brechung der Gummilösung und das Auftreten zahlreicher Luftbläschen beeinträchtigen jedoch einigermassen die Schönheit der Präparate. Herr Prof. Goeppert bemerkte hierzu, dass er vor 32 Jahren zur Auf- bewahrung von Holzabschnitten sich des Mandelöles bedient habe, welche sich bis heut noch vortrefflich erhalten hätten, daher er diesem wenigstens für diese Kategorie vor allen anderen Aufbewahrungsmitteln den Vorzug ertheilen müsste.

Schliesslich gab Prof. Cohn Mittheilung über Reizbarkeitserscheinun- gen der Staubfäden von Opuntia Ficus indica, ; welche zwar schon 1761 vonKoelreuter beschrieben, seitdem aber noch nicht wieder untersucht zu sein scheinen. Bei einem Besuch der Isola madre im Lago maggiore im vorigen Sommer gelang es ihm, an blühenden Opuntien die Angaben Koelreuter’s vollständig zu bestätigen; bei anderen Cacteen wurde zwar Verkürzung

76 Jahres-Bericht

der Staubfäden durch eleetrische Schläge, aber keine eigentlichen Be- wegungserscheinungen wahrgenommen.

In der fünften Sitzung vom 4. April hielt Herr Rittergutsbesitzer Dr.

Max Heimann auf Wigschütz bei Cosel O/8. einen Vortrag über Pfropfhybriden bei der Kartoffel. |

Nachdem er die Geschichte der früheren Arbeiten berichtet, theilte er seine eigenen im vorigen Jahre vom 13. April an gemachten Versuche mit, die mit drei verschiedenartigen Sorten, der rothen sächsischen Zwiebel- kartoffel, der mittelfrühen blauen und der weissen langen Sechswochen- kartoffel angestellt waren. Das Edelauge, aus je einer dieser Sorten, in konischer oder Cylinderform ausgeschnitten, wurde in die entsprechende Höhle einer Mutterknolle gebracht, deren eigene Triebentfaltung entfernt, was freilich bei deren grossen Triebkraft nur schwierig gelingt, indess zeigte sich bei der Ernte eine grosse Zahl von Bastardknollen, welche in den Eigenthümlichkeiten ihrer Form, und Farbe des Fleisches und der Schale zwischen den Stammsorten die Mitte halten. Es wurden mehrere Reihen solcher Pfropfhybriden vorgezeigt; die Versuche sollen in diesem Jahre fortgesetzt werden.

Herr Cand. phil. David sprach mit Bezug auf eine so eben erschienene Abhandlung von Gobi in Petersburg über die Algengattung Chroolepus über

die Keimung der Schwärmsporen von Chroolepus umbrinum Ktz.

Im September 1871 wurde in der Verhandlung der K. Akademie zu Petersburg ein Aufsatz von Gobi veröffentlicht, worin derselbe eine neue Species der Algengattung Chroolepus unter dem Namen Chr. uncinatum *) beschrieb. Aus dem Umstande, dass der Thallus dieser Alge theils aus länglich-cylindrischen Zellen, theils aus solchen zusammengesetzt ist, welche durch ihre kugelige Gestalt, sowie durch die Art ihrer Verästelung sehr an die Zellen von Chr. umbrinum Ktz. erinnern, kommt der Verfasser auf die Vermuthung, dass die von ihm entdeckte Species vielleicht ein höheres Entwickelungsstadium der genannten Art sei. Ferner bestreitet der Ver- fasser die Richtigkeit der Beobachtungen von Caspary und Hildebrand, welche an zwei anderen Arten eine Keimung der Schwärmsporen beobachtet haben wollen. Dies veranlasst mich, eine Beobachtung mitzutheilen, welche ich im Sommer 1871 im hiesigen pflanzenphysiologischen Institut gemacht habe.

Chr. umbrinum findet sich sehr gemein an Bäumen sehr verschiedener Art und bildet auf der Rinde derselben einen dunkelrostbraunen, bisweilen sogar scharlachrothen Ueberzug. Unter dem Mikroskop zeigt sich der

*) So muss es statt uncinatus heissen, da der Gattungsname mit dem Worte zo A£nog zusammengesetzt ist.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. ir,

Thallıs bestehend aus starkwandigen isodiametrischen Zellen, welche Fäden bilden, doch so, dass die fädige Anordnung in Folge der Dichtig- keit und Menge oft ganz verschwindet und die Zellen zu einer unregel- mässigen Masse verwachsen erscheinen. Der Inhalt der Zellen ist braun- roth in verschiedenen Nuancen. Cultivirt man den Thallus in feuchter Luft oder in Wasser, so zeigt sich, jedenfalls eine Folge der gesteigerten vegetativen Thätigkeit, bald auch lichtgrünes Chlorophyll in den Zellen, welches den rothen Farbstoff einhüllt. (Dieser Vorgang wird von Gobi weitläufig und richtig erörtert.) Trotzdem ich Exemplare von den ver- schiedensten Standorten gesammelt hatte, konnte ich doch niemals Stellen finden, wo Uebergänge von den runden unregelmässig geordneten zu eylindrischen deutlich fädig angeordneten Zellen stattfanden, wie dies Gobi bei Chr. uncinatum beschreibt und abbildet. Brachte ich ein Stück- chen des krustenartigen Thallus in einen Tropfen Wasser, so fand meist schon nach 2—3 Minuten eine äusserst lebhafte Schwärmsporenbildung statt, viele Hunderte von Sporen schwärmten im Wasser umher. Die- selben entstanden, indem der Inhalt beliebiger und anscheinend ordnungs- los im Thallus zerstreuter Zellen in 32 Theile zerfiel, indem dann die Zellwand an einem Punkte sich öffnete und die Sporen herausliess. Oft- mals wurde der Inhalt mehrerer nebeneinander liegenden Zellen zur Sporen- bildung verbraucht. Auch ich habe ebensowenig wie Gobi beobachtet, dass jemals der Inhalt grüngewordener Zellen in Schwärmsporen zerfallen wäre. Letztere sind rothbraun gefärbt und mit zwei Cilien versehen. Hatte ich auf das Präparat ein Deckgläschen gelegt, so trat schon nach etwa 5 Minuten der T'od sämmtlicher Sporen ein. Dieselben hörten auf zu schwärmen, zeigten einige Secunden eine zitternde Bewegung, fielen dann zu Boden und zeigten sich mit Verlust ihrer Cilien als kleine un- regelmässige Häufchen grüner und brauner Körnchen. Anders jedoch, wenn das Präparat ohne Deckgläschen gemacht wurde. In diesem Falle nämlich dauerte das Schwärmen 25—30 Minuten, ja bei einzelnen noch länger. Dann stellten die Sporen (bei denen ich eine Copulation nicht wahrnehmen konnte) die Bewegung ein, verloren die Cilien und wurden zu kleinen braunrothen, scharf eontourirten Kügelchen, die sich nament- lieh am Rande des Wassertropfens massenweise angesammelt hatten. In diesem Zustande wurden die Präparate in die feuchte Kammer gebracht. Erst nach fünf Tagen war eine deutliche Weiterentwickelung wahrzunehmen. Die Sporen hatten an Grösse ein wenig zugenommen, jedoch nicht so, dass sie die normale Grösse der Zellen erreicht hatten, und zeigten eine feine, aber bei sehr starken Vergrösserungen deutlich erkennbare Membran, der Inhalt der Zelle, vorher nur rothbraun, zeigte jetzt reichliches Chloro- phyll, in welchem das rothe Pigment im Centrum oder excentrisch oder bandartig eingelagert war. Nach Verlauf weiterer 5 Tage hatte die Grösse dieser Zellen noch mehr zugenommen, sie hatten sich meist in einer Rich-

78 Jahres-Bericht

tung etwas gestreckt und eine Scheidewand hatte die Zelle in zwei un- gleiche Hälften getheilt, die ohne Einschnürung auf einander sassen. So habe ich das Heranwachsen bis zu 4 hintereinander liegenden, also fädig angeordneten Zellen beobachtet; bisweilen wuchs auch eine Zelle in zwei Richtungen aus, die Astbildung ist also eine sehr frühzeitige. Der Inhalt der einzelnen Zellen war überwiegend grün, nur wenige zeigten nur das rothbraune Pigment. Einmal habe ich auch beobachtet, wie eine Spore in der Mutterzelle zurückgeblieben war und sich hier mit einer Membran ummkleidet hatte. Wesentlich ist, dass sich Rhizinen nicht gebildet haben.

Der Einwurf, welchen Gobi gegen die Keimungsbeobachtungen von Caspary und Hildebrandt macht, dass nämlich die Beobachtung nicht an einer bestimmt fixirten Spore gemacht worden sei, und dass daher zu- fällig losgelöste und fortwachsende vegetative Zellen für keimende Sporen angesehen worden seien; dieser Einwurf kann allerdings auch gegen diese Beobachtung erhoben werden. Indessen glaube ich mich nicht getäuscht zu haben. Einmal nämlich habe ich das von der Rinde herabgenommene Stückchen des Algenthallus nicht mit der Nadel zerkleinert, daher dürfte es kaum annehmbar erscheinen, dass sich eine so grosse Anzahl einzelner Zellen aus der gemeinsamen Masse abgelösst haben sollten; sodann hatten sich die zur Ruhe kommenden Sporen, wie bereits gesagt, am Rande des Wassertropfens sehr zahlreich angehäuft, wo sie dann immer wieder leicht aufgefunden und beobachtet werden konnten. Endlich hatten die Sporen zur Zeit, wo sie sich mit einer Membran bekleideten, noch lange nicht die Grösse der vegetativen 'Thalluszellen. Ich erwähne noch, dass ich zwar mit Exemplaren von deu verschiedensten Fundorten obige Versuche anzustellen versuchte, dass jedoch nur der Chroolepus, welchen ich von einer Populus balsamifera L. des hiesigen botanischen Gartens entnahm, Schwärmsporen bildete, dieses allerdings zu jeder Tageszeit, bei jedem Wetter und in ausserordentlicher Anzahl, ohne dass ich den Grund ge- funden hätte, weshalb dieser Vorgang bei Exemplaren anderer Fundorte nicht eintrat. |

Herr Privatdocent Dr. Kny (Berlin) stellt die Vermuthung auf, dass die Gobi’schen Gebilde vielleicht Chytridien sein möchten.

Herr Geheimrath Prof. Goeppert legte vor:

1. neue Belegstücke für Ueberwallung von Pfröpflingen, Ausbildung der Demarkationslinie und das intermediäre Zellgewebe bei ver- edelten Birnbäumen;

2. ein grosses von Herrn Gartendirector Paetzhold in Muskau ein- gesendetes Herbar, welches Zweige und Blätter sämmtlicher in seinem berühmten Arboretum eultivirter Bäume und Sträucher enthält, eine für das Herbarium des botanischen Gartens überaus werthvolle Gabe.

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Dabei verweilte er noch länger bei der Schilderung des gegenwär- tigen Zustandes dieser Anlagen, von welchen er bereits im Jahre 1860 in unseren Verhandlungen eine ausführliche Schilderung gegeben hat. In Wahrheit kann sich gegenwärtig Niemand erfolgreich mit Dendrologie beschäftigen, ohne sie genau besichtigt zu haben.

Herr B. Stein legte vor: 1) einen prachtvollen Rasen von Tetraplodon, sowie Geasier fimbriatus von Zobten; 2) für Schlesien neue und seltene Flechten: Usuea ceratina, Evernia vulpina, Imbriceria Acetabulum; ferner sab derselbe einen Bericht über den 1862 durch Herrn v. Uechtritz ge- gründeten, seit 1870 von Herrn Apotheker Fritze in Rybnik und ihm ge- leiteten Schlesischen Tauschverein, der soeben sein zehntes Jahr abge- schlossen und an 72 Theilnehmer 17,000 Exemplare von getrockneten Pflanzen vertheilt hat.

Der Secretair Prof. Cohn hielt einen Vortrag über das Breslauer Wasserhebewerk. Dieses wahrhaft grossartige Bauwerk, dessen durchaus gelungene Ausführung den Erbauern zur Ehre und der Stadt zum Nutzen gereicht, umschliesst in seinem imposanten Maschinenhause 4 colossale Pumpen von 210 Pferdekraft, von denen gegenwärtig erst zwei in Thätig- keit sich befinden. Die eine Pumpe saugt das Wasser aus einer mit Granitquadern ausgelegten Bucht der Oder und treibt es quer über den Weidendamm in ein Filterbassin, ein grosses quadratisches Wasserbecken, das ebenfalls mit Granitquadern ausgelegt ist; der Boden des Bassins besteht aus einer Schicht Sand, darunter Kies, darunter feinerer, dann gröberer Bruchstein. Das Oderwasser unter dem Druck der 4 Fuss hohen Wassersäule läuft rasch durch den Filterboden und sammelt sich unter demselben in einen das Bassin der Länge nach durchziehenden Haupt- kanal, welcher das filtrirte Wasser nach einem am Boden des Maschinen- hauses befindlichen Reservoir zurückführt. Von hier wird das Wasser durch eine zweite Pumpe 125 Fuss hoch auf ein unter dem Dache des Gebäudes befindliches Hochreservoir gehoben und ergiesst sich in dieses unter mächtigem Rauschen, caskadenartig, wobei es sich mit Luft reich- lieh imprägnirt, um durch seinen eigenen Druck von da in die nach der Stadt gezogenen Zuflussröhren hinabgetrieben zu werden. Die mikrosko- pischen Untersuchungen des Vortragenden constatirten die ganz ausser- ordentliche Klarheit, Reinheit, sowie Abwesenheit organischer Verunrei- nigungen in dem filtrirten Wasser, das selbst bei Hochwasser nur vorüber- gehend unbedeutende Trübungen zeigt.

Schon im vorigen Jahre war dem Vortragenden durch den Erbauer des Hebewerks, den damaligen Stadtbaurath Zimmermann, eine brüchige glänzende Masse ilbergeben worden, welche sich auf dem Boden des Filterbassins absetzt; im März dieses Jahres gab Herr Ingenieur Müller dem Vorsitzenden freundlichst Gelegenheit, ein eben abgelassenes Bassin zu untersuchen. Der Sandboden war fast gleichmässig bedeckt von einer

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schleimig krustigen grau-grünlichen Schicht, welche, wie die von Herrn Zimmermann übergebene, fast ganz und gar aus Diatomeen besteht (fast reine Fragillaria, vereinzelte Synedra- und Navicula-Arten). Sobald der Boden des abgelassenen Filters austrocknet, löst sich die Diatomeenschicht als eine zusammenhängende, etwa "/, Millimeter dieke Haut von dem darunter liegenden Sande ab, und zerbricht leicht in kleinere Stücke. Die Erfahrung zeigt, dass von Zeit zu Zeit die Erneuerung des Sandfilters nothwendig wird, wobei das Wasser abgelassen, etwa 10 Zoll der obersten Sandlage mit der darüber ausgebreiteten Diatomeenschicht entfernt und durch frischen Odersand ersetzt wird; nach 8 Wochen ist jedoch das Filter wieder unbrauchbar und muss erneut werden, nachdem sich aus den im Oderwasser eingeführten Keimen wieder eine zusammenhängende Diatomeenhaut gebildet hat, auf und in welcher natürlich auch die feinen Thon- und Kieseltheile des Flusswassers zurückgehalten werden. Die Diatomeen tragen allerdings bei ihrer ausserordentlichen Vermehrung in- sofern zur Verbesserung des Wassers bei, als sie demselben nicht unbe- deutende Mengen von Kieselerde, neben etwas kohlensaurem Kalk und Eisen entziehen und in unlöslicher Form niederschlagen, dadurch aber die chemische Reinheit des Wassers erhöhen. Indem jedoch der schleimige Diatomeen-Ueberzug die Filter rasch verstopft und häufigere Erneuerung der Filter nöthig macht, veranlasst er sehr bedeutende Ausgaben der

städtischen Verwaltung.

In Folge der Einladungen Seitens der Herren Professoren Göppert und Cohn fanden sich am 12. Mai früh 7 Uhr ca. 60 Mitglieder und Freunde der botanischen Section aus Breslau wie aus anderen Theilen unserer Provinz auf dem Central-Bahnhofe ein, um an der dritten Wander- versammlung der schlesischen Botaniker auf dem Rummelsberge bei Strehlen Theil zunehmen. Um 8), Uhr empfing Herr Kreisphysikus Sanitäts- rath Dr. Bleisch zu Strehlen die Angekommenen auf das Freundlichste und lud dieselben ein, die bereitstehenden Wagen zu besteigen. In der Unter- Försterei Mehltheuer wurden die Wagen verlassen und zu Fuss der Weg durch die im schönsten Maiengrün belaubten Wälder nach dem nahen Rummelsberg augetreten. In der auf Anregung des Präses des schlesischen Forstvereins, des Wirklichen Forstmeisters Tramnitz, durch Herrn Ober- förster Linz festlich geschmückten Halle eröffnete Herr Geheimrath Göppert 11’, Uhr die Sitzung, indem er die so zahlreich Erschienenen begrüsste und Herrn Sanitätsrath Dr. Bleisch zum Tagespräsidenten, die Herren Fabrikdireetor Winkler (Neisse), v. Thielau (Lampersdorf), Forstmeister Tramnitz (Breslau), Director Peck (Schweidnitz) zu Ehren- Präsidenten vorschlägt; hierauf sprieht er noch dem schlesischen Forst- verein im Namen der Versammlung für die freundliche Aufnahme seinen

Dank aus.

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Herr Dr. Bleisch nimmt den Vorsitz an.

Herr Professor Cohn knüpft an die gegenwärtige Versammlung einige Worte der Erinnerung an Herrn Professor Sadebeck jetzt in Berlin und den verstorbenen Hilse, die sich beide um die Topographie und Flora der Strehlener Berge so grosse Verdienste erworben, sowie an die ausgezeichneten Forschungen von Bleisch über die Strehlener Diatomeen; er fordert die Versammlung auf, ihre Namen auf einer, von Herrn v. Thielau zur Verfügung gestellten Platte von Acer Pseudoplatanus einzuzeichnen,

Der königl. Forstmeister Herr Tramnitz verliest nachstehende Skizze über die Strehlener Berge.

Die Strehlener Berge bilden den östlichen Ausläufer von drei Höhenzügen, welche im Kleutschberge bei Gnadenfrei ihren Knoten- punkt haben. Der nördliche Arm derselben endet mit dem Zobten- berge. Der westliche Strang vermittelt die Verbindung mit dem Eulen- sebirge.

Die Grundfläche der Strehlener Berge enthält ungefähr eine (Juadratmeile und nimnmit ein gleichschenkliches Dreieck ein, dessen Spitze die Stadt Strehlen und deren gegenüberliegende Seite die Dörfer Türpitz- Rätsch angeben. Die westliche lange Seite wird auf ihrer ganzen Aus- dehnung fast genau vom Ohlaufluss festgehalten; die östliche Seite grenzt an das Thal des Kriene-Baches und die nördliche Seite fällt mit dem Niederungsrande des Türpitzer Wassers zusammen,

Auf unserer heutigen Wagenfahrt haben wir im Wesentlichen den allmälig ansteigenden Längsrücken der Strehlener Berge verfolgt, welcher links und rechts mehr oder weniger steil abfällt. Der Ohlaufluss bei Strehlen hat nach Sadebeck eine Seehöhe von 506 Par. Fuss. Hier auf dem Rummelsberge, dem höchsten Punkte des Kammes, befinden wir uns 1218 Par. Fuss über der Ostsee. Zwei andere, etwa 3000 Meter westlich von hier gelegene Kuppen, der Kalinkenberg und der Leich- namsberg, sind nur 20 Fuss niedriger.

Der hiesige Höhenzug gehört zum Urgebirge und enthält in der Hauptmasse Gneiss und Glimmerschiefer. In untergeordneten Partieen kommt Granit und Grünstein vor. Auch finden-sich vereinzelte Stellen mit Urkalk, Quarz und Graphit. Bemerkenswerth hierbei sind drei Marmor- lager, nämlich 1) 1000 Meter nördlich von Prieborn, 2) auf dem 1300 Meter nordöstlich von hier liegenden Kuhberge und 3) 30 Meter unter uns am westlichen Fusse des Rummelsberges. Diese Marmorlager sollen eine Mächtigkeit von mehr als 200 Ellen haben. Nur der Prieborner Marmorbruch ist im Betriebe und liefert ausser Bruchsteinen zum Kalk- brennen auch grosse Stücke zu Bildhauer-Arbeiten. Die beiden anderen Lager werden wohl mit der Zeit auch noch zur Ausbeute kommen.

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89 Jahres-Bericht

Interessant ist noch das reichliche Vorkommen von Quarzkrystallen in Drusen und einzelnen Stücken nahe bei der Oberförsterei Crummendorf auf dem Krystallberge, wo sie früher ausgegraben wurden und noch jetzt in den zurückgebliebenen sogenannten Wetzsteingruben zerstreut sefunden werden.

Das Urgestein der Strehlener Berge tritt auf den Höhen häufig zu Tage und ist auf den übrigen Theilen selten mehr als wenige Fuss mit Erde bedeckt. Es steigt mehr in horizontaler als in steiler Richtung. Der Boden in den Bergen ist im Allgemeinen vorherrschend flachgründig, jedoch in Folge des Quellenreichthums meist frisch und wegen des vor- theilhaften Mischungsverhältnisses sehr fruchtbar, namentlich für den Holz- wuchs durehweg günstig. In den niederen Lagen am Rande der Strehlener Berge nimmt seine Ertragsfähigkeit auffallend zu. Im weiteren Umkreise vom Rummelsberge breiten sich die gesegnetsten Fluren aus.

Das Klima ist bis auf die höchsten Kuppen mild und wenig von demjenigen des anliegenden Flachlandes verschieden. Der Schnee liegt hier zwar länger und tiefer als in der Umgegend, doch bleibt die Vege- tation deshalb nicht merklich zurück. Die Waldbäume,. erreichen einen ziemlich hohen Grad der Vollkommenheit und tragen in der Regel reifen und guten Samen. Die angrenzenden Dortfeldmarken zeichnen sich durch die Anzucht edler Obstarten, besonders schöner Kirschen, aus.

Die Oberfläche der Strehlener Berge ist zum grossen Theil mit einem zusammenhängenden Walde von 2000 Hektar bedeckt, von welchem der königl. Forstbezirk Mehltheuer etwa 800 Hektar, das Charit&-Revier Prieborn 660 H. und der herrschaftliche Göppersdorfer Wald 310 H. ein- nimmt. Hieran stossen noch verschiedene Rusticalholzungen. In diesen Forsten finden sich die meisten der gewöhnlichen deutschen Waldbäume, namentlich: Eichen, Rothbuchen, Weissbuchen, Ahorne, Rüstern, Eschen, Birken, Erlen, Ebereschen, Linden, Aspen, Haseln, Weiden, Tannen, Fichten, Lärchen und Kiefern. i

Die Waldwirthschaft besteht gegenwärtig noch in einer Art Mittelwaldbetrieb, d. h. es wird in nicht ganz regelmässigem Verfahren Baumholz durch Ueberhalten aus dem alle 18 bis 20 Jahre abzutreibenden Schlagholze erzogen, Der kgl. Forstbezirk Mehltheuer ist für den Forst- wirth deshalb besonders interessant, weil daselbst seit einigen Jahren unter der umsichtigen Leitung des Herrn Oberförsters Blankenburg die schwierige Umwandlung des Mittelwaldes in den Hochwald ausgeführt wird. Hierzu sind, beiläufig bemerkt, einige Menschenalter erforderlich.

Die sonstige Waldflora der Strehlener Berge ist mannigfaltig und üppig, obwohl sie nur in sehr beschränktem Grade den Charakter der Gebirgs-Vegetation trägt. Sie stimmt mehr mit derjenigen des Flach- landes überein.

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Ich erlaube mir, eine Nachweisung der hier vorkommen- den Pflanzen zu vertheilen.

Was die hiesige Waldfauna anbetrifft, so kann der Jäger mit der- selben sehr zufrieden sein. Es stehen in dem zusammenhängenden Wald- complex gegen 50 St. Dammwild, die Herr Amtsrath v. Schönermarck vor einigen Jahren durch Aussetzen von einigen Stück Mutterwild auf- gebracht hat. Der Rehstand wird etwa aus 150 St. bestehen. An Hasen sind durchschnittlich 500 St, zu rechnen. Füchse, Marder, Iltisse kommen nur vereinzelt vor. An kleinen Vierfüsslern fehlt es nicht. Fasanen werden in den Feldhölzern von Prieborn reichlich gezogen und fliegen häufig in den grossen Wald über. Wealdschnepfen fallen im Frühjahr und Herbst in mässiger Anzahl ein. Von kleineren Vögeln ist der Wald nicht sonderlich belebt. Besondere Arten kommen für gewöhnlich nicht vor.

Die angrenzenden Feldmarken, namentlich diejenigen des Amtes Prieborn, bilden mit die reichsten Jagdgründe Schlesiens. Ich selbst habe hier Jagden mitgemacht, auf denen an einem Tage 400 Hasen zur Strecke kamen. Ebenso schossen wir in einer Gesellschaft von wenigen Schützen mehrere Hundert Rebhühner auf einer Suche. Im letzten Herbst, am 24. November, betrug die Ausbeute einer Jagd bei der Kuckuksmühle 245 Fasanen, von denen Se. Exec, der Herr Ober-Präsident Graf Stolberg allein mit eigener Hand 68 St. erlegte.e. Zu erwähnen ist noch, dass Herr Amtsrath v. Schönermarck in den letzten Jahren englische Ring- fasanen und Schopfwachteln ausgesetzt hat, welche beiden Vogel- arten sich gut zu halten und zu vermehren versprechen.

Das hiesige Bergrevier gehört zu der Herrschaft Prieborn, welche aus 7 Vorwerken besteht und ehemals im Besitz der Familie von Czirn war, bis sie nach den Schlesischen Kriegen an die Krone Preussens fiel und von Friedrich dem Grossen der Berliner Charite mit der Bedingung überwiesen wurde, aus den Revenüen eine Anzahl Invaliden zu pflegen. Ueber dem Portal des Schlosses, jetzigen Amtshauses, zu Prieborn ist noch hente das in Stein gehauene Wappen derer von Czirn mit der Jahres- zahl 1656 zu sehen. Eine Urkunde vom Jahre 1515 nennt den Besitzer: Czirn vom Romsberge. Den letzten Namen führte damals die Raub- burg, welche auf der Stelle des jetzigen Aussichtsthurmes stand und im 16. Jahrhundert zerstört wurde. Die Wallgräben derselben sind noch jetzt deutlich zu erkennen. In älteren Fürstenthumskarten und Schrift- stücken ist dieser Gipfel auch als Ruhmsberg verzeichnet. Rommels- berg dagegen wird er zuerst 1689 von Ferd. Lucae und nach diesem 1704 ebenso von Henelius genannt. Hieraus ist in neuerer Zeit der Name Rummelsberg entstanden, welcher amtlich festgehalten wird. Die ältere Bezeichnung Ruhmsberg sollte nach einigen Chronikern daher stam- men, dass die Breslauer und Neisser Bürger die Burg im Jahre 1429

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84 Jahres-Bericht.

ruhmvoll erstürmt haben. Diese Annahme ist aber historisch unsicher, hat indessen zu dem Distichon von Geisheim Veranlassung gegeben:

Ruhmsberg hiessest Du einst, doch Rummelsberg nennt man jetzt Dich,

Weil man sich minder auf Ruhm, als auf den Rummel versteht.

Hierauf vertheilte Herr Forstmeister Tramnitz eine Karte des Berges, sowie ein autographirtes Verzeichniss der auf dem Rummelsberge von Sadebeck aufgefundenen Pflanzen.

Herr v. Thielau hielt eine Ansprache an die Versammlung und legte die vorher erwähnte Ahornplatte, Flügelsamen des Ahorn, einen 18 Pfund schweren Kürbis und 5'/), Fuss hohe Roggenähren vor.

Herr Geheimrath Göppert sprach über die neuesten bota- nischen Entdeckungen und Einführungen und legte Abbildungen derselben vor, wie

1) Welwitschia mirabilis aus Südwestafrika; die wohl 100 Jahre und darüber dauernden Cotyledonen sind zugleich die einzigen Blätter des Wurzelstockes; die Blüthen sind der einer Ephedracee entsprechend. Getrocknete Exemplare waren auf der Londoner Ausstellung; eine lebende von ansehnlicher Grösse soll sich in Portugal befinden.

2) Darlingtonia californica, eine Schlauchpflanze aus den Sümpfen Californiens.

3) Godwinia gigas, mit 13 Fuss im Umfang haltendem Blatt, von Seeman entdeckt, und verschiedene andere Aroideen, wie auch Orchideen.

4) Todea australis, ein wunderbarer Farn; es ist kein Stamm, son- dern ein wahrer Pflanzenberg, eine schwarze, mit Luftwurzeln bedeckte, bis 8 Fuss hohe und 6 Fuss breite und lange Masse, die an der Spitze einzelne Gruppen von Wedeln trägt; gegenwärtig ist sie in Belgien käuf- lich zu haben und es wäre wünschenswerth, ein solches Exem- plar für unseren botanischen Garten zu erlangen.

Derselbe demonstrirte mehrere morphologische Vorkommnisse an Bäumen: Frostrisse, welche oft irrthümlich für Blitzwirkungen ange- sehen worden sind; Verwachsungen durch Abstossen von Rinde; Bildung von Auswüchsen durch Adventivknospen, Darüber handelt näher ein im Erscheinen begriffenes Werk: Beiträge zur Morphologie der Bäume. Sämmtliche Gegenstände wurden in natura oder in Photographieen vor- gelegt.

Ferner hielt derselbe einen Vortrag über die Bedeutung der fossilen Flora und ihrer Leitpflanzen zur Auffindung

nutzbarer Fossilien (Kohlen etc.), aus deren Vorkommen man sicher auf silurische, obere und untere Kohlen- Formation, Permische, Trias-, Jura-, Kreide-, Tertiär- oder Diluvial-For- mation zu schliessen vermag.

Die Kenntniss der fossilen Thiere gelangte früher als die der Pflanzen zu einer gewissen Selbstständigkeit und Sicherheit in Schlüssen, welche

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 85

insbesondere für praktische Geognosie von hoher Bedeutung geworden sind. Man fand nämlich, dass gewisse organische Reste in den ver- schiedensten Gegenden der Erde nur in bestimmten Gesteinen vorkamen, und erkannte nun eben hierin ein Mittel, um über ihre geognostische Be- deutung Aufschluss zu erhalten. Insofern alle diese fossilen thierischen Reste als Führer dienten, nannte man sie Leitthiere. Erst später traten auch die fossilen Pflanzen in die Reihe ein, ja erlangten in Betreff der Erkennung der für technische Zwecke so wichtigen, Brennstoff führenden Schichten eine höhere Bedeutung als die Thiere. Somit gewann die Lehre von den Versteinerungen auch eine grosse praktische Wichtigkeit, wäh- rend man sonst diese Wissenschaft, wie so manche andere, deren directer Nutzen nicht gleich von vornherein Jedermann einleuchtet, für müssige Beschäftigungen der sogenannten Gelehrten zu halten geneigt war. Wir können nun aus den in den Schichten der Sandsteine und Schieferthone vorkommenden fossilen Pflanzenarten mit grösster Sicherheit einerseits die Art der Kohle, ob wir ältere oder wahre Steinkohle, Kohle der Trias-, Jura- und Quadersandsteinformation oder Braunkohle vor uns sehen, oder solche erwarten dürfen, sowie auch selbst auf die zu erwartende Quan- tität derselben zum Theil oft Schlüsse ziehen, welche letztere Hinsicht, wie leicht einzusehen, von der berücksichtigungswerthesten praktischen Bedeutung sind. So charakterisiren gewisse Pflanzen die Schichten, welche man bei uns gewöhnlich noch mit dem Namen des Uebergangsgebirges oder Grauwacke (Kulmgrauwacke) bezeichnet, die als das Liegendste unserer Steinkohlenformation keine bauwürdigen Flötze mehr enthalten. In dem im botanischen Garten aufgestellten Profile der Kohlenformation sieht man sie in ihrer naturgemässen Lage, wie den Calamites transitionis m. und die Sagenaria Veltheimiana, oder auch ausserhalb desselben aufgestellt die Neuropteris Loslü und das Lepidodendron hexagonum m. Sie ver- dienen ganz besonders der öffentlichen Beachtung empfohlen zu werden, da man in besagter Formation, verleitet durch einzelne Lagen schwärz- licher Schiefer, häufig kostspielige, aber stets fruchtlose Bohrversuche nieht blos in unserer Provinz, wie bei Tost, Schweidnitz, Lähn, im Leobschützischen, sondern auch in verschiedenen Gegenden Deutschlands, sowie in Nord-Amerika angestellt hat und dergleichen wieder, wie man hört, in der Umgegend von Glatz beabsichtigt. Obengenannte Pflanzen wurden im Original wie in Abbildungen vorgelegt, desgleichen auch die Leitpflanzen für die übrigen obengenannten Formationen.

An diesen hier nur auszüglich mitgetheilten Vortrag schloss Hr. Geheim- rath Göppert eine Darlegung der wichtigeren paläontologischen Forsehungen und Entdeckungen des anwesenden Herrn Custos Apotheker R. Peck aus Görlitz, der sich auch sonst um die naturhistorische Erkenntniss der Lausitz, Verbreitung von Kenntnissen dieser Art, weiteren Ausbau des dortigen naturhistorischen Museums und botanischen Gartens

836 Jahres-Bericht

bereits grosse Verdienste erworben hat; die neuesten Fundstellen beziehen sich auf die silurische Formation bei Lauban und -permische Formation bei Wunschendorf, deren der Vortragende ebenfalls gedachte und von denen er Belegstücke vorzeigte. Herr Geheimrath Göppert erwähnte noch, dass Pyrus torminalis Ehrh. von Schummel auf dem Rummelsberge gefunden worden ist, seitdem aber nicht mehr beobachtet wurde; er legte Zweige aus dem botanischen Garten zu Breslau vor.

Ausserdem wurden von ihm ausgelegt Thonetiquetten von Holz- pflanzen aller Art von Herrn Director Petzold in Muskau, wegen ihrer Correctheit sehr zu empfehlen.

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Herr Dr. Stenzel sprach unter Bezugnahme auf eine von ihm aus- gestellte Karte über

das Riesengebirge als Vegetationsgrenze.

Das Studium der Flora einzelner Gegenden kann in mehr als einer Beziehung von allgemeinerer Bedeutung werden. Um eine Pflanzenart vollständig kennen zu lernen, um festzustellen, ob die zahlreichen und mannigfaltigen Formen, in welchen sie erscheint, wirklich zusammen- gehören, ob und durch welche festen Merkmale sie von den verwandten Arten getrennt ist, dafür ist die Beobachtung zahlreicher lebender Exem- plare an demselben wie an verschieden gearteten Standorten, auf ver- schiedenen Stufen ihrer Entwickelung von der grössten Bedeutung. Solche wiederholte und eingehende Beobachtungen können die meisten Botaniker nur in mässiger Entfernung von ihrem Wohnorte anstellen und gerade solchen Beobachtungen verdankt die Erkenntniss schwieriger Formen wenigstens ebenso viel, wie der Vergleichung von Herbarien-Exemplaren aus entfernten Gegenden.

In noch höherem Grade hängt von der genauen Durchforschung der einzelnen Gegenden der Fortschritt der Pflanzen-Geographie ab, deren allgemeine Ergebnisse sich auf eine so grosse Zahl von Einzel- beobachtungen stützen müssen, dass eine örtliche Arbeitstheilung sich hier von selbst ergiebt. Gerade für pflanzengeographische Vergleichungen ist aber eine richtige und scharfe Abgrenzung der Gebiete unerlässlich, und in dieser Beziehung will es mir scheinen, als sei das Gebiet der Flora von Schlesien nach den ‘verschiedenen Seiten hin bisher nach sehr un- gleichen Grundsätzen abgegrenzt worden.

Schlesien ist nach Nordwesten und Norden gegen die Mark und die Provinz Posen, nach Osten gegen Polen hin ein völlig offenes Land. Keine natürliche Scheide trennt es von den angrenzenden Gebieten und es ist keinem Zweifel unterworfen, dass auch der Pflanzenwuchs diesseits und jenseits der Grenzlinie in allen wesentlichen Stücken übereinstimmt. Aber gerade hier vermeiden es alle Floren von Schlesien mit fast ängst-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 87

licher Sorgfalt, irgend einen Standort aufzunehmen, welcher auch nur einen Büchsenschuss weit jenseits der Grenzpfähle liegt.

Im Riesengebirge aber, dessen den ganzen mächtigen Hauptkamm entlang laufende Wasserscheide einer ganzen Reihe von Arten den Ueber- gang von Böhmen nach Schlesien wie von Schlesien nach Böhmen ge- wehrt hat, werden nicht nur Standorte schlesischer Pflanzen auch jenseits der Grenze ohne Weiteres in der schlesischen Flora aufgeführt, sondern auch alle nur auf der böhmischen Seite des Gebirges vorkommende Arten ohne alle Einschränkung zu den schlesischen Pflanzen gerechnet. Am schlagendsten tritt die Auffassung des Hochgebirges als eines beiden Län- dern gemeinsamen Florengebietes in der vortrefflichen „Geographischen Uebersicht der Vegetation Schlesiens“ hervor, welche Wimmer der 2. Auf- lage seiner Flora von Schlesien (1844) beigegeben hat. In der Bd. II Seite 85—89 gegebenen vergleichenden Zusammenstellung derjenigen Phanerogamen, welche in Schlesien fehlen, in den Nachbarländern aber gefunden werden, ist unter den Arten, welche Böhmen vor uns voraus hat, keine einzige von denen aufgezählt, welche nur auf der böhmischen Seite des Gebirges vorkommen. Dies scheint mir doch nicht gerecht- fertigt. Mag man, um die Brauchbarkeit einer Flora für den das Riesen-- gebirge durchwandernden schlesischen Botaniker zu erhöhen, auch die der südlichen Seite desselben angehörenden Arten und Standorte anhangsweise an passender Stelle einschalten, immerhin sollten sie von den wirklich in Schlesien vorkommenden bestimmt unterschieden werden. Saxifraga nivalis, S. bryoides, S. muscoides, Androsace obtusifolia sind nun einmal keine böh- mischen, Salix phylieifolia, Arenaria verna, Sorbus Aria, Hedysarum obscurum, Bupleurum longifolium die letzten beiden sind auch im Gesenke auf den nach Süden gelegenen Kessel beschränkt -— keine schlesischen Pflanzen.

Es liegt jedoch nicht in meiner Absicht, heut auf eine Vergleichung der gesammten schlesischen Flora mit der des Nachbarlandes einzugehen, für welche das Riesengebirge in gewissem Sinne auch eine Vegetations- scheide ist; ich will mich darauf beschränken, zu zeigen, dass eine ganze Anzahl von Arten im Riesengebirge bis nalıe an die Wasserscheide vor- kommt, ohne von der einen oder der anderen Seite diese Linie zu über- schreiten, während andere dies nur an ganz vereinzelten Punkten thun.

Auf der Schlesien zugewendeten Nordseite des Gebirges be- herbergen die Schneegruben allein 7 nur hier vorkommende Arten: der Basalt der kleinen Schneegrube Sazifraga nivalis, 8. muscoides (=. moschata f. muscoides Wulf.), 8. bryoides (=S8. aspera var, bryoides L.), Arabis alpina, Androsace obiusifolia, Woodsia hyperborea wenigstens habe ich die Felsen der Melzergrube am Koppenbache bis zum Lomnitzfall wiederholt, aber stets vergeblich nach dieser Art durch- sucht —; der Grund der Schneegrube Salix herbacea. Die auf Moos- polstern in dem angrenzenden Knieholze vorkommende Linnaea borealis

38 Jahres- Bericht

ist auch am kleinen Teiche gefunden worden. An der Iserwiese, wo sie Tausch angiebt, ist sie später, zuletzt auch von Limpricht, vergeblich ge- sucht worden und auch Wimmer hat den Standort in keiner Ausgabe der Flora von Schlesien aufgenommen. Im ganzen Zuge der Sudeten allein im grossen Teiche ist die von Milde 1866 entdeckte Isoites lacustris einheimisch.. Am kleinen Teiche hat Bänitz neuerdings Valeriana Tripleris aufgefunden; ebenso kommt hier Veronica alpina vor, welche auch an Felsen der Schneekoppe gefunden worden ist. Mir selbst ist es nicht geglückt, sie daselbst aufzufinden. Es wäre aber nicht uninteressant, festzustellen, ob sie, wie Veronica bellidioides meines Wissens nur an der Südseite über dem Aupengrunde angetroffen wird, vielleicht nur an der Nordseite wächst, in welchem Falle, so klein der räumliche Unterschied sein mag, sie eine ausschliesslich schlesische Pflanze sein würde.

Auffallender noch, als bei diesen überhaupt auf eng begrenzte Oert- lichkeiten beschränkten Pflanzen, ist das Aufhören mehrerer auf der schlesischen Seite weiter verbreiteten Arten an der Wasserscheide des Kammes. So wird Hieracium anglicum von der grossen Schneegrube, ‘dem kleinen Teiche und dem Melzergrunde; Carex hyperborea vom Iserkamme, Silberkamme, den Dreisteinen und der Seifengrube angegeben. Am merkwürdigsten aber ist die Verbreitung von Luzula mazima DC. (= L. silwatica Gaud.), welche ich bei meinen Wanderungen um Schmiede- berg und Krummhübel ziemlich vollständig habe yerfolgen können. Vom Landeshuter Kamme, an dem sie sich bis Buchwald und Hohenwiese herunterzieht hier habe ich nur Blätterbüschel beobachtet verbreitet sie sich in grosser Häufigkeit und zahlreichen 3—4° hohen Blüthenständen über den Ochsenberg bei Schmiedeberg den ganzen Forstkamm entlang, wo sie besonders am Langwasser über den Forstbauden häufig ist, durch den Eulengrund, wo sie uns im Ansteigen nach der Höhe des Mittelberges in grosser Zahl begleitet, nach der schwarzen Koppe, an deren Abhange nach dem Melzergrunde sie ebenso häufig ist, wie in diesem selbst. Etwas sparsamer fand ich sie noch an dem aus der Seifengrube herabkommen- den Bache im Seifengrunde, vereinzelte Blätterbüschel endlich noch west- lich von diesem über Brückenberg. Ob die nach Kaiser in der dritten Bearbeitung von Wimmer’s Flora 1857, 5. 105, angegebenen Standorte am Höllenbache und am Seifen eine noch weiter nach Westen reichende Verbreitung beweisen, kann ich nicht beurtheilen, da es zweifelhaft bleibt, ob damit der aus der Seifengrube herabkommende kleine Seifen gemeint ist, oder der Seifen, welcher unter dem Mittagsteine entspringt und nach dem Hain hinunterfliesst. Die von Nees angegebenen Standorte: Schnee- sruben, Zackenfall und Kesselgrube scheinen jedenfalls auf einem Miss- verständniss zu beruhen; ich selbst habe wenigstens von Schreiberhau bis Flinsberg die Luzula maxima nirgends gefunden, finde auch keine andere

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Angabe aus der Westhälfte des schlesischen Riesengebirges. In dem sanzen oben begrenzten östlichen Theile ist sie aber bis in die Nähe der oberen Waldgrenze so häufig, dass es in hohem Grade überraschend ist, wenn sie auf der Südseite ganz fehlt.

Aehnlieh ist es mit Corallorhiza innala, welche auf der ganzen schlesischen Seite des Gebirges von den Falkensteinen bei Fischbach über Krummhübel bis nach Schreiberhau in der Waldregion verbreitet, auf der Südseite aber erst neuerdings von Limpricht am keulichten Buchberge im Isergebirge gefunden worden ist, und weiterhin erst bei Münchengrätz vorkommt.

Das ebenfalls auf der schlesischen Seite verbreitete Cöloglossum viride steigt nicht nur in der kleinen Schneegrube, sondern, wie ich in den letzten Jahren gefunden habe, auch an den Rändern des kleinen Teiches, namentlich an den Grasflächen westlich über dem Austluss, und in der Melzergrube bis 4000‘ hoch hinauf. Von der böhmischen Seite war es bis vor Kurzem nicht bekannt und ist dort erst jüngst bei Spindel- mühl von Hieronymus und am keulichten Buchberge von Limpricht ge- funden worden.

Eben so weit verbreitet, wenn auch viel seltener und weniger hoch ansteigend es überschreitet wohl kaum die Höhe von 2500° ist Epipogon Gmelini, das am Zackenfall, am Hain, an vielen Stellen um Krummhübel bis in den Melzergrund vorkommt ich habe es im vorigen Sommer (1872) wieder an einem neuen Standorte zwischen den obersten Häusern von (uerseifen und Brückenberg in mehreren Exemplaren ge- funden. Es ist ebenfalls erst vor nicht langer Zeit auf der böhmischen Seite und zwar am Kiesberge von Jänicke gefunden worden.

Ebenda wurde auch, bisher allein auf der böhmischen Seite, von Heuser die auf der schlesischen von Schmiedeberg bis Schreiberhau zer- streute Pyrola media beobachtet.

Ausschliesslich im Isergebirge überschreiten den Hauptzug des Riesen- gebirges Galium saxatile, welches vom Rhein durch Norddeutschland, Thüringen, das Erzgebirge, die Lausitz verbreitet und bei uns von der Tafelfichte bis zum Hochsteine ausserordentlich häufig ist, sparsam an der alten schlesischen Baude und an der grossen Sturmhaube, jenseits des Kammes auf der Iserwiese und am keulichten Buchberge vorkommt; ferner

Meum athamanticum, welches im östlichen Theile ebenfalls nur zerstreut um Schmiedeberg und nach Wenk an der alten schlesischen Baude, häufig von Schreiberhau bis Flinsberg, jenseits auf der Iser- wiese; und

Campanula latifolia, welche in Schlesien zerstreut, im Riesen- gebirge von Lomnitz über Schreiberhau bis in die kleine Schneegrube

90 Jahres - Bericht

geht, auf der Südseite aber erst in letzter Zeit am keulichten Buchberge von Limpricht aufgefunden worden ist.

Fast eben so zahlreich sind die Pflanzenarten, welche ausschliesslich oder vorwiegend die böhmische Seite des Gebirges bewohnen. Wie die kleine Schneegrube auf der Nordseite, so hat der Riesengrund auf der Südseite mehrere Arten ausschliesslich: im Teufelsgärtchen am Ab- hange des Brunnenberges Arenaria verna und Hedysarum obseurum; am Schneegraben Salix phylicifolia und allein mit dem Kessel an der Kesselkoppe gemein Sorbus (Pyrus) Aria, Bupleurum longifolium, Scabiosa lucida, Carex sparsiflora.

Die Iserwiese hat ferner Betula nana, welche dem eigentlichen Schlesien ganz fehlt, dagegen in der Grafschaft Glatz auf den Seefeldern an der hohen Mense gefunden wird; Juniperus nana, welche nach Bänitz auch auf der Pantschewiese wächst, und Rubus Chamae- morus, welcher ausserdem noch auf der Elbwiese und auf der weissen Wiese vorkommt, also ganz nahe an der schlesischen Grenze, ohne an einem dieser Punkte dieselbe zu überschreiten vielleicht das merk- würdigste Beispiel für die Verschiedenheit der Wachsthumsbedingungen auf beiden Seiten des Gebirges.

Es schliesst sich ihm darin Veronica bellidioides am Koppenkegel an, wo sie zahlreich an der Südseite, aber, so viel mir bekannt, nicht an der Nordseite wächst.

Auch Viola lutea ist wahrscheinlich nur der böhmischen Seite eigen. Nicht nur am ÖOstabhange des Brunnenberges, dem Steinboden, sondern auch am Südabhange von der Geiergucke nach dem langen Grunde hin schmücken im ersten Frühling zahllose Blüthen derselben den felsigen Boden; auch auf dem Rehorn ist sie gefunden worden. Dagegen scheint der von Uechtritz sen. angegebene Standort in der grossen Schneegrube von keinem späteren Beobachter wieder gefunden worden zu sein, so dass vielleicht nur ein Flüchtling sich vorübergehend dort angesiedelt hatte.

In ähnlicher Weise findet sich die von der Iserwiese, dem langen Grunde, dem Riesengrunde und der schwarzen Koppe bekannte Sagina saxatilis nur spärlich am Basalt der kleinen Schneegrube.

Auch die an der Kesselkoppe, im Teufelsgärtehen und am Alten Bergwerk im Riesengrunde vorkommende Sazxifraga oppositifolia ist nördlich nur in der grossen Schneegrube gefunden worden und, wie es scheint, sehr sparsam. Wimmer führt nur Krocker als Gewährsmann an; Engler in seinen Beiträgen zur Naturgeschichte und Kenntniss des Genus Saxifraga (Linnaea Bd. 35) hat in der Tabelle zu 8. 72 Sazxifraga oppo- sitifoia nur auf der Südseite des Riesengebirges; erst in der Monographie des Genus Sawifraga führt er noch die Schneegruben als Standort an.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 9]

Das auf der böhmischen Seite im Riesengrunde und a. O. zahlreich auftretende Aspidium Lonchitis ist einmal auch bei Agnetendorf ge- funden worden und

Geum pyrenaicum (?) (G. rivale-monlanum), welches in weit aus- einander liegenden Zeiten an verschiedenen Stellen des Riesengrundes vorgekonmen ist, ist nur einmal in einem Exemplare über dem Lomnitz- falle am Melzergrunde von mir gefunden worden; in den folgenden Jahren habe ich es an derselben Stelle, obwohl ich den Stock geschont hatte, trotz sorgfältigen Nachsuchens nicht wieder entdecken können. Ein zweites Exemplar von der schlesischen Seite bewahrt das Herbarium der Schle- sischen Gesellschaft mit der Angabe ‚vom kleinen Teiche“. Allerdings ist es mir geglückt, dort unweit des Ausflusses des Teichwassers an einer ziemlich abgelegenen Stelle Geum rivale aufzufinden, aber dort gerade fehlt G. montanum, daher auch der Bastard, was freilich nicht ausschliesst, dass er sich aiı einer der ausgedehnten Lehnen und Abhänge noch finden könne. Jedenfalls ist sein Vorkommen auf der schlesischen Seite sehr vereinzelt.

Delphinium elatum, dessen Auftreten an der Kesselkoppe, im Elb- grunde, auf dem Gipfel des Rehorn (Siegert, Jahresber. der Schles. Ges. 1859 $. 33) keinen Zweifel lässt, dass es dort ursprünglich einheimisch sei, kommt bei Krummhübel und Steinseifen nur in Grasgärten vor, wo es ebenso gewiss nicht ursprünglich wild war; bei Agnetendorf wird es kaum anders sein. Die Argabe von Mosch (Das Riesengebirge $. 130), dass es nebst Linnaea borealis in der schwarzen oder Agnetendorfer Schneegrube wachse, bedarf jedenfalls der Bestätigung.

Endlich kommt Hieracium aurantiacum auf der Nordseite des Gebirges eigentlich nur auf der prachtvoll gelegenen Wiese an der Schlingel- baude in nennenswerther Menge vor. Ein einzelnes, noch dazu kümmer- liehes Exemplar fand ich einmal an der Seifenlehne unweit der Hampel- baude; nicht viel häufiger mag es am kleinen Teiche und in den Schnee- gruben, wo Garcke es angiebt, sein, ich kann mich wenigstens nicht erinnern, es dort gesehen zu haben, während es auf der Südseite an vielen Stellen zahlreich auftritt.

Stellen wir der leichteren Uebersicht wegen die im Vorhergehenden aufgeführten Arten kurz zusammen, so kommen im Riesengebirge vor:

allein aufder schlesischen Seite: allein auf der böhmischen Seite: Arabis alpina, re Arenaria verna, Saxifraga nivalıs, Hedysarum obscurum, u bryoides, Sorbus (Pyrus) Aria, ; muscoides, Rubus Chamaemorus, Valeriana Tripteris, Bupleurum longifolium,

Linnaea borealıs, Scabiosa lucida,

93 Jahres - Bericht allein auf der schlesischen Seite: allein auf der böhmischen Bene Androsace obtusifolia, Veronica bellidioides, Salix herbacea, Salic phylicifolia, Woodsia hyperborea, Betula nana, Isoetes lacustris. Juniperus nana,

Carex sparsiflora.

Hieraeium anglicum,

Luzula masxima, Viola lutea, Carex hyperborea. Delphinium elatum. Fast nur auf der schlesischen Fast nur auf der böhmischen Seite: Seite: Meum athamanticum, Sagina saxatils, Campanula latifolia, Geum pyrenaicum, Veronica alpina, Saxifraga oppositifolia, Galium sascatile, Hieracium aurantiacum, Pyrola media, Aspidium Lonchitis.

Corallorhiza innata, Coeloglossum viride, Epipogium Gmelini.

Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich, dass 13 Arten von Phanero- samen und kryptogamischen Gefässpflanzen allen der schlesischen, eben so viele allein der böhmischen Seite des Riesengebirges angehören. Sämmtliche die Hochgebirgsregion bewohnende Arten von Gefässpflanzen lassen sich auf etwas über 200 veranschlagen, so dass etwa der achte Theil derselben an der Wasserscheide des Kammes seine Grenze findet. Dazu kommen noch acht Arten, welche überwiegend häufig, ja die meisten fast allein heimisch auf der schlesischen Seite sind, fünf auf der böhmischen. Man kann daher dreist behaupten, dass es auf der ganzen Grenzlinie Schlesiens nirgends sonst ein 6 Meilen langes Stück gebe, welches auch nur annähernd so viele Pflanzenarten, welche bis nahe an sie heran reichten, schiede, wie der Kamm des Riesengebirges, und es ist nichts unnatürlicher, als gerade hier die Grenze der schlesischen Flora über die Landesgrenze hinauszuschieben, noch dazu, ohne genau sagen zu können wie weit.

Es mag immerhin sein, dass noch von mancher der hier aufgeführten Pflanzen Standorte anf der anderen Seite des Gebirges gefunden werden. Namentlich ist dies auf der offenbar noch viel unvollkommener bekannten böhmischen Seite zu erwarten, auf der schon in den letzten Jahren eine ganze Anzahl der bisher nur aus Schlesien bekannten Arten entdeckt worden sind. Es wird dies um so wahrscheinlicher, als ausreichende Gründe für das getrennte Vorkommen nicht leicht aufzufinden sind. Ein

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. . 93

Alpensee, in welchem z. B. Isoites wohnen könnte, fehlt freilich der Süd- seite; aber auch wenn sie ihn hätte, können wir noch keineswegs mit Zuversicht behaupten, dass er dann Isoites beherbergen würde, denn die- selbe fehlt in dem dem grossen Teiche nahe und ganz ähnlich gelegenen kleinen Teiche. Ein Basaltfels in der Seehöhe der kleinen Schneegrube ist ebenfalls nur auf der Nordseite anzutreffen, aber die dort ausschliess- lich vorkommenden Pflanzen sind weder im hohen Norden, noch die anderen in den Alpen, wo sie eine grössere Verbreitung haben, an Basalt gebunden. Dass aber der geringe Kalkgehalt des letzteren hier nicht massgebend für das Vorkommen wenigstens von Saxifraga muscoides und 8. bryoides ist, geht daraus hervor, dass Mohl (vermischte Schriften $. 422) nach seinen Beobachtungen in den Alpen die erste als bodenvag, und 8. aspera, von welcher unsere $. bryoides nur eine Varietät ist, als ur- gebirgsholde Pflanze bezeichnet. Und das sind die Beispiele, bei denen eine Erklärung am nächsten zu liegen scheint.

Mag also noch eine und die andere der aufgeführten Arten der Nord- oder der Südseite nicht so ausschliesslich eigen sein, als wir jetzt an- nehmen, immerhin wird sicher ein bedeutender Theil der beide unter- scheidenden Pflanzenformen übrig bleiben; und andererseits ist es höchst wahrscheinlich, dass eine genaue Verfolgung der Verbreitungsbezirke der

Moose, Lebermoose, Flechten, Algen und Pilze ich erinnere nur an das auf den Abfluss des kleinen Teiches beschränkte Vorkommen von Dichelyma falcatum der Ansicht eine weitere Stütze gewähren wird,

dass die Wasserscheide auf dem Kamme des Riesengebirges dort die natürliche Grenze für die schlesische Flora bildet.

Herr Professor Cohn sprach über Parasitische Algen.

Unter den Algen finden sich ebensowohl epiphytische als endophytische Arten. Wenn sich Algen mit Haftscheiben an der Oberfläche anderer Pflanzen, gewisse Arten stets nur auf bestimmten Algen anheften (Epithemia, Cocconeis und andere Diatomeen, Coleochaete, Oedogonium, Ectocarpus, Po- Iysiphonia etc.), so lässt sich dies freilich ebenso wenig als echter Para- sitismus auffassen, wie das regelmässige Einnisten fremder Arten im Schleime der Gallertalgen (CUhaetophora, Mesogloea). Aber auch im ge- schlossenen Gewebe höherer Algen wohnen niedere Formen, wie Vor- tragender zuerst bei der Floridee Cruoria nachwies, in deren rothem Thallus er grüne Schläuche entdeckte; ähnliche Schläuche fand er im Markgeflecht der Floridee Polyides, hier schon von Mettenius gesehen; . andere sind von Thuret auch in anderen Meeralgen gefunden und als Entwickelungszustände einer parasitischen Cladophora erkannt worden. In den letzten Wochen hat sich unsere Kenntniss parasitischer Algen ver- mehrt durch die von Reinke gemachte Entdeckung von Nostoceen,

94 Jahres - Bericht

welche im inneren Gewebe dikotyledonischer Pflanzen (Gunnera, Cycas) wohnen und durch den von Janczewski gegebenen Nachweis, dass die von unserem verewigten Milde im Laube vieler Lebermoose (Anthoceros, Blasia etc.) gefundenen blaugrünen Gonidienschnüre parasitische Nostoc- Colonieen sind. Dass auch die Gonidien der Flechten von unseren be: deutendsten Forschern neuerdings als selbstständige Algen angesehen werden, ist bekannt.

Vortragender hat einen neuen, in höchst merkwürdiger Weise com- plieirten Fall von parasitischen Algen bei Lemna trisulca entdeckt; er fand im inneren Gewebe dieser Pflanze äusserst zahlreiche, theils smaragd- grüne, theils blaugrüne Schläuche eingelagert, von denen diese sich als Nostoceen, jene sich als eine Chlorosporee erwies. Und zwar ist die letztere der eigentliche Parasit, dessen birnförmige Schwärmsporen sich aussen an die Oberfläche des Lemna-baubes und zwar stets an die Grenze zwishen zwei Oberhautzellen anheften; beim Keimen treiben diese Schwärmsporen einen keilförmigen Keimschlauch, der die beiden Blätter der Zellscheidewände spaltet und sich zwischen zwei Ober- hautzellen, und sodann zwischen zwei unter diesen liegende Parenchym- zellen eindrängt, bis er einen Intercellularraum erreicht; alsdann schwillt der Keimschlauch zu einer grossen, unregelmässigen oder kugeligen, diek- wandigen Blase an, welche bald das Nachbargewebe der Lemna verdrängt, und vermittelst eines engen Halses mit der aussen zurückbleibenden Spore in Zusammenhang steht. Der Inhalt dieser Schläuche zeigt erst nur einen grünen Wandbelag, füllt sich aber später ganz und gar mit grünem Plasma, so dass die Schläuche undurchsichtig, tiefgrün werden; hiernach zerfällt der grüne Inhalt durch simultane freie Zellbildung erst in grössere Seg- mente, dann durch weitere Theilung in äusserst zahlreiche, kleine grüne Schwärmsporen; diese treten durch den erweiterten und nach aussen ge- öffneten Schlauchhals nach aussen und verbreiten sich beim Ausschwärmen über die Oberhaut der Lemna, um nach kurzer Zeit keimend, auf's Neue in deren Inneres einzudringen.

Dieser grüne Schmarotzer der Lemna trisulca erinnert zwar an die Reihe der besonders zahlreich in Schlesien durch die Bemühungen der Herren Schroeter, Schneider und Gerhard entdeckten, im Laube vieler Phanerogamen schmarotzenden Synchytrien, unterscheidet sich aber von ihnen wesentlich durch das Chlorophyll; er bildet eine neue Gattung und Art: Chlorochytrium Lemnae Cohn.

In die entleerten Chlorochytriumschläuche wandern nun von aussen verschiedene Nostoceen ein, von denen bis jetzt drei verschiedene Arten (Nostoc, Mastigonema und Lepthothrix, ferner auch Rhaphidium fasci- culare) erkannt wurden; sie vermehren sich in diesen geschützten Nestern so rasch, dass sie dieselben bald mit ihren blaugrünen Fäden ausstopfen; doch sind diese Nostoceen nur die Aftermiether des Chlorochytrium.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 95

Das Chlorochytrium drang auch in den Thallus von Riccia fluitans ein, welche in dem nämlichen Glase mit Lemna trisulea ceultivirt wurde; eine ausführliche Beschreibung und Abbildung dieses Parasiten ist seitdem in den Beiträgen für Biologie der Pflanzen, Heft II, Tab. 2 (Ueber para- sitische Algen von Dr. Ferdinand Cohn), Breslau 1872, bei Max Müller er- schienen.

Herr Prof. Koerber legte das Verzeichniss der im Besitz der Schle- sischen Gesellschaft befindlichen, auf die schlesische Flora bezüglichen Manuscripte und Sammlungen vor.

Herr Apotheker Ende aus Grottkau legte eine aus Zwickau bezogene, sehr zweckmässige Auerswald’sche Drahtpresse vor.

Ausgestellt war von Herrn Beamten Scholtz eine colossale Eschen- wurzel, welche innerhalb 6 Jahren in einen 15° vom Baume entfernten Brunnen gewachsen war.

Die Sitzung schloss um 1'/, Uhr. 88 Theilnehmer an dieser Ver- sammlung hatten sich eingezeichnet, darunter aus Breslau die Herren Reporter Rudolph Adler, Universitätszeichner Assmann, Prof. Dr. Auer- bach, Gymnasiallehrer Dr. Beblo, Apotheker Dr. Bluhm, Apotheker H. Castelsky, Prof. Dr. Ciesielski, Prof. Dr. Ferdinand Cohn, Dr. Georg David, Dr. Moritz Elsner, Inspector des botan. Gartens Nees v. Esenbeck, Ober-Amtmann Fiedler, Prof. Dr. Foerster, Privatdocent Dr. Gscheidlen, Geheimrath Professor Dr. Goeppert, Kaufmann H. Hainauer, Kunst- und Handelsgärtner Junger, Registrator Kabath, Kunstgärtner Klein, Wundarzt Knebel, Professor Dr. Koebner, Professor Dr. Koerber, Medieinal- Assessor Kretschmer, Stud. Kretzschmer, Pastor Letzner, Hauptlehrer C. und D. Letzner, Mittelschullehrer Limpricht, Cand. Roman May, Lehrer Merkel, Verlagsbuchhändler Max Müller, Stadtrath E. Müller, Apotheker Julius Müller, Realschullehrer Pfennig, Prof. Dr. Poleck, Apotheker Reichelt und Reichhelm, Realschullehrer Dr. W. Richter, Prof. Dr. Roemer, Dr. W.G. Schneider, Buchhalter H. Schultze, Cand. phil. Carl Schumann, Ober- Gärtner B. Stein, Realschullehrer Dr. Stenzel, Apotheker Stenzinger, Bankdirector Stetter, Stud. Stetter, Cand. Suckow, Lehrer Thomas, Ober- Forstmeister'Tramnitz, Apotheker Ullmann, Apotheker Werner, Commissions- Rath Wesel; ferner die Herren: Sanitätsrath Dr. Bleisch, Rector H. Hil- debrand, Pharmazeut Hamburger, Apotheker P. Hühner, Kaufm. Wandrey und Kataster-Controleur H. Wehn aus Strehlen, Apotheker R. Peck aus Görlitz, Kreisgerichts-Direetor Peck und Lehrer Rupp aus Schweidnitz, Dr. Horvath aus Kiew (Russland), Lehrer Baumann aus Oppeln, Apotheker Ende aus Grottkau, Herr v. Thielau auf Lampersdorf bei Frankenstein, C. Trautmann auf Nicolausdorf (Görlitz), Oberförster Blankenburg, Ober- förster W. Linz, Forsteleve Otto Hübner, Oberförster L. Hauff, Förster A. Müller, Apotheker H. Stefke zu Prieborn, Gutsbesitzer Maetzke auf Göppersdorf, Hofgärtner C, Winter zu Heinrichau, Lehrer H. Drescher zu

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Krippitz, Burow auf Dobergast, P. Hausleutner, Richter und Seydel, Guts- besitzer zu Karschau bei Strehlen.

Ein fröhliches Mahl in der offenen Halle auf dem Berge vereinigte die Mitglieder der Versammlung nicht ohne die herkömmliche Be- gleitung ernster und heiterer Festreden; nach Besichtigung der herrlichen Rundsicht von der Höhe des auf dem Berge errichteten Thurmes wurde gegen 5 Uhr der Rückweg nach Strehlen angetreten, von wo um 6°, Uhr der Bahnzug den grössten Theil der Mitglieder nach der Heimath zurück- brachte.

In der sechsten Sitzung der botanischen Section am 31. October 1872 sprach Herr Mittelschullehrer @. Limpricht über |

die Moosflora der Oberschlesischen Muschelkalkhügel, die bisher nur sehr beiläufige Berücksichtigung erfahren hat.

Der Öberschlesische Muschelkalk bildet in seiner Hauptmasse einen langen Zug, der über Beuthen, Tarnowitz und Gross-Strehlitz zur Oder verläuft und seine höchste Erhebung 1113‘ in dem Zuge des Annaberges findet, mit dem nördlich der Muschelkalk des Sakrauer Berges und die Gogoliner Kalksteine, sowie südlich die Kalkpartieen des Czarnosiner Buchenwaldes in der Tiefe wahrscheinlich zusammenhängen. Diese weitere Umgebung des Annaberges bildete das Gebiet für die Excursionen im April 1871 und im October 1872. |

Ueberraschend wirkt hier die grosse Uebereinstimmung des Moos- bildes mit dem der Buchenpartieen des Trebnitzer Katzengebirges, indem fast ganz dieselben Typen wiederkehren, die als Charaktermoose für letz- teren Hügelzug gelten, so Bartramia ithiphylla et pomiformis, Webera eruda und elongata, Mmium serratum et stellare, Leptotrichum homomallum, Encalypta ciiata, Diphyscium foliosum, Eurhynchium strigosum, er Roesei, Amblystegium subtile und Hypnum Haldani.

In den Kalkbrüchen von Gogolin finden Bryum Funckü und Barbula Hornschuchiana, beide c. fret., eine allgemeine Verbreitung.

Die Muschelkalkfelsen des Sakrauer Berges 849° bieten: Grimmia tergestina Tomm. 9, das hier seine Nordgrenze erreicht, Eurchynchium striatulum Br. et Schpr., steril, Homalothecium Philippeanum Schpr. (schon durch R. v. Uechtritz gesammelt), Pseudoleskea catenulata, steril, Amblystegium confervoides, steril, Seligeria pusilla c. fret. Orthotrichum cupulatum und Bryum argenleum y lanatum, felsbewohnende Arten, die zum Theil in der nord- deutschen Ebene, wozu wir auch diese Hügel rechnen müssen, bisher nicht nachgewiesen wurden.

Auf dem Nieder-Ellguther Steinberge ging mit der völligen Entwaldung auch die schattenbedürftige Moosvegetation zu Grunde und nur die Be- wohner besonnter Kalkfelsen, darunter Grimmia tergestina und Orthotrichum cupulatum, hatten ihren Platz behauptet.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 97

Auf dem Wyssoker Berge bilden unter dem schützenden Dache eines Buchenwaldes auf den Kalkblöcken zwei seltene Arten: Eurhynchium Vaucheri, steril, und Homalothecium Philippeanum, zum Theil fruchtend, Massenvegetation. Hier sind ferner erwähnenswerth: Eurhynchium striatulum, Seligeria pusilla, Anomodon longifolium var. pumilum, Fissidens pusillus, Leskea nervosa, Pterigynandrum filiforme etc.

Soweit der kleine Gebirgszug des Annaberges nicht entwaldet ist, gedeihen in seinen Hohlwegen und Schluchten reichlich Lebermoose, z.B. Blasia pusilla, Calypogeia, Jungermannia incisa, intermedia, bicrenata, erenulata P gracilima_ etc.

Die bryologische Ausbeute auf dem eigentlichen Annaberge 1232’ stellt sich auf Null, weil der Basalt nirgends zu Tage tritt und die Ab- hänge ein baum- und fruchtloses Ackerland darstellen. Auch das ehedem romantische und botanisch interessante Kuhthal war für bryologische Zwecke unergiebig. Im Jordanthal dagegen wurden bemerkt: Fissidens incurvus, Barbula rigida et Hornschuchiana, Webera carnea und Bryum Funckiü, und ausserdem von Lebermoosen: Jungermannia acuta Lindenbg. ec. per. und Pellia calycina Taylor. c. frei.

Als besonders moosreich erwies sich der Buchenwald von Czarnosin, eine Stunde nordöstlich von Leschnitz. Hier gedeihen unter anderen: Heterocladium dimorphum, steril auf Waldboden, Trichostomum cylindricum, steril an Mauerresten, Dicranum viride Sulliv. an Buchenstämmen und Hypnum Haldani.

Unter den überaus reichlich hier vorkommenden Lebermoosen sind besonders nennenswerth Scapania rosacea Corda Z yY, Jungermannia Gen- thiana Hwuebener c. per., Jung. lanceolata, Jung. subapicalis $ nigricans, Jung. exsecta c. fret., Jung. obtusifoha etc.

Wie überall auf Kaik, so fehlen innerhalb des Excursionsgebietes, als auch in den vorgelagerten grossen Torfsimpfen zwischen Dzieschowitz und Gogolin die Sphagna gänzlich.

Vorgelegt wurde hierauf eine von Herrn Lehrer Zimmermann in Striegau eingesendete Zuckerrübe mit einem grossen knolligen Auswuchs an der Seite, und ein ausgezeichnet schönes Exemplar der Peziza aurantia vom Kirchhofe in Gräbschen durch Herrn Dr. W. G. Schneider.

Ferner kam zum Vortrag eine von dem correspondirenden Mitgliede Herrn Oberstabs- und Regiments-Arzt Dr. Schroeter, z. Z. in Rastatt, eingesendete Abhandlung:

Zusammenstellung der im Breslauer botanischen Garten beobachteten Pilze.

Die schönen Anlagen des Breslauer botanischen Gartens sind eine so anreizende, bequeme und nutzbringende Stätte für das botanische Studium geworden, wie sich an einem anderen Orte nicht wiederfindet. Uebersichtliche systematische Zusammenstellung, anmuthige Anordnung

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98 Jahres - Bericht

pflanzengeographischer Gruppen, fassliche Beschreibung, ausführliche Etiquettirung, Aufstellung belehrender Präparate bewirken es, dass ein Spaziergang durch den Garten für Jeden ein immer weiter strömender Quell zum Selbststudium wird.

Einen ganz besonderen Vorzug des Gartens bietet die Vollständigkeit, mit der alle Pflanzen-Klassen in zugänglicher Weise vertreten sind, nicht blos die phanerogamischen Bürger -unserer jetzt lebenden Pflanzenwelt, auch Farne und Lycopodien sind in selten reicher Sammlung vertreten, selbst Moosen und Flechten ist auf den Steinen der Alpenpartie eine künst- liche Wohnstätte bereitet, und die Flora der Vorwelt wird in wichtigen Repräsentanten den Besuchern vor Augen gestellt.

Wenn die grosse Klasse der Pilze nicht auch schon künstlich gehegt worden ist, so ist dies durch die Schwierigkeit, die complieirten Lebens- bedingungen dieser Organismen absichtlich zu erzeugen, leicht erklärt. Die Natur hat aber hier freigebig ausgeholfen, denn auf dem mannigfach wechselnden Terrain unseres Gartens findet sich spontan eine überaus reiche Pilzvegetation ein. Alle Hauptabtheilungen und eine grosse Zahl von Gattungen der formenreichen Klasse der Pilze finden sich vor, so dass sich Jeder schon eine gute Uebersicht über das Gebiet der Mykologie verschaffen kann, der ihre Repräsentanten auf diesem kleinen Raume kennen lernt. Für den, welcher die Entwickelungsgeschichte der Pilze studiren will, die ja noch so vieler Aufhellungen bedarf, bietet sich hier der grosse Vortheil, dass er sein Material schnell und leicht erreichen und bei hinreichender Kenntniss der Localität immer leicht wieder- finden kann.

Ich habe in Folgendem diejenigen Species zusammengestellt, welche ich während meines Aufenthaltes in Breslau in den Jahren 1867 bis 1870 hier aufgefunden habe. Es kann damit keineswegs ein vollständiges Ver- zeichniss der in dem Garten wachsenden Pilze gegeben werden, vielmehr glaube ich, dass mir viele derselben noch verborgen geblieben sind. Manche erscheinen ja in dem einen oder dem anderen Jahre gar nicht oder nur so kurze Zeit hindurch, dass sie leicht übersehen werden konn- ten, viele Sphaeriaceen mögen noch auf Baumzweigen zu finden sein, die noch viei zu wenig untersucht worden sind. Insbesondere stellen sich gewiss auch auf den Pflanzen und den Töpfen der Gewächshäuser oft bemerkenswerthe Species ein, von denen mir nur wenige zu Gesicht kamen, da sie in Rücksicht auf die eultivirten Pflanzen durch die Sorg- falt der Gärtner immer schnell entfernt wurden.

Durch weitere Beobachtung wird vielleicht eine vollständige Pilzflora dieser kleinen Speecial-Localität geschaffen, die um so mehr Interesse bieten dürfte, als sie sich jedes Jahr wieder genau revidiren lässt.

Von den hier aufgeführten Arten habe ich allerdings einige nur einmal, im nächsten Jahre dann nicht wieder gefunden, bei weitem die

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Mehrzahl, besonders die Schmarotzer auf lebenden Pflanzen und die erd- bewohnenden Pilze traten jedes Jahr an der gleichen Localität auf, so dass es leicht sein wird, sie immer wieder aufzufinden und in ihrer Ent- wickelung weiter zu beobachten.

A. Myxomycetes.

Schleimpilze finden sich besonders reich entwickelt auf den alten

Klötzen in der physiologischen Partie, auf den abgestorbenen Baum- stümpfen in dem waldigen Theile, besonders auch auf Faulhaufen und modernden Holzstücken in dem an den Kirchhof anstossenden Theile des Gartens,

I. Physarei.

. Aethalium septicum Fr. Sebr häufig an alten Baumstämmen.

Die Lohe in den Gewächshäusern wird oft davon vollständig durch- zogen. Im Winter 1869/70 war er so reichlich vorhanden, dass die gelben Plasmodien an allen Etiquetten und Pflanzen hoch hinauf krochen und Keimpflanzen, z. B. Farnkrautvorkeime, vollständig erstickten.

Lycogala epidendrum Fr. Auf verschiedenen Klötzen in der physiologischen Partie.

. Physarum nutans Pers. Auf einem Eichenklotze ebendaselbst.

Physarum metallicum Berk. Am Kirchhofzaune an altem Holz. Angyoridium sinuosum Grev. An faulenden Blättern und Zwei- gen ebenda.

Tubulina fragiformis DC. An altem Holze ebendort.

. Didymium Serpula Fr. An faulenden Blättern und Stengeln

ebenda.

Didymium cinereum Fr. Auf alten Baumstümpfen im waldigen Theile.

Diderma ochraceum Hoffm. Auf Faulhaufen an dem Kirchhofzaune.

. Craterium leucocephalum Ditm. An faulenden Stengeln und

Blättern am Kirchhofzaune.

. Cribraria vulgaris Schrad. An altem Holze ebenda. . Reticularia umbrina Fr. An Baumstümpfen in der waldigen

Partie. Il. Stemonitei.

. Stemonitis fusca Roth. . Stemonitis physaroides Alb. et Schwein. Beide in der physiolo-

gischen Partie. Ill. Trichiacei.

. Arcyria nutans Fr. An einem Klotz in der physiologischen Partie,

Trichia chrysosperma DC. An einem Baumstumpf in der wal- digen Partie.

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J ahres - Bericht

B. Phycomy cetes. IV. Chytridiacei.

Synchytrium Mercurialis Wod. Ju der Gruppe von Mercurialis perennis, welche ein kleines Beet in der Abtheilung für offieinelle Pflanzen einnimmt, ist fast jede Pflanze von dem Parasiten befallen, während an anderen Mercurialis-Pflanzen im Garten keine Spur davon vorkommt. Synchytrium punctatum Schr. Auf Gagea pratensis in grösster Menge, besonders in der Nähe der kleinen Brücke.

V. Mucorinei. Mucor Mucedo L. Auf faulenden Vegetabilien überall. Mucor fusiger Link. Auf verschiedenen Collybia-Arten, beson- ders Collybia dryophila, im waldigen Theile. Im Mai und Juni zeigt der Pilz vollständige Entwickelung von PEDOUFUOLOTAIFENER und Zygosporen. Mucor Syzygites (Ehrb.). Mit seiner Mucor-Form (Sporodinia grandis) und Zygosporen-Form (Syzygites megalocarpus) im Herbst an A. (Lepiota) procerus schmarotzend.

VI. Peronosporei.

Peronospora nivea Ung. Häufig auf Blättern von Aegopodium Podagraria, besonders in dem rechts gelegenen waldigen Theile des Gartens.

Peronospora gangliiformis Beck. Auf Blättern von Lampsana communis und Sonchus oleraceus ebendort.

Peronospora parasitica (Pers.). An Capsella bursa pastoris auf den freien Beeten.

Peronospora Arenariae Beck. An Moehringia trinervia im wal- digen Theile.

Peronospora grisea Ung. Auf Veronica hederaefolia im vorderen Theile des Gartens,

Peronospora Ficariae Tul. Auf Ficaria verna ebendort. Auf Ranunculus acer im waldigen Theile.

Peronospora arborescens Beck. An Papaver somniferum und Papaver officinale unter den offieinellen Pflanzen.

Peronospora Hyoscyami D, Bg. Auf Hyoscyamus niger. Beet für Solaneen.

Peronospora Potentillae D. Bg. Auf Potentilla aurea. Alpen- Partie.

Cystopus candidus (Pers.). Auf Capsella bursa pastoris. In ver- schiedenen Theilen des Gartens.

Cystopus Portulacae (D.C.). Auf Portulaca oleracea auf den Rabatten.

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Cystopus cubicus Str. An Tragopogon pratense in der Alpen- Partie.

6. Basidiomycetes. VII. Ustilaginei.

Ustilaygo antherarum Fr. An den Staubbeuteln von Melandrium album, wovon einige Exemplare nahe der geologischen Partie wachsen. An dieser Stelle ist der Pilz schon seit einer langen Reihe von Jahren beobachtet.

Ustilago umbrina Schr. An den Blättern von Gagea pratensis sehr häufig, auf den Beeten für Liliaceen, aber auch an anderen Stellen des Gartens.

VII. Uredinei. a. Phragmidiacei.

Uromyces Rumicum (D.C.) findet sich in allen Entwickelungs- Formen (Aecidium, Uredo, Uromyces) jedes Jahr reichlich an Rumex obtusifolius im waldigen Theile, rechts vom Wasser,

Uromyces Ficariae (D.(.). Auf Ficaria verna am Wasser, nahe der grossen Pappel. Aecidium und Uromyces, nie Uredo. Uromyces appendiculatus (Pers.). An Medicago radiata unter den Leguminosen.

Uromyces striatus Schr. An Medicago scutellata unter den Legu- minosen.

Uromyces punctatus Schr. An Astragalus ponticus, A. glyeyphyllus und A. nigricans auf den Beeten für perennirende Pflanzen. Uromyces Ornithogali Lev. Sehr häufig auf Gagea lutea am Eingange und Gagea pratensis in verschiedenen Gegenden des Gartens. Uromyces Muscari (Dub.). An Muscari tenuiflorum und M. botryoides unter den Liliaceen.

Pucecinia Compositarum Schl. Auf Lampsana communis in der Alpenpartie und in dem waldigen Theile. Das dazu gehörige Aecidium erscheint schon Anfang April. Auf Taraxacum officinale, ebenfalls Aecidium, Uredo und Puccinia, durch den ganzen waldigen Theil; Aecidium erscheint oft im October wieder.

Puccinia Discoidearum Lk. An Artemisia Dracunculus unter den offieinellen Pflanzen.

Puccinia reticulata D. Bg. An Pimpinella nigra in der Alpen-

‚Partie, Aecidium, Uredo und Puccinia.

Puecinia Rumicis Lasch. Auf Rumex Acetosa im waldigen Theile. Nur Uredo.

Puccinia Menthae Pers. Auf Mentha piperita, M. silvestris, M. rotundifolia, M. viridis, Satureja officinalis, Nepeta cyanea, Thymus sp.,

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Jahres - Bericht

unter den Labiaten und den officinellen Pflanzen. Spermogonien im April, Aecidium im Mai, Uredo bis September, Puccinia bis November.

Puccinia obtusa Schr. An Salvia verticillata unter den Labiaten. Spermogonien und Aecidien im Mai, Uredo im Juni, Puceinia im Juli.

Pucecinia Allii Rud. An verschiedenen Allium-Arten, besonders Alvum fistulosum. Aecidium im Mai, Uredo im Juni, Uromyces und Puceinia im August bis October.

Puceinia Umbelliferarum D.C. Auf Aethusa Oynapium in der Gruppe für Sumpfpflanzen und unter den offieinellen Pflanzen. Spermogonien, Uredo und Puccinia. | Puccinia rubiginosa Schr. Auf Petroselinum sativum in der Ab- theilung für offieinelle Pflanzen.

Puccinia graminis Pers. Häufig auf Triticum repens in den Ge- büschen hinter der Brücke, auf Elymus in der Abtheilung der Gräser. Das zu ihr gehörige Aecidium Berberidis kommt fast auf allen Sträuchern von Berberis vulgaris im Garten vor. An einem Strauche nahe dem Eingange des Gartens werden alljährlich nur die Frucht- knoten von dem Aecidium befallen und entwickeln sich zu abnormen grossen Beeren mit ausgebildetem Samen.

Puccinia straminis Fuckl. Aecidium auf verschiedenen Species von Anchusa unter den Boragineen.

Puccinia coronata Corda. Aecidium auf Rhamnus Frangula im waldigen Theile.

Puccinia Asari Lk. Auf Asarum europaeum in und vor der Alpen- Partie. Nur Puceinia.

Puccinia Glechomae D.C. Auf Glechoma hederacea im waldigen Theile. Nur Puccinia.

Puceinia Caryophyllearum Wallr. An Stellaria media und Moehringia trinervia im waldigen Theile, an Cerastium arvense und Saponaria cerastioides auf den Beeten für Caryophylleen. Nur Puceinia.

Phragmidium brevipes Fuckl. Auf Potentilla alba unter den Rosaceen. Im April keimten die Phragmidiensporen und bildeten auf die gewöhnliche Weise kugelige, rothe Sporidien.

Gymnosporangium conicum Hedw. Die zu ihm gerechnete Aecidium-Frucht Roestelia cornuta häufig an Blättern von Sorbus Aucuparia im waldigen Theile und auf Rabatten.

Gymnosporangium fuscum D.C. Die Aecidium-Frucht Roestelia

cancellata an Pirus Michauxii auf der linken Seite des Wassers. Gymnosporangium-Früchte sind bis jetzt noch nie im Garten

beobachtet worden, doch muss bemerkt werden, dass auf der

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63. 64.

69.

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67.

68.

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70.

Zi

12.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 103

rechten Seite des Wassers, den mit Roestelien behafteten Bäumen gegenüber, grosse Juniperus-Gruppen stehen.*)

b. Melampsorei. . Coleosporium Campanularum (Pers.). Auf Campanula rapun- culoides, namentlich aber auf Campanula latifolia im vorderen Theile des Gartens. Coleosporium Tussilaginis (Pers.). Auf Tussilago Farfara und Petasites officinalis in der Abtheilung für offieinelle Gewächse, Coleosporium Senecionis Schum. Auf Senecio vulgaris, ebendort. Melampsora salicina Lev. Auf Salix viminalis. Am alten Festungsgraben. Melampsora Euphorbiae Cast. Auf Euphorbia Helioscopia nahe der Alpenpartie. Uredo Epilobii D.C. Auf Epilobium roseum nahe der Alpenpartie. Nie mit einer Pucecinia. Uredo Circaeae Alb. et Schw. An Circaea alpina in der Alpen- Partie. Dem vorigen anscheinend ganz gleich. Auch hier nie eine Puceinia. Uredo Agrimoniae D.C. An verschiedenen Agrimonia-Arten sehr reichlich. Auch hier nie Spuren von Teleutosporen.

IX. Tremellacei.

Tremella lutescens Fr. An alten Brettern und Zweigen nahe dem Gartenzaune.

Daeryomyces stillatus Nees. Auf den Eichenklötzern in der physiologischen Partie nach jedem Regen und zu jeder Jahreszeit.

X. Hymenomycetes. a. Clavariacei.

Typhula variabilis. Häufig auf halbfaulen Blättern und Stengeln, namentlich in der Gegend des Zaunes.

Clavaria. Einfach, steif aufrecht, in allen Theilen rein weiss, 3—4 Cm. hoch. Stiel von der Keule scharf geschieden. Keule so lang wie der Stiel, etwas breiter als dieser, gleichmässig dick, am Scheitel abgerundet. Basidien mit 4 kleinen kugeligen Sporen, Häufig aus der Erde einiger Töpfe in Gewächshaus III, in denen Cibotium eultivirt wird, sprossend.

*) Diese Juniperus-Gruppe bestand aus über und über mit Gymnosporangium

conicum bedecktem Juniperus sabina, das auch das Absterben der Juniperus verur- sachte, worauf auch die Roestelia auf den benachbarten Birnbäumen verschwand.

Göppert.

104

73.

74.

75,

76.

T7,

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79.

80.

8.

82,

Jahres - Bericht

Clavaria cristata Holmik. Auf den Grasplätzen im waldigen Theile des Gartens.

b. Auriecularini.

Hypochnus calceus Pers. An alten Weidenästen im waldigen Theile. Corticium lacteum Fr. An abgefallenen Zweigen (Linden) im hinteren Theile des Gartens. Corticium incarnatum (Pers.). An Lindenstümpfen im vorderen Theile des Gartens rechts. Corticium cinereum (Pers.). An Lindenästen im hinteren Theile des Gartens. Auricularia mesenterica (Pers.) An einem alten Weidenstamme rechts vom Wasser. Stereum rugosum (Pers.). An alten Weidenstämmen im wal- digen Theile. Stereum hirsutum (Will). An alten Stämmen in der physiolo- gischen Partie und an den Holztöpfen der Gewächshäuser. Thelephora palmata Fr. Auf den Grasplätzen im waldigen Theile, rechts.

c. Hydnei.

Hydnum niveum Pers. An alten Stangen und Brettern im hin- teren Theile des Gartens, besonders nahe dem Zaune.

d. Bolyporin\.

Merulius aureus Fr. An Brettern an dem Zaune rechts vom

Eingange.

Daedalea quercina Pers. An Eichenklötzern in der physiolo- gischen Partie.

Trametes suaveolens (Fr). An Weiden im waldigen Theile.

. Polyporus Medulla panis Fr. An Klötzen in der physiologischen

Partie.

. Polyporus obliquus Fr. An alten Bäumen, an denen er zuweilen

von oben bis unten fortläuft, z. B. an einer Akazie an der Partie der offieinellen Gewächse.

..Polyporus versicolor L. Sehr häufig auf Baumstümpfen in der

bewaldeten Partie.

. Polyporus zonatus Fr. Ebendort. . Polyporus fumosus (Pers.). Ebendort. . Polyporus salicinus Fr. An Weidenstämmen im waldigen Theile.

Polyporus cinnamomeus Trog. An alten Stämmen ebenda.

. Polyporus squamosus (Huds.). An verschiedenen Bäumen, be-

sonders reichlich an den Rosskastanien nahe dem Eingange, an

94.

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102. 103.

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105.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 105

Linden (Tilia argentea), Weiden, auch an Cornus sanguinea (gegen- über dem Steinkohlenprofil).

Polyporus sulphureus. Nun schon im 3. Jahre aus dem /, Fuss unter der Oberfläche abgehauenen Stock von Salix fragilis, also Mycelium perennirend. Vollständiges Gefrieren bis zum Zerbrechen bei 10° tödtete ihn im Dezember 1871. (Goeppert.)

. Boletus piperatus Bull. Auf den Grasplätzen des waldigen

Theiles überall häufig. e. Agarieini.

Russula integra L. Auf Grasplätzen im waldigen Theile und in der Nähe der physiologischen Partie.

. Russula fragilis Pers. Auf Grasplätzen im waldigen Theile. . Russula foetens Pers. Durch den ganzen rechts vom Wasser

gelegenen Theil des Gartens häufig.

. Lactarius mitissimus Fr. In lockerem Grase des waldigen

Theiles.

Lactarius subdulcis (Pers... Zwischen Gras im hinteren Theile des Gartens.

Lactarius turpis (Weinm.). Auf freiem Boden in Gebüsch nahe dem Palmenhause.

Paxillus involutus Fr. Im hinteren waldigen Theile (im Birken- wäldchen).

Coprinus ephemerus Fr. An Baumstümpfen und Brettern im waldigen Theile, auch in den Gewächshäusern häufig.

Coprinus micaceus Fr. Auf den Grasplätzen im waldigen Theile und auf den Beeten für offiecinelle Pflanzen in grossen Haufen. Coprinus fimetarius L. Hinter dem Palmenhause.

Coprinus atramentarius Bull. Auf Grasplätzen im waldigen Theile nahe dem Palmenhause. An Eichenstümpfen in der physiolo- gischen Partie.

Coprinus comatus Fr. Auf Schutt in der Nähe der grossen Pappel. Agaricus (Coprinarius) gracilis Fr. Auf Schutt in der Nähe der Zäune, auf Faulhaufen sehr reichlich.

109, Agaricus (Psathyra) spadiceo-griseus Schaeff In grossen

110:

aa)

Haufen an einigen Weidenstämmen im waldigen Theile. Ag..(Hypholoma) fascicularis Huds. Vom Frühjahr bis in den Spätherbst in sich stets ermeuernden grossen Haufen an einigen Weidenstümpfen daselbst.

Ag. (Psalliota) aeruginosus Curt. Nach starken Regen im Juli und Spätherbst überall im Garten in grossen grünen Haufen auftretend, besonders auf Grasplätzen und Faulhaufen nahe dem Kirchhofzaune und in der Abtheilung für offhieinelle Gewächse,

106

112. 113. 114. 115.

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131.

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133.

Jahres - Bericht

Ag. (Psalliota) campestris L. Sehr häufig im Garten, auf den Beeten nahe am Eingange und in der Nähe der Zäune,

Ag. (Galera) Hypnorum Batsch. Auf allen Grasplätzen zwischen Moos.

Ag. (Naucoria) furfuraceus P. Auf den Grasplätzen links vom Wasser.

Ag. (Flammula) picreus Fr. An Baumzweigen, auf Faulhaufen, auch auf Blumenstäben und Etiquetten in den Treibhäusern.

Ag. (Hebeloma) fastibilis Fr. Im Birkenwäldchen.

Ag. (Inocybe) geophyllus Sow. Auf den Grasplätzen des wal- digen Theiles.

Ag. (Inocybe) rimosus Bull. Ebendort, mehr verbreitet.

Ag. (Inocybe) lanuginosus Bull. Ebendaselbst.

Ag. (Pholiota) aurivellus Batsch. An Weidenstämmen am Wasser.

Ag. (Pholiota) mutabilis Schaeff. An einem alten Blumenholze. Ag. (Pholiota) squarrosus Muell. An abgeschlagenem Pappel- holze, das in der Nähe des Palmenhauses lag. Auch auf Eichen- stümpfen in der physiologischen Partie.

Ag. (Pholiota) praecox Pers. Zwischen Gras im waldigen Theile. Ag. (Cortinarius) rigidus Scop. Auf den Grasplätzen.

Ag. (Chamaeotus) echinatus Rott. Dieser schöne kleine Pilz, der geschlossen einem kastanienbraunen gestielten Bovist gleicht, offen durch seine scharlachrothen Lamellen auffällt, fand sich reich- lich auf Faulhaufen am Zaune rechts.

Ag. (Nolanea) icterinus Fr. In Gebüschen im waldigen Theile. Besitzt einen angenehmen Ananas-Geruch.

Ag. (Entoloma) Rhodopolius Fr. Sehr häufig. Vom Sommer bis in den Spätherbst auf den Grasplätzen und blosser Erde.

Ag. (Pleurotus) salignus Fr. An Weidenstämmen. Im Spätherbst. Ag. (Omphalia) Fibula Bull. Zwischen Moos an der Gruppe für Sumpfpflanzen.

Ag. (Omphalia) Epichysium Pers. Auf allen Grasplätzen im waldigen Theile.

Ag. (Collybia) eirrhatus Schum. Auf Ag. fascicularis an einem alten Weidenstocke bildet sich jedes Jahr in Menge Seclerotium fun- gorum, aus dem mit Regelmässigkeit im Frühjahr der Agaricus ge- zogen wurde. Die Grösse des Pilzes richtet sich nach der Grösse des Sclerotium.

Ag. (Mycena) alcalinus Fr. Auf den Grasplätzen im waldigen Theile und auf Blumentöpfen in den Gewächshäusern.

Ag. (Mycena) galopus Schrad. Zwischen Moos im Warm- hause II.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 107

Ag. (Mycena) rubro-marginatus Fr. In den Gewächshäusern an den Pflanzenkübeln im Winter häufig.

Ag. (Mycena) galericulatus Scop. Auf Baumstümpfen in der physiologischen Partie und im waldigen Theile, vom Herbst bis in den Winter.

Ag. (Mycena) polygrammus Bull. Auf einem Baumstumpf im hinteren Theile des Gartens.

Ag. (Collybia) Rotula Fr. An Wurzeln und Zweigen an ver- schiedenen Stellen des Gartens, besonders nahe dem Eingange und in der Abtheilung für Sumpfpflanzen.

Ag. (Collybia) dryophilus Bull. Zwischen Gras im waldigen Theile.

. Ag. (Collybia) erythropus Fr. Am Grunde alter Stämme im.

waldigen Theile oft in grossen verwachsenen Gruppen,

. Ag. (Collybia) velutipes Curt. Auf alten Stämmen und Zweigen,

besonders von Weiden. Ein wahrer Winterpilz, der Ende October erscheint, im Winter am üppigsten gedeiht und im März wieder verschwindet.

. Ag. (Clitocybe) laccatus Scop. Gehört auf allen Grasplätzen

zu den häufigsten Pilzen und findet sich vom Frühjahre bis zum Herbst.

. Ag. (Tricholoma) brevipes Bull. Auf Faulhaufen am Garten-

zaune rechts. Im Spätherbst.

. Ag. (Tricholoma) conglobatus Vitiad. An der geologischen

Partie. Zu grossen Haufen verwachsen. Die Stiele erscheinen da- durch verzweigt.

. Ag. (Hygrophorus) conicus Fr. Im Warmhause III. auf Blumen-

töpfen öfter wiederkehrend.

. Ag. (Lepiota) procerus Scop. Auf Faulhaufen am Zaune rechts. . Ag. (Lepiota) cristatus Bolt. In der Abtheilung für Sumpf-

pflanzen.

. Ag. (Lepiota) Vittadinii Moretti. Im vorderen Theile des Gar-

tens nur einmal spärlich gefunden.

. Ag. (Armillaria) melleus Vahl. Im Birkenwäldchen. Im Spät- - herbst. . Ag. (Amanita) rubescens Pers. Im Grase, gegenüber etwa der

grossen Pappel, vereinzelt.

Ag. (Amanita) muscarius L. Im Birkenwäldchen, häufig. Xl. Gasteromycetes. a. Lycoperdacei.

Scleroderma Bovista Fr. Auf den Grasplätzen sowohl, als auf freier Erde im ganzen rechts vom Wasser gelegenen Theile des Gartens häufig.

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Jahres-Bericht

b. Hymenogastrei.

Hymenangium carneum Tul. Auf Töpfen in den Kalthäusern vom October bis zum Februar. Hymenogaster Klotschii Tui. Ebendaselbst und zur selben Zeit. Die beiden Pilze wachsen auf Töpfen, in welchen Akazien und Myrtaceen eultivirt werden. _ Sie sind an ihren Standorten vollstän- dig eingebürgert, denn ich fand sie daselbst jedes Jahr und immer reichlich wieder. Jedenfalls sind sie mit der Erde aus einem anderen Garten eingeführt worden.

c. Phalloidei.

Phallus impudicus L. Vereinzelt in der Nähe des Palmenhauses und im hinteren Theile des Gartens, wohin sie von dem unmittelbar an den Garten stossenden Kirchhofe eingewandert sind. Im Juli bis October.

d. Nidulariacei. Cyathus Olla Pers. Auf blosser Erde nahe am Eingange. Auch auf Töpfen in den Gewächshänsern. Cyathus striatus Hoffm. Auf der Erde, stellenweise im wal- digen Theile. Crueibulum vulgare (Hoffm.) Tul. An einer alten Holzrinne im waldigen Theile.

e. Carpobolei.

Sphaerobolus stellatus Tode. An alten Brettern und Stangen, an den Zäunen und in den Gewächshäusern, hier auch im Winter.

D. Ascomyecetes. All. Tuberacei.

Elaphomyces granulatus Nees. In Walderde im Palmenhause. Jedenfalls nur eingeschleppt.

Endogone macrocarpa Tul. Im Kalthause der Coniferen und im Warmhause III. auf Blumentöpfen. Von Hoffmann wird der Pilz als Conidienform zu Hymenogaster Klotschü gezogen. Im Garten kommen die beiden Pilze nie zusammen oder nach einander auf denselben Stellen vor.

Xlll. Erysiphacei.

Sphaerotheca pannosa Lev. Auf Rosen, auch in den Gewächs- häusern.

Microsphaera Berberidis (Lk.). An Berberis vulgaris häufig. Microsphaera Lonicerae (D.C.). An Lomiera tartarica. Der vorigen fast gleich, wenn nicht identisch mit ihr,

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 109

Erysiphe communis Schl. An vielen Kräutern, namentlich an Hypericum perforatum in dem rechts vom Wasser gelegenen Theile des Gartens.

Erysiphe graminis D. C. An Dactylis glomerata im vorderen waldigen Theile.

XIV. Discomycetes. a. Stietidei. Stietis (Propolis) versicolor Fr. Auf Eichenklötzen in der physiologischen Partie.

b. Helvellacei,

. Peziza (Mollisia) leucostigma Fr. An einer alten Holzrinne

im waldigen "Theile.

. Peziza (Mollisia) cinerea Batsch. Auf moderndem Holze an

vielen Stellen.

. Peziza (Mollisia) chrysocoma Bull. An Klötzen in der phy-

siologischen Partie und an alten Baumstümpfen im waldigen Theile.

. Peziza (Calyculus) pallescens Fr. Auf alten Baumstümpfen. . Peziza (Hymenoscyphus) cyathoidea Bull. Auf Pflanzen-

stengeln, Abtheilung für Sumpfpflanzen.

Peziza (Hymenoscyphus) coronata Bull. Ebendort.

Pezisa (Hymenoscyphus) fructigena Bull. Auf Eicheln im vorderen Theile des Gartens.

Peziza (Hymenoscyphus) sclerotiorum. Auf Sclerotium varium. In Gewächshaus Ill. auf einem Blumentöpfchen.

. Peziza (Humaria) leucoloma Reb. In der Alpen - Partie

auf Moos.

. Peziza (Geopyzis) cupularis L. In der Alpen-Partie und im

waldigen Theile auf blosser Erde.

. Peziza (Helvellopsis) verrucosa Pers. Auf einem alten

Weidenstamme im Frühjahre und Herbst.

. Peziza (Helvellopsis) badia Pers. Auf der Erde im waldigen

Theile.

Bulgaria sarcoides Fr. Im Birkenwäldchen an Stämmen. Leotia lubrica Pers. Reichlich auf einem Grasplatze im wal- digen Theile.

Helvella elastica Bull. An derselben Stelle im Spätsommer sehr verbreitet.

XV. Pyrenomycetes. a. Nectriacei.

Nectria cinnabarina Fr. Stylosporen (Tubercularia cinnabarina) vom Herbst bis zum Frühjahr an abgefallenen Zweigen sehr ver-

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200. 201. 202. 203. 204. 205. 206, 207. 208.

Jahres-Bericht.

breitet. Ausgebildete Sphärien im Frühjahre besonders auf Pappel- zweigen in der Nähe des Palmenhauses.

Nectria Pandani Tul. An abgestorbenen und noch lebenden Theilen von Pandanus odoratissimus im Frühjahre 1870, den sie leider tödtete.

Hypocrea rufa (Fr.). Die Stylosporen (Trichoderma viride) häufig auf faulendem Holze.

Hypomyces chrysospermus Tul. Stylosporen (Sepedonium aureum) auf Boletus piperatus sehr häufig.

Hypomyces aurantius Tul. Auf morschem Weidenholz. Epichloe typhina (Beck.). Auf Gräsern im waldigen Theile. Torrubia militaris (Fr.). Stylosporen (Isaria farinosa) stark ent- wickelt auf der Puppe eines Nachtschmetterlings, Januar 1870, im Moose, nahe der grossen Pappel.

Torrubia sp. Keulenförmig, ocherfarbig, Keule nicht deutlich ab- gesetzt. Mündungen der Perithacien nicht vortretend, durchstochen. Sporen fadenförmig. Auf Weidenwurzeln im waldigen Theile.

b. Sphaeriacei.

Leptosphaeria acuta (Hoffm.). Auf Nesselstengelu, Abtheilung für Sumpfpflanzen.

Leptosphaeria Doliolum (Pers.). Ebendort. ,

Pleospora herbarum (Pers.). Auf A Kräutern, be- sonders verbreitet in ihrer Stylosporen-Frucht (Dematium herbarum). Sphaerella graminis (Pers.). An Blättern von Elymus. Lasiosphaeria ovina (Pers.).. An einem alten Weidenstamme, Sphaeria pulvis pyrius Pers. Auf abgefallenen Pappelzweigen. Lophiostoma crenata (Pers.). An altem Weidenholze. Cucurbitaria Berberidis (Pers.). An Berberis vulgaris, am Ende des Teiches.

Massaria Argus Tul. An Birkenzweigen, Birkenwäldchen. Massaria Pupula Tul. An Ahornzweigen hinter dem Palmenhause.

ec. Valsacei.

Valsa ambiens (Pers.). Auf abgefallenen Zweigen.

Valsa salicina (Pers.). An Weidenzweigen.

Valsa cincta Fr. An Prunus-Zweigen,

Hercospora Tiliae Tul. An Lindenzweigen.

Cryptospora suffusa (Fr.). An Erlenzweigen.

Cryptospora Betulae Tul. An Birkenzweigen.

Melanconis chrysostroma Tul. An Zweigen von Carpinus Betulus. Melanconis lanciformis Tul. An Birkenzweigen.

Melanconis umbonata Tul. An Eichenzweigen.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 111

209. Melanconis Pandani. Stylosporen (Melanconium Pandani Lev.) an Pand. odoratissimus mit Nectria Pandanı.

d. Diatrypei. 210. Calosphaeria gregaria Lib. An Birkenzweigen. 211. Diatrypella quercina (Pers.). An Eichenzweigen. 212. Diairypella verrucaeformis (Pers.). An Erlenzweigen. 213. Diatirypella favacea (Fr.). An Birkenzweigen.

e. Xylariacei.

214. Dothidea melanops Tul. An Eichenzweigen.

215. Hypozylon serpens (Pers.). An faulendem Weidenholze.

216. Hypoxylon concentricum (Bolt.). Auf abgefallenen Zweigen in der Nähe des Palmenhauses.

2)7. Xylaria Hypozxylon (L.) An Baumstümpfen in verschiedenen Theilen des Gartens.

In vorstehendem Verzeichniss sind nur diejenigen Arten aufgeführt, deren abschliessende Fruchtformen bekannt sind und denen ein fester Platz in dem jetzt anerkannten Systeme der Mykologie angewiesen ist.

Ausserdem finden sich aber zu allen Zeiten im botanischen Garten unvollkommene Entwickelungsformen, von denen noch nicht festgestellt worden ist, in den Formenkreis welcher Pilze sie gehören.

Es sind dies Formen aus den alten Klassen der Coniomyceten und Hyphomycelen, speciell aus den Gattungen Penicillium, Aspergillus, Botrytis, Aecrostalagmus, Trichothecium, Rhinotrichum, Fusisporium, Helminthosporium, Cladosporium, Tubercularia, Fusarium, Menispora, Chaetospora, Ceratium, Torula, Epicoccum u. s. w. u. s. w. |

Ich verzichte darauf, die mannigfachen Gebilde, die in anmuthiger Formfülle vegetiren, mit ihren provisorischen Namen hier aufzuführen, ich will nur darauf aufmerksam machen, dass sich in ihnen noch weitreichendes Material für mykologische Untersuchungen findet.

Rastatt, im October 1872. Dr. Schroeter.

Wir nehmen an dieser Stelle nachstehende von Herrn Geheimrath Professor Dr. Goeppert verfasste Abhandlungen mykologischen Inhalts auf, von denen die erstere in der medieinischen Section am 23, Febr. d.J. vorgetragen, die andere in den hiesigen Zeitungen erschienen ist.

1. Ueber die Pilz-Ausstellung im Museum des botanischen Gartens.

Das Studium der Phanerogamen ist in der letzten Zeit gegen das der Kryptogamen sehr in den Hintergrund getreten. Unter ihnen widmet man den Pilzen, insbesondere den mikroskopischen vorzugsweise Beachtung, weniger den massigen oder fleischigen Arten, welche jedoch als Volksnahrungsmittel nicht geringere Aufmerksamkeit verdienen. Nur

112 Jahres-Bericht

von diesen will ich hier, und zwar lediglich nur vom praktischen Gesichts- punkte aus sprechen, um zur Verbreitung ihrer Kenntniss beizutragen. Zu gleichem Zwecke dienen die hier zuerst im botanischen Garten ver- suchten Aufstellungen von essbaren und giftigen Pilzen in Exem- plaren, Modellen und Abbildungen (an 140 verschiedene Gegen- stände), welche zu den von mir unter dem Namen des Botanischen Garten-Museums*) vereinigten Aufstellungen gehören. Den 20. Sep- tember wurden sie geschlossen.

Die Pilze wurden von jeher sehr gern gegessen; doch hat erst die neueste Zeit sie noch mehr würdigen gelehrt, inso/ern man fand, dass sie an stiekstoffhaltigen Nahrungs- oder sogenannten Protein- Stoffen alle anderen Vegetabilien übertreffen, ja der Fleischnahrung an Wirkung gleichzusetzen sind. Mehr Aufklärung wünschen wir nur noch über die Natur des giftigen, mehreren Pilzen eigenen Prineips, daher es immer noch an einem entschieden wirksamen Gegengifte mangelt. Gerbe- stoff oder Tannin und der schon von Plinius empfohlene Essig entsprechen nur unvollkommen diesem Zwecke.

Bei der Schwierigkeit, die einzelnen Pilzarten, giftige von den ess- baren, genau zu unterscheiden, hat man sich bemüht, für die schädlichen Pilze allgemeine Kennzeichen aufzufinden, die sich aber fast alle als trügerisch erweisen. Verdächtig sind im Allgemeinen Pilze von ekelhaftem, fauligem Geruche und scharfem zusammenziehendem Geschmack. Davon machen aber die höchst widrig riechenden und doch unschädlichen echten Trüffeln eine Ausnahme, desgleichen der Fliegenpilz, welcher gar nicht unangenehm schmeckt, aber dennoch zu den giftigsten unserer Gegenden gehört. Trügerisch ist auch die Farbe. Es giebt essbare und giftige Pilze von allen Farben, jedoch Pilze, die beim Einschneiden ihre weisse Farbe in Blau verändern, sind nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntniss zu vermeiden. Das Beigeben einer weissen Zwiebel beim Ab- kochen, die sich durch giftige Pilze schwarz färben soll, führt zu keinem Resultat. Wiederholentlich habe ich den Fliegenpilz und den eben so giftigen Knollenpilz Agaricus phalloides mit Zwie- beln gekocht, ohne jene angebliche Farbenveränderung zu bemerken. Sie blieben weiss wie zuvor. Dass holzige, zähe, schon in Fäulniss übergehende, ammoniakalisch riechende oder von Insekten zerfressene Pilze nicht zu benutzen sind, darf wohl kaum erst bemerkt werden. In nur irgend zweifelhaften Fällen unterlasse man lieber den Genuss und

*) Das von mir begründete botanische Museum des botanischen Gar- tens ist nun in diesem Jahre als selbstständige Sammlung unabhängig von dem im neuen Universitäts-Gebäude befindlichen botanischen Museum in die Reihe der übrigen akademischen Institute getreten. Die Gegenstände desselben befinden sich in möglichster Nähe der Mutterpflanzen. Verzeichniss erscheint nächstens.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 113

beruhige sich nicht durch das auch wohl empfohlene vorhergängige Ein- weichen in Wasser oder Abbrühen und Weggiessen der Brühe, wodurch überdies auch ein Theil der aromatischen und nährenden Stoffe verloren geht. Insofern man sich nın schon früh von der Unzulänglichkeit aller dieser und anderer, hier nicht erst zu erwähnender Merkmale überzeugte, schlug man einen anderen, wenig empfehlenswerthen Weg ein, indem man ohne Weiteres auf ganz unzulängliche Erfahrungen hin Pilze als giftig verdächtigte, welche sicher nicht in diese Kategorie gehören. Man verwickelte sich in Widersprüche, und Verfasser populärer Schriften dieser Art sahen sich dadurch veranlasst, allzu viele Arten aufzunehmen, deren Unterscheidung grossen Schwierigkeiten unterliegt. Man muss versuchen, einen gewissermassen analytischen Weg einzuschlagen und die wirklich wichtigen aus der grossen Masse der Uebrigen zu scheiden und leicht kenntlich hinzustellen. Es erscheint um so nothwendiger, als die gegenwärtige systematische Pilzkunde nur als eine provisorische anzusehen ist, die fort und fort noch grosse Veränderungen erleiden wird. Die Pilze verdienen diesen Versuch, denn sie sind so zu sagen besser als ihr Ruf. Auch nach sorgfältiger zu diesem Zwecke von mir vorgenommener Durchmusterung der diesfallsigen Literatur fand ich, dass sich fast alle constatirten Fälle von Pilzvergiftung mit tödtlichem Ausgange nur auf 3 Arten zurückführen lassen, nämlich auf den Fliegenpilz (Agaricus muscarius), den Knollenpilz Agaricus phalloides und den unter dem Namen „,Speiteufel‘“ bekannten, vielfach bunt ge- färbten Agaricus emeticus. Von den fünf Hauptordnungen der gegen- wärtigen Systematik, den Schimmelpilzen, den Brandpilzen, den Schlauchpilzen, den Hut- und Schleimpilzen, gehören nur zwei in unsere Betrachtung: nämlich die Schlauchpilze, deren Samen oder Sporen sich in Schläuchen befinden, und die Hutpilze oder die Hyme- nomycetes, deren auf eigenen Trägern befindlichen Sporen sich auf einem besonderen Theile des Pilzes, Hymenium genannt, befinden.

Nach dem Vorkommen und dem Aeusseren oder Habitus unterscheide ich nun fünf Hauptgruppen sämmtlicher Pilze: 1) trüffelartige unter- irdisehe Pilze (die wir zu den Schlauchpilzen rechnen), unterirdische mehr oder weniger fleischige, oft kartoffelartige Knollen, äusserlich warzig oder glatt, innerhalb anfänglich weisslich, dann mit weissgelblichen, grün- lichen oder sehwärzlichen Adern, geruchlos oder von durchdringendem lang anhaltendem, eigenthümlichem Geruche. Alle essbar. Hierher rechnet man die schwarze Trüffel, Trüffel von Perigord, Tuber eibarium, mit schwarzer warziger Oberfläche und schwärzlichen Adern im Innern, penetrantem Geruch, in Schlesien wie in Nord-Deutschland bis jetzt noch nicht gefunden.

Ferner die weisse Trüffel, Tuber album als ältester Name, später Hymenangium album, von kartoffelartigem Aeusseren, Farbe und Grösse,

8

=

114 Jahres-Bericht

innerhalb mit weiss-gelblichen Adern, von penetrantem, dem der schwar- zen Trüffel ähnlichem Geruch und Geschmack. In Oberschlesien (Lublinitz, Gleiwitz, Rybnik, Ratibor) sehr verbreitet, im übrigen Deutschland häu- figer im Süden als im Norden. Verdient wegen Wohlgeschmack Berück- sichtigung als Handelsartikel. Hieran schliesst sich noch ein drittes Glied der Trüffelfamilie, Hymenangium virens, die Schweinetrüffel, zuerst von den Gr. v. Albertini und Schweinitz in der Nieder Lausitz, später von den Herren Geisler, Dr. Schneider und v. Ohnesorge (Sehlanowitz) auch in Schlesien gefunden, im Aeusseren ähnlich den vorigen, mit zartem bräun- lichem Pilzgeflecht überzogen, sehr düinnschalig, innerhalb anfänglich weiss, dann schwärzlich-grünlich, geruchlos, von mildem Geschmack, essbar. Scheint ebenfalls, wie die vorige, im Süden häufiger zu sein als bei uns.

2) Bovist- oder Streuling-Arten (Lycoperdon, Bovista), rund- liche oder becherförmige, anfänglich im Frühjahr durchweg reinweisse, etwas fleischige, später aber bräunliche, an der Spitze aufspringende, innerhalb mit braunem Staub erfüllte Pilze von schwachem Geruch. Ess- bar angeblich im ersten Stadium, sicher nicht nach erfolgter Bräunung des Inneren, schädlich nach Erfahrungen von Lenz, Milde u. A. Der Kugel- pilz, Feldbovist, Seleroderma vulgare Fr., eine bei uns häufige, in diese Familie gehörende, sich durch ihre dicke, weissliche, unregelmässig warzige Schale auszeichnende Art. Fast kugelförmig, strunklos, gelblich weiss, bräunlich, ziemlich regelmässig rissig, mit dicker weisser Schale, innerhalb weisslich, dann ziemlich gleiehmässig schwarz, zuletzt pulvrig, übrigens von gewöhnlichem Pilzgeruche und Geschmacke, der auch nicht im Ent- ferntesten an Trütfel erinnert, wofür sie mehrfach gehalten und für vieles Geld missbräuchlicher- und betrügerischerweise verkauft wird, wie in Schlesien, Böhmen, Carlsbad, Berlin, Ost- und Westpreussen u. s. w. Man geniesst sie in kleineren Mengen wie die Trüffel, daher die Selten- heit von Vergiftungssymptomen. Grössere Quantitäten verursachen Schwin- del, Erbrechen und ohnmachtähnliche Schwäche bis zum Hinfallen, welche Symptome unter Anderen auch einer unserer geschätztesten Aerzte, Herr Geheime Sanitätsrath Dr. Krocker, auch nach dem Genusse einer nur aus den getrockneten Pilzen bereiteten Sauce an 4 Personen seines Hauses beobachtete, die schon nach einer halben Stunde in verschiedenen Graden von diesen Symptomen, je nach der Quantität des Genossenen, befallen wurden. Der ungewöhnlich rasche Eintritt dieser Erscheinungen, der bei gewöhnlicher Pilzvergiftung erst viel später, selbst bei Fliegenpilzen nach Verlauf von mehreren Stunden erfolgt, lässt auf grosse Intensivität des Giftes schliessen, die weiter bis zum Extrem zu erproben wir Denjenigen überlassen, die seit Jahren sich dieses Pilzes als Surrogat der Trüffel be- dienen. In Carlsbad werden ausser diesem Pilze auch noch andere Bovist-Arten, die Erbsenpilze (Polysaccum), betrügerischerweise als Trüffeln

verkauft.

N

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 115

3) Morchel-Arten. Pilze des zeitigen Frühjahrs mit fal- tigem, kegelförmigem, buchtig oder kapuzenartig gelapp- tem, meist bräunlichem, innerhalb weisslichem Hut, der auf dem niedrigen Stiele entweder angewachsen ist oder glockenförmig herab- hängt. Hierher gehören die Morchel-Arten, die sämmtlich, mit Aus- nahme einer einzigen, über welche jedoch die Acten noch nicht ge- schlossen, unschädlich und essbar sind. Auf unseren Märkten im Früh- jahr die gemeine Morchel (Morchella esculenta, ,„Pilzmorchel‘) und die „Lorchel“ (Helvella esculenta).

4) Die Keulenpilze oder Clavarieu, mit diekem, fleischigem Stamm, auf dem eine Menge ebenso fleischiger, zerbrechlicher, meist dicht gedrängt stehender, gabelig getheilter Aeste sich erheben, von weisser, grauer, röthlicher, rosenrother, gelber, selbst violetter Farbe, mindestens 50 Arten, die sämmtlich ohne Ausnahme unschädlich sind und theil- weise auch vielfach genossen werden. Auf unseren Märkten mehrere Arten, genannt Ziegenbart, Judenbart, Hirschschwamm, Bärentatze; Clavaria Botrytis, flava, formosa, grisea, muscoides. An diese schliessen wir wegen der Aehnlichkeit im Aeusseren den Korallenschwamm (Merisma coralloides) mit kurzem Hauptstamme und vielen sich weit vertheilenden zarten stachel- artigen Äesten, der gleichfalls zu unseren Marktpilzen gehört.

5) Hutpilze (Hymenomycetes), als Nahrungsmittel von grösster Be- deulung und häufigstem Gebrauch.

Die Hutpilze, einem Regenschirm nicht unähnlich, aber in vielen Abänderungen, bald mit regelmässig rundem oder auch halbirtem Hut, langem, aber auch sehr verkürztem Stiele, der auch wohl gar mit dem Hute sich vereinigt, übrigens von sehr verschiedener Consistenz, trocken, lederartig oder fleischig. Vier allerdings an Arten zum Theil überreiche Gattungen kommen hier in Betracht, deren Unterscheidung nach den hier gegebenen Kennzeichen auch dem Laien wohl nicht allzuschwer fallen dürfte:

a. Die Gattung der Löcherpilze Boletus (Polyporus), welche auf der Rückseite des Hutes kleine Röhrchen tragen, welche sich als dicht gedrängt neben einanderstehende kleine runde Löcher darstellen. Unter ihnen befinden sich keine giftigen Arten, verdächtigt werden nur diejenigen, welche beim Aufbrechen ihre weisse Farbe schnell in Blau verändern (B. luridus, erythropus u. s. w.). Einige erklären sie für giftig, Andere, wie Krombholz, für essbar, wenig verbreitet und daher leicht zu vermeiden. Zahlreiche Arten auf unseren Märkten unter beigesetzten volksthümlichen Namen: der Steinpilz (Boletus edulis), die Grau-, Braun- und Rothkappe (B. scaber), der Schälpilz (B. eircinans, B. luteus und B. lavidus), auch Butter- und Hirsepilz genannt, der Sandpilz, auch Hirse- pilz (B. variegatus), der Kosauke oder Ziegenlippe, Butterpilz (B. sub- tomentosus L.), der Kuhpilz (B. bovinus L., Bol. sapidus), der Klapper-

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schwamm (B. frondosus Schr.), der Eichhase (B. umbellatus), der Semmel- pilz (B. artemidorus, B. ovinus), der Schwefelpilz (Bol. sulphureus), wie die 3 vorigen von 15—20 Pfund Schwere, einer Seekoralle vergleichbar, vielleicht der schönste aller einheimischen Schwämme, der Riesenpilz (B. giganteus), der Leberpilz (Fistulina hepatica), der Hasenpilz (B. castaneus).

b. Die Hydnum- oder Stachelpilz-Arten. Erkennbar an den zarten Stachelspitzen, mit welchen die untere Fläche des Hutes besetzt ist, wie auch durch ihr schnelles Wachsthum, indem sie oft ganze Gruppen von Gräsern einschliessen; an 50 Arten, sehr viele trocken, zähe, die fleischigen alle essbar. Nur wenige im Gebrauch: der Rehpilz (Hydnum imbricatum), Steigerluschel (H. repandum), Igelpilz (H. erinaceum).

ec. Agarici oder Blätterpilze. Die Agarici, an 700 Arten, auf der Rückseite des Hutes mit parallel und senkrecht neben einander stehenden, meist weiss gefärbten Blättern. Hier verlässt uns freilich bei der grossen Anzahl von Arten, deren man bei abwechselnden Bodenverhältnissen in unseren Gegenden in einem Umkreise von 4 Meilen unschwer an 200 zusammenbringen kann, die bisherige Sicherheit unserer analytischen Methode. Inzwischen können wenigstens die wirklichen giftigen Arten leicht kenntlich gemacht werden, wie der Fliegenpilz (Agar. muscarius) mit meist weissen Blättern und orangefarbenem weissgeflecktem Hute; der nicht minder weit verbreitete, bald schön blau oder roth, selbst gelb oder grün gefärbte Speiteufel (Ag. emeticus), unterhalb mit ebenfalls weiss gefärbten Blättern; der viel seltenere Knollenschwamm (Ag. phalloides), Hut meist blassgelb oder grünlich, Strunk hohl, nach unten in eine Knolle endigend. Von allen anderen wollen wir durchaus nicht behaupten, dass sie sämmtlich essbar seien, sondern können nur diejenigen aufführen, welche nach längerem Gebrauch und nach kritischer Würdigung der bis- her bekannten Erfahrungen sich als völlig unschädlich erwiesen haben. Merkwürdig genug ist man auch an anderen Orten zu gleichem Re- sultat gelangt, wie sich aus dem von Reichard gelieferten Verzeichnisse der Wiener Marktpilze und der Prager von Corda und Krombholz er- giebt, welche mit dem unsrigen fast ganz übereinstimmen. Die nähere Kenntniss kann man sich leicht aus den vielen Pilzwerken beschaffen, die sie sämmtlich abgebildet haben und befasse sich aber nicht erst mit Unter- suchung der verdächtigen Arten.

Folgende, durchweg essbaren Blätterschwämme kommen auf unseren Märkten vor: Der erste im Frühjahr (April, Mai), der Maipilz (Agaricus Pomonae Lenz); ihm folgt der Champignon (Ag. campestris), leicht kennt- lich durch die erst rosaröthlichen, später chokoladenfarbigen Blätter unter dem Hut; der verwandte Wald-Champignon (Ag. camp. silvaticus); das hartstielige Dürrbein (,Derrbehndel“, Dürrling, Ag. oreades); der zarte knoblauchartig schmeckende Moucheron (Musserong, Muscherong, Masserong, Muserien der Landleute); der Knoblauchpilz (A. scorodonius); von Juni

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bis in den Herbst hinein: der Reisker (Roth- oder Blut-Reisker, Ag. deli- ciosus); der Milchreisker (Ag. Volemus); der durch seine bedeutende Höhe (bis 1 Fuss) leicht kenntliche weisslich graue Parasolschwamm (Ag. procerus) ; der Grünling oder Grünschwappe (Ag. flavo-virens Cers.); die Weisskappe oder Weissmännchen (Ag. edulis Bull.); der Drehling (Ag. ostreatus); das Kuhmaul (A. involutus).

An die Blätterpilze schliesst sich noch ein allgemein verbreiteter und benutzter Pilz, der Pfifferling, Galpilz oder Kochmändel, Galuschel, Gahl- schwamm der hiesigen Landleute (Cantharellus cibarius) an, leicht kennt- lich durch den hell orangefarbenen oder blasseren Hut und die von dem- selben nach dem Stiel herabziehenden, ebenso gefärbten Blätter.

Nach früheren, insbesondere aber seit einem Jahre mit Herrn L. Becker möglichst genau angestellten Beobachtungen unserer Verkaufsstellen kom- men also etwa 40 Arten auf dieselben, deren Kenntniss man sich auf die mehrfach angegebene Weise leicht zu erwerben vermag. Man gehe über den Gebrauch dieser Arten zunächst nicht hinaus; für alle anderen fehlen sichere Erfahrungen. In medicinisch-polizeilicher Hinsicht wäre es wohl wünschenswerth, wenn man auch in anderen Städten ähnliche Beobachtungen und Ausstellungen veranlasste.

Culturversuche mit essbaren Pilzen in Wäldern, unmittelbar an ihrem Fundorte, also in ihren natürlichen Verhältnissen, würden unzweifel- haft gelingen und so zur Vermehrung dieser wichtigen Nahrungsmittel wesentlich beitragen, ein Vorschlag, den wir den Herren Forstmännern insbesondere zur Beachtung empfehlen.

Von den auf hiesigem Markte zum Verkauf kommenden Pilzen habe ich im vorigen Jahresberichte auf Seite 148 und 149 ein Verzeichniss geliefert. 1872 kamen noch folgende hinzu: Peziza venosa Pers., Acetabulum L., Hydnum imbricatum L., Boletus eincinans Pers., luridus, Sulvidus Fr., Polyporus ovinus Schäff., confluens, Morchella esculenta, bohemica, conica Pers., Helvella esculenta et gigas Krumbh., COlavaria aurea Schäff., Hymenangium virens Kl., so dass die Zahl derselben jetzt überhaupt, inelusive, wie gesagt, der 1871 beobachteten, 38 beträgt. |

2. Ueber den Trüffelverkauf in Carlsbad.

Alljährlich werden den Badegästen von Carlsbad Pilze für Trüffeln verkauft, unter denen sich keine Spur von echten Trüffeln (Tuber cibarıum) befindet, sondern die aus einem Gemisch von verschiedenen Pilzen, vorzugs- weise aus den nach verschiedenen Richtungen hin zugeschnittenen ge- wöhnlichen Steinpilzen (Boletus edulis) bestehen. Ein solches im September vorigen Jahres für 2'/, Gulden verkauftes Gemisch von etwa 6 Loth Ge- wicht enthielt in überwiegender Menge Steinpilze nebst Aesten von an- deren, stark von Würmern zerfressenen Boletus-Arten, vielleicht von B. scaber oder luteus, dann die gewöhnliche Morchel (Morchella esculenta), ein

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kleiner nicht bestimmbarer Agaricus, Galpilze oder Pfifferlinge, Cantharellus cıbarius, Erbsenbovist, Pisolithus arenarius, Scleroderma vulgare, die beide auch allein in Carlsbad fälschlich für Trüffeln verkauft werden, und end- lich kleine Bruchstückehen von der weissen Trüffel Rhizopogon albus, deren eigenthümlicher Geruch dem der echten schwarzen Trüffel nahe kommt.

Die weisse Trüffel (Rhizopogon albus Fr., Tuber album Corda, Choeromyces maeandriformis Viltadini) ist ausser in Oberschlesien, Böhmen und Ober-Italien wenig verbreitet, zum mindesten nicht, wie in diesen Ländern, Gegenstand allgemeiner Benutzung. Wo sie aber stattfindet, wird sie sehr gerühmt, ja von Krombholz und Corda, denen Böhmen die Kenntniss seiner reichen Pilzflora verdankt, sogar der echten Trüffel wegen ihres feineren Geschmackes und entsprechenderen Verwendung zu culinarischen Zwecken vorgezogen. Corda bestätigt dies auch noch durch die Bezeichnung Tuber Magnatum, welche er einer etwas abweichenden Form derselben beilegt. Da sie nun in Oberschlesien so häufig vorkommt, verdiente sie Gegenstand des Handels zu werden, bitte aber, wenn es geschieht, sie nicht etwa als Surrogat der fran- zösischen Trüffel, der Trüffel von Perigord, sondern nur mit ihrem wahren deutschen Namen als weisse oberschlesische Trüffel dem Ver- kehr zu übergeben. Sie wird sich gewiss wegen ihrer Vorzüglich- keit bald selbst Bahn brechen und im Stande sein, in Conecurrenz mit der so unverhältnissmässig kostbaren französischen Trüffel zu treten, so wie die oft besprochene falsche Trüffel (Feldstreuling, Scleroderma vulgare) zu verdrängen, die in der That nicht blos in Schlesien, sondern auch anderswo für echte Trüffel ausgegeben und theuer bezahlt wird.

In Oberschlesien kommt die echte weisse Trüffel vor bei Pitschen im Nassadler Walde, bei Neustadt (Dr. Fraenkel), auf der ganzen süd- lichen Abdachung des Tarnowitzer Plateaus, auf den Gütern Xionel, Kamienietz, Wilkowitz, Kempcowitz, in den königl. Forsten bei Rybnik, um Ratibor. Sie wächst nach den Mittheilungen des Herrn Inspector Boehme in Nierade gruppenweise, und einzelne Exemplare erreichen selbst die Grösse eines starken Menschenkopfes. In den dortigen ge- mischten Beständen von Lanub- und Nadelholz, besonders Buchen, bilden sich im Hochsommer kleine Erderhöhungen mit vielen Rissen, unter denen man, insbesondere in regenreichen Sommern nach vorangegangenen stren- gen Wintern, von August bis October die gesuchte Trüffel findet, um- geben von vielen braunen Fäden (dem Mycelium). Ihr Geruch ist im höchsten Grade penetrant, ähnlich dem der echten Trüffel, den sie Monate lang bewahrt. Aeusserlich weisslich grau, ist sie auch im Inneren von gleicher Farbe, mit vielen den Windungen des Gehirns ähnlichen, ver- zweigten, schmutzig gelblichen Adern, in denen sich die Sporen befinden. Ob man unserer Aufforderung, sie zum Gegenstande des Handels zu machen, entsprochen hat, ist uns unbekannt,

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In der siebenten Sitzung vom 14. November demonstrirte Herr Ge- heimrath Goeppert durch Vorlegen von Wurzeln mit angefaulter Schnitt- stelle den Schaden, welchen die Gärtner durch das hergebrachte Be- schneiden der Wurzeln beim Verpflanzen von Holzgewächsen anrichten.

Herr Ober-Gärtner Stein hielt, unter Vorzeigung der gefundenen Pflanzen, folgenden Vortrag

über zwei in diesem Jahre von ihm gemachte botanische Excursionen nach der Babiagora.

Einem seit Jahren gehegten Wunsche folgend, verliess ich am 20. Mai dieses Jahres in Gesellschaft der Herren Bachmann und Firle Breslau, um dem auf der galizisch-ungarischen Grenze gelegenen Babiagoragebirge, welches Wimmer noch zur Flora Schlesiens gehörig betrachtete, einen Besuch abzustatten. Um 1 Uhr Mittags langten wir in der Endstation Dzieditz der Rechte-Oder-ÜUfer-Eisenbahn an, nachdem uns bereits von Vossowska aus der Pfingstblüthenschmuck der oberschlesischen Wälder zu beiden Seiten der Bahn begrüsst hatte. Ledum palustre, Pirola-Arten, Genista pilosa ete. standen in voller Blüthe und gewährten uns prächtige Anblicke.

Von Dzieditz benutzten wir die Zweigbahn nach Bielitz-Biala, welches wenige Tage vorher Schauplatz bedeutender Arbeiter-Unruhen gewesen war, jetzt aber, als wir um 4 Ühr eintrafen, entgegen den uns auf den letzten Stationen zu Theil gewordenen Mittheilungen, in Ruhe und Frieden Pfingsten feierte. Nur die grosse Anzahl Militär auf allen Strassen und die Posten vor allen Fabriken bis gegen Saybusch hin verriethen, dass ungewöhnliche Ereignisse stattgefunden hatten.

Von Bielitz ging es ohne Aufenthalt zu Wagen nach dem drei Meilen entfernten Saybusch, einem ziemlich regen Fabrikstädtehen an der Sola.

Die hochgelegene Bielitz-Saybuscher Chaussee läuft in einem breiten Thale, dessen rechte Wand von den Ausläufern der Teschener Berge, die linke von den Vorketten der Beskiden gebildet wird. Die Wiesen an der Chaussee waren übersäet mit blühenden Orchideen, hauptsächlich Orchis latifolia und Gymnadenia conopsea, an den Bächen blühte Rosa alpina und Daphne Mezereum in verspäteten Exemplaren.

Kurz vor Saybusch präsentirte sich uns der Babiagoragebirgsstock zum ersten Male; beleuchtet von der sinkenden Sonne, gewährte der langgedehnte Rücken mit dem 5080 Fuss hohen Gipfel einen imposanten Anblick,

Die Umgebung von Saybusch, speciell das Flussbett der Sola und die gegen Jablunkau liegenden Berge scheinen ziemlich pflanzenarm zu sein, wenigstens erblickten wir keine irgend seltene Pflanze. Durch die Vermittelung unseres liebenswürdigen Saybuscher Wirthes, Gastwirth Scutecky, dessen kleines, aber sehr gutes und sauberes Gasthaus wir allen

120 Jahres-Bericht

Touristen in dieser Gegend empfehlen erlangten wir für den nächsten Tag einen Wagen mit einem wenigstens Deutsch verstehenden, wenn auch nicht sprechenden Kutscher und brachen um 4 Uhr Morgens zur Weiter- fahrt gegen die Babiagora auf. Bis zum Dorfe Jelesnia benutzten wir die Chaussee nach der Arva, von dort ging es auf leidlichem Feldwege nach Przyborow, wo wir um 9 Uhr‘ anlangten, dabei den Angaben Wimmer’s folgend, welcher von hier aus zweimal die Babiagora besuchte. Wir hatten von Saybusch aus Empfehlungen an den erzherzoglichen Ober- förster Herrn Skokau in Przyborow erhalten, den wir zwar leider nicht antrafen, durch dessen Familie uns aber mit der liebenswürdigsten Bereit- willigkeit ein sicherer Führer besorgt wurde, der natürlich nur polnisch sprach, während uns Allen diese Sprache völlig fremd war. Die genauen Instructionen jedoch, welche er im Hause des Herrn Oberförsters erhielt, reichten völlig aus und wir sind während der ganzen Tour recht gut mit ihm ausgekommen. |

Gegen 10 Uhr verliessen wir die gastliche Oberförsterei, gefolgt von einem Tross polnischer Bauern, die uns mit grosser Beharrlichkeit Reit- pferde anpriesen und sehr erstaunt waren, dass wir durchaus zu Fuss gehen wollten. Bald hinter Przyborow steigt der Weg ziemlich steil an und das nächste nur aus wenigen Häusern bestehende Dorf Gluchazky liegt schon inmitten grosser Wiesenflächen, welche eine ganz charakteristische Bergflora zeigen.

Bei Przyborow fanden wir die ersten Büsche Euphorbia amygdaloides, Cardamine Impatiens; die Wiesen zeigten an feuchten Stellen Pinguieula, Gymadenia, Carex Oederi und zahllose Gladiolus imbricatus. Die Wiesen um Gluchazky erfreuten uns durch die ersten Büsche Senecio subalpinus, Mengen von Rumex alpinus; an den Wegrändern im Gebüsche blühte Orchis mascula und Scrophularia Scopolü. Dicht bei Gluchazky passirten wir eine grosse Holzklause (Vorrichtung zum Aufstauen des Wassers für den Holztransport); hier blühte Sagina Linnaei, Doronicum austriacum in 6 Fuss hohen Exemplaren und Lonicera Xylosteum.

Von der Holzklause führt der Weg steil aufwärts durch Nadelholz- und Buchen-Hochwald. Lathraea, Dentaria glandulosa, Anemone nemorosa, Symphytum tuberosum, Homogyne und Cardamine amara bildeten die Haupt- vegetation des Waldes, auf schattigen Rollsteinen sammelten wir Cam- pylosteium saxicolum. Eine Stunde angestrengten Steigens brachte uns endlich auf den Gipfel dieses Vorberges, der mir später als Jelesnia be- zeichnet wurde, auf den Karten war ein Name nicht zu ermitteln. Die flach gewölbte, kahle Kuppe, mit Sagina Linnaei, Meum Mutellina, Potentilla aurea und Lycopodium alpinum, bot uns eine entzückeude Aussicht auf die prachtvoll dunkelblau vor uns aufsteigenden Centralkarpathen mit ihren riesigen Hörnern und Spitzen, welche an vielen Stellen noch leuchtende Schneeflecken zeigten. Ein wunderschönes Bild, von welchem wir uns

der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 191

nur schwer trennten, aber der Führer trieb durch Zeichen zur Eile und machte uns begreiflich, dass unser Weg noch weit sei.

Die Jelesnia ist von dem nächsten Gipfel, welchen uns der Führer als Babiagora bezeichnete leider stellte es sich später heraus, dass es nur die Maly-Babiagora war durch ein schmales, aber tief einge- schnittenes Thal getrennt. Es war drei Uhr Mittags, der Tag entsetzlich heiss und wir begrüssten den schönen Gebirgsbach im Grunde mit lauter Freude. Unter einer riesigen Fichte, deren Aeste 10—15 Fuss lange Bärte von Usnea longissima in Gesellschaft kleinerer Exemplare von Usnea plicata, U. barbata, Bryopogon jubatum, Alectoria sarmentosa mit Früchten, und Evernia divaricata zierten, machten wir Halt und stärkten uns kurze Zeit. Dann ging es steil hinan an der vorgeblickten Babiagora, erst durch dichten Buchenwald voll blühender Dentaria glandulosa und bulbifera, Daphne Mezerum, Allium ursinum, Paris, Symphytum tuberosum und Luzula masıma, dann durch steilen Fichtenhochwald, dessen Stämme immer kleiner und buschiger werden. Bald verliess uns auch die Fichte und Juniperus nana in ungeheuren Massen umgab uns. An der oberen Fichtengrenze sammelten wir die ersten Soldanella alpina und blauen Crocus vernus, leider schon abgeblüht. Der Blick aus der Juniperus-Region in das unter uns liegende Wäldermeer Galiziens war herrlich, soweit das Auge reichte war Wald und wieder Wald. Bald tauchten vereinzelte Knieholzbüsche auf und verdrängten mit zunehmender Höhe immer mehr den Juniperus nana. Zwergige Exemplare von Geum montanum und Homogyne waren die hauptsächlichsten Blüthenpflanzen, hin und wieder eine einzelne Soldanella. Bei circa 3800 Fuss passirten wir eine kleine Höhle, an deren Oeffnung Valeriana Tripteris, Ribes petraeum und Salix silesiaca blühten. Gleich darauf in einer kleinen Einsattlung ein ganzes Feld blühender Soldanella alpina, mit ihren wunderschönen, zarten, kornblumblauen, gefranzten Glöckchen, und sogar ein weissblübendes Exemplar. Gegen 5 Uhr waren wir auf dem Gipfel der Maly-Babiagora und hier präsentirte sich uns mit einem Male zu unserer Ueberraschung da der Führer bisher stets die Kuppe, auf der wir standen, Babiagora genannt hatte die wirkliche Babiagora, von uns noch getrennt durch eine 800 Fuss tiefe Senkung deren nasse Sphagnenpolster zum Theil kaum zu passiren waren. Gegen 6 Uhr waren wir über diese Senkung hinaus auf dem sich bis zum eigent- lichen Gipfel noch lang hinziehenden Kamme aufwärts gestiegen, die sin- kende Sonne und die abnehmende Temperatur belehrten uns aber, dass wir keine Aussicht hatten, den Gipfel noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, das nächste Quartier lag vier Stunden weiter, die Schnee- fleeken unter dem Gipfel deuteten auf eine noch sehr spärliche Vegetation hin und so beschlossen wir deun, auf eine Besteigung zu verzichten und nach unserem beabsichtigten Nachtquartier, dem Soolbade Polhora im Arvaer Comitat Ungarns, hinabzusteigen. An einem Schneefleck wurde

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noch einen Augenblick gerastet, interessante Formen von Zycopodium alpınum und eine blühende Euphrasia Uechtritziana gesammelt und dann ging es thalwärts. Zuerst durch grosse Quellsümpfe voll Swertia, Bartsia, Aconitum, Napellus, Anemone nemorosa und Cardamine pratensis, dann durch diehtes Knieholz und endlich ohne Weg, den unser Führer, welcher auf der ungarischen Seite des Gebirges wenig bekannt zu sein schien, ver- loren hatte, steil abwärts im Halbdunkel. Wir kreuzten eine Fläche von weit über 100 Morgen voll Rumex alpinus, welcher jede andere Vegetation verdrängt hatte, und kletterten dann an einer sehr stark geneigten Wand im Hochwalde, welcher hier völliger Urwald ist, zu einem ziemlich star- ken Bache hinab, an welchem wir gegen 8 Uhr anlangten. Beim letzten Tageslichte sammelten wir noch Arabis alpina, Valeriana simplieifolia und Dentaria glandulosa, dann ging es am Bache abwärts, bald neben, bald im Wasser, bei der zunehmenden Dunkelheit ein sehr unangenehmer Weg. Nach 9 Uhr trafen wir endlich auf einen betretenen gangbaren Weg und um 10 Uhr standen wir vor dem Gasthause von Polhora, müde und erschöpft, aber hocherfreut über die reiche Ausbeute und die herrliche Gegend.

Der nächste Morgen lieferte uns am Bade noch Carex dioeca, Valeriana simplicifolia und im Walde beim Bade Corallorhiza, Cardamine trifolia, Blysmus, Limnochloe paueiflora und Myricaria germanica. Mittags ging es zu Wagen nach dem circa 10 Meilen entfernten Jablunkau, an der schlesisch-ungarischen Grenze.

Am 22. Juli brach ich zum zweiten Male nach der Babiagora auf, diesmal in Begleitung der Herren Limpricht, Schulze, Zimmermann und Fichtner von Rybnik aus. Wir nahmen unseren Weg über Kattowitz, Schoppinitz nach Dzieditz und von dort wieder nach Bielitz und Saybusch. Den nächsten Morgen ging es um 6 Uhr über Jelesnia und Korbielef direet nach dem Bade Polhora, wo wir um 1 Uhr eintrafen. Hinter Saybusch trafen wir auf ein Feld Hordeum Zeoeriton, in Korbielef fanden wir Cirsium Eriophorum, aber noch ohne Blüthen, und am Passe des Pilsko sammelten wir Gentiana ceruciata und asclepiadea, Salvia glulinosa, Senecio subalpinus, Euphorbia amygdaloides, Epipactis palustris und weiter abwärts Myricaria. Bei der Einfahrt ins Dorf Polhora öffnet sich das Thal plötz- lich und mit einem Schlage präsentirt sich dem überraschten Auge die ganze Karpathenkette, wir hatten prächtiges klares Wetter und sahen die imponirenden Spitzen so klar, als wären sie 2—3 Meilen von uns gewesen, statt über 6 Meilen.

Nachmittag wurde im Walde beim Bade botanisirt. Die Ausbeute war sehr reichlich; hervorzuheben sind: Atropa, Glyceria plicata und @. nemoralis, Veronica montana, Rumex arifolius, Luzula flavescens, Listera cordata, Chrysanthemum rotundifolium, Potamogeton pusillus var. Berchtholdi, Epipogium Gmelini und Orobanche flava in zahlreichen, üppigen Exemplaren, auf Petasites albus schmarotzend,

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 123

Im Bade wurden wir von den anwesenden Ungarn auf das Zuvor- kommendste mit Rathschlägen für die Partie auf den Gipfel bedacht. Be- sonders nahm sich der anwesende Kreisphysikus des Comitates Arva, Herr Dr. Hammerschmid aus Kubin, nebst seinem Sohne unserer Partie an und leistete uns jede mögliche Unterstützung. Da wir den Sonnen- aufgang von oben geniessen wollten, brachen wir um 1 Uhr Nachts mit zuverlässigem ungarischem Führer auf. Gegen 5 Uhr waren wir im Knie- holz auf durchaus nicht anstrengendem Wege angelangt und hatten beim Höhersteigen den vollen Genuss eines prächtigen Sonnenaufgangs. Zu unseren Füssen die Neumarkter Hochebene vom Nebel verhüllt und aus der wogenden Nebelsee die sonnenbeleuchteten Hörner der hohen Tatra hervorragend, gewährte einen unvergleichlich schönen Anblick.

Gegen 6 Uhr standen wir auf dem 5080 Fuss hohen, aus Grauwacken- sandsteingeröll gebildeten höchsten Gipfel des Babiagorazuges und ergötzten uns an der reizenden Fernsicht über Ungarn, Galizien und einen Theil Schlesien. Wimmer hat völlig Recht, wenn er sagt, dass auch für den Touristen die Babiagora eine der reizendsten Partien ist.

Das Geröll des Gipfels ist mit einer bunten und stellenweise sehr üppigen Flora bekleidet. Wir sammelten von selteneren Arten: Poa laxa, Festuca ovina vivipara, “F. nigrescens Lam., Sempervivum montanum, Sasifraga Aizoon, Sedum Fabaria und rubens, Cerastium alpinum uud longirostre, Euphrasia pieta, Veronica aphylla, Hypochoeris uniflora, Hieracium alratum, Campanula Scheuchzeri, Asplenium viride, und von Flechten: Sagedia sudetica, Leeidella aenea Duf., Alectoria Thulensis, Fr. und A. ochroleuca, Gyalecia cupularıs, Catolechia Wahlenbergü, Normandina viridis, Polyblastia Sendineri und Xenosphaeria Engeliana.

Nach 10 Uhr verliessen wir den Gipfel, sammelten beim Abstieg noch Senecio subalpinus und Scrophularia Scopolü, Cetraria fallax mit Früch- ten und waren gegen 2 Uhr wieder in Polhora.

Die nächsten Tage wurden der Durchsuchung der einzelnen Thäler an der Babiagora und des 4800 Fuss hohen Pilsko gewidmet und lieferten noch reiche Ausbeute.

Die Gesammtzahl der mitgebrachten Phanerogamen beträgi ca. 280, der Flechten ca. 150. Ueber die mitgebrachten Moose wird wohl später Freund Limpricht Bericht erstatten.

Die ganze Partie ist durch die gute Verbindung mit Breslau eine sehr bequeme und billige, in Hinsicht der botanischen Ausbeute und der präch- tigen Gegend eine ausserordentlich lohnende und ertragreiche.

Herr Prof. Dr. Körber gab einen eingehenden Bericht über sämmt- liche botanische Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft, nach der von ihm vorgenommenen vollständigen Inventarisirung. Das ausser- ordentlich Werthvolle dieser Sammlungen, namentlich des aus über 300 Packeten bestehenden Henschel’schen Herbars, wurde näher nachgewiesen.

124 Jahres-Bericht

In der achten Sitzung vom 28. November gab Herr Lehrer Lim pricht

Nachträge zu J. Milde: Bryologia Silesiaca, 1869. (Vergl. 47. und 48. Jahresbericht.) E. = Everken, F. = Fritze, H. = Hellwig, L. = Limpricht, Sch. = Schultze, St. = Stein, R. = Roth, v. Uech. = v. Uechtritz, 2. = Zimmermann.

Weisia cerispa Lindb. Grünberg in Grasgärten (H.).

W. viridula Brid. Grunauer Spitzberg (L.). Am Fusse der Babiagora (L.).

Rhabdoweisia fugax B. 8. Im Eulengebirge auf Gneiss am Steinkunzen- dorfer Wasserfalle (R.).

Dieranoweisia crispula Hedw. Ober-Weistritz bei Schweidnitz und Hohe Eule (v. Uech.), St. Peter im Riesengebirge (L.), Babiagora (St.).

Cynodontium polycarpum Schpr. Babengebirge bei Liebau, häufig (v. Uech.), Storchberg bei Görbersdorf (v. Uech.), Thonschieferklippen des Butterberges bei Tief- Hartmannsdorf (L.), Agnetendorf (L.), Koppenkegel (L.), Gipfel der Babiagora (L.).

Cynodontium virens Schpr. ist durch A. Rehmann in Wäldern der west- lichen Bieskiden bei Rycerki bekannt; wurde in Schlesien noch nicht beobachtet.

Dichodontium pellueidum Schpr. Bei den Füllenbauden im Riesengebirge ster., in Bächen an der Babiagora, c. fret. (L.).

var. serratum B. $. Feuchte Felsen am kleinen Teiche im Riesen- gebirge, ster. (L.).

Trematodon ambiguus Hornsch. Fasanerie bei D.-Wartenberg (E.).

Dicranella crispa Schpr. Hohlwege im Buchenwalde bei Skarsine (L., Sep- tember 1871).

D. Schreberi Hedw. Grüneiche bei Breslau (Treviranus in Herb. v. Uech.).

D. squarrosa Schpr. Gl. Schneeberg (v. Uech.), am Formberge und im Wölfelssrunde in der Grafschaft Glatz (Sch. und Z.), Knoblauchs- brunnen am Altvater (F.), Babiagora, am Fusse derselben und an Quellen in der oberen Waldregion, überall steril (L.).

D. cerviculata Schpr. Um Breslau, bei Hennigsdorf, Jäkel und Sorge bei Auras, am Warteberge bei Riemberg, Kathol.-Hammer, Canth, Rybnik, auf Torfboden vor Woschnik (v. Uech.).

D. varia Schpr. In Oberschlesien im Kuhthale am Annaberge und bei Czarnosin (L.).

D. rufescens Schpr. An einem Graben vor dem Trebnitzer Buchenwalde mit Webera carnea (v. Uech.).

D. subulata Schpr. Marehthal am Glatzer Schneeberge mit Leptotrichum homomallum (Seh.).

D. curvata Schpr. Auf der gr. Iser in einem Graben (Goeppert), Eulen- grund im Riesengebirge (Nees v. Esenbeck).

Dieranum falcatum Hedw. Aupafall im Riesengebirge (v. Uechtritz sen.).

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 125

D. montanum Hedw. Oberschlesien: Buchenwald bei Czarnosin und am Sakrauer Berge st. (L.), Bobernig bei Grünberg (H.), Obernig und Deutschhammer (v. Uech.), Gleiwitz ce. fret. (Kabath), Babiagora (L.). Ä

D. viride Sulliv. Im Buchenwalde von Czarnosin O/S. steril (L. 1871).

D. fulvum Hook. Auf Grauwacke im Fürstensteiner Grunde (Z.), auf dem Gipfel des Zobten und in den Gorkauer Parkanlagen auf Steinen (Sch.), auf Granitblöcken in der Sattlerschlucht bei Hirschberg (L.). Ueberall steril.

D. longifolium Hedw. Sattlerschlucht bei Hirschberg, Babiagora, an Buchen in der Waldregion c. fret. (L.).

var. subalpinum Milde. Felskuppen auf dem Kamme des Gesenkes, so Janowitzer Haide, Backofenstein ete., sehr gemein; Gipfel der Babiagora, an Felsen und auf zersetztem Gestein (L.). Nur steril.

Dicranum Sauteri B. Ss. Auf dem Wege von Althammer gegen die Lissahora (Kalmus); nördliche Seite der Babiagora, an Buchen- wurzeln in Wäldern (Rehmann).

D. elongatum Schwaegr. Gipfel der Babiagora, steril (L.)

D. fuscescens Turn. Waldregion der Babiagora (L.); Marchthal am Gl. Schneeberge (Sch. und Z.); Leiterberg im Gesenke (v. Niessl)

und in der Kriech (Kalmıs).

D. scoparium Hedw. var. orthophyllum B.S. Grünberg, Haide bei Scherten- dorf, st. (E.);

var. curvulum B. 8. Sonnige Felsplatten an den Gehängen des oberen Elbthales (L.); var. alpestre Milde. Gl. Schneeberg (Sch.); Babiagoragipfel (L.).

D. majus Turn. Um Grünberg, am Schlossberge bei Bobernig, ster. (H.); am Hochstein bei Schreiberhau (v. Flotow).

D. palustre B. 8. Steril vor Auras, hinter Gr.-Bischwitz, Hennigsdorf, Obernigk, Silsterwitzer Wiesen am Geiersberge, am Haidauer Wasser bei Brieg, Reichhennersdorf zw. Landeshut und Liebau, Boronow bei Koschentin, Sumpfwiesen am Walde Roctochoez bei Rybnik (v. Uech.); Sumpfwiesen bei Jannowitz, Knieholzregion der Babiagora (L.). |

D. spurium Hedw. Neusorge bei Rothenburg O/L. (Dr. H. Zimmermann); Wälder um Koschentin O/S. (v. Uech.); vor Lublinitz (F.)

Dieranodontium longirostre B. 8. Im Riemberger Walde steril (L.), Alt- Schönau (v. Uech. sen. 1822), Schlesierthal (v. Uech. jun.), bei Woschnik und im Paruschowitzer Forst bei Rybnik (v. Uech. jun.), Forst zwischen Sumpen und der russ. Grenze bei Koschentin O/S. (id), Saalwiesen bei Bielendorf in der Grafschaft Glatz ce. fret. (Sch.), Weisswassergrund (L.), Felsen im Sattler bei Hirschberg (L.), Waldregion der Babiagora (L.).

126 Jahres-Bericht

Campylopus flexuosus B. S. Steril, Adersbacher Sandsteinfelsen auf Wegen und auf Kies und Sand zwischen den Felsen häufig (L. 16. Juli 1872).

©. fragilis Dicks. Granitfelsen am Dorfbache in Ober-Agnetendorf im Riesengebirge, steril (L.).

Fissidens bryoides Hedw. Riesengebirge: Kalkbrüche bei den Füllenbauden (L.); in Erdhöhlen noch auf dem höchsten Gipfel derBabiagora (L.).

F. inceurvus Schwaegr. Auf Kalkboden bei Leschnitz O/S. (L.).

F. pusillus Wils. Bunzlau: Boberwehr an Steinen, Schlemmermühle, schwarzer Berg bei Sirgwitz, Teufelswehr bei Wehrau (L.), Wenig-Rack witz bei Löwenberg an Sandsteinen im Bober (Dresler); feuchte Kalkblöcke auf dem Wyssoker Berge bei Gogolin O/S. (L.); Iwanowice im Königreich Polen (F.); Kalkfelsen am Südfusse der Babiagora bei Polhora (L.).

F. taxifolius Hedw. Kalkbrüche auf dem Berbisdorfer Kapellenberge (L.), Preiskretscham (Nagel).

F. adiantoides Hedw. var. decipiens D. Not. Auf Granit in der Sattler- schlucht bei Hirschberg (L.), auf Karpathen-Sandstein an der Babiagora (L.).

Seligeria pusilla B. $S. Feuchte Kalkfelsen auf dem Sakrauer nnd dem Wyssoker Berge in Oberschlesien (L.).

S. recurvala B. 8. Auf Kalk und Karpathen-Sandstein bei Polhora am Südfusse der Babiagora (L.).

Blindia acuta B. S. Altvater (v. Uech.), am Wölfelsfalle die forma Seligeri (L.), Waldbäche an der Babiagora, die 3 Pfl. in sehr compacten und niedrigen Rasen auf dem höchsten Gipfel der Babiagora (L.).

Sphaerangium muticum Schpr. Gleiwitz (Kabath), Reichenbach: in den Fuchsgruben bei Berthelsdorf (Dr. Schumann), zwischen Obernigk und Riemberg auf Brachen am Waldsaume spärlich (v. Uech.).

Pottia cavifolia Ehrh. Um Gogolin O/S., hier auch var. epilosa (L.), Grün- berg (H.).

P. Starkii C. Müll. $ gymnostoma Lindb. Lehmboden um die Ziegelei am Wege von Lohe nach Oltaschin und bei Dürrgoy spärlich (v. Uech.).

Pottia intermedia Turn. (P. truncata var. major Br. cur., P. lanceolata var. intermedia Milde). Augustberg bei Grünberg (H.), Zobten (L.), Hirschberg (v. Flotow).

Trichostomum latifolium Schwaegr. Babiagora in der Knieholzregion (L.).

T. eylindrieum C. Müll. Ueberrieselte Felsen im Münzebach bei Jannowitz, ster. (L.), am Grunde der Felsen in der Sattlerschlucht bei Hirsch- berg (L.), an einem alten Gemäuer im Buchenwalde vun Czar- nosin O/8. (L.).

T, rubellum Rabenh. St. Peter im Riesengebirge (L.), Berbisdorfer Kapellen- berg (L.), auf Muschelkalk bei Czarnosin 0/8, auf Kalk bei Polhora am Südfusse der Babiagora (L.).

der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 127

T. rupestre Milde. Felsen am Dorfbache in Ober-Agnetendorf, ster. (L.). T. caleareum Lindb. Steril in Kalkklüften des Kitzelberges bei Kauffung (L.), wird in der Bryologia Silesiaca irrthümlich als T. rupestre aufgeführt. Barbula rigida Schultz. Berbisdorfer Kapellenberg (L.), bei Leschnitz O/S. (L.). B. convoluta Hedw. Muschelkalk um Leschnitz und Czarnosin in Ober- schlesien (L.), im Sattler bei Hirschberg (L.), Brückengemäuer am rothen Berge im Gesenke (F.). . Hornschuchiana Schultz. Muschelkalk bei Gogolin O/S. e. fret. (L.). vinealis Brid. Auf Sandboden um Sagan und Grünberg verbreitet (E.). . rigidula Milde. Rybnik an Brückenmauern (F.), Grünberg auf Kalk- putz am Augustberg (H.), sehr häufig an Kalkfelsen um Tief- Hartmannsdorf bei Schönau, z. B. „in den Buchen“, am Kapellen- berge und am Butterberge (L.), Kalkfelsen an der Mühle von Klein-Aupa (Nees v. Esenbeck), Brückenmauern der Rossbahn im Kuhthale am Annaberge O/S. (L.).

. [allax Hedw. In Oberschlesien bei Gogolin und im Kuhthale am Anna- berge (L.), am Südfusse der Babiagora (L.).

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ee)

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. recurvifolia Schpr. In sehr grosser Menge in einem Kalkbruche auf dem Berbisdorfer Kapellenberge, weniger zahlreich am Butter- berge, auf Raupachs Berge und ‚in den Buchen‘ bei Tief-Hart- mannsdorf; Ober-Mühlberg bei Kauffung; Dorfmauern in Merkels- dorf bei Friedland, an sumpfigen Stellen bei der Kapelle am Wege von Merkelsdorf nach Adersbach auf anstehendem Pläner- kalk; in den Kalkbrüchen von Trautliebersdorf bei Friedland, doch überall nur steril (L.); steril auch in den Bieskiden auf Kalk bei der Holzklause unterm Pilsko auf der Passhöhe von Kamiena (L.).

B. inclinata Schwaegr. Steril in grosser Menge in einem Kalkbruche auf

dem Berbisdorfer Kapellenberge (L.).

B. tortuosa W. et M. Urkalk bei den Füllenbauden im Riesengebirge (L.), sehr häufig auf Kalk um Tief-Hartmannsdorf und Berbisdorf bei Hirschberg, (L.), Sakrauer Berg in Oberschlesien (L.), Babiagora, am Fusse wie auf dem höchsten Gipfel, doch meist steril (L.).

B. latifolia B. S. Poln.-Nettkow bei Grünberg (H.).

B. pulvinata Jur. Heidewilxen bei Trebnitz auf Schindeldächern (L.), Bielitz-Biala an Pappeln, steril (L.).

B. ruralis Hedw. 8 rupestris. Kalkfelsen des Sakrauer Berges bei Gogolin O/S. (L.).

Campylostelium saxicola B. 8. Babiagora am N.-Fusse über Gluchazki auf

Karpathen-Sandstein (St.).

128 Jahres-Bericht

Leptotrichum tortile Hampe. Hohlwege im Sattler bei Hirschberg (L.), Hohlwege am Bärloch im Eulengebirge (R.);

var. pusillum. Grünberg (H.), Grenzbauden (Nees).

L. homomallum Schpr. Hohlwege im Buchenwalde bei Skarsine (L.), Mönchswald bei Jauer (Z), Rummelsberg bei Strehlen (L.), Annaberg und Czarnosin in Oberschlesien, Babiagora (L.)

L. flexicaule Schpr. Häufig in den Kalkbrüchen auf dem Berbisdorfer Kapellenberge (L.), Myslowitz, Gonsiorberg bei Jast (v. Uech.), Gipfel der Babiagora (L.), überall steril.

L. pallidum Hampe. Rummelsberg bei Strehlen (L.), Obernigk (v. Uech.), Proskau (St.).

Distichium capillaceum B. 8. (Quarklöcher am Gl. Schneeberge (Sch. u. Z.), Wölfelsgrund, Grunewalder Thal bei Reinerz (v. Uech.), Kiesberg im Riesengebirge (v. Uech.), Babiagora (L.), meist auch fruchtend.

Grimmia anodon B. S. In wenigen, aber fruchtenden Räschen an Urkalk- felsen des Kapellenberges bei Hirschberg von mir am 19. Mai 1872 entdeckt.

Grimmia orbicularis B. et Schpr. Wurde gleichzeitig mit der vorher- gehenden Art in wenigen Polstern, jedoch zum Theil mit noch bedeckelten und behaubten Früchten gesammelt,

. contorta Schpr. Gipfel der Babiagora, st. (L.).

. Junalis Schpr. Gipfel der Babiagora, st. (L.).

. Hartmanii Schpr. Felsen im Weistritzthale (v. Uech.), Babiagora (St.).

. elatior B. $S. Felsmasse des Petersteines im Gesenke, nur 2 Ex. Von mir am 22. Juli 1870 entdeckt.

G. ovata W. et M. Felsen am Marmorbruch bei Seitenberg in der Graf- schaft Glatz (Sch.), Thonschieferklippen auf dem Butterberge bei Tiefhartmannsdorf (L.), Rabenfelsen bei Liebau und Felsen bei Schmitzdorf unweit I'riedland (v. Uech.), Landeck (Kabath).

G. Tergestina Tomm. Sonnige Muschelkalkfelsen des Sakrauer Berges und des Nieder-Ellguther Steinberges bei Gogolin. Steril und mit Q2 Bl. Von mir am 3. Ostertage 1871 für Schlesien entdeckt,

G. commutata Huebener. Bolzenschloss bei Jannowitz (Sch.). i

Racomitrium patens Schpr. Gipfel der Babiagora, ce. fret. (L.).

R. protensum A. Br. Eulengebirge: am Bärloch auf Gneiss, ce. fret. (R.).

R. acieulare Brid. Agnetendorf (v. Uech. sen.), unter dem Kamme der Hohen Eule (R.), Babiagora (L.).

R. mierocarpum Hedw. Auf der Babiagora mit R. sudeticum, R. lanuginosum, R. ericoides, Hedwigia_ etc.

Amphoridium Mougeotii Schpr. St. Peter im Riesengebirge (L.), desgl. am Hainwasser (Milde), Nieder-Waltersdorf (Milde), Zobten (L.), Sattlerschlucht bei Hirschberg, häufig in den Adersbacher Sand- steinfelsen (L.). Steril.

DErE>EN

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 129

Ulota Ludwigii Brid. Eulengebirge an Erlen im Kohlgrunde (R.), Wald- region der Babiagora (L.).

U. Bruchii Hornsch. Buchenwald bei $t. Peter im Riesengebirge (L-) Grünberg am rothen Wasser (H.), Babiagora (L.).

U. crispa Brid. In Oberschlesien bei Czarnosin (L.), Paruschowitzer Forst bei Rybnik (F.), Adersbach und Landeck (v. Uech.), Babiagora (L.).

U. crispula Bruch. Waldregion der Babiagora (L.).

Orthotrichum cupulatum Hoffm. Kalkfelsen des Berbisdorfer Kapellenberges (L.) und des Sakrauer Berges bei Gogolin (L.).

O. anomalum Hedw. Sakrauer Berg auf Kalk (L.), Kynsburg, Weistritz- thal, Storchberg bei Friedland (v. Uech.), Berbisdorfer Kapellen- berg, Butterberg bei Tief-Hartmannsdorf (L.), Dominialmauern zu Deutsch-Kessel bei Grünberg (E.).

O. fastigiatum Bruch. Warmbrunn, Stohnsdorf (llgner), Jägerndorf (Spatzier).

O. rupestre Schleich. Petersdorf bei Warmbrunn (Milde), Schlesierthal bei Kynau (v. Uech.).

O. stramineum Hornsch. Buchenwald bei St. Peter im Riesengebirge, Wald- region der Babiagora (L.).

O. diaphanum Schrad. Grünberg (H.), Schlawa (L.).

Coscinodon pulvinatus Spreng. Massenhaft im Weistritzthale bei Ober- Weistritz und zwischen Hausdorf und Kynau neben der Chaussee an felsigen Abhängen (v. Uech.).

Encalypta vulgaris Hedw. Fehlt um Sagan nach Everken! Muschelkalk am Annaberge O/S. (L.).

E. ciliata Hoffm. Bei St. Peter im Riesengebirge (L.), Berbisdorfer Kapellenberg (L.), Basalt der Kl. Schneegrube (St.), Gl. Schnee- berg (Nitschke), Kreuzberg bei Striegau (Z.), Felsen um Neugericht bei Wüstewaltersdorf und hier und da um Friedland (v. Uech.), Czarnosin bei Leschnitz O/S.

E, streptocarpa Hedw. Auf Kalk bei den Füllenbauden im Riesengebirge (L.), Berbisdorfer Kapellenberg und Butterberg bei Tiefhartmanns- dorf (L.), in Oberschlesien häufig, doch steril am Annaberge, am Wyssoker Berge, am Nieder-Ellguther Steinberge und im Buchen- walde von Czarnosin.

Taylorıa serrata Br. et Schpr. Obere Waldregion der Babiagora c. fret. (Sch. 24. Juli 1872).

Tetraplodon angusiatus L. Wurde Ostern 1872 auf Felsblöcken unter dem Gipfel des Zobten im prachtvollen und fruchtenden Rasen von H. Schultze wieder aufgefunden. Zwischen Steingeröll auf dem Gipfel der Babiagora (L. 24. Juli 1872).

Splachnum ampullaceum L. Sehr häufig in den Sümpfen um die faule Obra an der Westseite des Schlawa-Sees (E.).

Ephemerum serratum Hampe. Erlbusch bei Grünberg (H.).

130 Jahres-Bericht

Physomitrella patens Schpr. Breslau hinter der Ufergasse und vor dem zoologischen Garten, sparsam an der Oder vor Morgenau (v. Uech.).

Physcomitrium sphaericum Brid. Breslau, häufig am Oderufer vor dem zoologischen Garten und hinter der Ufergasse mit vorigem, selten am Oderufer vor Morgenau (v. Uech.).

Ph. pyriforme Brid. Czarnosin O/S. (L.), auf Erde vor dem Adersbacher Traiteurhause 1500 Fuss hoch (v. Uech.), auch um Lomnitz bei Hirschberg (Ilgner).

Funaria fascicularis Schpr. Um Breslau häufig bei Dürrgoy, zwischen Kleinburg und Hartlieb, zwischen Bettlern und Grünhübel, spär- lich bei Woischwitz und Oswitz; Krieblowitz bei Kanth; am Glaucher Walde bei Skarsine, überall auf Kleebrachen, gern auf Thonboden (v. Uech.).

Webera polymorpha H. et H. Gipfel der Babiagora (L.).

W. elongata Schwaegr. Hohlwege im Buchenwalde von Skarsine und von Czarnosin O/S., Neugericht bei Wüstewaltersdorf (v. Uech.), Landeck (Kabath).

W. nutans Hedw. var. strangulata Br. eur. Rohrbusch bei Grünberg (E.); var. sphagnetorum Schpr. In Rasen von Leucobryum auf Torf- wiesen hinter Hennigsdorf bei Breslau (v. Uech.).

W. ceruda Schpr. St. Peter im Riesengeb. (L.), Gipfel der Babiagora (L.), Obernigk und Skarsine im Katzengebirge (L.), Buchenwald von Czarnosin O/S. (L.).

W. annotina Schwaegr. In einem Ausstiche hinter der Schäferei bei D.-Lissa (v. Uech.), Grünberg: Sumpf bei der halben Meile-Mühle (E.), Hohlwege am Rummelsberge bei Strehlen (L.).

Webera Breidleri Jur. in Verhdl. d. zool.-bot. Ges. Wien 1870 p. 167, Begleitet in ausgedehnten, schwellenden, doch meist sterilen Polstern im Riesengebirge die Ufer des Weisswassers unterhalb der Wiesenbaude 1369 Met. h. Von hier hat schon Sendtner Exemplare mit unreifen Früchten als W. Ludwigii und W. Wahlen- bergü vertheilt. In Gesellschaft wachsen Webera Ludwigü, W. cucullata, W. albicans var., Philonotis fontana, Dieranum falcatum, Oligotrichum Hercynicum_ete.

Bryum pendulum Schpr. Lohebrücke zwischen Opperau und Gräbschen bei Breslau (v. Uech.).

B. intermedium Brid. Bei Breslau um die Ziegelei zwischen Krittern und Öltaschin, bei Karlowitz in Ausstichen um die Schanzen (v. Uech.).

B. bimum Schreb. An der Eisenbahn hinter Gräbschen bei Breslau (Müncke), Gleiwitz (Kabath).

B. erythrocarpum Schwgr. Lippen bei Freistadt (H.), Sumpf bei der halben Meile-Mühle bei Grünberg (E.).

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 131

B. alpinum L. Gipfel der Babiagora ce. fret. (L.), im Elbethale oberhalb St. Peter c. fret. (L.).

B. Funckü Schwgr. In Oberschlesien auf Muschelkalk bei Gogolin und Leschnitz (L.).

B. argenteum L. var. lanatum Br. eur. Kalkfelsen des Sakrauer Berges bei Gogolin O/®. (L.).

B. capillare Dillen var. cochlearifolum B. S. Im Kiese des unteren W eiss- wassers im Riesengebirge (L.).

B. pallens Sw. Carlowitz bei Breslau in Ausstichen vor den Schanzen (v. Uech.), Rybnik: Ausstiche zwischen der Leszeziner Strasse und Paruschowitz (F.), Schlingelbaude im Riesengebirge (Sendtner 1838).

B. Dwvalü Voit. Altes Bergwerk im Riesengrunde (F.).

B. turbinatum Schwaegr. Gypsgruben bei Katscher (v. Uech.);

ß latifolium B. 8. Quellsumpf beim Kalkofen in der Nähe der Krause- mühle bei St. Peter im Riesengebirge (L. und E.).

B. roseum Schreb. Breslau: Oswitzer Wald, steril; fruchtend sehr schön im Forst westlich von Obernigk mit Mnium affıne; Buchenwald hinter Kath.-Hammer, steril; Storchberg bei Friedland, steril; bei Altwasser c, fret.; Albendorf bei Schömberg, fruchtend; Neugericht bei Wüstewaltersdorf, steril; Wald vor Rostochoez bei Rybnik (v. Uech.). An den Kalkpartien des Sakrauer Berges bei Gogolin, st. (L.).

Mnium rostratum Schrad. Dyhernfurth (Prof. Nitschke).

M. medium B. $8. Riesengebirge: am Silberwasser unterhalb der Scharf- baude c. fret. (L.).

M. affine Schwaegr. var. elatum Lindbg. Fruchtend im Forst zwischen Obernigk und Riemberg und im Popellauer Forst zwischen Rybnik und Loslau (v. Uech.);

forma tomentosissima Everken. Im Petersdorfer Sumpfe bei Sagan (E.).

M. serratum Brid. Berbisdorfer Kapellenberg auf Kalk, desgl. auf dem Butterberge bei Tiefhartmannsdorf und im Buchenwalde von Czarnosin O/S. (L.).

M. spinulosum Br. et Schpr. Im Walde hinter Tannenberg im Eulen- gebirge mit M. spinosum (R.).

M. spinosum Schwgr. Steril im Sattler bei Hirschberg (L.), verbreitet im Eulengebirge (R.).

. hornum L. Breslau: Hennigsdorf; in den Sitten bei Obernigk sehr häufig; hinter Deutsch-Hammer an der Strasse nach Militsch;; nasser Wald am Stollenwasser bei Sumpen unweit Koschentin O/S. (v. Uech.); Buchenwald von Czarnosin O/8.; Preiskretscham (Nagel); Babiagora (L.).

9%*

132 Jahres-Bericht

M. stellare Hedw. Berbisdorfer Kapellenberg auf Kalk; Oberschlesien: Kuhthal am Annaberge, Wyssoker Berg und Buchenwald von Czarnosin; an der Babiagora auch an alten Buchenschäften (L.).

Paludella squarrosa Ehrh. Sumpfwiesen bei Jannowitz in der Nähe des Bahnhofes, steril (L.).

Bartramia ithyphylia Brid. Kalkfelsen in Ober-Berbisdorf bei Hirschberg (L.), Rabengebirge bei Liebau (v. Uech.), Buchenwald bei Czar- nosin O/S. (L.), Gipfel des Altvaters (v. Uech.), Gipfel der Babiagora (L.).

Bartramia pomiformis Hedw. var. erispa B.S. St. Peter im Riesengebirge, im Sattler bei Hirschberg, seltener in den Adersbacher Sandstein- felsen (L.).

B. Halleri Hedw. Reinerz (Milde), Adersbacher Sandsteinfelsen, selten (L.).

Philonotis marchica Brid. Kathol.-Hammer, steril (v. Uech.), Bunzlau, auf feuchtem Haidelande am Diorithügel S Ex. (L.).

Georgia Brownü (Dicks) C. Müll. var. repanda (Funck) Lindb. Im Riesen- gebirge am Seifenbach am Wege von Krummhübel nach der Hampelbaude (E.), am kleinen Teiche (Apotheker Krause), in Klüften des Karpathensandsteins auf dem Gipfel der Babiagora (L.). Tetrodontium Brownianianum Schwaegr. (G. Brownü C. Müll. var. frondifera Lindbg.) wächst nicht in den Sudeten!

Atrichum undulatum Pal. Beauv. Wächst steril noch am Brettmühlfloss im oberen Elbthale bei über 3000 Fuss (L.).

A. angustatum Br. et Schpr. Hasenau bei Breslau (v. Uech.), Trachenberg, selten, mit A. tenellum (id.).

A. tenellum B. S. Rudamühle bei Rybnik (v. Uech.), Sumpfwiesen bei Reichhennersdorf bei Landeshut (id.).

Oligotrichum Hereynicum Lam. Riesengebirge: am kleinen Teiche (F.), Aupafall (v. Uech. sen.), Kiesberg (v. Uech. jun.), Gipfel der Babiagora (L.).

Pogonatum aloides Pal. Beauv. Waldregion der Babiagora (L.).

P. urnigerum Schpr. Noch auf dem Gipfel der Babiagora (L.).

P. alpinum Röhl. St. Peter im Riesengebirge (L.), Formberg bei Bielen- dorf in der Grafschaft Glatz (Sch. und Z.), Flaserkoppe im Eulengebirge bei 3000 Fuss (R.).

Polytrichum gracile Dicks. Torfwiesen hinter Hennigsdorf bei Breslau (v. Uech.), in den Liszwartamooren zwischen Boronow und Niederhof bei Koschentin O/8. (id.).

P. formosum Hedw. Breslau: hohes, schattiges Weistritzufer zwischen Lissa und Rathen, sparsam; Trebnitzer Buchenwald; Kynsburg; Haidauer Wald bei Brieg (v. Uech.); Rummelsberg (L.); Babiagora in der Waldregion (L.).

der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur, 133

P. strietum Banks. Breslau: Torfwiesen bei Hennigsdorf und Jäkel bei Obernigk in Menge; Torfmoore unter den Zwergstuben bei Fried- land mit Eriophorum alpinum bei 1700 Fuss (v. Uech.).

Diphyscium foliosum Mohr. Obernigk und Riemberger Wald; in Ober- Schlesien am Sakrauer Berge und im Buchenwalde von Czar- nosin (L.).

Buxbaumia aphylla L. Waldenburg i. Schl. (v. Uech.), in Oberschlesien im Buchenwalde von Czarnosin (L.) und im Walde vor Rudno bei Ujest (Kabath).

B. indusiata Brid. Babiagora am N.-Fusse (St.) und am $.-Fusse (Sch.).

Andreaea petrophila Ehrh. Felsen im Schlesierthal (v. Uech.), auf Gneiss beim Steinkunzendorfer Wasserfalle im Eulengebirge (R.), Babiagora (L.).

Leskea nervosa Mgr. Bei St. Peter im Riesengebirge auf Urkalk, steril; Tiefhartmannsdorf bei Schönau an Buchen und auf Kalk (L.); Rummelsberg (L.); Saalwiesen bei Landeck (Sch. und Z.); Ober- Schlesien: an Buchen bei Czarnosin und auf dem Annaberge (L.); Babiagora an Buchen (L.). Meist steril.

%

Anomodon longifolius Hartm. Sonnenkoppe im Eulengebirge (R.); Ober- Schlesien: Kalkfelsen auf dem Wyssoker Berge; hier auch var. pumila Milde (L.). Steril.

A. attenuatus Hartm. Mit Früchten bei Breslau am Josephinenberge bei Pirscham (Bachmann), am Wyssoker Berge in Oberschlesien auf Kalk, steril (L.).

A, viticulosus Br. et Schpr. Sehr häufig, doch steril an den Kalkfelsen Ober- und Niederschlesiens (L.).

A. apiculatus B. 8. Kalkblöcke bei St. Peter im Riesengebirge (L.), Babiagora, an Buchen (Sch.). Steril.

Pseudoleskea atrovirens Br. et Schpr. Buchenwald bei St. Peter (L.) und am Gemäuer der Grenzbauden im Riesengebirge (Sch.), Babiagora in der Knieholzregion (L.).

P. catenulata Br. et Schpr. Steril auf Muschelkalk des Sakrauer Berges bei Gogolin O/8. (L.).

Thuidium decipiens de Not. in Epilogo della Briologia Italiana p. 233 (Hypnum rigidulum Ferg.). Im Riesengebirge am kleinen Teiche an quelligen Stellen mit Granit-Unterlage, 1150 Meter, steril, an ähnlichen Localitäten im oberen Melzergrunde und am Südost- gehänge der Kesselkoppe (L.); Adersbacher Felsen in der sumpfigen Bornkressenschlucht, 477 Meter (L.). Im Gesenke reichlich fruchtend am Mohrafalle im Kessel bei 1350 Met. Höhe (L. am 22. Juli 1870), steril in Quellsümpfen zwischen der Schäferei und dem Peterstein und beim Knobliehbrunnen am

EM Jahres-Bericht

Altvater, 1325 Meter (L.). Am Südgehänge der Babiagora, ca. 470 Meter unter dem Gipfel (Sch.).

Heterocladium dimorphum B. 8. Steril auf Erde im Buchenwalde von Czarnosin bei Leschnitz O/S. (L. 3. October 1872).

H. heteropterum B. $. Auf Granit in der $Sattlerschlucht bei Hirschberg; im Riesengebirge an Felsen im Buchenwalde von $t. Peter und auf Urkalk unterhalb der Füllenbauden (L.); Babiagora ($t.). Nur steril.

Pterigynandrum Filiforme Hedw. Freudenberg bei Tiefhartmannsdorf (L.). In Oberschlesien an Buchen bei Czarnosin und auf Kalk am Wyssoker Berge (L.). Babiagora (L.).

Fontinalis sgquamosa Dillen. Hermsdorfer Bach bei Agnetendorf im Riesen- gebirge (v. Uech. sen.), Münzebach bei Jannowitz (Sch.). Neckera pennata Hedw. Friedland: Lindenberge bei Göhlenau (v. Uech.); Oberschlesien: Buchenwald von Czarnosin (L.); Koschentin an Buchenstämmen in der Osiezina bei Dembowagora an der russ.

Grenze (v. Uech.).

N. crispa Hedw. Kalkfelsen in Berbisdorf bei Hirschberg (L.), Kalkfelsen der Lindenberge bei Friedland, um Ustron nicht selten (v. Uech.).

N. complanata Br. et Schpr. Hohenbohrau bei Freistadt (H.), häufig an Kalkfelsen bei Berbisdorf und Tiefhartmannsdorf in Nieder- Schlesien (L.), Lindenberge bei Göhlenau bei Friedland (v. Uech.), Buchenwald bei Kath.-Hammer (Sch.), in Oberschlesien um Klein- Althammer bei Jakobswalde (v. Uech.) und am Wyssoker Berge bei Gogolin (L.), Babiagora an Buchen (L.). Nur steril.

Homalia trichomanoides Br. et Schpr. Schlossberg bei Bobernig bei Grün- berg (H.), Freudenberg bei Tief-Hartmannsdorf (L.), in Ober- Schlesien im Buchenwalde von Czarnosin (L.) und um Klein- Althammer bei Jakobswalde (v. Uech.).

Antitrichia curtipendula Brid. Schön fruchtend am NW.-Fusse des Geiers- berges, steril auf den Elsenbergen bei Silsterwitz, auch auf den anderen Serpentinbergen häufig; auf Melaphyr im Waldenburger Gebirge, Rabengebirge bei Liebau (v. Uech.); Babiagora, steril an Buchen (L.).

Lescuraea striata Br. et Schpr. Saalwiesen bei Landeck (Sch. u. Z.), in den höheren Gebirgswäldern um Friedland, selten (v. Uech.), Babiagora, auf Sorbus in der oberen Waldregion (L.).

L. saxicola Milde. Häufig, doch steril an Karpathen-Sandstein auf dem Gipfel der Babiagora (L.).

Platygyrium repens B. $. Schindeldächer am Augustberg in Grünberg, steril (H.).

Orthothecium intricatum Br. et Apr. Kitzelberg, zwischen Plagiochila inter- rupta (v. Flotow, 1. Novbr. 1833); im Riesengebirge an mehreren

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 135

Stellen um St. Peter auf Kalk und Glimmerschiefer, steril; am Basalt der kleinen Schneegrube, steril (L.); Babiagora: ce. fret. auf Kalk bei Polhora, steril auf dem Gipfel (L.).

Homalothecium Philippeanum Schpr. Butterberg bei Tiefhartmannsdorf auf Kalk e. fret. (L.), mit Campothecium lutescens am Sakrauer Berge bei Gogolin 0/8. an Muschelkalkfelsen (v, Uech. 1863).

Isothecium myurum Brid. In Berbisdorf bei Hirschberg an Kalkfelsen (L.), Clarenkranst bei Breslau (v. Uech.), in den Forsten an der russ. Grenze um Sumpen und Dembowagora, namentlich an Fagus häufig; Klein-Althammer im Forstrevier Czepiele mit Neckera- Arten. An Buchenstämmen beim Nesigroder Jagdschlosse zwischen Trachenberg und Sulau, von sehr abweichender Tracht, an I. myosuroides erinnernd (v. Uech.). An Kalkfelsen des Wyssoker Berges bei Gogolin und im Buchenwalde von Czarnosin O/S., hier nur steril (L.).

I. myosuroides Brid. Sattlerschlucht bei Hirschberg, steril auf Granit; Gabbrofelsen auf dem Zobten (L.). Steril.

Eurhynchium strigosum Schpr. Obernigk bei Breslau, Buchenwald von Czarnosin O/S., steril noch auf dem höchsten Gipfel der Ba- biagora (I..);

var. imbricatum B. 8. Hohlwege bei Leschnitz O/8. (L.).

E. striatulum Br. et Schpr.* In Oberschlesien auf Muschelkalk des Sakrauer Berges 266 Met. h. und des Wyssoker Berges bei Gogolin, steril; in Niederschlesien an Urkalkfelsen beim „‚Matzaloch“ auf dem Butterberge bei Tief-Hartmannsdorf, ca. 600 Met., am 20. Mai 1872 mit 2 BI.-(L.).

E. Vaucheri Br. et Schpr. Kalkfelsen des Wyssoker Berges am Anna- berge in O/S. häufig, doch spärlich mit jungen Früchten (L., 2. Octbr. 1872); auf Urkalk des Butterberges bei Tief-Hartmanns- dorf (L.). Steril.

E. pihferum Br. et Schpr. Breslau: selten im Park bei Lissa (v. Uech.); um Friedland ziemlich häufig in den Trautliebersdorfer Kalk- brüchen und am Storchberge bei Langwaltersdorf (v. Uech.); Grünberg im Eichenforst bei Schwarmitz (E.); Buchenwald von Czarnosin O/8. mit © Bl. (L.).

E. Swartzii Turn. (E. praelongum ß atrovirens Br. eur.). Buchenwald bei Trebnitz (L.), Felsblöcke am Zobten ($ch.), Höhe vor Peters- dorf bei Sagan (BE.). |

E. murale Br. et Schpr. Schloss Karolath bei Grünberg (H.);

var. julaceum Br. eur. Auf Urkalk unterhalb der Füllenbauden im Riesengebirge (L.). Ä

136 Jahres-Bericht

E. ruseiforme Br. et Schpr. Salomonswiese bei Läsgen, Kreis Grünberg

(Golentz);

var. complanatum H. Schulze. Diese eigenthümliche Form sammelte Herr Buchhalter H. Schultze Ostern 1872 steril in einem Bache am Zobten. |

E. speciosum Schpr. Bischdorf bei Pitschen O/S., fruchtend in Brunnen (Niepel).

Plagiothecium Schimperi Jur. et Milde. Riesengebirge: im Elb- und im Weisswassergrunde, bei den Füllenbauden (L.); Adersbacher Sandsteinfelsen: auf Waldboden im Bornkressenthale (L., 16. Juli 1872); Grünberg: Schlossberg bei Bobernig (H.). Nur steril.

P. nitidum Lindb. In kleinen Felshöhlen auf dem Gipfel der Babiagora o.fret. (1).

P. silesiacum B. $. Im Riesengebirge noch um 3000 F. verbreitet, so im Buchenwalde bei St. Peter, im Elbgrunde oberhalb Spindelmühl, über den Hofe- und den Leyerbauden (L.), Trebnitzer Buchen- wald (L.), Glaucher Wald bei Skarsine (v. Uech.), Freudenberg bei Tief-Hartmannsdorf (L.), sehr häufig in der Waldregion der Babiagora (L.).

P. undulatum B. $S. Quarklöcher am Gl. Schneeberge c. fret. (Sch. u. Z.), Waldregion der Babiagora e. fret. (Sch.).

P. silvaticum B. 8. Breslau: im Laubwalde zwischen Nimkau und Gäbel (v. Uech.), Kath.-Hammer (id.), Rybnik: Paruschowitzer Forst (F.) und im Walde Rostochoez (v. Uech.), Grünberg: Bachufer bei der Berndt’schen Mühle (E.), Waldregion der Babiagora (L.).

P. Roesei B. $. Buchenwald von Czarnosin O/S., noch um St. Peter im Riesengebirge (L.).

Amblystegium subtile B. S. Saalwiesen bei Landeck (Sch. u. Z.), Rummels- berg bei Strehlen (L.), Freudenberg bei Tief-Hartmannsdorf (L.), an Buchenstimmen um Schmitzdorf bei Friedland (v. Uech.), Buchenwald von Czarnosin O/S. (L.), Babiagora an Buchen (L.).

A. confervoides B. S. In Oberschlesien an den Muschelkalkfelsen des Sakrauer und des Wyssoker Berges bei Gogolin (L.), Kalkfelsen auf dem Butterberge bei Tiefhartmannsdorf bei Schönau (L.).

A. filicinum Lindb. Im Riesengebirge bei den Krausebauden unterhalb St. Peter (L.), Mergelsumpf am Grunauer Spitzberg bei Hirsch- berg, an sumpfigen Stellen am Kitzelberge und bei Tief-Hart- mannsdorf (L.), in der Kolbe bei Kunern bei Winzig (Langner),

zwischen Oltaschin und Woischwitz bei Breslau (v. Uech.), Karunschke bei Obernigk (v. Uech.), Quarklöcher am Gl. Schnee- berge, an der Babiagora an versumpften Stellen in der Wald- region (L.).

der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur. 137

A. irriguum Schpr. Grünberg: in einem Sumpfe am Patzgall (E.), Wald- region der Babiagora in Bächen, steril (L.).

A. fluviatile Sw. Fluthend an Steinen im Bober bei Hirschberg in der Sattlerschlucht, 313 Met.; um Bunzlau an Steinen im Bober bei der Schlemmermühle und im Queis am Teufelswehre bei Wehrau, steril (L. bereits 1865).

A. Kochü B. Ss. Um Sagan (R.).

Brachythecium velutinum Br. et Schpr. Babiagora noch in der Wald- region (L.).

B. refle@um B. $. Saalwiesen bei Landeck (Sch. u. Z.), Sonnenkoppe im Eulengebirge (R.), Babiagora bis auf den Gipfel (L.).

B. Starkii Br. et Schpr. Freudenberg bei Tief-Hartmannsdorf, Waldregion der Babiagora (L.).

B. rutabulum Br. et Schpr. y flavescens Br. cur. Oberschlesien: Kalkbrüche bei Gogolin und im Buchenwalde bei Czarnosin (L.).

B. populeum Br. et Schpr. Im Eulengebirge (R.), Waldregion der Ba- biagora (L.). Eine schöne Form mit kleinen, aufrechten, sehr kurzgestielten Früchten im Buchenwalde bei St. Peter im Riesen- gebirge auf Felsgeröll und an Buchenwurzeln bei 3000 Fuss (L.).

B. plumosum Br. et Schpr. Babiagora in Waldbächen (L.).

B. glareosum B. S. Häufig auf Kalk m Oberschlesien, so um Gogolin, am Sakrauer und am Annaberge (L.). Meist steril.

B. albicans Br. et Schpr. In einer grünen Schattenform mit weit herum- schweifenden Stengeln bei Saabor am Saugraben (E.).

B. Geheebii Milde. Saalwiesen bei Landeck häufig, doch steril (Sch. u. Z.), Buchenwald bei St. Peter im Riesengebirge, steril (L.).

Hypnum Sommerfeltii Myrin. In Oberschlesien bei Czarnosin, Gogolin und auf dem Wyssoker Berge (L.).

H. Halleri L. fl. Im Riesengebirge auf Urkalk bei den Füllenbauden (L.), im Melzergrunde (v. Flotow, 1839).

H. chrysophyllum Brid. Massenhaft, aber selten fruchtend an Ackergräben des 'Thonmergelbodens zwischen Brocke und der Strehlener Chaussee bei Breslau (v. Uech.), Muschelkalk bei Czarnosin und Gogolin O/8. (L.), am Südfusse der Babiagora auf Kalk (L.).

H. stellatum Schreb. Noch auf dem höchsten Gipfel der Babiagora in Fels- spalten, steril (L.).

H. subpinnatum Lindb. In der unteren Waldregion der Babiagora (L.).

H. loreum L. Waldregion der Babiagora (L.).

H. polygamum Schpr. Fasanerie bei D.-Wartenberg (E.);

ß minus B. $. Feuchte Brache am Rohrbusch und Brachfeld bei der Ziegelei unter der Berndt’schen Mühle bei Grünberg (E.). H. contiguum N. v. E. Waldregion der Babiagora (L.).

138 Jahres-Bericht

H.

Sum

Suitans Dillen. Fasanerie bei D.-Wartenberg (E.); var. submersum Schpr. Heinersdorf bei Grünberg (E.); var. serratum Milde. Fola ramea serrata. Pirnig bei Grünberg (H.).

. scorptoides Dillen. Koschentin O/S. in den Liszwartamooren zwischen

Boronow und Niederhof (v. Uech.), massenhaft in Sümpfen an der Eisenbahn zwischen Gogolin und Dziechowitz (L.).

. intermedium Lindb. Friedland (v. Uech.), in Oberschlesien massenhaft

in Sümpfen zwischen Gogolin und Dziechowitz (L.).

. vermicosum Lindb. Sumpfwiesen bei Nimkau, steril (Sch.).

. commutatum Hedw. Erlenbruch bei Läsgen, Kreis Grünberg (Golenz),

ebenda am Bachufer bei Schweinitz (E.), am Südfusse der Ba- biagora c. fret. (L.).

. falcatum Brid. Fluthend in Waldbächen an der Babiagora (L.). . rugosum Ehrh. Hausberg bei Hirschberg (Igner), Lehmberg bei

Strehlen (Hilse), Altyvater im Gesenke (v. Uech.), höchster Gipfel der Babiagora (L.). Ueberall steril.

. incurvalum Schrad. An Steinen im Bache an der Au-Mühle bei Grün-

berg ce. fret. (H.), auf Kalk in Berbisdorf, am Butterberge bei Tief- Hartmannsdorf (L.), am breiten Berge bei Striegau (L.), in Ober-' Schlesien auf Kalk bei Czarnosin, wie auf dem Wyssoker und dem Sakrauer Berge bei Gogolin (L.), Babiagora auf Karpathen- Sandstein (L.).

. pallescens Schpr. Im Riesengebirge ungemein häufig im Elb- und

Weisswassergrunde und im Buchenwalde von St. Peter (L.). Be- sitzt auch an der Babiagora, wie in den Sudeten seine massigste Verbreitung in der oberen Waldregion (L.).

. reptile Mich. Riesengebirge: im Elbgrunde und oberhalb der Füllen-

bauden, selten (L.).. An der Babiagora schön entwickelt und häufig unterhalb der Buchengrenze (L.).

hamulosum Br. et Schpr. An Felsgeröll auf dem Gipfel der Babiagora

mit 3 und 2 Blüthen von mir zuerst am 24, Juli 1872 in wenigen Exemplaren.

. callichroum Brid. Knieholzregion der Babiagora, steril (L.). . Lindbergiüi Mitten. (H. patientiae Lindb.). Charakteristisch für die nieder-

schlesischen Kalkbrüche und die oberschlesischen Muschelkalk- bügel (L.).

. pratense Br. et Schpr. Tannenberg bei Langenbielau, steril (R.). . Haldani Grev. Buchenwald von Czarnosin O/S. (L.). . molluscum Hedw. Im Riesengebirge bei St. Peter und am kl. Teiche

(L.), Kessel im Gesenke (L.), Kalkbrüche auf dem Berbisdorfer Kapellenberge und bei Tiefhartmannsdorf, Kalkfelsen des W yssoker Berges bei Gogolin, Babiagora auf Kalk (L.). Meist steril.

der Schles. Gesellsch, £. vaterl. Cultur, 139

H. crista castrensis L. Kl. Schneeberg und Wölfelsgrund in der Graf- schaft Glatz (v. Uech.), Althammer bei Jakobswalde 0/S. und Park Buk bei Rauden in O/S. (v. Uech.).

H. giganteum Schpr. Breslau: zwischen Bruschwitz und Domatschine in Gräben (Junger), Wiesengräben um Neudorf bei Canth (v. Uech.), Preiskretscham (Nagel), am Südfusse der Babiagora (L.).

H. stramineum Dicks. Wölfelsgrund (Sch. und Z.), Sumpfwiesen zwischen Hennigsdorf und Sorge bei Breslau (Sch.).

H. trifarium W. et M. Sümpfe an der Bahn zwischen Gogolin und Lesch- nitz O/S. (L.). Steril.

H. palustre L. Im Riesengebirge bei den Füllenbauden auf Urkalk (L.), bei Tief-Hartmannsdorf ‚in den Buchen“ und auf dem Butterberge auf Kalk, Babiagora am Fusse (L.).

H. molle Dicks. Auf der Südseite des Riesengebirges in der Elbe und im Weisswasser und in deren Zuflüssen (L.), Babiagora in Wald- bächen e. fret. (L.).

H. ochraceum Wils. In der Weichsel bei Ustron häufig, doch steril (v. Uech.), im Marchbett bei den Quarklöchern (Sch.), Grafschaft Glatz: in der Biele am Wege zum Formberge (Sch.).

Hylocomium Oakesü Schpr. Saalwiesen bei Landeck, 2961 Fuss (Sch., 9. October 1871), Gipfel der Babiagora, 5480 Fuss, häufig, SRBIE(D:

H. brevirostrum Schpr. Auf dem Zobten, steril (Sch.).

H. umbratum B. 5. In der Waldregion der Babiagora, steril (L.), March- thal am Glatzer Schneeberge, 3 Bl. (L.).

Sphagnum acutifolium Ehrh. y tenellum Schpr. Elbwiese im Riesengeb. (L.). 8. lasifolium C. Müll. Wald zwischen Lublinitz und Ziandowitz (Baumann).

S. fimbriatum Wels. Wald zwischen Obernigk und Riemberg bei Breslau (v. Uech.), Wald Rostochoez und Paruschowitzer Forstrevier be Rybnik (v. Uech.).

S. Girgensohnü Russ. Weltende im Sattler bei Hirchberg (L.), westlich von Seiffersholz bei Grünberg (E.), Labander Wald bei Preis- kretscham (Nagel), Waldregion am $.-Fusse der Babiagora (L.).

S. squarrosum Pers. Pronzendorf bei Winzig (Langner), bei Altwasser (v. Uech.), Poppelauer Forst zwischen Rybnik und Loslau (v. Uech.).

[e)

. teres Angst. In Sphagnetas am Südfusse der Babiagora (L.).

S. rigidum Schpr. Zwischen Riemberg und Obernigk, Schimmelwitz bei Öbernigk (v. Uech.), Rybnik: am Rande des Waldes Rostochoez, Koschentin: in den Liszwarta-Sümpfen zwischen Boronow und Niederhof (v. Uech.).

140 ; Jahres-Bericht

S. subsecundum Nees. Um Margareth bei Breslau (Junger), Hennigsdorf und Jäkel bei Auras, Koschentin und Rybnik in O/S. (v. Uech.), am Südfusse der Babiagora (L.);

P contortum Schpr. Im Riesengebirge häufig auf Felsplatten im unteren Weisswasser (L.).

S. molluscum Bruch. Auf feuchtem Haidelande bei Jannowitz unweit Hirschberg (L.).

S. cymbifolium Ehrh. Auf Haideland bei Jannowitz wächst eine habituell dem S. molle täuschend ähnliche, rein weisse forma compacta mit zugespitzten Aesten, deren Stengelblätter bis zum Grunde mit Fasern erfüllt sind. Die Rindenschicht des Stengels zeigte con- stant nur 2 Reihen.

Der Secretair Prof. Cohn erläuterte den nach den Angaben von Prof. Hanstein in Bonn construirten und für das hiesige pflanzen- physiologische Institut bezogenen phyllotactischen Apparat, welcher die wichtigsten Gesetze der Blattstellungslehre veranschaulicht.

Hierauf kam zur Verlesung: 1) Ein Aufsatz des correspondirenden Mitgliedes Herrn Oberstabsarzt Dr. Schröter in Rastatt:

Mittheilungen über einige schlesische Uredineen.

1) Auf Melandrium album Grcke. findet sich in Schlesien sehr verbreitet eine braunsporige Uredo-Form, deren Teleutosporen trotz eifrigen Suchens Anderen sowohl als mir unbekannt blieben, sie wurde daher im Ver- zeichnisse der Brand- und Rostpilze Schlesiens unter Nr. 111 als Uredo Lychnidis aufgeführt,

Im October 1871 fand ich nun bei Carolinenhöhe in der Nähe von Spandau und ebenso im August dieses Jahres bei Rastatt Uredo Lychnidis,

dem schlesischen ganz gleich, mit reichlich entwickelten Teleutosporen.

Es ist ein Uromyces, dessen Beschreibung ich hier folgen lasse: Uromyces (Hemiuromyces) verruculosus n. sp.

Spermogonien und Aecidium noch nicht aufgefunden. Uredosporen in rundlichen, flachen Häufchen, von etwa 1 Mm. Durchmesser, welche zerstreut oder in concentrischen Kreisen gestellt sind. Farbe der Häufchen zimmtbraun. Sporen kugelig oder kurz elliptisch, 22 bis 23,7, durch- schnittlieh 23 Mm. lang, 20 bis 22,1, durchschnittlich 21,4 Mm. breit. Episporium hellbraun, mit kurzen spitzen Stacheln besetzt.

Uromyces meist in 2 bis 3 Mn breiten schwarzbraunen Flecken, die manchmal aus concentrischen Zonen bestehen und lange von der Ober- haut bedeckt bleiben. Sporen leicht abfallend, eiförmig oder elliptisch, kurz gestielt, 20 bis 26, durchschnittlich 23 Mm. lang, 17 bis 20, durch- schnittliceh 19 Mm. breit. Stielchen farblos, 3—5 Mm. lang. Sporen- membran gleichmässig dunkel kastanienbraun, am Scheitel etwas verdickt,

nn a

der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 141

äberall besonders dicht mit feinen, stumpfen Wärzchen besetzt. Am Scheitel von einer breiten Keimspore durehbohrt.

Auf Blättern und Stengeln von Melandrium album Grcke.

2) Uromyces (Euuromyces) Valerianae (De.) fand ich an den Wurzel- blättern von Valeriana dioica L. im October 1871 auf einer quelligen Waldblösse bei Sauerbrunn, Kreis Habelschwerdt, mit Uredo- und Uromyces - Sporen. Die kleinen Wurzelblätter von V. d. ähreln im Herbst ausserordentlich den Blättern von Prunella vulgaris, so dass ich selbst glaubte, Urom. Prunellae Schndr. vor mir zu haben, Der Mangel der Behaarung lässt Valeriana leicht erkennen.

3) An Potentilla silvestris Neck. (Tormentilla erecta L.) ist auch in Schlesien ein rother Uredo gefunden worden, den ich, so lange ich seine Teleutosporen nicht beobachtet, zu Phragmidium obtusum Schm. et Kze. gerechnet habe. Fuckel stellt (Symb. mye.) ein Phrag. Tormentillae auf, giebt aber davon keine nähere Beschreibung.

In der Nähe von Rastatt fand ich im September und October d. J. häufig das Phragmidium auf Pot. silvestris, eine gut zu unterscheidende Species, deren genauere Beschreibung ich hier anschliesse. Ohne Zweifel gehört auch der auf der Pflanze in Schlesien beobachtete Uredo zu Phr. Tormentillae. |

Phragmidium Tormentillae Fekl. Uredo orangeroth in kleinen, punkt- förmigen Häufchen, ohne Paraphysen im Umkreise. Sporen kugelig oder eiförmig, etwa 20 Mm. im Durchmesser. Episporium farblos mit feinen körnigen Erhabenheiten. Inhalt durch orangerothe Oeltropfen gefärbt.

Phragmidium in zimmtbraunen punktförmigen Häufchen. Die Spore aus 3 bis 10, durchschnittlich 5 bis 6 Zellen bestehend, die einzelne Zelle 16 bis 19 Mm. breit, an den Verbindungsstellen eingeschnürt, 16 bis 19, durchschnittlich 16,5, die ganze Spore daher bis 165 Mm. lang. Die unteren Zellen sind oft etwas unregelmässig, keilförmig, die oberste zu- gespitzt, doch ohne deutlich abgesetztes Spitzchen. Membran kastanien- braun, glatt, bei der obersten Zelle am Scheitel, bei den anderen an der Verbindung mit der oberen Zelle von einem Keimporus durchsetzt. ‚Inhalt orangeroth, Stielchen farblos, ca. 7 Mm, breit, sehr verschieden, 10 bis 100 Mm. lang.

Schon durch die feinen punktförmigen Häufehen unterscheidet sich Phr. Torm. von den in breiten schwarzen Flecken vegetirenden Phrg. obtusum, noch mehr durch die langen, vielzelligen Sporen, welche denen von Xenodochus sehr nahe kommen.

Ich fand im Herbst schon die Sporen reichlich keimend. Sie bildeten auf gekrümmten Promycelien meist 4 Sporidien, die selten genau kugelig, häufiger nieren- oder eiförmig waren und Durchmesser von 7 bis 10 Mm, hatten.

Die erwähnten Arten wurden dem Gesellschafts-Herbar überwiesen.

142 \ Jahres-Bericht

Hierauf wurde verlesen 2) ein Aufsatz des correspondirenden Mitgliedes Herrn Lehrer Zimmermann in Striegau:

Ein Spaziergang an den Striegauer Bergen am 2. November 1872.

Fast aus allen Gegenden Schlesiens berichteten die Zeitungen über frühlingsartige Erscheinungen im Monat October ec. An dem einen Orte wurde eine nicht geringe Zahl lebender Maikäfer gefunden, anderwärts blühten Kirschbäume, Kastanien, Schneeball ete. zum zweiten Male, und fast überall nur einige Kreise Oberschlesiens, in welchen die Feld- mäuse zur Landplage geworden, ausgenommen labte sich das Auge an den freudiggrünen Saaten, den üppigen Rapsfeldern und an der ausser- gewöhnlich grossen Zahl noch blühender Pflanzen, sowohl im Garten, als auch in Feldern, Wiesen und Wäldern. Und dieser ausserordentliche Reichthum an Blumen ‚in dem Revier‘ veranlasste den Unterzeichneten, auf einem Spaziergange am 2. November 1872 um die Striegauer Berge sich einmal der Mühe zu unterziehen, ein Verzeichniss über alle von ihm auf diesem Gange noch blühend gefundenen Pflanzen anzufertigen und etwas zu ordnen. Und siehe, es ergab diese kleine Arbeit noch die grosse Zahl von 133 im Freien blühender Phanerogamen. Am meisten war hierbei vertreten die Familie der Compositen mit 39 Species, nächst- dem die Papilionaceen mit 15, die Caryophylleen mit 11, die Serophu- larineen mit 8, die Umbelliferen mit 7 Species. Mit je 6 Vertretern er- schienen noch die Familien der Labiaten und Campanulaceen, mit je 5 die Familien der Cruciferen, Rubiaceen und Rosaceen, je 3 Repräsentanten gehörten den Familien der Gramineen, Dipsaceen, Asperifolien und Gera- niaceen an, mit 2 traten die Chenopodeen auf und je 1 Species war noch aus den Familien der Polygoneen, Plantagineen, Gentianeen, Primulaceen, Cistineen, Malvaceen, Hyperieineen, Polygaleen und Euphorbiaceen zu finden. Dabei trugen die meisten der Bäume und Sträucher, als Birken, Buchen, Eichen, Hasel ete., noch ihr volles, allerdings schon herbstlich gefärbtes Laub, und nur die höher stehenden Linden und Eichen hatten es wahrscheinlich nur in Folge des trockenen Standortes bereits verloren.

In Gärten prangten Rieinus, Georginen, Astern, viele Rosen etc. noch in schönster Blüthe, und auch hier wurden Kirschblüthen und schon im September Rosskastanienblüthen beobachtet.

Hinsichtlich der Witterungsverhältnisse des Octobers ec. sei kurz be- merkt, dass das Monatsmittel der Temperatur bedeutend über die sonst diesem Monat eigene Temperaturhöhe hinausgegangen. In Breslau be- trug dies Temperatur-Monatsmittel + 9,5° R., in Görlitz 9,0° R., in Striegau 9,30 R., in jedem Orte 1,5 bis über dem normalen Mittel. Dabei vorherrschend $.- und SW.-Winde und mehrmals milde, durch- dringende Regen, so dass die Vegetation auch vor Trockenheit be- wahrt blieb.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 143

Das Verzeichniss der von Herrn Zimmermann beobachteten Pflanzen ist in dem von Herrn Geheimrath Goeppert auf p. 149 gegebenen mit aufgenommen worden.

Zur Erläuterung wurde eine von Herrn Prof. Galle gegebene Zu- sammenstellung der in den Monaten October und November d. J. in Breslau beobachteten Temperaturen, sowie deren Verhältniss zu dem 80jährigen Mittel, vorgelegt und dadurch die abnorme Milde der dies- jährigen Witterung gezeigt.

Hierauf wurde verlesen nachstehendes von Herrn Zimmermann eingesandtes

Verzeichniss einer Sammlung von Pflanzen-Abnormitäten. I. Abnorme Keimpflanzen.

1. Helianthus annuus L. tricotyl. 2. Tilia parvifola Ehrh. dgl. I. Abnorme Stengelbildungen.

a. Verwachsungen (Fasciationen). 1. Alnus incana Willd. 2. Plantago lanceolata L. 3. Leucanthemum vulgare Luck. 4. Matricaria Chamomilla L. 5. Hypochoeris radicata Scop. 6. Taraxacum offieimale Wigg. 7. Hieracium Pilosella L. 8. H. stoloniflorum W. et K. 9. H. cymosum L. 10. Pul- monaria offie.-anguslifolia Kr. 11. Melampyrum nemorum L. 12. Ranunculus Sardous Crantz. 13. Turritis glabra L. 14. Cytisus capitatus L.

b. Theilungen. 1. Phleum Boehmeri Wib.

c. Durehwachsungen des Stengels. 1. Polytrichum juniperinum Willd. 2. Scabiosa atropurpurea L. 3. Rosa centifola L., 2 Ex.

Ill. Abnormitäten an Blättern.

a. Verwachsungen. 1. Nerium Oleander L. 2. Prunus Avium L. 3. Trifolium pratense L.

b. Theilungen. 1. Blechnum Spicant Roth. 2. Asplenium Adiantum nigrum L.

c. Abnorme Formen. 1. Curex Pseudo-Cyperus L. 2. Carpinus Betulus L. 3. Hepatica triloba Gi. 4. Passiflora caerulea L. (Uebergang vom einfachen bis zum Stheiligen Blatte).

d. Abnorme Stellung. 1. Crepis praemorsa Tausch.

e. Abnormes Zahlverhältniss. 1. Paris quadrifolia L.

f. Abnorme Färbung. 1. Alnus incana DC. 2. Vinca minor L. 3. Prunus spinosa L. (2 Ex.).

IV. Abnormitäten an Blüthen.

a. Abnormer Blüthenstand. 1, Lokum perenne L. 2. Phleum Boehmeri Wib. 3. Cynosurus cristatus L. 4. Secale cereale L. 5. Leucojum vernum L. 6. Salie cinerea L. 7. Plantago media L. 8. P. lanceolata L. 9. Primula elatior L. 10. Ranuncvlus lanuginosus L.

144 Jahres-Bericht

b. Umwandlung niederer Blätter in höhere. aa. Laubblätter in Blüthenblätter. 1. Anemone nemorosa L. bb. Kelchblätter in Kronenblätter. 1. Primula officinalis L. c. Umwandlung höherer Blätter in niedere. aa. Staubgefässe und Stempel in Laubblätter. 1. Trifolum hybridum L. bb. Staubgefässe und Stempel in Blumenblätter (flores pleni) 1. Delphinium Consolida L. 2. Veronica officinalis L. 3. V. Buxbaumiü Ten. 4. Hepatica triloba Gil. 5. Cardamine amara L. 6. C. pratensis L. 7. Potentilla opaca L. et. Blumenblätter in Laubblätter. 1. Fuchsia? 2. Rosa centifolia L. 3. Spiraea chamaedrifola L. 4. Scabiosa ochroleuca L. 5. Echium vulgare L. 6. Ononis hircina L. 7. Trifolium repens L. d. Pelorienbildungen. 1. Aquilegia vulgaris L. 2. Delphinium Consolida L. 3. Linaria genistaefolia Mill. 4. L. vulgaris Mill. e. Verwachsungen. 1. Gagea arvensis Schult. 2. Galanthus nivalis L. 3. Platanthera bifolia Rich. 4. Fuchsia? f. Durchwachsungen von Blüthen aus Blüthen: 1. Scabiosa succisa L. 2. 8. ochroleuca L. 3. Carduus crispus L. 4. Tragopogon pratensis L. 5. Matricaria Chamomilla L. 6. Angelica sylvestris L. 7. Trifolium pratense L. 8. Rosa centifolia L. in etlichen Exemplaren. g. Abnorme Zahlverhältnisse. 1. Galanthus nivalis L., 4gliedrig. 2. Leucojum vernum L., 4gliedrig. 3. Hepatica triloba Gil., vier- und fünf- blättrige Kelche. bh. Abnorme Färbung. 1. Örchis Morio L. 2. Centaurea Oyanus L. 3. Cichorium Intybus L. 4. Ajuga genevensis L. 5. A. reptans L. 6. Pru- nella vulgaris L. 7. Lamium purpureum. 8. Jasione mentana L. 9. Echium vulgare L. 10. Erythraea Centaurium L. 11. Calluna vulgaris L. 12. Dianthus superbus L. $ämmtlich weiss blühend.

V. Abnormitäten an Früchten. a. Abnormer Fruchtstand. 1. Zea Mais L. Männl. Blüthen- rispe mit reifen Samenkörnern. b. Verwachsungen. 1. Prunus domestica L. 2. Pisum sativum L. 3. Phaseolus vulgaris L. | c. Abnormes Zahlverhältniss. 1. Matthiola annua Sw., drei- und vierklappige Schoten.

In der neunten Sitzung vom 12. December hielt Herr Geheimrath Goeppert nachstehenden Vortrag über das Verhältniss der Pflanzenwelt zur gegenwärtigen Witterung,

unter Vorzeigung von eirca 100 in dieser Zeit im Freien blühenden und fruchtenden Gewächsen.

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Frühlingspflanzen und die ihnen so nahe stehenden der Alpen und des hohen Nordens sorgen alsbald nach dem Verblühen für die Ent- ‚wickelung der nächstjährigen Blüthenknospen, so dass diese am Anfange des Herbstes meist schon völlig ausgebildet erscheinen und in ihrem Innern alle Theile der Blüthen erkennen lassen. In diesem Zustande bleiben sie nun theils über, theils unter dem Boden während des folgen- den Winters bis zum nächsten Frühjahre, in welchem eine verhältniss- mässig nur geringe Wärme erforderlich ist, um sie rasch zum Blühen zu veranlassen. Verspätet sich der Winter und tritt so warme Herbst- witterung ein, wie in diesem Jahre, so kommen sie auch vorzeitig zum Vorschein, sie blühen zum zweiten Male, freilich auf Kosten der Ent- wickelung des nächsten Frühlings, und dies ist die einfache Ursache dieses oft bewunderten und gegenwärtig so häufigen Vor- kommens, das schon lebhafte Besorgnisse für das Geschick unserer Vegetation überhaupt hervorgerufen hat. Ich will sie nicht für ganz ungegründet halten, denn wer vermag wohl in solchen Fällen ein sicheres Urtheil abzugeben, doch lassen sie sich auf ein geringeres Maass zurück- führen, wenn wir die Beschaffenheit dieser ungewöhnlich reichen, herbstlich- winterlichen Flora näher betrachten. Es sind an 228 Arten, deren wiederholtes und fortgesetztes Blühen von Anderen und von mir vom vorigen Monat an bis jetzt beobachtet worden ist (siehe Verzeichniss am Schluss), unter ihnen nur äusserst wenige, hier besonders wichtige, wahre Frühlingspflanzen, wie etwa Himmelschlüssel, einzelne Exemplare Löwenzahn (Leontodon Ta- raxacum), der Pesthuflattich (Tussilago Petasites) und Veilchen; die all- jährlich Anfang October in der Knospe schon blau gefärbten Leber- blümchen, beide Schneeglöckchen, Crocus halten hier noch zurück Grösser ist die Zahl der Perennirenden, welche jedoch nicht aus primären Achsen, sondern nur aus abgehauenen oder bereits verblühten Stengeln seitliche Blüthen treiben und daher natürlich meist den früheren an Zahl und Grösse nachstehen, wie unter anderen die am häufigsten sprossende Schafgarbe und andere Compositen, Gnaphalium arenarium, Senecio Jacobaea, Anthemis tinctoria, Orepis tectorum, Apargia, Doldenpflanzen wie Pimpinella, Heracleum u. A. Die an seitlichen Sprossen so reiche Erdbeere (Fragaria elatior) trägt Blüthen und reife Früchte zugleich. Eine Kartoffelpflanze bildete frische Knollen. Pilzvegetation dauert fort. Am meisten breiten sich die vielen einjährigen, im Sommer ge- keimten Gewächse aus, welche in jedem Herbst vorhanden sind, aber unter gewöhnlichen Verhältnissen wegen der meist zeitig eintretenden Kälte nicht zur Blüthe gelangen, und namentlich ohne Schneeschutz fast ohne Ausnahme, selbst Alsine media, Senecio vulgaris, zu Grunde gehen, z. B. wie die um Obernigk ganze Felder einnehmende Kornblume, Acker- storchschnabel (Erodium), Ehrenpreis-Arten (Veronica hederaefolia, persica, agrestis, Scleranthus, Thlaspi-Arten ete.), Poa annu« nebst vielen üppig

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sprossenden perennirenden, zuweilen auch selbst noch Blüthenähren trei- benden Gräsern, welche, wie das überall üppig blühende Tausendschönchen (Bellis) vorzugsweise dazu beitragen, unseren Fluren ein so sommerliches Aeussere zu verleihen.

Das 'Tausendschönchen ist überhaupt die einzige wahre Winter- blume unserer einheimischen Flora. Oft habe ich ihre halb geöffneten Knospen vom plötzlich eintretenden Frost erstarren, aber nach tagelangem Verbleiben in diesem scheintodähnlichen Zustande nach dem Aufthauen wieder weiter wachsen sehen. Aehnlich verhält sich die Bewohnerin der Alpen, die schwarze Nieswurz, die in unseren Gärten viel zu wenig ver- breitet ist. Weizen und Roggen auf Saatfeldern erscheinen aller- dings bereits vorgeschritten, mehrfach verästelt, jedoch, so viel ich we- nigstens freilich in nur beschränktem Kreise beobachten konnte, noch ohne Anlage zur Aehrenbildung. Ich habe wohl blühenden und fast fruchtreifen Hafer und Roggen gefunden, aber auf Schutthaufen und auf Aeckern, wo sie einige Monate vor der gewöhnlichen Aussaatszeit bereits gekeimt hatten, und nur auf solche vereinzelte Vorkommnisse sind wenig- stens in unseren Gegenden die Angaben von sprossendem ährentreibenden Getreide zu reduciren. Raps ist sehr entwickelt, doch gehört er zu den winterfestesten Gewächsen, für welchen bei zeitiger Schneebedeckung, wenn insbesondere ein leichter, den Boden etwa ein paar Zoll tief be- festigender Frost vorangegangen ist, wohl nichts zu fürchten ist. Jedoch wünschte ich hierüber noch mehr Erfahrungen zu besitzen, namentlich über das Verhalten des weit über die Schneefläche hervorragenden Sten- gels. Unsere Baumvegetation verharrt im Ganzen und Grossen in ihrer für unsere öconomischen Zwecke höchst erspriesslichen Ruhe und bereitet sich, wenn auch etwas reger als sonst in dieser Jahreszeit, für ihre künftige Entwickelung vor. Bei der verhältnissmässig noch ziemlich hohen vom Sommer zurückgebliebenen Erdtemperatur, die im vorigen Monat nach unseren in 2"/, Fuss Tiefe angestellten Beobachtungen durch- schnittlich noch betrug und nur in den letzten 10 "Tagen (vom 1. bis 10. December) auf etwa 3 bis gesunken war, fehlt es nicht an Wurzel- wachsthum, an den Zweigen auch nicht an cambialer Thätigkeit, doch lässt der Zustand der Knospen mit wenigen Ausnahmen noch keine Entfaltung derselben erwarten, am wenigsten findet gar etwa Neu- bildung von Knospen statt, wie öffentliche Blätter von verschiedenen Orten her mittheilten.

Wer nun gelegentlich sich dergleichen einmal betrachtet, kann wohl beim Anblick der grün gefärbten Knospen unseres blauen Flieders an den stets halb geöffneten einiger Spiraeae oder des Gebirgsflieders Sambucus racemosa auf baldige Entfaltung allenfalls schliessen, doch ist das der ge- wöhnliche allwinterliche Zustand, der sich mitten im Winter unter Um- gebung von Eis und Schnee wunderlich genug ausnimmt. Nur die Rose

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von Jericho Lonicera Caprifolium hat wirklich aus ihren Knospen bereits Blätter getrieben, der Kellerhals Daphne Mezereum blüht. Die bis zum Nordpol verbreitete Himbeere trägt hier und da an blattlosen Zweigen Blüthen und Früchte, und unter den zahlreichen Pomaceen blüht an ein- zelnen sonnigen Stellen die japanische Birne (Pyrus japonica), die auch sonst im Spätherbst zuweilen zum zweiten Male sich entwickelt.

Unsere Obstbäume haben ihre Knospen noch fest geschlossen. Die hie und da veröffentlichten Angaben von blühenden Birnen-, Aepfel- oder Kirschbäumen gehören immerhin zu den grössten Seltenheiten, welche einen Schluss auf allgemeine Zustände nicht gestatten. In meinem In- teresse muss ich bedauern, dass ich noch niemals Gelegenheit hatte, einen solehen Baum zu untersuchen. Von unseren wildwachsenden Bäumen haben nur die männlichen Kätzchen der Haselnüsse an sonnigen Stellen sestäubt, Erlen, Birken und Weiden sind noch weit davon entfernt, und werden dazu auch nicht gelangen, Weissbuchen sind auffallend weit ent- wickelt.

Unsere Vegetation ist auf winterliche Ruhe angewiesen. Zu ihrer inneren organisch-chemischen Entwickelung bedarf sie eine gewisse Zeit,”) etwa ebenso wie manche hartschalige Samen, die auch erst nach langer innerer Vorbereitung zum Keimen gelangen. Wenn sich dies nicht so verhielte, so würde sie in den letzten beiden Monaten viel weiter vor- geschritten sein, da deren mittlere Temperatur so hoch war, wie das nur sehr selten in den zur Entwiekelung vorzugsweise bestimmten Monaten des Frühjahres, im März und April, vorkommt. Laut den Angaben unserer vortreiflichen von Herrn Prof. Dr. Galle herausgegebenen schlesischen Klimatologie erreichte von 1791 bis 1854 die mittlere Temperatur des Märzes nur einmal, im Jahre 1822, mit 5,31 annähernd die unseres letzt- verflossenen Novembers, welche + 5,92° betrug, und bewegte sich auch sonst stets nur in viel niedrigeren Mitteln, und die mittlere Temperatur unseres letzten Octobers = 9,51% ward von der des Aprils nur einmal in der genannten Zeitperiode von 63 Jahren, im Jahre 1800, durch über- troffen. Sie erreicht + 11,98%. Wenn sich nun aus der obigen Ueber- sicht der gegenwärtigen Entwickelung unserer Vegetation ergiebt, dass sich nur die frühesten Gewächse entfaltet haben, welche auch an und für sich, wie z. B. die Himbeere, Haselnuss, zu denjenigen gehören, die den stärksten Kältegraden widerstehen; andere, wie unsere Obstbäume, von denen dies nicht gesagt werden kann, nur sehr wenig sich von der ihrer Entwiekelung vorgeschriebenen Bahn entfernen und doch auch auf den mit unseren klimatischen Verhältnissen innig verknüpften, fast nie fehlen-

*) Nur im gefrorenen Zustande hört natürlich diese Thätigkeit auf und die Pflanze verharrt in einem scheintodähnlichen Zustande, der lange Zeit währen kann, ohne nach dem Aufthauen ihr Leben zu gefährden.

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den Schneeschutz zu rechnen ist, meine ich, dass wir wohl mit einigem Vertrauen bei gewöhnlichem Winterverlauf der nächsten Zukunft entgegen- sehen dürfen, die jedenfalls dem Beobachter viel Interessantes bieten wird. Sie könnte z. B. Entscheidung bringen über die sehr verbreitete Annahme von der vollkommenen Ausbildung des Herbstholzes als Schutz gegen hedeutende Kältegrade, welche in diesen Monaten bei schon eingetretener Cambialthätigkeit in hohem Grade stattgefunden hat und dergl. mehr,

Extreme Kälte wäre freilich um so mehr zu fürchten, als die Folgen der von 1870/71 unsere Baumwelt noch nicht überwunden hat. Eine Menge damals beschädigter Bäume starben im vorigen Sommer und andere werden ihnen im nächsten noch folgen. Uebrigens sind solche anomale Witterungsverhältnisse mit dennoch günstigem Ausgange schon oft dage- wesen, die ganz dazu geeignet sind, diese eben ausgesprochenen Hoff- nungen aufrecht zu halten. Ueber den merkwürdigen Verlauf des Herbstes von 1841 habe ich Genaueres verzeichnet: Die mittlere Temperatur des Octobers in jenem Jahre war + 9,67°, die von 1872 9,510; das höchste Tagesmittel am 1. September 15,7°; 1872 am 14. + 7°; das niedrigste 1841 am 22. + 3,7%; 1872 am 8. 2,90; kälter war 1841 der Novem- ber, die mittlere Temperatur nur + 3,55, 1872 + 5,92°, wie freilich seit 1791 nur einmal, im Jahre 1797, ein wenig höher mit + 6,11° vor- gekommen ist; das niedrigste Tagesmittel 1841 den 28. + 0,30, 1872 am 13. + 1,810; das höchste 1841 den 11. + 6,3°, 1872 den 1. -+ 10,60°. Das Monatsmittel des Decembers 1841 erreichte + 2°, die höchste Wärme am 1. + 7°. Am 30. December schneite es erst zum zweiten Male, worauf es aber dann ziemlich anhaltend fror. Im botanischen Garten grünten und blühten fast dieselben Pflanzen wie gegenwärtig, von Frühlings- pflanzen auch nur wenige, wie Himmelschlüssel, Pestwurzel, Tessilago petasites, Seidelbast, ungewöhnlich viele Gräser und andere perennirende Pflanzen, nicht blos im Garten, sondern in unserer von mir vielfach be- suehten Umgegend, gleichfalls nur aus secundären Achsen abgehauenen Stengeln, Knospen der Obstbäume fest geschlossen, geöffnet blos obige Spiraeen. Zahlreiche ähnliche Angaben enthielten damals alle unsere öffentlichen Blätter. Laut der ,‚Schles. Ztg.“ vom 27. December hatte man am 27. in Oels Aepfel von einem Baume geerntet, der im September zum zweiten Male zum Blühen gekommen war. Der, wie erwähnt, vom 30. December an eintretende Winter verlief gelinde mit der Temperatur des Januars 1843 nur —4,60°; höchste Kälte und zugleich auch die des ganzen Winters den 23. 13°; mittlere Temperatur des Februar —1,17° und die des Märzes + 2,530. Im Jahre 1852 hatte es bis zum 31. De- cember noch nicht geschneit und nur einmal im November und im December zweimal gefroren. Auch der Januar 1853 zeichnete sich durch grosse Milde aus, 0,92° mittlere Temperatur. Primeln und Keller- hals blühten noch am 10. Januar im Freien des botanischen Gartens;

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mittlere Temperatur des Februars + 1,54°, am kältesten der März —2,60°. Die Besorgnisse waren zu jenen Zeiten auch gross, doch ging Alles gut vorüber. Hoffen wir dasselbe.

Fortsetzung und Schluss, botan. Section, den 30. März 1873.

In der ersten Abhandlung vom 11. December 1872 habe ich den Zustand der Pflanzenwelt in der frostfreien, bis zum 13. Deebr. dauern- den Periode besprochen, heut am 30. März soll von dem weiteren Ver- laufe des so anomalen Winters die Rede sein.

Am 12. December trat nun der längst erwartete Frost zum ersten Male ein und währte, obschon nur in mässigem Grade, bis zum 24. De- cember. Das Tagesmittel betrug —2° bis 5°, und nur einmal, in der Nacht vom 12.—13. December, zeigte das Minimum-Thermometer 9°, welcher Temperaturgrad, wie ich damals kaum ahnte, auch zugleich der niedrigste des ganzen Winters bleiben sollte. Am 14. December fiel der erste Schnee, durchschnittlich etwa in 4—6 Zoll Höhe. Vom 24. bis 26. December folgte wieder Erhöhung der Temperatur, 'Thauwetter und frostfreie Zeit bis zum 25. Januar, in ihr mehrere Mal + und über- haupt durchschnittlich höhere tägliche Temperatur als im December. Die mittlere Temperatur des Januars war auch etwas höher als die des De- cember, = + 1,730, während die des December nur + 1,56° erreichte. Die Zahl der heiteren und bedeckten Tage blieb sich ziemlich gleich, die Wärme aber überstieg den Durchschnittswerth in noch höherem Maasse als in den 3 vorhergehenden Monaten October, November und December. Unter allen diesen Umständen hatte die Vegetation am Ende dieser ersten Kälteperiode, nämlich vom 13. bis 24. December, nur wenig gelitten. Getödtet waren nur die stets bei einer solchen Temperatur zu Grunde gehenden Sonchus oleraceus und Sinapis arvensis, desgl. fast sämmtliche, vor dem 12. December noch blühenden Seitenachsen von perennirenden Gewächsen, wie Ballota, Satureja montana, Schaafgarbe, Senecio Jacobaea u. dgl.; zwei bis zu drei Fuss Höhe erwachsene Heracleum Wilhelmii, von hochstämmigen lebten nnr noch Cheiranthus Cheiri, Antirrhinum majus, der unverwüstliche Helleborus foetidus, Hadumetorum, viridis, purpurescens, die einjährigen Stengel von Euphorbia Lathyris. Alle niedrigeren Pflanzen waren unbehelligt geblieben. Bellis, Primula, Leberblümehen, Tussilago fragrans blühten weiter fort, und alle einjährigen, in unserem vorigen Berichte erwähnten Pflanzen, insbesondere die sogenannten Garten- und Ackerunkräuter, ohne aber eben besondere Fortschritte zu machen, die im Laufe des Januars kaum zu bemerken waren. Ich beobachtete dies vorzugsweise an den Knospen unserer Laubbäume und an Raps und Wintergetreide, die von ein und demselben Felde alle 8 Tage genau untersucht wurden. Blüthen von Primeln, sowohl die Garten- als die wildwachsenden Primula veris und elatior, Leberblumen blieben schwäch-

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licb, oft nicht ganz geöffnet, nur Schneeglöckchen kamen häufiger zur Blüthe, am 20. Januar sogar in Menge auf den Markt. Helleborus foetidus öffnete einige der schon lange zur Entfaltung bereitstehenden Blüthen. Von Bäumen stäubte am 20. Januar an sonniger Stelle des hiesigen Stadtgräbens Alnus incana, die Kätzchen aller anderen, Weiden inelusive, blieben festgeschlossen, Bei der bis zum 25. Januar herrschenden milden Temperatur hätte man eher ein rasches Vorschreiten der Gesammtvegetation auf der Bahn der vorangegangenen Monate, des November und December, erwarten sollen. Die Ursache dieses, anscheinend wenigstens sehr auffallenden Verhaltens finde ich nur in der allmäligen Verminderung der im Boden vom Sommer her noch zurück- gebliebenen höheren Temperatur. Bis zum Eintritt der Kälte erhielt sie sich in 1 Fuss Tiefe noch zwischen +3 und sank aber dann rasch bis durchschnittlich + 19, so dass siehtlich dann das Wachsthum nur noch von dem einen Factor der Vegetation, von der Wärme der Atmosphäre, vermittelt wurde und daher eben nur so langsam vorzu- schreiten vermochte. Eine überaus erspriessliche Einrichtung der Natur, welche die vorzeitige Entwickelung der Vegetation im Winter verhindert und sicher niemals das allgemeine Blühen, wie der Obstbäume, im Februar, wovon so viel gefabelt wird, erwarten lässt! Fände sie wirklich jemals statt, so würde wegen der stets eintretenden Kälte der Frühjahrsmonate keine Fruchtbildung, sondern nur gänzliche Vernichtung der zu früh entwickelten Triebe und Blüthen erfolgen.

Bei der hohen Bedeutung solcher Bodentemperatur- Beobachtungen werde ich dergleichen bald in verschiedenen Tiefen (1, 2, 6 und 10 Fuss) unmittelbar neben Pflanzenculturen in unserem botanischen Garten an- stellen, in der Hoffnung, dadurch zu genauerer Einsicht in das immer noch wenig gekannte Wurzelleben unserer Gewächse, wie auch zur Lösung mancher auch in praktischer Hinsicht wichtigen Streitfragen zu gelangen. Wenn sich weiter noch ergiebt, wie dies die bereits angestellten Beobachtungen des Dr. H. Gronow (Meteorol. Beobacht. etc., Halle 1364) und der königl. baierischen Staats-Forstbeamten bereits schliessen lassen (Vergl.“Dr. Ernst Ebermayer, die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden, und seine Bedeutung, begründet durch die Beobachtungen der forstl. meteorol. Stationen im Königreich Baiern, I. Bd., Aschaffenburg 1873), dass die herbstliche Bodentemperatur in den meisten Fällen ausreicht, um in der Tiefe noch das Wurzelwachsthum zu ver- mitteln, wird man wohl nicht länger anstehen, der Pflanzung unserer Bäume im Herbste vor der des Frühjahrs den Vorzug zu geben und auch den immer noch streitigen Termin des Fällens des Bauholzes in eine Zeit zu verlegen, in welcher die organische, stoff-

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bereitende und stoffumwandelnde Thätigkeit der Wurzeln durch Ver- ringerung der Erdwärme auf ein Minimum herabgesunken ist.

Wenn sich endlich ergiebt, dass der Frost in eine Tiefe von 4 bis 5 Fuss nicht dringt, dürften sich die Cultivateure endlich veranlasst sehen, ihr bisheriges Verfahren, die Haupt- oder Pfahlwurzel abzu- schneiden und bei jedesmaligem Umsetzen das ganze Wurzelsystem zu behacken, auf die unvermeidlichsten Fälle zu beschränken.*) Die Wurzeln werden auf diese Weise nicht nur an und für sich organisch schwer verletzt, sondern auch der Tiefe, wohin sie gehören, immer mehr entzogen und an die Oberfläche in den Bereich der Einwirkung des Frostes ge- bracht, welcher in den vorletzten drei Wintern unsere Cul-

*) Höchst interessant erscheint es, dass Friedrich der Grosse mit seinem allumfassenden Genie auch diese Verhältnisse berücksichtigte und mit altgewohn- tem Scharfblicke ganz entsprechend würdigte, wie dies aus mehreren Cabinets- Ördres hervorgeht, die er einst an den Pfleger der Potsdamer Anlagen, Planteur Sello, erliess, von denen wir nur eine ganz besonders charakteristische hier folgen lassen:

„Se. Königl. Majestät von Preussen, unser allergnädigster Herr, haben in den Alleen hier herum wahrgenommen, dass die mehrsten von den jungen Bäumen, die das Jahr gepflanzt wurden, wieder ausgehen. Das kommt davon, weil den jungen Bäumen so wenige Wurzeln gelassen werden und besonders die Haupt- wurzel, die heruntergeht, so sehr abgekürzt wird, woraufes doch vorzüglich ankommt, denn wird sie nicht recht in Acht genommen, so kann der junge Baum niemalen bestehen und fortkommen, weil ihm die beste Nahrung fehlt. Höchstdieselben befehlen demnach dem Planteur Sello und allen übrigen, die königliche Alleen zu bepflanzen und in Aufsicht haben, hierdurch alles Ernstes, sich mehr Mühe zu geben und mehr Fleiss darauf zu verwenden, damit die an- gepflanzten jungen Bäume auch ordentlich bekommen und besser fortgehen mögen und dahin zu sehen, dass die Hauptwurzel besser conserviret wird. Ueberhaupt muss sich ein Jeder bei seinen künstlichen Pflanzungen besser vorsehen und in Acht nehmen, nicht nur gute und gesunde Bäume anzuschaffen, sondern auch hiernächst den erforderlichen und schuldigen Fleiss darauf verwenden, damit das Geld und Kosten nicht immer vergebens weggeschmissen ist. Widrigenfalls Se. Majestät in die Stelle desjenigen, der sich darum nicht mehr Mühe geben und für das Fortkommen der Bäume ordentlicher sorgen wird, einen andren Planteur anstellen wolle, der seine Schuldigkeit besser wahrnimmt. Wonach sich ein Jeder richten kann.

Potsdam, den 4. August 1780.“

Die Sorge für alle diese Verhältnisse beschäftigte den grossen König fort und fort und noch unter dem 31. März 1786 wird dem Planteur Sello anbefohlen, nach Schlesien zu reisen, um weisse Tannenbäume für die Anlagen zu beschaffen, darauf aber zu sehen, dass ihre grosse Wurzel nicht lädirt und die kleinen nicht zerschnitten werden. (Aus dem interessanten Werke des Hof-Garten-Direetors Jühlke: Die Königl. Landesbaumschule und Gärtner-Lehranstalt in Potsdam. Berlin, 1872,89. 10 u. I.)

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turen um Millionen schädigte. In meinen bald erscheinenden Bei- trägen zur Morphologie der Bäume komme ich näher darauf zurück, wie auch auf das nicht minder verbreitete schädliche, bei dem Umsetzen zugleich geübte Abhauen der Aeste, welches sich auf den ganz boden- losen Satz, die Wurzel mit der Krone in Einklang zu bringen, gründet.

Der am 25. Januar mit 3,2 eintretende Frost beendigte nur vor- läufig jede Entwickelung. Mittlere Temperatur des Januars = 1,73°,

Schneefall erfolgte vom 28. Januar bis zum 1. Februar iu durchschnitt-

licher Höhe von 4-6 Zoll. Der Februar war kühler als der Januar, etwa nur 4—5 frostfreie Tage, doch niedrigste Temperatur nur einmal 7°, Schneefall wenig; mittlere Temperatur des ganzen Monats = 0,97°. Die Erde in unserem Garten am Ende des Monats auf von Schnee frei- gehaltenem Rasen nur 6 Zoll, in bearbeitetem lockerem Erdreiche 7 Zoll, unter der, auch im Februar noch mehrmals wechselnden, niemals mehr als durchschnittlich 4 Zoll betragenden Schneedecke 4 Zoll tief gefroren, noch viel weniger, ja kaum oberflächlich in unserem, nichts weniger als diehten Nadelholzwald unter leichter Nadeldecke. Am 4. März erschien hier im Garten der Boden überall durchgethaut. Die jeden Herbst zum Vorschein kommenden, aber im Winter stets zu Grunde gehenden Blüthen- knospen der Paulownia imperialis sind noch grün und lassen ihr Blühen im nächsten Monat erwarten, was in unseren Gegenden seit der etwa um 1850 erfolgten Einführung nur einmal stattgefunden hat. Mehr als 10° ertragen sie nicht, daher die stets getäuschten Hoffnungen. Die Frost- spalten unserer Bäume haben sich in diesem Winter nicht geöffnet, ihr festes Verwachsen im nächsten Sommer ist also zu erwarten, was insbesondere unseren im Laufe der vorangegangenen 3 Winter so viel- fach aufgesprungenen Obstbäumen sehr zu statten kommen und die Kernobstbäume vor Gummifluss und Rindensprung bewahren wird, welche Zustände gegenwärtig noch mit dem ganz unpassenden Namen Baum- krebs bezeichnet werden. Seit 1791, in welchem Jahre überhaupt hier mit Anstellung regelmässiger meteorologischer Beobachtungen begonnen ward, hat man hier noch niemals einen so milden Winter mit Tem- peratur von (nur einmal Nachts 9°), verbunden mit so wenig Schnee, im Ganzen nicht mehr als 11—12°, erlebt. Dem ohngeachtet sind die eben angeführten Ursachen, der Zurücktritt der höheren Temperatur in der Vegetationsschicht im Januar, die geringe Wärme des Februar und der Hälfte des März vollkommen ausreichend gewesen, um die gesammte Vegetation in der ebenfalls angedeuteten Weise zurückzuhalten, die in anderen Jahren nach sehr strengen Wintern oft viel weiter entwickelt war als gegenwärtig (31. März). .Bulbocodium, Iris reticulata M. B., Eranthis, Crocus blühten nach schweren Wintern seit 1855 bis heut in 10 ver- schiedenen Jahren stets Anfang März oder gar Ende Februar, am frühesten 1866 am 8. Februar. Die mittlere Temperatur des März beträgt + 3,79°,

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Wenn wir nun versuchen, aus allen diesen zum Theil so anomalen Vor- gängen für das Gesammtleben der Pflanzen überhaupt einige Resultate zu ziehen, so ergiebt sich hieraus, dass die Temperaturverhältnisse das ganze Pflanzenleben vorzugsweise beherrschen, das fast ganz von ihnen abhängig erscheint, so dass an eine typische Veränderung, von der jetzt so viel gesprochen wird, ohne wesentliche Umgestaltung derselben nicht zu denken ist. Am beweglichsten erscheinen unsere einjährigen auf organische Thätigkeit ihrer Wurzeln weniger angewiesenen Gewächse, von denen 113 Arten beobachtet wurden.

Die meisten keimen schon früh im Sommer, blühen aın Ausgange desselben und wachsen in den Herbst und Winter hinein, je nachdem die Temperaturverhältnisse es gestatten, wobei aber auch natürlich individuelle Verhältnisse sich geltend machen. Die niedrigen, unsere Aecker und Gärten bewohnenden, mit langhingestreckten Aesten versehenen Arten, wie Veronica hederaefolia, persica, Vaillantia, Stellaria media u. v. a. er- halten sich unter Schutz des Schnees in jedem Winter, darüber hervor- ragende erliegen, entfernt man absichtlich den Schnee, wie ich in den kalten Wintern 1829/30, 1830/31, 1870, 1871/72 mehrfach beobachtete, werden bei 20° selbst die härtesten, wie Alsine media, Poa annua, eben- falls getödtet.

Die perennirenden Gewächse folgten nicht so willig und hin- gebend der herrschenden Strömung. Im Laufe des ganzen Winters kam es bei ihnen nicht zur Entwickelung eines einzigen hervorragenden blüthen- tragenden Stengels. Wie ich schon in der ersten Mittheilung bemerkte, trieben sie nur bis zur ersten Kälteperiode, den 13. December 1872, und zwar nicht unmittelbar aus der Wurzel, sondern nur aus etwa noch vor- handenen mehr oder weniger erhaltenen primären Achsen, oder von Seitenzweigen, Blüthen, die meistens den früheren an Zahl und Grösse nachstanden, mit alleiniger Ausnahme einiger kleinen Potentillen, wie Potentilla Güntheri und argentea, welche selbstständige Zweige aus den Aesten des Wurzelstockes zum Vorschein brachten. Die über den Boden aus der nur schwachen Schneelage hervorragenden wurden durch die Decemberkälte aueh noch vernichtet. Es blieben nur die grünen Wurzel- oder richtiger Winter-Blätter, wie ich sie nenne, zurück, wie sie in jedem Winter sich erhalten und erst ım Frühjahr nach Hervorsprossen der neuen verirocknen. Sie bilden, wie ich schon im Jahre 1829 nach- gewiesen habe, nebst den inneren Blättern der perennirenden, stark be- stockten Gräser und Cyperaceen den grünen Rasen, der auch nach dem härtesten Winter unmittelbar nach dem Schmelzen des Schnees das Auge erfreut und in früheren Zeiten, jetzt wohl nicht mehr, als Produet winter- licher Vegetationsthätigkeit angesehen wurde, Als recht augenfällige Bei- spiele führe ich hier an mehrere Farme, vor allen Aspidium aeuleatum, dann auch Aspidium Filix mas und spinulosum (nicht femina oder alpestre,

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die zeitig im Herbste vertrocknen), Polypodium vulgare, Asarum europaeum, das sich deswegen vorzugsweise zur sogenannten Wintergärtnerei eignet. Den als wahre Winterblumen bezeichneten Helleborus und Bellis schlossen sich in dieser Hinsicht für diesmal die im December und Januar aus- nahmsweise zur Blüthe gelangten Frühlingsgewächse an, wie Eranthis, Primula, Hepatica, Galanthus, Leucojum, insofern sich ihre Blüthezeit durch die Unterbrechung, welche sie durch die kalten Tage des Februar erfuhren, auf 3 Monate bis in den März hinein verlängerte.

Leberblumen und Primula erlangten auch erst in diesem Monat ihre vollständige Ausbildung, woraus sich dann unter anderen auch die Un- natur dieses ganzen Verhältnisses klar herausstellt.

Bäume und Sträucher folgten nur äusserst langsam der ungewöhn- lich erhöhten Temperatur. Die mit Deckblättern versehenen Knospen waren zwar sichtlich angeschwollen, die geöffneten der Sambucus liessen die Blätter deutlicher erkennen, doch hüllten die grossen Deckblätter von Cornus mascula noch ihre Blithe ein, welche schon länger als 4 Monate vorher eine ungewöhnliche Ausbildung erlangt hatten.

Inzwischen fehlt es hier nicht an einigen merkwürdigen Ausnahmen isolirter Entwickelung einzelner Holzgewächse, für welche ich keine nähere Ursache anzugeben vermag. So stäubte bereits am 10. December ein unter Schutz von Fichten, also keineswegs ganz und gar dem Sonnenschein ausgesetzter Strauch von Corylus Avellana, ent- wickelte auch sogar weibliche Blüthen, während bei allen anderen in unserem Garten und anderswo in der Umgegend von Breslau, weder im Januar noch Februar, sondern erst im Anfange des März das Stäuben der Kätzchen erfolgte.

Wo möglich noch merkwürdiger erschienen zwei Knospen von Aesculus rubieunda mit bis zu 2 Zoll Länge ausgewachsenen Blättern, die Herr Lösener auf unserer Promenade am 20. Januar an einem Baume fand, dessen übrige Knospen sich sämmtlich erst Ende des März öffneten.

Es erinnert dies Vorkommen an den berühmten Kastanienbaum des 20. März in Paris, dem Jahrestage der Geburt des Königs von Rom und der Landung von Bonaparte in Cannes 1815, von dem ich jedoch nicht weiss, ob ihn nicht schon längst das Geschick der Vendome - Säule erreicht hat. -

Wenn wir aber nun, abgesehen von diesen Ausnahmen, das Verhalten des Kernes unserer Vegetation, das der perennirenden Gewächse im Gan- zen und Grossen erwägen, sehen wir doch, dass unter allen Umständen die Natur sie zu einer gewissen Ruhe in der winterlichen Zeit bestimmt, in welcher ihre ganze Lebensthätigkeit sich auf innere organisch- chemische Processe beschränkt, die zu ihrer späteren Entwickelung wesentlich noth- wendig sind. Nur dann wird sie unterbrochen, wenn hohe Kältegrade

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das Erstarren ihrer flüssigen Theile veranlassen, wie dies freilich bei uns in jedem Winter in höherem oder geringerem Grade stattfindet. Insofern es aber Pflanzen giebt, die unter ihren gewöhnlichen normalen Verhält- nissen niemals gefrieren, feblt es auch nicht an Ausnahmen von dieser Regel, und dies sind, meinen Beobachtungen zufolge, die unter dem Schutze der Eisdecke in der Tiefe der Gewässer sprossenden Wasserpflanzen, welche ich in Folge dessen auch benutzte, um die niedrigsten Wärmegrade zu bestimmen, bei denen überhaupt noch Wachs- thum erfolgt. Dass Samen von Camelina saltiva bei + 1,5 bis -+ noch keimen, hatte ich früher schon gefunden, zu vorliegenden Versuchen wählte ich die in unserem Graben mit stehendem Wasser wachsende Nymphaea lutea, Villarsia nymphoides und Anacharis Alsinastrum. Zwei Sprossen von jeder der beiden ersten Pflanzen von zugespilzter kegelförmiger Gestalt mit vollkommen eingerollten Blättern, ebenso die Anacharis, wurden vor- sichtig aus dem Wasser gehoben, gemessen und wieder in 4 Fuss Tiefe am 28. October 1871 in den Graben versenkt, der sich schon am 25. October mit einer dünnen Eisdecke überzogen hatte, die bis zu Ende des Versuchs, bis zum 9. Januar, sich bis zu 1 Fuss Dicke verstärkte. Mittlere Temperatur des November = + 1,16°, niedrigste Temperatur 4,6°, die mittlere des December 3,50, die niedrigste 19°. Die Teıin- peratur des Wassers schwankte zwischen + 2 und 5°, der neben dem Wassergraben befindliche Gartenboden unter der nur schwachen Schnee- decke war Anfang des Januar 6 Zoll tief gefroren. Das Wachsthum der Nymphaea und Villarsia betrug in dieser Zeit, also nach etwas über zwei Monaten, 2!/, Zoll, die Anacharis hatte 1 Zoll lange Sprossen getrieben. Diese überaus niedrige Temperatur war also ausreichend gewesen, um noch Wachsthum zu vermitteln. Uebrigens ist der Schutz des Wassers für Erhaltung unserer in der Tiefe wurzelnden Wasserpflanzen sehr noth- wendig, da für Wurzeln von Nymphaca, für Aldrovanda, Myriophylium, Utrieularia schon wenige Kältegrade tödtlich werden. Ist die \Vasser- schicht so niedrig, dass sie bis auf den Grund ausfriert, werden die Pflanzen meist getödtet. Hierin liegt ein Hauptgrund des zeitweisen Ver- schwindens derselben.

Uebrigens war die milde Witterung in ganz Deutschland verbreitet. Im Norden bei Berlin nach den Herren Dr. Bolle und Asceherson, im Süden aus Hohenheim (Herr Prof. Dr. Fleischer), aus dem Westen Deutschlands liefen ähnliche Berichte ein. Um einen möglichst genauen Anhaltspunkt der Vergleichung zu gewinnen, benutzte ich die Anwesen- heit eines kundigen und scharf beobachtenden Freundes, Herrn v. Thielau, in Wiesbaden und ersuchte ihn, mir Knospen einer Anzahl auch bei uns wachsender Bäume und Sträucher zu senden. Bei Vergleichung der ersten, am 12. December hier angelangten Sendung ergab sich, dass die Ent- wiekelung in dem sonst viel wärmeren Wiesbaden sich gerade so ver-

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hielt, wie in unserer Gegend, deren mittlere Temperatur um fast -+ 20*) niedriger ist. Im Januar machte die Vegetation viel grössere Fortschritte, daher eine fernere Vergleichung Resultate nicht mehr liefern konnte.

Eigentliche Winterkälte herrschte im vergangenen Winter in Nord- Amerika (, Times‘ 8. Februar 1873). Der 29. und 30. Januar 18753 waren die kältesten Tage in diesem Winter, und in einigen Gegenden die käl- testen, die dort überhaupt beobachtet wurden. Die „Polarwelle“, wie sie die amerikanischen Zeitungen nennen, bewegte sich von West gegen Ost, indem der kälteste Tag im Missisippithale der 29. Januar, an der Küste des atlantischen Meeres aber der 30. Januar war. Am 29. Januar stand das Thermometer am niedrigsten in Coony (Pennsylvanien) 37,70 C. und in Sparta (Wisconsin) 40° C., am 30. im Osten, während die Temperatur etwas gestiegen war, zu Mauch Chunk in Pennsylvanien 57,70 C., in Philadelphia selbst zwischen 23 bis 26° C., die tiefste Temperatur, die jemals dort beobachtet worden ist.

Diese für Amerika so strenge Kälte wurde für Europa durch einen,

sehr gelinden Winter compensirt, wie dies schon mehrfach beobachtet worden ist, und beweist auf’s Neue den Dove’schen Satz, dass die Ur- sachen der Wärme nicht cosmischen Ursprungs sind, indem die Ab- weichungen niemals local auftreten, sondern stets anf grosse Strecken ver- breitet sind und sich allemal in der Weise compensiren, dass einem Wärmemangel an der einen Stelle der Erdoberfläche ein Wärmeüberschuss an einer anderen Stelle entspricht.

Nachschrift, den 20. Juni 1873. Dem eben geschilderten so mil- den Winter sollte noch ein trauriges Nachspiel folgen. Schon die 2 bis 3 Grad kalte Nacht vom 22. bis 23. April war nicht ohne Nachtheil für die Vegetation vorübergegangen. Bedenklicher sah es am Morgen des 24. aus, nach einer nächtlichen Tremperatur von (im Freien viel- leicht 7°), die sich erst gegen 10 Uhr früh bis auf —0° erhob. Steif gefroren boten die krautartigen Pflanzen des botanischen Gartens einen merkwürdigen Anblick dar. Die Stengel der büschelartig wachsenden Ranunkuleen, wie Paeonien, Delphinien, Adonis, der Potentilleen, Dielytra, Papilionaceen u. s. w., excentrisch mit nach der Erde gebogener Spitze, Einzelpflanzen, wie-Raps, Kohlblüthe, nur nickend, Blätter von beiden Seiten nach unten gerollt, Stengel von Liliaceen, blühende, wie 2 bis 2'/, Fuss nohe Kaiserkronen, Hyazinthen, Tulpen und nicht blühende,

*) Ascherson vergleicht unsere damaligen Vegetationsverhältnisse mit Recht mit denen der Mittelmeer-Region. In der That entwickelt sich z. B. Galanthus nivalis in Fiume stets am Anfang des Januar, 1869 am 9. Januar, 1870 am 7. Januar, 1871 am 3. Januar (Fritsch, Oesterr. Zeitschrift für Meteorologie 1871, $. 60), wie dies ausnahmsweise bei uns auch der Fall war.

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nicht gebogen, sondern mit steif anliegenden Blättern platt auf den Boden gestreckt. Alle erholten sich allmälig im Laufe des Tages und kehrten nach 4 bis 5 Stunden in ihre frühere Lage zurück; der zierliche Sauer- klee behielt die zurückgeschlagenen Blätter noch mehrere Tage bis zur Wiederkehr höherer 'T'emperatur von + 10%. Nur die Japanische Flora erfuhr dauernden Nachtheil. Das Laub der bereits schon üppig vegetiren- den krautartigen und die eben entwickelten, mit ganz jungen Trieben versehenen Holzpflanzen waren erfroren und vertrockuneten alsbald, so dass man sie zu Pulver zerreiben konnte. Zu ersteren gehörten die bereits 4 Fuss hohen Polygonum spicatum 8. et Z. (Steboldi), Anemone japonica 8. et Z., Clematis japonica, Epimedium Ikariso, macranthum Decaisne, Aralia edulis, Funkia spathulata, Trieyrtis hirta Dec., zu den letzteren Cordia thyrsiflora, Catalpa Kämpferi, Diospyros Kaki, Indigofera Dojua, Diospyros pubescens, Kaki, Deutzia Fortunei, Fraxinus mandschurica, Kölreutera japonica, Callicarpa gracilis, Rhus succedanea, Sophora japonica, Vitis rupestris, Hydrangea japonica, welche sämmtlich sonst bei uns fast ohne Schutz ausdauern. Jedoch erholten sie sich sämmtlich nach wenigen Wochen, die perennirenden krautartigen aus Wurzeltrieben, die holzigen aus den der getödteten Gipfelknospe zunächst liegenden seitlichen Knospen. Dies Letztere er- folgte auch auf ganz gleiche Weise bei den Eichen, die sämmtlich, nord- amerikanische @. rubra, coccinea, Castanea, alba, palustris; mongolica, macrocarpa, obtusifolia, pannonica, Phellos etc., wie einheimische @. Robur, peduneulata und Cerris auf gleiche Weise erfroren waren, wie auch Juglans regia, Pterocarya caucasica, Celtis oceidentalis, Chimonanthus fragrans, Ficus Carica, Rhus Toxicodendron, Calycanthus floridus, Cissus orientalis, Oytisus Laburnum, Weldeni, Weiss- und Rothbuchen, hie und da auch Ross- kastanien. Der Weinstock hatte bei uns nur an sehr geschützten Stellen an der Spitze Blättchen getrieben, welche allerdings erfroren waren, jedoch erstreckte sich auch hier, wie bei allen anderen vorgenannten, die Wirkung nicht über den Bereich des Knospenkegels hinaus, nicht auf den Markcylinder oder die Markstrahlen, wie dies bei unseren Obst- bäumen in Folge von Winterfrösten vorkommt. Für die Zukunft des- selben war also für den Weinstock eben so wenig etwas zu besorgen, wie für alle anderen genannten affızirten Pflanzen. Auch am Rhein, wo er schon mehr Blätter als bei uns getrieben hatte, sollen sich die Aussichten viel günstiger gestalten, als man unmittelbar nach dem Froste erwarten konnte; am wenigsten ist wohl einzusehen, warum, wie es häufig hiess, auch für die nächstjährige Weinernte man gerechte Besorgnisse hegte, alles reine Sensationsnachrichten, die nur dazu dienen, die Preise der Weine über die Gebühr zu steigern. Aehnliches hat sich bei uns auch besonders bei dem Raps erwiesen. Die in voller Blüthe stehenden Hauptachsen hatten besonders auf den dem Winde sehr ausgesetzten Feldern sehr gelitten, die Pistille waren braungelblich gefärbt und ganz erschlafft,

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jedoch die später erst blühenden, zur Frostzeit noch wenig entfalteten Seiten- achsen ersetzten aber diesen Verlust später hinreichend und diejenigen Eigen- thümer sind daher sehr zu bedauern, welche, zu früh verzweifelnd, bald zum Unterackern grosser Massen geschritten waren. Nicht selten wurden Längs- spalten in der Spiraldrehung der Stengel beobachtet, die sich oft bis auf den 4., ja selbst den 3. Theil ihrer Länge erstreckten, ob stets nur Folge des Frostes wurde vielfach bejaht, von anderer Seite aber auch widersprochen. Die um die Frostzeit schon verblühten Aprikosen setzten Früchte an und haben sich „erhalten, ebenso die noch nicht entfalteten Aepfel und meist auch die Birnen, die nur zum Theil blühten; Kirschen standen bei uns in voller Blüthenpracht, Blüthen ohne Deckung, d. h. ohne Schutz durch über- oder auch seitlich stehende Zweige, zeigten braune Flecken und dann stets auch Affectionen der Pistille, die bald ganz schwarz wurden, häufig auch wenn Blumenblätter nicht gebräunt erschienen. Wo nur aber irgend in Folge von Lage und Verhältniss der Höhe, wenn sie auch nur wenige hundert Fuss betrug, die Entwickelung etwas zurückgeblieben war, machte sich ein nachtheiliger Einfluss niederer Temperatur nicht geltend, der überhaupt eigentlich für unsere ganze Provinz glücklicherweise nur

sehr gering anzuschlagen ist. In unserem botanischen Garten waren ferner

noch erfroren: die eben entfalteten Blüthen der sonst stets im Freien stehen- den Rhododendron caucasicum, Magnolia Yulan, von südlichen Pflanzen noch die Blätter von Borago orientalis, während merkwürdigerweise eine Menge strauchartiger Cistus-Arten, etwa 25, die bereits seit dem 10. April in’s Freie gestellt worden waren, diese bedeutend niedere "Temperatur, ganz gegen die Gewohnheit anderweitigen Verhaltens südeuropäischer Gewächse, bei uns ohne Nachtheil ertragen hatten, vielleicht in Folge des Harz- gehaltes ihrer Säfte.

In einem benachbarten Garten waren junge Erbsen, in der Baum- schule der Gartenbau-Section Tausende von jährigen Kirschbäumchen er- froren, welche letzteren einen starken Geruch nach Blausäure verbreiteten: das der Blausäure gleichriechende ätherische Oel entwich mit der Feuch- tigkeit.

Zu dem nachstehenden Verzeichniss lieferten Beiträge auf dankens- werthe Weise die Herren Unverricht in Myslowitz, Zimmer in Striegau, die Herren B. Stein, Schumann, Knebel und L. Becker in Breslau.

Verzeichniss der bis zum 11. December 1872 blühend gefundenen Pflanzen. (* bezeichnet exotische Gewächse meist des botanischen Gartens.) Monokotyledoneen:

Poa annua (Striegau), trivialis L. Arrhenalherum elatum. Dactylis glomerata (Striegau), Breslau. Lolium perenne, L. temulentum L. * Secale

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cereale (Striegau). Festuca gigantea Mysl. * Avena sativa (Striegau ), Hierochlo& odorata. Hordeum murinum L. *Hordeum distichum, der Reife nahe. Alopecurus pratensis L. Bromus mollis L. Phleum pratense Br. ® Phalaris canariensis. Luzula campestris, Proskau. * Tradescantia virginica.

Dikotyledoneen:

Corylus Avellana, nur ein Strauch im botan. Garten den 10. December stäubend. Urtica urens L. Urtica dioica L. Parietaria erecla Koch. Chenopodium album L. (Striegau), murale, bonus Henricus Br. Amarantus retroflexus, Proskau. Rumex erispus, Striegau, Acelosa. Plantago lanceolata, Striegau. Daphne Mezereum, botan. Garten. Armeria vulgaris, Plantago lanceolata Br. Valerianella Cornucopiae. Scabiosa arvensis, Striegau. Sca- biosa ochroleuca (Striegau) Br., *purpurea. Tussilago Pelasites L. Tussilago Farfara, mit ganz ausgebildeten Knospen, Obernigk. Erigeron aecris L. Erigeron canadensis (Striegau). Bellis perennis L. Solidago Virgaurea, Striegau. Calendula offieinalis (Proskau). Inula salicina, Gogolin. Anthe- mis arvensis (Striegau), Colula L., Chrysanthinodorum Br. _Anthemis tinetoria. Achilles Millefolium L. Achilleu« magna. Matricaria Chamomilla L. (Striegau), Silybum marianum. Artemisia campestris L., Striegau. Tanacetum vulgare L. (Striegau), Stenactis annua. Helichrysum arenarıum (Striegau, Obernigk). Helichrysum luteo- album. * Helichrysum bracteatum. ® Chrysanthemum coronarium. * Helianthus annuus. * Tagetes patula. * Xeran- ihemum annuum, Proskau. *Galinsoga parviflora. * Pyrethrum Parthenium. ® Pyreihrum sinense. »Senecio vulyaris (Striegau) Br. Senecio vernalis L. (Gogolin). Senecio Jacobaea L., Striegau, Br. Senecio viscosus L. Striegau. sSenecio silvaticus L., Striegau. Carlina vulgaris L., Obernigk. * Öenlaurea Cyanus (Striegau, Gogolin in Menge). Centaurea Jacea (Striegau). Centaurea paniculata, Striegau. Centaurea Scabiosa, Striegau. ® Centaurea austriaca. * Centaurea tenuifolia. Carduus acanthoides L. (Proskau) Breslau. Lappa minor W. Lappa tomentosa W. Cirsium oleraceum DC. Onopordon Acanthium L. *Georgina variabilis. Lampsana communis L. Apargia auctumnalis, Striegau. Taraxacum offieinale (Striegau). Sonchus oleraceus (Striegau) asper Vill. Crepis tectorum L. (Striegau). Crepis biennis, Striegau, virens. Hieracium Pilosella L., Striegau, Obernigk. Hieracium eymosum L. var. poliotrichum, Striegau. Hieracium murorum L., Striegau. Hieracium rigidum L., Striegau. Hieracium sabaudum L. Hieracium erocatum. *"Galinsoga parviflora Schk. * Calliopsis fimbriata Sch. * Lobelia Erinus L. *Lobelia grandiflora L. Jasione monlana, Obernigk. Phyteuma spicatum, Striegau. Campanula patula (Striegau). Campanula persici- Jolia, Striegau. Campanula glomeralta, Striegau. Campanula cervicaria L. Campanula rapunculoides L. (Obernigk) Br. (Campanula rotundifolia, Obernigk. Galium verum, Striegau. Galium aristatum, Striegau. Sherardia arvensis (Striegau). * Asperula azurea seltosa. Sambucus racemosa,

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die Blüthen stark entwickelt. * Salvia pomifera L. *Origanum hirtum L. Thymus Acinos L., Striegau. Thymus Serpyllum L., Striegau. Prunella vulgaris, Striegau. Nepeta camphorata W. * Nepeia Nepetella W. Lamium album L. Lamium amplesxicaule L. (Gogolin).. Lamium purpureum L. (Striegan). Lamium maculatum L., Striegau. Galeopsis Ladanum L. (Gogolin). Stachys recta L., Gogolin. *Stachys suberenala L. * Stachys satureioides L. Ballota nigra L. (Striegau, Proskau). * Verbena hybrida L. *Convolvulus tricolor L. Cerinthe minor L., Myslowitz. Echium vulgare L. (Striegau, Gogolin). Lithospermum arvense L., Myslowitz, Striegau. Echium vulgare L. Anchusa officinalis L. Anchusa arvensis. * Borago offieinalis, Proskau. * Nicotiana paniculata W. * Petunia violacea. Solanum nigrum L. (Proskau). Solanum miniatum Bernh., Proskau. Solanum tuberosum, mit wallnussgrossen Knollen und Y, Fuss hohen Stengeln). Verbasecum Lychnitis L., Proskau. Verbascum phlomoides L., Proskau. * Antirrhinum majus. * Verbena Melindris. *Digitalis lanata L. Veronica praecox. Veronica Buxbaumii (Striegau, Proskau). Veronica serpyllifolia L., Proskau. Veronica arvensis L., Striegau. Veronica chamaedrys L., Striegau. Veronica hederaefolia, weit entwickelt. Penstemon Murrayanum. Primula veris, *Auricula, *cortusoides. Anagallis phoenicea (Striegau, Obernigk). * Phlox Drummondi. *Gilia achilleaefolia. Astrantia major L.

Eryngium planum I. Pimpinella Sazxifraga L. (Striegau). Pastinaca |

sativa. Aethusa COynapium L. (Proskau). Aegopodium Podagraria. * Anethum Foeniculum, "/, bis 1 Fuss hoch. Sesei annuum, Striegau. ® Anethum graveolens L. * Peucedanum austriacum L. Heracleum Sphon- dylium L. Daucus Carota silvestris (Striegau). (Conium maculatum L. Ranuneculus acris (Striegau, Breslau). Caltha palustris. Ranunculus nemo- rosus DC. * Ranunculus anemonefolius, Sardous COrtz. Helleborus niger (Breslau, zu Proskau, wo verblüht, mit grossen Karpellen). * Nigella arvensis, Gogolin. * Delphinium Ajacis. D. Consolida. Chelidonum majus. * Vesicaria utriculata. Arabis Thaliana, Striegau, Gogolin. Ber- teroa incana DC. (Öbernigk). Erophila vulgaris DC., Gogolin. Ca- melina sativa. Thlaspi arvense DC. (Striegau). Thlaspi campestre, Gogolin, Proskau, * Lepidium sativum. Sisymbrium offieinale (Striegau). Sophia, Thalianum. Erysimum cheiranthoides (Proskan). Arabis arenosa (Mysl.). *Cheiranthus Leucojum, * Cheiri. * Maithiola incana, Proskau. * Eruca sativa DC., Proskau. *Iberis umbellata. * Camelina sativa DC. Capsella bursa pastoris (Cr. (Striegau, Gogolin, Proskau). .Lepidium ruderale L. (Striegau). * Brassica oleracca L. * Brassica Napus L. * Brassica Rapa annua L. *Sıwnapis nigra L. (Gogolin, Proskau), arvensis. Raphanus Raphanistrum L. (Striegau, Gogolin),. * Raphanus sativus, (Proskau). * Reseda odorata L. (Proskau). * Helianthemum roseum. Viola tricolor L.. (Striegau, Proskau). Viola odorata L. (fl. alb. Proskau und im November zu Sagan, Hirschberg ete.). Illecebrum ver-

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ticillatum, Gogolin. Herniaria glabra L., Gogolin. Spergula arvensis L. (Striegau). Scleranthus annuus (Gogolin). Seleranthus perennis L., Gogolin. Alsine media L. (Striegau). Arenaria serpyllifolia L. (Striegau). Arenaria rubra L. *Stellaria Holostea. Cerastium vulgalum (Striegau). Saponaria offieinalis. Dianthus arenarius L. Dianthus carthusianorum L., Striegau. * Dianthus trifurcatus L. *Gypsophila acutifoia L., Proskau. *Gypsophila sabulosa W. Gypsophila muralis L., Striegau. Lychnis dioica W. (Striegau). Lychnis diurna W., botan. Garten. * Lychnis chalcedonica L. Agrostemma Githago, Gogolin; um Breslau der Blüthe nahe. Malva neglecta W., Striegau, *crispa, *mauritiana. Malva borealis W. (Proskau). Maiva silvestris W., Proskau. *Althaea rosea L. Euphorbia helioscopia L. Euphorbia Peplis L. Euphorbia Lathyris (botan. Garten). Erodium cieutarium. * Pelarganium inquinans. * Pelargonium zonale. Geranium pusillum (Striegau). Geranium pratense L. Geramium columbinum L., Striegau. Geranium Robertianum L., Striegau. * Linum usitasissimum L., 1Y,—2 Fuss hoch, verblüht und mit Knospen. *Oenothera mollis L., * Tropacolum majus. Rosa canina L., Striegau, *semperflorens. Rubus Idaeus L. (Proskau: mit Blüthen und Früchten). Fragaria elatior L., Proskau. Potentilla argentea L. (Striegau). Potentilla Güntheri W. Potentilla alba L. Potentilla recta L., Striegau. Aphanes arvensis L. *Geum Rafinesgqueanum Lehm. *Geum rubellum L. *Pyrus japonica. Sarothamnus vulgaris, Obernigk. Genista tinctoria L. *Cytisus hirsutus L. Anthyllis L. Melilotus vulgaris, Striegau. Medicago falcata L., Striegau. Trifolium arvense L. (Striegau). Trifolium pratense L. (Striegau, Gogolin). Trifolium repens L., Striegau. Trifolium montanum L., Striegau. Trifolium alpestre L., Striegau. Trifolium agrarium L., Striegau. Trifolium filiforme L., Striegau. Vicia teirasperma L., Striegau, cracca. *Vieia sativa L., 2 Fuss lang. *Vicia Faba L. *Pisum sativum L., 2 Fuss lang, im August gesät, lieferte am 6. December noch ein Gericht. Ornithopus perpusillu, Obernigk. *Lupinus luteus. * Ruta graveolens L. * Tropaeolum majus L., Proskau. * Philadelphus coro- narius L., Proskau.

Mehrere Pilze wachsend: Polyporus igniarius, velutinus, Thelephora hirsuta, Agaricus fascicularis, velutipes, lateritius und einige andere.

Von obigen 228 Arten sind 64 ausländische und 164 wildwachsende, 113 einjährige und 115 mehrjährige. Unter ihnen befinden sich 12 Mo- nocotyledonen (9 Gräser), 9 Apetalen, 103 Monopetalen (worunter allein 48 Compositen und 16 Labiaten), 125 Polypetalen, worunter 18 Crueifloren, 19 Caryophylleen und ebensoviel Papilionaceen.

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162 Jahres-Bericht

Herr Obergärtner Stein legte im Auftrage des Herrn R, v. Uechtritz nachstehende Funde neuer Arten resp. neuer Standorte seltener Arten vor:

Die bemerkenswerthesten Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1872,

zusammengestellt von

BR. v Ueechtritz. A. Neue Arten und Formen für Schlesien.

Silene conica L. in einer zwischen Aeckern gelegenen sandigen Kiefern- schouung zw. Polnisch-Nettkow u. Rothenburg a/O. b. Grünberg (Hellwig).

Petasites officeinahis Mnch. var. fallax Uechtritz, Kronen der Zwitterpflanze blaurosa, fast weiss, Blätter unterseits ziemlich stark filzig. Bachufer im Zeiskengrunde bei Freiburg, mit der Grundform, ohne P. albus (Stein).

Carduus erispus >< Personata? Köpfe, Köpfchenstiele, Hüllen von (©. Personata, Blattform und übrige Merkmale von C. crispus. Kirche Wang im Riesengebirge, mit und als ©. crispus 1866 lebend von Dr. Ascherson mitgetheilt. Auch von Neilreich wurden Zwischen- formen zwischen beiden sonst gut unterschiedenen Arten bemerkt (efr. Fl. v. Nieder-Oesterreich), die wohl ohne Zweifel richtiger als Bastarde zu deuten sein möchten,

Cirsium acaule >< lanceolatum Näg. Eine von der beschriebenen ab- weichende Form, dem C. acaule var. caulescens nahe kommend, aber verschieden durch die mehr in die Länge gezogenen Zipfel der unter sich entfernteren Fiederabschnitte der Blätter, durch die nicht eylindrischen Köpfe, schwache, aber deutliche spinn- webige Hüllen und die mit einer kurzen, etwas stechenden Dorn- spitze versehenen äusseren Hüllblätter. Strehlen, in den Peter- witzer Mergelgruden, drei ziemlich conforme Exemplare. August 1855 (Uechtritz).

Hieracium nigritum Uechtritz n. sp. Einerseits ungefähr zwischen H. atratum Fr. und H. vulgatum Fr. in der Mitte stehend, andererseits wegen der, wenn auch nur schwach, halbumfassenden oberen Blätter mit den Alpestribus nahe verwandt. Von Öelakowsky, dem ich diese meines Erachtens neue Art mittheilte, fragweise als H. Epi- medium Fr. bezeichnet; eine Bezeichnung, mit der ich nicht ein- verslanden bin. Kl. Teich im Riesengebirge. (Diagnose folgt später.)

H. juranum Fr. Kessel an der Kesselkoppe (Trautmann). Krkonos (K. Knaf).

H. barbatum T'sch. (H. racemosum auct. ex p.). Dem H. boreale wohl ähn- lich, aber sofort durch den traubigen Blüthenstand, die kurzen

ME 0 En

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 163

Köpfchenstiele und die blassgrüne Farbe der Hüllschuppen leicht zu unterscheiden. Diese südosteuropäische Art findet bei uns die Nordgrenze der Gesammtverbreitung. Vielleicht gehört auch AH. tenuifolium Host hierher, nieht zu H. boreale, wie Fries meint. Ludwigsdorfer Berge bei Schweidnitz mit FH. boreale (F. Peck).

Prunella laciniata L. ß. coerwlea (P. hybrida Knaf). In Gesellschaft von P. laciniata, aber viel seltener als die Normalform. Mordbüschel bei Gnadenfeld O/S. (A. Menzel).

Anagallis arvensis L. var. decipiens Uechtr. Krone trübblau (nicht himmel- blau wie bei A. coerulea), aber der Saum deutlich drüsig ge- wimpert. Stets nur vereinzelt unter der typischen rothen Form vorkommend und wohl oft mit A. coerulea verwechselt. Hinter Kleinburg und auf den Kräutereien um Breslau (Uechtritz). Seydorf bei Warmbrunn (Bachmann). Am Proviant-Magazin im Fort I. in Schweidnitz (F. Peck).

Rumex Steinii Becker. Am Teiche des botanischen Gartens unter R. con- glomeratus und R. maritimus wild. Juli 1863 (Uechtritz). Am Standorte fehlte damals R. obtusifolius, doch scheint unsere Pflanze eher eine Hybride dieser Art und des R. maritimus und ist von R. Knafii Celakovsky verschieden, dagegen allem Anschein nach der echte R. Steinii.

Malaxis paludosa Sw. Auf einem Torfmoor zwischen Raspenau und dem Stritt bei Friedland (Kr. Waldenburg) sehr sparsam mit Eriophorum alpinum und vaginatum (Fick).

Lilium Martagon L. forma tigrina. Schwarze Flecke der Perigonalblätter sehr gross, oft zusammenfliessend. Buchberg bei Reimswaldau im Waldenburger Gebirge (M. Firle).

Luzula flavescens Gdr. Nordseite der kl. Czantory b. Ustron sehr häufig, Pfingsten 1872 (Fritze),. Tannenwald zwischen Bystrzye und Koszarzick bei Teschen, September 1872 (Dr. Ascherson). An der Babiagora häufig (Stein).

B. Wichtigere neue Standorte.

Clematis recta L. Heideberg bei Baritsch, Kr. Jauer (Hiller). Neu für Niederschlesien.

Thalietrum simplex L. Die Stammform, mehr im Norden heimisch, die ich aus Schlesien, wo die südlichere Varietät Th. tenuifolium Sw. herrscht, noch nicht sah. Rain am nördlichen Abhange des Segethwaldes bei Tarnowitz 0/8. (Kutzi).

Th. simplex L. Mittelform zwischen dem Typus und der Var. tenuifolium, an demselben Standort (Kutzi). Erinnert in der Tracht sehr an Th. angustifohum Jacqu.

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164 Jahres-Bericht

Th. simplex L. £ tenuifolium Sw. (Th. Leyi Löhr, Th. laserpitüfolium W.). Schön ausgeprägt bei Tarnowitz (Kutzi).

Anemone silvestris L. Weigelsdorfer Galgenberg bei Reichenbach (Wolf). Vermuthlich der alte von Albertini angegebene Standort ‚am langen Berge“,

A. nemorosa L. f. monstrosa. Zwei normale laubblattartige Hüllblätter, an Stelle des dritten ein einzelnes normal gebildetes, sitzendes schneeweisses Kelchblatt. Reichenbach (Schumann).

Batrachium fluitans Lam. var. Bachiüi Wirtg. In der Katzbach bei Kauffung (Fritze und Stein),

Nuphar pumilum Sm. Papierok-Teich bei Boguschowitz, Kreis Rybnik (Stein und Fritze).

Corydalis cava >< solida? Knolle ausgefüllt, nur an der Basis mit Fasern besetzt, Stengel niedrig, am Grunde mit einer Schuppe, Deckblatt eiförmig-länglich, am Grunde nicht keilförmig, ganzrandig oder an der Spitze unregelmässig eingeschnitten, Blüthenstielehen etwa so lang als die Schote, Sporn eylindrisch, an der Spitze deutlich gekrümmt. Verschieden von C. solida, der sie in der Tracht gleicht, durch die breiteren Blattzipfel von derber Consistenz, durch die Deckblätter und durch die Bildung des Sporns, der ganz wie bei ©. cava, aber kürzer ist. Möglicherweise indessen nur eine sonderbare Form von C. solida, der Var. C. intermedia Merat nahe kommend. In einem Grasgarten in Rösnitz bei Katscher unter den präsumptiven Stammarten (Menzel).

Sisymbrium pannonicum Jacqu. Walter’s Berg bei Grünberg (Hellwig). Zweiter Standort im Gebiet; ob hier vielleicht einheimisch?

Coronopus Ruellüi All. Im Looser Brauerei-Hofe (Berg-Koppe) bei Grün- berg (Hellwig).

Reseda Luteola L. Wegrand am Judenkirchhofe in Grünberg (Hellwig).

Polygala? Torfwiesen um Friedland, Juli 1872 (Fick). Schon 1859 von mir daselbst um Rosenau und Öber-Langwaltersdorf beobachtet. Sonderbare sehr constante Form, der P. vulgaris verwandt, aber meist einstenglig, mit arm- und lockerblüthiger Traube.

Drosera anglica Hds. Wiesen am Papierok-Teiche bei Boguschowitz, Kr, Rybnik (Fritze).

D. anglica et rotundifolia. Ebendort (Fritze).

Herniaria hirsuta L. Schertendorf bei Grünberg (Hellwig).

Epilobium Dodonaei Vill. Auf einer Halde beim Forsthause Kowalliki bei Tarnowitz (Kabath).

[E. anagallidifolium Lam., im vorigen Bericht als bei Schwarzbach im Isergebirge vorkommend angegeben, ist nicht dieses, sondern E.

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nutans Tsch. (E. alpinum der schlesischen Floristen, nicht L.). Erstere Art ist überhaupt in den Sudeten sehr selten und kenne ich bisher nur zwei sichere Standorte: die kleine Schneegrube (schon Tausch) und die Sümpfe um die Schweizerei am Altvater (Fritze).]

Gnaphalium norvegicum Gunn. Am Heidelberge bei Görbersdorf (Strähler). Neu für das Waldenburger Gebirge.

Cirsium oleraceum >< heterophyllum Naeg. Freudengrund bei Görbersdorf (Strähler).

©. rivulare >< heterophyllum Naeg. Wiesen am Storch- und Buchberge nicht grade selten (Strähler).

Hieracium chlorocephalum Wimm. (fide specim.) H. pallidifolium Knaf, H. carpathicum Uechtr. olim e „kleine Schneegrube‘‘ (mec Besser nec Wimmer). Vom Originalstandorte Wimmer’s und Knaf’s, dem Basalt der kleinen Schneegrube, 2. September 1872 (Stein).

Gentiana germanica W. Auf dürren Wurzeln bei Tarnowitz (Kutzi). Mit und als @. Amarella. Der erste Standort am rechten Oderufer im Gebiet.

Echinospermum Lappula Lehm. Schutthaufen am Waltersberge und bei Sedzyn bei Grünberg (Hellwig).

Verbascum phlomoides >< Lychnitis. Im Akademie-Garten in Proskau O/S. auf Rasenplätzen unter den Eltern, wild. 4 Exemplare, August 1872 (Stein).

Veronica opaca Fr. Blasdorf bei Schömberg (Fick). Aecker am oberen Rande der Kolberei bei Friedland (Fick).

Melampyrum saxosum Baumg. Wald über der Hübner’schen Grenzbaude im Riesengebirge (Frau Dr. Stein).

Alectorolophus angustifolius Gmel. Költschenberg bei Schweidnitz, gemein (F. Peck).

Stachys alpina L. Schinderlehne im Eulengebirge (Wolf). Salıw cinerea >< purpurea Wim. 2 Blitzenmühle bei Görbersdorf (Strähler). Alisma natans L. Feldtümpel um Nicolausdorf bei Lauban (Trautmann).

Arum maculatum L. Dobergaster Busch dei Strehlen (Sanitäts-Rath Dr. Bleisch).

Microstylis monophyllos Ldi. Miechowitzer Wald b. Beuthen O/S. (Kutzi).

Epipactis rubiginosa Gaud. Ausser im Segethwald noch im Nakloer Walde bei Tarnowitz (Wossidlo). |

E. violacea Dur. Segethwald bei Tarnowitz (Kutzi). In der Stangowke bei Gr.-Graben bei Festenberg (Limpricht). Somit schon an vier

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Orten in der Provinz. Doch wohl eine eigene, auch durch etwas spätere Blüthezeit ausgezeichnete Art.

Juncus atratus Krocker. Nasse Gräben am Ellguther Walde bei Kosel O/8. (Menzel), Neu für Oberschlesien.

Gladiolus paluster Gaud. Auf einer Wiese am Költschenberge (Kabath).

Ornithogalum tenuifolium Guss. (O. collinum aut. ex p. (mon Gussone) und wahrscheinlich auch O. ruthenicum Bche. apud Kunth). Grasige Abhänge der Gipshügel um Dirschel und Katscher in Menge, hier und bei Kösling zuerst im Mai 1858 von mir unterschieden. Die vorgelegten Exemplare von M. Wetschky gesammelt. Sonniger Hügelabhang bei Burkersdorf b. Schweidnitz (F. Peck). Irre ich nicht, so gehört auch die Pflanze vom Kupferberge bei Danckerith hierher.

Allıum Scorodoprasum L. Rothhirschdorf bei Schweidnitz (F. Peck).

Eriophorum alpinum L. Görbersdorf: auf einem Graben im Fuchswinkel bei Schmidtsdorf und am Zellritzbusche unweit der Dittersbacher Chaussee (Strähler).

Carex maxima Scop. Haue im Kienbusch von Halbstadt bei Friedland (Fick).

CO. brizoides >< remolta G. Rehbech. ‚fl. (C. Ohmülleriana O. F. Lang.). Unter den Eltern bei Nicolausdorf bei Lauban (Trautmann). Zweiter schlesischer Standort; die typische Form mit kriechendem Rhizom, genan mit der baierischen Pflanze übereinstimmend.

Asplenium alpestre Mitt. Görbersdorf, nur auf dem Heidelberge, 2700 Fuss (Strähler).

Herr Dr. W. G. Schneider sprach über die Puceinia Helianthi Schw.,

welche in Russland in den Jahren 1866—68 grosse Verwüstungen in den dortigen Culturen des Helianthus annuus L., der bekannten Sonnenblume, angerichtet hat; diese Pflanze wird in Russland vielfach wegen des in dem Samen enthaltenen Oeles angebaut und wurden die Ernten in den ge- nannten Jahren durch den erwähnten Rostpilz gänzlich vernichtet. Woronin hat die Entwickelungsgeschichte dieses Pilzes in Nr. 335 der Botanischen Zeitung von 1872 näher auseinandergesetzt.

Dieser Pilz findet sich auch in Schlesien und wurde im October d. J. von Herrn Lehrer Gerhardt in Liegnitz in einem Garten auf Helianthus annuus, freilich zu dieser Zeit nur in der Teleutosporen-Form, vorgefunden, welche der Seetion zur Ansicht vorgelegt wurden.

Diese Puccinia gehört zu der Abtheilung der autoeeischen Arten, bei welchen die sämmtlichen 3 Entwickelungsformen, Aeeidium, Uredo und Teleutosporen, sich auf derselben Pflanze entwickeln.

der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur. 167

Puccinia Helianthi: die Teleutosporen bilden auf der Unterseite der Blätter einzelne runde, dunkel zimmtbraune bis fast schwarze, 1 bis 2 Millimeter grosse Flecke und stehen in dichten Rasen beisammen; die einzelne Teleutospore sitzt auf einem ziemlich langen, dünnen, farblosen Stiele und besteht aus 2 sehr fest verbundenen Zellen, welche an der Verbindungsstelle etwas eingeschnürt sind und ein zimmtbraunes, nach aussen sehr verdiektes Exosporium haben. In der Mitte jeder Zelle be- findet sich ein heller, glänzender, fettartiger Kern. Untermischt kommen auch einzelne blos einzellige Teleutosporen vor.

Aeeidium und Uredo sind a. a. OÖ. von Woronin beschrieben.

Nachträge zur Flechten-Flora Schlesiens. II.

Von B. Stein.

Im verflossenen Jahre ist die Ausbeute an schlesischen Flechten eine sehr ergiebige gewesen und ist die Zahl der für Schlesien sicheren Arten um eine ganze Reihe interessanter Formen vermehrt worden.

Besonderen Dank für gütige Mittheilung seltener Funde sage ich den Herren: Professor Dr. Körber und Dr. Stricker in Breslau, Apotheker Fritze in Rybnik, Lehrer Hellwig in Grünberg und Weber Roth in Langenbielau.

Die Standorte ohne Angabe des Finders sind von mir beobachtet worden.

Die für Schlesien neuen Arten sind durch stärkeren Druck hervor- gehoben.

Bryopogon jubatus L. ß bicolor Ehrh. T'hurmsteine an der Sonnenkoppe im Eulengebirge (Roth).

Cornieularıa aculeata Ehrh. c. fruc. Lawaldauer Ziegelei bei Grünberg (Hellwig).

Stereocaulon cereolinum Ach. Schneekoppe, bei 4500 Fuss.

Cladonia Botrytis Hag. Auf faulenden Fichtenstumpen im Revier Goleow bei Rybnik.

C. bellidiflora Ach. f. ochropallida Fw. Feuchte Moospolster der kleinen Schneegrube am Ausgange nach der grossen Schneegrube.

C. cespiticia Autt. Basalt der kleinen Schneegrube.

168 Jahres-Bericht

Evernia vulpina L. Oberhalb der Hofbauden an der Kesselkoppe, 1866 (Stricker).

Cetraria fallax Ach. c. fruct. St. Peter im Elbgrunde, an Fichten.

Sphaerophorus fragilis L. c. fruct. Dreisteine.

Sph. coralloides Pers. Otternstein im Eulengebirge (Roth). An Fichten im Elbgrunde unterhalb des Pantschefalles.

Peltigera pusilla Deks. Rohrbusch bei Grünberg (Hellwig). In Menge in Obernigk am Bahndamme gegen Gellendorf.

P. venosa L. Katzenkoppe im Eulengebirge (Roth). Imbricaria acetabulum Neck. Irrgarten bei Grünberg (Hellwig). Gyrophora polyphylla L. Sonnenkoppe (Roth).

Eindocarpon miniatum L. Sakrauer Berg bei Gogolin.

Normandina viridis Ngl. Wie es scheint im Hochgebirge verbreitet und nur bisher übersehen. Ich sammelte sie in diesem Jahre in Menge auf Sphagnenpolstern der Dreisteine, auf Moosen und Pflanzen- überresten in der kleinen Schneegrube, dem Teufelsgärtehen und an der Schneekoppe dicht unter dem Gipfel.

Massalongia carnosa Decks. Im Grunde der kleinen Schneegrube, reichlich fruchtend.

Pannaria hypnorum Schaer. Grünberg (Hellwig).

Acarospora veronensis Mass. An Lehmwänden alter Weinbergshäuser bei Grünberg (Hellwig).

Lecania Körberiana Lahm. Pappeln der Berliner Chaussee bei Grünberg (Hellwig).

Callopisma cerinum Hdwg. 8 chlorinum Fw. DBasalt der kl. Schneegrube.

C. rubellianum Ach. Granit des Galgenberges bei Strehlen.

Rinodina Biatorina Rbr. sammelte ich im September 1872 an dem Original- Standorte Basalt der kleinen Schneegrube in einem sehr schönen Exemplare.

R. Bischofüi Hepp. Rohrbusch bei Grünberg, an Mauern (Hellwig). R. Conradi Kbr. Telegraphenberg bei Grünberg, auf Moosen (Hellwig).

Lecanora piniperda Kbr. An entrindeten Fichtenstämmen im Elbgrunde, oberhalb St. Peter (Bachmann).

L. caesioalba Kbr. Sakrauer und Ellguther Kalkberg bei Gogolin.

Zeora sordida Pers. Auf Schindeln! eines alten Gartenhauses b. Grünberg (Hellwig).

Ochrolechia tartarea L. Dreisteine, in enorm grossen Exemplaren.

Haematomma ventosum L. Dreisteine, in grosser Menge und sehr schönen Exemplaren,

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der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 169

H. coceineum Decks. Dreisteine.

Aspieilia sanguinea Kmplhbr. Basalt der kleinen Schneegrube.

A. calcarea L. f. ochracea Kbr. Sakrauer Berg.

A. aquatica Kbr. Ueberfluthete Steine im Kessel an der Kesselkoppe.

A. gibbosa Ach. j. porinoidea Fw. Blücherberg bei Grünberg (Hellwig).

A. chrysophana Kbr. Ueberfluthete Steine am Brunnenberge und im Teufelsgärtehen.

Thelotrema lepadinum Ach. Fichten im Ochojetzer Revier bei Rybnik.

Secoliga biformis Kbr. sammelte ich im September 1872 in ziemlicher Menge am Originalstandorte Basalt der kleinen Schneegrube.

Thalloidima lamprophora Kbr. parerg. lich. pag. 119 (sub Psora). Nach Mittheilungen von Dr. Müller in Genf, welchem ich im September 1872 am Basalt der kleinen Schneegrube gesammelte Exemplare dieser seltenen Flechte sandte, sind die Sporen bestimmt dyblastisch, wonach also diese Art unzweifelhaft von Psora zu trennen und zu Thalloidima zu bringen ist.

Th. conglomeratum Mass. Dreisteine.

Th. candidum Web. Sakrauer Berg (Limpricht).

Th. Toninianum Mass. Felsen des Teufelsgärtchens, sehr spärlich.

Toninia cinereovirens Schaer. Kalkfelsen des Sakrauer Berges.

Bacidia rosella Pers. Grünberg (Hellwig).

B. Arnoldiana Kbr. 8 inundata Kbr. Ueberfluthete Granitblöcke in den Bächen der Kesselkoppe.

Biatorina Bouteillei DC. Auf Tannennadeln im Jankowitzer Revier bei Rybnik (Körber, Fritze und Stein).

B. pineti Schrad. Wald am Rudateich und vor Ochojetz bei Rybnik. Biatora atrorufa Deks. Gipfel der Kesselkoppe. B. Ehrhartiana Ach. Grünberg (Hellwig).

B. conglomerata Heyd. Im Elbgrunde unterhalb des Pantschefalles sehr häufig, an Fichten.

B. minuta Schaer. Elbgrund, an Fichten. B. denigrata Schaer. Elbgrund, an Baumleichen.

Bilimbia syncomista Kbr. Moospolster am Gipfel der Kesselkoppe. Abrothallus viduus Kbr. n. sp. Auf dem Thallus von Sticta Pulmonaria an Buchen im Elbgrunde oberhalb St. Peter (Stricker).

A. Smithü Tul. Auf Cetraria fallav an Fichten im Elbgrunde oberhalb St. Peter.

Steinia Kbr. nov. gen. Apothecia biatorina, jam primitus aperta, excipulo destituta, convexa. Lamina sporigera hypothecio grumoso lutescente

170 Jahres-Bericht

enata, paraphysibus capillaribus farcta, sporas parvulas, globosas, monoblastas, hyalinas, in ascis clavatıs pleiosporis fovens.

St. luridescens Kbr. n. sp. Thallus tenuissimus, leprosus v. sub homoeomerico- gelatinosus, luridus, cum protothallo (concolori?) confusus. Apothecia minula, superficialla, convexa v. hemisphaerica, atra, immarginata. Sporae in ascis clavatis 16nae, parvulae, globosae, monoblastae, hyalinae.

An einem hohen sandigen Wegrande in der Nähe des Bahn- dammes hinter Obernigk (October 1872). Die kleinen schwarzen, meist spärlich vorhandenen Früchte sitzen erhaben auf dem sehr dünnen, lederfarbigen Thallus, welcher beim Trocknen etwas heller wird und dann von dem angrenzenden Erdboden sich kaum unterscheidet. Der Thallus trägt ausserdem vielfach sehr kleine punktförmige schwarze Pyenidien, welche zahlreiche elliptische, braunrothe, tetrablastische Stylosporen enthalten.

Die wasserhelle, oberhalb schmutzig braune Schlauchschicht der Früchte zeigt kräftige haarförmige Paraphysen, zwischen denen die zahlreichen Schläuche mit ihren kugelrunden wasser- hellen Sporen zu je 16 in einem Schlauche liegen.

Habituell erinnert die Flechte, welche an dem Standorte weite Flächen bekleidet, an die auf Sand wachsenden Formen der Biatora uliginosa, doch zeigt der erste Blick in das Mikroskop die völlige Verschiedenheit beider Flechten.

Diplotomma alboatrum Hoffm. f. paucinum Mass. Dorfmauern in Peterwitz bei Strehlen.

Buellia badioatra Flke. 8 rivularıs Fw. Dreisteine, Teufelsgärtchen.

B. chloroleuca Kbr. Elbgrund unterhalb des Pantschefalles, an Fichten, sehr vereinzelt.

Lecidella aglaea Smf. Dreisteine.

L. nodulosa Kbr. sammelte ich im September 1872 in einigen sehr schönen Exemplaren am Original-Standorte Gipfel der Schneekoppe.

L. lactea Flke. Basalt der kleinen Schneegrube, gesellschaftlich mit L. alboflava. i

L. goniophila Flke. Sakrauer Berg.

L. borealis Kbr. Gipfel der Kesselkoppe, Teufelsgärtchen.

Lecidea fumosa Hoffm. Galgenberg bei Strehlen. Forma Mosigi Fw. Stein- mauer der Försterei Mebltheuer bei Strehlen.

L. albocoerulescens Wulf. Dreisteine.

L. sudetica Kbr. Dreisteine.

L. verticosa Flke. Kesselkoppe; an sehr alten Exemplaren bildet der Thallus eine sehr dieke, lepröse, schwarze Kruste, welche der Flechte einen von der gewöhnlichen Form sehr abweichenden Habitus giebt.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 171

. superba Kbr. Felsen des Teufelsgärtchens.

. contigua Hoffm. f. convexa Fw. Kesselkoppe.

. monticola Ach. Kiesberg im Rieseugrunde, auf Kalk. coerulea Knephler. Basalt der kleinen Schneegrube.

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. tumida Mass. Basalt der kleinen Schneegrube. (Schon 1853 von Körber aufgefunden und von Massalongo für seine Art anerkannt.)

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. riphaea Kbr. ad int. Ueber Moosen in den Felsspalten der Schnee- koppe (Körber) und auf gleichem Substrat im Melzergrunde von mir gesammelt.

Schlauchschicht oberwärts amethystfarbig. Sporen zu acht, klein, elliptisch, fast thränenförmig. Thallus dünnkrustig, schmutzig- weiss bis hellbräunlich. Apothecien klein, schwarz, mit convexer Fruchtscheibe, deutlich berandet.

Rhizocarpon obscuralum Schaer. Teufelsgärtchen, Kiesberg, auf Kalk.

Sarcogyne privigna Ach. & simplex Dav. Grünberg (Hellwig). Galgenberg

bei Strehlen.

S. pruinosa Sm. f. decipiens Mass. Oberstreit bei Striegau (Zimmermann); f. macroloma Flke. und f. minuta Mass. Sakrauer Berg.

Placographa Lenophona Kbr. Basalt der kleinen Schneegrube.

Opegrapha zonata Kbr. Melaphyrfelsen bei Görbersdorf.

Hazslinszkya gibberulosa Ach. Im Ochojetzer Revier bei Rybnik (Fritze).

XÄylographa parallela Ach. An trockenfaulen Nadelholzstränken über dem rothen Steine bei Görbersdorf. |

Pragmopora amphibola Mass. Kiefern bei Falkenberg (Plosel).

P. Lecanactis Mass. Alte Weiden bei Strehlen.

Sphinctrina tubaeformis Mass. Auf Pertusarienkrusten im Ochojetzer Revier bei Rybnik (Körber, Fritze und Stein).

Calycium byssaceum Fr. An Erlenzweigen im Riemberger Walde bei Obernigk.

C. gemellum Kbr. Sagan, auf Dachschindeln (Everken).

©. pusillum Flke. Sehr schön an entrindeten Buchenstämmen im Elbgrunde.

Conioeybe gracilenta Ach. Grünberg (Hellwig).

Endopyrenium hepaticum Ach. 8 trapeziforme Mass. Spindelmühl im Elb- grunde (Stricker).

E. Michelii Mass. Mauer der Försterei Mehltheuer bei Strehlen.

Xenosphaeria rimosicola Lght. Auf dem Thallus von Siegertia calcarea im Teufelsgärtchen.

Mosigia gibbosa Ach. Dreisteine. Pertusaria chlorantha Zw. An Eichen im Ochojetzer Revier b. Rybnik.

1723 Jahres Bericht

Belonia russula Kbr. sawmelte ich im September 1872 in Menge am Original-Standorte Basalt der kleinen Schneegrube, und zwar an den untersten Felsen der rechten Seite des Basaltrückens.

Segestrella lectissima Fr. Kleine Schneegrube, an Granit.

Sphaeromphale fissa Tayl. Ueberfluthete Felsen an der Kesselkoppe.

Sph. elegans Wallr. Trockene Felsen der Kesselkoppe.

Sporodietyon Henschelianum Kbr. Ueberfluthete Felsen an der Kesselkoppe.

Polyblastia intercedens Ngl. Felsen des Teufelsgärtchens.

P. Sendtneri Kmp. Auf nackter Erde im oberen Theile des Melzer- grundes (Stricker).

P. fallaciosa Sttzbgr. An Birken im Lissaer Parke.

Acrocordia scotophora Mass. Zobten, an Acer Pseudoplatanus an der Kirche. Grünberg, an Pappeln der Berliner Chaussee (Hellwig). Verrucaria hiascens Kbr. Sakrauer Berg und Nieder-Ellguther Kalkberg,

an Kalkfelsen.

V. caleiseda DO. Sakrauer und Ellguther Kalkberg. V. hydrela Kbr. Dreisteine.

V. muralis Ach. 8 confluens Mass. Kitzelberg bei Kauffung. Peterwitz bei Strehlen.

Gongylia aquatica Stein n. sp. Thallus effusus, tenuis, rimuloso-areolatus, laevigatus, cinereo-rufescens, protothallo atro. Apothecia minutissima, hemisphaerica, atra, ostiolo simplici pertusa. Sporae in ascis napiformibus octonae, aciculares, saepe curvatae, pleioblastae, 0,035—0,05 Mm. long. et 0,004 latit., hyalinae. An Steinen (Granit) unter Wasser, Kessel- koppe im Riesengebirge.

Der dünne, sehr kleinschollig gefelderte T'hallus bedeckt grosse zusammenhängende Flächen unter Wasser meist be- nachbart mit Sphaeromphale fissa, Bacidia Arnoldiana inundata etc. ist frisch hell grau-röthlich, beim Trocknen etwas dunkler wer- dend. Die kleinen punktförmigen Apothecien sitzen ihm flach auf, meist auf jeder Scholle eins, Paraphysen sehr dünn, haar- förmig.

Arthopyrenia Laburni Lght. Grünberg, an Cytisus Laburnum (Hellwig).

Microthelia macularis Hpe. An Daphne Mezereum in der kl. Schneegrube.

Lecothecium corallinoides Hoffm. Auf Glimmerschiefer der Kesselkoppe (Stricker).

Collema microphyllum Ach. Alte Weiden am Dorfe Peterwitz b. Strehlen.

©. cheileum Ach. 8 Metzleri Hepp. An Mauern im Dorfe Peterwitz bei Strehlen.

C. glaucescens Hoffm. Auf Thonboden des Bahndammes hinter Obernigk.

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der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 173

Leptogium subtile Schrad. Auf feuchtem Sandboden am Bahndamme hinter Obernigk (Körber).

Mallotium Hildenbrandii Gar. Alte Laubholzstämme bei Krummhübel (Stricker).

Peccania coralloides Mass. Sakrauer Berg bei Gogolin.

Thyrea decipiens Mass. Sakrauer Berg bei Gogolin.

Psorotichia pelodes Kbr. n. sp. Auf Thonboden am Bahndamme hinter Obernigk.

Steht der Ps. Arnoldiana nahe, von der sie aber durch grössere, hell rothbraune Apothecien, durch den nicht so fein- körnigen, schwarzbraunen Thallus und durch Grösse und Umriss der Sporen abweicht.

Sarcosagium biatorellum Mass. Auf der Krone der alten Schiesstand- mauer im Parke von Paruschowitz bei Rybnik.

Nach gütiger Mittheilung von Dr. Müller in Genf zeigen sich die Sporen unter dem Immersionssystem, bei Behandlung mit Aetzkali, 2—5theilig, nicht monoblastisch, wie Massalongo und Körber angeben,

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ILI. Bericht

über

die Thätigkeit der entomologischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1872

erstattet von

K. Letzner,

zeitigem Secretair der Section.

Die entomologische Section hat im Jahre 1872 12 verhältnissmässig zahlreich besuchte Versammlungen gehalten, in denen die Herren Dr. Hodann, Graf Matuschka, Ober-Amtmann Naacke, Dr. Schneider, Dr. E. Schwarz, Dr. Wocke und der zeitige Secretair Vorträge ge- halten oder kleinere Mittheilungen gemacht haben. Der 3. Versamm- lung am 12. Februar wohnte Herr Kupferstecher Habelmann aus Berlin als Gast bei.

In der 12. Versammlung zeigte Herr Graf Matuschka einen Laccobius vor, welchen er in grosser Anzahl in der mehr als 30° R. warmen Plinius- Quelle in Bormio gefangen hatte, und der wahrscheinlich L. intermittens Motsch. ist.

Herr Ober-Amtmann Naacke hielt in der 2. Versammlung, am 29. Januar, einen Vortrag über die bisher angewendeten Tödtungsmittel der Schmetterlinge, insbesondere der Macrolepidoptern, worüber später das Nähere veröffentlicht werden soll. In der Versammlung am 18. November berichtete derselbe über seine Wahrnehmungen in Betreff der Insecten-Fauna in der Umgebung der Grotte von Monsummano und die daselbst gemachte Ausbeute an Lepidoptern, Coleoptern, Cicaden, Hymenoptern und Neuroptern. Zum Schluss gab er eine Beschreibung der gedachten Grotte und eine Beurtheilung über die Heilkraft derselben, insbesondere über ihre Wirkung gegen chronischen Rheumatismus.

176 Jahres-Bericht

Herr Dr. phil. W.G. Schneider sprach in der Sitzung am 26. Februar über die Beziehungen der Insecten zu den Pilzen, worüber er sich spätere Mittheilungen vorbehält. In der Versammlung am 16. December hielt derselbe folgenden Vortrag über

die in und an Insecten schmarotzenden Pilze.

Sowie die Pflanzen von einer sehr grossen Anzahl in und an ihnen lebenden Pilze bewohnt und zum Theil durch sie getödtet werden, ist es derselbe Fall auch bei den Insecten; ist auch hier die Anzahl der parasitischen Pilzarten geringer, so sind sie dafür unbedingt todbringend. Vorherrschend sind es die Larven und Puppen, seltener die vollkommenen Insecten, welche von parasitischen Pilzen heimgesucht werden, und wo- dureh zum Theil die Natur ein heilsames Mittel gegen den zerstörenden Inseetenfrass durch die Vertilgung der massenhaft erscheinenden Raupen und Larven besitzt.

Vittadini und de Bary verdanken wir die vollständige Entwickelungs- geschichte der verschiedenen Pilzformen in Raupen und hat Letzterer bei Untersuchung von Raupen-Epidemien folgende 4 verschiedene Pilzformen aufgefunden: Botrytis Bassiana, Cordyceps militaris, Isaria farinosa und Isaria strigosa.

1. Boirytis.

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Die Botrytis Bassiana, welche bekanntlich die Muscardine der Seidenraupen verursacht, erscheint je nach der Species des Nährthieres in 3 Formen, welche jedoch in einander übergehen; nämlich entweder einen kurzfilzigen Ueberzug, welcher dann mit Conidien bestäubt ist, oder dichte, senkrecht sich erhebende, wolkenähnlich ausgebreitete Hyphen- massen in Gestalt von Polstern; oder endlich in einer aus dicht vereinigten Hyphen gebildeten Isariaartigen Form, welche aus etwa ', Zoll hohen Keulen besteht; diese haben einen festen orangerothen Stiel, aus dessen eiförmigem Ende ein weissfilziges, Conidien tragendes Hyphenbüschel nach allen Seiten ausstrahlt. Diese letztere Isaria-Form fand de Bary nur auf den Raupen von Gastropacha Rubi, die beiden anderen auf denen von Bombyx Mori, Deilephila Euphorbiae und den Larven von Tenebrio moltor.

Die zu Botrytis Bassiana gehörigen Perithecien-Träger sind bis jetzt noch nicht entdeckt und scheinen auch bei Culturversuchen sich nieht auszubilden.

Die Conidien-Früchte der Botrytis Bassiana werden auf septirten farb- losen Hyphen in dichten runden Knäueln durch nach und nach erfolgende köpfehenweise Abschnürung gebildet, indem an den Hyphen zuerst kurze einzellige runde Zweige entstehen, aus welchen durch hefeartige Sprossung am Ende oder seitlich noch mehrere ähnliche hervorbrechen. Die zuletzt entstehenden Zellen spitzen sich pfriemenförmig zu und bilden ein Sterigma,

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Culiur, 177

an dessen Spitze eine Conidie entsteht; unter dieser brechen immer neue Stielehen mit Conidien hervor, welche die früheren bei Seite drängen, bis ein grösseres Köpfehen von angehäuften Conidien entsteht. Diese Conidien sind kugelförmig, keimen sehr leicht in Wasser, Zuckerlösung oder Gelatine, treiben einen Keimschlauch, welcher sich verästelt, an den Enden pfriemlich zuspitzt und an diesen eine oder mehrere Conidien ab- schnürt, welche aber nun länglich und eylindrisch sind und von de Bary Cylinder-Conidien genannt werden. Sie bilden sich zunächst an den in der Flüssigkeit untergetauchten Hyphen, aber auch an den in die Luft ragenden; bei den letzteren werden sie jedoch durch neue Bildungen von Köpfehen runder Conidien bei Seite gedrängt. a: Tsarta,

Von Isaria-Formen finden sich 2 Arten auf Inseeten, nämlich: Isaria farinosa und Is. strigosa.

Die Isaria farinosa wurde auf den unsere Nadelwälder verheeren- den Raupen von Liparis Monacha, Gastropacha Pini u. s. w. von de Bary, Bail und Hartig gefunden und erscheint in 3 verschiedenen Formen auf den Raupen, welche in einander übergehen, nämlich entweder als weisser Schimmel, oder als blass orangefarbene Knäulchen, oder endlich als orangerothe Keulen, welche an der Spitze auf garbenartig verzweigten Fäden die Sporen tragen.

Die Isaria strigosa findet sich ebenfalls auf Inseetenkörpern und ist in ihrer Verzweigung der Is. farinosa ähnlich, auch in Beziehung auf die nach und nach erfolgende reihenweise Abschnürung der Conidien; diese sind aber alle von gleichartiger länglich-eylindrischer Gestalt.

Tulasne zieht die Isaria farinosa in den Entwickelungskreis der Cor- dyceps militaris, wogegen de Bary wegen der Verschiedenheit der von ihm gefundenen Isaria farinosa bezüglich der Gestalt und Stellung der Conidien Zweifel erhebt.

3. Cordyceps (Torrubia, Tul.).

Die Cordyceps-Arten finden sich theils auf Schmetterlingspuppen, theils auf Käfern und deren Larven, oder auf Vespiden und Ameisen, und bilden auf theils kürzeren, theils längeren Stielen keulenförmige oder rundliche Peritheeien, an deren innerer Peripherie die Schläuche mit ihren stabförmigen Sporen sitzen, welche noch vor der Ausstreuung sich in eine Menge Theilsporen trennen und wie ein glitzernder Regen aus den Schläuchen entleert werden.

Die Arten dieser Gattung sind über die ganze Erde verbreitet und mögen hier nur folgende deutsche und eine interessante, bekanntere aus- ländische Art angeführt werden.

1) Cordyceps militaris, Vaill., auf Schmetterlingspuppen, mit statt- lichen, orangefarbenen, keulenförmigen Perithecien; sie findet sich, wie- wohl selten, auch in Schlesien.

12

178 Jahres-Bericht.

2) Cordyceps cinerea, Tul., besonders auf Carabus nemoralis, auch auf anderen Carabus-Arten und deren Larven und Puppen; auf 2 bis 3 Centimeter langen Stielen sitzen die rundlichen Perithecien. Ist mir bis jetzt nur aus der Leipziger Gegend bekannt.

3) Cordyceps entomorrhiza, Dicks., auf Schmetierlingsraupen; Perithecienträger finden sich sehr selten, dagegen ist die Isarien-Form vorherrschend; mir auch nur aus der Leipziger Gegend bekannt.

4) Cordyceps Robertsit, Robin., auf Raupen einer Hepialus-Art auf Neu-Seeland und überhaupt in Ost-Asien; bildet sebr lange, die Raupe um mehr als das Doppelte an Länge übertreffende, eylindrische, dünne Perithecienträger.

5) Cordyceps sphecocephala Klotzsch (Tul.) findet sich auf Wespen-Arten, Auf einem etwa 1 Zoll langen, braunen Stielchen sitzt der rundliche, gelbe, nach unten etwas keulige Perithecienträger. Ein Exemplar dieser Art erhielt ich von Herrn Weberbauer aus der Landecker Gegend.

6) Cordyceps myrmecophila, schmarotzt auf Ameisen, der Stiel ist zart, dünn, höchstens Y, bis '/, Zoll hoch, mit Perithecienträger.

Als auf Insecten schmarotzend ist noch zu erwähnen die Gattung:

4. Melanospora, Corda,

mit häutigen, einfachen, aufgewachsenen Perithecien, mit verlängerter Spitze, einen schwarzen, gallertartigen, dann trockenen, pulverigen Kern einschliessend. Sporenschläuche keulenförmig, gallertartig, $sporig, Sporen einfach u. s. w. Als Art zu erwähnen wäre: Melanospora parasitica, welche auf todten Maikäfern vorkommt. Hierzu soll nach Bail die Isaria Jarinosa als Conidien-Form gehören.

Was nun die Einwanderung in die Raupen und die weitere Ent- wickelungsgeschichte der Botrytis Bassiana und der Isaria-Arten betrifft, so finden diese in ziemlich analoger Weise statt. De Bary benutzte zu seinen Versuchen die Raupen von Deilephila Euphorbiae, deren durch- sichtige, gelbe Flecken eine bequeme Beobachtung des Eindringens, Kei- mens und der weiteren Entwickelung der Sporen gestatteten.

Wurden die Conidien-Sporen von Botrytis Bassiana auf die Haut der Raupen gesät, so hafteten sie fest und keimten nach einigen Tagen; die Keimschläuche dringen nach kurzem horizontalem Verlauf ein und wachsen nach innen senkrecht weiter, während der aussen befindliche Theil ab- stirbt, verzweigen sich im Innern strahlig unter der Haut der Raupe, welche sich braun färbt; die eingedrungenen Hyphen schnüren dann Cylinder-Conidien ab, welche sich immer mehr durch weitere Abschnürungen vermehren, so bald sie in das Blut gelangen. Die Raupe wird matt und bewegungslos, mit dem Nahen des Todes hört die Bildung von Cylinder- Conidien auf, diese wachsen zu langen, verästelten Schläuchen aus und

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der Schles. Gesellsch. £. vater. Cultur. 179

bilden ein Mycelium, welches die ganze Masse des Thieres bis auf Darm und Tracheen ausfüllt und Blut und Fettmasse degenerirt. Gleich nach dem in 12 bis 14 Tagen nach der Infection erfolgten Tode fallen die Raupen schlaff zusammen, schwellen aber bald darauf in Folge des rasch wachsenden Myceliums wieder an und dehnen sich aus, die Hyphen durch- brechen den Körper und bilden an der Oberfläche die Fruchtträger. Bei Cordyceps militaris dringen die Theilsporen ebenso in den Körper der Raupen und bilden Cylinder-Conidien.

Bei Isaria farinosa findet der Unterschied statt, dass die Conidien nur durch die Tracheen eindringen, wie de Bary bei Gastropacha Pini beobachtet hat; von den Tracheen aus durchwuchern sie das Gewebe der Raupe und schnüren Cylinder-Conidien ab. Durch den Darmcanal in Folge Fütterung der Raupen mit Sporen gelangen diese Pilze nie zum Keimen.

Die Botrytis Bassiana findet sich ausser auf Raupen auch auf Käfern, z. B. Melolontha und deren Eingerlingen, wie auch auf Hymenoptern und Hemiptern. | 5. Empusa, Cohn.

Eine epidemische Krankheit der Inseeten wird auch durch die Pilz- gattung Empusa verursacht. Dieser Pilz wurde, obgleich seiner Natur nach unerkannt, bereits von De Geer beobachtet, Goethe und Nees von Esenbeck erkannten diese Bildung als Pilz, Cohn, Lebert und Fresenius untersuchten ihn näher, in neuester Zeit jedoch "hat Brefeld die ganze Entwickelungsgeschichte dieses Pilzes auf das Vollständigste beobachtet. Folgende 3 Arten sind u. A. auch in Schlesien beobachtet worden:

1) Empusa Muscae ist die bekannte Pilzepidemie der Fliegen im Herbst, wobei sie matt und bewegungslos werden, ihr Hinterleib stark aufschwillt und zwischen dessen Segmenten 3 hervorbrechende weisse Ringe erscheinen, aus welchen die keulenförmigen Empusa-Zellen, welche an ihrer Spitze die Sporen bilden, hervordringen; die Sporen werden dann bei der Reife fortgeschleudert und bilden um die todte Fliege einen oft zollgrossen Hof.

Uebrigens kommt diese Empusa auch auf anderen Inseeten vor, wie auf Jassus 6-notatus, und auch auf Mücken, deren Larven wahrscheinlich im Augenblick des Athemholens davon befallen werden.

Die Sporen sind von glockenförmiger Gestalt und meist mit einem weiten Plasma-Mantel umgeben. Der Keimschlauch ist sehr kurz, eine kugelige Zelle bildend, und vermehrt sich, wie die Hefe, durch Sprossung; die Tochterzellen trennen sich von der Mutterzelle, gelangen in den Fett- körper, erzeugen neue Sprossgenerationen und erfüllen endlich das ganze Blut. Endlich wachsen die Zellen schlauchförmig auf einer oder 2 Seiten ‚aus, der eine Schlauch wird keulenförmig und bildet an der Spitze die

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180 Jahres-Bericht

Basidie, welche die Segmenthaut des Hinterleibes durchbrieht und die Sporen bildet.

Eine andere Art fand Brefeld auf der Raupe des Kohlweisslings, Pontia Brassicae, und nannte sie:

2) Empusa radicans. Sie unterscheidet sich von der vorigen durch die langen Keimschläuche der Sporen, welche sich in Zellen theilen ; in die Endzelle fliesst das ganze Protoplasma des Schlauches über; diese Endzelle verästelt sich und erfüllt den Raupenkörper mit dichtem Hyphen- Gewebe, auch in das Blut dringend; im Fettkörper ist der Hauptherd dieses Pilzes. Die fortwachsenden Enden des Myceliums durchbrechen _ die Unterseite der Raupe in dichten Bündeln, als massiger Fruchtträger am Boden sich anheftend, während auf der Oberseite die reichbüschelig verästelten Schläuche hervorbrechen, deren Spitzen sich vom Hauptfaden durch Scheidewände abgrenzen und neue Fortsätze bilden, und erst diese erzeugen zuletzt die spindelförmigen Sporen, welche dann abgeschleudert werden. Nach Brefeld kann auch Musca domestica mit dieser Art infieirt werden. |

Wenn Bail behauptet, sie noch nie auf Neuroptern gefunden zu haben, so bemerke ich, dass ich im Jahre 1867 an einer einzelnen Stelle im Grunwalder Thale bei Reinerz auf morschen Baumstümpfen todte Exemplare von Limnophilus vitripennis mit Empusa behaftet fand, welche, obgleich eine kleine Abweichung zeigend, doch wohl zu E. radicans gehören dürfte.

3) Empusa Aulicae Reichh. ist noch zu erwähnen, welche Assmann auch in Schlesien auf Raupen der Euprepia aulica fand; sie unterscheidet sich von der vorigen durch bedeutend grössere Sporen.

6. Tarichium, Cohn.

Vielleicht verwandt mit Empusa ist die Gattung Tarichium, bis jetzt fehlen indess noch alle Beweise dafür durch Culturversuche.

Dieser Pilz findet sich in Erdraupen und auch in anderen Insecten und verwandelt dieselben in kohlschwarze, trockene, zerbrechliche Mumien; das Blut der Raupen wird schwarz, es schwimmen darin unzählige schwarze Pünktchen mit Molecularbewegung. Der Pilz besteht aus keu- ligen oder schlauchförmigen Zellen von sichel- oder S-förmiger Gestalt, welche sich durch Scheidewände in einzelne Glieder theilen, die tonnen- förmig anschwellen und in einige kugelige Zellen zerfallen; einzelne verästeln sich, bilden Aussackungen, welche abgegliedert werden und eine _ drei- oder mehrstrahlige Form annehmen; dies sind nach Bail Gonidien, welche immer neue erzeugen und zuletzt keimen, wonach sie lange, ver- üstelte Schläuche bilden, die zu einem dichten Mycelium verwachsen und den ganzen Leib des Thieres anfüllen. Die Spitzen dieser Schläuche schwellen an und.entwickeln sich zu braunen Dauersporen mit diekem Episporium; oft sind 2 Dauersporen vereinigt. Durch diese ganze Bildung

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 181

unterscheidet sich dieser Pilz wesentlich von allen übrigen in Insecten parasitisch lebenden. Bei der Reife der Sporen verschwindet das Mycelium bis auf einen Rest von Dauer-Mycelium, der Inhalt der Sporen wird dichter und ölreicher, sie keimen erst nach einer langen Ruheperiode. indem das Episporium zerreisst und ein cylindrischer oder in der Mitte eingeschnürter Schlauch von stark lichtbrechender Kraft hervortritt. Die einzige bekannte Art: Tarichium megaspermum hat Cohn in den Raupen der Agrotis segetum (Saateule) entdeckt, welche die Raps- und Roggenfelder bei Constadt verwüstete.

Ausserdem hat schon früher Fresenius hierher gehörige Arten

beobachtet, die er zu seiner Gattung Entomophthera stellt, nämlich: Tarichium sphaerospermum, in den Raupen von Pontia Brassicae, und Tarichium Avhidis, in den Larven von Aphis Corni.

Ferner wäre hier noch eine Krankheit der Seidenraupen (Bombys Mori), Gattine genannt, zu erwähnen, welche ebenfalls durch Pilze, die sogenannten Körperchen des Cornalia, verursacht wird; es sind dies kleine, länglich ovale, bisweilen biskuitförmige Körperchen im Blute der Raupe, im Inneren mit 2 bis 3 Kernchen versehen, welche austreten sollen, um durch Anschwellung neue Körperchen zu bilden; sie zeigen oft amöben- artige Bewegungen. Nach Hallier soll die Krankheit durch Maulbeer- blätter entstehen, welche mit Pleospora herbarum behaftet sind.

Zu den nur äusserlich am Körper der Insecten schmarotzenden Pilzen gehören die Arten der Gattung:

Laboulbenia, Robin (Stigmatomyces, Karsten), welche kürzlich von Peiritsch einer eingehenden Untersuchung und Bear- beitung unterworfen worden ist. Die beschriebenen Arten finden sich an Fliegen, Nycteribien und Käfern.

Auf einem kurzen Stielchen sitzt zunächst ein langer, eylindrischer, zweizelliger Träger, dessen Membran sehr dick ist und aus 3 Schichten besteht, nach aussen einer derben braunen, dann einer mittleren gallert- artigen und einer innersten farblosen. Auf den Träger folgt das aus 4 Zellen bestehende Fruchtlager, aussen ebenfalls braun. gefärbt. Das dem Fruchtlager aufsitzende Perithecium ist unten bauchig erweitert und von seiner Basis entspringen eine Anzahl 8 Sporen enthaltender Schläuche; nach oben läuft das Peritheeium in einen verschmälerten Halstheil aus, an dessen Spitze die reifen Sporen austreten. Seitlich am Ende des Trägers befindet sich ein eigenthümliches zweigartiges Organ, aus einer grösseren Basalzelle und einem gebogenen, mit Spitzen versehenen, aus mehreren übereinanderliegenden Zellen bestehenden Theile zusammen- gesetzt, wahrscheinlich ein männliches Befruchtungsorgan bedeutend. Die Sporen sind spindelförmig, zweizellig, farblos und keimen gleich nach der Reife.

182 Jahres - Bericht

Peyritsch beschreibt in seiner Abhandlung folgende 3 Arten, von denen erstere schon früher bekannt war:

l, Laboulbenia Muscae, auf Fliegen, deren Kopf, Uuterleib und Beine bewohnend; die Männchen inficiren bei der Copula die Weibchen, daher letztere mehr oberhalb mit dem Pilze be- setzt sind.

2. Laboulbenia Nycteribiae, auf Nycteribia-Arten, welche die Fledermäuse bewohnen.

3. Laboulbenia Nebriae, auf den Flügeldecken und dem Hinter- leibe der Nebria brunnea.

Früher wurde dieser Pilz gänzlich verkannt und z. B. von Kolenati für Würmer, von Anderen für eine Wucherung der Chitinhaut gehalten.

In der Sitzung vom 15. Januar hielt Herr E. Schwarz einen Vor- trag über Die schlesischen Throscus-Arten.

Die Bonvouloir’sche Monographie der Throseiden, bereits im Jahre 1859 erschienen, ferner die Arbeit von Dr. Bethe über die europäischen 'I'hroscus- Arten (Stettiner Entom. Ztg. 1865) waren bisher für die Bestimmung der schlesischen Arten dieser Gattung noch nicht benutzt worden. Aus diesem Grunde führt Letzner’s Verzeichniss der Käfer Schlesiens nur 3 Arten als sicher in Schlesien einheimisch auf und eine, Thr. carinifrons, als noch picht mit Sicherheit in Schlesien nachgewiesen. Eine Bestimmung des in den grösseren schlesischen Sammlungen enthaltenen Materials constatirte 5 schlesische Arten, so dass von den deutschen Arten*) nur Throscus Dwuvalii Bonv. fehlt. Diese 5 Arten sind folgende:

1. Th. brevicollis Bonv. Selten, aber weit verbreitet, auf Ebene und das niedere Vorgebirge beschränkt.

2. Th. dermestoides L. Häufig und über ganz Schlesien bis in die montane Region hinein verbreitet.

3. Th. carinifrons Bonv. (elateroides Redt.). Eiwas häufiger als Th. brevicollis, auf Ebene und Vorgebirge beschränkt.

4. Th. exul Bonv. lch sah nur zwei Exemplare in der Sammlung des Herrn Letzuer ohne nähere Angabe des Fundortes.

5. Th. obtusus Curt. Sehr selten aber weit verbreitet bisher in der Ebene und im Vorgebirge gefunden.

*) Eine vom Vortragenden vorgelegte Bestimmungstabelle der europäischen Throseus-Arten kann hier fortgelassen werden, weil inzwischen Dr. Redtenbacher in der 3. Auflage seiner ‚Fauna Austriaca‘“ und Dr. Kraatz in der Berl. Ent. Ztg. 1871 ähnliche Tabellen veröffentlicht haben.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultnr, 183

In der Sitzung vom 4. November hielt Herr E. Schwarz einen Vortrag über Die schlesischen Philhydrus-Arten.

Das Verzeichniss der schlesischen Arten dieser Gattung (s. Letzner's Verz. der Käfer Schles. p. 48 und 317) unterliegt einigen Veränderungen hinsichtlich der Nomenclatur und Synonymie einiger Arten, ausserdem tritt zu den bereits bekannten eine für die schlesische Fauna neue Art hinzu.*) Schlesien zählt also jetzt folgende Arten:

1. Ph. testaceus Fabr. (grisescens Gylih.). Ueber ganz Schlesien ver- breitet, bis 3500 Fuss ansteigend, häufig.

2. Ph. ferrugineus Küst. (maritimus Thoms.). Bisher nur von Herrn Gerhardt in Liegnitz in einem Exemplare gefunden.

3. Ph. frontalis Er. (nigricans Thoms.). In der Ebene und im Vor- gebirge, namentlich in Torfstichen nicht selten, aber nicht überall. Auf diese Art ist der in Letzner’s Verzeichniss erwähnte Ph. nigricans Zett. zu beziehen.

4. Ph. nigricans Zett. Bisher nur von Herrn Letzner und mir in einiger Anzahl in den Torfstichen bei Nimkau gefunden, sonst äusserst selten, von Herrn Gerhardt bei Liegnitz, von Herrn von Bodemeyer jun. bei Sarau, von mir bei Ustron in je einem Exemplare gefangen.

5. Ph. melanocephalus Fabr. Ueberall häufig und bis auf die höchsten Kämme der Sudeten hinaufsteigend.

6. Ph. marginatus Dufts. (ovalıs Thoms.). Fast ebenso häufig wie der vorige, bis in die montane Region verbreitet.

7. Ph. marginellus Fabr. (coarctatus Gredl.). Bis auf die höchsten Kämme der Gebirge häufig. Der nach grösseren Exemplaren dieser Art beschriebene Ph. coarctatus Gredler (Käf. von Tirol 75. 3) findet sich nicht selten unter der Stammform.

Ferner legte Herr E. Schwarz folgende Beschreibung einer in

Schlesien aufgefundenen neuen Art aus der Gattung Coryphium vor: Coryphium Letzneri nov. spec.

Fusco-testaceum, subnitidum, parce subtiliter pubescens, capite abdomineque apicem versus nigricantibus; ore, elytrorum apice pedibusque testaceis; antennis Jortioribus; thorace transverso, lateribus ante medium rotundato-dilatato, disco longitudinaliter biimpresso; elytris fortius subrugoso-punctatis. Long 3'/, Mm.

Patria: Silesia. (In monte Altvater collegit Dom. Letzner.)

*) Cl. Zeitschrift für Entom. ete., Breslau. Neue Folge Heft III. Coleoptera pag. 15—20.

184 Jahres - Bericht

Bräunlich-gelb; vorn wenig, der Hinterleib kaum glänzend; sparsam fein, niederliegend behaart; der Kopf und die Spitze des Hinterleibes schwärz- lieh, der Mund, der Hinterrand der Flügeldecken und die Beine hell röthlich- gelb. Der Kopf ist dreieckig, sammt den Augen so breit und so gross als das Halsschild, oben schwärzlich, unten röthlich-braun, der Vorder- rand etwas aufgeworfen und glatt, sonst dicht punktirt; die Punkte auf dem Scheitel stehen etwas weniger dicht als an den Seiten; vorn zwischen den Augen befinden sich zwei runde Grübchen. Die Ocellen sind röth- lich und stehen von einander weiter entfernt, als ‚jede einzelne vom

Augenrande. Die Fühler sind viel kräftiger als bei ©. angusticolle, etwas.

länger als Kopf und Halsschild zusammen, nach der Spitze zu schwach verdickt; die äusseren Glieder stärker behaart als die drei ersten, Glied 1 gross, etwas angeschwollen, Glied 2 nur halb so lang als 1, länger als breit, Glied 3 ein wenig länger als 2, an der Basis viel schmäler als dieses, Glied 4—10 quadratisch, die äusseren allmälig etwas kräftiger werdend, Glied 11 fast so lang als die beiden vorhergehenden zusammen- genommen, lang-eiförmig, stumpf zugespitzt. Das Halsschild ist fast um ein Drittheil breiter als lang, der Quere nach ziemlich stark gewölbt, vor der Mitte an den Seiten stark gerundet erweitert, von der Spitze der Erweiterung an nach hinten zu allmälig verengt; die Vorderecken sind abgerundet, der Seitenrand sehr fein crenulirt, die Hinterecken stumpf. Oben ist das Halsschild dicht und ziemlich stark punktirt, mit einem schwachen dreieckigen Eindrucke in der Nähe des Vorderrandes, ferner mit zwei schwachen Längseindrücken auf der hinteren Hälfte der Scheibe und mit einem tieferen Eindruck beiderseits innerhalb des Seitenrandes etwas hinter der Mitte. Das Schildchen ist glatt. Die Flügeldecken sind an der Wurzel nicht ganz um die Hälfte breiter als die Basis des Halsschildes, kaum doppelt so lang als dieses, nach hinten zu mässig erweitert, die hinteren Aussenwinkel sind abgerundet, die Naht tritt etwas hervor, der Hinterrand ist schwach aufgetrieben, die aufgetriebene Stelle selbst heller gefärbt als der übrige Theil. Die Punktirung der Flügel- decken ist stärker als die auf Kopf und Halsschild, die Punkte hie und da zu Querrunzeln zusammenlaufend. Der Hinterleib ist kaum glänzend, dicht und fein punktirt, breit gerandet, von der Wurzel des 6. Segments an schnell gegen die Spitze verengt (f'). Die Beine mit Einschluss der Hüften sind röthlich-gelb, kräftiger als bei ©. angusticolle, die Schienen fein behaart, die Tarsen wie bei C. angusticolle gebaut, nur ist das Klauen- glied fast so lang als alle übrigen Glieder zusammen.

Das einzige Exemplar,”) nach welchem die obige Beschreibung ent- worfen ist, wurde von Herrn Hauptlehrer Letzner, dem ich diese neue

*) Sicher ein d\, da die Vordertarsen erweitert und das 8. Abdominalsegment sichtbar ist.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultnr, 185

Art zu dedieiren mir erlaube, im Altvatergebirge gefangen und mir zur Beschreibung gütigst anvertraut.

Von ©. angusticolle unterscheidet sich ©. Letzneri, abgesehen von der Färbung, durch weniger gleichbreite Gestalt, viel kräftigere Fühler, kür- zeres Halsschild, verhältnissmässig kürzere, nach hinten .mehr erweiterte Flügeldecken und kräftigere Sculptur der Oberseite.*) Der Habitus beider Arten ist ein gänzlich verschiedener: C. angusticolle erinnert mehr an Omalium, ©. Letzneri gleicht einem kleinen Anthophagus.

C. bifoveolatum Thoms. (Scand. Col. III 186), welchem Ü. Letzneri hinsichtlich der Färbung sehr nahe kommt, muss bis auf Weiteres als eigene Art angesehen werden; abgesehen von anderen Unterschieden scheint mir die Angabe 'Thomsons, dass die Halsschildhinierecken seiner Art „‚reetiusculi‘‘ sind was durchaus nicht auf ©. angusticolle und Letzneri passt von Wichtigkeit zu sein.

Folgende Tabelle giebt eine Uebersicht der 4 bis jetzt bekannteu Coryphium-Arten:

It Oberseite. gaunıschwarzi .n N. una lu aylm'pr.. 2

= 5“ wenigstens zum Theil hell gefärbt . . 3

2) Fühler und Beine pechschwarz . . . 2... Gredleri Kr. Fühlerwurzel und Beine röthlich gelb . . . . angusticolle Steph. 3) Fühler fast so lang als Kopf und Halsschild, dieses

mit fast rechteckigen Hinterecken . . . . . bifoveolatum Th. —- Fühler länger als Kopf und Halsschild, dieses mit sehr stumpfen Hintereeken >. 5. winivun. 20, Letzneri.

Herr Dr. Wocke hielt in der dritten Versammlung, am 12, Februar, einen demonstrativen Vortrag über

Albinismus bei Schmetterlingen.

Hierunter ist eine bei Arten aller Familien vorkommende vollständige Entfärbung einzelner Individuen zu verstehen. Selten sind ganz weisse Exemplare, häufiger findet nur eine mehr oder weniger vorgeschrittene Abblassung statt. Diese erstreckt sich entweder nur auf die Grundfarbe des Thieres, z. B. bei Pol. Phlaeas die ab. Schmidti Gerh., oder auch auf die Zeichnungen. Was die Ursache dieser Erscheinung betrifft, so ist man über dieselbe noch vollständig im Unklaren, mangelhafte Ernährung kann nicht der Grund sein, da dergleichen Exemplare oft sehr gross und kräftig entwickelt sind, Futter oder Bodenbeschaffenheit ebenso wenig, da Albinos stets nur einzeln unter einer Menge normaler Exemplare vor- kommen. Von diesem Albinismus zu unterscheiden ist eine Erscheinung,

*, Durch dieselben Merkmale unterscheidet sich (C. Letzneri von C, Gredleri Kraatz (Berl. Ent. Ztg. 1870 p. 416).

186 Jahres-Bericht

die ebenfalls wohl bei allen Lepidoptern-Familien vorkommt, am häufigsten aber bei Tagfaltern, namentlich Argynnis-Arten und Satyriden, beobachtet wurde und die man partiellen Albinismus nennen könnte. Es erscheinen nämlich einzelne Theile der Flügel vollständig entfärbt, mehr oder weniger weiss, die Beschnppung ist dabei zarter, die Schuppen mehr oder weniger durchscheinend, die Fligelmembran zeigt sich etwas dünner, oft zusammen- gezogen, nicht selten auch findet ein geringer Substanzverlust statt. Ge- wöhnlich sind solche helle Flecke unsymmetrisch vertheilt, nur sehr selten sind sie symmetrisch auf beiden Seiten gleich entwickelt, manchmal ist ein ganzer Flügel, oder es sind die beiden Flügel einer Seite entfärbt, selten ist der entfärbte Raum so gross, dass nur kleine Stellen der ge- wöhnlichen Färbung übrig bleiben, in welchem Falle diese Form sich am meisten dem echten Albinismus nähert. Die Ursachen dieser Entfärbung sind ebenfalls noch nicht genügend erklärt, man hat geglaubt, sie in einer Einwirkung des Regens auf die Puppen suchen zu können, da man unter Faltern, die während eines Regens oder kurz nach demselben ausgeschlüpft waren, einige Mal solche gefleckte Exemplare gefunden; doch kommen dergleichen auch bei in der Gefangenschaft erzogenen Individuen vor, und die nicht selten mit der Erscheinung verbundene theilweise Ver- krüppelung scheint darauf hinzuweisen, dass hier wohl eine mangelhafte Ernährung die Schuld trageu mag. Ganz verschieden von den beiden angeführten Fällen ist die Erscheinung, dass bei manchen Arten (Coliaden) die Weibchen in einer hellen Form vorkommen, sei es einzeln als seltene Aberration unter der Grundform, sei es localisirt als beständige Rage. Ebensowenig kann es als Albinismus betrachtet werden, dass manche Arten in einzelnen Gegenden eine hellere Färbung annehmen, wie die Lycaenen Coridon und Hylas Esp. in Südspanien oder manche Noctuen und Pyraliden im südöstlichen Russland, welche Varietäten wohl durch elimatische und Bodeneinflüsse verursacht werden mögen und stets die sanze Art, nicht einzelne Individuen betreffen.

In der Sitzung am 7. October berichtete derselbe über zwei in Schlesien bisher übersehene Eupithecien,

die E. Digitaliata Dietze und Chloerata Mab., von welchen die erste früher für Varietät von Linariata, die zweite für Rectangulata gehalten worden war. Digitaliata wurde bei Ransern im Juli als Raupe in den Blüthen von Digitalis ambigua gefunden, deren Oeffaung sie mit feinem Gewebe zuspinnt und die sie, wenn sie erwachsen ist, an der Seite durehbohrt, um sich zur Verpuppung zur Erde zu begeben. Chloerata lebt an Schlehen zur Zeit, wenn dieselben die ersten Blätter bekommen haben, also je nach der Witterung im April oder Anfang Mai; sie wurde bei Lissa ge- funden. Ausserdem zeigte er eine Coleophora mit Sack vor, die um Breslau an Serratula tinetoria und Centaurea Jacea lebt und die er bisher

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für ©. Auricella gehalten hatte; sie unterscheidet sich aber von dieser durch kürzere Palpen, am Vorderrande weniger gebogene Vorderflügel nnd den Mangel einer feinen dunklen Linie in der Mittelzelle; sie wurde von dem verstorbenen Herrn von Heinemann als neue Art erkannt und Brevipalpella genannt. Als eine sehr selten vorkommende Art wurde Elachista Abbreviatella Stt. in zwei im Juli auf dem Schneeberge gefangenen Exemplaren vorgelegt.

Hauptlehrer K. Letzner hielt am 11. März einen Vortrag über die weitere Entwickelung des Lasioderma serricorne F. aus echter Rhabarber- Wurzel im Winter und Frühling dieses Jahres, worüber das Nöthigste bereits im Bericht des vorigen Jahres mit veröffentlicht worden ist.

Derselbe sprach in der 8. Versammlung über eine mit Hydrobius useipes L. nahe verwandte, von Gerhardt in Liegnitz beschriebene neue Käferart: Aydrobius Rottenbergi Gerh., sowie über eine andere von ihm selbst benannte neue Cureulionen- Species: Gymnetron Schwarzü, deren Beschreibung bereits im Laufe des Jahres 1872 in der Zeitschrift des Vereins für schlesische Insectenkunde, Neue Folge Heft 3, veröffentlicht worden ist.

In der 11. Versammlung legte derselbe der Section das Verzeichniss der zum Verkauf ausgebotenen Käfer-Samwmlung des Grafen Ferd. Kuenburg vor, welches von dem Herrn Apotheker Spatzier in Jägerndorf an die Schlesische Gesellschafi eingesendet worden war, Als beweis für die Reichhaltigkeit dieser Sammlung (worin 2600 Spec. an Exoten) erlaubte sich derselbe nur die Bemerkung, dass die Familie der Carabidae darin mit 1486 Arten vertreten ist, während Europa deren nur 1392 zählt.

Hauptlehrer K. Letzner gab ferner in 5 Versammlungen weitere Nachträge zu seinem Verzeichnisse der Käfer Schlesiens.

Seit meinem letzten Nachtrage zur Käfer- Fauna Schlesiens im De- cember 1871 ist dieselbe wiederum durch eine nicht unbedeutende Anzahl von Arten vermehrt worden. Dieselben waren jedoch nicht alle im Laufe dieses Jahres in unserer Provinz erst entdeckt, sondern zum grossen Theile unter früher gefangenen Vorräthen durch eine mittelst neuerer Werke ermöglichte genauere Bestimmung aufgefunden worden. Diese zur schles. Fauna neu hinzutretenden Käferarten sind in systematischer Ordnung folgende:

1. Laccophilus varıegatus St., am Rande eines Wassertümpels in der Nähe der Strachate (eines Waldes 1 Meile von Breslau) im März d. J. in

2 Exemplaren“) von Herrn Schwarz und mir aus dem angeschwemm-

ten Gerölle gesiebt.

*, Auch Anfang April 1873 ist das Thier an derselben Localität in mehreren Stücken wieder aufgefunden worden.

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Hydrobius Rottenbergüi Gerh. Mit H. fuscipes L. in stehenden Ge- wässern der Ebene und des Vorgebirges, und ebenso häufig. Bis jetzt sind an Fundorten constatirt: Breslau, Canth, Liegnitz, Bunzlau, Kohlfurt, Bögenberge bei Schweidnitz, und Schmiedeberg.

Hydrobius carinatus Thoms. In der Ebene und im Gebirge bis 4500 F.

in allen stehenden Gewässern gemein. Das Thier wurde bisher für Hydr.- globulus Payk., limbatus F., gehalten, welcher jedoch nur in den mittleren Regionen des Gebirges vorzukommen und weniger häufig zu sein scheint.

. Philhydrus nigricans Zeit. In stehenden Gewässern der Ebene ziem-

lich selten. Ustron (Schwarz), Nimkau, Liegnitz, Lomnitzer Haide bei Schmiedeberg. Wurde bisher von den Entomologen mit Philhydrus frontalis Er., nigricans Thoms. vereinigt.

Helophorus tuberculatus Gyl. Zuerst im Juni d. J. von Hrn. v. Bodemeyer in einem Torftümpel bei Kohlfurt, später an der Oberfläche des feuchten Torflagers von Baron v. Rottenberg und Schwarz, im Juli auch von Gerhardt in mehreren Stücken gefangen.

Helophorus dorsalis Er., Erichsonü Bach, in einem Stücke von Gerhardt bei Liegnitz aufgefunden. Wahrscheinlich ist diese Art mit AH. Lapponicus Thoms. identisch.

Mieroglossa marginalis Gyl., rufipennis Kraatz. Herr Schwarz fand 1 Stück bei Liegnitz, das er meiner Sammlung freundlichst über- lassen hat.

Homalota fragilicornis Kraatz. Hohendorf bei Liegnitz (v. Rottenberg).

. Homalota cavifrons Sharp. Ein Stück von Gerhardt bei Liegnitz er-

beutet.

Bolitobius bicolor Grav. Rother Berg im Altvater-Gebirge in Pilzen (Hiller). 1. Nachtr. zu Reitter’s Uebers. der Käferfauna von Mähren und Schlesien.

Mycetoporus angularis Muls. BReinerz (v. Rottenberg), Glatzer Schnee- berg (Schwarz).

Lathrobium pieipes Er. Ufer der Katzbach bei Liegnitz nach einer Ueberschwemmung (Gerhardt), Ufer der Weistritz bei Schweidnitz (mehrere Stücke, v. Bodemeyer jun.).

Paederus caligatus Er., paludosus Dietr. Von Herrn Schwarz in einem Stücke (das er meiner Sammlung zu überlassen die Gewogenheit gehabt hat) im Juni d. J. bei Ustron im Bette der Weichsel auf- gefunden.

Stenus punctipennis Thoms. Von Herrn Schwarz im Juli d. J. am Glatzer Schneeberge in einem Exemplare gefangen, das er ebenfalls meiner Sammlung freundlichst eingereiht hat.

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Stenus serutator Er. Im März vorigen Jahres nach der Frühjahrs- Ueberschwemmung bei Breslau im Gerölle ein Männchen von mir erbeutet.

Stenus erassiventris Thoms., nigritulus Er. Bei Breslau ein Stück in früheren Jahren von mir gefangen.

Stenus monlivagus Heer. Von Herrn Schwarz einzeln bei Reichenstein und am Hochwalde, bei Camenz im August unter Laub häufig ge- funden. , Stenus fuscicornis Er. Ein Stück, wahrscheinlich bei Breslau früher von mir gesammelt.

Stenus flavipalpis Thoms. Wie bei der vorstehenden Art.

Omalium Lapponicum Zelt. Bei Albendorf in der Grafschaft Glatz 1 Stück (v. Rottenberg).

Micropeplus caelatus Er. Nach der freundlichen Mittheilung des Herrn Baron v. kottenberg von Pfeil (nach dessen Sammlung) bei Glogau gefunden,

Anisotoma rotundata Er. Altvater-Geb. (rother Berg, Weise). 1. Nachtr. zu Reitt. Fauna von Mähren und Schlesien.

Hister ruficornis Grimm. Bei Breslau und Liegnitz, selten (Schwarz).

Gmathoncus punctulatus Thoms. Bisher mit @. rotundatus Ill. vermengt, mit dem er bei Breslau an denselben Orten und fast ebenso häufig vorkommt. Auch bei Liegnitz (Schwarz).

Epuraea silesiaca Reit. Von Reitter in Oesterr. Schlesien (Umgegend von Teschen) aufgefunden.

Epuraea nanula Reitt., binotata Reit. Im Vorgebirge, selten. In mehreren Stücken von Herrn v. Rottenberg, Schwarz (bei Friedland) und mir gefangen.

Epuraea laeviuscula Gyl. Von mir bereits vor einer Reihe von Jahren in einem Exemplare in Schlesien gefunden.

Meligethes pumilus Er. Von Herrn Schwarz 1 Stück bei Liegnitz.

Meligethes bidens Bris. Ein von mir in Schlesien gefangenes, von Herrn Reitter bestimmtes Stück in meiner Sammlung.

Meligethes obscurus Er., 3 palmatus Er. Sehr selten, Paskau (Reitter). 1. Nachtr. zu Reitt. Fn. von Mähr. u. Schles.

Meligethes aestimabilis Reit. Von Herrn Schwarz und mir bei Breslau, in.den Bögenbergen und bei Ustron mehrfach gesammelt.

Meligethes anthracinus Bris. Nach Reitter (Berl. ent. Zeitschrift 1872 p- 266) in einem Stücke in Schlesien aufgefunden.

Meligethes Moraviacus Reit. Von Reitter bei Paskau entdeckt, von mir bei Breslau.

Meligethes Dieckiü Reitt. Von Reitter im österreichischen Schlesien, von mir in 2 Exemplaren bei Breslau gefangen.

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Meligethes fuliginosus Er. Bei Liegnitz, selten (Gerhardt).

Meligethes Rosenhaueri Reit. Bei Breslau ziemlich häufig; von Herrn Schwarz und mir auf Anchusa officinalis gesammelt. |

Meligethes brachialis Er. Bei Liegnitz von Gerhardt, im Riesengebirge von mir gefunden.

Meligethes bidentalus Bris. Bei Breslau in 3 Stücken von mir gefangen.

Meligethes (Acanthogethes) solidus Kug. Ein bereits vor einigen Jahren von mir in Schlesien gefangenes Stück.

Myrmecoxenus vaporariorum Guer. Von Herrn v. Bodemeyer und mir in Schlesien aufgefunden.

Lathridius carinatus Gyl. Am Hochwalde von Herrn Schwarz und mir in einigen Stücken gesiebt.

Lathridius fungicola Thoms. Ziemlich selten. Breslau, Liegnitz, Münsterberg.

Lathridius testaceus Steph., cordaticollis Aub., erenicollis Thoms. Von Oberst Quedenfeld bei Liegnitz, von Herrn v. Rottenberg in Wättrisch bei Jordansmühl entdeckt.

Aphodius maculatus St. Im Altvater- und Glatzer Schnee-Gebirge, sehr selten. Leiterberg (Weise), Schneeberg (v. Hahn),

Geotrupes mesoleius Thoms. Mit den Verwandten in Gesellschaft und, wie es scheint, nicht gerade selten. Von mir auch auf der Insel Sylt angetroffen.

Dorcatoma serra Panz. und Muls. Im Holze rothfauler Eichen mit D. chrysomelina St. und flavicornis F. in Gesellschaft und ebenfalls häufig.

AÄylophilus Fennicus Mannh. Nach Dr. Kraatz (Berl. ent. Zeitschrift 1863 p. 439) von Roger in Oberschlesien gefangen.

Meloe decora Brandt et Ratzb., pygmaea Redt. Nur in 1 Exemplare

bei Freistadt im Fürstenthum Teschen (Kotula). 1. Nachtr. zu Reitt. Fauna von Mähren und Schlesien.

Rhynchites uncinatus Thoms. Mit R. nanus häufig aul Salix caprea durch das ganze Gebiet.

Phytonomus contaminatus Hbst. Bei Breslau und Liegnitz von Schwarz, Gerhardt und mir in mehreren Stücken gesammelt.

Phytonomus Julinii Sahlb., in meinem Verzeichnisse p. 232 als Var. von Ph. pollux F. aufgeführt, gilt jetzt für selbstständige Art, und wurde von mir am Königshainer Spitzberge bei Glatz auf Gesträuch angetroffen. *)

*) Phytonomus ovalis Boh., den Dr, Kraatz als von Dr. Schneider bei Reinerz

gefangen angiebt (Berl. ent. Z. 1871 p. 170) wird von Kirsch zu Phyt. Owalis Hbst. gezogen und ist auch von anderen schlesischen Entomologen in Schlesien ge- fangen worden.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 191

Otiorhynchus spoliatus Stierl. Nach Stierlin (Berl. eut. Zeitschr. 1872 p. 322) befinden sich in Schlesien gefangene Stücke dieser Art in dessen Sammlung. |

Otiorhynchus Kollari Germ. Elgot im Fürstenthum Teschen (Kotula). 1. Nachtr. zu Reitter's Fauna von Mähren und Schlesien.

Lixus punctiventris Boh. Von Zebe 1 Stück gefangen (Dr. Kraatz in Berl. ent. Zeitschr. 1872 p. 143).

Magdalinus Kraatzü Weise. Von dieser in der Berl. ent. Zeitschrift 1872 p. 149 beschriebenen Species sind in früheren Jahren nur wenige Stücke von Herru Schwarz, Herrn Gerhardt und mir in Schlesien gefangen worden.

Erirhinus Gerhardti Letzn. An Graswurzeln (Aira, Luzula) im höheren Gebirge ziemlich selten, im Vorgebirge sehr selten. Altvater, Glatzer Schneeberg (ziemlich häufig, Schwarz), Riesengebirge, Friesensteine, Bögenberge (v. Bodemeyer jun.).

Ceuthorhynchus alboscutellatus Gyl., consputus Germ., rubescens Boh. In mehreren Stücken bei Breslau und Liegnitz von Herrn Gerhardt und mir gesammelt.

Ceuthorhynchus Hampei Bris. An der alten Oder bei Breslau 1 Stück von mir aufgefunden.

Ceuthorhynchus albosignatus Gyl. Von mir in der Umgegend von Breslau nur in einem Exemplare gefangen.

Bagous subearinatus Gyl. Am Jakobsdorfer See bei Liegnitz in meh- reren Stücken (Gerhardt).

Bagous nigritarsis Thoms. Mit Bagous lutulentus Schh. in Gesellschaft und ebenso häufig. Breslau, Liegnitz.

Gymnetron Schwarziü Letzn. Bis jetzt nur bei Breslau (alte Oder, Karlowitzer Sandhügel) an unfruchtbaren Sandstellen auf Plantago arenaria (in deren Samen Larve und Puppe) vom Juni bis Ende Sep- tember häufig.

Mecinus janthinus Germ. Von Herrn Schwarz im Mai d. J. an einem Ohladamm unfern des Josephinen-Berges bei Ottwitz in 1 Stück er- beutet, das er meiner Sammlung freundlichst überlassen hat. Bostrychus amitinus Eichh. Im Riesen- und Altvater-Gebirge unter Fichten- und Knieholz-Rinde häufig. Das Thier dürfte nach Gerhardt vielleicht mit dem aus dem Kaukasus bekannten B. Judeichü Kirsch zusammenfallen.

Criocephalus epibata Schiödte, ferus Kraatz. Bisher mit C. rusticus L. vermengt und wahrscheinlich über ganz Schlesien verbreitet; an manchen Orten häufiger als der Letzigenannte.

Clytus Capra Germ. Ist im Sommer des Jahres 1872 auf dem Holz- platze in Breslau an Klafterholz, welches aus Oberschlesien hierher gekommen, in Mehrzahl gefangen worden.

192 Jahres-Bericht

67. Axinopalpus gracilis Kryn. Bei Ottwitz am Ohla-Damme unfern des Josephinen-Berges von mir in einem Stücke in Gegenwart des Herrn Schwarz erbeutet.

68. Pachyta erratica Dalm., 7signata Küst. Auf einer Wiese bei Alt-. hammer im Fürstenthum Teschen in mehreren auf einander folgenden Jahren (Schwab). ‘1. Nachtr. zu Reitt. Käferfauna von Mähren und Schlesien.

69. Haltica (Urepidodera) chloris Foudr. In der Ebene und im niederen Gebirge auf Weiden mit H. versicolor in Gesellschaft zieml. häufig.

70. Haltica (Phyllotreta) diademata Foudr. Unter H. atra und obscurella von Herrn Schwarz und mir in einigen Exemplaren aufgefunden.

71. Cassida lucida Suffr. Im Altvater-Gebirge von Weise gekäschert. 1. Nachtr. zu Reitter’s Käferfauna von Mähren und Schlesien.

Ausserdem ist 1) derin meinem Verzeichnisse aufgeführte Pachybrachys histrio Oliv. in P. Haliciensıs Mill. umzuändern. Ersterer kommt in Schlesien nicht vor und die bisher von den Breslauer Entomologen seit 30—40 Jahren dafür gehaltenen Thiere, welehe in Schlesien wohl durch das ganze Ge- biet auf Weiden fast ebenso häufig als P. hieroglyphicus F. gefunden werden, sind P. Haliciensis Mill. Derselbe wurde im Mai d. J. von Herrn Schwarz und mir auch in Ustron auf Miricaria germanica in grosser An- zahl, aber eben so oft an derselben Localität auf Weidensträuchern, namentlich Salix purpurea, gefangen. P. Haliciensis ist übrigens neu für die deutsche Fauna. 2) Statt Plectroscelis (Chaetocnema) subeoerulea der Name P. meridionalis Foudr. zu setzen.

Nach dem vorjährigen Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft betrug die Zahl der Käferarten Schlesiens am Ende des Jahres 1871 4041 Species; rechnet man die vorstehend aufgeführten 71 Arten hinzu, so würde die gegenwärtige Zahl derselben sich auf 4112 Arten belaufen. Es sind jedoch davon einstweilen in Abzug. zu bringen, als auf wahr- scheinlich falschen Bestimmungen beruhend, oder weil sie mit anderen Arten vereinigt worden, 16 Species, nämlich: Trechus nigrinus, Tr. rotun- dipennis,*) Stenus nitidus, Stenus pumilio, Meligethes coeruleovirens Först., M. 4striatus Först. (= ochropus), M. Marrubü Bris. (= nanus), M. senieulus Er. (= murinus), M. quadridens Först. (= serripes), Melolontha albida Er., Plinthus Megerlei, Phytonomus intermedius, Phyt. elegans, Phyt. tessellatus, Bagous tibialis (= Hydronomus Alismatis Marsh.) und Ceuthorhynchus arator. Demnach stellt sich die Zahl der schlesischen Käfer-Species am Ende des Jahres 1872 auf 4096 Arten.

*) Zwar ist Tr. rotundipennis nach Sturm (VI, 92) vom Med.-Assess. Günther bei Breslau gefangen, aber schon in der Stett. ent. Z, VII, 107 ist nachgewiesen, dass dieses Thier = Tr, pulchellus ist.

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In der 6., 9. und 11. Versammlung der Section gab Hauptlehrer K. Letzner eine Uebersicht der bis jetzt in Schlesien beobachteten Dipternschwärme, und knüpfte daran die an den Präses der Schles. Gesellschaft, Herrn Geh. Medieinal-Rath Prof. Dr. Goeppert eingegangenen und von demselben ihm freundlichst mitgetheilten Berichte über die im Jahre 1872 in Schlesien und Brandenburg wahrgenommenen

Schwärme der Chlorops ornata Meig.

Obgleich die Diptern, wie bekannt, im Allgemeinen sich dadurch auszeichnen, dass die einzelnen Arten einen viel grösseren Verbreitungs- bezirk haben und in einer verhältnissmässig grösseren Menge von Indi- viduen vorhanden sind, als dies bei anderen Insecten-Ordnungen der Fall ist, so treten dieselben doch verhältnissmässig selten in so ungeheuren, Wolken bildenden Massen auf, wie man dies z. B. bei Heuschrecken und mehreren Netzflüglern beobachtet. Seit dem Jahre 1825 sind in Schlesien von Entomologen der Provinz nur die Beobachtungen folgender weniger Fälle in den Verhandlungen der Schles. Gesellschaft niedergelegt worden:

Im Jahre 1325 berichtet Schummel: 1) dass im Jahre 1824 eine Sciara, ein Chironomus und Oscinis lineata F. in ungeheurer Masse an der Nicolai- (Ohl-) Brücke und als Wolke über dem Elisabet- Thurme in Breslau erschienen seien (4. Bull. der naturw. Sect. 1825 $. 13); 2) die mückenartigen Insecten, welche am 26. April und die nächstfolgenden Tage des Jahres 1524 die dichte Rauchwolke über dem Elisabet-Thurme bildeten, gehören vorzüglich der Gattung Chironomus an (Uebers. der Arb. 1825 S. 43); 3) unter den Zweiflüglern, welche im Jahre 1825 sich wieder in grosser Menge bei der Nicolai-Brücke und am Elisabet-Thurme zeigten, war die grösste eine Sciara Meigen’s (Uebers. der Arb. 1825 $. 29); ferner 1834: Dilophus vulgaris Meig. sei Mitte August in ungeheurer Menge, auch in den Häusern der Stadt, beobachtet worden. 1848 theilt derselbe mit, dass sich eine ungeheure Menge von Chironomus virescens Meig. in Breslau über den Lampen der Mohren- und Kränzelmarkt-Apotheke ge- zeigt habe. Im Jahre 1838 hat Gymnasial-Professor Schilling das sehr häufige Vorkommen des Chironomus annularis (2?) bei Breslau constatirt, und in den Vierziger und Fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts sind in der Nähe der Brücken über die Ohla in der inneren Stadt von mir und anderen noch lebenden Personen im Juli und August mehrfach Schwärme einer Chironomus- Art wahrgenommen worden. Die Thiere wurden vom Volke Cholera-Fliegen genannt.

Ausserdem findet sich in Germar’s Magazin Bd. I Heft 1 S. 137 folgende, jeden Falles von dem schlesischen Entomologen Richter aus den schles. Provinzial-Bl. (1812, Augustheft, $. 149) wörtlich an Germar mit- getheilte Beobachtung aus Sagan vom Jahre 1812: Den 17. Juli Nach- mittags gegen 2 Uhr wurden an der Spitze des Thurmes der Stadt-

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194 Jahres-Bericht

Pfarrkirche schwarze Rauchsäulen bemerkt. Es war "eine ungeheure Menge Mücken, welche in einer Höhe von 200 Fuss auf- und nieder- stiegen (Üulex pipiens?). Diese Erscheinung ereignete sich auch an dem- selben Tage zu Sorau in der Nieder-Lausitz.

Demnach sind es Zweiflügler aus 3 Familien, die hierselbst in grossen Massen aufgetreten sind, nämlich 1) aus der Familie der langhörnigen Mücken die Gattung Chvronomus, Zuckmücke, deren Larven in stehendem, fauligen und stinkenden Wasser leben, und daher in dem durch die Stadt gehenden Bett der Ohle eine höchst günstige Localität zu ihrer Ent- wickelung besassen. Zu dieser Familie gehört auch die zuweilen in grossen Schwärmen auftretende Singmücke, Culex pipiens. 2) Aus der Familie der diekhörnigen Mücken die Gattungen Sceiara (Trauermücke) und Dilophus (Strahlmücke), deren Larven in Pilzen und unter Moos leben. 3) Aus der Familie der eigentlichen Fliegen die Gattung Chlorops Meig. (wozu die Gattung Oscinis Macg. gehört), von welcher die Larven meist in Gräsern leben und sich daher nicht so leicht massenhaft ent- wickeln können, wie die zu der 1. Familie gehörenden Thiere. Aus dieser Familie ist seit dem Jahre 1825 kein massenhaftes Auftreten einer Art in Schlesien mehr beobachtet worden, es ist daher interessant, dass in dem laufenden Jahre mehrfache Beispiele davon constatirt sind. In allen diesen Fällen war es Chlorops (Untergattung Chloropisca Loew) ornata Meig., die vom Juni bis in den October (in einem Falle selbst bis in den December und Januar) durch die Witterungsverhältnisse be- günstigt, in staunenswerther Menge aufgetreten ist. Sie ist in der Provinz Posen von Herrn Director Prof. Dr. Loew schon vor einer Reihe von Jahren im Mai in zahllosen Schaaren beobachtet und ausführlich be- schrieben worden in der Bresl. Zeitschr. für Entomol. Jahrg. 15.

Die im Jahre 1872 gemachten Beobachtungen über das Massen- Auftreten dieses Thieres sind in folgender Reihe eingegangen:

1) Herr Apotheker Pfeiffer in Steinau a. d. Oder berichtet an Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goeppert: Hierselbst zeigte sich am 7. Sep- tember c. um den Thurm eine Wolke, so dass sich in der Stadt das Gerücht verbreitete, derselbe sei in Brand gerathen. Zwei hinauf gesendete Personen eonstatirten indess den Fliegenschwarm und beruhigten die Ein- wohner. Eingesendete Exemplare dieses Thieres sind von Herrn Prof. Dr. Loew als der oben genannten Chlorops-Art angehörig erklärt worden,

2) Herr Th. Donat in Erdmannsdorf bei Schmiedeberg schreibt unter dem 19. September an Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Goeppert: Seit unge- fähr 8 Tagen hat sich in einem Zimmer des Fabrik-Dirigenten Boege eine furchtbare Zahl Fliegen eingenistet. Die bisher gegen diese Plage angewendeten Mittel, Rauch und Chlorgas, haben die Thiere, welche sich besonders an der Decke und den oberen Theilen der Fenster unter be- ständigem Summen bewegen, wohl in Aufregung versetzt, aber nicht ver-

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trieben. Mehrere Tausend der Thiere wurden lebend eingesendet und gehörten Chlorops ornata an.

3) Herr Kaufmann J. P. Sedlaczek in Tarnowitz theilt unter. dem 7. Oetober in Folge der durch den Herrn Präses der Schles. Gesellschaft veranlassten Veröffentlichung der vorstehenden beiden Beobachtungen durch die Schlesische und Breslauer Zeitung Folgendes mit: In dem oberen, nach Osten gelegenen Zimmer meines Gartenhauses, welches zur Aufbewahrung von Blumen und Gewächsen benutzt wird, hatten sich Mitte September „viele Millionen Fliegen eingefunden, so dass die ganze Decke, die Wände und die beiden Fenster dieses Zimmers von ihnen eingenommen wurden und die ursprüngliche Farbe desselben fast nicht mehr zu erkennen war.‘ Auf eine an ihn gerichtete Anfrage theilte derselbe noch nachträglich freundlichst mit, dass ein Schwarm von Fliegen im Freien bei Tarnowitz, soviel ihm bekannt, nicht beobachtet worden sei, er auch nicht angeben könne, ob die Fliegen sämmtlich an einem Tage durch die geöffneten Fenster in das Zimmer eingedrungen seien. Am 21. October waren sehr viele derselben noch am Leben, und es wurden eine grosse Menge von ihnen auf meine Bitte zur Constatirung der Art auf das Freundlichste von Herrn Sedlaczek an mich eingesendet. Sie gehörten ebenfalls der Chlorops ornata Meig. an.

In Folge der Veröffentlichung vorstehender Beobachtung durch die hiesigen beiden Zeitungen Ende October, und des dabei ausgesprochenen Wunsches nach weiteren Mittheilungen über etwa beobachtete Fliegen- schwärme, sind an Herrn Geh. Med.-Rath, Prof. Dr. Goeppert noch fol- sende Beobachtungen eingegangen:

4) Herr v. Borwitz-Harttenstein auf Hammerhof bei Schmiedeberg (also unfern Erdmannsdorf im Hirschberger Thale gelegen) schreibt unter dem 4. November also: „Seit einigen Jahren erscheint hier (in Hammerhof) im August zu Milliarden eine Fliege, welche, wenn es kalt wird, wieder verschwindet. In den Wohn- und Schlafzimmern bedecken diese Fliegen die Decke so, dass deren Farbe unkenntlich ist. Vergeblich habe ich versucht, diese Thiere hinausjagen zu lassen; wo das Tuch die Decke berührte, wurden fettige Streifen, und da viele zu Boden fielen und zer- treten wurden, so entstanden auf den Dielen Flecke, als wenn dieselben mit Oel bespritzt worden wären. Menschen belästigen diese Thiere nicht, aber wenn der Morgen graut, beginnen sie im Zimmer zu schwärmen, was ein ziemlich starkes Geräusch verursacht und wobei viele auf Betten und andere Gegenstände herabfallen.“ Da ihr erstes Auftreten stets auf Schüttböden des Herrn v. Borwitz stattfindet, so schliesst derselbe, dass diese Fliegen das Getreide lieben und daselbst die Körner des Rog- ' gens und Weizens beschädigen. Dies letztere ist ganz gewiss nicht der Fall, da diese 'Thiere, so viel bekannt, sich in dem grünen Halme von Gräsern entwickeln, die vollkommen entwickelten Fliegen aber mit ihrem

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196 Jahres-Bericht

Saugrüssel nur Flüssigkeiten als Nahrung zu sich nehmen können. Die mitgesendeten Getreidekörner waren von dem weissen Kornwurme oder der Kornmotte, Tinea granella L., beschädigt. Dass die auf Pflanzen- kost angewiesenen Fliegen den Menschen nicht belästigen, ja sogar fliehen, ist selbstverständlich. Es geht übrigens auch daraus schon hervor, dass dieselben in die Gebäude nur eingedrungen sind, um daselbst ein ihnen zusagendes Unterkommen oder Schutz zu suchen. Da die in Rede stehen- den Thiere sehr weich und zart sind, so zerdrückt sie schon der leiseste Schlag mit einem Tuche, und da ihr Leib namentlich in der ersten Zeit ihrer Lebensdauer strotzend mit gelblich-weissen Säften und dem den Insecten eigenen Fettkörper angefüllt ist, so können die durch ihr Tödten hervorgebrachten, oben erwähnten Spuren an Deeke und Boden durchaus nicht als etwas Auffallendes erscheinen.

Die vieien von Herrn v. Borwitz-Harttenstein freundlichst seinem Berichte beigefügten Thiere gehörten zu Chlorops (Chloropisca) ornata Meig.

5) Herr H. v. Ludwig auf Schönau bei Landeck in der Grafschaft Glatz theilt unter dem 7. November an Herrn Geh. Med.-Rath Professor Dr. Goeppert mit, dass in seinem Billard-Zimmer und in einem daran- stossenden kleinen Pflanzenhause in den Monaten September und October dieses Jahres ‚‚eine kleine, graugelb aussehende Fliege sich in so grosser Masse eingefunden habe, dass, ungeachtet täglich mehr als ein halbes preuss. Quart derselben getödtet und in’s Feuer geworfen wurde, die Fenster und Zimmerdeecken doch ganz dicht, weniger dicht auch die Wände mit diesem Thiere besetzt waren.‘ Auf meine Mitte November an Herrn v. Ludwig gerichtete Bitte um geneigte Zusendung einiger, wenn auch todter Fliegen (zur Feststellung der Species) theilte mir derselbe freundlichst mit, dass keine mehr aufzufinden seien. Aus dem Vorkommen des Thieres und der oben angegebenen Bezeichnung desselben lässt sich wohl mit ziemlicher Gewissheit schliessen, dass dasselbe ebenfalls die Chloropisca ornala gewesen sei.

6) F. Ellen v. Zawadzky auf Schloss Gross-Ossnigk bei Kottbus (also in der Provinz Brandenburg gelegen) hat an Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goeppert unter dem 11. November folgende Beobachtung ein- zusenden die Freundlichkeit gehabt: „Beifolgende kleine Fliege‘ (es ist ebenfalls Chloropisca ornata Meig.) „hat sich in dem von uns bewohnten Schlosse (aber in der ganzen Umgegend nur hier) Anfang September in vielen Milliarden eingefunden. Ihre Anzahl war so gross, dass ein Speise- saal mit weisser Tapete, der 32 Fuss Länge hat, vollkommen schwarz aussah. Auf den Dielen und an der Decke wogte es förmlich und kein Mensch konnte den Raum betreten. Ebenso war es in einem grossen Corridor, der quer durch das Schloss führt, und in 5 kleineren Zimmern. Wir hatten keine Ahnung, wo die Fliegen hergekommen, und gaben dem wilden Weine, der die Fenster umrankt, die Schuld. Um die Zimmer

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wieder benutzbar zu machen, schlossen wir sämmtliche Thüren und Fenster, zündeten Pulver an, liessen den Dampf eine Weile im Zimmer und dann die Fliegen, die nun in grossen Haufen am Boden lagen, wegkehren. Wir haben an einem Tage vielleicht 6 Liter derselben fortgebracht und glaubten nun von ihnen erlöst zu sein; wir liessen sämmtliche Fenster geschlossen, fanden aber am anderen Morgen noch grössere Massen vor. Durch fortgesetztes Abbrennen von Pulver gelang es uns endlich, die Zimmer, die allerdings im Laufe des Sommers fast gänzlich unbewohnt gestanden hatten, von den kleinen Insassen zu befreien. In den Zimmern, in welchen wir uns täglich aufhielten, sowie in den Schlafzimmern hat sich Nichts gezeigt.‘

7) Herr Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goeppert hatte die Gewogenheit, mir unter dem 10. Januar 1873 Folgendes mitzutheilen: ‚In der Villa des Herrn Dr. Heymann, am Wege nach der Fürstenbrücke in Scheitnig ge- legen (früher dem Kaufmann Oertel gehörig), hatte sich die beifolgende Fliege seit dem Juni vor. J. in allen nach der Waldseite zu befindlichen Zimmern so eingenistet, dass man ihrer kaum Herr zu werden vermochte. Erst jetzt fangen sie an sich zu verringern.‘ Das in Menge eingesendete noch lebende Thier war ebenfalls Chloropisca ornata Meig., hatte sich wahrscheinlich in den die Villa umgebenden Rasenplätzen entwickelt und war bei dem warmen Winter dem Tode des Erfrierens bisher entgangen. Die erwähnte Villa gehört einer der Vorstädte Breslaus an.

Somit wäre im Sommer des Jahres 1572 ein Massen-Auftreten der Chlorops ornata M. an 7 Orten beobachtet worden, nämlich zu Tarnowitz in Oberschlesien, Schönau bei Landeck, Hammerhof und Erdmannsdorf bei Schmiedeberg, Breslau, Steinau a. d. O. und Gross-OÖssnigk, erstere 6 in Schlesien. Die Entwickelung des Thieres hat demnach gleichmässig ebensowohl in Ober-, als in Mittel- und Niederschlesien, und in der Ebene wie im Gebirge stattgefunden, und jedenfalls noch an vielen anderen, als den erwähnten Orten.

Erst nachdem die ersten Beobachtungen über dieses Thier in der 6. und 9. Versammlung der Section zur Mittheilung gekommen und durch die hiesigen Zeitungen veröffentlicht worden waren, gelangte ein Aufsatz zu meiner Kenntniss, den Dr. H. Weyenbergh in den Verhandl. der k. k. zool.-botan. Ges. in Wien, Bd. 21, 1871, S. 1201, über Fliegenschwärme veröffentlicht hat. In demselben wird von allen vorstehend aufgeführten Beobachtungen nur der in Germar’s Magazin aus Sagan mitgetheilte Fall erwähnt. Dr. Weyenbergh scheidet die Dipternschwärme in Mücken- und Fliegenschwärme. Von ersteren führt er, als bisher in Europa beobachtet, 16 Fälle auf, darunter einen schlesischen (in Sagan). Rechnet man hierzu die von Schummel und Schilling beobachteten Chironomus- Schwärme aus den Jahren 1824, 1825, 1838 und 1848, sowie die Schwärme von Seiara (1825) und Dilophus (1834), so würden in Europa bis jetzt

1983 Jahres-Bericht

22 Mückenschwärme, davon 7 in Schlesien beobachtet worden sein. Von Fliegenschwärmen giebt Dr. Weyenbergh als bis jetzt in Europa beobachtet 13 Fälle an. Fügt man dazu den von Schummel 1825 beobachteten Fall (Oseinis lineata) und die vorstehenden 7 Fälle von Chlorops ornata, so würden im Ganzen 21 Fliegenschwärme in Europa, davon 7 in Schlesien constatirt sein. Was die Arten anbelangt, welche alle diese Schwärme veranlasst haben, so sind namentlich bei den Mücken dieselben nicht zu ermitteln gewesen, und Dr. Weyenbergh führt daher als Veranlasser von Schwärmen nur folgende 8 Diptern- Arten auf: Culex pipiens, Musca do- mestica L. (2), Musca corvina F., Chlorops laeta Zett., Chlorops nasuta L., Chlorops lineata F., Pollenia atramentaria M. und Pollenia vespillo F. Dazu würden nach den oben angegebenen Beobachtungen noch treten: Dilophus vulgaris M., Chironomus virescens M., Chironomus in M. (?) und Chlorops ornata M.

Hierbei muss ich noch eines Fliegenschwarmes erwähnen, welchen ich mit mehreren noch lebenden Bekannten am 28. Juni 1857 auf dem Langen-Berge am Hornschlosse (im Waldenburger Gebirge) am zeitigen Nachmittage zu beobachten Gelegenheit hatte. Ueber dem grasreichen, durch schmale Wiesenstreifen zwischen ziemlich hohem Nadel- und Laub- walde hinführenden Fusswege auf dem Rücken des gedachten Berges schwärmten in nicht dicht gedrängten Massen Tausende von Fliegen, welche der Anthomyia fuscata ähnlich sahen, uns lange Zeit begleiteten und von unserem bei der grossen Hitze reichlich vergossenen Schweisse so angezogen zu werden schienen, dass sie sich in Menge (jedoch ohne zu stechen) auf uns niederliessen und wir uns ihrer kaum erwehren konnten.

Alles, was bis jetzt über die Lebensweise und Entwickelung der Chlorops ornata, sowie die durch sie bewirkte Bildung von Schwärmen bekannt ist, lässt sich kürzlich in Folgendes zusammenfassen:

1) Mehrere Arten der Gattung Chlorops entwickeln sich in dem grünen Halme von Gräsern, darum dürfte es bei Chlorops ornata ganz gewiss ebenso sein. Ob dies Thier auch Halme von Getreide-Arten zu seiner Verwandlungsstätte wählt (wie z. B. Chlorops laeta F.), ist nicht bekannt, wäre aber wohl möglich. In jedem Falle ist dasselbe ein schädliches Thier, wenn nicht für die Getreidefelder, so doch für die Wiesen, und darum darf es vom Landwirthe nicht geschont werden.

2) Da das Thier auf Pflanzen und ihre Säfte angewiesen ist, so kommt es nicht in die Gebäude, um dort seine Nahrung zu finden oder weil es von den Menschen angezogen würde, sondern um daselbst: viel- leicht ein sicheres, ruhiges Unterkommen oder Schutz gegen Kälte, Nässe, Wind und dergl. ihm unangenehme oder schädliche Einflüsse zu suchen. In der Wahl der Localitäten dürfte es jedenfalls nicht wählerisch sein, obwohl es den unbewohnten den Vorzug geben dürfte.

der Schles. Gesellsch. f. vater. Cultur. 199

3) Die Chlorops ornata M. ist, wie Prof. Dr. Loew augiebt, im ganzen mittleren und nördlichen Europa ein sehr gemeines Thier, und findet sich selbst in Spanien, Griechenland und Klein-Asien. Es ist in jedem Jahre, wenn auch nicht in solchen Massen, bei uns zu finden, und bei Posen, wie bereits erwähnt, von Loew auch schon in Schwärmen beobachtet worden. Dass es bei uns in dem laufenden Jahre an so vielen Orten in solcher Menge aufgetreten ist, dürfte wohl dem fruchtbaren und gras- reichen Sommer, der für die Entwickelung des Thieres günstigen Wit- terung, dem schönen Herbst und einer Reihe anderer günstiger Umstände zuzuschreiben sein.

4) Die von Chlorops ornata gebildeten Schwärme sind nicht von fern her zugewandert (also keine Züge), sondern bilden sich durch die von günstigen Umständen ermöglichte, sehr starke Vermehrung des Thieres (sehr wahrscheinlich in 2 und mehr Generationen) in der Umgebung der Orte, wo sie auftreten. Wahrscheinlich erfolgt dieselbe auf den nahe gelegenen Wiesen, auf denen die von den Larven an den Gräsern ange- richteten Verwüstungen wohl wahrzunehmen sein dürften.

5) Die Schwärme der Chlorops-Arten finden sich nicht immer blos in gewissen Räumlichkeiten der Gebäude, wie Dr. Weyenbergh glaubt, sondern werden auch im Freien wahrgenommen, wie der oben mitgetheilte Fall in Steinau a. d. OÖ. beweist. Damit in Uebereinstimmung ist auch die Schummel’sche Beobachtung der Oscinis lineata. Uebrigens zeigen sich Schwärme des Thieres vom Mai an das ganze Jahr hindurch bis in den December und länger, wenn es die Kälte nicht früher tödtet. Nahrungs- mangel scheint es sehr lange ertragen zu können, namentlich bei kühlem Wetter,

Indem ich zum Schlusse den oben genannten sehr geehrten Beobachtern hierdurch den besten Dank der entomologischen Section öffentlich aus- zusprechen mir gestatte, richte ich zu gleicher Zeit an Alle, denen später noch Gelegenheit zur Beobachtung des Thieres sich darbieten sollte, die Bitte, zur Erforschung der Naturgeschichte desselben, und namentlich seiner Entwickelungsgeschichte durch Ermittelung der Lebensweise seiner

Larven freundlichst mitwirken zu wollen. K. Letzner.

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über die

Thätigkeit der medicinischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1872,

abgestattet von

Professor Dr. Auerbach und Privatdocent Dr. W. A. Freund,

zeitigen Secretairen der Scction.

In der Sitzung am 5. Januar 1872 sprach Herr Privatdocent Dr. Nothnagel über nervöse Nachkrankheiten des Typhus. Da der Vor- trag anderweitig ausführlich mitgetheilt worden ist, so sei hier nur hervor- gehoben, dass der V. nach dem letzten Kriege eine Reihe der verschieden- artigsten Störungen im Bereich des Nervensystems nach Typhus beobachtete; Lähmungen (in einzelnen Nervenstämmen und Aesten, Paraplegien, Hemi- plegie), motorische Reizungs-Erscheinungen (Tremor), Neuralgien und Hyperalgesien, Anästhesien. Nach einer Schilderung der Symptome be- spricht der V. die relative Häufigkeit der einzelnen Formen (am häufigsten sind Lähmungen und Anästhesien) und entwickelte dann seine Ansicht speciell über das Wesen der Lähmungen, die darauf hinausgeht, dass die- selben als Compressions-Lähmungen aufzufassen seien, in ähnlicher Weise wie es Buhl für diphtherische Lähmungen mehr als wahrscheinlich ge- macht hat.

In der Sitzung am 19. Januar sprach Herr Professor Dr. Waldeyer über Hermaphroditismus im Anschlusse an eine Demonstration des Her- maphroditen Katharina Hohmann durch die Herren Waldeyer und Freund.

Herr Dr. Freund theilt mit, dass nach seinen Untersuchungen Hohmann ein männliches Becken habe, und dass er im Uebrigen bis ins Einzelne die Schultz’schen Untersuchungs-Resultate bestätigen könne.

202 Jahres- Bericht

In der Sitzung vom 9. Februar 1872 berichtete Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt über seine experimentellen und mikroskopischen Untersuchungen über Lungenblutung. Eine specielle Mittheilung werde dem- nächst in Virchow’s Archiv für klinische Mediein und pathalogische Anatomie erscheinen.

In der Sitzung vom 23. Februar sprach Herr Geheimer Medieinalrath Professor Dr. Goeppert

über giftige und essbare Pilze in medicinisch-polizeilicher Hinsicht.

Die durch Substanz und Grösse eben hier nur in Betracht zu ziehen- den Pilze sind besser als ihr Ruf. Sie verdienen wegen ihres bedeutenden, alle anderen pflanzlichen Nahrungsmittel übertreffenden Stickstoffgehalts die grösste Beachtung, und in dieser Hinsicht fast der Fleischnahrung gleich gesetzt zu werden. Inzwischen ist ihre Benutzung, da sich unter ihnen auch giftige finden, nicht ohne Gefahr, und ihre Unterscheidung für den Nichtbotaniker schwierig, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit der für sogenannte populäre Zwecke verfassten Schriften, die ohne Kritik und ohne ausreichende Sachkenntniss die Grenzen zwischen dem Nothwendigen und Ueberflüssigen nicht zu halten verstehen. Auch die übrigens ganz empfehlenswerthe, in Gotha erscheinende Sammlung von Pilzmodellen beginnt schon in der ersten Lieferung zwei ganz überflüssige, zur Kennt- niss und Unterscheidung der schädlichen von den essbaren Pilzen gar nicht gehörende Arten zu bringen, wodurch bei weiter fortgesetztem ähnlichem Verfahren nur Vertheuerung und für den eigentlichen Zweck kein Nutzen erzielt wird. Die in Schriften gewöhnlich aufgeführten all- gemeinen Kennzeichen giftiger Pilze erweisen sich alle als trügerisch: Zwiebeln mit notorischen Giftpilzen gekocht, bleiben weiss, werden nieht schwarz, wie der allgemeine Volksglaube an- nimmt u. s. w., daher ist vor diesem zu warnen! Nur mit Hilfe eines analytischen Verfahrens vermag sich auch der Laie auf diesem Ge- biete zu orientiren, wie der Vortragende unter besonderer Berück- sichtigung des Breslauer Pilzmarktes durch Abbildungen, wie durch getrocknete und in Weingeist aufbewahrte Exemplare sämmtlicher be- kannten giftigen und essbaren Pilze zeigte.

Der ganze Demonstrations-Apparat gehört zu dem botanischen Garten- Museum; welches noch vollständiger als früher in bevorstehendem Sommer zu Jedermanns Einsicht im botanischen Garten aufgestellt werden wird. Ausführlich wurden nun noch besprochen: der an und für sich nicht be- deutende Nutzen und Gebrauch der Pilze in der Mediein, die Symptoma- tologie der Vergiftungen, der Leichenbefund, die wegen Mangel eines direet wirkenden Gegengiftes und Unsicherheit der Indicationen schwierige Be- handlung, welche selten gelingt, schliesslich noch eine auf die verschiedenen Stadien der Vergiftung gegründete Heilmethode angegeben.

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 203

Hierauf sprach Herr Privatdocent Dr. Hermann Cohn über

die Wirkung des Strychnins bei verschiedenen Angenleiden.

Nach einer Kritik der Brochüre des Prof. Nagel: „Ueber die Be- handlung der Amblyopien und Amaurosen mit Strychnin“ berichtete der Vortragende über 50 von ihm selbst mit subeutanen Strychnin-Einspritzungen behandelte Fälle von Schwachsichtigkeit. Er injieirte stets nur täglich 2 Milligramm; niemals entstand bei dieser Dosis auch nur die geringste Störung des Allgemeinbefindens, selbst nicht bei 3 Wochen lang fort- gesetzter Anwendung. Gut bewährte sich das Stryehvin bei der Amblyopie der Uebersichtigen, indem unter 16 Fällen 7 eine völlige Herstellung normaler Sehschärfe, 3 eine bedeutende, 4 eine geringe Besserung er- fuhren. 2 Fälle, in denen auch eine vorhergegangene Kur mit Convex- gläsern fruchtlos gewesen war, blieben ungeheilt. Unter 7 Fällen von Kurzsichtigkeit, die mit Schwachsichtigkeit gepaart war, wurden 5 unbe- deutend gebessert. In 3 Fällen von Amblyopie ohne Befund brachte das Mittel einigen Nutzen, im 4. Falle liess es im Stich. bei Blässe des Sehnerven, bei den ersten Spuren beginnender Atrophie desselben und in einem Falle von Neuritis optici wurde ein geringer Erfolg gesehen. Dagegen brachte es bei Amblyopie in Folge von Trunk und anderen Exeessen nicht den geringsten Nutzen, ebensowenig bei ausgesprochener Atrophie des Sehnerven. Verschlechterung der Sehschärfe trat aber bei Gebrauch des Mittels niemals ein; man darf es daher in allen Fällen versuchen. Der Vortragende empfiehlt, stets die Strychninbehandlung vorzunehmen, sobald der Augenuspiegel die Sehschwäche nicht erklärt, besonders bei der Amblyopie der Hyperopen, dagegen bei vor- geschrittener Degeneration des Sehnerven den Kranken nicht erst Hoff- nungen zu machen, die sich doch nicht realisiren lassen.

In der Sitzung am 8. März 1372 machte Herr Dr. Gustav Joseph Mittheilung über eine bisher unbeachtete dritte halbkreisförmige Linie, Linea semieircularis suprema, am oberen Theile des menschlichen Hinterhauptbeines,

dessen Gestalt er als eines der Charakteristika des menschlichen Kopfes betrachtet. Im Gegensatze zu den Knochen des vorderen und seitlichen Schädelgewölbes, sowie dem Antlitzgerüste ist das Hinterhauptsbein wegen seiner einfachen Gestalt bisher selten Gegenstand vergleichender Be- trachtungen gewesen, die sich auf Form und Lage des grossen Hinterhaupts- loches, seine Stellung zur Axe des Rückgrats bei Menschen und Wirbel- thieren beschränkten. Des Vortragenden Aufmerksamkeit hat dagegen das Hinterhauptsbein in mehrfacher Beziehung wachgerufen. Es ist der- jenige Theil des Kopfskelets, an welchem sich dessen Wirbelnatur am wenigsten verändert erhalten und auch in ontologischer Beziehung die wenigsten Veränderungen erlitten hat. Sodann weicht eben die Gestalt

204

Jahres-Bericht

seines oberen Theiles in so eigenthümlicher Weise von der bei seinen, in zoologischer Hinsicht nächsten, Nachbaren ab, dass darin ein Charakter- zug des menschlichen Kopfes sich ausprägt. Der Vortragende zeigte nun, wie von einer gewissen Zeit des Entwickelungslebens ab der Kopf des Menschen und der des Affen entgegengesetzte Wege gehen, welche er durch folgende 8 Momente bezeichnet:

1.

Hinterhauptsschuppe des Menschen und des Affen zeigen nach der Geburt nahestehende Gestaltungsverhältnisse.

Der Mensch dehnt dieselbe nun nach allen Dimensionen gleich- mässig aus,

. Er erreicht die in sagittaler Ausdehnung absolut und relativ grösste

Hinterhauptsschuppe.

Dabei vermehrt sich die Entfernung der Spitze der Hinterhaupts- schuppe von der Mitte der Linea semicircularis superior stetig.

Die Affen, besonders deren anthropoide Gattungen, vergrössern den oberen Theil der Hinterhauptsschuppe nur in der ersten Jugendzeit und nur in horizontaler Dimension.

Die Entfernung der Spitze der Hinterhauptsschuppe von der Mitte der Linea semicirc. superior nimmt bei diesen Wesen stetig ab, bei den anthropoiden Gattungen bis zum völligen Verschwinden dieses Raumes, so dass die genannte transversale Linie und die Lamdaränder zu einem Knochenkamme (Crista lambdoidea) ver- schmelzen.

. Im Einklange damit wird der Winkel, welchen die Lamdaränder

an der Spitze der Hinterhauptsschuppe bilden, bei den Affen von der Geburt bis zum vollendeten Wachsthum immer grösser, dem Winkel von 180 Graden zustrebend, während er beim Menschen nie sich vergrössert, sondern dem Verhalten bei der Geburt ent- weder gleich bleibt oder sich verkleinert.

Während die neue Linie, Linea semicircularis suprema, zwischen Spitze und Linea semicirc. superior gelegen, als obere Ansatzgrenze des Musculus cucullaris beim Menschen sich zeitlebens erhält, bleibt für ihr Bestehen bei den Affen kein Raum und geht sie in der Aufwulstung der Lamdaränder unter.

Obgleich die neue Linie in Gestalt und Ausprägung sich weniger

constant zeigt und von geringerer anatomischen Wichtigkeit als die Linea semicirc. superior ist, so gehört ihre Ausbildung und Erhaltung doch zu den Momenten in der Gestaltung der Hinterhauptsschuppe, welche dieselbe zu einem Charakteristikon des menschlichen Kopfes stempeln.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 205

Derselbe Vortragende sprach in der Sitzung vom 26. Juli 1872 über die Auffassung des Schädels als Wirbelcomplex.

Er charakterisirte zuvörderst die beiden einander gegenüberstehenden Richtungen der Wirbeltheorie des Schädels. Die ältere Theorie ging von der naturphilosophischen Schule aus (Oken, Spix, C. G. Carus) und hat noch heut bedeutende Anhänger (Reichert, Virchow, R. Leuckart, R. Owen, Chr. Aeby, Gustav Jäger). Die meisten derselben sehen den Schädel entweder als aus 3 oder als aus 4 hintereinander liegenden, umgebildeten Wirbelringen zusammengesetzt an. Den hintersten Wirbel stellt das Hinterhauptsbein dar; der mittlere Wirbel oder Scheitelwirbel wird aus der hinteren Partie des Keilbeinkörpers, den grossen Flügeln, (den Schläfenbeinen) und den Scheitelbeinen gebildet; der vordere Wirbel oder Stirnwirbel aus der vorderen Partie des Keilbeinkörpers, den kleinen Flügeln und dem Stirnbein zusammengesetzt. Diejenigen, welche noch einen 4. Wirbel annehmen (R. Owen, Aeby, G. Jäger), betrachten den- selben als aus dem Pflugscharbein, (den Siebbeinhälften) und den Nasen- beinen zusammengesetzt. Indem die der älteren Richtung angehörenden Forscher die einzelnen Schädelknochen als homolog mit entsprechenden Theilen der Rückenwirbel deuten, stützen sie sich auf den Augenschein. Nur der in der Entwickelung fertige oder nahezu vollendete knöcherne Zustand des Schädels ist Gegenstand ihrer Betrachtung. Dabei wird nicht beachtet, dass bei einer sehr grossen Zahl von Thieren der Schädel ent- weder durchweg oder theilweise zeitlebens knorplig bleibt; ferner dass die den Schädel zusammensetzenden Knochen nicht sämmtlich knorplig vorgebildet sind, nicht alle auf gleiche Weise entstehen, indem je grösser das Hirn der Geschöpfe, eine desto grössere Partie der Schädelkapsel nur häutig vorgebildet wird, endlich dass die Fortsetzung der hücken- wirbelsäule auf wenig mehr als den Schädelgrund sich beschränkt. Es wird übersehen, dass die die Schädelwirbel zusammensetzenden Knochen mannigfache Grössenverhältnisse und nicht constante Lageverhältnisse zu einander zeigen. Endlich wird dabei der wichtigste Umstand unterschätzt, dass die Schädelkapsel beim Menschen und allen Wirbelthieren in dem knorpligen Zustande, also zu einer Zeit ein Continuum bildet, in welcher an dem Rohr der Rückenwirbelsäule bereits Segmentation zum Zwecke einer Bewegungsgliederung stattfindet, dass demnach die an der Schädel- kapsel erst bei Beginn der Verknöcherung, also viel später auftretende, secun- däre Segmentation mit der viel früher stattfindenden der Rückenwirbelsäule nicht homolog sein kann, sondern eine völlig andere physiologische Bedeu- tung (Beziehung zum Hirnwachsthum) haben muss. Aus diesen, vom Vor- tragenden ausführlich entwickelten Gründen stellt sich derselbe auf Seite der Gegner der alten Wirbeltheorie des Schädels, auf Seite Huxley’s und Gegenbauer’'s. In der Auffassung des Schädels als Wirbelcomplex gehört

206 Jahres-Bericht

er der Richtung an, welche hierbei nieht von dem fertigen oder fast ferliigen knöchernen, sondern von dem häutigen und knorpligen Zustande desselben, also von frühen Stadien des Entwickelungslebens des Kopf- skelets ausgeht und das ganze Wirbelthiergebiet in den Kreis der Be- trachtung zieht. Die Ergebnisse seiner Studien und eigenen Unter- suchungen fasst der Vortragende in folgende 38 Thesen zusammen:

1. Der Schädel der Wirbelthiere ist eine Fortsetzung der Wirbelsäule, der vordere (obere) Theil des Axenskelets, dessen verschmolzene dorsale Bogen einen entsprechenden Abschnitt des Centralorgans des Nervensystems, dessen ventrale, mannigfach umgebildete oder verkümmerte Bogen die vordere Mündung des Darmcanals um- schliessen. |

2. Die Schädelbasis ist eine Fortsetzung der Säule der Rückenwirbel- körper und wird wie diese von der Wirbelsaite durchzogen.

3. Im knorpligen Stadium bildet der Schädel ein Continuum, während an der Wirbelsäule die Gliederung in Wirbel stattfindet.

4. Das Verhalten der zehn hinteren Hirnnervenpaare, ihr Austritt durch Intervertebrallöcher, das Vorhandensein dorsaler, die Ent- sendung ventraler Zweige zu Visceralbogen oder zu den aus ihnen hervorgegangenen Theilen wiederholt den Typus von Spinalnerven.

5. Alle diese Umstände lassen auf ursprüngliche Segmentation des hinteren Abschnittes des Schädels im knorpligen Stadium schliessen, die aber anchylotisch zu Grunde gegangen ist, Ihr Erlöschen wurde durch Anpassung an innere und äussere Einflüsse bewirkt.

6. Die zur Zeit der Verknöcherung, also später als die Segmentation der Wirbelsäule eintretende, secundäre Begrenzung der Schädel- knochen ist der Bewegungsgliederung durch Wirbel an der Rücken- wirbelsäule fremd. Die Grenzen der Schädelknochen, die Nähte, sind nicht identisch mit Wirbelgrenzen. Die alte Wirbeltheorie, welche beide identificirte, ist unhaltbar.

7. Die secundäre Gliederung des Schädels und ihre Tendenz zur Anchylosirung steht zu der Entwickelung des Hirns in engster Beziehung.

8. Die Verbindung der suplementären Knochen mit den aus knorpliger Vorstufe hervorgegangenen ist nicht durchweg constant.*)

Herr Professor Dr. Heidenhain demonstrirte an einem Hunde die brechenerregende Wirkung des salzsauren Apomorphin.

Ferner berichtete derselbe über die Wirkung einiger Alcaloide (des Atropin, Physostigmin, Nicotin) auf die Nerven der gld. submazillaris.

*) Beide Vorträge sind unterdess als Habilitationsschrift des Autors in dem Verlage von W. G. Korn hier erschienen.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 307

Sodann theilte er Beobachtungen über einen bisher unbekannten „Stäbchenapparat‘“ in der Niere der Säugethiere mit. Das Epithel der gewundenen Harncanälchen und der breiten Theile der Henle’schen Schleifen zeigt, auf einem frischen Schnitte durch die dem eben getödteten Thiere entnommene Niere ohne Zusatz irgend einer Flüssigkeit untersucht, eine dunkle Streifung, welche an der Wand der Canälchen beginnt und sich bis zum Lumen derselben hinzieht. Dieselbe rührt davon her, dass die Epitheliallage von dicht an einander gelagerten eigenthümlichen Gebilden durchsetzt wird, welche die Form von dünnen eylindrischen Stäbchen mit in der Regel ein wenig verbreitertem Aussenende besitzen. Durch Anwendung geeigneter Macerationsmittel isolirt, zeigen sie sich von veränderlicher Dicke, entsprechend ihrem jeweiligen Quellungs- grade. Zwischen den Stäbchen befindet sich eine der Masse nach sehr zurücktretende Menge einer hellen Zwischensubstanz.

Die bisher allgemein verbreitete Angabe, dass das Epithel der oben senannten Abtheilungen der Harncanälchen von körnigen Einlagerungen getrübt sei, rührt zum grössten Theile davon her, dass bei Untersuchung der Canälchen die optischen Querschnitte der Stäbchen für Körnchen gehalten wurden. Doch trifft man allerdings nicht selten auch auf Fett- tröpfechen, welche im Innern der Stäbchen zu liegen scheinen.

Die letzteren bilden nicht die einzigen Elemente der Epitheliallage. Sie stellen vielmehr nur einen in eigenthümlicher Weise differenzirten Theil des Protoplasmas der Epithelzellen dar. Der Rest desselben um- lagert die in regelmässigen Abständen sichtbaren Kerne. Beim Hunde lassen sich diese Protoplasmareste sammt eingeschlossenem Kerne unter der Form eigenthümlich verästelter Massen isoliren, die mit ihren Aus- läufern zwischen die Stäbchen eindringen und wahrscheinlich in die Zwischensubstanz übergehen. Bei anderen Thieren, z. B. der Ratte, ist ein geringerer Theil des Protoplasmas zur Stäbchenbildung verwandt. Der den Kern umlagernde Theil setzt sich von demjenigen, der die Um- wandlung eingegangen ist, schärfer als beim Hunde ab und lässt sich als rundlicher Zellkörper darstellen.

Die physiologische Bedeutung des geschilderten eigenthümlichen Apparates zu ermitteln, hat der Vortragende eine später mitzutheilende Versuchsreihe unternommen.

In der Sitzung am 23. März machte Herr Dr. L. Joseph Mittheilungen zur Anatomie der Uterusflexionen.

Die divergirenden Ansichten Rokitansky’s und Virchow’s in der Aetiologie der Uterusflexionen sind nur durch histologische Untersuchung des Uterus zu lösen. Dieselbe ergiebt die Richtigkeit der Virchow’schen Ansicht. Die Uterusschleimhaut ist unvermittelt mit der Musculatur des Uterus verbunden und besteht aus dünnen, weichen, zellenreichen Ge-

208 | Jahres- Bericht

weben, so dass sie nicht im Entferntesten im Stande ist, Einfluss auf Ge- stalt und Lage des Uterus auszuüben. Weitere Ausführung folgt in einer demnächst erschienenen Arbeit.

Hierauf sprach Herr Dr. Schnabel über einen Fall von Exophthalmie als Symptom von Meningitis.

Ein vierzehnjähriger, bis dahin völlig gesunder Knabe erkrankte mit Jueken und Schmerzen im rechten Auge. Das obere Lid röthet sich mehr und mehr, und ist nach 3 Tagen so geschwollen, dass es nicht mehr ge- hoben werden kann. Es wird ein Abscess an seiner unteren Fläche geöffnet, nebenher ist der Knabe aber schon allgemein erkrankt, fiebert und klagt über Schmerzen in der linken Seite. Am 3. Nachmittags con- statirt man folgenden Befund: Gut entwickelter Knabe; klagt über stechende Schmerzen in der linken Seite. Fieber, Puls 96—100. Heisse Haut. Zunge feucht. Kopf völlig frei. Defaecation am Morgen. Mässig grosser Milztumor. Es fällt eine gewisse Trägheit und Schwerfälligkeit aller Bewegungen und selbst in den Antworten auf. Starker Exoph- thalmus rechts, das obere Lid erysipelatös geröthet bis über den arcus supereiliaris, selbst passiv nur wenig zu erheben, ein dicker Wulst der beträchtlich geschwellten und infiltrirten Conjunetiva um die intacte Cornea; Eiter im Conjunetional-Sack. Linker Bulbus intact.

In dieser Verfassung sollte der Kranke bis in die frühesten Abend- stunden geblieben sein, dann hatten sich grosse Unruhen und Delirien eingestellt, die gegen Morgen in Convulsionen übergingen.

Am Morgen liegt der Kranke völlig bewusstlos, mit fast zurück- gebogenem Kopf und spastisch verzerrtem Gesicht im Bett. Arme in den Ellbogengelenken in Contraetur. Unwillkürliche Defaecationen. Puls 132, Haut stechend heiss. Jeder Versuch, die Contracturen zu lösen, ruft schneller die allgemeine Convulsion hervor; rechter Bulbus wie gestern. Derselbe Zustand des Exophthalmus heute auch auf dem linken Auge, doch ohne die Injection und Secretion der Conjunctiva, hochgradige Licht- scheu, bei jeder Eröffnung der Lidspalte wird der Kopf rasch weggewandt und es brechen ebenfalls Convulsionen aus. Gegen Mittag haben die Convulsionen nachgelassen, doch sind die Arme in Contractur, Patient ist etwas besinnlicher, d. h. er reagirt auf sehr lautes Anrufen; dagegen ist der Puls kleiner geworden, die Respiration laut und zeitweilig aus- setzend. Nachmittags ist völlige Ruhe; die Haut trieft von warmem Schweiss, doch völliger Sopor, kaum zählbarer Puls, Trachealrasseln. Tod gegen Abend.

Eine Stunde nach dem Tode ist der rechte Bulbus wie bei dem Lebenden, die Conjunetiva bulbi und palpebr. schmutzig braunroth, am Rande des oberen Lides in der Nähe des Thränenpunktes deutet ein

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Eiterpunkt die Abscessöffnung an. Der linke Bulbus ist normal in die orbita zurückgelagert. Section wurde nicht gestattet.

Die Berechtigung, den beschriebenen Fall als meningitis basilaris mit eonseeutiver Exophthalmie aufzufassen, erhellt aus einem von Leyden in Virchow’s Archiv veröffentlichten, völlig analogen Falle, dem das Sections- ergebniss mit obiger Diagnose beigefügt ist, und der sich von dem vor- stehenden nur durch die verhältnissmässig lange Euphorie und das Fehlen aller vorbereitenden Cerebral-Erscheinungen unterscheidet.

In der Sitzung vom 12. April sprach Herr Privatdocent Dr. Freund

1) über pathologische Anatomie und Behandlung von haematometra und haematokolpos bei uterus duplex mit einseitiger atresia vaginae. Auf Grund zweier Fälle wird in Bezug auf Anatomie die verschiedene Länge des atresischen Rohres und speciell der flach spiralige Verlauf desselben an dem offenen Rohre besprochen; in Bezug auf Behandlung wird mit Hervorhebung der Gefahren gewisser Operationsmethoden ein unter gewöhnlichen Umständen gefahrloses Verfahren begründet;

2) über Makrosomia partialis.

Dieser Vortrag wird binnen Kurzem in extenso erscheinen.

Herr Privatdocent Dr. Koebner sprach über

die neueste diagnostische Verwerthung mikroskopischer Blutuntersuchungen (Lostorfer’sche Syphilis-Körperchen).

Lostorfer wollte eigenthümliche, nur der Syphilis zukommende, in dieser Krankheit aber constante Gebilde im Blute gefunden haben, welche von Beginn der Infection an vorhanden seien. Er fand diese Körperchen in dem entnommenen Blute aber immer erst nach Verlauf mehrerer Tage, frühestens nach 24 Stunden, und nahm eine Art „Züchtung“ derselben an. Er behauptete eine diagnostische Bedeutung dieser Gebilde. Wedl hingegen erklärte dieselben einfach für Fettkügelchen, hatte jedoch den Fehler begangen, die Präparate mit destillirtem Wasser zu behandeln, wodurch jene Gebilde zerstört werden. Der Vortragende untersuchte selbst Anfangs Blut, das in Glas-Capillaren einige Tage lang aufbewahrt war, ohne etwas Ungewöhnliches zu finden. Nach Bekanntwerden der Methode Lostorfer’s verfuhr er nach dieser, nahm einfach Blutstropfen, unverdünnt, in sehr dünner Schicht unter dem Deckgläschen ausgebreitet; diese Präparate, am Rande eintrocknend, erhalten sich dann in der feuchten Kammer viele Tage lang gut. Nach wenigen Stunden finden sich zwischen den Blutkörperchen kleine, meist runde, seltener ovale oder walzenförmige, zuweilen semmelförmige, oder auch mit kleinen Fortsätzen versehene, sehr blasse und zart eontonrirte Körperchen ein, welche öfters Vacuolen ent- halten. Ihre Liehtbrechung ist schwach, ganz anders als bei Fettkügelchen oder mikroskopischen Pilzen. Durch Druck werden Nierenformen und

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9210 Jahres - Bericht.

Fortsätze beseitigt und Kugelform hergestellt. Diese Körperchen werden allmälig grösser. In Wasser und sehr verdünnten Salzlösungen, auch in Humor -aqueus schrumpfen sie ein und hinterlassen nur ein paar Krümel. Alkohol und Aether thuen ihnen nichts an. Concentrirte Kalilauge löst sie nicht ganz, sondern macht sie nur kleiner und lässt aus ihnen dunkle Punkte (Gasbläschen) hervortreten. Organismen sind es also nicht, sondern Zerfallproduete. Dieselben Gebilde fand nun der Vortragende im Blute bei anderen Krankheiten, z. B. bei Pockenkranken, bei Aene, Eezem, Lupus, ebenso aber auch im Blute von Gesunden, entweder schon nach Stunden oder auch erst nach einigen Tagen. Die Zeit und die Menge dieser Bläschen ist inconstant und hängt'gar nicht von der patho- logischen Beschaffenheit des Blutes, sondern hauptsächlich von der Art der Behandlung der Präparate ab. Der Vortragende wandte später noch nach dem Rathe des Herrn Prof. F. Cohn die Methode an, die Präparate von vörnherein einzukitten. Je mehr sich hier von Anfang an Fibrinfäden abschieden, desto früher und desto mehr jener Bläschen finden sich ein. Noch mehr ist dies der Fall, wenn diese Präparate in einem erwärmten Raume bei einer 'l'emperatur von 25—27 Grad Celsius auf- bewahrt werden. In letzteren finden sich die Körperchen schon nach 1—2 Stunden äusserst zahlreich ein und zeigen Formveränderungen und Ortsbewegungen, welche jedoch nur auf Diffusion und localen Strömungnn im Plasma beruhen. Diese Bläschen sind Vacuolen und entstehen aus den weissen Blutkörperchen, theils als Ausscheidungen der rothen, aber auch aus dem Plasma. Sie sind sehr ähnlich den von Max Schultze beschriebenen Körnchen im Blute, von denen sie sich nur durch ihre be- deutendere Grösse und einige Reactionen zu unterscheiden scheinen. Das Räthsel, dass Lostorfer Blutproben von Syphilitischen durch diese Körperchen von anderen Blutproben unterscheiden konnte, erklärt sich wohl durch zufällige begünstigende Umstände, am wahrscheinlichsten da- durch, dass die ihm vorgelegten Syphilis-Präparate um einige Tage älter waren als die anderen. \

Ausführlicher erschien dieser Vortrag in der Berliner klinischen Wochenschrift am 29. April d. J.

In der Sitzung am 3. Mai sprach Herr Privatdocent Dr. Köbner über die Aetiologie der Psoriasis

nach Vorstellung eines Falles, in welchem 5 resp. 6 Jahre nach dem Auftreten einer isolirten Plaque verschiedene traumatische Einwirkungen an ganz entlegenen Körpertheilen (Excoriationen durch Reiten, Suppuration einer consensuellen Lymphadenitis, Pferdebiss und zuletzt Tättowiren) Ausbrüche der Psoriasis zunächst genau an und in der Form der ver- letzten Hautstellen, später allgemeine Verbreitung zur Folge hatten. Die extensivste Wirkung auf die Eruption hatte ein Pferdebiss geübt, die

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strikte Localisation an den Punkten und Linien artificieller Verletzung liess sich sehr evident an den vor wenigen Wochen tättowirten Buch- staben und Figuren sehen.

Der Vortragende unterzieht nun die verschiedenen ätiologischen Auf- fassıngen des Leidens einer kritischen Besprechung, widerlegt aus kli- nischen Gründen die dyscrasische, sowie aus experimentellen und anato- mischen die embolische Entstehung und stellt als seine Ansicht eine eigenthümliche, in dem Hautorgane der Psoriasiskranken selbst gelegene Disposition hin, welche, meistens nachweislich hereditär, zuweilen aber erworben, Jahre laug latent bleibe und auf die verschiedensten inneren und localen Reize stets gerade in dieser chronischen Entzündungsform der Haut reagire, gerade wie andere Hautorgane ihre Vulnerabilität durch andere, auf die verschiedensten Gelegenheitsursachen ausbrechende flüssige Transsudationsformen, wie Urticaria, Eczem, selbst Pemphigus, kundgeben. Von diesem Gesichtspunkte erklären sich nach dem Vortragenden sowohl die Prädilectionsstellen des ersten Auftretens der Psoriasis, als besonders die nur vorübergehenden Erfolge der localen Zerstörung der einzelnen Efflorescenzen und die grosse Recidivirbarkeit des Leidens. Die Therapie muss nicht blos symptomatisch, sondern auf eine Herabsetzung der Vulnerabilität des ganzen Hautorgans gerichtet sein.

In der Sitzung vom 17. Mai sprach Herr Dr. Martini

über die Bildungsanomalien des weiblichen Utero-Vaginal-Canales und einen seltenen Fall von Uterus et vagina duplex.

Beide Uteri waren gleichmässig entwickelt, der rechte retrovertirt, sehr beweglich, der linke immobil durch Perimetritis anterior, demnach in Anteversion und etwas descendirt. Es war beweisbar, dass beide Organe ein Mal bis zum normalen Ende gravid gewesen waren, dass der linke zwei Mal in der Graviditäts-Entwickeluug vorzeitig unterbrochen worden war. Die ganze Person zeigte eine auffallende Breitenentwickelung des Beckens wie des Körpers und erinnerte hiermit an den Ausspruch Rokitansky’s, dass bei Frauen mit Uterus et vagina duplex es 50 scheine, als habe die Natur in ein doppeltes Subject auseinandergehen wollen.

Hierauf sprach Herr Dr. Lipschitz über eine sanitätspolizeiliche Frage. Den Gegenstand des Vortrages bildeten einige noch gegenwärtig in Kraft befindliche sanitätspolizeiliche Verordnungen (vom 9. Mai 1839, vom 17. Juli 1840, vom 12. März 1856), die Fabrikation und den Ver- trieb bunter Papiere betreffend, soweit sie zum Einpacken von Genuss- gegenständen (Conditorwaaren, Lebensmittel etc.) benutzt werden. Nach dem Inhalte jener Verordnungen werden „alle giftigen Körper ohne Ausnahme zum Färben von Papieren unbedingt verboten.“ Da nun auch Blei zu den giftigen Körpern gerechnet werde, und da

14*

212 Jahres-Bericht

dasselbe in der Buntpapierfabrikation bekanntlich eine sehr ausgedehnte Anwendung finde, so rechtfertige sich die Frage: ob die Ausdehnung obiger Verordnungen auch auf Bleifarben sich wissenschaftlich oder praktisch rechtfertigen lasse.

Zur Untersuchung der wissenschaftlichen Seite der Frage stellt nun der Vortragende eine Vergleichung an zwischen der Dosologie der preuss. Pharmacopoe einerseits und den Angaben von Falk in Mar- burg (die klinisch wichtigen Intoxicationen, Virchow specielle Path. und Ther. II. 159) andererseits mit den quantitativen Analysen bleihaltiger Papiere von Ziurek und Vohl (Wittstein, Viertelj. f. Pharm.). Eine derartige Analyse hiesiger Papiere sei dem Vortragenden nicht bekannt. Aus dieser Vergleichung ergebe sich nun zur Evidenz, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass durch bleihaltige Papiere, insoweit sie zum Einpacken von Genussgegenständen verwendet würden auch wenn diese Enveloppen yon Kindern in den Mund geführt und abgeleckt würden dem Organismus so viel Blei einverleibt werde, als zum Zustandekommen einer Intoxication irgend welcher Art erforderlich sei. Anlangend die praktische Seite der Frage, so werde es sich fragen, ob jemals Blei-Inutoxicationen, durch bleihaltige Enveloppen veranlasst, constatirt seien. Zur Beantwortung dieser Frage hat der Vortragende die sehr reichhaltige Literatur der Blei-Erkrankungen in Schmidt’s Jahrbüchern (Bd. 1—120) durchgemustert, darunter 1273 Fälle von Chevallier und über 1500 Fälle von Tanquerelle de

Planches, welche die Verfasser äthiologisch gesichtet; nicht ein einziger Fall fände sich darunter, der durch bleihaltige Enveloppen erzeugt worden wäre. Nach den bei hiesigen Collegen angestellten

Erkundigungen sei von den Befragten niemals ein derartiger Fall con- statirt worden.

Demnach scheine es unzweifelhaft, dass die betreffenden Verordnungen in ihrer gegenwärtigen Fassung weder wissenschaftlich noch praktisch zu rechtfertigen seien. Das sei aber höchst bedauerlich und verstosse geradezu gegen eines der wichtigsten Postulate einer wirksamen öffentlichen Hygiene, einem Postulate, das Pappenheim (Handb. der Sanitäts-Polizei I. Th.) sehr treffend dahin formulire: „Persönliche Rechte und Interessen sind bei sanitätspolizeilichen Massregeln nur dann zu opfern, wenn das öffentliche Interesse dies ohne Hilfe von Hypo- thesen, ohne überängstliche Besorgniss und überflüssige Bevormundung der Bevölkerung durchaus verlangt!“

Schliesslich legte der Vortragende noch den Mitgliedern der Section die Frage vor, ob vielleicht Einem von ihnen ein hierher gehöriger Fall jemals vorgekommen sei; sämmtliche Anwesende verneinten die Frage.

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In der Sitzung am 7. Juni sprach Herr Privatdocent Dr. Hirt

über die Verwendung gifthaltiger Farben zu gewerblichen Zwecken und die darauf bezugnehmenden sanitätspolizeilichen Vorschriften.

Veranlassung des Vortrages sei die Discussion einer sanitätspolizei- lichen Frage in der medicinischen Gesellschaft; man habe über die Ver- wendung von Blei zum Einpackpapier gesprochen und die Ansicht auf- gestellt, dass nicht blos die Verwendung bleihaltiger Papiere zum Ein- packen von Esswaaren niemals Vergiftungen nach sich gezogen habe, sondern auch, dass derartige Vergiftungen überhaupt nicht vorkommen könnten, weil die Menge des etwa genossenen Giftes zu gering sei. Die darauf bezüglichen Regierungs-Verordnungen seien ganz überflüssig und lediglich die Freiheit der Buntpapierfabrikation schmälernd.

Bei dem grossen Aufschwunge der Farbenindustrie, fährt der Vor- tragende fort, müsse man auch die immer zunehmende Verbreitung der gifthaltigen Farben und die sich fortwährend steigende Verwendung .der- selben in der Technik im Auge behalten. Er wolle sich heut nur mit den Arsen- und Bleifarben beschäftigen und dabei untersuchen: a. welche Farben werden verwandt? b. in welcher Art geschieht das und in welche Berührung kommt das Publikum mit den giftig gefärbten Gegenständen? c. sind durch diese Berührungen Vergiftungen ermöglicht event. sind sie beobachtet worden? d. was ist von den bezüglichen Regierungs-Verordnungen zu halten? Von Gewerbebetrieben wer- den nur die in den Monaten April und Mai a. ce. in Breslau sanitäts- polizeilich revidirten berücksichtigt: Conditoreien, Pfefferküchlereien, Papier- und Spielwaarenhandlungen, Friseurgeschäfte, Buntpapier- und Blumenfabriken.

Arsenhaltige Farben (Schweinfurter-, Neu-, Wiener-, Kirch- berger-Grün) wurden verwendet gefunden: zum Bemalen von Zucker- sachen, zur Herstellung von grünem Papier, welches diente: zum Ein- packen von Esswaaren, zum Bekleben von Kinderspielwaaren, zur Her- stellung von Lampenschirmen. Ferner fand man Arsen in Tuschen aus Kindertuschkasten und (massenhaft) in künstlichen Blättern. Ueber die Gefahr der Arsenvergiftung durch derartigen Missbrauch des Giftes glaubt der Vortragende kein Wort verlieren zu dürfen.

Bleihaltige Farben (Kasselergelb, Neapelgelb, Meninge, Bleiweiss, Bleizucker, Chromgelb, -roth, -grün [grüner Zinnober]) fand man ver- wendet: zum Bemalen von Esswaaren, zur Herstellung bunter Papiere (benützt zum Einpacken von Esswaaren, Bekleben von Spielsachen), bunter Tuschen in Kindertuschkasten, zur Fabrikation von Oblaten und Herstellung von Haarfärbemitteln.

Blei sei ein dem Organismus feindlicher Körper, die zahlreichen Blei erkrankungen bei Bleiarbeitern beweisen das. Wenn Jemand auch

214 | Jahres-Bericht

exceptionell grosse Dosen Blei schadlos vertrage, so sei daraus nichts zu folgern; gerade die grossen Dosen seien weniger gefährlich, als lange fortgesetzte kleine, selbst minimale.

Lebert spricht die Ueberzeugung aus, dass viele Bleivergiftungen, welche auf den Gebrauch bleihaltiger Geschirre, bleihaltiger Leitungsröhren für Trinkwasser zurückzuführen sind, vorkommen, ohne je diagnostieirt zu werden. Das ätiologische Moment werde eben nicht immer erkannt. In ähnlicher Weise, fährt der Vortragende fort, ist die Gefahr der Blei- vergiftung aus der Benutzung bleihaltigen Papiers zum Einpacken von Esswaaren herzuleiten; zwei Fälle davon habe Chevallier veröffentlicht, und wenn die Aerzte so selten dergleichen beobachten, so sei das eben auf den angegebenen Grund zurückzuführen.

Die Gefahr, besonders für die Kinder, durch bleihaltiges Einpackpapier vergiftet zu werden, sei eine sehr bedeu- tende, denn 1) ist die Quantität des in einigen bleihaltigen Papieren enthaltenen Giftes sehr gross. Das ziegelrothe, in Breslau tausend- und aber tausendfach zum Einhüllen von Chocoladentafeln (3 Pf. pro Stück), von Bonbons (1 Pfennig das Stück) u. s. w. benutzte Mennigepapier ent- hält (Dr. Meusel) in einem Bogen 1,69 Grm. (27,8 Gran) Blei, welches etwa 29 Gran Bleioxyd, 50,834 Gran Bleizucker repräsentirt. Ein Bogen genügt, 16 Tafeln Chocolade resp. 52—36 Bonbons einzupacken; ein Kind, welches dergl. Chocolade, Bonbons kauft, bekommt damit also zugleich eine Bleimenge, welche über 3 Gran resp. 1'/, Gran Bleizucker pro Tafel resp. Bonbon repräsentirt, mit in die Hand. Die Pharma- kopoe gestattet dem Arzte, einem Erwachsenen (hier handelt es sich fast nur um Kinder) pro dosi einen Gran, innerhalb 24 Stunden 6 Gran Bleizucker zu reichen. Nun ist ganz gewiss richtig, dass nicht jedes Kind, welches Chocolade geniesst, zugleich das Einpackpapier ableckt; es bedarf aber dieser Manipulation gar nicht, um eine Bleivergiftung zu ermöglichen, denn, und das ist der 2. Punkt, welcher die Gefahr zu einer erheblichen macht, Zuckerlösungen (z. B. in Malzbonbons) haben gerade die Eigenthümlichkeit, mit Bleiverbindungen sich zu verbinden, Blei- saccharate zu bilden und die Löslichkeit der an sich vielleicht unlöslichen Bleipräparate herzustellen. Sieht man nun, wie oft in feuchten Läden die Chocoladen- resp. Bonbonsmasse feucht und das Einpackpapier weich und durchlässig wird (der Vortragende legt Proben solcher verdorbenen Sachen, in Arsenik- resp. Bleipapier eingehüllt, vor), so erscheint es un- zweifelhaft, dass bei dem enormen Gehalt des Einpackpapieres an Blei auch die Oberfläche der zu geniessenden Sachen selbst mit Bleipartikelchen in Berührung kommt, also selbst mit dem Gifte imprägnirt werden muss.

Angesichts solcher, hier in Breslau selbst beobachteter Thatsachen sieht der Vortragende keinen zwingenden Grund ein, warum man Kinder durch Einhüllen von Esswaaren in giftige Papiere einer möglichen Ver-

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giftung aussetzen soll; um so weniger erscheint das geboten, als es ja gerade bei Enveloppen gar nicht auf eine hervorragend schöne Farbe ankomme, und man also getrost giftfreie Papiere verwenden könne, welche vielleicht eine weniger brillante Farbe zur Schau tragen.

Die Regierungs-Verfügungen, datirt aus den Jahren 1821, 1839, 1845, 1848, 1850, 1855 und 1872 seien gerade für den in Rede stehenden Punkt strengstens aufrecht zu erhalten, und es sei bei den an sich sehr überlegten und motivirten Erlassen nur zu beklagen: 1) dass sie den Interessenten zu wenig bekannt gemacht würden und 2) dass sie nur für den Regierungsbezirk Breslau in Kraft seien, ein Umstand, der nicht nur im Interesse der Sanitätspolizei, sondern auch der Fabrikanten und Händler sehr zu beklagen sei.

Herr Sauitätsrath Dr. Paul demonstrirte einen Knaben, an welchem vor Y, Jahre die resection des linken Ellenbogen - Gelenkes ausgeführt worden ist und der jetzt ein sehr brauchbares Gelenk besitzt.

In der Sitzung am 14. Juni hielt Herr Privatdocent Dr. Nothnagel einen Vortrag über experimentelle Untersuchungen über eine Function der Grosshirnhemisphäre, welcher inzwischen anderweitig ausführlich gedruckt erschienen ist.

In der Sitzung vom 4. October hielt Herr Dr. Horwath aus Kiew einen Vortrag:

Zur Physiologie der thierischen Wärme.

Der Vortragende, welcher sich schon früher mit Untersuchungen über den Einfluss starker Abkühlung und Wiedererwärmung auf die Lebens- erscheinungen warmblütiger Thiere beschäftigt und dann Studien über den Winterschlaf von Warmblütern begonnen hat, berichtet jetzt über sehr merkwürdige Temperatur- Beobachtungen an winterschlafenden Zieseln (Spermophilus Cytillus). Er hatte sich eine Anzahl dieser Thiere aus der Umgegend von Tost, durch gütige Vermittelung des Herrn Guradze daselbst, im August v. J. verschafft und. dieselben während des darauf folgenden Winters im Zimmer beobachtet. Die Thiere wurden je eines in ein Glasgefäss gesetzt und während des wachen Zustandes gefüttert. Es zeigte sich zunächst, dass, wenigstens unter diesen künstlichen Be- dingungen, der Winterschlaf dieser Thiere kein ununterbrochener ist; vielmehr schlafen sie immer 1-—4 Tage, wachen dann ungefähr eben so lange, schlafen darauf von Neuem wieder für einige. Tage ein u. =. f. Dieses Verhalten giebt günstiger Weise häufig Gelegenheit, die Vorgänge beim Erwachen zu studiren. Doch ergab sich auch die Möglichkeit künst- lichen Erweckens, wobei die Erscheinungen in gleicher Weise verfolgt wurden. Die T’emperaturmessungen wurden alle mittelst eines, immer 36 Millimeter tief in das recium eingeführten und darin liegen bleibenden

216 Jahres-Bericht

Thermometers angestellt. Während des Winterschlafes haben die Ziesel eine sehr verlangsamte Athmung, 2—3 Züge in der Minute, und die innere Körperwärme ist beinahe gleich der Temperatur des umgebenden Mediums. In einem Falle z. B. war dieselbe durch längere Zeit nur + 2°C,, wohl das erste beobachtete Beispiel, dass ein Warmblüter eine so sehr dem Gefrierpunkte nahe kommende Abkühlung überlebte. Das Erwachen nun, d.h. der Uebergang in den normalen wachenden Zustand, geschieht langsam, so dass der letztere erst nach 3 Stunden und darüber erreicht wird. Die Bewegungen der T'hiere wührend dieses allmäligen Erwachens sind ganz unbedeutend, so zwar, dass das Thermometer ohne Gefahr des Zerbrechens ruhig im rectum liegen bleiben kann. Am merklichsten ver- ändern sich im Anfange des Erwachens die Athembewegungen, indem die Anzahl derselben sich rasch steigert, z. B. in einem specieller mitgetheilten _ Falle nach 10 Minuten bis auf 19, nach einer Stunde bis auf 45 in der Minute. Die Wärmebildung andererseits erfährt im Anfange nur einen geringen, später aber einen wunderbar schnellen Zuwachs. Es steigert sich gewöhnlich die Körpertemperatur in der ersten Stunde um etwa C., in der zweiten Stunde um etwa 5°, dann aber sehr rapide, näm- lich in 50—40 Minuten um 15° und mehr. Die rapide Steigung beginnt in der Regel, wenn die Körpertemperatur die Höhe von 15—17° erreicht hat. Dieser allgemeine Gang der 'Temperaturbewegung wiederholte sich in 20 verschiedenen Beobachtungen in constanter Weise, obwohl die Thiere sich in einem verhältnissmässig kühlen Raume befanden. Es ist diese colossale Wärmeentwickelung in kurzer Zeit nach den jetzigen Ansichten von der Entstehung der thierischen Wärme schwer erklärlich. Sie steht zunächst in keinem Verhältniss zu der mässig gesteigerten Re- spiration, selbst nicht, wenn man berücksichtigt, dass die Selbsterwärmung unterhalb der Normaltemperatur, und zwar am heftigsten zwischen 17 und 320 vor sich geht. Zum Vergleiche wurden Kaninchen bis 20° C. ab- gekühlt und sehr energischer künstlicher Respiration unterworfen; sie erwärmten sich dabei gar nicht, wenn die Aussentemperatur unter 20° blieb. Auch von Muskelthätigkeit kann die Erscheinung nicht abgeleitet werden, da die Thiere sich nur wenig bewegten. Zum Vergleiche wurde ein Hund durch Strychnin vergiftet; während der heftigen, rasch sich wiederholenden Strychninkrämpfe, und obwohl im Sommer mit Decken geschützt, erwärmte er sich doch in 25 Minuten nur um 4°. Auch in Fiebern steigert sich die Körpertemperatur nur um wenige Grade und zwar auch langsam, im Verlaufe mehrerer Stunden. Man könnte bei den Winterschläfern an eine Aufspeicherung des Sauerstoffes denken, welcher während des Erwachens schnell verbraucht werde; aber diese Annahme ist unwahrscheinlich, weil dem Erwachen eine lange Zeit ver- minderter Athmung vorangegangen ist. Entscheidend würden Messungen der während des Erwachens ausgeathmeten Kohlensäure und Wasser sein.

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Der Vortragende hat einige bezügliche Vorversuche- angestellt, jedoch bisher keine ausreichende Reihe von Gas-Analysen ausführen können, Gleichwohl ist er zu der Annahme geneigt, dass seine Beobachtungen mit der bisherigen Theorie der thierischen Wärme unvereinbar sind und zu einem erneuten Studium dieses Problems hindrängen. Beiläufig bemerkte der Vortragende auch am Auge der Ziesel einige ungewöhnliche Eigen- thümlichkeiten, nämlich erstens eine constant weingelbe Färbung der Krystalllinse und sodann Theilung des nervus opticus vor seinem Eintritte in den bulbus, welches letztere Verhalten indessen schon früher von Barkow beschrieben worden ist.

Herr Apotheker Julius Müller sprach über den Werth der aus plastischer Kohle verfertigten Wasserfilter.

Er erwähnte und zeigte nochmals die im: vorigen Jahre der natur- wissenschaftlichen Section vorgelegten Versuche, aus denen hervorging, dass die Entwickelung von Organismen beim längeren Stehen unserer Trinkwässer theils den schon im Wasser enthaltenen, theils den in der Luft sich befindenden, im Wasser zum Keimen kommenden Sporen zuzu- schreiben, dass letztere, wie schon längst bekannt, durch Baumwolle ab- gehalten und die schon im Wasser befindlichen beim längeren Kochen völlig getödtet werden, so dass im vorher luftleer gemachten Kolben ge- kochtes und dann schnell mit einem Baumwollenbausch lose bedecktes Trinkwasser sich hält, ohne auch nach längster Zeit irgend welche Bil- dung von Organismen zu zeigen.

Werden nun wirklich, wie ja behauptet wird, die Sporen beim Fil- tern durch die aus plastischer Kohle verfertigten Wasserfilter zurück- gehalten, so muss solches filtrirtes Wasser sich verhalten wie gekochtes, d. h. in einen Kolben gebracht, so dass beim Einfüllen atmosphärische Luft nicht zukommen kann, darf solches Wasser nach schnellem Schliessen des Kolbens mit vorher sorgfältig gereinigter Baumwolle auch bei langem Stehen keinerlei Organismen entwickeln. Leider hat sich dies durch die angestellten Versuche nicht bestätigt. Es wurde zu denselben ein noch nicht benutztes Wasserfilter aus der renommirtesten Fabrik plastischer Kohle angewandt. Das gewählte Wasser war ein mittelmässiges '"Trink- wasser Breslaus, durch seinen Gehalt an Salpetersäure und Ammoniak die Entwickelung der Sporen begünstigend. Der Vortragende zeigte und erläuterte der Gesellschaft folgende am 10. August angestellte Versuche:

Nicht gekochtes und nicht filtrirtes Wasser wurde in einen vorher mit Wasserdampf gefüllten, dann erkalteten, also luftleeren Kolben ge- bracht, der Hals des Kolbens sofort lose mit durch Aether sorgfältig ge- reinigter Baumwolle gefüllt und nun das Wasser der Sonne ausgesetzt. Schon am 16. desselben Monats war der Boden mit einem grünen Ueber- zug einer Protococceus-Art bedeckt; es waren also in dem nicht

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filtrirten Wasser Sporen, die sich beim Stehen an der Sonne bald ent- wickelten. Der zweite vorher sorgfältig gereinigte Versuchskolben wurde zur Austreibung der atmosphärischen Luft mit Kohlensäure angefüllt, darauf mit einem zweimal durchbohrten Kork verschlossen; in die eine Oeffnuung wurde eine an beiden Seiten offene Glasröhre, deren obere Oeffnung der Ausflussgeschwindigkeit des Kohlenfilters entsprach, gesteckt; in die andere die Ausflussröhre des vorher in das betreffende Wasser eingetauchten und in ‚Gang gesetzten Kohlenfilters gepasst. Auf diese Weise wurde die atmosphärische Luft abgebalten, denn in dem Maasse, als das filtrirte Wasser in den Kolben floss, strömte Kohlensäure aus der anderen Röhre aus, verhinderte also, um so mehr als die Kohlensäure !/, Mal schwerer als die atmosphärische Luft ist, das Eindringen der- selben. Nachdem der Kolben auf diese Weise mit dem filtrirten Wasser gefüllt war, wurde der Hals ebenfalls mit gereinigter Baumwolle lose verschlossen, und neben dem ersten Kolben der Sonne ausgesetzt. Schon am 17. desselben Monats war der Boden auch dieses Kolbens mit derselben grünen Protococeus-Art bedeckt.

Es geht also aus diesem Versuche unzweideutig hervor, dass die in dem betreffenden Wasser vorhandenen Sporen unbehindert durch das Kohlenfilter durchwandern. .

Liess sich hiernach wohl von vornherein aunehmen, dass die so viel besprochenen und eine so grosse Rolle spielen sollenden Bacterien eben- falls durch die Kohlenfilter gehen würden, so stellte der Vortragende doch den directen Beweis dafür an. Er vermischte destillirtes Wasser mit sogenannter. Pasteur’scher Flüssigkeit, die voller Bacterien war, und liess nun dieses Wasser durch das vorher sorgfältigst gereinigte, schwach geglühte Kohlenfilter gehen. Leider zeigte sich unterm Mikroskop jeder Tropfen mit Bacterien reich versehen, anscheinend in derselben Menge, wie in der nicht filtrirten Flüssigkeit. In einen vorher sorgfältigst ge- reinigten, mit Kohlensäure angefüllten und mit Baumwolle lose verstopfteu Kolben gebracht, vermehrten sich in dem filtrirten Wasser die mit durch- gegangenen Bacterien bald so, dass die anfänglich nur opalisirende Flüssigkeit bald völlig trüb und undurchsichtig wurde. Der Werth der Kohlenfilter beruht demnach nur in dem Zurückhalten grober mechanischer Verunreinigungen, wie Sand, Lehm ete., und bei noch nicht langem Ge- brauch wohl auch in dem Entfernen etwa vorhandenen faulen Geruches; nimmermehr aber können, wie vielfach behauptet wird, vermittelst ‘der plastischen Kohlenfilter contagiöse Stoffe aus dem Wasser entfernt werden.

Herr Privatdocent Dr. Hermann Cohn legte

1) einen von ihm construirten Augenspiegel für schnelle Refractions- Bestimmung vor. Bei diesem ist eine Rekoss’sche Scheibe von 3 Durchmesser so über dem Loring’schen Spiegel angebracht, dass 12 Coneav- und 12 Convex-

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släser durch leichte Drehung hinter der Spiegelöffnung rasch nach einander vorübergeführt werden können. In allen Fällen, in denen es sich um schnelle Bestimmung des Baues eines Auges handelt, z. B. bei Massen- Untersuehungen von Schülern und Soldaten, namentlich aber bei Neu- geborenen, die beständig schreien und das Licht: fliehen, sowie auch zum Unterricht in der Untersuchung des Augenhintergrundes im aufrechten Bilde ist dieser Spiegel zu empfehlen. Atropinisation sowohl des Arztes als des Untersuchten ist für mathematisch coırecte Bestimmungen un- erlässlich.

Derselbe Vortragende sprach 2) über Nachstaar-Operation.

In 37 Fällen hat er die nach Staaroperationen zurückbleibenden, im Pupillarbereich ausgespannten häutigen Trübungen bei seitlicher Be- leuchtung mit der v. Gräfe’schen breiten Netzhaut-Discisionsnadel zerrissen, nachdem er niemals durch die Hornhaut, sondern stets im Skleralbord eingestochen. Bei dieser Methode kann man die zartesten, spinnwebigen Trübungen gehörig zerschneiden und hat niemals eine Hornhaut-Infiltration zu befürchten. Das Kammerwasser läuft nicht aus, die Besserung der Sehschärfe ist sofort zu constatiren, eine Nachbehand- lung unnöthig.

Sitzung am 11. October. Herr Dr. Riesenfeld bespricht

einen ihm im Juni d. J. zur Behandlung gekommenen Fall von sub- peritonalem Fibrom des Uterus.

Dasselbe sass am Fundus uteri, hatte etwa die Grösse einer Wallnuss und war von fester Consistenz. Durch einen breiten Stiel stand es mit dem Corp. uterı ın Verbindung. Dieses selbst war im Zustande metritischer Schwellung, ebenso wie die portio vaginalis. Die Patientin litt an pro- fusen Blutungen, die bereits einen hohen Grad von Anämie herbeigeführt hatten und war von allen lästigen Erscheinungen der Metritis gequält. Nachdem R. eine ganze Reihe blutstillender Mittel äusserlich und innerlich erfolglos in Anwendung gezogen hatte, wandte er sich in letzter Linie zu den subeutanen Injeetionen von Ergotin, die er jeden dritten Tag applicirte. Einige Tage nach Beginn dieser Kur kam ihm die Notiz von Hildebrand in der Berl. Klin. Wochenschrift Nr. 25 zu Gesichte, die ihn bestimmte, die Injeetion nach Hildebrand’s Vorgange auszuführen. Der Erfolg war überraschend. Schon nach der 8. bis 9. Injection cessirte die Menorrhagie vollständig und nach 19 Injecetionen war jede Spur einer Unebenheit am Uterus, sowie die Metritis völlig beseitigt. Der Zustand st bis heute so geblieben. Schliesslich fordert R. auf, vorkommenden Falles die Versuche über diesen Gegenstand fortzusetzen.

220 | Jahres-Bericht

Hierauf sprach Herr Dr. W. A. Freund über die organische Grundlage der klimakterischen Beschwerden.

Nach einem historischen Abriss der bisherigen Lehrer über diesen Gegenstand werden die Zustände analysirt und als organische Grundlage derselben eine vorzeitige, mit der Involution des corpus utri nicht har- monisch einhergehende stenosis cervicis, meistens an den Ostien des Canals, mit Retention des Uterinsecretes und Aufnahme zersetzter organischer Stoffe (Nachweis geringer Grade von physometra neben hydro- und haemato- metra) in die Süftemasse dargelegt. Hiernach werden die Folgeerscheinungen als örtliche (zeitweise Entleerung der hydrometra, haematometra; adhäsive Entzündung des laquear vaginae und der portio vaginalis, pruritus etc.) und als allgemeine (unregelmässig intermittirendes Fieber bei chronıschem Magendarmkatarrh, gewisse Haut-Affeetionen u. s. w.) entwickelt.

Sitzung vom 1. November. Herr Geh. Sanitätsrath Dr. Graetzer sprach über

die Armenkrankenpflege Breslaus im Jahre 1871.

Er unterwarf zunächst die Resultate der einzelnen Kranken-Anstalten einer eingehenden Besprechung, verglich sie mit den Ergebnissen des Vorjahres, erwähnte die Errichtung des Pulvermacher-Ries’schen Kranken- hauses und ging sodann zur Erörterung der Populationsverhältnisse unserer Stadt während des Jahres 1871 über. In den fast durchweg ungünstigen Resultaten der Armenkrankenpflege, wie auch der Populationsverhältnisse war die Einwirkung der schlechten Gesundheitsverhältnisse Breslaus im Jahre 1871 ersichtlich. Es zählte das Allerheiligen-Hospital 2483 und die städtische Haus-Armenkrankenpflege 5708, demnach schon die rein communalen Haupt-Institute 8191 mehr Kranke als im Vorjahre. Alle öffentlichen Armenkranken-Anstalten der Stadt aber verpflegten 42,179 Kranke, wovon 3114 gestorben sind. Auch der besser situirte Theil der Bevölkerung hatte an der grösseren Morbilität und Mortalität zu leiden. Denn im Jahre 1871 starben überhaupt 8518 Personen in Breslau.

Der Vortrag verbreitete sich nun über die Ursachen der ungünstigen Gesundheitsverhältnisse der Stadt.

Bekanntlich herrschten besonders in der zweiten Hälfte des Jahres 1871: Pocken, Masern und Scharlach.

Die Pocken-Epidemie begann mit kleinen Anfängen schon im Jahre 1870 mit in Summa 222 Kranken. Im Jahre 1871 erkrankten laut poli- zeilicher Anmeldelisten 4503 Personen, von denen 747, d. i. 16,5 pCt, gestorben.

der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 221

Behandelt wurden von diesen:

2803 in ihren Wohnungen,

1580 im Allerheiligen-Hospitale, 62 im Hospital der barmherzigen Brüder, 17 im Elisabethinerinnen-Hospital, 7 in der Filiale desselben, 2 im Krankenhause Bethanien, 32 im Fraenkel’schen Israeliten-Hospital.

Die Pocken-Epidemie hielt sich im Anfang des Jahres noch in beschei- denen Grenzen, sie nahm erst seit der Mitte Juni zu. Während des Juli und August erkrankten schon je 270 Individuen, weiterhin nahm die Zahl der Pockenerkrankungen noch mehr zu. Sie stieg

im September auf 338, im October auf 675, im November auf 1039 und im December auf 1432.

Auch i. J. 1872 waren‘ im 1, Quartal 1705 363 und 151 Pockenkranke

im 2, UN 2% ausserhalb der Hospitäler in Behandlung.

Von den Hospitäiern wurden innerhalb dieser Zeit 1103, zusammen also 3322 Pockenkranke angemeldet. Die ganze Epidemie, die nun er- loschen zu sein scheint, umfasst vom 1. Januar 1871 bis Ende September 1872 7825 als an Pocken erkrankte Individuen.

Es waren unter den Pockenkranken im Jahre 1871: 608 oder 13,5 pCt. Ungeimpfte, 3895 oder 86,5 pCt. Geimpfte. Es starben: von den Ungeimpften 240 = 39,47 pCt. oder von 2,53 Einer. von den Geimpften 507 = 13,01 pCt. oder von 7,61 Einer.

Leider war aus den polizeilichen Listen nicht ersichtlich, wie viel von den Erkrankten revaceinirt waren, resp. von den Revaceinirten ge- storben sind. Aber auch die Thatsache, dass von den in der Regel im ersten Lebensjahre Geimpften dreimal weniger starben als von den Un- geimpften spricht für die Nothwendigkeit der Impfung.

Die Masern, welche ziemlich gleichzeitig mit den Pocken in Breslau auftraten, breiteten sich erst in den letzten Jahresmonaten in grossen Di- mensionen aus. Es weisen bis zum Jahresschluss die polizeilichen Listen 4613 Masernkranke zu allermeist Kinder auf. Diese Zahl entspricht wohl nicht der Wirklichkeit: denn viele gutartige Fälle gelangten nicht zur Kenntniss der Aerzte, aus Familien, in denen 4 bis 5 Kinder erkrankten, kam oft nur eine Meldung an die Behörde. Auch diese Epidemie reichte

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bis tief in das Jahr 1872 hinein. Erst seit Ende September 1872 kann man sie als erloschen betrachten. Bis dahin waren noch 480 Meldungen von Masernerkrankungen an die Behörde gelangt. Obgleich die Zahl der Todesfälle nicht ganz genau festgestellt werden kann, da viele der Masern- kranken au Complicationen starben und unter dem Namen dieser in den Todteniisten aufgenommen wurden, lässt sich doch ziemlich annähernd feststellen, dass die Epidemie gutartig war. Es wurden 1871 als an Masern gestorben 256 polizeilich gemeldet, davon im November 123, im December 117.

Das Scharlachfieber trat erst im Spätherbst in epidemischer Aus- breitung auf, doch nicht mit so zahlreichen Erkrankungen als die vor- genannten Hautausschläge. Es waren polizeilich bis Ende November 254 und bis Eude December 316 Scharlachkranke registrirt worden. Von diesen starben 72, unter ihnen viele an der complieirenden Diphtheritis. Diese Epidemie ergriff im Jahre 1872 bis zum October noch 216 Per- sonen, ist aber seit dieser Zeit wieder im Steigen.

Nach dieser Schilderung der Epidemien des abgelaufenen Jahres be- nützte der Vortragende die vorläufigen, vom statistischen Bureau bekannt gemachten Resultate der vorjährigen Volkszählung zu einem Ueberblick über den Stand der Bevölkerung unserer Stadt. Breslau hat sich während der letzten 4 Jahre um 11,64 pCt. oder 21,682 Seelen vermehrt, und zwar, wie gewöhnlich, zumeist durch Zuzug, nur in einem kleinen Theile durch Mehrgeburten. Er verglich ferner mit diesem Ergebnisse dasjenige aller Zweige der Armenverwaltung und gelangte zu dem Schlusse, dass diese letzteren in vielen Punkten verhältnissmässig ungünstiger erscheinen, als die Vermehrung der Bevölkerung voraussetzen liess, dass es jedoch gegenwärtig geboten scheint, diese auseinandergehenden Resultate mehr einem Uebergangsstadium, in welchem sich Breslau offenbar. jetzt befindet, zuzuschreiben, als dauernd misslichen Verhältnissen, welche etwa hier wurzelten.

Am Schlusse seines Vortrages gab Herr Geh. Rath Graetzer noch eine Vergleiehung einzelner Ergebnisse der Breslauer und Berliner Be- völkerungs- und Sterblichkeits-Statistik des Jahres 1371.

Eine weitere Verwerthung des Materials behält er sich für den dem- nächst im Druck erscheinenden Bericht vor.

Hierauf sprach Herr Dr. Ludwig Joseph über

das Verhältniss des Ureter zum Uterus im normalen und pathologischen Zustande.

Die in der Berliner Klinischen Wochenschrift 1369 veröffentlichten Angaben über die topographische Anatomie des Ureter im Weibe sind durch die neueste Arbeit von Lnschka nicht vermehrt worden. Seine Ansicht über den Endtheil des Ureter ist unrichtig, wie sich dies auch

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. PA ) schon aus dem pathologischen Verhalten des Ureter ergiebt. Derselbe partieipirt nur an Erkrankungen des Uterus durch vorausgegangene Para- metritis, die ihn an den Uterus heranzieht, oder durch einen ulcerativen oder Verjauchungsprozess, der sich vom Uterus durch das Parametrium erstreckt.

In der Sitzung am 15. November hielt Herr Geheimrath Professor Dr. Lebert einen Vortrag über

die Lungenkrankheiten der Affen und ihr Verhältniss zu denen des Menschen.

Zuerst wurden frische Präparate verschiedener Organe eines kürzlich obdueirten Affen vorgezeigt. Dann bewies der Vortragende an einer Reihe von Beispielen, wie grosse Dienste in unserem Jahrhundert die ver- gleichende Pathologie, die Thierheilkunde der menschlichen geleistet hat.

Die Schwindsucht der Affen ist besonders bei den grösseren Anthro- poiden der menschlichen mehr ähnlich, während sie bei den übrigen meist einen schleichenden, wenig deutlichen Verlauf zeigt. Die Abmagerung der Thiere wird durch die Behaarung längere Zeit verdeckt; der Husten ist viel seltener und trockener als beim Menschen, jedoch kann man auch bei der Brustuntersuchung mitunter ganz ähnliche physikalische Ver- änderungen wie bei diesem nachweisen. Die Affen fressen fast bis zu- letzt, erst wenige Tage vor dem Tode werden sie anffallend schwach, apathisch, sterben aber auch nicht selten unerwartet, ohne vorherige aus- gesprochene Zeichen der Erkrankung. Bei anderen giebt sich jedoch ein etwas längeres Siechthum zu erkennen. Merkliche Athemnoth und schmerz- hafter Husten sind selten,

Wenn auch die ungünstigen Verhältnisse der Gefangenschaft, des Transports, des kälteren Klimas zur Entwickelung der Schwindsucht bei den Affen mächtig beitragen, so müssen sie doch viel mehr als andere Thiere südlicher Länder die Anlage zur Tuberkulose auch bereits in ihrer Heimath in sich tragen, denn viele gehen auch schon in südlichen Stationen, in welchen die Gefangenschaft und das Klima viel milder sind, rasch zu Grunde. Trotz der entschiedenen Neigung zu Lungenschwindsucht sind doch Atfen viel weniger geneigt als andere Thiere, namentlich Meer- sehweinchen, durch Tuberkelimpfung brustkrank zu werden.

Die Sterblichkeit der Affen in unseren zoologischen Gärten hat übrigens mit der Verbesserung der Hygiene der Thiere abgenommen, und sind sie namentlich in unserem zoologischen Garten vortrefflich gehalten und hebt der Vortragende ganz besonders die gütige Bereitwilligkeit hervor, mit welcher der Director Herr Dr. Schlegel ihn bei allen diesen Untersuchungen seit Jahren unterstützt hat.

Den Haupttheil der Mittheilung bildet die anatomische Beschreibung der Veränderungen aller Organe des Körpers bei den schwindsüchtigen

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Affen. Auffallend selten ist Hirnerkrankung; im Brustfell sind grössere Ausschwitzungen viel seltener als beim Menschen, und sind sie viel sel- tener auch eitriger Natur. Von den Lungen bleibt nicht selten eine fast verschont. Häufiger als beim Menschen beginnt anatomisch die Krankheit mit diffus ausgebreiteter Lungeninfiltration. Sonst beobachtet man die gleichen Heerde umschriebener Entzündung der Endtheile der Athmungs- röhren und die gleichen Knötchen und Knoten wie bei der menschlichen Tuberkulose; auch die Neigung zu Höhlenbildung ist ebenso ausgesprochen. Das Gleiche gilt von der Erkrankung der Lymphdrüsen der Brusthöhle. Von den Lungen geht übrigens die Erkrankung keineswegs immer aus.

Höchst auffallend ist beim Affen das Ergriffenwerden vieler Organe, und besonders sind auch die Leber und die Milz, wie dies die vor- gewiesenen Präparate zeigen, oft der Sitz bedeutender Tuberkelgeschwülste, welche sich höhlenartig im Innern erweichen können. Viel seltener als beim Menschen finden sich bei der Schwindsucht des Affen Darmgeschwüre, während die Lymphdrüsen der Bauchhöhle in bedeutender Proportion erkranken. Auch in den inneren Generationsorganen kommen Tuberkeln vor. Werden trächtige Affen schwindsüchtig, so kann sich die Krankheit auf die Jungen vererben, diese sterben aber häufig schon, bevor es zu Ablagerungen kommt. Auch die allgemeine, durch den ganzen Körper verbreitete, sehr zahlreiche Knötchenbildung, welche der galoppirenden Schwindsucht beim Menschen entspricht, kommt beim Affen vor, meistens haben jedoch dann ältere tuberkulöse Krankheitsheerde bestanden.

Der Vortragende findet in den Ergebnissen dieser Untersuchungen eine mächtige Stütze seiner Ansichten über tuberkulöse Krankheiten und Schwindsucht des Menschen. Er spricht ihnen jede Speeificität ab, findet ihre Entwickelung um so häufiger, je mehr schwächende Momente die Ernährung der einzelnen Organe und die des ganzen Körpers beeinträch- tigt haben. Die Trennung dieser Krankheiten in verschiedene Arten hält er für künstlich, betont die Zusammengehörigkeit aller Formen und be- trachtet die ganze Krankheit als einen durch tiefe Ernährungsstörung be- sonders begünstigten Entzündungsproces. Zum Schluss hebt der Vor- tragende hervor, wie wichtig das gründliche Studium dieser Krankheiten auch für die Behandlung derselben werden ınuss und hofft hierfür die Beweise auch in seinem der Vollendung nahen grösseren Werke über die Erscheinungen, die Natur und die Behandlung der Brustkrankheiten zu liefern.

Sitzung vom 22. November. Herr Professor Dr. Förster sprach

über Schutzmassregeln gegen Cholera.

Rationelle Schutzmassregeln werden nur dann gefunden werden können, wenn der Weg, auf dem sich die Cholera verbreitet, bekannt ist. Ueber diesen Weg wissen wir: 1) dass die Cholera nur durch den Verkehr der

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Menschen sich ausbreitet, also ähnlich austeckenden Krankheiten, jedoch nicht durch unmittelbare Uebertragung vom Kranken auf den Ge- sunden. 2) Dass die Ausbildung der Krankheit zu einer Epidemie ab- hängig ist vom Boden, auf dem die Menschen leben, resp. von dem Wasser in diesem Boden. Nur aus dieser Bodenbeschaffenheit lässt sich der auffallende Umstand herleiten, dass gewisse Orte nie von der Cholera befallen werden, immun bleiben. 3) Dass das Choleragift im Keimzustande den Dejectionen der Cholerakranken anhaftet. Aus ihnen entwickelt sich in kurzer Zeit das Cholera-Contagium. Der Vortragende hält es für eine wichtige Aufgabe, zu erforschen, was das Gemeinsame dieser immunen Orte sei. Dieses Gemeinsame bestehe darin, dass diese Orte ihr Wasserbedürfniss auf eine besondere Weise befriedigen, nicht durch wenig tiefe in die Erde gegrabene Brunnen, wie sie überall im Flachlande gebräuchlich sind. Die Theorie, zu der sich der Vortragende bekennt, ist folgende: Das Choleragift gelangt durch die Dejectionen der Cholerakranken in die Abtrittsgruben, dıingt von hier aus durch die Erd- schichten hindurch in die Brunnen und wird durch das Wasser derselben dem Körper zugeführt. Für richtig ist diese Theorie zu halten, wenn sich herausstellen lässt: 1) dass die immunen Orte ihr Wasser nicht aus solchen Brunnen entnehmen, 2) dass alle diese Brunnen unter dem Einfluss der Abtrittsgruben stehen. Be- züglich des ersten Punktes ist massgebend nicht allein, dass eine Wasserleitung vorhanden sei, sondern dass diese Leitung Wasser führt, welches nicht unter dem Einfluss von Abitrittsgruben steht, und welches wegen seiner Qualität und Quantität von allen Bewohnern des Ortes zum Trinken sowohl wie zum Kochen und Waschen etc. benutzt wird. Solche Orte, die nie Cholera-Epidemien gehabt haben, und die ihr Wasser durchweg oder hauptsächlich aus geeigneten Röhrenleitungen. beziehen, sind Poln.-Lissa, Lauban, Pless, Grünberg, von Glogau der linke Oder- Ufer-Stadttheil (in dem rechten ‚Oderufer-Stadttheil sind Brunnen und gab es starke Cholera-Epidemien daselbst), ferner das Waisenhaus in Halle, von Weimar die eine Hälfte, die Wasserleitungswasser hat, die andere, mit Brunnen versehen, litt an Cholera. Denselben Dienst wie Wasser- leitungen thun auch tief in den Felsen gehauene Brunnen: so in Zobten, in Jauer im oberen Stadttheil, der immun blieb, während in dem tiefer gelegenen, mit Brunnen versehenen, die Cholera herrschte. Bezüglich des zweiten Punktes führt der Vortragende an: dass man bei Dresden durch Versuche festgestellt habe, dass in einem Brunnen der Wasser- spiegel sank, wenn aus einem zweiten, der 120 Fuss davon entfernt war, 7 Fuss Wasser ausgepumpt wurde; ferner, dass Thierleichen, nach- gewiesenermassen auf 160 Fuss weit,. das Grundwasser verunreinigten dass das Ammoniakwasser der Münchener Gasanstalt in Brunnen nach gewiesen wurde, die 700 Fuss von der Gasanstalt entfernt waren. Hier-

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226 Jahres-Bericht

naeh zieht jeder Brunnen flüssige Stoffe an sich mindestens aus einem Umkreise von 200 Fuss Halbmesser. Es giebt aber nur selten einen Brunnen, der 200 Fuss von allen Abitrittsgruben entfernt liegt, in Breslau vielleicht keinen einzigen. Demnach sind fast alle Brunnen von Abtritten infieirt und die chemische Analyse weist dies nach, indem in allen Brunnen grösserer Städte reichlich salpetersaure Salze gefunden wurden, die nur unter dem Einfluss der Abtritte sich gebildet haben können. Es wird uns jetzt auch begreiflich, dass hoher Grundwasserstand, Felsboden, un- durchlässiger Thonboden dem Auftreten der Cholera hinderlich sind, rasches Fallen des Grundwassers und poröser Boden dagegen die Cholera begünstigen, sowie dass auch im Winter Cholera-Epidemien fortdauern. können, Cholera auf hoher See hingegen eine Seltenheit ist. Die Ver- breitung der Cholera kann geschehen nicht blos durch Trinkwasser, son- dern auch auf anderem Wege durch Verdünnung der Milch oder des Bieres mit infieirtem Wasser, Verfälschung der Butter mit demselben, durch Fleisch, welches mit infieirtem Wasser behandelt ist etc.

Es stellen sich sonach zweierlei Schutzmassregeln heraus; 1) man sorge dafür, dass keinerlei Exeremente in den Boden gelangen Ab- fuhrsystem; 2) wenn dies nicht angänglich, so entnehme man wenigstens diesem inficirten Boden kein Wasser, sondern beschaffe reichliches, zu allen Lebensbedürfnissen passendes und nicht infieirtes Quellwasser, das grösseren Städten nur durch eine Röhrenleitung zugeführt werden kann. In Ermangelung des Quellwassers würde für Breslau das städtische Wasser aus dem Wasserhebewerk zu empfehlen sein.

In der Sitzung am 22. November sprach Herr Dr. med. Asch über die Canalisation grösserer Städte.

Der Vortragende gab einen kurzen historischen Ueberblick über den Stand der Frage im Allgemeinen und eine cursorische Darstellung der verschiedenen Systeme, mittelst welcher Städte von ihren Immunditien be- freit werden können. Er kam zu dem Resultate, dass die Frage über die Wegschaffung der menschlichen Exceremente aus dem Wohnbereich und ihre Unschädlichmachung überhaupt sich nicht allgemein und allein vom theoretischen Standpunkte aus entscheiden lasse, sondern dass das Urtheil in jeder einzelnen Stadi für dieselbe aus den verschiedenen vor- handenen Bedingungen, als ihren Terrainverhältnissen, der Nachbarschaft bestimmter, ihr zur Disposition stehender Ländereien, ihren Grundwasser- und Bodenverhältnissen, der Beschaffenheit des Flusses, an welchem sie liegt, und manchen anderen gezogen werden müsse. Doppelt schwer sei dies Urtheil aber zu fällen in einer Stadt wie Breslau, welches seit sehr langer Zeit theilweise canalisirt sei, obwohl die Canäle niemals für den Zweck auch der Abführung menschlicher Exeremente gedacht seien. In diesem Augenblicke sich über das für Breslau Richtige zu entscheiden,

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sei schlechthin unmöglich, da alle dafür nothwendigen Vorfragen noch gar nicht ernstlich studirt worden seien. Dahin rechnet der Vortragende eine genaue Karte der vorhandenen Canäle, welche allerdings in neuester Zeit angefertigt worden sei ein genaues Nivellement der Stadt bis in die entferntesten Theile und darüber hinaus eine Arbeit, welche auch in der allerjüngsten Zeit zu Ende gebracht worden sei. Vor Allem aber hält er es für unabweislich, dass die Canäle, welche vorhanden sind, genau auf ihre materielle Beschaffenheit und ihren gegenwärtigen Zustand geprüft würden, Ks müsse sich bei dieser Prüfung vorzugsweise um die Untersuchung und Aufdeckung nicht der grossen, erst in dem letzten Jahrzehnt erbauten Ringeanäle, sondern gerade der kleinen, im Innern der Stadt befindlichen Zweigcanäle han- deln, weil man voraussehen könne, dass diese überhaupt in schlechtem Zustande, zum Theil mit Senkstoffen angefüllt, vor Allem aber nicht für den beabsichtigten Zweck Abführung menschlicher Exeremente geeignet seien. Es wurde auf die Einrichtung von Water-Closets über- haupt und ihre Folgen für die Beschaffenheit der Luft in den Häusern und die bei ihnen nothwendigen Cautelen hingewiesen und als verfehlt geschildert, dass schon jetzt eine Anzahl Water-Closets ohne Weiteres in die Canäle eingeleitet würden. Die Debatte wurde sehr lebhaft ge- führt und namentlich fand das sogenannte Tonnen-Abfuhr-System lebhafte und scharf gerüstete Vertheidiger. Einen Abschluss fand dieselbe jedoch noch nicht, sondern wurde für eine der nächsten Sitzungen vertagt.

In der Sitzung vom 13. December sprach Herr Dr. Schmeidler über einen Fall von Stearrhoe und den diagnostischen Werth dieses Symptomes,

Herr Apotheker Julius Müller über die zu diesem Falle gehörige chemische Analyse.

Der Fall, welcher dem Vortragenden, Herrn Dr. Schmeidler, in seiner Privatpraxis zur Behandlung kam, war kurz folgender:

Herr H., 67 Jahre alt, ein Breslauer gut situirter Bürger, consultirte ihn .am 18. August d. J. zum ersten Male, ‚weil er seit etwa °/, Jahren mit dem Stuhlgange grössere Quantitäten flüssigen Fettes entleere, ja weil solche Fett-Abgänge manchmal sogar unwillkürlich, ohne dass er zu Stuhle gehe, erfolgten, so dass er dabei erheblich magerer und schwächer geworden sei, sonst aber weder über Schmerzen noch andere Abnor- mitäten, bis auf vorübergehende zeitweilige Abnahme des Appetites ge- klagt habe. Die zufällige Entdeckung dieser bedeutenden Fett-Abgänge, die ihn übrigens sehr deprimirten, veranlasste ihn fortan, zur besseren Beobachtung stets Urin und Faeces getrennt zu entleeren.

Dernnach bot sich, als der Vortragende die Faeces besichtigte, in der That der eigenthümliche Anblick dar, dass die festen, nur schwach gallig

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228 Jahres-Bericht

gefärbten Faeces von einer anfangs flüssigen, später geronnenen, weiss- gelben reinen Fettmasse umgeben und theilweise überflossen waren (wie Oppolzer es einem „mit verflüssigter Butter gemachten, nachher erkalteten Uebergusse‘“ tretfend vergleicht).

Die genau angestellte Anamnese ergab nur die Symptome voran- gegangener ganz leichter Verdauungsstörungen, aber ohne Icterus, Duodenal- katarrh u. dergl. Die auf’s Genaueste angestellte Differential-Diagnose musste alle Erkrankungen, die sonst in der Pathologie und Casuistik etwa als Ursache der Stearrhoe angeführt werden, ausschliessen, namentlich Panoreas-Tumoren, Leber- und Darm-Erkrankungen, fetthaltige Cysten ete., constatirte nur eine mässige Alters-Atrophie der Leber und stellte bei dem sonst guten Gesundheits-Zustande des Patienten als Ursache der Stearrhoe in diesem Falle hin: „eine mangelhafte Secretion der- jenigen Säfte, welche das Fett verdauen helfen, speciell der Galle und vor Allem des pankreatischen $aftes.

Für die Therapie ging daraus die Aufgabe hervor, diese Secretionen vor Einnehmen der Mahlzeit jedesmal stärker anzuregen, und zwar wandte der Vortragende, Dr. Schmeidler, zunächst die Amara an, indem er verordnete:

Rpt. Tinet. Chinae comp. Elixir. Aurant. comp. aa 10,0 Tinct. Rhei vinos. 5,0 M. D. $. Dreimal täglich einen Theelöffel, eine Stunde vor der Mahlzeit zu nehmen.

Der Erfolg war überraschend. Nach wenigen Tagen schon ver- schwand das freie Fett gänzlich aus den Stuhlgängen, dieselben erfolgten so regelmässig und copiös wie vorher, und waren etwas dunkler braun gefärbt. Der Appetit steigerte sich täglich, die Diät blieb absichtlich unbeschränkt, Patient entleerte trotz reichlichen Fettgenusses kein flüssiges Fett mehr.

Nach vierwöchentlichem Gebrauche des Mittels, während dessen sich Patient viel wohler fühlte, glaubte er ganz hergestellt zu sein und liess das Mittel weg. Acht Tage später begannen in Folge dessen wieder Fett-Ausscheidungen, und zwar am 30. September eine Fett-Abscheidung von 60,0 bis 80,0 Grammes. Das Fett gerann etwa 2 Stunden nach erfolgtem Stuhlgange.

Nunmehr wurde das Fett auf Veranlassung des Vortragenden von Herrn Apotheker Julius Müller mit dankenswerther Gefälligkeit genau untersucht.

Herr Apotheker Müller fand, wie am Schlusse genauer angegeben, dass dasselbe aus stearin-, palmitin- und oläinsaurem Glyceryloxyd bestand.

Es war demnach dieses Fett vollkommen entsprechend dem genossenen thierischen Fette; auch enthielt es kein Chole-

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stearin. Dies, im Verein mit dem Erfolge der Therapie, sprach für die Richtigkeit der Diagnose, mehr aber noch das Folgende.

Am 7. October, nach achttägiger Beobachtungszeit ohne Darreichung von Medicamenten, währenddem Patient fortwährend Fett entleerte, liess Dr. Schmeidler den Patienten dasselbe bittere Mittel wieder einnehmen. Seitdem blieb das Fett sofort wieder aus den Stuhlgängen weg, nur noch einmal trat eine kleine Quantität (wenige Grammes) Fett auf.

Hierauf wurde die Medication dahin vervollständigt, dass Patient vor dem Essen dieselben Amara, nach deın Essen aber das Natr. bicarb. (dreimal täglich eine Messerspitze) zur Verseifung der Feite im Darm- canal gebrauchen musste. Hierauf bedeutende Besserung, nur am 24. Octbr. noch einmal Entleerung von eirca 15,0 Grammes Fett neben einem ziem- lich entfärbten weissgrauen Exerement, bald aber vollständiges Ver- schwinden der letzten Fettspuren aus den Stuhlgängen, normale Färbung derselben, absolut normale Verdauung bei vortrefflichem Appetit, bei selbst reichlichem Fettgenuss. Patient selbst fühlt sich viel wohler, kräftiger, lebhafter, besorgt wieder selbst seine Getreide-Geschäfte, sieht munter aus, hat rothe Backen; kurz, erfreut sich im Verhältniss zu seinem Alter von 67 Jahren einer vortrefflichen Rüstigkeit. Am interessantesten ist, dass er nunmehr vom 13. November, wo er 128 Pfund wog, bis 3. De- cember um ein ganzes Pfund Körpergewicht zugenommen hatte, dass also das Fett, seitdem es nicht mehr ausgeschieden wurde, wirklich dem Körpergewichte zu Gute kam.

Es wurden nunmehr nach Gebrauch des Natr. bicarb. die Faeces von Herrn Apotheker Müller nach der von Hoppe-Seyler angegebeneu Methode auf Seife untersucht. Derselbe fand, während vorher jeder Stuhlgang durchschnittlich 60,0 Grammes freies Fett enthalten hatte, gegenwärtig in einem Stuhlgange 16,0 Grammes Seife; da hierin etwa 8,0 Grammes Fett enthalten sind, so ergiebt sich, dass nach Darreichung dieser Medicamente die Ausscheidung des Fettes sich fast um das Achtfache verringert hatte, dass aber das nicht ausgeschiedene Fett theils durch die unmittelbare, die Diffusion befördernde Wirkung der nunmehr stärker abgesonderten Galle, theils als Seife resorbirt worden sein musste. Hatte aber das Natr. bicarb. die Wirkung gehabt, das Fett als Seife resorptionsfähig zu machen, so konnte dies nur durch Gegenwart des pankreatischen Saftes geschehen sein, welcher allein von allen Secreten die Eigenschaft besitzt, die Fette in Fettsäuren und Glycerin zu zerlegen, ohne eine solche vorherige Zer- legung im Darme hätte das Natr. bicarb. es nicht vermocht, die Fette zu verseifen, da dies nur kaustische Alkalien direet im Stande sind. Damit war der wichtige Beweis für das Vorhandensein des pan- kreatischen Saftes nach Gebrauch jener Medicamente ge- liefert, während das Vorhandensein der Galle sich aus der Farbe des Stuhlganges etc, ergab. Gewiss dürfte demgemäss der Rückschluss auf

230 Jahres-Bericht

die abnorm verminderte Secretion jener Säfte vor dem Gebrauche der Medicamente ebenfalls zulässig und damit eine Erklärung für das Auf- treten dieser Verdauungs-Anomalie bei dem alten Manne gegeben sein.

Nachdem der Vortragende weiterhin durch ein physiologisches und pathologisches Resume seine Ansichten unterstützt, wendet er sich zur Casuistik der Stearrhoe, zeigt ihre grosse Seltenheit, wie sie u. A. Ancelet in seiner verdienstvollen Arbeit ‚DiversitE des affections ' du pancreas“ statistisch nachgewiesen hat, führt einzelne besonders interessante Fälle aus der Literatur an, und gelangt nach ausführlicherer Erwähnung der hierher gehörigen Ansichten Bamberger’s und Oppolzer’s zu folgenden Schlusssätzen:

1. Die Stearrhoe ist eine sehr seltene Erscheinung.

2. Sie ist an und für sieh noch kein pathognostisches Symptom für eine tiefere Erkrankung der Leber, des Pancreas oder des Duodenum.

3. Sie verdankt ihre Entstehung meist einer verminderten oder auf- gehobenen Secretion

a) derjenigen Flüssigkeiten, welche die Fette theils spalten, theils bleibend emulsioniren, d. h. hauptsächlich des pankreatischen und Darmsaftes,

b) der verminderten Seeretion der Galle (welche ja die Fette durch Anwesenheit des gallensauren Natrons diffusionsfähig macht und wohl die nach der Spaltung frei gewordenen Fett- säuren, nicht aber die neutralen Fette gelöst erhalten kann, auch nach dem Schütteln mit Fett keine bleibende Emulsion bildet).

4. Es scheint, dass eine gleichzeitige Verminderung dieser beiden Secretionen das Zustandekommen der Stearrhoe wesentlich begünstigt.

9. In den Fällen, wo nur diese Verminderung der Secretionen, nicht aber eine tiefere Organ-Erkrankung die Ursache der Stearrhoe bildet, kann dieselbe durch Beförderung dieser Secretionen geheilt werden.

6. Die Amara befördern, vor der Mahlzeit eingenommen, die Secretion der Verdauungssäfte, speeiell der Galle und des pankreatischen Saftes.

7. Der beschriebene Fall bildet einen neuen Beleg dafür, dass die durch die Nahrung aufgenommenen, nach der Spaltung durch den pankreatischen Saft verseiften Fette zum grossen Theile als Seifen resorbirt werden.

Hieran knüpfte Herr Apotheker Julius Müller einige Bemerkungen über die genauere Analyse jenes Fettes im freien und verseiften Zustande, denen noch Folgendes zu entnehmen ist:

Es wurden aus den zur ersten Untersuchung gekommenen Faeces mit Leichtigkeit 20 Gr. des Fettes durch vorsichtiges Abgiessen erhalten. Dasselbe besass den Faecal-Geruch und zeigte unter dem Mikroskop die schönsten Fettkrystalle, sternförmig krystallisirte Nadeln, ganz denen gleich,

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welche man erhält, wenn eine Lösung von Hammeltalg in Chloroform auf dem Objectglase verdampft. Das Fett löste sich bis auf einen minimalen Rückstand völlig klar in Aether, erwärmt schmolz es leicht zu einer klaren Flüssigkeit. Ausser den erwähnten 20 Gr. wurden aus denselben Faeces durch wiederholtes Ausziehen mit Chloroform noch 40 Gr. Fett erhalten, so dass also die Gesammtmenge des Fettes 60 Gr. betrug. 50 Gr. desselben wurden zur genaueren Untersuchung der Verseifung durch Natronlauge unterworfen und auf diese Weise 52 Gr. einer festen weissen Seife erhalten. Zur Gewinnung des bei dieser Verseifung gebildeten Glycerins wurde die kochsalzhaltige Unterlauge eingedampft, der Rück- stand mit Aetherweingeist ausgezogen, der Auszug abermals eingedampft, der Rückstand wieder mit Aetherweingeist aufgenommen und endlich eine mittelst Filtriren durch Kohle ziemlich farblose Glycerinlösung erhalten. Dieselbe gab eingedampft ungefähr 3 Gr. Glycerin. Zur Darstellung der freien Fettsäuren wurden 35 Gr. der Seife in Wasser gelöst und mit Salzsäure zersetzt. Die auf diese Weise erhaltene und nachher mittelst Aether gereinigte Fettsäure betrug 28 Gr. Dieselbe war ziemlich fest und besass einen Schmelzpunkt von 45° C., bestand also sicher neben Stearin- und Palmitinsäure überwiegend aus Oleinsäure.

Durch Darstellung aller dieser Präparate ist wohl das Fett hinlänglich charakterisirt. Es besteht, wie die meisten von uns genossenen Fette, aus stearin-, palmitin- und oläinsaurem Glyceryloxyd.

Der öfters untersuchte Harn war frisch klar, nach kurzer Zeit aber einen reichlichen Bodensatz gebend. Er besass meist ein specif. Gewicht von 1,02 und enthielt weder Eiweiss noch Zucker. Harnstoff, Chloride und Phosphorsäure waren in normaler Menge vorhanden. Der Bodensatz bestand aus Krystallen von Harnsäure, bisweilen untermischt mit solchen von oxalsaurem Kalk.

Die später auf einen etwaigen Gehalt an Seife untersuchten Faeces wurden nach Hoppe-Seyler wiederholt mit heissem Alcohol extrahirt und der Auszug nach Hinzufügen von wenig kohlensaurem Natron im Wasserbade bis zur Trockene eingedampft. Der Rückstand wurde zur etwaigen Fett- und Cholesterin-Entfernung wiederholt mit Chloroform und Aether aus- gezogen, dann mit absolutem Alcohol ausgekocht und diese Lösung ein- gedampft. Es wurden auf diese Weise ungefähr 13 Gr. einer gelblichen, ziemlich harten Substanz erhalten, die sich durch ihre leichte Löslichkeit in Wasser, stark alkalische Reaction, Zersetzung durch Säuren unter Frei- werden von Fettsäuren als ziemlich reine Seife erwies. Es war also dadurch constatirt, dass immer noch nicht alles genossene Fett resorbirt worden, dass vielmehr ein Theil desselben als Seife in die Faeces über-

gegangen.

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NG Bericht über

die Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1872

erstattet von

Professor Dr. Kutzen,

zeitigem Secretair der Section.

Die historische Section versammelte sich im Jahre 1872 vierzehn Mal. Grössere Abhandlungen, die in diesen Sitzungen zum Vortrag und zur Besprechung kamen, waren ihrem wesentlichen Inhalt nach folgende:

In der Sitzung am 18. Januar hielt Herr Proreetor Professor Dr. Schmidt aus Schweidnitz einen Vortrag

über den im Jahre 1613 in der kurbrandenburgischen Linie der Hohenzollern erfolgten Confessionswechsel.

Der Vortragende wies im Eingange darauf hin, dass die Regierung des Kurfürsten Johann Sigismund (1608—1619) in zweifacher Beziehung für die Geschichte der Entwickelung des preussisch-brandenburgischen Staates von hoher Bedeutung sei, einmal durch die Erweiterung der Haus- macht und dann durch den Uebertritt des Landesherrn zur evangelisch- reformirten Kirche. Unter keinem der früheren Hohenzollern hat der Staat einen solchen Zuwachs erhalten, als unter Johann Sigismund. Unter seiner Regierung wurde das Herzogthum (Ost-) Preussen, sowie ein Theil der Jülich-Cleve-Bergschen Herrschaft, nämlich Cleve, Mark, Ravensberg mit Kur-Brandenburg vereinigt. Nicht minder wichtig für die Folgezeit war der Schritt, welchen der Kurfürst that, indem er seinen Dissensus mit dem streng-evangelisch-lutherischen Dogma offen darleste und durch die Abendmahlsfeier nach dem Ritus der evangelisch-reformirten Kirche am 25. December 1613 seinen Anschluss an diese kirchliche Gemeinschaft kundgab. Zweimal ist in dem Verlaufe eines Jahrhunderts in der kur- brandenburgischen Linie der Hohenzollern ein Confessionswechsel erfolgt.

234 Jahres-Bericht

Im Jahre 1539 trat Joachim II. von der katholischen Kirche zur evan- gelisch-lutherischen Kirche über, nachdem kurz vorher sein Bruder Johann, der in der Neumark Brandenburg regierte, einen gleichen Schritt gethan, und Verwandte aus der fränkischen Linie der Hohenzollen das evangelisch- lutherische Bekeuntniss angenommen hatten, während seine Gemahlin Hedwig aus dem polnisch-jagellonischen Fürstenhause der katholischen Kirche treu blieb. In gleicher Weise hatten vor dem Uebertritt des Kur- fürsten Johann Sigismund dessen Brüder, der Markgraf Johann Georg von Jägerndorf und der Markgraf Ernst, der Statthalter von Cleve, sich zum Dogma der evangelisch-reformirten Kirche bekannt. In dem Vortrage wurde nun dargelegt, dass jener Confessionswechsel nicht aus politischen Beweggründen erfolgt sei. Der Kurfürst selbst hebt in seinem Schreiben an die Stände der Mark wiederholentlich hervor, dass er seiner inneren religiösen Ueberzeugung gefolgt sei. Seine religiöse Anschauung hatte sich geändert, als er bei seinem Aufenthalt am kurpfälzischen Hofe in Heidelberg, mit dem er durch die spätere Heirath seines Sohnes Georg Wilhelm in verwandtschaftliche Berührung trat, Gelegenheit gehabt, die Ansichten der evangelisch-reformirten Theologen zu hören. Acht Jahre hatte er sich mit dem Gedanken des Confessionswechsels getragen, ehe er denselben ausführte. Politische Motive können den Kurfürsten nicht geleitet haben, denn bei der feindseligen Stimmung, welche damals die Lutherischen den Reformirten gegenüber an den Tag legten, erbitterte der Kurfürst den grössten Theil seiner Unterthanen in der Mark Brandenburg durch diesen Uebertritt und machte seine Stellung in Preussen, wo er in jener Zeit noch die Curatel über seinen schwachsinnigen Schwiegervater Albrecht II. Friedrich führte, nach dessen im Jahre 1618 erfolgtem Tode ihm erst die Herrschaft zufiel, sehr schwierig. Nicht gerechtfertigt ist endlich die Annahme, dass der Kurfürst zur Behauptung des eines Theiles der Jülich- Cleve-Bergschen Erbschaft der andere Theil hatte dem Prätendenten von Pfalz-Neuburg zugestanden werden müssen der Hilfe der Republik Holland sich habe versichern wollen, in welcher das refor- mirte Bekenntniss vorherrschend war, und deshalb seine Confession ge- ändert habe. Die gedachte Republik, regiert von Statthaltern aus dem Hause ÖOranien, machte ihre politischen Verbindungen nicht immer von der Gleichheit des religiösen Bekenntnisses abhängig. Dazu kommt, dass der Kurfürst sich nicht zu der streng-calvinischen Ansicht bezüglich der Lehre von der Gnadenwahl bekannt, welche auf der Synode zu Dordrecht (1618) zum Dogma der niederländischen Kirche erhoben wurde.

Am 25. Januar hielt Herr Professor Dr. Reimann einen Vortrag über den Cölner Kurfürsten Friedrich von Wied.

Er hatte bereits eine Arbeit über diesen Mann im elften Bande der Forschungen veröffentlicht. Das wirkl. Mitglied des Instituts für öster-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 235

reichische Geschichtsforschung, Herr Schrauf in Wien, sammelte dann in dem k. k. Hof- und Staatsarchiv mit Verständniss und Geschick weitere Nachrichten und stellte sie dem Vortragenden höchst freundlich zur Ver- fügung. In Folge dessen konnten die Streitigkeiten über die Annaten, wodurch die päpstliche Bestätigung verzögert war, ausführlicher dargestellt werden. Der Kurfürst weigerte sich weiter, obwohl er katholisch war, das Glaubensbekenntniss abzulegen, welches Rom nach dem Tridentiner Coneil verlangte. Wenn dies bereits in den Forschungen genügend auseinandergesetzt war, so konnte doch der Ausgang, welchen die An- gelegenheit endlich nahm, nun noch genauer verfolgt werden.

In den Sitzungen am 15. und 22. Februar behandelte Gymnasial- Oberlehrer Herr Dr. Markgraf

die Geschichte Schlesiens und besonders Breslaus unter König Ladislaus Posthumus.

Der Vortrag besprach die Folgen, welche die Aufrichtung einer festen Regierung in Böhmen nach dem langen Interregnum für die böhmischen Nebenländer und besonders für Schlesien und dessen Hauptstadt Breslau hatte, Zunächst fügte sich Schlesien der neuen Ordnung der Dinge, die durch den Ueberfall Prags im September 1448 durch Georg von Podiebrad und dessen Erwählung zum Gubernator angebahnt wurde. Dann störte aber das Auftreten des heiligen Capistrano (Februar bis August 1453) in Breslau diese friedliche Stimmung und entzündete neben einer grossen Judenverfolgung auch einen furchtbaren Ketzerhass. Capistran gründete auch die Kirche und das Kloster zu St. Bernhardin. Zunächst weigerte sich Breslau hartnäckiger als das übrige Schlesien, dem inzwischen von Podiebrad auf den Thron gehobenen Ladislaus Posthumus wo anders als in Breslau, und zwar persönlich, zu huldigen, und setzte das endlich durch. Der Aufenthalt des Königs in Breslau vom 6. December 1454 bis 31, Januar 1455 und die dabei verhandelten Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung wurden ausführlich dargestellt, besonders der Ver- such Podiebrad’s hervorgehoben, durch Einsetzung Heinrichs von Rosenberg zum Landeshauptmann von der Ober-Lausitz, den Fürstenthümern Breslau und Schweidnitz-Jauer Schlesien wieder in Regierung zu nehmen. Die Wahl des Jost von Rosenberg zum Breslauer Bischof verstärkte den Ein- fluss dieses Hauses in Schlesien, zumal sich der dritte Bruder Johann mit Anna von Glogau verheirathet. Je geneigter Breslau den Rosenbergen erschien, um so feindseliger stellte es sich gegen Podiebrad. Eine Con- solidirung der neu begründeten Verhältnisse konnte leider nicht statt- haben, da schon im November 1457 der junge König plötzlich starb und das Reich ohne Thronerben zurückliess.

In der Sitzung am 14. März gedachte zunächst der Secretair der Section, Professor Dr. Kutzen, des schmerzlichen Verlustes, den auch

236 j Jahres-Bericht

sie vor Kurzem durch den Tod des Herrn Direetor Schück erlitten. Darauf behandelte er den für diese Sitzung am Tage zuvor öffentlich angekündigten Gegenstand, nämlich:

Die Eigenthümlichkeit des Heuscheuer-Gebirges in der Grafschaft Glatz und ihre Einwirkung auf Gemüth und Leben des Menschen.

Dieses Gebirge ist, wie er in seinem Vortrage eingehend entwickelte, der höchste Abschnitt des Quader-Sandstein- Gebietes, welches von der Reinerzer Weistritz an in nordwestlicher Richtung durch das nordöstliche Böhmen, einen Theil der Lausitz, durch die sogenannte Sächsische Schweiz geht und sich jenseits der Elbe im Erzgebirge verliert. Es enthält inner- halb der Grafschaft hauptsächlich zwei von einander sehr bestimmt und deutlich geschiedene Züge. Beide, bald dünner, bald dichter, an mehreren Stellen aber auch fast gar nicht mit Wald bedeckt, erstrecken sich, bei einer Breitenausdehnung von durchschnittlich nicht 1 Meile, an 2 geogr. Meilen in die Länge, steigen nach Norden hin mehr und mehr an und endigen unfern der böhmischen Grenze mit ihren bedeutendsten Er- hebungen, der östliche mit der grossen Heuscheuer (nach den Messungen des preussischen Generalstabes. vom Jahre 1862 bis zu 2932 Fuss über der Ostsee sich erhebend), der westliche mit dem nicht viel niedrigeren Spiegelberge. Die zwischen beiden Hauptzügen gelegene Hochfläche bildet eine Art Längsfurche, welche von dem der Reinerzer Weistritz zueilenden Rothwasser-Bache durchflossen wird. Nimmt man das Wort „Heuscheuer- Gebirge“ im weiteren Sinne des Wortes, so wird darunter noch ein dritter Zug mit verstanden, welcher ganz nahe den beiden anderen, aber bereits jenseits der böhmischen Grenze beginnt, zu ziemlich bedeutender Höhe (besonders im Batzdorfer Spitzberge) emporsteigt und gewissermassen als nordwestliche Fortsetzung des eigentlichen Heuscheuer-Gebirges betrachtet werden kann. Er hat, nach Norden hin fortwährend an Höhe abnehmend, sein berühmtes Ende in der Felsenthalpartie von Weckelsdorf und Adersbach.

Im Gegensatze gegen die häufig sanft ansteigenden Lehnen, gewölbten Rücken und abgeflachten, oft weit gedehnten Gipfel der östlichen Ein- schliessungsmauern der Grafschaft überraschen uns im Heuscheuer-Gebirge, wie im Gebiete des Quadersandsteins überhaupt, mehr horizontale und senkrechte Formen, mehr schroffe, abenteuerliehe Gestaltungen, zerklüftete Felsmassen, wild zerrissene Schluchten oder tief ausgewaschene Thäler, lauter Erscheinungen nicht einer eigenen Bildungskraft, sondern fremder Kräfte mittels Zerstörung; daher auch in der Tiefe soleher Schöpfungen, wie mannigfaltig und für den ersten Blick unterhaltend diese Formen des Quadersandsteins in ihren einzelnen Exemplaren auch sind, der Eindruck kein andauernd wohlthuender und befriedigender, während, schon des Gegensatzes wegen, die hoch und nahe gelegenen Aussichtspunkte in die weite, lebendige und mit der Pracht heiterer Farben glänzende Natur

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 237

um so mehr anmuthen und immer auf’s Neue wieder aufgesucht werden. Diese Eigenthümlichkeit des Heuscheuer -Gebirges ist, gleich mehreren anderen Gegenden Dentschlands von ähnlicher Gebirgsformation, eine wichtige Nahrungsquelle für die anwohnende Bevölkerung geworden, indem Tausende von Fremden jährlich sich einfinden, um die pittoresken Steingebilde zu bewundern und auf den Zinnen der gewaltigen Felsen- burg vielgepriesene Aussichten zu geniessen, und Leben und Geld in solche Gegenden bringen. Dieser Vortheil wird in Zukunft noch grösser werden, wenn erst eine gefahr- und mühelose Zugänglichkeit gewisser anderer Punkte in der Nähe, z. B. der kleinen Heuscheuer, des Spiegel- berges, des wilden Loches u. s. w. zu Stande gebracht und der Verkehr durch gute Fahrstrassen noch mehr gefördert sein wird. Indess sind gegenwärtig doch schon zwei bessere Fahrstrassen bis auf die oben er- wähnte Hochfläche vorhanden und dadurch zugleich Mittel geschaffen, um das Hauptproducet des Heuscheuer-Gebietes, das Holz seiner Wälder, besser, wie früher, zu verwerthen und auch den Ortschaften, in wie weit sie zum Kreise Neurode gehören, eine geeignete Verbindung mit der Kreisstadt zu ermöglichen, die bisher noch nicht vorhanden war. Dass der Ortschaften daselbst überhaupt nur wenige sind, kommt wohl haupt- sächlich daher, weil der Feldbau im Quadersandstein-Gebiet nicht sonder- lich ergiebig und insbesondere in dem Heuscheuer-Gebirge der Öber- flächenabschnitt verhältnissmässig zu klein ist, wo er mit einigermassen lohnendem Erfolg betrieben werden kann.

In der am 18. April stattgehabten Sitzung trug Herr Rector Dr. Luchs

die Biographie Bolkos I. von Schweidnitz (1278—1301) und seines jüngsten Sohnes Bolkos von Münsterberg (7 1341)

vor. Nachdem er die genealogischen Verhältnisse auseinandergesetzt und bei dieser Gelegenheit noch einen vierten Sohn Bolkos I. nachgewiesen, besprach er die Erwerbungen des Herzogs von Schweidnitz, setzte dabei seinen Charakter in ein günstigeres Licht, als es bis dahin geschehen, schilderte seine Verdienste um seine Ländereien, stellte die Heirath mit Beatrix von Brandenburg in das Jahr 1287 und erhärtete den Todestag (9. November 1301) noch von anderer Seite. Schliesslich ward sein herr- liches, bemeltes Grabdenkmal in Grüssau, welches dem berühmtesten Kunstdenkmale Schlesiens, der Figur Heinrichs IV. in der Breslauer Kreuz kirche, wenig nachsteht, mit diesem fast gleichzeitig ist und aus dem gleichen Material besteht (Stein und Stuck), besprochen und in Abbildungen, welche aus des Vortragenden „‚Fürstenbildern‘“ entlehnt waren, vorgelegt. Bolko von Münsterberg, Anfangs unter vormundschaftlicher Re- sierung wie seine Brüder, wie es scheint, völlig selbstständig erst 1321, wo er Münsterberg erhielt. Aus seiner Geschichte ward besonders ein- gehend sein Kampf mit der Kirche, seine Länderabtretungen an Böhmen,

238 Jahrcs - Bericht

seine Lehnsunterwerfung unter diese Krone 1336, die heldenmüthige Ver- theidigung Frankensteins gegen den Markgrafen Karl 1335, sein heiteres, scherzhaftes Wesen und seine Vorliebe für die Poesie besprochen. Er liegt in Heinrichau mit seiner Gemahlin Jutta, eine verheirathet gewesene Gräfin von Trentschin, welche ein Jahr später, 1342, starb, in einer Tumba begraben. Die wohlerhaltenen Grabfiguren wurden, aus demselben Werke wie oben, gleichfalls abbildlich vorgelegt.

Seit dem Jahre 1868 hatte die genannte Section in jedem Frühjahre einer kriegsgeschichtlich wichtigen Gegend ihre Excursion zugewendet; für das jetzige Jahr lenkte ihr Secretair Prof. Dr. Kutzen ihre Auf- merksamkeit auf einen culturgeschichtlich beachtenswerthen Punkt, näm- lich auf das durch grossen Besitz, Einfluss auf die Landeseultur und durch grossartige Baudenkmäler ebenso wie durch seine Lage ausgezeichnete Cisterzienserstift Leubus an der Oder. Der Vorschlag wurde angenom- men, und zwei Vorträge in der Sitzung am 8. Mai dienten vorbereitend zur Orientirung über die wissenschaftliche Seite der Exceursion, der eine vom Herrn Staatsarchivar Prof. Dr. Grünhagen über die Gründung, die mehr und mehr anwachsenden Besitzungen des Klosters und über die Schicksale desselben, besonders zur Zeit der Hussitenkriege und des dreissigjährigen Krieges; der andere vom Herrn Privatdocenten Dr. Alwin Schultz vorzüglich über die Hauptkirche des Klosters und deren Grab- denkmäler. Schliesslich erörterte Professor Dr. Kutzen in Kürze die geographisch bedeutsame Lage von Leubus.

Der am Sonntage darauf (den 12. Mai) unternommene Ausflug dahin, an dem zwischen 30 und 40 Herren theilnahmen, kannte in jeder Be- ziehung ein gelungener genannt werden: das den ganzen Tag hindurch günstige Wetter, die ausdauernde freundliche Bereitwilligkeit zweier Beamten der dortigen Anstalten, uns behufs Wegweisung und ÖOrientirung durch alle sehenswerthen Räume zur Hand zu sein, die unter Beihilfe von Erläuterungen des Herrn Rector Dr. Luchs vorgenommene lohnende Be- siehtigung der Stiftskirche, des Fürstensaales, des Bibliotheks- und Speise- saales, der schönen Kirche in dem nahen „Städtel Leubus‘ und ausserdem als würdiger Schluss die Aussicht von dem benachbarten Weinberge über die tief unten in weitem Bogen vorbeiströmende Oder auf die schlesischen Gebirge und der imponirende Anblick des "/, Stunde von dem erwähnten Standpunkte entfernten und vor dem prächtigen Eichenwalde hoch auf- ragenden Klosters in seiner Totalität, der, wie der Fürstensaal, seines Gleichen in Schlesien sucht, dies Alles befriedigte in hohem Grade die Theilnehmer, und da hierzu den Tag über noch gesellige Heiterkeit kam, so trennte man sich, des Abends kurz, vor 11 Uhr wieder in Breslau angelangt, mit der vielfach und lebendig ausgesprochenen Erinnerung, durch den Ausflug einen lehr- und genussreichen Tag gewonnen zu haben.

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Am 30. Mai hielt Herr Privatdocent Dr. Lindner einen Vortrag über die Sage von der Bestattung Karls des Grossen.

Nach der allgemein angenommenen Ueberlieferung wurde der grosse Kaiser sitzend auf goldenem Thron, geschmückt mit allen Zeichen seiner Würde, in der Gruft des Aachener Münster beigesetzt. So habe ihn Otto III. im Jahre 1000 gefunden, als er das Grab öffnete; eine Scene, welche die neuere Kunst mehrfach zum Objecte ihrer Darstellung wählte, -- Der Vortragende wies nach, dass jene Erzählung von Karls Beisetzung nur eine Fabel ist, deren Ursprung sich ziemlich genau ermitteln lässt; wahrscheinlich wurde sie vom Grafen Otto von Lomello, dem Begleiter Öttos IlI., erfunden; denn erst im Anfang des elften Jahrhunderts wird von der Bestattung Karls in der gedachten Weise berichtet und zwar von zwei Quellen, der Chronik von Novalese bei Susa in Piemont und von Ademar von Chabanis. Bis zu dieser Zeit finden wir nirgends eine auch nur im Entferntesten entsprechende Andeutung; die Angabe über das Begräbniss, welche Einhard und Thegan, Zeitgenossen Karls, überliefern, zeugen mit Bestimmtheit gegen jene Bestattung. Die Berichte der gleichzeitigen deutschen Historiker über die Eröffnung des Grabes durch Otto Ill., dann durch Friedrich I. beweisen gleichfalls, dass dasselbe dem Herkommen gemäss beschaffen war, nichts Ungewöhnliches in sich barg. So ist es denn erklärlich, dass wiederholte Nachgrabungen, welche in den Jahren 1843 und 1861 unter Olfers Leitung im Münster zu Aachen angestellt wurden, keine Spuren von einem Grabgewölbe finden liessen, in welchem Karl in jener wunderbaren Weise beigesetzt worden wäre.

In der Sitzung am 17. October hielt Herr Dr. Aug. Mosbach einen Vortrag

über die französische Expedition nach San Domingo in den Jahren 1802 und 1803, nach den Berichten zweier polnischer Offiziere.

Die französische Expedition nach San Domingo, die binnen Jahres- frist ein so klägliches Ende nahm, gehört unstreitig zu denjenigen Ereig- nissen des laufenden Jahrhunderts, welche theils im Allgemeinen wenig bekannt, theils überhaupt bis jetzt noch nicht genügend beschrieben und aufgeklärt sind.

Zwei polnische Offiziere, Oberst-Lieutenant Kasimir Malachowski (er starb als polnischer Divisions-General a. D. 1845 in Paris) vom 114. und Hauptmann Kasimir Lux vom 113. Regiment, die zu den geringen Ueber- resten des Expeditionsheeres zählten, welche aus jenem fürchterlichen amerikanischen Feldzuge bei gesundem Leibe nach Europa zurückkehrten, haben in ihren Aufzeichnungen sehr interessante Nachrichten über jene Expedition hinterlassen, die in Thiers’ Geschichte des Consulats und Kaiserreiches vollständig vermisst werden. Namentlich hat K. Lux in

240 Jahres - Bericht

seiner Geschichte der polnischen Legionen, von der bis jetzt nur einige Auszüge in der Warschauer Monatsschrift „‚Biblioteka Warszawska‘‘ ver- öffentlicht wurden, auch der Expedition nach San Domingo einen ziem- lich umfangreichen Abschnitt gewidmet, worin er uns in seiner sehr detaillirten Beschreibung der damals aus fünf Departements bestehenden Insel über Land und Leute sehr viel Schätzbares mittheilt, die Veran- lassungen zur Expedition, die vom ersten Consul Napoleon Bonaparte zur Befestigung der französischen Herrschaft unternommen ward, das Verfahren der Franzosen vor und während des Feldzuges und den Antheil, den das aus lauter Polen bestehende 113. Regiment genommen, klar und unbe- fangen beschreibt. Oberst-Lieutenant Malachowski berichtet in seiner „Nachrieht über den Feldzug eines Theiles der polnischen Legionen auf St. Domingo im Jahre 1805“ hauptsächlich über die Kämpfe und schreek- lichen Widerwärtigkeiten, welche das ebenfalls nur aus Polen formirte 114. Regiment zu bestehen hatte, sowie über den höchst tragischen Aus- sang dieses wahnsinnigen Unternehmens.

Nach den Berichten dieser zwei polnischen Offiziere stellte der Vor- tragende den Verlauf dieses Feldzuges dar, der mit dem Untergange des Expeditionsheeres und dem Verluste der Insel San Domingo endete.

In der Sitzung am 31. October gab Herr Staatsarchivar Professor

Dr. Grünhagen ein Bild des Zustandes von Schlesiens Handel und Industrie

aus Berichten, welche die kaiserliche Regierung von den verschiedenen Corporationen und Städten im Jahre 1698 eingefordert hatte. Das Bild ist ein sehr trübes, es zeigt Handel und Gewerbe überall im Rückgange und Verfall begriffen. Als Ursachen werden hauptsächlich bezeichnet der unbillige Steuerdruck, die ungünstigen Zollverhältnisse, der mangelnde Schutz der Gewerbetreibenden, der Verlust vieler Arbeitskräfte in Folge der religiösen Zwangsmassregeln. Die auf Grund dieser Berichte ergriffenen Massregeln, der Debergang von direeter Besteuerung zu indireeter 1705, die Umgestaltung des Zollsystems 1718, die Errichtung des Commereien- Collegs 1716 und die Einführung einer milderen Praxis den Protestanten gegenüber haben denn doch einen neuen Aufschwung nicht herbeizuführen vermocht.

In der Sitzung am 21. November hielt Herr Dr. Bobertag, Lehrer an der Realschule zum heiligen Geist, einen Vortrag über einige den Robinsonaden verwandte Erscheinungen in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. Der Vortragende wies nach, wie sich die Motive und Grundgedanken der Robinsonaden schon vor dem Erscheinen des Defoe’schen Robinson auch in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts vorfinden. Die

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 941

Neigung zu erdichteten und mehr oder weniger fabelhaften Reiseberichten schildert Grimmelshausen höchst anschaulich, derartige Erzählungen als Einkleidung lehrhaften Stoffes gehören zu den gewöhnlichsten Erscheinungen der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts. Als hierher gehörige und das Zeitalter der Robinsongeschichten gleichsam vorbereitende Schriften werden Rollenhagen’s des Jüngeren „‚Indianische Reisen und Wahrhafte Lügen“, Daniel Ecklein’s Reisebeschreibung und einige Schriften von Grimmelshausen näher beleuchtet, wie: der fliegende Wandersmann, die Reisebeschreibung nach der oberen neuen Mondswelt, die Episode Sim- plieissimus über den Mummelsee und endlich der letzte Abschnitt des ganzen Simplieissimus. Der Vortragende wies jedoch schliesslich auf den nicht zu verkennenden Unterschied des Defoe’schen Robinson von den besprochenen, gleichsam als seine Vorläufer zu bezeichnenden Schriften hin.

Sitzung am 12. December. Nachdem der Vortragende, Herr Dr. Grotefend, Secretär des königl. Staatsarchivs hierselbst, in der Ein- leitung die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter den schlesischen Fürsten und Städten sich bildenden Bündnisse von mehr localer Bedeutung kurz berührt hatte, ging er zu den am Ende des Jahrhunderts auftreten- den Einungen über, die von grösserer Ausdehnung, bedeutenderem Wirkungs- kreise und so für das Gesammtland auch von höherer Bedeutung waren. Er wies darauf hin, dass die gleichzeitigen Landfriedensbündnisse in Schlesien wie im Reiche sich auf gleiche Art gebildet haben, indem . zuerst: Sonderbündnisse von Fürsten und Städten sich gegenüberstanden und dann erst beide Parteien zu einem gemeinsamen Bunde zusammen- traten. Hierauf ging er zur Charakterisirung des schlesischen Landfriedens von 1402 über, der jedoch zu rechter Wirksamkeit nicht gelangte, wofür er als Ursache neben dem auch in die Fürstenkreise eingedrungenen Raubritterwesen besonders die so gänzlich verschiedenen politischen wie materiellen Interessen der Bundesglieder geltend zu machen suchte. Nach- dem dann die während der Hussitenkämpfe entstandenen Bündnisse be- rührt waren, deren Spitze mehr gegen einen äusseren Feind als gegen die inneren Schwächen des Landes gerichtet war, und die demgemäss einen wesentlich anderen, mehr militärischen Charakter an sich trugen, schilderte der Vortragende zum Schluss die Bildung und Entwiekelung des schlesischen Landfriedensbundes ‘von 1435, dessen Scheitern durch die nachfolgenden Ereignisse, sowie die weitere Geschichte der Land- friedensbewegung in Schlesien er in einem späteren Vortrage am Anfange des nächsten Jahres darzustellen versprach.

Ausserdem lieferten Mitglieder der historischen Section die Aufsätze zu dem letzten Hefte der Abhandlungen der philosophisch - historischen Abtheiluug der Schlesischen Gesellschaft, nämlich: Professor H. Palm „neue Beiträge zur Lebensgeschichte von Martin Opitz‘ nebst vier

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242 Jahres - Bericht

ungedruckten Briefen desselben, die iber das vielbewegte Leben des denkwürdigen Schlesierss manches neue Licht verbreiten; Professor E. Reimann: ‚neue Forschungen über den Streit Papst Paul’s IV. mit Kaiser Ferdinand I. über das Kaiserthum‘“, welchen der Herr Verfasser bereits vor mehreren Jahren im V, Bande der „Forschungen zur deutschen Geschichte‘ behandelt hat; Oberlehrer Dr. Hermann Markgraf: einen Nachtrag zu seiner Darstellung des Liegnitzer Lehnsstreites 1449 bis 1469 in den Abhandlungen der Gesellschaft vom Jahre 1869, mit Urkunde: Rechtsdeduction vom Jahre 1452, und Beigaben; endlich Professor Kutzen: eine Darstellung des südwestlichen Gebietes der Graf- schaft Glatz oder des Gebietes des Habelschwerdter Gebirges.

VE. BDETICcHt

über die Verhandlungen der Section für Obst- und kartenbau im Jahre 1372

von

Kaufmann und Stadtrath E H. Müller,

zeitisem Secretair der Section.

Während des Jahres 1872 gaben die der Section für Obst- und Gartenbau der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau vorgelegenen, meist der erfreulichen Thätigkeit auswärtiger, prak- tischer Mitglieder zu verdankenden Mittheilungen, reichen Stoff für die Abhaltung von 13 Sitzungen. |

Bevor jedoch über das, was in diesen Sitzungen verhandelt wurde, berichtet wird, soll nicht unerwähnt bleiben, dass in diesem Jahre diese Section das fünfundzwanzigste Jahr ihrer Wirksamkeit zurücklegte, weshalb es gestattet sei, an dieser Stelle einen kurzen historischen Rück- blick auf deren Entstehung und Wirken zu richten.

Wenn schon die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur seit ihrer Gründung im Jahre 1804 manchen Schritt für die Hebung und Förderung der Gartencultur und des Obstbaues in Schlesien gethan hatte, auch andererseits wiederholte, jedoch stets vergeblich gebliebene Versuche gemacht worden waren, für diese Zwecke in der Hauptstadt der Provinz einen Verein zu bilden, so war es doch erst dem im Jahre 1846 erwählten und noch jetzigem hochverdienten Präses der Schlesischen Gesellschaft, Herrn Geh. Med.-Rath, Professor Dr. R. Goeppert, vorbehalten, einen solchen zu begründen, durch stets bereitwilligen, fürsorglichen Rath und That zu kräftigen und ihn zu bleibend reger Wirksamkeit zu führen.

Nach den vorliegenden Nachrichten hatten im Jahre 1846 in Breslau einige Freunde des Gartenwesens und Handelsgärtner sich zusammen- gefunden, um unter dem Namen „Blumen-Verein“ für die Hebung der

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244 Jahres - Bericht

Garteneultur zu wirken. Sehr bald zeigte sich jedoch, dass dieser Verein, was schon sein Name bezeichnete, seine Grenze zu eng gesteckt habe, auch zu schwach sei, um sein Vorhaben wirksam erfüllen zu können; von demselben wurde daher unter allgemeiner Zustimmung dessen Mit- glieder der Vorschlag des Herrn Professor Dr. Goeppert freudig be- grüsst, Schritte zu thun, um diesen Verein als eine Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu constituiren.

Am 24. März 1847 wurde dem Präsidium der genannten Gesellschaft über die Bildung dieser neuen Section berichte, am 4. Mai als deren Secretair der Stadtälteste Selbstherr in das Präsidium eingeführt, aın 29. Juni deren erste ordentliche Versammlung abgehalten und auf Grund der Verhandlungen der Section vom 18. März und der Conferenz- Protocolle des Präsidii vom 22. Mai und 29. November desselben Jahres, an letzterem Tage das für diese bis dahin schon 88 hiesige und aus- wärtige Mitglieder zählende Section für Obst- und Gartenbau ent- worfene besondere Statut festgestellt und genehmigt.

Inzwischen, und zwar in den Tagen vom 15. bis 21. September 1847, hatte die Section in dem allerdings sehr engen Raume des Glashauses der städtischen Promenade an der Ziegelbastion und einem mit demselben verbundenen zeltartigen Vorbau auch ihre erste Fflanzen - Ausstellung veranstaltet, welche der günstigsten Aufnahme seitens des Publikums sich zu erfreuen hatte.

Noch in demselben Jahre ging das Secretariat der Section an den Universitäts-Secretair Nadbyl über und folgten demselben in diesem Amte durch Wahlen: 1852 Gymnasial-Direetor Prof. Dr. Frdr. Wimmer, 1856 Gymnasial-Direetor Professor Dr. K. Fieckert, 1860 wiederum p-. Wimmer und im Jahre 1864 der noch derzeitige Secretair, Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller, welcher seit 1854 bis dahin stellvertreten- der Secretair gewesen war und an dessen Stelle als solcher seit 1864 bis zu seinem im December 1872 erfolgten Ableben Bureau-Director Inkermann fungirte.

Getreu ihrem Zwecke:

„den der Förderung in Schlesien bedürfenden Gartenbau im All- „gemeinen und der Obst-, Gemüse- und Zierpflanzen-Cultur im „Besonderen durch Vereinigung der auf diesen Gebieten arbeiten- „den und sich für dieselben interessirenden Kräfte in sich, in aller „und jeder geeigneten Weise zu beleben und zu fördern“,

liess die Section dessen ersten Theil zunächst sich angelegen sein und zeugt dafür die von Jahr zu Jahr zugenommene Anzahl ihrer resp. Mit- glieder aller Stände der Provinz, welche am Schlusse des Jahres 1872 auf 384 sich beläuft. Dass sie aber auch die in dessen letztem Theile sich gestellte Aufgabe dureh Wort und That möglichst zu erfüllen an-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 245

dauernd und besonders bestrebt war, dafür sprechen des Näheren die von ihr ausgegebenen Jahresberichte.

Mit Beginn des Jahres 1848 wurde für die hiesigen Mitglieder der Seclion, gegen einen besonderen Beitrag zu demselben, ein noch heute bestehender Lesezirkel gärtnerischer Zeitschriften eingerichtet, welchem in der Folge das beachtenswertheste Neue aller Fächer der Gartenliteratur und die Berichte der im Laufe der, Zeit mit der Section in Schriften- Austausch getretenen zahlreichen gleichartigen Vereine zugeführt wurden. Die in diesem Zirkel in Umlauf gewesenen Schriften und von der Section sonst noch angeschafften grösseren gärtnerischen Werke sind der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft überwiesen und stehen nach einem beson- deren Reglement von dort aus auch den auswärtigen Mitgliedern zu Dienst. Kaum wird diese nach Nummern und Inhalt reiche Abtheilung der Bi- bliothek irgend eine erhebliche Lücke zeigen; derselben reihen sich die werthvollen Cabinette naturgetreu nachgebildeter Obstfrüchte von Dittrich und von Arnoldi an.

Auch wurde im Jahre 1848 mit den hiesigen städtischen Behörden bezüglich der Verwaltung der öffentlichen Promenaden Breslaus ein Uebereinkommen dahin getroffen, dass der jezeitige Präses der Schlesischen Gesellschaft und der Secretair der Section für Obst- und Gartenbau ständige Mitglieder der städtischen Promenaden-Deputation sind und in diese die Section noch ein Mitglied aus der Mitte ihrer hiesigen Mitglieder zu ent- senden habe. Dies Verhältniss besteht zur Zeit noch fort.

Ausser der oben erwähnten, ihrer ersten Ausstellung, veranstaltete die Section zu verschiedenen Zeiten Pflanzen-, Gemüse- und Frucht- Ausstellungen, mehrere derselben mit Verloosungen von Pflanzen ver- bunden, von geringerem oder weiterem Umfange, mit ansehnlichen Prä- miürrungen, und zwar im Wintergarten, in: den Sälen des Caf& restaurant, in dem Liebich’schen Saale und in der städtischen Turnhalle, mehrere aber auch und namentlich die Obst-Ausstellungen in den Räumen der Schlesischen Gesellschaft. Auf grössere Ausstellungen musste in den letzten Jahren wegen gänzlichen Mangels an geeigneten Localitäten und um so mehr verzichtet werden, als nach wiederholt gemachten schlimmen Erfahrungen die Besitzer werthvoller Pflanzen deren Verlust durch die Unbilden des Transportes oder auch durch den unvermeidlichen Temperatur- wechsel in dem Ausstellungslocale scheuten, andererseits solche mit er- heblichen, den Geldmitteln der Section nicht angemessenen Kosten ver- bundene Ausstellungen ein entsprechendes Interesse im Publikum nicht ausreichend fanden. Unter günstigeren Verhältnissen soll jedoch auf der- gleichen Ausstellungen wieder Bedacht genommen werden.

Als im zweiten und dritten Jahre nach Gründung der Section der Versuch gemacht worden war, durch Ankauf neuer Pflanzen und deren Verloosung unter die Mitglieder einen lebendigeren Sinn für die Zier-

246 Jahres-Bericht

pflanzencultur zu wecken, wurde es dem Zwecke der Section ent- sprechender erachtet, Gratis-Vertheilungen an Mitglieder von Sämereien neuer, als beachtenswerth empfohlener Gemüse und Florblumen zum Versuchsanbau, und von Edelreisern vorzüglicher, für den Anbau in unserer Provinz geeigneter Obstsorten einzuführen, den Empfängern jedoch die Bedingung zu stellen: ihre aus den vorgenommenen Culturen und Veredelungen gewonnenen Erfahrungen zur Kenntniss der Seetion zu bringen. Angaben über diese Vertheilungen stehen zwar nur erst seit dem Jahre 1854 zu Gebote, welchen Anklang dieselben aber unter den Mitgliedern fanden, geht wohl am besten daraus hervor, dass seit jener Zeit bis zum Ende des Jahres 1872 den betreffenden Wünschen durch Zutheilung von 24,768 Obst-Edelreisern, 22,854 Portionen Gemüse- und 16,286 Portionen Blumensamen Folge gegeben werden konnte. Zwar wurden die dagegen gestellten Bedingungen nie allseitig erfüllt, doch sind diese Vertheilungen unzweifelhaft dem Zweck der Section förderlich, denn die in ihren Jahresberichten enthaltenen bezüglichen Culturberichte gewähren viele sehr beachtenswerthe Fingerzeige.

Dass eingedenk des grossen vielseitigen Nutzens, welchen die Obst- eultur in verschiedenen Gegenden Deutschlands seit langer Zeit erzielt, die von der Section sich sehr bald gestellte Hauptaufgabe: die Hebung und Förderung derselben auch in unserer Provinz, durch die Vertheilung von Obst-Edelreisern in nur beschränktem Maasse zu erfüllen sein würde, war dieselbe sich sehr wohl bewusst; sie nahm deshalb zugleich darauf Bedacht, auf einem geeigneten Grundstücke diejenigen Obstsorten nach Güte, Tragbarkeit und sonstigen Eigenschaften prüfen zu können, welche für die verschiedenen Lagen und Bodenbeschaffenheiten der Provinz sich besonders eignen möchten, um sie dann in einer Baumschule unter stren- ser Innehaltung der richtigen pomologischen Benennungen zu eultiviren. Auf diese Weise konnten zunächst ihre Mitglieder Gelegenheit finden zur Anschaffung zuverlässig werthvoller Obstsorten.

In Ermangelung von Geldmitteln zum Erwerb eines eigenen Grund- stücks pachtete deshalb die Section im Jahre 1857 ein hiesiges Garten- grundstück. Dasselbe erwies sich jedoch nach kurzem Betriebe bei den jährlich sich steigernden Ansprüchen als unzureichend. Nach vielen ver- geblichen Bemühungen, in den Besitz eines geeigneten, auch für erweiterte Bedürfnisse ausreichend grossen Areals zu gelangen, hatte endlich im Jahre 1867 die Section das Glück, durch die Munificenz der hiesigen städtischen Behörden ein solches Grundstück in einer der Commune- Breslau eigenen, in der Feldmark von Alt-Scheitnig gelegenen, in jeder Beziehung vortheilhaft ausgezeichneten Ackerparzelle von ca. 16 Morgen Grösse unentgeltlich überwiesen zu erhalten. Demnach wurde der erwähnte Pachtgarten aufgegeben.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 247

Nach Massgabe der der Section zu Gebote stebenden Geldmittel, nach angestrengtester Thätigkeit und mit Ueberwindung oft erheblicher Schwierigkeiten, deren grösste wohl die Reparatur der durch die beiden ungewöhnlich harten Winter von 1869/70 und 1870/71 angerichteten sehr bedeutenden Verluste an den aus den sichersten Quellen bezogenen Mutter- stämmen, jungen Edelstämmehen und selbst an Wildlingen war, ist es nun gelungen, auf dem bezeichneten Areal zur Hebung des Obstbaues in Schlesien, und hierdurch zur Förderung dessen höherer Landeseultur, einen pomologischen und resp. Versuchsgarten, verbunden mit einer umfang- reichen Obstbaumschule zu begründen und in rationellen Betrieb zu setzen.

Konnten aus dem Pachtgarten der Section während der 10 Jahre seines Bestehens bis zu dessen im Jahre 1868 erfolgten Räumung nur 18.900 Obstwildlinge, 4350 Obst-Edelstämmchen und 9600 Weinreben und Beerensträucher, aus dem neuen Garten-Etablissement seit dessen im Jahre 1869 erfolgten Fertigstellung bis zum Schlusse der Saison von 1872, also in nur erst 4 Jahren, aber schon 29,500 Obstwildlinge, 9900 Edel- stämmchen, 8400 Weinreben und Beerensträucher in den eimpfehlens- werthesten Sorten und unter zuverlässig richtiger Sortenbezeichnung, sowie 420 Stück hochstämmig veredelte Rosen zum grösseren Theile an Mit- glieder geliefert werden, so beweist der von Jahr zu Jahr sich gesteigerte Absatz gewiss ein immer mehr wachsendes Vertrauen zu diesem gemein- nützlichen Unternehmen. Leider aber fehlt zur dauernden Förderung und Erhaltung dieses neuen Etablissements noch etwas Wesentliches, welches bisher schmerzlich und auch nicht ohne Nachtheil entbehrt wurde, nämlich

ein eigenes Gärtnerhaus mit den erforderlichen Wirthschaftsräumen.

Zur Zeit müssen die Gärtner in nur allzuweit entfernt liegenden Localen wohnen; jedoch aber zum erfolgreichen Betriebe der Gärtnerei selbst, zu deren steter Ueberwachung und zur Heranbildung tüchtiger, in Schlesien fast gänzlich fehlender Obstbaumwärter ist Wohnung im Garten selbst das allerdringendste Erforderniss.

Ausser der Anerkennung, welche die Bestrebungen der Section für Hebung und Förderung des Obstbaues in Schlesien, wie oben erwähnt, durch die Vergünstigung der biesigen städtischen Behörden fanden, wurden ihr als hocherfreuliche Beweise gleicher Anerkennung auch bei den höch- sten Staatsbehörden fast von der Zeit ihres Bestehens an, zuerst durch das königliche Oeconomie-Collegium mittelst des landwirthschaftlichen Central-Vereins für Schlesien und darauf durch hohes Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten, sich wiederholt gesteigerte und noch erst kürzlich auf weiter hinaus zugesicherte Subventionen gnädigst zugewendet. Hierzu traten auch noch sehr anerkennenswerthe Beihilfen der hochgeehrten Provinzial-Stände Schlesiens,

248 Jahres-Bericht

Durch diese so vielseitig gewährte aufmunternde Unterstützung fühlt die Section sich nun aber auch wahrhaft verpflichtet, mit Aufbietung aller ihrer Kräfte zur Erreichung ihres Zieles, d. i. für die Erbauung eines Gärtnerhauses, thätig zu sein. Geldmittel hierzu besitzt die Section nicht; bei den gegenwärtigen Verhältnissen darf aber wohl die zuver- sichtliehe Hoffnung gehegt werden, dass zu diesem so dringend noth- wendigen Baue ihre zahlreichen Mitglieder und Gönner, unter denen sich eine erhebliche Anzahl wohlhabender, selbst reich begüterter, dem Obstbau wohlgeneigter und opferbereiter Männer befinden, recht namhafte fördernde Hilfe angedeihen lassen werden. Zu deren Empfangnahme erklärt der Secretair der Section sich bereit und glücklich würde sie sich fühlen, wenn sie zur Erinnerung an die jüngst begangene Feier ihres 25jährigen Bestehens im neuen Jahre zur Erbauung eines Gärtnerhauses und damit zu einem würdigen Andenken an ihr einst begonnenes Wirken selangte.

Am 6. Juli 1872 wurde unter Leitung des Präses der Schlesischen Gesellschaft, Herrn Geheimen Rath Professor Dr. Goeppert, die durch denselben vor 25 Jahren, am 29. Juni 1847, durch Abhaltung ihrer ersten ordentlichen Versammlung erfolgte Begründung der Section für Obst- und Gartenbau bei einem gemeinschaftlichen Abendessen, an welchem der Ober-Präsident der Provinz Schlesien, Herr Graf zu Stolberg, Excellenz, als Gast theilnahm, in dem Locale der Schlesischen Gesellschaft (Börsen- Gebäude am Blücherplatz Nr. 16), nachdem an sämmtliche hiesige und auswärtige Mitglieder dieser Gesellschaft und dieser Section Einladungen hierzu ergangen waren, festlich begangen. In dem durch den städtischen Garten-Inspeetor Herrn Loesener geschmackvoll decorirten grösseren Saale hatten auswärtige und hiesige Mitglieder zahlreich sich versammelt. Auf der mit seltenen Pflanzen des königl. botanischen Gartens und präch- tigen, von mehreren Mitgliedern gespendeten Blumenbouquets reich ge- schmückten Tafel war jedes Couvert noch durch einen kleinen Blumen- strauss geziert.

Das Fest eröffnete Herr Geheimer Rath Goeppert mit einem be- geisternden, freudigen Wiederhall findenden Hoch auf Se. Majestät den König und Kaiser, als Schutzherrn und Förderer auch der von der Section angestrebten, friedlich verschönenden und gemeinnützlich bildenden /wecke. Im weiteren Verlaufe brachte der zeitige Secretair der Seetion der weit über Deutschland hinaus hoch geachteten Schlesischen Gesellschaft, als der Mutter, und dem hochverehrten Präses derselben, Herrn Geh. Rath Goeppert, als dem Vater dieser Section, im Namen dieser ihrer Tochter ein Hoch. Herr Geh. Rath Goeppert folgte mit einem Toast auf den Ober - Präsidenten der Provinz, Herrn Grafen zu Stolberg, welchen Se. Excellenz in längerer schwungvoller Rede erwiderte und zwar durch ein Hoch auf die in seiner heimathlichen

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 249

Provinz Sehlesien stets und überall zu findenden Männer, welche in wahrem Patriotismus bereit sind, auch die schwierigsten Verhältnisse zu allgemeinem Wohle überwinden zu helfen, wie Solches auf’s Neue auch in den beiden Kriegsjahren 1870/71 sich glänzend erwiesen habe. Noch folgten Toaste des Herrn Geh. Rath Goeppert auf das älteste anwesende ‚Mitglied der Section, Herrn Landesältesten von Thielau auf Lampers- dorf, des Kaufmann Herrn Brendel auf das Wohl der zu dieser Feier aus der Ferne herbeigekommenen Mitglieder des Standes der Gärtner, als den an der Ausübung und den Folgen der Obsteultur und der Garten- kunst zunächst Betheiligten; ebenso wurde auch der früheren und des derzeitigen Secretairs der Section freundlich und mit dem Wunsche für ferneres erspriessliches Gedeihen und Wirken der Section gedacht. Auch für vorzügliches Obstdessert, an Ananas und den vortrefflichen, hier selten eultivirten Bananen (den Früchten der Musa Cavendishu) war durch die Herren Kunstgärtner Ring in Nieder - Thomaswaldau, Garten- Inspector Becker in Miechowitz und Dr. med. Sugg in Rauden O/S. freundlichst Bedacht genommen worden. Frohsinn und zwanglos gemüth- liche Unterhaltung fesselten die Festtheilnehmer bis zur ersten Morgen- stunde des folgenden Tages.

Nunmehr zu den im Jahre 1872 abgehaltenen Sections-Sitzungen über- gehend, ist über die in denselben gepflogenen Verhandlungen Nachstehendes zu berichten:

In der ersten, am 17. Januar abgehaltenen Sitzung legte der Secretair den zum Zweck der Subscription empfangenen Prospect zu dem von Herrn Baumgärtner P. Graebner in Ringelheim (Hannover) als Organ sämmtlicher Gärtner-Vereine Deutschlands herausgegebenen ,‚Deut- schen Gärtner-Vereins-Blattes‘‘ vor.

Beschlossen wurde: die derzeitige Ausführung des von dem Präsidium der Schlesischen Gesellschaft genehmigten Projectes, die Gesellschafts- Mitglieder und speciell die Mitglieder dieser Section einzuladen, durch Gewährung besonderer freiwilliger Beiträge, den sich als immer unabweis- licher werdendes Bedürfniss erweisenden Bau eines Gärtner- Wohnhauses auf dem Gartengrundstück der Section ermöglichen zu helfen, als zur Zeit inopportun erscheinend, abzulehnen, dasselbe vielmehr späterem Vorgehen vorzubehalten.

Aus einem Briefe des Kunstgärtners Herrn Sonntag in Zobten wurden dessen Mittheiluugen über die seiner Leitung unterstellten bedeu- tenden dortigen Anpflanzungen von „Weiden und deren Nutzung“ vorgetragen, ebenso Nachrichten über „die Frühjahrs-Decoration der grossen Terrasse etc. zu Slawentzitz‘“, von dortigem Ober- Hofgärtner Herrn Schwedler und von dem Kunstgärtner Herrn Grunert in Gross-Paniow: „Einiges über Vermehrung der. Azalea indica.“

250 Jahres-Bericht

Die zweite Sitzung fand am 24. Januar statt. In derselben hielt Herr Geh. Rath Prof. Dr. Goeppert einen längeren demonstrativen Vortrag über „bisher noch unbekannte Vorgänge bei dem Veredeln der Bäume“ und sprach der Herr Vortragende schliesslich noch seinen Dank aus für die Gewährung reichen Untersuchungsmaterials den Herren: Inspector Nees von Esenbeck, Kaufmann Julius Monhaupt, Dr. Cisielski, Stadtrath Müller, Seetions- Gärtner Jettinger, Kunst- und Handels-Gärtner Junger und Promenaden-Inspector Loesener hierselbst, dem Director des pomologischen Instituts Herrn Stoll in Proskau für monatelang wiederholte Sendungen und Herrn Garten-Inspector Becker in Miechowitz.

Die am 7. Februar abgehaltene dritte Sitzung wurde mit der Anzeige eröffnet, dass Herr Kunstgärtner Schlegel in Grafenort ein Exemplar seiner sehr empfehlenswerihen im Selbstverlage behaltenen Schrift: „Die Cultur der Ananas, nach selbst gemachten Erfahrungen aus- führlich dargestellt‘‘, der Section zum Geschenk machte und diese Schrift auch bereits eine äusserst günstige Beurtheilung in der Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den königl. preuss. Staaten gefunden habe.

Wegen der nach alleı Richtungen der Provinz ausgebreiteten Cor- respondenz der Section wurde beschlossen, das hier bei E. Morgenstern demnächst erscheinende -,,Verzeichniss sämmtlicher Ortschaften Schlesiens mit Nachweis der betreffenden Kreise und Postanstalten und einer Karte dieser Provinz‘ anzukaufen und dem Secretär zur Benutzung zu über- lassen.

Herr Kunstgärtner Katzke in Hochkirch gab Nachricht über die vorjährige Ernte einiger Obstsorten und aus der Baumschule, in welcher unerachtet der gut angeschwollen gewesenen Knospen die Kirschen dennoch sehr schlecht wuchsen und der grösste Theil der jungen Ver- edelungen gänzlich zurückging. In Bezug auf Erstere führt derselbe an, dass die Muscat-Reinette ziemlich voll trug, rother Herbst-Calville, Gold- Parmaine und Wälsch-Weinling (Lehmapfel) aber sehr geringen Ertrag lieferten. Auch weisse Herbst- und Winter-Butterbirnen, gute Graue und Frauenschenkel trugen sehr mässig, Träublerbirne, eine sehr frühe, zwar - kleine, aber sehr angenehm schmeckende Frucht, Bosc’s Flaschenbirne, Princess Marianne (Ende October sehr delicat), Herbst-Sylvester, deutsche National- Bergamotte, Grumkower Winter -Butter-, Kirchberger Butter-, Sommer-Herrenbirne, sowie die hier unter dem Namen Mäuselbirne alı- gemein bekannte und seit einigen Jahren sehr gesuchte Sorte gaben jedoch reichliche oder volle Erträge. Pflaumen gab es ausser der ge- wöhnlichen Bauern-Zwetsche gar nicht und von dieser auch nur wenig. Nur die grosse schwarze Knorpel-Kirsche war ziemlich behangen, andere, auch sauere Kirschen gab es trotz reichlichen Blühens nicht. Wein hatte

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 351

wohl gut angesetzt, doch reifte nur die Jacobstraube, der frühe Leipziger, Diamant, rother Burgunder und weisser Gutedel in ganz besonders günstiger Lage; an freistehenden Spalieren hatte derselbe viel von der Weinkrankheit zu leiden, so zwar, dass die Beeren nicht einmal zur Essigbereitung taugten.

Herr Kunstgärtner Pflaume in Ober- Weistritz meldete, dass wenn auch die dortigen jüngeren Obstplantagen, in deren Blüthezeit schlechtes Wetter traf, im vergangenen Jahre keinen Ertrag brachten, während von den alten Standbäumen in den Alleen und Gärten doch noch ein paar Hundert Thaler Einnahme erzielt wurden, so liessen Erstere an Wachsthum doch nichts zu wünschen übrig; er beklage nur, dass der Obstbau immer noch viel zu lau betrieben werde, da an Stelle der an Strassen und anderen Orten vorhandenen wilden, wenig Nutzen gewäh- renden Bäume mit erheblich grösserem Vortheile Obstbäume jeder Art je nach Lage und Bodenbeschaffenheit gepflanzt werden könnten. Im Jahre 1866 sei ihm z. B. eine hoch gelegene, durchweg so felsige Par- zelle zur Bepflanzung mit Obstbäumen überwiesen worden, dass es zur Erlangung möglichst grosser Pflanzlöcher öfter nöthig geworden wäre, Felsen zu sprengen; zur Anpflanzung habe er Kirschbäume gewählt, welche gegenwärtig ganz gesund und frisch, ja fast kräftiger als diejenigen stehen, welche im vorhergegangenen Jahre in günstigerer Lage auf besseren Boden gepflanzt wurden,

Derselbe gab ferner an, besonders für Gurken-, Melonen- und Bohnen- Treiberei wegen lange anhaltender, mässiger Wärme sehr gern Laub statt Pferdemist zur Anlage von Frühbeeten zu verwenden, welche bisher stets gute Erträge lieferten, gegen eindringende Mäuse aber mit bestem Erfolge das in jeder Apotheke für wenig Geld zu erlangende schwarze Steinöl zu gebrauchen, das auf Tuchläppchen geträufelt, über Nacht in die ge- schlossenen Kästen gebracht, dieselben durch seinen widerwärtigen, durch- dringenden Geruch vertreibe.

Vorgetragen wurde ein längerer Aufsatz des Kunstgärtners Herrn Pfeiffer in Zölling: „Ueber die nachtheiligen Wirkungen der beiden Winter von 1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation,“ Ein ebensolcher von Herrn Apotheker Scholtz in Jutroschin: „Ueber chemische Salzdüngung bei der Garteneultur“ und ein dritter: „Ueber die Cultur der Alstroemerien in Töpfen‘“ von Herrn Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau hierselbt.

Am 21. Februar hatte die vierte Sitzung statt. Zunächst be- richtete der Secretair, dass in einer Conferenz, welche seitens der durch die Section hierfür erwählten Commission mit Deputirten des hiesigen Oentral-Vereins für Gärtner und Gartenfreunde bezüglich einer von diesem gegen Ende des diesjährigen Sommers beabsichtigten Ausstellung gehalten wurde, ein Einverständniss darüber sich ergab, dass aus verschiedenen,

52 Jahres-Bericht

den Herren Deputirten jenes Vereins dargelegten Gründen die Section als solehe an dieser Ausstellung weder sachlich noch durch Gewährung von Geldmitteln sich betheilige, dagegen im Interesse der Sache und nament- lich der schlesischen Handelsgärtnerei bereitwillig jenes Unternehmen da- durch zu unterstützen bemüht sein werde, dass sie ihren resp. Mitgliedern eine rege Betheiligung an demselben empfehle.

Herr Kaufmann Hutstein hielt einen Vortrag: „Ueber Cultur alpiner Gewächse“; vorgelesen wurde eine Arbeit des Hofgärtners Herrn Peicker in Rauden O/8.: „Ueber einige einheimische Waldgewächse und deren Verwendung in Gärten“ und Herr Kunstgärtner Steubel in Carlowitz legte einen aus Cuba erhaltenen mit Kätzchen besetzten Blüthenkolben und Früchte von Cycas circinalis, sowie ein schönes getrocknetes Exemplar von Selaginella lepidophylla vor, welches Letztere in diesem Zustande wegen seiner hygrometrischen Em- pfindlichkeit merkwürdig ist.

Herr Professor Dr. Ferd. Cohn, behindert, in der am 13. März anberaumten fünften Sitzung seinen für dieselbe angekündigten Vor- trag über die Hyaecinthe zu halten, führte in Bezug hierauf nur in Kürze an, dass ungefähr um das Jahr 1550 die ersten Hyaecinthen, Tulpen und andere Blumenzwiebeln und Knollen, aber auch die Kastanien aus Asien zuerst über Konstantinopel nach Wien gelangten und von dort aus ihre weitere Verbreitung in Deutschland fanden. Hieran anschliessend gab Derselbe noch eine in gärtnerischen Beziehungen äusserst interessante Sehilderung seiner im vorigen Jahre durch Süd-Deutschland nach dem Comer-See gemachten Reise; hier zogen seine Aufmerksamkeit besonders die Sammlungen im freien Lande eultivirter und vortrefflich gedeihender aussereuropäischer Coniferen an; allen deutschen Reisenden sei aber auch das Hötel der Gebrüder Rovelli in Palanza angelegentlich zu empfehlen.

Nach Erledigung einiger von auswärtigen Mitgliedern eingegangenen Anfragen sprach in der am 17. April abgehaltenen sechsten Sitzung der Secretair über die Producte der Dampf-Knochenmehl- und chemischen Dünger-Fabrik von E. Michaelis in Glogau. Derselbe empfahl besonders das in dieser Fabrik bereitete sehr feine Hornmehl als Dungmittel bei der Cultur verschiedener Topfgewächse, für welchen Zweck sich mehrere Mitglieder mit bestem Erfolge desselben bedienten; aber auch im Früh- beet, z. B. bei Gurken, Salat, sowie im Gemüsegarten und für Rasen- plätze habe sich dieses Hornmehl bewährt, ebenso sei seine Wirkung auf die Intensivität der Farben der Blumen und diejenige des Laubes ausser- ordentlich. Allerdings müsse man auch dieses Dungmittel mit aller Vor- “sicht, entweder schwach auf die Erde gestreut, untergehäckelt und sodann mit der Brause stark angefeuchtet, oder als Düngung des Gartenrasens, dem Wasser in geringer Quantität beigemischt, anwenden.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2353

Der Bericht über eine Sitzung des Ratiborer Gartenbau-Vereins, ein- gesendet von dessen Seeretair, Herrn Lehrer Oppler in Plania, nebst einigen gärtnerischen Notizen desselben wurden zur Kenntniss gebracht und gelangte ein von dem Obergärtner Herrn Schütz in Wettendorf (Ungarn) überseudeter Aufsatz: „Zur Decoration von Rasen-Par- terres‘“ zum Vortrage, an welchen anknüpfend Herr Prof. Dr. Ferd. Cohn den Reichthum der Sammlung von in Schlesien wild wachsenden, für die Gartencultur geeigneten Frühlingsblumen in dem Privatgarten des Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Goeppert schilderte und zur Nacheiferung aufforderte.

In der siebenteu Sitzung am 1. Mai wurden u. a. vorgetragen: ein Bericht des Kunstgärtners Hrn. Friekinger in Laasan über „einige interessante Bäume des dortigen Parkes‘ und aus einem Schrei- ben des Baumgärtners Herrn Sonntag in Zobten: Notizen über die dortigen Obstpflanzungen und Baumschulen. Was Herr Sonntag im An- schluss an dieselben weiter sagt, lassen wir, darüber im vollen Einver- ständniss mit demselben, hier wörtlich folgen: ‚Fast scheint es, als habe der Krieg von 1870/71 eine für die Obsteultur segensreiche Wirkung gehabt. Alle, welche mit in Frankreich waren und überhaupt nur einigen Sinn für Obsteultur haben, können nicht genug von dort gesehenen Obst- anlagen erzählen und finde ich vielfach, dass der Landmann Versuche mit Spalier-Obstbäumen, Pyramiden, ja selbst mit Corndon-Stämmchen macht. Es ist dies jedenfalls ein sehr beachtenswerthes Factum, nur fehlt die nöthige Unterweisung zu fernerer Behandlung resp. Besorgung dieser Arbeiten durch sachverständige Hand, und hierfür scheint das einzig Geeignete das bereits in Würtemberg durchgeführte Institut der Baum- wärter zu sein. Alle Obstfreunde können nicht oft und dringend genug gerade diesen Punkt in Anregung bringen. Was hilft das Anpflanzen guter Sorten und schöner Formenbäume, wenn sie nicht ihrer Natur nach vernünftig behandelt werden? Für die schlesische Obsteultur und deren weitere Ausdehnung nnd Verbreitung ist meines Erachtens gerade ein Institut zur Ausbildung von Obstbaum-Wärtern das Allernöthigste, und sollte das Bestreben, ein solches zu errichten, an erster Stelle eines jeden Vereins stehen, welcher „Obstbau“ in seiner Firma schreibt.‘

„Baumfrevel und Diebstahl an Bäumen und Früchten würde durch Anstellung von Baumwärtern begegnet und den Gärtnern auf Dominien, welche Obstalleen haben, würde’ dadurch eine nur zu oft vernachlässigte Arbeit entzogen werden können. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Pflege der Obstbäume gewöhnlich nur auf gelegene Zeit verschoben werden muss, wenn Blumen und Gemüse zu ihrer Behandlung täglich die Zeit des Gärtners in Anspruch nehmen und diesem erscheinen schliesslich die Alleen als überflüssig.‘

254 Jahres-Bericht

„stellt nun aber eine Gemeinde mit dem Gutsbesitzer gemeinschaftlich einen Obstbaumwärter an, oder es verbinden sich je nach Verhältniss der vorhandenen Bäume einzelner Ortschaften deren mehrere Bezirke für diesen Zweck zu einem Bezirke, so würde sich mit weit grösserem Nach- druck auf die Obsteultur wirken lassen und deren Nutzen mehr und mehr einleuchten. Ist nur erst Massenproduction gulen Obstes vorhanden, dann wird auch die Industrie zu dessen Verarbeitung und Verwerthung das nöthige Capital hergeben.‘

„Eine Zusammenstellung der speciell in Schlesien zur Cultur zu em- pfehlenden Sortimente von Obst dürfte bei dem grossen Eifer, den gerade die Section für Obst- und Gartenbau dem Obstbau widmet, eine weitere Aufgabe derselben in ihrem pomologischen Garten sein.‘ *)

„Unter den mir bekannt gewordenen, Bezug auf Obsteultur habenden neuen literarischen Erscheinungen zeichnet sich vortheilhaft aus: ‚Beer, Grundzüge des Obstbaues; Wien, 1872.“ Es sollte dies Buch so recht im Besitz aller Derer sein, welche sich mit Obstbau überhaupt beschäf- tigen oder dies beabsichtigen; klare, deutliche, auch dem weniger geistig Vorgebildeten leicht verständliche Sprache macht es ausserdem, dass in demselben Praxis und Theorie Hand in Hand gehen, besonders em- pfehlenswerth.“

Achte Sitzung am 15. Mai. Verschiedenen Mittheilungen des Secretairs folgten die von Herrn Garten-Inspeetor Becker in Miechowitz eingesendeten Vorlagen und Besprechung:

1) Einer nach den daselbst im Jahre 1871 gemachten Beobachtungen und nach dem Muster der „‚Mittel-Europäischen‘ zusammengestellte ‚,Vege- tations-Tabelle“. Der Vorbericht giebt an: a) Miechowitz liegt 879 Fuss über der Meeresfläche, im Flussgebiet der Oder und Malapane, und ist das nächste Gebirge die Karpathen; die Bodenarten gehören der Gruppe der mageren Thone an, mit nur geringem Thonerde- und Kieselsäure- gehalt, die Ackerkrume des Bodens ist selten mehr als 6 bis 8 Zoll mächtig. Der Sandgehalt des Bodens besteht aus mikroskopisch feinen, unlöslichen Wuarzkörperchen, deren Gehalt von Glimmer, mit einem An- theil von Kali und Magnesia, allein dem Boden einige Fruchtbarkeit zu geben vermag. Unter dieser Schicht findet man vorherrschend wasser- dämmige, lettige und thonige Massen.

*) Für eine solche Zusammenstellung wird seit der vor wenigen Jahren be- gonnenen Einrichtung des jetzigen Gartens andauernd möglichst Sorge getragen. Die Red.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 255

b) Aus der Tabelle selbst vernehmen wir u. a.:

Voll- ständige

Voll- ständiges] Früchte. | Laubfall. Blühen.

Blatt- knospe schwillt,

Cornusmascula, Kornelkirsche| 27. 2. | 26. 4. 2.ramr21. oO. am Aesculus Hippocastanum, Ross-

kastanie ... . | 28. 3. | 20. 5. | 28. 5 9. 10.] 24. 10 Fraxinus excelsior, Esche . | 28. 4. | 30. 5. | 22. 4. 120. 10.| 1. 11 Salic caprea, Sahlweide ... | 4. 3. | 20. 4. | 26. 3. |28. 5.| 7.11 Quercus Robur, Eiche . . . | 10. 4. | 30. 5. | 18. 5. 112. 10.| 13. 11 Tilia vulgaris, Linde ... . | 22. 3. | 28. 5. | 18. 6 6. 10.| 28. 10 Prunus avium, Süsskirsche . | 23. 3 aa Mi 3 3 A er I a Se Prunus domestica, Pflaume . | 12. 4. | 23. 5. | 28. 5. | 23. 9.| 28. 10 Pyrus communis, Bime.... | 7. 4. | 18. 5. | 26. 5. | 20. 8.| 28. 10 Pyrus malus, Apfel... .. 9.4.7 20.5.1 28. 5.1238. 8.7 30. 10

Mittlere Temperatur im Januar ... 7,26,

P n „. Februar... 5,2,

ER März....-+ 2,42,

3 > Aprl....-+ 4,85,

= = 3 TOaL u. a + 7,0,

5 n „dumm '".2....+.12,89,

R RAUM. 2% 2. 1@,26,

er > August... + 14,5,

P% ea September . + 10,43,

1E October .. + 53,93,

KR s November . + 0,53,

. 5. „» December . 5,95.

Mittlere Temperatur vom Jahre 1871 war demnach + 4,51° R., also für den Landwirth höchst ungünstige physikalische Eigenschaften.

2) Die Zusammenstellung eines im Jahre 1871 bei der v. Thiele- Winkler’schen Garten-Verwaltung zu Miechowitz eultivirten Sortiments von 50 Erbsensorten mit Angabe der Legezeit, der Vegetations-Perioden, der Höhe der Pflanzen und Bemerkungen über Ertrag und Qualität. Unter denselben bezeichnete der Herr Einsender als die nach den dor- tigen ungünstigen klimatischen und Bodenverhältnissen zum Anbau ‘geeig- netsten und besten die nachgenannten Sorten: Veitch’s Perfection, Princesse Royal, Dikson’s first and best, Mae Lean’s little Gem, Laxton’s Alpha, Vilmorin’s Mark-Zucker, Daniel O. Rounke, Laxton’s supr&me, Sutton’s Ringleadre, Engl. weisse Riesen-, New wrinkled, Hundertfältige

256 Jahres-Bericht

oder The Cook’s favourite, Dwarf Waterloo late branching, Peabody, des Ueberflusses, The Prince, Carter’s Lewiathan und frühe niedrige Bretagner.

3) Eine generelle Zusammenstellung von denjenigen Bäumen und Sträuchern, welche in den beiden Wintern 1869/70 und 1870,71 sehr ge- litten haben, resp. erfroren sind. Nach derselben haben 10 bis 16 alte Hochstämme von Napoleon’s, Scheidweiler’s und Dachenhausen’s Butter-, Hoyerswerdaer grüne, die Liebesbirne und Groslin sehr gelitten. Von Aepfeln ist nur Langston’s Sondergleichen in einem 15jährigen Hochstamme als total erfroren angeführt, wobei jedoch erwähnt wird, dass derselbe in nächster Nähe eines mit Wasser gefüllten, aber vollständig ausgefrorenen Grabens stand. Von Kirschbäumen sind 20jährige Hochstämme von: Schönste Mandelherz, Schönste von Marienhöh und Grosse Wachs- total erfroren, während Prager Muscateller sehr gelitten hat. Ebenso sind von Pflaumenbäumen 6- und 7jährige Hochstämme Violette Diapree, Co&s golden Drop, grüne Reineclaude und ältere Pfirsich- und Aprikosenbäume total erfroren. Von Gehölzen hatten besonders die Akazien sehr ge- litten, ältere Stämme sogar total erfroren; ebenso Cydonia vulgaris und japonica, Thuja orientalis; bis auf die Wurzel erfroren waren Fraxinus alba und pendula, Ulmus americana und campestris, Tilia europaea und Morus alba; Juniperus communis hatte stark gelitten.

Im Weiteren theilte Herr Beeker mit, dass bei diesen beiden harten Wintern vollkommen gesund blieben und, sowie seit 1867, auch im Jahre 1871 reichlieh Früchte trugen: Süsser Holaard, virginischer Sommer- Rosenapfel, Pleissner Rambour, Winter-Gold-Parmaene, grosser Bohnapfel; unter den Birnsorten: Gute graue, Napoleon’s Butterbirne, rothe Dechantsb., Dechant Dillen, Fellenzer, grüne fürstliche Tafelbirne, Liegel’s Honigbirne, srüne Magdalene, Pastoren-, Pommeranzen-, Salzburger-, kleine Zucker- birne und Wildling von Motte; ferner die Kirschbäume: Frühe langstielige, Schönste Mandelherz, grosse Wachs-, Prager Muscateller, Schönste von Reinort; und von Pflaumenbäumen: St. Clara, Reine Claude de Bavay, srosse grüne Reine Claude. | Herr Lehrer und Organist Bragulla in Bischdorf führte Klage über die im letzten Herbst gehabte äusserst geringe Ernte von Garten- Sämereien, welche nicht einmal ihre Vollkommenheit erreichten, und schreibt dies einer vielleicht allzu starken Düngung mit Knocheumehl zu, da Blumenpflanzen und Gemüse bis in den Spätherbst in ungewöhnlicher Ueppigkeit wuchsen.

Eine andere Klage führte Herr Hofgärtner Kleemann in Carolath und zwar über den grossen durch Mäuse angerichteten Schaden. Derselbe schreibt: dass z. B. diese Thiere einen grossen Theil der Spalierbäume hinter der Rohrversetzung bis oben hinauf benagten, die Kronen der hochstämmigen Rosen, welche dort nieht in die Erde eingelegt werden können und daher mit Nadelstreu eingedeckt werden, trotz dieses stechenden

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 957

Materials zu finden wussten und arg beschädigten, ebenso die in die Erde eingegrabenen Feigenbäuime; durch Anwendung von Phosphorpillen, welche in die Gänge practieirt wurden, seien zwar eine grosse Masse Mäuse ge- tödtet worden, doch habe auch dieses Mittel nicht genügenden Schutz gewährt. Zugleich wurde berichtet, dass gleiche Klagen auch von verschiedenen anderen Seiten eingegangen wären und auch der Obst- baumschulgarten der Section, aller angewendeten Mittel ungeachtet, selbst bis noch vor Kurzem recht erheblichen Schaden erlitten habe.

Noch wurde ein Vorschlag des Kunstgärtners Herrn Bayer in Probsthain ‚zur Hebung des Obstbaues auf dem Lande‘ zur Kenntniss gebracht und besprochen.

Gelegentlich der neunten Sitzung am 12. Juni wurden einige Mittheilungen des Lehrers Herrn Oppler in Plania „über den Zustand der Obsteultur in den Kreisen Pless und Rybnik“ bekannt gegeben, nach denen derselben, mit Ausnahme einiger Dominien, daselbst nur erst wenig Eingang zu verschaffen gelang. Herrsche auch in dem ersteren Kreise ein rauhes, unstätes Klima vor, so legten doch sehr alte Obstbäume, welche man in Gärten und im Freien finde, Zeugniss dafür ab, dass der Grund und Boden dennoch für den Obstbau, wenn auch meist nur in geringeren Sorten, geeignet sei; fast Gleiches zeige der Rybniker Kreis, wo die im Freien stehenden Obstbäume bis zur höchsten Spitze an Aesten und Zweigen mit einem grünen herabhängenden Moospelz bekleidet waren. Hier haben zwar einzelne Lehrer Baumschulen angelegt und die königliche Ackerbauschule zu Poppelau halte in ihrer Baumschule für die ländlichen Besitzer Obstbäume zu äusserst billigen Preisen bereit, es fehle jedoch, wie fast in allen oberschlesischen Baumschulen, der Absatz, wodurch namentlich die Lehrer von der Anzucht junger Obstbäume abgeschreckt werden.

Ferner gab Herr Baumschulenbesitzer Klose in Spahlitz Nach- richten über den von ihm betriebenen Obstbau und Obstbaumschule. In Bezug auf Ersteren theilt derselbe mit, dass seine Scholle, welche sich sein seliger Vater zu seinen Culturen ersah, wegen ihrer hohen und freien Lage, des stark mit Sand gemischten Bodens und des undurchlässigen, stark eisenhaltigen Untergrundes für den Obstbau durchaus untauglich sei; schon nach 5 bis 6 Jahren bringen selbst die als Zwergbäume gezogenen Aepfel und halbhochstämmigen Birnen nur kaum nennenswerthe Ernten immer weniger schmackhaft werdender, schwarzfleckiger und rissiger Früchte, obschon den Bäumen öfter gute Erde gegeben und ihnen die beste Pflege zu T'heil wurde; von den vielen sonst kerngesunden und hübschen Bäumen habe er daher eigentlich nur den Nutzen des Edelreiser- schuittes. Nur die auf einem hohen Sanddamme als Standbäume ge- pflanzten hochstämmigen Süss- und Weichselkirschen rentirten besser und die Früchte blieben bei den meisten Sorten ziemlich gross. Ganz anders

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17

258 Jahres-Bericht

stehe es dagegen mit der Baumschule; er möge zwar behaupten, dass sich in jeder anderen Baumschule, die nicht eben in ganz unpassenden Verhältnissen angelegt ist, dasselbe Wachsthum wie in der seinen erzielen liesse, wenn eben so viel Geld und Mühe darauf verwendet würde, aber dass das Wachsthum auf solchem vorher geschilderten Boden die ver- wendeten Mittel und Mühen lohnt, dass die Bäumchen gesund bleiben, bei Verpflanzung in besseren Boden erst recht ausgreifen und ihm Ehre brächten, das tröste ihn über die vorerwähnten Schattenseiten.

Im Interesse der Section wurde die Entsendung deren Gäfrtners, Herrn Jettinger, zu der am 10. bis 13. October zu Braunschweig statt- findenden 6. allgemeinen Versammlung deutscher Pomologen, Obst- und Weinzüchter, verbunden mit einer Obstausstellung, beschlossen.

Vorgetragen wurden von Herrn Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau hier: „Ueber die Cultur der Ismene calathina Hb.“ und von Herrn Kunst- und Handelsgärtner R. Riedel in Löwenberg: „Einiges zur Cultur der Rosen.“

In der am 16. October abgehaltenen zehnten Sitzung machte der Secretair die Mittheilung, dass bald nach der letztvorangegangenen Sitzung Herrn Garten-Inspector Becker in Miechowitz die interessante Einsendung reifer Früchte der Musa Cavendishü, von Philodendron pertusum und Ph. pinnatifidum und von Ficus Roxburghi zu verdanken war.

Herr Drathwaaren-Fabrikant Algoever legte aus seinen Culturen vor: den fast 4 Meter hohen Schaft des Pferdezahn-Mais mit vollkommen reifen Fruchtkolben, ebenso reife Kolben von Canada-Mais, ferner Stauden zweier verschiedener Sorghum-Arten, unter denen sich auch diejenige befand, deren Fruchtrispen das Material zu den bekannten Reissbeesen liefern, und diesjährige mehr als 2 Meter lange, kräftige, mit langen, scharfen Stacheln versehene Triebe der in Amerika häufig zu lebendigen Hecken verwendeten Maclura aurantiaca; leider kann diese Pflanze in unserem Klima nicht für den gleichen Zweck benutzt werden, weil deren Triebe alljährlich zurückfrieren.

Herr Apotheker Scholtz in Jutroschin hatte um Angabe eines den Pflanzen unschädlichen Mittels zur Vertilgung der Schildlaus ersucht und wurde als solches, ausser dem bekannten, aber wenig und nur für kurze Zeit helfenden Abwaschen mit Lauge von grüner (Schmier-) Seife, das wiederholte Eintauchen der Pflanzen, oder deren Abwaschung mit einer Auflösung in lauem Wasser der bitteren Aloe sucotrina und zwar nach den gemachten Erfahrungen als radicale Hilfe empfohlen; bemerkt wurde jedoch hierzu, dass diese Auflösung eine so verdünnte sein müsse, dass sie nur einen mässig bitteren Geschmack habe, weil die Blattporen, wenn die Lösung eine stärkere sei, bei deren Verdunstung verharzen würden.

Zugleich berichtete Herr Scholtz, dass der im nördlichen Europa wohl durchschnittlich abnormal nasse Winter 1871/72 in der näheren und

der Schles, Gesellsch. f, vaterl. Cultur.

1.)

59

entfernteren Umgebung seines Wohnortes besonders nachtheilige Ein- wirkung auf die Kirschbäume zeigie; einzelne Alleen von dergleichen, zumal solche, welche an tiefliegenden, nicht ausreichenden Wasserablauf habenden Gräben liegen, seien zu mehr als zwei Drittheilen zu Grunde gegangen, wogegen die auf sandigen Hügeln angelegten gesund blieben. Es sei dies eine Warnung, nicht in-der Voraussetzung, recht bald lohnen- den Ertrag zu gewinnen, nach ‚der jetzt öfters beliebten Weise in jede beliebige Lage und Boden Kirschbäume zu pflanzen, was ohnehin ın den meisten solchen Füllen eine alljährliche Deeimirung derselben zur Folge habe. Viel genügsamer und dauerhafter sei der Apfelbaum, der in der That, wenn auch später, so doch für längere Zeit einen höheren Ertrag bringe. Andere Obstbäume und Pflanzen seien gesund geblieben, nur unter jungen Birnpflanzungen hätten sich viele abgestorbene gezeigt und ältere Johannisbeerstämme wären in Folge Wurzel- und Stammfäule zu Grunde gegangen, hauptsächlich aber hätten die in die Erde gelegten Feigenbäume Schaden gelitten. Die Obsternte sei kaum eine mittlere zu nennen gewesen, nur habe in seinem Garten der „Weisse Astrakan‘ (Eisapfel) so reichlich wie noch nie und sämmtliche Pflaumensorten, mit Ausnahme der auch bisher unfruchtbar gebliebenen Dörell’s Aprikosen-, violetten Dattel-, grünen Eierpflaume und der rothen Reineclaude (Prune de van Mons), welche er daher zum Anbau nicht empfehlen könne, gut ge- tragen, ebenso das Beerenobst, dessen Früchte zwar ungewöhnlich gross, aber weniger schmackhaft waren. Während des Sommers 1872 sei die ganze Gegend von Unzahlen Ilusecten aller Arten heimgesucht gewesen, welche denn auch selbst dort, wo denselben eifrig nachgestellt wurde, erheblichen Schaden anrichteten.

Zum Vortrag gelangten ferner: von Hrn. Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzitz: „Beobachtungen bei der Treiberei der Maiblume (Con- vallarıa majalis)“, von Herrn Apotheker Scholz in Jutroschin: „Kin paar gärtnerische Miscellen“, sowie von Herrn Hofgärtner Peicker in Rauden O/S.: „Eine Schutzvorriehtung gegen Frost für niedrige Cordon- Obstbäumehen“ mit erläuternder Zeichnung,

Die elfte Sitzung wurde am 13. November abgehalten. Im Anschlusse an die. durch Herrn Apotheker Scholtz in Jutroschin an die Section in deren voriger Sitzung gerichteten Anfrage zeigte derselbe an, dass es ihm gelungen sei, zur Vertilgung der Schildläuse ein noch besseres Mittel, als das der Aloelösung, zu finden, Es sei dies der Camphorspiritus. Blätter, Stengel, damit mit. Hilfe eines Schwämmchens abgewaschen, würden sofort von dem Ungeziefer befreit, und alle Pilanzen, welche er damit behandelt habe, seien gesund geblieben, kein Blatt habe gekrankt; auch sei bei Benutzung des Camphorspiritus kein weiteres Ab- waschen nöthig. Herr Scholtz empfiehlt daher dieses reinliche Mittel als eiu vorzüglich probates, wenigsteus für hartblätterige Pflanzen durchaus

yi:

960 Jahres-Bericht

unschädliches, zieht jedoch den in der Apotheke käuflichen Camphor- Spiritus dem selbst gemachten vor, weil jener eine Quantität Wasser ent- hält, was behufs der Verwendung zur Tödtung der Schildläuse wichtig sei, weil durch den Wassergehalt langsamere Verdunstung und somit längere Einwirkung auf die befallenen Stellen eintritt.

Herr Kunstgärtner Pfeiffer in Zölling berichtete: Mit den, unter den von der Section in diesem Frühjahr zugetheilt erhaltenen Sämereien befindlichen Samen der neuen Gurke „Rollison’s Telegraph“ habe ich als- bald Versuch gemacht. Die Kerne legte ich Mitte Mai in ein kaltes Mistbeet unter Fenster, wo sie bald und vollzählig aufgingen. Die eine Hälfte der Pflanzen pflanzte ich sodann in einen kalten Kasten ohne Fenster, die andere Hälfte in den Gemüsegarten. Das Wachsthum war auf beiden Stellen ausserordentlich kräftig, der Früchteansatz im Ganzen sehr reich, fand aber im Verhältniss zu anderen Sorten, z. B. „‚Chines. grüne Schlangengurke“, etwas später statt. Im freien Lande erreichten die Früchte selbst eine ansehnliche Länge, ca. 20 Zoll und darüber, waren ziemlich stark gebogen, blieben verhältnissmässig dünn, hatten eine sehr feine, ganz glatte, fast durchsichtige Schale und einen ausserordentlich feinen Geschmack. Der Ertrag dauerte bis Ende September, nachdem andere Sorten bereits vorüber waren. Weniger günstig war das Resultat der Pflanzung im Kasten. Das Gedeihen war zwar anfänglich ein gleich kräftiges, aber schon der Fruchtansatz bedeutend geringer, die Früchte wurden blatterig und bald unbrauchbar. Entweder verträgt diese im Freien so ausgezeichnete Sorte nicht den leichteren Boden, wie man solehen meist zu Mistbeeteulturen benutzt, oder die Kastenwände, eirca 1 Fuss hoch, verhinderten den freien Durchzug der Luft, und müssten somit fernere Versuche erst feststellen, ob diese Sorte zum Treiben über- haupt anwendbar ist. Als Freiland-Gurke ist sie unbedingt sehr schätzbar.

Eine Zusammenstellung der Erfolge des bei der v. Thiele-Winkler- schen Garten-Verwaltung zu Miechowitz vorgenommenen versuchsweisen Anbaues eines Sortiments von 166 Sorten Kartoffeln hatte Herr Garten- Inspector Beeker in Miechowitz eingesendet und dazu noch folgende Notizen gegeben: Die genannten Kartoffelsorten wurden, und zwar Nr. 1 bis Nr. 112, aus verschiedenen deutschen und englischen Handlungen be- zogen und seit 3 Jahren bei der hiesigen Garten-Verwaltung eultivirt. Die Nummern 113 bis 166 lieferte im Jahre 1871 der Acelimatisations- Verein in Berlin. Wie die Tabelle zeigt, wurden 4 ganze, beziehungs- weise 4 Stücke von je einer Sorte auf die je gleiche Fläche von 4 DJF. gelegt, wobei die ganz gelegten Kartoffeln durchgängig einen höheren Ertrag gaben, ausgenommen: Paterson’s Regent, weisse Münso& aus Schwe- den, Roast beaf, runde schwarzrothe Salat. Bei sehr vielen Sorten blieb der Ertrag sich gleich. Was die Hauptresultate anlangt, so geht hervor: 438 ganze Knollen im Gewicht von 135 Pfd. brachten 717 P fd., als

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 261

5'%fachen Ertrag; 438 Stücke, gleich 37 Pfd., brachten 518 Pfd., mithin l4fachen Ertrag. Demnach lieferte ein und dieselbe Fläche im ersten Falle 717 minus 135 gleich 582 Pfd., im zweiten Falle 518 minus 37 gleich 481 Pfd. Aus diesen Resultaten geht hervor: mittelgrosse, gesunde, mit kräftigen Augen versehene ganze Kartoffeln zu legen. Ueber die Güte und Dauer etc. der Kartoffeln wurden für nächstes Jahr Mittheilungen zugesichert.

Der Secretair hatte die schön roth Blihends Iridee Schizostylis coceinea Backh. et Hacvey zur Stelle gebracht, über deren Cultur Herr Kunst- und Handelsgärtner Kühnau in dem Jahresberichte der Section pro 1868 sich äusserte, und machte aus dem jüngst erschienenen Hefte Tom 19 der Flore des Serres etc. von L. van Houtte Mittheilung über die Cultur von Achyranthes Verschaffeli am Spalier für Decoration der Warmhäuser; die Pflanze wird hier epiphytisch, das Laub nimmt unter dem Einflusse der Wärme und Feuchtigkeit des Glashauses bedeutende Dimensionen und einen lebhafteren Farbenglanz an, und wird nach un- bedingt erforderlichem wiederholten Auskneipen sehr gedrungen.

Vorgetragen wurden: „Nachträgliche Bemerkungen zum Schutz der Obstbäume etc. vor schädlichen Inseeten‘ von Herrn C. Becker, Lehrer der Bürger-Mädchenschule in Jüterbog; ,„Gefülltes Bellidiastrum Muhulu Cass.““ von Herrn Apotheker Sauer in Cudowa, unter Vorzeigung eines starken Exemplars dieser Pflanze, welches Herr Sauer dem Secretair ein- zusenden die Güte hatte; sowie von Herrn Öbergärtner Lorenz in Bunzlau: „Ein Beispiel zufälliger Erzeugung von Morchelbrut in einem Frühbeetkasten‘“‘ und „Erfahrungen zur Anzucht der Rosen aus Steck- lingen“. Letzterem wurde die Notiz des Kunstgärtners Herrn Frickinger in Laasan angeschlossen, dass derselbe seine zur Winter-Veredelung be- stimmten Rosenwildlinge nicht in Töpfen halte, sondern deren Wurzeln in eine Mischung von Lehm und Kuhmist, umgeben von Moos, emballire, worin sie schöne Wurzeln machen und so zur Versendung bis in den Juni geeignet sind.

Die am 27. November stattgefundene zwölfte Sitzung eröffnete Herr Geheimer Medieinalrath Prof. Dr. Goeppert mit einem Hinweis auf das bei der andauernden sehr milden Witterung in Feld und Garten häufige Vorkommen von Frühlingsblumen unter Nennung einer grösseren Anzahl derselben, welche Herr Vortragender auf verschiedenen Exeur- sionen vorfand, und mit dem Bemerken, dass im Jahre 1841 unter vorher gemachten gleichen Beobachtungen der Winter auch erst mit dem letzten Tage jenes Jahres begann.

Brieflich ersuchte Herr Apotheker Scholtz in Jutroschin: die Section möge im Interesse der Wissenschaft und derjenigen Pflanzen- liebhaber, welche nicht in der Lage sind, ein Glashaus unterhalten zu _ können, sich mit den Fragen beschäftigen: Welche Pflanzen des Warm.

262 Jahres-Bericht

und Kalthauses den ganzen Winter über in troekenen, aber finsteren Kellern sieh gesund erhalten? Welche Pflanzen wohl in trockenen Kellern aushalten, aber des Lichtes bedürfen? und die erlangten Ermittelungen in einer Zusammenstellung bekannt geben. Zur Erprobung dessen hat Herr Scholtz selbst gegen 600 verschiedene Pflanzen in Töpfen herangezogen und erklärte sich bereit, seine mit denselben nach jenen Richtungen hin zu machenden Erfahrungen seiner Zeit mitzutheilen. Die Wichtigkeit dieser Fragen, über welche in verschiedenen Schriften zerstreut nur mangelhaft Auskunft zu erlangen ist, wurde anerkannt, denselben Folge zu geben zugesichert und dabei der Wunsch ausgesprochen, dass dies ‚auch recht zahlreich von auswärtigen resp. Mitgliedern geschehen möge.*)

Herr Kaufmann Hüser legte ein schönes Sortiment von, auf seinem Besitzthum zu Gogolin eultivirten Aepfelsorten vor und Herr Ober- Gärtner Streubel aus Karlowitz ausserordentlich starke einjährige Spargelpflanzen; dieselben werden dadurch erzielt, dass der Samen schon im Herbst gesät wird und im folgenden Frühjahre die auf den Samen- beeten zu dicht stehenden Pflänzchen so durchzogen werden, dass die stärksten derselben in Reihen von 12 bis 14 Cm. Entfernung und in einem Abstande unter sich von 8 bis 10 Cm. stehen bleiben. Die aus- gezogenen Pflänzchen werden nicht weiter verwendet.

Mit einem Vortrage des Sections-Gärtners Herrn Jettinger: „Ueber Erdbeeren und deren Cultur‘ wurde die Sitzung geschlossen.

Dreizehnte Sitzung am 11. December. Auf Antrag des Se- eretairs wurde beschlossen, auch im Frühjahre 1873 eine Gratis-Ver- theilung von Samen empfehlenswerther Gemüse und Blüthenpflanzen zu deren Versuchsanbau in der seither üblichen Weise an diejenigen resp. Mitglieder zu veranlassen, welche sich um den Empfang von dergleichen bewerben würden, und für diesen Zweck die für die letzte derartige Ver- theilung aufgewendete Summe auch diesmal bewilligt.

Herr Drathwaaren-Fabrikant Algoever legte die neueste Nummer des zu New-York erscheinenden Journals „Scientific American‘ mit Ab- bildungen und Beschreibung von doppelwandigen Umfassungen aus ge- branntem Thon für Frühbeete und Treibkästen vor, welche wegen des zwischen den beiden Wandungen bestehenden freien Raumes einen besseren Schutz gegen Frost gewähren sollen, als die gebräuchlichen hölzernen oder mit einfacher Wandung gemauerten Kästen, auch nicht so, wie be- sonders jene, einem schnellen Verderben ausgesetzt sind.

Herr Obergärtner Streubel aus Karlowitz machte auf die unge- hörige Art der Neubepflanzung eines 'T'heiles der Chaussee von hier nach Hundsfeld aufmerksam, wo neben die dem Erdboden gleich abgehauenen

*) Geschieht hiermit wiederholt. D. Red.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 263

Stümpfe alter starker abgestorbener Pappeln, in einer Entfernung von nur etwa 65 Cm. von diesen, Ahornstämmehen gepflanzt und hiermit natürlich einem sicheren baldigen Tode geopfert wurden.

Ferner legte Herr Kaufmann Hüser vor: einen Erdbeerstrauss mit reifen und halbreifen Früchten und Blüthen, und einen Zweig der Him- beere „‚Quatre saison rouge‘“‘, mit reifen Früchten voll besetzt, beide dem freien Lande entnommen, welche derselbe Tags zuvor aus dem Garten des Rittergutsbesitzers Herrn Rohrmann auf Borgazella empfangen hatte,

Ueber die ‚Amerikanische frühe Rosenkartoffel‘“ berichtete Herr Öbergärtner Lorenz in Bunzlau und theilte mit, wie er seit mehreren Jahren sich der Coaks in grösseren oder kleineren Stückchen, über welche er eine schwache Moosschicht bringe, als Drainage für Blumentöpfe mit bestem Erfolge bediene; die Regenwürmer meiden den scharfen Coaks, dringen daher nicht in die Töpfe ein, der Wasserabzug bleibt ein unge- störter, und da der Coaks vermöge seiner Porosität viel Feuchtigkeit aus der Erde an sich zieht, aber auch schnell wieder von sich lässt, so wird dieselbe in den Töpfen nicht sauer und die Pflanzen befinden sich ausser- ordentlich wohl. |

Zur Kenntnissnahme hatte Herr Lehrer und Organist Bragulla in Bischdorf einen von ihm verfassten und im landwirthschaftlichen Vereine seines Kreises gehaltenen Vortrag eingesendet, in welchem nach Darlegung der Vortheile des Obstbaues, für den sich gar manche zeither unbenutzt .. gebliebene Stelle ländlicher Besitzungen eigene, und nach Hinweis auf Vernachlässigung bestehender Obstpflanzungen, sowie auf zweckmässige Neupflanzung, besonders auch dem kleineren Landbesitzer die Pflege des Obstbaues warm an’s Herz gelegt wird, aber auch die grösseren Grund- besitzer aufgefordert werden, hierin mit anregendem Beispiel voran- zuleuchten.

Noch gelangte zum Vortrage eine Mittheilung des Garten-Inspectors Herrn Bürgel in Wittgenstein (Rumänien): „Ein Wassermelonen-Bastard und dessen Verwendung im Winter.‘

Zunächst liegt nun wohl dem Seeretair die angenehme Pflicht ob, denjenigen hiesigen und auswärtigen resp. Mitgliedern den verbindlichsten Dank hiermit auszusprechen, welche ihn in seinem nicht leichten Ehren- Amte freundlich unterstützten durch den Zwecken der Section nützliche mündliche Mittheilungen und Vorträge und eingesendete Notizen, Berichte und Abhandlungen; es fanden solche aber auch in den Sitzungen stets dankbare Hörer, und was von denselben nicht schon im Vorangegangenen erwähnt wurde, wird weiterhin zu allgemeinerer Kenntniss gebracht. Diesen nützlichen Leistungen wurde zeither nicht blos innerhalb der Section, sondern auch in weit über diese hinaus reichenden Kreisen auf- munternde Anerkennung. Für Letzteres spricht wohl sehr deutlich, dass

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in diesem Jahre wieder ein gleichartiger Verein und drei Redaetionen gärtnerischer Zeitschriften, unter diesen eine ausländische, den gern er- füllten Wunsch äusserten, mit der Section in Schriften-Austausch zu treten. Darum liegt auch der Wunsch und die Bitte nahe, in solehen Leistungen nicht zu ermüden und dass auch die in jüngster Zeit der Seetion zahlreich beigetretenen Mitglieder denselben nacheifern wollen.

Selbstverständlich wurden in mehreren der abgehaltenen Sitzungen auch wichtigere innere Angelegenheiten der Section zur Berathung und Beschliessung gestellt, z. B. der Etat der Section für dieses Jahr, über die neueste Statistik und den Garten der Section, sowie über die erfolgte Gratis-Vertheilung von Sämereien Bericht erstattet, von den durch den Seceretair über Letztere und über die Einnahmen und Ausgaben der Section und deren Garten im vorangegangenen Jahre gelegten Rechnungen Kennt- niss gegeben und nach der durch Herrn Juvelier Herrmann geschehenen Prüfung derselben Decharge ertheilt. Ingleichen wurden die in diesem Jahre erschienenen 38. und 39. Lieferung des Arnoldi’schen Obst- ceabinets, die Programme für die an sehr verschiedenen Orten beab- sichtigten Ausstellungen von Gartenproducten und die empfangenen gärt- nerischen Preisverzeichnisse vorgelegt und besprochen.

Ueber den pomologisehen und resp. Obstbaumschul- und Versuchsgarten der Section, für welchen dieselbe auch in diesem Jahre Einem hohen königlichen Ministerium für die land- wirthschaftlichen Angelegenheiten die früher gnädigst gewährte und weiterhin zugesicherte Subvention zu verdanken hatte, halten wir diesmal um so mehr uns verpflichtet, speciellere Nachricht zu geben, als ‘nach den durch die beiden Winter 1369/70 und 1870/71 in demselben durch Frost und Ueberschwemmung erlittenen gewaltigen Schäden dessen theilweise andere Einrichtung mit Berücksichtigung möglichst geringer Störung des zeitherigen Betriebes für zweckmässig erachtet werden musste.

Nach dem gehabten Verlust fast sämmtlicher zur ersten Einrichtung des Gartens mit erheblichen Geldopfern angeschafften Obstmutterbäume wurden zu deren Neuaufstellung in diesem Jahre 3 zusammenhängende Morgen Land bestimmt und mit Wildlingen bepflanzt, welche im nächsten Frühjahre mit den betreffenden Obstsorten veredelt werden und aus- schliesslich Pyramidenform erhalten sollen. Die Pflanzung geschah der Art, dass auf 1 DR. ein Baum zu stehen kam und zwar im Verband; es wurde dabei auf 250 Aepfel-, 90 Birnen- und 60 Pflaumen-Sorten ge- rücksichtigt. Der Zwischenraum in den Reihen ist mit Beerenobst- sträuchern in ‘verschiedenen Sorten bepflanzt und der übrige Raum zur Anzucht hochstämmiger Rosen auf Sämlingen der Rosa canına verwendet. Ausserhalb dieses Raumes bestehen bereits an der schmäleren Südseite des Gartens in 3 Reihen Pflanzungen eines Kirschen-Sortiments in 20 Sorten, eines Sortiments von 16 Sorten Pflaumen, sämmtlich hochstämmig, und

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einer Anzahl Birn-Pyramiden in verschiedenen Sorten, während die längere östliche Seite mit hochstämmigen Aepfelbäumen so weit der Raum reicht in denselben Sorten bepflanzt werden soll, welche die Pyramiden im Muttergarten tragen, um ihr Verhalten bezüglich ihrer Güte und Tragbar- keit in beiden Baumformen beurtheilen zu können,

Zur Anzucht von Obstwildlingen wurden ca. 1'/, Morgen bestimmt und mit Apfel-, Birn- und Kirschensamen besäet, welche für nächstes Jahr ca. 100,000 Stück Pflänzlinge ergeben dürften. Der zur Erziehung von Obst-Edelstämmchen aller Gattungen, des Beerenobstes und der Wein- reben bestimmte Theil des Gartens ist in 9 Schläge eingetheilt, deren jeder wieder 4 Felder hat. Bei Erziehung der Bäume zu Hochstämmen kann daher nach sechsjährigem Betriebe das abgeräumte Land 2 Jahre ruhen und wird nach vorheriger Düngung während dieser Zeit mit Ge- müsen und Hackfrüchten bebaut, um sodann wieder Bäume aufzunehmen, wobei jedoch berücksichtigt wird, dass die verschiedenen Obstgattungen gewechselt werden. Die einzelnen Schläge mit je 4 Feldern nehmen ca. 9— 10,000 Stück Obstbäume auf, welche als Wildlinge in Reihen von 2 Fuss Entfernung und in diesen mit 1'/, Fuss Abstand gepflanzt und an Ort und Stelle theils im Frühjahr, theils im Juli und August veredelt werden, weil von der sogenannten Handveredelung wegen hierfür noch mangelnder Räumlichkeiten zur Zeit noch abgesehen werden muss. Bis jetzt sind in angegebener Weise 23 Felder mit ca. 50,000 Bäumchen schulgerecht bepflanzt, welche sich vertheilen auf ca. 20,000 Aepfel, 10,000 Birnen, 12,000 Kirschen, 5000 Pflaumen und 500 Wallnüsse, von denen veredelt sind ca. 9000 Aepfel-, 2500 Birnen- und 500 Kirschen- Stämınchen.

Noch sei bemerkt, dass 2 mittlere Gartenfelder für eine später zu errichtende geschützte Abtheilung für die verschiedenen Baumformen, welche der feinere Obstbau verlangt, und zur Aufnahme von Frühbeeten, ein drittes, an diese grenzendes Feld aber zum Bau des lange ersehnten Gärtuerhauses in Aussicht genommen sind,

Weiden-Anpflanzung und Nutzung.

Von Baumgärtner R. Sonntag in Zobten.

Als sehr gute Bindeweide hat sich Salix caspica mit braunrother, später bläulich angelaufener Rinde bewährt, die schon in trockenem, lehmigem Sandboden Triebe von 6 bis 8 Fuss macht. Diese und Salix viminalis werde ich am häufigsten anbauen. In den Forsten und am Flussufer bauen wir jetzt die Oder-Weide in grossen Massen, in den

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Forsten namentlich in Verbindung mit Fichten-Anpflanzungen in Reihen von 2 Fuss Breite und in den Reihen in 1"/, Fuss Entfernung von einander zum Schutze der Fasanen, welche den Aufenthalt in denselben jedem anderen vorziehen. Nebenbei werfen die Weiden noch einen erheblichen Nutzen bei dreijähriger Cultur als Reifstäbe für Böttcher und darauf 2 Jahre als einjährige Ruthen für Korbmacher ab.

Allerdings muss der Boden 1'/, Fuss tief rigolt sein, und eignet sich Sandboden, ja selbst Kiesboden mit lettiger Unterlage am besten dazu. In reinem Letten- oder Lehmboden oder gar nassem Untergrunde machen sie nicht diese starken Triebe. Reinhaltung der Weidenpflanzung von Unkraut ist auch geboten. An die Ufer, werden hier in der Baumschule 1 Jahr vorher angezogene, gut bewurzelte Pflanzen gepflanzt, im Forst dagegen gleich zweijähriges Holz gesteckt, was das beste zu diesem Behufe ist, da es leicht anwurzelt und einjähriges Holz nicht so kräftige - Pflanzen und schöne Triebe giebt.

Ueber Frühjahrs-Decoration der Terrasse etc.

Von Ober-Hofgärtner Sehwedler in Slawentzitz.

Die Bitte, welche ich am Schlusse meiner in dem Jahresberichte der Section pro 1870 enthaltenen Beschreibung der hier von mir angelegten Blumen-Terrasse aussprach, hat vielseitige geneigte Berücksichtigung ge- funden und mehrere hochachtbare Herren haben mir eine Menge Frühlings- blüher namhaft gemacht, die zu einem eigentlichen Frühlingsgarten sich wohl alle vortrefflich eignen, nur nicht für meine Terrasse in ihrer jetzigen Bestimmung und Eintheilung; denn 1. bedarf ich von einigen der empfohlenen Pflanzen zu viele Exemplare, dann werden viele derselben zu hoch, andere bedecken den Boden nicht genügend und endlich ver- tragen nicht alle ein unzeitiges Versetzen, wodurch, \da ich keinen Anzucht- Garten habe, ich genöthigt wäre, jährlich sich wiederholende bedeutende Ausgaben für Neubeschaffung solcher Pflanzen zu machen. Diese und noch verschiedene Wenn und Aber bestimmten mich im letzten Herbst, von einem grösseren mannigfaltigen Frühlingsflor auf jener Terrasse ab- zusehen und diesen in einer Menge von 16,000 Stück verschiedener Blumenzwiebeln zu suchen. Ein Wechsel, welcher bei der Liebe zu Veränderungen gewiss Beifall finden wird. Die reiche Blüthenpracht und Fülle dieser Zwiebeln wird in Verbindung mit 15,000 Stück Myosotis blau, rosa, weiss, Bellis roth und weiss, Silene pendula rosa und weiss, sowie Viola tricolor-Varietäten gewiss einen nicht minder imposanten Anblick

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gewähren als viele der Miniaturpflänzchen, wie man solche oft von den Herren Handelsgärtnern für schweres Geld erhält.

Dass ich deshalb die mir genannten Pflanzen ganz ausser Acht lassen will, ist jedoch nicht meine Absicht, vielmehr werde ich einen Raum zu ermitteln suchen, auf welchem ich sie alle anpflanzen kann, um so einen Frühlingsgarten zu schaffen und den nöthigen Bedarf von, daraus auf die Terrasse passenden Pflanzen selhst heranziehen zu können.

Wenn am 16. September v. J. hier Alles, was grünte und blühte, erfror und Vieles des in die Häuser noch Geretteten dort verfaulte, so entwickelt sich in denselben dagegen jetzt (Mitte December 1871) schon wieder ein Frühlingsflor, wie ein solcher zu dieser Zeit nicht leicht wieder gefunden werden dürfte. Es blühen Azaleen, Camelien, Maiblumen, Ta- zetten, Tulpen, Hyacinthen, Cyclamen, Heliotrop, Veilchen, Primula chinensis etc., was bei den seit 4 Wochen gänzlich sonnenlosen Tagen und den jammervollen Häusern gewiss erfreulich ist. Meine Herrschaft, welche natürlich alle diese gewaltsam hervorgebrachten Kinder des Frül- lings ins Zimmer bekommt, ist darüber aber, so wie ich selbst, sehr erfreut.

Einiges über Vermehrung der Azalea indica.

Von Kunstgärtner Grunert in Gross-Paniow.

Bekamntlich gelingt die Vermehrung der Azalea indica durch Steck- linge, besonders in den besseren Sorten, nicht leicht, und ist man einmal damit glücklich gewesen, so erhält man nur sehr kleine dürftige Exemplare, welche der Auspflanzung in ein dafür hergerichtetes Beet bedürfen, um zu erstarken und buschiger zu werden; aber nur wenige derselben blühen bald und wohl noch 2 bis 3 Jahre muss man warten, ehe sie zu voller Blüthe befähigt sind. Gewöhnliche Sorten, wenn man bessere wünscht, müssen veredelt werden; in kleinen Gärtnereien ist dies aber für den Gärtner sehr hindernd, besonders wenn Neues selten oder gar nicht an- geschafft wird, die nöthigen Häuser und Kästen nicht zu Gebote stehen und die vorhandenen wenigen Mistbeete zum Anbau verschiedener Garten- Produete benutzt werden müssen, ein zweckmässiges Plätzchen zur Veredelung der Azaleen also nicht vorhanden ist.

Um rasch zu günstigen Resultaten zu gelangen und sicher auch von den besten Sorten gut bewurzelte, kräftige und schon im nächsten Jahre starke, blühbare Exemplare zu erhalten, ziehe ich es vor, die Azaleen abzulegen, und ist mein Verfahren hierbei auch wohl kein neues, so möge mir doch verstattet sein, dasselbe hier mitzutheilen.

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Mitte oder gegen Ende des Monats Mai, je nach Beschaffenheit der Witterung, mache ich ein Beet .ohne Dünger-Unterlage und ohne Fenster zurecht, fülle dasselbe mit ungesiebter Haide-Erde, in Ermangelung dieser mit Laub- oder Frühbeet-Erde, welche ich vorher mit kurz gehacktem Moos vermengte. In dieses Beet senke ich die zur Vermehrung aus- gewählten Azaleen mit den Töpfen bis an deren Rand und beginne sogleich mit dem Ablegen der längsten und buschigsten Zweige, welche bis 3 Zoll tief in die Erde des Beetes eingelegt und fest angedrückt werden, doch schneide ich dieselben nicht: etwa vorher an, wie dies bei dem Absenken der Nelken etc. üblich ist, weil ich so deren Abbrechen vermeide und die Bewurzelung dennoch gut von. statten geht. Nach meiner Erfahrung macht das 2- bis 4jährige Holz am leichtesten Wurzeln.

Die Behandlung solcher Ableger ist sehr einfach, sie werden von Unkraut rein gehalten, die Mutterstöcke so oft es nöthig ist angegossen und das ganze Beet täglich früh und Abends gehörig überspritzt und feucht gehalten. Anfang oder Mitte September sind die Absenker schon vollständig bewurzelt und können, sorgfältig vom Mutterstocke abgetrennt, mit dem Wurzelballen alsbald in entsprechend grosse Töpfe in Ericen- Erde gepflanzt werden. Noch nicht vollständig bewurzelte Senker bleiben unberührt am Mutterstocke. Sind die Ableger eingepflanzt, so br.nge ich dieselben in einen mässig erwärmten Kasten mit gut schliessenden Fenstern, nachdem sie vorher gut angegossen wurden, überspritze dieselben täglich, giesse vorsichtig, damit sie weder zu nass noch zu trocken haben, und beschatte die Fenster so lange, bis die jungen Pflanzen fest gewurzelt sind, was gewöhnlich in 2 bis 3 Wochen erfolgt, dann aber gebe ich denselben anfangs mässig, nach etwa 8 Tagen aber reichlich Luft, und lasse sie so lange in dem Kasten stehen, als es irgend die Witterung erlaubt, bis ich sie dann in ihrem Winterquartiere an ein helles, luftiges Plätzchen bringe.

Ueber die bisher ungekannten Vorgänge bei dem Veredeln der Bäume. (Auszüglich.) Von Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goeppert.

Pei meinen Untersuchungen über die inneren Zustände der Bäume nach äusseren Verletzungen kam ich selbstverständlich auch Zur Betrachtung des Einflusses, welchen die Veredelungs- Methoden dnreb Pfropfen, Oeuliren und Copuliren auf die- selben ausüben.

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Wissenschaft und Praxis geben sonderbarer Weise darüber wenig Aufschluss. Man spricht zwar stets von der Nothwendigkeit, die einzelnen Theile des Wildlings mit denen des Pfröpflings in genaueste gegenseitige Verbindung zu bringen, um ihre Verwachsung zu befördern; wie diese aber eigentlich erfolgt, wird nirgends näher beschrieben. Ich habe dies bereits vor 30 Jahren gefunden, aber freilich nur beiläufig in meiner Schrift: „Beobachtung über das Ueberwallen der Tannenstöcke“, Bonn, bei Henry & Cohen, 1841, $. 25, erwähnt, welche den Pomologen wohl nicht zu Gesicht gekommen ist und Physiologen haben sich damit auch noch nicht beschäftigt.

Bei Wiederholung meiner Untersuchung im April 1871 erlangte ich dieselben Resultate: Auf der verticalen Fläche des Mutterstammes oder Wildlings, wenn sie von der des Pfröpflings, Auges oder Edelreises eng umschlossen wird, entwickelt sich ein von den Markstrahlen ausgehendes Parenchymgewebe, welches mit dem des Pfröpflings in Verbindung tritt und sich bei gut gelungener Operation so genau mit ihm vereinigt, dass man es mit blossem Auge kaum zu erkennen vermag. Bei nur zum Theil gelungener Verwachsung vertrocknet es, oft schon nach wenigen Monaten, bräunt sich, erhält sich aber fortdauernd, so dass man es noch in älteren Stämmen nachweisen kann. Gleichzeitig mit der Bildung dieses intermediären oder Vernarbungsgewebes, wie ich es nenne, treten nun auch die Kambiallagen des Pfröpflings und des Mutterstammes in innige Verbindung und verwachsen so vollständig, dass man ihre Grenze nur im Längsschnitt, nieht im Querschnitt, an einer schwachwelligen, nach innen gerichteten Biegung der Holzfaser bemerkt. Die nächsten Holzlagen folgen dieser Richtung, und da nun die sonst horizontal verlaufenden Markstrahlen auch von ihrer Lage abweichen, wird bei weiterem Wachs- thum eine für das unbewaffnete Auge schon sichtbare Begrenzung gebil- det, die ich mit dem Namen Demarcationslinie bezeichne und zwar als innere, da auch noch eine äusserliche auf der Oberfläche an der Verwachsuugsstelle befindliche Scheidungslinie vorhanden ist, die der Richtung der inneren genau entspricht und sich auch schon durch die Verschiedenheit der Rinde beider verwachsenen Stämme bemerklich macht. Alle über der Demareationslinie vorkommenden Entwicke- lungen gehören dem Pfröpflinge, alle darunter befindlichen dem Mutterstamme an. Der Pfröpfling entwickelt sich vollkommen selbst- ständig, behält seinen specifischen Charakter in der Beschaffenheit seiner Blätter, Blüthen und Früchte bei, ohne von dem Mutterstamme wesentlich beeinflusst zu werden. Der wegen seiner Blätterlosigkeit zur Assimilation nicht: befähigte Mutterstamm führt ihm nur den durch seine Wurzeln auf- genommenen sogenannten rohen Nahrungssaft zu, welchen der Pfröpfling vermöge seiner Vegetationsorgane in assimilirten Saft umwandelt und selben bei seiner Rückkehr an der obeu erwähnten Demarcationslinie ihm

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zur Aufnahme überlässt. Hier kaum aufgenommen und nur durch eine anatomisch schwer bestimmbare Grenze von dem Pfröpfling getrennt, erhält er augenblicklich die Befähigung, die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Mutterstammes zu bewirken. Denn treibt der Mutterstamm Blätter, Blüthen und Früchte, so stimmen sie ganz und gar mit derjenigen Beschaffenheit in seinem ungepfropften Zustande überein. Ein sehr interessantes, bis jetzt noch niemals gewür- digtes Phänomen im Gebiete der Pflanzenkunde, fast ohne Gleichen!

Der Assimilationsprocess ist also bei dem Mutterstamme, wenn er ast- und blattlos war, ohne die sonst so nöthige Mitwirkung der Blätter erfolgt, und jene einfache, anatomisch kaum nachweisbare, jeden- falls einer besonderen Organisation entbehrende Grenzlinie erscheint aus- reichend, um die beiden vereinigten, in ihren speeifischen Eigenthümlich- keiten, Früchten u. s. w. von einander so verschiedenen Stämme getrennt zu halten. Diese gegenseitige Unabhängigkeit giebt sich auch häufig noch durch das verschiedene Wachsthum kund, indem bald der Mutterstamm oder auch der Pfröpfling einen von einander verschiedenen Durchmesser erreichen.

Nach den bisherigen Erfahrungen gelingen die Veredelungsprocesse nur bei Pflanzen verwandter oder einander doch nahestehender Familien; jedoch fehlt es zur Zeit noch durchaus an grösseren, unter Berücksich- tigung aller Momente consequent durchgeführten Versuchsreihen, welche sicher auch für die Praxis der gesammten Gärtnerei zu wichtigen Resultaten führen und insbesondere zur Verbreitung und Vermehrung neuer Einführungen sich nützlich erweisen dürften,

Zahlreiche Beläge zu vorstehenden Resultaten wurden nun vorgelegt: Veredelungen durch Pfropfen, Oculiren und Copuliren in verschiedenen Zuständen, von 3-, 6- und 12monatlichem Alter und darüber, sowie Zeichnungen, mikroskopische Präparate und deren Darstellungen, wie auch Photographien grösserer Stämme. Ihre Veröffentlichung steht bald bevor.

Zur Illustration des Inneren ist es nothwendig, stets vom Mutterstamme auszugehen und mit einem exacten Centrumlängsschnitt die Untersuchung zu beginnen.

Erfahrnngsmässig haben sich nun die durch die verschiedenen Ver- edelungsprocesse einst gewonnenen Formen und Sorten unserer Obstarten Jahrhunderte lang unabhängig von ihren Mutterstämmen erhalten; doch sind darüber gelegentlich auch Zweifel erhoben worden. Dass die mehr oder weniger kräftige Beschaffenheit des Mutterstammes den Piröpfling auch mehr oder weniger gut ernährt, ist ohne Weiteres zuzugeben, ein höherer Einfluss auf die wesentlichen Eigenschaften des Pfröpflings, Früchte u. dergl., mit Sicherheit nicht nachgewiesen. Dagegen hat man schon seit 1700 zu wiederholten Malen beobachtet, dass Pfröpflinge

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buntblätteriger Pflanzen (Jasmin, Eschen) auch unter der Impfstelle im Mutterstamme das Hervorsprossen von Zweigen mit gefleckten Blütlern veranlassten.

Nun sieht man freilich häufig ganz zufällig an alten wie an jungen Bäumen plötzlich weissgefleckte Blätter hervorsprossen, wie ich erst in diesem Sommer an Eichen, Ulmen und Rosskastanien höheren Alters, ja auch unter der Impfstelle einer gewöhnlichen grünblättrigen Apfelbaum- pfropfung beobachtete und konnte man somit an ein ebenso zufälliges Vorkommen denken. Doch sind jene Versuche von Anderen (Darwin, Morren, Lindemuth, Reuter, Magnus und Bouche) und auch 1872 und 1873 von mir mit gleichem Erfolge wiederholt worden. Ehe man sich jedoch zu weiteren Schlussfolgen veranlasst sieht, bedarf es noch genauerer Uhnter- suchung der Impfstellen mit Rücksicht auf meine Ermittelungen. Immer- hin meine ich, dass diese Uebertragung der Panachirung, welche ich in vielen Fällen mit Bouche nur für einen pathologischen Zustand halte, nur als Ausnahme gelten und den altbewährten Grundsatz, dass in allen specifisechen Merkmalen sich Wildling und Pfröpfling unab- hängig von einander erhalten, nicht zu erschüttern vermag.

Jene höchst merkwürdige innere Demareationslinie, welche man stets und sogar bei Veredelungen ganz nahe verwandter Sorten an- trifft, zeigt ganz entschieden, welehen Werth die Natur auch auf die Erhaltung der Selbstständigkeit der Varietäten, ge- schweige gar der Arten legt, denen man heute keine Dauer mehr zuerkennen will.

Uebrigens bestätigte meine Arbeit auf’s Neue den schon vor einigen Jahren bei Gelegenheit der Untersuchung über die Inschriften und Zeichen in Bäumen (Breslau, bei Morgenstern, 1869) gewonnenen Satz, dass jede äussere, durch die Rinde bis in das Holz drin- gende, ungedeckt bleibende Verletzung eine dauernde Spur derselben zurücklässt, woraus sich dann auch für die gärtnerische Praxis der Veredelung wenigstens einige vielleicht beachtungswerthe Resultate ergaben:

Die innigste Vereinigung wird durch die Copulation erzielt; dann folgt die Oculation, zuletzt erst das Pfropfen, und zwar am em- pfehlungswerthesten das Pfropfen unter die Rinde, weniger das seitliche in das Holz, das mit dem Geisfuss, mit dem Sattel, am wenigsten das in den Spalt, weil hier zu viel Holzsubstanz ungedeckt bleibt, welchem Nachtheil durch kein Verkleben mit Baumwachs abgeholfen werden kann. Sie vertrocknet und verhindert nur das Anwachsen, verrottet und lässt sich ebenso wie der obere Theil. des Mutterstammes in den ältesten Stämmen ‘noch erkennen. Die Scehnittfläche des Mutterstammes verwächst hier ebenso wenig wie beidem Oculiren, weil beide schon

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längst vertrocknet, also nieht mehr organisch thätig sind, ehe sie von den Ueberwallungsschichten überzogen werden können.

Jede, auch die leiseste Berührung der zum Verwachsen bestimmten Schnittflächen ist zu vermeiden, weil hierdurch die äusserst zarten Endigungen der Markstrahlen verletzt werden, denen die zur innigen Verwachsung zur nöthigen Bildung des intermediären oder Vernarbungs-Gewebes obliegt. Dieses Vernarbungs-Gewebe bildet sich auch bei anderweitigen Verwachsungen und vermittelt dieselben, wovon Näheres an einem anderen Orte. Der Nutzen möglichst kleiner Schnitte, der Wahl wenig umfangreicher Stämme und Zweige zu allen diesen Operationen ergiebt sich auch aus diesen theoretischen Erfahrungen, wie so manches Andere, von selbst, das ‘die Praxis schon längst als er- spriesslich befunden hat.

Einiges über die nachtheiligen Wirkungen der beiden Winter 1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation.

Von Baumgärtner C. Pfeiffer in Zölling.

Wollen wir nach Möglichkeit die oft bedeutenden Schäden von uns abwenden, welche anhaltend sehr harte oder wechselvolle, von strenger Kälte durehzogene Winter über die Vegetation hereinbrechend machen, so müssen wir uns bestreben, die besonderen Ursachen derselben zu er- forscheu und deren Wirkungen zu ermitteln. Wenn nun auch meine in diesen Beziehungen gemachten Beobachtungen vielleicht nichts Neues er- geben, so will ich die Resultate derselben doch mittheilen, sollten sie selbst nur die Erfahrungen Anderer bestätigen.

Ziehen wir zuerst eine Parallele zwischen den Temperaturverhältnissen der beiden Winter 1869/70 und 1870/71, so finden wir, dass in beiden fast die gleichen Kältegrade erreicht wurden, auch in Betreff‘ reichen Schneefalles und eines sich erst spät eingestellten Frühjahrs beide sich ziemlich gleichten, dass dennoch aber ihr Verlauf ein durchaus ver- schiedener war. Wenn der erstere dieser beiden Winter nach bis dahin normalem Verlauf am 1. Februar mit 13°R. die gewöhnlichen Grenzen überschritt, das Thermometer sogar 4 Tage hinter einander auf 20° RR, stehen blieb und erst nach 14 Tagen die ersehnte Linderung eintrat, welche dann auch bis Ende Februar mit nur geringen Schwankungen Stand hielt, so gefiel sein Nachfolger sich mehr in schnellen, ja plötz- lichen Temperaturwechseln. Solche fanden z. B. statt: in der ersten Woche des Januar 1871 von 200R. auf 2°R., vom 29. Januar bis

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5. Februar von 10° bis 16° auf R., vom 7. bis 8. Februar, also binnen 24 Stunden, von auf 16°, vom 8. bis 15. Februar von 16° bis 20° auf O°R.

Ganz entsprechend dieser Ungleichheit ihrer Charaktere waren auch die schädlichen Einflüsse und Folgen dieser beiden Winter auf die Vege- tation. Sehen wir nun zu, worin sich diese kennzeichneten. Trotz einer wahrhaft sibirischen Kälte während 14 Tagen des Winters von 1869/70 hatten wir, wenigstens hier und in der Umgegend, erfreulicher Weise über keinerlei namhafte Verluste zu klagen, allenfalls waren es einige alte hoch- stämmige Remantant- und Moosrosen, Ilex aquifola, verschiedene Ruscus und wenige andere Pflanzen, welche seit einer Reihe von Wintern ohne jeglichen Schutz trotzten, diesmal aber theilweise oder auch ganz zu Grunde gingen, sowie einige junge Exemplare erst im vorangegangenen Frühjahre mit Topfballen ausgepflanzter Coniferen, als Cupressus Lawsonü und Wellingtonia, welche, obgleich gut mit Fichtenzweigen verpackt, eben- falls nicht aushielten. An Weinreben, Obstbäumen ete. war die Kälte ziemlich spurlos vorübergegangen.

Wie ganz anders waren dagegen die Verluste, welche der darauf folgende Winter 1870/71 zufügte. Fast keine Branche des Gartenbaues wurde verschont und Jahre werden vergehen, bevor die geschlagenen Wunden vollständig geheilt sind.. Am schmerzlichsten, weil mit dem Wohlstande ganzer Gegenden in inniger Verbindung stehend, waren un- streitig die Opfer an Obstbäumen aller Art. Pfirsich- und Aprikosenbäume an freistehenden Spalieren, unter guter Rohrverpackung, erfroren bis zur Wurzel; bei denen an Mauerspalieren jedoch nur das ein- und zweijährige Holz. Süsskirschen blieben hierorts merkwürdiger Weise ziemlich ver- schont, alte tragbare, wie junge Stämmchen in der Baumschule; besonders Letztere befanden sich jedoch an mehr geschütztem Standorte; von ein- jährigen Sämlingen, welche mit vollem Laube und noch etwas unreifem Holze einwinterten, erfroren ca. 10 pCt., doch machten diese im Laufe des Sommers noch kräftige Triebe von unten und sind zu kräftigen Pflanzen herangewachsen. Sauerkirschen, sämmtlich Alleebäume, über- standen diesen Winter gut.

Das weitaus grösste Contingent an Todten stellte die gewöhnliche blaue Pflaume, in Gärten wie im Freien, hauptsächlich in feuchten, schweren Böden; ganze Alleen solcher Bäume wurden in hiesiger Gegend total vernichtet. Beachtenswerth erscheint hierbei, dass die Kälte auf in kräftigem Mannesalter stehende Bäume minder verderblichen Einfluss übte, als auf solche, welche dasselbe bereits überschritten hatten, oder erst seit Kurzem gepflanzt waren. Es mag sich dies wohl daraus erklären, dass die alten Bäume nicht mehr die Lebenskraft besassen, den Unbilden eines so aussergewöhnlichen Winters widerstehen zu können; bei den frisch gepflanzten mag die Ursache vielleicht darin zu suchen sein, dass ihre

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Vegetation tiefer in den Herbst hinein dauerte, weil entweder ihre Wur- zeln in der dem Pflanzloche seiner Zeit zugeführten „guten Erde‘, oder, wo dies nicht der Fall war, doch in der geringeren Tiefe, in der sie sich noch bewegten, mehr Nahrungsstoff fanden, folglich die Bäume später in Ruhestand übergingen, die wässerigen Theile noch nicht gehörig aus- gesondert hatten, mithin der noch geringen Consistenz der holzigen Theile wegen dem starken Froste unterliegen mussten. Während des zweiten Triebes im Monat August gingen noch eine grosse Menge Bäume mit vollem Laube binnen wenigen Tagen plötzlich zurück und steht Gleiches noch weiter bei der nahe bevorstehenden neuen Vegetationsperiode zu befürchten.

Kernobst, welches hier ausschliesslich in Gärten angepflanzt und einigermassen geschützt ist, hat wenig oder gar nicht, dagegen die neue Baumschule bedeutenden Schaden gelitten; im Frühjahr 1870 in fast ganz freier Lage angelegt, nur mit einem Stacketenzaune umgeben, wurden damals in dieselbe grössere Partien 3- und 4jährige Veredelungen von Aepfeln und Birnen übersiedelt, welche im Laufe des Sommers prächtig gediehen und stark trieben. Unter diesen hat der folgende Winter so stark gewirthschaftet, dass die Mehrzahl der bestandenen Sorten beider Obstgattungen an der Basis der jüngsten "Triebe, viele aber auch be- deutend tief, bis zur Höhe der winterlichen Schneelage zurückgeschnitten werden mussten, doch haben auch diese alle wieder ausserordentlich kräftig getrieben.

Noch sei einer ganz im Freien, hauptsächlich den Nordwestwinden stark ausgesetzten, vor 4 Jahren mit diversen Sorten neu angepflanzten Aepfelallee erwähnt. In den ersten 2 Jahren ihres Bestehens musste die- selbe aus verschiedenen Ursachen stark rekrutirt werden, dem Winter 1869/70 leistete sie trefflichen Widerstand, nach dem Winter 1870/71 hatte sie jedoch ca. 20 pCt. Verlust aufzuweisen. Wie viel hiervon der Kälte, dem stellenweise ungünstigen, meist schweren, auch mitunter nassen Boden oder anderen Ursachen zuzuschreiben war, mag fraglich sein, nur so viel ist sicher, dass derselbe lediglich durch den letzten Winter herbei- geführt wurde, Einzelne Sorten haben jedoch in dieser Allee, ohne er- gänzt werden zu dürfen, standhaft ausgehalten. Es sind dies besonders: weisser Sommer-Strichapfel, Sommer-Parmaine, rother Astracan, purpur- rother Cousinot, Kaiser Alexander, Winter-Gold-Parmaine, Papageienapfel, Herbert’s Rambour-Reinette.

Weitere sehr bedeutend schädliche Einflüsse erlitten: der Wallnuss- baum, welcher erst spät aus dem alten Holze wieder ausschlug, der Weinstock, der oft bis an die Erde zurückgeschnitten werden musste, und die im Freien stehenden Feigen

Zu den Ziergehölzen übergehend, hatten auch von diesen viele Arten erheblich gelitten und wenn dieselben auch aus der Wurzel wiederkamen,

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so war doch die ästhetische Wirkung mancher Anlagen auf lange Zeit verdorben. Als hauptsächlich betroffene Arten sind zu bezeichnen: Amygdalus, Bignonia radicans total erfroren, Buxus arb., Colutea, Cytisus, Deutzia, Hedera helix, Hibiscus, Lonicera, Ribes sanguin., Robinia hispida, Spiraea prunifol. fl. pl., Tuja oriental. nebst vielen anderen Coniferen, Weigelia, selbst die härtesten Landrosen. Hochstämmige Rosen schienen bei Wegnahme ihrer Bedeckung ganz gut durchwintert, die Kronen frisch, die Augen gesund, und kräftig, aber schon nach wenigen Tagen erwiesen die meisten Stämmchen sich als erfroren.

An Vorstehendes anknüpfend möge noch der Widerstandsfähigkeit einiger Pflanzen Erwähnung geschehen, welche man gemeinhin für weniger bart hält. Vor 9 Jahren wurde hier ein hochstämmiges Exemplar Bignonia catalpa gepflanzt, erfror im nächsten Winter, musste bis zur Erde zurück- geschnitten werden und bildete darauf einen schönen Strauch, der jedoch in den folgenden Wintern immer wieder bis zur Erde erfror, nur Jahres- triebe machte, trotzdem aber niemals verpackt wurde, und siehe da, gerade diese beiden höchst ungünstigen Winter hielt sie aus und blühte im letzten Sommer. Möglicher Weise haben die in ihrer nächsten Nähe befindlichen, mehr und mehr herangewachsenen Gehölze jetzt den nöthigen Schutz gewährt, oder die Pflanze hat sich erst, so zu sagen, acclimatisirt.

Zur Bekleidung des östlichen Giebels des hiesigen Orangeriehauses vor 4 Jahren gepflanzte, auf den Wurzelhals veredelte Prärie-Rosen, 2 Stück Belle de Baltimore und 1 Beauty of Prairie bedeckten sehr bald die ganze Fläche; ihr winterlicher Schutz war eine dünne Rohrdecke, unter der sie die ersten Winter sehr gut überkamen. Nun hielt ich die- selben für hart genug und hatte mit deren rechtzeitiger Verpackung keine Eile, da kam der 1. Januar 1871 mit seinen plötzlich 22° Kälte und die 3 Rosen standen noch frei, erhielten aber sogleich ihre schützende Rohr- decke. Diese niedrige Temperatur war den beiden Belle de Baltimore denn doch zu stark gewesen, sie schienen beide todt, ein Exemplar kam aus dem Edelholze dicht an der Erde recht kräftig wieder, das andere jedoch, einige Zoll höher veredelt, nicht. Die Beauty of Prairie hatte sich nicht lassen aus der Fassung bringen, wuchs im Frühjahr lustig fort und triumphirte seiner Zeit mit einer grossen Menge der schönsten Bouauets, ist also als ganz hart anzusehen.

Dass Fuchsien, besonders die beiden alten, aber reizend und dankbar blühenden F. globosa und gracilis, unter leichter Decke mit Erfolg im Freien überwintern, bei dieser Methode sich jährlich aus der Wurzel ver- jüngen und einen reichen prächtigen Flor hervorbringen, ist wohl jedem Gärtner bekannt, dennoch dürfte es Manchen überraschen, wenn ich ver- sichere, dass dieselben unter Umständen auch ohne Bedeckung aushalten. Ein vor einigen Jahren beim Auspflanzen zurückgelegtes altes Exemplar der F. globosa wurde, um nicht gerade weggeworfen zu werden, an die

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östliche Wand eines Gebäudes gepflanzt, wo es blühte, später aber nicht mehr beachtet wurde; zufälliger Weise wurde es im nächsten Frühjahre beim Umgraben des Beetes verschont, und es dauerte nicht lange, so entsprossten dem Wurzelhalse eine Menge kräftiger Triebe, die sich später stark verästelten und mit unzähligen Blüthen bedeckt waren. Dasselbe wiederholt sich seitdem jedes Jahr, ohne dass die Pflanze einen anderen Schutz als die ihr von der Natur gewährte Schneedecke erhält.

Aehnliche Erfahrung machte ich vor etwa 10 Jahren mit einem alten einfach blühenden Oleander und einem alten Melianthus major, welche, beide ausgepflanzt, den damals allerdings milden Winter in so weit aus- hielten, dass sie im Frühjahr unten wieder ausschlugen, der zweite Winter machte beiden Pflanzen freilich den Garaus. Yucca gloriosa und filamentosa haiten unter guter Decke ebenfalls im Freien aus, doch wird man wohl nie schöne ausgewachsene Exemplare erzielen, da die über der Erde. befindlichen Theile regelmässig zu Grunde gehen.

Suchen wir die Nebenumstände zu erforschen, welche die schädlichen Wirkungen solcher strengen und wechselvollen Winter mehr oder weniger begünstigen können, so finden sich bei aufmerksamer Beobachtung ausser den bereits angedeuteten noch deren mehrere. In erster Reihe derselben stehen wohl unbedingt die allzu plötzlichen Teemperaturwechsel, welche dann am gefährlichsten werden, wenn die Jahreszeit schon vorgeschritten ist und die Pflanzensäfte sich bereits in Circulation befinden. Nur in wenigen Fällen kann hier schützend eingegriffen werden, z. B. durch geeignete Bedeckung die zarten Freilandpflanzen vor unmittelbarer Be- rührung der eisigen Luft zu bewahren, ‚oder auch die, die Vegetation erweckenden und fördernden Strahlen der höher steigenden Sonne abzu- halten, was z. B. bei Spalierbäumen und kleineren Pflanzen gut ausführ- bar ist und wohl auch allgemein angewendet wird. Ungeeignete Lagen und ungünstige Bodenverhältnisse sind fast noch gefährlicher. Durch Schutzpflanzungen, Bodenverbesserung, Drainage lässt sich hiergegen viel thun, wo diese aber nicht angänglich sind, sollte man nur mit solchen Culturen vorgehen, welche auf Grund vielseitig langjähriger Erfahrungen sich für die vorhandenen Verhältnisse eignen; Sorglosigkeit hierbei straft sich in der Regel bitter. Bei Verwendung solcher Pflanzen, deren Aus- dauer in unserem Klima nicht unzweifelhaft festgestellt ist, sollte über- haupt grössere Vorsicht angewendet werden, weil leicht solehe unvorher- zusehende Fälle eintreten können, denen dann unsere Lieblinge erliegen müssen.

der Schles. Gesellsch. f. vater. Cultur. 277

Ueber chemische Salzdüngung bei der Gartencultur. Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin.

Auch in diesem Jahre setzte ich meine Versuche mit chemischen Salzdüngungen fort und erlaube mir darüber zu berichten. Dass die auf- gegangene Saat der Sellerie äusserst kräftig wird, wenn man sie mit Kochsalz bestreut, habe ich, wenn ich nicht irre, schon früher erwähnt und füge ich dem nur bei, dass im Sommer auf die Selleriebeete ge- streutes Kochsalz ebenfalls die besten Erfolge nach sich zieht. Neue Proben in diesem Jahre sind folgende gemacht:

1) Abgeblühte und zurückgeschnittene Sommer-Levkojen konnten durch ein Gemisch von Schwefelkalium (Schwefelleber) und Chlorammonium (Salmiak), in Wasser gelöst, nicht zu weiterem Blühen gebracht werden, obwohl sie Schwefel und Ammoniak zu ihrem Gedeihen gebrauchen und beides ihnen so in leicht assimilirbarer Form geboten wurde. Noch nicht im Blühen begriffene und klein gebliebene, schmächtige Levkojen des Hochsommers bekamen je einen Theelöffel eines Gemisches von gleichen Theilen gestossenen Salpeters und Salmiaks, welches ich auf die Erde an die Wurzeln streute, worauf die Pflanzen ein paar Mal angegossen wurden. Die Wirkung war eine überraschende. Binnen wenigen Tagen zeigte sich üppiges Wachsthum und darauf prachtvolles Blühen. Die Pflanzen blieben bis zum Eintritt des Winters gesund und in Flor.

2) Von Endivien, nämlich der ächten Endivie Cichorium Endivia und nicht der leider durch das Belieben der Handelsgärtner zu einem ganz unpassenden Namen verholfenen Sommer-Endivie, welche ein Lactuca ist, wurde ein Theil mit Salpeter, ein Theil mit Salmiak und Salpeter bestreut und sofort so lange begossen, bis alles Salz abgespült war, weil die Blätter dieser Pflanzengattung die Berührung mit so scharfen Salzen sichtlich nicht vertragen. Eine Wirkung war bei beiden Versuchen voll- ständig unbemerkbar.

3) Versuche bei Salat (Lactuca) wurden nur in kleinem Maassstabe angestellt und müssen von mir wiederholt werden; es schien jedoch, als ob Salmiak eine günstige Wirkung äussere, jedoch war sie nicht auf- fallend, ist aber möglicherweise zu sehr redueirt worden durch die gerade in diesem Sommer dem Gedeihen der Salat so ungünstigen Witterungs- Verhältnisse.

4) Versuche bei Blumenkohl (Karviol). Im Sommer und zwar Anfang Juli zur Herbsteultur ausgepflanzte Pflanzen entwickelten sich durch mühsame und aufmerksame Pflege stattlich, erwuchsen jedoch nicht hinlänglich, um von ihnen im Herbste Rosen zu erwarten. Jede Pflanze erhielt daher einen gehäuften Esslöffel eines Gemisches von gestossenem

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Salmiak und Salpeter, worauf wiederholt stark angegossen wurde. Die Wirkung war erstaunlich. Ueppig entwickelten sich die Pflanzen und strotzten in Saft und Kraft. Leider konnte der zeitig eingetretenen Kälte wegen, und weil ich mein Gärtehen, was seit 2 Jahren nicht geschehen war, düngen musste, die Bildung der Blumen nicht abgewartet werden und war ich gezwungen, die Pflanzen auszuheben und nach Abnahme aller grösseren Blätter und Abschütteln aller überflüssigen Erde von den Wurzeln in einen finsteren, warmen Keller in feuchten Sand zu pflanzen. Dort bildeten sich schon nach 12 bis 18 Tagen Rosen, von welchen die besten 5 Zoll Durchmesser hatten und überaus zart und schmackhaft waren.

Hiermit sollen meine Versuche mit Salzdüngungen in Betreff der Salze wie auch der Pflanzen noch keineswegs abgeschlossen sein. Leider steht mir nur zu wenig Raum zu Gebote, um vergleichende Mengen- versuche zu gleicher Zeit anstellen zu können. Ueber die Prineipien, welche mich bei meinen Proben leiteten, sei im Allgemeinen noch Folgendes bemerkt:

Dass die Theorie über die Wirkung des Düngers auf das Pflanzen- leben noch nicht geklärt, noch nicht definitiv abgeschlossen ist, wird Jeder bekunden, der darüber nachgedacht, darüber gelesen hat. Der. Empiriker bedarf einer solchen wissenschaftlichen Sondirung freilich nicht, wohl aber der wissenschaftlich vorwärts strebende, geistig arbeitende Mensch, und ich hoffe daher, dass so mancher meiner geehrten Leser diese Zeilen, als revolutionär, nicht bei Seite legen, sondern sie als einen Versuch im Vorwärtsstreben betrachten wird, selbst wenn sie auch nichts Neues, nichts Vollkommenes bringen.

Ohne Zweifel nimmt die Pflanze aus dem Boden nur Mineraltheile auf und könnten wir uns einen Dünger ohne jede mineralische Beifügung denken, so würde die Wirkung desselben lediglich durch die Auflockerung der Erde und dadurch erzielt werden, dass durch diese wiederum Luft und Licht zur Wurzel tritt, ausserdem jedoch wesentlich durch die in Folge der chemischen Zersetzung der organischen Stoffe erzeugte Wärme. (Ich ziehe das Wasser hierbei nicht in den Bereich meiner Betrachtung.) Die Pflanze würde unter solchen Verhältnissen verschmachten; sie gliche einem Menschen ohne Knochen. Denken wir uns also die Mineraltheile als das Knochengerippe der Pflanze und denken wir daran, dass mit Kalk gebackenes Brodt für Kinder nahrhafter ist als anderes, weil es ihnen die Knochenbildung erleichtert, so muss auch einfach eine Pflanze besser ge- deihen, wenn ich ihr die Stoffe zu ihrem Gerippe reiche, vorausgesetzt, dass die anderen Faetoren: Luft, Licht, Wasser, Wärme, vorhanden sind. Für viele Fälle wird der mit chemischen Kenntnissen ausgerüstete Mann schon das Letztere beweisen können, für die bei weitem meisten Fälle schwebt ein geheimnissvolles Dunkel über diese Frage. Ebenso wird in

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vielen Fällen eine Verbindung aus rein organischen Stoffen in gleiche Umgestaltung zu Nutzen der Absorbtion der Pflanzen und ihrer Existenz gebracht werden, sei es in der Erde oder in der Zelle. Der Stickstoff wird zu Gunsten der Pflanze jedenfalls erst in der Zelle zur Aufnahme aus seinen Verbindungen in andere passende umgestaltet und nicht in der Erde. Jenen reinen Stickstoff, welchen die Pflanzen in grosser Menge aus der atmosphärischen Luft aufnehmen, lasse ich hier ebenfalls ausser Betracht. Verbindungen organischer Natur, welche des Stickstoffes halber als Düngstoffe verwerthet werden, wie z.B. Guano, müssen ganz bestimmt erst in der Erde eine Reihe von chemischen Umsätzen erfahren, ehe sie zur Aufsaugung durch die Wurzel tauglich werden. Man betritt hier ein so weites Feld der Forschung mit so vielen Nebenwegen und Stegen, dass man sich leicht verirren kann.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, gab ich den Pflanzen die oben verzeichneten Salze, wobei mich der Gedanke leitete, dass der Stickstoff im Salpeter und im Salmiak im Boden chemisch aus seinen Verbindungen umgesetzt und durch irgend welche Umbildung zur Aufnahme geschickt gemacht wird; wird er frei von der Pflanze verlangt, so wird er jeden- falls schon und erst in den Wurzeln frei gemacht, um natürlich im weiteren Verlaufe der pflanzlichen, chemischen Thätigkeit in andere Ver- bindungen zu treten, welche die Pflanze zu ihrem Gerippe oder ihrer Production bedarf.

An Stelle des Salpeters würde salpetersaures Natron Chilisalpeter in mancher Beziehung dasselbe leisten; da jedoch die grösste Anzahl der Pflanzen eine Menge Kali zu ihrer Ausbildung beansprucht, wählte ich den Salpeter, das salpetersaure Kali. Uebrigens ist noch zu erwägen, ob nicht die Pflanzen einiger Familien Salpeter direet aufnehmen? wenigstens kenne ich einige, die ihn stark enthalten. Salmiak (Chlorammonium) tritt jedenfalls nicht direet in die Pflanzenzelle, sondern wird in Ammoniak und Chlor in der Erde zersetzt, welche beide wieder Verbindungen mit anderen Stoffen eingehen, die für die Pflanzen assimilirbar sind. Auch das Ammoniak ist so überreich stickstoffhaltig, dass dieser Umstand einer gleichen Besprechung in Betreff dieses Stoffes bedürfte, wenn nicht darüber schon vorher und beim Salpeter hinlänglich verhandelt worden wäre. In welcher Weise die Pflanze den Schwefel aufnimmt, ist noch weniger klar; wahrscheinlich ist, dass selbst noch der gewöhnliche Boden genug Schwefel enthält, um die Ausprüche der Pflanze zu befriedigen, daher Versuche damit unlohnend sind und ohne Resultate. Wir sehen dies an manchen Cruciferen, welche viel Schwefel enthalten und an recht sterilen Orten wachsen. Wollen wir den Schwefel nicht füglich als einen Bestandtheil des Pflanzengerippes betrachten, wozu mancherlei Gründe berechtigen, so bedarf manche Pflanze diesen Stoff doch sicherlich zu ihren Productionen und zwar in grosser Menge. Jedenfalls ist indessen

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anzunehmen, dass der Schwefelwasserstoff der Luft von den Pflanzen auf- gesaugt und umgearbeitet wird. Gerade dieses Beispiel weist uns darauf hin, zu empfinden, wie gross die chemische Werkstätte in jeder Pflanze und wie ausgedehnt ihre chemische Thätigkeit ist. Die Erkenntniss der- selben veranlasst uns, ihnen ihre chemischen Arbeiten zu erleichtern und ihnen Chemikalien zu reichen, und so vernünftig dies ist, so lohnend ist es.

Dass Kochsalz den Boden feucht erhält, also mechanisch wirkt, ist hinlänglich bekannt, ob es jedoch von der Pflanze aufgenommen wird, ist eine nicht zu bezweifelnde und leicht nachweisbare Thatsache. Bei allen diesen Bemerkungen darf man jedoch nicht vergessen, dass nicht eine und dieselbe Pflanze gleicher Salze bedarf und gleiche Mineraltheile aufnimmt; es ist das Bedürfniss danach bei den verschiedenen Pflanzen- Familien sicher auch ein ganz verschiedenes und nur die chemische Analyse und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen können uns darüber be- lehren, was wir den Pflanzen geben müssen, um unseren Ansprüchen an ihre Wachsthumsverhältnisse gerecht zu werden. Im Allgemeinen ist be- stätigt, dass Pflanzen mit grossen Blättern viel Salzdüngung vertragen, resp. viel Salze assimiliren. Eine bekannte Familie, die der Cruciferen, nimmt jede Art von Salzdüngung günstig auf, käme man damit auch einmal etwas zu stark. Pflanzen mit Milchsaft vertragen wahrscheinlich auch ziemlich davon, während Compositen, wie ich beobachtet habe, nur vorsichtig damit behandelt sein wollen, wenngleich sie auch Milchsaft ent- halten. Daher sind auch meine Versuche mit Endivien und Salat so zweifelhaft nutzenbringend geblieben, weil beide nur wenig Salze bean- spruchen. Diese Pflanzen bedürfen aller Wahrscheinlichkeit nach haupt- sächlich einen humeusen, lockeren, Wasser, Luft und Wärme enthaltenden Boden, um zur grössten Vollkommenheit zu gelangen.

Nochmals muss ich bemerken, dass ich bei meinen Voraussetzungen das Wasser als selbstverständlich nothwendig und zugegen ausser dem Bereich derselben gelassen habe; denn es wird Jedermann wissen, dass das Wasser ein wichtiger Factor bei fast allen chemischen Verbindungen ist und gerade den Pflanzen stets gegeben werden muss, sei es um die chemischen Nahrungsmittel für sie löslich zu machen, sei es um ihre körperliche Ausdehnung zu vermitteln und das durch Wärme und Luft entzogene Wasser zu ersetzen.

Meine hier vorgetragenen Betrachtungen bitte ich nur als einen Ver- such ansehen zu wollen zur Hilfeleistung bei der Klärung unserer Ge- danken über die pflanzliche Natur.

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Von der Cultur der Alstroemerien in Töpfen. Von Kunst- und Handels-Gärtner W, Kühnau in Breslau.

Die Masse der in Töpfen eultivirten Pflanzenarten ist so gross und die Auswahl unter ihnen, besonders für den Blumenliebhaber, der nicht gerade Fachmann ist, so schwierig, dass es nicht überflüssig erscheinen dürfte, gelegentlich auf einige dieser Cultur werthe und dennoch wenig verbreitete Pflanzenarten die Aufmerksamkeit zu lenken.

Zu dieser Zahl gehören die peruanischen und chilenischen Alstroemerien, von denen ich hier einige Worte zu sprechen mir erlauben will. Die eigenthümliche Form der sechsblätterigen Blumenkrone, sowie deren zarte, zwischen röthlich weiss und carmoisinroth einerseits, und gelblich weiss und orange andererseits varürende, durch verschiedenfarbige Punktirungen und Striehzeichnungen unterbrochene Färbung, die grosse Zahl der bei günstiger Cultur aus einer Knolle emporwachsenden Blüthenstengel, ver- bunden mit meergrüner Belaubung, sowie ziemlich langem, auf die Monate Juni und Juli sich erstreckenden Flor machen sie zu einer Flor- blume ersten Ranges. Die verhältnissmässig geringe Verbreitung der Alstroemerien, trotz ihrer Vorzüge, mag allein darin ihren Grund haben, dass ihre Cultur einige Schwierigkeiten hat und allerdings leicht gänzlich fehlschlägt. Auch mir ist es widerfahren, meine Culturversuche mehrere Jahre gänzlich fehlschlagen zu sehen; dagegen habe ich zuletzt voll- kommen günstige Resultate erzielt und will nun die Früchte meiner Beobachtungen hier möglichst kurz wiedergeben.

Sobald die ersten grünen Spitzen der jungen Stengel über der Erde der Töpfe erschienen, im Januar bis Februar, habe ich die Knollen aus der Erde genommen, von der alten Erde gereinigt und in drei- bis vier- zöllige Töpfe in Pferdedünger- oder Laub-Erde, der etwas Sand beige- mischt war, eingepflanzt, etwas angegossen und im kalten Hause dicht unter Glas gestellt. Hier wuchsen die jungen Stengel langsam, aber kräftig und gedrungen fort. Die erste Zeit des Wachsthums der jungen Stengel scheint mir die entscheidende für ein günstiges Resultat der Cultur zu sein. Stehen die Töpfe weit vom Licht, so werden die jungen Stengel lang und schlaff und für das laufende Jahr ist der Flor verdorben. Im März oder April waren die Töpfe mit Wurzeln angefüllt und schienen den Pflanzen nicht mehr Raum genug für kräftiges Wachsthum zu bieten. Diesem Mangel half ich während einiger Wochen durch Begiessen mit aufgelöstem Guano nach, freilich nur an trüben Tagen und bei feuchtem Zustande des Wurzelballens. Der Erfolg zeigte sich schnell durch offen- bare Ueppigkeit des Wachsthums. Dann habe ich die Pflanzen in circa 2 Zoll grössere Töpfe verpflanzt, in ein lauwarmes Mistbeet gebracht

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und in Sägespähne so weit auseinander eingesenkt, dass sie reichlich kaum hatten sich auszubreiten; hier habe ich sie Anfangs geschlossen gehalten, dann aber reichlich Luft gegeben, auch bei günstigem Wetter durch Schattengeben gegen zu heissen Sonnenschein geschützt.

Unter den angegebenen Verhältnissen entwickelten sich die Stengel sehr kräftig, so dass ich sie durch öfteres Heben des Mistbeetkastens vor der Berührung mit dem Glase schützen musste. Ungefähr 3 Wochen nach dem Verpflanzen waren die Alstroemerien schon wieder dureh- gewurzelt und ich half wieder durch Begiessen mit Guanowasser nach. Mitte oder Ende Mai, wo schon die Blüthenknospen als kleine Knötchen sich an den Spitzen der Zweige zeigten, habe ich die Alstroemerien dann zum letzten Male in entsprechende, 6 bis 12 Zoll im Durchmesser grosse Töpfe verpflanzt, sie darauf geschlossen gehalten und im Juni ganz im Freien an einer halb schattigen Stelle in Sand eingesenkt. Hier, wo sie auf dem Gipfelpunkte ihres Wachsthums angelangt waren, habe ich sie sehr reichlich, wöchentlich sogar 2 bis 3 Mal mit Guanowasser begossen und sah eine Blüthe nach der anderen sich normal entfalten. Es waren jetzt grosse üppige Büsche mit 10 kis 30 Stengeln geworden, deren jeder eine Dolde mit 6 bis 10 Blumen trug, die einen Raum von je 2 bis 2!/), Fuss Durchmesser einnahmen. In diesem Zustande gewährten sie einen herrlichen, dem verwöhntesten Auge wohlthuenden Anblick. Als der Flor sich’ seinem Ende zuneigte, liess ich durch allmälig knapperes Begiessen die Knollen in den Ruhestand zurückkehren und stellte die Töpfe mit den Knollen für den Rest des Jahres an einen ganz trocke- nen Ort.

Aus dem Gesagten ergiebt sich von selbst, dass die Cultur der Alstroemerien für den Handelsgärtner, der Alles möglichst billig liefern soll, wenig gewinnbringend sein dürfte, wohl aber dem Blumenliebhaber, dessen Culturen nur den Zweck haben, ihm Vergnügen und Freude zu machen, und der die nöthigen Mittel besitzt, sehr zu empfehlen ist; wie denn das Gesagte auch nicht meiner hiesigen Praxis entnommen, sondern eine Reminiscenz ist aus meiner Thätigkeit als Gärtner des Herrn Frei- herrn v. Richthofen auf Damsaoıf.

Ueber alpinische Gewächse und deren Oultur.

Von Kaufmann Hutstein in Breslau.

Es gehört jedenfalls schon zu den angenehmen Beschäftigungen, sich. mit der Erziehung jeglicher Pflanzen abzugeben, aber ein ungleich höheres Interesse bietet die Behandlung und Cultur alpinischer und damit in naher

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Verbindung stehender einheimischer Gewächse. Hier wird nicht die Rede davon sein können, mit diesen Pflanzen Masteulturen vorzunehmen, wo es sich darum handelt, diese zu vervollkommnen, d. h. den Blätter- und Blüthenreichthum zu vermehren, sondern lediglich darum, die Pflanzen naturwüchsig zu erziehen.

Den Charakter, den die Pflanze auf ihrem nackten Gletscherfelsen, auf der humusreichen Wiesenmatte, auf dem sterilen Granit, Kalk, Basalt und Porphyr oder noch ärmerem Sandboden, hier trockenem, dort nassem Grunde, hier schattig, halbschattig, dort frei der Sonnengluth ausgesetzt, besitzt, müssen wir suchen auf unserem Culturfelde zu erhalten und uns in alle Lebensbedingungen hinein denken, die der Pflanze während ihrer Vegetations- und Ruheperiode begegnen. Es liegt daher auf der Hand, dass, um nur einigermassen ein solches Ziel zu erreichen, langjährige Beobachtungen, Versuche, Erfahrungen, Geduld, Zeit und Geld erforder- lich sind. Man wird anfänglich nicht mit schwierigen Culturen beginnen können, am allerwenigsten mit den misslichen Hochalpinen, als: Azalea procumbens, den Rhododendra, Eritrichium nanum, Androsace helvetica und gla- eialis, Dianthus glacialis, Gentiana brachyphilla u. s. w., wenn sich nicht durch misslungene Erfolge die Muthlosigkeit unserer bemächtigen soll. Es empfiehlt sich daher, mit den leichter fortwachsenden Pflanzen, als: Saxifrageen, Cruciferen, Crassulaceen, Compositen, Ranunculaceen u. s. w., den Anfang zu machen und ihnen eine passende Erdmischung, geeigneten Standort und die erforderliche Feuchtigkeit zu gewähren. Fast alle Saxifrageen bilden saftige, rasenförmige Polster, geben daher allein schon in der Anlage den hervortretenden alpinischen Charakter. Sie lieben meist sandigen, lockeren, humuslosen Lehmrasenboden, mässige Feuchtig- keit, viel freies Tageslicht, Morgen- und Abendsonne. Zur leichten Cultur empfehlen sich Saxifraga caespitosa, exarata, hypnoides, moschata, muscoides, pedemontana, densa, ajugaefolia, pedafidida, parviflora, Cotyledon, Aizon, crustata, mulata. Schwieriger, aber unter sorgfältiger, geeigneter Ein- pflanzung und Pflege unter sonst ziemlich gleichen Bodenverhältnissen fortzubringende sind die folgenden: Saxifraga Burseriana (liebt auch kalk- haltigen Sand und mageren Rasenlehm), squarrosa, caesia, patens, relusa, oppositifolia, Rudolphiana, biflora, Kochü. Sie gedeihen auch in einer Erd- mischung aus sandiger Haide- und sandiger Lehmerde bestehend. Für sute Wasserabzüge muss gesorgt werden. Oefteres leichtes Brausen ist allen Alpinen dienlich. Saxifraga aspera, bryoides, tenella, Haide-Sand, etwas Rasenerde; S. aizoides, stellaris, Clusii, cuneifolia, umbrosa, schattige und feuchte Standorte; S. sedoides, planifolia, androsacea, humöse feuchte Orte, Erdmischung wie oben.

Alle Cruciferen wie auch alle Crassulaceen sind leicht zu eultiviren, gedeihen auf leichtem, sandigen Boden und bedürfen mit wenigen Aus- nahmen sehr sonniger Standorte. Von Ersteren empfehlen sich folgende

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zur Cultur: Arabis alpina, striela, pumila, bellidifoha, coerulea, Cardamıne asari und resedifolia, Braya alpina, Alyssum saxatile und montanum, Potro- callis pyrenaica, Draba aizoidis, tomentosa und ciliata, Tlaspi alpinum und rolundifolium, Iberis saxatilis, Hutchinsia alpina, Aethionema saxatile.. Von Crassulaceen sind anzuführen: alle Sedum- und Sempervivum-Arten. Die Compositen, sie verlangen fast noch ärmeren Boden, Sand oder Kies, viel Sonne. Anzuführen sind als culturwürdig: Gnaphalium norwegicum, supinum, Leontopodium, dioicum und carpathicum, Artemisia lanata, mutellina, spicata und nana, Achillew alpina, Clavennae, moschata, nana, lomentosa und lanata, Chrysanthemum alpinum, »Senecio carnioliedew und incanus, Carlina acaulis, Centaurea asillaris, Crepis aurea und grandiflora, Soyeria hyosediri- Jolia. Feuchten Sandboden verlangt Arnica montana, nahrhafteren Boden, Feuchtigkeit und Schatten Homogyne alpina und discolor. Von Ranun- eulaceen mögen erwähnt werden: Atragena alpina, Thalictrum aquilegifolium, Anemone vernalis, Pulsatilla montana, narcissiflora, alpina, baldensis und trifolia, Adonis vernalis, Ranunculus rutaefolius, glacialis und alpestris, Trollius europaeus, Helleborus niger, Isopyrum thalictroides, Actaea spicata.

Als besonderer Schmuck und Zierde für jede Alpenanlage empfehlen sich alle Erieineen, jedoch ist ihre Cultur nicht leicht, deren gesundes dauerndes Fortleben mit vielen Erfahrungen verknüpft. Wir sehen unser gewöhnliches Haidekraut ‚‚Calluna vulgaris“ zu Tausenden wachsend, wuchernd auf Moor- und Sandflächen, und dennoch vergeht geraume Zeit, ehe man in Anlagen diese Pflanzen fortbringt. Rechtzeitiges Einpflanzen, lockerer, sandiger, humusreicher Boden sagen ihnen als Nahrung beson- ders zu, freier, sonniger Standort, mässige Feuchtigkeit der Erdschichten, aber viele und öftere feuchte Luft, die nur durch Bebrausen gewährt werden kann. Gleiche Cultur erfordernd und zur Anpflanzung besonders zu empfehlen sind: Erica Tetralix, cinerea und carnea, Azalea procumbens, Rhododendron ferrugineum, hirsutum und chamaecistus, Ledum palustre, Pyrola rotundifolia, minor, media, uniflora und umbellata. Letztere Pflanzen, die Pyrolaceen, bieten noch grössere Schwierigkeiten in der Cultur als alle übrigen. Halbschattiger Standort, gleichmässige Erdfeuchtigkeit, lockerer, sandiger Boden sind Hauptbedingungen. Zu diesen gehören auch die Droseraceen, Parnassia, Silenen, als: Dianthus alpinus, glacialis, deltoides, caesius, Silene alpestris, pumilio, saxifraga, quadrifolia und acaulis, Primula Jarinosa, longiflora, acaulis, villosa, spectabilis, integrifolia, Floerkeana, minima, ferner: Cortusa, Soldanella, Androsace helvetica, glacialis und villosa, Cha- maejasme lactea, carnea, Acetia, Vitaliana. Alle diese können ihres Blüthen- reichthums wegen nicht genug empfohlen werden, die Cultur ist nur bei Einzelnen schwierig. Standorte und rechtzeitige Einpflanzung, also ent- weder vor dem ersten Frühjahrstriebe, oder vor dem zweiten Herbsttriebe, sind besonders zu berücksichtigen.

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Die Orchideen, meist sandige Lehmerde, gleichmässige Feuchtigkeit liebend, verdienen nur bedingungsweise zur Cultur empfohlen zu werden, ihre sichtbare Vegetation ist von zu kurzer Dauer.

Den Schmuck und die grösste habituelle Schönheit und Mannigfaltig- keit bieten noch für alpinische Anlagen die Farrenkräuter. Ein grosser Theil dieser, meist tiefen Schatten liebenden Pflanzen gedeiht in humus- reichem Sandboden und gleichmässiger Feuchtigkeit, nur wenige vertragen Sonne und Trockenheit.

Ueber einige einheimische Waldgewächse und deren Verwendung in Gärten.

Von Hofsärtner W. Peicker in Rauden.

Freundlicher Aufforderung nachkommend, unternehme ich es wiederum, aus meiner gärtnerischen Praxis einige Notizen hervorzusuchen und für Sectionszwecke zu besprechen, die zwar vielen der davon Kenntniss- nehmenden nichts Neues bieten, Manchen indess einiges Erwünschte in frische Erinnerung bringen, Anderen wohl auch zum Theil bemerkens- werth erscheinen dürften. Bruchstücke sind’s, die zum Ganzen etwas beitragen sollen.

Da mein hiesiger Wirkungskreis, wie ich bereits früher zu erwähnen Gelegenheit hatte, von einem recht respectablen Wäldercomplex umrahmt ist, so hatte und nahm ich natürlich seither auch öfter Gelegenheit, mit den inneren vegetativen und sonstigen Reitzen dieses, für landschaftliche Ideale äusserlich nichts weniger als sympathen Colossal-Naturrahmens mich speciell bekannt zu machen; zum Theil auch wohl, um von gegen- theiligen Bildern darin mich zu überzeugen.

Dieser näheren Bekanntschaft nun verdanke ich einige recht beachtens- werthe Acquisitionen für gärtnerische Zwecke, auf die ich zunächst auf- merksam machen will, und stelle davon oben an: Osmunda regalis, das Königsfarren. Wer dieses herrliche Farrenkraut an seinem heimath- lichen Standorte vegetiren und auf dem Culminationspunkte- seiner Ent- wickelung paradiren sieht, wird ihm die volle Berechtigung zu seiner majestätischen Benennung gewiss nicht absprechen, und wird zugleich auch zugeben müssen, dass es auch für decorative Zwecke in der Gartencultur hohen Werth zur Schau trägt. Nicht nur seine ungewöhnlichen Dimen- sionen, verbunden mit dem prächtigen Schnitt seiner Wedel, sondern auch die von den meisten übrigen Arten dieser Pflanzenfamilie ganz abweichende Art seiner Fructification machen es zu einer sehr bevorzugten Erscheinung

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in derselben. Von diesem heimathlichen Waldbewohner verpflanzte ich vor einigen Jahren mehrere Exemplare in den hiesigen Park an einer schattigen, mässig feuchten Stelle in sandige Moorerde und habe die Freude, es seitdem auch an diesem unfreiwilligen Standorte kräftig ge- deihen zu sehen. Ich glaube demnach auch keine Barbarei zu begehen, wenn ich jedem Interessenten, dem sich günstige Gelegenheit hierzu dar- bietet, empfehle, dieses königliche Neutrum seinem Domieil in versteckter Waldromantik zu entführen und für die Phantasie moderner Natur- verschönerung praktisch auszubeuten. Wem dagegen die Erfüllung etwa erweckter Sehnsucht für solche Waldschönheiten nicht so bequem gemacht ist, der wähle, um bei diesem Vergleich zu bleiben, den humaneren Weg und suche sich solche Individuen aus der Gefangenschaft handelsgärt- nerischer Anstalten einzulösen und ihre Liebe durch möglichste Milderung zur Schau tragenden Heimwehs zu gewinnen.

Dies gilt auch für Strutiopteris germanica, dem „Straussfarren“. Wenn Osmunda regalis das Königliche, so repräsentirt dieses sicherlich das Hoch- fürstliche in dieser heimathlichen Pflanzenrage! Ueber das Vorhandensein desselben in der Nähe wurde ich erst in neuerer Zeit orientirt, so dass ich erst die nächst beginnende Vegetationsperiode abwarten muss, um von demselben geeignete Verwendung in den hiesigen Anlagen zu machen; nachdem ich mich jedoch von der grossen Schönheit dieses Farren, be- sonders an seinem natürlichen Standorte, überzeugte, unterlasse ich nicht, auch hier zugleich von Neuem darauf aufmerksam zu machen.

Auch Blechnum boreale entriss ich vor schon mehreren Jahren seiner nachbarlichen Waldeinsamkeit und habe die Genugthuung, dass auch dieses wilde Kind mit dem ihm angewiesenen eivilisirten Standpunkte sich eben so zufrieden zeigt, als ich Ursache habe, mit seinen graciösen For- men und niedlichen Proportionen zufrieden zu sein. Faeit: Man vergesse Blechnum boreale nicht!

Wenn die bisher genannten 3 Arten, zunächst in Bezug auf ihre natürliche Verbreitung, gewissermassen die Aristokratie unter den Farren unserer heimathlichen Wälder vertreten, so darf man Pieris aquilina und Aspidium filix mas mit seinen verwandten Arten gewiss als das Volk unter denselben betrachten. Das Erstere glaube ich für gärtnerische Zwecke nicht in Betracht ziehen zu können, weil sein Naturell der künst- lichen Verwendung wesentliche Schwierigkeiten entgegensetzt. Dagegen ist der reiche Werth des letzteren Genus nicht zu unterschätzen. So vielfach dies auch längst erkannt und in Anerkennung geblieben ist, so glaube ich doch seine Erwähnung hier nicht übergehen zu dürfen.

Nachdem ich hiermit meine Ausbeute hier heimischer Farren für

gärtnerische Zwecke vorläufig erschöpft habe, komme ich zu einer anderen Pflanze, die sowohl in hiesigen Nadelholzwaldungen, als auch und zum

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Theil noch mehr in Laubholzwäldern und Hainen durch die ganze Provinz verbreitet ist, sich aber in ihrem natürlichen Standorte wenig oder gar nicht augenfällig bemerkbar macht, wenn man nicht besonders darauf fahndet. Ich meine Asarum europaeum, die Haselwurz. Die Blüthe dieses zu den Aristolochiaceen gehörenden Gewächses spielt, vom gärt- nerischen Staudpunkte betrachtet, weder eine in der Form interessante, noch in der Farbe brillante, noch überhaupt eine Rolle, sie ist vielmehr höchst unscheinlich und versteckt. Auch die Hauptzierde der Pilanze, die Blätter, sind an dem natürlichen Standorte derselben meist so spär- lich vereinzelt vertheilt und auf dem Boden aufliegend, dass man so der Pflanze weder einen decorativen Werth ansieht, noch es einem ungeübten Auge leicht wird, sie zu finden. Dass es mit diesem Asarum dagegen, in die Garteneultur aufgenommen und geeignet verwendet, sogleich ein ganz anderes Ding wird, soll, wem es nicht schon bekannt ist, in Fol- sendem nachgewiesen werden:

Ich sah Asarum europaeum vor mehreren Jahren zuerst und, wenn es nieht an anderen Orten meinen Beobachtungen entgangen ist, auch allein auf der Pfauen-Insel bei Potsdam angewandt und war sogleich von seiner Anwendung als Einfassung einer, mit verschiedenen immergrünen und perennirenden Pflanzen und von seinem zur Schau getragenen Charakter so angesprochen, dass ich mir vornahm, wegen seines etwaigen Vor- handenseins in den hiesigen Wäldern zu recognoseiren, wo ich denn auch bald eine reiche Ausbeute zu finden das Glück hatte. Da ich um die- selbe Zeit auch mit der Anlage eines neuen, isolirten Platzes an einer schattigen Stelle im hiesigen Park beschäftigt war, auf welchem Farren- kräuter, Immergrün, Epheu ete. in Anwendung kamen, so war mir der gesuchte Fund als weiteres Material doppelt erwünscht. Während nun in dieser Anlage den Mittelpunkt eines fast kreisrunden Rasenplatzes ein alter, knorriger, todter Eichenstamm, berankt mit wildem Wein, Epheu ete,, bildet, der an seinem Fusse zugleich mit üppigen Aspidien umgeben ist, liegen um denselben in strahlenförmiger, schwach abgedachter Ausbreitung regelmässige Beetformen, die in abwechselnder Reihenfolge buntes Immer- grün und gewöhnlicher Epheu bedecken. In einiger Entfernung zieht sich nun jetzt um diese Gruppirung, frei im Rasen, eine Bordüre von Asarum europaeum, die, mit den innerhalb liegenden Epheu- etc. Beeten correspondirend, wiederum kleine Kreise bildet, in welchen Farrenkräuter einzeln plaeirt sind. Der Erfolg dieser Asarum-Anpflanzung war ein über- raschender! Die höchst spärlich mit Blättern versehenen, dem Walde entnommenen dünnen Ranken entwickelten schon im ersten Jahre eine solche Blätterfülle, die nichts zu wünschen übrig liess, und stellt diese Bordüre seitdem einen schönen, regelmässig gerundeten, glänzend dunkel immergrünen Kranz dar, in welchem die zierlichen hellgrünen Aspidien sich effeetvoll abheben. Ich halte hiernach diese Pflanze für eben so

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eulturwürdig wie Epheu und Immergrün, mit welchen sie in wildem Zu- stande oft gemeinsam auftritt.

Unter den Ericineen ist Andromeda polifolia in hiesigen Wäldern oft vertreten und für Moorbeete in schattigen Stellen künstlicher Anlagen, sowie auch für Topfeultur als eine recht nette, nicht schwer zu cul- tivirende Pflanze sehr beachtenswerth. Dagegen setzten die hier eben- falls viel vertretenen schönen Pyrola-Arten einer künstlichen Cultur bisher zähen Widerstand entgegen und bestätigten auch mir, was vielfach schon bekannt ist.

Endlich mache ich noch auf ein Gehölz aufmerksam, welches zu all- gemein bekannt ist, als dass es eines Signalements für dasselbe bedürfte, Wer kennt nicht den gemeinen Wachholder, Juniperus communis? Bald sieht man seine Früchte für offieinelle Zwecke, bald sein Geäst zur Fleischräucherei, bald als Schutzmittel gegen diverse Gartenfeinde, Mäuse ete., vielleicht auch wohl gegen Hasen (womit es jedoch sein gefährliches „Aber“ hat) verwenden. Im Allgemeinen jedoch gilt diese Pflanze als ein werthloses Unkraut, während: sie in der That zum Theil ein sehr schätzbares Material in der ästhetischen Gartencultur liefert. Wer eine Ahnung oder schon die Ueberzeugung davon hat, welch prächtige Pyra- miden von Juniperus communis sich ziehen lassen, welche an schlankem Wuchs und Regelmässigkeit keiner ächten Cypresse nachstehen, wird diese gemeine Pflanze nicht mehr mit Geringschätzung ansehen. Freilich tragen die gemeinen Wachholder nieht durchweg den ornamentalen Cha- rakter von Haus aus an sich, was zum Theil im Naturell dieser Species selbst, zum Theil auch in der häufigen Nachstellung für oben angedeutete Zwecke, sowie in Folge ihrer Vertretung auf dem Hasen - Speisezettel seinen Grund hat. In Bezug auf ersteren Grund will es scheinen, als ob besonders die männlichen Exemplare zur Pyramidenbildung neigten, indess habe ich auch oft schon beerentragende prächtige Pyramiden darunter bemerkt. Jedenfalls muss man bei der Auswahl nur solche Exemplare nehmen, die den gewünschten Charakter an sich erkennen lassen, was bei noch jugendlichen Individuen schon der Fall ist, und möglichst junge Exemplare zu Anpflanzungen zu wählen, ist im Interesse eines sicheren Anwachsens sehr rathsam. Grössere Exemplare würden hierzu Ballen- pflanzung nöthig, als meist Bewohner sterilen Sandes aber nicht zulässi

machen. In hiesigen Wäldern findet man Pyramidenwachholder zum Theil in

Menge, und wer die vor ca. 12 Jahren in den hiesigen Anlagen ange- pflanzten Exemplare zu sehen Gelegenheit hatte oder noch haben sollte, wird erkennen, welch reichen ornamentalen Werth dieses gemeine Gehölz für Landschafts-, Zier- und Hausgärtnerei hat. Wer demnach zum ersten Male sich veranlasst finden sollte, Anwendung von diesem Werthe zu machen, der vergesse nicht, die ausgewählten Pflänzlinge während des

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Winters gegen Hasen zu schützen, wenn diesen überhaupt der Weg dazu offen stehen sollte.

Ohne Zweifel giebt es noch so manches schöne Gewächs in unserer heimathlichen Flora, dessen decorativer Werth für die Gartenculturen nicht genug geschätzt wird, und es wäre erwünscht, wenn auch andere In- teressenten sich geneigt finden möchten, auf Dies oder Jenes in diesem Genre ihnen Vorgekommenes oder noch Vorkommende aufmerksam zu machen. Da ich nur die mir zunächst liegenden Gewächse dieser Art zu besprechen, mir zur Aufgabe gestellt hatte, so will ich dieselbe als hiermit erfüllt betrachten.

Zur Decoration von Rasen-Parterres. Von Obergärtner A. Schütz in Wettendorf (Ungarn).

Gut decorirte Rasenplätze gehören wohl zu den schönsten Zierden unserer Gärten und ist ohne Zweifel keine Mühe zu scheuen, um deren lieblichen, dem Auge so wohlthuenden Reiz in jeder möglichen Weise zu heben.

Bevor ich auf die Abwechselung, welche in der Bepflanzung von Rasenplätzen anzuwenden ist, eingehe, will ich einige Worte über die mir erforderlich scheinende Bodenbewegung sagen. Allerdings besitzt ein ebener Rasenplatz auch seine Schönheit, dennoch aber sollte ein solcher, wo es sich nur irgend thun lässt, zu einer sanft welligen Fläche umgestaltet werden. Wenn es hierbei auch Sache des Geschmackes ist, wo Erhöhungen und Senkungen angebracht werden, und sich hierüber eigentlich keine festen Regeln aufstellen lassen, so sollten doch die Er- höhungen nur dort angebracht werden, wo einzelne grosse Bäume, Baum- oder Strauchgruppen passende Anhaltspunkte dafür darbieten, von hier aus mögen die Senkungen sich dann anschliessen und sanft in der Fläche verlaufen.

Ich gehe nun zur Bepflanzung auf diese Weise gestalteter Rasen- plätze über und beginne mit der Hügelform. Mehr oder minder wird nach dem Vorhergesagten die Erhöhung sich im Schatten befinden, und da ein guter Rasen an solchen Stellen sich überhaupt nur schwer herstellen lassen wird, so empfiehlt sich hier besonders eine Pflanzung von Immergrün, Epheu und dergleichen. Gefällig wird und ein natürliches Aussehen er- hält die Form dadurch, dass man die Rasenfläche in tiefen abgerundeten Einsehnitten in den von Immergrün und Epheu gebildeten Teppich hinein- zieht und herausfünrt. Minder schattige Stellen lassen sich sehr vortheil- haft mit. Lonicera brachypoda fol. var, und Vinca major fol. var. bepflanzen,

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nur muss Erstere entweder niedergehackt oder durch den Schnitt kurz gehalten, und das Ganze durch eine sanft gebogene Raseneinschliessung umrahmt werden. Zu bemerken wäre hierbei, dass derartige Bepflanzungen einen allzu kleinen Raum nicht einnehmen dürfen, da dieselben in ihrer günstigen Wirkung sonst dem Auge verloren gehen. Ungemein ver- schönert werden solche Partien und zu lieblichen Scenerien umgeschaffen, wenn in diesen dunklen Teppich Farrenkräuter des freien Landes und Yucca filamentosa in kleinen Gruppen gepflanzt werden; geeignete For- men hierzu sind z. B. Strutiopteris germanica und Osmunda regalis.

Die etwas tiefer liegenden Flächen bepflanzt man am vortheilhaftesten mit Zwerg-Coniferen, als: Thuja und Biota aurea, Abies excelsa nana und compacta, Retinospora ericoides, Cupressus Lawsoni, ‚Juniperus hybernica und oxicedrus und Buxus arborea und Mahonien, welche tbeils einzeln, theils in gemischter Gruppenform auftreten können und deren Untergrund theils aus Epheu und Immergrün, theils aus Rasen gebildet ist. In nächster Nähe der Zwerg-Coniferen und zwischen dieselben vertheilt nehmen niedrige Stauden sich sehr vortheilhaft aus, wenn sie in kleinen Partien oder einzeln angebracht wurden. Am geeignetsten hierzu sind: Anemone coronaria, Pulmonaria virginica und angustifolia, die verschiedenen Heleborus- Arten, Spiraea ulmaria und Humboldti, Gypsophila paniculata und Cyelamen europaeum.

Aber auch die gänzlich freie Rasenfläche kann durch eingelegte Zwiebeln oder Knollen zu verschiedenen Zeiten, vom Frühjahr bis in den Herbst, einen sehr angenehmen Eindruck hervorbringen, wenn auf derselben zerstreut oder wieder dichter vereint die verschiedenfarbigen Crocus, Tulpen, Cyelamen, Colchicum autumnale eingegraben werden. Die Auswahl soleher Pflanzen zu derartiger Ausschmückung ist so gross. dass man nie in Verlegenheit sein wird, auf dem grünen Untergrunde einige liebliche Kinder Flora’s in Blüthe zu haben, und zwar ohne viele Kosten, Zeitaufwand und Mühe.

Dass man in einer Anlage nicht geradezu jeden Rasenplatz auf diese Weise herstellen darf, ist wohl selbstverständlich; eine grössere Fläche dafür dürfte sich aber wohl in den meisten, besonders ländlichen Gärten finden, um einen angenehmen Contrast hervorzubringen, und da sollte es nie verabsäumt werden, den Rasenplatz in der angegebenen Weise zu verschönern, um so weniger, als die darauf verwendete geringe Mühe dankbaren Lohn in dem reizenden Anblick finden wird.

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Einige interessante Laubbäume im Park von Laasan.

Von Kunstgärtner Frieckinger in Laasan.

In Nachfolgendem will ich auf einige alte Laubbäume aufmerksam machen, welche dem hiesigen Park zu grosser Zierde gereichen und wohl als Seltenheiten anzusehen sind.

Zu diesen Bäumen zählen mächtige, uralte Stämme der ächten Gold- weide, Salix vitelliana, welche, so weit mir-bekannt ist, in unserer Provinz etwa nur in dem Park von Kunzendorf bei Glatz einige Rivalen finden dürften. In recht auffallender Weise geben diese Bäume Zeugniss dafür, welchen hohen Werth diese schnell wachsende Weidenart für die Land- schafts-Gärtnerei hat, wenn sie in ihrer natürlichen Form als Hochstamm herangezogen und als soleher durch Abästungen nicht verstümmelt wird. Solche uralte majestätische Bäume, wie die im hiesigen Park, gewähren selbst noch dann, wenn die im Laufe langer Jahre über sie herein- gebrochenen Stürme und Wetter sie zu Rninen machten, einen imposanten Anblick.

Seit einiger Zeit cultivirt man verschiedene neuere Weidensorten, unter diesen besonders auch solche mit hängenden Zweigen, und un- zweifelhaft sind mehrere derselben auch gut verwendbare Schmuckbäume, ob sie aber ein hohes Alter, eine imponirende Grösse erreichen werden, das muss die Zukunft erst lehren. Uebrigens wird die Cultur der Weiden, wie zur Genüge bekannt ist, im Allgemeinen in einer Art und Weise be- trieben, bei welcher von Ausbildung und Schönheit des Baumes die Rede nicht sein kann, mag sie jedoch, aber nur da, wo sie einen hohen Nutzungswerth ergiebt, beibehalten werden.

Andere, in der Landschaftsgärtnerei viel zu wenig berücksichtigte Bäume sind: Juglans cinerea und nigra. Im hiesigen Park existiren acht, sowohl durch Blatt als durch Frucht genau unterscheidbare Abarten der- selben, welche in Habitus und Blattform prachtvoll sind; sie sind sämmt- lich härter als Juglans regia, daher dem Erfrieren nicht so leicht aus- gesetzt, doch sind ihre Früchte nicht so werthvoll als diejenigen der letz- teren Art, weil ihr Kern zwar auch geniessbar, jedoch von einer äusserst harten inneren Schale umgeben ist. Deshalb sind diese Bäume auch mehr ‚als Schmuckbäume, im Besonderen isolirt stehend, zu betrachten.

Ferner befindet sich im hiesigen Park ein alter, sehr starker Stamm der Robinia pseudacacia, welcher sich alljährlich mit prächtiger goldgelber Belaubung bekleidet. Mir schien derselbe günstige Gelegenheit zur Ver- mehrung und Verbreitung dieser Spielart zu bieten; ich habe deshalb mehrere Jahre hintereinander mit derselben junge Stämmchen veredelt, jedoch leider den gewünschten Zweck nie erreicht, denn stets zeigten

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diese Veredelungen bei der Entwickelung der Blätter an diesen nur die Laubfärbung der gewöhnlichen Robinia pseudacacia. Demnach vermuthe ich, dass die goldgelbe Blattfärbung dieses alten, sonst kräftigen und an- scheinend ganz gesunden Stammes doch nur auf einem krankhaften Zu- stande beruht, oder seinem Standorte, resp. Bodenverhältnisse zuzu- schreiben ist. .

Zu bemerken sei mir noch gestattet, dass ich von Salix vitelliana, der ächten Goldweide, seit einigen Jahren prächtige, schönwüchsige Bäumchen aus Stecklingen erziehe und deren einige hundert Stück zu billigen Preisen abgeben kann. Die Früchte der Varietäten von Juglans cinerea und nigra sammle ich im Herbst und bringe sie sofort auf ein gut bereitetes Beet; im nächsten Frühjahr geht ein grosser Theil derselben auf, viele anscheinend vollständig reife Früchte keimen aber gar nicht. Im dritten Jahre entnehme ich die Sämlinge dem Saatbeet und verpflanze sie, nachdem die langen kräftigen Pfahlwurzeln auf die Hälfte zurück- gestutzt wurden. Auch unter den zu kräftigen Bäumchen heran- gewachsenen Sämlingen lassen sich die verschiedenen Varietäten durch Blatt und Rinde genau unterscheiden, und habe ich auch hiervon Stämme abgebbar.

Die Cultur der Ismene calathina Hb.

Von Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau in Breslau.

Die bekanntlich zu der Familie Amaryllideae (Narcisseae) gehörende Gattung Ismene ist trotz der Grösse, Schönheit und des Wohlgeruches der Blüthen ihrer verschiedenen Arten noch sehr wenig in den Gärten verbreitet. Die Ursache liegt wahrscheinlich darin, dass ihre Cultur viel- leicht hin und wieder nur versucht, aber nach mehrjährigem Fehlschlagen als undankbar unterlassen worden ist. Auch mir ist es ähnlich gegangen; ich habe die Ismenen in Töpfen und auch im freien Lande verschiedent- lich behandelt, aber keine Blüthe zu sehen bekommen. Schliesslich ist mir dies doch gelungen und habe ich gefunden, dass ihre Cultur die ein- fachste von der Welt ist. Hier kurz das Resultat meiner Beobachtungen.

Im Mai habe ich die Zwiebeln, starke, wie auch Brutzwiebeln, ins freie Land gepflanzt, auf ein gut gedüngtes, sonst aber nicht besonders vorbereitetes Beet, 2 bis 3 Zoll auseinander, habe sie den Sommer hin- durch von Unkraut reingehalten und einige Male behackt. Im Herbst nach Eintritt der Fröste, etwa im Anfang des October, nahm ich die Zwiebeln aus der Erde und legte sie trocken. Im December habe ich sie in ein Säckchen gelegt und dasselbe in der Stube in der Nühe des

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Ofens aufgehängt und dort den ganzen Winter hindurch hängen lassen, indem ich die Zwiebeln nur einmal im Januar aus dem Säckchen aus- sehüttete und das dürre Laub und die trockenen Wurzeln abputzte; Ende April habe ich dann die Zwiebeln untersucht. Dies ist die Zeit, wo die blühbaren Zwiebeln die Blüthenschäfte bringen. Dieselben kommen ganz wie bei Amaryllis formosissima, deren allgemein bekannte Cultur der von mir bei den Ismenen angewendeten völlig gleicht, an der Seite der Zwie- beln hervor.

Die mit Blüthenschäften versehenen Zwiebeln habe ich in Töpfe in gute Erde, Laub- oder Dünger- oder Compost-Erde, wie ich sie gerade bei der Hand hatte, gepflanzt und in einen Mistbeetkasten unter Fenster gestellt, wo sie schnell Wurzeln machten und die Blüthenschäfte sich kräftig entwickelten. Zugleich mit dem Blüthenschaft wuchsen die linearischen, riemenförmigen, denen einer Amaryllis ähnlichen, hellgrünen Blätter aus der Zwiebel hervor. Der Blüthenschaft streckte sich bis zu einer Höhe von 1", bis 2 Fuss und brachte an seiner Spitze 1 bis 2 nickende, 3 Zoll im Durchmesser grosse, einer Nareisse ähnliche Blüthen mit grünlichem Aussenkelch und weissem, 3 Zoll langem, am Rande wellenförmig krausem Nectarium. Die Blüthe duftete stark und wunder- voll wie Orangeblüthe; auch mit dem Duft der 'Tuberosen ist ihr Geruch zu vergleichen. Die Dauer der einzelnen Blüthe erstreekt sich auf 1 bis 2 Wochen, je nach dem sonnigen oder schattigen Standorte. Eben so normal entwickeln sich die Blüthenschäfte, wenn man die blühbaren Zwiebeln direct ins freie Land legt. Nach der Blüthe habe ich die Zwiebeln bis zum Herbst ins freie Land gepflanzt. Die nicht blühenden Zwiebeln, sowie. die Brut, deren jede Zwiebel reichlich ansetzt und die ich natürlich von jeder Zwiebel losnahm, habe ich dann in der Anfangs beschriebenen Weise ins Land gelegt.

Ich habe meine Versuche nur mit Ismene calathina gemacht, bin aber überzeugt, dass die beschriebene Behandlungsart auch bei den anderen Arten (undulata, amancaes u. s. w.) zum gewünschten Ziele führt.

Da bei den Ismenen, wie bei allen Zwiebelpflanzen ohne Ausnahme, die Erzielung einer blühbaren Zwiebel die Hauptschwierigkeit ist, und bei nur einigermassen vernünftiger Behandlung der vorgebildete Blüthenschaft sich leieht normal entwickelt, so glaube ich, dass die blühbaren Ismenen- Zwiebeln nach dem Einpflanzen in Töpfe, in Ermangelung eines Mist- beetes, auch in der Stube vollkommen entwickelte Blüthenschäfte bringen würden. Hieraus ergiebt sich, dass die Ismenen-Cultur sich für jeden Blumenliebhaber eignet, der nur über ein Stückchen Gartenland verfügen kann, dieselbe also passend erscheint für die weiteste Verbreitung.

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Einiges zur Cultur der Rosen. Von Kunst- und Handelsgärtner R. Riedel in Löwenberg.

Wohl jeder Gärtner oder Blumenfreund hegt besondere Vorliebe für eine oder einige Pflanzengattungen, widmet ihnen daher mehr Pflege und Aufmerksamkeit als anderen und gewinnt somit auch mehr Erfahrungen in deren verschiedenen Culturweisen, von denen er dann die ihm nach den ihm zu Gebote stehenden Verhältnissen am geeignetsten erscheinenden zu dauernder Anwendung bringt und damit sich in den Stand gesetzt findet, in solchen Special-Oulturen auch Besseres zu leisten. Solche Vor- liebe wendete ich schon längst und u. A. auch der Cultur der Rosen zu und will ich mir erlauben, aus meinen in derselben gemachten Erfahrungen hier einige Bemerkungen zu machen, um damit vielleicht auch anderen Rosenfreunden nützlich zu werden.

Rosen verlangen zu gutem Gedeihen eine unbedingt freie, gegen starke Winde geschützte Lage, lockeren, aber nahrhaften und tiefgründigen Boden. Hat man diesen nicht, so bereite man sich denselben durch Rigolen und Beimischung von sandig-kiesigem Boden, Lehm- oder Schlamm-, auch fetter Rasenerde; schweren und festen Boden mische man vor- züglich mit Sand, Holzschutt, Sägespänen, auch Asche und Holzkohlen- staub, letzterer trägt sehr viel zu feuriger Färbung der Rosen, besonders der dunkel blühenden Sorten, bei.

Das Pflanzen der Rosen geschieht, besonders in leichterem Boden, am vortheilhaftesten im Herbst, es hat ein reicheres Blühen und schönere, vollkommenere Blumen zur Folge als die Frühjahrspflanzung, weil bei letzterer in unserem Klima der Baum oder Strauch bis zur Blüthezeit nicht genügende Zeit hat anzuwurzeln, resp. junge Wurzeln zu schlagen, welche die nöthige Saftzuführung bewirken; daher bei der Frühjahrs- pflanzung auch die häufigen Klagen wegen schlechten Blühens. Im Herbst gepflanzte Rosen, auf die weiterhin angegebene Weise gegen die winter- lichen Unbilden geschützt, werden jeden Rosenfreund befriedigen. Nur in schwerem, lehmigen Boden können Rosen auch im Frühjahr gepflanzt werden. Rosen, welche durch langen Transport oder wegen nachlässiger Verpackung vertrocknet sind, dürfen in diesem Zustande, welcher sich durch die eingeschrumpfte Rinde bemerkbar macht, nicht eingepflanzt werden. Man vergrabe die Bäume oder Sträucher vielmehr mit Krone und Wurzel während 6 bis 8 Tagen an einem schattigen Orte ganz und sar in Erde, sie werden dann ihre Frische wieder erlangt haben und können nun, am liebsten bei trüber Witterung, gepflanzt werden; besteht solehe zu dieser Zeit nicht, so hülle man die Stämmchen auf die nach- folgend angegebene Weise in Moos, welches so lange zuweilen ange-

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feuchtet wird, bis das Bäumchen lustig in Krone treibt, alsdann ist das Moos zu entfernen. Findet man, dass die Rosen sich zu langsam be- wurzein, also nach dem Pflanzen im Wachsthum zurückbleiben, was eben am öftersten bei der Frühjahrspflanzung der Fall ist, so empfiehlt es sich, solehe Stämmcehen von der Erdoberfläche bis zur Krone ganz in Moos einzubinden, die Veredelungsstelle aber davon frei zu halten.

Zur Düngung verwende ich Stalldünger, auch Knochenmehl und Hornspäne; selbst Guano, Gülle und Kloakendünger können Anwendung finden, jedoch letztere Arten nur in flüssigem Zustande, sehr mit Wasser verdünnt und äusserst vorsichtig bei nur trüber, am besten regnerischer Witterung. Bei trockener Witterung darf nicht versäumt werden, die Rosen fleissig und reichlich mit Wasser zu versehen, auch bisweilen die Erde zu lockern, damit Luft und Thau auf die Wurzeln einwirken können und ein Versauern des Bodens verhütet wird; regelmässiges Feuchthalten des Bodens ist unbedingt nothwendig, und ist Wasser nicht genügend vorhanden, so thut man wohl, den Wurzelstock seiner Rosen mit kurzem Dünger oder Moos zu belegen, um die Erdfeuchtigkeit länger zu erhalten.

Ueber den Schnitt der Rosen im Allgemeinen sei hier nur Fol- sendes gesagt: Das Beschneiden ist unter allen bei der Rosencultur vor- kommenden Arbeiten eine der wichtigsten, zugleich aber auch, weil haupt- sächlich nur auf Erfahrung begründet, besonders für den Laien schwierige. Starkwüchsige Sorten, als z. B. Gloir de Dijon, Marechal Niel, Solfatare, ‚Chromatella etc., schneide man weniger und beachte dabei nur die ge- wünschte Form. Um diese Sorten zu reichlichem Blühen zu bringen, kneipe man im Sommer, wenn die Triebe fusslang und länger sind, die zarten Spitzen derselben ein, es werden sich dann bald am Ende des abgekneipten Triebes neue Triebe bilden, welche dann auch bald wieder Blumen bringen. Diese Methode bewährte sich nach meiner Erfahrung ganz besonders bei der Rose ‚‚Marechal Niel“, über welche wegen mangel- haften Blühens allgemeine Klage herrscht; durch diese Methode zwang ich sie zu nicht nur fleissigem, sondern überfülltem Blühen. Die Persian Yellow verlangt, sowie alle Pimpinellrosen, zum Blühen gar keinen Schnitt, er ist nur nach der Blüthe auszuführen, um der Krone oder dem Strauche eine gute Form zu geben und bilden sich dann im Laufe des Sommers noch kräftige Triebe, welche im nächsten Jahre guten Flor geben. (Pim- pinell- und Damascener Rosen blühen zeitig) Langen Schnitt ver- langen fast sämmtliche Hybriden zur Entwickelung reichen Flors, d.h. man verkürzt die Triebe bis auf 6 bis 15 Augen und schneidet alles schlechte, überflüssige Holz heraus, wozu man sich am besten einer Rosenscheere bedient, da ein Ausschneiden starker Kronen mit dem Messer nicht mög- lieh ist. Kurzen Schnitt verlangen alle Remontant-, T'hee- und Burbon- Rosen, d. h. man verkürzt die Triebe bis auf 2 bis 6 Augen. Die

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Form, welehe zu geben beabsichtigt wird, ist beim Schneiden der Rosen ganz besonders zu beachten; für Hochstämme ist die Kugelform, für niedrige Rosen mehr die ovale Form zu empfehlen. Niedrige Rosen treiben meist starke Schlotten, man entferne daher alljährlich alle schwachen und erschöpften abgeblühten Triebe und benutze hier zur ovalen Form die frischen kräftigsten Schlotten. Auch aus den runden Kronen hochstämmiger Rosen sind besonders die inneren schwächlichen, sowie solche Triebe, welche direct aus der Basis der Veredelungsstelle hervortreiben und übermässig kräftig erscheinen, aber- auch alle Triebe des Unterstammes, dessen Wurzelstockes und die Wurzelausläufer zu ent- fernen, da alle diese nur den ganzen Stamm schwächen. Bei rankenden Rosen, welche zu Pyramiden- und Säulenform, zur Bekleidung von Lauben, Verandas, Spalieren, Cordons ete. angewendet werden, hat sich der Schnitt lediglich nach Zweck und Form zu richten. Ein weiteres Eingehen auf den Schnitt der verschiedenen Sorten Rosen würde hier zu weit führen.

Dass die Vermehrung der Rosen, über welche ich mich hier auch nur oberflächlich aussprechen kann, auf mannigfach verschiedene Weisen erfolgt, ist ebenso bekannt als wie, dass man sich zur Anzucht von Wildlingen hauptsächlich der Samen der Rosa canına, zur Anzucht neuer Spielarten desjenigen der besten, edelsten Gartenrosen bedient, und dass Letzteres nicht mehr den Franzosen allein überlassen ist, son- dern auch in Deutschland erfolgreiche Nacheiferung gefunden hat. Am gebräuchlichsten für die Vermehrung hochstämmiger Rosen ist das Oeuliren, Copuliren, Pfropfen, Anplattiren und Trianguliren. Erstere Methode ist im Freien in der Zeit von Anfang Juli bis Ende September anzuwenden, die letzteren Methoden dagegen nur während des Winters im temperirten Gewächshause; für diese werden die Wildlinge im Herbst in Töpfe gepflanzt oder deren Wurzelballen in Moos emballirt, in ein temperirtes Haus gebracht, zu derselben Zeit die benöthigten Edelreiser geschnitten und dieselben bis zur Veredelungszeit, welche im Januar be- ginnt, wo die Wildlinge schon in Saft zu treten pflegen, in einer frost- freien Grube oder Kasten aufbewahrt. Für die Vermehrung niedriger Rosen, d. h. solcher, welche die Busch- oder Strauchform erhalten sollen, wird in neuerer Zeit zuweilen die Veredelung auf den Wurzelhals des Wildlings angewendet, am gebräuchlichsten ist jedoch deren Anzucht aus Stecklingen; es kann dieselbe zwar ziemlich zu jeder, am besten aber in der Zeit von Juni bis in den September vorgenommen werden; zum Steckling ist frisch getriebenes, jedoch gereiftes Holz zu wählen, das auf 2 bis 3 Augen geschnitten, in sandige Erde oder nur in Sand in Töpfe oder Kästen gesteckt, ins Mistbeet genommen, bei Sonnenhitze beschattet und einige Male des Tages überbraust wird. Ein Weiteres über die ver- schiedenen Methoden der Veredelung und der Vermehrung durch Steck- linge, sowie durch Wurzelausläufer, Absenken und Wurzelschnittlinge und

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über die Cultur in Tööpfen, Treiberei ete. möge vorerst einem meiner Herren Collegen überlassen sein.

In Bezug auf die Bedeekung der Rosen als Schutz gegen Frost sei nur noch erwähnt, dass besonders der letztverflossene harte Winter aufs Neue lehrte, wie rathsam es sei, jede Rose für den Winter gut zu verpacken, weil damals Rosensorten erfroren sind, welche zeither jedem Froste trotzten. In vielen solehen Fällen war allerdings bei Hochstämmen die Unterlage erfroren, welche zärtlicher war als die darauf veredelte Rose; es zeigt dies aber auch, wie nothwendig es ist, dem Wildlings- stämmehen einen winterlichen Schutz zu gewähren. An frostfreien Tagen des Spätherbstes biege ich meine sämmtlichen hochstämmigen Rosen mit der Krone behutsam zur Erde und zwar alljährlich nach derselben Seite, wodurch sich selbst die stärksten Stämme an das Umbiegen gewöhnen und nur durch Unvorsichtigkeit oder auch in Folge schadhafter Biegungs- stellen brechen. In dieser Lage lasse ich die Stämmchen bis starke Fröste eintreten und verwerfe dann Krone und Stamm mit Erde, Sand, Holz- schutt, Fichtennadeln etc., mit letzteren besonders die zarten Thheerosen. Zeitiges Verwerfen resp. Eingraben der Rosenbäume verweichelt dieselben, im Herbst gut abgehärtet, gewöhnen sie sich gut an. strenge Winter. Lassen Rosenbäume ihres Standortes auf Rasenflächen etc. wegen sich nicht ganz in die Erde vergraben, oder die Stämmchen lassen sich nicht genügend zur Erde niederbeugen, so dass sie hohe Bügel machen, so verschütte man wenigstens die Krone mit Erde, welche im zeitigen Früh- jahr wieder zu entfernen ist, und bedecke den Bügel oder Unterstamm gut mit Fichten- oder Tannenreisern, damit die Sonnenstrahlen den Stamnı nieht glötzlich aufthauen; auf die angegebene Weise geschützt, halten Rosen die stärksten Kältegrade aus. Thea-, Noisette- und Bourbon-Rosen sind besonders gut, namentlich an der Veredelungsstelle, zu bedecken. Die Verpackung in Stroh ist durchaus zu verwerfen, dieser und überhaupt nachlässiger Verpackungsweise haben die meisten Besitzer von Rosen die erleidenden Verluste durch Frost nur allein zuzuschreiben.

Schliesslieh möge mir noch zu erwähnen gestattet sein, dass mein sehr bedeutendes Rosen-Sortiment nach dem wie vorstehend angegebenen Culturverfahren behandelt, bei grösseren Ausstellungen zu wiederholten Malen ‚der Prämiirung gewürdigt wurde und dass es mir Freude und Ehre sein würde, dasselbe zur Zeit des Flors von Rosenfreunden besichtigt zu sehen.

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Beobachtungen bei der Treiberei der Maiblume (Convallaria majalis).

Von Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentazitz.

Mit einer sehr bedeutenden Anzahl verschiedener Blumenzwiebeln verschrieb ich mir von den Herren Krelage & So. in Harlem auch 500 Stück Maiblumenkeime. Statt dieser Anzahl erhielt ich 100 Stück etwa 4 Zoll im Quadrat starke Erdklumpen (Büschel genannt). Von diesen legte ich nun in der Mitte des October 5 Stück ins Treibbeet, während ich andere Büschel verkleinerte und in Töpfe pflanzte. Den Letzteren wurden die Wurzeln bis 1 Zoll lang abgeschnitten, um viele Keime in die kleinen Töpfe bringen zu können.

Nachdem nun beide Partieen unter gleicher Wärme und gleicher Be- handlung eine gleiche Entwickelung erwarten liessen, musste ich gewahren, dass die unverletzten Büschel sitzen blieben, während die von der Erde entblössten und beschnittenen Keime sich vollkommen entsprechend entwickelten. Nach dieser Wahrnehmung befreite ich nun mehrere der Büschel von der kostbaren holländischen Erde, beschnitt die Wurzeln wieder bis auf 1 Zoll und trieb solche, in verhältnissmässig grosse Töpfe gepflanzt, auf gewöhnliche Art und Weise an. Zu meiner Freude sah ich aus den Büscheln 15 bis 25 Blüthenstengel heraufschiessen, welche in ihren Blumen nichts zu wünschen lassen. Hieraus erhellt, dass Keime oder Büschel (eine schwer theilbare Masse von Keimen) sich nur leicht treiben, wenn ihnen die Wurzeln gehörig beschnitten werden.

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Die Herren Krelage, welche ich wegen dieser Sendung zur Rede gestellt und Vorwürfe gemacht hatte, versicherten, solche Büschel nach allen Ländern zu senden und stets Zufriedenheit erlangt zu haben, die ich denselben nun auch von mir aus gern bekunde, denn ich habe nicht nur weit mehr als 500 Keime erhalten, sondern auch den überraschenden Anblick dieser in solcher Menge blühenden Büschel gehabt.

Ist auch schon Vieles über das Treiben dieses lieblichen Blümechens geschrieben worden, so wollte ich doch diese meine Beobachtung nicht zurückhalten, damit sie Denen zur Anleitung diene, welche gleich mir noch nicht Gelegenheit hatten, diese Erfahrung zu machen.

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Ein Paar gärtnerische Miscellen. Von Apotheker Scholtz in Jutroschin.

a) Convolvulus tricolor fl. pl.

Seit Jahren bemüht, Convolvulus tricolor gefüllt zu erziehen, hatte ich hie und da, den Offerten Folge leistend, Samen kommen lassen, war jedoch stets unbefriedigt geblieben, da ich nur hohle Blumen erhielt. In diesem Jahre war unter der nochmals gemachten Aussaat eine Pflanze, an welcher thatsächlich sämmtliche Staubgefässe in Petalen übergegangen waren; sie war hellblau mit weissen Streifen, gut gefüllt und zierte ausser- ordentlich, einmal weil ihr Wuchs ein niedriger war, durchaus niedriger als bei der einfach blühenden Winde, sodann weil, wie man dies bei ge- füllten Blumen sehr häufig wahrnimmt, die Blüthen lange in Flor blieben und selbst in Betreff der Tageszeit nicht blos Vormittags, oder so lange die Sonne schien, sondern Tag und Nacht geöffnet blieben; jedenfalls grosse Vorzüge.

War meine Freude über die schöne Pflanze, welche jedem Beschauer gefiel, eine grosse, so wurde sie sehr herabgestimmt durch die Wahr- nehmung, dass sich Samenkapseln fast gar nicht ansetzten. Wohl musste ich wissen, dass eine Pflanze ohne Befruchtungsorgane auch Samen nicht produeiren kann; indessen war es ja doch wohl möglich, dass in einer oder der anderen Blüthe ein Staubgefäss und der Stempel vorhanden sein und so die Befruchtung vor sich gehen konnte, hatte ich Aehnliches doch schon bei vollen Pelargonien beobachtet. Aus diesem Grunde wurden der Pflanze fast gar keine Blüthen genommen und, um sie auf andere Weise zu erhalten, einstweilen Stecklinge gemacht, welche mir jedoch misslangen. Im September hielt ich strenge Rundschau nach Samenkapseln, von denen ich jedoch nur zwei Stück entdeckte. Die eine war braun und leer, die andere noch grün; ich öffnete letztere in der Voraus- setzung, dass Samen doch nicht darin enthalten sein würde, und dies war auch in der That der Fall, wohl aber fand ich darin eine vollständig entwickelte Miniaturpflanze im ersten Grade ihrer Entstehung, bestehend aus einem Wurzelehen und zwei Samenlappen, welche mir, scheinbar lose in der Kapsel liegend, leicht in die Hand fiel. Diese äusserst interessante Erscheinung war mir neu und nachdem ich das Pflänzchen im kalten Beete lose mit Erde bedeckt hatte, wurde mir die Freude, es sich weiter entwickeln zu sehen; später ins Zimmer genommen, erkrankte es und ist heute todt.

Wir haben hier mit einer ähnlichen Erscheinung zu thun, wie sie bei manchen Zwiebelgewächsen vorkommt, welche statt der Samen Zwiebelchen Knospen produeiren. Ich bin zu wenig Pflanzen-Physiologe, um

300 Jahres-Bericht

zu wissen, ob Aehnliches bei anderen Phanerogamen beobachtet worden ist; nur glaube ich, dass diese Erscheinung ganz geeignet ist, darüber nachzudenken, wie der Drang der Pflanze nach Fortpflanzung sn gross und stark, so überaus streng dem Pflanzenleben von den Urgesetzen der Natur vorgeschrieben ist, dass er sich schliesslich in so origineller Weise äussert,

b) Ein Beispiel von Bodenerschöpfung.

Nichts Neues ist es den Gärtnern und Pflanzenzüchtern, dass eine Pflanze den Boden mehr oder weniger aussaugt, nichts Neues, ja Allbe- kanntes, dass die Bohne mehr Kraft (wenn man sich so unwissenschaftlich ausdrücken darf) im Boden verzehrt als jede andere Leguminose. Die Gründe dafür dürften analytisch leicht nachweisbar sein, doch gehört dies nicht ın den Bereich meines Themas. Vielmehr mag in Betreff der ver- gleichenden Bodenausnutzung ein charakteristisches Beispiel vorgeführt sein.

Ich hatte im Frühjahre zwei nebeneinander liegende kleine Beete, eins mit Erbsen, eins mit Bohnen belegt. Nach dem ziemlich in gleiche Zeit fallenden Abernten wurden beide Beete umgegraben und später an ein und demselben Tage neu bepflanzt, und zwar erhielt das Erbsenbeet zwei Reihen Winter-Endivien und zwei Reihen chinesischen Rettig, das Bohnenbeet ebenfalls zwei Reihen Endivien und eben so viel Salat. Beide Beete waren seit einem Jahre nicht gedüngt, also zwei Sommer in Pro- duction.

Folgende Thatsachen sind die Erfolge dieses Versuches: Auf dem Erbsenbeete gedieh die Endivie ganz ausserordentlich, der Rettig so ziem- lieh; auf dem Bohnenbeete gedieh die Salat recht gut und gab kleine, aber zufriedenstellende Köpfe, hingegen war es unmöglich, die Endivie zu einem nur nennenswerthen Vorwärtskommen zu bringen; theils ver- hungerte sie, theils erreichte sie kaum den Umfang eines Speisetellers, während die bald daneben stehenden Pflanzen des Erbsenbeetes üppig wucherten. Alle Mühe, die schwindsüchtigen Pflanzen zu solcher Cultur zu bringen, dass sie zum Gebrauche geeignet gewesen wären, schlugen fehl.

Das Resum& dieses Versuches ist demnach, dass Endivie nach Bohnen nieht gedeiht, wohl aber nach Erbsen, dass also die Bohne mehr die Erde erschöpft als die Erbse, ferner: dass Endivie mehr Bodennahrung bean- sprucht als Salat, mithin also wiederum auch den Boden mehr aussaugt als letztere, und dass mithin diese, die Salat, immerhin nach Leguminosen noch mit Erfolg angebaut werden kann.

der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 301

Eine Schutzvorrichtung gegen Frost für niedrige Cordon- | Obstbäumchen.,

Von Hofgärtner W. Peicker in Rauden O/S.

Dass die Bäume nicht in ‘den Himmel wachsen, dafür hatten in ge- wissem Sinne auch die Winter 1869/70 und 1870/71 in barbarischer Weise ein gutes Theil der Sorge übernommen und erfüllt. Manche

nutzlose Jeremiade ist ec IIIIHIIIII {JUNE LILILN Fe

darüber erklungen, ich beabsichtige nicht, die- a selben noch durch eine weitere zu vermehren; aber einen Schutz will ich in nebenstehender Skizze vorführen und in Nachstehendem be- sprechen, den ich nun- mehr zu Gunsten eines Theiles von Pomonas Kindern anwende, um sie sowohl vor dem Gros solcher nordischen Feinde möglichst, wie gegen deren nicht min- der gefürchtete Nach- zügler jedenfalls zu sichern.

Man hat und kennt

für Spalierbäume an

Mauern und Wänden

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gegen Winter- und NR 0 hachnitte An cht.

Spätfröste; man findet auch für freistehende Spaliere und Formenbäume diese und jene Schutzmethode empfohlen, die auch wohl zum Theil für niedrige Cordons modifieirt oder nicht modifieirt sich verwenden liesse; ausschliesslich aber für letztere Obstbaumform ist mir eine praktikable Schutzineihode, als anderwärts angewendet oder

'/, der natürlichen Grösse,

302 Jahres-Bericht

empfohlen nicht bekannt, und doch will es mir scheinen, als ob niedrige Cordonbäumehen neben Mauerspalieren für eine möglichst aus- reichende Schutzvorrichtung am qualifieirtesten wären.

Genug, ich sah mich veranlasst, über eine solehe Vorrichtung, resp. über die Modifieation einer solchen nachzudenken und glaube eine recht zweckmässige gefunden zu haben. Einen wesentlichen Anhalt für meine Einriehtung fand ich in dem „Handbuch der Obstbaumzucht von J. Hartwig, Weimar 1860‘, was daselbst Seite 23 und 24 über „Schirm und Schutz- dächer‘‘ gesagt ist.

Wie die Skizze zeigt, lasse ich auf die Standpfähle A, welche den Drathzug (a Stelle desselben) einer niedrigen Cordon-Anpflanzung halten, jedoch mindestens 6 Zoll über diesen emporragen müssen, 9 Zoll lange und 3 Zoll hohe Lattenstücke (b) befestigen und an beiden Hirnenden derselben je einen Haken, der sich auch durch einen entkopften, ent- sprechend langen, krummgebogenen Drathnagel einfach herstellen lässt, anbringen. Während nun diese Lattenstücke als Unterlage für auf- zulegende 12 Zoll breite gewöhnliche Bretter (c) dienen, haben die ein- geschlagenen Haken den Zweck, die Stangen (ee) in den eigens dafür construirten Strohdecken (dd) zu halten.

Die Herstellungsweise solcher Strohdecken ist folgende: Auf einem 9 Fuss langen und 2 Fuss breiten, aus Dachlatten hergestellten Rahmen wird an beiden Enden der einen Längsseite je ein langer Nagel ein- geschlagen und in einem ca. 2 Zoll hohen Abstande vom Holze nach Aussen hakenförmig oder besser ringförmig krummgebogen. Ungefähr 5 Zoll davon entfernt wird in jedes Querrahmstück ein fingerdicker höl- zerner Stift für eine Flechtschnur angebracht. Nachdem die Flechtschnur angespannt und in die krumm- resp. ringförmig gebogenen Nägel ein der Länge des Rahmens gleichkommendes Stück gut entästeter Bohnenstange von ca. 1 Zoll mittlerem Durchmesser so eingelegt ist, dass zwischen Rahmen und Stange ein Zwischenraum von ungefähr 2 Zoll bleibt, wird das Langstroh bündelweise mit dem Aehrentheile durch diesen Zwischen- raum hindurch gesteckt, über die Stange herüber auf die Flechtschnur sebogen und daselbst mit dem darauf liegenden anderen Strohtheile in bekannter Weise mit Bindfaden verflochten. Ist hiernach die der ein- getlochtenen Stange entgegengesetzte Seite der Strohdecke gradlinig ge- stutzt, so hat man das gewünschte Product fertig vor sich. ‚Diese An- fertigungsweise geht ziemlich schnell von statten und der Verbrauch von Stroh und Bindmaterial ist nicht bedeutend. Die Art der Verwendung dieser Decken wurde weiter oben bereits vorübergehend berührt, es erübrigt indess, darüber noch Einiges zu sagen.

Sind die Decken mit den Enden der Stangen in die Hakaı des auf den Pfählen befestigten Lattenstückes eingehangen, so können dieselben während der ganzen Periode der Schutzbedürftigkeit der Bäumchen un-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. (330)

berührt hängen bleiben, weil das nöthige Licht und Luft zu jeder be- liebigen Zeit durch Abheben des aufgelegten Brettes gegeben werden kann. In der auf allgemeiner Erfahrung beruhenden Voraussetzung, dass ungewöhnlich hohen Kältegraden in der Regel stärkerer Schneefall voran- gegangen ist, glaubte ich im Interesse einer besseren Conservirung der Decken dieselben so anfertigen, resp. aufhängen zu können, dass sie mit dem herabhängenden Theile dem Boden um ungefähr 2 Zoll fern bleiben, da diesen kleinen Zwischenraum unter obiger Voraussetzung der Schnee ausfüllen würde, während ohne eine solche Schneelage für die Bäumehen keine gefahrdrohende Kälte eintreten dürfte. Der etwa nachtheiligen Einwirkung des Windes auf die Decken ist durch vorzusteckende Stäbe leicht vorzubeugen. Da die den Drathzug haltenden Standpfähle in der Regel in grösserem Abstande vertheilt sind, als z.B. 9 Fuss lange Decken reichen, längere Decken anzufertigen aber im Interesse ihrer Transpor- tabilität nicht räthblich erscheint, so ist es selbstverständlich, dass man in entsprechendem Abstande noch interimistische oder auch stabile Stützen für die Decken und Bretter anbringt, was jedenfalls nicht schwer ist und mancherlei Variationen in der Einfachheit zulässt.

Mit einer derartigen Bedeckungsmethode glaube ich das Möglichste erreicht zu haben, was die beireffenden Bäumchen sowohl gegen die Witterungseinflüsse strenger Winter, als auch gegen Spätfröste während der Blüthezeit, sowie endlich auch gegen mechanische Beschädigung durch die Bedeckungsmanipulation schützt. Wenn für eine zweckmässige Auf- bewahrung dieser Strohdecken während der Sommerzeit gesorgt wird, so dürften dieselben eine mehr- oder vieljährige Verwendbarkeit zulassen, da ihre Abnutzung durch die Anwendung eine geringe und ihre Trans- portabilität eine leichte ist; es würde dies den ohnehin verhältnissmässig nieht bedeutenden Kostenpunkt ihrer Anschaffung noch wesentlich ver- billigen.

Wenn man sich überhaupt genöthigt sieht, für derartige Schutzmittel bedacht sein zu müssen, so kommt einem neben vielem Anderen auch der Gedanke, ob es nicht zweckmässig wäre, bei dergleichen Obsteulturen die Bäumchen 4 bis 6 Zoll über dem Boden auf kleinen Hügeln oder Dämmen oder auch ebenem Boden, möglichst dicht gepflanzt, strahlen- oder eordonförmig so zu ziehen, dass sie gegen grosse Kälte von der Natur durch Schnee geschützt, oder überhaupt mit einem leicht zu be- schaffenden Material Laub, Sägespähne, Waldstreu, Tannenreisern ete. leicht bedeckt werden könnten. Von verschiedenen anderen Fragen und Erwägungen, welche bei solchen Betrachtungen ebenfalls nahe liegen, als z. B. Auswahl der Sorten, Bodenverhältniss, Rentabilität, will ich an dieser Stelle ganz absehen. Mit meinen Erörterungen möchte ich vielmehr die Aufmerksamkeit auf Etwas gelenkt haben, das, wenn es nicht viel- eicht dazu geeignet ist, da und dort Nutzen zu schaffen, iu diesem Punkte

304 h Jahres-Bericht

besser Unterrichteten mindestens Veranlassung sein möge, ihre Erfahrungen darüber an für das Gemeininteresse förderlichen Stellen gleichfalls zu veröffentlichen.

Nachträgliche Bemerkungen zum Schutz der Obstbäume etc. vor schädlichen Insecten. (Auszüglich.)

Von ©. Becker, erstem Lehrer der Bürger-Mädchenschule in Jüterbog.

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Alle Schmetterlinge sind im Raupenzustande schädlich, selbst der Seidenspinner (Bombix mori) in seinem Vaterlande. Die ersten Raupen in den Gärten vertilgt man Mitte März dadurch, dass man die grossen Raupennester abschneidet. Diese entstehen durch die Raupen des Gold- sehwanzes (Bombix chrysorrhoea, Flügel schneeweiss, die Spitze des Hinterleibes rostroth; die Raupen grauschwarz, roth geadert). Sie zer- fressen im Mai und Juni die Knospen und Blätter der Obstbäume, der verschiedensten Laubhölzer und Rosen. Die jungen Raupen bereiten sich im August eine Wohnung für den Winter an den zusammengesponnenen Zweigspitzen, die sie inwendig mit Seidenfäden ausfüttern und von aussen mit zahlreichen Seidenfäden umwickeln, woran sie leicht zu erkennen sind. Das Abschneiden der Nester kann von Mitte November bis Mitte März erfolgen. Am besten betheiligen sich dabei 2 Personen, der mit dem Gebrauch der Raupenscheere Vertraute und ein Kind, welehes die herab- gefallenen, zu vernichtenden Nester sorgfältig sammelt. Die gefrässigen Ringelraupen (von Bombix neustria), welche aus den schwer zu fin- _ denden, an den dünnen Zweigen der Obstbäume ringsum fest angeleimten Eiern kriechen, sammeln sich Anfangs Mai an den Zweigspitzen, später in Nestern in den Astgabeln in einem leicht zu erkennenden Gespinnst und können hier mit einem feuchten Lappen zerdrückt werden. Beide Raupenarten wandern. Deshalb bindet man Mitte Mai starke, geleimte Papierringe um die Bäume und bestreicht sie mit Brumata-Leim; diesen überkriechen die Raupen nicht, sondern sammeln: sich unterhalb der Ringe, wo sie leicht vernichtet werden können. Mit dem Brumata- Leim sind in gleicher Weise auch Ameisen z. B. von Orangeriebäumen abzuhalten.

In warmen, dunklen, regen- und windfreien Abenden des Juli und August fängt man viel den Gartengewächsen schädliche Nachtschmetter- linge und Motten im Garten, indem man einen Glaskasten, oder noch besser ein Einmacheglas von etwa 1 Fuss Durchmesser und entsprecheu- der Höhe innerlich und äusserlich mit Brumata-Leim überstreicht und

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der Schles. Gesellsch, £.;vaterl. Cultur. - 305

in die Mitte eine brennende Petroleum-Küchenlampe stellt. Morgens wird das Glas hereingeholt und in den Keller gestellt, damit die Tageshitze nicht austrocknend auf den Leim wirkt. Dies Verfahren gründet sich auf die Beobachtung, dass alle Nachtschmeiterlinge, Motten ete. dem Lichte zuflattern, Besitzt man ein Gewächshaus, bestreicht daran einzelne Glas- scheiben äusserlich und innerlich mit Brumata-Leim und stellt eine Lampe von Innen an die Scheiben, so wird man an warmen Sommerabenden ebenfalls viele schädliche Nachtfalter fangen. Das Glas lässt sich später durch einen mit Baumöl getränkten Lappen reinigen.”)

Gefülltes Bellidiastrum Muhelu Cass. "Von Apotheker Sauer in Cudowa.

Heute erscheine ich, wie ich glaube, mit einer nicht gauz uninteres- santen Neuigkeit. Wir wissen, wie weit ‘die Culiur es vermochte, die allbekannte Bellis perennis zu bedeutender Vollkommenheit zu bringen. Wir finden davon Blumen von seltener Grösse, Pflanzen mit panachirten Blättern und der Farbenspielarten in roth und in roth und weiss giebt es viele. Ich fand nun im vorigen Jahre eine angebliche Belüs perennis, welche alle jene, die ich bis jetzt sah, an Grösse weit übertraf. Ich ver- nahm von einem einfachen Manne, dass er sich nach und nach eine ziemliche Anzahl Zierpflanzen angeschafft, unter denen manches Neue zu finden sei. Bei einem Besuche desselben fand ich dies bestätigt und war verwundert, bei diesem schlichten Häusler so viel Verständniss von dem, was man neu und werthvoll in der Blumistik nennt, zu finden. In dessen Gärtchen traf ich denn u. a. auch die soeben. erwähnte Bells von auffallender Grösse, gefüllt blühend und rosafarben. Die schlanken Stiele von 20 bis 25 Cm. Länge trugen Blüthenköpfehen von der Grösse einer gut gefüllten Calendula offieinalis. Indess erkannte ich bald, dass es kein gewöhn- liches Massliebchen sei. Ich fand hier den Bellidiastrum Muhelu Cass.

Es ist für mich wenigstens interessant und neu, dass man diese Pflanze auch in die Cultur gezogen hat und sie als Bellis ausgiebt. Die Pflanzen-Cataloge kennen sie nicht. Ob der Gedanke, diesen Bellidiastrum

*) Was Herr Becker im Weiteren in diesem nachträglichen Berichte sagt, konnten wir nach den uns schon früher durch denselben gütig gemachten Mit- theilungen bereits in unseren Jahresberichten pro 1870 5. 40 u. f. und pro 1871 S. 14 ebenso zu weiterer Kenntniss bringen, als wie, dass derselbe seinen em- pfehlenswerthen Brumata-Leim zu einem äusserst mässigen Preise liefert.

Die Redact,

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306 Jahres-Bericht

zu eultiviren, neu oder alt ist, weiss ich natürlich nicht, aber die Sucht, grosse Blüthen für Massliebehen zu gewinnen, findet dabei vollkommene Rechnung. Es giebt, glaube ich, nicht zwei Gattungen von Pflanzen, die jede eine Species bieten, welche so grosse Aehnlichkeit mit einander ge- mein haben wie die Bellis perennis und die Bergmassliebchen, diese Belli- diastrum. Letztere ist nur in allen Theilen grösser; doch giebt es aller- dings auch noch andere Unterscheidungsmerkmale. Ich fand sie wild wachsend in der Schweiz, so namentlich in grosser Menge an dem Fusse des aus dem Bodensee aufsteigenden Berges, auf welchem das Schloss Arenenberg liegt, einem letzten Landsitze des Kaisers der Franzosen, Ich glaube, wenn diese elegante Bergpflanze mehr bekannt sein wird, dürfte sie eine Menge treuer Freunde finden, um so mehr, als sie, wie ich schon behaupten kann, entschieden robuster sich ergiebt als ihre kleinere Schwester, die Bellis perennis, welche in ihren gepflegteren Spiel- arten sehr empfindlich ist. Mein Gartenfreund bezog die Pflanze aus

einem herrschaftlichen Garten Süd-Böhmens unter dem Namen „Prinz

Carlos“. .

Erzeugung von Morchel-Brut im Frühbeetkasten. Von Öbergärtner OÖ. Lorenz in Bunzlau.

Vor mehreren Jahren legte ich im Herbst einen Frühbeetkasten an zur Ueberwinterung von Rosen, Verbenen ete. Als Unterlage gab ich eine 40 bis 45 Cm. starke Schicht Lindenlaub und brachte darauf eine

ca. 25 Cm. starke Lage aus Fichtenrinde mit nur sehr wenig Eichenrinde -

gemischter, gebrauchter Gerberlohe. Der Umschlag wurde von Laub her- gestellt. Nun wurden die Töpfe bis an den Rand in die Lohe eingesenkt und der Kasten je nach Beschaffenheit der Witterung gelichtet, gelüftet, oder durch Deckung vor Eindringen des Frostes geschützt. Gegen Ende März des folgenden Jahres wurden sämmtliche Töpfe, in denen die Pflanzen hier sehr gut überwintert hatten, zu anderweiter Aufstellung herausgenommen. Hierbei zeigte sich die Lohe ganz mit weissen schimmel- artigen Fibern und Fäden netzartig durchzogen, ähnlich der Champignon- Brut, diese Fäden hatten sich aber auch den Topfballen mitgetheilt und im April und Mai wuchsen zur Verwunderung Aller in fast allen diesen Töpfen die schönsten und wohlschmeckendsten Morcheln.

Hätte beim Ausräumen des Kastens ich dies vermuthen können, so würde ich den Kasten ruhig liegen gelassen, oder mir doch die Lohe mit der Brut aufbewahrt haben, anstatt, wie dies geschehen war, dieselbe wieder zur Packung anderer Frühbeete mit zu benutzen, aus denen auch

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der Schles. Gesellsch., f. vaterl. Cultur. 307

nicht eine Morchel‘ erwuchs. Später war es mir unthunlich, ähnliche Versuche um die Cultur der Morchel zu machen und soll dieser Fall hier nur als eine mir vorgekommene Merkwürdigkeit mitgetheilt sein, obschon ich glaube annehmen zu dürfen, dass, so wie der Champignon, auch die Morchel sich culturfähig erweisen würde, wenn nur die Beschaffung lebens- fähiger Brut gelingt und sich die Bedingungen zu deren Ausbildung finden lassen. Hierbei sei bemerkt, dass die Morchel in der Umgegend von Bunzlau häufig vorkommt und wohl Sporen derselben in dem als Unterlage verwendeten Laube enthalten gewesen sein mögen, welche in der Lohe eine ihnen zusagende Stätte fanden.

Zur Anzucht der Rosen aus Stecklingen.

Von Öbergärtner O. Lorenz in Bunzlau.,

Nach vielen grossentheils und hauptsächlich bei Remont-Rosen miss- lungenen, zu verschiedenen Zeiten gemachten Versuchen, Rosen durch Steeklinge in Töpfen, in Stecklingskästen, Saatschüsseln, oder auch im freien Grunde des Mistbeetes zu vermehren, wende ich seit zwei Jahren folgende Methode dafür mit dem glücklichsten Erfolge an:

Ist die erste Blüthenzeit der Rosen im Juni und Juli so weit vor- geschritten, dass die Blumen ausfallen, so gehe ich sofort an das Schnei- den der Stecklinge; zu diesen wähle ich jedoch nur Holz, welches Blüthen brachte; damit dasselbe aber nicht erst welke, wird es sogleich in ein bereites Gefäss mit Wasser gelegt. Die Stecklinge schneide ich dann auf zwei, bei nahestehenden Gliedern auf drei bis vier Augen und stutze die Blätter bis auf zwei ein, welche ich zur Absorbirung des Saftes stehen lasse. Ist der Steckling fertig geschnitten, so wird er sogleich in ein Gefäss mit feuchtem Sande gesteckt. Sind nun eine grössere Anzahl oder die Stecklinge einer Sorte der Art vorbereitet, dann fülle ich kleine Töpfchen (7 Cm. breit und 6 Cm. hoch) mit einer aus 3 Theilen feinen Sandes und einem Theile Laub- oder Haide-Erde bestehenden Mischung, stopfe je nach der Stärke des Holzes 6 bis 12 Stück dicht am Rande des Topfes herum, drücke mit einem Stäbchen jeden Steckling unten fest an und überbrause darauf die Töpfehen stark, damit die Erde in den- selben durchnässt wird und sich setzt. Diese Arbeit nehme ich in dem von oben beschatteten Kalthause vor. Gegen Abend bringe ich sämmt- liche während des Tages in der beschriebenen Weise gestopften Stecklinge in einen abgetragenen, mit Sägespähnen oder Sand gefüllten Mistbeet- kasten und senke die Töpfchen möglichst nahe unter die Fenster ein;

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308 Jahres-Bericht

Sägespähne verwende ich am liebsten, weil die Luft besser einwirken kann. Den Tag über bleibt der Kasten gespannt und so stark beschattet, dass nur wenige schwache Lichtstrahlen durchbrechen können; tritt aber die Abendkühle ein, so nehme ich die Fenster ab, lasse den Kasten über Nacht unbedeckt und lege die Fenster am anderen Morgen, bevor noch der Thau abgetrocknet ist, wieder auf; ist dann gegen Abend der Thau ganz oder zum "Theil abgetrocknet, so spritze ich leicht. So behandelt, haben die Stecklinge nach vier Wochen den schönsten Callus angesetzt und das Bewurzeln geht jetzt schnell vor sich. Die kleinen Töpfchen bieten die Vortheile, die Erde nicht so leicht sauer werden und Raum ersparen zu lassen, denn, falls dennoch einige Stecklinge zu Grunde gehen sollten, so ist, selbst wenn auch nur ein Steckling im Töpfehen wachsen würde, dasselbe dennoch sein Plätzchen werth.

Gegen den Herbst entziehe ich nach und nach meinen Rosen-Steck- lingen die Fenster während des Tages und lege sie nur über Nacht auf. Die nun bewurzelten Rosen belasse ich bis zum Frühjahr in diesen kleinen Töpfen und nehme sie nur erst wenn strengere Kälte eintritt ins Kalthaus an die Fenster. Im Frühjahr, sobald es die Witterung zulässt, werden die Rosen wieder in einen kalten Kasten geschafft und abgehärtet, sodann aber an einem trüben Tage aus den Töpfchen genommen und einzeln auf recht locker gegrabene Gartenbeete gepflanzt. Ueber Sommer zwicke ich jede sich an diesen Pflanzen zeigende Knospe aus, was zu deren Kräf- tigung viel beiträgt, pflanze im September die bis dahin erstarkten Rosen in kleine Töpfe und stelle dieselben in ausgeräumte Frühbeetkästen, welche bei Tage geschlossen und beschattet, bei Nacht aber fensterfrei gehalten werden. In 14 Tagen sind dann die Rosen schon angewachsen und verkaufsfähig.

Ueber Erdbeeren und deren Cultur. Von Sections-Gärtner J. Jettinger.

Es ist nicht zu verkennen, dass die Erdbeereultur seit Jahren auch in Deutschland einen erfreulichen Um- und Aufschwung genommen hat. Der Kreis der Erdbeerfreunde ist ein sehr umfangreicher; man könnte glauben, er erweitere sich in demselben Maasse wie die Zahl der Erdbeer- sorten. Wem nur irgend etwas Gartenland zu Gebote steht, pflanzt Erd- beeren, Bedenkt man, in wie kurzer Zeit und mit welchen geringen Kosten der Genuss dieser herrlichen Frucht zu verschaffen ist, so ist ihre Beliebtheit leicht erklärlich, wozu der Umstand kommt, dass das Gedeihen der Erdbeeren nicht so sehr wie bei vielen anderen Obstarten von

er.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 309

localen Einflüssen abhängt, obschon manche Sorten auf einer gewissen Bodenart besser als auf anderer gedeihen.

Die Zahl der bis jetzt gezüchteten Erdbeersorten ist so bedeutend, dass die Frage: wozu sollen die jährlich als neu gezüchtet zu enormen Preisen ausgebotenen Sorten? nicht ganz unberechtigt erscheint. Eine pieht unwesentliche Triebfeder zu solchen Neuzüchtungen ist die Sucht des Publikums nach stets Neuem; versteht daher der Züchter irgend einer neuen Varietät es nur, seinem Product einen gut klingenden Namen zu geben und dem Geschmack der Käufer zu schmeicheln, so wird er in den meisten Fällen auch seine gute Rechnung finden. Wir haben unter den neuen Erdbeeren Sorten, deren gute Eigenschaften über alles Lob erhaben sind, aber auch solehe, die sich kaum über das Mittelmässige erheben. Der Grund, warum solche minder gute Produete an den Markt kommen, liegt nahe; einmal ist es Gewinnsucht oder Eitelkeit des Züchters, mit seinem Product vor die Oeffentlichkeit zu treten, dann aber auch der Umstand, dass nicht Jedem, der eine neue Sorte gezüchtet zu haben glaubt, das sehr bedeutende Sortiment werthvollster Sorten zu Gebote steht, um seinen Neuling gegen diese abzuprobiren. Oft kommt es auch vor, dass sogenannte Neuheiten nur neue Namen tragen, aber alte For- men sind, deren Anpreisung eitel Schwindel ist. Bewährte Sorten bürgern sich fest ein, geringere verschwinden bald wieder, hinterlassen aber nicht selten Unzufriedenheit, Misstrauen und Unlust bei ihren Pflegern. Zu dem Gesagiten passt wohl am besten das Verhältniss unserer Obst- sortimente. Wer möchte z. B. seine Beurre blanc, seine Zwiebel- Bergamotte etc. deshalb missen, weil andere neue Sorten auftauchen, die viel grösser und besser als jene sein sollen?

Wenn die guten Eigenschaften einer Erdbeersorte zu voller Ent- wiekelung kommen sollen, so muss eine rationelle Cultur vorausgehen; das Hauptsächlichste einer solchen soll hier in möglichster Kürze gegeben sein, doch haben wir dabei nur die Ananas- oder Englischen Erdbeeren im Auge, da alle die anderen Arten den Anbau weniger lohnen. Die Erdbeeren lieben einen tiefgründigen, nahrhaften, schweren, etwas feuch- ten Boden und eine freie Lage; sie gedeihen zwar auch auf leichterem Boden, nur verlangen sie dann mehr Schatten, Begiessen, Düngung und Winterschutz. In schwerem Boden bleiben die Pflanzen mehr von den Engerlingen verschont. Ist der Boden zu fett, so wachsen die Pflanzen zwar sehr üppig, bringen viele Blüthen, aber wenige oder keine Früchte; zu magerer Boden erzeugt nur kleine Früchte, denen der schöne Ge- schmack fehlt. Vor Allem hat man also auf einen guten, nicht zu trockenen, aber auch nicht zu nassen Boden zu sehen.

Das Land, worauf man Erdbeeren pflanzen will, muss 1%, bis 2 Fuss tief umgegraben werden. Hat der Boden die gehörigen Nährstoffe nicht, was man leicht an den vorhergegangenen Culturen erkennen konnte, so

310 Jahrcs - Bericht

muss durch Untergraben von Stalldünger geholfen werden; zur Frühjahrs- pflanzung hat dies schon im Herbst, zur Herbstpflanzung spätestens An- fang August zu geschehen. Die Beete legt man so an, dass jedes der- selben drei Reihen in einer Entfernung von 1, Fuss aufnehmen kann. Die Pflanzen erhalten in den Reihen einen Abstand von 16 bis 18 Zoll. Diese Entfernung ist für die normale Entwickelung der Pflanzen unbedingt nothwendig; engere Pflanzung giebt geringeren Ertrag und geringere Früchte. Ohne Nachtheil für die Erdbeerpflanzen kann man im ersten Sommer Salat dazwischen pflanzen,

Die geeignetste Pflanzzeit ist das zeitige Frühjahr, sobald der Frost aus der Erde ist und keine strengen Fröste mehr zu befürchten sind, bis Mitte April, oder von Mitte August bis zum October. Zur Neupflanzung wählt man egal starke, kräftige, gut bewurzelte Ausläufer und nur in Er- mangelung solcher alte Pflanzen. Sind die Pflanzen mit möglichster Sorg- falt ausgehoben, so werden die Wurzeln wenig eingestutzt, möglichst breit im Pflanzloche vertheilt und die Pflanzen gut angedrückt. Zu tiefes Pflanzen ist nachtheilig. Von grossem Vortheil ist das Pflanzen bei trü- bem Wetter. Nach dem Pflanzen wird tüchtig angegossen, und ist bei trockenem Wetter so lange fortzusetzen, bis die Pflanzen nicht mehr welken; ein Ueberbrausen derselben mit Wasser wirkt sehr vortheilhaft. Fleissiges Reinhalten von Unkraut und zeitweiliges Auflockern des Bodens sollte nie versäumt werden. Die an den Pflanzen erscheinenden Ranken werden, soweit man ihrer nicht zur Vermehrung bedarf, sofort bei ihrem Entstehen unterdrückt, weil sie die Mutterstöcke schwächen. Im Herbst werden die Beete mit kurzem Dünger oder Compost belegt, der im Früh- jahr flach untergehackt wird. Beim Beginn der Vegetation säubert man die Erdbeerpflanzen von den alten vertrockneten Blättern, hackt den Boden gut auf und zieht die Erde etwas an die Stöcke heran.

Besitzt der Boden nicht von Natur genügende Feuchtigkeit, so ist es gut, denselben während des Sommers zwischen den Pflanzen mit Moos oder sonstigen pflanzlichen, der Fäulniss widerstehenden Stoffen zu be- deeken; es wird hierdurch das schnelle Austrocknen des Bodens, das Aufkommen von Unkraut und das Schmutzigwerden der Früchte bei ein- tretendem Regenwetter verhindert. Eine Menge Vorrichtungen und Ma- teriale wurden hierzu empfohlen, welche mehr oder weniger kostbar und zweckmässig sind. Am vortheilhaftesten sah ich für jene Zwecke Rohr- schilf verwendet; dasselbe war in eirca fusslange Stücke geschnitten und der Boden zwischen den Pflanzen damit gleichsam parquettirt. Dies Ver- fahren ist jedem anderen vorzuziehen, denn das Material ist billig, kann öfter benutzt werden und ist auch in Bezug auf Reinlichkeit das beste.

Tritt während der Blüthezeit der Erdbeeren sehr trockene Witterung ein, so ist ein kräftiges Begiessen der Pflanzen mit dem Rohr von grossem Nutzen und kann selbst wenn die Früchte schon schwellen noch fort-

der Schles. Geselisch, f. vaterl. Cultur. all

gesetzt werden; überraschende Resultate werden erzielt, wenn dem Wasser eine kleine Quantität Düngerwasser von Jauche, Horuspähnen u. dergl. beigemengt wird. Um recht grosse Früchte zu erhalten, lässt man der Pflanze von den zuerst angesetzten nur die vollkommensten Früchte, auf jedem Blüthenstengel 2 bis 3 Stück, und schneidet die übrigen sammt den Blüthen weg.

Da die Erdbeerpflauzen je älter je schwächer und empfindlicher werden, so sind die Pflanzungen alle 3 bis 4 Jahre zu erneuern und dabei auch das Land zu wechseln; wäre man dennoch genöthigt, wieder auf das alte Land zu pflanzen, so sollte mindestens 2 Fuss tief rigolt und . dann möglichst viel gut verrotteter Dünger untergegraben werden. Im All- gemeinen gilt auch bei den Erdbeeren die Regel: je sorgsamer man in ihrer gauzen Abwartung ist, um so schöner werden die Früchte, um so länger und reichlicher tragen die Pflanzen.

Das Einernten der Früchte muss sehr sorgfältig a weil der leiseste Druck ihr gutes Ansehen beeinträchtigt. Man pflückt die Früchte behutsam mit dem Stiel und legt sie in die bereit gehaltenen Gefässe ohne sie zu hoch aufzuschichten. Die beste Zeit zum Pflücken ist wenn der Thau des Morgens einigermassen abgetrocknet ist, ausserdem kann gegen Abend gepflückt werden. In der Mittagszeit geerntete Früchte halten sich nicht lange, haben auch weniger Aroma.

Die Wahl der anzubauenden Sorten aus der grossen Menge derselben fällt dem Erdbeerliebhaber schwer. Die Wahl nur auf den Namen hin führt zu keinem Resultat. Im Garten der Section wurde ein Sortiment von über 30 auserwählten Sorten cultivirt, welches dennoch bedeutend reducirt werden musste. Nachstehende Sorten sind in jeder Beziehung wirklich werthvoll: Eugen Fürst, Belle de Paris, British Queen, Marguerite, Empresse Eugenie, Magnum bonum, Kaminsky, La Fertile, Hendries Seedling, Sir Joseph Paxton und Groveend Scarlet, letztere zwar klein- früchtig, aber von enormer Tragbarkeit.

Die amerikanische frühe Rosenkartoffel. Von Obergärtner Lorenz in Bunzlau.

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Von der vor zwei Jahren noch neuen, in allen Preisverzeichnissen viel gerübmten amerikanischen frühen Rosenkartoffel legte ich damals, am 3. April, 5 Pfund, in 96 Stücke geschnittene Knollen gleichzeitig mit der Sechswochenkartoffel.e Ende April kamen Erıstere alle gleichmässig auf, Letztere dagegen einige Tage später und recht unregelmässig. Im Mai

312 Jahres - Bericht

traten noch starke Nachtfröste ein, das Laub der Sechswochenkartoffel wurde schwarz, das der Rosenkartoffeln blieb frisch und wuchsen diese so kräftig weiter, dass es den Anschein gewann, als wollte das Kraut riesig hoch werden; bei einer Höhe von ca. 15 Zoll hörte jedoch dieses Wachsen auf. Ende Juni waren die dicht um den Stock angesetzten Knollen vollständig ausgewachsen. Die nun zum Versuch gekochten Knollen liessen im Geschmack nichts zu wünschen übrig; die Sechswochen- kartoffeln waren dagegen noch sehr seifig. Ende Juli war das Kraut der Rosenkartoffel schon ganz abgestorben und ich erntete von den gelegten 96 Stückchen 13 Metzen grössere und kleinere Knollen, ausserdem noch eine Metze in der Grösse von Erbsen und Haselnüssen.

Als ich im folgenden Frühjahr diese Kartoffeln wieder vornahm, fand ich sie sehr gut erhalten, musste leider aber wahrnehmen, dass mir drei Metzen derselben abhanden gekommen waren. Da ich gefunden habe, dass zu vieles Zerschneiden die Kartoffeln nach und nach schwächt, wohl auch Krankheiten unter denselben erzeugt, und dass ganze Knollen, wenn auch mit Ausnahmen, bei weitem kräftigere Stöcke bilden, schnitt ich diesmal nur die grösseren Knollen in 2 bis 3 Stücke. Diesmal erntete ich ea. 14 Centner und von den ganz kleinen Kartoffelchen allein 125 Pfd. Kranke Knollen gab es nicht, obschon auf demselben Acker die Sechs- wochen- und die mittelfrühe weisse Nieren- oder Mäuselkartoffeln fast durchweg krank waren und bald in Fäulniss übergingen. Erwähnen muss ich noch, dass ich die erste Probe auf leichtem mageren Boden machte, dagegen im zweiten Jahre die Kartoffeln in schweren, sandigen, lehmmergelhaltigen Boden legte, welcher bei den vielen schweren Schlag- regen im Frühjahr wie eine Lehmtenne zusammengedroschen war; dennoch

kamen die Rosenkartoffeln alle gut und gleichmässig durch, die Sechs-

wochenkartoffeln hingegen viel später, sehr schwer, oft gar nicht, so dass sie grosse Lücken zeigten. Es scheint demnach die Rosenkartoffel in Bezug auf Bodenbeschaffenheit nieht sehr wählerisch und für Witterungs- einflüsse nicht sehr empfidlich zu sein. Mit Rosenkartoffeln zur Saat stehe ich gern zu Diensten.

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Wassermelonen-Bastard und dessen Verwendung im Winter.

Von Garten-Inspeetor Bürgel in Wittgenstein (Kumänien).

Die in den Catalogen grösserer Samenhandlungen unter dem Namen Citron for preserves seit einigen Jahren angebotene Wassermelone reift selbst bei ungünstigem Sommer gut im Freien und erlangt auf mässig ge- düngtem Boden die doppelte Grösse eines Manneskopfes. Ausser Form

FETERYS

\ der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 313

und äusserer Farbe hat sie aber nicht die geringste Aehnlichkeit mit den so geschätzten vielen anderen roth- und gelbfleischigen Sorten, über welche ich bereits früher zu berichten Gelegenheit hatte. Beim Auf- schneiden Anfang October stellte sich ihre vollständige Unbrauchbarkeit resp. Ungeniessbarkeit heraus. Das Fleisch war grün, auffallend fest und schwer und die Samen lebhaft roth; nur einige Kerne hatten eine wesent- lich abweichende, d. h. kleinere Form und bräunliche Farbe, was mich zu glauben veranlasste, dieselben seien durch natürliche Befruchtung von daneben stehenden vielen anderen geniessbaren Sorten erzeugt. Ich sam- melte die abnormen Körner,

Versuchsweise legte ich jedoch eine Anzahl dieser neuen Wasser- Melonen-Art bei eintretendem Frost in den Keller, um mich zu über- zeugen, ob nicht etwa später sich erst ihre Brauchbarkeit in irgend einer Weise herausstellen würde. Im April des folgenden Jahres fand ich sämmtliehe Früchte noch unversehrt, trotzdem der zum Aufbewahren be- nutzte Keller ziemlich feucht war; ihr innerer Werth hatte sich aber fast um Nichts verbessert und sie wurden deshalb als Viehfutter verwendet.

Anfang Mai legte ich nun die oben bezeichneten Kerne, aber weit entfernt von den Culturbeeten der für die Tafel alljährlich bestimmten Sorten und bemühte mich während der Blüthezeit durch künstliche Be- fruchtung mit den besten Sorten womöglich bessere Eigenschaften, d. h. Geniessbarkeit zu erzeugen, was auch bei fortgesetzter Befruchtung end- lich gelingen wird, denn die im Herbst untersuchten reifen Früchte zeig- ten schon ein wesentlich feineres, wenn auch immer noch grünlich gelbes aber durchsichtiges Fleisch, jedoch. nur wenig Süssigkeit. Wieder im Keller aufbewahrt und erst im Februar einer neuen Untersuchung unter- worfen, fand ich nun die überraschende Erscheinung, dass das Fleisch ein viel gelberes, glasiges Ansehen bot und ein reiner Gurkengeschmack sich entwickeit hatte, was mich veranlasste, sofort einen Salat davon be- reiten zu lassen, der mit noch einer Kleinigkeit fein gehackter Zwiebel vermischt das herrlichste Gurkensalat-Surrogat lieferte.

Welchen grossen Werth nun schon dieser Bastard für den Gemüse- Gärtner im Allgemeinen und ins Besondere für den herrschaftlichen Gärtner besitzt, da Letzterer öfters mit den fabelhaftesten Ansprüchen angegangen wird und Mühe hat, den ganzen Winter hindurch die verlangten Salat- massen zu liefern, geht schon aus dem Gesagten hervor; um so höher muss aber diese Frucht im Werthe steigen, wenn es durch fortgesetzte Befruchtung gelingen sollte, ihr bei der grossen Dauerhaftigkeit auch die Güte resp. Süssigkeit, verbunden mit der den Reiz derselben hebenden sehönen dunkelrosa Farbe zuzuführen, welche unsere älteren, ziemlich be- kannten runden und langen Sorten besitzen. Die Resultate meiner fort- gesetzien Bemühungen sollen seiner Zeit bekannt gegeben werden.

314 Jahres - Bericht

Cultur-Ergebnisse einiger an Mitglieder der Section vertheilten Gemüsesamen.

Von J. Jettinger, Gärtner der Section.

Die uns von resp. Mitgliedern zugegangenen Berichte, zum Theil auch neuer Berichterstatter, stimmen über diese oder jene Gemüsesorte im Wesentlichen mit unseren früheren Berichten, wenngleich deren Anbau unter verschiedenen Verhältnissen statlfand. Ungünstige Witterungs- Verhältnisse, Hagelschäden und Raupenfrass sind nach ınanchen Berichten Hauptursachen des Nichtgedeihens mancher Gemüse; Klagen über letztere beiden Uebelstände finden sich jedoch nur vereinzelt. Um Wiederholungen zu vermeiden, beschränkt sich unser diesmaliger Bericht lediglich auf einige neuere oder doch zum ersten Male angebaute Sorten.

A. Kopfkohl. Erfurter weisser fester und Arnstädter klei- ner weisser fester sind beides gute Sorten, welche zum Anbau im Grossen tauglich sind.

B. Wirsing. 1) Frankfurter Zuckerhut; die Berichte loben diese Sorte, tadeln aber wieder die Unreinheit des Samens, aus dem auch andere Sorten mit runden und spitzen, gelben und grünen Köpfen hervor- gingen. 2) Sutton’s Goldenglobe; auch diese Sorte war nicht rein, der grösste Theil der Pflanzen schloss nicht, während die geschlossenen Köpfe zwar ein spätes, aber sehr zartes Product lieferten.

C. Winterkohl. Arnstädter Dachs. Eine verbesserte Form von unserem gewöhnlichen Grünkohl, welche sehr fein gekraust und zart- schmeckend ist.

D. Strunkkraut. Diese Sorte gehört zu den Blattkohl-Arten. Die Pflanzen wuchsen prächtig heran und versprachen bei ihrem robusten An- sehen viel. Auf gut rigoltem Lehmboden wurden im Sections-Garten ca. 6 Schock dieser Pflanzen in der Weise, wie man Kohlsorten pflanzt, ausgesetzt. Nicht lange und dieses Kraut zeigte seinen eigenartigen Charakter. Die Pflanzen überragten bald alle anderen Kohlsorten be- deutend, liessen aber immer noch Hoffnung, dass sich Köpfe bilden wür- den. Der Schaft war aussergewöhnlich stark und bei weiterem Wachs- thum bildeten sich um denselben sitzende bis 2, Fuss lange Blätter aus; an Kohlköpfe war nun nieht mehr zu denken. Bei voller Entwickelung erreichten die Pflanzen eine Höhe bis zu 5 Fuss. Ein Nutzungswerth dieser Kohlriesen für die Küche konnte nicht gefunden werden, selbst das Mark der bis 4 Zoll starken Stengel hatte, nach Art der Kohlrabi zu- bereitet, einen strengen und doch dabei faden Geschmack. Als Viehfutter könnte diese Kohlsorte Verwendung finden, wenn nicht zu bedenken wäre, dass die Pflanzen den Boden ungemein entkräften.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 315

E. Kohlrabi. Weisse verbesserte Wiener und Arnstädter verbesserte sind beides wirkliche Verbesserungen. Die Entwickelung beider Sorten geht rasch vor sich und ihr Geschmack ist sehr zart.

F. Salat, Römischer, ist eine Bindsalatsorte, welche zu hart ist, um sich bei uns Eingang zu verschaffen.

G. Buschbohnen. In letzter Zeit tauchen eine Menge Sorten Wachs- bohnen auf. Die kleinste Abweichung in Form und Färbung der Körner wird benutzt, um eine neue Sorte zu schaffen. Da giebt es eine „neue runde blassgelbe Wachs-, neue bunte Wachs-Schwert-, neue sehr lang- schotige Wachs-“ u. s. w. Alle diese Sorten sind sich fast ganz gleich. Bei allen findet man gewöhnlich beim ersten Anbau einen grossen Theil Pflanzen mit grünen Schoten und muss man diese entfernen, um die Sorte rein zu erhalten. Weisse Prinzessin, Zwerg-, ist die in früheren Berichten schon erwähnte, sehr reichtragende und zum Trockenkochen wohl zarteste und beste Sorte. Prinz Egon. Herr Lehrer Oppler in Plania, welcher uns eine kleine Partie Samen dieser Sorte zusendete, will sie im rohen Kaffee gefunden haben und legte ihr vorstehenden Namen bei; möglich, dass sie in dortiger Lage und Boden gut ist, in dem Garten der Section blieben die Schoten zu klein, wurden auch zu schnell hart.

H. Stangenbohnen. 1) Weisse römische Wachs- mit gelben Schoten und 2) früheste Zucker-Brach- sind zu wenig ertragreich, als dass sie Empfehlung verdienten; 3) Arabische rothblühende hat für die Küche gar keinen Werth; 4) Perrier’s Darm-, die Pflanzen wurden nur 6 Fuss hoch, verzweigten sich stark und trugen ziemlich reich, sind aber empfindlich; die Schoten sind walzenförmig, ganz fleischig und von sehr zartem Geschmack. Reife Samen konnten im Sections- Garten nicht gewonnen werden.

I. Erbsen. Neuere Sorten kamen nicht zum Anbau. Zu der Sorte „Laxton’s Alpha“ sei bemerkt, dass sie empfindlicher als alle anderen frühen Sorten ist. Bei dem in diesem Jahre (1873) Ende April statt- gehabten Frost von R. erfror diese Sorte total, während andere Sorten diese Kälte gut überstanden.

K. Kartoffeln. 1) König der Frühen, ist eben so früh als die schon vielfach verbreitete ‚frühe amerikanische Rosenkartoffel‘“; die Knollen sind weiss, mit kaum merklich rosa Augen; es dürfte diese sehr tragbare Sorte eine recht beliebte Frühkartoffel werden. 2) Prolifiece-Bresee’s Nr. 2 und Pearles-Bresee’s Nr. 6 sind beides sehr reich tragende, mehlreiehe, mittelfrühe Kartoffelsorten, welche recht häufigen Anbau ver- dienen.

316 Jahres - Bericht

'Statistische Notizen. Von dem zeitigen Secretair der Section.

Auch in diesem Frühjahr fand an Mitglieder der Section eine Gratis- Vertheilung von Sämereien empfehlenswerther Nutz- und Zierpflanzen statt. Das Material hierzu wurde theils aus erprobten Quellen bezogen, theils war es der gütigen Zuwendung geehrter Mitglieder, der Herren Bürgel, Friekinger, Gildner, Oppler, Pfeiffer und Preiss, zu verdanken, doch lieferte auch der Garten der Scetion ein bedeutendes (Jnantum Samen von Hülsenfrüchten und vervollständigte der Seeretair das Sortiment der Blumensamen nach Möglichkeit. An 111 Mitglieder wurden 1570 Portioneu Gemüse- und 1880 Portionen Blumensamen ver- theilt, und belief sich der Kostenaufwand für diese Vertheilung auf 54 Thlr. 5 Sgr.. 6 Pf. |

Zu den über den Sections-Garten im Vorangegangenen bereits

gegebenen Nachrichten ist an dieser Stelle noch nachzutragen, dass im

Jahre 1872 aus demselben ausser grösseren Quantitäten verschiedener Gemüse und Beerenfrüchte für den Markt, in gesunden Stämmchen und kräftigen Pflanzen, nach Ausweis der Bücher und der grösseren Anzahl nach an Mitglieder käuflich überlassen wurden 6130 Stück Obstwildlinge, 2490 Edelstämmehen von Kern- und Steinobst, 2557 Beerenobst-Sträucher und Pflanzen, 516 Stück Weinreben, 373 Stück hochstämmig veredeite Rosen und 30 Stück Zierbäume (Prunus triloba).

An dem für hiesige Mitglieder bestehenden, von dem Referenten ge- leiteten Lesezirkel, zu welchem ein jährlicher Extra-Beitrag von 1 Thlr. zu leisten ist, waren im Jahre 1872 65 Mitglieder betheiligt und in dem- selben im Umlauf:

9 Berichte von Vereinen, mit denen die Section durch Schriften- Austausch in Verbindung steht;

I9 zum Theil auch durch Austausch erworbene deutsche und aus- ländische gärtnerische Zeitschriften ;

9 neuestens erschienene Bücher und Broschüren über verschiedene Zweige des Gartenwesens.

Unter den Zeitschriften sind einige, und zwar sehr werthvolle, deren geehrten Herren Herausgebern und resp. Redactionen, dem Präsidio der Schlesischen Gesellschaft aber die weitere Anschaffung von Professor Ed. Morren’s „La Belgique horticole“ zu verdanken, während unter Letz- teren anerkennenswerthe Geschenke sich befanden, für welche hiermit wiederholt der verbindlichste Dank ausgesprochen sei. Das Verzeichniss der in diesem Lesezirkel zuletzt im Umlauf gewesenen 48 verschiedenen Schriften müssen wir uns vorbehalten, im nächsten Jahresberichte zur

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 317 Kenntniss zu bringen, sie wurden wie zeither der Bibliothek der Schle-

sischen Gesellschaft überwiesen und stehen dort durch deren Custos, Herrn Redacteur Th. Oelsner, zu fernerer Benutzung laut Reglement zu Dienst.

Primo Januar 1872 zählte die Section für Obst- und Gartenbau

Mitglieder: Hiesige, Auswärtige. Summa. | 106 254 360, eedahre 1872 traten hinzu. . „200% 8 37 45, 114 291 405, es schieden dagegen und zwar meist durch ae a nn 8 13 21, und blieben daher Ende Decbr. 1872 Bestand 106 278 384, von denen als Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft beitragsfrei sind . . . . 3 B) 44,

und gütige Extra-Beiträge zur Unterhaltung des Pomologischen und resp. Obstbaum- schul- und Versuchs-Gartens zahlen . 37 140 177.

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v1. Bericht

über

die Thätigkeit der meteorologischen Section der Schlesischen besellschaft im Jahre 1872,

abgestattet von

Dr. J. 6. Galle,

zeitigem Secretair der Section.

In der Sitzung vom 10. Juli hielt Herr Georg von Boguslawski aus Stettin einen Vortrag über

Schiaparelli’s astronomische 'Theorie der Sternschnuppen, aus welchem, unter Hinweisung auf die unter diesem Titel im vorigen Jahre in deutscher Sprache erschienene ausgezeichnete Schrift, hier nur folgende Bemerkungen zur Charakterisirung des durch den Vortrag 'in den allgemeinen Umrissen dargelegten Inhalts herausgehoben werden mögen. Schlesien und namentlich Breslau ist schon zu wiederholten Malen ein Hauptort für die Erweiterung und Förderung der Sternschnuppen- kunde und auch für die Geschichte der astronomischen Theorie der Stern- schnuppen von Bedeutung gewesen. Im Jahre 1823 hatte Brandes im Verein mit seinen eifrigen Mitbeobachtern, unter denen sich u. A. auch das hier lebende Mitglied dieser Gesellschaft, Herr Director Gebauer, besonders auszeichnete, durch seine Bahn- und Höhenbestimmungen von mehr als 60 Sternschnuppen die ersten Keime zu einer wissenschaftlichen Begründung der astronomischen Theorie der Meteore gelegt; später, vom Jahre 1334 an, hatte der 1851 verstorbene Professor v. Boguslawski (Vater des Vortragenden) durch seine eigenen, sowie durch die von ihm vielfach mit Erfolg angeregten correspondirenden Beobachtungen der Sternschnuppen und auch durch seine theoretischen Forschungen über den kosmischen Ursprung der Meteore die Sternschnuppenkunde wesentlich gefördert. Aber diese litt fortwährend unter der Ungunst der Fach-

320 Jahres-Bericht

Astronomen und konnte zu keiner gedeihlichen Entwickelung gelangen, bis die grossartige Entfaltung des November-Phänomens im Jahre 1866 sie zu hoher Blüthe und Bedeutung brachte. Viele der grössten und be- deutendsten Astronomen erhoben das bisher wenig geachtete Stiefkind.der Astronomie, die Sternschnuppenkunde, zu einem Lieblingsgegenstande ihrer Forschungen. Vor allen aber ist der Mailänder Astronom Professor Schiaparelli als der Haupturheber und Begründer dieser neuen Aera in der Sternschnuppenkunde zu betrachten. In seinen Briefen an den P. Secchi in Rom und später in den ‚Note e riflessioni sulla teoria astro- nomica delle stelle cadenti“ entwickelte Schiaparelli seine neuen An- sichten und seine eigenen Forschungen über den kosmischen Ursprung der Sternschnuppen und ihren Zusammenhang mit den Kometen und erregte damit in engeren und weiteren Kreisen der gebildeten Welt das höchste Interesse für diese Weltkörper. Ein tieferes Eingehen in die neueren Forschungen über Sternschnuppen, namentlich der deutschen Fachgelehrten, veranlasste Schiaparelli, sein früheres Hauptwerk, die „Note e riflessioni etc.““, völlig umzuarbeiten, einige seiner früheren Ansichten theils zu er- gänzen und fester zu begründen, theils sie zu modificiren und den beobachteten Thatsachen anzupassen. Er hatte bei dieser Umarbeitung im Jahre 1869 von vornherein die Absicht, dieselbe in deutscher Sprache erscheinen zu lassen, „weil“, wie er an den Vortragenden, dem er die Uebertragung aus dem italienischen Manuscript und die Herausgabe dieses neuen Werkes (Entwurf einer astronomischen Theorie der Sternschnuppen, Stettin bei Th. v. d. Nahmer) anvertraut hatte, schrieb, ,‚die deutsche Sprache in der wissenschaftlichen Welt viel bekannter ist, als die italienische, weil ferner viele meiner Arbeiten in nicht immer glücklicher Darstellung wiedergegeben sind und weil mir zuweilen falsche oder unwahrscheinliche, ja sogar absurde Ansichten und Hypothesen zugeschrieben sind.“ Der Vortragende besprach und erläuterte hierauf eingehend und ausführlich folgende Kernpunkte und Grundzüge dieser neuen Schiaparelli’schen astro- nomischen Theorie der Sternschnuppen:

1. Die Sternschnuppen sind Producte der Auflösung von Kometen.

2. Sie sind an sich dunkle, feste Körperchen, welche uns erst im Bereiche unserer Atmosphäre sichtbar werden, aber in den höheren Schichten derselben (bis über 20-—-30 Meilen Höhe).

3. Bei den Bahnen der Sternschnuppen sind zu unterscheiden: 1) die Bahnen innerhalb unserer Atmosphäre, diese sind allein für uns sichtbar und zu beobachten; 2) die kosmischen Bahnen, welche man aus der Richtung und Geschwindigkeit der erstefen ableiten, aber selbst nicht beobachten kann: diese kosmischen Bahnen sind parabolisch, d. h. ko- metarischer Natur.

4. Man unterscheidet systematische Meteore oder Meteorströme und sporadische Meteore oder aufgelöste Meteorströme.

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 321

5. Die Gesetze der täglichen, jährlichen und azimutalen Variation der Häufigkeit der Sternschnuppen lassen sich erklären aus der Ver- bindung der parabolischen Bewegung der Meteore und der Bewegung der Erde.

6. Die Anziehung der Erde und der anderen Planeten bewirkt ver- schiedene Störungen in der Häufigkeit und Bewegungs -Richtung der Meteore.

7. Die Kometen sind nicht, wie man seit Laplace angenommen hat, von Sternsystemen zu Sternsystemen herumirrende Nebelmassen, sondern haben mit der Sonne und anderen bestimmten Fixsternen einen gemein- samen Ursprung aus einer sich im Weltenraume allmählich verdichtenden Urnebelmasse und mit ihnen eine gemeinsame Bewegungs-Richtung; sie bilden mit der Sonne eine eigene Gruppe von Weltkörpern.

3. Die Meteoriten (Meteorsteine und Eisenmassen) dagegen kommen aus allen Gegenden des Weltenraumes zu unserer Erde in hyperbolischen Bahnen, sie sind die eigentlichen Boten des Weltalls. Die gleichförmige Beschaffenheit und Zusammensetzung derselben sowohl in chemischer als mineralogischer Beziehung zeigt die Gleichförmigkeit des Stoffes im Welten- raume.

9. Die Feuerkugeln können beiden Klassen von Weltkörpern an- gehören.

21

322

Jahres-Bericht.

Allgemeine Uebersicht

der

meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen

Universitäts-Sternwarte zu Breslau

im Jahre 1872.

Höhe des Barometers 453,62 Pariser Fuss über dem Ostseespiegel bei Swinemünde.

I. Barometerstand, 1872. redueirt auf Reaumur, in Pariser Linien.

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II. Temperatur der Luft, in Graden nach Reaumur. > a = = E 4°9 | 15[— 7°1 |— 0038 5,6 | 221 5,6 |— 0,26 17.8.1281 3110888 19,4 8 + 0,3|+ 8,13 24,5 | 12/+ 2,9 |+ 12,64 21,0. 1:.17|-4..2zA la 10 244 | 4l+ 87 |-+ 14,87 22,5 1 26)+ 6,7 I+ 13,23 24,1 | 24[+ 3,1 |+ 12,24 1777| 8I+ 14 ken 13.2 | 133I+ 0,1|+ 5,9 11,9 | 20|— 51 |+ 1,56 2405 kr 701 |+ 70,84

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 323

Ill. Feuchtigkeit der Luft, IV. Wolken- 1872. bildung und

a, Dunstdruck, b. Dunstsättigung,

in Pariser Linien. in Procenten. Niederschläge.

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V. Herrschende Winde.

Januar. Am häufigsten wehte SO. und $., nächstdem W. Mittlere Richtung SSO.

Februar. Der Wind wehte während des ganzen Monats überwiegend aus SO., nächstdem aus S. und SW., als mittlere Richtung ergab sich SSO.

März. Am häufigsten SO., darnach NW., jedoch oft auch W., SW. und S., so dass als mittlere Richtung SSW. berechnet wurde.

April. Vorherrschend W., nächstdem $O.; mittlere Riehtung SW.

Mai. Der Wind wehte nahe gleich oft aus SO. und NW., nächstdem am häufigsten aus N., W. und $. und war überhaupt sehr ver- änderlich. Mittlere Richtung WNW.

Juni. Die vorherrschenden Windesrichtungen waren NW, und W., nächst diesen Richtungen kam am häufigsten SO. vor. Mittlere Rich- tung WNW.

Juli. Am häufigsten W., nächstdem NW., N., SO., NO.; als mittlere Richtung ergab sich NW.

August. Vorherrschende Windesrichtung NW., nächstdem SO. und W. Mittlere Richtung NNW.

September. Vorherrschend W., dann SW., S. und SO. Mittlere Rich- tung war WSW.

21*

324 Jahres- Bericht

October. Die Windesrichtung war mit geringen Unterbrechungen fast während des ganzen Monats SO., nächstdem am häufigsten $. und SW. Als mittlere Windesrichtung ergab sich SSO.

November. Wie im vorigen Monat vorherrschend SO., dann auch häufig SW., S. und W. Als mittlere Richtung wurde $. berechnet.

December. Wie in den beiden vorhergehenden Monaten vorherrschend SO., nächstdem am häufigsten 8. Mittlere Richtung SSO.

VI. Witterungs - Charakter.

Januar. Die Witterung des Januar hatte im Ganzen einen milden Charakter, unter geringen Schwankungen der Temperatur und geringer Windstärke oft Windstille. Nur wenige Niederschläge fanden statt, namentlich fehlte fast ganz die Schneebedeckung.

Februar. Wie im Januar milde Witterung. Der in der Mitte des | Monats gefallene Schnee hielt sich nur etwa eine Woche hindurch.

März. In der Mitte des Monats etwas Schnee, sonst ein warmer Monat mit einem bisher im März nicht beobachteten Maximum von 179,8 (am 30.).

April. Die Temperatur war wie im März verhältnissmässig hoch, Luft- druck schwankend; viele Regenschauer, jedoch ohne Schnee und Graupeln.

Mai. Bei der hohen Temperatur und dem in diesem Jahre besonders schönen Frühlingswetter trat eine frühe Entwickelung der Vegetation ein. Zahlreiche Gewitter; Wind sehr veränderlich.

Juni. Luftdruck und Wärme waren in diesem Monat niedriger als im Durchschnitt; vorherrschende WNW.-Winde brachten viele Ge- witter mit reichlichem Regen.

Juli. Luftdruck, Feuchtigkeit und Wärme normal. Bis zum 20. öfters kleine Regenschauer, dann erst trat Hitze und Trockenheit ein.

August. Luftdruck und Feuchtigkeit normal, die Wärme dagegen ge- ringer als im Durchschnitt, ebenso auch das Quantum der Nieder- schläge. Stärkere Regen kamen nur im Anfange und nach der Mitte des Monats vor. Nur wenige Tage waren heiter, die meisten wolkig und gemischt.

September. Luftdruck und Dunstsättigung niedrig, Dunstdruck normal. Die Wärme war in der ersten Hälfte des Monats besonders hoch,

ähnlich wie im vorigen Jahre.

der Schles. Gesellsch. f. vater. Cultur. 325

October. Ein in seltenem Grade warmer und schöner Monat; die Wärme war fast stets grösser als im Durchschnitt, der Luftdruck dagegen unter dem Mittel.

November. Verhältnissmässig noch wärmer als der October und zwar in einer stetigen Weise. Der Barometerstand war durchschnitt- lich niedrig. Das Quantum der Niederschläge und die Feuchtig- keit waren normal.

December. Auch dieser Monat war, wie die beiden vorhergehenden, fortdauernd warm, nur gegen Mitte des Monats trat auf kurze Zeit gelinder Frost ein. Luftdruck niedrig, das Quantum der Niederschläge gering, ungewöhnlich viele heitere Tage, an vielen anderen Tagen jedoch auch neblig und dunstig.

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Nekrolog im Jahre 1872 verstorbener Mitglieder

der

„Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur“. (Auszüglich vorgetragen am 27. December 1872.)

Auch das soeben ablaufende Jahr hat eine Minderung der Trauerfälle für unsere Gesellschaft nicht gebracht, ja es hält die seit 4 Jahren zum Normale der Sterblichkeit gewordene Zahl von 21 auch diesmal fest, da unter den 22 nachstehend Aufgeführten Herr Ruthardt, seit 1853 der Gesellschaft angehörig gewesen, bereits vor mehreren Jahren aus seiner Mitgliedschaft ausgeschieden ist.

Es wurden aus unseren Reihen durch den Tod abgerufen die Ehren- Mitglieder: Wirkl. Geh. Rath Dr. med. v. Olfers (+ 23. April), Baron von und zu Aufsess (+ 6. Mai), Ober-Präsident Graf zu Stolberg (+ 8. August); die wirklichen Mitglieder: Direetor Schück (+ 29. Febr.), Justizrath Simon (+ 19. März), Graf v. Hoverden-Hünern (+ 21. März), Geh. Sanitätsrath Dr. med. Preiss (+ 26. März), Apotheker Cochler (+ 17. April), Landes-Aeltester Wolf (+ 18. Mai), General-Lieutenant v. Erhardt (+1. Juni), Med.-Assessor a. D. Stadtrath Gerlach (+7. Juli), Bergrath a. D. Dr. phil. Thiele (+ 25. Juli), Kaufmann Keitsch (+ 7. Aug,), Prorector Prof. Dr. phil. Kampmann (+ 9. Septbr.), Baron v. Bohlen (+ 13. Septbr.), Hauptlehrer Stütze (+ 28. Septbr.), Commercien - Rath Gierth (+ 21. Oetbr.), Buchdruckereibesitzer Friedrich (+ 23. Novbr.), Buchhändler Ruthardt (+ 18. Decbr.), Prof. Dr. med. Kuh (+ 21. Decbr.); die correspondirenden Mitglieder: Geh. Archivrath Prof. Dr. Riedel (+ 8. Sept.) und Gymnasial-Oberlehrer, Bibliothekar Tobias (+ 10, Oetbr.).

328 Jahres-Bericht

Gehen wir der in den früheren Todtenschauen gewohnten Gruppirung nach, so trifft unser Auge zunächst auf den so unerwartet geöffneten Sarg des Ober-Präsidenten der Provinz Schlesien, Eberhard Graf zu Stolberg- Wernigerode, welcher am 8. August kurz nach seiner Ankunft in Johannes- bad, wo er Kräftigung nach angestrengter Thätigkeit suchen wollte, aus dieser abgerufen ward, Allen unerwartet, von der Höhe des Lebens, auf welcher er, unberührt von seinen sechszig Jahren, festen Fusses noch stand.

Man hört gegen einen Theil des schlesischen Adels den Vorwurf erheben, dass er sich, unähnlich seinen Vorfahren, dem Dienste des all- gemeinen Wesens, sei es in Staats-, sei es in Ehren-Aemtern, entziehe und Zeit, Kräfte, Vermögen unfruchtbar für das Ganze an allerlei private Passionen verwende. Ein Mann, von welchem gerade das Gegentheil auszusagen, war Graf Stolberg. Ueber seine verschiedenen amtlichen Wirkungkreise hinaus, die ihn gleich sehr mit der Landes-Verwaltung, wie mit der Landes-Vertretung (als erster Präsident des Herrenhauses) und mit dem Hofe (als königl. erster Ober-Jägermeister) in Beziehung brachten, hat er bekanntlich in freier Thätigkeit einem Gebiete sich zu- gewendet, auf welchem sein Name unvergessen bleiben wird: dem der Kriegs-Krankenpflege. Hier ist er der Begründer eines neuen Zu- standes, von ihm empfingen die mustergiltigen Einrichtungen, welche jetzt das preussisch- deutsche Heerwesen auszeichnen und denen die anderen Staaten Europas mühsam und leider nur sehr unvollkommen nachstreben, ihren ersten genialen, praktisch gestaltenden Anstoss. Noch vor 20 Jahren war der ‚‚Johanniter-Orden‘ gleich anderen eine äussere Decoration, der Grundbegriff als Erkennung- und Zugehörigkeit-Zeichen einer geschlossenen Verbindung war auch ihm abhanden gekommen. So empfing noch im Jahre 1851 Graf Stolberg das Johanniterkreuz vom Könige; ihm aber ward es Anlass, den „Orden‘ in einer Weise in’s Leben zurückzurufen, wie er seiner ursprünglichen Bestimmung unter den Verhältnissen der Neu- zeit wieder entspräche. In der von ihm hierüber ausgearbeiteten Denk- schrift begegnete er sich mit dem gleichen Gedanken Friedrich Wilhelm’s IV.., und als der König, an Historisches anknüpfend, den evangelischen Zweig der alten Johanniterritter, die „‚Balley Brandenburg“, unter dem zum „Herrenmeister‘‘ ernannten Prinzen Carl wiederherstellte und den Grafen zum „Kanzler‘‘ des Ordens ernannte, da war für diesen das Feld zur Verwirklichung seiner Pläne geschaffen. Nach dem Tode des vorigen Fürsten v. Pless ward er (1856) auch Commendator der schlesischen Provinzial-Genossenschaft des Ordens. Allen erinnerlich ist es, wie er nun im Kriege gegen Dänemark den Orden zum ersten Male wieder zur Thätigkeit auf den Blutgefilden führte, welche Verdienste er sich um die Organisation der Hilfeleistung auf dem Schlachtfelde, um die Erfindung der besten Construction eines Transportwagens für Verwundete, um die Lazarethpflege erwarb, und wie dann weiter aus diesen Anfängen die

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dem Heere selbst eingefügten Einrichtungen (Krankenträger-Compagnien, .Lazarethwägen ete.), sowie die Summe der freien Bethätigung bis zur Genfer Uebereinkunft hervorgegangen, welche, obschon sie Vollkommenes noch nicht erreichen, noch stets der Verbesserung bedürftig und unter- zogen sind, doch einen Zustand darbieten, wie ihn keine Zeit und kein Volk jemals zuvor aufzuweisen hatten, ein neues Zeugniss edler, schöner, vom Geiste des Christenthums durchhauchter Menschlich- keit unseres Jahrhunderts, welche auch im Gewühle der zu blutiger Ar- beit entfesselten Leidenschaft ihren milden Schleier über die rothe Wunde, den Krieg, deckt, ohne deren bisweiliges Aufbrechen die Menschheit, wie es scheint, heut noch nicht ihre moralische Gesundheit zu wahren versteht.

Auch bei dem Feldzuge in Böhmen hatte Graf Stolberg persönlich die Oberleitung der gesammten Kriegs-Krankenpflege; zum „Commissar und Militär-Inspector der freiwilligen Krankenpflege bei der Armee‘ er- nannt, gründete er sogleich den „Verein zur Pflege verwundeter und er- krankter Krieger‘‘ mit Depots in Magdeburg und Breslau. Erst bei dem Kampfe von 1870/71 gab er, soeben an die Spitze unserer Provinz be- rufen, diese umfassende Thätigkeit an den Fürsten v. Pless ab und be- hielt sich nur die bezügliche Wirksamkeit in Schlesien vor.

Die Stolberge sind ein sehr altes deutsches Grafengeschlecht, welches sich im 17. Jahrhundert in 2 Haupt- und mehre Nebenlinien theilte, davon die der Stolberg- Wernigerode die ältere ist. Als die Stamm- lande mit unter napoleonische Herrschaft gerathen waren, zogen sich die Grosseltern des Ober-Präsidenten auf ihren schlesischen Familienbesitz zurück, und hier ward jener am 11. März 1810 zu Peterswaldau bei Reichenbach geboren, als ältester Sohn des nachmaligen General-Lieutenants und Ministers Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode. Seine Erziehung empfing er vom 14. Lebensjahre ab in der Lehranstalt des Bunzlauer Waisenhauses und in der Familie des dortigen Oberlehrers Dreist, so- dann auf dem Gymnasium zu Glogau. Im Jahre 1830 betrat er die militärische Laufbahn. Einige Jahre war er Adjutant des Grafen Branden- burg, dann des älteren Prinzen Wilhelm. Im Jahre 1842 vermählte er sich mit der Prinzessin Marie v. Reuss, trat aus dem stehenden Heere in den Beurlaubtenstand und übernahm die Verwaltung der Fideicommiss- Herrschaft Kreppelhof bei Landeshut. Bis zum Jahre 1855 war er Land- rath des dortigen Kreises. Auf dem „vereinigten Landtage‘“ von 1847 führte er eine Virilstimme und betrat damit die parlamentarische Lauf- bahn; 1849 und 50 Mitglied der Il. Kammer, ward er bald zum Führer der „conservativen Partei“; im Jahre 1854 von den Verbänden des „alten und befestigten Grundbesitzes‘“ für das Herrenhaus präsentirt, wurde er dorthin als lebenslängliches Mitglied berufen; bereits im fol- genden Jahre ward er zu dessen Vicepräsidenten, 1862 an Stelle des in

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das Ministerium berufenen Prinzen zu Hohenlohe-Ingelfingen zum Ersten Präsidenten erwählt, in welcher Stellung ihn stete Neuwahl bis zum Tode festgehalten hat. In den constituirenden und den ersten ordentlichen Reichstag des Norddeutschen Bundes sandte ihn der Wahlkreis Landeshut- Jauer-Bolkenhain. Auch seinem Dienst im Heere lag er während dieser Frist bei den verschiedenen Mobilmachungen weiter ob und rückte all- mählich bis zum General-Lieutenant auf. Im Juli 1869 in die Stelle des dahingeschiedenen Freiherrn v. Schleinitz zum Wirken auf dem höchsten Posten unserer Provinz berufen, legte er sein Reichstagmandat nieder, um sich ganz der umfassenden neuen Aufgabe widmen zu können, und auch den nur zu bald wieder an ihn ergehenden Ruf zur obersten Führer- schaft auf dem Johanniterfelde schlug, wie schon erwähnt, er aus. Zwei- mal während des Krieges war er in Frankreich: 1870 im Dienste der freiwilligen Krankenpflege, 1871 im Januar an der Spitze der Deputation des Herrenhauses, welche dem Könige die Glückwunsch - Adresse zur Kaiserwürde überbrachte.e Nur kurze Frist sollte es ihm beschieden sein, den grossartigen Aufschwung zu sehen und in ihn leitend, schaffend mit einzugreifen, welchen auf materiellem Gebiete auch unsere Provinz ge- nommen, nachdem das Gespenst an der Seine wie die Ohnmacht Deutsch- lands und damit die stete politische Unsicherheit geschwunden waren.

Dass sein Leben an äusseren Ehrenzeichen nicht arm war, ist selbst- verständlich; auch der höchste preussische Titel, der eines „wirklichen Geheimen Raths“ mit dem Prädicat „Excellenz‘“, war ihm zu Theil ge- worden. Den Ruhm, dass er die durch seine sociale Stellung ihm über- kommenen Pflichten zu würdigen und zu erfüllen gewusst, und den anderen, dass er gearbeitet, werden auch die politischen Gegner, und werden auch Diejenigen nicht umhin können, an seinem Grabe aus- zusprechen, welche den Begriff arbeiten‘ in besonders einseitiger Weise fassen.

Eine ausführlichere Skizze seines Lebens und Wirkens liefern die „Schles. Provinzialblätter (Rübezahl)‘ in ihres XII. Bandes 3. Hefte, wo auch ein Bildniss (nach Originalzeichnung von G. Kühn) den Grafen als „Johanniterritter‘‘ im Feldzuge von 1866 zeigt.

Ein Mann regsamen Geistes, zwar nicht unserer Stadt angehörig, doch der näheren Nachbarschaft, in Breslau oft gesehen, einer der Ael- testen seit 1819 in der Mitgliedschaft unserer Gesellschaft und als Jubilar im Jahre 1869 durch das Präsidium beglückwünscht, war Graf Eduard Adrian Johann v. Hoverden-Plenken, Majoratsherr auf Hünern ete. bei Ohlau, kgl. Kammerherr, Geh. Justizrath a. D., Mitglied des schles. Provinziallandtages (seit 1840) und des Herrenhauses (ältester Bruder unseres hochverehrten Mitgliedes, des Beschützers der Künste und lang- jährigen Schriftführers des Schl. Kunstvereins, Grafen Joseph Adrian v.H.-Pl,).

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 331

Sohn des Geh. Regierungs-Rathes, Kammerherrn Graf Emanuel v. H.-Pl., welcher 40 Jahre Landrath des Kreises Ohlau gewesen, und der Gräfin Josepha, geb. Reichsgräfin v. Haugwitz-Pischkowitz, war er geboren am 11. Juli 1797 im Schlosse Heidau bei Ohlau. Er besuchte das kathol. und das reformirte Gymnasium unserer Stadt, studirte ebenfalls hier die Rechte, daneben aber auch andere Wissenschaften, besonders die Heil- kunde; machte den Feldzug von 1815 im 1. Kür.-Regt. mit, nahm nach dem 2. Pariser Frieden seinen Abschied als Offizier und wandte sich seinen Studien wieder zu. Er vermählte sich 1818 mit Freiin Henriette v. Falkenhausen, ältesten Tochter des Wirkl. Geh. Rathes, Chef- Präsidenten des Ober-Landesgerichts Frh. v. F., die, nach 53jähr, glück- licher Ehe, ihm im Tode vorangegangen ist. In demselben Jahre ward er, erst 21 Jahre alt, zum königl. Kammerherrn ernannt. 1824 unter Ernennung zum Geh. Justizrathe als vortragender Rath in’s Justizministerium _ berufen, trat er in derselben Zeit und durch eine Reihe von Jahren deın Prinzen (jetzigen Kaiser) Wilhelm als dessen dienstthuender Kammer- herr nahe, wohnte als solcher der Vermählung desselben in Weimar bei (11. Juni 1829), war in den Berliner Kreisen ein durch sprudelnden Witz und ausgezeichnete Beredtsamkeit angenehmer, gerngesehener Gesell- schafter; kam in nähere Berührungen mit Goethe und Al. v. Humboldt. Mit Uebernahme des väterlichen Gutes Thauer bei Steinau aus dem Mi- nisterium scheidend, ward er Kreisjustizrath für Steinau, Guhrau und Wohlau, eine Stellung, welcher die Beaufsichtigung der damals noch be- stehenden Patrimonialgerichie oblag. Nach des Vaters Tode (30. März 1841) trat er den Majoratsbesitz (Hünern, Heidau, Philippsfeld) und die Allodialherrschaften Tworkau und Schillersdorf an. Fortab war er seinen Gutseingesessenen in allen Lagen des Lebens Helfer und Rather, vermöge seiner medicinischen Studien auch in Krankheitfällen. Mit Schrift und Wort trat er für die Rechte Bedrängter ein, ohne Unterschied in der Confession zu machen; so auch verfuhr er als Patron der katholischen wie der 2 evangelischen Kirchen seines Patronats.. Als Landwirth hat er die Verpachtung auf gemeinsame Ernte eingeführt, worüber in den ,„Schles. Provinzialblättern“ Bd. IV. 1865 $S. 207 ff. nähere Nach- richt gegeben ist. Beschäftigung mit den Wissenschaften, wozu die schöne Majoratsbibliothek reiche Quellen bot, füllte seine freie Zeit aus. Be- sondere Neigung zog ihn zur Botanik, mit der er sehr vertraut war; diesem verdankt der Plan zu einer „Oekonomischen Flora Schlesiens oder Beschreibung und Abbildung der in Schlesien auf Feldern, Wiesen und Triften wild wachsenden und angebauten Pflanzen mit Angabe der besten Benutzung- und Cultur-Methoden“ seine Entstehung, und es ist zu bedauern, dass das „dankbare Schlesien“, wie so oft, auch hierbei seine Theilnahme zurückhielt, so dass das 1. Heft (Druck und Verlag von A. Bial in Ohlau, 1843, 4°, mit 2 Tafeln nach Endler’s „‚Naturfreund“ recht gut

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382 Jahres - Bericht

ansgeführten, eolorirten Abbildungen) das einzige dieser Zeitschrift bleiben musste, deren Programm ein äusserst zweckmässiges war und in richtiger Einsicht viele Gegenstände bereits aufnahm, welche heut als selbst- verständlich in allen Zeitungen stabil sind. Auch dem theologischen Fache hat der Verstorbene seine Feder zugewandt; nicht allein dass er in der „schles. Gesangbuchfrage‘‘ mit einer Broschüre auftrat (‚Meine Meinung in dem schles. Gesangbuchstreite.‘“ 16 8. 8°. 0.0. u.J.), was ihm von gewissen Seiten übelgenommen ward, da es ihn als Katholiken nichts angehe; er verfolgte auch ein Streben, welches später in einem evangelischen Nicht- geistlichen unserer Stadt, dem Fabriken -Commissarius J. G. Hofmann, ebenfalls einen Vertreter gefunden hat, nämlich: die Bibel in einer dem heutigen Sprach- und Sachverständniss entsprechenden Weise neu zu über- setzen. Verwirklicht hat er dasselbe an dem Matthäus-Evangelium. (,,Die Heilsbotschaft, herabgebracht von Jesus Christus. Nach dem Berichte des Matthäus.“ 88 $. 8%. 1848, Druckort wie oben. Wie es scheint als ' Manuseript gedruckt.) Auch über die Unsterblichkeit hat er eine Schrift verfasst. Häufig trat er auch in der Tagespresse auf. Im Jahre 1841 erschien von ihm eine kleine Broschüre: „Abgerissene Gedanken über Land- und Stadtpöbel‘ (Breslau, Josef Max und Komp.). Handschriftlich hinterlassen hat er u. a. eine Anzahl Novellen.

Nicht zwar in der literarischen Welt, dafür um so energischer in der des praktischen Lebens bethätigte sich Max Simon, der am 19. März, dem Begräbnissdatum Nees v. Esenbeck’s, vom Nervenschlage hingerafft wurde, noch nicht 58 Jahre alt. Geboren war er zu Berlin am 9, Septbr. 1814. Erst 3 Jahre alt, verlor er (am 28. October 1817) den Vater, welcher Wirkl. Geh. Ober-Justizrath und Präsident der Ober-Examinations- Commission war. Max studirte 1833—36 evangelische Theologie, dann bis 1838 Jura, trat 1838 in den Staatsdienst, nahm 1846 die Stellung als Generalbevollmächtigter des Fürsten v. Pless mit dem Titel eines Kammer- Directors an, machte in dieser die schwere Zeit des Hungertyphus: in Oberschlesien durch, in seinem vielbeanspruchenden Wirkungkreise kräftig waltend, aus welchem er erst schied, als er durch das Jahr 1848 sich auf den politischen Kampfplatz gerufen sah und hieraus Differenzen ent- sprangen. Er trat in den Staatsdienst zurück, 1848—52 als Kreisrichter in Berlin und in Lübben, von wo er, indem er mit dem hiesigen Justiz- Rath Löwe tauschte, nach Breslau kam, dessen umfassende Praxis als Rechtsanwalt und Notar übernahm und den Titel „Justizrath“ erhielt.

Das Jahr 1848 sah ihn, vom Kr. Pless oder Wohlau-Steinau gewählt, in der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt a/M., wo er mit seinem Freunde und Vetter Heinrich Simon zum „linken Centrum“ oder der ‚sog. „gemässigten Linken“ gehörte, nach ihrem Versammlunglocale die „Fraction Westendhall“ und von Heinrich Laube „die Linke im Frack“

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genannt. Nachdem durch das feindliche Verhalten der östreichischen Regierung und den Separatismus der östreichischen Abgeordneten die Parteistellung völlig verschoben war, trat er mit mehren seiner Partei- genossen in den „März-Verein‘“, welcher, trotz jener Umstände, gegen das die Ausschliessung Oesterreichs aus Deutschland fordernde Programm des Ministeriums Gagern entschiedene Stellung nahm und die, späterhin auch von dem Gange der deutschen Geschichte verlassene, „grossdeutsche‘‘ Fahne festhielt. Dem tragisch endenden, im folgenden Jahre zwischen dem Parlamente und den Regierungen zum Ausbruch kommenden Con- fliete sah er sich entzogen durch einen längeren Urlaub, den er in Familien- Angelegenheiten zu nehmen gezwungen war. Auch während der Periode der „Wahlenthaltung“ seitens der demokratischen Partei lebte er nur seiner Familie, in deren Schoos. er, vermählt mit einer Tochter des nach den Maikämpfen als Flüchtling in der Schweiz sich aufhaltenden säch- sischen Bürgermeisters, nachmaligen Geh. Regierungrathes Todt, sich äusserst glücklich fühlte, und seinem Amtsberufe als einer der von allge- meinstem Vertrauen umgebenen, am meisten beschäftigten Rechtsanwälte dieser Stadt, wobei er an Bernhard Pflücker, welcher in Folge des politischen Umschwunges sein Amt verloren, einen ebenso geschickten, wie treuen und fleissigen Freund zur Seite hatte, bis dieser rehabilitirt und an’s Kreisgericht nach Bunzlau berufen ward. Mit dem Eintritt der Regentschaft des Prinzen von Preussen im Jahre 1858 erschien nebst seinen Parteigenossen auch Max Simon wieder auf der politischen Bühne, einer der Ersten, welche das Programm der ‚deutschen (preussischen) Fortschrittspartei‘“ mit unterschrieben (die, wie für spätere Leser vielleicht angemerkt werden darf, nicht identisch ist mit der nachmals weiter aus- gebreiteten Fortschrittspartei, namentlich nicht mit deren süddeutschen Gliedern, welche die preussische Führung gegen den Partieularismus der Klein- und Mittelstaaten verfochten). Die neue Partei begann ihre Lauf- bahn mit dem Sturz des liberalen Ministeriums der sog. „neuen Aera“ mittelst des Hagen’schen Antrages. Hier in Breslau schuf Simon durch sein persönliches Ansehen dem ,„Wahlvereine‘“ der Partei, den er be- ‘gründen und organisiren half, ein solches Uebergewicht, dass derselbe fast ein Jahrzehnt lang die Ergebnisse sämmtlicher hiesigen Wahlen be- herrscht hat, auch die communalen; die Stadtverordnetenwahl von 1862 änderte mit einem Schlage die Physiognomie der Stadtverordneten - Ver- sammlung dergestalt, dass an Stelle ihres langjährigen Leiters, des Land- schaft-Syndieus Justizrath Hübner, Simon selbst zum Vorsitzenden ge- wählt ward und dieses durch viele Jahre blieb. In dieselbe Zeit fällt die Nichtwiederwahl des Ober-Bürgermeisters Dr. Elwanger und die Wahl Hobrecht’s als dessen Nachfolger. Im Jahre 1862 ward $. vom östlichen Breslauer Wahlbezirk in’s Abgeordnetenhaus gesandt, wo er während der Conflietsperiode zu den vorragendsten Mitgliedern der Linken gehörte.

334 Jahres - Bericht

Aber auch sein Damaskus war nahe. ‚Mit Energie wendete er sich (sagt eine Zeitung seiner Parteifarbe, der wir überhaupt bei dieser Lebens-

skizze im Wesentlichen folgen) seit dem Dänischen Kriege und besonders

seit 1866, als die deutschen Pläne Bismarck’s deutlicher vorzutreten be- gannen, dem nationalen Gedanken zu. Simon, damals die Seele der Fortschrittspartei in Schlesien, dessen praktischen Anordnungen und Rath- schlägen die Parteigenossen sowol aus der eigentlichen Bürgerschaft als aus dem Arbeiterstande willig Gehör schenkten und thätigen Beistand liehen, erklärte doch, in den constituirenden Norddeutschen Reichstag ge- wählt, ohne Rücksicht auf den Verlust an Popularität bei seiner Partei sich für die Annahme der Norddeutschen Bundesverfassung und bethätigte sich dadurch als der bewusste und voraussichtige Parteimann, und heut haben die Partei und die ganze Nation ihm rechtgegeben.‘“

Anerkannt allseitig sind seine schöpferischen Leistungen für den Mechanismus der Stadtverordneten - Versammlung: er gestaltete deren Bureauwesen um und bestimmte sie zur Einführung des Drucks der Vor- lagen für und der Referate über die Sitzungen, wodurch jedem Mitgliede der zu verhandelnde Stoff klar und zugänglich und damit die Plenar- Berathung zu wahrhaft sachlichem Eingehen ausgerüstet ward, „ein nicht genug zu schätzendes Verdienst, dessen reife Früchte wir ernten‘ wie der Nachfolger im Vorsitz, Dr. Lewald, in den dem Hingeschiedenen gewidmeten Worten dankvoll anerkannte.

Mitglied der Gesellschaft war $. seit 1868; doch hat er die Sitzungen wohl nur äusserst selten besucht. Einer der am häufigsten unter uns Gesehenen hingegen, und der an Vorträgen Fruchtbarsten zugleich, Mit- glied seit 1860, war

Carl Eduard Schück, zuletzt Direetor der hiesigen königl. Strafanstalten. Geboren ward er am ‚25. Juni 1804 zu Brieg; seine höhere Schulbildung empfing er auf dem hiesigen Magdalenen-Gymnasium unter Manso, dessen Schüler gewesen zu sein er bis an sein Ende sich rühmte. Anfänglich Landwirth, hörte er später philosophische, juristische uud cammeralistische Vorlesungen auf hiesiger Universität und wusste aus dem Umgange mit Männern wie Winterfeld, Steffens, Braniss, Schall, Mosewius ete. geistigen Gewinn für sich zu ziehen. 1827 bei der hiesigen Regierung als Hilfsarbeiter ein- getreten, erwarb er sich bald des Ober-Präsidenten v. Merckel grösstes Vertrauen, ward in’s Präsidial-Büreau gezogen, als Begleiter auf dessen Dienst- und Inspections-Reisen und zu bedeutenden Geschäften und dif- fielen Commissionen verwandt, so 1830 während der polnischen Re- volution zu einer geheimen Sendung nach Warschau. Seit 1832 auf seinen Wunsch als Inspector an der Strafanstalt in Brieg angestellt, bewies er mehrfach grossen Muth, Energie und Geschäftstüchtigkeit und wurde durch seine Studien über das Gefängnisswesen mit Dr. Julius in Hamburg in

Pe, we

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Verbindung gebracht, zu der von der preussischen Regierung damals eifrig betriebenen Erörterung über die Frage der „Einzelhaft‘‘ heran- gezogen und wiederholt in Berlin commissarisch bei der Bearbeitung der- selben beschäftigt, so dass er an der unter Friedrich Wilhelm IV. in dieser Richtung durchgeführten Reform des Gefängnisswesens einen nicht unbedeutenden Antheil hat. Im Jahre 1842 wurde er Director des Cor- rectionshauses zu Schweidnitz, 1856 des Moabiter Zellengefängnisses, 1860 der nach den Geschlechtern getrennten beiden Strafanstalten in Breslau. Bereits in den ersten Fünfzigerjahren fand seine organisatorische Tüchtigkeit Anerkennung durch den Auftrag, die in ökonomische Zer- rüttung gerathene Berliner Krankenanstalt ‚„‚Bethanien‘ zu revidiren. Ob- wohl ihm in Moabit hätte Gelegenheit geboten sein können, seine theore- tischen Ansichten an der grossen, trefflich eingerichteten Anstalt im un- mittelbarsten Verkehr mit dem höchsten Leiter des preussischen Gefänguiss- wesens, dem Dr. Wichern, zu verwerthen, so scheint: doch das Zu- sammenwirken mit den Brüdern des ‚„Rauhen Hauses‘ etwas von dem Dornigen einer Doppelregierung an sich getragen zu haben, so dass Sch. mit Freuden in seine heimathliche Provinz zurückkehrte, wo er nun vor unseren Augen eine nicht ermüdende, äusserst vielseitige, aber von ein- heitlichem, individuellem Geiste getragene Thätigkeit entfaltet hat. Ver- wandt mit Dem, was das Amt ihm nahebrachte: dem Bemühen für Besserung oder Einschränkung des Bösen und seiner Einflüsse, sind seine Bestrebungen für ‚‚Rettunghäuser“ zur Aufnahme verwahrloster Jugend (wiederholt übernahm er die Einrichtung und Revision solcher), für die Besserung und Unterstützung entlassener Strafgefangenen (er gehörte dem Provinzialausschuss hierfür an, leitete den evangelischen Localverein und gründete aus mühevoll zusammengebrachten Mitteln ein kleines Asyl für entlassene weibliche Sträflinge), für ‚innere Mission“ (auch zugunsten dieses Vereins hielt er fast jeden Winter einen Vortrag), für die Pflege der Kostkinder (einer der kräftigsten Betreiber für Gründung des bezüg- lichen Vereins in unserer Stadt war wiederum er). Und so noch Manches! Der Entwickelung des Gefängnisswesens mit unablässiger Aufmerksamkeit folgend, blieb er auf diesem Gebiete stets eine Autorität, deren Rath man nach allen Seiten hin in Anspruch nahm. Seine Schrift: „Die Einzelhaft und ihre Vollstreekung in Bruchsal und Moabit‘ war Folge eines königl. Commissoriums. Mehre Auflagen bereits hat sein von der rheinisch- westfälischen Gefängniss - Gesellschaft preisgekröntes „Handbuch für Ge- fangen-Aufseher“ erfahren. Auch bei den Bearbeitungen des Strafgesetz- buches wurde sein Gutachten gefordert und er lieferte hierfür, wie zu manchen ähnlichen Vorarbeiten, umfassende, sacheindringende Denk- schriften.

Das ist aber nur eine Richtung seines vielseitigen literarischen Wir- kens. Die schlesische Geschichte, meist in Verknüpfung mit der preussischen,

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die Biographik, viele in seinen, aus Obigem sich kennzeichnenden Ge- dankenkreis schlagende eulturhistorische Gestaltunggruppen verdanken ihm werthvolle Arbeiten, welche ebenso durch Ermittelung neuer thatsächlicher Momente und Gesichtspunkte, wie durch geistvolle Eigenart der Auffassung und Darstellung sich auszeichnen. Ebenso aber regte er die Feder für die verschiedensten Gegenstände juridischen, socialen, ecommunalen, volks- wirthschaftlichen, überhaupt gemeinnützigen Belanges, und überall geschah dies auf der Grundlage eingehendster Sachkenntniss, wobei ihm eigene praktische Erfahrungen in und ausser dem Amte reichen Stoff in die Hand gaben, während seine Studien und Vorarbeiten ein fabelhaftes Gedächtniss unterstützte, das ihn gesuchte Stellen in Schriften oft mit dem ersten Auf- schlagen wiederfinden liess. In Vorträgen, in Zeitungen und Zeitschriften, selten nur in besonderen Flugschriften hat er die Resultate seiner Arbeiten niedergelegt; die Jahresberichte und Abhandlungen unserer Gesellschaft, die Zeitschrift des Schles. Geschichtvereins, die jetzigen wie die früheren „Schles. Provinzialblätter‘‘, die „‚Schles. Chronik‘ und die „‚Schles. Zeitung“ sind reich an Aufsätzen von ihm, oft anonym, oft unter dem aus seinen Namen-Anfangs- und Endbuchstaben gebildeten Pseudonym „‚Eska“. Beson- deres Aufsehen weithin erregte seine „Magna peccatric“ (Provzbl. U. 1863). Seine „Schlesische Landschaftfrage‘‘ (1937) war durchschlagend in dem langjährigen, meist in den „Provinzialbl.‘ geführten bezüglichen Streite, an welchem, in ebendieser Zeitschrift, auch der Ober-Präsident v. Merckel regen Antheil nahm. Ein Verzeichniss über seine durch fast ein ‘Jahr- fünfzig zurückreichenden, in dieser Weise zerstreuten literarischen Produete hat er leider nicht geführt. |

Die politisch bewegte Zeit von 1848 sah ihn in den Reihen der „eonservativen‘““ Partei kämpfen, in denen er auch verblieb, jedoch mehr und mehr in oppositionelle Stellung gedrängt, mehr und mehr sich von der Debatte zurückziehend und nur bei besonders wichtigen Gelegenheiten noch gewissenhafterweise für seine Ueberzeugung das Wort ergreifend, welche auf dem Boden reicher, unbefangener Lebensbeobachtung erwachsen, sich mit unfruchtbarer retrospeetiver Verneinung nicht befriedigt sehen konnte, sondern gesunde, wahrhaft sachgemässe reale Gestaltungen an- gestrebt wissen wollte. Die Ideen des grossen Staatsmannes v. Stein und deren lebenvolle Consequenzen waren für ihn das wahrhaft „Con- servative‘“, und er kämpfte dafür mit documentären Nachweisen aus Schriften und historischen Thatsachen gegen Unkenntniss und Missverstand der oberflächlichen Nachbeterei auf beiden politischen Seiten.

Von strenger Religiosität, ohne Schärfe gegen Andersmeinende, wenn vielleicht nicht immer im Urtheil, doch gewiss im Umgange und in jeder menschlichen Beziehung, allezeit dienstwillig zu Rath und That, von feinen Formen, anspruchslosen Auftretens, zu jedem guten Thun nach bester Ueberzeugung stets bereit so ist das Bild, das sich uns von ihm ein-

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geprägt, ein durchaus freundliches, und sein Hinscheiden hinterlässt eine schmerzlich fühlbare Lücke.

Ein früherer Mitbürger unserer Stadt, wenigstens während der Winter- Semester, war der Geh. Sanitätsrath Dr. Preiss, Mitglied seit 1831. Er wurde am 19. September 1803 in Zülz, einem kleinen oberschlesischen Städtchen, geboren.*) Mit grossen Anstrengungen, wahrhaft rührender Hingabe und einer schon früh entwickelten rastlosen Energie hat er sich zu seinem Ziele hinanzuarbeiten gewusst aus dem Schoosse einer zahl- reichen, wenig mit materiellen Mitteln gesegneten Familie, für deren bessere Lage er schon als Knabe thätig zu sein sich bemühte. Sein erster Wissensdrang erhielt in der mit einigen Klassen für die reifere Jugend ausgestatteten Elementarschale und in dem durch einen fran- zösischen Gefangenen ihm ertheilten Unterrichte in dessen Muttersprache einige Nahrung. Er machte rasche Fortschritte und ward ganz besonders als Kalligraph bewundert. Noch nicht 13 Jahr alt, wagte er sich in die Hauptstadt, und es gelang ihm hier, zunächst durch die obengenannte Fertigkeit mittelst Stundengebens sich Unterhalt zu erwerben. Nach kurzem trat er in die königl. Wilhelmsschule, nahm aber, obwol bereits nach 2 Jahren für die Gymnasial-Tertia herangereift, eine Stelle in einem Bangniergeschäft an, daneben fort und fort Latein, Griechisch und andere Gymnasialfächer betreibend, bis nach 3 Jahren ihm die angesparte Summe von 200 Thlrn. genügend däuchte, seine wissenschaftliche Laufbahn wieder aufnehmen zu können, Er trat in die Secunda des Matthias-Gymnasiums, legte 1826 seine Abiturientenprüfung ab und bezog Michaelis die hiesige Universität, zuerst in der Absicht, sich der juristischen Laufbahn zu widmen; bereits im 2. Semester aber wandte er sich zur Mediein, setzte 1827 dies Studium in Berlin fort, wo er 1830 das Doctor-Examen (4. Jan.) und das Staats-Examen ablegte. Sodann liess er sich in Breslau als praktischer Arzt und Geburtshelfer nieder und wirkte hier, namentlich auch als Armen-Arzt thätig, bis 1839. Während dieser Zeit trat er zum christ- lichen Bekenntniss über. In letzterem Jahre wurde er als Badearzt nach Warmbrunn berufen, in welcher Stellung er bis an sein Lebensende mit vollster Hingebung gewirkt hat. Seinen Winteraufenthalt nahm er zuerst durch mehre Jahre als praktischer Arzt und Geburtshelfer in Hirsch- berg, dann aber wieder in Breslau, von wo er ihn, nach dem 1853 er- folgten Tode seiner Gattin, 1856 nach Berlin verlegte.

Als im Jahre 1865 das Militär-Kurhans in Warmbrunn gestiftet wurde, übernahm er freiwillig und ohne jede Vergütung die Leitung der Anstalt,

*), K. G. Nowack’s „Schles. Schriftsteller-Lexikon‘‘ nennt den 10. September 1804 als Geburtsdatum, giebt überhaupt meist andere Jahreszahlen an, als die obenstehenden auf Familienmittheilung beruhenden.

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auch in den Kriegsjahren 1866 und 1870/71 stand er ihr vor, als daselbst ein Reserve-Feldlazareth eingerichtet wurde, und lehnte ebenfalls jede Remuneration dafür zugünsten der Anstalt ab. Beide Male war er dem- zufolge genöthigt, bis tief in den Winter hinein in Warmbrunn zu bleiben. Die ungemein angestrengte Thätigkeit der letzten Jahre hatte ihn aber auch stark angegriffen, und ihr ist es wohl mit zuzuschreiben, dass sein bis dahin völlig kräftiger Körper einem plötzlich auftretenden Magenleiden so rasch erlag. In Anerkennung seines Wirkens ward ihm, nächst mehren ÖOrdens-Decorationen (die Denkmünze für Nichteombattanten 1870/71 noch nach seinem Tode), der Titel Sanitäts- und Geh. Sanitäts- Rath (1844 und 1858), sowie die Mitgliedschaft mehrer auswärtiger medieinischen und naturwissenschaftlichen Vereine (derer zu Königsberg, Leipzig, Dresden und für Grossh. Baden) zutheil. In unserem Schles. Geschichtvereine war er wirkliches Mitglied seit 1847. Auf wissenschaft- liche Arbeit und fortgesetztes Studinm wandte er gewissenhaft die grössere Musse der Winterszeit, und so hat das bei Nowack (H. VI. $S. 102) gegebene, im Jahre 1842 abgeschlossene Verzeichniss seiner literarischen Leistungen einen Zuwachs zu erfahren; es erschienen seitdem: 1. Die klimatischen Verhältnisse des Warmbrunner Thales und deren Einfinsg auf Gesundheit und Kranklıeit. Breslau, 1843, 2. Die neuere Physiologie in ihrem Eiodnese auf die nähere Kenntniss des Pfortadersystems im gesunden und kranken Zustande. Breslau, 1844. 3. Der Kurort Warmbrunn, seine warımen Schwefelquellen und die ihnen zu- gehörigen Heilanstalten. Ein Führer und Leitfaden für den Kurgast mit besonderer Rücksicht auf Diätetik. Breslau, 1850.

Diverse Aufsätze über allgemeine balneologische Beobachtungen, über die schlesischen Bäder und über Warmbrunn speciell finden sich in den Jahrgängen 1841—1850 der Casper’schen Wochenschrift für praktische Heilkunde. Aus den letzten Jahren enthält die „Berliner Klinische Wochenschrift“ die Berichte über die Kurmittel Warmbrunns.

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Mitten in die Welt strenger Wissenschaft hinein ruft uns der Lebens- gang von Dr. Carl Ferdinand Kampmann, welcher, geboren 1803 am 9. Juni zu Bromberg, das dortige Gymnasium besucht und von Michaelis 1821 ab 2 Jahre in Breslau, dann 1'/, Jahr in Leipzig Philologie studirt, sodann dort 2'/, Jahre privatisirt und während dessen namentlich der Druck-Correetur altklassischer Werke obgelegen hat. Nachdem er von Michaelis 1827 ab am hiesigen Magdalenäum als Candidat unterrichtet, ward er Ostern 1823 an der königl. Kreisschule in Fraustadt interimistisch angestellt, Ostern 1829 als Collaborator an das Gymnasium zu Oels als Hilfslehrer berufen, wo er 1830 (in welchem Jahre er auch bei der Breslauer Universität promovirte) vierter, nicht lange darauf dritter College wurde. Im Jahre 1837 oder 1838 ward er in die dritte Professur am Elisabetan berufen, Michaelis 1862 nach Weichert’s Tode Proreetor und zweiter Professor daselbst Mitglied unserer Gesellschaft war er seit 1847.

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Eine längere Reihe von Jahren nahm er den Platz eines ‚Meisters vom Stuhl“ der hiesigen ‚‚drei vereinigten Logen‘ ein.

Seine literarischen Arbeiten beziehen sich auf Plautus und griechische Syntax; eine der.letzten war ‚‚de usu conditionalium enunciationum Homerico“. Frühere sind bei Nowack (H. Il. S. 82) verzeichnet. Auch der pol- nischen Sprache und dem Unterrichte in derselben lag er ob und verfasste ein bezügliches Lehrbuch.

Einer unserer Getreuesten, Mitglied schon seit 1834, fleissig, wie auf anderen Feldern gemeinnützigen Arbeitens, so auch in unserer pädago- gischen Section, die er durch viele, bisweilen etwas lehrhaft lang- gesponnene, aber stets anregende, kernigen Gehaltes volle und von der redlichsten Gesinnung getragene Arbeiten erfreüt hat, war Johann Gottlieb Stütze. Er ist geboren am 2. Octbr. 1804, besuchte das Breslauer evang. Seminar, kam Ostern 1825 als 3. Lehrer an die hiesige evangelische Elementarschule Nr. II, wurde 1827 Lehrer der damaligen einklassigen Freischule Nr. III. (Bischofstrasse, ‚Stadt Rom‘), welche am 1. November 1847 zur zweiklassigen Elementarschule Nr. XIII. umgewandelt worden ist. Seit 1849 war er Hauptlehrer an der evang. Elementarschule Nr. Il. Seine Collegen wissen ihn nicht anders, denn einen treuen, pünktlichen, in jeder Beziehung gewissenhaften, mit Lehrgeschick reich begabten Lehrer zu rühmen, der wacker mit seiner Zeit fortschritt, vorhandene Lücken des Wissens mit Fleiss auszufüllen suchte und viel „mit der Feder las‘. Als Mitglied des „jüngeren Lehrervereins“, dem er bis zu seinem Tode angehörte, förderte er alle besonnenen Bestrebungen der nachwachsenden Lehrerschaft und nahm regen Antheil an den freien Bewegungen, die auf dem Gebiete des Volksschulwesens stattfanden. Nie war er ein Freund der Stiehl’schen Schulregulative.

Besonders verdienstlich hat er sich gemacht durch die in Gemein- schaft mit Pax gegründete, am 4. Januar 1829 eröffnete ‚‚Sonntagsschule für Handwerkslehrlinge“, die er bis 1865 allein leitete, dann aber, nach ihrer nöthig gewordenen Theilung in A. und B., in Gemeinschaft mit dem ältesten Lehrer der Anstalt, dem Hauptlehrer H. Hoffmann, bis Ende 1867. Unermüdet war er, sowol in directem Wirken, wie durch die gedruckten Prüfungberichte, durch Vorträge im „Gewerbevereine“, dessen langjähriges Mitglied er ebenfalls war, sowie durch Aufsätze in Zeitungen für eine regere Benutzung der Lehrlingsschulen einzutreten, von deren Nothwendigkeit zu überzeugen, die Lethargie und das Vorurtheil der Hand- werksmeister zu brechen.

Von geselligem Verkehr, auch mit Collegen, hielt Stütze mit Con- sequenz sich fern, sobald derselbe nur den mindesten Anspruch an Kosten- aufwand machte. In seinem häuslichen Kreise, dem er sich in amts- und arbeitfreier Zeit ganz widmete und wo er dann stets zu finden war,

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fühlte er sich am wohlsten. Gerade hier traf ihn der empfindlichste Schlag, indem ihm sein Sohn Max, ein talentvoller junger Mann, der bereits zum Regierungs-Secretär sich aufgearbeitet, beiläufig einer der fertigsten Stenographen, vor einigen Jahren entrissen ward. Von da an beseelte ihn sichtlich nicht mehr die altgewohnte Spannkraft.

Der Erfüllung seines sehnlichen Wunsches: das 50jährige Amts- jubiläum feiern zu können, ist Stütze leider so wenige Jahre vor Er- reichung des Zieles entrückt worden. |

Stütze war ein grosser Naturfreund, bedeutender Sammler von Con- chylien und liebte die Musik, wie er denn auch bis zu seinem Tode das älteste, weun auch seit vielen Jahren nur zuhörende Mitglied der „Sing- Akademie‘‘ gewesen ist.

Seine in Druck gekommenen literarischen Arbeiten sind durch das folgende Verzeichniss nicht erschöpft, ungerechnet die verstreuten Aufsätze.

1. Gebete für christliche Volksschulen. 2. Gesangbuch für Schulfeste, eine Sammlung von 284 Liedern. Breslau 1840, Weinhold. 3. Methodisch geordnetes Aufgabenbuch zum Unterricht im deutschen Stil (in Gemeinschaft mit Gutsche und Geppert herausgegeben). Ebenda 1841. 4. Beiträge zur deutschen Stylistik des 19. Jahrhunderts. 1844. Selbstverlag. (2 oder 3 Heftchen von Styl-Monstrositäten, zumtheil höchst komischen, aus Zeitungen, Annoncen, Briefen u. .dgl. gesammelt, nicht allein zur Er- heiterung, sondern auch mit pädagogischem Zwecke.) 5. Sammlung deutscher Gedichte zum Vortrage für Kinder von 7 bis 9 Jahren (mit Geppert zusammen). 6. Ansprachen zur würdigen Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Königs (mit Beiträgen hiesiger Lehrer). . Ueber den weiblichen Handarbeit-Unterricht in den Volksschulen. (Vortrag, gehalten in der pädag. Section der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.)

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Ein gleichfalls in verschiedenen Lebenskreisen, obschon weniger in unserer Gesellschaft thätiges Mitglied war (seit 1865) Heinrich Eduard Thiele, ein geborener Breslauer, der am 7. April 1798 das Licht der Welt erblickte. Nach dem Tode seines (im Jahre 1803 verstorbenen) Vaters, des Medicinal-Assessors Thiele, ward er von seinem Onkel, dem Propst Rahn an der hiesigen Bernhardinkirche, erzogen. Er besuchte das Elisabet-Gymnasium und absolvirte das Abiturienten-Examen gerade zu der Zeit, als der Aufruf des Königs zu den Waffen erging. In den Jahren von 1813—15 kämpfte er mit für die Befreiung des Vaterlandes, und zwar bei den schwarzen (Todtenkopf-) Husaren. Erst nach dem „weiten Friedenschlusse studirte er weiter, zuerst hier, dann in Jena. In Leipzig ward er zum Doetor der Philosophie promovirt. Verluste mancherlei Art nöthigten ihn jedoch, die eingeschlagene juristische Lauf- bahn zu verlassen und eine Anstellung beim Ober-Bergamte in Brieg zu suchen. Von hier aus wurde er als Berg-Zehntner nach Eisleben ver-

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setzt, 1846 aber nach Halle an das Ober-Bergamt berufen, wo er als Revisions- und Rechnungsrath thätig war. Eine Augenkrankheit, die er in seinem Berufe sich zugezogen, nöthigte ihn, sich pensioniren zu lassen, und nahm er nun seinen Wohnsitz zu Dresden. Im Jahre 1854 aber zog er nach seiner Vaterstadt Breslau. Er betheiligte sich hier mit leb- haftem Interesse, auch mit Wort und Feder, bei der Bergbaugesellschaft „Minerva“, dem Stadttheater - Unternehmen, der damals neugegründeten „Gorkauer Societäts- Brauerei“, bei Eisenbahnfragen und Aehplichem, sowie überhaupt an Bestrebungen öffentlichen, communalen oder politischen Charakters. Dem Gewerbevereine war er ein ziemlich reges Mitglied und auch im Schles. Geschichtvereine gab er Mittheilungen und Vorträge. An gedruckten literarischen Arbeiten ist nur die zum Besten der Victoria- Invaliden-Stiftung herausgegebene „Belagerung Breslaus 1806 und 1807 bekannt, welche auf einem in seinen Händen befindlichen Tagebuche seines Vaters aus jener Zeit beruht, jedoch nicht ganz oline Einflechtungen aus dem von Major Mente in den „Provinzialbl.“ (V. 1866, Maiheft u. ff.) mitgetheilten Belagerung-Tagebuche sein dürfte.

Sehr viele wolthätige Anstalten werden sein Scheiden en da er mit freudigem Herzen sein mildthätiges Scherflein beitrug. Mit Dransane aller seiner Kraft widmete er sich 1866 dem hiesigen Lazarethwesen.

Noch einen Veteranen aus den Freiheitkriegen, zugleich einen Veteranen des Breslauer Buchhandels begruben wir in Carl Ruthardt, der von 1853 bis 1869 Mitglied der Gesellschaft gewesen. In Langenbielau bei Reichenbach 1796 am 5. Februar ist er geboren; er besuchte die Schule zu Reichenbach, begann 1810 in Breslau als Handlungslehrling seine Laufbahn, trat 1813 als Freiwilliger bei den Garde-Jägern ein, ward 1815 zum Lieutenant avanecirt. Dann seinem bürgerlichen Berufe weiter folgend, wurde er 1822 Compagnon der Max’schen Buchhandlung, in welcher er bereits längere Zeit vorher beschäftigt gewesen. Im Jahre 1842 wurde er Mitbegründer einer der frühesten unserer schlesischen Eisenbahnen, der Breslau-Schweidnitz-Freiburger, und fungirte bis 1868 als Vorsitzender ihres Direetoriums. 1849 ward er in die Stadtverordneten- Versammlung gewählt.

Das Jahr 1848 fand ihn in den vordersten Reihen der conservativen Partei, deren Banner er in strietester Observanz stets festgehalten hat.

Im Jahre 1368 setzte er, andrängender Altersschwäche weichend, seiner bie dahin unermüdlichen Thätigkeit bei der Eisenbahn und Buch- handlung ein Ende, gab mit schwerem Herzen die langjährigen Be- schäftigungen auf und zog sich von allem öffentlichen Wirken zurück. Am verwichenen 18. December schied er still und friedlich aus diesem Leben.

Einen Veteranen der Buchdruckerkunst, dessen Familien-Antecedentien bis in die Anfänge der letzteren hinaufreichen und mit der Geschichte der

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geistigen Entwickelung unserer Stadt nahe verknüpft sind, haben wir zu

verzeichnen in dem Chef der alten Firma „Grass, Barth und Comp.“

Christian Wilhelm Friedrich wurde am 13 Juni 1798 zu Berlin geboren. Schon am 12. November 1812 trat er auf besonderen Wunsch seines Onkels, des seiner Zeit so bedeutenden und angesehenen Johann August Barth, in die demselben gehörige, seit dem Jahre 1504 in Breslau be- stehende Stadt- und Universitäts-Buchdruckerei ein, wo er unter Barth’s Leitung Gelegenheit fand, sich die gründlichsten Fachkenntnisse anzueignen. Nach Johann A. Barth’s Tode, von welcher Zeit an dessen Schwager, ein höchst gewandter und gebildeter Buchdrucker, Carl Sigismund Zäschmar,*) das alte Geschäft fortführte, wirkte Friedrich als Factor unermüdlich nach dem Beispiele seiner Vorfahren. Nach Zäschmar’s Tode übernahm Wilhelm Friedrich im Jahre 1842 die selbständige Leitung des Geschäfts. Dürch Anknüpfung von Verbindungen der mannigfachsten Art gelang es ihm, bei umsichtiger Leitung, verbunden mit grösster Vor- sicht, dem alten ehrwürdigen Unternehmen seiner Vorfahren einen immer höheren Aufschwung zu geben und dasselbe zu gegenwärtiger Blüthe emporzubringen. Er hatte das seltene Glück, in vollster Rüstigkeit und jugendlicher Geistesfrische das goldene Geschäfts-Jubiläum und wenige Tage vor seinem Hinscheiden das diamantene zu feiern, was keinem seiner. Vorfahren, welche seit 1504 das Geschäft inne hatten, vergönnt war. Sanft entschlief er am Abend des 23. November und wurde unter allgemeiner T'heilnahme neben seinem kaum 3 Wochen früher verstorbenen geliebten jüngeren Bruder Adolf zur letzten Ruhe bestattet. Mitglied unserer Gesellschaft war er seit 1853.

Eine im öffentlichen Wirken wolbekannte Breslauer Persönlichkeit war der frühere Inhaber der „Mohren-Apotheke‘“, Gustav Gerlach. Ge- boren ward er den 25. Mai 1799 zu Frankfurt a/O., wo er seine Jugend- zeit verlebte und seine Schulbildung genoss, zuletzt auf dem dortigen Gymnasium, welches er von der Sexta an besuchte. Von Natur aus be- gabt und mit Lerubegierde ausgestattet, hatte er bereits im Frühjahre 1812 die Secunda erreicht. Das Jahr 1813 aber, welches die Mehrzahl der Schüler der beiden Oberklassen zu den Waffen berief und somit die Schliessung derselben herbeiführte, nöthigte Gerlach, der wegen seiner zu grossen Jugend mit den wenigen anderen Kriegsuntüchtigen zurückbleiben musste, zum Abbruch seiner Studienlaufbahn und zum Ergreifen eines anderen Berufszweiges; und so wandte er sich der Pharmazie zu. Nach beendeter vierjähriger Lehrzeit in Frankfurt trat er in die „Hof-Apotheke‘“ zu Berlin ein und hörte sodann drei Jahre an dortiger Universität phar-

*) Vergl. über Diesen den, seinem im Jahre 1869 gestorbenen Sohne Carl Z. gewidmeten Nekrolog im 47. Jahresberichte der Gesellschaft.

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mazeutische und dem verwandte Vorlesungen, bestand darauf die Staats- prüfung mit Nr. I., conditionirte längere Zeit in Dresden und in Liegnitz, ward 1829 als Administrator in die hiesige ‚‚Mohren - Apotheke“ be- rufen, deren Eigenthümer, Medieinal-Assessor Fischer, gestorben war, und trat 1830, nachdem er sich mit der Wittwe desselben vermählt, in den Besitz dieser Officin, der er nun weitere 24 Jahre vorstand, bis er sie 1854 verkaufte. Im Jahre 1830 wurde er als pharmazeutischer Assessor in das schlesische Regierungs-Medieinal-Collegium berufen, bald auch zum Stadtverordneten, dann zum Stadtrath gewählt, in welch’ letz- terer Eigenschaft er durch lange Jahre Vorsteher des städtischen Arbeit- und Armenhauses, sowie des Claasseu’schen Siechenhauses war, insbesondere aber während der Choleraperioden die öffentlichen Schutzmassregeln zu ergreifen und zu überwachen hatte. Bis zu seinem Hinscheiden blieb er Vorsitzender des ‚‚Vereins zur Heilung armer Augenkranker‘. Mitglied der „‚Schles. Gesellschaft“ war er schon seit 1832.

Mitten in ein Leben der Praxis hinein wendet unseren Blick Carl Friedrich Gierth, am 15. September 1807 zu Posen geboren, jedoch früh- zeitig schon mit seinem Vater nach Breslau gekommen, wo er eine mässige Schulbildung genoss und alsdann sich dem Weingeschäft widmen durfie. Seit 1835 etablirt und mit seinem Collegen Schmidt, der nach Presburg übersiedelte, associirt, hat Gierth durch rastloses Streben, durch Intelligenz und Verständniss sein Weingeschäft auch hier zu einer ge- wissen Höhe gebracht und sich ein rühmliches Vertrauen bei seinen Fach- genossen wie auch bei den Consumenten erworben. Im Jahre 1864 er- hielt er die Titel eines königl. Commereienrathes und eines Hoflieferanten Sr. Majestät des Königs. Lange Jahre war er Stadtverordneter, sowie Curator der städtischen Sparkasse, Mitvorstand der Elisabetkirche und stellvertretendes Mitglied bei den Aeltesten der alten Kaufmannschaft („Verein christlicher Kaufleute‘); ferner Directorial-Mitglied der Breslau- Schweidnitz - Freiburger Eisenbahn - Gesellschaft, Verwaltungsrath - Mitglied der Rechte- Oder-Ufer-Bahn und mehrer anderer industrieller Gesell- schaften. Unserer ‚Vaterländischen‘‘ gehörte er seit 1866 an. Den Be- strebungen des Vereins für schlesische Alterthümer schenkte er, wie wir glauben, einiges Interesse. Gierth hat sich in diesen Aemtern, wie im pri- vaten Leben bei seinen Mitbürgern Werthschätzung und ehrendes An- denken erworben, da er Vielen ein Freund und treuer Berather und Manchem ein edler Wolthäter war.

Nun weiter zu Denen, welche ausserhalb unserer Stadt zur Ruhe gebettet sind!

Ferdinand Carl Louis Hans Heinrich von Bohlen, Mitglied seit 1854, stammt aus einer der ältesten pommerschen Familien. Noch heute giebt es Freiherren v. Bohlen zu Bohlendorf auf Rügen. Das Familienwappen

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stimmt mit dem der Insel Rügen überein. Er ward zu Lerchenborn bei Lüben geboren am 7. Juli 1802 als der älteste Sohn des Hrn. Carl Christian Ferdinand v. B., welcher ausser dem Majorate Lerchenborn nebst Bohlen- dorf die Güter Mühlgast, Kattern, Guhlau in Schlesien besass und ausser- dem Tertialbesitzer von Kräplin in Pommern war, Der Verstorbene war der 4, Besitzer dieses Majorats.

Seine Kindheit fiel in die Kriegsjahre. Die Familie war vor den Franzosen nach Pommern geflohen, das Majorat kam in die Hände treu- loser Verwalter, das nicht unbedeutende Vermögen war nach dem Kriege ruinirt. Als Knabe war er mehre Jahre im Hause des Pastor Schink zu Gross-Krichen, der als 88jähriger Emeritus seinen Zögling noch über- lebt hat. Von seinem 16. bis 19, Jahre besuchte er die Ritter-Akademie in Liegnitz und genügte dann als Einjährig-Freiwilliger seiner Militärpflicht. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1827 übernahm er das Majorat nebst dem pommerschen Gute Kräplin. Die Einkünfte des letzteren mussten dazu dienen, das sehr devastirte Majoratsgut zu heben. Er hat dies mit grossen Opfern zustandegebracht, und es gelang ihm nur durch die äusserste Sparsamkeit. Im Gegensatze zu seinen Vorfahren hatte er die einfachsten Bedürfnisse. Es gehörte zu seinen Eigenheiten, in äusserster Zurückgezogenheit zu leben; mit Ausnahme von ein paar Reisen nach Warmbrunn hat er wol 50 Jahre lang sein Haus und seinen Garten fast niemals verlassen, viele Insassen seiner Güter haben ihn nie gesehen. In seiner tiefen Einsamkeit beschäftigte er sich mit Büchern. Er hat eine ansehnliche Bibliothek mit zumtheil kostbaren Werken gesammelt und besass ungewöhnliche geographische und ethnographische Kenntnisse. In früheren Jahren oft krank, zumal leberleidend, hat er, Dank der treuen Pflege seiner Gattin, doch ein Alter von 70 Jahren erreicht. Er starb ganz plötzlich, vom Schlage getroffen. Mitglied der Gesellschaft war er seit 1854.

Ignaz Franz Josef Maria v. Olfers ist um 1793 zu Münster geboren. Wir sehen ihn zuerst 1816 als praktischen Arzt, darauf als Legations- Secretär bei der preussischen Gesandtschaft zu Rio de Janeiro, später als Geschäftsträger zu Neapel, dann als Legaiions-Rath im auswärtigen Ministerium, endlich als General-Direetor der königl. Museen in Berlin und Wirklichen Geheimen Rath; seit dem 4. Januar 1837 ist er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, sowie Mitglied der kaiserl. Leopold.-Karol. Akademie der Naturwissenschaften, der General- Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunstdenkmäler in Berlin; seit 1841 Ehrenmitglied der Akademie der Künste zu Berlin, Ritter des Rothen Adler-Ordens 1. Klasse und 9 ausländischer Orden. Vermählt war er mit einer 'T'ochter des Geh. Rathes v. Stägemann. Zuletzt ausser Dienst getreten in Folge des bekannten Confliets wegen misslungener

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Restauration eines Gemäldes, der die schon früher angesammelte Opposition zum Obsiegen brachte, starb er am 23. April 1872 in Berlin. Das Ver- zeichniss der von ihm veröffentlichten Arbeiten ist nieht unbedeutend:

De vegetativis et amimatis Corporibus in Corporibus amimatis reperiundis. Berol. 1816 ec. tabb. Ueber eine neue Art Seeblase, Physalia producta M. (mit 1 Tafel), in d. „Abhandl.“ d. kgl. Akademie der Wissensch. zu Berlin 1820—21, 5. 347—356. Ueber die grosse Seeblase (Physalia Arethusa) und die Gattung der Seeblasen im Allgemeinen (m. 2 Tafeln), ebenda 1831, $. 155—200. Die Ueberreste vorwelt- licher Riesenthiere in Beziehung zu Ostasiatischen Sagen und Chinesischen Schrif- ten, ebenda 1839, S. 51—79. Ueber die Lydischen Königsgräber bei Sardes und den Grabhügel des Alyattes nach dem Berichte des k. General-Consuls Spiegelthal zu Smyrna (mit 5 Tafeln), ebenda 1858, 8. 539—556. Ueber ein Grab bei Kumä und die in demselben enthaltenen merkwürdigen Bildwerke mit Rücksicht auf das Vorkommen von Skeleten unter den Antiken (mit 5 Tafeln), ebenda 1830, S. 1 bis 48, und daraus besonders abgedruckt, Berlin 1831, gr. 4°. Mit Steintaf. in Fol. Ueber den Mordversuch gegen den König Joseph von Portugal am 3. September 1758, in d. Abhandl. der Akad. d. Wissensch. 1838, S. 273—360. Leben des standhaften Prinzen. Nach der Chronica seines Geheimschreibers F. Joann. Alvares und anderen Nachrichten. Berlin und Stettin 1827. Die Gattung Torpedo in ihren naturhistorischen und antiquarischen Beziehungen. Berlin 1831. 4°.

Mit gerechtem Stolze zählen wir den Mann, den wir jetzt zu nennen haben, unter unsere Ehrenmitglieder: den Freiherrn Hans Philipp Werner Christian Gottlob Franz von und zu Aufsess. Die Kenntniss und Pflege der Geschichte deutscher Art und Kunst verdankt seinen grundlegenden Bemühungen eine grosse nationale Anstalt, das „Germanische Museum“ zu Nürnberg. .,,Wenn in den deutschen Landen ein Mann war, der durch seine rastlosen und aufopfernden Bestrebungen für vaterländische Ge- schichte und Alterthumskunde den Dank seiner Nation verdiente, so war es dieser ächt deutsche Mann, der edle Förderer und Beschützer deutschen Wesens und deutscher Geistesart.‘“

Geboren ward er am 7. September 1801 zu Aufsess, dem Stamm- sitze seines Geschlechts im baierischen Kreise Oberfranken. Durch tüchtige Lehrer vorbereitet, bezog er 1817 die Universität Erlangen, ward dort 1822 zum Dr. juris promovirt, arbeitete dann einige Zeit im Staatsdienste, übernahm aber später die Verwaltung der grossen Güter seiner Familie und widmete dabei den grössten Theil seiner Zeit geschichtlichen, rechts- historischen und anderen Studien, gab 1828 eine Schrift über ‚das Lehn- wesen in Bez. auf die Anforderungen des Rechts und der Zeit“, 1831 eine Abhandlung „über Lasten der Ritterlehne in Baiern“, 1838 „über den einzig wahren Ehescheidungsgrund in der christlichen Kirche‘‘ und eine Geschichte seines Geschlechts heraus; auch pflegte er die Musik nach ihrer theoretischen und praktischen Seite. Mit Vorliebe unternahm er auf seinem Schlosse die Zusammenbringung einer Bibliothek und einer deutschen Kunst- und Alterthümer-Sammlung, und bald entwickelte sich bei ihm der

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Gedanke, ein deutsch-historisches Museum zu gründen. Schon im Jahre 1832 trat er deshalb mit einflussreichen Männern in mündlichen und brieflichen Verkehr, reiste nach Nürnberg, wo ihm die Gründung einer Gesellschaft für Erhaltung der Literatur-, Kunst- und Alterthums-Denkmale

Deutschlands und die Vereinigung eines bedeutenden Theiles der reichen

antiquarischen Sammlungen dieser Stadt zu einer vorübergehenden Aus- stellung gelang. Seit ebendiesem Jahre redigirte er den „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“, der erst mit Verlegung seines Wohnsitzes nach Schloss Aufsess 1835 in Mone’s Redaction überging. Von Aufsess aus arbeitete er an der Verwirklichung seiner Idee literarisch wie prak- tisch rüstig weiter. Im Jahre 1846 legte er der zu Frankfurt a,M. tagen- den ersten ,„Germanisten - Versammlung‘‘ seinen Plan eines deutschen National-Museums vor, mit der Absicht, zugleich einen Centralpunkt für die sämmtlichen deutschen historischen Vereine zu schaffen. Als die Bewegungjahre 1848/49 all’ solche Bestrebungen zeitweilig durchkreuzt; hatten, übersiedelte A. wieder nach Nürnberg, um von dort aus die Hebel aufs neue in kräftigen Schwung zu setzen; 1852 trat er in Dresden abermals vor die Germanisten-Versammlung, diese hatte ein offeneres Ohr für ihn als sechs Jahre zuvor, und das nächste Jahr sah in der That das „‚Germanische Museum‘ in der alten Reichs-, Kunst- und Bürgerstadt Nürnberg in Verwirklichung treten. v. Aufsess ward zum ersten Vorstand desselben erwählt, leitete die sämmtlichen Vorarbeiten und die Einrichtung des Instituts, wobei er seine Kräfte und Geldmittel in keiner Weise schonte, und ein volles Jahrzehnt hat er dem Werke weiter seine fast ungetheilte Thätigkeit geschenkt. Seit 1853 hatte er auch wieder, in Gemein- schaft mit v. Eye und Frommann, die Redaction des „Anzeigers ete.‘ übernommen, und zwar nun als „Organ des German. Museums“; eben- falls erst nach einem Jahrzehnt (1863) ging sie wieder in andere Hand über. v. Aufsess’ Sammlungen bilden den Grundstock des Museums, ohne welchen dessen Ausführung, sicher wenigstens in einer so kurzen Zeit, nicht möglich gewesen wäre! Unter engegenkommenden Bedingungen hat er sie demselben überlassen. Mag auch eine durch die Praxis der Ver- waltung gereiftere Einsicht, mögen die Anforderungen der Wissenschaft Manches an den ersten Organisationen A.’s geändert und selbst wesenhaft umgestaltet haben, das ‚‚Germ. Museum“, dieser Schatz zur Selbsterkennt- niss wie zur Fortbildung des deutschen Volkes, bleibt sein Werk und wird seinen Namen unvergänglich machen, Zeugniss, was der von einer Idee durehdrungene getreue Wille auch nur eines Mannes schöpferisch zu leisten vermag.

Doppelt trauervoll musste die Kunde seines Todes uns berühren, weil derselbe einem der schönsten nationalen Festtage als düsterer Schatten sich einflocht, warnendes und gewiss vielbereutes Merkzeichen, wie arge Wunden auch eine nur kleine leidenschaftliche Uebereilung schlagen kann!

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der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 347

Auf einer Reise zur Herstelluug seiner Gesundheit begriffen, während des Eröffnungfestes der deutschen Universität zu- Strassburg dort erkrankt, durch eine Nothpfeife hilferufend, ward er in der Dunkelheit für einen französischen Störenfried gehalten und von zwei Festgenossen übel be- handelt. Deren Namen sollen nicht öffentlich bekannt werden die Strafe wäre für das Unbeabsichtigte der raschen That zu gross, welches Gewicht auch deren Folgen gehabt haben mögen. Aufsess vermochte noch seine Reise fortzusetzen; zu Münsterlingen bei Constanz ist er. am 6. Mai gestorben. Ob der Strassburger Vorgang das Ende des schon tiefkranken Lebens um etwas verfrüht hat, darüber sind die Stimmen ge- theilt; allein verursacht hat er es nicht.

Diesen beiden Ehrenmitgliedern haben wir nun zwei correspon- dirende noch anzuschliessen, Riedel und Tobias, deren erster in einem nicht gar zu langen Leben eine staunenswerthe Arbeitkraft, und zwar gleich sehr auf den einander so entfernten Gebieten des strengen Gelehrten und des praktischen Geschäftsmannes entfaltet hat,

Friedrich Adolf Johann Riedel wurde als der älteste Sohn des Pre- digers Riedel zu Biendorf bei Neu-Buckow in Mecklenburg-Schwerin am 5. December 1809 geboren, besuchte nach häuslicher Vorbereitung die oberen Klassen des Gymnasium Friderieianum zu Schwerin und bezog Ostern 1828 als Student der Theologie die Universität Berlin, wo er aus- schliesslich den philosophischen, philologischen und geschichtlichen Studien oblag. Nachdem R. 1823 eine historische Preisaufgabe über den Zustand der Mark Brandenburg um die Mitte des 13. Jahrhunderts gelöst hatte, erhielt er vermittelst Cabinetsordre vom 30. Novbr. 1829 „die Rechte der Eingeborenen‘“, wurde sodann am Schlusse seines Trienniums (1831) auf die Disseriation ‚de comite palatii judiciis praefecto‘‘ von der philo- sophischen Faecultät der Berliner Universität zum Doctor promovirt und habilitirte sich daselbst 1832 mit einer Rede „‚de disciplinae politicae notione et finibus‘“ als Privat-Docent. Als solcher und seit 1836 als ausser- ordentlicher Professor las er über Staatswissenschaften gewöhnlich zwei Collegien in jedem Semester, bis überhäufte Geschäfte vor etwa 10 Jahren ihn nöthigten. seine Lehrthätigkeit erst zu beschränken, dann gänzlich einzustellen. Im Jahre 1833 trat R. als Geheimer Archivar in das Archiv des ehemaligen General-Direetoriums und, als dasselbe zu einem eigenen Institute unter dem Namen „Geheimes Ministerial-Archiv‘‘ erhoben wurde, seit 1836 als Hofrath, seit 1842 als Geheimer Archivrath an die Spitze desselben. Im Jahre 1848 vertrat er den Wahlkreis Barnim als Mitglied der zur Vereinbarung einer Verfassung für den preussischen Staat be- ıufenen National-Versammlung und sodann in der Zweiten Kammer von 1849 —1852, darauf den 2. Berliner Wahlkreis in der Legislaturperiode von 1852—55. Am 24. Mai 1851 wurde R. von der Akademie der

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Wissenschaften zu Berlin zu ihrem ordentlichen Mitgliede erwählt, sass von 1843—49 im Directorium der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn- Gesellschaft, führte von 1845 bis an sein Lebensende einen Theil der Verwaltung der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn und gehörte seit 1850 auch dem Directorium des Vereins für die Rübenzucker-Industrie an. Im Jahre 1837 stiftete R. in Verbindung mit dem Geh. Archivrath Höfer und dem Landgerichts-Direetor Odenbrecht den „Verein für die Ge- schichte der Mark Brandenburg‘ in Berlin, redigirte als General-Secretär desselben bis 1862 die Vereinsschrift „Märkische Forschungen“ und leitete seit 1862 als Vorsitzender die Geschäfte des Vereins. Im Jahre 1832 erhielt R. die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, 1838 die 4., 1847 die 3., 1869 die 2. Klasse des Rothen Adler-Ordens, 1861 das Ritterkreuz des königl. Hausordens v. Hohenzollern; 1868 wurde er zum „Historiographen der brandenburgischen Geschichte‘ ernannt.

Unter den von ihm verfassten Schriften sind vorzugsweise folgende zu erwähnen:

Codex diplomaticus Brandenburgensis. Berlin 1838—1869, gr. 4°. 36 Bde. Text und 5 Registerbde. (Vgl. über denselben Carl Kletke’s „Urkunden-Repertorium zur Gesch. des Preuss. Staates“ S. 171—188, 368 f., 663—698; Carl Kletke’s „Allg. Bücherkunde des Brandenburg.-Preuss. Staates“ $. 73 f., und die besondere Beilage zum königl. Preuss. Staats-Anzeiger zu Nr. 186 vom 8. August 1868.) Diplomatische Beiträge zur Geschichte der Mark Brandenburg und ihr angrenzen- der Länder. Berlin 1833. Magazin des Provinzial- und statutarischen Rechts der Mark Brandenburg und des Herzogthums Pommern. Berlin 1837—1839. 4 Bde. Die Mark Brandenburg im Jahre 1250, oder historische Beschreibung der Brandenburgischen Lande und ihrer politischen und kirchlichen Verhältnisse um diese Zeit. Berlin 1831—1832. 2 Bde. Nachricht über den Bischof Anselm von Havelberg, in v. Ledebur’s „Allg. Archiv f. d. Geschichtskunde des Preuss. Staates‘, 1832, Bd.8, S. 96—136, 225 267. Beiträge zur Geschichte des falschen Waldemar. Die Erzählung von der Erscheinung des falschen Waldemar in der Processhandlung Friedrich II. gegen den Erzbischof von Magdeburg, in „Märkische Forschungen“ 1847, Bd. 3, S. 123—125. Vgl. Riedel’s Aufsatz in den Berliner Jahrbüchern f. wissenschaftl. Kritik, 1845, Oct. $. 483—552. Die Erwerbung der Mark Brandenburg durch das Luxemburgische Haus. Berlin 1840. Graf Rudolf von Habsburg und Burggraf Friedrich II. von Nürnberg in ihren Verhältnissen zu einander, in den „Abhandlungen der Berliner Akademie d. Wissensch.‘‘ 1852, S. 553—606. Die Ahnherren des Preuss. Königshauses bis gegen das Ende des 13. Jahrh., ebenda 1854, S. 13—153. Ueber den Ursprung und die Natur der Burggrafschaft Nürnberg, ebenda 1854, S. 365—414. Zehn Jahre (1410—1420) aus der Geschichte der Ahnherren des Preuss. Königshauses. Das Aufsteigen des Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg zur kurfürstlichen Würde und zur Reichs- statthalterschaft in Deutschland. Berlin 1851. Geschichte des Preuss. Königs- hauses. Berlin 1861. 2 Theile (bis 1440). Die letzten Jahre unmittelbarer Herrschaft des Kurfürsten Friedrich I. über die Mark Brandenburg, 1420—1426, in „Märk. Forschungen“ 1857, Bd. 5, $. 184—279. Ueber die alchemistischen Bestrebungen des Markgr. Johann von Brandenburg und anderer Fürsten seines Hauses, in „Märk. Forsch.“ 1850, Bd. 4, $. 153—164. Ueber den Krankheits-

der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 349

zustand des Kurf. Friedrich II. und seine Niederlegung der kurfürstl. Würde, in „Märk. Forsch.“ 1858, Bd. 6, $S. 194—255. Der Krieg des Markgrafen Albrecht Achill mit der Stadt Nürnberg, in „Zeitschrift f. Preuss. Gesch.“, 4. Jahrg. (1867), S. 527-554, 682—699, 723—741. Albrecht Achill’s Conflict mit Würzburg und Sachsen in den Jahren 1440-1443, ebenda 1871, Jan. Die Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg in Beziehung auf die Reformation, ebenda, 2. Jahrgang (1865), S. 65—100. Der Brandenburgisch -Preussische Staatshaushalt in den beiden letzten Jahrhunderten. Berlin 1866. 4°. Die Geschichte der Dominikaner- Klosterkirche zu Neu-Ruppin. 1839. Die Verbindung der Stadt und Herrschaft Teupitz mit dem Brandenburg.-Preuss. Staate. 1862. Geschichte des schloss- gesessenen adeligen Geschlechts von Bismarck bis zur Erwerbung von Crevese und Schönhausen. Berlin 1866. Ueber den Gebrauch der Siegel in der Mark Brandenburg, besonders bei landesherrlichen Ausfertigungen, in „Märk. Forsch.“ Bd. 2, S. 46—71. Ueber das Schulzenamt in den Ländern östlich der Elbe, in „Beitr. z. Kunde des deutschen Rechts“ 1834. Ueber die Zunahme des Anbaues der Städte in der Mittelmark und Ukermark seit dem 16. Jahrh., in „Märk. Forsch.“ Bd. 2, $. 191 £. Ueber die Brandenburg. Lehnsmiliz, in „Märk. Forsch.“ 1841, Bd. 1, S. 365—396. Ueber die Pflege des Obstbaues in der Mark Brandenburg durch den Grossen Kurfürsten und die Preuss. Könige, in „Zeitschrift f. Preuss. Gesch.“ 1871, Aprilheft. Nationalökonomie oder Volkswirthschaftslehre. 1837 bis 1840. 3 Bde. De comite palatii judicis praefecto. Berol. 1831.

Dr. Carl Anton Tobias, Oberlehrer am Johanneum (Gymnasium und Realschule) in Zittau, war den 11. Juni 1823 zu Glauchau geboren, empfing den ersten Unterricht in der Bürgerschule seiner Vaterstadt, be- suchte dann, in einem Privatinstitute noch besonders vorbereitet, 1843—48 das Gymnasium in Zwickau und widmete sich hierauf dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität Leipzig (bis 1852). Aber schon früh hatte sich auch die Neigung zu historischen Arbeiten in ihm entwickelt, die seitdem ununterbrochen in rastlosem Sammelfleisse sich bethätigte. Seit 1855 war er Lehrer an dem Gymnasium und der Realschule in Zittau; 1857 übernahm er hier auch die Verwaltung der Stadtbibliothek, die er dann in ungewöhnlicher Regsamkeit zu mehren und nutzbar zu machen suchte; später kam die Aufsicht über die Schul- bibliothek hinzu. Wie er als Lehrer der Mathematik seinen Pflichten mit Hingebung zu genügen strebte, so war er auch als Forscher und Sammler fort und fort treulich bemüht, die Ergebnisse seines Fleisses weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissen- schaften gehörte er als treuer Mitarbeiter an, und wie die unsrige, so nahmen noch viele andere gelehrte Gesellschaften ihn nach und nach unter ihre Mitglieder auf. Als Schriftsteller ist er, ausser zahlreichen Aufsätzen in Zeitschriften und Localblättern, mit folgenden Werken aufgetreten:

1. Begebenheiten und Erlebnisse in Zittau während des Krieges 1813 (Zittau 1863, 8°). 2. Regesten des Hauses Schönburg (Abhandlung zum Osterprogramm 1865, 4°),

3. Geschichte der Preussischen Invasion in Zittau und der südlichen Ober- Lausitz (Zittau 1867, gr. 8°).

350 Jahres-Bericht

4. Beiträge zur ältesten Geschichte der evang.-luth. Kirche in den Herrschaften Reichenberg, Friedland, Grafenstein, Gabel etc. (Reichenberg 1868, 8°). Bei längerem Leben würde er aus seinen reichen Colleetaneen sehr werthvolle Beiträge zur Geschichte seiner zweiten Heimat und der an- grenzenden Landschaften zu geben im Stande gewesen sein. Seinen Tod führte ein unheilbares Uebel herbei, das ihn schon seit Jahren mannigfach gedrückt, aber die Lebendigkeit seines Geistes und die Aus- dauer im Arbeiten niemals vermindert hatte. Die Bibliothek unserer Gesellschaft hat Ursache, ihm für manche freundliche Zuwendung dank- bares Andenken zu bewahren.

Die Nachrichten über Tobias verdanke ich der gütigen Mittheilung des Herrn Professor Kämmel in Zittau, die über Olfers und Riedel ebenso der des Herrn Dr. Carl Kletke, Statistikers und Historiographen im königl. Staatsministerium zu Berlin, welcher, wie wol hier erwähnt werden darf, nicht nur unserer Bibliothek in dauernder Treue freundliche Zuwendung seiner werthvollen Schriften macht, sondern auch über die Publicationen der Gesellschaft im „Reichs- und Staats-Anzeiger‘‘ fort- laufenden Bericht giebt und vor einiger Zeit ebendort der Gesellschaft selbst einen darstellenden Artikel gewidmet hat. Einen Nekrolog Riedel’s aus seiner Feder finden wir im 3, Vierteljahreshefte der Wissenschaftl. Beilage zum „Reichs- u. Staats-Anz.“ von 1872 und eine ausführliche Biographie, verf. von Prof. Holtze zu Berlin, in der „Zeitschr. f. Preuss. Geschichte etc.“ 1872, Novemberheft. Einen Nekrolog über v. Aufsess enthält Rud. Gottschall’s „Unsere Zeit‘ (Leipzig, Brockhaus) N. F. VIII. Bd. 1872, 15. Heft.

Beiden obengenannten, vielbeschäftigten Herren unterlasse ich nicht, den verbindlichsten Dank auszusprechen; ebenso Allen, welche bisher die Bearbeitung des Jahres-Nekrologiums durch erbetene Mittheilungen freund- lich unterstützt haben. Nicht zugebote standen bis jetzt Notizen über Gen.-Lieut. v. Erhardt, Kaufm. Keitsch, Apoth. Cochler, Landesält. Wolf und Prof. Kuh. Dem Andenken des Letzteren zumal, der kurz vor Jahresschluss so unerwartet dahinging, später in einer ausreichen- deren Weise gerecht zu werden, ist mir ebenso persönliches Bedürfniss, _ wie den Verdiensten des Verstorbenen ein schuldiger Tribut.

Theodor Oelsner.

Druck von Grass, Barth u. Comp. (W. Friedrich) in Breslau.

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