| Vibrary of the Museum | COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. - Dounded by private subscription, in 1861. SIEDEIIIETIIE SEE TE The gift of dA. a De / für varert, Buorer AS Fb. 8.1881. 2 ER . zent n Br a Ds 5 al Dreiundfünfzigster Jahres-bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. Bin ec haaet den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1875. ad — Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. Om 1g76. ae [ab any DER e EN, Fi Inhalt des 53. Jahres - Berichtes. Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Ge- sellschaft im Jahre 1875, vom General-Secretair, Staatsanwalt verlletchiinatzen a I a EN . Kurze Uebersicht der im Jahre 1875 thätig gewesenen Sectionen: Die, naturwissenschaftliche | Sections. „1... N... ans deines: NentomolopischerSechonsn Sl. N a a a ner N DOtEMISCHE, SECHON Se ee a u en ameteorologischei Section... eu en medreinisehensecHons a. Wr a na ER an Section für öffentliche Gesundheitspflege ........................- Section sr ‚Obst. und. Gartenbau. 4... 2.0 0:0 we. sten. Pikteehmnischer SecHou 2. SorB ee LEE aatae .2 UM 2) KISLOTISCHEZSEChIONA A. a a een ae game ulsuristische, Sectlon: ram na en Ne philolesische, Seeton,. aus. Nele ee ne arten Haken are musikalische] Seellanr ns... „he get ah a ae Siuazchaplofischer SECHLONI“. A An a gel Sr Ehe dreht ogele Bericht über den Kassen - Abschluss pro 1874, vom Kassirer, Geheimen Commerzienratn Branchen ns er ee a ne Bericht über die Bibliotheken der Schlesischen Gesellschaft im Jahte 1875, vom: Bibliothekar, 1. Beioker u In 2.0.0 200 Han Bericht über die Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft pro 1875, vom ConseryatorzProß, Dr, Körbe. 1... 4 a ne ee dnens Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Sectionen. I. Naturwissenschaftliche Section. Prof. Dr. Galle: über die Ergebnisse einer von demselben vorgeschlagenen und 1875 zur Ausführung gelangten Bestimmung der Sonnen- Parallaxe aus Beobachtungen eines der kleinen Planeten auf meh- reren Sternwarten der nördlichen und südlichen Halbkugel...... Dr. J. Pernet, Assistent am physik. Cabinet: über Sturmwarnungen..... Dr. Beblo, Gymnasiallehrer: über Walter von Tschirnhaus.............. Prof. Dr. Poleck: über einige in Mineralwässern seltener vorkommende Bestandihelle........n. 21....,0 0 al a EL N ae eh Ober-Bergrath Althans: über die unter der Leitung des hiesigen Königl. Ober-Bergamts ausgeführten montanistischen Kartirungsarbeiten in den Erz- und Steinkohlenrevieren Oberschlesiens und dem Stein- kohlenreviere von Waldenburg-Neurode............... RD Prof. Dr. v. Lasaulx: die Einheit der geologischen Kräfte .............. Seite. 21 22 23 24 25 IV Inhalts -Verzeichniss. Prof. Dr, Fr. Römer, Geh. Bergrath: über einige neue schlesische Mineral- VORKOMMEN. N Rs ae ART EN. > Prof. Dr. Hasse: über die vergleichende Anatomie der Rippen und der prävertebralen Murkulaiın. x u 9.0..." See a ne ae er Derselbe: über die Bedeutung der einzelnen Abtheilungen der Querfortsätze der menschlichen Halswirbelsäule... .........00...2c00aswarneene Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert und Dr. Schumann: miheosEopiephe Pröpamataus. anal Be SU RE ER Be ee Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über das Vorkommen des Elenthieres in. Schlesien Au... Yan Denen ae et Cr REN Dr. Joseph, Privatdocent: über das Zusammentreffen von theilweisem und gänzlichen Lichtmangel mit Lageveränderung, Verkleinerung, Ver- kümmerung, Vermehrung der Zahl, Verlust und Ersatz der Sehorgane . Derselbe: über die morphologische Bedeutung des Scheitelkammes an den Altenschädelne rn. Van ee ee Dr. B. Gabriel, Privatdocent: über Entwickelungsgeschichte der Gregarinen Prof. Dr. E. Grube: Bemerkungen über die Familie der Aphroditeen . Derselbe: über die systematische Stellung von Peripatus ................. Desselbe: über Serpulachmsogyras Gr... se nn Se Derselbe: über zwei Röhren von Minirspinnen aus Corfu und Jamaica ..... Derselbe: über einige unbeschriebene Comatulen aus Nord-Borneo ....... Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über das frühere Project, eine Akademie der Naturwissenschaften in Breslau zu begründen............... II. Botanische Section. Dr. Stenzel, Oberlehrer: über einen Ausflug nach dem Hessberge und der Moisdorfer Schlucht; Nachtrag zur Flora von Landeck ....... Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Nekrolog des General v. Jacobi. Prof. F. Cohn: über Abscheidung von Schwefelwasserstoff und Schekel durch mikroskopische Pflanzen und Thiere..................... Prof. Körber: Blätter von Oreodaphne gujanensis .........-.......e22e2n.... Derselbe: neue Mittheilungen zur Gonidienfrage........ ...........2..... Dr. Oskar Kirchner, Assistent am pflanzenphysiol. Institut zu Proskau: über seine Beobachtungen der ee bei der Gattung ÜbprInus: 2. EN al er RR N Dr. Stenzel: geographische Verbreitung der schles. Gefässkryptogamen.. Prof. Dr. Körber: Pflanzen der.arktischen Zone ................0res Prof. Dr. F. Cohn: Florula Desmidiearum Bongoensis ........--»-.222-000.- Sechste Wanderversammlung — zu Jauer, 13. Juni 1875 ................. Max Wetschky, Apotheker, Gnadenfeld O.-S.: eine botanische Wanderung ın Sieilien ?. WLAN IN DIRT Dr. Rich. Sadebeck, Berlin: Wachsthum der Scheinaxe von Jumcus \lamprocarpus 1a. 2.0 2 1 Derselbe: morphologisches Verhalten gefüllter Kirschblüthen .... Prof. F. Cohn: einheimische insectenverzehrende Pflanzen ...... Derselbe. neue anorsanische' Zellen ar. 2.2.2 nee Dr. Eidam, Breslau: über die Keimung der Sporen von Agaricus coprophilus B. und Ag. fascieularis P............... ..... Prof. F. Cohn: Nekrolog des Dr. D. A. Rosenthal, Rob. Nising und Wilh. Seite. Inhalts -Verzeichniss. Dr. Schröter, Oberstabsarzt, Rastatt: über neue, von ihm beobachtete Arten resp: Standortel vom Bilzenw.. san... nee Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Mützen und Hüte aus einem Schwamm Dr. Eidam: über Keimung und Fortpflanzung der Gasteromyceten....... Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über die Linde; Heritiera minor Lam., Lodoicea maldivica, Artocarpus incisa; Petzold’s Werk: Fürst H. v. Pückler-Muskaumıa. Daran 4 SE EU edel nn a ser Gerhard, Lehrer, Liegnitz: ein Rundgang um den Jeschkendorfer See bei Tneonitzi..n nn Rn een elerssrkhere Hg: R. v. Uechtritz: Die wichtigeren Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1875.................. III. Entomologische Section. Naacke, Gutsbesitzer: über Colias Palaeno L. und Plusia interrogationis L...- Penzig, Studiosus: über Käfer, aufgefunden bei den Berghäusern Ivy Meilen svondBieenitz ln. we re ee Dr. Wocke: die Lepidopternfauna des Stilfser Jochs in Tyrol...........: K. Letzner, Hauptlehrer: über die schles. Formen der Lina Lapponica L., collaris L., die in seiner Sammlung befindlichen Formen der Hy- drothassa Hamnoverana F., Bruchus chinensis L., massenhaftes Auftreten des Otiorhynchus higustiei L., Beitrag zur Naturgeschichte des Emphytus IV. Medicinische Section. Prof. Dr. Hasse: über die Lage der Eingeweide im Eingange des weib- lichen; Becken. Wa. ra a1 Se read Ska are see Prof. Dr. Freund: über die Architektur und Structur des Beckenzellen- BEWEDESL. en er Eee Dr. Schnabel: über einen seltenen Fall von Darmverschliugung ........ Dr. Sommerbrodt, Privatdocent: über zwei seltene Deglutitionshindernisse Prof. Dr. Heidenhain: Beobachtungen über die Bauchspeicheldrüse ..... Prof. Dr. Spiegelberg: über eine unbeschriebene Affection, die Fissur des weiblichen, Blasenhalsess 0 0. me. Na NE ‘ Dr. Litten: über einige von ihm angestellte Sectionen .................. d. Müller, Apotheker, und Prof. Ebstein: über das Leberferment...... Mm Tiemann: die obligatorische Rleisehschau........................... Dr. OÖ. Berger, Privatdocent: über einen Kranken mit linksseitiger He- miplemtenie a a RL Re oe SD EHE Dr. Liehtheim: über den Verlauf eines Falles von Drainage der Peritoneal- hohlen nern. a Re N ne a a RUE Dr. Senftleben: über die Ursachen und das Wesen der nach der Durch- schneidung des Trigeminus auftretenden Hornhautaffection....... Dr. Soltmann: über die Insolation und deren Verlauf und Folgen im ÖKindesaltemi 44.) 22.12. IR BR RE RL ing Dir> Biene ew.j;mehrerei klinische‘Rälle.. 4. een en. re As. Prof. Cohn: Einheilung von Kaninchenbindehaut in die Bindehaut des menschlichen „Auges Nix. ll as Dar RE lan Aa Dr. Litten: Versuche über die Folgen der Embolie der Lungenarterien .. Dr. Maas: über Schleimpolypen der männlichen Harnblase .............. _ Dr. Grützner: über Bildung und Ausscheidung der ungeformten Fermente am) saulgethierorsanismusy Ba. oe aa 183 184 184 186 187 189 189 191 193 196 198 199 200 202 205 205 207 VI Inhalts -Verzeichniss. Dr. Eger: über eine eigenthümliche Verbindung der Wanderniere mit Hydronaphrose v2 er erarel n. STEEL alerela. Dr.. Wernicke; Vierhügelenkrankung un..n .. 3 SER Dr. Bröer: über eine aus der Orbita eines Neugeborenen exstirpirten Tumor Dr. Soltmann: Versuche über die Functionen des Grosshirns der Neu- BGEDORENEN) Wr uk OR MELDEN DL AMEENERE SEN. SCHERE» C3 Ste EBENE Teile BeR. KaRuERE Dr Dr. Sommerbrodt: über die operative Entfernung eines grösseren Kehl- kopfpolypen.......... neuen. NE RE he a So soil Dr. Jany: Fall von Trideremia congenita...... un... seen encnneeaelinenee Dr. Hempel: über Lage und Gestalts-Anomalien des nicht graviden Uterus und deren‘ Behandlung... .KRERAaRN N SR ee Dr. Litten: über einen Fall von Ureteritis chronica cystica polyposa ......... Derselbe: über einen Fall von Polyarthritis uriea..........--...-2enecnnen. Dr. Fränkel: über den Modus und die Erfolge intrauteriner Cauterisationen bei der Behandlung von Schleimhauterkrankungen der Körper- hohlerdes WVterus...2.0. 2% Mac cn a anne AIR ER. LIE N = Prof. Gscheidlen: über Rolletts compendiösen Batterieumschalter, den von Bunsen modificirten Kemp’schen Regulator und eine Modification des Crosley’schen Gasdruckregulators.............22222ee2cne0 Dr. Jany:Oystcercus'subnelinals .\.. ale Au an rn Lern N a Dr. Buchwald: experimentelle Untersuchungen über Structurveränderungen der Niere nach Unterbindung ihrer Vene....................... Prof. Dr. Förster: über eine Augenkrankheit der Bergwerksarbeiter..... Dr. Bröer: über Parametritis mit Eiterdurchbruch ins Duodenum ........ Dr. Weigert: über eine Mykose bei einem neugeborenen Kinde......... Prof. Heidenhain: über eine von Dr. Ostrumoff aus Moskau angestellte Untersuchung über Innervation der Blutgefässe der äusseren Haut V. Section für öffentliche Gesundheitspflege. Bericht über deren Oonstatwrungs..r. ..... 1. use un Dr. Steuer: über Mortalitätsstatistik und Armen-Krankenpflege von Breslau in den: Jahren. 1872 und 1873... 02 20 00 nee Dr. Paul Lion: über die Breslauer Canalisationsfrage................... Dr. Hulwa: über die Berieselungsfrage vom agriceulturchemischen Stand- punkte aus....... RS REAL RR RAHREEIRRSEDHTSGRL ER EENRTE NEN... Dr. J. Jacobi, Kgl. Bezirks-Physikus: über das Grundwasser von Breslau Dr. Bruch: über die Bedeutung der Volkszählung vom hygienischen Stand- Plnmoltiy u. 2 1.30 Maenner na gen et. az Sl VI. Historische Section. Prof. Dr. Kutzen: über das mährische Gesenke...... .................... Reimann, Direetor: Vorgeschichte der Hubertsburger Friedenscommission Dr. Schönborn: über die einleitenden Verhandlungen vor Eröffnung des Reichstags von g1653 1ınK NLLIEBEMEEIR S RE Dr. Markgraf: über den böhmischen Herrenbund ...................... Prof. Dr. Grünhagen: über Preussen und England in den ersten Monaten "der Resierung Briedrich des Grossen]... ww... v. Prittwitz, Reg.-Referendar a. D.: über oberschiesische Zustände in der zweiten Hälftedes 16. Jahrhunderis.. „1.0 anna nen. Seite. 209 210 210 213 215 216 218 219 221 222 223 224 225 225 228 . 229 230 Inhalts -Verzeichniss. Prof. Dr. Palm: über die Aussöhnung der Schlesier mit dem Kaiser durch den. Dresdener: Accordl 162 22. u... 0. un eye Köhler, Generalmajor: über den Feldzug 1468 in Mähren............... VII. Section für Obst- und Gartenbau. Bericht über die Thätigkeit und die Verhältnisse der Section vom Secretair derselben, Stadtrath B>H. Muller... .... me. ...2........... Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Ackercultur als Muster für Garteneultur Derselbe: Mittheilungen über Gewächse des botanischen Gartens ......... Kaufmann J. Hutstein: über Pflanzeneulturen .......................... M. Scholtz, Apotheker in Jutroschin: über buntblättrige Pelargonien .... O0. Grossmann, Obergärtner in Warmbrunn: der Weinbau in kalten Ge- C. Opitz, Handelsgärtner in Hirschberg: zur Cultur der Winterlevkojen .. M. Scholtz, Apotheker in Jutroschin: die Vertilgung des Regenwurmes in Blumertöpfene ua a. Sr EN NE a a la A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf: über die Verwendung von Lonicera brachypoda fol. aur. var. bei Anlegung von Hainparlieen........... J. Jettinger, Sectionsgärtner: ein Wink zur Veredelung edler Rosenarten J. Plosel, Obergärtner, Schloss Falkenberg O.-S.: Deutzia graciks in Baum- M. Scholtz, Apotheker: ein Paar Brüder der Reblaus .................. C. Friekinger, Kunstgärtner in Laasan: das Erdmagazin des Gärtners .. P. Schmidt, Kunstgärtner in Stephansdorf: die Cultur des Meerrettigs ... W. Gildner, Kunstgärtner in Schollwitz: einiges über die hiesigen Baum- schulen ua Dr ER BRD RE BERN O0. Lorenz, Obergärtner in Bunzlau: zweckmässiges Verglasen von Ge- wächshaus- und Frühbeet-Fenstern........................... a Derselbe: Rosa canına L. aus Stecklingen zu Stämmchen zu ziehen........ J. Kittel, Obergärtner in Eckersdorf: Rosa manetti als Unterlage für hoch- stammige Rosen ............ RR RR I Derselbe: über Auslichten der Früchte an Spalier- und Zwerg-Obstbäumen Brom. Gohn:über,die Palmen ne nen weni nalen J. Jettinger, Sectionsgärtner: Culturergebnisse einiger an die Mitglieder vertheiltenn Gemüsesamen a a re sh VIII. Bericht über die meteorologische Section, erstattet vom Secretair derselben, Prof. Dr. Galle....................... | a an sei R% i Kar N bore ER Burn u 4 { r 2 hrstkc; DR. Y 4 ‘ KSES Ka Reg © NE cu a * Wr Allgemeiner Bericht über die .Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1875, abgestattet in der allgemeinen Versammlung am 29. December 1875 von dem Königl. Staatsanwalt v. Vechtritz, zur Zeit General- Secretair. Das zweite Jahr der Etatsperiode 1874/75 geht zu Ende und die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur kann auch auf dieses Jahr mit dem Bewusstsein zurückblicken, in der ihr von ihrer Verfassung angewiesenen Sphäre mit thätigem Eifer gewirkt zu haben. Sie verdankt dies neben der regen Theilnahme ihrer Mitglieder wiederum zunächst ihrem hochverdienten Präses und der unermüdlichen Anregung und Einwirkung desselben auf die Thätigkeit aller Kreise der Gesellschaft. Dieselbe hatte die Freude, die fünfzigjährige Jubelfeier der höchsten akademischen Würde ihres Präses in diesem Jahre mitbegehen und dem- selben auch ihre Verehrung, auch ihren Dauk aussprechen zu können. Am 11. Januar 1875 waren es fünfzig Jahre, dass der Geheime Medicinal- Rath, Herr Professor Dr. Göppert durch die Königliche Universität zu Berlin zum Doctor der Mediein promovirt worden war, und wie an dem Jubeltage von allen Seiten dem hochverdienten Gelehrten Beweise der Theilnahme wurden, so hat auch die Schlesische Gesellschaft für vater- ländische Cultur, welche dem Jubilar so viel verdankt, eine besondere Freude darin gefunden, ihm neben den Glückwünschen zum Jubeltage auch ihren tief empfundenen Dank auszusprechen. Sie hatte, da der Vice- Präses verhindert war, zu diesem Behufe ihren Schatzmeister und ihre 1 D) Jahres- Bericht beiden General-Secretaire abgeordnet, und dieselben beaufiragt, dem Ju- bilar eine Jubelschrift „Kryptogamen-Flora von Schlesien, im Namen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, herausgegeben von Prof. Dr. Ferdinand Cohn, Secretair der botanischen Section“ zu über- reichen, welche, von Mitgliedern der Gesellschaft bearbeitet, ihre jetzige Entstehung recht eigentlich der bereits vor Jahren erfolgten Anregung des Jubilars verdankt. | An dem Feste, welches die Königl. Universität dem Jubilar veran- staltete, konnten sich die Mitglieder des Präsidii und die Sections-Secretaire in Folge dankenswerther Aufforderung zur Theilnahme Seitens Sr. Magni- fizenz, des Herrn Rectors der Universität betheiligen. Das unmittelbar . daranf stattfindende Stiftungsfest gab auch der Gesammtheit der Gesell- schaftsmitglieder Gelegenheit, der Jubilarfeier ihres Präses und der un- mittelbar vorangegangenen ihres Vicepräses, Herrn Geh. Regierungs-Rath Dr. von Görtz, und ihres früheren langjährigen General-Secretairs, Herrn Bürgermeister Dr. Bartsch, in festliceher Weise zu gedenken. Sind dies für die Gesellschaft freudige Erinnerungen aus dem zu Ende gehenden Jahre, so hat ‘sie aber auch andererseits zum Jahres- sehlusse des schmerzlichen Verlustes eines der ältesten Mitglieder ihres Präsidii zu gedenken. Am 7. Januar 1875 verstarb der Königliche Kammerherr, Graf von Hoverden-Plenken, welcher seit 1847 ihr als Mitglied und seit 1350 als Mitglied des Präsidii angehört hatte. Die Ge- sellschaft beklagt seinen Hingang um so inniger, als der Verewigte nicht nur durch die Liebenswürdigkeit seines Charakters, sondern auch durch seine Kenntnisse und sein lebhaftes Interesse für Wissenschaft und Kunst die Bestrebungen der Gesellschaft und die Hebung der Cultur in der hei- mathlichen Provinz ausserordentlich gefördert hat. Die Gesellschaft be- trauert ferner den Tod ihres früheren Bibliothekars, des Redaeteurs Herrn - Theodor Oelsner, und in den letzten Tagen den Tod ihres corre- spondirenden Mitgliedes, Herrn. Otto Tramnitz, welcher als Offizier der „Germania“ die Gefahren der so erfolgreichen deutschen Nordpol- Ex- pedition glücklick bestanden, und jüngst bei dem Untergang des Bremer Dampfschiffes „Deutschland“ vielleicht in allzueifriger und selbstloser Er- füllung seiner Pflicht, der einzige Offizier des Schiffes gewesen ist, den die Wellen begraben haben. Ausserdem verlor die Gesellschaft durch den Tod ihre Ehren-Mitglieder, Geh. Sanitätsrath Dr. med. Martini und General der Infanterie Dr. von Zastrow, — sowie die correspondirenden Mitglieder: Cantor Postel, — Consistorialrath und Pfarrer Rücker, — Vieepräsident der Akademie zu Erfurt von Tettau, und endlich die Wirklichen Mitglieder: Fabrikant Fedor Anderssohn, — Buchhändler Granier, — Dr. med. von Jarotzky, — Apotheker Beekmann, — Gutsbesitzer Lieb, — Dr. med. Marle und Landschaftsdireetor Baron von Saurma-Sterzendorf. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, B Die Gesellschaft verlor ferner durch das, zumeist wegen Veränderung des Wohnsitzes, veranlasste Ausscheiden zwölf Mitglieder, — dagegen sind 36 wirkliche Mitglieder neu aufgenommen worden, nämlich die Herren: Dr. phil. Schönborn, — Dr. med. Steinitz, — Generalmajor Freiherr von Wechmar, — Baumeister und’ Direetor der Baubank Kieselieh, — Berg-Assessor und Eichungs-Inspector Alfred Frief, — Kaufmann Alexander Freund, — Privatgelehrter Rudolf von Uechtritz, — Dr. Eduard Eidam, — Assistent am botanischen Garten Dr. Schumann, — Provinzialsteuer-Director Geh. Ober-Finanzrath Augustin, — Apotheker Bluhm, — Stadt- baurath Kaumann — Baurath und Vorsitzender der Rechte - Oder- Ufer-Eisenbahn-Direetion Herrmann Grapow, — Buchhändler Albert Clar, — Dr. med. Theodor Körner, —- Professor Dr. phil. Dziatzko, — Apotheker Beekmann, — Dr. med. Toeplitz, — Landeshanptmann von Schlesien Graf Pückler, — Dr. med. Wernicke, — Dr. med. J. Cohn, — Professor Dr. phil. von Lasaulx, — Dr. med. Solger, — Dr. med. Born, — Dr. med. Stoehr, — Hauptmann und ordentlicher Lehrer an der städtischen höheren Töchterschule Diek, — Obrist und Commandeur des 10. Regiments von Gallwitz-Dreyling, — Major im Schle- sischen Artillerie-Regiment Nr.6 Kayser, — Dr. med. Kolaczek, — Dr. med. Viertel, — Dr. med. Berndt, — Dr. med. Elias, — Dr. med. Reich, — Docent der Naturwissenschaften am pomolo- gischen Institut in Reutlingen Ahlburg, — Königlieher Amtsrath von Briesen, — Dr. med. Albreeht Riehter. — | Zu correspondirenden Mitgliedern wurden vom Präsidium ernannt die Herren: ? _ Professor Dr. Richard Foerster in Rostock, — Professor Dr. Blümner in Königsberg, — Dr. Kirchner in Proskau, -- Dirigent des pflanzenphysiologischen Instituts in Proskan Dr. Sorauer, und das Diplom als Ehrenmitglied der Gesellschaft erhielt Herr Prof. Dr. Schönwälder in Görlitz. Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur zählt sonach gegenwärtig 455 wirkliche Mitglieder, 297 correspondirende Mitglieder und 29 Ehrenmitglieder. Ihre Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 115 ein- heimischen und 297 auswärtigen, im Ganzen aus 412 Mitgliedern. In der inneren Organisation der Gesellschaft haben Veränderungen nur insofern stattgefunden, als zu den bisherigen Sectionen eine neue Section, nämlich die Section für die öffentliche Gesundheitspflege hinzugetreten ist. Die Sammlungen der Gesellschaft haben eine werthvolle Bereicherung durch den gesammten wissenschaftlichen Nachlass eines im vorigen Jahre verstorbenen Ehrenmitgliedes, des Generals der Infanterie, Herrn v. Jacobi, 1* 9° 4 Jahres-Bericht erhalten, welcher duren die Wittwe desselben, Frau v. Jacobi, und ihren Sohn, den Königl. Portepeefähndrich\ im ersten Garde-Regiment zu Fuss, Herrn A. v. Jacobi, der Gesellschaft überwiesen worden ist, Wenngleich der Dank für diese werthvolle Gabe bereits im Besonderen ausgesprochen worden, so sei doch demselben auch hier eine Stelle gewährt. Auch in diesem Jahre ist der Section für Obst. und Gartenbau von Sr. Excellenz dem Herrn Minister für landwirthschaftliche Angelegen- heiten, — wofür hier ebenfalls der ehrerbietigste Dank ausgesprochen wird, — eine Beihilfe von 1200 Mark jedoch mit dem Beifügen gewährt worden, dass vom künftigen Jahre an sich das Präsidium wegen Ge- währung von Zuschüssen an.die Provinzial-Vertretung der Provinz Schle. sien zu wenden habe, welcher die Mittel zur Bestreitung derartiger Aus- ‚gaben vom 1. Januar 1876 ab überwiesen sind. Im Laufe des Jahres 1375 ist Seitens der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur nur der Jahresbericht, enthaltend den Generalbericht über die Ar- beiten und Veränderungen der Gesellschaft herausgegeben worden. Allgemeine Versammlungen haben einschliesslich der heutigen drei ‚stattgefunden, in denen folgende Vorträge gehalten wurden: am 5. Februar 1875 von Herrn Professor Dr. Herrmann Cohn ein demonstrativer Vortrag über die Beschaffenheit der Sehschärfe in der Jugend und im Alter, — vom Herrn Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. Göppert über die von dem Ministerium Raumer 1858 beabsichtigte Gründung einer Aka- demie der Naturwissenschaften in Breslau,*) — am 26. Februar 1875 von Herrn Professor Dr. Alfred Dove über die Mainzer Revolution von 1792, am 29. December 1875 nach Mittbeilung des Jahresberichts pro 1875 durch den General-Secretair, ein Vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. phil. Bobertag über Hans Sachs in seiner Bedeutung für die Entwiekelung des deutschen Dramas, — Oeffentliche Vorträge sind in Folge des bereits im vorjährigen Jahres- berichte erwähnten Präsidialbeschlusses nicht veranstaltet worden, — solche sollen auch im Winter 1875/76 nicht stattfinden. Die Rechnung der allgemeinen Kasse und der besonderen Kasse der Section für Obst- und Gartenbau ist für das Jahr 1875 durch den Schatz- meister Herrn Geh. Commerzienrath Franck gelegt und nach erfolgter Revision ist Decharge ertheilt worden. Die Vermehrung und Vervollständigung der Gesellschaftsbibliothek und der naturwissenschaftlichen Sammlung wird durch die Berichte des Bibliothekars, Herın Lothar Becker, und des Conservators der natur- wissenschaftlichen Sammlung, Herrn Professor Dr. Körber, dargelegt. *) S. den Schluss des Berichtes über die naturwissenschaftliche Section. “+ der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. - 5 Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen ist von den Herren Sections-Secretairen Folgendes berichtet worden: Die naturwissenschaftliche Section (Seeretaire: Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube und Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer) hielt 12 Sitzungen mit folgenden Vorträgen: 1) am 13. Januar, Herr Professor Grube „über die Metamorphose der Haarsterne mit Vorlesung der Jugendzustände von Comatula und neuer Arten.‘ 2) am 17. Februar, Herr Geh. Bergrath Prof. Römer „über einige neue schlesische Mineralvorkommen.“ 3) am 10. März, Herr Prof. Galle ‚über die Ergebnisse einer von ihm vorgeschlagenen Bestimmung der Sonnen-Parallaxe aus mehrseitigen Beobachtungen des Planeten Flora.“ 4) am 24. März, Herr Dr. Pernet, Assistent am physikalischen Ca- binet „über Sturmwarnungen.‘ 5) am 14. April, Herr Geh. Rath Prof. Göppert und Dr. Schumann „Demonstrationen der neuesten mikroskopischen Präparate von Möller.‘ 6) am 26. Mai, Herr Gymnasial-Lehrer Dr. Beblo „über Walter von Tschirnhaus und seine Arbeiten.“ — Prof. Grube „über das back- ofenförmige Nest von Furnarius“ und ‚über die Gruppen der Polynöen und ihrer im vorigen Jahre noch nicht besprochenen Verwandten.“ 7) am 27. October, Herr Prof. Hasse „über die vergleichende Ana- tomie der Rippen und der prävertebralen Musculatur.‘“ — Herr Prof. Poleck „über den Oberbrunnen in Flinsberg.“ 8) am 10. November, Herr Dr. Gustav Joseph „über das Zu- sammentreffen von theilweisem oder gänzlichen Lichtmangel mit Lagen- und Grössenveränderung oder Ersatz der Sehorgane.“ 9) am 24. November, Herr Prof. v. Lasaulx „über die Einheit der geologischen Kräfte.‘ — Herr Geh. Rath Prof. Göppert ‚über das Vor- kommen des Elenthiers in Schlesien.“ — Derselbe legt mehrere Schweins- und Pferdezähne aus Diluvialschichten bei Jauer vor. 10) am 1. December, Herr Oberbergrath Althans ‚über die unter Lei- tung des hiesigen königl. Oberbergamts ausgeführten montanistischen Kar- tirungsarbeiten in den Erz- und Steinkohlenrevieren Oberschlesiens.‘“ — Herr Dr. G. Joseph ‚über den Scheitelkamm bei den Affen.“ — Herr Prof. Grube „über die Gattung Peripatus und eine neue Art derselben.‘ 11) am 8. December, Herr Oberbergrath Althans, Fortsetzung seines Vortrages in Bezug auf Niederschlesien. — Herr Privatdocent Dr, Gabriel „über Gregarinen und deren Entwickelungsgeschichte.‘“ 12) am 15. December, Herr Geh. Rath Prof. Göppert „über ein grosses Conerement aus Oberschlesien.“ — Prof. Grube „über das Vor- 6 Jahres- Bericht kommen von Augen an den Kiemenfäden einer Serpula““ mit vergleichender Demonstration der Sehorgane bei andern Anneliden, „über die Wohnungen der grabenden Mygaliden.“ — Derselbe legte ferner ein Exemplar von Hyalonemu Sieboldi mit der Schwamm-Masse und Röhren von Septaria vor. Die entomologische Section (Seeretair: Herr Hauptlehrer K. Letzner) hielt 8 Sitzungen mit folgenden Vorträgen, besucht von zahlreichen Gästen: 1) Herr Engert „über die Farben-Varietäten einiger COhrysomelinen und Cuceinellen.“ 2) Herr.Dr. ©. Fiekert: a. „über einige seltene und neue schle- sische Araneiden.““ — b. „über sein Verzeichniss schlesischer Spinnen.“ 3) Herr Gutsbesitzer Naake ‚über Varietas und Aberratio in Be- ziehung auf die Lepidoptern.“ 4) Herr Studiosus Penzig „über die in den Jahren 1873 und 1874 in einer hohlen Eiche bei den Berghäusern, Kreis Liegnitz, aufgefundenen Käfer. i 5) Herr Dr. Wocke: Bemerkungen „über die Lepidoptern-Fauna der Umgegend von Reinerz.“ REN 6) Der zeitige Secretair: a. „über 17 für Schlesien neue Käfer- arten.‘“ — b. „über die schles. Formen der Lina Lapponica und die Ver- wandlungs-Geschichte der letzeren.‘‘ — c. „über die schles. Formen der Lina collaris und deren erste Stände.“ — d. „‚über die Varietäten der Prasocuris Hannoverana.“ — e. „über Bruchus chinensis und seine Ent- wickelung in Breslau.“ — f. „über ein Massenauftreten des Otiochynchus Ligustici in Schlesien.“ — g. Beobachtungen „über die ersten Stände der Blattwespen-Species Emphytus amaurus Kl.“ — h. „über Biorkiza aptera und deren Gallen.“ Für die neue Etatszeit hat das Secretariat der zeitige Secretair wieder übernommen. Die botanische Section (Seeretair: Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn) hielt 9 ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung, Vorträge: Heır Dr. Eidam „über Keimung und sexuelle Fortpflanzung der Gasteromyceten.“ Geheimer Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Nekrolog des Generals der Infanterie A. v. Jacobi — über Coniferin und Vanillin — über Einfluss der Hutpilze auf das Absterben von Bäumen — über alte Linden — über Frostspalten — über die maldivische Nuss u. s. w. Prof. Dr. Körber: Mittheilungen zur Honidienfrage — über die Blätter von Oreodaphne — über die Pflanzen von Grönland und andern Nordpolarländern., der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 7 Oberlehrer Dr. Stenzel über das Vorkommen von Scolopendrium offieinale in Schlesien -— über Verbreitung der Gefässkryptogamen in Schlesien — über verschiedene Pflanzenmissbildungen. Der Secretair Prof. Dr. Ferdinand Cohn über Ausscheidung von Schwefel in den Zellen verschiedener Algen — über die Desmidieen der -Bongosumpfe —- über ein neues natürliches System der Kryptogamen — über Inseceten verzehrende Pflanzen. Ferner kamen zum Vortrag die Mittheilungen der Herren: Lehrer Gerhard in Liegnitz über die Flora des Jacobsdorfer Sees; Dr. O. Kirchner in Proskau über die Geschlechtsorgane der Gattung Coprinus ; Oberstabsarzt Dr. Schröter in Rastadt: Mittheilungen über neue und seltene Pilze; Herr R. v. Uechtritz: Neue Arten und Fundorte in Schlesien — über Salz- und Strandpflanzen in den Salinen des Binnenlandes. Am 13. Juni fand eine ausserordentliche Sitzung der Section und Wanderversammlung der Schlesischen Botaniker im Schiesshaus zu Jauer unter dem Vorsitz des Herru Dr. R. Peck in Görlitz statt, welche von 144 Theilnehmern besucht wurde; Vorträge und Demonstrationen wurden gehalten von den Herren Apotheker Ende aus Grotikau über Xylochlor und über einen Farbstoff in Mehl von Melampyrumsamen ; Dr. Eidam über die Geschlechtsorgane der Agarici; Geheimrath Prof. Dr. Göppert Demonstration seltner Früchte; Dr. Meusel über phosphorsaures Eisen im Boden der Stadt Breslau; Dr. Sadebeck (Berlin) über Färbung des Wassers durch rothe Bacterien und über verschiedene Pflanzenmissbildungen ; Apotheker Wetschky (Gnadenfrei) über eine botanische Excursion in Sıicilien; der Secretair Prof. Cohn über Insectenballen an den Blättern von Aldrovada und Utricularıa und über künstliche Zellen. Von Seiten der Erben des am 3. November 1873 verstorbenen Ehren- mitglieds unser Gesellschaft, des Generals v. Jacobi, sind derselben die sämmtlichen botanischen Manuscripte und Sammlungen übergeben worden, die das Material zu den Arbeiten über Agaveen enthalten. Für die Etatsperiode 1876/7 ist der bisherige Secretair wieder ge- wählt worden. Die meteorologische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Galle) hat im verflossenen Jahre 1875 keine Sitzungen gehalten. Von dem unter- zeichneten Secretair der Section wurde für den Jahresbericht die gewöhn- liche Uebersicht der auf der Sternwarte ausgeführten meteorologischen Beobachtungen geliefert. 8 , Jahres- Bericht Der bisherige Seeretair wurde für die nächste Etatszeit wieder gewählt. N Die medicinische Section Ä (Seeretaire: Herr Prof. Dr. Freund und Herr Prof. Dr. Gscheidlen) hielt 21 Sitzungen mit folgenden 45 Vorträgen: Herr Prof. Dr. Hasse: Ueber die Länge der Eingeweide im Becken- eingange. Herr Prof. Dr. Freund: 1) Anatomische Lehrmittel zur Gynäkologie mit Demonstrationen (der Beckenboden und das Beekenbindegewebe). — 2) Ueber die diagnostische Bedeutung der Gestaltveränderungen der Harn- blase bei iumoren und Longeanomalien der weiblichen Genitalien. — 5) . Missed labour. Ueberwanderung von Fötusknochen in vesicam-urinariam durch die cervix uteri. Herr Dr. Wernicke: 1) Ueber Heerderkrankung der inneren Kapsel. 2) Demonstration eines Falles von Vierhügelerkrankung. Herr Medieinalrath Prof. Dr. Fischer: 1) Klinische Demonstrationen: a. Osteo-Garcom des Stirnbeines. -— b. Demonstration eines aus dem Knie geschnittenen Gelenkwurms. — c. Demonstration eines Harnsteins, der sich um eine Stecknadel gebildet hat. — d. Fall von Hypartrophie der beiden muscul. gastroinem. demonstrirt. — 2) Demonstration eines lipoma pendul. Give Molluscum pendul. Herr Dr. Schnabel: Ueber einen seltenen Fall von Darmver- schlingung. | Herr Geheimrath Prof. Biermer: 1) Fall von eystoider Doguneration der glaudula piveralis mit Demonstration des Präparats. — 2) Ueber Magen- erweiterung ohne Sterose des pylorus. ; Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt: 1) Ueber pharyngilis granu- _losa und über dysphogie aus lordosis der Halswirbelsäule. — 2) Demon- stration eines exstirpirten grösseren Kehlkopfpolypen. Herr Prof. Dr. Heidenhain: 1) Physiologie der Bauchspeichel- drüse. — 2) Ueber die Einwirkung der Nerven auf die Blutgefässe. Herr Medieinalrath Prof. Dr. Spiegelberg: Ueber die brüske Di- latation der weiblichen Harnröhre. Herr Privatdocent Dr. Weigert: 1) Ueber pockenähnliche Gebilde paremsymatöser Organe. — 2) Ein Fall von Mycosis eines Neugeborenen. Herr Dr. Litten: 1) Pathologisch-anatomische Mittheilungen mit Demonstrationen: a. Intramurales Fibromyom in der vorderen Cervical- wand. — b. Multiples Vorkommen von (ysticereuscell. — ce. Fall von ehronischem Rotz. — 2) Ueber die Folgen der Verstopfung der Lungen- arterie. — 3) a. Ueber Ureteritis chronica cystica polyposa.. — b. Ueber Polyarthris urica. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. . 9 Herr Apotheher Müller: Ueber diabetes mellitus. — Ueber Ein- wirkung der Carbolsäure auf das Glycogen der Leber. Herr Conservator Tiemann: Ueber die obligatorische mikrosco- pische Fleischschau, mit Demonstrationen. Herr Dr. Kolaezek: Demonstration einer angeborenen Sternalfissur an einem 3'/, jährigen Knaben. Herr Privatdocent Dr. Berger: 1) Demonstration eines Gemiplakli* kerns. — 2) Klinische Demonstrationen: a. Fall von Muskelhypertraphie. — b. Erkrankung des Rückenmarkes: polymyelitis auter. aculiss. — c. Fall von Sehnenreflex. — 3) Zur physiologischen und theopraktischen Wür- digung von gelsemium senyarvireus. Herr Dr. Liehtheim: Drainage der Bauchhöhle bei eitriger Bauch- fellentzündung. .Herr Dr. Senftleben: Ueber die Ursachen und das Wesen der nach Durchschneidung des trigeminus auftretenden Hornhautafeetion. Herr Dr. Soltmann: 1) Ueber die ‚Insolation und deren Folgen im Kindesalter. — 2) Experimentelle Studien über die Funcetionen des Gross- hirns der Neugeborenen. Herr Prof. Dr. H. Cohn: Einpflanzung von Kaninchenbindehaut in die Conjunetion des menschlichen Auges. Herr Proessor Dr. Maas: Ueber Polypen des Blasenhalses bei Männern. Herr Privatdocent Dr. Grützner: Ueber Bildung und Ausscheidung der Fermente im Säugethierorganismus. Herr Dr. Eger: Ueber eine eigenthümliche Verbindung von Wander- niere mit Hydromphrosa. Herr Prof. Dr. Gsceheidlen: 1) Ueber die Brücke’sche Dissections- brille. — 2) Demonstration neuer chemischer und physikalischer Apparate. Herr Dr. Bröer: 1) Ueber einen aus der orbita eines Neugeborenen exstirpirten iumor. — 2) Ueber den Durchbruch eines paronnetritischen Abscesses ins duodenum. k Herr Dr. Jany: 1) Ueber Cysten- und Blasenbildung an der corned. — 2) Demonstration eines Cysticercus (zwischen Retina und Cho- riodea). Herr Dr. Hempel: Längen- und Gestalt-Anomalien des nicht schwan- geren ulerus und deren Therapie. Herr Privatdocent Dr. Fränkel: Ueber die Resultate intrauteriner Cauterisation gegen Krankheiten der Gebärmutterschleimhaut. Herr Dr. Buchwald: Experimentelle Untersuchungen über Structur- veränderungen der Niere nach Unterbindung ihrer Vene; nach gemeinsam mit Herrn Dr. Litten angestellten Versuchen. 10 ; Jahres - Bericht Herr Prof. Dr. Förster: Ueber eine Augenkrankheit der Berg- werksleute. In der 21. Sitzung am 17. Debknber 1575 wurden die Herren Prof. Dr. Cohnheim und Freund zu Secretairen gewählt. Die Section für öffentlichg Gesundheitspflege (Secretaire: Herr Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Herr Prof. Dr. Förster und Herr Direetor des statistischen Bureaus der Stadt Breslau, Dr. Bruch) hielt fünf Sitzungen mit folgenden Vorträgen: - Am 19. Februar 1) Geh. Rath Prof. Dr. Biermer: einleitende Be- merkungen über die Aufgaben der Section. 2) Dr. Steuer: über die Armenkrankenpflege und die Mortalitätsverhältnisse von Breslau in den Jahren 1872 und 1873. Am 5. März Dr. Lion: über die Canalisationsfrage in Breslau. Am 9. April Dr. Hulwa: über die Schwierigkeiten der Berieselung, auf deren Ueberwindung aber mit Sicherheit gerechnet werden könne. Am 15. October Bezirks-Physikus Dr. Jacobi: über das Grund- ‚ wasser in Breslau. Am 5. November Director Dr. Bruch: über die nächstens bevor- stehende Volkszählung, vorzüglich deren hygeische Bedeutung. Hierauf sprach Apotheker Julius Müller: über rationelle Desinfee- tionsmittel. Die Section für Obst- und Gartenbau (Seeretair: Herr Stadtrath E. H. Müller) hielt 11 Sitzungen mit folgenden Vorträgen: Kaufmann Hutstein: Ueber Pflanzeneultur im Ae&neinen — Stadt- Forst- und Oekonomie-Rath Dr. Fintelmann: Ueber Baumpflanzungen in Städten mit besonderer Berücksichtigung auf Breslau. — Geh. Medie.- Rath Prof. Dr. Göppert: Ueber Ackercultur als Muster für Garten- eultur. — Prof. Dr. Ferd. Cohn: Ueber die Palmen. Ueber die laufenden, inneren Angelegenheiten der Section und über allgemeine, gärtnerische Angelegenheiten wurde verhandelt; auch die von mehreren Mitgliedern eingegangenen Abhandlungen und kürzeren Mitihei- lungen vorgelesen und besprochen. Im Frühjahr d.-J. erfolgte wiederum unentgeltliche Abgabe einer er- heblichen Anzahl Sämereien empfehlenswerther Gemüse und Zierpflanzen zum Versuchsanbau an Mitglieder, welche sich darum beworben hatten. Mit gleichartisen Vereinen steht die Section in ununterbrochener Ver- bindung, die von denselben empfangenen Schriften wurden dem für hie- sige Mitglieder bestehenden Lesezirkel von Faehschriften zugeführt und der Schles. Gesellschaft f. vater], Cultur. 11 die im Umlauf gewesenen der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft überwiesen. Mit Zuhülfenahme der dureh Königl. Ministerium für die landwirth- schaftlichen Angelegenheiten auch für dieses Jahr zur Unterhaltung des Pomologischen und resp. Obstbaumschul- und Versuchsgartens überwiesenen Subvention und ausserordentlicher Beiträge von Mitgliedern wurde der- selbe in ralioneller Weise weiter bewirthschaftet, und war dessen Zustand wie auch die Erirägnisse desselben wieder befriedigend. In Folge dessen haben die Kassenverhältnisse der Section sich auch wohl in diesem Jahre noch günstiger gestaltet, für den immer fühlbarer nothwendig werdenden Bau eines Gärtnerhauses in jenem Garten sind dieselben aber auch jetzt noch beiweitem nicht ausreichend. Für die nächste Etatszeit wurden durch Acclamation wieder gewählt die Herren: 1) a. Stadtrath E. H. Müller als erster Seeretair;, b. Juwelier M. Herrmann als stellvertretender resp. zweiter Secretair. 2) Professor Dr. Ferd. Cohn als Mitglied der städtischen Prome- naden-Deputation. 3) a. Stadt-, Forst- und Oekonomie-Rath Dr. Fintelmann und Öbrist-Lieutenant a. D. Manger als Mitglieder der Garten-Commission. Die technische Section (Secretair: Herr Dr. phil. Meusel) versammelte sich den 20. December zur Wahl des Secretairs, und kam eine neue Wahl nicht zu Stande, weil nur ein Mitglied ausser dem Seeretair erschienen war. Die historische Section (Seeretair: Herr Director Professor Dr. Reimann) bielt 11 Sitzungen, Vorträge: Am 23. Januar. Prof. Dr. Kutzen setzte seinen Vortrag über das mährische Gesenke fort. : Amı 11. Februar. Der Secretair las über den Ursprung des Huberts- burger Friedens. Am 25. Februar. Dr. Schönborn über die einleitenden Verhand- lungen vor Eröffnung des Reichstages von 1653. Am 8. und 24. April. Öberlehrer Dr. Markgraf über den böh- mischen Herrenbund. Ausflug nach Patschkau am 13. Juui und Vortrag des Dr. Kopietz über die Geschichte dieser Stadt. Am 16. September. Archivrath Prof. Dr. Grünhagen über Preussen und England in den ersten Monaten Friedrich des Grossen. 12 e Jahres-Bericht Am 28. October. Regierungsreferendar a. D. v. Prittwitz über oberschlesische Zustände in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Am 11. November. Prof. Dr. Palm über die Aussöhnung der Schle- sier mit dem Kaiser durch den Dresdener Accord 1621. Am 25.-November. Prof. Dr. Röpell über Polen um 1750. Am 9. December. Generalmajor Köhler über den Feldzug von 1468 in Mähren. Die juristische Section (Secretair: Herr Appellations-Gerichts-Präsident Dr. Belitz) hielt eine Sitzung. Am 15. December sprach Professor und Staats-Anwalt Dr. jur. Fuchs über die Beschlüsse der Reichs-Justiz-Commission und über den Entwurf des Strafprocesses. Die philologische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Palm) hielt sieben Sitzungen, Vorträge: Am 26. Januar Prof. Dr. Förster: Ueber den eleatischen Palamedes. Am 23. Februar Oberlehrer Dr. Müller: Die neuesten Forschungen über die Quellen des Diogenes Laertius. Am 16. März Gymnasiallehrer Dr. Guhrauer: Ueber den pythi- schen nomos, den 23. März Fortsetzung (Schluss). Am 19. October Prof. Dr. Dziatzko: Ueber die Andria des Me- nandex. Am 7. December Privatdocent und Oberlehrer Dr. Bob ertag: Die Schwankbücher des 16. Jahrhunderts. Am 21. December Professor Dr. Palm: Ueber die ecbasis captivi. Der bisherige Secretair wurde wieder gewählt. Die musikalische Section (Seeretair: Herr Musikdireetor Dr. Julius Schäffer) hielt zwei Sitzungen. In der ersten am 23. September hielt der Seeretair einen Vor- trag über „Robert Franz und das altdeutsche Volks- und Kirchenlied“ unter Bezugnahme auf die gleichnamige Schrift von A. Saran (Leipzig bei F. E. C. Leuckart). In der zweiten theilte derselbe „Etwas über den Gesang-Unter- richt in den Schulen im 16. Jahrhundert“ mit, auf Grund der in der E Pommerschen Kirchen-Ordnung vom Jahre 1531 in dem Kapitel „von den Schulen‘ enthaltenen Bestimmungen und mit Hinweis auf die in derselben Kassen-Abschluss für das Jahr 1875. Gh SEEN von a ul | einkommen e SIZEINBEROMIINEN: ee ß Ist verausgabt. laut Allgemeine Kasse. | dem Etat pro Allgemeine Kasse, u Ber Er Effecten. Baar. 1874/75. 1874/75. Effecten. Baar. Einnahme. MR AM. Me. % MER Ausgabe. R % An Bestand!aus dem-vorigen Jahre . . .... u. os 2726400 41 30 1 || — || Meile, 5% RE EN NN EEE —_ 1500 18 1098 | — | „ Zinsen von Effecten: 540 | — | Honorare und Remunerdtionen, Se ee A TEE —_ Be von 2400 +3 Niederschles.-Märk. Prior.-Actien 4% 288 M — 4 12,002 5 a sGehalurdemg@astellan a. un ee an ee 1200.18 „ 1000 ,„ Bresl.-Freib. Eisenb.-Prior.-Oblig. 4% 120 „ — , 45,2 1 Neupahregeschenk demselben 2 nenn gr —i 45. 200, , ee NE OD Sl m, demwHaushäaltenzer Ka, ae ee rn LEER e 9 PR 2900, Oberschles: kenn -Prior.-Oblig. 4", % 391 „ 50 ,„ 300%, 2 ale Heizungee 2 30.7 m en a Eee — 387 80 „ 900 „ ” ” „ ” 3,% 94 ” 50 ” 285 = Beleuchtung re Se Fol a a DA A ae 3. = 350 18 „ 300 „ Preussische Prämien-Anleihe 3/,% . 31 „ 50 „ 30 | — | Unterhaltung der Mobilien und, Nenanechaffbngen.. a ee en 76 65 „ 100 „ Schl. Bankvereins-Anth. Dividende 6% 18 „ — , Gop re a leuenversichenungs bramıe er Er su en 60 ze = 1105 | 50 Mae 2 |eschreibmatenialien . 2 upon re a _ 4 | 90 5700 | — | ‚ Beiträgen einheimischer Mitglieder: 250. RE Zellungs-Annoncen. u 3 u ee EEE. ST; I: Re, _ 470. Pro I. Semester von 309 Mitgliedern a9 M .. 731 M—R 22.005 51. Druekkostenat. 0.20.20 nn. as Bob ent: _ 1991. 003 it x „ 336 5 29, 2 Se. 940: In wisbBuchbinder:Arbeitem aM. Sr Miet a Scheer a 159 50 ar 5805 => 120 | — | Porto ... a a 112) RER EERENRE: _ 101 49 900 | — | „ Beiträgen auswärtiger Mitglieder: 75 | — | Kleine Ausgaben a: N a eye De = is N — Pro I. Semester von 75 Mitgliedern & 6 M.-.. 30 M— % 75 | — | Naturwissenschaftliche Bedtion N ee Re ee Le = Gl — „ D. 5 276 4 u \,, 2 Bon Entomologische VECHOnB Fe ee a u: wu 6 — 906 z sone eihechrnische ‚Seetiom. al. zer ee ee ER 951 dar 180 | — | ,„ Eintrittsgebühren neuer Mitglieder: 32239 M...... 2... 0.0. = 288 — so) — || Bekwede Bedliune u Kan erste ee ak =; u | 28 450 | — | ,„ Miethsbeitrag vom Scehlesischen Kunst-Verein . . . 2. 2. 2 2 2 222.0. 2 450 = 240 | — | Bibliothek . . . . . ee EEE Te = 341 | 40 0|—| „ e R es @ewerbe- Verein. ... ms: se vo 786 | — | Unvorhergesehene Auen De, Ve a Eee AR 378 | 25 I65 0 als » . klassischen Musik-Verein.. .. . 2... van... u 7 300 | — | „ Tau Beitrag- vom hiesigen. Magistrat. ... ....... .... 2. Sn So | Bestand am Schlusse des Jahres 1875: Mr ach 2400 + 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. ussergewöhnliche Einnahmen: 1000 „ 4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. Von» EranleindEindnen. en. 32... 8. IM—% gl Vom Verein für bildende Künst nn en ein für bildende Künste... ..... 48 u — 900 „ 34,% 4 Oberschl, Hisenb. „Prioritäts- Oblig. Lit. R. Bür Gasbenutzung® = ze nu. ou ne 70 Yo 02 22, 900 „ 4% » „ » „ Lit. F. Für verkaufte Schriften. . . . en Zul 35 E ı i - » „ 2000 „ 41,% ” 5 s „ Bil. ©. Insen von zeitweise angelegten Gelder, EI) in, oe 300 „ 3Y,% Prämien-Anleihe. == 220 10 100 ,, Schles. Bankvereins-Anth. 26400 1327 85 26400. | 9829 | 90 A Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft. Kassen-Abschluss für das Jahr 1875. ———— Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. e Einnahme. An Bestand aus dem Jahre 1874 . „ Mitglieder-Beiträgen: von 69 einheimischen Mitgliedern & 3 M. a3 M. „ 287 auswärtigen n . 207 M. Bor, Beiträgen für den Lesezirkel: von 64 Mitgliedern & 3 M. . „ „ Einnahmen für den Garten und Erträgnisse desselben: Extra-Beiträge zur Unterhaltung des Gartens: Von 40 hiesigen Mitgliedern . , 149 auswärtigen „ 141 AM. 600 „, Extra-Beiträge zum Bau des Gärtnerhauses: Von 1 hiesigen und 3 auswärtigen Mitgliedern Für Edelobst-Bäume, Sträucher, Weinreben. 4796 M. „ verschiedene Garten-Producte. . „ Subventionen: Von dem landwirthschaftlichen Ministerium pro 1875 „ Zinsen von besitzenden Effecten: Von 600 »: 3'1/,% „ 1600 9 31,.% „ 1300 412% ” „ Dale, » 800 „4 4,% Breslauer Stadt- Ohlieshonen für 1 Jahr. » 200 »g 4% Schles. Rentenbriefe für 1 Jahr ” ” 9 ” eb} 1 ” „ erkauften Effecten: 3"/;% Oberschl. Eisenb.-Priorit.-Oblig. 1500 +: 9 74] 5160 Oberschl. Eisenb.-Prior.-Oblig. für Y, Jahr . . .175 .108 ER 7. ” 31 M. 84 M. es Ist eingenommen. Effecten. Baar. AM, HM, 1 HM a A 8700 828 63 1074 — 192 — 5922 84 1200 —_ 423 _— 4500 — — "13200 9640 47 22 ” b>} ” ” Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. Ist verausgabt, Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft. A. 20 42 83 21 44 Effecten. Baar. Ausgabe. = ” Für den Lesezirkel: Journale und Bücher. 56 AM. 18 % Colportage . Too, 5 Buchbinderarbeit 1.2 „ Extraordinaria. 12., „4, — 241 Sämereien zur Gratis-Vertheilung: : Sämereien ; 117 M. 638 % Empfangs- und Vers lingn- en DO (o.. — 174 Insgemein: Porto e 73 M. 43 % Insertionskosten . 24.0"; Druckkosten ee ee Angeschaffte \Werkesebe . .ı. N: 2 Koll en Kleine Ausgaben are vn eo; Extraordinariat er na ne Ay — 240 den Garten: Gärtnergehalte und ee 2439 M.50 % Arbeitslöhne i 1845 „ 45 „ Dungstoffe inel. Fuhrlhhn. : 522 „ — „ Sämereien, Obst-Wildlinge, Edel- Beer Beume: nnd en 220 5 20; Baulichkeiten und Utensilien 19 Ba Insertions- und Druckkosten . 14,20 ',; Porto und Extraordinaria .. 39 BA9Y2.0N — 4962 erkaufte Effeeten: 1000 +5. 34, % Oberschl. Eisenb.-Prior.-Obl. & 855/,,% u. Zins. 2577 fl. 30 % 500 5 31,% es e B „3 853,% u. Zins. 1286 „ 31» — 3864 Kassen-Bestand für das Jahr 1876. 13200 157 13200 9640 47 I | Zinsen von Effeeten I. | Beiträge einheimischer Mitglieder III. | Beiträge auswärtiger Mitglieder IV. | Eintrittsgebühren neuer Mitglieder V. | Miethsbeitrag vom Schles. Kunstverein Einnahmen. VI. | Miethsbeitrag vom Schles. Gewerbeverein VII. | Miethsbeitrag vom Klassischen Musikverein VII. | Jahresbeitrag vom hiesigen Magistrat IX. | Diverse Einnahmen ©, 16h ale wie, wusi.e 0, ee helejLe a eye a; alle, a ur ul el» arlalın, u a. une, ’e elle, le, a Te 0 0 wre ie) ee 0 ae, :e In sie/ler sl eie “le/ oe u 0,0 “ra, a,e 8 0.0, 0 u oe 0 ey» 0 0 a ee wech eige \ lern ml een eo eile fe,.u ui in el allallar'e, 070,0. DO GED 0 0 O0 Denon einen ua erier a Le Lelkutreleiiekue seele, ‚eo .sseiusk.euie mw a. elle a ellsjuntle) sid Leiie, wo in re, el a, BN/ete lergene Bun eeilenleiurielieiunke,,s' le lei ie, ufin inte, \n/jerle sau‘ al,a) ei re, peu ugaire .e Breslau, den 1. 168 164 | m > - Kasse für die Jahre 1876 und 1877. Ausgaben. NEIN ee Te Honorare und Remunerationen . Gehalt des Kastellans...... EL EC, EI OO er wos elkeie.- eu. ,ore ana] Laheiuwiie, ın,.wise (draiet er,“ Neujabrsgeschenle dem Kastellan 2 2.2 2.2.2. 7 2 022, Neujahrsgeschenk dem Haushälter eis e,ie a ee a ie = a 0,0 eu ie oe m or 0 ale Dleizunge.. er en, ODE TEE OLE OEL SEO EEE Beleuchtung „3: 2 ee ee eek dlefiegenehie ou, leleneofatv., a, dien w iafLur 0. 0, arlaiau.et el ala Reparaturen des Mobiliars Feuer-Versicherungs-Prämie Pu wie 0. ı@ eL.e mn 0 le/l er ene ne 0 0 aan ee Schreibmaterialien ea rpı ne /aulu ie: 0 0/@ur ii wi m. ’e, #i.e, ee, eiwaıe, @i,e. s\ın,ne exa) ei a, ee, /ur.e Zeitungsannoncen Lyss ur Sic He ak SUR Da Ex Yang ya DICHT Tr Saar aRL Baar JE ouc EL PET EL Dar Val Sic TL For Vor Yort VEL ar Sur ver Yar yer ar Dineklostener ee A SL,erle2 ler efia wre: win, uLlellen a er anie. ss halere,e « ee; n ke men zeiiein,.e wre one u ielın a le /al a, eier alle: aliailLe in, /a/lo je u, mi ae wu nm a q alare a nie alas el nie ae Kleine Ausgaben eeV.e. le ‚ehialleniei w.sei es; alia, ee oe bie oe Bela a ee el ne, el an... een um Naturwissenschaftliche Section... . 00. Tr TR Tr Tr Teen —e Enomeologische-Sechon son. n nen ne. Technische Section .......... RL Re Botanische Section Bibliothek ee ee 0). ee ee je: 0.0 = 0, 60 8.08 08 9% oe da 8 a Ta aan arte, «L,e) or, ufe Jura ae’ alyer;e, wireise/e nie, ej sl.e in lematıe jaheim)iee, ae, a nlelej so nenn ern ee Ss 0. ie ’e eihe nie ‚ee e Be B,=-0. Be 0,00 un 0 Bo © ee 0 nn ea ad oe. we = März 1876. Das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Göppert, Präses. v. Görtz, Vice-Präses. v. Vechtritz, General-Secr. Kutzen, Franck, zweiter Gen.-Secr. Kassirer. RL & es 8 s N: TER REN ETC RETREIEN CH, ATahE 1 A oe 2 ey BE 2 1.0 BE hg DR Ze I RED ee] Pr NETT, ER 533 r * ii r E) Be N Koh .; ot R der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 13 Kirchen-Ordnung erwähnte musica Nicolai Listenü, ein damals allgemein verbreitetes compendium für den Schulgebrauch. Für die nächste Etatszeit wurde der bisherige Secretair wieder gewählt: Die archäologische Section (Secretair: Herr Professor Dr. Alwin Schultz) hielt fünf Sitzungen, Vorträge: Am 30. April Herr Prof. Dr. H. Blümner: Ueber ein archäolo- gisches Räthsel. Am 4. Juni Herr Prof. Dr. R. Förster: Ueber eine Darstellung des Raubes der Proserpina. Am 1. November Herr Prof. Dr. Schultz: Ueber einige Denkmäler - der Sculptur des 13. Jahrhunderts. Am 29. November derselbe: Ueber die Kunstdenkmäler von Ra- venna. Am 20. December derselbe: Ueber einige neue Publicationen zur Geschichte des Holzschnittes. Am 20. December wurde der bisherige Secretair wieder gewählt. Bericht über den Kassenabschluss pro 1874. Der Kassenabschluss des Jahres 1873 ergab für die Allgemeine Kasse einen Baarbestand von 5 Thlr. 12 Sgr. 7 Pf. und einen Effeetenbestand von 8800 Thlr. Die Einnahmen im Jahre 1874 betrugen 3146 Thlr. 9 Sgr. 6 Pf., gegen 3209 Thlr. 21 Sgr. im Vorjahre. Die Ausgaben beliefen sich auf 3137 Thlr. 29 Sgr. 3 Pf., gegen 2953 Thlr. 1 Sgr. 10 Pf. im Vorjahre. Der Effeetenbestand betrug Ende December 1874 8300 Thir. wie im Vorjahre; der baare Kassenbestand 13 Thlr. 22 Sgr. 10 Pf. Die Speecialkasse der Section für Obst- und Gartenbau schloss am 31. December 1873 mit einem Effectenbestande von 2100 Thlr. und einem . Baarbestande von 89 Thlr. 29 Sgr. 10 Pf. Die Einnahmen im. Jahre 1874 betrugen 2808 Thlr. 12 Sgr. 9 Pf., die Ausgaben, einschliesslich der Ausgabe für eingekaufte 800 Thlr. Effeeten, 2622 Thlr. 6 Sgr. 3 Pf., und es verblieb Ende December 1874 ein Effeetenbestand von 2900 Thlr. und ein Baarbestand von 276 Thlr. 6 Ser. 4 Pf. 14 Jahres-Bericht Im laufenden Jahre haben weder bei den Einnahmen noch bei den . u. \ Ausgaben wesentliche Veränderungen stattgefunden. Breslau, den 29. December 1875. i Franck, z. 2. Kassirer der Gesellschaft. Bericht über die Bibliotheken der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1875. Die Bibliotheken erhielten im Laufe des verflossenen Jahres 200 Nummern in 369 Bänden, 194 Heften und einigen Abbildungen, meist naturwissenschaftlichen Inhalts nnd sämmtlich werthvoll, durch Vermächt- niss aus der Bibliothek des verstorbenen Herrn Robert Nising. Ab- gesehen von einer Zahl Bücher welche die verw. Frau Redacteur Oelsner schenkte, gingen, einschliesslich. der Nising’schen Schenkung, 1857 Bände, Hefte, Karten und Abbildungen verschiedener Art — verzeichnet in 614 Nummern des Journals — ein. Davon kommen auf die allgemeine Bibliothek 542 Nummern in 1504 Bänden und Heften, die schlesische Bibliothek 67 Nummern in 332 Bänden und Heften, die Sammlungen von Karten u. a. Abbildungen 5 Nummern in 8 Karten, 8 Packeten Abbildungen, meist botanischen, theils zoologischen Inhalts, 1 Mappe Portraits berühmter Männer, 3 Heften eines entomolo- gischen Prachtwerks und ein einzelnes Portrait. Die Zahl der Vereine, Institute oder Behörden, denen die Bibliothek Einsendungen verdankte, belief sich auf 242. Davon kommen auf Schle- sien 38 (24 auf Breslau, 14 auf die Provinz), auf das übrige Deutschland 112 (16 auf Berlin), auf den österreichischen Staat 31 (11 auf Wien), die Schweiz 9, Italien 9, Frankreich 4, das Grossherzogthum Luxemburg - 2, Belgien 8, Holland 5, England 1, Schweden 3, Dänemark 2, Russland 7, die Vereinigten Staaten von Nordamerika 10, Asien 1. Die Zahl der ausserschlesischen beträgt mithin 204. Es sandten ein: = A. Bei der schlesischen Bibliothek. a. Behörden, Institute, Vereine. Das kgl. Oberbergamt 2 Stück, der Verein für Geschichte und Alter- thum Schlesiens 2, der Verein für das Museum schlesischer Alterthümer 4, die Handelskammer 1, der Magistrat 1, der schlesische Gewerbe-Central- verein 1, der schlesische landwirthschaftliche Centralverein 1, der kauf- männische Verein 1, die Universität 71, das Matthias-Gymnasium 1, das z der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 15 Magdalenen-Gymnasium 1, das jüdisch-theologische Seminar Fränkel’scher Stiftung 3, die Realschule I. (am Zwinger) 2, die Realschule II. (z. heil. Geist) 1, die städtische höhere Töchterschule 1. (Taschenstrasse) und II. (Ritterplatz) je 1, die Blinden-Erziehungsanstalt 8, die Zwinger- und Ressourcen-Gesellschaft 1, das Institut für hilfsbedürftige Handlungsdiener 1, der Verein für Geschichte der bildenden Künste 2, der schlesische Centralverein für Gärtner und Gartenfreunde 1, das Hausarmen-Medieinal- Institut 1, der ältere Breslauer Turnverein 1, die Breslauer Singakademie 1 — sämmtlich zu Breslau, die ökonomisch-patriotische Societät der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer 1, der Gewerbe- und Gartenbau- Verein zu Grünberg 1, die höhere Bürgerschule zu Striegau 1, die Gym- nasien zu Banzlau, Glatz, Waldenburg, Lauban, Patschkau und Wohlau je 1, das zu Hirschberg 13, die Ritter Akademie und die landwirthschatt- liche Mittelschule zu Liegnitz je 1, die Realschule I. Ordnung zu Landes- hut 1, die Realschule zu Reichenbach i. Schl. 1, die Philomathie daselbst 2. b. Einzelne Geschenkgeber. G. P. Aderholz Buchhandlung 2, die Herren Oberbergrath Althans 2, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert 6, Dr. Eiosrlaäser 1, Hauptlehrer Karl Letzner 31, Rector Dr. Luchs I, Stadtrath Müller 12, Kastellan Reisler 1 — sämmtlich in Breslau; ferner die Herren H. H. Gurn in Freiburg i. S. 1, Hans v. Prittwitz und Gaffron, Hauptmann a. D. zu Oels 1, P. Dengler, Bürgermeister in Reinerz 1. Gekauft wurden 3 Nummern in eben so vielen Bänden. B. Bei der allgemeinen Bibliothek. a. Behörden, Institute, Vereine. Die Geschichts- und Alterthumsforschende Gesellschaft des Osterlands zu Altenburg 2, koninglijke Akademie van wetenschappen zu Amsterdam 4, der Gewerbeverein der Stadt Bamberg 1, der historische Verein für Ober- franken zu Bamberg 1, die historische und antiquarische Gesellschaft zu Basel 1, der historische Verein für Oberfranken zu Bayreuth 1, das Cultusministerium 1, die kgl. Akademie der Wissenschaften 3, die Uni- versität 8, die kaiserl. Admiralität 6 (davon 5 das hydrographische Bureau derselben}, die Gesellschaft für Erdkunde 1, die Gesellschaft naturforsch. Freunde 1, die deutsche geologische Gesellschaft 2, die juristische Gesell- schaft 1, der Verein für Heraldik und Generalogie 1, der Verein zur Be- förderung des Gartenbaus in den preussischen Staaten 1, der botanische Verein für ..die Provinz Brandenburg und angrenzenden Landestheile 1, ‚das Landes-Oekonomie-Collesium 2, der Verein für die Geschichte der Stadt Berlin 3, das kgl. preuss. geodätische Institut 2, die Berliner me- dieinische Gesellschaft 1 — sämmtlich zu Berlin; die naturforschende Ge- sellschaft zu Bern 2, der landwirthschaftliche Verein von Rheinpreussen zu Bonn 1, der naturhistorische Verein der preuss. Rheinlande und West- phalens daselbst 2, die Universität daselbst 47, Socieie des sciences phy- siques et naturelles zu Bordeaux 5, Boston Socieiy of natural history zu Boston 4, American Academy of arts and sciences daselbst 1, der historische Verein zu Brandenburg a. d. Havel 4, der landwirthschaftliche Central- verein des Herzogthums Braunschweig zu Braunschweig 3, der deutsche 16 Jahres- Bericht Pomologen-Verein daselbst 1, der natur wissenschaftlich Verein zu Bremen 3, der Gartenbau-Verein daselbst 1, der landwirthschaftliche Verein für das Bremische Gebiet daselbst 1, die k. k. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Tiendeskunde zu Brünn 3, der Naturforscher- Verein daselbst 1, Academie royale de medeeine de Belgigue zu Brüssel 2, Academie royale des sciences, des leitres et des beaus arts de Belgique da- selbst 10, Sociele malacologique de Belgique daselbst 3, Congres periodique international des sciences medicales daselbst 1, das kgl. Observatorium da- selbst 4, die kgl. ungarische naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Buda- Pest 4, Geological Se) y Office of India zu Caleutta 3, Museum of com- paralive zoology zu Cambridge (Amerika) 5, die kgl. Landwirthschafts- Gesellschaft zu Celle 1, der erzeebireische Bartenbaeren in Chemnitz 1, die naturforschende Gesellschaft Graubündens zu Chur 4, der Verein für Gartenbau zu Coburg 1, die naturforschende Gesellschaft zu Danzig 1, der Verein für Erdkunde und mittelrheinisch-geologische Verein zu Darm- stadt 1, der Verband rhein. Gartenbauvereine z. 7. daselbst 1, der Garten- onen daselbst 3, der historische Verein für das Grossherzosthum Hessen daselbst 1, die gelehrte esthnische Gesellschaft zu Dorpat 2, das kgl. sächsische statistische Bureau zu Dresden 9, die nalurwissenschaft- liche Gesellschaft ‚Isis‘ daselbst 1, der Verein für Erdkunde daselbst 2, Kais. Leop. Karol. Akademie der Naturforscher daselbst 5, die Gesell- schaft für Natur- und Heilkunde daselbst 1, die permanente Commission der europäischen Gradmessung daselbst 2, „‚Pollichia‘“ (naturwissenschaft- licher Verein der Rheinpfalz) zu Dürkheim a. d. Hardt 1, der baltische - landwirthschaftliche Centralverein zu Eldena 3, die naturforschende Ge- sellschaft zu Emden 6, die Universität zu Erlangen 46, die Senckenber- gische naturforschende Gesellschaft zu Frankfurt a. M. 3, der. physikalische Verein daselbst 2, der Verein für Geschichte und Alterihumskunde da- selbst 2, der ärztliche Verein daselbst 2, der landwirthschaftliche Central- verein zu Frankfurt a. O. I, der Freiberger Alterthumsverein zu Frei- berg i. $. 1, die naturforschende Gesellschaft zu Freiburg i. B. 1, die Universität daselbst 40, der Verein für die Geschichte des Bodensees zu Friedrichshafen 1, der historische Verein zu St. Gallen 1, die St. Galli- sche naturwissenschaftliche Gesellschaft daselbst 1, Societe de physique et d’histoire naturelle zu Genf 1, Societü di lettere € conversazioni scientifiche zu Genua 2, die oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz 2, der Gartenbauverein für die Oberlausitz daselbst 1, die kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen Il, der Thüringer Gartenbauverein zu Gotha 2, der historische Verein für Steiermark zu Graz 5, der natur- wissenschaftliche Verein für Steiermark daselbst 1, SocieiE hollandaise des sciences zu Haarlem 1, De Holl. Maatschappi) der Weienschappen daselbst 4, der naturwissenschaflliche Verein für Sachsen und Thüringen zu Halle 2, der Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung zu Hamburg 1, der historische Verein für Nieder-Sachsen zu Hannover 1, die kgl. polytechnische Schule daselbst 1, die naturwissenschaftliche Gesellschaft daselbst 2, Sällskapet pro Fauna et Flora fennica zu Helsingfors 1, der Verein für siebenbürg, Landeskunde zu Hermannstadt 8, der siebenbürg. Verein für Naturwissenschaft daselbst 1, die Universität zu Jena 78, die medieinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft daselbst 4, das Ferdinandeum für I'yrol und Vorarlberg zu Innsbruck 1, der naturwissenschaftlich-medieinische Verein daselbst 1, der landwirthschaft- liche Centralausschuss für Tyrol und Vorarlberg daselbst 1, der Garten- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. i BR N bauverein für das Grossherzogthum Baden zu Karlsruhe 2, der landwirth- schaftliche Verein im Grossherzogthum Baden daselbst 1, der Verein für hessische Geschichte und Landeskunde zu Kassel 5, der Verein zur Be- förderung des Gartenbaues daselbst 1, der ungarische Karpathenverein zu Kesmark 2, die Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schles- wig-Holstein und Lauenburg zu Kiel 4, der naturwissenschaftliche Verein für Schleswig-Holstein daselbst 1, die Universität daselbst 1, der Verein für Gartenbau in den Herzogthümern Schleswig und Holstein daselbst 1, der Kärntner Gartenbauverein zu Klagenfurt 5, der Geschichtsverein in Kärnten daselbst 1, die Universität zu Königsberg 19, die ostpreussische landwirthsehaftliche Centralstelle und der Hauptverein westpreussischer Landwirthe daselbst 1, Kongelige Danske Videnskabernes Selskab zu Kopen- hagen 1, die Universität daselbst 15, Nederlandsche botanische Vereeniging zu Leiden 1, De Maaischappij der Nederlandsche Letierkunde daselbst 4, die kgl. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig 1, British Association for the advancement of science in London 1, Socieie royale des sciences zu Lüttich 2, sSocieie geologigue de Belgique daselbst 1, Fede- ration des societes d’horticulture de Belgique daselbst 1, der Acker- und Gartenbauverein im Grossherzogthum Luxemburg zu Luxemburg 2, Institut Royal Grand-Ducal de Luxembourg daselbst 4, Societe Linneenne zu Lyon 2, Academy of sciences, arts and letters zu Madison (in Wisconsin) 1, der naturwissenschaftliche Verein zu Magdeburg 1, der Verein zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Alterthümer in Mainz 1, die Universität zu Marburg 38, der Verein für Pomologie und Gartenbau in Meiningen 2, Societü Italiana di scienze nalurali zu Milano 4, Reale Istituto Lombardo di scienze e letiere daselbst 2, Societü dei naturalisti zu Modena 1, Academie des sciences et leitres zu Montpellier 2, Societe imperiale des naturalistes zu Moskau 4, Socieie imperiale d’agriculture daselbst 5, die kgl, bayerische Akademie der Wissenschaften zu München 13, der historische Verein von und für Oberbayern daselbst 2, der landwirthschaftliche Verein in Bayern daselbst 1, der historische Verein zu Münster 1, der Verein für Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg zu Neu-Brandenburg 1, Orleans County Society of natural sciences zu New-Orleans 1, das germanische Museum zu Nürnberg 1, Societe centrale d’horticulture de France zu Paris 1, Board of Publie Education of the Free School Distriet of Pennsylvama 1, Academie imperiale des sciences zu St. Petersburg 1, die kaiserl. russische geogra- phische Gesellschaft daselbst 18, Societa Toscana di scienzi naturale resi- dente in Pisa 1, der Gartenbauverein zu Potsdam 1, der naturwissen- schaftliche Verein „‚Lotos‘‘ in Prag 1, die kgl. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften daselbst 4, die k. k. Sternwarte daselbst 1, der Landes- eulturrath für das Königreich Böhmen 1, der zoologisch - mineralogische Verein zu Regensburg 1, der historische Verein von Oberpfalz und Regens- burg daselbst 2, der deutsche Pomologenverein zu Reutlingen 1, die Ge- sellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Russ- lands zu Riga 2, die kurländische Gesellschaft für Litteratur und Kunst daselbst 1, der allgemeine Gärtnerverein zu Ringelheim 1, die Universität zu Rostock 57, Societü geografica Italiana zu Rom 4, die Gellschaft für Salzburger Landeskunde zu Salzburg 2, der Verein für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin 1, das Grossherzogliche stalistische Bureau daselbst 1, der Verein zur Beförderung der Landwirth- . schaft zu Sondershausen 1, der Entomologen-Verein zu Stettin 1, die Ge- 2 18 Jahres- Bericht sellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin 2, Bureau de la recherche geologique de la Suede zu Stockholm 16, Societe d’hortieulture de Bas Rhin zu Strassburg 1, die kgl. polytechnische Schule zu Stuttgart 3, das kgl. statistisch-topographische Bureau daselbst 5, die _ kgl. Württembergische Centralstelle für die Landwirtkschaft daselbst 2, der Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg daselbst 1, So- cietü agraria zu Triest 1, das Pomologische Institut der k. k. patriotrischen ökonomischen Gesellschaft zu Troja 1, R. Istituto teenico zu Udine 1, die beiden landwirthschaftlichen Provinzial-Vereine für das Fürstenthum Lüne- burg und die Landdrostei Stade zu Uelzen 1, der Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben zu Ulm 1, die kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Upsala 1, R. Istituto Veneto di scienze, leitere ed arti zu Venedig 3, Ateneo Veneto daselbst 1, Office of Ihe Surgeon General zu . Washington 1, Smithsonian Institution daselbst 1, United States Department of agriculture daselbst 2, Department of the Interior daselbst 4, der Harz- verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Wernigerode 3, die k. k. Akademie der Wissenschaften‘ zu Wien 3, die k. k. geologische Reichs- anstalt daselbst 5, die geographische Gesellschaft daselbst 1, die Univer- sität daselbst 5, d. k. k. geologisch-botanische Gesellschaft daselbst 1, der Lehrerverein der deutschen Studenten daselbst 3, die österreichische Ge- sellschaft für Meteorologie daselbst 2, der Alterthumsverein daselbst 1, die k. k, Gartenbaugesellschaft daselbst 3, der Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse daselbst 2, die akademische Lesehalle an der Universität daselbst 1, der Verein für nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung zu Wiesbaden 1, der polytechnische Oentralverein für Unterfranken und Aschaffenburg zu Würzburg 1, die physikalisch- medicinische Gesellschaft daselbst 3, der historische Verein von Unter- franken und Aschaffenburg daselbst 1, die Handels- und Gewerbekammer für Unterfranken und Aschaffenburg daselbst 1, die Gesellschaft für vater- ländische Alterthümer zu Zürich 1, die naturforschende Gesellschaft da- selbst 1, die Universität daselbst 28. \ b. Einzelne Geschenkgeber. Die Redaction der Deutschen Reichs-Offerten-Zeitung 2, die Herren: A. Freiherr v. Fircks 1, Dr. Gustav Hellmann 1, Prof. Krönig 1, Dr. Ed. Lichtenstein, prakt. Arzt 1, Dr. W. Sklarek, Red. des „Naturforscher“ 1, Graf Stillfried- Alcantara 1 — sämmtlich zu Berlin; Prof. H. Rühle in Bonn 1, G.P. Aderholz’ Buchhandlung 9, Geheimrath Prof. Dr. Göppert 11, Generallandschafts-Syndieus Geheimrath v. Görtz 17, Oberbergamts-Assi- stent Langner 7, Antiquar Lesser 1, Hauptlehrer K. Letzner 1, Stadtrath Müller 2, Max Müller, Verlagsbuchhandlung 1, Dr. C. A. Scherner 1, Superintendent a. D. ©. Wolff 1, — sämmtlich zu Breslau; Dr. B. Dudik, mährischer Landeshistoriograph zu Brünn 1, Prof. Dr. W. Böck zu Chri- stiania 2, A. W. Fils, preuss. Major a. D. in Ilmenau*) 1, Prof. A. Kerner in Innsbruck 5, Dr. Gustav Hinrichs, Prof. of Physical seience zu Iowa- City 1, Otto Weberbauer in Landeck 1, Fred. Baleman M. D. M. R. C. P., Arzt am Norfolk- und Norwich-Hospital zu London 1, Dr. Adolf Engler *) Einer der ältesten, wenn nicht der älteste Correspondent der Gesellschaft, hat Herr Major Fils, wie so oft, auch dieses Jahr wiederum seine rege Theil- nahme gezeigt. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, . 19 tn München 1, Dr. Ed. Heis, Prof. der Mathematik und Astronomie an der kel. Akademie zu Münster 1, Graf H. Attems in St. Peter bei Graz 1, Elablissement horticole des ‚fröres, Simon-Lowis zu Plantieres bei Metz 1, Pastor Kawall in Pussen (Curland) 2, Copernieus-Verein in Thorn 3, Karl Fritsch in Wien 1, Gust. Tschermak daselbst 4, Dr. Alex. Skofitz daselbst 3 Gekauft wurden 40 Nummern in 77 Bänden. C. Die Sammlungen der Gesellschaft _ erhielten folgenden Zuwachs: 3 Hefte eines entomologischen Prachtwerkes: Pinacographia von Dr. Snellen van Voilenhoven, von der k. niederländischen Gesandtschaft in Berlin, 8 geologische Karten von dem Bureau de la Recherche geologique de la Suede, das Portrait des Jos. v. Eichendorf vom Oberpostsecretair Schück in Danzig, eine Mappe Portraits berühmter Männer und 8 Packete Abbildungen mit botanischen, theils zoologischen Inhalts durch Vermächt- niss von dem verstorbenen H. R. Nising. L. Becker. Bericht des Conservators der Sammlungen der schlesischen Gesellschaft pro 1875. Die Hauptbeschäftigung des Unterzeichneten war, so lange nicht seine Thätigkeit durch die diesjährige Kunstausstellung unterbrochen wurde, die Sichtung und Unterbringung der unter Nr. 82 im Verzeichniss von 1872 senannten 20 Packete nummerirter Pflanzen in das grosse Henschelsche Herbarium. Es scheinen diese Pflanzen in früheren Jahren ausgeliehen gewesene und noch nicht in das Henschelsche Herbarium eingereihte Arten zu sein. Mit besonderem Danke muss der Mühwaltung des Herrn Professor Dr. Nägeli in München gedacht werden, welcher, zunächst zum Zwecke eigener Studien, die grossen Hieracien Vorräthe des Gesammtherbar’s einer kritischen Revision unterwarf und dabei gleichzeitig mit einigen noch fehlenden Arten und Formen das Herbarium bereicherte. Vermehrt wurden die Sammlungen 1) durch Ankauf: v. Thümen, Mycologia universalis. Cent. I-II., Pfeiffer, Nom- cadator botanicus I 26 und Il 26 bis zum Schluss des ganzen Werkes. 2) durch Geschenke: Herr Apotheker Werner hier: Herbarium vizas plantas in Silesia indigenas exhibens a Ch. Günther, H. Grabowski et F. Wimmer col- lectum (14 vol... Er erhielt dafür als Gegengeschenk eine Samm- lung sehlesischer, namentlich offieineller, Phauerogamen. Der wohll. Verein für die deutsche Nordpolarfahrt zu Bremen über- sandte durch Prof. Buchenau eine Collection arctischer Pflanzen, IF 20 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. wie dieser selbst eine Partie Juncaceen. Herr Lothar Becker bier: Beitrag zur Kenntniss der Sumpf- und Moorflora Nieder- schlesiens (Manuseript) 20 $. Herr Mittelschullehrer Limpricht hier: Bericht über eine botanische Pfingstwanderung durch einen Theil der Gebirge Mittelschlesiens (Manuseript). Herr Dr. Schröter in Rastadt übersandte Exemplare von 11 Pilzarten, von denen 9 neue Species darstellen. | Die Benutzung der Sammlungen seitens Einheimischer wie Auswär- tiger war ein ziemlich reger. Breslau, den 22. December 1875. Prof. Dr. Körber. Te} gi, Mn e E [7 .. > I. Bericht über die Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1875, erstattet von Herrn Prof. Dr. Ed. Grube und Herrn Prof. Dr. F, Römer zeitisen Secretairen der Section. Herr Professor Dr. Galle berichtete in der Sitzung am 10, März über die Ergebnisse einer von demselben vorgeschlagenen und 1873 zur Ausführung gelangten Bestimmung der Sonnen-Parallaxe aus Beobach- tungen eines der kleinen Planeten auf mehreren Sternwarten der nörd- lichen und südlichen Halbkugel. Das Beobachtungs-Verfahren beruht auf der Messung von Declinations- Differenzen zwischen dem Planeten und nahe nördlich und südlich ge- legenen kleinen Sternen mittels des Faden-Mikrometers an einem Aequa- toreal. Obwohl die kleinen Planeten wegen der grösseren Entfernung an sich ungünstiger sind zur Bestimmung der Sonnen-Parallaxe als die näheren Planeten Venus und Mars, so wird doch dieser Nachtheil wiederum com- pensirt durch die grössere Genauigkeit der Einstellung, indem dieselben in den Fernröhren als fixsternartige Punkte erscheinen, während die Be- obachtung von Venus und Mars durch die Rücksichten auf Durchmesser, Irradiation, Phase ete. erschwert wird. In Anerkennung dessen ist im October und November 1873 eine Cooperation zur Beobachtung des Pla- neten Flora zu Stande gekommen, der in jener Zeit die seltene Erdnähe von 0,87 der Sonnen-Entfernung erreichte. Der Planet wurde auf der nördlichen Halbkugel beobachtet auf den neun Sternwarten in Dublin und Parsonstown in Irland, Lund und Upsala in Schweden, Washington und Clinton in Nordamerika, Moskau, Leipzig und Bothkamp (bei Kiel); auf 92 Jahres-Bericht der südlichen Halbkugel am Cap der guten Hoffnuug, in Melbourne in Australien und in Cordoba in Südamerika (Argentin. Republik), auf allen 12 Sternwarten, mit Fernröhren ersten Ranges. Aus den in der ersten Hälfte des vorigen Jahres hier eingegangenen, theils gedruckten, theils durch die Gefälligkeit der Beobachter handschriftlich mitgetheilten Beob- achtungen konnte der Vortragende bereits im September in der mathe- matischen Section der Naturforscher-Versammlung einen vorläufigen Bericht über die daraus sich ergebende Sonnen-Parallaxe vorlegen, jedoch waren noch einige nachträgliche Correspondenzen mit der südlichen Halbkugel erforderlich, die die Ziehung eines definitiven Resultates erst in der jüng- sten Zeit gestattet haben. Das angewandte Verfahren, das überdem in jedem Jahre Wiederholungen gestattet, hat sich dabei ganz den gehegten Erwartungen gemäss bewährt, und der für die Sonnen-Parallaxe gefundene Werth von 8,88 Secunden zeigt eine besonders genaue Uebereinstimmung mit demjenigen Resultate, welches Herr Cornu in Paris im Laufe des ‚vorigen Jahres auf einem völlig verschiedenen Wege durch seine sehr genauen terrestrischen Messungen der Geschwindigkeit des Lichtes ge- funden hat. Auch von den Resultaten, die Herr Le Verrier auf ana- Iytischem Wege durch die Theorie der Planeten-Störungen ermittelt hat, ist die Abweichung eine sehr geringe. Eine Vergleichung mit dem aus dem Venus-Durchgange von 1874 zu ziehenden Resultate, bei welchem die Discussion der Beobachtungen und deren Berechnung eine sehr com- plieirte und umfangreiche Arbeit bildet, dürfte vor Jahresfrist schwer zu erwarten sein. Herr Dr. J. Pernet, Assistent am physikalischen Cabinet, sprach in der Sitzung am 24. März S über Sturmwarnungen. Es sind zwei Arten Stürme zu unterscheiden, Stromstürme und Wirbelstürme. Bei den Ersteren giebt die Windfahne direet die Richtung der Fort- schreitung des Sturmes an. Für die norddeutschen Küsten scheinen diese die gefährlicheren und heftigeren zu sein, mit 8.-W. einzusetzen und mit N.-W. zu endigen. Hierdurch, sowie durch striehweises Sinken und Ansteigen des Barometerstandes sind dieselben charakterisirt und aus den Witterungsdepeschen zu erkennen. An den irischen Küsten und im atlantischen Ocean sind hauptsächlich die Wirbelstürme gefährlich. Bei diesen dreht sich die Luft mit grosser Geschwindigkeit entgegen dem Sinne der Bewegung eines Uhrzeigers. Dieser Wirbel schreitet von Westindien von $.-W. nach N.-O. bis in den Norden von Europa fort und folgt im Ganzen dem Golfstrom. Verbindet man die Punkte gleichen Barometerstandes mit einander, so erhält man der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur, : 93 geschlossene Curven, sowie ein Wirbel über Europa hinwegschreitet. Im Centrum des Wirbels ist die Luft ruhig oder nur schwach bewegt, die Windrichtung veränderlich, nach aussen nimmt der Luftdruck zu, der Wind wird heftiger und die Richtung desselben ist entgegen dem Sinne der Drehung der Sonne. Ergeben sich aus den Witterungsdepeschen diese Anzeichen, so kann man auf einen vorhandenen Wirbel schliessen und den Sturm telegraphisch signalisiren, da die europäischen Wirbelstürme "um eirca acht deutsche Meilen pro Stunde fortschreiten. Der Vortragende erläuterte hierauf die vorgezeigten synoptischen Karten, das Verfahren ihrer Anfertigung in Frankreich, England, Norwegen, Russland und Nordamerika, sowie die Art der Mittheilung der Resultate an das Publikum. Den Schluss bildete ein Hinweis auf die Aufgaben der „Deutschen Seewarte‘“ und deren Bedeutung. Herr Gymnasiallehrer Dr. Beblo machte in der Versammlung am 26. Mai Mittheilungen über Walter von Tschirnhaus. Derselbe übergiebt der Section den Abdruck einer von Dr. Hartmann- Schmidt in der Mielich’schen Bibliothek zu Görlitz gefundenen Form, welcher auf der einen Seite die Worte trägt: Ecce suis radis humnc nummum fudit Apollo, — Heumano placidus, dum favet ingemo. Distabat bissex hoc immittente calorem — Romanis pedibus flammarum iste focus, und auf der andern Seite: Tautos refractus vitris producere tantis, hactenus in mundo cernere non lieuit. Tercentum pondo pendent amplissima vitra. Quando et quali perpolienda manu 1693. — Die Form rührt unzweifelhaft von dem bekannten Gelehrten Walter von T'schirnhaus her, der durch die Dar- stellung riesiger Brennspiegel und Brenngläser sich einen bedeutenden Namen erworben hat. Ehrenfried Walter von Tschirnhaus wurde am 10. April 1651 zu Kieslingswalde bei Görlitz geboren, dem Gute, welches seine Familie schon 400 Jahre besessen hatte. Nachdem er das Gymnasium zu Görlitz ab- solvirt hatte, ging er 1668 nach Leyden, um Mathematik und Philosophie zu studiren, welche durch Geulius vortrefflich vertreten war. 1675 machte er seine erste grosse Reisse durch fast ganz Europa und knüpfte auf der- selben mit den bedeutendsten Männern seiner Zeit Bekanntschaften an. In Paris wurde er mit Leibnitz bekannt und beide traten von dieser Zeit an in ein inniges Freundschaftsverhältniss, das für das Leben andauerte. Obwohl Leibnitz seinen Freund ohne Zweifel überragte, so fand doch unter ihnen eine Art von Wetteifer auf dem Gebiete der gelehrten Forschung statt, so dass in manchen Punkten ihre Eigenthumsrechte an den gewonnenen Resultaten streitig werden konnten — Am 22. Juli 1682 wurde T. Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris und lieferte 24 Jahres-. Bericht von dieser Zeit an für die Memoiren, derselben werthvolle Beiträge, Vom Jahre 1684 lebte er meist auf seinen Gütern, besonders wissenschaftlichen Arbeiten sich widmend. In den letzten Jahren finden wir ihn häufig am Dresdener Hofe, wo der bekannte Alchemist Böttcher seiner besonderen Obhut anvertraut war. Im September 1708 starb Tschirnhaus. Seine wissenschaftlichen Arbeiten beschäfligen sich mit Fragen der Mathematik, Philosophie, Physik und Chemie. Nach der verschiedensten Richtung hat ‚er in der Mathematik gearbeitet und „Gedanken angeregt, die in ihrer Entwicklung und Ausbildung bis in die Bestrebungen und Forschungen der neuesten Zeit herabreichen.‘‘ Das wichtigste von seinen philosophischen Arbeiten ist die Mediceina mentis sive artis inveniendi prae- . cepla generalia, deren Inhalt der Vortragende eingehend analysirt. Die physikalischen Arbeiten T.’s beziehen sich besonders auf die Ver- besserung optischer Gläser und Instrumente. Mit seinen Brenngläsern und Brennspiegeln war er im Stande, grössere Mengen Metall zu schmelzen und bei passenden Gelegenheiten benutzte er die erwähnte Form, um die _ geschmolzene Masse hineinzugiessen und auf diese Weise Denkmünzen herzustellen. Auch in der Chemie hat er mit Erfolg gearbeitet, er war unzweifelhaft der erste, welcher in Deutschland eine porzellanartige Masse dargestellt hat und sicher ist er es auch gewesen, welcher Böttcher ver- anlasste, Untersuchungen in der Richtung anzustellen, dass ihm schliesslich die Darstellung des Porzellans gelang. Die zahlreichen Schriften T’s., sein Briefwechsel mit Leibnitz, eine bald nach seinem Tode erschienene Lebensbeschreibung und die Arbeiten von Paur, Weissenburg u. A. geben reiches Material für die Beurtheilung des Charakters und der Thätigkeit T’s. Herr Prof. Dr. Poleck sprach in der Sitzung am 27. October über einige in Mineralwässern seltener vorkommende Bestandtheile. Die Kenntniss der Zusammensetzung einer Mineralquelle hat eine doppelte Bedeutung, einmal eine therapeutische, dann eine chemisch-geolo- gische. Die im Laufe des vergangenen Sommers von dem Vortragenden ausgeführte chemische Analyse des Oberbrunnens in Flinsberg hat in beiden Beziehungen zu interessanten Resultaten geführt. Die Quelle hat durch ihre Vertiefung und ihre Verbindung mit einem, in ihrer unmittel- baren Nähe aufgedeckten Quellenstrange in ihrem Eisengehalt, jetzt 0,0574 pCt. Eisen-Bicarbonat im Liter, und namentlich an freier Kohlen- säure wesentlich gewonnen. Sie gehört zu den reinen Eisensäuerlingen mit einem verhältnissmässigen Gehalt an Natrium-Bicarbonat, 0,0745 pCt. im Liter, während die übrigen Bestandtheile zurücktreten und Sulfate nur in sehr ‘geringer Menge vorhanden sind. Die mit der wirksamen Quelle verbundene gesunde und schöne Lage von Flinsberg im Queisthale, TR EEE IN Maar Fr, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. _ 25 502 Meter über dem Spiegel der Nordsee, und die prächtigen Nadelholz- wälder in seiner unmittelbaren Nähe haben diesem Bade einen wohl- berechtigten Ruf auch als klimatischer Kurort verschafft. In chemisch-geologischer Beziehung ist die Quelle dadurch interessant, dass sie in kleinen Mengen fast alle Bestandtheile der Mineralien enthält, welche im Riesen- und Isergebirge aufgefunden worden sind. Diese sind im Wasser direct nachgewiesen und zum Theil in diesem, zum Theil im Absatz des Wassers quantitativ bestimmt worden. Der Gehalt der Quelle an Phosphaten, an Lithion und Borsäure weist auf die Apatite und Tur- maline, ihr Kupfer-, Arsen-, Nickel- und Antimon-Gehalt auf Nickelantimon- glanz hin und der Zinngehalt findet seine natürliche Erklärung in dem schlesischen Zinnbergbau in der Nähe von Flinsberg, in Querbach und Giehren. Besonders interessant ist die vielleicht zum ersten ‘Male in einem Mineralwasser quantitativ bestimmte Titansäure, 0,0026 gr. in 10 Liter. Der Quellabsatz enthält nieht unbedeutende Mengen dieser Säure, deren Vorkommen sich in ungezwungener Weise auf die Iserine des Iserkammes, Eisen-Titanate und die in der Nähe im Hirschberger Thale als Anatas und Brookit vorkommende Titansäure zurückführen lässt. Die chemischen Prozesse, durch welche die Mannigfaltigkeit in der Zusammensetzung dieser Quelle herbeigeführt wird, sind einmal bedingt durch die Oxydation von Schwefelmetallen, dann aber durch die che- mische Arbeit des Wassers und der Kohlensäure, welche durch Zersetzung der Silikate die alkalischen Carbonate schafft, welche ihrerseits wieder lösend auf Arsensäure, Antimonsäure, Zinnsäure, Titansäure, Borsäure ete. wirken, während die freie Kohlensäure die Auflösung der im Wasser unlöslichen Carbonate des Eisens, Kupfers, Nickels, Strontiums und Ba- ryums vermittelt. Herr Oberbergrath Althans sprach in den Sitzungen am 1. und 8. December über die unter der Leitung des hiesigen Königl. Oberbergamts ausgeführten montanistischen Kartirungsarbeiten in den Erz- und Steinkohlenrevieren Oberschlesiens und den Steinkohlenrevieren von Waldenburg-Neurode. Die montanistischen Karten erfordern im Allgemeinen eine grössere Genauigkeit als die gewöhnlichen, die Abgrenzung des Grundeigenthums darstellenden Katasterkarten. Für die bergpolizeilich vorgeschriebenen Grubenbetriebskarten ist in Schlesien der grosse Massstab 1 : 800, seit den letzten Jahren 1 : 1000 in Anwendung, während die Katasterkarten verschiedene kleinere Verhältnisse, etwa zwischen 1 : 2000 und 1: 5000 zeigen. Die Anfertigung dieser sogenannten Grubenrisse ist durch das Berggesetz und die Gewerbeordnung den concessionirten Markseheidern 26 Jahres - Bericht unter besonderen Vorschriften und Controlen als ein verantwortlicher Ge- werbebetrieb übertragen. Es wird dadurch ein reiches Material sorg” fältiger Messungen in topographischer und geognostischer Beziehung ge- wonnen. Durch das Berggesetz vom 24. Juni 1865 ist die Herstellung von Situationsrissen für die Muthungen und Bergwerksverleihungen sowie von Muthungsübersichtskarten vorgeschrieben, für welche in Schlesien der Massstab 1 : 4000 bez. 1 : 8000 angewendet wird. Die zu bergtechnisch - wissenschaftlichen Zwecken dienenden karto- graphischen Darstellungen der Erz- und Kohlenablagerungen in ihrem geologischen Vorkommen innerhalb eines gewissen Bezirkes, Erzrevieres oder Kohlenbeckens sind bisher in Schlesien in dem kleineren Massstabe 1 : 16000 angefertigt worden. In der topographischen Darstellung nähern sich diese „‚Flötzkarten‘“ den im Massstabe 1 : 25000 gezeichneten „‚Mess- tischblättern“ des Preussischen Generalstabes, aus denen durch weitere Reduction die Generalstabskarten im Massstab 1 : 100000 hervorgehen. Die geologischen Kartirungen in Nieder- und Oberschlesien, welche wir den Arbeiten der Herren von Carnall, Rose, Beyrich, Runge, Ferd. Römer und Degenhardt verdanken, sind in dem verhältnissmässig kleinen Mass- stabe von 1 : 100000 ausgeführt. Die neueren, wesentlich auch den agronomischen Zwecken dienenden Kartirungen der Geologischen Landes- anstalt haben die „Messtischblätter‘“ des Generalstabs im vierfach grössern Massstabe 1 : 25000 als topographische Grundlage. Diese für die all- gemeine Landeseultur überaus wichtigen Arbeiten schreiten in den west- lichen und nördlichen Landestheilen sowie in den Thüringischen Staaten rasch vorwärts. Dieselben sind bereits in zahlreichen Farbendruck- Blättern u. a. für die Gegenden von Berlin, Saarbrücken und Halle zur Veröffentlichung gelangt. In der Provinz Schlesien: sind die vor einem halben Jahrhundert an- gestellten Kartirungen des Generalstabs nicht allein veraltet, sondern auch in den Triangulirungen ungenau. Die betreffenden Messtischblätter werden daher bereits seit längerer Zeit zu anderweitigen kartographischen Zwecken nicht weiter verwendet. Leider trifft aber Schlesien auch der Nachtheil, dass die im Anschluss an die internationale Vermessung unsers Welttheils stattfindende Landes- Triangulirung und Nivellirung seitens des General- stabs in den nördlichen Landestheilen begonnen worden ist und dass daher die den südöstlichen Zipfel des Staates bildende Provinz zuletzt an die Reihe kommt. Nur von der Grafschaft Glatz sind in Folge einer im Jahre 1862 er- folgten Aufnahme des Generalstabs brauchbare Messtischblätter in Farben- druck mit Höhenangabe in äquidistanten Horizontalen (Isohypsen) nebst genauem Dreiecksnetz sowie ausserdem auch von dem Kreise Landeshut der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Qultur. 237 infolge besonderer Arbeiten des Landeskatasters brauchbare Triangulirungen vorhanden. Während in den angrenzenden österreichischen und russischen Ge- bieten die Gemarkungskarten des Landeskatasters mit den geodätischen Dreieckspunkten in Verbindung gebracht und zu brauchbaren Uebersichts- karten in stufenweiser Verkleinerung zusammengestellt und auch leicht zu- 1: 5000) gänglich sind — die russischen Karten zeigen die Abstufung ı : 10000 1 : 20000 fehlt unseren Katasterkarten der einheitliche Massstab und der Anschluss an eine Triangulirung, sowie häufig auch eine genügende jopesuauln geh Vollständigkeit in der Situationszeichnung. Die Bergbehörde hatte unter solchen Umständen namentlich bei der Herstellung der Muthungsübersichtskarten im Sinne des Berggesetzes er- hebliche Schwierigkeiten zu überwinden. In Niederschlesien ist die be- treffende Kartirung für die Steinkohlenreviere von Waldenburg und Neu- rode beendet, in Oberschlesien ist dieselbe bereits in den durch Erz- und Steinkohlenbergbau wichtigsten nordöstlichen Revieren, welche zugleich den durch Eisen- und Zinkhüttenbetrieb bedeutenden Industriebezirk bilden, dem Abschlusse nahe gerückt. _ Zu den ältesten umfassenden Kartirungen gehört eine von dem da- maligen Bergeleven, unlängst verstorbenen Berghauptmann Dr. v. Carnall im Jahre 1824 aus Gemeinde-, Guts- und Forstkarten zusammengestellte nieht publicirte topographisch-geognostische Karte von dem Waldenburg- Neuroder Steinkohlenbergbau-Revier im Massstabe 1 : 25808. Dieselbe ist interessant durch die Darstellung der damaligen bergbaulichen Auf- schlüsse auf dem Waldenburg-Neuroder Steinkohlenflötzzuge. In den Jahren 1856 bis 1860 wurde auf besondere Anregung des jetzigen Oberberghauptmanns, Wirklichen Geheimen Raths Herrn Krug von Nidda, die Herstelluug von Flötzkarten von den ober- und nieder- schlesischen Steinkohlenablagerungen mit Angabe der Grenzen der Gruben- felder und zwar in dem Massstabe 1 : 16000 unternommen. Die Bear- beitung erfolgte unter specieller Leitung von Carnall’s für Oberschle- sien in zwei getrennten Complexen durch den damaligen Bergreferendar Mauve für die nordöstliche Flötzpartie sowie durch den Bergmeister v. Gell- horn für die südöstlichen, bei Rybnik und Hultschin gelegenen Flötzpartien, für Niederschlesien, d. i. die Gegend von Waldenburg-Neurode, durch den Bergmeister Czettritz und den Markscheider Segnitz. Als topo- graphische Grundlage dienten vergrösserte Copien der Messtischblätter des Generalstabs. Die bedeutenden Kosten der Publication trugen die beiden Steinkohlen-Bergbau-Hilfskassen der Provinz. Für die Gellhorn’sche Karte unterblieb dieselbe ganz. Nur die dazu gehörigen Gebirgsprofile gelangten später zum Abdruck in dem von dem jetzigen Geh. Bergrath Dr, Runge nu » 4 r N Y u 2 DET, 1 En 28 Jahres- Bericht bearbeiteten Anhange zu dem Werke „Geologie von Oberschlesien‘ des Geh. Bergraths Prof. Dr. Ferd. Römer. Die Publication der Waldenburg-Neuroder Flötzkarte kam infolge der Auflösung des damaligen Königlichen lithographischen Instituts zu Berlin und nach dem Ausscheiden von Oarnall’s aus dem Staatsdienste nicht über die ersten lithographischen Probe-Abdrücke der topographischen Situationszeichnung hinaus. Letztere wurden später nur noch zur Her- stellung der im Jahre 1863 auf der Londoner Industrie-Ausstellung vor- geführten und gegenwärtig auf der Königlichen Bergakademie zu Berlin . befindlichen, von dem damaligen Oberbergamtsmarkscheider Segnitz ge- zeichneten, geognostisch colorirten Flötzkarte benutzt. Gleichzeitig mit dieser Flötzkarte kam unter Benutzung des früher zur Mauve’schen Karte gesammelten topographischen Materials in demselben Massstabe von 1: 16000 eine geognostisch-eolorirte, von dem Oberbergamtsmarkscheider Hörold ausgeführte Steinkohlen-Flötz- und Erzlagerstättenkarte von Ober- schlesien zur Ausstellung, welche an die Bergakademie ebenfalls abgegeben worden ist und von welcher eine Copie sich noch in dem oberbergamt- lichen Rissarchive befindet. Eine Verkleinerung eines Theils dieser letz- teren Karte auf dem Massstab 1 : 50000 ist in dem von Herrn Runge bearbeiteten Anhange zu Römers Geologie von Oberschlesien unter dem Titel ‚Karte von den Przlagerstätten des Oberschlesisch - Polnischen Muschelkalkes‘“ veröffentlicht worden. Neben diesen specifisch-bergtechnischen Kartirungen erfolgte die geo- logische Aufnahme, deren wir bereits oben gedachten, auf Staatskosten unter der Leitung des Oberbergamtes sowie unter Mitwirkung von Be- amten desselben und zwar zuerst die von Niederschlesien, später die von Oberschlesien. An die Veröffentlichuug der Römer’schen geognostischen Karte von Oberschlesien wurde die Publication einer mehr nach den von der Bergtechnik zu verfolgenden Gesichtspunkten behandelte geo- gnostische Karte von Oberschlesien des damaligen Bergassessors Degenhardt im Massstabe 1 : 100000 angeschlossen. Die Mängel des zu den damaligen Kartirungen im Massstabe 1 : 16000 benutzten veralteten Materials des Generalstabs waren schon vor Auf- nahme dieser Arbeiten bekannt und aueh vom Oberbergamte ausdrücklich hervorgehoben worden. Dieselben traten im Laufe der Arbeiten noch mehr hervor. R Diese Erkenntniss hatte bereits im Jahre 1854 dem Vorstande der Oberschlesischen Steinkohlenbergbauhilfskasse Veranlassung zur Inangriff- nahme einer neuen topographischen Aufnahme der dortigen Bergbau- Gegend gegeben. Durch den damals noch der hiesigen Universität an- gehörenden Professor Sadebeck erfolgte zunächst in diesem und den fol- genden Jahren bis 1857 eine den grössten Theil dieser Gegend um- fassende geodätische Triangulirung mit vielen Festpunkten. Hieran schlossen a RE a Dee ee ER Birne OR DRUO leree 0 ’ ag der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. ; 39 sich bis zum Jahre 1861 Specialaufnahmen der Gemarkungen und Orts- lagen unter Leitung des damaligen Vermessungs -Revisors Sartor, welche in dem nördlichen Theile des Bereiches der Karte begannen. Diese Auf- nahmen erfolgten mit musterhafter Sorgfalt und Genauigkeit, rückten aber so langsam vor und veranlassten einen so bedeutenden Aufwand von Kosten, dass der genannte Vorstand sich veranlasst sah, das begonnene Unternehmen aufzugeben. Die gewonnenen Materialien wurden an das oberbergamtliche Rissarchiv abgegeben. Die Emanation des Allgemeinen Berggesetzes veranlasste im Jahre 1865 die Bergbehörde zu weiteren topographischen Aufnahmen in den durch Muthung und Verleihung bestrickten Gegenden behufs Herstellung der durch das Gesetz vorgeschriebenen Muthungsübersichtskarten. Das Oberbergamt begann mit der betheiligten Gegend Niederschle- siens in den Kreisen Neurode, Waldenburg und Landeshut. In dem ersteren war eben die die Grafschaft Glatz umfassende geodätische Auf- nahme des Generalstabs beendet, für den letzteren standen ausnahmsweise Zusammenstellungskarten und eine Triangulirung der Katasterbeamten bei der Königlichen Regierung zu Liegnitz zur Verfügung. Die beiderseitigen Dreiecksnetze wurden durch eine von dem Oberbergamtsmarkscheider Hörold ausgeführte Triangulirung zwischen dem Glatzer Schneeberge einerseits und dem Sattelwalde andererseits verbunden und durch die Auf- nahme einer hinreichenden Anzahl trigonometrischer Festpunkte im Kreise Waldenburg vervollständigt. Die Special-Gemarkungskarten des Landeskatasters, von welchen die erforderlichen Copien von den Königlichen Regierungen zu erlangen waren, wurden durch angemessene Verkleinerung in das auf den Massstab 1 : 8000 zugelegte Dreiecksnetz zu grossen Original-Rollkarien zusammengestellt, deren Netzquadrate nach Parallellinien zu dem Meridiane des Glatzer Schneeberges orientirt sind. Die Markscheiden (Grenzlinien) der Gruben- felder wurden auf die topographische Grundlage eingezeichnet und alsdann Copien dieser Original-Muthungskarte an die Bergrevierbeamten zu Walden- burg und Neurode vertheilt. Eine weitere Verwerthung fand diese Kartirung durch die Herstellung einer Steinkohlen-Flötzkarte im Massstabe 1 : 16000, welche von dem Oberbergamtsmarkscheider Hörold nach amtlichen Materialien ausgeführt, auf der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 vorgelegen hat und sich gegenwärtig auf der Bergschule zu Waldenburg im Besitze der Nieder- schlesischen Steinkohlen-Bergbau-Hilfskasse befindet. Ein revidirtes zweites Exemplar der Karte dient als Unterlage zur Publication auf dem Wege der Chromolithographie, welche unter Leitung, des Vorsitzenden dieses Instituts, Königlichen Bergrath Herrn Mehner zu Neurode, stattfindet und noch iin Laufe des Jahres 1876 zum Abschlusse gelangen soll. Wegen der zerrissenen Configuration des Gebietes der Kartirung wird die Heraus- 30 Jahres- Bericht gahe der Karte in zwei besonders käuflichen Abtheilungen „Waldenburg“ und „Neurode‘ erfolgen. In den Bergwerksrevieren von Oberschlesien nahm die Kartirung im Anschluss an die Arbeiten in Niederschlesien schon wegen der grösseren Ausdehnung des darzustellenden Gebietes der betheiligten Kreise Tost- Gleiwitz, Tarmowitz, Zabrze, Beuthen, Kattowitz, Nicolai, Pless, Rybnik und Ratibor einen langsameren Fortgang. Die Zusammenstellung des topographischen Bildes erfolgte ähnlich wie bei der Niederschlesischen Kartirung durch Einfügung verkleinerter Copien der Katasterkarten in ein im: Massstabe 1 : 8000 aufgetragenes Coordinatennetz mit den Dreiecks- punkten der trigonometrischen Aufnahme. Das oben erwähnte Sadebeck- Sartor’sche Material kam hierbei zur vollen Verwerthung. Die Sadebeck- sche Triangulirung ist, soweit dies erforderlich war, durch den Ober- bergamts-Markscheider Hörold vervollständigt worden. Neben den vielfach sehr unvollständigen und ungenauen Gemarkungs- karten des Katasters sind zur Vervollständigung der Situationszeichnung zahlreiche Specialkarten von Eisenbahnen, Bergwerken und anderen ge- werblichen Anlagen, sowie auch Stadtpläne benutzt worden. Das Coordinaten-Netz ist parallel zu dem durch den Hauptdreiecks- punkt Trockenberg bei Tarnowitz gelegten Meridiane orientirt. Die Brouillonrollblätter sowie die rechteckigen Sectionen der Rein- zeichnung der Karte werden im Massstabe 1 : S000 hergestellt. Von diesen Seetionen sind bereits 22 Stück autographisch in der hiesigen lithographischen Anstalt von M. Spiegel unter dem Titel ‚‚Um- druckkarte des Oberschlesischen Industriebezirkes“ im Jahre 1874 zur vorläufigen Publication gelangt, wozu die von der Öberschlesischen Stein- kohlenbergbauhilfskasse gewährten Geldmittel sowie die Bearbeitung eines Projectes zur Wasserversorgung des genannten Bezirkes Gelegenheit gab. Seitdem ist das Kartenwerk in der Ausführung gegen Norden und Westen bis über Tarnowitz bez. Tost, Peiskretscham und Gleiwitz hinaus fortgeschritten und in den früher vollendeten Secetionen wesentlich ver- vollständigt worden. Neben der Original- und Specialkarte im Massstabe 1 : 8000 wird eine auf 1 : 25000 — dem Massstabe der sogenannten Messtischblätter des Generalstabs — photographisch verkleinerte Uebersichts- karte hergestellt. Jede Hauptseetion der Uebersichtskarte umfasst neun Sectionen der Specialkarte und es soll nach dem vorliegenden Plane die ganze Uebersichtskarte 26 zum Theil unvollständige Hauptsectionen um- fassen. \ Da zur Zeit Geldmittel zur Publication der Specialkarte im Mass- stabe 1 : 3000 im weiteren Umfange als der der oben erwähnten ‚„‚Um- druckkarte‘“ nicht zur Verfügung stehen, so gewährt der gewählte Weg der photographischen Verkleinerung ein höchst willkommenes und durch der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. ; 31 seine Schärfe und Genauigkeit vorzügliches Mittel zur sofortigen Verviel- fältigung und Nutzbarmachung jeder Section der Specialkarte nach Voll- endung der Originalzeichnung. Diese Arbeiten werden in der photogra- phischen Anstalt von Ed. v. Delden in Breslau in anerkennenswerther Weise ausgeführt. Auf der Negativ-Glasplatte wird ein massstäblich durch- aus exactes Bild erhalten. Die danach gemachten photographischen Ab- züge auf sogenanntem Salzpapier geben eine rein weisse Bildfläche mit scharfer schwarzer Zeichnung und eignen sich sehr gut zu weiteren Auf- tragungen mit Tusche und Farben. Die Abzüge lassen sich durch Auf- ziehen auf starkes Papier mit Leinwandunterlage zu beliebig grossen Sectionen und Zusammenstellungskarten vereinigen. Auf diese Weise wird eine im Vergleiche zur zeichnerischen Copie hinreichend billige und zugleich äusserst exacte, beliebige Vervielfältigung des-Kartenwerks zu mannigfachen Verwendungen ermöglicht. Derartige Verwendungen haben bereits mehrfach stattgefunden zur Herstellung theils von Bergwerks-Bigenthumskarten, welche dem bethei- listen Publikum bei den Bergrevierbeamten zur Einsicht zugänglich sind, theils von Karten zu Landesmeliorationszwecken und für den Gebrauch der betheiligten politischen Behörden und Eisenbahn-Verwaltungen. Die Benutzung zur Herstellung einer neuen Steinkohlen-Flötz- und Erzlagerstätten-Karte im Massstabe 1 : 25000 seitens des Oberbergamtes ist im Werke. Eine Probesection dieser Karte — die überaus wichtigen Erz- und Kohlen-Ablagerungen der Gegend von Beuthen, Königshütte und Kattowitz darstellend — hat bereits auf der diesjährigen internationalen Ausstellung wissenschaftlicher Apparate zu London Gelegenheit zur Vor- führung der interessanten Aufschlüsse des oberschlesischen Bergbaues in weiteren Kreisen gefunden. Auch die weitere, bisher — wie erwähnt — noch nicht in Aussicht stehende Publieation der Speeialkarte im Massstabe 1 : 8000 würde vom allgemein volkswirthschaftlichen Standpunkte sich in hohem Grade empfehlen, weil der praktische Gebrauchswerih solcher Karten zu den Zwecken des Bergbaues, der Landwirthschaft, der Industrie, der Eisen- bahn- und Strassen-Verkehrswege und der politischen Verwaltung wesent- lich durch die Grösse der Bildfläche, welche die Eintragung beliebiger Projeete gestattet, bedingt ist. Wir verweisen in dieser Hinsicht auf die allgemeinen Grundsätze landwirthschaftlicher Kartirungen, welche in der kürzlich erschienenen, von dem landwirthschaftlichen Centralverein des Resierungsbezirkes Potsdam gekrönten Preisschrift des Prof. Dr. Alb. Orth „die geognostisch-agronomische Kartirung mit besonderer Berücksich- tigung der geologischen Verhältnisse Norddeutschlands und der Mark Brandenburg, erläutert an der Aufnahme des Rittergutes Lichterfelde bei Berlin“ niedergelegt sind. Die diesem Werke beigefügten Karten‘ des 32 Jahres-Bericht Rittergutes sind in den in gegenseitiger Beziehung stehenden Verhältnissen 5000 in den Massstäben 1 : $ 10000 je nach dem speeifischen Zwecke der 25000 bildlichen Darstellung ausgeführt. Dieselben bewegen sich also ganz in den Verhältnissen der hier besprochenen oberschlesischen Kartirung. Die vorerwähnte autographische „Umdruckkarte‘ hat in dieser Rich- tung, ungeachtet gewisser, in der Methode des lithographischen Verfahrens beruhender Mängel bei überaus billigem Preise bereits die wesentlichsten Dienste geleistet. Unter anderen hat dieselbe zur Herstellung von Schul- wandkarten gedient, welche aus den Mitteln des schlesischen Freikux- 'gelderfonds in 50 Exemplaren an Volksschulen der betheiligten ober- schlesischen Kreise vertheilt und dort als ein vorzüglich geeignetes Lehr- mittel zum Anschauungsunterricht in der Heimathkunde zur vollsten Wür- digung gelangt sind. Das Oberbergamt hat sich die Aufgabe gestellt, die unter seiner Leitung erfolgenden Kartirungsarbeiten auch fernerhin in der bezeichneten Richtung neben den speeifisch bergbaulichen Zwecken im weitesten Sinne auch für die Ziele der Industrie und der allgemeinen Landescultur dienst- bar zu machen. Herr Professor Dr. von Lasaulx bespricht im Anschlusse an die Vorlage einiger neuerdings erschienener Werke, welche Beiträge zu dieser Frage liefern, die Einheit der geologischen Kräfte. Neuere Arbeiten über Erdbeben, besonders solche welche nach dem Vorgange von R. Mallet die einzelnen Elemente eines Erdbebens einer exakteren Feststellung unterziehen, haben einen auffallend geringen Tiefen- ausgangspunkt für die untersuchten Erdbeben ergeben. So die Arbeit von Mallet über das neapolitanische Erdbeben von 1858, die des Prof. von Seebach über das mitteldeutsche Erdbeben vom 6. März 1872 und endlich die Arbeit des Vortragenden selbst über das Erdbeben von Her- zogenrath vom 22. October 1873. Gleichzeitig führten die Resultate dieser Arbeiten in Uebereinstimmung mit einer bemerkenswerthen Schrift von Prof. E. Süss über die italienischen Erdbeben zu der von hoher Wahr- scheinlichkeit getragenen Annahme, dass die Erdbeben durch solche Be- wegungen und Rutschungen in der festen Erdrinde verursacht werden, deren Endwirkungen uns als Verwerfungen und Gebirgsstörungen in allen Formationen und allen Gebirgen bekannt sind. Auch Dana und andere amerikanische Geologen waren schon früher, mehr durch theoretische Betrachtungen, zu ähnlichen Resultaten gekommen. Diese Bewegungen in der festen Erdrinde aber lassen sich leicht als die Folge der noch der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. | 33 fortwährend vor sich gehenden Contreation der erkaltenden Erde erklären, ähnlich wie solche, wenn auch ganz minutiöse Bewegungen an erkaltenden Schlackenkuchen sich beobachten lassen. Nun ist schon früher der Ver. such von verschiedenen Geologen, zuerst von dem in jeder Beziehung geistreichen Geologen Prevost schon im Jahre 1853 gemacht worden, auch die Erhebung der Gebirge auf ein durch dieselbe Contraction der erkaltenden Erde bedingtes Fallen, Weichen und Verschieben der ein- zelnen Theile der Rinde gegen einander zurückzuführen. Die Ansichten Prevost’s blieben unter dem Einflusse der entgegenstehenden Erhebungs- theorie, die in Frankreich Elie de Beaumont, bei uns L. von Buch mit ihrem ganzen Einflusse vertraten, lange Zeit unbeachtet. Erst die ähn- liche Ansichten vertretenden Arbeiten der Amerikaner: Dana, Leconte, Rogers u. A. liessen dieselben in der neueren Zeit wieder Beachtung und vielseitige Unterstützung finden. Das geschieht besonders auch in dem vorgelegten Buche von Prof. E. Süss „die Entstehung der Alpen“. Die in diesem interessanten und in der geistreichen Weise des Verfassers durchgeführten Werke entwickelten Ansichten lassen sich ganz in der Kürze etwa dahin zusammenfassen: Während man früher geneigt war, alle Gebirge als mehr oder weniger symmetrisch gebaut sich vor- zustellen, ergiebt eine sorgsame Würdigung und Vergleichung des Schichten- baues und der Schichtenstellung in den meisten einen unverkennbar ein- seitigen Bau. Bine genauere Betrachtung finden in dem vorliegende Werke nach dieser Seite hin: der Apennin, die Alpen, der Jura, die Karpathen, der Balkan, der Kaukasus, die ganzen mitteldeutschen Gebirge bis in die Ardennen und die Kohlengebirge des nordwestlichen Deutschlands hinein. Bei allen diesen Gebirgen glaubt der Verfasser aus der unsymmetrischen Lage der emporgewölbten Schichten auf eine Bewegung, eine Zusammen- und Fortschiebung nach Nordwest, Nord oder Nordost schliessen zu dürfen. In gleicher Weise scheinen ihm die Gebirge von Nordamerika auf eine solche Bewegung nach Nord-Ost hinzuführen. Dagegen ergeben die Gebirge des centralen Asiens, soweit hier bei der noch sehr unvoll- kommenen Kenntniss derselben Schlüsse statthaft erscheinen, vorherrschend die Richtung der Bewegung nach Süd und Süd-Ost. Jedenfalls dürfte nach Süss die Annahme einer regelmässigen, geometrischen Anordnung der Gebirge als durchaus unerwiesen angesehen werden müssen, eine Aı- nahme die ihre etwas mystischen Ausdrücke vorzüglich in Blie de Beau- mont’s Pentagonalsystem gefunden hat. Ausgang für die Erkenntuiss der Gebirgsbildung ist auch Süss die ungleichförmige Contraction der Erde. Dabei ist es zur richtigen Würdigung der theoretischen Betrachtungen durchaus geboten, stets das reale Verhältniss der Höhen unserer Erde zum Durchmesser derselben, welche ersteren gegen diesen verschwindend klein erscheinen, im Auge zu behalten. Es lassen sich nun verschiedene Arten der Contractionsvorgänge denken, die zu einer Gebirgserhebung 3 34 Jahres- Bericht geführt haben. Die einfachste Art ist die, dass sich ein Riss senkrecht zur Contraetionsrichtung bildet, die eine Lippe der klaffenden Spalte ist nun gegen die-andere in der Richtung der Contracetion verschoben. Vul- kanische, später oder bald nachher emporgetretene Gesteine mögen dabei die Einfachheit dieses Vorganges etwas complieirter erscheinen lassen. Die zweite Art beginnt mit der Anlage einer quer zur Öontractionsrichtung streichenden Falte; dann erst bildet sich ein Riss an den Stellen grösster Spannung dieser Falte und es erfolgt ein Einsinken der einen Lippe dieses Risses und ein Faltenwerfen des vorliegenden Theiles der höher gebliebenen Lippe in secundäre Falten. Auf dem Risse bilden sich Vulkane in reihen- förmiger, dessen Richtung folgender Anordnung. So mag es z. B. im Apennin der Fall gewesen sein. Endlich der dritte Fall ist der, dass nicht eine Hauptfalte gebildet wird, sondern dass eine grössere Zahl durchaus paralleler Falten sich bilden und neben einander legen, die dann über ein breiteres Gebiet sich ausdehnen; die Innenseite der innersten ‘ Falte erscheint dann manchesmal steil gebrochen. Mass und Richtung der faltenden Kraft, die Art des Widerstandes und die Sprödigkeit der "Gesteine bedingen es, ob die secundären Falten erbalten bleiben oder die Gestalt von Brüchen annehmen. Dann müssen die Ebenen der so entstehenden Klüfte von aussen steil in das Innere der Gebirge hinein ihr Einfallen zeigen; es müssen Ueberschiebungen und nicht Verwerfungen sein. Die Frage erscheint noch von besonderer Bedeutung, in welcher Tiefe der Sitz der ganzen Contraction sich findet. Dafür giebt es zwei Möglichkeiten, entweder, dass nur die äussere Zone, oder aber die ganze Masse der Erde sich bewegt und so möchte es wohl auch für die Erd- beben tief und seicht gelegene Ausgangspunkte geben. Die weiten an der Erdoberfläche sich zeigenden Flächen mit meist vollkommen horizontaler Lagerung der Schichten können als die ältesten, am frühesten zu vollkommener Erstarrung gekommenen Schollen ange- sehen werden. Zwischen diesen finden sich die gefalteten, also noch später biegsamen Theile. Diese älteren Schollen, Süss nennt sie die Archibolen, erscheinen durchaus nicht nach geometrischen Gesetzen ver- Iheilt, aber sie bedingen die jetzige Lage der Gebirge. Dass keines der noch jetzt die Erdrinde zusammensetzenden Gesteine als wirklich voll- kommen starr angesehen werden kann, dafür giebt es verschiedene Be- weise, so z. B. die Creeks in den englischen Bergwerken, die gebogenen Mamorplatien. der Öefen, gekrümmte Granitsäulen u. dergl. mehr. Mit der Schollenbilduug in dem ersten Stadium der Entwicklung unserer Erde lassen sich die Vorgänge, wie sie uns als Erklärung der Sonnenflecke von den Astronomen dargestellt werden, recht gut in Beziehung bringen. Endlich hat nun R. Mallet, der hochverdiente englische Seismologe, in seiner von dem Vortragenden selbst ins Deutsche übertragenen und mit Anmerkungen begleiteten Arbeit: „Ueber vulkanische Kraft“ den der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 35 Beweis versucht, dass die Contraetion der Erde eine mechanische Zer- trümmerung und Zermalmung innerer Theile der Rinde bediuge und dass durch den Umsatz dieser Zermalmungsarbeit in Wärme die hohe Tem- peratur, die als Bedingung vulkanischer Thätigkeit gelten darf, geliefert werde. Unsere Kenntniss von dem Erdinneen lasse es keineswegs wahr- scheinlich sein, dass die flüssige Schmelzmasse des Erdkernos so nahe liege, als dass aus ihr direet die Vulkane unter Mitwirkung des Wassers in Thätigkeit versetzt werden sollten. Mallet sucht den Beweis für seine Ansichten zum Theil durch mathematische Begründung, zum Theil auf experimentellem Wege zu erbringen. Die Experimente über die Con- tractions-Coassieinaten erstarrender Schlacken und Glasflüsse, welche Mallet als Analogien zu den irdischen Gesteinen wählt, sowie die Versuche über die bei der Zermalmung von verschiedenen Gesteinen geleisteie Arbeit und erzielte Wärme, hier jedenfalls sehr lehrreich, wenngleich sie nicht vollkommen zum Beweise ausreichen. Darüber will der Vortragende später noch einmal unter Berücksichtigung mehrerer gegen die Mallet’sche Theorie erhobener Bedenken eines Näheren sich äussern. Mit dieser Theorie Mallet’s, deren Annahme allerdings einstweilen noch nicht uner- hebliche Schwierigkeiten sich entgegen stellen, würde sonst in über- raschender Weise die Einheit der geologischen Kräfte gewonnen sein. Erdbeben-Gebirgserhebung und vulkanische Thätigkeit würden als ge- meinsame Folge der Contraciion unserer Erde sich herausstellen. Und die srossartigsten Vorgänge, welche die Geologie kennt, würden aus ihrer Vielgestaltigkeit auf den einen einheitlichen Vorgang zurückgeführt werden können, dass unsere Erde infolge fortdauernder Erkallung sich zusammen- ziehe: die Erschütterungen des Bodens, die Spitzen der Alpen, die Laven- ‚ströme der Vulkane würden nur die Folge sein des Wärmeverlustes un- serer Erde. Und hierin wäre in der That eine kosmische, für die Ge. staltung aller der Erde ähnlicher Weltkörpe in gleicher Weise gültige Ursache gefunden. Herr Geh. Bergrath Prof. Dr. F. Römer berichtete in der Sitzung am 17. Februar unter Vorlegung von Exemplaren über einige neue schlesische Mineral- vorkommen. Bei Camenz wurde Andalusit in federkieldieken, mit weissem Glimmer von blass-röthlicher Farbe überzogenen Krystallen im Gneiss aufgefunden; Haarkies (Schwefel-Nickel) fand sich in sehr feinen haar- förmigen Krystallen mit Schwefelkies und Kupferkies zusammen im kry- stallinisch-körnigen Dolomit von Volpersdorf bei Neurode; dasselbe Mineral in noch feineren Nadeln auf einer schmalen Kluft im Kohlensandstein im Hangenden des vierten liegenden Flötzes auf der Rubengrube bei Neurode. 3 36 Jahres- Bericht Am Sauerbrunnen bei Lampersdorf wurde Prehnit beobachtet. Derselbe bildet dünne Rinden auf kleinen Klüften im Hornblendeschiefer. Die Krystalle lassen trotz ihrer geringen Grösse die bezeichnende Krystall- form des Minerals deutlich erkennen. Alle diese neuen Funde wurden durch den Herrn Öbersteiger Völke] in Kohlendorf bei Neurode, einen eifrigen und sorgfältigen Beobachter, gemacht und dem Vortragenden mit- getheil. Gediegenes Kupfer in dendritisch gruppirten kleinen Kry- stallen kommt auf Kluftflächen eines weissen Quarzit bei Nieder-Ludwigs- dorf unweit Görlitz vor. Es wurde durch Herrn Dr. Peck in Görlitz mitgetheilt, dem das mineralogische Museum bereits viele werthvolle Bei- träge aus der Lausitz verdankt. Derselbe Vortragende legte ferner ein 1 Fuss 6 Zoll und 3 Zoll dickes plattenförmiges Stück von weissem, mit wallnussgrossen Muschel- schalen erfüllten Kalkstein vor, welches bei Bromberg einige Fuss tief unter der Oberfläche lose im Sande gefunden worden ist. Dasselbe ist ein silurisches Diluvialgeschiebe, dessen Alter und Herkunft durch die Schalen von Pentamerus borealis Eichw., mit dem es erfüllt ist, sicher be- stimmt wird. Dasselbe Gestein bildet mit durchaus übereinstimmenden petrographischen und paläontologischen Merkmalen in Esthland eine gegen 15 Fuss mächtige Bank an der Basis der oberen Abtheilung der silurischen Schichtenreihe. Von dort stammen die über die ganze norddeutsche Ebene bis nach Gröningen in Holland als Diluvial-Geschiebe verbreiteten Bruch- stücke. Bei keiner andern Art von Diluvial-Geschieben lässt sieh das Ursprungsgebiet mit gleicher Sicherheit bezeichnen. Das vorgelegte Stück von Bromberg ist grösser als irgend ein anderes bekanntes und nament- lich als die kaum faustgrossen Stücke des Gesteins, welche bisher in Schlesien beobachtet wurden. Das fragliche Stück wurde durch Herrn Dr. Kleinert in Bromberg gefunden und von ihm dem Vortragenden mit- getheilt. Herr Prof. Dr. Hasse hielt in der Versammlung am 27. October einen Vortrag über die vergleichende Anatomie der Rippen und der prävertebralen Musculatur. Derselbe weist die Homologie der Rippen der höheren Wirbelthiere mit denen der Fische zurück und hält an der Ansicht fest, dass dieselben neue Bildungen sind. Während sich die Rippen der Fische von den un- teren Wirbelbogen (Haemapophysen) abspalten, erscheinen die Rippen bei den höheren Thieren, sowie beim Menschen als Theile seitlicher Fort- sätze (Pleurapophysen). Diese differenziren sich in demselben Masse wie die Haemapophysen verschwinden und umschliessen an deren Stelle die Rumpfhöhle. Uebergänge finden sich unter den Fischen bei den Apodes, der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 37 bei denen Pleur- und Haemapophysen vorhanden sind und bei denen sich das Wechselverhältniss zwischen diesen Wirbelfortsätzen am deutlichsten nachweisen lässt. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht findet der Vortragende in dem Auftreten der prävertebralen Musculatnr bei den Perennibranchiaten, eine Musculatur die den Fischen mit Ausnahme der Apodes fehlt, und vor Allem in dem Auftreten wirklicher Rippen an den seitlichen Wirbelfortsätzen der ersten Schwanzwirbel von Cryptobranchus, Menopoma, Menobranchus etc. bei gleichzeitigem Vorhandensein ausgebil- deter unterer Bogen. Derselbe sprach in der Sitzung am 24. November über die Bedeutung der einzelnen Abtheilungen der Querfortsätze der menschlichen Halswirbelsäule. Entgegen den Anschauungen Gegenbaur’s wies derselbe nach, dass die vordere Spange in ihrer Totalität nicht eine Rippe darstelle, sondern dass in derselben auch die Elemente eines vorderen Qnerfortsatzes vor- handen seien. Den Beweis dafür fand derselbe in der abnermen Bildung von Halsrippen, die sich durchaus nicht immer hart am Wirbelkörper ab- gliedern, ferner in der Existenz eines selbstständigen Verknöcherungs- punktes im basalen Theile der vorderen Spange, der durchaus dem Knochenkerne der vorderen Querfortsätze an der Brustwirbelsäule ent- spricht und schliesslich in der 'T'hatsache, dass wenn an der Brustwirbel- säule eines Wirbelthieres die beiden Querfortsätze sammt dem Rippen- köpfehen und dem Höcker als gesonderte Bildungen sich nachweisen lassen, dieselben auch an der Halswirbelsäule auftreten. Herr Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert und Herr Dr. Schu- mann demonstrirten in der Sitzung am 14. April eine Reihe mikroskopischer Präparate. Nach einer kurzen historischen Einleitung von dem Ersteren über die Erfindung und weitere Ausbildung des Mikroskops und seines Gebrauchs erfolgte das Vorlegen einer Serie der vorzüglichen Präparate, wie sie in neuester Zeit Möller zu Wedel in Holstein geliefert hat. Zur Würdigung derselben dienten zwei Diatomeentypenplatten: auf einem Raume von 3 und 4 Quadratmillimeter befanden sich 120 und 80 jener kleinen Gebilde, so regelmässig nebeneinander geordnet, dass ein zur ersten gehöriges Ver- zeichniss die Namen derselben auffinden liess; als eine der neuesten und viel instrucetiveren Einrichtungen ist zu erwähnen, dass bei der zweiten Platte die Namen untergeschrieben sind. Ferner wurden vorgelegt verschiedene Querschnitte von Stämmen von gesteinbildenden Foramini- 38 Jahres - Bericht feren, Dünnschliffe dureh Achat, in denen man Tausende von parallelen Linien, welche die sehiehtenweise Ausbildung des auf nassem Wege ent- standenen Steines kennzeiehnen sah, und jede dieser Linien löst sich bei stärkerer Vergrösserung wiederum in ein System von Streifen auf. Gleiche Durehschnitte durch andere Gesteine folgten, nämlich von Meteoreisen, indem gewisse Blasenräume fast an Zellgewebe erinnerten, von Pasalt, Obsidian, Bimstein, noch einige Mikrophotographien u. s. w. Den Be- schluss der Demonstration bildete nach Erläuterung des Generationswechsels und Fortpflanzungsverhältnisses die Finne, der Bandwurm und die Trichine, welche jene Sammlung auch in einer grossen Anzahl vorzüglich instructiver Präparate enthält. Herr Geh. Mediecinalrath Prof. Dr. Göppert theilte in der Versamm- lung am 24. November einiges über das Vorkommen des Elenthiers in Schlesien mit. In den Verhandlungen der Schles. Gesellschaft 1872 hat derselbe p. 47 des 50. Jahresberichtes eine geschichtliche Uebersicht des Vorkommens des Elenthiers gegeben, sowohl in fossiler Hinsicht, wie als Glied der le- ‘benden Fauna. Später noch als angegeben, im Jahre 1745, ist in Schle- sien in der Umgegend bei Polnisch-Wartenberg ein Elen erlegt worden. Früher, bis in die Diluvialzeit hinein, scheint es in unserer Provinz sehr verbreitet gewesen zu sein, wie eben die verschiedenen Fundorte des- selben beweisen, wie zu Masselwitz, Cawallen, Wittgendorf, Petschken- dorf u. a., An diese schliesst sich das neueste Vorkommen bei Striegau, am Fusse des Kreuzberges, in einer Lehmschicht 3 Fuss unter der Erd- oberfläche, der untere in 1 Fuss Länge erhaltene Theil eines Geweihes, welches wir der höchst anerkennenswerthen Aufmersamkeit des Besitzers dieses Grundstückes, Herrn Maurermeister Mann in Striegau verdanken; durch Vermittelung des Herın Lehrers Zimmermann daselbst, welcher allen naturwissenschaftlichen Verhältnissen seiner Umgegend kenntniss- reiche Aufmerksamkeit widmet und ihren Namen schon weit verbreitet hat. Alle lokalen Verhältnisse sprechen für den diluvialen Ursprung jenes Thierrestes. Noch leste der Vortragende eine Anzahl Zähne aus Diluvialschiehten von Brechelshof bei Jauer vor, welche der Herr Besitzer Baron v. Richt- hofen eingeschickt hatte, uud als Schweinen und Pferden angehörend bestimmt wurden. Ob fossil oder modern lässt sich nicht entscheiden. Mit Dankesversicherungen sind sie dem anatomischen Museum übergeben worden, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. ° 39 Herr Privatdocent Dr. Joseph machte in der Versammlung am 10. November 1875 Mittheilungen über das Zusammentreffen von theilweisem und gänzlichem Lichtmangel mit Lageveränderung, Verkleinerung, Verkümmerung, Vermehrung der Zahl, Verlust und Ersatz der Sehorgane. So manniefaltig die Gestalt, der innere Bau, so vielfach modificirt das optische Constructionsprineip, der Grad der Ausbildung und Leistungs- fähigkeit der Sehorgane in den verschiedenen T'hiergruppen, so verschieden ihre Zahl und Stellung am Körper ist, immer wird sich bei genauer Prü- fung ergeben, dass ihre Beschaffenheit der Gesamımtorganisation, der Lebensweise und dem Aufenthalte des T'hieres angepasst ist. Hierzu steht nicht im Widerspruch, dass manche Wesen in frühen Lebensperioden blind sind, andere — bei Erreichung ihrer definitiven Gestalt — der Sehorgane entbehren, während sie in früheren Lebensabschnitten damit ausgestattet waren. Die Abwesenheit des Sehvermögens wird dann immer den je- weiligen Lebensverhältnissen entsprechen. Hierbei spielt der Aufenthalts- ort eine so grosse Rolle, dass es begreiflich wird, wenn Wesen, die auf stets finstere Oertlichkeiten, grosse Meerestiefen, innerste Räume unter- irdischer Höhlen u. s. w. angewiesen sind, blind erscheinen. Die Er- forschung der näheren Umstände im Untergange des Sehvermögens und der Zustände, welche Uebergänge zwischen Vorhandensein und Fehlen desselben darstellen, hat sich der Vortragende seit mehr als einem Jahr- zehnt zur Aufgabe gestell. Einige Ergebnisse seiner Untersuchungen bilden den Gegenstand seines heutigen Vortrages. Das am wenigsten bedeutende Resultat des theilweisen Lichtmangels, wie er den Räumen der Groiten eigenthümlich ist, in welchen es bei dem höchsten Stande der Sonne nicht ganz finster ist, sondern mehrere Stunden des Tages eine Art von Dämmerung herrscht, giebt sich in Lageverän- derung der Sehorgane kund. Die dürftige Liehtmenge gelangt nicht von oben, sondern von der Seite in den Raum, während die Decke stets nächtliches Dunkel birgt und nicht das mindeste Licht ausstrahlt. Diesem Umstande angepasst, sehen wir die Augen bei dem vom Vortragenden vor 8 Jahren entdeckten, zu den Spinnen mit gegliedertem Hinterleibe gehörenden, Oyphophthalmus genannten, sonderbaren Wesen, nicht, wie bei seinen oberweltlichen Verwandten (Phalangium, Opilio, Trogulus), mitten auf der Oberfläche der Kopfbrust befindlich, sondern auf der Spitze von Kegelhöckern zur Seite der Kopfbrust angebracht. Das T'hier hat damit die Fähigkeit erlangt seitlich zu sehen und ebenso behend seitlich als rückwärts sich zu bewegen. Einen Gegensatz zu dieser Correetion der veränderten Beleuchtungs- verhältnisse bildet die Verkleinerung der Augen bei einer grossen Zahl in dem Dämmerungsrevier der Grotten lebender Thiere, der Olme (Hy- 40 Jahres- Bericht pochthon), des Fisches der Mammuthshöhle und einer ansehnlichen Reihe von Gliederthieren aus den Ordnungen der Käfer, Zweiflügler, Geradflügler, Spinnen, Asseln und Tausendfüssler. Die Correetion des Lichtmangels erscheint hier aufgegeben, ein anderes, regressives Prineip der Anpassung hat gesiegt. Die Sehorgane haben sich nur auf dem Grade der Ausbil- dung erhalten, der zur Orientirung in der Dämmerung ausreicht. Der Vortragende fand deshalb die Verkleinerung des Umfanges der Sehorgane mit Verkümmerung, mit Reduction ihrer, das Licht sammelnden, brechen- den, leitenden und empfindenden Bestandtheile verbunden. Die kleinen, mit der diaphanen Körperhaut überzogenen Augen der Olme sind nur . mit dürftiger, zu ergiebigen Bewegungen unzureichender Museculatur ver- sehen. Die Aderhaut enthält nur eine geringe Pigmentschicht, und der äusserst dünnen Stäbehenschicht der Nervenhaut entsprechen sparsame Fäserchen der schwach entwiekelten Sehnerven, Zustände, wie sie den verkümmerten Augen des Maulwurfs und der Blindmaus zum Grunde liegen. In analoger Weise verkümmert erscheinen die verkleinerten Augen mehrerer, in der Dämmerung lebender, Käfergattungen (z. B. Trechus, Bythinus), da sie nur aus 50 bis 20 Hornhautfacetten, Krystall- kegeln und Sehstäben zusammengesetzt erscheinen, während diese Gebilde, bei den verwandten oberweltlichen Gattungen zu Hunderten und Tausen- den in einem Auge zählen. Noch weiter erscheint die Reduction bei einigen Arten von Tausendfüsslern und Asseln fortgeschritten, deren Augen auf einfache Spinnenaugen zurückgegangen sind, während ihre oberwelt- lichen Verwandten mit zusammengesetzten Augen ausgestaitet erscheinen. Ehe diese Reduction zum vollständigen Verlust führt, erscheint in einigen Spinnen und Poduriden noch eine Art Anlauf zur Correction des theilweisen Lichtmangels.. Die Verkleinerung und Verkümmerung der Augen soll durch Vervielfältigung derselben compensirt werden. Eine vom Vortragenden entdeckte Spinne (Nyciyphantes) zeigt 16 und eine zweite, ebenfalls vom Vortragenden aufgefundene (Troglyphantes), eine noch grössere Zahl äusserst kleiner, nur bei auffallendem Lichte wahr- nehmbarer Augen. Die von Schiödte beschriebene Poduride soll 24 kaum sichtbare Augen besitzen. ‚Bei beständigem Aufenthalte in stets finstern Räumen ist das Seh- vermögen gänzlich geschwunden. Der blinden Grottenfauna schliesst sich die aus einer ansehnlichen Zahl von Gattungen und Arten bestehende, subterrane und Tiefsee-Fauna an. Da der Vortragende seine Erfahrungen darüber in dem 228. Hefte der Virchow-Holtzendorf’schen Sammlung ge- meinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge früher veröffentlicht hat, so verweist er auf den Inhalt jener Abhandlung und bemerkt nur 1. wie Befunde .der in Copal, Bernstein und Solenhofer Schiefer eingesehlossenen Gliederthiere darthun, dass in der Vorwelt eine viel beträchtlichere Zahl blinder Gattungen und Arten zahlreichere und mannigfaltigere Oertlichkeiten der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 41 bewohnt hat als in der gegenwärtigen Erdepoche; 2. dass die blinden Arten sich nur da erhalten konnten, wo, wie in der ewigen Nacht der Grotten der Ausgang des Kampfes ums Dasein auf dem Besitze der Seh- organe weder basirt war, noch ist; 3. dass die Fälle von Verlust des Sehvermögens entweder als Stehenbleiben der Entwickelung auf dem Zu- stande des Larvenlebens, oder als Folge der allmählichen Reduction (bis zum Erlöschen) durch Nichtgebrauch anzusehen sind. Während eine grosse Zahl von Fällen der ersten Kategorie zuzuzählen ist, erscheint die in den unterirdischen Gewässern lebende Grottengarneele (Troglocaris Schmidt D.) als schlagendes Beispiel für den Untergang des Sehvermögens „durch Rückbildung. Das Thier hat Augäpfel von derselben Gestalt wie die bei seinen oberweltlichen Verwandten, aber ohne Spur lichtbrechender Medien oder nervöser Elemente. Es ist daher völlig blind. Die Er- scheinung eines Sinnesorganes in äusserer Form ohne inneren Gehalt, ohne Ausstattung mit der Möglichkeit der Ausübung der Sinnesfunetion, würde widersinnig sein, wenn wir nicht annehmen wollten, dass die Vorfahren dieses Thieres mit normal construirten Augen ausgestattet gewesen seien. Zu dieser Annahme drängt auch die Entdeckung des Vortragenden, dass der Embryo des in Rede stehenden Thieres im Ei mit Augen versehen ist. Die heutige Entwickelungsgeschichte jedes Individuums dieses merk- würdigen Wesens wiederholt also in Kürze und auffallend treu das Schicksal der Art in der entlesenen Vorzeit. Daran reiht sich eine andere Ent- deckung des Vortragenden. Von einer anderen, ebenfalls blinden, Krebs- art (Niphargus siygius) fand er nämlich in einem Wasserbassin in dem vordern halbdunklen Raume eine Grotte Individuen mit deutlichen Horn- hautfacetten, Krystallkegeln, Sehstäben und nervösen Elementen, die aber in geringer Zahl vorhanden und mit dürftiger Pigmentlage versehen waren, während bei anderen Individuen die Augen auf den Zustand von ein- fachen Spinnenaugen reducirt erschienen. Als letztes Aufflackern des Strebens, den Verlust des Sehvermögens zu compensiren, ist der Ersatz des Auges durch ein Tastwerkzeug zu be- trachten. Bei 2 Arten von Käfern (Arophthalmus capillatus, Adelops ca- piüliger), welche der Vortragende in der Grotie God jama unweit der eroatischen Grenze entdeckte, befindet sich an der Stelle des Kopfes, wo bei den oberweltlichen verwandten Gattungen (Catops, Colon) die Augen angebracht sind, ein auf einem zarten Hügelchen befindliches feines Tast- haar. Zu dem eigenthümlich gestalteten Innern des Hügelehens erstreckt sich ein vom oberen Schlundnervenknoten ausgehender feiner Nerv. Statt dieses Tasthaares besitzen die Arten einer anderen blinden Käfer- gattung (Amaurops) ein dickeres Taststäbehen, welches einem, mit rauher, höckeriger Oberfläche versehenen, Tuberkel aufsitzt. Die von dem Vor- tragenden entdeckten Arten der Poduridengattung Anurophorus besitzen an der Stelle der Augen ebenfalls Tasthaare. Endlich hat bei einem, 42 Jahres-Bericht der Tiefseefauna angehörigen, blinden Krebse die Stelle der fehleuden Augen ein drittes Fühlerpaar eingenommen. Dieses Eintreten eines Tastnerven als Ersatz des Sehnerven dürfte andeuten, dass der Sehnerv bei niederen Thieren ursprünglich kein eigen- artiger, sensorischer Nerv in der strengen Bedeutung ist, wie er bei Wirbelthieren (das Lanzetfischehen ausgenommen) erscheint. Ursprünglich nichts anderes als ein sensibler Nerv, hat er sich mit gleichzeitig all- mählicher Ausbildung eines vom Lichte affieirbaren Endapparats zu einem sensorischen Nerven umgebildet. Deshalb kann es nicht seltsam erscheinen dass bei Untergang des Endapparats durch Niehtgebrauch und bei Schwund des Sehnerven an der Stelle des Körpers, welche durch Vererbung zum ‚Sitz eines Endapparats für einen Sinnesnerv bestimmt ist, ein Zweig des Sinnesnerven der allgemeinsten (integumentalen) Verbreitung, welcher den Tastsion und T’emperatursinn vermittelt, mit einem passenden Endapparat Ersatz leistet. Irrthümlich ist es aber anzunehmen, dass die sensiblen . Nerven der Körperbedeckung zur Lichtempfindung ausreichen. Wird ein augenloses Thier dem Lichte ausgesetzt, so wird es nicht durch das Licht, sondern bei wahrscheinlieh erhöhtem Tast- und Temperatursion durch die Einwirkung der mit dem Lichte verbundenen Wärmestrahlen, von welchen es mittelst der in seinem Integument befindlichen Einrichtungen affieirt wird, veranlasst eine Aenderung seiner Situation zu versuchen. Derselbe Vortragende sprach in der Sitzung am 1. December über die morphologische Bedeutung des Scheitelkammes an den Schädeln der Affen. Hauptzweck seines Vortrages war durch Demonstration an einer be- trächtlichen Zahl von einschlägigen Präparaten den Nachweis zu führen, dass der von den Affen der alten Welt bekannte Scheitelkamm auch an den Schädeln mehrerer Gattungen der amerikanischen Affen sich bilde — trotz der bisher gegentheiligen Behauptungen anderer Forscher. In beiden Wesenreihen reicht der Scheitelkamm von der Stirnglatze längs der Pfeil- nath bis zur Hinterbhauptsschuppe und ist als Effeet der tangential auf die Schädelkapsel einwirkenden Zug- und Druckgewalt des Schläfenmuskels anzusehen. In beiden Wesenreihen zeigt die obere Grenze dieses Muskels in der Jugend dasselbe Verhalten, wie es beim Menschen in der gegen- wärtigen Erdepoche zeitlebens das bleibende ist. Diese Grenze stellt die untere Schläfenlinie (Linea semicircularis temporalis inferior) vor. An den Schädeln der Affen der alten Welt erscheint nur dann eine obere Schläfen- linie (L. semieire. temp. superior), wenn im Leben die obere Grenze der Ausbreitung der Fascie des Schläfenmuskels bis dahin am Sehädel hinauf- gerückt war. Da diese obere Schläfenlinie auch am Schädel des Men- schen vorkommt, ohne dass stets die eigentliche Schläfenmuskelfascie so der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 43 hoch hinauf sich erstreckt, so ist nach des Vortragenden Ansicht damit angedeutet, dass beim Menschen in frühesten geologisehen Epochen seines Bestehens der Schläfenmuskel oder dessen Fascie sich bis dahin erstreckt hat. Während aber die Museulatur der Schläfe (wie überhaupt des ganzen Kopfes) eine grosse Rückbildung erfahren hat, ist die ehemalige Grenz- marke bestehen geblieben, hat sich bis auf unsere Zeiten vererbt und zählt nun zu den rudimentären Bildungen. Sowohl bei den Affen der alten, als auch der neuen Welt geschieht die weitere Ausbreitung des Schläfenmuskels erst mit dem Zahnwechsel und der Vergrösserung des Unterkiefers. Die Stelle der untern Schläfen- linie wird überschritten, wobei die seitlichen (äusseren) Stirnleisten immer mehr convergiren und die Stirn bis auf die Stirnglatze einengen. Sodann dehnt sich die obere Grenze des Schläfenmuskels allmälig bis zur Pfeil- nath aus, in der also die oberen Grenzen der Schläfenmuskeln beider Seiten mit einander zusammenstossen. Mit der Pfeilnath sind dann die Schläfenlinien beider Seiten verschmolzen. Nun erhebt sich allmälig der Scheitelkamm als Substrat für die weitere Ausbreitung des genannten Muskels. Wie bei den Affen der alten, so ist auch bei denen der neuen Welt der Scheitelkamm ein Attribut des Männchens. Demselben ist auch hier von beiden Geschlechtern im Kampfe um’s Dasein das rauhere Loos zugefallen. Es hat die Vertheidigung des Nestes zu führen, Nahrung zu erbeuten und vorher um den Besitz des Weibchens mit Mitbewerbern zu kämpfen. Deshalb erreicht beim Männchen das Werkzeug der Verthei- digung, das Gebiss, demgemäss die dasselbe bewegende Musculatur und das knöcherne Substrat derselben einen grösseren Umfang, als bei dem schwächeren Weibchen. Letzteres bleibt zeitlebens dem Jugendzustande näher und die menschenhaften Züge seiner einst so schön gerundeten Form der Schädelkapsel sind im Alter nicht so grell verwischt, als bei dem mit Knochenwällen am Schädel versehenen Männchen. Bei den in Statur kleinen amerikanischen Affen erreicht kein Knochenwall am Schädel, auch nicht der Scheitelkamm, die Ausdehnung, wie bei den menschen- ähnlichen Affen (Gorilla, Orang) der alten Welt. Er kommt nur dem Scheitelkamme gleich, wie derselbe sich an den Schädeln der dem an- gegebenen Gebiete angehörigen kleineren Arten (z. B. Inuus cynomolgus) findet. Das Emporsteigen des Scheitelkammes geht auch bei den ameri- kanischen Affen mit Aufwulstung der Augenhöhlenränder und Ausbildung des Hinterhauptkammes auf der Lamdanath Hand in Hand. Während aber letzterer, durch starke Entwiekelung der Nackenmuskeln, welche auch beim Weibchen ansehnlich werden, hervorgerufen, beiden Ge- sehlechtern, obwohl in verschiedener Stärke, zukommt, ist der Scheitel- kamm nur ein Attribut der Männchen. Die Arten der amerikanischen Affen, bei denen der Vortragende bisher den Scheitelkamm gefunden hat, gehören 2 Gattungen (Üebus fatuellus, Pithecia Satanas) an. Ueber die 44 Jahres- Bericht Andeutungen des Scheitelkammes bei anderen Gattungen amerikanischer Affen behält sich der Vortragende spätere Mittheilungen vor. Herr Privatdocent Dr. B. Gabriel hielt am 8. Dee. einen Vortrag über Entwickelungsgeschichte der Gregarinen. Nach einer kurzen historisch -kritischen Beleuchtung der bisherigen, die Gregarinen betreffenden Untersuchungsresultate, hob der Vortragende hervor, wie sehr in Anbetracht der noch wenig gekannten, meist unrichtig gedeuteten, jedenfalls complieirten ontogenetischen Verhältnisse dieses Protistenstammes, weitere auf die Eruirung jener wichtigen Beziehungen gerichtete Untersuchungen nothwendig geboten erscheinen. Seit längerer Zeit mit diesem interessanten Gegenstande und nicht erfolglos beschäftigt, will sich Herr Dr. Gabriel in seinem Vortrage, der die einer vorläufigen Mittheilung gesteckten Grenzen nicht überschreiten soll, darauf beschränken, über einige neue, die Entwickelungsgeschichte der Gregarinen der Lumbrieinen betreffende Beobachtungen Bericht zu erstatten. Mit Hinweis auf die Ergebnisse der Arbeiten Lieberkühn’s ar- gumentirt der Vortragende die Unwahrscheinlichkeit, ja geradezu -die Un- möglichkeit eines direeten, durch einfache Wachsthumserscheinungen be- dingten und herbeigeführten Ueberganges der von dem erwähnten Forscher zuerst näher beschriebenen Amöboiden in Gregarinen. Vorläufig von der endgiltigen Entscheidung der Frage nach dem Ursprunge dieser stets in ungeheurer Zahl vorhandenen amöbenartiger Körper noch absehend, macht der Vortragende auf die von ihm entdeckte Concrescenz dieser, übrigens durch einige charakteristische morphologische Details sich aus- zeichnenden Amöben aufmerksam. In diesen, dem eigentlichen Sinne des Wortes entsprechenden bald kleineren, bald umfangreicheren Synamöbien, deren einzelne constituirende Mitglieder noch eine Zeitlang ihr bald mehr, bald weniger lebhaftes Pseudopodienspiel fortsetzen, ist die eigentliche und ausschliessliche Ursprungsquelle der Gregarinen zu suchen. Solitär bleibende und als solche fortexistirende amöboide Körper, denen man nicht allein in der perivisceralen Flüssigkeit, sondern auch in den keim- bereitenden Organen der Lumbrieinen oft genug begegnet, sind an einer, zur Gregarinenform führenden Weiterentwickelung nicht be- theiligt und unterliegen andern Schicksalen. Jene behufs einer Arbeits- theilung sich zusammenfügende und dadurch zu einem potenzirteren Leistungsvermögen befähigte Monerencolonien (wegen Mangels an Kernen als einzellige Organismen nicht in Anspruch zu nehmen) zeigen aber bald — und das ist nicht weniger interessant und von nicht zu unterschätzen- der phylogenetischer Bedeutung — eine prägnant sich aussprechende deshalb leicht wahrnehmbare Divergenz in ihrer weitern Entwiekelungs- bahn. Während nämlich die Mitglieder der einen Colonie nach Zustande- kommen der letztern ihr Pseudopodienspiel schnell einstellen und die ver- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. _ 45 blassenden, früher eigentbümlich starren Pseudopodien einziehen, zu gleicher Zeit aber in ihrem Protoplasma auftretende, in Form anfangs nur spär- licher, doch scharf begrenzter und dunkler gefärbter Körnchen erschei- nende Differenzirungen zeigen — bewahren die Mitglieder anderer Co- lonien für längere Zeit die contractilen, so leicht ins Auge fallenden Eigenschaften ihres Protoplasma, innerhalb welehem — indessen nicht bei allen von ihnen — weniger grobkörnige, nieht so scharf conturirte und hellere Granulationen sich bemerkbar machen. Die in nicht unschwer verfolgbaren Zwischenphasen ablaufende Weiterentwiekelung der erstge- nannten Colonien führt zu accentuirt gelb und gelbbraun gefürbten myxo- mycetenähnlichen Plasmodien, die Hering schon beobachtet, aber, indem er sie als elementare und inhärirende Bestandtheile des Lumbri- einenkörpers auffasste, gänzlich missdeutete. Der Vortragende hat an diesen Plasmodien weiteren Umbildungen zu sporangienförmigen Strängen oder Schläuchen constatirt und — was fortgesetzte Untersuchungen noch - definitiv bestätigen sollen — will aus damit vorgenommenen Züchtungs- versuchen eine daraus hervorgehende Flagellatengeneration als höchst- wahrscheinliche Uebergangsphase erzielt haben. Jedenfalls aber ist diese Entwickelungsbahn der ursprünglich von denselben Amöboiden herstammen- den Synamöbien als durchaus divergent von der andern streng auseinander zu halten. Weitere Mittheilungen auch hierüber behält sich der Vortragende vor. Weit complieirter und deshalb der Beobachtung nicht unbedeutende Schwierigkeiten entgegensetzend gestalten sich die in die endständige Gregarinenform auslaufenden Umbildungsprocesse der andern Synamöbien, mit deren Kenntniss indessen der Schlüssel zu dem in allen seinen Ein- zelnheiten freilich noch nicht gelösten Räthsel gegeben ist. Nach des Vortragenden Untersuchungen erfolgt die Entwickelung der Gregarinen innerhalb der Leistungsphäre nur einzelner Mitglieder der be- teffenden Colonien, und zwar nach 3—4 ganz verschiedenen und kaum auf eine einzige Urform zurückzuführenden Typen, welche sich im Ganzen und Grossen den Categorien der Knospung und Sporenbil- dung unterstellen lassen. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass diese so ganz divergente Bahnen innehaltenden Typen den in den Lumbrieinen schmarotzenden verschiedenen Gregarinenarten angehören, von denen bisher wohl nur eine einzige näher bekannt und beschrieben ist (Monoecystis agilis Stein — Sablies proteiforme Suriray). Der Vortragende geht dann specieller auf einen dieser streng von einander zu sondernden Entwickelungstypen ein, der seiner Meinung nach nicht anders als eine, die ungeschlechtlichen Zeugungsformen der Innenknospung und der Monosporogonie vermittelnde und verbindende Zwischenstuf® aufgefasst werden kann.‘ Es entwickelt sich nach diesem erwähnten Modus im Protoplasma eines oder zweier Coloniemitglieder ein anfangs immer central gelegener, wegen seines bedeutenden Lichtbrechungsvermögens 46 Jahres- Bericht deutlich hervortretender, aus homogenem Protoplasma bestehender Innen- körper, die erste Aulage der jungen Gregarine. Auf Kosten des mütter- lichen Organismus sich nährend und weiter wachsend verdrängt jene das granulose Parenchym des frühern amöboiden Körpers nach der Peripherie, wo es in Form einer ringförmigen, bald einer fast gänzlichen Resorption anheimfallenden Zone deutlich sich abhebt und endlich dem Andringen der schon mehr oder weniger lebhafte Bewegungen kundgebenden, bereits mit Granulation und Kern versehenen jungen Gregarine weicht, die, so in die Aussenwelt gelangend, den Kreis ihrer Lebensthätigkeiten zu durch- laufen beginnt. Sowohl die Grössenverhältnisse als die Zeit des Aus- tretens der jungen Gregarine betreffende Schwankungen sind nicht selten, wie denn auch einige nicht grade erhebliche Unterschiede in der chrono- logischen Gliederung des morphologischen Aufbaues registrirt werden können. Herr Dr. Gabriel bemerkt, dass übrigens dergleichen, in Kapseln oder Zellen eingeschlossene junge Gregarinen schon von früheren Forschern, so auch von Lieberkühn beobachtet wurden, ohne dass indessen eine Deutung dieser seltsamen Eneystirung auch nur versucht worden ist. Nachdem Dr. Gabriel die von selbst sich ergebende und zwanglos erscheinende Annahme obwaltender phylogenetischer Beziehungen zwischen Myxomiceten und Gregarinen in kurzen Zügen berührt, weist er am Schlusse seines Vortrages auf die noch streitigen und dunkeln Punkte der biolo- gischen und ontogenetischen Verhältnisse der Gregarinen hin, die durch weiter fortzuführende Untersuchungen er entscheiden und, wenn auch nur theilweise, aufhellen zu können hofft und verspricht über die Ergebnisse derselben weitere Mittheilungen. Herr Prof. Dr. Ed. Grube theilte in der Sitzung am 26. Mai 1875 aus den nachfolgenden Bemerkungen über die Familie der Aphroditeen (Gruppe Polyonina, Acoetea, Polylepidea) einiges allgemeiner interessante mit und erläuterte dasselbe durch Demon- strationen. II. Polyonina. Die Polyoninen schliessen sich zunächst an die Hermioneen an, sind aber weniger kräftige, zum Theil zerbrechliche und ihre Elytren nach dem Tode oder bei starker Berührung leicht verlierende Thiere von meist nur kleinen Dimensionen und flacher Gestalt; wenige blos erreichen eine Länge von ein paar Zollen, wenn der Körper nicht wurmförmig wird wie bei den Sigalioninen. Die Zahl ihrer Elytrenpaare steigt meistens über 12. Die Segmente tragen entweder nur Elytren oder an derselben Stelle, wo diese sitzen, einen kleinen Höcker, den Ansatz zu einem Elytron, und nach aussen von demselben einen Rückeneirrus. Die 12 ersten Elytren- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur ; 47 paare sitzen durchweg auf dem 2., 4., 5. und den folgenden unpaaren Segmenten; kommen mehr als 12 Elytrenpaare vor, so überspringen die übrigen in der Regel je 2 Segmente, doch können auch, wie wir später sehen werden, andere Gesetze der Abwechslung auftreten, und auf das letzte Elytron kann eine kürzere oder längere Reihe von blos eirren- tragenden Segmenten folgen. Der flache rundliche Kopflappen ist durch einen mittleren Stirnein- schnitt und eine dahinter beginnende Einsenkung oder Furche mehr oder minder deutlich zweitheilig, Augenstiele kommen niemals vor, die kleinen Augen sind vielmehr sitzend, das vordere Paar am Seitenrande, bald nach vorn gerückt, bald näher dem hinteren, stets auf der Fläche und nahe dem Hinterrand befindlichen. Die 2 oder 3 Fühler entspringen vom Stirnrande, der unpaare stets aus dem Stirneinschnitt, unter ihm sieht man keinen so stark wie bei den Hermioneen ausgeprägten Stirnhöcker (Tuber- culum faciale Kbg.) aber doch, namentlich bei den grösseren Thieren eine sich nach der Rüsselwand hinziehende Wulst, zu beiden Seiten derselben die starken, conisch verjüngten Unterfühler (Subtentacula). Das 1. Ruder- chen trägt 2 Fühlereirren, 1 Stütznadel (Acicula) und höchstens ein paar Borsten, die übrigen Ruder haben 2 Borstenköcher, jeden mit 1 Acicula, von denen der obere äusserst wenig, der untere viel weiter hervortritt und einen Bauchcirrus führt. Die Borsten sind stets einfach, die Rücken- borsten stecken viel weniger tief in ihrem Köcher, ihr freier Theil gerade oder leicht gekrümmt, verjüngt sich ganz allmählich, läuft in eine ein- fache Spitze aus und ist gewöhnlich fast der ganzen Länge nach beider- seits gesägt oder mit zahlreichen Querreihen mikroskopischer Spitzchen besetzt, letztere lösen sich zuweilen leicht ab und es bleiben blos die Querfurchen, an denen sie gesessen haben, selten nur fehlen auch diese. Die stets geraden Bauchborsten haben eine schmallanzettförmige oder ver- längerte, oben platte oder leicht ausgehöhlte und an beiden Rändern ge- sägte, zuletzt etwas übergekrümmte oder gerade Spitze. Die Bauchborsten liegen parallel und bilden ein von vorn nach hinten breitgedrücktes, die Rückenborsten ein horizontal ausgebreitetes fächerförmiges oder nach allen Richtungen auseinander gespreiztes Bündel. Die Elytren treten in sehr verschiedener, weiterhin näher zu be- sprechender Beschaffenheit auf, überdecken sich aber, falls sie gross genug dazu sind, beständig von vorn nach hinten, wobei ihre Insertionsstelle näher dem Aussen- als dem Innenrande liegt. Wenn sie, wie häufig, ge- franzt sind, sitzen die Franzen nur am Aussen- oder auch am Hinterrande und sind einfach. Aftereirren fehlen fast nie, gehen aber wie der unpaare Fühler leicht verloren. An der Stelle, wo das Ruder von der Bauehwand des Leibes ent- springt, scheint bei allen Polyoninen eine sehr kleine Papille (Bauch- papille) zu sitzen, welche wenigstens im trächtigen Zustande durchbohrt 48 Jahres - Bericht und zur Ausführung der Eier bestimmt scheint. Die Thiere, bei welchen sie spitz ausläuft, sind vermuhtlich die Männchen, wiederholt habe ich um diese Stelle zähe Massen anklebend gefunden, die ich nach der Aehnlich- keit mit den bei lebenden Heteronereismännchen beobachteten für Samen- massen halte. Der Rüssel ist eylindrisch, von mässiger Länge und an dem Rande der Mündung mit einem in eine obere und untere Hälfte getheilten Kranz von eiförmigen oder zugespitzten Papillen besetzt, innerhalb dessen 2 obere und 2 untere, jene mit ihrer hakigen Spitze abwärts, diese aufwärts ge- kehrte Kiefer stehen, unmittelbar unter diesem Haken ist der schmale Körper des Kiefers beiderseits durch eine Chitioplatte verbreitert, die Schneide des Hakens ungezähnt, oder sie hat noch ein Nebenzähnchen (Polynoe) oder eine ganze Reihe Zähnchen (Iphione). Die Zahl der Papillen beträgt meistens 9, bei manchen Arten Polyno& aber 11, wie bei Polynoe elegans, oder 13, wie bei Lepidonotus Pomareae Kbg., oder 14, wie bei P. impatiens Sav., und kann bei Panthalis bis 17 steigen. Die Polyoninen sind durch alle Meere verbreitet, die kräftigsten Formen bisher vorzugsweise in den nordischen gefunden. So erreicht Polyno& (Lepidonotus) squamata nach Johnston eine Länge von 52 ınm, P. (Halosydna) gelatinosa nach Kingberg 60 mm, Lepidonote scabra Örsd. (= Eunoe Örstedi Mgn.) nach Malmgren 60—80 mm und Melaenis Loveni sogar 90 mm. Von den schlanken wurmförmigen Arten finden wir die europäische Polynoe scolopendrina 50—60 mm lang, sie wird aber von den Hemilepidien des Cap H. erythrotaenia und H. tuberculata übertroffen, von denen die letztere nach Schmarda bis 90 mm messen kann. Die meisten Polyno@n, namentlich die Lepidonotus werden nicht länger als 15 bis 24 mm. Was den Aufenthalt betrifft, so weiss man von keiner Art, dass sie wie die Acöetes und Polyodontes eigene Röhren baut, doch beziehen manehe die leeren Röhren anderer Würmer. So fand Lankester seine Harmothoe Malmgreni in den Röhren von Chaetopterus insignis und seine Antinoe nobilis, die ich von Polynoe areolata Gr. nicht zu unterscheiden vermag, in denen von !Terebella nebulosa. Einige Arten finden einen schützenden Aufenthalt an dem Körper gewisser Echinodermen. So trafen delle Chiaie, Clapar&de und ich die Polynoe astericola oder malleata in den Armfurchen grösserer Astropecten aurantiacus und ich bei meinem Auf- enthalt in Lesina dunkel violett gefärbte Exemplare von Polynoe cirrala an den von Stacheln nicht besetzten Partieen der violetten Schale von Spatangus spinosissimus. Die Zahl der Arten der Polynoinen ist grösser als von irgend einer anderen Gattung (Nereis ausgenommen). Savigny, wie Lamarck und Blainville vereinigten sie alle in eine Gattung Polynoe Sav. (Lepidonotus Leach), Eumolpe Blv. Oken., doch stellte Savigny inner- halb derselben schon 2 Tribus auf: die Polynoae Iphionae und Polynoae simplices, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 49 und brachte die letzteren — damals nur wenige Arten — vorläufig nach der An- oder Abwesenheit von Elytren, die über die Zwölfzahl ‘der Paare hinaus gehen und je nachdem die Elytren alle Segmente oder bloss die vorderen bedecken, in 3 Gruppen. Seine Nachfolger haben sämmtlich jene beiden Tribus zu Gattungen (Polyno& und Iphione) erhoben, aber Po- lyno& selbst noch weiter zerfällt, wobei Kinberg und mehr noch Malmgren am weitesten gegangen sind, während Örsted, Johnston (im Catalogue of the British non parasitical worms) und Qnatrefages es bei 2 (Polyno& s. str. und Lepidonotus) bewenden liessen. Die letztgenannten Forscher wendeten aber die Bezeichnungen im entgegengesetzten Sinne an, so dass die Arten, deren Rlytren uur die vorderen Segmente bedecken, bei Johnston Polynoe, bei Quatrefages Le- pidonotus, die übrigen bei Johnston Lepidonotus, bei Qualrefages aber Polyno& heissen. Johnston schloss sieh der Auffassung von Örstedt an, der den Namen Lepidonotus nur etwas beschränkender für diejenigen brauchte die bei höchstens 15 Elytrenpaaren und 40 Segmenten einen ganz be- deckten Rücken haben, Polyno& für die langgestreckten darüber hinaus gehenden, deren Elytren nur einen Theil des Rückens bedecken. Kinberg und Malmgren fanden, nachdem sie eine so grosse Zahl von Arten hinzugefügt, jene Gattungen nicht ausreichend und dem zu Folge hielt der erstere fir erforderlich aus Savigny’s Polynoae simplices 6 Gat- tungen, Malmgren aber 18 zu machen und man müsste, wenn man den Prineipien Malmgren’s huldigt, bei der Durchmusterung sämmtlieher jetzt bekannten Polyno&-Arten die Zahl der Gattungen auf 22 oder noch mehr erhöhen. Ich kann, so sehr ich auch die scharfe Auffassung dieser For- seher und den dadurch hervorgerufenen Fortschritt unserer Beschreibungen gebührend anerkenne, jenen Prineipien, auf die ich weiter noch zu sprechen komme, ebensowenig als Clapar&de und Möbius beipflichten, behalte viel- mehr ausser Iphione nur die Gattung Polynoe als Inbegriff von Savigny's Polynoae simplices bei, und versuche darin mehrere Artgruppen zu unter- scheiden. Es handelt sich endlich noch um 2 Gattungen, die Schmarda für neu entdeckte, von den bisher bekannten Polynoinen leicht zu unterscheidende Thierformen aufstellte, Gastrolepidia und Hemilepidia. Die erstere trägt auf der Bauchseite jedes Segments nahe dem Ursprung des Ruders eine Lamelle, ich habe zwar ein ähnliches, nur kleineres Gebilde kürzlich auch bei einer Polyno@ gefunden, möchte aber doch Gastrolepidia als Gat- tung behandeln, da in dem unteren Ruder 2 von einander getrennte Gruppen verschieden gestalteter Borsten vorkommen. Die Hemilepidien er- innern ganz an Polyno& scolopendrina Sav. (Polyno& s. str. Örsd., Kbe.), sollen aber nach Schmarda an ällen Segmenten, also auch an den vor- deren, bei denen Elytren nach dem herrschenden Gesetz der Abwechs- lung auftreten, Rückeneirren tragen. Auffallend ist nur, dass Schmarda in 4 50 Jahres -Bericht der Uebersicht der Gattungen, in der Hemilepidia neben Hermadion ihren Platz findet, diesen so wichtigen Unterschied nieht hervorhebt, sondern nur auf einen Unterschied in den Kiefern hinweist, den Kinberg’s Dar- stellung von Hermadion nicht darthut. Iphione Sav. Nur 2 Fühler, Körperform mit den Borstenbündeln lang oval, der Leib an der Bauchseite viel breiter als die untern Borstenköcher jederseits lang, ohne Ausprägung eines dem Verlauf des Nervenstranges entsprechenden, durch Furchen begrenzten Mittelstreifens, höchstens 29 Segmente und 13, alle Segmente bedeckende, zuletzt an Grösse bedeutend - abnehmende Rlytrenpaare. Aftereirren vorhanden oder fehlend, Rücken- borsien viel feiner als die Bauchborsten, an beiden Rändern gesägt und in ansehnliche Bündel versammelt. Kiefer mit gezähnelter Schneide. Polynoe Sav. s. str. Schmd. Qfg. (nicht Örsted und der Neneren). 3 Fühler. Leib oblong bis wurmförmig, hinten langsam verschmälert, wenigstens 27 bis 112 Segmente, 12 bis 39 oder mehr Elytrenpaare, bald sämmtliche, bald nur die vorderen Segmente bedeckend oder den Mittel- rücken frei lassend. Bauch höchsieus noch einmal so breit als die un- teren Borstenköcher lang, mit einem durch 2 Furchen begrenzten Mittel- streifen. Aftereirren stets vorhanden. Grösse der Borstenbündel beider Reihen jederseits und Gestalt der Borsten wie der Elytren sehr wechselnd. Kieferschneide ungezähnt oder mit 1 Zähnchen. Gastrolepidia Schmd. In allem Polyno& gleichend, Körper gestreckt; mit mehr als 40 Segmenten und über 20 Elytrenpaaren, an jedem Seg- ment 2 Bauchlamellen, die Borsten des unteren Ruders von zweierlei Ge- stalt und in 2 Gruppen vertheilt. Hemilepidia Schmd. Nach Schmarda wie Polynoön, deren Vorderleib allein Elytren trägt, aber Rückeneirren an allen Segmenten. Iphione Sav. Man kennt nur wenige Arten, alle aus dem Rothen Meer, dem In- dischen oder stillen Ocean, meistens mit nierenförmigen viel breiteren als langen Elytren in 13 Paaren, doch kann die Zahl derselben auch nur 12, nach Quatrefages wohl auch nur 11 betragen. a) mit 13 Paar Elytren: Elytren mehr oder minder gefranzt: Iphione muricata Sav. mit 29 Segmenten. Rothes Meer, Philippinen; sehr ähnlich scheinen der Beschreibung nach I. glabra Qf., I. eimex Qf., I. fimbriata Qf., letztere drei aus dem Indischen Ocean. Bei allen von mir untersuchten Exemplaren von I. muricata habe ich keine Bauch- papillen gesehen, wohl aber kohlensauren Kalk in den Elytren gefunden. Elytren ungefranzt: Iphione ovata Kbg. Oahu, J. spinosa Kgb. Port Natal. | \ der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 51 b) mit höchstens 1! Paar Elytren: I. hirta @f., Neu-Guinea, scheint ebenfalls der I. muricata sehr ähn- lich, soll nur 26 Segmente besitzen. e) mit 12 Paar Elytren: I. magnifica Gr., von Trinidad. Diese neue Art hat 27 Segmente und entschieden Aftereirren, die bei J. muricata fehlen, bei I. spinosa aber auch angegeben werden. Die gefranzten gerundet trapezoidalen, breiten, innen kürzeren Elytren sind nicht wie bei den andern Arten starr, sondern biegsam, perlweiss und irisirend und mit weissen und schwarzen weichen Papillen besetzt, nur das elliptische Mittelfeld ist hart und sticht durch seinen Glanz, die braungelbe Farbe und netzförmige Zeichnung auffallend gegen seine Umgebung ab. Fühler, Fühlereirren und Rückeneirren weiss mit schwarzem Ring unter der Spitze, die Bauchborsten sehr stark, schwarzbraun viel länger als die zarten rauhgeringelten Rücken- borsten und an der Spitze beiderseits mit 4 Dörnchen gesägt. Die Fühler sind etwas kürzer als die oberen Fühlereirren, länger als die Unterfühler. Polyno& Sav. Bei der grossen Zahl der Arten und der Schwierigkeit, sie zu unter- scheiden, wird es hier nöthig sein, auf die Beschaffenheit der einzelnen Körpertheile, die dazu benutzt werden, näher einzugehen. Was zunächst den Kopflappen und die immer aus seinem Stirntheil entspringenden Fühler anlangt, so hat zuerst wohl Kinberg darauf auf- merksam gemacht, dass die paarigen mit dem stets im Stirneinsehnitt sitzen. den Basalgliede des unpaaren entweder in gleicher Höhe d. h. aus dem äussersten Stirnrande selbst und neben jenem hervorkommen, oder tiefer als der unpaare sitzen. Im ersteren Fall sind die Basalglieder der paa- rigen Fühler gegen die Stirn meist nicht abgesetzt, sondern bilden stiel- förmige Verlängerungen derselben, so bei Polymoö sgquamata, im andern Fall ist das Basalglied des unpaaren Fühlers meist so stark, dass es die Basalglieder der paarigen herabdrängt, und diese zuweilen ganz unter jenen stehen, und bei ihrer schrägen Stellung nur mit dem Ende hervor- ragen, doch können sie auch parallel neben ihm stehen und der Stirn- vand allein über sie vorspringen, und oftmals jederseits in eine besondere kurze Spitze hervortreten (margo angulo productus Kbg.). Dies benutzt Kinberg als einen Gattungscharakter für seine Gattung Antino@ und deshalb wohl rechnet Ehlers seine Polynoe spinifera zu dieser Gattung, während Malmgren jene Art zu Harmothoe stellt, wo ebenfalls solche Stirnspitzchen vorkommen können. Ich finde dies Spitzchen bei derselben Art bald mehr bald weniger deutlich und möchte deshalb nicht zu viel Gewicht darauf legen. Zum Mass der Fühler benutzt man sehr allgemein die Vergleichung mit den Unterfühlern und Fühlereirren, versteht aber unter grösserer oder 4* z 52 Jahres- Bericht geringerer Länge das weitere oder minder weite Vorragen dieser Organe, nieht ihre absolute Länge, ist auch der Kürze des Ausdrucks wegen still- schweigend übereingekommen von den Fühlereirren zum Mass nur den oberen, fast immer längeren in Betracht zu ziehen. Da jedoch die relative Länge des unpaaren Fühlers, der Unterfühler und der Fühlereirren bei derselben Art bedeutend wechseln kann, so dass ich z. B. bei P. scolo- pendrina an einem Exemplar die Unterfühler etwas kürzer, an einem an- deren viel länger als den unpaaren Fühler gefunden, ist dieser Charakter doch nur mit Vorsicht zu benutzen, und jedenfalls auch die Vergleichung des unpaaren Fühlers mit der Länge des Kopflappens, die Kinberg ein- geführt, hinzuzufügen. Die paarigen Fühler sind selten, wie bei Lepido- notus indicus Kbg. und Alentia gelatinosa (Sars), ebensolang und ansehnlich als der unpaare, gewöhnlich kürzer, sie pflegen sich aber viel besser als dieser zu erhalten, der nur zu oft von seinem Grundgliede abbricht. Die Gestalt der Fühler, Fühler- und Rückeneirren pflegt überein- zustimmen: sie sind entweder sehr allmählich oder schnell zugespitzt, wo- bei dann oftmals das fadenförmige Ende durch eine merkliche Anschwel- lung von dem übrigen Fühler abgesetzt ist, wie namentlich bei manchen Lepidonotus i. e. $. Kbg.; sehr hänfig steht hier ein dunkler oder schwarzer Ring oder zwei in einiger Entfernung übereinander, eine Zeichnuug, derer _ ieh mich bei andern Anneliden ausserhalb dieser Familie nicht erinnere. Alle diese Organe sind entweder vollkommen glatt oder bald spärlich bald dichter mit linearen durchsichtigen, am Ende öfters angeschwollenen Papillen besetzt (tentacula und cirri floccosi oder ciliati, spinulosi, hispidi), mit. besonders langen bei P. pallidula Fr. Müll. Gr. Die Unterfühler (Subtentacula) sind stets dieker als der unpaare Fühler und gleichmässig und allmählich zugespitzt, sehr verlängert conisch, von . auffallender Länge bei manchen Lepidonotus Kbg., wie L. indicus Kbg. und striatus Kbg. Sind sie nieht glatt, sondern mit Papillchen besetzt, so zeigen sich diese beständig sehr kurz, so dass man, um sie zu er- kennen, stärkerer Vergrösserung bedarf, bei manchen Polyno@n in einige Längsreihen geordnet. Während die Fühler so häufig an ihrem Basal- gliede abgebrochen sind, vermisst man die Unterfühler höchst selten, und ich glaube, dass sie in diesem Fall, da man eine Zerreissung an der Basis nicht wahrnehmen kann, vollständig zurückgezogen sind. Dies kann ich von Polynoe impatiens Sav. und P. (Halosydna) fusca Gr. sagen, wo ich bei einzelnen Exemplaren an der Stelle, wo sie sitzen sollten, eine Oeff- nung bemerkte, in welche sich die umgebende Haut glatt fortsetzte und bei emem Fxemplar von letzterer Art ragte aus dieser Oeffnung noch die Spitze des Unterfühlers hervor.’ Es ist mir daher auch sehr wahr- scheinlich, dass die bloss nach einem Exemplar von mir aufgestellte Gat- tung Hermenia, welche ich durch die Abwesenheit der Unterfühler (dort Tentacula lateralia genannt) charakterisirte, eine ächte Polyno& mit bloss der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. ° 53 eingezogenen Unterfühlern ist. Es wäre höchst auffallend, wenn eiu Organ, das durch die ganze Reihe der Aphroditeen beständig so ausgeprägt vor- kommt, bei einer ihrer Thierformen fehlen sollte. Von den stets sitzenden Augen, welche nur bei einigen Arten noch nicht wahrgenommen sind, befindet sich das vordere meist elwas grössere Paar am scharfen Seitenrande, nicht weit vom unpaaren Fühler oder mehr in der Mitte, selten sehr nahe dem hinteren, stets auf der Fläche und vor dem Hinterrand steheuden Augenpaar. Die Fühlereirren, deren oberer wohl immer länger als. der untere ist, sitzen an einem eine Acieula enthaltende aber nur mit weniger Borsten ver- sehenen oder borstenlosen nach vorn gerichteten, häufig die Stirn überragenden Ruder. Schmarda rechnet sie mit zu den Teentacula und zählt daher deren 9, oder wenn ihr Ruder sehr lang ist, 7, indem er die beiden Fühlereirren jeder Seite als verwachsen, die Subtentacula aber auch als Fühler betrachtet. Das Mundsegment, dem die Fühlereirren angehören, ist oben nicht sichtbar. Die Rückencirren, die wie die Fühler auf einem Basalgliede sitzen und, wie schon oben erwähnt, deren Gestalt Zeichnung und Bekleidung zu theilen pflegen, ragen fast immer über die unteren Borsten mehr oder weniger hinaus und sind zuweilen von auffallender Länge wie bei Polynoe venosa Gr., bisweilen verlängern sich nur die hinteren, nach hinten ge- richteten merklich. Das Grundglied der Rückeneirren erreicht bei man- chen Arten eine ungewöhnliche Grösse, namentlich auch Dicke, wie bei P. impatiens Sav. Die Rückeneirren sind, besonders bei den Polynoen einiger Gruppen so brüchig, dass man an manchen Weingeistexemplaren kaum einen erhalten findet. Um so weniger vermisst man die Baucheirren, die eine viel unter- geordnetere Rolle in der Beschreibung spielen, sie ähneln sich bei fast allen Arten, sind langsam zugespitzt, meist glatt und erreichen höchstens das Ende des unteren Borstenköchers, nahe dessen Basis sie sitzen, aber der Baucheirrus des 1. borstentragenden Ruders, der etwas nach voru gerichtet ist (eirrus buccalis Kbg.), übertrifft die andern beständig an Länge, nimmt auch wohl die Färbung der Fühlereirren an. Die an dem Ursprung des Ruders sitzende Bauchpapille, von deren Bedeutung ich oben gesprochen, vermisst man im Allgemeinen nur selten doch regelmässig an den vordersten 3 bis 6 borstentragenden Rudern. Die Aftereirren haben die Beschaffenheit der Rückeneirren, breehen auch leicht ab, und sind bald länger bald kürzer als die nächsten der- selben, selten von auffallender Länge; sie sitzen unter dem After. Neuer- lich ist für Polynoe scolopendrina von Malmgren angegeben worden, dass der Analeirrus einfach vorhanden sei, doch sagt Savigny von dieser Art ausdrücklich: le dernier segment portant des courts filets und Johnston we- nigstens tail without elongated styles, ich selbst habe bei der Art, die ieh für scolopendrina halten muss, wie bei den andern stets 2 Analeirren gefunden. 54 Jahres - Bericht Von den beiden Borstenköchern der Ruder sitzt der obere, oft nur sehr wenig vorragende auf der Basis des unteren, hauptsächlich ausgebil- deten und im Vergleich mit Iphione merklich längeren, auch ist seine Aci- cula beständig ansehnlicher als die des oberen und seine Borsten viel tiefer eingelassen als jene, welche leicht ausfallen, und vielleicht in Folge dessen und bei manchen Arten, wo sie besonders kurz und zart sind, gänzlich vermisst werden, während sie bei vielen andern ein ansehnliches strup- piges Bündel bilden. Die Bauchborsten liegen vertical und wenigstens in 2 Reihen nebeneinander und ragen ein gut Theil weiter vor. Die Rückenborsten sind seltener fein und sur an beiden Rändern gesägt als stark und mit ‚diehten Querreihen von Spitzchen besetzt, ge- wöhnlich stärker als die Bauchborsten unterhalb der Spitze. Sie sind es, an deren Spitzchen sich so viel Schmutz des Meeresbodens anzuhäufen pflegt, dass sie ganz wie mit Filz überzogen sind (soies tomenteuses), und , ihre eigentliche Beschaffenheit nicht sogleich erkennbar ist, während die Bauchborsten viel reiner bleiben. | | Die Letzteren haben immer eiiie lanzettförmig verbreiterte hohlkehlen- artige oder länger ausgezogene und wie es scheint nicht deutlielh aus- sehöhlte aber doch immer gegen den übrigen T'heil der Borste abgesetzte und an beiden Rändern in ersterm Fall mit 6 bis 20, im andern mit 30 und mehr Zähnchen gesägte glatte oder dicht quergestreifte Spitze: wo die Hohlkehle aufhört, kurz vor dem äussersten, gewöhnlich leicht eınpor- gekrümmten Ende der Spitze kommen dann wohl noch 1 oder 2 einzelne Zähnchen vor, der letzte unmittelbar vor dem Ende, so dass diese äusserste Spitze zweizähnig erscheinen kaun; ihre Beschaffenheit, ob sie einfach oder zweizackig ist und ob das untere Zähnchen dem Ende parallel steht oder mit ihm einen grösseren Winkel bildet. wird von Malmgren zur ‘Unterscheidung seiner Gattungen benutzt, ebenso der Vergleich der Stärke der Rücken- und Bauchborsten,. ob jene stärker oder nur wenig stärker oder, was selten der Fall ist, dünner als diese sind. Ist das untere Zähn- chen einer zweizackigen Endspitze sehr klein, so kann es bei einer nicht seitlichen Lage der Borste leicht übersehen werden und die Entscheidung, ob die Rückenborsten merklich oder nur etwas stärker als die Bauch- borsten sind, hat auch ihr Missliches. Für die Erkennung der Arten ist die quergestreifte oder glatte Beschatfenheit der Rücken- wie der Bauch- borsten sehr beachtenswerth; ob die Querstreifen mit mikroskopischen Spitz- chen besetzt sind oder nicht, kann nicht so ins Gewicht fallen, da letztere verloren gehen können. Selten haben die Bauchborsten eine glatte, nur mit einem unteren ansehnlichen Zahn bewaffnete Spitze, wie sie Schmarda von Polyno& longieirra abbildet, und ich sie bei Polynoe (Lepidonotus) acan- tholepis Gr. gefunden habe; im letzteren Fall, wo die Borste sehr stark und die Spitze sehr kurz ist, bekommt sie ganz das Ansehen der ungleich zweizinkigen Bauchborsten der Eurythoen. In den Rückenborstenbündeln der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 55 können auch ganz glatte, aber doch auch mit einer Hohlkehle versehene Borsien vorkommen; dies 'st der Fall bei P. (C.) trissochaetus Gr., wo sie zugleich mit leicht gekrümmten und gesägten Borsten auftreten; in den Bauchborstenbündeln erscheinen bei Antinoe Sarsii Mgn. solehe von ge- wöhnlicher Form mit lanzetiförmiger Spitze und solche mit sehr lang aus- gezogener, zuletzt borstenartig dünner Spzitze, bei Melaenis Loveni Mgn. solche von der letztbeschriebenen Beschaffenheit mit stärkeren in 2 parallele Zinken auslaufenden, von keiner anderen Art bekannten. Die Elytren (elytra, squamae, branchiae Örsd.), welche man als blatt- artig zusammengedrückte, aus der Rückenwand herausgestülpte Blindsäcke der Leibeshöhle bezeichnen muss, erscheinen iu einzelnen Fällen in der That aufgebläht, wie sowohl Savigny als ich (wenigstens bei Weingeist- exemplaren) bei P. impatiens Sav. beobachtet haben, auch hat Ehlers und Clapar&de gefunden, dass sie zu Zeiten Genitalstoffe enthalten, die sich bekanntlich in der Leibeshöhle bilden. Es muss an den Elytren also ein oberes und unteres Blatt der eigentlichen Wandung und ein aberes und unteres des Hautüberzuges vorhanden sein; die Beschaffenheit der ersteren bedarf noch näherer Untersuchungen, man kann bei stärkerer Vergrösserung ohne Mühe nur eine an der Rückenseite gelegene Schicht von polygonalen, die Farbstoffe enthaltenden Zelleben nachweisen, der; Hautüberzug der Eytren aber ist das, was unmittelbar ins Auge fällt und dessen Beschrei- bung in die Artdiagnose übergehen muss. Hier zeigt sich nun das der Rückenwand des Leibes zugekehrte Blatt des Hautüberzuges immer sehr einfach ganz glatt, meist glänzend und selbst irisirend, während das obere von sehr mannigfacher Beschaffenheit sein kann. Die Stelle des unteren Blattes, an welcher das Elytron befestigt ist; sieht gewöhnlich quer oval oder elliptisch aus und die Befestigung ist zuweilen so dauerhaft, dass selbst im Weingeist die Elytren fest haften und sich, wie bei P. (C.) squa- mata und P. tenax Gr., eine derbere Berührung gefallen lassen, während in den meisten Fällen das Gegentheil eintritt, und man selten ein Exem- plar zur Untersuchung hervorholen kann, ohne jedesmal ein oder mehrere Elytren abfallen zu sehen. Gewöhnlich bedeeken die Elytren je 3 Segmente, ohne jedoch immer den Mitteltheil zu erreichen: doch werden sie bei manchen Arten, wie bei P. elegans Gr., auch so klein, dass sie noch nicht ein Viertheil der Rücken- breite bedecken; dieser Unterschied in dem Freibleiben des Mittelrückens oder dessen Bedeckung wird von Kinberg und Malmgren mit bei der Er- richtung von Gattungen verwerthet, es giebt aber auch Polyno&@n, bei denen nur auf einigen der bedeekten Segmente der Mittelrücken frei bleibt, und die also zwischen beiden Extremen in der Mitte stehen. Sind die Elytren von ansehnlicher Grösse, so ist das 1. das kleinste, im umgekehrten Fall sind die vordersten die grössten, 96 Jahres - Bericht Die Gestalt der Elytren durehläuft/alle Stufen vom Kreisrunden und Ovalen bis zum Abgerundet-dreieckigen und viereckigen und zum Nieren- förmigen, wobei die Innenpartie etwas minder breit als die am Aussen- rande und das ganze Elytıon etwas schief gezogen zu sein pflegt, und die Consisteuz wechselt vom zarthäutigen Faltbaren bis zum Pergamentartigen und fast Starren. Was die Gestalt anlangt, so pflegt dieselbe bei dem- selben Individuum an verschiedenen Stellen des Körpers verschieden zu sein. Das vorderste Elyiron, das ganz freie Ränder hat, ist fast immer kreisrund, die nächsten zeigen am Vorderrande einen breiten flachen Aus- ‚schnitt oder werden beinahe nierenförmig, die übrigen verlieren ihn wieder und die hintersten ziehen sich bei den Arten, welche 15 oder mehr den Leib ganz bedeckende Elytren haben, sehr in die Länge, während bei den vorhergehenden der Querdurchmesser der grössere ist. Die sehr zarthäutigen Gebilde sind in der Regel farblos oder doch so durchsichtig, dass man die von der Anheftungsstelle ausgehende, strahlige, Vertheilung und Verästelung der Nerven deutlich hindurch erkennen kann, so bei P. pellucida Ehl. und Laenilla albu Mgn., die derbhäutigeren in der ver- sehiedensten Weise mit weisslichen, grauen, braunen, gelben Tönen, selten violet, grün oder schwarz, meist gefleckt oder wolkig gefärbt, namentlich pflegt die Stelle über die Insertion durch einen helleren, öfters dunkel umschriebenen Fleck oder einen dunklen Fleck ausgezeichnet zu sein. Braune und graue Färbung der Elytren kann je nach den Individuen einer Art wechseln und bei manchen Species zeigen die Elytren die mannigfachsten Färbungen und Muster, wie dies namentlich von P. (Har- mothoe) cirrata Müll. gilt, doch bezieht sich überall die ausgeprägtere Färbung nur auf die freie, nicht auf die bedeckte Partie des Elytron. Dasselbe gilt von der Bekleidung, welche in theils durchaus mikro- $kopischen, theils in grösseren, schon mit einer schwachen Loupe wahr- nchmbaren Papillen besteht: jene fast nie vermissten sind durchsichtig meist niedrig wie Bläschen oder conoidisch, immer grösser als die Zell- chen der darunter liegenden Schicht, die andern erscheinen bald consi- stenter als Wärzehen oder als glatte oder in Spitzen und Zacken auslaufende Knötehen oder Stachelchen, bald weichwandig als Bläschen und kurze Schläuche oder linear, wie kurze Fädchen, und bilden dann vorzugsweise RKandfranzen des Aussen- oder auch Hiuterrandes; am vordersten Elytron können sie ringsum entwickelt sein. Bei P. impatiens sind die mikrosko- pischen Papillen meist kreuzförmig gezackt, die grossen am Rande in 2 oder 3 Stachelu auslaufende Erhöhungen. Auch sehr niediige Leistehen oder parallele Kiele können auftreten wie bei P. (C.) quadricarinata Gr., oder es zeigte sich eine sehr auffallende Felderung, bei welcher die Felder, durch doppelte Conture getrennt, als gestreckte oder kürzere Polygone, meist Sechsecke erscheinen, gegen den Rand hin an Grösse zunehmend, z. B. P. areolota Gr., wo jedes Feld einen allmählich ansteigenden der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 57 und in einem Stachel auslaufenden Mittelkiel trägt, ähnlich auch bei P. crucis Gr. Örsd. und P. peronea Schmd. Eine nicht minder auffallende Bildung der Elytren habe ich erst vor Kurzem bei P. cristata und P. tumorifera Gr. kennen gelernt: ‚bei P. cri- sitata erhebt sich nemlich auf einem ganz weichen Elytron ein hoher ein- facher oder eingekerbter ansehnlich hoher Kamm oder Lappen, bei P. iumorifera ein angeschwollener hoher Wulst aus der Rückenfläche, die dadurch ein ganz eigenthünliches Aussehen gewinnt. Selten im Verhält- niss sind die ganz glatten Elytren mit ebener Oberfläche, bei denen man selbst die mikroskopischen Papillchen vermisst wie bei P. elegans. Die kleinste Zahl der Elytrenpaare, welche vorkommt, ist 12 und findet sich bei einer ansehnlichen Reihe von Arten. Sie erscheinen regel- mässig auf Segment 2, 4, 5, 7 und den übrigen unpaaren Segmenten. Die über diese Zahl hinausgehenden Elytren, welche dem für jene 12 geltenden Gesetz nicht folgen, sondern meist je 2 Segmente überspringen und bei verschiedenen Species zum Theil auch nach dem Alter des Tieres in verschiedener Zahl auftreten, wurden von Savigny elytres sur- numeraires genannt. Unter den mit solchen surnume6raires versehenen Arten begegnen die Zahlen 15 und 18 am häufigsten und zwar meist mit der-oben besprochenen Anordnung, d. h. auf dem 23., 26., 29. u. s. w. Segment, aber bei den von Kinberg beschriebenen Halosydnen stehen die Elytren hinter dem 23. (dem 12. Paar entsprechenden) Segment von jener Anordnung abweichend auf dem 25., 27., 28., 30., 31. und 33. und bei P. tuta Gr. auf dem 25., 29., 32. und dann auf je 2 hinter- einander, nämlich dem 35. und 36., dem 39. und 40. und so fort, wäh- rend sie bei einer neu entdeckten Polyno&, P. fulvo-vittata Gr. in der- selben Weise wie auf den vorhergehenden Segmenten zu erscheinen fort- fahren, also dem 25., 27., 29., 31. angehören und ähnlich auch bei P. vittata Gr. mit Ausnahme des 26. und 28. Segmentes nur auf den unpaaren er- scheinen. Ausser diesen Stellungen sind hier und da auch noch andere bemerkt. Die Rückenhöcker (Tubercula dorsualia) welche auf den mit Rücken- eirren versehenen Segmenten die Stelle der Elytren einnehmen, kann mau wohl als die Ansätze dazu betrachten, Savigny und Audouin und Edwards bezeichnen sie als Kiemen. Sie sind abgerundet cunisch und zuweilen durch eine dunklere Zeichnung hervortretend, nur in einem Fall bei P. astericola d’Ch. (malleata Gr.) vergrössern sie sich, indem sie eine hammerförmige Gestalt annehmen, bekommen auch nach Clapar&de einen Wimperbesatz und mögen dann wirklich als Kiemen fungiren. In den Polynoen, welche nur 15 (13, 14, 16) Klytrenpaare be- sitzen, folgen ‚auf das letzte mit Elytren versehene (25.) Segment stets noch mehrere mit Rückeneirren, beträgt die Zahl der Elytrenpaare aber 12, 17, 18 oder noch mehr — und sie kann bis auf 54 und 39 steigen — so pflegen nur ein paar Segmente mit Rückeneirren (3 bis 4) den Schluss 58 Jahres - Bericht zu bilden; von einer längeren auf das letzte elytrentragende Segment folgen- den Reihe von Segmenten, werden nur noch die vorderen von dem letzten gestreckteren Elytron bedeckt, der Rücken der übrigen bleibt frei, und sind solcher viele, wie bei P. scolopendrina Sav. so kann die nackte Körper- partie bedeutend läuger als die vordere bedeckte sein. Der Rücken des Leibes, so weit er von opaken Elytren bedeckt ist, pflegt keinerlei lebhaltere Färbung und Zeichnung zu zeigen, sondern ein- farbig oder mit dunkleren Querstreifen oder Querbinden versehen zu sein» sind dagegen die Elytren sehr klein und durchsichtig, oder hören sie gänzlich auf, so erscheint. auch wohl eine buutere Färbung, wie bei P. elegans Gr. uud trochiscophora Schmd. Die Färbung sowohl des Leibes als der Elytren pflegt sich auch im Weingeist gut zu erhalteu und eignet sich daher zur Benutzung für die Unterscheidung der Arten auch nach längerer Aufbewahrung. Für die Zählung der Segmente ist zu beachten, dass Malmgren das Mundsegment, welches die Fühlereirren trägt, nicht mitzählt, sein 1. Seg- . ment also dem 2. der sonstigen Zählungsweise entspricht. Nachdem sich die Zahl der Polynoöarten durch die vielen von Örsted, Kroyer, Schmarda und Kinberg entdeckten Arten so sehr ver- grössert hatte, dass Quatrefages (die von ihm aufgestellten mitgerechnet) 94 aufzählen konnte, ist sie durch die Beiträge von Malmgren, Ehrenberg, Baird, Ehlers, Clapar&de abermals gestiegen und eine Prüfung derselben behufs einer möglichst natürlichen und übersichtlichen Gruppirung ein wahres Bedürfniss geworden, das ich auch bei der Bearbeitung der von Professor Semper auf den Philippinen gesammelten. Polyno&n aufs leb- hafteste empfand. Wenn ich diesem Bedürfniss hier abzuhelfen versuche, “ so bin ich, da ich so viele. Arten nicht aus eigener Anschauung kennen lernen konnte, mir wohl bewusst, dass .diese Musterung nicht so gründ- lieh, wie ich wünschte, ausfallen kann, inzwischen lassen die so ausführ- lichen meist von Abbildungen begleiteten Beschreibungen der neueren Forscher den Mangel der Anschauung doch sehr viel weniger fühlen. - Kinberg und Malmgren, meine nächsten Vorgänger in diesem Be- streben, haben jede ihrer Gruppen zu einer Gattung erhoben, und die Zahl derselben ist, wie schon oben erwähnt, bei Malmgren, obschon er doch fast nur scandinavische und arctische Arten heranzieht, so ausehn- lich geworden, dass man Mühe hat, die Namen derselben und ihre Be- deutung zu behalten. Zu Gattungscharakieren benutzt er die relative Grösse, Zahl und Beschaffenheit der Oberfläche der Elytren, die Gestalt der Borsten namentlich, ob die Bauchborsten einfach oder in 2 Spitzen oder Zähne auslaufen, die mehr oder minder gestreckte Form des ganzen Körpers, und ob er mehr oder minder weit von Elytren bedeckt ist, viele seiner Gattungen beruhen nur auf einer Art. E der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 59 Ich finde so viele Uebergänge in der Manuigfaltigkeit der Galtung Polyno&, dass ich, während einzelne Gruppen recht scharfe Grenzen zeigen, diese in vielen auderen Fällen vermisse, und während mir Lepidonotus i. S. von Kbg. wenigstens die Bedeutung einer Untergattung zu haben scheint, die meisten andern nicht einmal dazu erhoben werden können. Diese Ansicht theilen auch Claparede, Möbius und Lenz, welche letztere z. B., auf die Untersuchung zahlreicher Exemplare gestützt, Harmothoe eirrata mit Caenilla glabra, Evarne impar und Antinoe Sarsi für einerlei halten; Ehlers stellt seine Polynoe spinifera zu Antinoe, Malmgren dagegen zu Aarmothoe. Bei meiner Dureharbeitung der Polyno@n haben sich mir 2 Haupt- reihen vorgestellt: Die 1. Reihe besteht aus Arten, deren Fühler neben einander aus dem oberen Stirnrande entspringen, und wie fast immer auch die Fühler-, After- und Rückeneirren glatt, mit keinen Papillen besetzt sind. Die Unterfühler sind bald glatt, bald mit sehr kurzen mikroskopischen Papill- chen besetzt, der Leib, der Zahl der Elytren entsprechend, kürzer oder länger bis wurmförmig, die Zahl der Elytren vorherrschend 12 oder 18 oder mehr, sie können den Mittelrücken bedecken oder nicht, oder ganz winzig sein, die hintersten bloss Rückeneirren tragenden Segmente sind immer von dem letzten Elytrenpaar bedeckt und ihrer meist nur 4. Die Borsten des unteren Bündels zeigen eine gleiche Gestalt, haben eine kurze, oben platte oder ausgehöhlte, an beiden Rändern gewöhnlich mit nur wenigen (9—8) Zähnchen besetzte lanzettförmige, einfach oder 2 zackig endende Spitze, die Borsten des oberen Bündels sind dünner, wenig zahl- reich, oft spärlich, zuweilen gar nicht zu finden, und reichen selten über den Rand des untern Köchers hinaus, nur in einzelnen Fällen sehe ich sie zahlreich und von zweierlei Form (P. trissochaetus Gr.). In diese Reihe würden die Lepidonotus s. str. Kbg., Halosydnen Kbg., Alentien Mgn. und Lepidasthenien Mgn. gehören. Die 2. Reihe umfasst alle die Arten, bei denen die paarigen Fühler tiefer als der unpaare angesetzt sind, nicht aus dem oberen Stirnraud selbst entspringen: sowohl die Fühler als die Fühler-, Rücken- und After- eirren pflegen mit mehr oder minder zahlreichen linearen Papillen, die Unterfühler mit kurzen sehr feinen besetzt zu sein: selteu nur sind die ersteren glatt, wie bei Melaenis Loveni Mgn., Hermadion Magalhaense Kbg. und Polynoe opisthoglene Gr. Die vorherrschende Zahl der Elytrenpaare ist 15, auch weun sie nur den vordersten Theil des Rückens bedecken und die hintere Partie desselben frei bleibt, sie kann aber auch auf 14 und selbst 13 und 12 sinken (wenn dies nicht, wie Malmgren meint, bei bloss jungen Thieren vorkommt) und bis 39 steigen, der Mittelrücken kann frei oder bedeckt sein. Die Borsten des unteren Büudels haben eine lanzettförmige oben platte oder etwas ausgehöhlte oder gestrecktere, 60 Jahres - Bericht an beiden Rändern sägezähnige Spitze mit einfachem oder zweizackigem Ende, die Länge der Spitze bei den Borsten desselben Bündels pflegt verschieden lang und dem entsprechend mit einer verschieden grossen Zahl von Zähnen besetzt zu sein und kann selbst äusserst fein und lang ausgezogen sein. Die Borsten des oberen bBündels sind meist stärker, dicht quergefurcht und mit Reihen von Spitzchen besetzt, oft mit Schmutz bedeckt und zahlreich, stark aus einander sperrend. Hierher würden die Gattungen Harmotho& Kbg., Parmenis, Nychia, Euno®, Antivoe, Laenilla, Evarne, Eucrante, Melaenis, Leucia, Dasylepis ‘ Mgn., dann Hermadion Kbg., Lagisca, Nemidia Mgn. so wie Polyno& s, str. Kbg. und Enipo Mgn. gehören. Nicht genügend oder mit zweifelhaften Angaben beschrieben sind be- sonders von europäischen Arten: mit 12 Elytrenpaaren: Polynoe scutellata Riss., Lepidonotus ornatus Qf. mit 14: P. lewis Aud. $ Edw., P.. granulosa Rathke, Aphrodita_ le- pidota Pall. | mit 15: Lepidonotus pellueidus Johnst., mit 16: P. floccosa Sav. Elytrenzahl unbekannt: P. foliosa Riss., Eumolphe fragilis Riss. von exotischen: mit etwa 12: Lepidonote semitecta Stimps., mit 14: Polymoe fasei- culosa Gay. mit 14 bis 18: Aphrodita varians Dalyell. angeblich mindestens mit 16: P. chiliensis Gay (abgebildet sind aber 29 Paar), wohl verschieden von P. chiliensis Qf. mit 20: Harmotho& sarniensis Lankester (Linn.. Transact. XXV. p. 270 tab. I): eine Art mit 47 Segmenten und oft am Aussen- rande gefranzten Elytren, die auf Segment 26, 29, 33, 36, 39 erscheinen sollen (was 17 Elytrenpaare ergeben würde). angeblich mit 35: P. virens Gay (abgebildet sind aber 48 Paar). Elytrenzahl unbekannt: Lepidonotus fragilis Baird, Aphrodita velox Dalyell, Polyno& semisquamosa Williams (Report. Brit. Assoc. 1861) _ in Johnst. Catal. eitirt. ? Aphrodita annulala Penn. Brit. Zool. "Unbekannt sind mir Beschreibunger von P. abyssicola Stimps. und P. lunifera Fr. Müll., die 15 Paar Elytren und die letzten auf Segmente 19, 21, 24, 27, 30, 33 tragen soll. I. Polynoen der ersten Reihe. Bei allen hierher gehörigen Arten hat man hinter dem letzten elytren- tragenden Segment nie eine längere Reihe von eirrentragenden, sondern höchstens 3 bis 4 gefunden. A. Körper oblong, selten oval, 12 (selten 13) Paar Elytren, 27 Seg- mente, (Lepidonotus Leach. s. str. Kbg., Mgn.) der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur. 61 a. Elytren den Mittelrücken wenig oder gar nicht deckend, un- gefranzt, bei manchen so klein, dass sie nicht einmal die be- nachbarten derselben Reihe erreichen. Polynoe trochiscophora Schmd. Tafelbai, P. acantholepis Gr. Upolu, Philippinen, P. trissochaetus Gr. Rothes Meer, Viti-Inseln, Philippinen (bei dieser Art ist der Mittelrücken nur vorn nicht bedeckt), Aphrodita celava Mont. (= Lepidonotus clavatus Leach, P. clypeata Gr., P. modesta Qf., P. Juscescens Qf., P. Grubiana Clap., auch wohl P. scutellata Riss.) Mittel- meer, Wesiküsten Frankreichs, England; die Elytren rücken näher an einander, wenn der Rücken wenig gewölbt ist. P. acantholepis Gr. ausgezeichnet durch die nur auf den ersten Seg- menten einander berührenden sowohl auf der Fläche als am Rande mit spitz eonischen Warzen besetzten Elytren, die durch winzige Wärzchen rauhe Rückenhaut und die starken zweizinkigen, nicht sägezähnigen Bauchborsten. Höchst wahrscheinlich gehört in diese Gruppe auch Hermenia verru- culosa Gr. Örsd., Antillen, von der schon oben bei Gelegenheit der Sub- tentacula die Rede war (pag. 52). b. Elytren den Mittelrücken bedeckend: b!. Elytren nicht gefranzt: Lepidonotus striatus Kbg. Port Jackson, L. Johnston Kbg. Panama, L. Wahlbergi Kbg. Port Natal, P. fusicirra Schmd. Ceylon (in der Be- schreibung ist zum wenigsten nicht erwähnt, dass Franzen an den Elytren vorkommen), P. Argus @f. Port Western, P. impatiens Sav. Suez, (an deren Rüsselrande Savig»y in jeder Reihe 14 Papillen abbildet), P. glauca Peters Mossambique (dunkelblau, soll der vorigen sehr ähnlich sein, viel- leicht nur Vairetät derselben; nach meiner Beschreibung der Fühler von P. impatiens, scheint auch in diesen kein Unterschied von P. glauca aus- geprägt), P. quadricarinata Gr. Rothes Meer, P. cristata Gr. Philippinen, P. tumorifera Gr. Borneo. Wahrscheinlich gehört in diese Gruppe auch P. australis Schmd., von (Juatrefages in P. grisea umgetauft, Neusüdwales, bei der zwar 13 Elytren- paare aufgeführt werden, doch nur 27 Segmente. b?. Elytren gefranzt: Lepidonotns indicus Kbg. Bangkastrasse, L. Pomareae Kbg. Tahiti, P. brasiliensis Qf. Bahia, P. tomentosa Gr. Örsd. Puntarenas, Aphrodite armadillo Bose. (bei Qf. Polynoe dasypus) Charleston, (besitzt nach .dem Zusatz von Leidy in Mar. Invertebr. Rhode Island gefranzte Elytren), P. dorsalis Qf. Marseille. Aphrodite sguamata L. (= P. squamata Sav. die getüpfelte Aphrodite Müll., A. punctata Müll.) Island, Finnmarken, Nordsee, England, West- küsten Frankreichs, Grand Manan (Stimpson). Lepidonotus coeruleus Kbg., Rio Janeiro, L. Savigny Gr. Kr., Callao, P. contaminata Gr. Cap York, L. Jacksoni Kbg. Port Jackson (die Bauch- 62 Jahres - Bericht borsten sind unterhalb der einfachen Spitze mit auffallend wenigen Zähnen gesägt, L. socialis Kbg. Bimeo, L. havaicus Kbg. Oahu, L. margaritaceus Kbg. Guajaquil,. P. (L.) carinulata Gr., Rothes Meer, P. polychroma Schmd. Neuseeland. Wahrscheinlich gehört in diese Gruppe b. b?. auch P. Antillarum Schmd. Jamaica, deren Fühler und Cirren man nicht kennt, die aber 27 Segmente und 12 Paar wenig gefranzte Elytren besitzt. Polynoe eristata Gr. und P. tumorifera Gr. zeichnen sich, wie schon oben erwähnt, in hohem Grade durch die Lappen- oder Wulstbildung der Rückenfläche der bei der erstgenannten schwarz und weiss, bei der an- (lern braungefärbten und hier mit mikroskopischen dreizackigen Dörnchen und Stachelehen besetzten Elytren aus. Die Bauchborsten sind wie ge- wöhnlich an den Rändern mit borstenförmigen Zähnchen bewaffnet, die Endspitze bei jener Art zweizähnig, bei dieser ebenso oder einfach. P. contaminata Gr. hat gestreckte, oval-viereckige hellbraune, mit mikroskopischen und grössern stumpfeonischen oder eylindrischen Wärz- chen und woikigen schwärzlichen. Flecken bedeckte Elytren, Rückeneirren mit sehr hohem starken Basalgliede, einen eisengrauen Kopflappen und röthlichgelbe die Fühler überragende Unterfühler. B. Körper verlängert: 18 (17) bis 21 Paar Elytreu. In dieser Gruppe giebt es dreierlei Gesetze in dem Auftreten der Elytren hinter dem 12. Paar: nach dem einen erscheinen sie auf dem 25., 27., 28., 30., 31. (und 32. oder noch weiter) 33., 34., 36., 38., Al. Segment, nach dem andern Gesetz auf dem 26., 29., 32. u. s. f. nach den dritten auf dem 25., 27., 29. und den übrigen unpaaren Elytren. Vielleicht würden die betreffenden Arten nach diesen 3 Gesetzen am rich- tigsten zu gruppiren sein, wir wissen aber nicht von allen, wie sie sich "in Beziehung hierauf verhalten, können also für jetzt darnach nur folgende zusammenstellen. Re - a. Elytren auf Segment 2, 4, 5, 7 ete. 23, 25, 27, 28, 30, 31, 33 oder wenn mehr als 18 Paare vorkommen, auf Segment 31, 34, 36, 38, 41. al. 18 Paare Elytren, 37 Segmente: Elytren nicht gefranzt: Polynoe Mülleri Gr. Kr., Valparaiso, wahr- scheinlich auch P. marginata Gr. Kr., Callao, P. elavata Gr. Örsd., An- tillen (von welchen beiden Arten ich in meinen Notizen die Stellung der Elytren nicht besonders angegeben finde). P. fusco marmorala Gr., Peru, Halosydna patagonica Kbg., Patagonien, P. samoensis Gr., Samoa-Inseln. Elytren kurz gefranzt: Halosydna brevisetosa Kbg., Californien, H. parva Kbg., Callao, H. Virgini Kbg., Honolulu; vermuthlich gehören hierher auch: Polynoe chiliensis Qf., St. Carlo, (schwerlich identisch mit P. chi- lensis Gay, Chili) und P. Pissisi Qf. Brasilien. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 63 a?. 19 Paar Elytren. Halosydna elegans Kbg., (von Quatrefages in Polyno& jucunda um- getauft, da es schon eine Polyno& elegans Gr. giebt), Galopagos. a®. 21 Paar Elytren, 45 Segmente. Halosydna australis Kbg. von der La Plata-Mündung, H. brasiliensis Kbg. (von Quatrefages umgetauft in Polynoe janeirensis, da (Juatrefages selbst eine P. brasiliensis — einen Lepidonotus d. S. Kbg. — aufgestellt hat; billigerweise hätte diese zweite Polyno&, da sie später publiecirt ist, einen andern Namen bekommen müssen), ferner auch P. punctulata Gr. Kr. Rio Janeiro. b. Elytren auf Segment 2, 4, 5, 7 ete. 23, 26, 29, 32, 35, 38, 39; oder 358, 41; 43 oder 44 Segmente. ‚Polynoe gelatinosa Sav. (= Alentia gelatinosa Mgn.), Norwegen, Bo- huslän, P. foliosa Sav. von der Küste des atlantischen Oceans, P. fusca Gr. Fr. Müll., Brasilien. Vielleicht gehört in diese Reihe auch P. asper- rima Sav. (= Dasylepis asperrima Mgn.) Norwegen, Schottland (die Ver- theilung der Elytren finde ich weder bei Sav. noch bei Malmgren an- gegeben) und Halosydna Jeffreysii Lanekst. Linn. Transaet. XXV. 1. e. Endlich besitzen auch Lepidonotus insignis Baird und L. Grubü Baird, beide von Vancouver Island, 18 Paar Elytren und wie es scheint unge- franzte Elytren, da aber die Zahl der Segmente oder Ruderpaare nicht genannt ist, kann man nicht wissen, ob sie in die Gruppe a. oder b. ge- hören, vielleicht stehen beide wegen ihres nördlichen Vorkommens der Alentia gelatinosa nahe. c. Elytren auf Segment 2, 4, 5, 7 und den übrigen unpaaren. Ich kenne nur eine Polyno& von dieser Beschaffenheit, die nur in einem nieht ganz vollständigen Exemplar mit 34 Segmenten und 17 Paar Elytren von Semper auf den Philippinen gefundene P. fulvovittata Gr., deren glatte und glattrandige weisse Elytreu 3 oekergelbe Längsstreifen tragen, der unpaare Fühler, von etwa dreifacher Länge des Kopflappens, ragt mit den Unterfühlern und Fühlereirren gleich weit und etwas weiter als die paarigen Fühler vor. Es scheinen nur wenige Segmente zu fehlen. Von den ersterwähnten neuen Arten hat P. fuscomarmorata einen blassgelb und schwarz querbandirten Rücken und gelb- und schwarz- wolkig gefleckte schwarzgesäumte glatie Elytren, P. samoensis eisengraue weiss getüpfelte, dunkelgesäumte glatte mit mikroskopischen, an manchen Stellen fadenförmig verlängerten Papillchen besetzte, ebenfalls glattrandige Elytren. Bei P. fusca sind die Elytren fast glatt aussen gefranzt, grau, mit schwärz- lichen verwisenten Fleckehen oder rothbraun, der Rücken ist sehwärz- lieh mit linearen weissen Querstreifen, der unpaare Fühler etwas kürzer als die paarigen, viel kürzer als die Fühlereirren und Unterfühler. Alle v4 Jahres-Bericht diese Organe wie die Rückeneirren tragen unterhalb der Spitze einen schwärzlichen Ring. Fr. Müller fand 21 Elytren, die letzten auf Seg- menten 25, 27, 28, 30, 31, 34, 36, 38, 41. Vermuthlich ist auch P, longieirra Schmd. von Ceylon mit nur 17 Elytrenpaaren und 40 Seg- menten in diese Abtheilung B. und zwar, da die Elytren mit den Rückeneirren gleichmässig abzuwechseln scheinen neben P. fulvovittata zu stellen. P. leucohyba Schmd. dagegen mit ebenfalls 17 Elytrenpaaren von Jamaica hat nieht die gestreckte, sonderu eine breite, ovale Körpergestalt mit weit übergreifenden Elytren, dürfte sich vielleicht eher den Lepido- notus Kbg. anschliessen. Endlich scheint auch P. Urvillü Qf. mit 22 Elytrenpaaren, die sich auf 42 bis 43 Segmente vertheilen, und glatten Subtentacula und Rücken- eirren in diese Abtheilung B. zu passen; sie besitzt Rückenborsten, welche tief quergefurcht, lang und stark, und etwas stärker als die Bauchborsten sind, was bei den übrigen aufgezählfen Arten nicht vorkommt. C. Körper wurmförmig verlängert; 27 bis 33 Paare sehr kleiner den Mittelrücken nicht deckender Elytren (Lepidasthenia Mgn.). Polynoe elegans Gr. Adriatisches und Mittelmeer, P. nigrovittata Gr. Kr. Rio Janeiro. Hierher scheint auch P. Blainvilli Aud. & Edw. (P. scolopendrina Blv.). Diet. des science. nat. Vers pl. 10 F. 2 zu gehören. 2. Polyno&@n der zweiten Reihe. A. Die Elytren bedecken den Rücken bis ans Ende des Körpers. A.“ Leib länglich, nicht über 16 Elytrenpaare. a. mit 15 Elytrenpaaren. Dahin gehört die bei weitem grösste Zahl der Polynoen, welche Malmgren in eine ansehnliehe Reihe von Gattungen vertheilt hat. a!. Die Endspitze der Bauchborsten ist einfach. Die Bauchborsten sind dicker als die Rückenborsten (Nychia Mgn.) : P. cirrosa Pall., (N. eirrosa Mgn. = P. assimilis Örsd., P. seubriuscula Sars) aretische Meere, bis Bohuslän, England, N. Amondseni Mgn. Grön- land, P. globifera Sars, Storeggen, Lofolen. Die Bauchborsten sind dünner als die Rückenborsten (Euno@ Mgn.): E. Oerstedi Mgn.) (= Lepidonote scabra Örsd.), arctische Meere, Grand Manan, P. nodosa Sav. (E. nodosa Mgn., Lepidonotus pharitratus Johnst.), aretische Meere bis Bohuslän, der Abbildung nach gehört hierher auch P. macrolepidota Schmd. Auckland. Die Bauchborsten sind viel dünner als die Rückenborsten und einige bei manchen Arten mit borstenförmig verlängerter Spitze (Antinoe Kbg. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 65 Mgn.): A. Sarsii Mon. arctische Meere, Ostsee, A. finnmarchica Mgn. Finn- marken, A. Wahlbergi Kbg. Port Jackson; hierher stellt Clapar6&de noch 2 Arten des Mittelmeers: P. reticulata Clap. und P. vasculosa Clap. a2. Die Endspitze der Bauchborsten ist zweizähnig oder zweizackig. a. Die Bauchborsten sind etwas dünner als die Rückenborsten. und unter der Endspitze steht nur ein kurzes Zähnchen (Harmothoe Kbg. Mon.): Polyno& imbricata, (H. imbricata Mgn.) = Polynoe eirrata Müll. arctische Meere bis England, Dänemark, Frankreich, P. spinifera Ehl., Mittelmeer, von Ehlers zu Antino&, von Malmgren zu Harmotho& gerechnet: ich ver- mag sie von P. imbricata nicht zu unterscheiden, oder es kommt P. spi- nifera ebensowohl im Mittelmeer als an der französischen Canalküste vor und die echte P.' imbricata ist mir unbekannt, obwohl ich unter diesem Namen ‘grönländische Exemplare von Professor Örsted erhalten; die beiden Stirnspitzchen treten bald mehr bald weniger deutlich hervor, an den Exemplaren des Mittelmeeres habe ich niemals Randfranzen bemerkt. Zu derselben Art wäre vielleicht auch Antinoe zetlandica Lankester 1. e von den Shletlandsinseln zu ziehen und Harmotho& Malmgreni Lank. 1. e. von der Insel Herm (Canalinseln). Ferner gehören in diese Gruppe a’: mit glattrandigen Elytren: Po- Iynoe laevigata Clap. Neapel, P. tenuisetis, Gr. Kr., Rio Janeiro, P. exanthema Gr. Kr., Valparaiso, Harmothoe spinosa Bon een Antinee Wahlü Kbg., Port Jackson. Mit gefranzten Elytren: P. setosissima Sav. (der Quatrefages als Synonym P. longisetis Gr. beifügt, obwohl letztere durchaus nicht gefranzte Elytren besitzt) Island, französische Westküste. P. areolata Gr. — Antino@ nobilis, Lankester, Mittelmeer, Canal, Insel Herm. Lankester hält auch Lepidonotus semisculptus Jonhst. für keine andere Art. P. erucis Gr. Örsd., Antillen, P. pallidula Gr., Müll., Brasilien, -P. grisea Ehrbg. Gr., Rothes Meer, P. uscie Ehrb. ei desgl. I le ist Auttallend durch zahlreiche Papillen an Fühlern, Rücken- und Baucheirren und lange Franzen an den fast kreisrunden nur mit mikro- skopischen Papillen bedeckten Elytren, so wie gleich dünne und zahlreiche Borsten in beiden Bündeln, im oberen an 50. ß. Die Bauchborsten sind dünner als die Rückenborsten und ihre End- spitze in zwei fast parallele Zacken gespalten (Parmenis Mgn.): P. Lyung- manni Mgn., Bohuslän, vielleicht auch P. lobocephala Schmd., Jamaica. a®. Die Bauchborsten haben eine einfäche oder un- deutlich zweizähnige Spitze, Elytren glatt- randig (Laenilla Mgn.). - Z. glabra Mgn., Bohuslän, C©. alba Mgn. (? Polyno& laevis Aud. & Edw. Rthke., Danielss.) Finnmarken, ?P. mollis Sars. hierher vielleicht auch P. hosiomne Schmd. St. Malo. 66 Jahres-Bericht at. Von den Bauchborsten haben einige eine ein- fache, andere eine gespaltene oder zweizähnige - Endspitze. Mit feiner enggespaltener Endspitze und einem in kleinere Gruppen getheilten Bündel der Bauchborsten (Eueranta Mgn.): E. villosa Mypn., Bohuslän. Mit feiner zweizähniger Endspitze (Evarne Mgn.): P. impar Johnst. (Evarne impar Mgn.: zu Evarne stellt Claparede auch seine P. lunulata (= P. tesselata Costa nach Clap.). Ausser Borsten mit sehr verlängerter borstenförmiger einfacher End- spitze auch solche, die gablig in eine starke zweizackige auslaufen; (Melaenis Mgn.), M. Loveni Mgn. Spitzbergen. In diese Gruppe a* müsste auch P. ienax Gr. von der Bai de Castries gehören, obwohl sie in keine der ebengenannten 3 Malmgren- schen Gattungen passt. P. tenas hat sehr festhaltende sandfarbene, fein schwarz getüpfelte, leicht irisirende ovale oder fast kreisrunde Elyiren, deren Fläche nahe dem Rande mit ganz winzigen weichen kurzgriffelförmigen und am Rande selbst mit etwas grösseren, keulenförmigen Papillen besetzt, die man allenfalls Franzen nennen könnte. 15 Paar Elytren werden von Quatrefages auch bei P. tentaculata Val. von Palermo und P. Heudeloti Val. vom Senegal angegeben, letztere Art hat untere Borsten mit zweizähniger Endspitze, ohne dass das Verhältniss ihrer Stärke gegenüber den oberen genauer angegeben wäre, von der ersteren Art ist die Form noch weniger beschrieben. Ausser diesen Polyno@en mit 15 Paar Elytren giebt es noch einige mit 12, 13, 14 und 16 Elytren, welche den vorigen verwandt scheinen, von der Begrenzung der MalmgrenSchen Gattungen aber insofern aus- geschlossen sind als er die mit weniger als 15 Elytrenpaaren für noch nicht ausgewachsene Exemplare hält. .b. Mit 12 Elytrenpaaren: (wahrscheinlich wenigstens, da Kinberg seiner Gattung Antinoe 12—15 Elytrenpaare zuweist, ausser der hier fol- genden Art aber keine mit 12 Elytrenpaaren anführt; ausdrücklich ist die Zahl für diese Art von ihm nicht angegeben). Antino& aequiseta Kbg., Port Natal. c. Mit 13 Elytrenpaaren: Antinoe pulchella Kbg. an der La, Plata Münduog. Hierher könnte ferner, da auf die grosse Aehnlichkeit mit Iphione muri- cata hingewiesen, und die Zahl der Segmente auf 29 angegeben ist, P. peronea Schmd. von Ceylon gehören; genannt ist die Zahl der Elytren nicht; die Rückenborsten sind viel dünner als die Bauchborsten. der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 67 d. Mit 14 Elytrenpaaren: Antinoe microps Kbg., Rio Janeiro, mit sehr abweichender Abwechs- lung der Elytren und Riückeneirren, da letztere am 24., 25., 27., 28., 30., 31., 33. und allen 8 folgenden Segmenten vorkommen sollen; Hier- nach hat es den Anschein, als ob diese Art der Gruppe Hermadion sich eher anschliesst. Fühler, Fühlereirren und Rückeneirren sind mit Papillen besetzt. Polyno@ violacea. Schmd. hat glatte Fühler und Cirren, könnte der Form der Borsten nach eine Nychia oder Euno& sein. Polyno& opisthoglene Gr., von Desterro in Brasilien, mit 38 Segmenten und glatten Rückeneirren und Fühlern, eigenthümlich dadurch, dass die paarigen Fühler zwar nicht aus dem Stirnrande selbst hervorgehen, gegen den sie deutlich abgesetzt sind, aber doch entschieden neben dem un- paaren entspringen und etwa ebensoweit als die Unterfühler vorragen. Der Stirnrand läuft nicht in 2 Spitzchen aus. Die Elytren sind gerundet, nicht gefranzt, am Rande mit winzigen kurzen, auf der Fläche mit ansehn- licheren weichen Papillchen und ausserdem mit 1 oder 2 viel längeren sich theilenden oder mit Nebenfädchen besetzten versehen, die Borsten zart, die oberen beiderseits mit spärlichen weitläufigen Zähnchen versehen, die unteren mit einer ein wenig gesägten durch einen grösseren Zahn ab- gesetzten, am Ende einfachen Spitze, die Rückeneirren unter der Endspitze leicht angeschwollen und mit einem dunkeln Ringe umgeben. Das vor- dere Augenpaar ist weit nach hinten gerückt. e. Mit 16 Elytrenpaaren. Polynoe nivea Sars. (Leucia nivea Mgn.) Norwegen, P. polytricha Schmd. Jamaica, P. torquata Clap. Neapel (hier stehen die letzten Elytren auf Segment 23, 25, 28, 31. 34.) A.“* Leib wurmförmig, über 25 Elytrenpaare. Polynoe tuta Gr. Siteha, von auffallender ungleicher Grösse der Elytren, die bald sich kreuzen, bald die Mittellinie des Rückens lange nicht er- reichen, mit 39 Elytrenpaaren, P. astericola d. Ch. = P. malleata Gr. dgl., Adria, Mittelmeer. Hierher gehört vielleicht auch Lepidonotus Lordi Baird. Esquimalt Harbour mit 35 Elytrenpaaren, welche nur ganz vorn den Mittelrücken bedecken. B. DieElytren bedeeken den grössten TheildesLeibes, aber nicht die hinteren Segmente. Der Leib ist etwas gestreckt. (Nemidia Mgn., Hermadion Kbg., Lagisca Mgn.) a. Mittelrücken frei. al. Mit 15 Paar Elytren. Nemidia Torelli Mgn., Spitzbergen. 68 Jahres- Bericht Hermadion Magalhaensis Kbg., Maghalaens-Strasse, H. longieirris Kbg., Maghalaens-Strasse, ? H. hyalinus M. Sars. Norwegen, das Exemplar war unvollständig, die Elytren, deren Zahl nicht bekannt, lassen nur vorn den Mittelrücken frei. a2. Mit 14 Paar Elytren. Polyno& pellucida Ehl. (— Hermadion fragile Clap., H. pellueidum Marz.) Adria, Mittelmeer. a°. Mit 17 Paar Elytren. Polynoe longieirra Schmd. Ceylon, der Abbildung nach bleiben nur sehr wenige Segmente von den Elytren unbedeckt. b. Mittelrüeken bedeekt. 15 Paar Elytren. Lagisca rarispina Mgn., Spitzbergen, Grönland, Finnmarken, L. pro- pingua , Mgn. Bohuslän, Polynoe extenuata Gr. (Lagisca extenuata Marz.) Adria, ‚Mittelmeer, Polynoe longisetis Gr. (nicht synonym mit Lagisca ex- tenuata Marz. und P. setosissima @fJ), Adria, Lepidonotus Leachii Qf., dumetosus Qf., beide von St. Vaast. C. Die Elytren bedecken nur den vorderen kürzeren Theil des Rückens, die Mehrzahl der Segmente bleibt frei. Der Körper ist wurmförmig. (Polyno& s. str. Örsd., Kbg. Msn.) Enipo Kinbergi Mgn., Christianiafjord, Bohuslän, mit glatten Fühlern und sehr schmal lanzettförmiger sehr fein ausgezogener SRG mit zahl- reichen Zähnchen. Andere haben eine kurz lanzettförmige, wenige Zähne tragende, am Ende emporgekrümmter Spitze: Polynoe antarctica Kbg. Maghalaens-Strasse, P. scolopendrina Sav. Französische Westküste, England, Adria. Maren- zeller unterscheidet 3 nahe verwandte Arten: P. crassipalpa Marz., P. sco- lopendrina Sav., Aud. & Edw. und P. Johnstoni Mrz. (= P. scolopendrina Johnst., Sars, Men., theils nach der relativen Länge der Fühler, Unter- fühler und Fühlereirren, theils nach der Färbung und An- oder Ab- wesenheit von 3 Rückenhöckerchen. Die seitlichen derselben, welche die Ansätze nicht ausgebildeter Elytren sind, fehlen wohl bei keiner Po- lyno& und sind mehr oder minder auch durch die Färbung markirt, der mittlere ist bisweilen sehr niedrig, zumal bei jungen Exemplaren, auch dann weniger auffallend, wenn er nicht schwarz eingefasst ist, und ich kann nicht zweifeln, dass ihn auch Audouin und Milne Edwards gesehen haben, indem sie sagen „le dos s’eleve presque en carene sur la ligne mediane‘, die seitlichen haben sie ausdrücklich als tubereules branchiaux angegeben. Die Länge der Fühler, Unterfühler und Fühlereirren kann varjiren, und die schwarze Bauchfärbung vorhanden ‚sein oder fehlen. An einer Reihe Exemplare von St. Vaast habe ich alle diese Charaktere in den verschiedensten Uebergängen gefunden. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 69 An diese Gruppe der Polyoninen würde sich nun anschliessen die Gattung Hemilepidia Schmd. vergl. das oben p. 50 darüber angeführte, A. erythrotaenia Schmd. Cap, mit einfachem Ende der Spitze (in der Cha- rakteristik der Gattung ist dasselbe zweizähnig angegeben). Gastrolepidia Schmd. Schmarda Neue Turbellarien, Rotatorien und Anneliden II. p. 158. Ich kann mich noch nicht entscheiden, ob Gastrolepidia, von der man bisher nur eine Art kannte, G@. clavigera, als Gattung beibehalten werden kann oder besser als Untergattung der Gattung Polyno& unter- geordnet wird. Der Unterschied von Polyno& besteht nach Schmarda in der Anwesenheit einer Bauchlamelle an beiden Seitenrändern der Seg- mente. Diese Lamelle, welche bei G. clavigera so gross ist, dass sie über die nächstfolgende greift, entspricht vielleicht doch nur der sehr viel kleineren, welche ich an derselben Stelle, nämlich am Bauchrande, wo das Ruder abgeht, bei einer echten Polyno&, P. Boholensis Gr. entdeckt, wäre dann also nichts neu hinzukommendes. Einem Elytron des Rückens kann ich sie nicht vergleichen, da ihr Bau ein ganz anderer ist, vielmehr auf den der blattartigen Cirren der Phyllodocen hinweist, vor allen kein Hohlraum im Innern vorhanden ist. Der Ansatz der paarigen vom Stirn- rande entschieden abgesetzten und tiefer stehenden Fühler stimmt mit den Polynoen der 2. Reihe überein, ebenso die Form der Bauchborsten, von denen man zweierlei unterscheidet: obere mit allmählich und lang ausgezogener und untere mit kurzer lanzettförmiger, beide mit gesägter, einfach endender Spitze, nur die unteren Bauchborsten sind so breit als die Rückenborsten, die oberen viel dünner. Die Elytren hinter dem 23. 6) Segment erscheinen auf jedem 3. Segmente. G. clavigera Schmd., mit herzförmigen Bauchlamellen, Ceylon. G. amblyphyllus Gr. von Professor Semper auch auf den Philippinen entdeckt, mit nicht spitz auslaufenden, sondern stumpf und breit ge- rundeten Lamellen, in welcher Form doch wohl ein speeifischer Unter- schied zu liegen scheint, so ähnlich sonst Färbung, Fühler, Elytren und Borsten sind. Das untersuchte Exemplar, zerstückelt, hat nur 49 Segmente und 20 Elytren, während Schmarda 53 (oder eigentlich 54) Segmente und 24 Paar Elytren angiebt, am Rande des Rüssels in jeder Reihe 11 Papillen. Dieser letzteren Art gehören auch die Exemplare von Gastrolepidia an, welche Herr Godeffroy von den Samoainseln erhalten hat und die ich früher als blosse Varietät von G. clavigera betrachtet hatte. Der bei einem Weingeistexemplar ausgestreckte Rüssel war fast blutroth und oben wie unten mit 11 Randpapillen besetzt. 70 Jahres - Bericht IV. Acoötea. Diese Unterfamilie stimmt mit den Hermioneen in dem Besitz gestielter Augen, mit den Sigalioninen in der wurmförmigen Gestalt des Körpers, mit den Polynoinen darin überein, dass bloss einfache, nicht zusammen- gesetzte Borsten in den Rudern vorkommen. Segmente, welche bloss Elytren tragen, wechseln mit solehen, die allein Rückeneirren haben, bis an’s Ende des Körpers ab, allein das Gesetz, nach welchem dies geschieht, dass nemlich die Elytren mit Ausnahme des 1., 2. und 4. Segments auf allen unpaaren erscheinen, ist, ausser bei der oben erwähnten Polyno& _fulvovittata in keiner anderen Unterfamilie beobachtet, ebensowenig der Umstand, dass die mittlere Papille des oberen wie des unteren Rüssel- randes sich fühlerartig verlängert. Die Schneide der Kiefer ist wie bei Ipbione gezähnelt. Die beiden seitlichen Fühler entspringen unterhalb der stets ansehnlichlangen und mit einem grossen Auge versehenen Augen- stiele; kommt noch ein unpaarer Fühler hinzu, so sitzt er zwischen den Augenstielen auf der Oberseite .des Kopflappens, bei allen bekannten Thieren dieser Unterfamilie weit kürzer als die sehr spitz ausgezogenen Unterfühler. Dasselbe gilt von den Fühlereirren, deren Ruderchen bald Borsten trägt, bald nicht. Die Baucheirren des 2. Segments sind wie bei den Polyoninen verlängert, die Rückeneirren kurz, nicht griffelförmig, kaum oder wenig länger als ihr starkes Basalglied, die Baucheirren pfriemenförmig, Aftereirren bisher nicht beobachtet, doch waren die untersuchten Exemplare selten vollständig. Die Elytren sind weder ge- franzt, noch mit ausehnlicheren Papillen bedeckt und erreichen gewöhnlich nicht die mittlere Partie des Rückens.. Von den beiden ganz nahe an einander gerückten Borstenbündeln der Ruder ist das untere weit ansehn- Jieher als das obere, seine Borsten vertieal gestellt und bedeutend stärker als die des oberen und die Randzähnchen der Spitze oft graunenförmig verlängert (setae aristatae). Man kennt von dieser Unterfamilie erst wenige, meist den tropischen Meeren angehörende Thiere, eines und zwar mit das grösste im Mittel- meer; die 4 Gattunger, von denen Kinberg 2 aufgestellt, sind schon von diesem übersichtlich geordnet. a. Die Elytren überdecken die vorhergehenden, nicht wie gewöhn- lich die nachfolgenden. Das 1. Ruder mit den Fühlereirren trägt auch ein Borstenbündelchen. Acoetes Aud. & Edw. 3 Fühler. Die Segmente tragen nach innen vom ‚Rückeneirrus einige Zäpfchen (tubereules branchiaux Aud. & Edw.), welche den mit Elytren versehenen zu fehlen scheinen, an allen Rudern selbst kommen ein paar ähnliche kleinere vor. A. Pleei Aud. & Edw., aus dem Antillenmeer, ein sehr ansehnliches Thier (denn der allein erhaltene vordere Theil, aus 120 Segmenten be- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 71 stehend, mass schon an 5 Zoll) trägt Elytren, die den ganzen Rücken bedecken und bewohnt eine lederartige Röhre. A. lupina Stimps, Süd-Carolina, von Stimpson (Marine Invertebr., Grand Manan) bloss erwähnt als in allen wichtigen Charakteren mit A. Pleei übereinstimmend, aber mit kleineren Elytren, die den Mittelrücken frei lassen. Eupompe Kbg. 3 Fühler. Die vorderen und mittleren Elytren lassen den Mittelrücken frei, die hintern bedecken ihn, keine Zäpfehen neben dem Rückeneirrus. E. Grubei Kbg. Guayaquil, mit 93 Ian und etwa 185 Seg- menten ; auf dem Rücken nach aussen von dem Elytron stehen ein paar Papillen. E. aurorea Gr., im Museum Godeffroy, Fundort unbekannt von gelb- rother Farbe, nur ein Vorderstück, die Unterfühler nicht glatt wie bei der vorigen, sondern mit 3 Reihen langen linearen Papillen besetzt, und nicht so viel weiter als der unpaare Fühler vorragend, wie dort, die Elytren sind ebenfalls glattrandig aber nicht sowohl oval als nierenförmig und die zarteren Borsten gerade, mit nicht en linearen Spitzchen besetzt. b. Die vordersten Elytren überdeeken die rel die übrigen die nachfolgenden. Fühlereirren mtt einem Borstenbündel. Panthalis Kbg. 3 Fühler. Die vorderen Elytren sollen flach, die hinteren glockenförmig (campanulata) sein, bei den von mir untersuchten Exemplaren einer Panthalisart der en finde ich aber alle Elytren blattförmig. P. Örstedi Kbg., Westküste Schwedens und Norwegens, P. gracilis Kbg. bei Rio Janeiro, bei jener bildet Kinberg in jeder der beiden Reihen 17, in dieser 13 Rissälpapilien ab. P. melanonotus Gr., Philippinen, mit dunkelfarbigem, an den Man! geistexemplaren braunem oder schmutzigolivengrünen, vorn leicht violet- schillerndem Rürken und Elytren, welche eine mikroskopisch netzförmig gezeichnete Oberfläche und einen glatten Rand zeigen, zwischen dem Rückeneirrus, der das Ruder kaum überragt, und dem oberen sehr win- zigen Borstenbündel eine verticale Lamelle, die nur als ein Lippenblatt des oberen Köchers zu deuten ist. Auf der Bauchseite der Segmente sieht man in der Regel neben dem Nervenstrange 2 schwarze Pünktchen- Bauchpapillen fehlen, in der Beschreibung der andern Arten finde ich sie auch nicht erwähnt. ce. Die Elytren überdecken weder die vorhergehenden noch die nach- folgenden. Polyodontes Renieri. Nur 2 Fühler, der Rücken nur an den Rändern von den Elytren bedeckt, an den Fühlereirren kein Borstenbündel ent- wickelt, 712 Jahres-Bericht P. masillosus Ren. (= Phyllodoce mazxillosa Ranz., Blv. Eumolpe maxima Oken), Mittelmeer, in jeder Reihe finde ich 19 Rüsselpapillen bei Renieri abgebildet, P. gulo Rüpp. Gr., Rothes Meer. V. Polylepidea Clap. Die Charakteristik ist schon in der Uebersicht der Unterfamilie der Aphroditeen gegeben. Die Polylepideen schliessen sich durch ihren wurm- förmigen Körper, die Ausbildung des oberen Borstenköchers und die Gegenwart zusammengesetzter (und einfacher) Borsten an die Sigalioninen, von .denen sie andererseits durch das Auftreten der Elytren an allen, der Kückeneirren oder Kiemen an den abwechselnden Segmenten abweichen, Augen sind nicht beobachtet, Claparede beschreibt bei Lepidopleurus kurze mit Cilien bekleidete Kiemengriffel. Nur 2 Gattungen mit je einer Art, bei beiden ist der Mittelrücken nicht von den Elytren bedeckt. Pelogenia Schmd. Rücken und Bauch mit Gruppen langer dünner - Papillen (pedes suctorii Schmd.) bedeckt. P. Antipodum Schmd., Neuseeland. Lepidopleurus Clap., ähnlich Pelogenia, aber ohne jene Papillen. L. inclusus Clap., Neapel. Das 1. Elytrenpaar ist kapuzenförmig, „weitheilig und bedeckt den Kopflappen und die Fühlereirren, der untere Ruderast an der Unterseite mit einer Reihe keulenförmiger Papillen besetzt, Ich kann nicht zweifeln, dass ich dieses Thier in einem von Clapa- r&de nachgelassenen mit vielen Anneliden aus Neapel gefüllten Glase wiedergefunden habe, überzeuge mich aber, dass bis zum 23. Segment Elytren und Kiemen abwechseln, was gegen den Charakter der ganzen Abtheilung wäre. In der Sitzung am 1. December sprach Herr Prof. Dr. Grube: über die systematische Stellung von Peripatus nach den neueren Untersuchungen und benutzte die Gelegenheit 2 gerade jetzt in seinen Händen befindliche Arten vorzulegen, auf deren eine mit 15 Fusspaaren die Beschreibung von Peripatus Leuckarti Näng. passt, sie kommt aus Neuseeland. Die andere scheint noch gar nicht beschrieben zu 1 sein, und mag in diesem Fall als Peripatus peruamus bezeichnet werden. Sie ist von Jelski in Peru entdeckt und ähnelt am meisten dem P. Edwardsi. Das vorliegende Exemplar 30,3 mm. lang und in der Mitte 4,5 mm breit, besitzt 29 Fuss- paare, von denen 28 mit Klauen versehen sind, während P. Edwardsi 31, selten 30 Fusspaare hat. Es ist nieht wie dieser von schmutzig rother, sondern von schwarzbrauner Färbung, mit schwärzlicher Furche längs der Mitte des Rückens und ganz mit punktförmigen weissen Wärzchen übersät, auf dem Bauch sieht man eine Längsreihe weisslicher Flecken. Die Füsse der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 73 sind halb so lang als die Bauchseite breit, und. die weibliche Genital- öffnung liegt wie bei P. Edwardsi zwischen den Füssen des vorletzten Paares. Am 15. December theilte derselbe Vortragende mit, dass er unter der Semperschen Annelidenausbeute von den Philippinen eine Serpula: Serpula chrysogyrus Gr. gefunden, die nach der Gestalt ihres Deckels zu urtheilen, obwohl dessen obere Hälfte nicht vollständig erhalten war, ‘sich der Gruppe der Ver- milien (Phil.) anschliesst, dadurch aber von allen Serpulen unterscheidet, dass an den Kiemenfäden sowohl Augen als Rückenanhänge vorkommen. Dies war bisher nur bei einigen Sabellen (den Dasychonen von Sars) beobachtet worden. Die Rückenanhänge sind griffelförmig, die Augen zeigen eine Zusammenhäufung von vielen Linsen und sind jederseits in der Zahl von 7 bis 8 vorhanden, die unteren stehen neben den Rücken- anhängen, die oberen allein, Die. Substanz des doppelconisch, angelegten Deckels, der vielleicht oben eine Oeffnung hat, ist ganz kalkig, um seine Mitte läuft ein breiter gelber Ring. Die Zahl der Kiemenfäden ist jeder- seits 25 bis 27. In derselben Sitzung legte Herr Prof. Dr. Grube: zwei Röhren von Minirspinnen und zwar von Cteniza orientalis Auss. aus Corfu und von Pachyglomerus nidulans Sello aus Jamaica vor, erstere mit, ihrem Verfertiger. Die Familie der Territelarien (Myga- !iden), zu welcher sie gehören, zejehnet sich von ihren anderen Ver- wandten dadurch aus, dass die Klaue ihrer Kieferfühler sich nieht wie bei diesen seitlich, sondern nach unten einschlägt; die bei weitem grösste Zahl besitzt 8 Augen aber nur 2 Paar Tracheenlungen und 2 Paar Spinn- warzen, deren obere sehr verlängert zu sein pflegen. Die grabenden haben sämmtlich 3 Klauen, und so viel man weiss, sind es nur die Weibchen, welche Röhren im Boden anlegen und dieselben mit Seide auskleiden, die Männchen schweifen frei umher. Als Werkzeuge, mit welchen die ersteren jene oft sehr langen und wurmförmig. gewundenen Gänge graben, dienen die Kieferfühler, welche am Ende des ersten Gliedes einen Rechen beweglicher Dornen tragen und die Dornen der Tarsen. Eine längere Röhre vollständig zu bekommen hält sehr schwer. Das interessanteste ist, dass die meisten Minirspinnen die Mündung ihrer Röhre mit, einem, beweglichen, wie eine Fallthüre nach aussen sich öffnenden Deckel versehen; er war bei beiden vollständig erhalten und bestand aus mehreren Lagen eines Seidengewebes, das aussen mit einer dicken festen Erdschicht bedeckt war, vermuthlich auch zwischen den Lagen Erdtheilchen enthält, doch war die Form des Deckels bei beiden verschieden. 14 Jahres - Bericht Bei Pachylomerus nidulans ist er auf der Unterseite fast ganz eben, und legt sich auf die diekwandige Mündung der Röhre wie eine einfache Klappe, bei Cteniza orientalis dagegen ist die Mündung scharf- und dünn- wandig, und der Deckel drückt sich wie ein flacher conisch geschnittener Kork hinein, in beiden Fällen ragt der Rand des Deckels nieht über den Umfang der Röhre hinaus. Unfern vom Eingang der Röhre sieht man bei Pachylomerus nidulans, das Lumen durch einen etwas schräg herablau- fenden Vorsprung der Auskleidung halb in zwei Kanäle getheilt, und es lässt sich nicht ermitteln, ob dies etwa zufällig oder absichtlich so ge- macht ist; eine zweite Fallthür, wie sie bei einigen Nemesien vorkommt, kann man dies nicht nennen. Die ganze Röhre ist nur 4V, Zoll lang und unverzweigt, von der Röhre von Oteniza war bloss das Endstück erhalten: der Deckel mass bei ersterer 1 Zoll, bei letzterer °/, Zoll im Durchmesser. Am 13. Januar sprach Herr Prof. Dr. Grube: über einige noch unbeschriebene Comatulen aus Nord-Borneo, nachdem er zuvor die gestielten Jugendzustände dieser Gattung, welche man anfänglich für Pentacrinen gehalten, an mehreren Exemplaren er- läutert hatte. Diese Exemplaren stammen von seinem Aufenthalt in Rosecoff, wo er dieselben durch die Gefälligkeit des Herrn Prof. Lacaze-Duthier erhalten hatte. Von den neuen Arten sind die 2 ersten echte Comatulen, die dritte eine Actinometra. i C. laevissima Gr., eine auffallend glatte Art mit 10 Armen und einem flacheonvexen Knopf, auf dessen Rande in 2 Kreisen 16 bis 17 Cirren mit 24 bis 26 Gliedern stehen. Von den sichtbaren hadialien ist das 2. (axillare) bei einem Exemplar meist mit einem etwas spitzen ‘Höcker versehen und meistens syzygial. Von den Armgliedern, deren Grenzen oben im Ziekzack laufen und die etwa eben so lang als breit aber höher als lang sind, bildet Glied 3, 8 (9), 14, 20 (21), 26 (27), 34 (55, 32), dann eine Zeitlang jedes 9. oder 10. ein Syzygium, vom 118. an werden die Syzygien viel seltener oder fehlen ganz, die Zahl der Glieder beträgt etwa 150, und die Armlänge 74 m. Die Pinnulae beginnen am 2. Armgliede mit einer sehr dünnen und kurzen, die übrigen sind viel dieker und länger, manche bis 10 m lang, aber öfters auch viel kürzer. Die Zahl ihrer Glieder, welche länglich sind, steigt bis auf 19. Ein Exemplar ist ganz fleischfarben, ein zweites an jedem Armgliede violett geringelt, das Peristom des letztern erhebt sich in 6 hohe stumpfe weichhäutige Buckel von der Länge des Afterrohrs, welche vor 6 an- einander stossenden Armen liegen. C. Mertensi Gr. mit 20 (19, 24) Armen, deren Glieder sich am ubo- ralen Rande etwas erheben oder sogar übergreifen. Der platte Knopf trägt am Rande einen Kreis von 13 (16) Cirren mit 11—13 Gliedern, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 75 deren Endglied unter dem Haken einen Zahn trägt, die vorhergehenden 3 mit einem spitzen Knötchen, so lang als breit wie die ersten 3, die übrigen länger als breit. 2 Radialia, das axillare mit Syzygium. Arme 1. Ordnung mit 3 Gliedern, das axillare mit Syzygium. Von den Armen 2. Ordnung fallen die Syzygien auf Glied 3, 10 (9), 14, 18, 22, 26, 30, 34, 38, 42 u. s. f. Die Glieder sind anfangs breiter als lang, werden aber allmählich bei abnehmender Dicke länger und ihre Zahl beträgt an einem etwa 75 mm langen Endarm gegen 100. Die Pinnulae haben etwa 16 Glieder, die J. sitzt am 2. Glied der Arme 1. Ordnung und ist länger als die nächsten, nach einiger Zeit nimmt die Länge der Pinnulae wieder zu. C. (Actinometra) borneensis Gr. 2 Radialia sichtbar, auf das axillare folgen 3 Glieder, deren letztes ein Syzygium, bis zur zweiten Theilung, und.an den so entstehenden 20 Endarmen fallen die Syzygien anf Glied 2, 12 (oder 13, 14), 17 (18), 23 (24), 29, 33, 38, 43, 47. Die Glieder sind etwas kürzer als breit und laufen nur anfangs im leichten Ziekzack, weiterhin parallel, ihr Endrand ist mit winzigen Spitzchen besetzt; die erste Pinnula am zweiten Gliede der ersten Theilung, die zweite am ersten Glied über dem Axillare, beide wie die nächsten 2 oder 3 über- treffen die folgenden merklich an Länge. Farbe dunkel; der Knopf ist flach gerundet, mitten vertieft, am Rande ein Kranz von 20 langen Cirren, mit 22 bis 28, vom 5. Gliede an länger als breit werdenden Gliedern, deren letzte 12 bis 18 Glieder 1 oder 2 Dörnchen an der concaven Seite tragen, das Endglied ist hakig. Das Peristom breitet sich bis zur zweiten Theilung der Arme aus, und das Interbrachialfeld, in welchem das (cen- trale) Afterrohr steht, ist mit winzigen Wärzchen besetzt, der Mund liegt mitten zwischen Rand und Centrum. Sehr vieles stimmt hier mit Müller’s Beschreibung von Actinometra multiradiata Retz. überein, doch besitzt diese zweimal getheilte, also 40 Arme, und die Zahl der Glieder zwischen den Syzygien, welche mit dem zweiten Gliede der Endarme beginnen, beträgt 7—14, doch sagt Müller nichts von den Dörnchen an den Cirren, In der allgemeinen Sitzung am 4. Febr. sprach Herr Prof. Dr. Göppert: über das frühere Project eine Akademie der Naturwissenschaften in Breslau zu begründen. Vor 16 Jahren war Breslau nahe daran, zum Sitze einer Akademie der Naturwissenschaften erwählt zu werden. Die Angelegenheit wurde damals vertraulich behandelt. Wenige wissen davon. Jedoch haben die Umstände sich so verändert, dass von Verletzung einer Diseretion nicht 76 Jahres- Bericht mehr die Rede sein kann. Es erscheint im Gegentheil vielleicht wün- sehenswerth, an den Plan zu erinnern, um die Idee fest zu halten und künftig das auszuführen, was damals durch Ungunst der Umstände ver- hindert ‘ward. Der Präsident der Leopold. Carolin. Akademie, Professor Dr. Nees von Esenbeck, ein höchst bedeutender Gelehrter, starb am 14, März 1858. Durch ihn war die fast gänzlich in Verfall gerathene Aka- demie bei seiner Berufung von Erlangen nach Bonn 1817 mit übergeführt und auf höchst verdienstliche Weise von ihm zu erneuter Thätigkeit und werthvollen Leistungen veranlasst worden, wobei er sich der wesentlichsten . Unterstützungen unseres Ministeriums zu erfreuen hatte. Der berühmte Gründer des Rufes der preussischen Universitäten, B. v. Altenstein, stand damals an der Spitze desselben; jedoch auch seine Nachfolger; Eichhorn, Ladenberg und namentlich auch v. Raumer hatten nicht auf- gehört durch bedeutende Beiträge dieses insbesondere für Entwiekelung der Naturwissenschaften höchst einflussreiche Institut wesentlich zu fördern, unbeirrt von den heftigen Angriffen, denen sie oft ausgesetzt waren. Das Ministerium Raumer hatte in Angelegenheiten der Akademie stets correct gehandelt, die Interessen derselben vertreten, konnte sich also stets vertheidigen, zog es aber vor zu schweigen. Est später als die Angriffe einen immer feindseligeren Charakter annahmen, beschloss es, ihnen entgegenzutreten, aber nicht auf gewöhnlichem, sondern auf ganz ungewöhnlichem indirectem Wege, wie aus dem folgenden an mich ge- richteten Schreiben vom 19. April 1858 erhellt: | „Ew. H. eröffne ich auf Ihre unter dem 4. d. Mts. an den Herrn Universitäts-Curator, Wirklichen Geheimen Rath und Oberpräsidenten Freiherrn von Schleinitz, gerichtete Eingabe, die kaiserlich königliche Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher betreffend,*) vertraulich Folgendes: Die Untersützung, welche der Akademie zur Herausgabe ihrer Acta bisher aus diesseitigen Fonds gewährt worden, ist zunächst an die Be- dingung geknüpft, dass die Akademie ihren Sitz innerhalb des preussischen Staates behalte. Soljte diese Bedingung infolge der nach den Statuten der Akademie zu vollziehenden Wahl ihres künftigen Prä- sidenten nicht länger erfüllt werden können, so beabsichtige ich Aller- höchsten Orts dahin anzutragen, dass die Summe von „Zwölfhundert Thalern‘, welche die Akademie seit fast 40 Jahren zu dem oben be- zeichneten Zwecke aus diesseitigen Staatsfonds jährlich bezogen hat, an die Akademie zwar nicht länger gezahlt, aber auch fernerhin zur Herausgabe naturwissenschaftlicher Abhandlungen von anerkanntem *) Diese Eingabe bezog sich auf einen Bericht über die sämmtlichen Ver- hältnisse der Akademie, deren Leitung mir nach dem Tode des Präsidenten Nees v. Esenbeck auf Anordnung des Curatoriums interimistisch übertragen worden war. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. rt Werthe ‚verwandt und zu dem Ende am Sitze einer diesseitigen Uni- versität ein freier wissenschaftlicher Verein gebildet werde, welcher in ähnlicher Weise wie die Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher seine Adjuneten und Mitglieder zu wählen, und dessen Präsident die Redaction und Herausgabe der zur Veröffentlichung für würdig erachteten Abhandlungen zu besorgen hätte. Aus örtlichen und persönlichen Gründen scheint mir die dortige Universität zur Bildung eines solchen Vereins und zum Sitze der Herausgabe seiner Acten wohl geeignet. Ew. H. veranlasse ich daher, den im Obigen angedeuteten Gedanken in reifliche Erwägung zu ziehen, über die näheren Be- stimmungen, welche behufs der Verwirklichung desselben zu treffen sein möchten, sich gutachtlich zu äusern, insbesondere aber sich zu er- klären, ob und unter welchen Bedingungen Sie geneigt sind, einen solehen Verein ins Leben zu rufen, und sich den Bemühungen zu unter- ziehen, welche namentlich mit der Redaction und Herausgabe seiner naturwissenschaftlichen Abhandlungen verknüpft sind. Berlin, den 19. April 1858. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medieinalangelegenheiten. v. Raumer.“ Ich eilte natürlich, diesem mir sehr erfreulichen Auftrage zu ent- sprechen, und reichte unter dem 5. Mai folgende Vorschläge oder viel- mehr Statuten ein: Entwurf der Statuten. 1) Es werde ein freier wissenschaftlicher Verein gebildet, der bezweckt, wissenschaftlich wichtige Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissen- schaften (Botanik, Mineralogie, einschliesslich Paläontologie, Zoologie, Chemie und Physik) zum Drucke zu befördern. Unter den Auspieien Sr. Majestät unseres allergnädigsten Königs und Herrn und durch Allerhöchste Huld mit den nöthigen Fonds versehen, erscheint der Name einer königlichen Gesellschaft der Wissenschaften wünschenswerth, ausgestattet mit dem Range, den die schon seit längerer Zeit in Berlin bestehende königliche Akademie der Wissenschaften besitzt. Motive: Der Titel Akademie könnte zu Verwechslungen führen, da es in Preussen mehrere wissenschaftliche Institute dieses Namens giebt, zwei in Berlin und noch eine dritte in Erfurt (Akademie der gemein- nützigen Wissenschaften), eine Stiftung alter Zeit. 2) Die Gesellschaft selbst bestehe aus einem Präsidenten und 10 wirklichen Mitgliedern, je 2 aus dem Bereiche der oben genannten 5 Zweige der Naturwissenschaften, welche dem Präsidenten in allen die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten zur Seite stehen, Sitz und Stimme haben. In zweifelhaften Fällen giebt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. “ 78 Jahres- Bericht Motive: Den Namen Adjunct, obsehon diese Mitglieder eben so fun- giren sollen, wie Adjuneten der kaiserlich Leopold. Carolin. Akademie der Naturforscher, schlage ich nicht vor, um jeden Schein der Nachahmung zu vermeiden; eine grössere Zahl ist für die nothwendige Einheit des Wirkens der Gesellschaft nicht wünschenswerth. 3) Den jedesmaligen auf Lebenszeit bestallten Präsidenten erwählt das Königliche Ministerium der geistlichen, Unterrichts--. und Medicinal- Angelegenheiten und bestätiget Se. Majestät. 4) Ausser jenen 10 wirklichen Mitgliedern, von denen wenigstens 6 . in Breslau sich befinden sollen, besteht die Gesellschaft aus Ehren-Mit- gliedern und correspondirenden Mitgliedern, für jedes der fünf oben be. nannten Fächer 6, also in Summa 30, deren Zahl nicht zu überschreiten ist, so dass Neuwahlen nur nach dem Abgange von Mitgliedern stattfinden dürfen. Die Zahl der Ehrenmitglieder sei zwar unbeschränkt, doch nie- mals zu weit auszudehnen, und überhaupt hierzu nur Männer von un- bestrittenem grossen literarischen Rufe und auch wesentlichen Verdiensten um die Gesellschaft zu wählen. 9) Die ersten 10 wirklichen Mitglieder hat der Präsident dem König- lichen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medieinalangelegen- heiten vorzuschlagen, welches dann, falls die Annahme erfolgt, die Be- stätigung bei Sr. Majestät nachsucht, wie dies bei der Königlichen Aka- demie der Wissenschaften in Berlin zu geschehen pflegt. Motive: Wesentlich trägt zur Erhöhung des Ansehens einer Ge- sellschaft Beschränkung der Zahl der Mitglieder bei, daher die begrenzte Zahl der eorrespondirenden Mitglieder. Anders verhält es sich mit den Ehrenmitgliedern. Bei zu enger Beschränkung ihrer Zahl kann die Ge- ‚sellschaft wirklich in den Fall kommen, bedeutende und anerkennens- werthe Verdienste unberücksichtigt lassen zu miissen. 6) In der Folge nimmt die Akademie die Wahl ihrer wirklichen Mitslieder selbst vor, wie auch die Wahl der obengenannten 30 corre- spondirenden Mitglieder durch die wirklichen Mitglieder und den Prä- sidenten der Gesellschaft erfolgt. Ein Theil der Correspondenten kaun sich auch in Breslau befinden. 7) Die Auswahl der von dem Vereine zu publicirenden Abhandlungen steht dem Präsidenten und den 10 wirklichen Mitgliedern zu. Bei gleicher Qualification haben Arbeiten der wirklichen und ceorrespondirenden Mit- glieder den Vorzug vor denen Anderer, die nicht der Gesellschaft an- gehören. In Betreff der Beschaffenheit der Publicationen ist nur zu er- wähnen, dass nur solche zu wählen sind, welche irgend eine der genannten Wissenschaften direet oder andere für sich zu fördern vermögen. Ab- handlungen von nur localem, provinziellem oder technischem Interesse oder sogenanntem populären Inhalte bleiben stets ausgeschlossen. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 79 Motive: Es kann nicht streng genug darauf gesehen werden, die hohe Bedeutung dieses Paragraphen genügend zu würdigen, weil nur bei seiner Berücksichtigung ein erfolgreiches Wirken zu erwarten ist, wovon das Ansehen der Gesellschaft wesentlich abhängt. 8) Die Redaction und Herausgabe der zur Veröffentlichung für würdig erachteten Abhandlungen besorgt der Präsident, der dabei die Hilfe und Unterstützung derjenigen wirklichen Mitglieder in Anspruch nehmen kann, in deren näheren Bereich die zu publieirende Arbeit gehört. 9) Die Gesellschaft sucht sieh durch Tausch ihrer Abhandlungen mit anderen gelehrten Vereinen ihrer Tendenzen in den Besitz ihrer Publi- cationen zu setzen. Motive: Es erscheint dies überaus nothwendisg im Interesse der eignen Arbeiten der Gesellschaft, da gegenwärtig ein überaus werthvolles und sonst nicht leicht zu erlangendes literarisches Material in solchen Ge- sellschaftsschriften allerwärts niedergelegt wird. 10) Die Gesellschaft verzichtet jedoch auf das Eigenthumsrecht anf diese wie auch auf alle anderen ihr als solche etwa durch Geschenke zu- kommenden Bücher und Schriften und überweist sie der hiesigen Königl. Universitäts-Bibliothek. Motive: Aus keinem anderen Grunde als um die ihr zu Gebote gestelllen Fonds nicht zu zersplittern, da die Anlegung einer eigenen Bibliothek, wie gar nicht erst erörtert zu werden braucht, bedeutende sieh alljährlich wiederholende Ausgaben für Local-Verwaltung, Gestelle, Binden u. s. w. verursacht. 11) Auch anderweitiges beweglches oder unbewegliches Eigenthum bedarf die Gesellschaft nicht, mit Ausnahme eines Schrankens zur Auf- bewahrung ihrer Correspondenzen und Manuscripte, der in der Wohnung des Präsidenten Platz zu finden hat. Portofreiheit für Briefe und Packete für 20 Pfund wünschenswerth, nothwendig noch kleine Summen für Schreib- material, Copialien und Ausgaben für ausländisches Porto, wenn ihr im Inlande Portofreiheit zu Theil würde, und unbedingt erforderlich ein Secretair zur Erleichterung der Geschäfte des Präsidenten, als einzige Forderung meinerseits. Der Secretair hätte sich auch der anderweitigen, die Versendungen der Schriften erforderlichen Arbeiten zu unterziehen. 12) Alljährlich an der Wiederkehr des Stiftungstages hält die Ge- sellschaft eine öffentliche Sitzung, in welcher der Präsident einen Bericht über innere und äussere Verhältnisse der Gesellschaft, sowie über ihre Kassenangelegenheiten . vorträgt und schliesslich die in Separatsitzungen vorher neugewählten Mitglieder publieirt. Ein wissenschaftlicher Vortrag ist damit zu verbinden, der vom Prä- sidenten oder von einem der Mitglieder zu halten ist. Zu anderweitigen, im Laufe des Jahres zu haltenden Vorträgen liegt keine Verpflichtung vor, 2 80 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. jedoch wird namentlich von wirkiehen Mitgliedern des Vereins erwartet, dass sie sich bestreben werden, ihre werthvollen wissenschaftlichen Arbeiten den Verhandlungen der Gesellschaft zur Publication zu übergeben. 13) Als Vertreter der Gesellschaft den Behörden gegenüber fungirt der Präsident, der auch die diesfallsige Correspondenz zu führen hat. Breslau, den 5. Mai. Göppert. Meine Vorschläge hatten sich sämmtlich des Beifalls des Königlichen Ministeriums zu erfreuen; jedoch ehe man noch zu den ersten Vorarbeiten zu ihrer Ausführung schreiten konnte, ward Prof. Dr. Kieser in Jena . im Grossherzogthum Weimar, in einem mit Preussen eng verbundenen und befreundeten Staate, zum Präsidenten der Akademie gewählt, worauf das Ministerium natürlich beschloss, das bisherige Verhältniss zu derselben beizubehalten und ihr die gewohnte Unterstützung zuzuweisen. Am 5. August desselben Jahres kam Minister von Raumer nach Breslau zum ersten und auch zum letzten Mal. Er bedauerte die unter 'obwaltenden Umständen nothwendig ganz unvermeidliche Aufgabe seines Projeetes, hoffte aber auf die Zukunft und wies bedeutungsvoll auf das hohe Alter des Präsidenten Kieser hin, der bereits das achtzigste Jahr überschritten habe. Jedoch im Rathe der Vorsehung war es anders be- schlossen. Sechs Wochen nach dieser Unterredung war Raumer nicht mehr Minister und nach neun Monaten nicht mehr unter den Lebenden. Kieser starb erst 1863. Bei Gelegenheit unseres Universitäts-Jubiläums im Jahre 1861 suchte ich die damaligen akademischen Behörden für die Wiederaufnahme des eben mitgetheilten Projectes zu interessiren, doch ging man zu meinem Bedauern nicht darauf ein, vielleicht nicht mit Unrecht, da damals wohl in der That zu seiner Realisation wenig Aussicht vorhanden war. Ich übergebe diese Mittheilungen der Zukunft mit dem Wunsche, dass sich Breslau eines solchen Institutes einst zu erfreuen haben möge, welches sich gewiss bald aus den engeren ihm anfänglich zugedachten Grenzen zu einer allgemeinen Akademie der Wissenschaft erweitert haben würde. II. Bericht über die Thätiskeit der botanisehen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1875, erstattet von Professor Dr. Ferdinand Cohn, zeitigem Secretair der Section. Die botanische Section hat im Jahre 1875 neun ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung gehalten. In der ersten Sitzung am 21. Januar hielt Herr Oberlehrer Dr. Stenzel einen Vortrag: über einen Ausflug nach dem Hessberge und der Moisdorfer Schlucht bei Jauer. Das lebhafte Interresse, welches die Auffindung des Scolopendrium vulgare, eines der schönsten und stattlichsten Farne der schlesischen Flora, in der Moisdorfer Schlucht durch Herrn Lehrer Scholz in Jauer bei allen Freunden der schlesischen Kryptogamen erweckt hatte, regte in mir den Wunsch an, dasselbe an Ort und Stelle aufzusuchen. Ich wollte mich durch den Augenschein überzeugen, ob nach den örtlichen Verhältnissen anzunehinen sei, dass der Farn hier ursprünglich wild wachse, oder ob irgend eine Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass derselbe von früher hier angepflanzten Stöcken abstamme. Um zugleich den basaltischen Hessberg kennen zu lernen, wendete ich mich am 6. Juni 1874 von Jauer über Peterwitz, in dessen Nähe Orchis Morio neben O. latifolia zahlreich am Rande eines Feldweges blühte, nach einem kleinen Stein- bruch am Fusse des Bergzuges östlich vom Hessberge selbst. Neben üppig aufgeschossenen zahlreichen, mit Knospen bedeckten Stengeln des Türkenbundes, Lilium Martagon stand in Menge Orchis sambucina mit gelben 6 RD) Jahres-Bericht wie mit trübrothen Blüthen. Im Gebüsch, durch welches ich dann bergan stieg, begleitete mich die schon längst von hier bekannte Cephalanthera ensifolia zerstrent bis auf den gegen 300 m. hohen Rücken des Zuges. Nicht weit vom Gipfel des Hessberges blühte Rubus saxatilis und Poly- gonatum anceps, überall Genista germanica. Auf dem basaltischen, gegen 430 m. hohen Gipfel schoss ein Trupp Potentilla recta kräftig in die Höhe, war aber noch weit von der Blüthe entfernt. An den Basaltfelsen wächst zahlreich Asplenium Trichomanes und Cwystopteris fragilis, sparsam das von Milde (Jahresbericht der Schles. Ges. 1859, $. 39) nicht angeführte Poly- . podium vulgare, dagegen habe ich das hier von ihm gefundene Asplenium septentrionale vergeblich gesucht. Etwas tiefer kommt Aspidium Filix-mas, auf dem ganzen Bergrücken zerstreut Asplenium Filx-femina und nament- lich in den tieferen Lagen bis etwa 300 m. Höhe Pieris aquilina in Menge vor. Von hier wanderte ich über Kolbnitz nach Moisdorf und gelangte, indem ich anfangs den Jakelsdorfer Grund hinaufging, dann aber rechts den steilen Bergabhang hinaufstieg, nach dem Elfensitz mit dem über- raschend schönen Blick in das zum Theil mit dunklen Tannen, zum Theil mit lichtem Laubholz bestandene Thal: die Moisdorfer Schlucht. Ver- geblich sah ich mich hier wie später an den Felsen um den Tilleborn nach Scolopendrium um. Ausser den schon von Milde angeführten Farnen hatte ich nur Asplenium septentrionale an den höheren Felsen hier und da gefunden, und da ich nicht mehr viel Zeit zu verlieren hatte, wenn ich noch rechtzeitig wieder in Jauer eintreffen wollte, so hatte ich schon die Hoffnung fast aufgegeben, den Farn in dem weiten, überraschend mannig- faltig gestalteten und verzweisten Grunde aufzufinden, als mein Auge auf die von einem steilen Felsenabhang herabhängenden, langen, dunkelgrünen, glänzenden Blätter fiel. Vom Grunde aus stehen die Stöcke des Scolopen- drium so hoch, dass aı der fast senkrechten Felswand nur die untersten mit Hilfe eines Baumzweiges nur eben zu erreichen waren. Ich nahm nur eine schwache, mit Mühe erlangte Pflanze mit, welche im nächsten Sommer einen prächtigen Busch neuer Blätter entwickelte und eben wieder — April 1876 — zum zweiten Male junge Blätter aufzurollen beginnt*). N *) Als diese Blätter zum Theil völlig ausgebildet, zum Theil noch in rascher Entwickelung begriffen waren, fingen sie an, sich an den Rändern auf und ab zu biegen, so dass viele zuletzt ein ganz wellig-krauses Aussehen bekamen. Zu spät wurde ich gewahr, dass auf der Unterseite sich eine winzige schwarze Fliege mit zwei sehr kurzen und schmalen Flügeln in grosser Zahl eingefunden hatte, deren Larven die Oberhaut unterhöhlten, indem sie offenbar von der unter der- selben liegenden Blattsubstanz lebten und dadurch das Verkrümmen der Blätter herbeiführten. Es wäre nicht unmöglich, dass die monströse Form Se. v. & crispum derselben Ursache ihre Entstehung verdankte. k der Schles, Gesellschaft f. vaterl. Cultur. .83 Dagegen lagen am Fusse des Felsens zahlreiche überwinterte und herunter gefallene Blätter auf dem Boden umher. Dieselben waren zum Theil freilich schon schadhaft und halb verwest, zum Theil aber noch gut erhalten. Der Grund des Blattstiels war vollständig ab- gestorben und halb vermodert, das Uebrige verhältnissmässig frisch und grün: eine sonderbare Erscheinung, welche ich im vorigen Sommer bei Ustron an den überwinterten Blättern alter Stöcke von Aspidium an- gulare ganz regelmässig gefunden habe. Die Blätter haben offenbar schon an den Boden hingestreckt unter dem Schnee überwintert; aber trotzdem, dass der Blattstiel am Grunde geknickt, hier oft völlig ausgefault, auch die übrig gebliebenen Aussenschichten ganz moderig-braun, und also offen- bar abgestorben ist, so zeigt das ganze übrige Blatt keine Spur von Ver- trocknung, sondern geht endlich aus dem frischen grünen Zustand in den der Vermoderung über. Es ist kaum zu bezweifeln, dass dasselbe Mo- nate lang, ohne Nahrung aus dem Stamme ziehen zu können, sich fast unverändert erhält. Aehnlich verhalten sich höchst wahrscheinlich auch die überwinterten Blätter von Aspidium Filix-mas, A. spinulosum, A. loba- tum und anderer Arten mit grossen Blättern, welche nur am Boden liegend durch die Schneedecke geschützt unsere Winterkälte ertragen, während bei kleinen Arten, welche der Schnee leicht ganz einhüllt, wie Asplenium Trichomanes, A. adulterinum, A. septentrionale und an geschützten Stellen A. viride, die Blätter in ihrer natürlichen Lage und ohne dass der Blatt- stiel geknickt würde, die kalte Jahreszeit überdauern. Jeder Gedanke an eine künstliche Anpflanzung unseres Farn ist bei der völligen Abgelegenheit und der ganzen Beschaffenheit des Standorts ausgeschlossen und auch an eine zufällige Aussaat ist bei der üppigen Entwickelung der Pflanze hier nicht zu denken. Ganz gewöhnlich sind Blätter mit 5—6 em. langem Stiele, 18—20—27 cm. langer und 4 cm., auch wohl 5 em. breiter Spreite, mit 38—42 Fruchthänfchen auf jeder Seite: die beiden zu Einem Streifen zusammenfliessenden Fruchthäufchen immer als Eins gerechnet. Unter den am Boden liegenden herunter ge- fallenen Blättern hatten mehrere bis 10 cm. lange Stiele, über 30 cm. lange und 6—7 cm. breite Spreiten; die beiden grössten unter diesen, welche ebenfalls der Seelion vorgelegt wurden, haben einen, das eine 13 cm., das andere 15 cm. langen Stiel, eine 35 cm. lange und bis 8 cm. breite Spreite mit jederseits 35—40 Fruchthäufchen, von denen viele 3 em., einige noch etwas darüber lang sind. Bleibt es auch zweifelhaft, ob diese, mit dem Blattstiel bis 50 em. langen Blätter die grössten bisher beobachteten an Länge übertreffen, da diese, bis 1'),' (= 47 em.) angegeben, vielleicht die Länge der Spreite selbst sein soll, so thun sie dies jedenfalls durch die Länge ihres Stieles, welchen Milde (die höheren Sporenpflanzen Deutschlands und der Schweiz 8. 18) nur bis 3° (= 8 cm.) angiebt, namentlich aber 6* 84 Jahres - Bericht in der Breite ihrer Spreite, welche Milde ebenda bis 1Y/,“, in den später erschienenen Filices Europae et Atlantidis p. 88 bis 2/,“ (= 6 cm.) angiebt, während unsere Blätter eine Breite von 3 (= 8 em.) erreichen, Dem entsprechend werden auch die von Milde am ersten Ort auf Y/,— /a, in den Filices Buropae et Atlantidis auch nur auf 1° (= 2,5 cm.) angegebenen Fruchthäufehen bei den grössten Moisdorfer Blättern über 11/,” (= 3 em.) lang. Ist dieses überaus kräftige Wachsthum ein gewiss unverwerfliches Zeugniss dafür, dass das Scolopendrium hier ursprünglich einheimisch ist, so ist dasselbe andererseits in hohem Grade auffallend. Der Hauptverbreitungsbezirk der Art liegt im südlichen und west- lichen Europa. Aus der südwestlichen Hälfte von Deutschland, namentlich vom Rhein und aus Westphalen, sind zahlreiche Standorte desselben be- kannt. Abgesehen von dem, wie es scheint, nicht ganz sichern Standort auf Rügen, springt der bei Moisdorf weit nach Nordosten vor. Schon in Mitteldeutschland, wie in Thüringen kommt die Pflanze kaum noch an ursprünglichem Standorte sondern in Brunnen vor, wie sie nach einer, an sich nicht unglaubwürdigen Nachricht in Caspar v. S chwenckfeit’s Ca- talogus stirpium et fossilium, 1601, am Probsthainer Spitzberg auch in Schlesien soll gefunden worden sein. Der nächste ursprüngliche Standort bei Neustadt an der Metau*), wohl auch auf dem dort verbreiteten Ur- thonschiefer, ist 12 Meilen südlich von Jauer, der auf der Babia Gora, ebenfalls nahe der schlesischen Grenze, 35 Meilen ostsüdöstlich — beides selbst schon die einzigen Fundorte des Farn im weiten Umkreis!**) Das am meisten nach Nordosten vorgeschobene Vorkommen bei Moisdorf, sollte man nun meinen, müsste schon unter ungünstigen klimatischen Be- dingungen stehen, da die Pflanze jenseits desselben nicht mehr fortkommen könne, und gerade hier gedeiht dieselbe in einer Ueppigkeit, wie vielleicht nirgends sonst. Mag der aus verwittertem Urthonschiefer gebildete schwarze, humusreiche Boden, welcher durch herabsickerndes Wasser stets feucht gehalten wird, mag die Lage am Nordabhang einer Felswand, *) Nach Milde, höhere Sporenpflanzen S. 19, in den später erschienen Filices Europae et Atlantidis p. 89 fehlt dieser Standort, statt dessen wird aus Böhmen: Ottendorf (Brückner 1812) angeführt. **) Herr Superintendent Pauli zu Nieder- Wiese bei Greiffenberg theilte mir mit, dass das im Queissthale im Schlosspark von Ober-Wiese bei Greiffenberg ge- fundene Scolopendrium officinale daselbst nicht ursprünglich wild, sondern vor einigen Jahren dahin gepflanzt worden sei. Ebenso der zugleich mit daselbst wachsende Helleborus viridis. Herr Pauli, der für die schlesische Flora mehrere interessante Pflanzen entdeckte wie Calamagrostis neglecta fl. Weiter, Littorella lacustris, Juncus Te- nageja Ehrh., hat auch in seiner Umgegend fast alle schlesische Farnkräuter ge- funden, unter ihnen auch die seltenen Polypodium calcareum, Asplenium germanicum u. m. a. Göppert. der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 35 wo die Blätter kaum je von einem heissen Sonnenstrahl getroffen werden, ihrem Gedeihen günstig sein, immerhin bleibt die besondere Ueppigkeit desselben eine schwer zu erklärende Erscheinung. Hierauf gab Herr Oberlehrer Dr. Stenzel unter Vorlesung der be- treffenden Pflanzen Nachträge zur Flora von Landeck. Asplenium germamicum, ein grosser Stock am Südende des Sattelberges, - über Olbersdorf, mit A. Trichomanes und A. septentrionale. A. Ruta-muraria, üppig wuchernd in den Mauerritzen z. B. am Georgen- bade; junge Pflanzen mit noch einfacher nierenförmiger oder 2—3- theiliger Spreite finden sich dort zahlreich, zuweilen schon mit Fruchthäufehen auf der Rückseite. An den Mauern der Ruine Karpenstein und in den Felsritzen dicht unter derselben ebenfalls häufig; wohl der höchste bisher in Schlesien beobachtete Standort (750 m.), da die bei Seitenberg und Niederlindewiese wohl kaum über 580 m. hinausgehen. Nur an den Quarklöchern, wo Milde den Farn aber später vergeblich gesucht hat, erreicht er nach Nees von Esenbeck das Hochgebirge. A. sepientrionale, in tieferen Lagen zerstreut, aber häufig, geht am Drei- ecker bis 780 m. H. A. Fihx-femina an den Felsen über dem Marchthale und selbst auf dem obersten Zipfel des Glätzer Schneeberges zahlreich und mit wohl entwickelten Fruchthäufchen bedeckt. Aspidium lobatum sparsam im Steingrund oberhalb des Dorfes Leuthen, zahlreich im Krebsgrunde. \ Phegopteris Robertiana in Mauerritzen der Ruine Karpenstein, 750 m. h., an 2 Stellen: im Innern und an der Nordseite. Polypodium vulgare v. auritum bei Landeck am Schollensteine und im Krebsgrunde. Allium ursinum im oberen Krebsgrunde, zwischen der Bilderbuche und Schwarzenberg, eine grosse feuchte Fläche ganz überziehend; die grössten fruchttragenden Stengel 48 cm. hoch, die Blätter ebenso hoch mit 21 em. langem Stiel und 27 cm. langer und 8 cm. breiter Spreite. Goodyera repens sparsam und zerstreut im Walde unter dem Schollenstein; an einer Stelle am Wege vom Bade nach dem Schollenstein eine Gruppe mit etwa 60 blühenden Pflanzen; eine ähnliche auf einen wenige Fuss breiten Fleck beschränkte Gruppe an der Waldlehne zwischen dem Gersdorfer Bilde und der Ruine Karpenstein, etwa 700 m. H. Corallorhiza innata ebenda, zerstreut. 86 Jahres-Bericht Gymmadenia albida sparsam auf der preussischen Sahlwiese 950 m. H. Cirsium rivulare-palustre in dem Thalgrunde unter Dorf Karpenstein am Nordfuss des Dreieckers. Cirsium rivulare -oleraceum mit trübrothen Blüthenköpfen bei Olbersdorf, nahe der Landstrasse; mit milchweissen Köpfen ebenda auf Wiesen; dasselbe auf feuchten Wiesen um Dorf Leuthen. Cirsium palustre mit rein weissen Blüthenköpfen: Olbersdorf. Hieracium aurantiacum Saalwiesen. Doronicum austriacum Saalwiesen bis herunter nach Bielendorf. Campanula Cervicaria an einer Sandgrube am Wege bei Olbersdorf. Alectorolophus minor mit dunkel gestricheltem und etwas punktirtem Kelche an Al. pictus erinnernd, auf den Sahlwiesen. Asperula odorata an den Sahlwiesen, gegen 1000 m. h. Vinca minor, Thalgrund unter Dorf Karpenstein, nördlich vom Dreiecker. Viola lutea, die oberen Blumenblätter innen blassgelb, sonst lilafarben, am Ottersten. — Die gewöhnliche Form mit grossen ganz gelben Blüthen auf der preussischen Sahlwiese sparsam, in Menge auf der mährischen. | Hierauf legte Vortragender folgende Varietäten und Monstrositäten vor: 1) Doppelblüthen von Primula sinensis aus Verwachsung zweier Nachbar- knospen hervorgegangen ; 2) Einen Knieholzast mit 17 kleinen Zapfen, die an Stelle der Doppel- nadeln sich entwickelt hatten; 3) Cardamine amara, var. Opitzu vom Glätzer Schneeberg, Tilia parvifolia, folis profunde serratis vel lacimiatıs, Asplenium Ruta muraria, foliis integris, Paris quadrifolia, folis quimatis, flore tetramero, Hypochoeris helvetica faseiata, - Digitalis ambigua, corolla quinquesecta. Herr Geheimrath Göppert schlug die Moisdorfer Schlucht als Ex- cursionsziel für die nächste Wanderversammlung vor; dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung. : Derselbe sprach seinen Dank aus für die Zeiehen der Anhänglichkeit, die ihm, wie von allen Seiten, so auch von den Mitgliedern der bo- tanischen Seetion bei Veranlassung seines 50jährigen Doctorjubiläum am 11. Januar 1875 erwiesen worden sind und drückte insbesondere seine Freude darüber aus, dass die Schlesisehe Kryptogamenflora, deren Inangriffnahme er stets ersehnt und mit allen Mitteln ins Leben zu rufen bestrebt gewesen sei, nunmehr als schönste Festgabe der Schles. Gesell- schaft wirklich zur Ausführung gelangt. : Du in der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultu. 87 Schliesslich theilte derselbe einen Nekrolog des am 2. Nov. 1874 in Berlin verstorbenen Monographen der Agaveen, General Albano v. Jacobi mit, weleher der Section während seines Aufenthalts in Breslau stets mit warmer Theilnahme angehört hatte; der Nekrolog ist bereits in dem Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für das Jahr 1874 pag. 155 aufgenommen worden. In der zweiten Sitzung vom 4. Februar wurde die botanische Wanderversammlung nach Moisdorf und Jauer definitiv beschlossen. Der Seecretair Prof. Ferdinand Cohn hielt einen Vortrag über Abscheidung von Schwefelwasserstoff und Schwefel durch mikro- skopische Pflanzen und Thiere, welcher schon im Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 1874, pag. 115 'seq. abgedruckt worden ist. Herr Geheimrath Prof. Göppert legte das aus dem Fichtensafte durch Dr. Tiemann dargestellte Coniferin und Vanillin vor. In der dritten Sitzung vom 11. Februar legte Herr Prof. Körber Blätter von Oreodaphne guianensis aus dem Henschelschen Herbar vor, welche sämmtlich Längsfurchen zeigen, die dem Rand mehr oder weniger parallel verlaufen, oder diesen schneiden; Prof. Cohn sprach die Vermuthung aus, dass dieselben von dem gegen- seitigen Druck der knorpligen Blattränder in der Knospe herrühren, wie man dies auch bei den Agaven beobachtet. Herr Oberlehrer Dr. Stenzel bemerkte, dass schon Nees in seinem Systema Laurinearum die charak- teristischen Eindrücke der Blätter von Oreodaphne erwähnt habe. Hierauf gab Herr Prof. Körber neue Mittheilungen zur Gonidienfrage mit Bezugnahme auf briefliehe Bemerkungen von Itzigsohn, Winter und Magnus. Derselbe zeigte an, dass Schulrath Ohlert in Danzig gestorben sei, und dass seine Sammlungen zum Verkauf stehen. Herr Limpricht verlas einen von Herrn R. v. Uechtritz ein- gesendeten Aufsatz: Die Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1874, welcher bereits, in Verbindung mit den Funden des Jahres 1873, im Jahresbericht für 1874 pag. 149 veröffentlicht worden ist. Der Secretair verlas einen durch mikroskopische Abbildungen er- läuterten Aufsatz unseres corresp. Mitgliedes, Dr. Oskar Kirchner, Assistent am pflanzenphysiologischen Institut zu Proskau, über seine Beobachtungen der Geschlechtsorgane bei der Gattung Coprinus. s8 Jahres - Bericht Dieselben waren von ihm, ohne dass er von der unterdess erschie- nenen Abhandlung von Reess: „Befruchtungsvorgang bei den Basidio- myceten“, wusste, selbstständig gemacht worden, und enthalten in der Hauptsache eine Bestätigung der Arbeit von Reess, während sich im ein- zelnen manche Abweichungen zeigten, Es wurden frische Sporen von Coprinus ephemerus Bull. in Pferde- mistdecoet auf Objectträgern isolirt ceultivirt und die Keimung und Mycel- entwiekelung verfolgt. Die sehr kleinen, schwarzbraunen, ziemlich ovalen Sporen lassen schon 12 Stunden nach der Aussaat an dem abgerundeten oberen Ende unter kurzer Ausstülpung des Epispors einen Keimschlauch ‘ austreten, der zuerst blasig anschwillt, sich dann bald verengert und reichlich verzweigt, so dass nach etwa drei Tagen ein ziemlich ausgebrei- tetes Mycel gebildet ist, welches sich als einzellig erweist und keinerlei Anastomosen und Schnallenzellen erkennen lässt. Vom 4. Tage an ‚zeigten sich am Ende oder im Verlaufe der Myceläste blasige An- schwellungen, an denen kurze Zweigchen erschienen, deren Enden dünne stäbehenförmige Ausstülpungen aufsassen, die sich durch eine Wand ab- sliederten. Sie erschienen meist zu 4 auf einem Träger, waren 4—6 mal so lang als dick, meist schwach gekrümmt, am oberen Ende oft köpfchen- ‚förmig eingeschnürt. Sie theilten sich noch einmal durch eine Scheide- wand in der Mitte und fielen dann einzeln oder mit einander verbunden ab. Ihr Inhalt war ein dichtes bläuliches Plasma, eine Zellhaut liess sich nicht unterscheiden. Die Bildung dieser Stäbchen, welche nach der Ent- deckung von Reess als Spermatien anzusprechen sind, schritt bis zum 7. Tage so vorwärts, dass zwischen den Mycelästen grosse Massen davon lagen. — Es wurde nie bemerkt, dass die Träger mit ihren Stäbchen senkrecht in die Luft wuchsen und dort erst die Spermatien verstreuten. Etwa 2 Tage nach dem Beginn der Spermatienbildung traten an einzelnen Mycelien in geringer Anzahl eigenthümliehe kurze Aestchen auf, die aus kugeligen rosenkranzförmig verbundenen Zellen bestanden und eine gewisse Aehnlichkeit mit den von Reess beobachteten Carpogonien hatten. Da jedoch weder die weitere Entwickelung jener Zweigchen, noch ihre Copulation mit Spermatien beobachtet werden konnte, so liess sich über ihre Bedeutung keine sichere Entscheidung abgeben. In der vierten Sitzung vom 25. Februar hielt Herr Oberlehrer Dr. Stenzel einen Vortrag über die geographische Verbreitung der schlesischen Gefässkryptogamen. Die schlesischen Gefässkryptogamen haben seit Caspar Schwenck- felt’s Verzeichniss schlesischer Pflanzen, 1601, namentlich aber seit Mat- tuschka’s enumeratio stirpium in Silesia sponte erescentium, 1779, in Hänke, Albertini, Kölbing, Scholtz, Wimmer, Grabowski, Beinert, BER RT TO a ALTO EN ER R AUNET URN % Mr. N R £ der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 39 Schummel und Milde eine Reihe so ausgezeichneter Förderer und Be- arbeiter gefunden, dass man wohl glauben könnte, es sei auf diesem Ge- biete nichts mehr zu thun. Aber nicht nur hat die überraschende Entdeckung ausgezeichneter Arten und Gattungen, welche bisher im Gebiete noch nicht gefunden, ja kaum erwartet worden waren, wie die von Isoetes lacustris im srossen Teich im Riesengebirge durch Milde, von Selaginella helvetica auf den Mora- und Oppa-Auen durch Hein, der Marsilia quadrifoliata bei Ryb- niker Hammer durch Fritze und des Scolopendrium vulgare bei Moisdorf durch Scholz, innerhalb des letzten Jahrzehntes gezeigt, dass selbst Pflanzen, welche auch für den schlichten Beobachter leicht kenntlich sind, bisher übersehen sein und noch bei uns aufgefunden werden können, son- dern auch in anderen Beziehungen bleibt dem Zusammenwirken schlesischer Pflanzenfreunde noch manche fühlbare Lücke auszufüllen. "Die eine derselben ist die mangelhafte Kenntniss der Gefäss- kryptogamen der oberen Bergregion., Wir können, wie das auch in der Einleitung zu den Gefässkrypto- gamen in der vor Kurzem ausgegebenen Kryptogamenflora von Schlesien (S. 7) geschehen ist, die Ebene bis 150 m. Höhe, die Hügelregion von 150—500 m., die Bergregion von 500—1100 m., das Hochgebirge über 1100 m. annehmen und behufs genauerer Vergleichung der Gefässkrypto- samen die Bergregion noch in eine untere oder niedere zwischen 500 m. und etwa 900 m. und in eine obere von 900 bis 1100 m. theilen. Nun besitzen wir für jede Art der Gefässkryptogamen, namentlich für die seltneren sorgfältig gesammelte Standortsangaben, ja bei Grabowski in der Flora von Oberschlesien $. 356—357 und namentlich in Milde’s Gefässkryptogamen Schlesiens in den Verhandlungen der Leopold. Carol, Akad. Bd. XXVI S. 722—729 übersichtliche Darstellungen ihrer Ver breitung nach den Höhen. Gleichwohl vermissen wir bei einer ganzen An- zahl von Arten, welche einfach: „von der Ebene oder vom Vorgebirge bis ins Hochgebirge‘“ angeführt werden, irgend einen Standort aus der oberen Waldresion. Urd das ist kein Zufall. Als ich für die Kryptogamenflora von Schlesien sämmtliche bis jetzt bekannt gewordene Standorte der einheimi- schen Gefässkryptogamen zusammenstellte und dabei auf jene Lücke auf- merksam wurde, konnte ich dieselbe, trotz meiner zahlreichen Wanderungen bis auf den Kamm des Riesengebirges, aus der Erinnerung nicht ergänzen; ich konnte mich nicht entsinnen, am Fusse des Riesengebirges und selbst an dessen tieferen Abdachungen häufige Pflanzen, wie Phegopteris polypodioides, Ph. Dryopteris, Asplenium septentrionale, Pteris aquilina, Equisetum arvense, Lycopodium clavatum irgendwo in der oberen Bergresion angetroffen zu haben. Bei der Besteigung des Glätzer Schneeberges und des nicht weit von ihm entfernten schwarzen Berges im folgenden Sommer trat mir die gleiche Wahrnehmung aufs Unzweideutigste entgegen. Die an den wal- 90 Jahres - Bericht digen Abhängen des Klessengrundes bis hinauf an die untere Grenze des Asplenium alpestre üppig gedeihende Phegopteris polypodioides und die fast eben so hoch gehende Ph. Dryopteris fehlen ebenso wie die anderen oben genannten, am Fusse des Gebirges häufigen Arten dem ganzen breiten und langgedehnten Rücken vom schwarzen Berge bis zum Glätzer Schnee- berge, obwohl abwechselnde Wiesen-, Moor- und Waldflächen für jede derselben die erforderlichen Wachsthumsbedingungen darzubieten scheinen. Dass allgemeine klimatische Verhältnisse das Fortkommen dieser Arten hier nicht schlechthin unmöglich machen, beweist das Vorkommen von Lycopodium clavatum auf dem nahen Gipfel des Glätzer Schneeberges, wo _ ieh es in ziemlicher Anzahl, wenn auch nur unfruchtbar, fand, und das von Polypodium vulgare, Phegopteris polypodioides, Ph. Dryopteris, Oystopteris fragilis, Asplenium Trichomanes, A. septentrionale an dem auch in anderer Beziehung merkwürdigen Serpentinfelsen des Ottersteins unter dem Glätzer Schneeberge. Gerade dieses auf weite Strecken völlig vereinzelte, ge- wissermassen inselartigse Vorkommen macht einen ganz eigenthümlichen Eindruck und muss durchaus von dem Vorkommen in zusammenhängen- dem Verbreitungsbezirk unterschieden werden. Es giebt ein ganz un- vollständiges, ja geradezu unrichtiges Bild von der Verbreitung einer Art, wenn es, gestützt auf solche vereinzelte Vorkommnisse, um nur ein paar Beispiele anzuführen bei Pieris aquilina, Equisetum arvense oder Lycopodium clavatum einfach heisst: von der Ebene bis ins Hochgebirge. Während wir: innerhalb des zusammenhängenden Verbreitungsbezirks an geeignetem Standort mit einiger Sicherheit eine Pflanze erwarten dürfen, werden wir durch das inselartige Vorkommen derselben ausserhalb jenes ' Bezirks überrascht; dort trägt sie dazu bei, dem Pflanzenwuchs der Gegend sein eigenthümliches Gepräge zu geben. — Hier stört sie als ein fremdartiger Bestandtheil den aus der ganzen Umgebung gewonnenen Gesammteindruck etwa wie Alpenpflanzen, welche durch Bäche und Flüsse herabgeführt sich in tieferen Thälern angesiedelt haben. Während aber hier die Ursache des unerwarteten Erscheinens einer Art auf der ‘Hand liegt, fragen wir uns bisher vergeblich, wie jenes ver- einzelte Vorkommen zu erklären sei. Soll die Beantwortung dieser Frage auch nur versucht werden, so muss vor Allem viel vollständiger, als das bisher geschehen ist, die Verbreitung der auf jenen Oasen vorkommenden ° Arten ermittelt werden. Die eben angeführten Beobachtungen deuten auf grosse Lücken in der Verbreitung mehrerer häufiger Arten hin, aber es liegt auf der Hand, dass sie ganz unzureichend sind, solche Lücken zu beweisen und deren wirkliche Grösse zu bestimmen. Kommt der in der Ebene und der Hügelregion gemeine Ackerschachtel- halm, welcher dann wieder im Riesengrunde und im Kessel des Gesenkes gefunden wird, in der ganzen dazwischen liegenden Bergregion wirklich gar nicht vor? Ist er aus derselben bisher nur darum nicht angegeben der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Qultur. 91 worden, weil die das Gebirge Besteigenden beim Mangel an menschlichen Wohnungen oder ausgezeichneten Stellen, wie Aussichtspunkten oder Fels- bildıngen wenig Anhaltspunkte zur genauen Angabe des Fundorts haben? Hindert der fast ununterbrochene Waldgürtel, welcher namentlich die obere Bergregion bedeckt, das Gedeihen der Pflanze? Hat dieselbe sich an den meist steilen Abdachungen nicht ansiedeln oder behaupten können? Sind wir auch nur sicher, dass diese und andere Arten wirklich in der Nähe jener viel durchforschten pflanzenreichen Inseln, wie der Iserwiese und den Seefeldern bei Reinerz, den Schneegruben, den Teichen, dem Riesengrund und vor Allen dem grossen Kessel im Gesenke nicht vor- kommen. Diese und andere ähnliche Fragen werden nicht leicht durch die Be- mühungen eines Einzelnen, wohl aber können sie durch ein Zusammen- wirken Vieler beantwortet werden. Eine vielseitige Betheiligung ist aber darum sehr wohl möglich, weil es sich hier nieht um schwer von anderen zu unterscheidende oder verborgen wachsende und daher nur durch mühe- volles Suchen aufzufindende, sondern um häufige, leicht zu unterscheidende und bei einiger Aufmerksamkeit leicht ins Auge fallende Pflanzen handelt; weil ferner die obere Bergregion, auf welche es hier besonders ankommt, nach unten (900—950 m.) durch die untere Grenze des am ganzen Kamme der Sudeten verbreiteten Asplenium alpestre bezeichnet ist, welches von dem ihm täuschend ähnlichen Asplenium Filix-femina durch die kreisrunden, schleierlosen Fruchthäufehen stets sicher unterschieden ist, während sie nach oben mit der oberen Waldgrenze (um 1100 m.) endet und dadurch noch schärfer gegen die baumlose eigentliche Hochgebirgsregion ab- gegrenzt ist. \ Wer mit diesen gewiss bescheidenen Vorkenntnissen ausgerüstet das Gebirge, wo auch immer, besteigt, und die dabei beobachteten Gefäss- kryptogamen sorgfältig sammelt, kann einen dankenswerthen Beitrag zur Beantwortung der vorliegenden Frage liefern. Nur Eins ist dabei unerlässlich, um sich selbst und Andere vor Ver- wechselungen und daraus entspringenden Irrthümern zu bewahren, dass an jedem bemerkenswerthen Farn ein wo möglich fruchttragendes Blatt- stück, von einem Schachtelhalm oder Bärlapp ein Stengelstück in eine Brieftasche oder in ein dazu noch bequemeres Oktavheft eingelegi und dazu an Ort und Stelle der Fundort so genau als möglich eingetragen wird. So willkommen selbstverständlich vollständige Exemplare sind, so genügen für unsere Zwecke fast stets kleine und selbst ohne besondere Sorgfalt getrocknete Stücke, welche selbst in grösserer Zahl leicht fort- gebracht und in Briefformat versendet werden können*) und welche bei sorgfältiger Standortsangabe eine sichere Grundlage gewähren. *) Geneigte Zusendungen bitte ich an Dr. Stenzel, Breslau, Klosterstrassse la, zu adressiren, 92 Jahres - Bericht So wünschenswerth derartige zuverlässige Angaben aus allen Ge- genden der Provinz, nicht nur aus dem Gebirge, sondern auch aus der Ebene zur Vervollständigung des noch sehr lückenhaften Vegetationsbildes sind, so erlaube ich mir doch auf einige besonders auffallende und der Aufklärung bedürfende Punkte aufmerksam zu machen. Lycopodium clavatum, der gemeine Bärlapp, von der Ebene bis in die untere Bergregion häufig, kommt dann wieder im Hochgebirge auf dem Gipfel des Altvaters, des Glätzer Schneeberges und „am Ufer des Weisswassers“ vor. In welcher Höhe der letztere Standort liegt, ist nicht näher angegeben; aus der ganzen oberen Bergregion ist kein ein- 'ziger Standort bekannt. Eguisetum arvense, der in der Ebene und Hügelregion gemeine Acker- schachtelhalm fehlt wie es scheint in der ganzen Bergregion; im Hoch- gebirge dagegen ist er aus dem Riesengrunde und dem Kessel des Ge- - senkes bekannt. Equisetum pratense, in der Ebene und Hügelregion zerstreut, an der, wohl in der niederen Bergregion liegenden Gabel zwischen Karlsbrunn und den Hirschwiesen, dann wieder an den Quarklöchern am Glätzer Schneeberge, in 1200 m. Höhe. Equisetum palusire, in der Ebene und Hügelregion verbreitet und oft ebenso häufig wie E. arvense, kommt ausserdem wie dieses im Riesen- grunde und im Kessel des Gesenkes vor. Aus der Bergregion, und zwar aus der niederen, ist nur ein Standort, die Iserwiese, in 750 m. Höhe bekannt. | | Equisetum limosum verhält'sich ganz ähnlich. Im Hochgebirge kommt es, ausser im Kessel des Gesenkes noch an der Scharfenbaude auf der . Südseite des Riesengebirgskammes in 1300 m. Höhe vor, während wir es in der ganzen Bergregion nur .von der Iserwiese kennen. Eguisetum hiemale, in der Ebene zerstreut, nur bei Ratibor und Neisse bis etwa 250 m. in die Hügelregion hinübergreifend, fehlt der ganzen Bergregion und tritt erst wieder im Kessel des Gesenkes in der Hoch- gebirgsregion auf. ' Phegopteris polypodioides, in der Ebene selten, in der Hügel- und niederen Bergregion verbreitet, kommt im Hochgebirge am grossen Teich, in der kleinen Schneegrube, im Kessel des Gesenkes vor. In der oberen Bergregion ist es bisher nur sparsam am Ottersteine unter dem Glätzer Schneeberge in 1000 m. Höhe von mir gefunden worden. Phegopteris Dryopteris, im Hochgebirge am grossen Teiche und im Teufelsgärtchen, hat fast dieselbe Verbreitung wie die vorige Art; auch hier ist -das sparsame Vorkommen am Otterstein bis jetzt das einzige in der oberen Bergregion. Aspidium Thelypteris in der Ebene und Hügelregion verbreitet, kommt in der niederen Bergregion nur auf den Seefeldern bei Reinerz vor; viel- der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 953 leicht gehört hierher aueb der Standort am Mitteliserkamm, ohne ge- nauere Höhenangabe; während es der oberen Bergregion zu fehlen scheint, führt Hänke es vom „Ufer des Weisswassers‘ an, vermuthlich von dem dem Hochgebirge angehörenden Oberlauf; doch ist eine genauere Fest- stellung dieses ganz vereinzelten Vorkommens sehr wünschenswerth. Aspidium lobatum, in der Ebene selten, nur bei Primkenau und Panten bei Liegnitz, in der Hügel- und niederen Bergregion zerstreut, fehlt, so viel sich bis jetzt feststellen lässt, in der oberen Bergregion, während es aus dem Hochgebirge am grossen Kessel, der Brünnelhaide und der Hock- schaar, also fast am ganzen Kamme des Gesenkes angegeben wird. Asplenium septentrionale, in der Hügel- und niederen Bergregion ver- breitet, im Kessel des Gesenkes von Schauer gefunden, ist in der ganzen Bergregion bisher allein am Ottersteine unter dem Glätzer Schneeberge von mir beobachtet worden. Pteris aquilina, der gemeine Adlerfarn, überzieht in der Ebene, der Hügel- und niederen Bergregion oft ganze Strecken; bei Ustron erreicht er namentlich an der Rownioza in grosser Menge die Grenze der niederen Bergregion mit fast 1000 m. Höhe; obwohl aber Wimmer und Milde ihn „bis ins Hochgebirge“ angeben, so ist doch kein einziger Standort über der unteren Bergregion sicher bekannt, und Grabowski giebt in seiner Flora von Oberschlesien und dem Gesenke ausdrücklich an, dass er im Hochgebirge, welches er über 1170 m. Höhe annimmt, fehle. Es ist ganz besonders wünschenswerth, dass die wirkliche Verbreitung dieses so leieht kenntlichen Farn in unserer Provinz sicher ermittelt werde. Botrychium Lunaria endlich, die gemeine Mondraute, von der Ebene bis in die niedere Bergregion zerstreut, ist in der höheren Bergregion bisher nur vom keulichten Buchberge in Böhmen gefunden worden, wäh- rend es auf beiden Seiten des Riesengebirgskammes, in der kleinen Schneegrube, am kleinen Teich, im Teufelsgärtehen und an der Kessel- koppe als eine ziemlich verbreitete Hochgebirgspflanze auftritt. Ich habe oben angedeutet, wesshalb es durchaus zweifelhaft bleibt, welche der Lücken in der Verbreitung der angeführten Arten wegen un- serer mangelhaften Kenntnisse nur da zu sein scheinen, welche in Wirk- lichkeit vorhanden seien. Möchten diese Betrachtungen einen oder den anderen Pflanzenfreund dazu veranlassen, zur Ergänzung, zur Berichtigung oder zur Bestätigung derselben durch eigene Beobachtungen beizutragen. Herr Prof. Dr. Körber legte eine Sammlung ausgezeichneter Pflanzen aus der Flora von Grönland und den von der ersten deutschen Nordpol-Expedition besuchten arktischen Inseln vor, welche Herr Prof. Dr. Buchenau in Bremen, in freundlicher Aner- kennung der ihm aus dem Herbar unser Gesellschaft geliehenen Juncaceen und Cyperaceen, dem letzteren zum Geschenk übersendet hat. 94 Jahres-Bericht Der Catalog der zum Verkauf ausgebotenen Hohenackerschen Herbarien wurde vorgelegt. In der fünften Sitzung vom 11. März legte der Secretair das so eben erschienene zweite Heft von Weberbauer, Pilze Norddeutschlands insbesondere Schlesiens vor, welches in der Schönheit seiner Zeichnungen dem ersten völlig gleich- steht und vom Verfasser der Gesellschaft zum Geschenk übersandt ist. Hierauf berichtete derselbe über die der Gesellschaft als Geschenk von den Hinterbliebenen übergebenen botanischen Sammlungen und Manuscripte des General v. Jacobi, über welche der Jahresbericht für 1874 p. 156 ausführliche Nachricht gebracht hat. | Verlesen wurde eine Zuschrift des Herrn R. v. Uechtritz über das Vorkommen von Strand- und Salzpflanzen in den Salinen von Oberschlesien, Polen, Galizien und Posen, welche an die vom Secretair Prof. Dr. Cohn in der Sitzung vom 29. No- vember 1874 angeregten Fragen anknüpft und bereits im Jahresbericht für 1874 p. 118 abgedruckt ist. Von demselben wurden einige für Schlesien neue Rosen vorgezeigt (vergl. Jahresbericht für 1874 p. 152). Der Secretair hielt einen Vortrag: Florula Desmidiearum Bongoensis. Als ich vor einigen Monaten, mit der Untersuchung der einheimischen Utricularien und ihrer als Insektenfallen eingerichteten Blasen beschäftigt zur Vergleichung auch die exotischen Utrieularien zu untersuchen wünschte, hatte mein Freund, Prof. Paul Ascherson in Berlin, mit gewohnter Bereit- willigkeit die Güte, mir kleine Proben der von Sehweinfurth auf seiner centralafrikanischen Reise gesammelten Species zuzusenden. Unter diesen war eine als Utricularia stellaris bezeichnete Art, welche Schweinfurth am 27. Juni 1869 in einem Wassertümpel bei Gir im Bongolande gefunden hatte. Ueber Lage und Beschaffenheit des Fundortes besitze ich keine nähere Angabe; nur lässt sich vermuthen, dass derselbe etwa unter dem 5° n. B., im Herzen von Afrika belegen, und dass es einer jener Wasser- züge sei, weiche Sehweinfurth im Bongolande mit dem in der Mark Brandenburg gebräuchlichen Ausdrucke Luch am besten zu charakterisiren glaubt,, die jedoch nicht das ganze Jahr wasserreich zu sein scheinen (vgl. Schweinfurth, Bericht über die botanischen Ergebnisse der ersten Niam-Niam-Reise, Botanische Zeitung von De Bary und Kraus 1871 .p- 301 und 312.). der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 95 Aehnlich wie in den märkischen Seen, vegetirt auch in denen des tropischen Afrika eine feingefiederte Utricularia, an deren Blattzipfeln ich beim Aufweichen unter dem Mikroskop unzählige fremde Wesen anhaften sah. Durch Auspülen und Schlämmen liessen sich die mikroskopischen Bewohner des Bongosumpfes sammeln. Zum Theil waren es die Schalen von Ostracoden oder Entomostraca; auch eine Anguillula und das aus sechs- eckigen Zellen aufgebaute Gehäuse einer. Melicert« wurde aufgefunden; zahlreiche Rhizopoden, insbesondere Species von Difflugia und Arcella, die leeren Büchsen von Trachelomonas volvocina und die linsenförmigen Bälge einer Euglena-(Phacus) konnten bestimmt werden. Von niederen Pflanzen fand sich das Fragment eines Laubmooses; von Algen beobachtete ich nur unbestimmbare Conferven und ein dem ©. striato-punctatum ähnliches Oe- dogonium, ein Ophiocytium, ferner eine röthliche Seytonemee mit braunen Scheiden, Bacillarien kamen nur vereinzelt zum Vorschein. Die ungeheure Mehrzahl aber, die in unglaublicher Menge zwischen den Blattfiedern der Ufrieularia zerstreut war, gehört der Familie der Desmidieen an, welche demnach den afrikanischen Moor in. ähnlichem Formenreichthum bewohnen, wie das in den europäischen Torfmooren der Fall ist. Nicht weniger als 13 Species der Desmidieen konnten unterschieden werden, von denen einige besonders häufig (namentlich die Cosmarien), andere wie die beiden Micrasterias nur vereinzelt angetroffen wurden. Unter diesen Desmidieen sind mehrere Formen von den europäischen Arten nicht zu unterscheiden oder ihnen doch sehr nahe verwandt (Cosmarium margariti- Jerum u. a.); dagegen repräsentiren andere sich als höchst ausgezeichnete neue Species welche namentlich durch ihre Grösse alle bisher bekannten übertreffen und in ihrer Familie eben so riesig erscheinen, wie etwa der Elephant im Vergleich zu unseren Säugethieren. Das gilt insbesondere von dem Pleurotaenium elephantinum, welches eine Länge von 0,85 mm. und einen Querdurchmesser von 0,15— 0,17 mm. erreicht, während die bisher bekannten Arten nur 0,05 mm. breit und höchstens 0,4 mm. lang sein mögen. Ein reizendes Gebilde ist auch die von mir als Micrasterias Crux Africana bezeichnete Art, die mit ihren sechs paralleltrapezförmigen Armen einem Kreuz mit zwei Quer- balken gleicht; jede Hälfte zeigt im Mittelpunkt eine schwache convexe Auftreibung mit zierlich sternförmigen Fazetten; während eine andere Micrasterias (M. Schweinfurthü) zwar der einheimischen M. fimbriata Ralfs ähnlich, aber durch die bedeutende Grösse (Durchmesser 0,3 mm.) und die doppelte Zahl der Einbuchtungen und der Zähne des Randes ausreichend charakterisirt ist. Indem ich mir vorbehalte die durch ihr Vorkommen ebenso, wie durch ihre Gestaltung ansgezeichneten Desmidieen mit den von Herrn Dr. Oskar Kirchner angefertigten Zeichnungen anderwärts voll- ständig zu veröffentlichen gebe ich hier nur ein Verzeichniss der bisher unterschiedenen Arten; darunter 2 Pediastreae und 13 Desmidieae: 96 ‚ Jahres-Bericht \ . Sorastrum spinulosum Naey. . Norasirum echinatum Kg. . Desmidium Swartzü Kg. . Euastrum binale Ralfs. pusillum Breb? . Euastrum venustum Breb. . Euastrum spec. . Cosmarium margaritiferum Menegh. . Cosmarium spec. (latum Breb?) . Micrasterias Crux africana nov. spec. Micrasterias Schweinfurthiü nov. spec. . Pleurotaenium elephantinum nov. spec. . Pleurotaenium Schweinfurthüi nov. spec. . Pleurotaenium erenulatum De By. var. tenuior? . Closterium erassum Rab. 15. Closterium Ralfsii Breb. var. major? Länge 0,6 Breite 0,055 mm. Hierauf hielt derselbe einen Vortrag ; FOR a DD HO SONS TR WS Il ES über das natürliche System der Kryptogamen mit Rücksicht auf die von Sachs in der vierten Auflage seines Lehrbuches angenominene neue Anordnung derselben. Ausserordentliche Sitzung der botanischen Section und sechste Wanderversammlung der Schles. Botaniker zu Jauer am 13. Juni 1875. Zahlreich langten die Mitglieder der Section und andere Freunde der Schlesischen Botanik mit dem Morgenzuge der Freiburger Bahn um 8 Uhr 5 Minuten auf dem Bahnhof zu Jauer an. Hier harrten der Ankommen- den etwa 40 von Bürgern der Stadt und Gutsbesitzern des Kreises mit dankenswerther Freundlichkeit zur Disposition gestellte Equipagen, in welchen die Fahrt nach dem Schiesshause angetreten wurde, Daselbst wurde gegen 9 Uhr die wissenschaftliche Sitzung eröffnet. Der Präses der Schles. Gesellschaft, Geh. Rath Prof. Dr. Göppert, hiess die Anwesenden herzlich willkommen und constatirte das stets stei- gende Interesse, welches die Wanderversammlungen der botanischen Section gefunden. Seit einer Reihe von Jahren sind die Freunde der Wissen- schaft in die verschiedensten Städte der heimathlichen Provinz geführt worden; das heut gewählte Ziel verdient eine besondere Erinnerung, da dasselbe, wie vielleicht Wenigen bekannt sein dürfte, als die geistige Wiege der Gesellschaft bezeichnet werden kann, da hier vor 100 Jahren eine ähnliche Vereinigung begründet wurde. Friedrich der Grosse, der Alles aufbot, um das an den Wunden des siebenjährigen Krieges dar- niederliegende Land wieder aufzuriehten und dessen Gedeihen zu fördern, rief auf den Rath des Kanzlers Grafen Carmer die Schlesische General- Landschaft ins Leben. Um die Weiterentwickelung der Landwirthschaft, RETTEN DRS Mn a FT 2 Ad der ‚Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 97 der Industrie und des Gewerbes zu heben, wurden ferner, nach einzelnen Sectionen gegliedert, patriotische Societäten gegründet, welche ihren Centralpunkt in der Schlesischen Generallandschaft fanden. So entstanden Sectionen für Landwirthschaft, für den Handel und für allgemeine wissen- schaftliche Zwecke. Es wurde ein Statut für die Mitgliedschaft und ein Reglement für die Sitzungen entworfen. Sei es nun, dass sich die viel- leicht allzu bureaukratische Einrichtung dieses Instituts nicht vertrug mit der freien Entwiekelung, sei es, dass das Ausscheiden der hervorragend- sten Mitglieder der Vereinigung, z. B. des Grafen Mattuschka, des Ver- fassers der ersten Flora Schlesiens, sei es, dass einzelne Massnahmen der Entwickelung der Gesellschaft besonders nachtheilig waren, so z. B. die Rasirung des botanischen Garteus in Breslau, der sich damals in der Nähe der Salvatorkirche, also im Festungsrayon befand, durch den General v. Tauentzien, genug, die Gesellschaft löste sich auf. Nur eine der von dem grossen König gegründeten Sectionen der patriotischen Vereini- gung, die der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer für Landwirth- schaft, erhielt sich. Es ziemt sich also wohl, dieser alten Vereinigung, welche eine der Schlesischen Gesellschaft verwandte Richtung verfolgt, ehrend zu erwähnen. „Möge sie“, so schloss Prof. Göppert, auch im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens sich zu immer gedeihlicherer Blüthe entwickeln, und mögen die freundschaftlichen Beziehungen, welche sie mit der Schlesischen Gesellschaft verbindet, stets die alten bleiben.“ Zum Zeichen ihrer Uebereinstimmung mit diesem Wunsche des Präses erhob sich die Versammlung von den Plätzen. Bei der demnächst erfolgenden Constituirung des Bureaus wurde durch Acclamation Dr. R. Peck (Görlitz) zum Präsidenten, Dr. Stenzel (Breslau) zum Schriftführer und Kreisphysikus Dr. Waldhaus (Jauer), Kreisgerichtsdireetor Peck (Schweidnitz), Dr. Richard Sadebeck (Berlin), Prof. Körber, Geh. Rath Prof. Dr. Häser und Prof. Poleck (Breslau) zu Vicepräsidenten gewählt. Prof. Ferd. Cohn begrüsste als Secretair der botanischen Section die anwesenden Theilnehmer dieser ausserordentlichen Sectionssitzung, zu welcher sich 145 Männer aus allen Kreisen Schlesiens eingezeichnet hatten; er berichtete sodann über verschiedene Eingänge. Von dem Inspector des botanischen Gartens zu Innsbruck, Berthold Stein, war als Gruss an die Versammlung eine Collection frischer Alpen- pflanzen (Azaleau procumbens, Soldanella pusilla, Primula glutinosa und minima, Rhododendron ferrugineum, Gentiana acaulis L.(excisa Prsl.) verna u. a.) das Resultat einer in Regionen von mehr als 8000 Fuss führenden Berg- fahrt auf die Südseite des Patscher Kofel bei Innsbruck, eingesandt worden. Stein spricht sein lebhaftes Bedauern darüber aus, diesmal zum ersten Mal der Versammlung nicht selbst beiwohnen zu können, To We LEARN EG IRRE . a 98 Jahres- ach Begrüssungsschreiben sind ferner eingegangen von Professor Just in Carlsruhe i. B. (zur Vertheilung kommt ein Prospeet des von Dr. Just, Professor am Polytechnikum in Carlsruhe, herausgegebenen botanischen Jahresberichts, systematisch geordnetes Repertorium der botanischen Lite- ratur aller Länder); ferner von Professor Dr. Ascherson (Berlin) und Sanitätsrath Dr. Hodann (Breslau), der zum ersten Mal gehindert ist, an der Versammlung persönlich Antheil zu nehmen und zwar durch ein Familienfest. Die Versammlung beschliesst, dem Abwesenden, dessen liebenswürdiger, unverwüstlicher Humor ihr so manche frohe Stunde ver- ‚schafft, telegraphisch ihre Glückwünsche zu übersenden. Demnächst wird seitens des Secretairs der Section, Professor Cohn, die Tagesordnung verlesen. Als erster Punkt steht auf derselben ein Vortrag des Apothekers Max Wetschky (Gnadenfeld O/S.): Eine botanische Wanderung in Sicilien. Ende März 1873 unternahm ich mit Herrn Strobl aus Innsbruck eine botanische heise nach Sieilien. Wir hielten uns namentlich an der Ost- und Nordküste auf, da mein Reisegefährte, der schon zum dritten Male die Insel besuchte, eine Specialflora des Aetna und der Nebroden herauszugeben beabsichtigt. An der Ostküste hatten wir Catania, als den günstigst gelegenen Ort zum längeren Aufenthalt gewählt, über den ich mir einige Mitthei- lungen erlauben möchte. Ist schon allein die Nähe des Aetna von grosser Wichtigkeit, so bietet die Bahn Gelegenheit in wenigen Stunden viele der interessantesten Punkte z. B. Taormina, Lentini, Syrakus zu erreichen. Die Gegend von Catania stelit eine vom Meer allmählich nach dem Aetna ansteigende Ebene vor, die im Süden vom Simetofluss durch- strömt wird. Wo man sich auch befinden mag, überall ist im landschaft- lichen Bilde der bis 10,170° sich erhebende majestätische Vulkan sichtbar, aus dessen Gipfelkrater alle 2 bis 3 Minuten eine dicke Rauchsäule em- porstieg. Indess nimmt sich der Berg von Catania gesehen lange nicht so hoch aus, als er ist, da er aus einer ungeheuer breiten Basis sich er- hebt. An einem klaren Tage kann man die 3 Vegetationsgürtel, die ihn bekleiden gut unterscheiden. Man erkennt die regione coltivata, die etwa bis 4200’ reicht und die verschiedenen Culturpflanzen enthält, wel- cher sieh die regione nemorosa anschliesst, die etwa bis 6500 reicht und wiederum in die untere vorherrschend aus Edelkastanien und Stein- eichen gebildete und die obere von Buchen und Birken eingenommene zerfällt. Weiter hinauf findet sich bekanntlich nur eine spärliche Vegetation vor, aus wenigen Arten gebildet, da eine alpine Flora wegen dem gänz- lichen Mangel des Quellwassers nicht existiren kann. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 99 Während unseres Aufenthaltes aber war der Aetna bis 4000‘ ab- wärts noch mit einem diehten Schneemantel bedeckt, einen glänzenden Conirast gewährend gegen die mit üppigster Vegetation erfüllte, im schönsten Frühlingsschmuck prangende Gegend von Catania. Nördlich, nach Taormina zu ziehen sich meilenweit die Orangen- gärten der Küste entlang, denn Orangen und Limonen bilden einen Haupt- erwerbszweig der Bevölkerung. Erstere gedeiht in vielen Formen und Varietäten, von denen die reichlich nussgrossen, höchst aromatisch duf- tenden „Mandarini‘ als die feinsten gelten. Auch Citrus medica sieht man zur Gewinnung des Citronats öfters eultivirt. Aligemein verbreitet ist der Weinbau, der am Aetna bis in die Höhe von 4000° betrieben wird, oft in losem vulkanischem Sande, wo sonst nichst wächst. — Zum Anbinden der Weinstöcke bedient man sich meist des Stengels von Arundo Donax. Sehr bedeutend ist die Gewinnung von Oel und das Land ist daher oft weit und breit mit Olivenwald bedeckt. Mandeln werden namentlich an den Abhängen der der Küste pa- rallel laufenden niedrigeren Berge cultivirt; die Bäume trugen bereits Junge Früchte, die unreif mit der Schale auch genossen werden und so angenehm säuerlich schmecken; die Bäume gewährten mit ihrem hell- grünen Laube einen angenehmen Gegensatz zu dem Dunkelgrün der Orangen, der Myrten, Granaten und Caroben, welch’ Letztere oft präch- tige, grosse Bäume bilden. Die Feldeultur beschränkt sich namentlich auf den Anbau von Weizen, wenig Gerste, Mais, Linsen, Lein, Kichererbsen, sowie Baum- wolle. Die Felder und Wege sind mit Agaven umzäunt, die oft un- durchdringliche Hecken bilden. Einen für den Nordländer sonderbaren Anblick gewähren die bis 8° hohen Opuntien, die fast überall verwildert zu finden sind, stellenweise in solcher Menge, dass sie förmliche Wälder bilden, indem ihre dunkel- rothen, widerlich süssen Früchte, die Cactusfeigen, sehr geliebt werden. Diese Pflanze hat hier indess noch einen andern Zweck zu erfüllen. Begiebt man sich nämlich bei Catania auf eine Anhöhe, so sieht man, wie sich schwarze Furchen oder Rinnen am Aetna beginnend durch das blühende Land ziehen, wodurch sich auch diese Gegend von andern ähn- lichen in Italien leicht unterscheidet. Dies sind die Lavaströme, welche der Aetna bei seinen furchtbaren Eruptionen in den Jahren 1381 und 1669 ergoss, die Alles vernichtend sich durch die reich bebaute Gegend wälzten und bei Catania glühend in das Meer stürzten. Auch heute ge- währen diese erstarrten, schwarzen Massen noch viel Interesse. Sie haben manchmal die Dicke von 30° und die Breite einer viertel Meile und gleichen einem in wilder Aufregung gewesenen Meere, welches plötzlich erstarrt ist. Die Oberfläche ist wild zerklüftet, mit tausenden von Spalten, 7F N PORTO CN 100 Jahres- Bericht Rissen und Schluchten bedeckt. Oft sind sie von aller Vegetation ent- blösst, namentlich näher dem Meere, wo sich in tiefen, feuchten Spalten höchstens Crithmum maritimum und Lotus ceytisoides angesiedelt hat und ge- währen dann einen eigenthümlichen Contrast zu den grünenden Feldern und reichen Gärten, von denen sie oft umgeben sind. — An vielen Punkten jedoch sahen wir diese Lavaströme mit einer äusserst üppigen Vegetation bedeckt und zwar überall da, wo ÖOpuntien wachsen. Die fleischigen Blätter derselben fallen ab, vermodern und bilden eine breiige . Masse, an welcher der Staub, der dort nie fehlt, sich ansetzt. Das trockne 2 Gestein wird auf diese Weise mit einer dünnen, aber humusreichen Erd- schicht überzogen, auf der sich bald eine prächtige Flora ansiedelt. Ist einmal eine solche Vegetationsinsel gebildet, so scheint sich dieselbe leicht zu vergrössern und bald die ganze Breite des Lavastromes zu über- ziehen. Derartige Stellen finden sich vielfach in der Nähe der Stadt und waren in den ersten Tagen unsers Aufenthaltes das Ziel unsrer Ex- cursionen, da sie die ergiebigsten. waren. Hier überraschte uns ein Blüthenteppich, unter Andern aus folgenden Arten gebildet: Astragalus hamosus, Andropogon distachyon und hirtum, Conyza saxatilis, Cerinthe aspera, Centranthus ruber, Fedia Cornucopiae, Festuca ciliata, (Hyoseris scabra), Isatis canescens, Lamarckia aurea, Linaria reflexa und (Pelis- seriana), (Lathyrus setifolius), Plantago Bellardi, Psyllium, Lagopus, Prasium majus, (Reseda alba), (Scrophularia canina), Seriola aetnensis, Silene colorata und fuscata, Tetragonolobus purpureus, Tillaea muscosa, (Umbilicus pendulinus), Vieia Melanops, grandiflora, maculata, dasycarpa, bithynica und hirta, und (Vaillantia muralis) ete. Schattige feuchte Höhlungen in der Lava sind mit Aspidium pallidum, Asplenium lanceolatum und obovatum, Gymnogramma leptophylla, Parietaria lusitanica und diffusa, Polypodium vulgare und Se- laginella denticulata dicht bekleidet, während Cheilanthes odora an heissen, d. h. der Sonne recht exponirten Felsen gedeiht. — Aber auch grössere urd strauchartige Gewäche haben sich hier angesiedelt z. B. Cytisus infestus, Solanum Sodomaeum, (Rhamnus Alaternus), (Crataegus Azarolus), Spartium Junceum, Anagyris foetida, Ruscus aculeatus, Asparagus albus und acutifolius, die von Tamus, Smilax aspera und Rubia peregrina umrankt mit den Opuntien und Agaven oft schwerdurchdringliche, stachlige Dickichte bilden. Dazwischen bemerken wir in zahlloser Menge den stattlichen Asphodelus ramosus, ferner die bis 3 Fuss hohen Stauden der Ferula communis und die zierlichen Bäumchen der Euphorbia dendroides. Hiermit ist jedoch die Vegetation dieser Lavaströme keineswegs erschöpft und man könnte noch viele Arten als mehr oder weniger häufig auf ihnen vorkommend be- zeichnen, z. B. (Bellis annua und silvestris), Biscutella lyrata, Biserrula Pelecinus, Clematis cirrhosa, (Oynoglossum pietum), Euphorbia characias, Galactites tomentosus, (Geranium .tueidum), Lupinus angustifolius, Orchis der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 101 longicornis, Ophrys tenthredinifera, (Pinardia coronaria), Rumex spinosus, Ranunculus scaber, (Smyrnium Olusathrum), Senecio squalidus, Seriola laevi- gata, Satureja graeca und Andere, (Trifol. tomentosum und stellatum), Turgenia und Trixago latifola. Die jungen Saatfelder der Ebene beherbergten in ungeheurer Menge die blaublühende Form der Anemone coronaria, während die scharlachroth blühende auf Sieilien nicht fortzukommen scheint. Als charakteristische Feldpflanzen wurden namentlich angetroffen: Bellevalia romana, Bifora flosculosa, Bunias Erucago, Centaurea sonchifola, Coronilla scorpioides, Gladiolus segetum, Hedypnois cretica und tubaeformis, Lathyrus Aphaca, Ornithopus perpusillus, Paronychia argentea, Rhagadiolus stellatus und Scorpiurus subvillosus. Sümpfe finden sich um Catania wenige vor, nur die nach der Mün- dung des Simeto zu tiefer gelegene, uncultivirte, von Weideplätzen ein- genommene Gegend besitzt deren, aber von sehr geringer Ausdehnung. Die Sumpfflora war übrigens noch völlig unentwickelt und nur an den Rändern der Sümpfe wurden in Blüthe unter andern angetroffen: Astra- galus baeticus, Arundo Donax, Allium roseum, Carex serrulata und divisa, Lathyrus Ochrus und Gorgoni, Melilotus messanensis, Ranunculus heucherifolius, Tamarix africana, (Trifohum subterraneum), Trichonema Columnae und ramiflora. Den Fluss Simeto, auch Giaretta genannt, lernten wir auf einer Strecke unterhalb des Städtehens Paterno als ein trübes, langsam fliessen- des Gewässer kennen, ähnlich der Ohle; — seine steinigen Ufer, nament- lich aber die Mündung des Flusses bilden den Hauptfundort des siei- lianischen Bernsteins, der aber doch verhältnissmässig sehr selten zu sein scheint, wenigstens nach den Preisen zu schliessen, wie ihn die Bernstein- händler in Catania verkaufen; ein Stückchen von der Grösse einer Wall- nuss wurde mit 10 bis 12 Frances angeboten. Im Quellgebiete des Flusses lagert der Bernstein mit braunkohlenartigem Holze in terliären Schichten, aus denen er vom Flusse ausgespült und bis ins Meer getrieben wird. Trotz aller Mühe konnte ich im Gerölle weder Spuren von Bernstein noch Braun- kohle finden, welch’ leiztere insofern von Wichtigkeit gewesen wäre, da durch eine Untersuchung derselben möglicherweise auf die Abstammung des sicilianischen Bernsteins hätte geschlossen werden können. Die Ufer des Flusses sind in Menge mit Oleander bewachsen, der hier unsere heimathlichen Weidenbüsche vertritt; zwischen dem Geröll blühten überall: Hedysarum capitatum und Iris Sisyrinchium. Die letztere Art aber ist namentlich die charakteristische Pflanze des felsigen Meeresstrandes, den sie zu tausenden mit ihren äusserst zierliehen, himmelblauen Blüthen überzieht, manchmal in Gesellschaft der Matthiola incana. 102 Jahres - Bericht An manchen Stellen, namentlich südlich von Catania, ist die Küste von sandigem Dünenterrain eingenommen. Sie macht dann einen öden Eindruck auf den Besucher und würde noch mehr das Gefühl der Ein- samkeit erregen, wenn nicht in der Ferne der Aetna mit seiner reichen Umgebung sichtbar wäre. Denn menschliche Wohnungen sind oft weit entfernt, und die Stille der Umgebung wird nur durch das Rollen der Meereswogen unterbrochen. Die sandigen, meist baumlosen Teerrainwellen sind mit ungehenern Heerden von Agaven, Seilla maritima und Asphodelus fistulosus, Erodium chium, Euphorbia terracina und vielen Medicago-Arten _ überzogen und nur selten ‚spielt der Wind in den Zweigen einer knorrigen Carube oder der Krone einer verwilderten Dattelpalme. Von Catania aus wurden drei etwas entferntere Ansflüge unternommen. Der eine am Aetna hinauf soweit es thunlich war, d.h. bis an die un- tere Grenze der Steineichenwälder, doch war auch hier noch äusserst wenig zu finden. Trichonema Bulbocodium und Columnae, Allium Chamae- moly und Viola parvula waren fast die einzigen blühend angetroffenen Arten, die zugleich allgemein verbreitet waren. Von den, der Aetnaflora eigenthümlichen Pflanzen waren nur einige wenige in überwinterten Exemplaren zu sehen, z. B. Astragalus siculus und Genista aetnensis. Ein anderer Ausflug wurde nach Syrakus unternommen. Wir bo- tanisirten namentlich auf den Trümmern des alten Syrakus, von dem zum Theil nur unscheinbare Reste noch vorhanden sind, die theilweise auf einem baum- und strauchlosen, mit zahllosen Kalkfelstrüämmern be- deckten Hochplateau liegen, nur diese wurden besucht, indem das Terri- torium, welches von der alten Stadt eingenommen wurde, sehr ausgedehnt ist und die Durchsuchung viel Zeit erfordert. Das alte Gemäuer war mit Teuerium fruticans und Polium meist dieht überwuchert. Die Ausbeute war eine recht ergiebige, doch will ich Sie nicht mit einer speciellen Aufzählung der Funde belästigen. Eine der interessantesten Pflanzen der Syrakuser Gegend ist bekanntlich die Papyrusstaude, die an einigen Punkten vorzukommen scheint. Der Hauptfundort ist das untere Anapothal. Leider waren wir wegen Mangel an Zeit von dem Besuche desselben abgehalten, — doch beobachteten wir die Pflanze in einem Sumpf auch nördlich von Syrakus, in der Nähe des Meeres, in schönen wohl an 40° hohen Exemplaren. An der Arethusaquelle trafen wir sie angepflanzt. Am vorletzten Tag unseres Aufenthaltes in Catania, den 2. April, wurde noch eine Excursion nach Taormina, dem alten Tauromenium unternommen, welches da gelegen ist, wo das südlich von Messina längs der Küste sich hinziehende Kalkgebirge — die Nebroden — sich fast im rechten Winkel von der Küste ab nach Westen wendet und das tiefe Thal des Alcantaraflusses dasselbe vom Aetna scheidet. Es liegt am unteren Abhang des etwa 3000’ hohen Monte Venerella, der zum Theil sni chroffen Felswänden nach der Küste abfällt. 6) EP a a a N A Luc der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. 103 Die Lage dieses armseligen und schmutzigen, eigentlich nur aus einer Strasse bestehenden Ortes ist überaus herrlich und es ist Taormina in landschaftlicher Beziehung vielleicht der schönste Punkt Sieiliens und seine Aussicht von den Ruinen des griechischen Theaters eine der grossartigsten, welche Italien bietet. Man überblickt die von Orangenhainen erfüllte Küste von Messina ab südlich fast bis Catania hin, unmittelbar vor sich tief zu Füssen die dunkelblaue, glänzende Meeresenge und jenseits der- selben die hohen Gebirge Calabriens. Den grossartigsten Anblick gewährt jedoch der Aetna, der hier vom Fuss bis zum Scheitel in unmittelbarer Nähe sichtbar ist und unweit 'faormina auch einen Einblick in den schwarzen tiefen. Schlund des Val di Bove, des grössten fast eine Meile breiten Kraters des Vulkans ge- stattet. Die Kalkberge um Taormina beherbergen eine reiche Flora, die wir leider nur flüchtig durchsuchen konnten. Die Abhänge derselben sind zum Theil kahl und mit Geröll bedeckt, zum Theil mit Mandeln, Granaten und Oliven bewachsen. Einen überraschenden Anblick gewährte hier Antirrhinum tortuosum mit seinen fusslangen, karminrothen Blüthenähren auf 3 bis 4° hohen Stengeln. Ueberall war das Geröll mit den brennendrothen Blüthen der Calendula fulgida und den goldgelbblühenden Büschen der Phlomis fruticosa und Coronilla glauea geschmückt. Ferner wurden sehr häufig gefunden: Achyranthes argentea, Arundo Ampelodesmos, Brachypodium distachyon, Cam- panula Erinus, Iris tuberosa und Sisyrinchium, Lathyrus Cicera und sphaericus, Marrubium hispanicum, Molucella spinosa, Melilotus neapolitana, Orchis un- dulatifoha, Ophrys lutea, bombylflora und arachnites, Penisetum distylum, Psoralea bituminosa, Physalis sommifera, Ruta bracteosa, Ricinus africanus, Teuerium fruticans, Vieia atropurpurea und leucantha, sowie eine grosse Menge schon um Catania beobachteter Arten. An mehrere hundert Fuss senkrecht abfallenden Felswänden wurden wir durch das Auffinden der seltenen Centaurea tauromenitana besonders erfreut, ausserdem waren dieselben in Menge mit Inula crithmoides und der halbstrauchigen, prächtigen Scabiosa cretica bewachsen, die freilich meistentheils unerreichbar war. Nach einem 1Y, wöchentlichen Aufenthalte an der Ostküste wurde die Weiterreise nach den Nebroden an der Nordküste und zwar durch das Innere der Insel über Leonforte angetreten. Hier trafen wir die von Castelbuono aus uns entgegen gesandten Maulthiere an, mit denen wir am folgenden Tage einen 16stündigen Ritt unternahmen, der im All- gemeinen wenig Abwechselung bot und sogar mitunter recht langweilig war; doch lernten wir so am besten die Art und Weise, wie man in Sieilien in den von den Hauptrouten entfernten Gegenden zu reisen pflegt, kennen. 104 Jahres - Bericht \ Unsere gutmüthigen, aber trägen Thiere wurden zu beiden Seiten mit gewaltigen Säcken behängt, in denen unser zahlreiches Gepäck vortreff- lich untergebracht wurde, — in der Mitte sassen wir. Der Ritt ging sehr langsam von statten, deshalb wurde oft abgestiegen, denn an Wege ist dort oft nicht zu denken und nur in der Nähe der Ortschaften findet man etwa welche. — Gefahren wird nie, nur geritten; die Strassen in den Städten sind meist auch so eng, dass für Wagen nicht Platz wäre. Uebrigens bezieht sich dies nur auf die Binnenstädte, von denen wir auf der weiten Strecke nur zwei passirten, nämlich Gangi und Geraci, die wie fast alle andern auf den Kuppen der Berge an- gelegt sind, was noch aus der Zeit herrühren soll, wo räuberische Ein- fälle auf der Insel an der Tagesordnung waren. Alle diese Orte haben ein schmutziges, finsteres Aussehen. Kein Wald oder Garten ist vorhanden, der diesen Eindruck gemildert hätte. Dieses einst blühende Land ist in Folge der gewissenlosesten Ent- waldung völlig verödet und steht in keinem Vergleich zu den herrlichen Landschaften längs der Küste. Die Quellen sind meist versiegt — wir trafen auf dem weiten Weg nur äusserst wenige an, umwachsen von Narceissus Tazetta und Anemone hortensis — und wochenlang, ja Monate hindurch wirken ungehindert die sengenden Strahlen der südlichen Sonne. Selbst für die Viehzucht sind daher weite Flächen unbenutzbar und nur in der Nähe der Orte findet man Feldeultur. Weit und breit ist oft kein Baum sichtbar, das Auge erblickt nichts als kahle, steinige Berge, die wir manchmal in unabsehbarer Menge mit Euphorbia biglandulosa be- deckt fanden, nur in der Ferne sieht man von jeder Höhe den blauen Streifen des Meeres und den qualmenden Gipfel der Aetnapyramide. — Auf Bergen um Geraci wurden noch in schönster Blüthe die prächtige Iris scorpioides, sowie Crocus : siculus, Asphodelus luteus und istulosus ge- funden, auch wurden wir in eineın Thale zwischen Leonforte und Gangi durch einen kleinen alten Tamariskenwald überrascht, in dem sich Stämme mit 8° Durchmesser vorfanden, während um Catania Tamarix africana immer nur strauchförmig vorkam. | Erst als wir uns der Nordküste resp. dem Nebroden-Gebirge näherten, änderte sich der Charakter der Gegend. Bald hinter Geraci kamen wir in eine mit Korkeichenwaldung be- deckte Vorgebirgsgegend, die wir leider zum grösseren Theil bei schon eingetretener Dunkelheit passirten, indem wir erst am späteren Abend unser weiteres Ziel, das Städtchen Castelbuono erreichten. Hier quartierten wir uns in einer schmutzigen Locanda, wo aber doch Betten zu haben waren, ein und blieben 8 Tage dort, während dessen mehrere Execursionen ausgeführt wurden, — doch würde es mich heute zu weit führen, weitere Mittheilungen hiervon zu geben. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 105 Das Städtchen besitzt das, was wir unter einem städtischen Aus- sehen eines Ortes verstehen ebenso wenig, wie alle andern Binnenstädte der Insel, auch an Schmutz steht es beiläufig bemerkt den andern nicht nach. Doch seine Lage ist reizend, am nördlichen Abhange des Madonia- Gebirges, welches bis 6000‘ ansteigt und die höchsten Gipfel der Ne- broden umfasst. Der Name Madonia ist aus Maronia, Mons Maronis d. i. Berg des Virgilius, entstanden, der das Gebirge each erwähnt. Diodorus preist das Klima, welches seinen Fuss mit ewigem Früh- ling umgiebt, seine zahlreichen kiaren Gewässer, er sagt ferner, dass die Berge reich an grossfrüchtigen Eichen, reich an Weinreben und Honig seien. Auch heutigen Tags kann man dies noch behaupten, denn dieses Gebiet hat sich wenig gegen frühere Zeiten verändert. Nur ist es in Folge seiner günstigen Oertlichkeiten, besonders der westlichere Theil, leider ein Hauptsitz des Brigantaggio. Die Vegetation trafen wir noch wenig vusaenllan, von einer al- pinen Flora war noch nichts zu sehen. Das Gebirge fällt meistens steil ab, ist sehr zerklüftet, trägt auf seinen Gipfeln noch vereinzelte Buchen und ist von 4500° abwärts, wenigstens auf der Nordseite mit ausgedehnten Wäldern von Edel- kastanien, Stein- und Korkeichen bedeckt. In den tieferen Regionen aber beherrscht die Olive völlig das Gebiet und noch weiter nach der Küste zu die Mannaesche. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Aufenthalt in diesem Gebirge in späterer Jahreszeit für den Botaniker ein äusserst interessanter sein muss, obschon die Flora desselben nicht die Mannigfaltigkeit der Gebirge Südspaniens oder Griechenlands aufzuweisen hat. Wie denn überhaupt die Flora von Sieilien an eigenen, nur dort vorkommenden Arten gerade nicht reich ist und hierin von Südspanien und Griechenland weit über- troffen wird. Dessen ungeachtet dürfte wohl kaum ein nordländischer Botaniker unbefriedigt dieses durch grosse landschaftliche Schönheiten ausgezeichnete Eiland verlassen, an dessen Scholle zugleich die Erinnerungen einer grossartigen Vergangenheit sich knüpfen. — Der Tagespräsident Dr. Peck machte demnächst Mittheilung einiger Eingänge von Schriften, die zur Gratisvertheilung an die Mitglieder be- stimmt sind. | Lehrer W. Scholz (Jauer) widmete der botanischen Section: „Bei- träge zur Flora von Moisdorf“, fur welche der Vorsitzende dem Verfasser den Dank der Versammlung zum Ausdruck bringt. Ritterguisbesitzer Dr. v. Thielau auf Lampersdorf, Kreis Franken- stein, der Senior der Schlesischen Gesellschaft, hat auf eigene Kosten 106 Jahres - Bericht \ „Berichte über das Floren-Gebiete des Eulengebirges, von Wilhelm Roth, Webermeister in Langenbielau‘“ und ‚Laubmoose und Gefäss- Kryptogamen des Eulengebirges mit einer Uebersicht des Floren-Gebiets‘“ von demselben Verfasser drucken lassen und der Versammlung zur Dis- position gestellt. Ferner zeigte der Vorsitzende einen Strauss von Blumen aus der Moisdorfer Schlucht, welcher die heutige Excursion gilt. Apotheker Ende (Grottikau) machte Mittheilungen über einen blauen Farbstoff, der sich im faulenden Buchenholze findet (Xylochlor nach Bley) und besprach die eigenthümliche Erscheinung, dass der Samen von Alec- torolophus pulcher unter Einwirkung von Säuren dem Getreide resp. dem ' aus demselben hergestellten Mehl und Brot eine bläuliche Färbung giebt. Geheimrath Prof. Göppert bemerkte im Anschluss hieran, dass auch durch Samen von Melampyrum arvense im Getreide das Mehl leicht blau gefärbt wird und machte demnächst noch folgende Mittheilungen. Vom Rittergutsbesitzer Dr. v. Thielau, der keine Gelegenheit vorübergehen lässt, ohne sich der Schlesischen Gesellschaft nützlich zu zeigen, ist die Photographie einer alten, 24 Meter hohen, im Schlossgarten zu Lampersdorf wachsenden Linde (Pleischerlinde) eingeschickt, welche im Innern des hohlen Stammes von 1,5 M. Umfang Luftwurzeln getrieben hatte. Die Bildung von Luftwurzeln ist eigentlich nur eine Eigenschaft der tropischen Gewächse; bei uns kommt sie normal nur beim Epheu vor, zeigt sich dagegen in anormaler Bildung bisweilen in hohlen Weiden und Linden. Dr. Stenzel machte bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, dass in Breslau an der Uferstrasse in der Nähe der Ueberfähre eine Linde mit armesdicken Luftwurzeln sich befindet. Geheimrath Prof. Göppert präsentirte ferner einige seltene Pflanzen- früchte: zwei Früchte von Cstrus decumana von den Azoren, in Grösse und Gestalt kleinen Kürbissen ähnlich, Zapfen californischer Nadelhölzer (Pinus Sabiniana u. a.), Früchte einer Ceder von Libanon (8 Zapfen an einem Zweige), sowie die photographische Abbildung eines Cedernhaines auf dem Libanon. Herr Dr. Richard Sadebeck, der aus Berlin zur Versammlung erschienen war, dankte zunächst für seine Wahl zum Vicepräsidenten und besprach unter Vorlegung von getrockneten Exemplaren ein eigenthüm- liches Wachsthum der Scheinaxe von Juncus lamprocarpus Ehrh,, welchen er im September vorigen Jahres am nördlichen Ufer des Görden- see’s bei Brandenburg a. H. gefunden hatte. Die im normalen Zustande schief aufsteigende, unterirdische Scheinachse hatte mit dem Steigen des Wassers im vorigen Frühjahre eine fast verticale Wachsthumsriehtung an- genommen und ihre Spitze weit über die Oberfläche des Bodens erhoben. Der darauf folgende ausserordentlich trockene Sommer bewirkte ein be- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 107 deutenderes Zurücktreten des Wassers als gewöhnlich, so dass endlich die Vegetationsspitze und der ganze obere, vertical gerichtete Theil der Scheinaxe vollständig frei emporragte. Der bei dieser Pflanze sonst weniger hervortretende Geotropismus machte sich nun als stark positiver Geotropismus geltend; die Vegetationsspitze wurde von ihrer, vorher nur durch äussere mechanische Mittel bewirkten, verticalen (scheinbar also negativ geotropen) Wachsthumsrichtung abgelenkt und wuchs, erst einen Bogen beschreibend, alsdann fast lothrecht dem Boden zu. Die Wurzeln welche ihr positiv geotropes Wachsthum während des ganzen Vorganges nicht veränderten, zeigten somit jetzt dieselbe Wachsthumsrichtung, wie die Vegetationsspitze. Sobald letztere wieder den Boden berührt hatte, sing das lothrecht nach abwärts gerichtete Wachsthum allmählich (eben- falls in einem Bogen) in die mehr horizontale Richtung über. Die Scheinaxe wurde jetzt wieder kriechend; sie erschien später an der eben beschrie- benen Stelle henkelartig. Derselbe Vortragende demonstrirte darauf ein sehr auffallendes morphologisches Verhalten gefüllter Kirschblüthen. Ausgehend von der bekannten T'hatsache, dass in den gefüllten Kirsch- blüthen die Carpelle meist getrennt erscheinen, zeigte der Vortragende, dass hier ähnlich wie bei den Rosen im Innern der ersten Blüthe neue Sprossungen auftreten, welche zu mehr oder weniger vollständigen Blüthen sich entwickeln und wiederum stets je zwei getrennte Carpelle zeigen. Am auffallendsten jedoch erwies es sich, dass laterale (auf dem Kelch- rande) und axile Sprossungen in derselben Blüthe sich entwickelten. Bei denselben wächst zunächst das im normalen Zustande sehr wenig aus- gebildete Receptaculum stielartig weiter und trägt an seinem Ende wiederum eine gefüllte Blüthe (zweiter Ordnung), mit Kelch, Blumenblättern und 2 getrennten Carpellen, welche jedoch stets verschieden hoch dem auch in dieser Blüthe wieder stielartig verlängerten Receptaculum (zweiter Ord- nung) inserirt sind. Das Vorkommen von Staubblättern in den axilen Blüthen zweiter Ordnung ist sehr selten. Als Eigenthühmlichkeit für diese Varietät wurde noch hervorgehoben, dass dieselbe 2—3 Wochen später zur Blüthe gelangt, als die Grundform mit ungefüllten Blüthen. Schliesslich zeigte derselbe Vortragende rothes Wasser vor aus einem Teiche bei Neutershausen bei Bebra, welches von Zeit zu Zeit blutroth wird und im März d. J. dieselbe Erscheinung gezeigt hatte. Vortragender hatte von Herrn Geheimrath Ehrenberg, welchem eine Probe dieses Wassers zugesendet worden war, dieselbe zur Untersuchung erhalten und durch geeignete Cultur in einem nur wenig veränderten Zu- stande conservirt. Eine bei 800facher Vergrösserung genau angefertigte Zeichnung zeigte den Anwesenden, dass hier kein Chlamydococcus die Ursache dieser Erscheinung war, sondern ein in die Klasse der Bacterien 108 Jahres - Bericht (gen. Micrococcus) zu rechnender Organismus, dessen rothes Pigment im Wasser löslich ist. Prof. Ferdinand Cohn machte demnächst Demonstrationen von einheimischen insectenverzehrenden Pflanzen. Vermittelst eines Handmikroskops demonstrirte er der Versammlung Blasen der Utrieularia vulgaris, in welchen 2—10 kleine Wasserkrebse (Cypris, Cyeclops, Daphnia) sich gefangen halten, ohne dass sie wieder heraus konnten; sie werden in den Blasen festgehalten bis sie abgestorben sind und höchst wahrscheinlich von der Pflanze verdaut. Dasselbe findet in den durch Faltung der reizbaren Blattspreite gebildeten Fallen der Aldrovanda vesiculosa statt, von welcher Vortragender lebende Pflanzen durch die Güte des Herrn Apotheker Fritze in Rybnik erhalten hatte. (Vgl. die Abhandlung des Vortragenden: Ueber die Function der Blasen von Aldrovanda und Utricularia in dessen: Beiträge zur Biologie der Pflanzen Band I, Heft II, p. 71, Taf. I.) Hierauf zeigte derselbe zwei von Consul Ed. Haber aus Guatemala mitgebrachte Trinkschalen, interessante Producte autochthoner Technik der westamerikanischen Indianer, aus Calebassen, Kürbissen geschnitzt, welche die Eigenschaften haben, durch Verdunstung das Wasser kühl und frisch zu halten. Schliesslich demonstrirte Prof. Ferdinand Cohn | neue anorganische Zellen. | Bekanntlich hat Dr. Moritz Traube in Breslau im Jahre 1867 in Reichert’sund Du Bois Archiv die höchst wichtige Entdeckung bekannt gemacht, dass man durch Zusammenbringen zweier Flüssigkeiten, welche mit ein- ander einen amorphen unlöslichen Niederschlag bilden, unter gewissen Umständen Membranen erzeugen könne, welche in mehreren wesentlichen Eigenschaften, insbesondere in ihren Diffusionserscheinungen, sowie in der Fähigkeit des Wachsthums durch Intussusception, den Membranen lebender Zellen vergleichbar sind; es ist ihm selbst gelungen, durch sinnreiche Methode künstliche anorganische Zellen zu erzeugen. Als Membranbildner benutzte Traube in der Regel Leim in Berührung mit Tanninlösung, oder Kupfersalze in Berührung mit gelber Ferrocyankalium- lösung. (Vgl. dessen „Experimente zur physikalischen Erklärung der Bil- dung der Zellenhaut, ihres Wachsthum durch Intussusception und des Aufwärtswachsens der Pflanzen“; Sitzung der botanischen Section der Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Breslau vom 23. Sep- tember 1874; amtlicher Bericht über die Versammlung p. 191.) Prof. Reinke in Göttingen hat seitdem als Membranbildner für anorganische Zellen Wasserglas in Verbindung mit verschiedenen Metallsalzen (Eisen Kupfer, Kobalt) vorgeschlagen und auch zur Theorie dieser Zellen werih- er De a a Er an En ’ er 0 A u der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 109 volle Beiträge geliefert. (Notiz über das Wachsthum anorganischer Zellen, Botanische Zeitung von De Bary und Kraus für 1875 p. 425.) An- knüpfend an die Reinke’schen Versuche demonstrirte Prof. Cohn zwei überaus instructive Methoden zur Darstellung anorganischer Zellen. In einem Glascylinder von etwa 30 cm. Höhe und 5 cm. Durchmesser wurde eine klare, fast farblose Lösung von käuflichem Wasserglas gebracht, und etwa mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt, sodann ein Brocken von Eisenchlorid (Ferrum sesquichloratum) hineingeworfen, welches bekanntlich in gelben krystallinischen Krusten käuflich ist und leicht in kleinere Stücke zerschlagen werden kann. Um den Eisenchloridbrocken bildet sich augenbicklich eine zarte Membran, von welcher eine Anzahl dünnerer Schläuche von rostrother Farbe entspringen, die rasch in die Höhe wachsen. Und zwar verlängern sich die in der Regel federkiel- dieken Schläuche abwechselnd in aufsteigender, in horizontaler und selbst absteigender Richtung; wird durch ein aufsteigendes Luftbläschen die Lö- sung des Eisensalzes rasch in die Höhe gerissen, so wächst, wie schon Reinke bemerkte, die dasselbe sofort umhüllende Fällungsmembran in Form einer gewundenen Röhre oder freier Ranken äusserst geschwind empor, indem sie gleich einer schwärmsnden Rakete rasch von ihrem Wege ablenkt, und einen neuen einschlagend explosionsartig hin und her schwankt, auch wohl kürzere Zeit pausirt, bis sie die Oberfläche der Flüssigkeit erreicht und hier sich zu einem schwimmenden unförmlichen ‚Säckchen ausbreitet. Dadurch bekommen die Schläuche mit ihren wulstig abgerundeten Windungen ein eingeweideartiges Ansehen; ihr Inhalt wird bald undurehsichtig, rostroth, offenbar Eisenoxydhydrat. In vieler Beziehung noch interessanter als die schon von Reinke dargestellten Zellen aus Eisenchlorid, sind die wie ich glaube bisher noch nicht beschriebenen Erscheinungen, wenn man in den Cylinder mit ver- dünntem Wasserglas einen etwa erbsen- oder bohnengrossen Brocken von Eisenchlorür hineinwirft; das letztere kommt im Handel bekanntlich als ein gelbliches Pulver vor, das sich jedoch leicht zu grösseren Klümpchen ballt. Der Eisenchlorürbrocken bekleidet sich mit einer zarten Haut, die zu einer grösseren Blase anschwillt; an ihrer Oberfläche entspringen eine grosse Zahl dieht neben einander liegender, federkieldieker, darmartig gewundener Schläuche, die nach kurzem Verlauf sich in eine Unzahl haarfeiner, farbloser Fäden auszweigen. Diese Fäden, senkrecht nahezu parallel neben einander aufsteigend, bilden ein Bündel steifer langer Borsten, dem Rasen einer Conferve oder noch mehr den Glasfäden- büscheln eines Hyalonema vergleichbar. Jede dieser Borsten wächst stetig mit mässiger Geschwindigkeit durch Spitzenwachsthum in die Höhe, und zwar nicht geradlinig, sondern schwach ziekzackartig gebrochen, einer Vaucheria täuschend ähnlich; an den Biegungen zweigen sich feinere Aeste ab, die dem Hauptfaden parallel laufen, oder auch mit ihm ana- 110 Jahres-Bericht stomosiren. In einem Fall betrug die Länge des Fadenbündels 5 Minuten nach Beginn des Versuchs 2 em., nach 30 Minuten 9, nach einer Stunde 12 em. Trotz der ziekzackartigen Biegungen behalten jedoch die Fäden ihre senkrechte Richtung bei, da ihr Spitzenwachsthum, wie Traube ge- zeigt, unter dem Einfluss der Schwerkraft steht; neigt man den Glas- eylinder seitlich und kommen in Folge dessen die steifen Borsten in eine geneigte Lage, so biegen die fortwachsenden Spitzen sich augenblicklich im Winkel aufwärts, und verlängern sich in der Lothlinie weiter; diesen Versuch kann man beliebig oft wiederholen. An der wachsenden Spitze ist die Membran der Fäden überaus zart; bald aber wird sie, wie Reinke genauer ausführte, durch Diekenwachsthum sehr fest, so dass man die gesammte Flüssigkeit aus dem Glascylinder ausgiessen kann, ohne dass selbst die zartesten Fäden sich umbiegen; wohl aber sind sie brüchig. Die Fäden sind anfangs durchaus wasserhell und nur sehr schwach grün- lich; doch erkennt man bald und zwar zuerst am Grunde, dass sie sämmtlich hohl sind; man unterscheidet an ihnen eine glashelle Membran und als Inhalt anfänglich eine grünliche Flüssigkeit, bald aber einen amorphen schwarzen Niederschlag, der niemals, ausser in zerbrochenen Fäden, roth erscheint. Ueberaus merkwürdig ist das Verhalten eines kleinen Eisenchlorür- bröckchens, wenn man dasselbe bei sehr schwacher Vergıösserung unter dem Mikroskop in einem Schälehen mit verdünnter Wasserglaslösung beobachtet. Um das Bröckchen bildet sich sofort eine durchaus homogene zarte Membran, einer Cellulosehaut optisch durchaus ähnlich; das Eisen- chlorür, welches den Zelleninhalt bildet, löst sich rasch zu einer Flüssig- keit auf und zeigt die Anwesenheit äusserst lebhafter Diffusionsströmungen, die an Protoplasmaströme erinnern. Die anorganische Zelle bildet sofort amoeboide abgerundete Fortsätze, die rasch an allen Seiten ihrer Peripherie hervorsprossen; von diesen erhebt sich bald ein Filz kurzer, kraus durcheinander yeflochtener, überaus feiner Härchen und Röhrehen; oder, indem die künstliche Zelle an der Oberfläche der dünnen Wasserschicht schwimmend sich ausbreitet, und ihr Wachsthum in ‚verticaler Richtung dadurch unmöglich wird, spriessen an ihrem Rande zahllose dünne, trichter- oder trompetenförmige Schläuche radial hervor, die sich an ihrem Scheitel bald diehotomiren, und eng an einander ge- lagert, unter beständig wiederholten Gabelungen eine an den Thallus ge- wisser Meeresalgen erinnernde Pseudomembran zusammensetzen. Es lässt sich unter dem Mikroskop kaum ein interessanteres Schauspiel beobachten, als dieses Wachsthum der an die Typen der Thallophyten so wunderbar erinnernden Kieselzellen. Welche chemische Vorgänge diesen Erscheinungen zu Grunde liegen, erfordert noch eine genauere Untersuchung. Man könnte hier einfach eine ähnliche Doppelzersetzung der angewendeten Salze annehmen, wie sie ee se, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 111 nach Traube’s glänzender Entdeckung den durch Berührung von Kupfer- salzen mit Blutlaugensalz gebildeten anorganischen Zellen zu Grunde liegt; hiernach würde aus Eisenchlorür und kieselsaurem Kali eine Zelle erzeugt werden, deren Membran aus kieselsaurem Eisenchlorür und deren Inhalt aus Eisenchlorürlösung besteht. In Wirklichkeit ist jedoch der Vorgang wohl eomplieirter. Giesst man in verdünntes Wasserglas eine Lösung von Eisenchlorür in Wasser, so wird augenblicklich eine Kieselgallerte aus- gefällt. Offenbar scheidet sich auch an der Berührungsfläche mit der Eisenchlorürlösung aus dem kieselsauren Kali eine Kieselgallerte aus, die alsbald zu einer festen Membran erhärtet; da die Umwandlung des in der Kieselzelle eingeschlossenen Eisenchlorür in Eisenoxydul oder Eisen- oxydoxydul auf weitere chemische Zersetzung hinweisst, so bedarf es wohl noch näherer Feststellung, ob die Membran aus einer und aus welcher Eisenverbindung, oder ob sie nicht theilweise aus reiner Kiesel- säure besteht. Die Membran dieser künstlichen Kieselzellen verhält sich den Diatomeen und anderen verkieselten Zellhäuten ins- besondere auch darin analog, dass ein Wachstlium durch Intussusception nur eine ganz kurze Zeit bei ihrer ersten gallertartigen Entstehung möglich ist, während die erstarrte Haut keiner weiteren Dehnung sondern nur der Ver- diekung fähig ist. Da der Inhalt der Zellen sich später in amorphes Eisen- oxydoxydul umwandelt, so muss die Kieselmeinbran wohl die Endosmose des Kali, nicht aber die Exosmose des Eisens gestatten, den Zutritt von Sauerstoff aber ins Innere der Zelle bald verhindern, da sich niemals Eisenoxydhydrat in dieser ausscheidet. Dr. Eidam (Breslau) sprach unter Demonstration von Abbildungen und mikroskopischen Präparaten über die Keimung der Sporen von Agaricus coprophilus Bull. und Agaricus fascicularis Pers. Dieselbe erfolgt durch Sprengung des Exosporiums, worauf eine kuglige Blase hervortritt; mit Hilfe von Objectträgereulturen gelang es, das wei- tere Auswachsen derselben zu einem reichlich verästelten Mycelium und an diesem die Entwickelung von äusserst zahlreichen in Gruppen oder vereinzelt stehenden Specialästen nachzuweisen. Das Wachsthum der letzteren ist ein begrenztes; sie theilen sich bald durch Scheidewände in zahlreiche kurze Gliedzellen. So entstehen kettenförmige Gebilde, die sich von den Mycelfäden isoliren und theils einzeln theils zu mehreren locker vereinigt in der Nährflüssigkeit herumliegen. Diese kleinen, reich mit Plasma erfüllten, länglich eylindrischen Zell- chen werden aber bei den zwei angeführten Pilzen in verschiedener Weise hervorgebracht. Bei Ag. .coprophilus erscheinen sie an den Enden der Haupt- und Nebenäste des Myceliums, bald einseitig, bald auf beiden Seiten in dichten Gruppen, wobei der Mycelast an solchen Stellen oft aufschwillt und sich bis an 90 Grad herumbiegt. Bei Ag. fascicularis 112 Jahres -Bericht \ dagegen, einem in unsern Wäldern und Gärten an modernden Strünken ziemlich häufigen Hutpilz, zeigten sich sowohl an den Ausstrahlungen der Mycelien als an der ganzen Länge derselben auf allen Seiten und in un- regelmässiger Weise solehe dünne, bischofstabartig gewundene Aus- wüchse, oft zu 2 oder 3 bei einander, bisweilen verzweigt und von sehr bedeutender Länge. Im Uebrigen jedoch war ihr weiteres Verhalten das nämliche wie bei Ag. coprophilus.*) Dr. Meusel äusserte sich über eine Bodenuntersuchung, anknüpfend an den auf der Taschenstrasse in Breslau ausgehobenen Boden, wo in 4 Meter Tiefe reine Kiesschicht, überlagert von reiner Humusschicht, sefunden wurde. Die Feuchtigkeit der Kiesschicht enthält Nitrate, mehr noch aber wurden grünliche Knollen beobachtet, durch phosphorsaures Eisen gefärbt, an Menge allein auf der alten Taschenstrasse gegen 800 Centnern Phosphorsäure entsprechend. Eine solche massenhafte Bil- dung von Vivianit ist unter dem Strassenboden noch nicht beobachtet worden. Noch höher sind dieselben Knollen mit Ammoniak imprägnirt. Die flachliegende Erde enthält Leuchtgas und theerige, für die Pflanzen- eultur durchaus ungeeignete Substanzen. Nachdem noch der Tagespräsident Dr. Peck den Herren in Jauer, welche sich um die Aufnahme der Mitglieder der botanischen Seclion so verdient gemacht, im Namen der Versammlung seinen Dank ausgesprochen, wurde die wissenschaftliche Sitzung um 10%/, Uhr geschlossen. In langer Wagenreihe traten hierauf die Theilnehmer der Versamm- lung, an Zahl nahezu 200, die Fahrt nach Moisdorf an, das, wie die Festschrift des Lehrers Scholz in Jauer besagt, in seinen Bergen und Schluchten zwar keine himmelhohen Felsen, keine rauschenden Wasser- fälle, weder die prächtige Flora des Hochgebirges, noch die Raritäten der Sumpf- und Moorfläche bietet, aber dennoch seine eigenthümlichen Reize besitzt und stellenweise sogar einen überraschenden Anblick gewährt. =) In Folge der von Rees und van Tieghem gemachten Entdeckungen über die Keimung der Coprinussporen und die jungen Hutanlagen an den ent. stehenden Mycelien — die einzigen überhaupt bis dahin mit Erfolg ausgeführten Untersuchungen nach dieser Richtung - mussten die abgegliederten Zellen deren Keimung nicht gesehen wurde, als Spermatien und männliche Befruchtungskörper betrachtet werden. Dieselbe Ansicht habe ich in der Botanischen Zeitung, Jahrg, 1875, ausgesprochen, wo die ganze beobachtete Entwicklung der hier erwähnten Pilze und der ähnlichen von Ag. mutabilis in ausführlicher Weise und mit Abbil- dungen geschildert ist. Seitdem hat jedoch van Tieghem bei Coprinus- und Agaricusarten die Keimung dieser ‚„‚Spermatien‘ beobachtet und er sowohl wie Brefeldsind der Ansicht, dass die Entstehung des Fruchtkörpers der Hutpilze auf geschlechtslosem Wege vor sich geht. Obige Gebilde dürften daher wahrscheinlich eine Art von Conidien sein, deren Vorkommen bei den Hutpilzen bisher ganz unbe- ‚ kannt war, aber dennoch ein ziemlich häufiges zu sein scheint. Eidam, EN der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 113 Das reizend gelegene, nur eine Meile von Jauer entfernte Dorf wird seiner ganzen Länge nach in der Riehtung von Norden nach Süden vom Plader- bache durchströmt. Je mehr man sich dessen Quelle nähert, dem so- genannten „Tilleborn“, desto mehr treten die oft sehr steilen Urthon- schieferfelsen zusammen und bilden ein enges romantisches Thal, dessen Schönheit an Fürstenstein erinnert und mit Recht „Klein Fürstenstein‘ genannt werden könnte. Von der Gutsherrschaft sorgfältig gepflegte An- lagen verbinden sich mit den Reizen der Natur. An der „Gemsenkirche‘“, nahe dem mächtigen Scolopendriumfelsen, wurde Halt gemacht und hier zunächst für eine leibliche Erfrischung Sorge getragen, für welche der Dampfbrauereibesitzer Paul Bänsch in Jauer in entgegenkommendster Weise das Material gespendet, das sich offenbar des grössten Beifalls erfreute. Prof. Körber brachte die Idee in Anregung, zur Erinnerung an den ‚hochverdienten Präses der Schlesischen Gesellschaft eine Birke „Göppert’s Ehre‘ zu benennen, vorbehaltlich der Genehmigung des Grundherrn von Moisdorf, Kammerherın v. Prittwitz. Letzterer, der eben in Begleitung seiner Familie auf dem Platze erschien, erklärte sich gern dazu bereit und bat, zu diesem Erinnerungsbaum keine leicht zerbrechliche Birke sondern eine kräflige Eiche zu wählen. Ein Toast Prof. Körbers auf Kammerherrn v. Prittwitz und des Dr. Jänsch auf die Beamten des Gutsherrn beendeten die Erholungspause und ein Theil der Botaniker trat auf dem früheren Wege, ein andrer mit einer kurzen Exeursion auf die nächsten Anhöhen die Rückkehr durch den Grund nach dem Dorfe Moisdorf an, von wo aus die Wagen die Gesellschaft zurückbeförderten. Kaum waren die letzten ins Schiesshaus nach Jauer zurückgekehrt, als sich ein heftiger Gewitterregen einstellte, der jedoch noch früher aufhörte als das Diner, welches die Botaniker jetzt vereinte, und der sich nur in seiner angenehmen staublöschenden Eigenschaft bemerklich gemacht hatte. Das Diner selbst befriedigte auch materiell in hohem Grade und verdient die Kochkunst des Wirthes im Schiesshause nicht ohne Erwähnung zu bleiben. Die Reihe der Toaste war eine stattliche, ernstere Reden wechselten mit heitrem Scherz und zündendem Humor. Den Toast auf Se. Majestät den Kaiser brachte der Tagespräsident Dr. Peck aus. Bürgermeister Lindemann (Jauer) liess die botanische Section, die er zu recht bal- diger Wiederholung des Besuchs aufforderte, hoch leben; Staatsanwalt v. Uechtritz brachte ein Hoch aus auf den Präses der Schlesischen Ge- sellschaft Prof. Göppert, der seinerseits auf das Comit& von Jauer, welches in der ausgezeichneten Aufnahme der Gäste so Anerkennenswerthes ge- leistet, toastete.e Wir wir hören, können Dr. Jänsch und Apotheker Hartung (Jauer) den Löwenantheil dieses Dankes für sich in Anspruch nehmen. 114 Jahres- Bericht Dr. Sadebeck brachte von der märkischen Schwester der schlesischen botanischen Section wissenschaftlichen und collegialischen Gruss; sein Trinkspruch galt dem Secretair der botanischen Section, Prof. Cohn, welcher in humoristischer Rede den Tagespräsidenten Dr. Peck (Görlitz) hoch- leben liess. Appellationsgerichtsrath Witte (Breslau) leerte sein Glas auf die Frauen und Jungfrauen von Jauer, Apotheker Hartung auf Prof. Körber, dieser auf die anwesenden Exoteriker, der Kreis-Landrath v. Skal auf die Frauen und Jungfrauen der Botaniker, Prof. Poleck auf Dr. Jänsch u. s. w. Gegen 6 Uhr wurde die Tafel aufgehoben und die Gesellschaft war eben auf dem Bahnhof angelangt, als abermals unter grollendem Donner und zuckenden Blitzen sich ein Regen- und Hagelschauer entlud, dessen Betrachtung durch die geschlossenen Fenster der wohlverwahrten Coupe’s auch sein Interesse bot. Wohl sämmtlichen Theilnehmern wird diese in jeder Beziehung ge- lungene Wanderversammlung in angenehmer Erinnerung verbleiben. Bei Beginn der Sitzungen im Wintersemester gedachte der Seeretair Prof. F. Cohn zuerst des am 29. März 1875 geschiedenen Mitgliedes, Dr. David August Rosenthal; geboren zu Neisse am 16. April 1821, studirte derselbe zu Breslau Mediein und promovirte daselbst am 22. De- cember 1845 auf eine Dissertation, ‚de numero aique mensura microscopica Jibrillarum elementarium systematis cerebro — spinalis symbola‘“, welche Pur- kinje gewidmet ist, nachdem er schon vorher eine Schrift de situ viscerum veröffentlicht hatte. Rosenthal liess sick als praktischer Arzt zuerst in Kempen, 1846 in Landsberg O/S., 1850 in Ohlau, seit 1855 in Breslau nieder und wirkte hier insbesondere auch als städtischer Armenarzt mit Aufopferung, trotz seiner in den letzten 12 Jahren durch Brustleiden untergrabenen Gesundheit. Eine idealistisch angelegte Natur von un- gewöhnlich vielseitiger Bildung, entfaltete er gleichzeitig eine umfassende schriftstellerische Thätigkeit, namentlich auf dem Gebiete der poetischen und theologischen Literatur, über die hier zu berichten nicht der Ort ist; eine innige Neigung führte ihn der Botanik zu; insbesondere interessirten ihn die culturgeschichtlichen Beziehungen der Pflanzenwelt, über die er in Zeitschriften, sowie in den Sectionssitzungen anziehende Mittheilungen machte. Sein Hauptwerk ist die „Synopsis plantarum diaphoricarum‘‘ Er- langen 1862, eine systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Gift- pflanzen aller Länder, mehr als 12,000 Arten umfassend, ein Zeugniss seines immensen Sammelfleisses und eine unerschöpfliche Fundgrube für Alles, .was auf die praktische Benutzung der Pflanzen Bezug hat. Rosen- thal hatte sehr reichhaltige, mehr als 2500 Arten umfassende Nachträge zu seinem Buche druckfertig ausgearbeitet, die leider noch nicht zur Ver- öffentlichung gelangt sind. Ri U HER SE a SC aaa Ka arzt ee a der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 115 Ein treuer anspruchsloser Naturbeobachler war der im vorigen Sommer nach mehrjährigen Leiden im Alter von etwa 50 Jahren ver- storbene Bibliothekar der Gravenhorstschen Bibliothek am Königl. Zoo- logischen Museum, Robert Nising. Er hatte sich in allen drei Natur- reichen gründliche Kenntnisse erworben und sich insbesondere auch durch eifrige Sprachstudien mit der ausländischen Literatur wohl vertraut ge- macht; seine Lebensfreude fand er in der Anlage einer ungewöhnlich reichen Privatbibliothek, die er testamentarisch den gemeinnützigen In- stituten der Stadt Breslau vermachte. Die historischen und literarischen Werke fielen den Volksbibliothekenund der Siadtbibliothek, die zoologischen dem zoologischen Museum zu, während die botanischen und allgemein naturhistorischen Schriften eine werthvolle Bereicherung der Bibliothek unserer Gesellschaft geworden sind. Die Freunde bewahren dem beschei- denen herzensguten Manne ein treues Andenken. Am 283. Juli starb in Langenbielau in seinem 56. Lebensjahre der Webermeister Wilhelm Roth, der von seltenem Eifer für die botanische Erforschung seiner Heimath, des Eulengebirges erfüllt, sich eine umfassende Kenntniss nicht blos der Phanerogamen, sondern auch der Gefässkrypto- gamen und Laubmoose angeeignet hatte. Die letzteren hatte er grossen- theils selbst mit Hilfe von Milde’s Bryologia silesiaca bestimmt, und nur für die schwierigen den Beirath von Milde und Limpricht benutzt. Er entdeckte unter andern Orobanche flava auf Petasites alba; durch seinen Gönner, den Herrn Dr. v. Thielau auf Lampersdorf, der ihn in wissen- schaftlicher und materieller Beziehung freundlichst unterstützte, wurde er in den Stand gesetzt die Resultate seiner Excursionen in zwei kleinen, zur Gratisvertheilung bestimmten Schriften: Laubmoose und Gefässkryp- togamen des Eulengebirges nebst einer Uebersicht des Florengebietes, Glatz 1874, und Berichte über das Florengebiet des Eulengebirges 1875 zu ver- öffentlichen. Nicht blos die grosse Zahl der von Roth beobachteten und bestimmten Pflanzen, sondern vorallem auch die Rinleitungen dieser Schriften, welche die pflanzengeographischen Verhältnisse des Bulengebirges mit Verständniss in anziehender Form behandeln, geben ein rühmliches Bild von dem Streben und der autodidaktischen Bildung des in beschei- denen Lebensverhältnissen stehenden Mannes. In den Sitzungen am 28. October und 11. November 1875 hielt der Secretair Professor Cohn einen ausführlichen Vortrag über insectenverzehrende Pflanzen mit Beziehung auf Darwin’s Buch: ‚‚Insectivorous plants, London 1875.“ Während eines längeren Aufenthalts im Bade Liebwerda bei Böhmisch- Friedland im August 1875 wiederholte er die Darwin’schen Untersuehun- gen an Drosera rotundifoha, wobei ihn der Ehrwürdige Dechant Menzel 8* 116 Jahres - Bericht \ zu Neustädtl, der Freund Corda’s und naturhistorische Erforscher des Isergebirges, freundlichst durch Zusendung lebenden Materials unterstützte; dadurch wurde er in den Stand gesetzt, nicht blos die schon von Meyen entdeckte, aber seitdem wieder in Vergessenheit gerathene Rotation des Protoplasma in den Zellen der Drüsenhaare, sowie die schon von Milde und Nitschke beschriebenen Bewegungserscheinungen der letzteren zu bestä- tigen, sondern vor allem auch die von Darwin gemachten glänzenden Ent- deckungen über Secretion, Digestion und Irritabilität sowie über das wunder- bare Phänomen der Aggregation zu wiederholen; über letzteres behält er sich weitere Mittheilungen bevor, da seine Auffassung des Phänomens von der Darwin’s abweicht. In der Sitzung vorm 25. November verlas Professor Cohn Mit- theilungen des Oberstabsarzt Dr. Schröter in Rastatt über neue, von demselben beobachtete Arten resp. Standorte von Pilzen, welche er für das Herbarium der Gesellschaft eingesendet hat. D) Synchytrium sanguineum n. sp. Auf Cirsium palustre. Bildet blutrothe Krusten auf den Wurzelblättern. Gehört in die Gruppe Eusynchy- _trium, steht $. Taraxaci nahe, ist aber wohl speeifisch verschieden und geht auf diese Pflanze nicht über. — Bei Herrenalb im Schwarzwalde seit 2 Jahren beobachtet. i 2) Cystopus candidus (Pers.) auf Lepidium graminifolium. — Capo d’Istria bei Triest. 3) Oystopus Lepigoni DBy. auf Spergularia media. — Capo d’Istria. 4) Peronospora (Calothecae) Lini n. sp. Conidienträger 8 bis 10 mal sparrig diehotom verzweigt, Endäste pfriemlich, fast grade; Co- nidien elliptisch 18 bis 20 Mik. lang, 13 breit, erst farblos, dann hell- bräunlich. Oosporen 22 bis 26 Mik. im Durchmesser; Epispor mit un- deutlicher kleingenetzter Zeichnung, — An Linum catharthicum. Rasen sehr klein, schwer wahrnehmbar. — Wiesen um Rastatt. August. — Ist der Per. Chlorae DBy. sehr ähnlich. 5) Per. violacea Berk. an Succisa pratensis. Diese Form, welche ich in vorigem Jahre vergeblich zu finden suchte, traf ich im August 1875 auf einer Wiese bei Rastatt ziemlich reichlich. Conidienträger und Oo- sporen verhalten sich ganz gleich wie bei der Form auf Dipsacus pilosus. 6) Geminella exotica n. sp. In dem Herbar der Kgl. Akademie zu München traf ich bei Durchsicht der Uredineen einen Pilz auf Cissus sicyoides DC. von Martins in Brasilien gesammelt, der als Pueccinia be- stimmt war. Er wies sich als eine Ustilaginee aus, welche die Frucht- knoten der Nährpflanze mit diekem schwarzen Sporenpulver ausfüllt. Die Sporen bestehen aus je 2 kugligen, an der Berührungsstelle abgeflachten der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 117 Zellen, sind 16 bis 18 mm. lang, 11 bis 12 breit, mit kastanienbrauner, etwas höckeriger Membran. 7) Puccinia pedunculata n. sp. auf Rumex scutatus. Ist P. Ru- mieis Fuckel. Dieser Name kann aber nicht beibehalten werden, weil P. Rumicis Lasch, eine viel ältere Benennung, einen ganz anderen Pilz auf Rumex Acetosa bezeichnet. Wimbachklamm bei Berchtesgaden. 8) Puccinia Tulipae n. sp. ist Pucc. Prostü in v. Thümen f. ausir., von Wallner bei Wien gefunden. Die Membran der Puceimie ist mit halbkugligen Warzen besetzt, dadurch ist sie von P. Prostii Duby, welche mit langen Stacheln besetzt ist, sehr verschieden. 9) Puceinia Passerinü n. sp. Ich erhielt sie zuerst von Professor Passerini aus Parma als P. Thesiü zugeschickt. Sie kommt auf Thesium intermedium vor. Von P. Thesii Chaill. unterscheidet sie sich durch leicht ablösliche, kurz gestielte Sporen, die mit einer dicht von halbkugligen Warzen bedeckten Membran versehen sind. Sie besitzt keine Uredo- sporen, wird aber von Aecidium begleitet. 10) Uredo alpestris n. f. Rothsporige Uredo auf Viola biflora. Die- selbe Form offenbar, welche Fuckel in Gesellschaft seiner Puceinia alpina auffand und als deren Stylosporenform auffasst. Ich habe den Pilz an den verschiedensten Orten der subalpinen und alpinen Region gefunden: z. B. im oberen Haslithale im Berner Oberlande, in der Wimbachklamm bei Berchtesgaden, auf der Passhöhe des Splügen, aber nie eine Puccinia an denselben Pflanzen gefunden. Ich glaube daher nicht, dass die Teeleuto- sporen des Pilzes eine Puccinia ist, eher möchte er zu Melampsora oder einer verwandten Uredinee gehören, 11) Hydnum Omasum Pan. Der Pilz bildete eine gelblich- weisse apfelförmige Masse, im oberen Theile mit kurzen büschligen Haaren bedeckt, im unteren, etwas hängenden Theile abwärts gerichtete, fast büschelige, etwa 4 mm. lange, spitze, ganzrandige Stacheln tragend. Die Innenmasse war schneeweiss und fest, glänzend, in die Stacheln strahlenförmig übergehend.. Das Hymenium bestand aus viersporigen Ba- sidien, die Sporen waren farblos, fast kuglig circa 4 mm. im Durch- messer, ihre Membran glatt. — Ich fand den Pilz an einem dicken, im Freien wachsenden Exemplare von Acacia Lophantha zu Bellagio am Comer See, im September. 12) Velutaria Hyperici n. sp. Becher fast sitzend, gewöhnlich einzeln oderzu2—3zusammen hervorbrechend. Aussen bräunlichgelb, kleiig, Scheibe olivenbraun. Schläuche cylindrisch, 8sporig. Sporen elliptisch oder eiförmig, ungetheilt 11—12 Mik. lang, 7 breit, mit dieken gelben Oeltropfen. — An abgestorbenen Stengeln von Hypericum perforatum. August. Bei Rastatt. 118 Jahres- Bericht N Sodann legte der Seeretair das erste Heft des ersten Bandes der schlesischen Kryptogamenflora vor, welches von der botanischen Section als Festgabe der Schlesischen Gesellschaft zur Feier des fünfzigjährigen Doetorjubiläums von Herrn Geheimrath Göppert in Angriff genommen wurde, und die Gefässkryp- togamen von Dr. Stenzel, die Laubmoose von Limpricht bearbeitet enthält. Herr Geheimrath Göppert legte vor: Mützen und Hüte, aus einem Scham vermuthlich Polyporus abietinus dargestellt, welche ihm von Professor Kanitz in Klausenburg eingesendet worden waren. Hieran knüpfte Prof. Göppert die Bemerkung, dass Hymenomyceten sehr häufig die Ur- sache der Zerstörung von Bäumen seien, so dass dieselben plötzlich um- fallen; er habe dies zweimal im botanischen Garten an Weiden beob- achtet, wo wahrscheinlich Polyporus suaveolens das Holz vermodern machte. Auch Professor Cohn erwähnt, dass eine Pappel in seinem Garten, welche durch einen starken Wind im vorigen Sommer mitten durchbrochen wurde, von einem Polyporus vermodert war. Hierauf hielt Herr Dr. Eidam einen Vortrag über Keimung und Fortpflanzung der Gasteromyeeten. Durch Aussaat der Sporen von Crucibulum vulgare und von Cyathus striatus in verschiedene Culturflüssigkeiten wurden ausgezeichnet schöne und kräftige Mycelien herangezogen. Die Keimung der Sporen geschieht nicht bei niederen Temperaturgraden, sie erfolgt erst bei etwa 15—18°C. und zwar in sehr spärlicher Weise; dagegen keimen nach 24—30 Stunden fast alle Sporen, wenn die Culturtropfen in constanter Wärme von 25°C. sich befinden. Vor der Keimung schwellen sie bedeutend auf, die von Orucibulum vergrössern sich um mehr als das Doppelte, sie werden voll- ständig kuglig und es treten ein oder zwei, bei Cyathus bis vier Keim- schläuche an unbestimmter Stelle hervor. Man erhält so bereits nach wenigen Tagen ein reichlich verästeltes Mycelium, welchem die Spore als aufgeblasener, vacuolenreicher Sack an- hängt; die Endausläufer verlassen den Nährtropfen, um in der Luft einen weissen, wolligen, oft zierlich verzweigten Filz darzustellen. Die Keim- fäden von Oyathus zeichnen sich durch ihren geradlinigen Verlauf aus und beim ferneren Wachsthum tritt an denselben die auffallende Neigung hervor, in grössere oder kleinere Theilstücke zu zerfallen. Entweder zerbröckelt das Mycelium selbst gänzlich in solche Gebilde oder es bleibt erhalten und einzelne Endigungen sowie zahlreiche Seitenäste septiren der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 119 sich vielfach, rollen sich ein und fallen dann in die Septa auseinander welche in sehr grosser Anzahl als Spiralen und vielfach geformte Ketten am Mycelium herumliegen. In einzelnen Fällen wurde eine Keimung solcher zerbröckelter Zellen beobachtet. Das Crucibulummycel zerfällt nicht in Theilstücke; es bekommt aber häufig, an seinen baumartig in die Luft sich erhebenden Endausläufern, kurze, leicht sich trennende Gliede- rungen. An den entwickelten Mycelien beider Pilze zeigen sich oftmals Schnallenzellen und man bemerkt zahlreiche Ausstülpungen, die an be- nachbarten Fäden auf einander zuwachsen, sich krümmen und gegenseitig dicht umschlingen und verwickeln, so dass in Folge derartiger Vereini- sungen das Mycel hie und da strangartige Beschaffenheit annimmt. End- lich sind sehr sonderbar und bizarr anssehende hirschgeweihartige Aus- wüchse zu erwähnen. In der beschriebenen Weise konnten die Mycelien wochenlang durch fortgesetzte Erneuerung der Nährlösung frisch erhalten werden. Sehr häufig zeigten sich in den Culturen andere Mycelien, von Sporen entstehend, welche von denjenigen des Crucibulum nicht unterschieden werden konnten. Anfangs mussten sie als diesem Pilz zugehörig be- trachtet werden, die weitere Entwickelung jedoch zeigte bald ihre gänz- liche Verschiedenheit und Selbstständigkeit. Sie verzweigten sich reich- lieh und erzeugten bei üppiger Nahrung theils an den Hauptstämmen, theils an Seitenästen ganz ähnliche Sprossungen, wie sie de Bary von Dematium pullulans beschrieben hat. Die abgegliederten hefeartigen Zellen sprossten aufs neue, so dass der ganze Tropfen oft reichlich damit ver- sehen war; immer aber zeigten die längeren oder kürzeren Sprossver- bände die Neigung, in langgestreckte Hyphen auszuwachsen. Dasselbe geschah vollständig, wenn die Bildungen vereinzelt in neue Nährlösung gebracht wurden; sie wuchsen dann zu reich gegliederten, oft torulösen und vom Centrum aus sich braun färbenden Mycelien heran, an welchen eine Unzahl von Fruchtkörperanlagen excentrisch entstanden. Letztere waren ähnlich den von Gibelli und Griffini in ihrer Arbeit über Pleo- spora herbarum beschriebenen. Durch weitere Beobachtung — sie bil- deten zuletzt lange Hälse und im Innern Unmassen von kleinen sogleich keimfähigen Sporen — sowie durch Vergleichung mit den Abbildungen und Beschreibungen Tulasne’s und der genannten italienischen Forscher wurden dieselben als Pyenidenformen von Pleospora herbarum erkannt. Vortragender machte zum Schluss darauf aufmerksam, dass er bei der Anlage dieser Fruchtkörper niemals einen ausgesprochenen Ge- schlechtsaet wahrnehmen konnte, Beobachtungen, welche durch die von van Tieghem und Brefeld kürzlich mitgetheilten Thatsachen über ge- schlechtslose Entstehung der Fruchtkörper von Pilzen ein hervorragendes Interesse gewinnen. 120 Jahres- Bericht Ueber die letzteren, überaus eigenthümlich ihrer Anlage und Aus- bildung nach sich gestaltenden Pyenidenformen, sowie über die Entwick- lung der besprochenen Gasteromycelen soll an anderem Orte ausführlicher und mit Abbildungen nächstens berichtet werden. In der Sitzung vom 9. December 1875 sprach Herr Geheimrath Göppert über die Linde. . Er erwähnte das rasche Wachsthum dieses Baumes, das hohe Alter, welches derselbe erreichen kann, und führt als Beispiele hiefür eine An- ‘ zahl in Deutschland wachsender Linden an. Darauf geht Redner über zur Besprechung der Selbstheilungen, welche die Linde sowohl als an- dere Bäume nach erlittenen Beschädigungen ausführen. Es zeigt sich dies auch bei den Frostrissen, welche in ihrer zerstörenden Wirkung jetzt vielfach im botanischen Garten zu. beobachten sind. Hierauf demonstrirte Vortragender die Photographie des ostindischen Brettbaums Heritiera minor Lam. nebst einem Stammquerschnitt; ferner eine ganz frische Maldivische Nuss Lodoicea Maldivica, auch im Querschnitt, und eine Brotfrucht, Artocar- pus incisa, die Herr Prof. Dr. Möbius ihm auf Veranlassung des Cultusministeriums geschickt hatte; er schilderte die Geschichte der ersteren, von dem silbergefass- ten Exemplar, welches die Engländer als Arznei des Admirales auf der un- überwindlichen Flotte oder der Armada erbeuteten, bis auf die Ent- deekung ihres wahren Ursprunges und ihrer merkwürdigen morphologischen Verhältnisse. Die Frucht selbst wird nun bereits seit 9 Monaten warm gehalten, ohne sich zum Keimen bequemen zu wollen. Sodann zeiste derselbe getrocknete Exemplare verschiedener, im vorigen Sommer im botanischen Garten zur Entwickelung gebrachter Ge- webspflanzen: Gossypium herbaceum mit Blüthen, besonders üppig durch reichliches Düngen mit Kuhmist erzogen, Forscalea tenacissima und Urtica nivea, ferner Ipomoea Batatas und Ipomoea purga. Ferner referirte er über ein interessantes Werk von dem Herrn Gartendirector Petzold in Muskau: Fürst Hermann von Pückler-Muskau, in seinem Wirken in Muskau und Branitz, sowie in seiner Bedeutung für die bildende Gartenkunst Deutschlands. „Eine aus persönlichem und brieflichem Verkehr mit dem Fürsten hervorgegangene biographische Skizze. Mit dem Portrait des Fürsten und einer Ansicht seines Grabmals im Parke zu Branitz. Gr. Octav 68 $. Leipzig, Verlagsbuchhandlung von Weber 1874.“ Der Herr Ver- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 121 fasser, bekanntlich ein Lieblings- und ohne Zweifel auch ausgezeichneter Schüler des um die bildende Gartenkunst so hochverdienten Fürsten, war daher auch vor Allen zu einer Darstellung seines epochemachenden Wirkens berufen. Er hat dieser Aufgabe auch auf eine Weise genügt, welche die grösste Anerkennung verdient. Referent zeigte dies durch ausführliche Schilderung des Inhaltes dieser interessanten Schrift, auf welche stets zurückzukommen sein wird, wenn es sich um Würdigung der Verdienste des Schöpfers der neueren Gartenkunst und der Beurthei- lung seines Hauptwerkes, des Parkes von Muskau handelt, zu dessen Pflege und Fortführung der Verfasser selbst als Beweis höchsten Ver- trauens von dem Verewigten berufen ward. Die Ausstattung des Werkes ist vortrefflich, wie denn die beiden oben genannten Lithographien ihm zu besonderer Zierde gereichen. Zum Vortrag kam ein Aufsatz des Lehrer Gerhard in Liegnitz: Ein Rundgang um den Jeschkendorfer See bei Liegnitz. Die Beobachtung einer für unsere Liegnitzer Specialflora neuen Pflanze, des Rumex palustris am Seedorfer See und der für Schlesien neuen Rosie auf Cicuta und Caltha an diesem resp. dem Jakobsdorfer See (beide von Dr. Schröter längst in Schlesien vermuthet), veranlasste mich, sämmt- liche hiesige Seeen wiederholt zu revidiren. So begab ich mich denn am 8. August 1875 mit dem Nachmittags- zuge nach Spittelndorf. Der Bahn entlang gehend, gelangte ich in 20 Minuten von da ans Süd-Ende von Jeschkendorf, von wo aus ich in der Richtung über Osten und Norden nach Westen den Rundgang trotz eines statt- gehabten Gewitterregens antrat. | Der langrunde, insellose, 105 Morgen grosse, bis 36° tiefe, flachufrige See ist auf 2 Seiten — im Osten und Süden — durchs Dorf begrenzt und hat weder Zu- noch Abfluss. Mitten in der Ostfront erhebt sich hart am See das weithin sichtbare, im gothischen Style aufgeführte Schloss des gegenwärtigen Gutsherrn, Hauptmann Zahn, mit prächtigem Ueber- blick üiber den See und der einzigen allerdiugs beschränkten Gelegenheit zu einer Kahnfahrt auf demselben. — Der im Kunitzer und Koischwitzer See nicht seltene Wels tritt im Jeschkendorfer nur sparsam auf. Ein schmaler Saum süssgrasiger Wiese, der in seiner äussersten Zone zahlreiche Bürger benachbarter Ackereulturen aufweist, umschliesst . zu zwei Dritieln den See. Meist nur wenige Schritte genügen, in den Gürtel der sauren Riete und durch dieseu direct an die unmittelbaren Ufer des Sees zu gelangen. Hier hindert gewöhnlich den Blick auf den freien Wasserspiegel eine schmaie, aber dichte Einfassung von Phragmites, untermischt mit Cicuta (rostfrei), Scirpus lacustris (Tabernaemontani scheint zu fehlen), Rumex Hydrolapathum, Lycopus europ., Siachys palustris, Typha angustifoha (latif. fehlt), Epilobium villosum und Seutellaria galericulata. N Aa re a U AR | 122 Jahres -Bericht \ Die Flora des offenen Wassers scheint, aus dem Angeschwemmten zu schliessen, fast nur aus Myriophyllum spicatum zu bestehen. Selten ist Polygonum amphibium var. aquaticum. Es möge nun das Namensverzeichniss der übrigen Arten in der Reihe folgen, wie sie beobachtet und notirt wurden. Die mit gesperrter Schrift ‘gedruckten Namen deuten häufiges Vorkommen an. 1) Ost-Seite: Pastinaca; Salix rubra; Epilobium hirsutum; Lythrum Salicaria; Scirpus acicularis; Poa compressa; Erigeron canadensis; Inula pulicaria; Polygonum lapathifolium; Sium; Mentha aquatica var. vertieillata BB hirsuta,; Potentilla Anserina; Lotus corniculatus; Odontites rubra; Euphrasia offic.,; Malva silvestris; Bidens tripartita; Chenopodium glaucum; Salix viminalis, fragilis; Populus nigra (strauchartig);. Lychnis flos cucui; Aira caespitosa; Trifolium fragiferum; Carum; Atriplex latifohum; Veronia scutellata; Vicia telrasperma, Cracca; Juncus ar- ticulatws; Ranunculus Flammula, Lingua; Menyanthes; Caltha (rostfrei); Lotus uliginosus; Sonchus asper;, Rumex crispus; Polygonum minus ; Glyceria luitans, spectabilis; Alisma Plantago; Juncus bufonius; Trifolium ‚filiforme;; Lathyrus pratensis ; Gahum uliginosum ; RI EN athyrsiflora; Cichorium; Sagina procumbens; Crepis virens. Näher der Dorfstrasse: Chenopodium album; Atriplex angustif.; Prunus spinosa; Leonurus; Euphorbia Peplus ; Midas rolundif.; alle 3 Arten von Lappa, Torylis. Weiter auf Wiesen: Trifolum pratense (das hier nicht ausdauert), procumbens; Plantago lanceolata; Lysimachia Nummul.; Mwyosotis palustris ; Juncus bulbosus; Galium palustre; Bellis; Leontodon Tarax. und Apargia auctumnalis; Polygonum amphibium var. terresire; Plantago major; Ajuga; Achillea millefol.; Lolium perenme; Silaus; Daucus; Centaurea Jacea. in einem kleinen Quellflüsschen ziemlich unvermischt und häufig Ricciella fluitans. 2) Nord-Seite: Lysimachia vulgaris; Glechoma; Hypochoeris ra- diata; Cnidium venosum, charakteristisch für Nord- und Westseite; Crepis biennis; Seleranthus annuus; Polygonum Convolvulus; Pennisetum glaueum; Linum catharticum; Armeria; — Lycoperdon gemmatum. 3) West-Seite: Allum acutangulum; Inula pratensis und salicina ; Suceisa; Ranunculus acris; Viola tricolor und persicifolia; Pimpinella Sazifraga; Campamula rotundif.; Myosotis strieta; Potentilla Tormentilla und mixta, letztere reichlich mit Phragmidium obiusum besetzt; Veronica Chamaedrys; Polygala vulgaris in Weiss; Hypericum perforatum ; Polygonum Persicaria; Myosotis hispida; Lolium temulentum, Trifohum arvense, Vieia sativa und villosa zwischen verkümmerter Avena sativa, die hier in einem kleinen Fleck angebaut war; ferner Rubus caesius; Tanacetum vulgare; Galium Aparine; Valeriana dioica; Senecio Jacobaea; .Thymus Serpylium ; Plantago media; Onidium venosum; Linum cathartic.; Rumex Acetos.; EDEN m { Vale 5 a a 7 a 4 SH Re x ” ve N: der Schles. Gesellschaft f. yaterl. Cultur. 123 Hydrocotyle; Iris Pseud-Acorus; Sanguisorba offic.; Inula salicina; Salia cinerea; Almus glutinosa ; Cirsium palustre und oleraceum; Achillew Ptarmica; Danthonia decumbens ; Carex Pseudocyperus. 4) Süd-Seite: Chenopodium glaucum; ein einziges kleines Exemplar von Rumex maritimus; Epilobium tetragonum; Polygonum Hy- dropiper; Hypericum tetrapterum; Trifohum arvense. Die Flora der Gramineen und Cyperaceen konnte nicht vollständig er- mittelt werden, da die Wiesen gemäht waren, dürfte aber Eigenthümliches kaum bergen. Ist nun auch die Zusammenstellung des Obigen erst das Resultat einer dreistündigen Nachmittags-Exeursion im Hochsommer, so dürfte doch der Schluss daraus zu ziehen sein, dass der Reichtbum an gemei- neren Arten nicht unbedeutender ist, als an den übrigen Seen der Lieg- nitzer Gruppe, dass er jedoch des Seltenen nur wenig, des Eigenthüm- lichen nichts bietet. Den späten Rückweg über Kunitz nach Liegnitz lohnte noch das Auffinden von Sorisporium Junei auf Juncus bufonius unmittelbar am Wege hinter Jeschkendorf im Strassengraben, meines Wissens der 25. Fundort für Schlesien. — Schliesslich wurde der bisherige Secretair der Section, Professor Dr. Ferdinand Cohn, für die Etatszeit 1876/77 wiedergewählt. Die wichtigeren Ergebnisse der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenilora im Jahre 187 5%*) zusammengestellt von R. von Vechtritz. Im Laufe des Jahres 1875 ist wiederum unser Florengebiet durch mehrere für dasselbe neue Species oder beachtenswerthere Varietäten bereichert worden; auch konnten in Betreff einiger theilweise schon *) Vorgelegt in den Sitzungen der botan. Section vom 2, und 30. März 1876. 124 Jahres "Bericht längere Zeit ins Auge gefasster kritischer Formen, namentlich der Gat- tungen Hieracium und Rosa die Beobachtungen zum Abschluss ‚gebracht werden. Als Resultat derselben hat sich für einzelne, schon den früheren Landesfloristen bekannte Arten eine andre Begrenzung ergeben, meist in der Weise, dass einige nicht naturgemäss unter denselben untergebrachte Formen als besondere Typen abgezweigt werden mussten. Die Mehrzahl der Fachgenossen, welche mich schon früher in dankenswerthester Weise durch reiche Spenden theils frischen theils getrockneten Materials unter- stützt haben, hat auch diesmal mehr oder weniger werthvolle Beiträge . geliefert. Namentlich gilt dies von den Herren: Kreisgerichts-Director F. Peck in Schweidnitz, Lehrer J. Zimmermann in Striegau, Lehrer F. W. Scholz in Jauer, Conreetor Höger in Landeshut, Apotheker E. Fiek in Friedland, Amtsvorsteher Strähler in Görbersdorf, Apo- theker M. Wetschky in Gnadenfeld, Apotheker E. Nagel in Peis- kretscham, Obergärtner J. Plosel jun. in Falkenberg O.-Schl., Pastor O0. Kotschy in Bystrzye bei Jablunkau, (ein Bruder des berühmten Orient-Reisenden), Professor Dr. P. Ascherson in Berlin, Registrator Kabath, Handelsgärtner E. Junger, Inspector H. Schulze und Bi- bliothekar L. Becker in Breslau, Diakonus W. Schultze in Neusalz und Lehrer Th. Hellwig in Grünberg. Die drei letztgenannten Herren haben sich zum Theil schon seit längerer Zeit vorzüglich um die Durch- forschung des früher wenig bekannten nordwestlichsten Gebietes, welches manches Eigenthümliche bietet, erhebliche Verdienste erworben. Um bei den ausführlicher besprochenen Gattungen den Zusammenhang nicht zu stören, sind diesmal die Novitäten nicht wie sonst gesondert, sondern in fortlaufender Reihe aufgeführt, jedoch durch gesperrte Schrift hervor- “ gehoben worden. Thalietrum flavum L. Grünberg: Wiesen im Blümelfeld (Hellwig). Nuphar luteum Sm. var. erythropetalum Caspary Peiskretscham in O.-Schles. (Nagel). Chelidonium majus L. var. Ch. laciniatum Mill. Ueberaus hoch- gradig entwickelte Individuen, von Gemüsefeldern bei Falkenberg in O.-Schles. (J. Plosel), bei welchen nicht nur die Blattabschnitte, sondern auch die Petalen stark zerschlitzt (mit oft fädlich-linealen Zipfeln) er- scheinen. Die Blattabschnitte sind am breitesten gegen die Spitze des Blattes, am schmälsten und meist bis auf die Mittelrippe redueirt, gegen dessen Basis. Die untersten Seitenlappen sind bisweilen zu ganz kurzen knospenartigen Wucherungen umgebildet, welche in einzelnen Fällen in wirkliche, zum Theil gefärbte Blüthentheile überzugehen beginnen. — Diese abnorme Form ist möglicherweise mit einer von A. Braun be- sprochenen aus den botanischen Gärten von Freiburg und Berlin identisch (vergl. Sitzungsbericht des bot. Vereins für die Provinz Brandenburg XXVI. 27. August 1875). ar 2 ln Due RE I a a > I ZT Tl RE FR N ee Be: Min TR a 7 BL Kl , W DI S ge | A all um der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 1235 Capsella Bursa pastoris Mnch. f. abortiva. Mit klein blei- benden, theilweise nicht zur völligen Entwicklung gelangenden rundlich verkehrt eiförmigen, vorn gestutzten oder abgerundeten, nicht ausgebuch- teten Schötehen,; um Breslau in manchen Jahren nicht eben selten und oft an den Standorten zahlreich; wie es scheint nur im Frühjahr und vielleicht eine in Folge ungünstiger Witterungsverhältnisse entstandene Deformität. Schon früher auf Aeckern um Lehmgruben bei Breslau be- obachtet (Ue.), im vorigen Jahre um Kleinburg (Kabath) und auf Feldern am letzten Heller, beim Bahnhofe von Hundsfeld, sowie am Eisenbahn- damme hinter dem Schiesswerder bei der neuen Kaserne, oft zahlreich von Stud. med. Ansorge gefunden. — Eine der C. gracilis Grenier, welche nach der Ansicht Boreau’s und Timbal-Lagrave’s eine Ab- normität der ©. rubella Reuter ist, analoge Form; indessen sind an von Boreau mitgeiheilten Exemplaren der C. gracilis von Angers die Schöt- chen deutlicher dreieckig, nicht so abgerundet stumpflich wie bei der hiesigen, auch ist die Ausbuchtung nicht selten ziemlich deutlich, wie denn Timbal-Lagrave auf demselben Zweige verschiedene, darunter zum Typus zurückkehrende Schötehenformen beobachtete. Arabis hirsuta Scop. Grünberg: zwischen Steinbachs Vorwerk und Heinersdorf (Hellwig). A. arenosa Scop. Deutsch - Wartenberg: Anhöhen bei Bobernig (W. Schultze). Ausser der gewöhnlichen Form hier auch eine klein- blättrige, bei der auch die unteren Blätter grossentheils ungetheilt sind, wie sie sich anderwärts an Felsen findet. Cardamine parviflora L. Neusalz: Oderwald mit C. Impatiens (W. Schultze). Viola arenaria DC. Neusalz: Haide bei Lippen (W. Schultze). V. strieta aut. germ. Paschekewiesen am Steineflüsschen bei Falkenberg in O.-Schles. sowohl & humilis Wimm. (Fl. v. Schles. III. Ausg.), als ß elatior ej. Dort sehr häufig, wenigstens «, welche gegen die gewöhnliche Annahme keine Bastardform zu sein oder, richtiger gesagt, von der un- zweifelhaften canina >< stagnina andrer Standorte verschieden scheint, während 8 von den grossen Exemplaren des erwähnten Bastardes (= V. nemoralis Kützing!) keinerlei Differenzen zeigt. Die Bastardform unter den Eltern im Oderwalde bei Neusalz (W. Schultze). Dianthus arenarius L. Kieferwälder bei Neusalz (W. Schultze). D. caesius Sm. Gross-Glogau: Gipfel des Schellenberges bei Dalkau, bis Wühleisen herabgehend (L. Becker). Neu für den Reg.-Bez. Liegnitz. Vaccaria parviflora Mnch. Grünberg: Vereinzelt auf Brachäckern an der Lattwiese, wohl nur eingeschleppt (Hellwig). Cerastium triviale Lk. var. capitatum m. Stengel niedrig, dabei wie die ganze Pflanze relativ weit kräftiger als beim Typus, mit stark verkürzten Internodien, bis zur Inflorescenz dicht beblättert und in den 126 Jahres -Bericht dicht zusammengedrängten Blättern, die sich zumal au den jüngern Trie- ben oft fast dachzieglig decken, fast vollständig verborgen. Inflorescenz kopfig gedrängt, am Grunde von Laubblättern eingehüllt, armblüthig. Sepalen sehr gross, etwa doppelt so lang wie beim Typus, lang zu- gespitzt, mit schmalem trockenhäutigem Rande. Petalen klein und schmal, nur etwa halbsolang als die Sepala.. Die Kapseln waren an dem von Th. Hellwig um Steinbachs Vorwerk bei Grünberg gesammelten Exem- plare noch nicht entwickelt. — Diese Form hat wegen der in Folge von Verkürzung der Internodien den Stengel fast völlig verdeckenden, schein- bar spiralig geordneten Blätter und der kopfig gedrungnen Cyma, sowie der sehr grossen Kelchblätter halber ein höchst paradoxes Aussehen, scheint aber keine Missbildung, da im Uebrigen sich alle Organe völlig normal verhalten. C. anomalum WK. Neusalz a. Oder: Wiesen am Polderdamme (W. Schultze). i Spergularia segetalis Fenzl. Gross-Glogau: Auf feuchten Sand- plätzen am Scholzerücken des alten Weinbergs bei Dalkau unter Gypso- phila muralis f. erecta (capsulis minoribus), Avena praecox und A. caryo- phyllea, Alsine viscosa, Filago mimima ete. (Lothar Becker). Eine west- lichere Pflanze, die bei uns die Nordostgrenze ihrer Gesammtverbreitung findet; sie war indessen bei dem nicht seltnen Vorkommen in dem un- mittelbar an unser Gebiet grenzenden Theile der märkischen Nieder-Lau- sitz (Sorau, Sommerfeld) im nordwestlichsten Schlesien mit einiger Sieher- heit längst zu erwarten und dürfte in jener Gegend, namentlich um Sagan und Freistadt, gewiss noch in Zukunft an andern. Standorten gefunden werden. ; Geranium sylvaticum L. f. parviflorum. Kronen mehr als doppelt kleiner wie bei der typischen Form.: Wiesen bei Görbersdorf (Strähler). Ononis spinosa L. Deutsch-Wartenberg: Mühlwald bei Pirnig (Hellwig). Oytisus nigricans L. Deutsch-Wartenberg: Bergabhänge bei Bobernig, selten (W. Schultze). + Medicago lappacea Desr. Grünberg: Schuttplätze hinter der Lansitzer Strasse, häufig mit Wolle eingeschleppt 1874 und 1875 (Hellwig). Trifohum ochroleucum L. Neustädtel in N.-Schl.: Waldrand bei Suckau (W. Schultze), das nordwestlichste Vorkommen in der Provinz; Teschen: auf dem Bystrzycer Friedhofe und bei Karpentna (Pastor O. Kotschy). T. striatum L. Grünberg: Lattwiese (Hellwig). + T. incarnatum L. Grünberg: Abhang bei der weiten Mühle ver- wildert (ders). Ervum pisiforme Peterm. Bolkenhain: Laubberg bei Gräbel (E. Fick). Rosa. Den Formen dieser Gattung ist bei uns seit dem Erscheinen der Flora Silesiae wenig Beachtung geschenkt worden; wenn man von den Beobachtungen Krause’s und Nitschke’s absieht, welche vorzüglich an ci, aD. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 127 den Hybriden der R. gallica ihre Aufmerksamkeit widmeten, ist seitdem so gut wie nichts über schlesische Rosen publieirt worden, obwohl unser Gebiet einen entschiedenen Formenreichthum aufzuweisen hat. In den letzten Jahren habe ich wenigstens den Versuch gemacht, zunächst aus möglichst verschiedenen Gegenden des Landes Material zu beschaffen und das durch die Güte meiner botanischen Freunde*) auf diese Weise zu- sammengebrachte lässt in Verbindung mit dem zum Theil selbstgesam- melten meiner Sammlung immerhin schon eine allgemeine Einsicht in den Charakter unsrer Rosenflora zu, wenn gleich über viele, zum Theil sogar ziemlich gemeine Typen, zumal aus der Gruppe der Tomentosae, die Acten noch bei Weitem nicht als abgeschlossen betrachtet werden dürfen. Nachstehend sollen vorläufig nur einige besonders ausgezeichnete Formen, von welchen einzelne für die deutsche Flora überhaupt neu sind, hervor- gehoben werden, wobei ich bemerke, dass die Bestimmungen fast durch- weg von dem ausgezeichneten Kenner europäischer Rosen, Herrn Dr. H. Christ in Basel revidirt, resp. zum Theil erst vollzogen wurden, wofür ich demselben hiermit meinen wärmsten Dank abstatte. R. alpina L. f. laevis Seringe fructibus globosis. Schöne und seltene Form mit für R. alpina ungewöhnlich derbem, oft rothbraun überlaufenen Laube in mehreren Sträuchern an einem Feldrande nördlich vom Buch- berge bei Görbersdorf, acht Tage später blühend, als die dort wie über- all in den Sudeten viel gemeinere Form pyrenaica. R. pomifera Herm., schon vor Jahren von Burkhardt als bei Niesky vorkommend bezeichnet und neuerdings auch von Junger an Feldgräben um Scheitnig bei Breslau beobachtet, doch schien ihr Indigenat bei uns bisher als verdächtig. Indessen scheint gleichwohl diese durch ihre un- regelmässig ausgefressen-gezähnelten Petalen, die grossen kugligen durch die bleibenden zusammenschliessend-aufrechten Kelchzipfel gekrönten, zeitig weich werdenden Früchte, durch Blattform und Zahnung, sowie die frühe Fruchtreife leicht kenntliche Art in der westlichen niederschle- sischen Ebene, namentlich in grösseren Waldgegenden nicht gerade selten, und zwar nicht allein an Hecken und Zäunen der Dörfer verwildert, sondern auch an einigen Standorten wirklich einheimisch, meist in der Form R. recondita Puge. Selbst die Jungersche Form von Scheitnig, welche durch ihre relativ kleinen, unterseits stark aschgrauen, nebst den Blattstielen und der Zahnung reichlich drüsigen Blättehen und die viel klei- nern, fast nur halbsogrossen Petalen sehr auffällig ist, macht nicht den Eindruck einer verwilderten Rose, da gerade diese von der cultivirten *) Unter ihnen nenne ich vor allen Herrn Amtsvorsteher Strähler in Gör- bersdorf, der sich nicht allein darauf beschränkt, die Rosen seiner Gegend zu sammeln und in ausgezeichneter Weise zu präpariren, sondern auch mit Eifer und Erfolg die kritischen Formen studirt. 128 J ahren- Bericht bedeutend abweicht. L. Becker hat diese Art schon 1849 um Quaritz und Gross-Kauer in den Dalkauer Hügeln westlich von Gross-Glogau be- obachtet, wo sie nach seiner Aussage unter andern einheimischen Rosen entschieden wild vorkommt, neuerdings hat sie derselbe auch an andern Stellen der westlichen Haidegegend, z. B. um Oberau bei Lüben an Hecken verwildert gefunden. Th. Hellwig sandte sie vom Steinberge bei Grünberg; auch erbielt ich sie zahlreich von Spremberg in der Nieder- Lausitz, nahe der Gebietsgrenze. _R. venusta Scheutz, übereinstimmend mit der Beschreibung und mit schwedischen, vom Autor gesammelten Exemplaren, bei Görbersdorf im Scholzbauerbusch gegen den Storchberg (Strähler). Vom Entdecker fraglich als R. tomentosa subvillosa Christ mitgetheilt, aber jedenfalls eine echte Villosa, keine Tomentosa, entfernt verwandt mit der in Schlesien wie es scheint fehlenden R. mollissima W. und im Ganzen zwischen dieser und einer in unseren sudetischen Vorgebirge verbreiteten, sich an R. to- mentosa suberistata Christ auschliessenden, noch weiter zu beobachtenden Form in der Mitte stehend. Stacheln gelblich, mit etwas abwärts ge- bogener Spitze, sonst ziemlich grade, die der heurigen sterilen Triebe zahlreich und ungemein kräftig entwickelt, 10—15 mm. lang, an der Basis 2—5, mitunter sogar bis 8 mm. breit, die der blühenden Zweige dagegen schwach, pfriemlich. Blättchen 5—7, breit eiförmig-lanzettlich oder länglich, meist spitz, genähert, beiderseits grün, weich- und dichtpubesei- rend, unterseits gegen den Rand und auf den graufilzigen Nerven und Blattstielen drüsentragend. Zahnung doppelt, die Zähne offen, fein ge- spitzt, am Rande reichlich drüsentragend. Nebenblätter mit auseinander- fahrenden Oehrchen. Inflorescenz gedrungen, von den meist laubblattähnlichen Bracteen überragt, armblüthig. Blumen einzeln, doch auch bis zu drei; Blüthenstiele ungefähr von der Länge der Frucht, stieldrüsig. Kelchzipfel dicht stieldrüsig, gewöhnlich nur die beiden äusseren mit linealen, wenig blattigen Anhängseln, merklich länger als die kleinen gesättigt rothen Petalen, nach dem Verblühen wagerecht oder aufrecht-abstehend, blei- bend. Griffelköpfehen dicht weisswollig. Früchte rund, fast glatt, nur mit sehr vereinzelten drüsigen Stachelchen, derb und knorplig. Eine dieser bisher nur in Scandinavien beobachteten Species sehr benachbarte Form, vielleicht ebenfalls zu R. venusta gehörig, sandte Hellwig von Grünberg. R. cuspidata M. B. vera (t. Christ). Verbreitet in der ganzen Pro- vinz (noch bei Spremberg in der Nieder-Lausitz) und in der Ebene sogar stellenweise eine der gemeinsten Rosen, namentlich um Breslau, seltner im Vorgebirge (Kitzelberg bei Kauffung, Charlottenbrunn ete.). Wurde bei uns bisher für eine Varietät der R. tomentosa resp. für diese selbst ge- nommen, obwohl sie den Villosis angehört, welche sich in unserm Gebiete allerdings nicht als scharf von den Tomentosis gesondert darstellen. Von gedrungenem niedrigen Wuchs, mit kurzen zahlreichen Aesten, schwachen, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 129 geraden Stacheln, kleinen, sich meist dicht berührenden spitzen Blättchen, die am Grunde gewöhnlich stark verschmälert bis keilig sind. Bekleidung derselben zumal in der Jugend stark weissgrau, oberseits nicht selten mit seidigsem Schimmer, der bei den im Schatten gewachsenen Exemplaren indessen auch wie die Bekleidung überhaupt weit schwächer wird, oft derartig, dass die Blattfläche völlig grün erscheint. Blattunterseite weiss- grauflzig, mehr oder weniger drüsentragend, Zahnung sehr zusammen- gesetzt, reichlich drüsig. Petalen von mittlerer Grösse, lebhaft rosa.) Griffelköpfehen weisswollig. — Diese Rose, welche ich auch aus der Gegend von Posen und aus Russisch-Polen erhalten habe, ist von Manchen irtig für eine Bastardform von R. tomentosa und R. rubiginosa erklärt worden, doch hat sie mit letzterer trotz der reichlicheren Drüsenbeklei- dung nichts weiter gemein, auch ist sie an vielen Orten häufiger in un- serem Gebiet, wie diese Art und selbst wie die typische R. tomentosa, welche ausgeprägt mehr im gebirgigen Landestheile vorkommt, während in der Ebene mehr oder weniger abweichende Formen vorherrschen. Ueberhaupt bedarf die Gruppe der Tomentosae resp. der zu den Villosis neigenden Formen in unserem Gebiete noch genauerer Beobachtung. Eine der letzteren, die in manchen Stücken mit R. cuspidata übereinkommt, ist von Christ für R. umbelliflora Swartz erklärt worden; sie verbindet mit der Blüthenfarbe und starken, doch minder seidig glänzenden Beklei- dung der cuspidata eine reichblüthige Inflorescenz, entferntere Blättchen, welche gegen die Basis meist weniger verschmälert sind, und weit derbere und reichere Bestachlung; die Stacheln sind selbst an den Blüthenzweigen gewöhnlich sehr stark, mit breiter Basis aufsitzend, gelblich. Diese bei Landeshut in einem Hohlwege vor dem Rabengebirge (Höger), Schweidnitz (F. Peck) und bei Steinbachs Vorwerk unweit Grünberg (Hellwig). R. inodora Fries! Am breiten Berge bei Striegau (Uechtritz 1861) und um Warmuntau bei Gnadenfeld in O.-S. (M. Wetschky). | R. rubiginosa L. f. grandifolia Godet. Paschkerwitz bei Breslau (L. Becker). R. mierantha Sm. (teste Chris). Landeshut: Mühlgraben bei Leppersdorf (Höger). Eine westlichere und südlichere Species, deren Vorkommen bei uns auffallend ist; übrigens erscheint unsere Form, von der nur Fruchtexemplare vorliegen, von der typischen durch die längeren» gegen die Spitze ziemlich lang zusammengezogenen Früchte und durch die an der Basis nicht verschmälerten, sondern wie bei R. rubiginosa breit gerundeten, unterseits jedoch minder stark drüsigen Blättehen verschieden. *) Esist zu bemerken, dass dagegen M. v. Bieberstein (fl. taur. cauc. I, 397) ausdrücklich die Blüthen als weiss bezeichnet, was bei der schlesischen Rose nie der Fall ist. Im Supplementbande (III, 339. u. 340), wo die Beschreibung der Art emendirt wird, findet sich kein Widerruf dieser Angabe. 9 130 Jahres - Bericht \ Von R. rubiginosa entfernt sie sich durch die fast conformen derben Stacheln, das lichtere Grün des Laubes, durch schmälere Lappen der. Kelchzipfel, durch die längeren, kahlen oder nur mit einzelnen Haaren besetzten, nicht wolligen Griffel, endlich durch seharlachrothe Früchte mit breiterem Disecus. R. tomentella L&man. Breslau: Oderdämme bei Carlowitz, so- wohl typisch, als auch in zu R. dumetorum neigenden Formen; fand sich auch unter schon früher von Junger bei Neundorf unweit Löwenberg ge- sammelten Rosen. i R. tomentella Lem. f. sclerophylla Christ (in Flora 1375), R. sclerophylla Scheutz, Studier 1872 (t. Christ). Zw. R. inodora Fr. und R. tomentella Lem. beinahe die Mitte haltend, ersterer in der Tracht und Blattform ähnlich, aber nur am Rande und auf den Nerven der Unter- seite, sowie an den Blattstielen ziemlich spärlich drüsentragend, nicht aber auf den Flächen; der R. tomentella überhaupt näher. Bei Heinersdorf nächst Grünberg (Hellwig). Bisher in Skandinavien und England, dann im Binnthale des Oberwallis und in den Vogesen beobachtet (vergl. Christ, R. sclerophylla Scheutz, a new british Rose in Journal of Botany April 1875 und Flora 1875). R. corifolia Fr. Schon voriges Jahr von Striegau bekannt ge- macht, übrigens grösstentheils identisch mit R. canına > tomentosa Nitschke (excl. Syn. R. dumetorum Thuill. etc), aber schwerlich hybrideu Ursprungs, wenigstens nicht die typische Form. In der Ebene und im Vorgebirge, bis an die Waldregion des tieferen Hochgebirges heraufsteigend. Um Breslau nicht selten an den Ufern der alten Oder (schon in den schles. Centaurien, irrig als R. sepium ausgegeben), namentlich zw. Rosenthal und Carlowitz (Nitschke! Uechtritz), bei Schottwitz und Lilienthal (L. Becker), Grünberg: alte Maugscht (Hellwig), Löwenberg: Görrisseiffen (Junger), Striegau: breiter Berg (Zimmermann), Friedland: Rosenau (E. Fick), dann sehr schön im Scholtzbauerbusch und an der Kramerlehne bei Görbers- dorf (Strähler); um Krummhübel (Höger, Langner); in O.-8. um War- muntau bei Gnadenfeld (M. Wetschky); an den genannten Standorten typisch mit einfacher Zahnung (R. frutetorum Besser). Neue Formen für das Gebiet (ex determ. el. Christ) sind f. venosa Christ von sehr gedrunge- nem Wuchse, kleinen, sehr derben, unterseits aschgrauen, stark vortre- tend weissfilzig-geaderten Blättchen, zwar wie beim Typus einfacher aber schmälerer und feinspilzigerer, genäherter Zahnung und kopfig gedrängter, in den Blättern verborgener Infloreseenz: hinter dem Augustberg bei Grünberg (Hellwig); f. subeollina Christ eine kahlere und deshalb weniger graugrüne Form mit oft zurückgeschlagenen Kelchzipfeln hier und da an den Oderufern um Breslau: zw. Carlowitz und Rosenthal (Uechtritz), auch bei Pöpelwitz (L. Becker); f. scaphusiensis Christ Steinbachs Vorwerk bei Grünberg (Hellwig); f. complicata Christ der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 131 mit ımehr oder minder deutlich doppelter Zahnung: an der alten Oder bei Breslau (Uechtritz), bei Görbersdorf (Strähler), am breiten Berge bei Striegau (Zimmermann), diese bildet einen Uebergang zu der sehr ab- weichenden, vielleicht nicht zu dieser Art gehörenden R. cinerea Rapin (R. corüfolia biserrata Reuter Catal. genev.) mit sehr dicht graufilzigen, mitunter ziemlich kleinen Blättchen und sehr zusammengesetzter, kurzer und feiner, an die von R. cuspidata MB. erinnernder, für eine coriifolia sehr abweichender Zahnung, diese wie Blattstiele und Nebenblättchen, seltener auch die Hauptnerven der Blattunterseite, mit reichlichen Drüsen; Petalen klein, lebhaft rosa. Bisher nur an den buschigen Uferdämmen der alten Oder zw. Carlowitz und Rosenthal bei Breslau, aber hier nicht selten!! Nitschke hat, wie aus seinen Exsiccaten hervorgeht, auch diese etwas polymorphe Varietät unter seiner R. canına >< tomentosa mit verstanden und ich vermuthete selbst eine Hybride zwischen R. canina und derjenigen Tomentosa, welche im Vorstehenden nach Christs Vor- sange als R. cuspidata MB. bezeichnet wurde. Dagegen spricht u. a. aber der Umstand, dass Christ mehrfach die hiesige Rose als vollkommen identisch mit der vom Saleve bei Genf, dem Rapin’schen Original- standorte erklärt hat, wo R. cuspidaia MB., eine östliche Form, nicht vorkommt. Rapin beschreibt seine R. cinerea mit drüsenstachligen Blüthen- stielen, während sie bei den typischen Formen der R. corüfola zum Unterschiede von den Tomentosis glatt sind; bei unserer Breslauer R. cinerea sind die Stiele entweder glatt oder (dies seltener) drüsenstachlig. Uebrigens ist diese Form, wie es scheint, sehr selten und bisher nur aus der südwestlichen Schweiz (Saleve, Wallis) bekannt. R. Reuteri Reuter, welche ebenfalls schon im vorigen Jahre aus dem Gebiete (von Görbersdorf) bekannt gemacht wurde, hat sich nunmehr auch als weit verbreitet und in diversen Varietäten auftretend heraus- gestellt, wenigstens im Vorgebirge, denn in der Ebene scheint sie in der That bei uns nur selten, zumal in dem sonst an Rosenformen reichen Gebiete der Breslauer Flora. Die vorherrschenden Formen sind f. typica Chr. und besonders f. complicata ejus, diese am Eisenbahndamme hinter Canth in mehreren Sträuchern (Uechtritz), um Schweidnitz (F. Peck), Fürstenstein (Kabath), häufig um Görbersdorf (Strähler), hier auch Sträu- cher mit sehr reicbblüthiger Inflorescenz), Trautliebersdorf bei Friedland (Fick), Ziederberge bei Landeshut (Höger), Krummhübel (Langner) ete. Seltener ist var. myriodonta Christ: ein mit des Autors Beschreibung genau übereinstimmender Strauch am Oderdamme zwischen Carlowitz und Rosenthal! Ferner gehört hierher nach Christ’s Bestimmung eine Form von der Ziegelflesche bei Schweidnitz (F. Peck), doch weicht diese von der Beschreibung durch kleine Blüthen (von der Grösse derer der R. rubiginosa und durch nur sehr schwach drüsige, kahle, nicht fläumlige Blattstiele ab. — Einen Uebergang zu R. canina durch ihre nach dem 9% 132 Jahres - Bericht Verblühen zurückgeschlagenen, nicht abstehenden oder aufrecht abstehenden Sepala bildet die R. Reuteri var. subcanina Christ (ex ipso), welche sich von R. canina immer noch ausreichend durch die gedrungenere Inflorescenz, durch entwickeltere laubblattartige Braeteen, durch lebhafter gefärbte Petalen, weisswolliges Griffelköpfehen und die kürzer gestielten Früchte unterscheidet. Diese z. B. am Kitzelberge bei Kauffung (Fritze und Stein), Rabenfelsen bei Liebau (E. Fick), bei Warmbrunn, aber auch am Steinberge bei Grünberg (Hellwig). _R. dumetorum Thuill. var. R. uncinella Besser „nach Original- Exemplaren, ist die grossblättrige, unregelmässig doppelt-zahnige, grüne dumetorum Ost-Europas. Sie fehlt der Schweiz ganz.‘ Christ in litt. — Die Blätter gewöhnlich dunkelgrün, unterseits blasser, nur auf den Nerven und den Blattstielen bekleidet. Wie es scheint durch das ganze Gebiet verbreitet: Grünberg: Steinbachs Vorwerk (Hellwig), Breslau: Paschker- witz (L. Becker), Schweidnitz: Bolkohöhe (F. Peck), Bystrzye bei Ja- blunka (Pastor O. Kotschy) — und von hier, wie es scheint, weiter im Carpathenzuge, z. B. im Bergwalde Wislouks bei Hradek im Liptauer Comitat (M. Wetschky). — Ob R. canina s affinis Fi. Siles. II (p. 82), zu welcher ausser R. affinis Rau und R. platyphylla ej. auch R. uncinella "Bess. mit dem, Signum Antopsiae gebracht werden, mit der vorstehenden identisch ist, steht noch dahin, da einmal die beiden Rau’schen Rosen von derselben verschieden und die kurze Beschreibung (foliis ovatis glaberrimis discoloribus petiolis villosis) auf unsere Form nicht passt, welche in Uebereinstimmung mit der Besserschen Diagnose auch reichlich bekleidete Nerven der Blattunterseite zeigt; die Fläche selbst ist freilich kahl. In welchen Beziehungen die neuerdings aufgestellte R. jactata Deseglise („R. uneinella aut., an Bess?“) zu unserer Form steht, vermag ich nieht zu sagen, da sie mir nur dem Namen nach bekannt ist. Rosa alpina >< tomentosa Strähle. Als ich im vorigen Jahre die Vermuthung aussprach, dass diese überaus schöne unzweifelhafte Bastardform *) mit der schweizerischen R. vestita Godet (non Vest) identisch ‚sein dürfte, habe ich nicht geirrt und Christ hat sich bereits in der Flora (1875) zustimmend ausgesprochen, ebenso die hybride Natur der R. vestita überhaupt zugegeben, die ein Complex von Bastarden der R. alpina mit Formen der Tomentosae zu sein scheint. Die schlesische vestita ist der typischen vom Saleve sehr ähnlich, besonders habituell kaum unterschie- den. Im Durchschnitt sind jedoch die Blättchen bei letzterer etwas kleiner, die Kelchzipfel sind etwas kürzer und minder schlank als bei der unsrigen, *) Früher dafür gehaltene Formen, z. B. die im Jahresbericht 1864 p. 129 erwähnte von Schmiedeberg, haben sich bei Prüfung der Exemplare nicht als Bastarde bewährt; die betreffende war eine R. coriifolia Fr., sowie die gleich- zeitig dort erwähnte alpina x canina eine Reuteri. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 133 bei der besonders die lineale mittlere Partie merklicher verlängert er- scheint, während die mehr oder weniger drüsenlose Spitze eine verhält- nissmässig schmale lanzettliche Gestalt zeit. In analoger Weise er- scheinen die Anhängsel der äusseren Kelchzipfel, wofern sie nicht über- haupt fehlen, bei der typischen vestita lanzettlich-lineal, schwach blattig, bei der der Sudeten aber stets schmal lineal, fast fädlich; auch besitzt letztere grössere Früchte. Nach Christ sind bei der vestita typica die Blüthenstiele meist einzeln, seltener zu 2—3; unsere Form dagegen zeigt im Ganzen häufiger zwei- als einblüthige Inflorescenzen und es finden sich sogar am selben Stocke bisweilen drei — fünfblüthige; unter 100 beo- bachtete Strähler allerdings nur 16 mit 3, 3 mit 4 und nur eine mit 5 Blumen. Da die Görbersdorfer Rose auch von den übrigen in der Schweiz beobachteten Varietäten in mehrfachen Stücken verschieden ist, so dürfte es sich empfehlen, sie als R. vestita f. Strähleri zu sondern. Im Ganzen steht sie den Beschreibungen nach zwischen R. vestita typica und f. subtomentosa Christ ungefähr in der Mitte, entfernt sich aber von beiden, wie von allen andern Formen durch die ansehnlichen Petalen, welche an Grösse denjenigen einer grossblumigen R. alpina nicht nachstehen, wo- durch sie einigermassen der R. spinulifoia näher tritt. Die Verschieden- heit der schlesischen vestita von der der westlichen Schweiz wird dadurch leicht erklärlich, dass der eine bei der Bildung unseres Bastardes bethei- liste Factor eine von den in der Schweiz vorkommenden Tomentosis etwas abweichende, die Verbindung zu den Villosis vermittelnde Form darstellt, deren richtige Bezeichnung vorläufig noch Zweifeln unterliegt; dieselbe nähert sich einerseits der R. tomentosa suberistata Chr., schliesst sich aber in einigen Stücken der R. venusta (vergl. oben) an. R. spinulifolia Dematra f. speciosa Uechtr. Görbersdorf, nur ein Strauch im Scholzbanerbusche gegen den Storchberg (Strähler). Wenn sich R. vestita Godet als eine Hybridengruppe zwischen R. alpina und den Tomentosis herausgestellt hat, so scheint die bisher nur in der Schweiz und in den Vogesen beobachtete R. spinulifolia, über deren Stellung die früheren Rhodologen, selbst noch Crepin, im Unklaren waren, ein ähn- licher Complex von Bastarden der R. alpina mit Formen der Villosa- Gruppe, speciell mit R. pomifera und R. mollissima W. zu sein. Christ in seiner Monographie der Schweizer Rosen hat die Affinitätsverhältnisse dieser polymorphen und wie R. vestita überall seltenen Rose richtig ge- deutet und sie, allerdings ohne ihre Bastardnatur zu erkennen, als secun- däre Form den Villosis angereiht, ähnlich wie vestita den Tomentosis. Uebrigens wurde die eine der in d:n Rosen der Schweiz erwähnten, zu spinulifolia gerechneten Formen f. denudata Grenier), welche von Sire am Chaumont im Jura nur in einem Stocke unter R. alpina und R. mollissima gefunden wurde, von diesem bereits für eine Hybride beider gehalten, eine Ansicht, gegen deren Richtigkeit Christ freilich 1. c. 89 Bedenken 134 Jahres-Bericht \ erhoben hat. Wenn die schlesische in einigen Stücken von den Schweizer Formen abweichende R. spinulifolia, wie nach den Merkmalen und dem isolirten Vorkommen kaum zu bezweifeln, ebenfalls hybrid ist, so ist bei dem Fehlen der R. pomifera und mollissima im Waldenburger Gebirge die Möglichkeit selbstverständlich ausgeschlossen, dass diese bei der Bildung des Bastardes betheiligte Factoren gewesen sind und es sind nur zwei Fälle denkbar, einmal, dass die schon bei R. vestita erwähnte dubiöse, zu den Villosis (speciell zu R. venusta) hinneigende Görbersdorfer Tomentosa die vicarirende Rolle übernommen, oder dass R. venusta selbst im Spiele gewesen ist, Im ersteren würde also die schlesische R. spinu- hfolia einfach eine andere Kreuzung derselben Hybride darstellen, wie R. vestita f. Strähleri, und dieser Ansicht war auch anfänglich der Entdecker, bis ihn die Früchte dieser Form zu einer andern Ueberzeugung brachten. Ich glaube jedoch, dass die R. spinulifolia speciosa eine R. alpina >< venusia repräsentirt, dafür spricht ausser Anderem auch der Umstand, dass der fragliche Strauch in demselben Gehölz und in unmittelbarer Nähe des Standorts der R. venusta seinen Standort hat. — Während unsere R. vestita zur Blüthezeit wegen der Gestalt der Blättchen und ihrer starken Bekleidung mehr an R. tomentosa erinnert, wogegen die Früchte denen der R. alpina sehr nahe stehen, kommt die Görbersdorfer spinulifoia schon zur Blüthezeit der R. alpina weit näher, macht aber wegen der Gestalt und Färbung der auffällig grossen Blättchen einen eigenartigen Eindruck und gehört ohne Frage zu den prachtvollsten ein- heimischen Rosenformen. Schlanke Verzweisung und sehr zerstreute Bestachelung erinnern an R. alpina, die Stacheln sind an den älteren Trieben ziemlich lang, mit breiter Basis und feiner pfriemlicher, ziemlich grader Spitze; an den blühenden fehlen sie oft ganz. Die Farbe der Berindung erinnert an alpina, ist aber lichter, meist grünlich- braun, oft aber auch rothbraun. Blattstiele weissgrau, flaumig-filzig, stark drüsig, meist nur am Grunde mit kleinen blassen Stacheln. Blättchen meist 7, doch auch 4 oder 9, genähert oder sich mit den Rändern deckend, sehr gross, von meist zarterer Consistenz als bei R. vestita, in der Jugend beiderseits mit angedrückter, kurz-seidiger Pubescenz, oberseits prachtvoll tiefgrün, oft mit bläulichem Schimmer, unterseits blasser, ohne Seiden- glanz, im Alter, zumal oberseits, mitunter fast kahl werdend, fast sitzend oder kurzgestielt, von breit-ovaler, bis länglicher Gestalt, seltener ellip- tisch-länglich, übrigens überaus polymorph, oft am selben Zweige, spitz, mit oft schiefer Spitze, bis abgerundet-stumpflich, Zahnung doppelt bis dreifach; Zähne sehr gross und fein zugespitzt verlängert, mit bald grader, bald gekrümmter Spitze, Zähnchen wie die wenig vortretenden, dünn-filzigen Adern der Blattunterseite fein drüsentragend.. Nebenblätter unterseits !laumig, namentlich am Rande dicht stieldrüsig, mit langgespitzten Oehr- ehen. Bracteen wie bei R. alpina häufig fehlend oder kurz mit blattigem der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 135 Anhängsel. Blüthen meist einzeln, seltener 2, sehr selten 3, auf dicht stieldrüsigen Stielen, welche die reife Frucht an Länge im Durchschnitt nur selten übertreffen. Kelchzipfel schlank verlängert, mit lineal-lanzett- liehen, ausnahmsweise blattigen und alsdann meist gezähnten Euden, drüsenborstig, namentlich am Grunde, die äusseren meist mit 1—2 (selten mehr) fädlichen Anhängseln, fast so lang oder kürzer als die grossen lebhaft rosafarbenen Petalen. Gritfelköpfehen dicht weisswollig. Frucht kleiner als bei vestita, aufrecht oder nur schwach übergeneigt, zerstreut drüsenstachlig; länglich-elliptisch, an der Spitze eingeschnürt, durch die bleibenden, aufrechten Kelchzipfel gekrönt, mit wenigen (1-3) entwickel- ten Carpellen. Ich habe unsere Form mit einem besonderen Namen be- legt, weil sie, ihrem abweichenden Ursprunge entsprechend, durch einige Merkmale von der typischen spinulifolia der Schweiz verschieden ist, so namentlich durch die langgespitzten Oehrehen der Nebenblätter und die kürzeren Fruchtstiele, durch die den Kelchzipfeln an Länge entweder gleichkommenden oder sie übertreffenden Petalen und durch die sehr ansehnlichen, oberseits meist einen bläulichen Seidenschimmer zeigeuden zarteren Blättehen, doch ist zu bemerken, dass ein Exemplar von Chau- mont im Neuchateller Jura ziemlich ebenso grosse Blättchen und ebenfalls kurze Blüthenstiele besitzt, also einen Uebergang zu unserer f. speciosa darstellt, welche in den Hauptsachen entschieden mit der schweizerischen übereinstimmt, insbesondere auch in der charakteristischen höchst entwickel- ten Zahnung. R. alpina >< canina Neilreich f. parvifolia Uechtr. (R. salae- vensis Rapin var. Uechtritziana Christ im lit.) Eine reizende Zwergrose, wohl Product des sonnigen unfruchtbaren Standorts, vom Kirchberge bei Landeshut (Höger, als R. collina). Niedrig, blühende Aeste, wie über- haupt die älteren, meist rothbraun berindeten Stammtheile meist: stachel- los, Stacheln, wenn vorhanden, vereinzelt, pfriemlich, grade. Blattstiele und Nebenblätter oft röthlich überlaufen, drüsentragend, wie die Blättchen- zähue zweiter Ordnung. Blättchen 5—7, klein, eiförmig, bis eiförmig- länglich oder elliptisch, meist spitz, lichtgrün. Zahnung unregelmässig doppelt, seltener einfach, Zähne gerade oder mit einwärts gebogener Spitze, genähert-aufrecht, langgespitzt, Nebenblätter schmal, mit aufrech- ten, langgespitzten Oehrchen. Blüthen einzeln, auf ziemlich kurzen, wie bei R. alpina pyrenaica, ziemlich dicht drüsenborstigen, oft in den meist blatttragenden Bracteen verborgenen Stielen. Kelchröhre schlank, kahl, seltener am Grunde drüsenborstig; auch die Kelchzipfel am Rücken mehr oder weniger drüsenborstig, entweder sämmtlich einfach oder die beiden äusseren mit vereinzelten, schlank lanzettlichen Anhängseln, mit schlanker, verlängerter, schmal lanzettlicher Spitze, so lang, oder länger als die Petalen. Diese klein, intensiv rosafarben, Griffelköpfehen schwach weiss- wollig. Frucht klein, fast flaschenförmig, gegen die Spitze verengert, 136 Jahres - Bericht \ mit bleibenden, horizontal ausgebreiteten, an der Spitze öfter zurückge- krümmten, bisweilen ganz zurückgeschlagenen, erst nach völliger Reife abfälligen, oft zu Beginn des Winters noch vorhandenen Kelchzipfeln und wenig saftigem Fleische, wenige grosse Carpelle (1—3) enthaltend, zuletzt meist übergeneigt bis hängend. Discus deutlich. — Mit R. alpina (pyre- naica) hat diese noch nicht beschriebene, sehr ausgezeichnete Form die rothbraure Färbung der älteren Zweige, die Bestachlung, stark drüsen- borstige Blüthenstiele, schlanke Kelchröhre, bis zur Reife bleibende, meist einfache Kelchzipfel, Gestalt der Frucht und das Ueberhängen der Frucht- stiele gemein, obwohl der Habitus ein durchaus abweichender ist. Auch in der Blumenfarbe gleicht sie den intensiv rosafarben, nicht purpura blühenden Formen der R. alpina, wie sie in den Sudeten nicht selten sind. An R. canina dagegen schliesst sich diese Hybride durch Habitus, Gestalt, Consistenz, Färbung und Zahnung der Blättehen, deren geringe Zahl und durch die Richtung der Kelchzipfel zur Fruchtreife deutlich an. — Von R. salaevensis Rapin, welche Christ neuerdings als einen Com- plex von Hybriden der R. alpina einerseits mit Formen der R. canına und R. Reuteri andererseits betrachtet, ist die eben beschriebene mehrfach abweichend, nicht minder von der von Neilreich (Nachträge zur Fl. v. N.-Oest. 1866) beschriebenen, der R. alpina pyrenaica näher kommenden R. alpina >< canina vom Jauerling. R. Waitziana Rchb. fl. excurs. (R. gallica >< Reuteri Christ) Bremberg bei Jauer (F. W. Scholtz). Hybride von R. gallica und R. Reuteri f. complicata Chr. und in ihren Charakteren ihre Abstammung un- verkennbar verrathend ; durch Habitus, Blattform, Zahnung, die gedrungene, in den grossen, laubblatttragenden Bracteen verborgene Inflorescenz etc. von den Hybriden zw. R. canina und R. gallica deutlich verschieden. Grösse und Färbung der Petalen wie bei gallica, nur etwas lichter, eben- so Farbe, Consistenz und das starke Hervortreten des gittrigen Ader- netzes der Unterseite der Blättchen gleichfalls wie bei dieser. Der bei Weimar von Prof. Haussknecht beobachteten R. Waitziana ganz ähnlich, doch steht unsere Form wegen der zurückgeschlagenen, nicht aufrechten oder abstehenden Fruchtkelchzipfel der R. gallica noch näher. R. canina >< gallica Krause. Breslau: Dämme zw. Kosel und Pilsnitz (L. Becker). R. trachyphylla aut. recent. vix Rau (R. flexuosa ej. ex Deseglise). Um Breslau nicht selten, vorzüglich in der Oderniederung, indessen ge- wöhnlich vereinzelt. Namentlich längs der alten Oder im Kratzbusch und zw. Carlowitz und Rosenthal nicht selten!! (schon Wimmer; efr. Fl. Siles.), bei Grüneiche (desgl., noch jetzt z. B. am Oderschlösschen: L. Becker), Ackergräben zwischen Schmolz und Siebischau (Uechtritz) etc., in den Trebnitzer Hügeln bei Machnitz (Junger), Zobten: am Wege nach Striegelmühl (F. Peck). Bei uns fast immer in Gesellschaft von R. gallica; der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 137 Nitschke hat sie als eine Hybride dieser Art mit R. rubiginosa aufgefasst, von der sie sehr verschieden ist. Sie kommt vielmehr den Hybriden der R. gallica mit R. canina näher und man könnte eher eine solche (ent- standen von gallica und den drüsigen Formen der cauina, z. B. dumalis Bechst. und biserrata Merat) in der R. trachyphylia vermuthen, wenn sie nicht auch in anderen Gegenden Deutschlands vorkäme, wo R. gallica fehlt. R. collina Jacg. vera (R. Boreykiana Besser, R. dumetorum >< gallica Christ, R. gallica >< tomentosa Nitschke). Ausser um Breslau an den buschigen Ufern der alten Oder (Cent. siles. Nitschke, Uechtritz) noch von L. Becker auf den Dalkauer Bergen bei Gr.-Glogau am Judehütel mit R. dumetorum und gallica gefunden, die hier die Nordgrenze ihrer Verbreitung in Ostdeutschland erreicht. -Potentilla Wiemanniana Günth. et Schumm. (R. Guentheri Pohl). Fried- land: sonnige Strassenränder bei Ober-Langwaltersdorf (Fick). Im schle- sischen Vorgebirge jedenfalls selten, während sie in der Ebene, nament- lich in Nieder-Schlesien verbreitet ist. P. verna autor. recent. 8 pilosa Döll. Stadtmauern von Freistadt in N.-Schl. mit der gewöhnlichen Form (Hellwig). P. recta L. Grünberg: weite Mühle (Hellwig). Ootoneaster integerrimus Med. Grünberg: in einem Gebüsch an der Strasse nach Lawaldau, nur ein Strauch (Hellwig). Wohl durch Vögel zufällig verschleppt, da dieser Strauch der norddeutschen Ebene fehlt und erst in Ostpreussen in der bekannten nord- und osteuropäischen Varietät mit schwarzblauen Früchten wieder auftritt. Epilobium virgatum Fr. Nittritz bei Grünberg (Hellwig). Corrigiola littoralis L. Neusalz: Odersand bei der grossen Brücke (W. Schultze). Illecebrum vertieillatum L. Grünberg: Pirnig bei Saabor auf einem nassen Sandacker, sonst nirgends bemerkt (Hellwig). Montia minor Gmel. Freistadt (N.-Schl.): Mühlvorwerkäcker (Hellwig). Hacquetia Epipactis DC. Ober-Glogau: Wald bei Leschnik (Seminar- lehrer Richter); der am Weitesten nach N.-W. vorgesehobene Standort dieser die Carpathen nach N. nur in unserem Gebiete überschreitenden Pflanze. Pimpinella nigra W. Neusalz a. O. (W. Schultze). Galium silvaticum L. (verum) Deutsch-Wartenberg: Abhänge bei Bo- bernig (W. Schultze). Dort auch @. Schultesii Vest (G. aristatum Aschers. (ex p.) Garcke ete., G. polymorphum Knaf). G. boreale L. var. linearifolium m. Grünberg: Wiesen beim Fliess (Hellwig). Obere und mittlere Blätter schmal-lineal bis lineal-lanzettlich, vorherrschend einnervig. Valeriana polymorpha Besser (in DC. Prodr. IV. 637 1830), V. sim- plieifolia Kabath (Fl. v. Gleiwitz 1846). V. elongata 8 polygama DC. I. e., 138 Jahres - Bericht Dedeb. fl. ross. Bystrzyc bei Jablunka (Pastor O. Kotschy). Dort nur diese Art, nicht V. dioeca L. Scabiosa suqveolens Desf. Beuthen a. O.: Gipfel des Kahlkopfs bei Baunau in den Dalkauer Hügeln (W. Schultze). S. Columbaria L. var. 8. agrestis W. K. Deutsch-Wartenberg: An- höhen bei Bobernig (W. Schultze). Eine Form floribus pallide ochroleucis, durch die kleinen Blüthenköpfe, die kugeligen Fruchtköpfe und die Farbe der Borsten leicht von S. ochroleuca zu unterscheiden, wurde von Hellwig bei Sauermann’s Mühle unfern. Grünberg gefunden und als ‚‚S. ochroleuca?“ mitgelheilt. Eine analoge von $. lucida Vill. wurde schon früher im Kessel des Gesenkes beobachtet. + Aster parviflorus Nees. Sprottau: Park von Mallmitz (W. Schultze). (Anthemis ruthenica MB. Ullersdorf bei Fraustadt, südl. Prov. Posen (Hahnewald), ein hart an der Gebietsgrenze gelegener Standort dieser ‚auch bei Poln.-Lissa, Posen und Frankfurt a. O. beobachteten südost- europäischen, bis ins mittlere Elb- und Odergebiet vordringenden, in Schlesien gleichwohl noch nicht nachgewiesenen Art, die wenigstens im nordwestlichsten Zipfel der Provinz gewiss nicht fehlen dürfte.) Senecio vulgaris L. var. radiatus Koch. Lansitzer |Strasse bei Grünberg (Hellwig). Für das Gebiet neu und bei uns jedenfalls höchst selten. Nach dem vom Finder mitgetheilten Exemplare, welches sich nur durch das Vorhandensein von Randblüthen vom typischen $. vulgaris unterscheidet, sicher zu diesem gehörig, nicht etwa die dem $. vulgaris näher kommende Kreuzung des Bastardes zwischen S. vulgaris und $. vernalis (8. Weylii Vatke), welche allerdings dem S$. vulgaris radiatus ähnlich sieht. Carduus Personata Jacg. Haue am Buchberge bei Görbersdorf (Sträh- ler) und auch an der Steine unterhalb Friedland (Fick); an beiden Orten die typische grossköpfige Form. Eine Var. microcephala mit kaum halb- sogrossen Köpfen am Boberufer im Sattler bei Hirschberg und im Elb- srunde nahe über Spindelmühl bei 2500‘ (Ascherson), — Im Riesenge- birge unter dem Plateau der Kirche Wang bei 2400‘ ca. findet sich zahl- reich eine Mittelform zwischen C. crispus und C. Personata, welche ich zuerst von Prof. Ascherson erhalten und vorgelegt habe. (Vergl. Jahresb. 1872 p. 94.) Ich habe damals dieses interessante Zwischenglied frag- weise für einen Bastard beider sonst wohl verschiedener Arten gehalten, allein nachdem Ascherson im verflossenen Sommer diese Form an dem genannten Standort von Neuem aufgesucht und zahlreich mit C. erispus (bei ca. 2400‘ höchstes Vorkommen im Gebiete!), doch ohne (©. Personata beobachtet, erscheint die Bastardnatur derselben nunmehr als sehr zweifel- haft, wiewohl der Fall immerhin denkbar wäre, dass der sonst in unseren Bergen gemeine C. Personata am genannten Standort ehedem vorhanden gewesen, aber jetzt verschwunden ist. — Ob unsere Zwischenform mit der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 139 den anderwärts z. B. in Nieder- Oesterreich und neuerdiugs (1874) von Wolf im Wallis (als CO. crispus >< Personata) beobachteten identisch ist, vermag ich nicht zu sagen, da ich von letzteren Exemplare nicht gesehen habe; eine verwandte, auf Feldern der T'häler Centraltyrols (Trins im Gschnitzthale sehr häufig ohne C. personata) nicht seltene, von Kerner als C. Personata v. agrestis vertheilte Mittelform, weicht von der unserigen in den Blättern sehr ähnlichen durch längere, schlankere, gegen die Spitze nacktere, nicht selten nur 1—2köpfige Aeste, überhaupt weniger ge- drungene Inflorescenz und die minder stark gekrümmten und verworrenen, mehr aufrechten Hüllblätter ab und sieht übrigens dem C. Personata we- nig ähnlich. Von Wichtigkeit würden Beobachtungen über das Verhalten der unterirdischen Theile dieser Mittelformen sein,“) von denen ich voll- ständige Exemplare noch nicht gesehen habe. C. crispus ß intermedius W. et Gr. von Leobschütz, auf Grund dessen die Verfasser der Flora Silesiae C. Personata mit C. crispus vereinigten, was Wimmer selbst später als „schweren Irrthum‘‘ widerrufen hat, scheint der Beschreibung nach von den gedachten wirklichen Zwischengliedern beider Arten verschieden und einfach identisch mit der auch anderweitig in der Ebene vorkommen- den Var. integrifolia Celak. des (. crispus, zu welcher auch die Exemplare von der Kirche Wang gehören. Cirsium rivulare Link. Wiesen um Suckau bei Neustädtel in N.-Schl. (W. Schultze). ©. praemorsum Michl. (CO. oleraceum >< rivulare DC.). Nicht selten unter den Eltern auf Torfwiesen um Witoslawitz bei Gnadenfeld O.-8. (M. Wetschky, C. heterophyllum >< palustre Näg. (f. angustifolia) Charlottenbrunn: Berg- wiesen am schwarzen Berge bei Steinau in ziemlicher Anzahl (E. Fick). 7 Helminthia echioides Gin. Striegau: unter Luzerne bei Ullersdorf mit Centaurea solstitialis (Lehrer Krause). Tarasacum nigricans Rchb. fl. germ. exc. (T. alpestre DC. Prodr. begründet auf Leontodon alpestris Tausch. in Flora 1821; wahr- scheinlich auch L. nigricans Kit.) Eine ausgezeichnete, durch ihre Schick- sale merkwürdig gewordene Alpenpflanze des Riesengebirges, die, ob- wohl schon vor mehr als 50 Jahren von dem scharfsinnigen Tausch ent- deckt und kenntlich beschrieben, den schlesischen Botanikern entgangen ist, aber auch in Öelakovsky’s neuester Flora von Böhmen fehlt. Koch ist gleichfalls diese Art unbekannt geblieben; in seiner Abhandlung über Taraxacum in der Flora meint er jedoch, dass sie nach 'T.’s Be- schreibung von T. officinale specifisch verschieden scheine; T. officinale .*) Dass C. Personata im Gegensatz zu (. crispus eine ausdauernde kriechende ® N » » n ” re ” - . Grundaxe besitzt, wie Celakovsky in seinem Prodromus richtig angiebt, ist dabei besonders hervorzuheben. 140 Jahres- Bericht \ y alpinum Koch Syn. ist übrigens etwas ganz Anderes als T. nigricans und in der That einfache Varietät des gewöhnlichen T. officinale, welches auch in den Sudeten, obwohl selten, wie in der Tatra und in den Alpen in die Region der Alpenpflanzen aufsteigt [Gipfel der Schneekoppe: (Junger), die typische Form der Tiefebene, kl. Teich bei der Schlingel- baude, Schneegrubenbaude (Ascherson), Gipfel des Peterssteins im Gesenke (Zimmermann) eie.]. Tausch, der ursprünglich seine im Riesengebirge sehr seltene Art nur aus den Schneegruben hatte, scheint sie irrigerweise später selbst mit T. officinale verwechselt und dadurch zu ihrer Verkennung beigetragen zu haben, denn Bischoff (Beiträge zur Fl. Deutschlands und der Schweiz p. 154) zieht das T. alpestre nach Tausch’schen Originalen zu T. officinale ß glaucescens Koch, von welchem es doch sehr verschieden ist. Wie Wilms in seiner neuerlich in den Verh. der bot. Sect. des wesif. Provinzialvereins für Wiss. u. K. (1874) edirten Abhandlung über Taraxacum dazu kommen konnte, in der Sudetenpflanze einen Bastard von T. officinale und palustre, welches die Hochgebirgsregion gänzlich meidet, zu vermuthen, ist absolut unergründlich, zumal auch Tausch’s Beschreibuug keinerlei Anhalt bietet. In dieser wird bereits die haupt- sächlichste Differenz von T. officinale und den mit diesem verwandten For- men hervorgehoben, nämlich der kurze dicke Pappusstiel (der ungefärbte Theil des Schnabels der Achäne), welcher nur so lang oder selbst etwas kürzer ist, als der gefärbte und die Achäne zusammen genommen. Durch diesen Charakter entfernt sich T. nigricans von den meisten mitteleuro- päischen Arten der Gattung,' bei denen der Pappusstiel meist 2—-4 mal ' länger als die Achäne zu sein pflegt, mit Ausnahme des sonst ganz ver- schiedenen T. serotinum Poir. und von T. Pacheri Schultz Bip., welches . letztere möglicherweise nur eine zwergige hochalpine Varietät des T. nigricams mit meist rothgelbeu Ligulis darstellt. Die Blüthenfarbe ist nieht constant, der Autor sagt selbst: flores aurantiaci, rarius aurei. Von mir über dem grossen Fischsee in der nördlichen Tatra selbst ge- sammelte Exemplare des T. nigricans weichen wenig von den in der Cichoriaceotheca ausgegebenen Originalen des T. Pacheri ab. — Die Achänen des T. nigricans sind merklich grösser wie bei T. offieinale, min- der gerieft und gegen die Spitze kürzer weichstachlig, oft nur höckrig. Die Blätter sind kahl, mit deutlichem Glanze (wenigstens bei den Sudeten- Exemplaren), mit grossem Endlappen und meist nur zwei dreieckigen, einfach grobgezähnten, seitlichen Abschnitten, seltener völlig ungetheilt und bisweilen fast ganzrandig (Exemplare aus dem Kohlbachthal der südlichen Tatra leg. Haussknecht). Hüllblätter schwärzlich, die inneren breit, entfernter und spärlicher (I0O—12) als bei T. officinale, die äusseren eiförmig, zugespitzt, kurz, anfangs anliegend oder abstehend, ganz zuletzt indessen doch zurückgekrümmt, wenn auch minder deutlich und kürzer als beim gewöhnlichen. — Im Riesengebirge wie erwähnt sehr selten; { E der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 141 in den Schneegruben und am kl. Teiche, wo Tausch sie später angegeben, wurde diese Art neuerdings vergeblich gesucht, bis sie Prof. Ascherson im Sommer 1875 auf dem Gipfel der Schneeknoppe in grossen, ausser- gewöhnlich kräftigen, aber die Verschiedenheit von T. officinale um so klarer documentirenden Exemplaren in ziemlicher Menge von Neuem auf- fand. -- Die übrigen in Schlesien beobachteten Formen dieser Gattung, über welche die Acten übrigens keineswegs als geschlossen betrachtet werden dürfen, sind folgende: 2) T. officinale Weber; 3) T. Scorzonera Roth (Leonitodon Taraxacum ß palustris W. et Grab. nec alior., T. udum Jordan, T. officinali >< palustre Wilms!) auf Sumpfwiesen im Frühjahr oft mit T. palustre häufig; ist kein Bastard, sondern vermuthlich eine ausgezeichnete Race von T. offieinale, zu dem sich Uebergänge finden; 4): T. glaucescens (M.B.) DC., sowohl in der typischen blassgraufrüchtigen Form, als in der mit rothbraunen Achänen (T. erythrospermum Andrz.) zerstreut, wenigstens in der Ebene (um Breslau beide Varietäten hier und da); 5) T. Iaevigatum DC. (Leontodon arcuatus Tausch”), wie es scheint selten; um Breslau bei Bleischwitz (Wimmer) und Dürrgoy (Uechtritz), am Cndowa (Grabowski); 6) T. palustre DC. auf Sumpf- und Moorwiesen der Ebene nicht selten, minder verbreitet im Vorgebirge (Friedland, Reinerz, Cudowa ete.); bei uns vorherrschend als L. satinus Poll., wäh- rend .die Varietät mit buchtig-fiederspaltigen Blättern (L. erectus Hoppe), welche in den norddeutschen Küstengegenden vorherrscht, mehr verein- zelt auftritt. Bei fast allen diesen (selbst bei T. palustre!) finden sich Exemplare, deren innere Hüllblätter an der Spitze mehr oder weniger schwielig verdickt bis gehörnt sind; L. cormieulatus Kit. ist die entsprechende Form des T. glaucescens DC. — Zwischen einzelnen der genannten Species oder, wenn man will, Racen scheinen Hybride zu existiren; ob die er- wähnten Uebergänge zw. T. Scorzonera Rih. (T. udum Jord.) und T. officinale als solche zu betrachten sein werden, bleibt ferneren Beobach- tungen zu empfehlen. Dagegen scheint es unzweifelhafte Bastarde zw. T. officinale und namentlich T. Scorzonera einerseits und T. palustre andererseits zu geben, deren Kennzeichen indessen um so schwieriger zu fixiren sind, als T. Scorzonera selbst schon ein Bindeglied zw. T. offi- cmale und T. palustre darstellt und in seinen Charakteren nicht beständig ist. Diese muthmasslichen Bastarde finden sich stets vereinzelt unter den Eltern und erinnern am meisten an T. palustre var. L. erectus, aber die äusseren Hüllblätter sind mitunter etwas locker abstehend und die Blatt- abschnitte nicht ganzrandig, sondern meist, wenn auch nur schwach und unregelmässig, gezähnt. U *), In der Flora 1821 giebt dieses der Autor irrthümlich als L. alpesiris b ar- cuatus an, erkannte aber später selbst richtig die Verschiedenheit. . x 143 Jahres- Bericht \ + Tolpis barbata Gtn. Auf Feldern bei Niesky (O.-L.) einge- schleppt; mitgetheilt durch M. Wetschky. + Orepis cernua L. (C. neglecta Ten.) Mit C. setosa Hall. fil. in grosser Menge auf einem Luzerneacker bei Langseiffersdorf, Kr. Reichen- bach 1874 (Kabath). Meines Wissens in Deutschland diesseits der Alpen noch nirgends eingeschleppt beobachtet, obwohl in Süd-Europa verbreitet. Hieracium sueeicum Fr.! (typus speciei). In Meuge auf den Schüssel- wiesen bei Langseiffersdorf unweit Friedland mit H. pratense und H. Auricula (E. Fick). Eine Mittelart zwischen H. auricula und H. floribun- dum W. et Gr. — Lindeberg (in A. Blytt, Norges Flora Il. 2. 631) er- klärt ganz unrichtig auf Grund eines. Wimmer’schen Originales in der Blyttschen Sammlung das gewöhnliche H. suecicum Fr. für identisch mit H. floribundum und bezeichnet es sogar als H. floribundum «& vulgare, obwohl H. sueeiecum dem H. Auricula im Ganzen weit näher kommt, von dem es freilich durch die Farbe der Ligulae sofort zu unterscheiden ist. Möglich, dass H. floribundum b. furcatum Wimm. et Gr. zu H. suecicum gehört, welches letztere stets bei uns mit H. floribundum verwechselt wurde, aber der Typus des H. floribundum, wie er in der schlesischen Ebene bis ins tiefere Hochgebirge nicht selten ist, sowie dessen Var. pseudopratense m. @Jahresb. 1874 p. 71) schliessen sich habituell an, H. praealtum, resp. H. pratense an und sind von H. suecicum weitaus verschieden. H. floribun- dum c. montanum Wimm. ed. III, aus dem tieferen Riesengebirge (Grenz- bauden, Spindlerbaude, Isergebirge), welches Fries (in litt. ad Wimmer et Uechtr.) für H. sueeicum erklärt hat, scheint eine besondere, sehr aus- gezeichnete, allerdings in manchen Stücken dem H. suecicum näherstehende Form (H. suecicum var. iseranum Uechtr.), vielleicht Species, die an ihren Standorten mehrfach mit H. Pilosella Bastarde bildet. — Das typische H. suecicum scheint bei uns nur im Vorgebirge vorzukommen [auch bei Schatzlar im angrenzenden Böhmen! (F. Pax)], während es im Norden, bereits im östl. Polen (Losice: Karo) und in Ostpreussen schon in der Ebene auftritt. ' H. aurantiacum L. Var. bicolor Koch. Innere Ligulae gelb, äussere pomeranzenroth. Ein Exemplar unter der Stammform im Kessel des Ge- senkes (Buchhalter H. Schulze). Beim Trocknen wurden auch die inneren Ligulae wieder röthlich. H. nigrescens W. Unter dieser Bezeichnung sind von den schlesischen Flo- risten eine Reihe von theilweise unter einander sehr verschiedenen Formen ver- standen worden, welche nicht einmal zu einer und der nämlichen Section ge- hören. Das echte H.nigrescens W., Fries ! (H. Halleri Centur. siles.XV !), welches vorzugsweise im Riesengebirge weit verbreitet auftritt, bildet einen der wichtig- sten Typen der Alpinum-Gruppe der Aurella. H. decipiens Tausch! (non Froel.) ist eine Zwischenform zwischen diesem und dem H. alpinum melanocepha- lum. Im östlichsten Theile des hohen Riesengebirges (Kiesberg, Koppen- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 143 plan und besonders häufig am oberen Rande der Melzergrube) findet sich eine dritte sehr ausgezeichnete, dem H. nigrescens wohl nahe benach- barte, aber schwerlich damit zu verbindende Form, welche ich vorläufig an Freunde als H.nigrescens subsp. glanduloso-dentatum oder auch direct als H. glanduloso-dentatum vertheilt habe. (H.nigrescens f. 3 angustifolium Fl. Siles.2) In Blattform und Zahnung erinnert sie an das H. bructerum Fr. Symb. (H. Halleri Hampe jl. herc.) des Brockens, doch weichen im Uebrigen sowohl die Beschreibungen, als auch die von mir bisher von dort gesehenen Exemplare von unserer Form ab, die sich andererseits, namentlich in den Köpfen, mehr an die in den westgalizischen Beskiden (Babiagöra) und in der Talra für H. nigrescens gehaltene Pflanze anschliesst. Einköpfige kleine Exemplare der Riesengebirgsform sind möglicherweise mit H. apiculatum Tausch identisch, von dem ich authentische Originale noch nieht vergleichen konnte. Stengel 10-45 Cm. hoch, wie die Blatt- stiele am Grunde weichhaarig, sonst von kurzem zerstreutem Sternhaar schwach pubeseirend, bisweilen ganz kahl, an der Spitze meist einfach bis doppelt gabelspaltig, 2—4köpfig, seltener einköpfig; am Grunde mit 3—Tlanzettlichen, beiderseits verschmälerten, in den Stiel sehr allmählich verlaufenden, meist ihrer ganzen Länge nach gezähnten, am Rande gewimperten, auf der unteren Fläche, zumal auf den Nerven zerstreut weichhaarigen, im Alter fast kahlen, freudig grünen, ziemlich derben Blättern. Zahnung ungleich, indem meist kleinere, mit ziemlich grossen, fast horizontal abstehenden spitzen Zähnen abwechseln;, sänımtliche Zähne mit langgestielten, rothbraunen Drüsen endend; auch die etwas schwielige Blaitspitze, seltener sogar der Saum des Blattes rothbraun berandet. Ein bis zwei gestielte, den unteren im Ganzen ähnliche Stengelblätter. Köpfehenstiele mehr oder weniger grauflockig, mit eingestreuten längeren und feinen schwärzlichen Drüsenhaaren, vor dem Aufblühen aufrecht oder an der Spitze etwas gekrümmt. Köpfe mittelgross, nach dem Verblühen gestutzt. Hüllen tief schwarz, kaum zottentragend, aber reichlich, na- mentlich am Grunde, mit feinen schwarzen Drüsenhaaren besetzt. Zungen- blüthen am Grunde weichhaarig, gegen die Spitze fast kahl, mit gewim- perten Zähnen. Griffel russfarben. Verschieden von H. nigrescens W. durch die kahleren Stengel und Bläiter, durch die abweichende Blattform und Zahnung (bei H. Halleri sind die Zähne durchschnittlich grösser, stumpfer, minder zahlreich und regelmässig und die grössten fallen ge- wöhnlich in die untere Partie des Blattes), welches nach Art des H. mu- rorum eine gewöhnlich vom Stiele deutlich gesonderte Lamina zeigt), durch die derbere Consistenz und die freudiger grüne Farbe des Laubes, durch nur etwa halbsogrosse, kaum zottige Köpfe; auch erinnern nament- lich die höheren mehrköpfigen Individuen habituell wenig an H. nigrescens, welchem gleichwohl die erwähnte Form unter den unserigen sich noch am Nächsten anlehnt. — Die übrigen bei uns mit H. nigrescens W. con- 144 Jahres- Bericht fundirten Species sind Glieder der Pulmonarea. H. atratum Fr.! (non Griseb.) = H. nigrescens W. Gr.! Cent. siles. XV!, H. nigrescens ß multi- Jlorum Wimm. Fl. v. Schles. III. 310! (ex p.), in die Gruppe des H. mu- rorum gehörig, ist ziemlich verbreitet in unseren Hochgebirgen, doch namentlich im Riesengebirge, wo auch die Var. subnigrescens Fr. Hier. eur. exs.! (H. submurorum Lindeberg in Blytt. Norges Flora 643) hier und da vorkommt, eine Form, deren Beurtheilung ich mich vorläufig noch enthalte. — Zwei andere, mit mehr oder weniger umfassenden oberen Blättern sind den Alpestribus und zwar der Verwandtschaft des H. dov- rense Fr. zuzuzählen. . Das verbreitetere ist H. nigritum Uechir. (im Jahresb. der schles. G. 1872, p. 94), identisch mit H. nigrescens b pul- monarium W. et Gr. nach von Wimmer bezeichneten, von Grabowski am Gl. Schneeberge gesammelten Exemplaren, sowie mit H. amplexicaule \ Tausch Exsiec. bohem. (non L.) vom gleichen Standort, desgl. H. nigrescens ß multiflorum Wimmer Fl. v. Schl. ed. III (ex p!). Möglich, dass auch das von Nitschke im Jahresb. der schles. G. 1857, p. 26 erwähnte frag- liche Hieracium vom Schneeberge hierher gehört, welches derselbe irrig für H. anglicum Wimm. (H. Wimmeri m.) genommen hat, doch ist die dort gegebene Charakteristik zu unvollständig, um Sicheres entnehmen zu können. Uebrigens besitze ich das H.nigritum in der That von Nitsehke vom Schneeberge als ‚„Hieracium n. sp.“ — Der Stengel weichhaarig bis zottig, hohl, grün oder mit rothen Flecken, entweder einfach, ein- bis armköpfig, alsdann 1—2blättrig oder von der Mitte, seltener schon vom Grunde an ästig, vielköpfig, die Aeste I—3köpfig, die Köpfe entfernt; bei solchen Individuen der Stengel meist drei-, seltener vierblätterig, bis 30 Centim. hoch. Drei bis sechs untere Blätter, breit-lanzettlich bis länglich, oft fast rhombisch, die grösseren zugespitzt, in den stark zottigen Stiel verschmä- lert, entfernt gezähnelt, seltener mit einigen gröberen unregelmässigen Zähnen, auf den Flächen- zerstreut weichhaarig, oberwärts schwächer be- kleidet oder selbst kahl, am Rande weichhaarig gewimpert. Stengel- blätter entweder sämmtlich am Grunde halb umfassend oder das unterste sitzend bis kurz gestielt, länglich-rhombisch, die mittleren und obersten mit breit-eiförmiger Basis, nicht selten am Grunde beiderseits mit einigen groben Zähnen und an kräftigen Individuen oft ganz den Stengel um- fassend. Laubblattregion und Inflorescenz nicht deutlich gesondert, indem bei den grösseren Exemplaren die unteren Verzweigungen der letzteren noch mit Laubblättern gestützt sind. Köpfchenstiele ziemlich schlank, an der Spitze etwas gebogen, bei kleineren Pflanzen kürzer und aufrecht, grauflockig, mit eingemischten längeren, grauweissen, am Grunde schwar- zen Weichhaaren und zahlreichen kürzeren Drüsenhaaren. Köpfe ziem- lich gross, doch kleiner wie bei H. nigrescens, aber etwas grösser als bei H. atratum, Hüllblätter schwärzlich, mehrreihig, kurzzottig, mit zahlreich eingemischten schwarzen Drüsen. Ligulae intensiv goldgelb, mit kurz der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. 145 gewimperten Zähnen; Griffel russfarben. Achänen bei der Reife schwärz- lich, ungefähr 3 Mm. lang. — Grosse kräftige Individuen dieser Art mit vielköpfigem ästigen Stengel erinnern in der That entfernt an H. amplewi- caule L. oder H. pulmonarioides Vill. Laub beim Trocknen leicht gelbgrün werdend! Von H. nigrescens W. durch die beiderseits verschmälerten, in den Blattstiel deutlich verlaufenden, im Ganzen schwächer und gleich- mässiger gezähnten unteren Blätter, den normal beblätterten, nicht schaft- artigen Stengel, die umfassenden oberen Blätter, durch die von der Laubblatt- region nicht geschiedene Inflorescenz, durch kleinere Köpfe, minder lang ge- wimperten Ligularsaum ete. sehr leicht zu unterscheiden. Von H. atratum Fr. verschieden durch zottige Stengel, durch die Blattform, durch grössere, zot- tigere, am Grunde breitere Köpfe, länger gespitzte Hüllblätter, längere Ligulae und vorzüglich durch die umfassenden breit-eiförmigen Stengelblätter, übri- gens auch durch eine völlig abweichende Tracht. -— Sehr ähnlich ist das H. nigriltum übrigens auch den kleineren Exemplaren des H. chlorocephalum Wimmer (H. pallidifolium Knaf nec Jordan), mit denen auch ich selbst anfangs diese Art verwechselt habe, doch unterscheidet sie sich von diesem sicher durch die stärkere Bekleidung, namentlich der Blätter, durch den zottigeren, hohlen, nieht ausgefüllten, niedrigeren, oft schon vom Grunde oder wenig- stens von der Mitte an verästeten, zur Blüthezeit an der Basis stets mit einer Anzahl noch frischer Blätter umgebenen, nur I—4 Stengelblätter tragenden Stengel, durch die weicheren Blätter, durch zottigere, stark drüsentragende schwarze Köpfe, die schmäleren und etwas spitzeren Hüll- blätter, von denen die inneren nie so breit blass berandet sind, durch deutlicher gewimperte Ligulae etc. Wie H. chlorocephalum, welches sonst in Tracht und Blattform dem H. nigritum nahe kommt, gehört letzteres zu denjenigen kritischen Formen des Genus, welche mit diversen, ver- schiedenen Reihen angehörigen Typen in Verwandtschaftsverhältnissen stehen. Denn ähnlich wie H. chlorocephalum einerseits ein natürliches Bindeglied zwischen den Alpinis (H. bohemicum Fr.) und H. Bocconei Gris.*) und den Vulgatis (H. vulgatum irriguum Fries, zu welchem entschiedene Ueber- gänge existiren !), während es andererseits sich den Alpestribus (H. carpaticum Besser, Fries Epier. nec Gris. nec Wimmer) eug anschliesst, so hält H. nigriium im Ganzen die Mitte zwischen H. chlorocephalum Wimm. und 4. nigrescens W., lehnt sich aber durch die umfassenden oberen Blätter und den Habitus auch an manche Formen der Alpesiria au und ist am Besten bei diesen und zwar in der Nähe von H. dovrense Fr. zu placiren, mit dem es Celakovsky sogar vereinigen zu müssen geglaubt hat. Doch be- sitzt die nordische Art, die allerdings namentlich in schmalblätterigen In- dividuen mit der unseren manches Analoge zeigt, stärker beblätterte *), Dieses bringt neuerlich Grisebach wohl mit Recht zu den Vulgatis. (Verg!l. Pantocsek Adnot. ad fl. et faun. Hercegov. etc,) 10 146 Jahres-Bericht \ höhere Stengel, zur Blüthezeit meist weniger, z. Th. schon vertrocknete Grundblätter, breiter geflügelte Blattstiele, nur schwach drüsige Köpfchen-- stiele und Hüllen, denen zugleich die Zottenbekleidung mangelt; die Hüll- blätter sind noch deutlicher spiralig geordnet, die Hüllschuppen breiter und weit stumpfer, die innersten kürzer mit breiterem blassen Hautrande, fast kahl. — Das H. nigritum scheint wie H. bohemicum Fr., H. pedunculare Tausch, H. riphaeum Uechtr. ete. eine dem Sudetenzuge eigenthümliche Species, die sieh nur da findet, wo das Gebirge über die Baumgrenze aufsteigt. Im Riesengebirge ist es ziemlich selten: vorzüglich am kleinen Teiche, aber hier sehr häufig!!; Trautmann sammelte es auch, obwohl spär- lieh, am Kiesberge. In den Ostsudeten dagegen ist diese Art ver- breitet, so am Glatzer Schneeberge!! (schon v. Uechtritz sen.!, W. et Gr.! Tausch!) und im Gesenke, z. B. an der Hungerlehne!! am Altvater!! Petersstein! am oberen Rande des Kessels! ete. Die letzte der bei uns unter H. nigrescens zusammengefassten Formen ist H. stygium n. sp., eine eigenthümliche auf die Ostsudeten [Glatzer Schneeberg! und Gesenke (Fuhrmansstein! (M. Winkler), Altvater! Petersstein! Kessel!)] beschränkte Art, welche ich in früherer Zeit für eine forma glabrata des vorigen angesehen habe, bis mich weiteres Material eines Andern belehrte. — Grundaxe schief, relativ dünn, mit verlängerten derben einfachen Fasern. Stengel schlank, etwas hin- und hergebogen, am Grunde nebst den Blatt- stielen gewöhnlich rothbraun gefärbt oder wenigstens gefleckt, daselbst meist mit weichen Haaren, sonst kahl, schärflich, beblättert, einfach, meist gabelspaltig, 2- bis A4köpfig, seltner einköpfig, noch seltner armköpfig — corymbös. Blätter derb, dunkelgrün, mit einem Stich ins Blaugrüne, beim Troeknen nicht gelb werdend, oberwärts nicht selten. mit schwachem Fettglanze, nur am Rande bald länger, bald kürzer weichhaarig gewimpert und an der Mittelrippe weichhaarig, übrigens fast kahl; lanzettlich, ge- schweift drüsig-gezähnelt, seltner gezähnt, mit rothbraunen Spitzchen, mit- unter fast ganzrandie; 2—6 zur Blüthezeit entweder noch vorhandene oder theilweise vertrocknete in den langen weichhaarigen Blattstiel all- mählich verschmälerte grundständige, welchen das gleichfalls langgestielte unterste Stengelblatt ähnlich ist; das zunächst folgende und bei grösseren reicher beblätterten Individuen auch gewöhnlich noch das dritte mit kurzem breitgeflügeltem etwas umfassendem Stiele, die obersten klein, sitzend oder undeutlich halbstengelumfassend. Nerven zweiter Ordnung weniger her- vortretend als bei voriger Art. Köpfehenstiele grauflockig, ınit zerstreuten längern drüsentragenden schwärzlichen Haaren, aufrecht oder aufsteigend, an kräftigen Exemplaren öfter wagerecht abstehend mit aufsteigender Spitze. Köpfe mässig gross, die der einköpfigen Pflanzen meist ansehn- licher, nach dem Verblühen am Grunde etwas bauchig oder gestutzt. Hüllblätter mehrreihig, tief schwarz (inde nomen!), spitzlich, die äussersten etwas abstehend, am Grunde mit spärlicher Drüsenbekleidung und kürzeren der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 147 zerstreuten Zotten, die inneren bleicher, kahl; im Alter öfter sämmtliche Hüllblätter fast kahl werdend. Zähne des Ligularsaumes unregelmässig kurz gewimpert oder kahl. Griffel russfarben. Achänen schwarzbraun, ca. 3 Mm. lang. Mit H. nigrescens W. und H. airatum Fr. ist diese sehr ausgezeichnete Pflanze absolut nicht zu verwechseln. Fries scheint sie aus Schlesien bereits gesehen zu haben, als er die Epierisis schrieb, denn das H. „pallescens H. nigrescenti (i. e. H. airato) proximum‘“ Wimm. e Siülesia, auf welches er sein H. plumbeum b. elatius begründete, ist zweifels- ohne die eben beschriebene Art, deren kleinere ein- bis dreiköpfige In- dividuen wegen der Kahlheit der schwarzen Hüllen, den derben Blättern ete. allerdings entfernt an das H. plumbeum Fr. (non Griseb.), eine sehr seltene, den Sudeten wie es scheint fehlende Species erinnern, welche aber im Uebrigen durch den meist blattlosen oder nur einblättrigen Stengel, die sehr abweichende Gestalt der grundständigen Blätter, durch kleinere Köpfe, durch die langgespitzien schmäleren Hüllblätter ete. weitaus verschieden ist und zur Gruppe des H. murorum gehört. Von H. nigritum, dem das H. siygium in mehrfacher Hinsicht am nächsten kommt, unterscheidet es sich durch dieschlanken, am Grunde meist rothgefärbten, stets einfachen, fast kahlen Stengel, durch die derberen, kahleren, länger gestielten, feiner gezähnelten, nur selten gezähnten, reiner dunkelgrünen Blätter, welche auch bei minder sorgfältigem Trocknen ihre Farbe nicht verändern; auch die obersten, welehe überdies nur undeutlich umfassen oder nur. einfach sitzen, sind lanzettlich; die untersten Köpfehenstiele sind selbst bei grossen Exemplaren nur ausnahmsweise durch ein kleines, alsdann immer schmäleres Laub- blatt gestützt, so dass die Inflorescenz deutlicher gesondert erscheint. Die Hüllblätter sind breiter, weit schwächer zottig und am Grunde schwach drüsig, im Alter fast kahl. Die Ligulae sind etwas kürzer, an den Spitzen weniger deutlich gewimpert. — Früher vermuthete ich eine Zeit lang, dass das mir räthselhaft gebliebene H. nigrescens >< prenanthoides Nitschke (Jahresb. 1857, 27) vom Gl. Schneeberge mit unserer Pflanze zusammen- fallen möchte und in der That passt Manches des dort über die angeb- liche Hybride Gesagten, aber Anderes (z. B. der steife reichblättrigere Stengel, die scharf gezähnten Blätter, „‚bodenständige B. mit grossen un- gleichen Zähnen, besonders an der unteren Hälfte des Blattrandes“, roth- braune reife Achänen, Blattbekleidung von prenanthoides etc.) wieder so wenig, dass Nitschkes Pflanze wohl doch noch etwas Verschiedenes sein muss. — Sehr ähnlich ist unserer Art das H. porphyriticum Kerner (Oest. b. Z. XII. 247); dieses unterscheidet sich nach den mir vorliegenden Herbars-Exemplaren des berühmten Autors durch die sehr kurz gestielten, meist etwas stärker bekleideten grundständigen Blätter, durch nur 1—2 sitzende, meist merklich kleinere Stengelblätter, durch nur schwach und viel lockerer grauflockige, daher im Alter regelmässiger kahlere, von längeren schwarzen Drüsenhaaren entblösste Köpfchenstiele, durch die schon 10* 148 Jahres- Bericht in der Jugend fast kahlen, nur am Grunde schwach schwarzdrüsigen Hüll- blätter, deren innere blasser und mit einem breiten blasseren Hautrande versehen sind, durch ganz kahle Ligularzähne und vorzüglich durch die blassbraunen, nicht braunschwarzen, breiteren und längeren Achänen (bei H. porphyriticum bei 0,75 Mm. Breite ca. 4 Mm. lang, bei H. stygium 0,50 Mm. breit, ea. 3 Mm. lang). Gleiehwohl halte ich dafür, dass diese beiden, auclı im Habitus sehr conformen Arten einander zunächst ver- wandt sind, Wuchs, Blattform, Bekleidung und Farbe der Blätter, In- florescenz, Bau der Köpfchen und Hüllblätter, Griffelfarbe ete. sind sehr übereinstimmend und nur die grossen entwickelten Individuen des H. stygium zeigen ein abweichenderes Exterieur. H. porphyriticum ist kaum ein Glied jener kleinen Gruppe der Pulmonarea, die ich als Cernua be- zeichnet habe (vergl. Oest. b. Z. 1875, 215), wie ich, den Formenkreis derselben nicht genügend kennend, ehedem glaubte; die Beziehungen zu letzterer sehr natürlichen Sippe, deren Glieder in überaus engem Zu- sammenhange stehen, sind nur scheinbare. — Zum Schluss wäre noch eine wie H. nigritum den Dovrensibus zugehörige eigenartige sudelische Art, das H. Engleri m. des Kessels (H. Dovrense Engler nicht Fries) in Vergleich zu bringen; dieses unterscheidet sich von H. stygium durch die stärkere Bekleidung, weniger flexuösen Stengel, weichere Blätter, die kürzer gestielten unteren Stengelblätter, breitere, am Grunde‘ mitunter eiförmige, viel deutlicher umfassende obere Stengelblätter, durch liehtere, kaum drüsentragende, lang- und feingespitzte, schmälere Hüllblätter, welche vor der völligen Entwiekelung der Ligulae das noch geschlossene Köpf- chen weit überragen, sowie durch abweichendere Tracht und minder rein- srüne Färbung des Laubes. Immerhin sind auch zwischen diesen beiden Arten verwandtschaftliche Beziehungen nicht ganz in Abrede zu stellen, was auch Wimmer nicht. entgangen scheint. Denn da das H. Engleri nach den Originalen seiner Sammlung identisch mit H. rupestre y_molle Fl. v. Schles. ed. II. Nachtrag (1844) ist, so wird dadurch die sonst geradezu befremdliche Behauptung (ed. II. p. 311), dass es im Gesenke ‚oft sehr schwer halte, die Formen des H. nigrescens von denen des H. pallescens gevau zu sondern, einigermassen erklärlich. H. stygium ist, ob- wohl bei uns meist mit H. nigrescens W. selbst verwechselt, wie erwähnt, allem Anschein nach das H. pallescens ,,H. nigrescenti proximum Wimm.““ in Fr. Epier. 95 (= H. plumbeum b elatius Fr. I. c.), H. rupestre Wimm. ed. II. (nee alior.) aber, zu dem Wimmer das ganz unähnliche H. Engleri brachte, entspricht dem H. Schmidts Tausch, also dem H. pallescens & der dritien Ausgabe der Fl. v. Schlesien. Wie unrichtig. übrigens Wimmer diese und die verwandten Formen benrtheilte, geht unter anderem auch daraus hervor, dass er das dem H. Schmidtü so ganz unähnliche H. chloroce- phalum Wimm. olim (K. pallidifolium Knaf.) mit dem Synonym H. palles- cens Fries als ß foliatum zu seinem H. pallescens brachte. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 149 H. rupicolum Fries var. franconicum Griseb. (= H. bifidum Koch syn. nec W. et K.) Sparsam am Kiesberge im Rieseugebirge in Gesellschaft von H. Schmidtü Tsch., von dem sich diese Art durch die verlängert schmal-lauzettlichen, am Rande nicht langborstigen, sondern nur kurz gewimperten, seltener kurz borstigen, sonst ziemlich kahlen, lichtgrünen, kaum blaugrünen, entfernt fein gezähnelten, mitunter ganz- randigen, kurz gestielten Blätter, die entfernter gespreitzten Verzweigungen der Inflorescenz, wenigstens die untersten, welche durch ein langes schmal- lineales Blättehen gestützt werden, durch kleinere Köpfe ete. unterscheidet, Die Sudetenexemplare höher (3—4 Deeim.) als die Erlanger und Württem- berger, mit denen unsere Pflanze die drüsigen Köpfchenstiele und Hüllen gemein hat. Sternhaarflockenbekleidung der letzteren etwas variabel, mit- unter locker und dann die Hüllen schwärzlich. Dass dieses Hieracium, dessen richtige Bezeichnung ich erst durch die Beobachtung in der Cultur in Erfahrung gebracht, von H. Schmidt specifisch verschieden ist, unter- liegt keinem Zweifel. Stengel schlank, kahl, blattlos oder einblättrig. Blattstiel stets kürzer als die stark verlängerte, schmale Blattspreite, übrigens in der Länge veränderlich, mitunter sehr kurz, ähnlich, wie sie das bei Rchb. fil. t. 187 U. dargestellte Exemplar zeigt, öfter aber so lang, wie bei Nr. I. derselben Tafel, welche überhaupt den Habitus unserer Sudetenform, deren Stengel meist wiederholt gabelspaltig sind, besser aus- prägt; nach der Drüsenbekleidung jedoch gehört diese nicht zur Haupt- form, sondern zur Var. franconicum. Hieracium cinerascens Jordan, Fr. Epier.! Moisdorf bei Jauer (F. W. Scholtz). \ H. subcaesium Fr.! Teufelsgärtchen im Riesengebirge (Wimmer 1842, Wichura, mit und als H. pallescens Wimm. «& (i. e. H. Schmidti T'sch.). H. vulgatum Fr. var. medianum Griseb. Im hohen Riesengebirge nicht selten: Melzergrund, Riesengrund ete. H. vulgatum Fr. var.? Mittelform zw. H. vulgatum und H. murorum, mit reichlichen Grundblättern, ein- seltener zweiblättrigem Stengel und liefschwarzen Hüllen, welche nebst den Köpfchenstielen dicht sehwarz- drüsig bekleidet sind. Ligulae gesättigt goldgelb, mit einem Stich ins Rothgelbe. Griffel rauchbraun. Blätter derb, mit Ausnahme der Stiele und der Mittelrippe ziemlich kahl, ganz von der Gestalt derer des H. vulgatum Fr., mit mässigen drüsentragenden Zähnen. Stengel kahl. — Bei Landeshut (Höger). Eine in Blattform, in der starken Drüsenbeklei- dung, der tiefschwarzen Färbung der Hüllen und der Farbe der Ligulae und Griffel ganz ähnliche, aber durch weichere, stark behaarte Blätter und Stengel, welche letztere regelmässig zwei Blätter tragen, sowie durch die sehr verlängerten, namentlich am Grunde oft grossen Blattzähne ver- schiedene Form bei Görbersdorf (Stähler). Letztere weicht von der Be- schreibung des H. vulgatum var. acuminatum Gr. et G. (H. acuminatum Jordan) 150 Jahres - Bericht nur durch den schwach beblätterten Stengel; von H. argulidens Nügeli ausserdem noch dureh die tiefschwarzen Hüllen und die starke Drüsen- bekleidung: dieser und der Köpfchenstiele ab. | H. vulgatum var. H. caleigenum Rehmann! (identisch mit Original- exemplaren vom Autor aus der Tatra, ziemlich kahl, mit schlaukem leicht zerbrechlichem Stengel, Blätter etwas starr, bisweilen mit blaugrünlichem Anfluge, nieht gross, Köpfchenstiele dünn, Köpfchen gewöhnlich stärker weissgrauflockig, wie die Stiele ohne oder mit nur ganz vereinzelten Drüsen- haaren. — Im Teufelsgärtchen des Riesengebirges. Xanthium ilalicum Mor. f. X. riparium Lasch. Neusalz: Oderufer z. B. zw. der Restauration und der Försterei im Oderwalde (W. Schultze); bei N. schon Anfangs der Fünfziger Jahre von Cantor Franke entdeckt. Grünberg: Oderwald (Heilwig). Campanula bononiensis L. D.-Wartenberg: Hügelabhänge bei Bobernig (W. Schultze). C. Cervicaria L. Labander Wald bei Gleiwitz (Nagel). + Phyteuma nigrum Schmidt. Vereinzelt auf künstlichen Wiesen im Scheitniger Parke bei Breslau (1875); mit Luzula albida und Bromus erectus, zwei wohl in Schlesien einheimischen Arten, welche gleichwohl an dieser Stelle wie das westlichen Gegenden angehörige, zunächst im Erzgebirge einheimische Phyteuma eingeschleppt oder absichtlich aus- sesät sind, da sie früher dort fehlten. | Andromeda polifoha L. f. rotundata. Blätter breit-länglich, vorn abgerundet, stumpf oder fast rundlich, mit sehr kleinem und kurzem Stachelspitzchen; in der Tracht an die Hauptform wenig erinnernd. Steril beim Forsthaus Kowalliki unweit Tarnowitz (Kabath). Echinospermum Lappula Lehm. Sedzyn bei Grünberg (Hellwieg). Cuseuta lupuliformis Krocker. D.-Wartenberg: Ufergebüsche der Oder bei Pirnig (Hellwig;). ; Verbascum nigrum >< phlomoides. Rybnik: auf Gartenland unter den Eltern wildwachsend (Fritze). 7} Linaria Cymbalaria Mill. Stadtmauern von Freistadt in N.-S8. (Hellwig;). Veronica scutellata L. Var. pilosa Vahl (V. osiliensis Luce fl. osil., V. Parmularıa Poit. et Turp.) Sumpfige Stellen des Torfstichs zwischen Klein-Kotzenau und Hinterhaide (L. Becker, 1875). Mit der Grundform und mit Uebergängen in diese; einzelne Individuen überaus stark kurz- zottig bekleidet, auch die Blätter; Kelche und Kapseln zerstreut drüsig gewimpert. Verbreitet in West- und Nordeuropa, hier namentlich in den baltischen Küstenländern bis nach Petersburg ete. Im Innern Deutsch- lands seiten und namentlich gegen SO. sich ganz verlierend. Bei uns jedenfalls höchst selten und schon seit langen Jahren vielfach vergeblich gesucht, auch in den Nachbarprovinzen meines Wissens bisher nur von der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Culiur. 151 einem Standorte nahe unserer nordwestlichen Gebietsgrenze bei Schwiebus (Golenz) bekannt, daher vielleicht in jener Gegend noch häufiger. Pedicularis sudetica W. f. uniflora Junger. Weisse Wiese in Riesengebirge sparsam unter der gewöhnlichen (Junger). Mentha viridis L.. Grünberg: Sauermanns Mühle (Hellwig). Stachis recta L. D.-Wartenberg: Abhänge bei Bobernig (W. Schultze). Galeopsis pubescens Besser f. angustifolia m. Blätter schmal-lanzett- lich, die obersten eiförmig-lanzettlich, lang zugespitzt, unregelmässig tief ein- geschnitten-gezähnt oder grob kerbig-gezähnt, Kronen 4-—-5mal kleiner. Nur ein Exemplar unter der Grundform auf Gartenland in der Öhlauer Vorstadt. Utrieularia intermedia Hayne. Wiesengräben bei Polnisch-Tarnau un weit Schlawa, blühend (W. Schultze). + Blitum capitatum L. Gemüsefelder um Falkenberg in O.-8. (J. Plosel). Euphorbia strieta L. Neusalz: Oderniederung bei Tschiefer in Ge- büschen (W. Schultze), also im ganzen niederschlesischen Oderthale von Ohlau an, wie Cerastium anomalum und Carex Buekü. Merkwürdig ist das Fehlen dieser Art in Preussisch-Oberschlesien, da sie doch im Tesch- ner Kreise wie in allen Carpathenländern verbreitet ist und daselbst nicht selten in Gesellschaft des E. platyphylios gefunden wird, welche in der schlesischen Ebene vorzugsweise auf Schutt und wüsten Plätzen in Dör- fern, an Wegen, seltener auf Aeckern unter dem Getreide vorkommt. In der Breslauer Oderniederung, wo beide Arten nicht gerade selten sind, finden sie sich niemals an demselben Standort. E. strieta ist im oberen Odergebiet an den aus den Carpathen kommenden Nebenflüssen des Stromes, in Oest.-Schlesien an der Ostrawica und Olsa nicht selten, wurde aber, wie bemerkt, in Pr.-Oberschlesien noch nicht nachgewiesen. Das Vorkommen im niederschlesischen Odergebiete ist daher vielleicht am Richtigsten durch Anschwemmung von Samen in Folge Hochwassers zu erklären, doch muss die Ansiedelung schon eine alte sein, indem sich diese Art bereits einen zusammenhängenden und ausgedehnten zweiten Ver- breitungsbezirk bei uns geschaffen hat. Den sudetischen Zuflüssen der Oder fehlt sie, ebenso dem Elbgebiete (das erst in neueren Zeiten be- kannt gewordene Vorkommen bei Dresden ist wohl nur ein zufälliges ; auch in Böhmen fehlt diese in Süddeutschland, am Rheine und in den Carpathen gemeine Art) und längs der Weichsel ist sie nur im Oberlaufe des Stromes und seiner carpathischen Nebenflüsse in Oestr.-Schlesien und Westgalizien beobachtet. E. Esula >< lueida Wimm. Neusalz: Polderdamm (W. Schultze). E. eyparissias > lucida Wimm. Neusalz: Oderwald (ders.). Mereurialis annua L. f. mierophylla m. Breslau: Gartenland der Ohlauer Vorstadt sparsam; Habitus von M. ambigua L.fil., aber diöcisch. Aristolochia Clematitis L. Neusalz: beim Oderfährhause gegenüber Carolath (W. Scehultze). | 152 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. Salix einerea >< viminalis Wimm. Grünberg: bei Grienz’ Ziegelei (Hellwig). S. triandra >< viminalis Wimm. «& ©. Trevirani Spr. ec Wimmer, Grünberg: Hellers Fabrik im Maugschtthale (Hellwig). — Im Herbst fast regelmässig proleptische Kätzchen entwickelnde Sträucher am Oderufer bei Morgenau nächst Breslau (Uechtritz). Eine von der bei Breslau ge- wöhnlichen ‚abweichende Form mit stark verlängerten, 5—7 Cm. langen schlanken eylindrischen Kätzchen und bleicheren, nicht blass rostfarbigen, sondern grüngelbliehen Kätzchenschuppen, länger gestielten Fruchtknoten und breiteren, in der Jugend etwas stärker auf der Unterseite bekleide- ten, am Rande deutlicher gesägten Blättern, welche mit von Tausch als S. undulata Ehrh. ausgegebenen Exemplaren von Prag genau übereinstimmt, an der Oder bei Neusalz (W. Schultze). 7} Elodea canadensis Rich. et Mch. D.-Wartenberg: Altwasser der Oder bei Pirnig (Hellwig). Oypripedium Calceolus L. Beuthen in O.- Schl.: in der Dombrowa nicht gerade selten (Unverricht und Nagel). Im Segethwalde bei Tarno- witz soll es dagegen jetzt ausgerottet sein. Arum maculatum L. Boberufergelände bei Landeshut (oe) Anthericum ramosum L. ß fallax Zabel. Grünberg: Hügel im Kiefer- walde bei der Au-Mühle (Hellwig). Juncus atratus Krocker. Neusalz: Wiese im Oderwald (W. Schultze). Oyperus flavescens L. f. submonostachya m. Grössere, 5 bis 10 Centimeter hohe Exemplare unter der gewöhnlichen auf Wiesen bei Pentsch bei Strehlen (1855, Uechtritz); zwergige, 1—4 Cm. hohe in diehten Räschen von der Tracht der Heleocharis acieularis um die Barndt’sche Mühle bei Grünberg (Hellwis). Carex arenaria L. Neusalz: Bertholdswäldchen (W. Schulize), D.- Wartenberg: Pirnig auf sandigen Wiesen (Hellwis). C. dioeca L. Grünberg: Barndt’sche Mühle (Hellwig). ©. Buekii Wimmer. Neusalz: am Fusse der „Alttschauer Alpen‘‘ am Rande der Oderniederung (W. Schultze), ein weit nach NW. vorgescho- bener Posten dieser bisher nur aus dem mittelschlesischen Oderthale von Ohlau bis Parchwitz bekannt gewesenen Art. ©. acuta L. ß strictifolia Aschers. (O. strietifolia Opiz,; C. prolisa Fr.) Grünberg: mit (©. Goodenoughü ß C. juncella Fr. bei der Barndt’schen Mühle (Hellwig). Auch an den Ohlauufern oberhalb Breslaus nicht selten (Uechtritz). Glyceria memoralis Uechtr. ei Körnicke. Friedland: quellige Stellen gegen den Büttnergrund bei Görbersdorf (E. Fick). Poa bulbosa L. Am Wege zw.D.-Wartenberg und Bobernig(W. Schultze). Equisetum Telmateja Ehrh. Im Biskupitzer Forst bei Zabrze O.-S. (Nagel). Polypodium Robertianum Hofm. Sprottau: in einer Grotte des Mall- mitzer Parkes (W. Schultze). III. Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1875, erstattet von K. Letzner, zeitigem Secretaäir. Die entomologische Section hat im Jahre 1875 zu 8 Sitzungen sich versammelt, welche fast sämmtlich von zahlreichen Gästen besucht waren. Von den Mitgliedern wurde Herr Dr. Wocke leider auch dieses Jahr während der rauhen und kalten Monate durch Krankheit an sein Zimmer gefessell. — Vorträge wurden in den Versammlungen von folgenden Herren gehalten: _ Herr Engert sprach am 15. Februar über die Farben-Varietäten einiger Chrysomelinen (Orsodacne Cerasi, Gonioctena quinquepunctata, Cryptocephalus Moraei) und Coccinellen (Coc. bipunctata). Herr Bibliothekar Dr. C. Fickert hielt 2 Vorträge: a. am 15. Febr. über Erigone quadripunctata n. sp., Steatoda Carieis n. sp., Artanes Beskida n. sp. und einige andere in Schlesien gefangene Spinnen; b. am 15. November über sein (856 Species zählendes) Verzeichniss der schles. Spinnen. Beide Vorträge sind bereits gedruckt in der Zeitschrift für Entomologie, herausgegeben vom Vereine für schles. Insektenkunde, neue Folge Heft 5. Herr Gutsbesitzer J. Naacke sprach am 8. März über den Gebrauch von Art, varietas und aberratio in Beziehung auf Zeitform, Localform, gleichzeitiger Mehrform und zufälliger Form. Am 1. November berichtete derselbe zunächst: In seinem Vortrage vom 30. November v. J. über die lepidopterologische Fauna der Rein- 154 Jahres - Bericht erzer Gegend (abgedruckt in dem 52. Jahresbericht der schles. Gesell- schaft S. 161—164) sei zu lesen: Seite 16i letzte Zeile statt Werdandi Zett.: Werdandi H. $S. Seite 162 Zeile 7 statt 21 Arten: 18 Arten und 3 Abänderungen. Seite 162 Zeile 8 statt 472 Arten: 469 Arten. Herr Gutsbesitzer Naacke hielt ferner folgenden Vortrag über Colias Palaeno L. und Plusia Interrogationis L. Die Zweifel, welche unter den schlesischen Lepidopterologen über die Lebensweise der Raupe von Col. Palaeno L., sowie deren Nährpflanze ‚herrschten, veranlassten mich, etwa 6 Wochen vor der durchschnittlichen Flugzeit des Schmetterlings einen der wenigen schlesischen Fundorte, und zwar den nächsten von Breslau, die Seefelder bei Reinerz behufs Auf- findung und eventueller Erziehung der Raupe zu besuchen. Am 18. Mai des Jahres 1875, meiner ersten dortigen Excursion bei + 15° R., fand ich die Seefelder, soweit es die unebene Formation des Moorbodens zu- lässt, ziemlich trocken, die Pflanzenfauna jedoch in völligem Winterschlafe, ein auch nur geringes Anschwellen der Blattknospen von Betula alba, Vaccinium Myrtillus und Vac. uliginosum war nicht vorhanden; Calluna vulgaris schien ganz vertrocknet, während auf den vorliegenden Berg- lehnen und im Weistritzthale die Birke begrünt und die Blaubeere die ersten beiden Blätter ausgebildet hatte. Dieses um eine Woche spätere Erwachen des Vegetationstriebes auf den Seefeldern findet seine Be- dingung einerseits in dem unaufgeschlossenen, sauren Humus des Moor- bodens und der grösseren Stagnation des Wassers, andererseits in den Winden, welchen die Fläche ausgesetzt ist und die hier umsomehr ein- wirken, als die Pflanzenfauna an und für sich eine sehr dürftige ist. Die Besuche der Seefelder, deren im Ganzen zehn stattgefunden, wurden regelmässig jeden zweiten Tag bis zum 5. Juni ausgeführt. Die Luft- temperatur war bis zum 26. Mai sehr warm, am Tage -- 15° bis + 20° R. im Schatten, des Nachts + 14° bis 15° R., es traten jedoch täglich kurze Strichregen ein. Vom 283. Mai ab herrschte Nordostwind, das Thermometer sank bis + 6° R. und blieb mit geringen Schwankungen auf diesem Niveau bis zum 5. Juni. Am 24. Mai schlossen sich die Blatt- knospen von Vac. uligimosum auf und am 26. Mai war ‚der Strauch an günstig gelegenen Stellen begrünt. — Der 22. Mai lieferte die ersten 3, der 24. Mai weitere 6, und der 28. Mai die letzten 2 Palänoraupen. Sie sassen nur bei Windstille und nur in der Mittagsstunde an den Spitzen von Vac. uliginosum ohne zu futtern. Nach dem 28. Mai bis 5. Juni konnte trotz Absuchen und Abschöpfen in Gesellschaft eines Gehilfen keine Palänoraupe mehr erlangt werden, wobei wohl die erniedrigte Trem- peratur, wie der zeitweise kalte Regen von Einfluss gewesen sein mögen. Dass bei so vieler Mühe ein so geringes Ergebniss an Raupen, auf der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 155 Fundstellen, wo seiner Zeit der Schmetterling zu Hunderten fliegt, erlangt wurde, berechtigt zu dem Schluss, dass die Raupe, wie andere Colias- raupen, meist im Verborgenen lebt. Die Futterpflanze ist Vac. uliginosum und die Raupe wohl monophag, da sie die mit uliginosum zusammen- stehenden Pflanzen als Vac. Myrtillus und Vac. Vitis idaea trotz Hungers nicht annahm, auch Versuche mit einer Menge anderer Pflanzen erfolglos waren. Von den vom 22. bis 28. Mai aufgenommenen Raupen waren 8 zur Hälfte erwachsen und 3 jünger, sie spannen sich nach Verhältniss am elften Tage zur Verpuppung an, nachdem sie sich zuvor noch einmal gehäutet hatten. Das Anspinnen geschieht am After und mittelst eines Fadens quer über den Rücken, die Stellung der Puppe ist senkrecht, eben so wohl mit dem Kopfe nach oben wie nach unten, nur eine Raupe zog eine wagerechte' Lage vor. Die angesponnene Raupe wird binnen 36 bis 48 Stunden zu einer blaugrünen durchscheinenden Puppe, der die charakteristischen gelben Seitenstreifen der Raupe nicht fehlen. Am neunten Tage der Anheftung werden die rosenrothen Fransen der Flügel, am zehnten Tage der schwarze, breite Rand der Vorderflügel durch- scheinend und am elften Tage entschlüpft der Schmetterling der dünnen, zarten Puppenhülle. Die halberwachsene Raupe bedarf daher bei der Zimmerzucht 22 Tage, ein Zeitraum, der sich in der freien Natur einige Tage länger ausdehnen wird, da hier schrotfere klimatische Verhältnisse zu bestehen sind. Von den 11 Exemplaren wurde eine Raupe und eine Puppe behufs Präparirung abgegeben, die übrigen 9 kamen sämmtlich zum Ausschlüpfen und lieferten 2 Weiber und 7 Männer. Nach diesem Resultat scheinen die Raupen wenig von Parasiten zu leiden. Die Raupe im Freien verpuppt sich wohl sicher und zwar niedrig an der Futter- pflanze, da ich in früheren Jahren öfterer den noch in der Flügelbildung begriffenen Schmetterling an Vac. uliginosum angetroffen habe. — Die Raupe soll in Freyer’s Beiträgen Tafel 541 abgebildet sein, da dieselben mir nicht zur Hand sind, auch in der Hand vieler Lepidopterologen nicht sein werden, so gebe ich eine Beschreibung, Die Raupe von Colias Palaeno L. hat eine kräftige blattgrüne Farbe, welche auf der Bauchseite einen Schein blässer wird, über den Füssen einen sattgelben Streifen, welcher zwischen eitrongelb und orange schwankt. Die Haut, welclie sich auf jedem Rückensegmente in fünf bis sechs schwache Wulste oder Falten legt, ist mit schwarzen, kurzen Haaren sammetartig besetzt, welche vertieften, schwarzen Poren entspringen; ebenso Kopf und Füsse. Die Bauchseite ist nur dünn, aber weiss behaart. Die Lüfter liegen in dem gelben Seitenstreifen, dem unbewaffneten Auge kaum erkennbar. Die Raupe hat den Habitus von Rhodocera Rhammi L. und würde für dieselbe bei oberflächlicher Ansicht auch gehalten werden können, wenn nicht der gelbe Seitenstreif den Unterschied sofort kenntlich machte. Sie ist träge, ihr Fortbewegen schneckenhaft langsam, ihre Füsse haben wenig Haft- 156 Jahres -Bericht \ kraft; fällt sie zufällig vom Stengel, so bleibt sie stundenlang auf dem Rücken liegen. und gleiche Unthätigkeit findet nach der Häutung statt, welche sie auf dem Erdboden vollzieht. Vor der Häutung und vor der Verpuppung wird die Hautfarbe dunkeler und erhält einen Schein ins Blaue. Die hier gegebene Beschreibung, welche mit der von Herrn Pastor Standfuss in der entomologischen Zeitschrift des Vereins für schlesische Insektenkunde (Jahrgang 1850, Quartal IV, Seite 50) veröffentlichten Be- schreibung im Wesentlichen übereinstimmt, constatirt, dass die von dem- selben in den 40er Jahren auf den Seefeldern von -Vac. uliginosum ge- schöpfte, aber nicht zu vollständiger Verwandelung gekommene Raupe die von ihm vermuthete Palänoraupe und ebenso, dass Vac. uliginosum deren vermuthete Futterpflanze war. Gleichzeitig mit der soeben beschriebenen Raupe hatte sich die leb- hafte, grüne, mit gelbem Seitenstreif über den Füssen und seclıs weissen _ gerieselten Längslinien über den Rücken gezeichnete Raupe von Plusia Interrogationis L. auf Vac. uliginosum und Vac. Myrtillus eingefunden. Es wurden auf der Fläche von etwa einer Achtelquadratmeile 36 Stück und zwar zu allen Tageszeiten aufgenommen, von denen, obgleich beide Futterpflanzen noch blattlos, ein Dritttheil mehr als halberwachsen war. Die halberwachsenen Raupen bedürfen bis zum Schmetterlinge 26 Tage, wobei vier bis fünf Tage auf Anfertigung des Gespinnstes und vierzehn Tage auf Puppenruhe zu rechnen sind. Von ihnen gingen zwölf an zwei Arten Ichneumoniden ein und 24 lieferten das gut ausgebildete fortpflanzungs- fähige Thier. In der Gefangenschaft nahmen die Raupen Garten-Lonicera- Arten, auch Symphoricarpus racemosa sofort an und gediehen dabei. Auf Urtica, der in vielen Werken angegebenen Futterpflanze, habe ich die “ Raupe im ganzen Reinerzer Gebiet nicht gefunden, eben so wenig auf Vac. Myrtillus, wenn es nicht Moorboden zum Standorte hatte. Herr Studiosus Penzig hielt am 18. Januar einen Vortrag über die in den Jahren 1873 und 1874 in einer hohlen, weissfaulen Eiche (nahe bei den an der wüthenden Neisse gelegenen Berghäusern, 1'/, Meile von Liegnitz) von Herrn Eug. Schwarz und ihm selbst, sowie von Herrn Lehrer Gerhardt in Liegnitz nach und nach aufgefundenen Käfer. Es waren folgende 30 Arten: 1. Trechus minutus F., 2. Euryusa sinuata Er., 3. Oxypoda?, 4. Homalota cuspidata Er., 5. Conosoma pubescens Grav., 6. Xantholinus glaber Er., 7. X. punctulatus Payk., 8. Omalium brunneum Payk., 9. Trichony& suleicollis Reichenb., 10. Batrisus Schwabü. Reitt., 11. Euplectus Karstenii Reichb., 12. Eupl. Richteri Reitt., 13. Eupl. bicolor Den., 14. Trimum brevicorne Reichb., 15. Scydmaenus nanus Schaum, 16. 8. Hellwigü F., 17. Choleva sirigosa Kr., 18. Catops colonoides Kr., 19. Pki- lum discoideum Gillm., 20. Piery& suturalis Heer, 21. Ptinella limbata Heer, 22. Ptinella testacea Heer, 23. Ptenidium Gressneri Gillm., 24. Trichopteryx der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. 157 sericans Heer, 25. Dendrophilus punctatus Hbst., 26. Plegaderus caesus Il., 27. Cerylon histeroides F., 28. Lathridius rugosus Hbst., 29. Ennearthron cornutum Gyl., 30. Engis bipustulatus F. — Mehrere dieser Arten gehören zu den seltenen Thieren, die Nummern 15, 19 und 21—23 waren in dem erwähnten Baume zum ersten Male in Schlesien aufgefunden worden. Derselbe zeigte in der Sitzung am 15. November ein Stück des Saprinus lautus Er. vor, welches er im Juni d. J. in den Janowitzer Bergen bei Liegnitz an einem Pilze (Agaricus) gefangen hatte. Das 'T'hier ist neu für Schlesien. Herr Appellations-Gerichts-Rath Witte zeigte in der Versammlung am 1. November mehrere portugiesische Käfer vor. Herr Dr. Wocke hielt folgenden Vortrag über Die Lepidopternfauna des Stilfser Jochs in Tirol. Seit Dr. A. Speyer im Jahre 1859 in der Stettiner entomologischen Zeitung das Stilfser Joch als einen für Entomologen sehr günstig ge- legenen hochalpinen Faugplatz empfohlen, ist dasselbe mehrfach besucht worden und die Zahl der damals angeführten Arten hat sich vervielfacht, doch ist mir bisher nicht bekannt geworden, dass nach Speyer noch Jemand eine Aufzählung der dort gesammelten Lepidoptern gegeben hätte; nur Dr. Staudinger hat ein Paar neue von ihm am Stelvio entdeckte Arten publieirt. Schon im Jahre 1869 hatte ich während eines zwölftägigen Aufent- halts in Trafoi, vom 26. Juli bis 6. August Gelegenheit, die reiche Fauna der über diesem Orte zu beiden Seiten der Stilfser Jochstrasse gelegenen Berge kennen zu lernen, damals waren jedoch die Exeursionen nach den höher gelegenen Fangplätzen durch die relativ tiefe Lage von Trafoi (4899‘) sehr erschwert, da der mehrere Stunden in Anspruch nehmende Aufstieg stets die zum Sammeln in den Hochalpen günstigste Zeit, die frühen Morgenstunden, verkürzte. Jetzt ist durch das seit drei Jahren eingerichtete Post- und Gasthaus Franzenshöhe diesem Uebelstande ab- geholfen, da dasselbe etwas über der Baumgrenze, 6907 Fuss hoch ge- legen, dem Sammler eine bequeme und empfehlenswerthe Station bietet, umgeben von grossartigster Alpennatur und inmitten der für den Insekten- fang günstigsten Localitäten. So habe ich im vorigen Sommer vom 12. Juli bis 5. August in Franzenshöhe gewohnt und glaube die Lepi- dopternfauna des am westlichen und nördlichen Fusse des Ortler ge- legenen Gebietes hinreichend kennen gelernt zu haben, um eine Aufzäh- lung der daselbst vorkommenden Falter versuchen zu können, in welcher von Makrolepidoptern wohl nur wenige bisher übersehene Arten fehlen dürften, oder solche, die ganz zeitig nach dem Schmelzen des Schnee’s auftreten, denn hier beginnt der Frühling gewöhnlich sehr spät und ich habe im Juli viele Arten in frischen Exemplaren gefunden, die in der 158 Jahres - Bericht schlesischen Ebene schon Anfangs Mai fliegen. Von Mikrolepidoptern dagegen werden. gewiss noch viele bisher unbeachtet gebliebene, auch manche ganz neue Arten zu finden sein. Eine genaue Beschreibung der Gegend um Trafoi unterlasse ich und verweise auf Stettiner ent. Zeitung 1859 pag. 12, wo hierüber von Speyer hinreichende Auskunft gegeben ist. Die von mir genauer durchsuchte Strecke beschränkt sich auf die an beiden Seiten der Jochstrasse gelegenen Berge von der Baumgrenze aufwärts, unterhalb derselben habe ich nur wenig gesammelt, da die meisten dort vorkommenden Arten auch auf den höher gelegenen Matten ‚anzufreffen sind, oder der subalpinen und ımontanen Region angehörig, weit verbreitet und meist häufig vorkommen. Nordwestlich von der Joch- strasse nun sind es hauptsächlich die Abhänge des Korspitz (9262 Fuss) und des ziemlich eben so hohen Rötelspitz, welche reiche Fangplätze bieten. Der Korspitz zeigt an seinen niederen Hängen vegetationsreiche Matten, auf denen sich besonders Tlagschmetterlinge, Erebien, Melitaeen, Pieriden und Hesperien tummeln, höher hinauf, sowie an dem Rötelspitz breiten sich ausgedehnte und meist ziemlich steile Geröllhalden aus, auf welchen nur eine sehr beschränkte Zahl von Alpenpflanzen im Schutze grösserer festliegender Steine emporspriesst, auf der Kammhöhe selbst finden sich einzelne feuchte Mulden, in der Mitte mit Gräsern, am Saume meist mit prächtigen Gentianen bewachsen, arm an Lepidoptern, oder grössere Plateaus mit gewöhnlich feuchtem schiefrigen Geröll bedeckt, auf welchen nur an einzelnen Stellen kleine Polster der von seltenen Lepi- doptern besuchten Silene acaulis oder einzelne Büschel einiger Saxifraga- Arten stehen, welche wohl den nur auf solchen Plätzen fliegenden Anarten und Dasydien, sowie einigen hochalpinen Mikrolepidoptern als Nahrung dienen mögen. Diese öden sterilen Geröllflächen, unterbrochen von ein- zelnen grösseren Felsen, erstrecken sich bis zu der 8722‘ hohen Jochhöhe. Auf der südlichen Seite der Strasse zieht sich zunächst vom Joch abwärts his zum Trafoier Bach reichend ein schmales, von steilen Geröllwänden eingeschlossenes Thal, dessen Boden reichliches Gras trägt und in wel- chem eine Distei massenhaft wächst, deren gelbe Blüthen aber weniger von Lepidoptern besucht werden, als die eines an der Baumgrenze zahl- reich wachsenden, violett blühenden Cirsium, an welchem stets eine Menge Lyeaenen, Zygaenen und Agrotis Ocellina zu finden sind. Zwischen die- sem Thal und dem von der Schneepyramide des Ortler gekrönten Kamme, aus dessen Firnfläche die meist von Schnee eingehüllten einzel- nen Felsspitzen hervorragen, zieht sich von der Jochhöhe beginnend ein schmaler Rücken hin, bis zu dem von der Westseite des unzugänglichen Felskolosses des Madatsch herabkommenden Bache, sein oberer Theil besteht nur aus fast vegetationslosen Felstrümmern, seine Nordseite zeigt oben jäh abfallende Schuttflächen, weiter unten weniger steile von einer dünnen Humusschicht bedeckte und durch kleine Einsenkungen unter- == Ze Kr — en Bin Ze en EEE Be a a der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 159 brochene Gehänge, deren Gras von dem Vieh der neben Franzenshöhe gelegenen Sennerei abgeweidet wird, während die reichlichen Polster der üppig wuchernden Dryas octopelala als Futter verschmäht werden und wohl allen bewirken, dass die fruchtbare Erde nicht von den Frühlings- gewässern abgespült wird. Der Südabhang dieses Rückens ist weniger mit Gras, dafür desto mehr von einer Menge prächtiger Alpenpflanzen bewachsen, unter welchen stellenweise sich die weissen Rosetten des Bdelweiss bemerklich machen. Hier fliest Parnassius Delius, Hadena Microdon, Gnophos Zelleraria und Caelibaria, Agrotis Simplonia, Botys Muri- nalis etc. Das Ende dieses kurzen Kammes bezeichnen wieder ziemlich jäh abfallende Geröllhänge. Zwei hervorragende Punkte des Kammes sind vor Jahren als Signalstationen für die Höhenmessung benutzt worden und- es steht noch jetzt auf jedem derselben eine Stange mit an der Spitze befestistem Querbrett, sie werden allgemein als erster und zweiter Signal- kopf bezeichnet. Der letztere, ziemlich gleich hoch wie die Passhöhe, bietet auf seinem Gipfel ein fast ganz vegetationsloses Geröllplateau, an dessen Südrande noch die Spuren der einst hier gestandenen Hütte zu bemerken sind. Gerade auf dieser unwirthlichen Höhe fliegen die scheuen Dasydien am häufigsten, einzeln auch die seltene Anarta Nigrita und zwischen den Steinen hüpft die ihren Namen mit Recht tragende Butalis Glacialis. Jenseits der Passhöhe auf italienischem Gebiet erstrecken sich ähnliche vegetationsarme Schutthalden abwärts bis zu dem guten Wirthshause Cantoniera di Sta. Maria oder Cant. quarta, neben welchem das italienische Zollhaus liegt. Von hier aus gegen Norden und Nord- westen breiten sich gras- und kräuterreiche Hänge, von welchen nach Norden der Weg in das zur Schweiz gehörige Münsterthal führt, während nordwestlich die Matten von einzelnen Schuttflächen unterbrochen sich allmälig steiler erheben bis zum Fusse des 10,000‘ hohen Piz Umbrail, der einen kurzen steilen Kamm von Felstrümmern bildet, aus welchem die einzelnen schwarzen Felszacken des Gipfels hervorragen. Auf diesen steilen und öden Schuttabhängen, die wegen ihrer scharfkantigen, leicht beweglichen Steine dem herumkletternden Sammler die grösste Schwierig- keit bereiten, ist der Hauptfundort der seltenen Psodos Alticolaria, von der ich 2 Exemplare sogar noch auf dem Gipfel des Piz antraf. Diese Art, sowie Dasydia Tenebraria gehen am höchsten hinauf, ausser ihnen bewohnen diese Abhänge noch die Erebien Glacialis und Triopes, sehr einzeln An. Nigrita, Plusia Devergens und die Hereynen Helveticalis und Lugubralis, während weiter unten an den vegetationsreicheren Vorhügeln die interessante Selina Irrocella var. Rifflensis, Arctia Quenselii, Agrotis Fatidica bisweilen auch A. Culminicola fliegen. Einer besondern Erwähnung muss ich noch des Nachtfanges thun, den ich in Franzenshöhe mehrfach mit Glück ausübte. Ich betrieb ihn auf die einfachste Art, indem ich ein brennendes Licht auf das Brett 160 Jahres- Bericht des geöffneten Fensters stellte, hinter welchem weisse Gardinen das Licht reflectirten. Nur an trüben Abenden, am meisten bei Regen war lohnen- der Fang, bei heiterem Himmel kam gar nichts nach dem Licht, aber an windstillen Regenabenden war das Gewimmel der herbeifliegenden In- sekten oft so gross, dass ich alle Hände voll zu thun hatte, um sie zu bewältigen. Es kamen natürlich am meisten gemeine Arten, hauptsäch- lich Spanner, einige Wickler, zahllose Mücken und Ichneumonen, aber auch willkommene Eulen wie Hadena Maillardi, Zeta, Agr. Helvetina, Grisescens, Simplonia, Decora. Die beste Zeit des Fanges währle von 10 bis 1 Uhr. ray Wenn ich nun über die Reichhaltigkeit der Lepidopternfauna des Stilfser Jochs mich aussprechen will, so liegt es nahe, dieselbe mit der der benachbarten ungefähr in gleicher Höhe gelegenen Lokalitäten des Oberengadin zu vergleichen. Diesen gegenüber erscheint das Stilfser Joch durchaus nicht reich, es fehlen ihm viele der dort zum Theil häufig fliegenden Arten gänzlich, eigenthümlich ist seiner Fauna vielleicht keine einzige Art, denn die Paar hier bis jetzt ausschliesslich gefundenen Mikro- lepidopteren werden sicher auch dort vorkommen und sind bisher nur übersehen worden. Wenn wir aber die Kleinheit des eigentlich nur aus zwei engen Thälern und den dieselben einschliessenden Bergen bestehen- den Gebietes in Betracht ziehen, so finden wir wohl kaum irgendwo in den Engadiner Alpen eine Oertlichkeit von gleich geringer Ausdehnung, die einen ähnlichen Reichthum an Arten bieten dürfte. Hier auf Stelvio hat der Sammler Alles beisammen auf einem wenig ausgedehnten und darum leicht zu beherrschenden Terrain, die Exeursionen sind weniger anstrengend, viel kürzer und die Nähe von zwei in jeder Beziehung günstigen Wirthshäusern ist auch ein nicht geringer Vortheil für den hier einige Wochen sich aufhaltenden Sammler. Ich gehe nun zur Aufzählung der einzelnen Arten über, einige we- nige, von mir selbst noch nicht gefundene, die früher von Anderen hier entdeckt wurden, führe ich der Vollständigkeit wegen mit an. Arten des genus Papilio fehlen, von Parnassius verirrt sich der bei Trafoi noch häufige Apollo nur selten bis zur Baumgrenze, Delius fliegt nahe bei Franzenshöhe in dem Thale hinter dem ersten Signalkopf bis etwa 7500° einzeln und nieht sehr häufig. Von Pieriden sind bei Trafoi noch Brassicae und Rapae zu finden, an der Baumgrenze fliegt ziemlich selten P. Napi ab. Bryoniae, weiter oben bis etwa 3000’ reichend recht häufig P. Callidice, deren Puppen ich zahlreich unter flachen Steinen an- traf. Von Coliaden fliegen nur zwei Arten, Palaeno und Phicomone, erstere ziemlich selten, letztere in Menge. Sehr zahlreich sind die Ly- eaeniden vertreten, wenigstens an Individuen. Von 7000° bis Trafoi herab finden wir die alpinen Formen von Polyommatus Virgaureae und Hippothöe: var. Zermattensis und var. Eurybia häufig an Disteln und anderen der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 161 Blumen, letztere in besonders grossen feurig rothen Exemplaren des $, darunter auch einzelne Stücke mit auf der Unterseite zu Strahlen zu- sammengeflossenen Augenflecken; ferner die durch Grösse und dunkle Färbung von der Stammart so sehr abweichende Pol. Dorilis v. Subalpina. Pol. Gordius kommt nicht so hoch herauf und erreicht bei Trafoi seine Grenze. Von Bläulingen fliegen die meisten Arten an der Baumgrenze in Höhe von 5000 bis 6500‘. Oupido Argus in seiner Alpenform Aegidion, deren 3 3 kaum grösser sind als die lappländischen, deren 2% ausser- ordentlich abirren und selten ganz ohne blaue Bestäubung der Oberseite sind; €. Optilete einzeln und ziemlich selten in eben so kleinen Exem- plaren wie in Lappland und daher wie diese mit dem Namen v. Cypa- rissus Hb. zu belegen; (©. Pheretes selten und vereinzelt; Ü. Orbitulus etwa in der Höhe von 7000’ beginnend und bis 8000‘ auf biumenreichen Plätzen oft sehr häufig; ©. Astarche um Franzenshöhe nicht selten, beide Ge- schlechter sehr dunkel gefärbt, oft ganz ohne rothe Randflecken der Oberseite; ©. Icarus nur selten bis 6000; C. Eumedon einzeln um Franzenshöhe und etwas niedriger; C. Coridon an der Strasse gemein bis über 7000‘, die Exemplare kleiner als in der Ebene, die 3 g' auf der Unterseite weisser, bisweilen finden sich Stücke, die auf der Unterseite der Hinterflügel ausser den Mittel- und den Randflecken zeichnungslos sind; C©. Donzelü an der Strasse bald unterhalb Franzenshöhe nicht selten; C. Semiargus nicht selten bis etwas über 6000‘, die Exemplare meist klein; ©. Arion sehr selten. Ich fing bei Franzenshöhe einen Z von sehr dunkler Färbung, fast ohne Blau auf der Oberseite. Vanessa Urticae überall umherfliegend bis über 8000° und hier oft häufig auf den Blüthen von Silene acaulis; V. Jo einzeln bis Franzenshöhe sich versteigend; V. Carduwi bis über 7000‘, die Raupe bei Franzenshöhe an der dort häu- figen gelben Distel. Melitaen Cynthia auf kräuterreiehen Matten meist sesellig von 7000 bis 8000‘, gleichzeitig erwachsene Raupen, die aber noch eine Ueberwinterung durchzumachen haben, unterhalb der Kor- spitze, zwischen dem ersten und zweiten Signalkopf und bei Sta. Maria am Fusse des Piz Umbrail; M. Aurinia v. Merope. Mit der vorigen an gleichen Stellen aber häufiger; M. Dictynna. Im Walde oberhalb Trafoi einzeln (M. Athalia, die Speyer anführt, habe ich nicht gefunden); M. Parthenie v. Varia. Wie Merope und Cynthia, aber noch häufiger als beide, die QQ seltener. Argynnis Euphrosyne. Bei Trafoi selten; A. Pales. Von der Baumgrenze bis 8000‘, auf feuchten Plätzen die v. Napaea Hb., sonst die Grundform und Isis Hb.; A. Amathusia. Bald oberhalb Trafoi einzeln, geht nicht bis zur Baumgrenze hinauf; A. Thore. Wie Amathusia, erscheint aber zeitiger, schon im Juni; A. Lathonia. Nur bei Trafoi und von da abwärts; A. Aglaja, Niobe und Adippe um 'I'rafoi bis Franzens- höhe, Niobe geht am weitesten hinauf und erscheint meist in der Forın Eris Meig.; A. Paphia. Kaum höher als Trafoi, einzeln. Erebia Epiphron 11 162 Jahres-Bericht v. Nelamus B., Melampus Fuessil. Beide nicht selten auf Matten bis über 7000‘; E. Mnestra Hb. Au Schutthalden bald oberhalb Franzenshöhe am Abhange der Rötelspitze, sehr loeal; E. Glacialis Esp. An Schutthalden um 8000° und höher häufig in allen Abänderungen, am zweiten Signal- kopf, am Joch, Kor- und Rötelspitze, Piz Umbrail; E. Lappona Esp. Nicht selten von 7000 bis über 8000; E. Tyndarus Esp. Ueberall ge- mein von 6000 bis 8000°; E. Gorge v. Triopes Spr. Um Franzenshöhe bis zum Joch so wie am Piz Umbrail auf Geröll häufig. Die augenlose ab.. Erynis Esp. fand ich nur in wenigen Stücken an den Hängen der Rötelspitze, die Grundform Gorge kam mir gar nicht vor; E. Goante Esp. ‘ Häufig an Felsen und Geröll zwischen Trafoi und Franzenshöhe an der Strasse; E. Pronoe Esp. Sehr selten an der Rötel- und Korspitz; E. Ligea L. Einzeln im Walde bei Trafoi; E. Euryale Esp. Oberhalb der Baumgrenze auf Matten einzeln, meist in der Form Adyte Hb. Oeneis Aello Hb. Ziemlich selten auf der Prater Alp bis zum Joch. Satyrus Semele L. An der Strasse um 8000’ zwei Stück gefangen, von bedeu- tender Grösse und lebhafter Färbung. Pararge Maera L. Um Trafoi, war im Juli schon verflogen. (P. Hiera F., die Speyer angiebt, kam mir nicht vor.) Coenonympha Satyrion Esp. Um 7000‘ auf Matten nicht selten, ohne jeden Uebergang zu Arcania. Syrichthus Serratulae Rbr. Nicht selten von 6— 7000’, Mitte Juli meist schon verflogen; $. Cacaliae Rbr. Wie die Vorige, doch häufiger und länger fliegend, die. Puppen fand ich mehrfach unter Steinen; $. Andromedae Wallgr. Ziemlich selten um 8000‘... Zwischen erstem und zweitem Signalkopf, Piz Umbrail; S. Orbifer Hb. Ein 3 fing ich am 13. Juli etwas unterhalb Franzens- höhe. Nissoniades Tages L. Einzeln bis Franzenshöhe. Hesperia Syl- vanus Esp. und Comma L. nicht selten bis etwa 6000°. Macroglossa Stellatrarum L. Flog nicht selten um 3000’ an den Blüthen von sSilene acaulis. Ino v. Chrysocephala Nick. Nicht selten von 5000 bis 7500’ an Blumen, die Exemplare sind meist etwas grösser als die vom Glockner. Zygaena Pilosellae Esp. Um 6000‘ meist in der Form Polygalae Esp., einzeln; Z. Exulans Hochenw. Von 5—8000' nicht gar selten; Z. Tri- foli Esp. Ein einzelnes 5' der ab. Orobi Hb. fing ich bei Trafoi; Z. Transalpina Esp, Von Trafoi bis gegen 7000‘ häufig. (Weder Z. Loni- cerae noch Filipendulae, die Speyer als bei Trafoi gefangen angiebt, sind mir vorgekommen.) Nudaria Mundana L. Einzeln an Felsen zwischen Trafoi und Franzenshöhe. Setina Irrorella Cl. Häufig von Trafoi bis nahe am Joch. Unten nur gewöhnliche Irrorella, bei etwa 5000’ fliegen unter diesen schon einzelne v. Andereggü, die weiter oben die herrschende Form werden, selten finden sich Exemplare der v. Freyeri Nick. mit schwarzem Basalpunkt der Vorderfligel. Am Fusse des Piz Umbrail in einer Höhe von etwa 8000’ fand ich zahlreich eine kleinere und dunklere Form der v. Andereggü, die sich eng an die v. Riffelensis Fallow anschliesst der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 163 leider waren die meisten Exemplare (?g‘ und nur zwei Weiber traf ich, bereits begattet aber noch von zahlreichen 5 3' umflattert, das eine war verkrüpelt, dass andere misst nur 16 mm und zeigt stark verdunkelte Hinterflügel; S. Aurita v. Ramosa F. Von der Baumgrenze bis über 8000‘ ohne Uebergänge zu Aurita, die im Ortlergebiet zu fehlen scheint. Lithosia Deplana Esp. Bei Trafoi; L. Lurideola Zk. und Complana L. Oberhalb Trafoi bis zur Baumgrenze; L. Cereola Hb. Um 5000’ selten und vereinzelt. Nemeophila Russula L. Einzeln bis zur Baumgrenze; N. Plantaginis L. Häufig bis 7000° und etwas darüber, die ab. Hospita und Maironalis nicht selten. Arctia Flavia Fuessl. Am Fusse der Rötel- und Korspitz um 7000’ sehr selten, Dr. Struve fand die Raupen auch in dem südöstlich gelegenen Suldenthal. A. Quenselü Payk. Verbreitet, aber selten um 7000‘, die Raupe unter Steinen, einige 3 3 traf ich in der Sonne fliegend am Fusse des Piz Umbrail. Spilosoma Fuligimosa L. Um Franzenshöhe Anfang August einige junge Raupen. Von Psychiden fand ich nur leere Säcke von Villosella bei Trafoi und von Opacella bis nahe der Baumgrenze. Dasychira Fascelina L. Bei Sta. Maria einige Raupen. Bombyx Alpicola Sigr. Mitte Juli dicht bei Franzenshöhe einige erwach- sene aber kranke Raupen und gleichzeitig ein frisches 9; B. Quercus L. Eine erwachsene aber gestochene Raupe nahe der Baumgrenze, die Art überwintert hier sicher wie überall in hohen Gebirgen als Puppe. “ Aeronycta Auricoma F. und Rumicis L. Bei Trafoi und oberhalb bis nahe der Baumgrenze einzelne Raupen ; A. Euphorbiae F. v. Montivaga Gn. Einige Raupen bei Franzenshöhe, die mir zu Grunde gingen. Agrotis Pronuba L. Ueberall einzeln unter Steinen, am höchsten am Piz Umbrail nahe an 3000’ gefunden; A. Ocellina Hb. Um Franzenshöhe gemein ar Blumen, besonders an Senecio Doronieum; A. Culminicola Stgr. Zwischen 7000 und 8000° einzeln bei Tage an den Blumen von sSilene acaulıs, einige Stücke auch beim Licht in Franzenshöhe gefangen; A. Helvetina B. Bei Franzenshöhe ein Exemplar unter einem Steine und zwei am Licht gefangen; A. Grisescens Tr. Einige Stücke in Franzenshöhe bei Licht; A. Decora Hb. Nur ein Stück am Licht; A. Simplonia H-G. Vier Exem- plare in Franzenshöhe bei Licht; A. Corticea Hb. Ein Stück in Trafoi im Hause und ein zweites in Franzenshöhe bei Licht gefangen; A. Fati- diea Hb. Oberhalb Franzenshöhe auf begrasten Stellen viele Raupen unter Steinen gefunden, ebenso einige Puppen bei Sta. Maria, aus wel- chen ich ein 32 erzog, ein eben ausgekrochenes 5‘ unter einem Steine unterhalb der Rötelspitz am 30. Juli. Mamestra Pisi L. Einige Raupen oberhalb Trafoi; M. Dentina Esp. und ab. Latenai Pier. Einzeln an Felsen der Strasse bis 7000‘; M. Marmorosa Bkh. v. Microdon Gn. Um Franzens- höhe und bis 7500‘ mehrfach an Blumen sitzend gefunden; M. Serena F. v. Obseura Stgr. Mitte Juli um Franzenshöhe selten an den Felsen an der Strasse. Dianthoecia Proxima Hb. Bei Franzenshöhe an den Strassen- 11% 164 Jahres - Bericht mauern und Abends bei Licht gefangen, selten; D. Caesia Bkh. Trafoi bis Franzenshöhe an den Felsen und Mauern der Strasse nicht selten, kam auch oft zum Licht; D. Nana Rott. Wie Caesia, aber seltener. Hadena Maillardi H-G. Viele Exemplare in Franzenshöhe am Licht ge- fangen; H. Zeta Tr. 6 & und 2 2 bei Licht gefangen, H. Lateritia Hufn. 2 Stück bei Franzenshöhe an Steinen, sie sind sehr gross und weichen von schlesischen Exemplaren durch dunkler rothbraune Färbung ab, ganz wie‘ skandinavische Exemplare. Trachea Atriplieis: L. Ein Exemplar oberhalb Trafoi an einem Steine. Brotolomia Meticulosa L. Bei Trafoi auf einer Wiese einige Raupen an Ampfer. Caradrina Quadripunctata F. Ein Exemplar in Franzenshöhe am Licht. Amphipyra Tragopoginis L. Bei Trafoi. Teaeniocampa Gothica L. Mehrere Raupen nahe der Baum- grenze an Ampfer. Cleoceris Viminalis F. Ein Stück bei 5000’. Seco- lioptery& Libatrix L. Ein Exemplar Anfangs August am Licht. Plusia - Tripartita Hufn. Mehrere Raupen bei Trafoi; P. Gamma L. Einzeln bis 8000’ bei Tage schwärmend. P. Ain Hoch Ein frisches 3 oberhalb Trafoi an einem Felsen; P. Hochenwarthi Hoch. Unterhalb der Korspitz, nahe dem ersten Signalkopf und am Fusse des Piz Umbrail häufig; P. Devergens Hb. Ich fing nur wenige Exemplare am Piz Umbrail etwa in 8000° Höhe. Anarta Melanopa Thnb. Auf sterilen Geröllllächen um 8000‘ Höhe an den Blüthen von Silene acaulis nicht sehr selten; A. Ni- grita B. Am Fusse des Monte Livrio um 8000’, ebenso am Piz Umbrail im Sonnenschein an Silene acaulis, sonst unter Steinen verkrochen. Die Exemplare ändern ein wenig ab in der Deutlichkeit der hellen Zeich- nungen der Vorderflügel, das Saumfeld ist bisweilen kaum etwas heller als der übrige Flügel, häufiger aber scharf abgeschnitten weissgrau. Omia Cymbalariae Hb. Um 7000’ bei Tage an Blüthen von Senecio Doronicum nicht selten, einmal auch in copula gefangen. Herminia Tentacularis v. Modestalis Heyd. Ein $ im Walde oberhalb Trafoi. Acidalia Inca- nata L. (Mutata Tr.) und Fumata Stph. Häufig bis etwas oberhalb Fran- zenshöhe. Cabera Pusaria L. Einzeln oberhalb Trafoi von Alnus viridis abgescheucht. Ellopia Prasinaria Hb. Bei Trafoi. Boarmia Repandata L. Bei Trafoi. Gnophos Ambiguata Dup. Ein abgeflogenes @ im Walde bei Trafoi; @. Glaucinaria Hb. Von Trafoi bis etwa 7500° hoch an den Felsen und Mauern der Strasse sehr häufig, ohne wesentliche Abänder- ungen; @. Serotinaria Hb. Ziemlich selten im Fichtenwalde oberhalb Trafoi Mitte Juli; @G. Sordaria v. Mendicaria HS. Um Trafoi selten, war bei meiner Ankunft schon abgeflogen; G. Dilueidaria Hd. Von Trafei bis Franzenshöhe nieht selten Ende Juli und Anfang August; G@. Ob- Juscaria Hb. An Felsen und Mauern häufig bis 7500‘, die ZZ meist sehr dunkel, die Q9 selten, kam auch häufig nach dem Licht; G@. Zelle- raria Frr. Ueber 7000° hoch an Felsen ziemlich selten und sehr scheu; G. Caelibaria HS. Einzeln an Felsen von 7—8000’ Höhe, die Raupen der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 165 Anfang August schon fast erwachsen unter Steinen, wahrscheinlich zwei- mal überwinternd. Dasydia Tenebraria Esp. Auf Schutthalden und vege- tationsarmen Plateaus von 7500 bis gegen 10000‘ (Piz Umbrail) häufig. in allen Abänderungen, die Zg scheu und wild, die 22 träg und selten fliegend. Am häufigsten war die Art beim zweiten Signalkopf, hier fand ich auch eine Puppe unter einem Steine, die ein 2 lieferte und viele halb und ganz erwachsene Raupen, die zweimal überwintern. Psodos Altico- laria Mn. Am zweiten Signalkopf, an den Geröllabhängen des Piz Um- brail bis auf dessen Gipfel, nicht sehr selten, aber schwer zu erlangen, sie fliegt nur im Sonnenschein und verkriecht sich bei dessen Mangel so- gleich unter Steine; P. Trepidaria Hb. Gemein von etwa 7500‘ ab; P. Alpinata Sc. Einzeln mit Trepidaria am ersten Signalkopf gefangen. Pygmaena Fusca Thnb. Auf grasigen Plätzen zwischen 7 und 8000’ nicht selten. Halia Brunneata Thbg. Einzeln bei 5000° im Walde. Ortholitha Limitata Se. Bis 6000° gemein; O. Moeniata Se. Im August bei Trafoi; O. Bipunctaria Sv. Bis 7000° nicht selten, die Exemplare dunkler als in der Ebene, bis zur ab. Gachtaria Frr. Minoa Murinata Sc. Häufig bis 5000. Odezia Atrata L. Auf den Wiesen um Trafoi gemein. Anastis Praeformata Hb. und Plagiata L. Einzeln bis 6000‘. Triphosa Dubitata L. Zwischen Trafoi und Franzenshöhe unter Steinen. Lygris Populata L. Im Walde oberhalb Trafoi nicht selten. Cidaria Ocellata L. und Bico- lorata Hfn. Einzeln oberhalb Trafoi, letztere an Alnus viridis; C. Variata SV. Im Fichtenwalde um Trafoi; C. Simulata Hb. Um 7000° an Juni- perus und an den Felsen, Anfang August; C. Truncata Hfn. Kam mehr- mals ans Licht; C. Aptata Hb. Von Trafoi bis über 7000° häufig an Felsen und Baumstämmen; CC. Olivata Bkh. Einzeln um 5000; ©. Tur- bata Hb. Nur abgeflogene Exemplare Mitte Juli um Franzenshöhe an Baumstämmen und bei Licht; C. Aqueat« Hb. Von Trafoi bis 7000’ häufig an Felsen und Baumstämmen, kam auch oft ans Licht, (. Sa- icata Hb. Wie die Vorige, aber seltener; C. Didymata L. Bei Trafoi einzeln Anfang August; Fluctuata L. In Franzenshöhe bei Licht gefangen; C. Caesiata Lang. Bei Trafoi im Walde; C. Flavicinctata Hb. Um Fran- zenshöhe bis 7500’ an Felsen, auch Abends am Licht; C. Infidaria Lah. In Trafoi und Franzenshöhe am Licht gefangen; C. Nobiliaria HS. Ein Pärchen am Licht gefangen; C. Frusirata Tr. Ein abgeflogenes Stück bei Trafoi; C. Alpicolaria HS. Die Raupe selten in den Samenkapseln der Gentianen am Kötel- und Korspitz; ©. Incultaria HS. Wenige Stücke an dem Fusse der Korspitze gefangen; (. Galiata Hb. Zwei Exemplare bei Franzenshöhe; C. Sociata Bkh. Bei Trafoi; C. Alaudaria Frr. Von Staudinger bei Trafoi gefangen, ist mir nicht vorgekommen; ©. Lugu- brata Stgr. und Alchemillata L. Bei Trafoi; C. Minorata Tr. Um Fran- zenshöhe und abwärts nicht selten; C. Adaequata Bkh. und Albulata SV- um Trafoi; C. Obliterata Hfn. Einzeln an Alnus viridis; C. Sordidata F. 166 Jahres - Bericht \ Trafoi, begann zu fliegen als ich abreiste; C. Aemulata Hb. Ein Stück bei 7000° an einem Felsen. Eupithecia Sp.? Eine Form welche ziemlich die Mitte hält zwischen Pulchellata und Digitaliata, grösser und mit spitzeren Vorderflügeln als letztere, der sie aber in Färbung und Zeich- nung mehr gleicht. Nur drei Exemplare bei Franzenshöhe, die Raupe dürfte in den Blüthen der über 7000° nicht seltenen Linaria alpina leben; E. Laquaearia HS. Ein Stück bei Franzenshöhe; E. ? Nepetata Mab. Ein Paar abgeflogene Exemplare an Nepeta Cataria unweit Trafoi ge- fangen, da sie stark beschädigt sind und ihre Nährpflanze nicht sicher ist, so bleibt es zweifelhaft, ob sie zu Nepetata oder Impurata Hb. ge- hören; E. Scriptaria HS. Zwischen Trafoi und Franzenshöhe nicht selten- an Felsen, kam auch oft Abends ans Licht; E. Satyrata Hb. Einige Raupen an Compositen-Blüthen bei Trafoi. COledeobia Angustalis SV. Ein- zeln bei Trafoi. Scoparia Manifestella HS. Nicht gar selten um Fran- - zenshöhe Mitte Juli an Felsen und Baumstämmen; 8. Valesialis Dup. und var. Imparella Lah. An Felsen und auf Geröll an den höchsten sterilen Plätzen von 7000 bis über 8000; S. Sudetica Z. Von Trafoi aufwärts bis 7000° an Felsen häufig. Die Exemplare grösser und bunter als die schlesischen, fast doppelt so gross als die norwegischen; $. Murana Curt. Selten an Felsen bei Trafoi. Hercyna Schrankiana Hoch. und Phrygialis Hb. Einzeln auf Abhängen um 7000’ und darüber; H. Helveticalis HS. Selten und nur auf den höchsten sterilen Geröllhalden, am zweiten Signalkopf, Rötelspitz, Piz Umbrail; A. Lugubralis Ld. Mit der Vorigen und etwas tiefer, doch nicht unter 7500‘, aber häufiger; H. Alpestralis F. Auf Felsen und Geröll im Sonnenschein häufig von der Baumgrenze bis nahe an 8000. Botiys Porphyralis SV. Zwei Exemplare am 20. Juli bei Fran- zenshöhe; B. Aerealis v. Opacalis Hb. Häufig an Kräutern von der Baum- grenze bis 7500°; B. Uliginosalis Stph. Wie der Vorige, doch weniger häufig. Alpinalis kam mir nicht vor; B. Murinalis FR. Von 7500 bis 8000‘, an der Jochstrasse und hinter dem ersten Signalkopf nicht häufig, die 29 sehr selten; B. Rhododendronalis Dup. Von Trafoi bis etwa 7000’ häufig; B. Nebulalis Hb. Wie der Vorige, doch etwas seltener; B. Decrepitalis Hs. Mit den Vorigen, einzeln; B. Hyalinalis Hb. Um Trafoi; B. Terrealis Tr. Selten unterhalb Franzenshöhe an Solidago; B. Inquinatalis Z. Einige g' 5 bei Franzenshöhe gefangen, ganz gleich den norwegischen; B. Olivalis SV. Im Walde um Trafoi, im Juli schon meist verflogen. Orobena Aenealis SV. Ein g' bei Trafoi; O. Sophialis F\ Bei Trafoi. Crambus Pascuellus L. Nur zwei Exemplare bei Franzens- höhe, die der ab. Scirpellus Lah. sehr nahe kommen; C. Ericellus Hb. Vereinzelt oberhalb Trafoi; C. Pratellus L- Bis zur Baumgrenze gemein; C. Dumetellus Hb., Einzeln um Trafoi; C. Conchellus SV. Bei Trafoi auf Wiesen und bis hinauf nach Franzenshöhe stellenweise häufig; ©. Specu- lalis Hb. Zwischen Trafoi und Franzenshöhe nicht sehr selten, besonders der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 167 an Arven, ich fing darunter auch ein Stück der var. Catoptrellus Z.; ©. Luctiferellus Hb. Ueber der Baumgrenze bis zur Jochhöhe nicht selten; C. Pyramidellus Tr. In Gesellschaft von sSpeculalis und von gleicher Häufigkeit; (C. Radiellus Hb. Auf Grasplätzen von der Baumgrenze bis 7500° nicht selten; CO. Furcatellus Zeit. Selten um 7000‘ an den Ab- hängen der Kor- und Rötelspitze; C. Spuriellus Hb. Von 6000 bis 7500’ ziemlich selten; C. Coulonellus Dup. Nur zwei Exemplare unweit Fran- zenshöhe; C. Culmellus L. und Tristellus F. Erreichen bald oberhalb Trafoi ihre Grenze; C. Rostellus Lah. Einzeln bei Franzenshöhe. Pem- pelia Fusca Hw. Wenige Exemplare bei 7000’; P. Palumbella F. Ein sehr grosses S' bei Franzenshöhe; P. Ornatella SV. Bei Trafoi. Asarta Aethiopella Dup. An den Abkängen der Kötelspitze und des Piz Umbrail etwa. in 8000° Höhe. Catastia Auriciliella Hb. Auf vegetationsreichen Plätzen um 7000‘ nicht selten. Myelois Flavieiliella Hs. Ein & über dem ersten Signalkopf etwa 8000° hoch. Euzophera Terebreila Zk. Ein Stück bei Trafoi im Walde. Teras Hastiana L. Bei Trafoi die Raupen nicht häufig. Tortrix Cinctana SV. Ein Z oberhalb Trafoi; T. Gno- mana Cl. Oberhalb Trafoi im Fichtenwalde einzeln. Sciaphila Osseana Se. und Argentana Cl. Um Franzenshöhe nicht selten; S. Penziana Hb. Von 67000’ an Felsen, diese, so wie die beiden vorhergehenden Arten, kamen auch häufig zum Licht; 8. Chrysantheana Dup. Einzeln bei Franzenshöhe; 8. Wahlbomiana L. v. Alticolana HS. Auf der Prater Alp um Rhododendron, dann bei Franzenshöhe eine Form, welche der Communana HS. am näch- sten steht, aber eine lichter bläulichgraue Färbung hat, vielleicht Derivana Lah.? Sphaleroptera Alpicolana Hb. Kor- und Rötelspitz und bei Sta. Maria um 8000° nicht selten, doch nur gg gefunden. Cochylis Auro- Jasciana Mn. Beim ersten Signalkopf 1869 einige Exemplare, dieses Jahr habe ich die Art nicht gefunden, CO. Rutilana Hb. einige Exemplare um 7000° an Juniperus; ©. Decimana SV. Unterhalb der Korspitze um Rho- dodendron, selten; C. Dubitana Hb. Bei Franzenshöhe einige Exemplare. Penthina Sauciana Hb. Bei Franzenshöhe an Vaccinium uliginosum; P. Noricana HS. Am ersten Signalkopf und bei Sta. Maria einige Exem- plare; P. Arbutella L. Selten um Franzenshöhe; P. Rufana v. Purpurana Hw. Ein Exemplar bei Trafoi; P. Metallicana v. Irriguana HS. Prater Alp, zwei Exemplare; P. Metalliferana HS. Um Franzenshöhe und bis 8000‘ auf Grasplätzen nicht selten, auch bei Sta. Maria; P. Palustrana Z. Um die Baumgrenze; P. Schaefferana HS. und Spuriana HS. Einzeln und selten um 7000; P. Bipunctana F. Zwischen Trafoi und Franzenshöhe einzeln; P. Charpentierana Hb. Am Fusse der Korspitze um Rhododendron Mitte Juli nicht selten, aber nur cc‘; P. Trifoliana HS. Bei Trafoi. Grapholitha Hepaticana. Oberhalb Trafoi im Walde an Senecio nemorensis; G. Sublimana HS. Einzeln an der Lehne südlich von Franzenshöhe; G. Hypericana Hb. und Dorsana F. Einzeln bis 6000’. Steganoplycha 168 Jahres - Bericht Nemorivaga Tystr. Fin Exemplar bei Franzenshöhe; 8. Mecuriana Hb, Gemein um Dryas octopelala oberhalb Franzenshöhe gegen den ersten Signalkopf. Phoxoptery® Biarcuama Stph. und Myrtillana Tr. Bei Trafoi im Walde einzeln. Dichrorampha Alpinana Tr. Trafoi; D. Ligulana HS. An der Strasse an Felsen häufig kurz vor und hinter Franzenshöhe, bis Mitte Juli; D. Chavanneana Lah. Selten an den Mauern der Strasse etwa bei 7500; D. Bugnionana Dup. Einzeln von 7—8000’ auf Matten. Cho- reutis Bjerkandrella Thbg. Ein Exemplar bei Trafoi. Simaethis Oxyacan- thella L.. Um Trafoi nicht. selten in der Nähe der Häuser. Melasına Ciliaris O. und Lugubris.Hb, Je ein Exemplar bald oberhalb Franzens- höhe gefangen. Die Säcke waren auf der Prater Alp nicht selten, gingen mir aber alle zu Grunde. Tinea Pellionella L. und Fuscipunctell« Hw. Franzenshöhe im Hause. Lampronia Praelatella Sv. Bei Trafoi einzeln. Incurvaria Vetulella Zett. Nur ein Stück bei Franzenshöhe; I. Rupella SV. - Um Franzenshöhe nahe der Strasse unter üppiger Vegetation nicht selten. Adela Fibulella F. Bei Franzenshöhe noch Mitte Juli frisch an Veronica offieinalis. Hyponomeuta Evonymellus L.? Ein Exemplar beim ersten Signalkopf gefangen, est ist ganz frisch, muss aber durch irgend einen Zufall hier heraufgekommen sein, da Prunus Padus erst 4000° tiefer wächst. Zelleria Saxifragae St. Ein beschädigtes Stück vor dem ersten Signalkopf. Argyresihia Abdominalis Z. Oberhalb Franzenshöhe nicht selten an Juniperus. Plutella Geniatella Z. Mitte Juli drei Exemplare dicht bei Franzenshöhe; P. Cruciferarum Z. Ueberall einzeln. Depres- saria Flavella Hb. Bei Trafoi; D. Sarracenella Roessl. Die Raupen zahl- reich Mitte bis Ende Juli in den Blättern von Senecio Doronicum, Falter im August. D. Heydeni Z. Die Raupen Mitte Juli an einem Chaero- phyllum nahe bei Franzenshöhe, doch nur noch einzelne erwachsene, da die Mehrzahl offenbar schon verpuppt war. Ausserdem fand ich Depr.- Raupen an I/mperatoria Ostruthium, die einer mir unbekannten Art an- ° gehören, aus denen ich aber nur Ichneumonen zog; D. Pimpinellae Z. Die Raupen bei Trafoi sehr häufig Anfang August. Gelechia Continuella Z. Auf der Prater Alp einzeln; G. Interalbicella HS. Von 6000 bis 7500’ an .den Steinmauern der Strasse etc. häufig; G. Elatella HS. Mit der Vorigen doch seltener. Lita Diffluella Frey. Einige Exemplare am Fusse der Korspitze und bei Sta. Maria, etwa 8000‘ hoch. Argyritis Liberti- nella Z. Von 5000 bis 7000’ an den Steinmauern der Strasse und den darüber wachsenden Kräutern nicht selten, Mitte Juli. Ergatis Heliacella HS. Nur zwei Exemplare am 14. Juli südlich von Franzenshöhe. Ich halte L. Rogenhoferi Stgr. z. B. V. 1872 nur für dunkle Exemplare von Heli- acella.. Monochroa Tenebrella Hb. Um Trafoi gemein. Anacampsis Coro- nillella Tr. Bei Franzenshöhe an einer gelb blühenden Coronilla häufig, A. Anthyllidella Hb. Trafoi bis 8000’ nicht selten; A. Ligulella Z. Bei Trafoi einzeln. Brachyerossata Tripunctella SV. Von Franzenshöhe bis der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 169 über 7500 häufig im Grase. Pleurota Bicostella Cl. Bei Franzenshöhe nicht selten. Hypercallia Citrinalis Sc. Bald unterhalb Franzenshöhe häufig; Symmoca Signella Hb.? Ueber 20 Exemplare doch nur dd an den Steinmanern der Strasse bei Franzenshöhe bis Ende Juli. Die Exem- plare sind sehr gross bis 24 mm und haben die schwarzen Punkte meist sehr dick. Anchinia Grisescens Frey. Bei Franzenshöhe bis nahe am ersten Signalkopf selten. Sie lebt wahrscheinlich an Daphne Laureola; A. Laureolella HS. An denselben Stellen wie Grisescens, aber viel häufiger. Oecophora Flavifrontella Hb. Bei Trafoi im Walde; O. Similella Hb. Trafoi an Fichten. Glyphipteryx Majorella FR. Bei Franzenshöhe ein Exemplar. Coleophora Fulvosquamella HS. Selten und einzeln um 7000’, beim ersten Signalkopf, am Fusse der Korspitz und am Piz Umbrail; CO. Lineariella Z.? Mehrere Exemplare bei Franzenshöhe, die ich aber nicht mit Sicherheit zu Lineariella ziehen kann. Chauliodus Scurellus HS. Um 7000’ auf kräuterreichen Stellen nicht selten; C. Aequidentellus Hfm. Ein Stück bei Franzenshöhe. Laverna Conturbatella Hb. und Lacteella Stph. Einzeln oberhalb Trafoi an Epilobium angustifolium. Tinagma Dryadis Stgr. Von Staudinger 1874 in dem Thale südlich von Franzenshöhe an Dryas entdeckt. Mir gelang es nicht das Thier daselbst zu finden. Butalis Amphonycella H-G. Einzeln auf üppig bewachsenen Stellen bei Franzens- höhe; B. Fallacella Schl. Von 5 bis 7000’ auf Graslehnen überall häufig; B. Glacialis Frey. Bei 8000° und darüber; auf dem zweiten Signalkopf, am Joch, am Piz Umbrail, überall auf fast vegetationslosen Plätzen, die Puppen unter Steinen; B. Laminella HS. Um Trafoi einzeln im Grase. Elachista Heinemanni Frey Ein nicht mehr frisches Stück am 14. Juli. Buceulatric Jugicola Wk, Von Staudinger 1374 an Anthemis alpina ent- deekt um 7500‘, habe ich nicht gefunden. Nepticula sp.? Ende Juli bis zu meiner Abreise sammelte ich nahe bei Franzenshöhe gegen 80 Raupen in den Blättern von Potentilla grandiflora, von denen ich zwar einige Co- cons, aber keinen Schmetterling erhielt. Die Raupen waren gelbgrün mit bräunlichem Kopf, die Minen lang und fein geschlängelt. Micropteryx Aruncella Sc.? Viele Exemplare bei Franzenshöhe Mitte Juli, die jedoch meist durch Regen verdorben waren. Die dd haben die helle Zeichnung ganz verloschen, beide Geschlechter führen ganz dunkelbraunes Kopfhaar, es ist mir deshalb noch zweifelhaft ob hier nur eine alpine Form oder eine neue Art vorliegt; M. Aureatella Sc. Häufig bis Franzenshöhe an Vaceinien. Platyptilia Gonodactyla SV. Einige Exemplare bei Trafoi; P. Zetterstedtiüi Z. Zwischen Trafoi und Franzenshöhe nicht selten. Oxy- ptilus Kollari St. Einige Exemplare nahe der Jochhöhe gefangen. Mi- maeseoptilus Coprodaceiylus Z. und Plagiodactylus nieht selten an der Baum- grenze und etwas darüber; M. Pierodactylus L. Zwischen Trafoi und Franzenshöhe gemein. Oedematophorus Rogenhoferi Mn. 5 Exemplare um 6500' Abends im Fluge gefangen. Leioptilus Tephradactylus Hb. Nicht 170 Jahres - Bericht selten um Solidago um 5600 bis 6000. Die Exemplare sind etwas grösser als meine schlesischen, dunkler gefärbt, die Vorderflügel graugelb, die Bestäubung fast schwärzlich. Aeiptilia Baliodaciyla Z. und Tetra- dactyla L. Erstere einzeln, letztere sehr häufig zwischen Trafoi und Franzenshöhe. Die Summe der hier aufgezählten Arten beträgt 331, wovon Rho- palocera 61, Sphinges 6, Bombyces 17, Noctuae 38, Geometrae 63, Pyrali- dina 45, Tortricina 37, Tineina 52, Micropterygina 2, Pierophorina 10. Hauptlehrer K. Letzner hielt folgende Vorträge: 1. Ueber 17 für Schlesien neue Käferarten. Dieselben sind bereits veröffentlicht in der Zeitschrift für Entomologie, herausgegeben vom Vereine für schlesische Insekten-Kunde, neue Folge Heft 5. 2. Ueber die schlesischen Formen der Lina Lapponica L., deren Lebensweise und ersten Stände. ; Bereits im Juni des Jahres 1374 war das in Rede stehende Thier von Herrn Landes-Deputalions-Secretair Lehmann auf den Seefeldern bei Rein- erz in mehreren Stücken gefangen und meiner Sammlung freundlichst überlassen worden. Im August d. J. hatte derselbe auf meine Bitte die Gewogenheit, wieder darauf zu achten, und war so glücklich, es in Menge aufzufinden. Am 20. August erhielt ich durch seine grosse Freund- lichkeit eine Sendung von mehr als 150 lebenden Exemplaren und auch mehrere Larven. Die letzteren waren nur noch sparsam vorhanden ge- wesen und sämmtlich erwachsen, woraus hervorgeht, dass das Thier (und zwar ohne Zweifel die 2. diesjährige Generation) am Ende seiner Ent- wickelung stand, und demnach als -vollkommenes Insekt in möglichst srosser Anzahl vorhanden sein musste. Wirklich sammelte Herr Lehmann bis in den September hinein viele hundert Exemplare,”) welche mir sämmtlich zur Ansicht vorgelegen haben. So ist der Käfer, dessen Vor- kommen in Schlesien man vor wenig Jahren noch anzuzweifeln Ursache hatte, zu einem (an der erwähnten Oertlichkeit wenigstens) sehr häufigen geworden. An seinem Vorkommen im Riesengebirge (Schmiedeberger Kamm nach Köhler) ist nun ferner auch nicht mehr zu zweifeln. Ausser den beiden genannten Fundorten ist in Schlesien nur noch ein dritter bekannt, nämlich das obere T'hal der Wölfel (unter der Schweizerei auf dem Schneeberge), wo Herr v. Bodemeyer einige wenige Stücke von Sorbus Aucuparia klopfte. *) Ausser der Lina Lapponica hatte derselbe an anderen bemerkenswerthen Käferarten erbeutet: Dromius fenestratus F., Corymbits Quercus Gyl., Otiorhynchus equesiris Richt., Pissodes Harcyniae Hbst., Oberea pupillata Gyl., Halyzia ocellata L. u. A. 3 2 der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 171 Die Hauptform in Schlesien ist die, welche schon Gyllenhal (Fauna Suec. III, 463) als Hauptform beschreibt. Bei derselben geht die mehr oder weniger wellenförmig gebogene dunkle Mittelbinde auf den Decken bis an die Naht und ist (wie der Schulteifleck und die gekrümmte Binde vor der Spitze) bläulich oder schön blau. In Schlesien kommen diese Binden jedoch eben so häufig grün gefärbt vor, so dass sie alsdann ganz der Färbung des Thorax entsprechen; zuweilen ist ihre Farbe auch fast schwarz mit schwachem bläulichen oder grünlichen Schimmer. Eine andere Farben-Abänderung dieser Hauptform kommt (in Schlesien sowohl wie in Lappland) seltener vor; bei ihr ist der Thorax schwarz mit mehr oder weniger Erzschimmer, die Binden der Decken dunkel-violett, das Gelb oft ins Röthliche schimmernd. — Bei dieser Hauptform hält die Ausdehnung der gelben Farbe auf den Decken der grünen, blauen oder violetten ziemlich das Gleichgewicht. Das Gelb ist bei älteren Stücken mehr rothgelb (orange), bei jüngeren mehr blassgelb (testfarben). Nur selten ist das Gelb in ein Hellroth oder in ein wirkliches, dunkleres Roth verwandelt, (von dem Farbenton, wie es bei vollkommen ausgefärbten Stücken der Lina Populi gewöhnlich ist) und die dunkleren Binden, wie der Thorax, sind grünlich oder schwarz, die Unterseite grünerzfarben. Die gekrümmte Binde vor der Spitze ist bei einem Exemplar sehr schmal und in der Mitte unterbrochen. — Ausser der Hauptiform kommen aber auch Formen vor, bei denen bald die gelbe, bald die dunklere (grüne oder blaue) Färbung auf den Decken das Uebergewicht gewinnt. Im ersten Falle werden die dunklen Binden schmäler und a) der Schulterfleck löst sich in 2 Tlecken (einen grösseren äusseren und einen kleinen inneren) auf, welche zuweilen noch einen schmalen oder undeutlichen Zusammenhang zeigen; b) die mittlere dunkle Binde verschmälert sich stark nach innen und erlischt ohne die grünliche oder bläuliche Naht zu erreichen, löst sich sogar (wenn das Gelb sich noch mehr ausbreitet) in 2 Flecken auf. Das Letztere tritt auch wohl zugleich bei der hintersten, gekrümmten Binde ein. — Gewinnt die dunklere Färbung auf den Decken die Oberhand, so verbreitern sich die dunkleren Binden, und namentlich die mittlere nach der Naht zu, so dass sie kaum noch gewellt und an der Naht (nach dem Schildchen zu) nicht mehr so stark vorgezogen er- scheint als bei der Hauptform, sondern fast in gerader Richtung quer über die Decken geht. Zuweilen sind die gelben Binden nur noch schmale Linien. — Die Formen, wo die dunkle Färbung noch mehr sich aus- breitet, also bei Gyllenhal 1) die Var. b: Decken blau mit einigen ge- bogenen rothen Linien; 2) Var. ec: Decken blau, nur der Aussenrand und hie und da ein Punkt auf der Mitte der Decken gelblich, sowie. 5) die von Gyllenhal noch als eigene Art beschriebene Chrysomela Bulgarensis F. (bei welcher die Decken ganz blau oder blauviolett), scheinen in Schlesien nicht vorzukommen, sind wenigstens bis jetzt noch nicht beobachtet worden. 172 ; Jah res-Bericht Die bis jetzt beobachteten schlesischen Formen sind demnach: 1) die dunklen Binden so ziemlich von der Breite der hellen, a. die dunklen Binden blau oder (wie der Thorax) grün, die hellen gelb oder gelbroth, b. die dunklen Binden schwärzlich - violett, Thorax grünlich oder schwärzlich-erzfarben, c. die dunklen Binden (wie der Thorax) grün-erzfarben, die hellen hellroth, d. die dunklen Binden (wie der Thorax) grün erzfarben, die hellen dunkelroth, : e. die dunklen Binden dunkelviolett oder (wie der Thorax) schwarz, die hellen dunkelroth, | 2) die helle Färbung erhält auf den Decken das Uebergewicht, a. Schulterfleck und beide Binden ganz wie bei der unter la auf- geführten Hauptform, nur etwas schmäler, b. Schulterfleck in 2 Flecken aufgelöst, ce. die mittlere Binde erreicht die Naht nicht, d. die mittlere Binde an der Naht abgekürzt und in 2 Flecken aufgelöst, e e. die hintere Binde erreieht die Naht nicht und bildet nur einen länglichen Fleck, : [. wie e, aber der von der hinteren Binde übrig gebliebene Fleck, wie der Schulterfleck, in 2 Flecken aufgelöst, 3) die dunklere Färbung gewinnt das Uebergewicht, a. die mittlere Binde namentlich nach der Naht hin verbreitert, kaum wellenförmig gebogen, die hellen Binden bedeutend schmäler. Auch bei dieser Art kann man sich (wenn man eine grössere Anzahl von Stücken vor sich hat), zur Genüge überzeugen, dass bei den Chryso- melen ausser der Färbung auch Grösse, Glanz und Umriss höchst variabel sind. Die kleinsten Exemplare messen kaum 5 Mm. in die Länge und 3 in die Breite, die grössten 8 Mm. in die Länge und 5 in die Breite. Während die meisten Stücke glatt und glänzend sind, zeigen andere eine matte, selbst gerunzelte Oberfläche, und neben gestreckten und schmalen kommen fast eben so oft kurze und gedrungene, neben elipti- sehen auch eiförmige und neben flachen bedeutend gewölbtere vor. Larve. Die Larve ist 7 mm. lang, auf der Oberseite mehr oder weniger tiefschwarz, unten schmutzig-weisslicb. Kopf nach unten ge- neigt, tiefschwarz, glänzend, mit einzelnen langen, steifen, bräunlichen Haaren besetzt. Stirn mit einer seichten Längsvertiefung, an deren Ende, über dem sehr deutlich und tief abgesetzten Kopfschilde, 2 tiefe Grüb- Oh - der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 173 chen neben einander liegen. Kinnladentaster 3gliedrig, kurz, die unteren Glieder bedeutend dicker als das letzte, alle zusammen einen schnell zugespitzten Kegel bildend. Lippentaster noch viel kleiner, 2gliedrig. Fühler kurz, kegelförmig (wie die Maxillartaster), 3 gliedrig. Nahe über ihnen liegen 4 stark erhöhte Ocellen und durch eine, einen Viertelkreis betragende Lücke davon getrennt, von der Basis der Fühler nach hinten, noch 2 andere. — Prothorax schwarz glänzend, mit stark abgerundeten Hinterecken, scharf aufgebogenem Vorderrande, einer den Vorderrand nicht erreichenden, vertieften Mittellinie und zu jeder Seite derselben mit einer grossen, tiefen, sich bis nahe an den Seitenrand er- streekenden und daselbst scharf eingedrückten, unebenen Grube. Am Vorder- und Seitenrande stehen (wie am Kopfe) einzelne lange, bräunliche Borstenhaare. — Meso- und Metathorax sind einander ganz gleich gebildet und haben jeder in ihrer Mitte einen Quereindruck, welcher an einer grossen, kegelförmigen Tuberkel endet, die unfern des Seitenrandes steht, an der Spitze mit einer tiefschwarzen, glänzenden Hornhaut bekleidet ist, und da, wo der Quereindruck endet (wenig nach hinten) einen oder zwei (Metathorax) schwarze Punkte hat. Zwischen diesen beiden grossen Tuberkeln stehen 2 Paar quergestreckte, schwarze, glänzende Flecken, das vordere Paar von dem hinteren durch die erwähnte vertiefte Quer- linie getrennt. — Das Abdomen besteht aus 8 scharf geschiedenen Bauchringen und dem Analsegment. Ueber die Mitte derselben läuft eine oft undeutliche, schwache Längslinie. Zu jeder Seite derselben hat jedes Segment einen mehr oder weniger deutlichen, zuweilen mit dem der nächsten Seite zusammenhängenden (zuweilen nur noch aus 2 ein- gedrückten Punkten bestehenden) Quereindruck, in dessen Umgebung die Oberhaut glänzender und horniger erscheint, wodurch bei Stücken mit hellerer Färbung 2 Reihen schwarzer Flecken auf dem Rücken gebildet werden. Unfern dieser Flecken steht (nach aussen zu) eine stark hervor- tretende, kegelförmige Tuberkel, welche aber nicht so hoch, als auf Meso- und Metathorax ist. Nur auf dem 8. Segmente fehlt dieselbe Diese Tuberkeln des Hinterleibes liegen mit denen der Mittel- und Hinterbrust nicht in einer geraden Linie, sondern sind etwas weiter nach innen ge- rückt, ganz wie bei den andern Arten dieser Gattung. Von jeder dieser Tuberkeln nach aussen liegt eine zweite, etwas niedrigere, und zwischen beiden, jedoch etwas weiter nach vorn (unfern des Vorderrandes jedes Segmentes) auf einer kleinen Erhöhung ein Stigma. Alle diese Tuberkeln sind mit je 1—2 gelblichen, nicht in die Augen fallenden Haaren besetzt, welche oft abgerieben sind. Auf dem 7. und 3. Segmente sind die beiden schwarzen Fleckchen auf der Mitte des Leibes in ein einziges, etwas grösseres zusammengeflossen. Der Anus dient als Nachschieber. — Auf der Unterseite besitzt jedes Abdominal- Segment 3 etwas dunklere, glänzende, wenig erhabene Fleckchen, und zu jeder Seite derselben eine 174 Jahres - Bericht \ Tuberkel, welche jedoch niedriger, als die ihr nahe stehende auf der Oberseite ist. Die 3 Brustsegmente zeigen nur das mittelste dieser er- wähnten, glänzenderen Fleckchen. — Beine schwarz, glänzend, mit ein- zelnen Haaren besetzt. — Zieht sich die Oberhaut der Larve etwas zu- sammen, so erscheint dieselbe einfarbig tiefschwarz; dehnt sie sich mehr aus, so ist die Grundfarbe ein schmutziges , dunkles Gelbweiss, auf dem sich die schwarzen Fleckchen deutlich abgrenzen. Namentlich ist die Gegend an der Innenseite der beiden grossen Tuberkeln auf Meso- und Metathorax von veränderlicher Färbung, und zuweilen sogar nach dem Tode noch hellweiss (wahrscheinlich von der weissen Flüssigkeit, welche dieselben bei dem lebenden Thiere aussondern, wenn dasselbe gereizt wird). Die Larve lebt bei Reinerz nur auf Betula alba. Sie frisst stets auf der Oberseite der Blätter, und zwar nur den oberen Theil des Blattge- webes, so dass die Epidermis der Unterseite, sowie alle Rippen stehen bleiben. Der Frass hat nicht immer gleiche Ausdehnung auf jedem Blatte, nimmt aber oft 1/,—\,, und wohl auch mehr, der Blattfläche ein. Die gefressenen Stellen erhalten später eine gelblich-röthliche Färbung und das ganze Blatt verdorrt. Bei der grossen Anzahl von Larven und Käfern war das Thier in forstwirthschaftlicher Hinsicht ein für die Birken merk- lich schädliches geworden. Puppe. Die Puppe ist bald nach dem Abstreifen der Larvenhaut eitronengelb, der Mund, die Fühlerscheiden, ein Punkt auf der stark vertieften Stirn, 4 Punkte auf der Mitte des Thorax (die mittelsten 2 etwas länglich, schräg nach hinten und innen gezogen), sowie oft eine feine Linie am Hinterrande, 3 ein mit der Spitze nach hinten gekehrtes Dreieck bildende Punkte auf der Mitte des Mesothorax, der Vorder- und Hinterrand des Metathorax, : ein länglicher Querfleck zu jeder Seite der Mittellinie auf den 5 ersten Rückensegmenten, die erhöhten Stigmata un- fern des Seitenrandes, ein kleiner Punkt unfern jedes Stigmas (aber ein wenig weiter nach hinten), der Naht- und Seitenrand der Deckschild- Scheiden, die Scheiden der Flügel und die Beine schwarz oder schwärz- lieh. Am 4. Rückensegment treten die Knie der Hinterbeine unter den Flügeln deutlich hervor. Dieselben sind, wie die Vorderbeine, mit etlichen kurzen, steifen Borsten besetzt. Das 6. Abdominalsegment ist meist unter der Puppenhaut verborgen. Entfernt man dieselbe, so erscheint das grosse, an der Spitze abgerundete Analsegment. Alles Uebrige wie bei andern Käferpuppen. Will die Larve sich verpuppen, so klebt sie sich (ganz wie die an- deren-Arten dieser Gattung) mit dem Anus auf der Oberseite des Blattes, auf dem sie gross geworden, fest, und zwar so, dass der Kopf nach unten hängt, schrumpft scheinbar etwas zusammen und streift nach 1—2 Tagen die Larvenhaut ab, jedoch so, dass dieselbe die Puppe an ihrer der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 175 Spitze ringsum umhüllt, und diese dem Blicke des Beschauers verdeckt. Naht der Puppe etwas Störendes, z. B. (was oft vorkommt) eine auf dem Blatte umherkriechende Larve oder ein Käfer, so bewegt sie den Vorder- leib auf und nieder, nach Art der Coceinellen-Puppen. Der Puppen- zustand ist ein verhältnissmässig sehr kurzer und dauert bei schönem, warmen Wetter durchschnittlich 4—5 'lage. ‚3. Ueber die Formen und ersten Stände der Lina collaris L. Bereits in dem Jahresberichte der schles. Ges. für das Jahr 1844 p- 69 habe ich die schles. Formen der Lina collaris L. zusammengestellt, und ich habe heute nur wenig dazu nachzutragen. Bei Var. a und e, wo die Flügeldecken ins Grünliche schimmern, ist der grünliche Glanz im Laufe der Jahre meist verschwunden und nur noch bei wenigen Stücken wahrzunehmen; nur bei Var. f, wo die Oberseite schön dunkel- grün ist, hat sich die grüne Färbung besser erhalten. Die wichtigste, heut nachzutragende Ergänzung besteht darin, dass die inoben genanntem Jahresberiehte p. 71 erwähnte Var. mit violetten, stark glänzenden Decken und weisslichem oder gelblichweissem Thorax-Rande seitdem auch in Schlesien aufgefunden worden ist. Sie scheint nur auf Salix repens vor- zukommen. An Fundorten sind mir für diese Form bis jetzt nur die Gegend von Herrnstadt (Sandeborske), Sulau und Klein-Oels bei Süss- winkel bekannt. Eigenthümlich ist es, dass unter etwa 400 schlesischen Stücken der L. collaris, welche ich angesehen habe, nicht eines war, das neben dem weisslichen oder gelblich- weissen Thoraxrande eine dunkel- nn oder grünerzfarbige Oberseite (wie sie Gyl. u. Thoms. bei ihrer . b angeben) gezeigt hätte; immer ist dieselbe heller oder dunkler ae oft mit stärkerem oder schwächerem Metall- (öfters fast N KMeanze) Schimmer übergossen. Mit dieser Form (abgesehen von den weisslichen Sailer des Thorax) ist am nächsten verwandt die Lina alpina Zeit. Ob dieselbe eine gute Species sei, ist doch wohl zweifelhaft, wenn man die grosse Veränder- lichkeit der L. collaris in der Bildung der Thoraxseiten bedenkt, welche ‚letzteren zuweilen auf der hinteren Hälfte fast gerade (namentlich bei den 8), zuweilen aber auch gerundet sind. Ebenso ist die Farbe der Beine bei L. collaris höchst variabel; dieselben kommen eben so oft roth mit schwarzen Knien (wie sie L. alpina hat), als ganz schwarz vor. Auch die Punktirung der Decken ist bei den schles. Stücken der L. collaris im höchsten Grade verschieden und durchläuft alle Stufen zwischen einer weitläuftigen und groben und einer diehten und feinen, so dass man kaum 2—3 ganz gleiche Stücke zusammen zu finden im Stande ist. Die leder- artig gerunzelten, weniger glänzenden, fein und dieht punktirten Deck- schilde, welche die L. alpina auszeichnen (ich besitze 2 Stücke aus Lapp- land), kommen ebenso einzelnen Stücken der oben erwähnten violetten 176 Jahres -Bericht Form mit weissliehem Thoraxrande (welche ebenfalls bald rothe, bald. schwarze Beine hat) zu. — Thomson scheint selbst an der Güte der L. alpina als Species zu zweifeln, wie sein distincta mihi videtur zeigt. Ebenso dürfte sich Lina Escheri Heer kaum als Art halten ijassen. Sie soll sich nach Heer (Observationes entomologicae, Turici 1836, p. 33) durch nicht gerade (fasi gerundete) Seiten des vorn weniger stark aus- gerandeten Thorax und weniger stark vorragende Vorderecken desselben auszeichnen. Die in Schlesien gesammelten Stücke der L. collaris zeigen zuweilen (namentlich bei 2) einen ebenso gerundeten Thorax, wie meine schweizerischen Stücke der L. Escheri, und auch die Ausrandung des Thorax, sowie die Vorderecken desselben sind variabel. Treten die letzteren mehr vor, so sind sie spitzer und abstehender und die Aus- randung ist dann grösser. Auch bei meinen 4 aus dem Engadin stam- menden Stücken der L. Escheri finden sich in der Bildung der Vorder- ecken und des Seitenrandes schon kleine Abweichungen (bei den 2 sind die Seiten stärker gerundet und die Ecken weniger spitz als bei den f), so dass ich nieht zweifle, dass sich unter einer grossen Anzahl von In- dividuen deren noch mehr und grössere zeigen würden. Zwar hat Heer die Larve der L. Escheri beschrieben, da diese Be- sehreibung aber einige Irrihümer enthält, das Thier aber in der Abbildung nicht wieder zu erkennen !st, von der eigentlichen Lina collaris aber, so- viel mir bekannt, keine Beschreibung der Larve existirt, so dürfte es nicht überflüssig erscheinen, nachstehend eine solehe in Kürze zu geben. Larve. Dieselbe ist 8 mm lang, 2'/), mm breit, stark gewölbt, an beiden Enden etwas verschmälert, und der Larve der L. Lapponica sehr ähnlich, nur weniger schwarz, da die Oberhaut zwischen den glänzend schwarzen Fleckchen und Tuberkeln gelblich oder bräunlieh ist. Kopf ganz so, wie derselbe bei Lina Lapponica beschrieben ist. Dasselbe gilt auch von den Tastern, Füblern und Ocellen. Die Kinnladentaster sind bei Heer etwas zu. schmal abgebildet, namentlich das Wurzelglied. Ocellen sind nieht 3, sondern 6 vorhanden, wie bei andern Arten. — Prothorax schwarz, am Hinter- und Seitenrande geblich, am Vorder- rande nicht scharf aufgebogen, mit einer den Vorderrand nicht erreichen- den vertieften Mittellinie und jederseits derselben einer grossen, tiefen, an den Seiten grubigpunktirten Grube. — Mesothorax ganz wie der Meta- thorax, jeder auf der Mitte mit einer sanft vertieften Querlinie und 6 schwarzen Fleckehen, von denen die 4 mittelsten in zwei Reihen hinter einander liegen und in die Quere gestreckt sind, die beiden übrigen, rundlichen dagegen am Ende der vertieften Querlinie (wenig nach hinten) sich befinden. Bei diesem Fleckchen beginnt die grosse kegelförmige Tuberkel, welche den ganzen Seiten- rand des Meso- wie des Metathorax einnimmt, und eine glänzend schwarze Spitze hat. Diese Tuberkel entspricht auf dem Mesothorax den Flügel- decken, auf dem Metathorax den Flügeln des vollkommenen Insektes und der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 177 sondert wie bei allen Lina-Arten, so lange die Larve lebt, einen milch- weissen Saft ab. — Die Abdominal-Segmente besitzen auf der Mitte 2 quer gestellte, slänzende, jedes mit einem vertieften Quereindrucke versehene schwarze Fleckehen, und von diesen nach aussen jederseits 2 kleine, schwarze, durch einen kleinen Zwischenraum von einander ge- trennte Tuberkeln, auf welchem letztern, ein Wenig mehr nach vorn, das schwarze Stigma liest. Auf dem & Segmente fehlen diese beiden Tu- berkeln und die beiden Fleckehen auf der Mitte sind (wie auch auf dem 7. Segmente) in eines zusammengeflossen. Die schwarzen Fleckchen und Tuberkeln sind (wie auch das Anal-Segment) mit einzelnen bräunlichen Härchen besetzt. — Die Unterseite des Abdomens zeigt 3 Reihen schwärz- licher, glänzender Fleckchen und von diesen nach aussen jederseits eine Reihe. kleiner, schwarzer Tuberkeln. Die Mittel- und Hinterbrust hat auf der Unterseite je ein schwarzes in die Quere gezogenes Fleckchen und dahinter 2 kleine schwarze Punkte. Die Larve wurde von mir auf Salis repens Anfang Juni bei Klein- Oels (etwa °, Meilen von der Eisenbahn-Station Bohrau) fast erwachsen angetroffen und ist daselbst nicht selten. Die Verpuppung erfolgte nach wenigen Tagen ganz so, wie es bei der Lina Lapponica beschrieben worden und bei allen Arten dieser Gattung geschieht. Die Larve klebt sich mit dem Anus am Blatte fest, so dass die abgestreifte Larvenhaut die Puppe an ihrer Spitze umgiebt und nur die ersten 6 Rückensegmente frei lässt. Der sichtbare Theil der Puppe ist gleichmässig braun, auf dem (mit feiner Längslinie versehenen) Prothorax, namentlich aber auf dem Meso- und Metathorax mehr oder weniger gelblich, glatt, ohne Be- haarung. Jedes Rücken-Segment des Abdomens hat jederseits unfern des Seitenrandes und nahe am Vorderrande ein ‚etwas erhöhtes Stigma. Am 4. Segmente werden die Knie der Hinterbeine unter den gestreiften Flügeldeck-Scheiden sichtbar. Die Scheiden der Flügel treten auf der Bauchseite nur mit einer kleinen Spitze unter denen der Deckschilde her- vor. Alles Uebrige wie bei andern Lina-Arten. 4. Ueber die in seiner Sammlung befindlichen Formen der Hydro- thassa (Prasocuris) HannoveranaF. und wies darauf hin, dass die bei dieser Art über die Decken laufende selbe Linie auf mannigfache Weise unterbrochen wird und zuletzt ganz schwindet. Man. konnte folgende Formen unterscheiden: a. Die gelbe Linie ist gar nicht unterbrochen und erstreckt sich von der Schulterbeule bis an den Aussenrand unfern der Spitze. — b. Die gelbe Linie ist sehr schmal und erscheint hie und da fast unterbrochen. — c. Die gelbe Linie blos ein Stückchen vor der Spitze der Decken geschwunden. — d. Von der gelben Linie sind nur ein Fleckchen an der Schulter und zwei Fleck- 12 178 J ahres - Bericht chen auf der Mitte (eines vor, das andere hinter der Mitte) der Decken vorhanden. — e. Die gelbe Linie bis auf ein Fleckechen an der Schulter und eines auf der Mitte der Decken geschwunden. — f. Die gelbe Linie bis auf 2 Fleckehen (eines vor, das andere hinter der Mitte der Decken) erloschen. — g. Die gelbe Linie bis auf ein Fleckchen auf der Mitte der Decken geschwunden. — h. Die gelbe Linie schwindet bis auf 1 Fleckchen an .der Schulter und ein mit dem Aussenrande zusammenhängendes Stück an der Spitze. — i. Wie h, aber auch das Fleckchen an der Schulter gesehwunden. — k. Die gelbe Linie ist ganz geschwunden. Unter den zu dieser letzten Form gehörenden Stücken befand sich eines, welches auf Thorax und Decken die Punktirung der Hydrothassa marginella L. zeigt und sich von dieser nur noch durch die kürzere, breitere Körper- form unterscheidet. 5. Ueber Bruchus chinensis L. Im Jahre 1861 erhielt ich eine Anzahl Samen von Wicken und Bohnen, welche der leider zu früh verstorbene Regierungs-Bath Wichura aus Japan eingesendet hatte, die aber auf ihrem langdauernden Transporte zum Theil durch Käfer und deren Larven zerfressen worden waren. Eine ziemlich bedeutende Anzahl von Stücken des Verwüsters hatten bereits ihre Puppenhülle verlassen, bargen sich aber meistentheils noch in den sie schützenden Früchten. Sie gehörten sämmtlich einer Art an, nämlich dem aus China beschriebenen Bruchus chinensis L., wozu als Synonyme gehören: Br. pectinicornis L. (das d, ebenfalls aus China bekannt), Br. scutellaris F. (das 2, vom Vorgebirge der guten Hoffnung), Br. rufus de @. (das 2, Vaterland Ostindien), Br. ornatus Boh. (von Sierra Leone) und Br. elegans St. (aus Ostindien.. Als keine Käfer mehr auskamen, (ich hatte etwa 30 derselben getödtet), that ich die meist schon stark ge- fressenen Samen in eine kleine Glaskrause und stellte dieselbe (zuge- bunden) in einen Glasschrank. Als mir im Sommer d. J. die Krause zufällig wieder in die Hände kam, ersahe ich zu meinem Erstaunen, dass in derselben eine weit über 100 betragende Anzahl des oben genannten Käfers vorhanden war und zum Theil noch in den Samen steckte. Dieselben waren freilich sämmtlieh todt, die meisten jedoch noch ganz gut erhalten, so dass ich, nachdem ich dieselben aufgeweicht hatte, noch 50 tadellose Exemplare aufkleben konnte. Die Samen, namentlich die wickenartigen, waren ganz aufgezehrt, und in einigen, noch nicht die Grösse einer kleinen Erbse erreichenden, hatten 2—3 Käfer sich entwickelt. Es geht daraus hervor, dass das Thier wahrscheinlich mehr als ein Jahr lang sich hier in Breslau fortgepflanzt und entwickelt hat, weil sonst nieht eine so grosse Vermehrung hätte stattfinden können. Wie ich fest glaube, hat nur der Nahrungsmangel, oder doch dieser in erster Reihe, der ferneren Fortpflanzung ein Ziel gesetzt. Dass ein soleher auf viele der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 179 Exemplare bereits sehr nachtheilig eingewirkt haben musste, ging daraus her- vor, dass dieselben kaum die Hälfte der gewöhnlichen Grösse erreicht hatten. Die wichtigsten Formen des Thieres sind folgende: a) die Hauptform, roth, Augen und Brust schwarz, Hinterbrust am Hinterrande schneeweiss behaart; Deekschilde roth mit weisslichen, mehr oder weniger deutlichen Längsfleckehen, welche eine vordere und hintere Querbinde bilden; eine zwischen beiden liegende unbehaarte Querbinde, und eine eben solche an der Spitze der Decken etwas dunkler roth. Das Schildehen und ein grosser, durch eine vertiefte Längslinie getheilter Fleck vor demselben (am Hinterrande des Halsschildes) schneeweiss behaart. Bei vollkommen reinen Stücken sind die weisslichen, von den dunkleren Punktreihen durchsehnittenen Querbinden sehr sauber und schön, und in der vorderen Binde tritt alsdann auf dem 2. Zwischenraume gewöhnlich ein grösseres, mehr in die Augen fallendes, weissgefärbtes Strichel hervor. Bei solchen Stücken ist auch wohl auf der Mitte des Thorax jederseits noch ein weisser Punkt, oder weiter nach hinten (an der Aussenseite des grossen weissen Fleekes vor dem Seutellum) ein weisses Strichel zu bemerken. — Die Männchen unterscheiden sich ausser den gekämmten Fühlern noch durch die Färbung des Pygidiums.. Dasselbe ist bei den 2 mit zwei rothen, breiten, nur durch eine weissbehaarte Mittellinie getrennte Längs- binden versehen, während es bei den d gleichmässig weiss behaart ist, und nur zuweilen die röthlichen Längsbinden schwach durchschimmern lässt. — b) Färbung und Behaarung wie bei a, nur sind der Thorax, der Kopf, die Fühler vom 5. Gliede an und das Abdomen mehr oder weniger braun oder schwärzlich. Nur &. — c) Wie b, aber in der Mitte des Seitenrandes der Deckschilde befindet sich auf der unbehaarten Quer- binde ein schwärzlicher Fleck. Nur d. — d) Wie ce, aber die unbehaarte Querbinde schwarz gefleckt. Nur d. — e) Wie d, aber auch die Basis und Spitze der Decken und mehr oder weniger auch die Hinter- beine schwarz. Nur d. — f) Die Ober- und Unterseite gleichmässig roth, die weisslichen Zeichnungen meist undeutlich. d und 2. 6. Ueber ein Massenauftreten des Otiorhynchus Ligustici L. Am 8. Mai dieses Jahres erhielt ich von Herrn Wirthschaftsinspeetor Häusler in Polwitz bei Ohlau eine Anzahl lebender Stücke des O. Ligustici L. mit folgender Zuschrift: „Die beifolgenden Käfer treten an einer Brücke, welche eine Chaussee überdeckt, an dem Grabenrande zu Tage, und zwar in einer förmlichen Heersäule, kommen aber nur aus der Erde. Sobald sie das Freie erreicht haben, vertheilen sie sich nach allen Richtungen, bald auf der Chaussee entlang, bald über die Gräben in’s Getreide. Fallen sie ins Wasser, so schwimmen sie grosse Strecken fort, bis sie an irgend einem Gegenstande das Ufer wieder ersteigen können. Ich lasse die Käfer täglich einige 19* 180 Jahres -Bericht Male mit Besen zusammenkehren und vernichte sie durch Feuer. Das Tödten gelingt aber nur dann, wenn das Feuer fortwährend unterhalten wird, und die Käfer, welche entrinnen, immer wieder hinein gethan werden. — Seit drei Tagen kommen die Käfer immer auf einer Stelle während des Sonnenscheins zu Tage, ohne dass es mir bis jetzt gelungen ist, den Sammelplatz der Brutsielle aufzufinden, trotzdem ich den Rasen von dort entfernt habe. Bei dem Abgraben findet man nur einzelne Exemplare auf. Ich halte den Käfer für einen Pflanzenfresser und fürchte, dass derselbe arge Verwüstungen anrichten wird; denn trotz der grössten Sorgfalt in der Vertilgung gelingt es täglich doch Millionen, sich durch- zuschleichen. Bei. genauer Beobachtung findet man dieselben schon heute über 1000 Schritte weit verbreitet.‘ | Darauf antwortete ich unter dem 9. Mai Folgendes: Das in Rede stehende Thier ist ein Rüsselkäfer, heisst Otiorhynchus Ligustiei L., und ist ein im Frühlinge in der Ebene und im Vorgebirge an Wegen, Graben- rändern, Hecken ete. in jedem Jahre häufig vorkommendes Inseet, das bisher, so viel bekannt, noch nie für die Landwirthschaft schädlich, und auch wohl noch nie in soleher Menge, wie in vorliegendem Falle, auf- getreten ist. Die Larve lebt von Pflanzentheilen, namentlich an Wurzeln, soll aber auch in Doldenpflanzen und in Rosenstöcken vorkommen. Dass die Larven bei so starker Vermehrung des Käfers, wie in vorliegendem Falle, den Wurzeln verschiedener angebauter Pflanzen schädlich werden könnten „ wäre wohl möglich, und darum ist das Vernichten der Käfer gerechtfertigt; eine ernstliche Besorgniss dürfte indess doch wohl nicht zu hegen sein. — Alles was über die Fortbewegung etc. des Thieres erzählt ist, enthält nichts Neues oder Eigenthümliches; die weniger lang- samen Käfer-Species würden dies alles noch in viel auffallenderem Masse thun. Dass die Thiere aus der Erde hervorkommen, hat seinen Grund darin, dass die Verwandlung derselben in der Erde vor sich geht, ihre ganze Lebensweise sie an- die Oberfläche derselben bindet und .sie an dieser ihre Aufenthaltsorte und Verstecke haben; dass aber so viele an einem kleinen Fleck zu Tage treten, kommt vielleicht daher, dass die Käfer an der erwähnten Brücke hinter Bohlen, Steinen ete. eine Höhlung gefunden haben, in die sie sich vorigen Herbst behufs der Ueberwinterung zurückziehen konnten und von der aus sie sich, wenn die Wärme sie wieder belebt, wiederum über die Umgegend zerstreuen. — Sollten im Laufe des Sommers in der Umgegend der in Rede stehenden Brücke Pflanzen (vielleicht auch Gras) in auffallendem Masse absterben, so würde man an den Wurzeln derselben die fusslose, weisse Larve des Käfers vorfinden können. Die Uebersendung einer grösseren Anzahl derselben in einem Gefässe mit feuchter Erde würde mir sehr erwünscht sein, ebenso eine Mittheilung darüber, ob das Thier im nächsten Frühlinge wieder in Menge aufgetreten ist. - ee en, A der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 181 7. Beitrag zur Naturgeschichte der Blattwespe Emphytus amaurus Kl. (9 Von Herrn Lithographen Otto Baensch erhielt ich im März d. J. 5 (bei dem Suchen nach Raupen unter Erlenblättern von ihm aufgefundene) kreisrunde, etwa 8 mm im Durchmesser haltende, aus der oberen und untern Epidermis eines Blattes bestehende Gehäuse, welche an ihrer Peripherie fest und dicht zusammengeleimt waren, und eine grünliche, etwas flach gedrückte, mit starken Fusswülsten versehene Larve ent- hielten. Diese Larve hatte ich früher schon öfter in den Blättern der Erlen minirend angetroffen, und in der Hoffnung, dass sie eine Käferlarve sei, zu Hause zur Verwandlung zu bringen mich bestrebt. Es war mir dies jedoch nie gelungen; die Larve verliess ihre Mine in den Blättern kurze Zeit darauf, nachdem sie vom Stengel getrennt worden waren. Die oben. erwähnten Gehäuse, welche ich im meiner Wohnstube in einer Schachtel aufbewahrt und von Zeit zu Zeit angefeuchtet hatte, lieferten diesmal im August und September, mit Ausnahme zweier (in dem einen war die Larve gestorben, aus dem andern kroch ein Ichneumon hervor), den Inwohner. Es sind zwei (1), Lin. lange) Weibchen eines Emphytus. Derselbe ist in Grösse und Färbung des Leibes dem E. amaurus Kl. (die Blattwespen No. 186) sehr ähnlieh, und unterscheidet sich nach Klug’s Beschreibung von demselben nur dadurch, dass die Hüftglieder nicht schwarz, sondern fast weisslich, die Schenkel an der Wurzel nicht schwarz, sondern ganz gelb, und nur die Hinterschienen an der Spitze, wie die sanzen Hintertarsen bräunlich sind. Bei dem einen Stücke ist das Anal- und letzte Abdominal- Segment schwarz und von da erstreckt sich die schwarze Farbe (allmälig an Breite abnehmend) noch über 2 Segmente nach vorn, wo sie erlischt; bei dem andern Exemplare sind nur die beiden Segmente am Ende des Hinterleibes braun, die vorhergehenden ganz gelbroth. Ob das vorliegende Thier eine neue Species ist, wage ich nicht zu entscheiden; das Vorkommen des E. amaurus auf Elsen (Erlen) würde eher dafür sprechen, dass es eine Var. von diesem sei. Nach Hartig (die Familie der Blattwespen) ist von der Untergattung Phyliotooma, zu welcher das in Rede stehende 'Thier gehört, noch nichts über die Lebensart der Larven bekannt. Die Larve des E. amaurus minirt nach dem Obengesagten in den Blättern der Alnus glutinosa, spinnt oder klebt, wenn sie erwachsen ist, die Ober- und Unterhaut ihrer Mine (indem sie sich darin um ihren Mittelpunkt dreht) zusammen, so dass ein 8—9 mm im Durchmesser haltendes kreisrundes Gehäuse entsteht, das sich allmälig von dem zur Erde gefallenen Blatte ablöst. In demselben überwintert die Larve und verpuppt sich erst im nächsten Jahre. Herr Dr. Wocke, welcher die Larven in ihren Minen früher auch schon oft beobachtet hat, fand am 21. October d. J. nahe bei Breslau eine grosse Anzahl solche Minen enthaltender Erlen-Blätter, und hatte die Gewogenheit, mir dieselben mitzutheilen. Die Blätter waren noch 182 Jahres-Bericht der schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. \ ” grün und noch nicht abgefallen, aber die Larve hatte in ihrer Mine bereits das kreisrunde Gehäuse durch Zusammenfügen der obern und untern Epidermis verfertigt, um darin zu überwintern. 8. Mittheilung über die Gallwespe Biorhiza (Apophylius Hartig) aptera F. Diese den Entomologen selten zu Gesicht kommende Gallwespe erzog ich zuerst im December 1873 aus Gallen, welche bei Breslau unter der Erde an dünnen Wurzeln der Quercus pedunculata gefunden worden waren. Im October d. J. hatte Herr Raths-Geonieter Hoffmann ebenfalls solche Gallen aufgefunden und mir freundlichst überlassen. An einer noch nicht 1 mm dieken Wurzel befanden sich ringsum an einander gedrängt etwa 12 an der Basis einander pressende, nur an der freien Seite gerundete Gallen von der Grösse einer Haselnuss, einige auch bedeutend kleiner, namentlich wenn dieselben getrocknet sind. Sie haben eine rauhe, im getrockneten Zustande grubige Oberfläche und enthalten in ihrem Innern nach ihrer Grösse 2—7 Kammern, welche inwendig geglättet sind und deren jede nur ein Thier beherbig. Das vollkommene Thier war darin schon Anfang October enthalten, und muss also als solches überwintern Gallen wie 8 vollkommen entwickelte Insekten (lauter 9) legte derselbe zur Ansicht vor. IV, Bericht über die Thätigkeit der medicinischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1875, abgestattet von Professor Dr. Freund und Professor Dr. Gscheidlen, zeitisen Secretairen der Section. In der Sitzung am 8. Januar sprach Herr Prof. Dr. Hasse über die Lage der Eingeweide im Eingange des weiblichen Beckens. Die zur Untersuchung verwandte, normale Leiche wurde aufrecht gestellt und halbirt. Das peritoneum wurde sorgfältig fixirt und die Ein- geweide wurden successive bis in die Höhe des Beckeneinganges abge- tragen. Auf diese Weise wurde jede Dislocation vermieden. Die Zeich- nüng wurde auf das Sorgfältigste von Herrn stud. Strasser während der Präparation entworfen und durch Untersuchung an andern Leichen con- trolirt. Der Douglas’sche Raum enthielt Darmschlingen. Derselbe erstreckt sich schräg von oben links nach unten rechts. Der linke ureter lag an der Hinterwand des lg. uteri latum der Mittellinie näher, als der rechte. Das ovarium lag mit seinem medialen Rande dem Seitenrande des fundus uteri hinten an. Der laterale Abschnitt der tuba ist gewöhnlich über den vorderen Theil der oberen Fläche des Eierstocks so hinweggekrümmt, dass die Ovarialtasche von dem infundibulum derselben überdacht wird. Das ostium abdominale tubae ist unter diesen Umständen dem uterinum bis auf 2,5 cm genähert und die fimbria ovarica ist über den Eierstock nach innen geschlagen. Das ligamentum ovarüi ist dabei stets erschlafft und nach hinten mit seinem Bauchfellüberzug gefaltet. Das ligamentum infundibulo pelwicum ist gespannt und bildet mit seinem lateralen Ende den Drehpunkt bei der Dislocation der Ovarien gegen die seitliehe Beckenwand. 184 Jahres N ericht Prof. Dr. Freund sprach üder die Architektur und die Structur des Beckenzellengewebes. Dasselbe wurde als Gauzes auf Grund anatomischer Untersuchungen in schematischen Zeichnungen construirt, hierauf durch Präparate analytisch erläutert. Diese Präparate sind flache Schnitte, welche aus normalen, leicht erhärteten Beckenorganen in sagittaler (medial und lateral), hori- zontaler und frontaler Richtung genommen und nach naturgetreuer Zeich- nungsabnahme der topographischen Verhältnisse auf fixirte Drahtgewebe aufgenäht sind. Zwölf solcher Schnitte decken die normalen Verhältnisse der zu studirenden Gegenden zur Genüge auf; zum Vergleich wurden sechs in gleicher Weise angefertigte Präparate von verschiedenen Formen von parametritischer Infiltration vorgelegt. Somit stellen die Präparate ein brauchbares anatomisches Lehrmaterial zur Gynäkologie dar. In der Sitzung am 29. Januar sprach Herr Dr. Wernicke über Heerderkrankung der inneren Kapsel. Hierauf klinische Demonstrationen von Herrn Medicinalrath Professor Dr. Fischer : über Osteo-Sarcom des Stirnbeines. Dann sprach Herr Dr. Schnabel über einen seltenen Fall von Darmverschlingung. Hieronymus Rademacher, Freistellenbesitzer, 49 Jahr alt, wurde am 24. December 1874 in das Hospital aufgenommen. R., angeblich bis vor 2 Tagen völlig gesund, will er seitdem, ohne dass ihm ein Grund dafür bekannt wäre, an sehr heftigen Schmerzen im Unterleibe, an hartnäckiger Stuhlverstopfung und beständiger Uebelkeit leiden. Der Kranke, ein grosser, gut genährter Mann liegt in Rückenlage ruhig im Bett. Das Gesicht nicht verfallen, doch gelblich gefärbt, der Gesichtsausdruck ängstlich. Reporium frei, Zunge leicht graubelegt, Tem- peratur der Haut überall normal; Puls voll und kräftig, ca. 70 in der Minute. Das Abdomen wenig aufgetrieben, die Bauchdecken dagegen hoch und prall gespannt, sehr empfindlich; in der Gegend des Nabels und in der reg. hypogastr. mehrfache Darmschlingen durch die Bauchdecken abeontourirt; beide Bruchpforten frei. Stuhl fehlt seit 2 Tagen. Urin- ausscheidung spärlich, Urin sonst normal. Ständiger Brechreiz, doch kein Erbrechen, wohl aber häufiges Aufstossen. Bei diesem relativ noch leidlich günstigen Stande der Sache wurde die bestehende Obstipation durch grosse Wasser-Klysmata und intern gereichte Abführmittel, verbunden mit örtlicher Anwendung der Kälte und Eispillen zu heben gesucht. Des folgenden Tages hatte sich der Kranke, von “2 TB der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 155 brennendem Durst geplagt, nicht abhalten lassen, reichlich Wasser zu trinken und dies massenhaft wieder erbrochen; die Klysmata waren wirkungslos abgegangen, die Abführmittel ausgebrochen worden, dabei war das Abdomen noch mehr aufgetrieben, enorm empfindlich und prall; der Puls weich, leicht comprimirbar und klein, das Gesicht fahl geworden, mit ängstlichem Ausdruck, die Haut kühl, mit klebrigem Schweiss bedeckt. — Der Kranke warf sich ruhelos im Bette umher, kurz es war zweifellos, dass der Intestinaltractus auf andere Weise als durch eine blosse An- häufung von Faecalmassen verlegt sein müsse. Auf subeutane Anwendung von Morphium, Kälte innerlich und äusser- lich, neue Klysmata und ausschliessliche Darreichung von Eismilch besserte sich der Zustand gegen Abend so weit, dass der Kranke kurze Zeit und unterbrochen geschlafen hatte; örtlich alles beim Alten. Das zuletzt ein- geleitete Verfahren wurde fortgesetzt, neue Morphium -Injeetionen vorge- nommen. In der völlig ruhelosen Nacht hatte sich der Durst in der alten, quälenden Weise wieder eingestellt; Patient hatte Wasser getrunken, wo er es nur erreichen konnte und bei fortdauernder Uebelkeit unendlich oft gebrochen. Arm Morgen war er moribund, kalt, pulslos, mit völlig bypokratischem Gesicht, doch besinnlich, und sich in höchster Angst im Bett herumschnellend, dabei ständiges Würgen und Erbrechen von hellem wässrigem Schleim. Es ist hier nachzutragen, dass das Erbrechen Tags vorher untersucht worden war; dasselbe war stark gallig gefärbt, doch ohne fäculanten Geruch. Den 27. December Mittags 2 Uhr starb der Kranke. Die am folgen- den Tage vorgenommene Section ergab folgendes: Mässig gut genährte Leiche, Abdomen stark vorgetrieben. Bei Eröff- nung der Bauchhöhle zeigt sich der parietale Theil des Peritonaeums völlig frei, keine freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Die Serosa der Därme leicht schiefergrau verfärbt, diese selbst durch sehr dünne und lockere Adherirungen unter einander verlöthet. Das Stück des Diekdarıns, vor der Mitte des colon transversum an, die flexura coli sin. umfassend, sehr be- deutend von Gasen ausgedehnt. Beim Zurückschlagen desselben zeigt sich eine senkrecht gestellte, stark ausgedehnte und pralle Dünndarmschlinge, welche von einer anderen fest umschnürt wird. Diese abschnürende Partie zusammengezogen, so dass sie die umfasste Schlinge in eine Schnur umwand; es war demnach ein vollkommener Knoten gebildel. Beim Versuche, diese Verschlingung zu lösen, trennt sich die Verklebung beider Schlingen unter einander leicht, die abgeschnürte Darmpartie folgt leicht dem Zuge mit den Fingern und trat unterhalb der abschnürenden hervor. Hierbei zeigte sich nun ein senkrechter, ea. 1—1'/,‘‘ Riss im Mesenterium, durch welchen jene Dünndarmschlinge sich hindurch geschoben hatte, so dass also der vordere Theil der Abschnürung von jenem eng contrahirenden Darmstück, der‘ hintere von dem, jenem zugehörigen Mesenterialstück ge- 186 Jahres‘ Bericht bildet wurde, Die Verschlingung liess sich, wie erwähnt, leicht lösen, doch blieb auch nachher das Darmstück, welches die Abschnürung besorgt hatte, auf die Stärke eines kleinen Fingers contrahirt, während das Ab- geschnittene eine deutliche Strangulationsmarke trug. Dieser seltene Befund wird noch interessanter durch die später, nach Rücksprache mit den Angehörigen, wahrscheinlich festgestellte Art seiner Entstehung. - Vor zwei Jahren war der Verstorbene, während er mit Dachdecken heschäftigt war, heruntergestürzt, und halte im Fallen einen über ihm befindlichen Balken erfasst und sich daran festgehalten, dabei hatte er heftigen Schmerz im Leibe empfunden „als ob etwas risse‘“‘; von jener Zeit her trat Unordnung in der Stuhlentleerung, öftere Koliken, Stuhlver- stopfung ein, die zwar auf leichte Abführmittel sich lösten, aber oft wiederkehrten. Durch diese Angaben nun wird im hohem Grade wahr- scheinlich, dass damals bereits ein Auseinanderweichen der Mesenterial- blätter stattfand, welches durch eine neue Schädlichkeit der letzten Zeit in einen completten Riss verwandelt wurde, durch den alsdann jene Dünndarmschlinge hindurch getreten ist. In der Sitzung vom 12. März sprach Herr Privatdocent Dr. Som- merbrodt zunächst über zwei seltene Deglutitionshindernisse, die er beobachtet. In dem einen Falle handelte es sich bei einem 68jährigen Mann um einen den Oesophagus- und Larynx-Eingang verengenden iumor auf der hinteren Schlundwand, der sich als eine Lordosis der Halswirbelsäule er- kennen liess. Notizen über ein derartiges Vorkommniss konnte der Vor- tragende nur bei einem englischen Autor (W. Adams) auffinden. — Bei dem zweiten Fall zeigte ein 2ljähriges Mädchen seit 7 Wochen hoch- gradige Schlingbeschwerden bis zur fast vollständigen Unmöglichkeit Nahrung aufzunehmen. Es liess sich hier eine Pharyngitis granulosa als Ursache dafür erkennen, insofern durch diese mittelst Reflexreiz spastische Strietur des unteren Pharynz zu Stande kam. Die Beseitigung der Schling- beschwerden gelang binnen wenigen Tagen durch locale Behandlung der Pharyngitis gramulosa. Auch hierfür fand der Vortragende analoge Fälle nur in der engl. Literatur (Green). Hieran knüpft er eine längere Be- sprechung der Symptome bei Pharyngitis granulosa, die auf Reflexreiz beruhen und durch die nervi glossophar. und vagi vermittelt werden. Experimente von Koths bewiesen, dass bei Reizung des Pharyns auf beiden Nervenbahnen Reflexe auszulösen sind und zwar in der Form von Contraetionen der Schlundmuskeln und Husten. Diesen Experimenten entsprechen die klinischen Erfahrungen des Vortragenden, die sich auf 168 Fälle von Pharyngitis granulosa stützen, die in den Jahren 1873 und der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 157 1874 von ihm beobachtet wurden. Besonders betonte der Vortragende die sehr häufig vorhandene Abhängigkeit des Hustens von der Anwesenheit einer Pharyngitis granulosa, ein Umstand, der nicht genügend gewürdigt zu erheblichen diagnostischen und prognostischen Irrthümern führen könne. — In Betreff der Behandlung der Pharyngitis granulosa unterzog er die benutzten Methoden einer kritischen Besprechung und entschied sich selbst unbedingt für die von Mandl (Paris) empfohlene, die in örtlicher Appli- cation von Jod und Acid. phenicum in Glycerin gelöst besteht. Der Vor- trag erscheint demnächst in der Berliner klinischen Wochenschrift. In der Sitzung am 19. März theilte Herr Prof. Dr. Heidenhain seine Beobachtungen über die Bauchspeicheldrüse mit. Der Zweck seiner Untersuchungen ging darauf hinaus, festzustellen, ob der Pancreas in ähnlicher Weise wie die Magendrüsen und Speichel- drüsen bei seiner Thätigkeit nachweisbare Veränderungen seiner histo- logischen Structur erfahre. Um eine energische Secretion der Bauchspeicheldrüse einleiten zu können, suchte der Vortragende die secretorischen Nerven der Drüse zu ermitteln. Es stellte sich zwar heraus, 1) dass Reizung des verlängerten Markes Secretion der ruhenden Drüse hervorruft oder schon bestehende Absonderung beschleunigt, 2) dass das unter dem Einfluss der Reizung des verlängerten Markes producirte Secret in der Regel an festen Bestand- theilen reicher ist, als das von der Drüse spontan gelieferte, — allein diesen Versuchen konnte nicht der nöthige Grad von Sicherheit ertheilt werden, um sie für eine systematische Verfolgung der oben gestellten Frage zu verwerthen. Deshalb wandte der Vortragende sich zu methodischen Fütterungs- versuchen. Sie ergaben bestimmte Veränderungen der secernirenden Drüsenzellen, während des Ablaufes einer Verdauungsperiode, welche aus- führlich beschrieben und an Präparaten erläutert wurden, aber einer kurzen Darstellung in dem vorliegenden Referate nicht fähig sind. Um die physiologische Bedeutung dieser morphologischen Umge- staltungen zu ermitteln, wurden Beobachtungsreihen über die Bildung des Albuminatfermentes in der Drüse während des Ablaufes einer Verdauungs- periode angestellt, nachdem verher die Bedingungen der Lösung des Faserstoffes durch das Ferment genauer festgestellt worden waren. Eine Lösung des Albuminatfermentes in Wasser oder in Salzlösungen wirkt auf Faserstoff um so energischer, je höher — bis zu einer gewissen Grenze — der Gehalt an Ferment oder an Salz (Kochsalz, kohlensaures Natron). Schon der Zusatz von 0,1 % Salz beschleunigt die Lösung des Fibrins erheblich. Doch giebt es für jeden Fermentgehalt einen maximalen Salzgehalt und für jede Salzeoncentration einen maximalen Fermentgehalt, 188 Jahres Bericht über welchen hinaus bei weiterem Zusatz von Salz resp. Ferment die Lösungsgeschwindigkeit des Fibrins nicht mehr steigt. Bei einem mittleren Fermentgehalte wird bei einer Soda-Concentration von 1—1,2 % das Maximum der Lösungsgeschwindigkeit erreicht. Bei sehr hohem Gehalt an kohlensaurem Natron nimmt die Lösungs- geschwindigkeit wieder ab. Für die Fermentbildung in der Drüse stellen sich nun folgende 'That- sachen heraus: 1. die lebende Drüse enthält in ihren secretorischen Zellen kein fertiges Ferment, sondern nur einen Körper, aus welchem sich unter gewissen Bedingungen Ferment bildet (Zymogen, von Zvun Hefe). 2. das Zymogen ist unverändert löslich in eoncentrirtem Glycerin. Aus demselben bildet sich Ferment: a) bei längerem Liegen der Drüse nach dem Tode, C b) bei Einwirkung von Säure (einprocentige Essigsäure) auf die Drüsensubstanz, ce) bei Digestion der Drüsensubstanz mit Wasser in der Wärme. Das Ferment, welches frühere Autoren (Corvirsat, Kühne) durch diese Digestion aus der Drüse erhielten, war in derselben nicht präformirt, sondern bildete sich erst während der Digestion. Dagegen wird die Abspaltung von Ferment aus Zymogen verhindert, a) durch eoncentrirtes Glycerin, b) durch Alkohol, e) durch 1,2—1,5 % Lösung von kohlensaurem Natron (durch die letztere mindestens in hohem Masse erschwert), Der Gehalt der Drüse an Zymogen wechselt mit dem Zustande der Verdauung. Er sinkt in der ersten Stunden nach der Nahrungsaufnahme, etwa bis zur 6.—8., steigt in den spätern Stunden wieder an und erreicht um die 20.—24. Stunde nach der Nahrungsaufnahme sein Maximum. Die bisherige Lehre, wonach um die 6.—7. Stunde der Verdauung die „La- dung“ der Drüse mit Ferment ihren höchsten Grad erreichen solle, ist unhaltbar. Mit diesen Veränderungen des Zymogen-Gehaltes gehen die beobachteten Veränderungen der Drüsenzellen in solchem Grade parallel, dass das mikroskopische Bild der Drüse einen sichern Anhaltspunkt zur Schätzung des Zymogengehaltes gewährt. Das normale pancreatische Secret ist sehr reich an freiem Ferment. Dasselbe muss, da es sich in der lebenden Drüse nicht vorfindet, erst im Momente der Secretion gebildet und sofort mit dem Secrete aus dem Organe herausgeschafft werden. Die Abwesenheit einer bestimmten Sub- stanz in einem Organe widerlegt demnach nicht die Bildung derselben an dem betreffenden Orte (Zuckerbildung in der Leber). Der Vortragende bespricht sodann noch den Ablauf der Ferment- bildung bei Digestion der Drüse mit Wasser und die Aenderungen, welche das Secret bei länger bestehenden Fisteln erleidet. Das an fesien Bestand- - der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 189 theilen stark verarmte, an kohlensaurem Natron überreiche Secret per- manenter Fisteln ist das Product einer Drüse, deren Zellen, wie ansführ- licher gezeigt wird, ein abnormes Verhalten ihrer Structur zeigen. Hierauf sprach Herr Medieinalrath Prof. Dr. Spiegelberg über eine bislang nicht beschriebene Affection, die Fissur des weiblichen Blasenhalses, die in ihren Erscheinungen und in Betreff der Behandlung ihre Analogie in der Analfissur findet. Es schlossen sich daran Bemerkungen über die rapide Dilatation der Urethra. In der Sitzung am 2. April sprach Herr Privat-Docent Dr. Weigert über pockenähnliche Gebilde parenchymatöser Organe. Hierauf theilte der Secretair Prof. Dr. Freund die diagnostische Bedeutung der Gestaltsveränderungen der Harnblase bei Tumoren und Lageveränderungen der Genitalien mit. In der Sitzung am 23. April referirt Herr Dr. Litten über einige Fälle, welche er in letzter Zeit secirt hat. 1) Eine 42jährige Frau litt an heftigen Metrorrhagien, welche theils zur Zeit der Menses, theils ausserhalb derselben auftraten. Bei ihrer Aufnahme im Hospital wurde ein grosser, von der vordern Wand des cervis uteri ausgehender Tumor constatirt, welcher in die Vagina hinein- ragte. Sehr bald traten Fieberbewegungen ein, die Anämie und Herz- schwäche nahmen zu, und es erfolgte der Tod unter den Erscheinungen hochgradigen Marasmus. Die Section ergab folgendes: Sehr starke Anämie der Hautdecken und sämmtlicher innerer Organe. Aseites der untern Extremitäten mit Thrombose der Beckenvenen und der ven. fem. Anämie und Oedem der Lungen. Totale hochgradige Verfettung des Herzens bei normalen Klappen und Kranzarterien. Gastrectasie. Doppelseitige Hydrone- phrose. Intramurales Myo-Fibrom des uterus, ausgehend von der vordern Cervicalwand. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die normale Querzeiehnung des Herzmuskels vollständig untergegangen war; an Stelle derselben waren kleine Fetttröpfehen getreten. Ferner ergab dieselbe starke Verfettung der Rindenepithelien der Nieren und der Leberzellen. — Es handelte sich demnach um die anämische Form des Fett- herzens (Ponfick). Die Entstehung desselben musste zurückgeführt werden auf die wiederholten, profusen Blutungen, welche in Folge der Neubildung am cervix uteri erfolgt waren und zur hochgradigen Anämie geführt hatten. Es bildet dieser Fall eine prägnante Illustration zu den Versuchen Perl’s, weleher fand, dass wiederholte reiche Blutentziehungen 190 Jahres- Bericht bei Hunden zur Verfettung des Herzmuskels führen. Hämorrhagien, wie sie bei der progressiven pernieiösen Anämie fast constant auftreten, fehlten hier vollständig. 2) Der zweite Fall betraf einen 50jähr. Schäfer, welcher einer Ver- letzung wegen ins Hospital kam. Bei der Untersuchung fanden sich im Unterhautzellgewebe eine Menge von runden und ovalen, leicht verschieb- lichen, elastischen Tumoren vor, welche für Cisticercen gehalten wurden. Patient, darüber befragt, gab an, dass er dieselben vor 15 Jahren zuerst bemerkt hätte. Damals hätte er einige Tage rheumatoide Schmerzen ge- habt. Seitdem wären sie unverändert geblieben und hätten ihn nicht weiter belästigt. — Die Verletzung war tödtlich; bei der Obduction fan- den sich Cysticercen in einer Zahl, wie sie bis jetzt kaum beobachtet sind. Dieselben hatten ihren Sitz im Unterhautzellgewebe und intermus- kulären Bindegewebe fast sämmtlicher Muskeln des Körpers. Hier hatten sie stets eine ovale Form u. z. lag die Längsaxe des Ovals in der Rich- tung der Muskelbündel. Ferner sassen sie zahlreich an den Faseien und den serösen Häuten (peritonaeum, pleura, albuginea teslis, mesenterium), ferner im pancreas, im Kopf des Nebenhodens, in Lungen und Herz. Im letztern sass eine Finne im rechten Vorhof, unmittelbar oberhalb der valv. tricusp., und eine andere auf der Aussenfläche desselben Vorhofs. In den Lungen, wo sie besonders multipel vorkamen, sassen sie theils mitten im Parenchym, theils hingen sie vermittels kleiner Stiele an der Pleura fest. In Augen, Knochen und Rückenmark konnten keine auf- gefunden werden. Dagegen war das gesammte Gehirn der Träger einer enormen Anzahl dieser Blasenwürmer. Hier sassen sie theils in den Meningen, theils in den Gyris, wo sie tiefe Impressionen hervorgerufen, oder sich so in die Substanz eingegraben hatten, dass sie inmitten der Gyri festsassen. Die grossen Hirnganglien (ihal. opt. nuecl. caud. Linsen- kern) waren vollständig durchsetzt von ihnen; in den Ventriceln lagen sie frei. Ferner durchsetzten sie das Kleinhirn, begleiteten die art.:joss. Stlvii nach der Sylvischen Grube und umgaben an der Basis die austre- tenden Nervenstämme, die sie z. Th. wie die tract. olfactorü vollständig einscheideten. Auch an den Stellen der motorischen Centra Hitzig’s, so- wie in sämmtlichen Gyris des Stirnhirns sassen sie in grosser Menge. Die Cysticercen waren nirgends verkalkt, auch zeigten sich in ihrer Um- gebung nirgends Reizerscheinungen. — Dieser Fall ist bemerkenswerth durch das Fehlen jedes Symptoms von Seiten des Centralnervensystems, trotz der grossen Menge der Finnen und ihres Sitzes an Orten, wo schon kleine Aceidentia grosse Funetionsstörungen hervorzurufen pflegen. Die Intelligenz des Kranken war bis zu seinem Tode durchaus ungestört gewesen. 3) Der dritte Fall betrifft einen 42jähr. Hürdlerknecht, welcher seit Neujahr 1873 an unregelmässigen, nach 4, 5 und 6tägigen Intermissionen der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 191 wiederkehrenden Fieberanfällen litt. Während der Apyrexien war ein leidliches Wohlbefinden vorhanden. Zeitweise blieb das Fieber längere Zeit verschwunden, bis es im Sommer 1874 mit verstärkter Heftigkeit wiederkehrte, und dies Mal von intensiven Schmerzen im rechten Hüft- gelenk begleitet war. Einer angeblichen Coxitis wegen kam er ins Ho- spital, wo ein hohes, intermittirendes, in unregelmässigen Intervallen wieder- kehrendes Fieber und ein grosser, harter, schmerzloser Milztumor con- statirt wurde. Eine Hüftgelenksaffection wurde ausgeschlossen. Nach grossen Chinindosen blieben die Fieberparoxysmen anfangs fort, um später immer häufiger zu werden. Allmälig ging das Fieber in eine continua remittens mit sehr hohen Abendtemperaturen über. Auftreten von herpes fac. et nas. Urin normal. Im Februar 1875 begann eine schmerz- kafte Affeetion des rechten Arms, besonders im Ellenbogengelenk, und erneute Schmerzen im Hüftgelenk traten ein. Der rechte Vorderarm schwoll an, röthete sich, ohne Fluctuation darzubieten. Patient klagte über Kurzathmigkeit, Stechen und Husten, ohne dass die physikalische Untersuchung Anhaltspunkte dafür ergeben hätte. Bald darauf zeigte sich noch ein leicht papulöses, central gelb gefärbtes und mit hämorrh. Hof umgebenes Exanthem auf dem rechten Arm; es traten Delirien auf, und Mitte des Monats erlag der Patient seinen mehr als 2jähr. Leiden. — Die Section ergab ausser den Veränderungen, wie sie bei sämmtlichen Infeetionskrankheiten vorkommen (trüber Schwellung der parenchym. Organe, Milztumor, Hämorrhagien) noch folgende, diesem Fall eigenthüm- liehe: Cireumseripte derbe, von hämorrh. Höfen umgebene Knoten von röthlich-grauer bis gelblich-weisser Farbe, welche in der Haut und Mus- kulatur des rechten Arms, in beiden Lungen und der Milz ihren Sitz hatten. Dieselben waren meist derb und dicht, z. Th. im Stadium der Erweichung. Mikroskopisch bestanden sie aus einer kleinzelligen Wucherung und vielen freien Kernen. Innerhalb der Lungen sassen sie in den Alveolen der Art, dass überall die normale Lungenstructur deut- lich erhalten war. Es handelte sich demnach um einen Fall von ehro- nisehem Rotz mit Rotzknoten und rotziger Lobulärpneumonie, dessen Beginn bis zum Anfang des Jahres 1873 zurückdatirt werden muss. Be- sonderes Interesse verdienen die heftigen, eine Coxitis vortäuschenden Schmerzen im Hüftgelenk, wofür die Section kein anatomisches Substrat ergab. Hierauf theilte Herr Apotheker Julius Müller zunächst die Re- sultate der in Gemeinschaft mit Professor Ebstein angestellten Unter- suchungen über das Leberfement mit. Dieselben sind kurz folgende: 193 Jahres - Bericht 1) Die Umsetzung des Leberglyeogens wird durch die Carbolsäure nur in sehr starken Concentrationen, etwa von 1 : 10, wobei zugleich die Albuminate gefüllt werden, sistirt. 2) Salze wie schwefelsaures Natron, Chlornatrium hindern die Um- setzung des Glycogens ebenfalls nicht. 3) Alkalien verlangsamen die Umsetzung des Leberglycogens. 4) Pflanzen- und Mineral-Säuren in geeigneten Verdünnungen hemmen resp. heben die Umsetzung des Leberglyeogens ganz auf. Man kann in schwach carbolisirten Flüssigkeiten das Leberglyeogen Monate lang con- serviren (die Carbolsäure hindert die sonst so schnell eintretende Fäul- niss); werden die Flüssigkeiten alkalisch gemacht, so erfolgt nachher die Umsetzung des Glycogens, wofern nicht durch zu lange Einwirkung schwächerer oder durch kürzere Einwirkung concentrirterer Säuren das Leberferment dauernd unwirksam gemacht ist. 5) Diese Beobachtungen wurden sowohl mit frischer Leber, als auch mit künstlich dargestelltem Leberferment und Glycogen gemacht und übereinstimmend gefunden. 6) Ueber die mit dem Effeet anderer Säuren übereinstimmend hem- mende Einwirkung der Kohlensäure auf das Leberferment liegen wohl einige positive Resultate vor, indessen bedarf die Sache, da auch negative Resultate beobachtet wurden, weiterer Untersuchung. Ausführlichere Mittheilungen über diese kurz angegebenen Unter- suchungen werden demnächst in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft in Berlin veröffentlicht werden. — Ferner berichtete der Vortragende weitere Erfahrungen über die Behandlung des Diabetes mellitus mit Carbolsäure, wie sie vom Professor Ebstein und ihm selbst vorgeschlagen wurde. Auch diese neuen Beobachtungen ergaben nicht nur die Richtigkeit des aufgestellten Satzes, dass in einzelnen Fällen von Diabetes mellitus die Carbolsäure den Zuckergehalt des Harns und auch die übrigen diabetischen Symptome vorübergehend zum Verschwinden bringt, sondern berichtigten auch die aus den seitherigen Beobachtungen abgeleiteten allgemeinen Sätze dahin, dass auch in einzelnen Fällen, wo Carlsbader Wasser, im Hause getrunken, nicht wirkte, die Carbolsäure sich als wirksam erwies (Beobachtung von Herrn Sanitäts-Rath Mankiewitz in Berlin), und dass auch bisweilen bei schlecht genährten Individuen die Carbolsäure alle diabetischen Symptome schnell zum Verschwinden bringt (Beobachtung aus Professor Leber’s Augenklinik in Göttingen). Im Allgemeinen zeigten sich diejenigen Fälle von Diabetes mellitus der Be- handlung mit Carbolsäure zugänglich, wo sich Ausscheidungen von Harn- säure im Harn finden. Ausführlichere Mittheilung der Beobachtungen wird später erfolgen; dieselben sind in freundlichster Weise durch Mitthei- lungen positiver (Herr Geheimrath Dr. Grätzer und Dr. Litten) und ne- EIER der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 193 sativer Resultate, sowie durch Zuweisung von Beobachlungsmaterial ge- fördert worden. Hoffentlich werden unsere Bestrebungen auch weiterhin wie in früherer Weise Unterstützung finden. In der Sitzung am 4. Juni sprach Herr Conservator Fr. Tiemann über die obligatorische mikroskopische Fleischschau mit Demonstrationen. In den einleitenden Worten hob der Vortragende hervor, dass er den Muth, in einer Versammlung wie diese aufzutreten, aus dem Umstande schöpfe, dass er einer Sache von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl dienen möchte. Er hob hervor, dass in der Fleischschau noch ein wahres Chaos herrsche in Bezug auf Ausführung und Anwendung des Mikro- skopes und verwarf namentlich die Anwendung starker Vergrösserungen auf das entschiedenste. Wie schlecht und wenig sachgemäss die Fleisch- schau gehandhabt würde, sei in dem Rawiezer Fall zu finden. Das Uebersehen von Trichinen sei in diesem Falle gar nichts so Ungeheuer- liches, nur in dem Umstande, dass die Apotheker gewarnt waren, liege etwas Erschwerendes, im Uebrigen spricht der Vortragende seine Ueber- zeugung dahin aus, dass das Nichtauffinden von Trichinen in dem frag- lichen Schinken noch hundert anderen passiren könnte und würde, die ähnlich verführen wie die Rawiczer Apotheker. Durch Präparate von demselben Schincken, welche später unter Mikroskope von verschiedenen Vergrösserungsgraden von 10—50facher Linear, vorgelegt wurden, konnten die Versammelten dieser Ansicht nur beistimmen. Die Fleischschau der freien Concurrenz überlassen, namentlich aber die Zulässigkeit, dass der Gewerbetreibende sich seine Schlachtschweine selbst untersuchen und attestiren dürfe, bezeichnete er als gefährliche Präcedenzfälle. Um mehr Einheit in das ganze Verfahren zu bringen, hat der Vortragende es unteruommen einen Leitfaden für die mikros- kopische Fleischschau zu schreiben, der ehestens im W. G. Korn’schen Verlage erscheinen wird. Die darin niederlegten Ansichten, wie Unter- weisungen und Schlüsse ruhen auf zehnjährigen Versuchen und Unter- suchungen an in künstlicher wie in natürlicher Weise trichinisirten Thieren und den Theorien der hervorragendsten Forscher in diesem Fache. Der Vortragende weist ferner durch Zahlen und Beispiele nach, wie gefährlich und wie wenig garantiebietend eine mikroskopische Fleischschau bei star- ken Vergrösserungen sei, ja selbst eine 20fach lineare aus materiellen Gründen schon zu verwerfen sei. Unter ‚materiellen Gründen“ ver- steht der Vortragende nicht blos das Honorar für den Fleischschauer, sondern auch die Rücksichtnahme auf den Gewerbetreibenden, der in seinem Geschäftsbetriebe nicht gestört werden dürfe, und dies sei aber schon der Fall selbst bei Anwendung dieses Grades von Vergrösserung. 13 194 Jahres - Bericht Das Erlangen einer menschenmöglichen Gewissheit über die Reinheit und Ungefährlichkeit des Schweinefleisches, kann der Vortragende nur im Untersuchen von grossen (uanten Fleisches von ein und demselben Thiere, oder dem Einzelstücke, als Schinken ete. finden, wie seine darüber vor- getragenen Tabellen über untersuchte Thiere ausweisen. Der Vortragende untersucht von jedem Schweine 22, Quadrat-Zoll Fleischfläche = 250 mikroskopischen Präparaten, von einem Schinken wenigstens 14 Quadrat- Zoll = 170 mikroskopischen Präparaten. Der Vortragende führt eine solche Untersuchung bei einer 10fachen Linear-Vergrösserung in längstens 20 Minuten aus, während ein Zeitaufwand von einer Stunde und 15 Mi- nuten erforderlich ist, soll eine garantiebietende Untersuchung dieses Fleischquantums mit einer 20fachen Linear - Vergrösserung ausgeführt werden, und eine solche bei 50fach linear ausgeführt, würde sogar eine achtstündige Arbeit erfordern. Der Vortrageude wies es auf das be- ' stimmteste zurück, bei der Fleischschau an Theorien sich halten zu wollen, wonach in jedem nadelkopfgrossen Fleischstückchen so und so viel Trichinen enthalten sein müssen. Derartige Schlüsse beruhen auf ganz eklatanten Fällen von Triehinose oder auf den fertig vorliegenden so- genannten mikroskopischen Präparaten, die aber fast ausnahmslos von künstlich, eigens für diesen Zweck trichinisirten Thieren entnommen sind. Da findet man freilich bei jedem Vergrösserungsgrade Tricehinen heraus; aber, spricht der Vortragende weiter seine Ueberzeugung aus, dass das Auffinden von Trichinen bei Schweinen, die nicht stärker durchsetzt sind, als dasjenige, dem der Rawiezer Schinken angehört hat, bei 50facher Ver- grösserung durchaus auf reinem Zufall beruhen und bei 20facher Ver- grösserung durchaus fraglich sein würde. Wolle man aber, führt der- selbe weiter aus, das Auffinden von Trichinen dem Zufall überlassen, oder auch nur zweifelhaft lassen, dann solle man die Fleischschau besser ganz fallen lassen, denn dadurch würde das Uebel nur vergrössert, was man zu bekämpfen beabsichtige. Die im Vortrage durch Tabellen und exacte Berechnungen als er- wiesen zu betrachtenden Folgerungen und Schlüsse in Bezug auf Hand- habung und Ausführung der Fleischschau, sollten am Schluss des Vor- trages durch experimentelle Versuche unter dem einfachen Mikroskope bei 10fach Linear- und bei zusammengesetzten Mikroskopen bei 20- bis 50facher Vergrösserung, wie auch durch den Augenschein an frischen Proben von sieben verschiedenen Muskelpartien eines Schweines in der Praxis ihre Bestätigung finden und haben sie in vollem Maasse gefunden; denn als der Vorsitzende, auf Wunsch des Vortragenden die Frage an die zahlreiche Versammlung richtete, ob Jemand Bedenken gegen die Ausführungen und Behauptungen desselben habe, meldete sich Niemand zum Worte, vielmehr entschied man sich für pure Annahme derselben, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 195 was dem Vortragenden auf Wunsch auch von der medieinischen Section schriftlich bezeugt werden soll, um dies dem Leitfaden anzufügen. Den voilen Wortlaut des verlesenen Reglements für die Fleischschau hier wiederzugeben, müssen wir uns des Raumes halber versagen, doch die wesentlichsten Punkte desselben nicht unerwähnt lassen, die wohl diese sind: das „Fleischschau-Amt‘‘ soll auf oder in nächster Nähe des Schlachthofes gelegen sein. Unter einem vereideten Amtsvorsteher sollen unter dessen Verantwortung eine Anzahl Personen die Fleischschau aus- führen. DBezahlt soll werden pro Schwein 121/, Sgr., für Einzelstücke, als Schinken, pro Stück 5 Sgr. Aus dieser Einnahme sollen bestritten werden : 1) Honorar für den Vorsteher und das für die Fleischschauer; 2) Dasselbe für das nothwendige Dienstpersonal; 3) Amtsbedürfnisse, als Schreibmaterialien, Heizung ete.; 4) Einkauf der trichinenhaltigen Stücke nach dem Einkaufspreis; 5) Dürfte selbst eine etwaige Lokalmiethe daraus bestritten werden können. Der Erlös aus der trichinenhaltigen Waare, welche zu technischen Zwecken immerhin Verwendung finden kann, bildet eine Prämie für den, der sie aufgefunden hat. Die Fleischschau soll an einem einfachen Mikroskope bei 10- bis 12- facher Linear-Vergrösserung ausgeführt werden. Von jedem Schweine sollen zwei verschiedene Muskeln untersucht werden und sollen 22/, Quadrat-Zoll Fleischfläche und vom Schinken 14 Quadrat-Zoll Fleisch- fläche mikroskopisch untersucht werden. Ein Instrument, .wie der Vor- tragende es für die Fleischschau eingeführt wissen will, war mit zur Stelle gebracht. Die übrigen Ausführungen, welche dieser so hochwichtigen An- gelegenheit nach allen Seiten Rechnung tragen, wird uns der bald er- scheinende Leitfaden bringen, der neben dem Texte entsprechende Ab- bildungen enthält. Der Vortrag und die Demonstrationen des Herrn Conservator Tie- mann wurden von der Versammlung ohne Widerspruch entgegen- senommen. Die Anwesenden erklärten ausdrücklich ihre Uebereinstim- mung mit den von dem Vortragenden für die obligatorische mikroskopische Fleischschau aufgestellten Grundsätzen. In Vertretung des Herrn Medieinalraths Professor Dr. Fischer de- monstrirte in der Sitzung vom 18. Juni Herr Dr. Kolaczek eine Sternalfissur an einem 3%/,jährigen Knaben. 13* 196 Jahres - Bericht Herr Privatdocent Dr. ©. Berger demonstrirt einen Kranken mit linksseitiger Hemiplegie, der das zuerst von Westphal beschriebene Phänomen der indentischen Mitbewegung an den gelähmten Theilen darbietet, das bekanntlich darin besteht, dass bei willkürlichen Bewegungen an der gesunden Seite dieselben Bewegungen auf der kranken Seite unwillkürlich, und ohne dass sie der Kranke zu unterdrücken vermag, mitgemacht werden, nur mit geringerer motorischer Kraft. Der 28jährige Patient ist in seinem 24. Lebensjahre unter den Erscheinungen eines apoplektischen Insultes erkrankt. Ausser der halbseitigen Lähmung, die an der oberen Extre- mität hochgradiger als an der unteren und mit Beugecontracturen in Hand- und Ellbogengelenk verbunden ist und die sich überdies durch die in einem Grade ausgebildeten Ernährungsstörungen, vorzugsweise an der oberen Extremität, (neben der Atrophie der Muskulatur sehr auf- fallende Verkürzung und Verschmälerung der Knochen) auszeichnet, wie sie sonst bei cerebralen Hemiplegien nicht vorzukommen pflegen, besteht jetzt noch in deutlicher Weise eine Parese des linken Mundfaeialis, mit leichtem Tic convulsif, eine leichte Parese des Hypoglossus und eine Läh- mung des Oculomotorius (Ptosis levis, Paralysis recti sup. et infer.) und des Trochlearis auf derselben (linken) Seite. Die Sensibilität der gelähmten Körperhälfte ist intakt, die Reflex-Erregbarkeit beträchtlich erhöht, die elektromuskuläre Contractilität erhalten, nur der Atrophie entsprechend herabgesetzt. — Die Erscheinung der eigenthümlichen Mitbewegungen zeigt sich am deutlichsten in den Fingern der linken Hand, namentlich an den drei ersten Fingern, nur andeutungsweise im Handgelenke und in höher gelegenen 'Theilen der Extremität; ebenso an der unteren Extre- ınität in deutlicher Weise nur an den Zehen, aber hier bei Weitem schwächer, als an den Fingern. Während bei willkürlichen Bewegungen in dem rechten Schulter-, Ellbogen-, und Handgelenke nur geringe iden- tische Mitbewegungen auf der kranken Seite — leichte Contraction der betreffenden Muskeln, ohne sonderliche Locomotion — auftreten, zeigen sich auch bei diesen aectiven Bewegungen starke Mitbewegungen in den drei ersten Fingern der linken Hand, indem diese gleichzeitig unwillkür- lieh in starke Flexion gerathen, um beim Nachlassen jener wieder ihre Ruhe-Stellung einzunehmen. Doch ist diese Flexion schwächer, als bei willkürlicher Beugung der Finger der gesunden Hand.*) Die Energie. der identischen Mitbewegungen ist proportional der Stärke der willkürlichen Bewegung auf der gesunden Seite, am stärksten bei energischer Faust- bildung der rechten Hand. *) Eine unwillkürliche Flexion der Finger tritt auch bei willkürlichen Be- wegungen in den oberen Gelenken der kranken Seite ein. (Nicht identische Mitbewegungen, wie sie häufig zu beobachten sind.) der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. . 197 Bei willkürlicher Bewegung der linksseitigen Finger ete. erfolgt keine Spur einer identischen Mitbewegung auf der gesunden Seite. Reflexbewegungen der gesunden Theile rufen entsprechende Mit- bewegungen linkerseits hervor. Passive und durch den elektrischen Strom bewirkte Bewegungen haben gleichfalls, namentlich deutlich bei recht energischer und brüsquer Flexion der Finger, eine symmetrische Mit- bewegung zur Folge, nur von weit geringerer Stärke, als die activen Bewegungen. Die Mitbewegung erscheint dann nicht, wie bei den letz- teren, gleichzeitig, sondern um ein Weniges verspätet. — Der Vortra- gende berichtet über die analogen Fälle von Westphal, Onimus und Bernhardt. Westphal hat auf Grund der von ihm beobachteten Fälle, die erwachsene Hemiplegische betrafen, deren Hemiplegie in frühester Kindheit, wahrscheinlich sehr bald nach der Geburt, entstanden war, die eigenthümliche Erscheinung in der Weise gedeutet, dass in diesen Fällen die Läsion wahrscheinlich nicht, wie in der Mehrzahl der bei Erwach- senen entstehenden Hemiplegien, die motorischen Centralganglien betrifft, sondern die Grosshirnhemisphäre und dass nunmehr, da der hemmende Einfluss auf die physiologisch bestehende Tendenz zu symmetrischen Mit- bewegungen, deren Unterdrückung erst allmählich durch Uebung erlernt wird, sich nicht gehörig geltend machen kann, bei willkürlicher Inner- vation von der gesunden Hirnhälfte aus, die Willensimpulse nicht nur nach den contralateralen Extremitäten, sondern auch durch Commissuren- Fasern zu den gesunden Ganglien der kranken Hirnhälfte sich verbreiten und so also identische Bewegungen in den gelähmten Extremitäten ein- treten. — Diese Erklärung ist für den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Hirnstörung, welche die linksseitige Hemiplegie bedingt, bei dem früher völlig gesunden Patienten erst im 24. Lebensjahre entstand. Der Vortragende spricht die Ansicht aus, dass der Entstehungsort der iden- tischen Mitbewegungen vielleicht nicht im kranken Gehirn selbst, sondern im Rückenmarke zu suchen sei. Die erwähnten hochgradigen Er- nährungsstörungen an den gelähmten Extremitäten müssen einen beson- deren anatomischen Grund haben. Viele klinische und anatomische That- sachen legen es nahe, anzunehmen, dass ihnen eine secundäre Rücken- marks-Degeneration zu Grunde liegt, die sich nicht, wie gewöhnlich auf die entgegengesetzte Seitenstrangbahn beschränkt, sondern hier auch die entsprechenden grauen Vorderhörner in ihr Bereich gezogen und so zu einer Erkrankung der multipolaren Ganglienzellen geführt habe, als deren Effeet eben die trophischen Störungen zu betrachten sind.. Wenn somit eine secundäre Poliomyelitis anterior supponirt werden kann, so würde nunmehr die Genese der identischen Mitbewegungen in der Weise zu deuten sein, dass bei willkürlichen Bewegungen der gesunden Theile, die Erregung in dem entsprechenden Niveau von dem gesunden Vorderhorn auf das erkrankte und eben dadurch in einen Zustand erhöhter Reiz- 198 Jahres - Bericht barkeit versetzte, sich verbreitet und auf diesem Wege die identische Mitbewegung zu Stande bringt. — Ob dabei noch ausserdem der Ausfall bestimmter Cerebral-Bahnen coneurrirt, sei dahin gestellt. — In analoger Weise würde sich das Zustandekommen der Mitbewegungen bei passiven und durch elektrische Reizung bewirkten Bewegungen der gesunden Theile erklären lassen. Auch die erhöhte Reflex-Erregbarkeit der gelähmten Körperhälfte würde damit im Einklang stehen. — Wie lange Zeit nach dem Eintritte der Läsion (wohl sicher Hirn-Hämorrhagie) die eigenthüm- lichen Mitbewegungen sich eingestellt haben, ist jetzt nicht mehr zu eruiren. In der Sitzung am 2. Juli referirte Herr Dr. Lichtheim über den Verlauf eines Falles von Drainage der Peritonealhöhle. Die Operation war unternommen worden wegen einer Ansammlung von Gas und Eiter im Abdomen eines vierjährigen Kindes, welche durch die Perforation eines eitrigen Peritonealexsudates entstanden war. Die Auftreibung des Leibes war eine so enorme, dass der Erstickungstod be- fürchtet werden musste, und nachdem wiederholte Punctionen mit Aspi- ration nur für wenige Stunden Erleichterung geschafft hatten, musste trotz der ungünstigen Prognose zur Drainage geschritten werden. Das Drain- rohr wurde quer durch den untern Theil des Abdomens gelegt, und die Bauchhöhle täglich mehrmals mit einer dünnen Lösung von übermangan- saurem Kali sorgfältig gereinigt. Der anfängliche Erfolg übertraf alle Erwartungen, das Kind erholte sich in der ersten Woche sichtlich, das bestehende geringe Fieber verschwand völlis. Späterhin complieirte sich der Verlauf durch eine hartnäckige Stuhlverstopfung; ein Abführmittel führte nur Erbrechen herbei, Klystiere waren wirkungslos, weil die in den Mastdarm eingeführte Flüssigkeit durch die Drainröhre wieder abfloss. Als endlich durch ein hohes Klystier sehr reichlicher Stuhlgang erzielt worden war, entleerte sich von da ab der dünne Stuhl nur noch durch das Drainrohr. Wahrscheinlich war beim Vorbeipassiren eines harten Fäcalknoten die Perforationsöffnung im Darm erweitert worden. Das Kind verfiel nun immer mehr und starb am zweiten Tage nach aus- geführter Drainage. Die Obduction ergab ein groschengrosses Loch in der Flexura iliaca und im oberen Theil des Dickdarmes vernarbte dysenterische !Geschwüre. Vermuthlich war die ursprüngliche Peritonitis zu einer Dysenterie hinzu- getreten; eine weitere Veranlassung für dieselbe war nicht aufzufinden. Hierauf sprach Herr Professor Dr. Freund über einen Fall von 7jährigem Verweilen eines Foetus in Utero mit später folgender Durchbohrung des Cervix uteri und der Vesica ur. durch einen Schädelknochen, Steinbildung, Lithotomie und schloss hieran der Schles. Gesellschaft £. vater]. Cultur. 199 Bemerkungen über Aetiologie des Puerperalfiebers, Fistelbildung und Steinbildung. In der Sitzung am 16. Juli demonstrirte Herr Medicinalrath Fischer ein Molluscum pendulum. Dann sprach Herr Dr. Senftleben über die Ursachen und das Wesen der nach der Durchschneidung des Trigeminus auftretenden Hornhautaffection. Alle Autoren mit Ausnahme von Snellen haben bisher angenommen, dass bei den nach Trigeminusdurchschneidung am Auge und der Mund- höhlensehleimhaut auftretenden Affectionen der unmittelbare Einfluss ge- wisser im Trigeminus verlaufender Nervenfasern im Spiele sei, der Art, dass in Folge der Durschschneidung des Trigeminus die betreffenden Ge- webe in einen Zustand erhöhter Reactionsthätigkeit (vasomotorische Nerven — Schiff) oder verminderter Widerstandsfähigkeit (trophische Nerven — Gräfe, Samuel, Büttner und Meissner) gerathen, vermöge deren so geringe Reize, welche auf dem intacten Auge keinerlei Effeete hervorrufen, schon hinreiechen, um auf der Seite der Durchschneidung eine intensive Keratitis herbeizuführen. Büttner und Meissner, welche die zahlreichsten Versuche angestellt haben, kommen zu dem Resultat, dass die Anästhesie des Auges für das Zustandekommen der Hornhautaffeetion höchst wahrscheinlich von unter- seordneter oder gar keiner Bedeutung ist, dass es sich vielmehr um die Lähmung trophischer Nervenfasern handelt, welche in der unteren resp. medialen Portion des beim Kaninchen zu einem Stamme vereinigten ersten und zweiten Trigeminusastes verlaufen, weil sie in 2 Fällen, wo die ge- nannte Partie unverletzt geblieben war, trotz vollkommener Anästhesie der Cornea keine Keratitis und in einem Falle, wo annähernd nur jene Nervenpartie verletzt war, bei vollkommen intacter Sensibilität, die Kena: titis in der gewöhnlichen Weise sich entwickeln sahen. 9. hat, um zu entscheiden, ob durch die Trigeminusdurchschneidung in der That eine grössere Vulnerabilität der betreffenden Cornea herbei- geführt werde, auf beide Hornhäute eines einseitig operirten Thieres möglichst gleiche Schädlichkeiten einwirken lassen. Es zeigte sich, dass geringfügigere Reize (Bepinseln und Ritzen der Cornea, Abtragung eines Stückchens der Hornhaut, Hindurchziehen eines Fadens durch dieselbe) weder auf dem einen noch dem anderen Auge irgend erhebliche ent- zündliche Erscheinungen hervorrief, jedesmal war der Effect auf beiden Augen ganz derselbe. Alsdann nähte er in den Conjunctivalsack der nicht operirten Seite ein Stückchen eines Hobelspanes ein, während das Auge der operirten Seite ohne Schutz gelassen wurde. Nach 20 Stunden war auf beiden Hornhäuten ganz genau derselbe Effect erzielt worden. 200 Jahres - Bericht Dasselbe, auf beiden Hornhäuten stets fast ganz genau übereinstimmende Resultat einseitig operirter Thiere wurde erzielt, wenn in beide Con- junctivalsäcke gleich grosse Holzstückchen eingenäht wurden, niemals machte sich ein Unterschied zwischen beiden Seiten geltend. Daraus folgt erstens, dass der Einfluss trophischer Nerven, deren Lähmung eine grössere Vulnerabilität der Cornea herbeiführen sollte, auszuschliessen ist und zweitens, dass es sich jedesmal um ziemlich grobe Traumen der anästhetischen Cornea handelt, denn der Effect derselben ist gleichwerthig mit dem groben Trauma, welches durch 20stündiges Einnähen eines Holz- spanes in den Conjunctivalsack erzielt wird. Es handelt sich also um eine rein traumatische Affeetion, welche dadurch zu Stande kommt, dass die durch die Trigeminusdurchschneidung anästhetisch gewordene Cornea allen Schädlichkeiten ohne Schutz aus- gesetzt ist. Den Einfluss der Verdunstung hat $. dadurch vollkommen aus- schliessen können, dass er zum Schutz des anästhetischen Auges sich auf Cohnheim’s Rath der aus weitmaschigem Drahtneiz gefertigten Pfeifen- deckel bediente. Durch diese wurde die Verdunstung in keiner Weise verhindert und doch genügte dieser Schutz vollkommen, um jede Trübung der Hornhaut beliebig lange hintenanzuhalten. Durch das Trauma wird auf der anästhetischen Cornea an irgend einer von den Lidern nicht bedeckten Stelle eine eireumseripte Trübung (primäre Trübung) hervorgerufen, in deren Gefolge einige Stunden später eine von der Peripherie der Cornea her vorschreitende diffuse nebelartige Trübung (seeundäre Trübung) bemerkbar wird. Letztere ist eine echte Entzündung, bedingt durch eine massenhafte Einwanderung von Eiterzellen, die primäre Trübung dagegen beruht auf einer Veränderung der Horn-' hautsubstanz selbst, ohne Anwesenheit von Eiterkörperchen. Diese Ver- änderung fasst S. als traumatische Necrose auf; denn diese Partie wird im späteren Verlauf unter Bildung eines Substanzverlustes abgestossen. Diese Necrose wirkt als Entzündungsreiz und ruft die secundäre entzünd- liche Trübung hervor. S. hat auch die Versuche Sinitzin’s wiederholt, der behauptet, dass bei gleichzeiiiger Ausreissung des obersten Sympathicus-ganglion die Folgen der Trigeminusdurchschneidung vollkommen ausbleiben, er fand eben- sowenig wie Eckhardt die Sinitzin’schen Angaben bestätigt, in keinem einzigen Falle wurde auch nur der geringste Einfluss der Ausreissung des obersten Sympathicus-ganglion bemerkbar. Hierauf hielt Herr Dr. Soltmann einen Vortrag über die Insolation und deren Verlauf und Folgen im Kindesalter. Vortragender will die Aufmerksamkeit der Collegen auf diesen hier in Breslau zu wenig beachteten Krankheitszustand hinlenken, um so mehr der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 301 als die Casuistik eine verhältnissmässig spärliche ist. Dies, meint der Redner, hat seinen Grund darin, dass die Insolation — nicht zu ver- wechseln mit Hitzschlag — nur vom genetischen Standpunkt aus ein specifisches Leiden darstellt, vicht aber vom pathologischen, sondern hier in den Begriff der Gehirncougestion, Apoplexie und Meningitis aufgeht, die die Folgen der Insolation sind, die aber je nach der Altersperiode der Kinder sich symptomatologisch ganz verschieden gestalten und des- halb auch ursächlich leicht eine andere Deutung erfahren. Namentlich hebt Redner in Bezug darauf das Säuglingsalter hervor, wo die meisten Gehirncongestionen mit krampfhaften Erscheinungen irrthümlich auf die Zahnung, Impfung und dergl. nicht nur von Laien bezogen würden. Ueberdies ist es begreiflich, dass die Folgen der Insolation nicht hin- reichend gewürdigt sind, weil die Mehrzahl der Fälle schnell und glück- lich verläuft, trotz der grossen Bedrohlichkeit, mit welcher die Symptome der Gehirnreizung auftreten, gegen die dann auch der Arzt schnell und energisch einzugreifen hat, ohne lange nach der Ursache zu fragen oder eine solche eruiren zu können. Redner weist auf die Literatur hin, er- wähnt die Ansichten von Vogel und Steiner, der in der Iusolationshyper- ämie der Meningen und des Gehirns eine augenblickliche Gefahr für das Leben des Kindes sieht, eitirt die Fälle von Mauthner, von West, von Rilliet und Barthez, welche letzteren in der Einwirkung der Sonnenstrahlen auf den unbedeckten Kopf der Kinder eine häufige und plötzliche Ver- anlassung zur Meningitis (Gehirnhautentzündung) sehen. Soltmann selbst hat hier 3 Fälle beobachtet, die er ausführlich mittheilt, und die dadurch interessant sind, dass über die Ursache der Erscheinungen kein Zweifel sein konnte, da alle 3 Kinder den Sonnenstrahlen längere Zeit ausgesetzt waren (15. Juni), dass sie ferner trotz desselben Hitzegrades und wahr- scheinlich annähernd derselben Dauer der Einwirkung in ihren Folgen sich ganz verschieden gestalteten, je nach der Altersverschiedenheit der Kinder und den physiologischen Eigenthümlichkeiten des kindlichen Or- ganismus innerhalb der bestimmten Altersperiode. Der erste Fall (ein Säugling) verlief tödtlich unter einer Gehirnhautentzündung mit den hef- ‚tigsten Kräwnpfen, die beiden andern unter hefliger Gehirncongestion ver- liefen glücklich, bei einem zweijährigen Kinde traten die Krämpfe neben Sensibilitätsstörungen noch in den Vordergrund; bei dem 4jährigen fehlten die Krämpfe gänzlich, die Störungen der Intelligenz bildeten die hervor- stechendsten Symptome. Gemeinschaftlich ist allen 3 Fällen die Plötzlichkeit der Erkrankung, das Erythem, die Intensität der Fiebererscheinungen und Rückwirkung auf das Centralnervensystem, die Rapidität des Verlaufs. $. meint, dass die Anzahl der Fälle von Insolation eine weit grössere ist, als gemeinhin angenommen wird, und dass eine Zahl von unter Convulsionen verlaufen- den Hirnhyperämien des Säuglingsalters, während der Sommerzeit ganz 202 J ahres-B ericht gewiss wit der Einwirkung der Sonnenstrahlen direct in ätiologische Ver- bindung gebracht werden müssen. Öb der Verlauf immer so rapid sein muss, und ob dauernde Störungen zurückbleiben können, die zu gewissen Psychosen (Esquirol) Veranlassung geben können, lässt $. unentschieden. Die Warnung, die für die Eltern aus der Mittheilung hervorgeht, wenn sie ihre Kinder in der Sonnenhitze ausschiecken, ergiebt sich von selbst. In der Sitzung am 23. Juli stellte Herr Privatdocent Dr. Berger verschiedene klinische Fälle vor; nämlich: 1) einen 12jährigen Knaben, der an einer hochgradigen „Pseudo- hypertrophie der Muskeln“ leide. Als Ursache der Volums- vergrösserung ergab die mikroskopische Untersuchung das bekannte Bild einer reichlichen interstitiellen Fettwucherung. Eine hereditäre Krankheitsanlage ist nicht vorhanden. Das Leiden hat sich offenbar schon in den frühesten Lebensjahren entwickelt, da der sonst gesunde und kräf- tige Knabe erst in seinem 3. Lebensjahre laufen lernte und von vorn- herein den höchst charakteristischen Gang zeigte. Die Waden- muskulatur soll schon von Geburt an stark entwickelt gewesen sein, doch ist jetzt nicht zu eruiren, ob sie schon damals ein excessives Volumen darbot. Nach einer Erkrankung an Masern im 7. Lebensjahre des Patienten wurden die Störung des Gehvermögens und die progressive Volumszunahme der Muskulatur der unteren Extremitäten sehr augen- fällig. Bemerkenswerth erscheint das Auftreten von epileptischen Anfällen im 3. Lebensjahre, die in 4—6wöchentlichen Intervallen bis zum 6. Lebensjahre sich einstellten und seitdem nicht wiedergekehrt sind, — ohne dass eine erbliche Disposition dazu besteht. — Die sehr be- trächtliche Pseudohypertrophie erstreckt sich besonders auf die Muskulatur der Waden und der Oberschenkel; auch die Contouren der Gesäss- muskulatur und der M. sacro-spinal. traten stark hervor. An den oberen Extremitäten waren früher die Deltamuskeln nicht unbeträchtlich verdickt, sind aber seit eirca !/, Jahre atrophisch geworden, während die übrige Muskulatur der Arme (und des Rumpfes) eine langsam wachsende Atrophie darbietet, ohne vorher voluminöser gewesen zu sein. Die Sensibilität ist nicht sonderlich gestört, die Leistungsfähigkeit und die elektromuseuläre Contractilität der erkrankten Muskeln beträchtlich herab- gesetzt. Haltung und Gang sind sehr charakteristisch: Patient steht breit- beinig, mit hochgradig lordotischer Krümmung der Lendenwirbelsäule und weit nach hinten gebeugtem Oberkörper. Wird der Schwerpunkt des- selben zu weit nach vorn gebracht, so fällt der Kranke hilflos nach vorn, und vermag sich jetzt nicht mehr mit Hilfe der Arme — wie dies noch vor einigen Monaten in pathognostischer Weise möglich war — auf- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Qultur. 203 zurichten. Der Gang ist watschelnd. Seit kurzer Zeit beginnt auch die Muskulatur des Gesichts atrophisch zu werden. — Die Intelligenz zeigt keinen Defeet. — Der Vortragende hebt besonders die Eigenthüm- lichkeit der Haltung und des Ganges (die auf einer Lähmung der Strecker in den Lendengegend beruht) als eines oft schon sehr frühzeitig auftretenden Symptoms hervor, das unter Umständen die Diagnose bereits ermöglichen kann noch ehe eine sinnfällige Volums- zunahme der Muskulatur vorhanden ist. 2) wird ein 3ljähriger Eisenbahnarbeiter demonstrirt, der ein sehr charakteristisches Bild der bisher in Deutschland wenig beachteten ‚‚Polio- myelitis anterior subacuta‘‘ darbietet. Patient ist im September 1873 er- krankt; nach dreiwöchentlichem Bestehen einer allmälig zunehmenden Bewegungsschwäche der unteren Extremitäten entwickelte sich eine com- plette Paraplegie derselben, die ein circa dreimonatliches Kranken- lager bedingte. Sensibilitätsstörungen, Erseheinungen von Seiten der Blase und des Mastdarms, fehlten vollständig; dagegen entwickelte sich eine rapide Massen-Atrophie der Muskulatur mit entsprechendem Verluste der elektromuskulären Contractilität. Deeubitus stellte sich nicht ein. Eine gleichzeitige Parese und Atrophie des rechten Deltamuskels besserte sich rasch vollständig; allmälig trat auch eine Besserung an den unteren Extremitäten ein. Der Kranke kann sich jetzt mit Hilfe des Stockes ziemlich gut vorwärts bewegen, die Muskel-Atrophie (mit ent- sprechender Lähmung) ist jedoch, besonders am rechten, von vornherein schwerer erkrankten Beine, noch immer so ausserordentlich hochgradig, dass der Kranke auf den ersten Blick als ein an progressiver M.- Atrophie Leidender imponirt. Die Besserungsfähigkeit dieser interessanten Rückenmarks-Erkrankung, gegenüber der schlechten Prognose bei progress. M.-Atrophie, beweist die praktische Wichtigkeit der Differential-Diagnose. Die wichtigsten Momente derselben sind: Dort primäre Lähmung, dann rasch fortschreitende Atrophie, hier primäre langsam zunehmende Atrophie mit entsprechenden Functionsstörungen; dort rascher Verfall der elektromuskulären Contraetilität (oft „Entartungsreaction‘), hier Erhaltung derselben; dort Atrophie en masse, hier Bevorzugung ge- wisser vereinzelter Muskeln. — Die bei dem Kranken sehr deutlich vorhandenen fibrillären Muskelzuekungen beweisen, dass diese Erscheinung beiden Krankheiten eigenthümlich ist. — Der Fall wird mit analogen Erkrankungen ausführlich publieirt werden. 3) Der Vortragende referirt über die sogenannten „Sehnen-Re- flexe‘‘ behandelnden, kürzlich veröffentlichten Arbeiten von Westphal und Erb und demonstrirt zur Illustration der angeführten Thatsachen eine. Reihe von Kranken. (Hemiplegie, Paraplegie, Pott’sche Kyphose, Seiten- strang-Sclerose, Tabes.) 204 Jahres- Bericht Auf Grund zahlreicher eigener Untersuchungen dieser interessanten Phänomene führt der Vortragende an: 1) In einer nieht unbeträchtlichen Zahl von Hemiplegien fehlt das „Fussphänomen“ am Fusse der gelähmten Seite, während das „Unterschenkel-Phänomen“ sehr deutlich ausgeprägt ist. 2) Die Intensität des „Fussphänomen“ ist in vielen Fällen veränder- lich, so dass es bald sehr deutlich, bald nur andeutungsweise in die Er- scheinung tritt. Grosse Ermüdung scheint die Entstehung zu begünstigen. 3) In zwei Fällen von Hemiplegie mit deutlichen Fuss- und Unterschenkel- Phänomen wird durch Pereussion des Ligament. Patell. der gesunden - Seite eine Adductionsbewegung des Oberschenkels der gelähmten Seite ausgelöst. Beide sind veraltete Fälle (seit 6—8 Jahren bestehende Lähmung) mit immobilen Contracturen. 4) In dem vorgestellten Falle von Poliomyelitis anter. subac. fehlt das Fussphänomen. Das Unterschenkel- Phänomen ist an dem schwerer erkrankten Beine deutlich schwächer als an dem besseren. Diese Thatsache erscheint für die Annahme einer spinalen Genese der Schnen-Reflexe von entschiedener Wichtigkeit. Bei gewöhnlichen spinalen Paraplegien verhält es sich gerade umgekehrt. 5) In einem (mit Herrn Collegen Caro beobachteten) Falle von Para- plegie in Folge parametrischer Exsudate ist keine Spur der Erschei- nungen vorhanden. Die elektrische Erregbarkeit der Nerven und Muskeln ist hier fast völlig aufgehoben. 6) Am deutlichsten und ausgebreitetsten sind die Phänomene bei primären Affeetionen der Seitenstränge des Rückenmarks.*) (Charcot’s primäre Lateralselerose) In einem (mit Herrn Collegen Maas untersuchten) Falle, der speciell dadurch ausge- zeichnet ist, dass die bei dem 55jährigen Patienten bestehende Lähmung mit den charakteristischen Zeichen einer Seitenstrang-Affeetion nur die eine Körperhälfte betrifft (Hemiplegia sinistra — das Bein weit stärker affieirt, als der Arm), sind die Phänomene (auch am Triceps brachüi) sehr deutlich an den gelähmten Extremitäten, aber auch an dem scheinbar gesunden Beine, wenn auch etwas schwächer, vor- handen. 7) Die ‚Sehnen-Reflexe“ sind wohl ganz entschieden als wirkliche Reflex-Contractionen aufzufassen. Unter A. scheint das constante Fehlen der Erscheinungen bei Tabes dors., bei der die mechanische Erregbarkeit der Muskein vollständig erhalten ist, da- für zu sprechen. In einem Falle von Tabes ist die mechanische Erreg- barkeit der Muskulatur in auffallender Weise erhöht, so dass ge- ringe mechanische Reize nicht nur die Erscheinung der „idiomuskulären Contraction“, sondern auch ausgedehnte Muskelzuckungen zur Folge haben, — und trotzdem fehlen die Sehnen-Reflexe vollständig. Dies beweist wohl, dass ihnen nicht eine direete mechanische Erregung der betreffenden Muskeln durch Dehnung und Erschütterung ihrer Sehnen *) C. Erb, Berl. Klin. Wochenschr. 1875. Nr. 26. nn SENSE UT EEE EB | | 3 der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 205 zu Grunde liegt, sondern dass es sich um spinale Reflex- Contraetionen handelt, die eben ausfallen müssen, wenn bestimmte Bahnen des Reflex- Bogens zu Grunde gegangen sind. Alsdann demonstrirte Herr Professor Cohn einen Fall von Einheilung von Kaninchenbindehaut in die Bindehaut des menschlichen Auges. Der Vortragende hatte einem 5jährigen Knaben vor 20 Tagen eine melanotische Geschwulst entfernt, welche vom innern Hornhaut- rande bis zur halbmondförmigen Falte in der Bindehaut des rechten Auges sich langsam von Geburt an entwickelt hatte. Der Defect war so gross, dass er nieht durch Plastik aus der eigenen Conjunctiva gedeckt werden konnte. Der Vortragende schnitt daher unmittelbar nach Entfernung der Geschwulst möglichst rasch die entsprechende Stelle der Bindehaut des Bulbus und der Palpebra tertia aus dem Auge eines nicht chlorofor- mirten Kaninchens heraus. Durch Fixationspincetten, deren Druck- knöpfe nach oben gehalten wurden, konnte einer etwaigen späteren Ver- wechselung der Vorder- und Rückseite der sich stark zusammenrollenden sehr zarten Thierbindehaut vorgebeugt worden. Das Stückchen Kanin- chen-Conjunctiva, etwa 12 mm lang und 10 mm breit, wurde nun mög- lichst rasch mit zehn Näthen von feinster ungedrehter Seide in deu Defeet des kindlichen Auges eingenäht. — Bis zum 9. Tage erschien die Thierbindehaut schneeweiss, von da ab fing sie an feine Gefässe zu zeigen, zeichnet sich aber noch jetzt durch eine viel hellere Farbe als die Menschenbindehaut aus. Sticht man in sie hinein, so erhält man ein Tröpfehen Blut; doch empfindet der Knabe bei dem Stiche: keinen Schmerz. Die Thierbindehaut ist völlig in die menschliche eingeheilt. Die Bewegungen des Auges sind nicht beschränkt. Im Ganzen ist die Operation bisher erst viermal und zwar stets bei Symblepharen gemacht worden, zuerst im Jahre 1872 von Dr. Wolfe in Glasgow in zwei Fällen mit vollem Erfolge, dann im vorigen Jahre von Professor Beeker in Heidelberg einmal mit gutem, einmal mit ziem- lichem Erfolge. Weitere Versuche sind bisher nicht bekannt geworden. — Die von Becker empfohlenen stark angelhakenartig gebogenen, von Luer in Paris gefertigten Nadeln bewährten sich nicht; viel besser ge- langen die Nähte mit den von Grunewald in Königsberg fabrieirten mässig gebogenen Bindehautnadeln. Ein Theil der Nähte wurde am 6. bis 12. Tage herausgenommen, ein anderer heilte ein. In der Sitzung am 30. Juli berichtete Herr Dr. Litten von Versuchen, über die Folgen der Embolie der Lungenarterien. Die Versuche welche Vortragender gemeinsam mit Herrn Professor Cohnheim angestellt hat, hatten den Zweck zu eruiren, weshalb Ver- 206 Jahres-Bericht stopfungen der Lungenarterie zuweilen zum hämorrh. Infaret führen, während andere Male ebenso beschaffene Emboli keine nachweisßkren Veränderungen im Bereich des zugehörigen Lungengewebes zur Folge haben. Um die Cireulationsverhältnisse in den Lungen zu studiren, wurden Paraffinpfröpfe in die Ven. jugul. ext. der Versuchsthiere ein- gebracht und später eine Selbstinjection vorgenommen, wodurch die phy- siologischen Verhältnisse des Druckes und der Widerstände am meisten gewahrt wurden. 1) Um den erikelnssiheshl der Art. pulm. kennen zu lernen, wurden Paraffinemboli in die Lungen gebracht, und darauf eine (für die Capillaren undurchgängige) Aufschwemmung von chroms. PbO in die Venen gespritzt. Hierbei fand sich constant, dass niemals Injectionsmasse sich jenseits des Eimbolus nachweisen liess, dass also keine Anastomosen zwischen den einzelnen Aesten der Art. pulm. existiren. Die Art. pulm. ist daher in ihrem ganzen Verlauf als anatom. Endarterie zu betrachten. 2) Um den Einfluss der Art. bronch. kennen zu lernen, wurde eine Art. pulm. der Versuchsthiere ligirt; darauf wurde Injeetionsmasse (u. z. giftfreies, in HO lösliches Anilinblau oder Carmin) in die Ven. jugul. ein- gespritzt. Die Thiere überlebten beide Operationen ziemlich lange und zeigten sich bei der Section prachtvoll injieirt bis auf die Lunge, deren Pulmonalarterie unterbunden worden war. In dieser fanden sich nur sparsame Injeetionsherde in den Bronchialwandungen, während das eigent- liehe Lungengewebe absolut farblos geblieben war. Diese Verluste lehren, dass die Bronch.-Arterie dem Lunzenpar un nicht einmal geringe ne Blutes zuführen. Es kann demnach das Blut, welches die Gefässe eines Lungen- abschnittes mit obturirter Pulmonalarterie durchströmt, weder von einer anastomosirenden Pulm.-Art., noch von einer Bronch.- Art. herrühren, sondern nur von benachbarten Lungencapillaren. Dies haben auch ein- schlägige Versuche, welche in der sub 1) beschriebenen Weise angestellt und in der Art modifieirt wurden, dass anstatt des Bleisalzes lösliche, die Capillaren durchdringende Massen eingespritzt wurden, erwiesen, je- doch mit der Einschränkung, dass die Capillarinjeetion jenseits des Pfropfes nur ausnahmsweise eine vollständige, viel häufiger eine sehr unvoll- ständige war. Es lehrt dieser Befund die auffallende Thatsache kennen, dass Lungen- abschnitte einen derartigen Zustand von winimaler Circulation und einen so geringen Blutwechsel ohne Störung ihrer Integrität längere Zeit hin- durch ertragen. Die Erklärung hierfür liegt in der Structur der Lunge. Dem von der Pulmonalarterie in die Lunge zugeführten Blut liegt als nutritive Function nur die Erhaltung derjenigen Pulmonalgefässe ob, die keine eigenen Vasa vas. haben, d. h. der kleinsten Arterien, Venen und Capillaren. Natürlich können auch diese auf die Dauer nicht des eir- EN der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 207 eulirenden Blutes enibehren. Doch ist in ihnen ja auch hinter dem Embolus noch immer geringfügige Cireulation vorhanden, nur ist dieselbe sehr schwach und langsam. Sinkt diese unter ein gewisses Maass, so kommt es sicher zum Infaret. Doch wo dies letztere auch nicht der Fall ist, werden derartige Lungenabschnitte mit so gesunkener Circulation doch für die Athmung so gut als nichts leisten, und hierin liegt die Ge- fahr für den Organismus, dass bei dem Vorhandensein vieler derartiger Lungenabschnitte schliesslich eine zum Tode führende Athmungsinsufficienz eintritt. Hieran schloss sich ein Vortrag des Herrn Dr. Maas über Schleimpolypen der männlichen Harnblase. Der Vortragende theilt von dieser wenig beschriebenen Erkrankung drei von ihm beobachtete Fälle mit. In einem Falle hatte die Neubildung heftige Blutungen hervorgerufen, in den beiden andern, die durch Strie- turen eomplieirt waren, bedingte der Polyp zeitweise auftretende Anurie. In dem ersten Falle wurden vermittelst eines starken Catheters & double courant (Cloquet) und Eingiessen von lauem Carbolwasser unter hohem Druck durch einen Irrigator, zwei Schleimpolypen von der bekannten Structur in dem Fenster des abführenden Schenkels nach einander ein- gefangen und extrahirt; sie hatten die Grösse einer starken Bohne, der Stiel war sehr dünn: Patient war von seinen Blasenblutungen befreit. In den beiden andern Fällen benutzte der Vortragende einen gewöhn- lichen Catheter mit grossen Fenstern, in dem zweiten Falle einen engl. elastischen, den er mit einem sehr einfachen Aspirationsapparat in Ver- bindung setzte. Es wird nämlich an dem Catheter ein Gummischlauch be- festigt, an diesem eine | förmige Glasröhre, deren beide andern Schenkel ebenfalls mit Gummiröhren versehen werden. Durch den aufsteigenden Schenkel wird vermittelst eines Hegar’schen Trichters so viel Flüssigkeit wie die Blase fasst, eingegossen. Lässt man nun das Wasser aus dem 3. Schenkel abfliessen, so findet durch das Nachströmen der Luft nach ‚dem Prineip der Bunsen’schen Gaspumpe eine sehr starke Aspiration statt. In beiden Fällen gelang es nach einigen Versuchen den Polypen zu fangen und herauszuziehen. Im zweiten Falle hatte der Polyp eine Länge von 1,5 em, eine Breite von 1 cm. Beide Patienten waren von ihrer Anurie befreit. Der Vortragende erläuterte die Vortheile des Ap- parates auch bei Ausspülungen der Blase und anderer Höhlen. C. Wei- gert hat ihn zuerst in ähnlicher Weise als Magenpumpe construirt. Zum Schluss erwähnte der Vortragende die nicht umfängliche Literatur, sowie die bisher angewendeten Operationsmethoden: Fangen mittelst einer durch einen Caiheter eingeführten Schlinge nach Dieffenbach und Guillon oder Abquetschen mit einem Lithotriptor nach Civiale, die unsicherer und schwieriger sind als die von ihm gebrauchte. Selbst- 208 Jahres- Bericht verständlich ist das angegebene Verfahren nur für kleine, sogenannte Sehleimpolypen verwendbar. Schliesslich theilte Herr Dr. Grützner die Resultate von Unter- suchungen mit, die er über die Bildung und Ausscheidung der ungeformten Fermente im Säugethierorganismus angestellt. Eine (soweit bis jetzt die Untersuchungen reichen) wahrscheinlich allen diesen Stoffen zukommende Eigenschaft ist die, dass sie sich bei ihrer Thätigkeit verbrauchen und hierdurch von den eigentlichen Fermenten streng unterscheiden. Direet nachgewiesen ist dieser Verbrauch bei dem Ptyalin von Paschutin, bei dem Leberferment von Ebstein und Müller, bei dem Pepsin von dem Vortragenden, bei dem Albuminatferment des Pankreas von Heidenhain. Dns Ptyalin wird ausgebildet in den Speicheldrüsen der Pflanzen- fresser, und zwar vorzugsweise in der Glandula parotis z. B. des Kauinchens, dagegen nicht in den Speicheldrüsen der Fleischfresser (Hund, Katze); denn die nach stunden- oder tagelanger Digestion eintretende Umwand- lung von Stärke in Zucker beweist nicht die Bildung eines Fermentes, welches vielmehr innerhalb Minuten, ja Secunden wirkt. Die Bildungsstätte des Pepsins sind die Hauptzellen der einfachen und zusammengesetzten Pepsindrüsen, sowie die Brunner’schen Drüsen, die je nach ihrem Aussehen mehr oder weniger Ferment bildende Sub- stanz enhalten. Dabei zeigt sich, dass wenn die Schleimhaut der grossen Curvatur am wenigsten Pepsin enthält, der Pylorus am reichsten daran ist, und wenn dieser wiederum an Pepsin verarmt, einige der Brunner’schen Drüsen das Maximum ihres Pepsingehaltes erreicht haben. Das Pankreas liefert bekanntlich drei Fermente, deren eines, das Albuminatferment, in der Drüse als sogenanntes Zymogen vorge- bildet, mit der Grösse der centralen Theile der Drüsenzellen zu- und abnimmt. Reich an Zymogen ist eine Drüse im Hungerzustand, arm in den ersten Stunden der Verdauung und am reichsten in den spätern. (Heidenhain.) Parallel mit der Bildung dieses Fermentes geht die des dia tischen, so dass z. B. ein Pankreas aus der 14. Verdauungsstunde resp. sein Glycerin- extraet viel mehr diastatisches Ferment enthält und viel schneller Stärke in Zucker umwandelt, als ein Pankreas aus der 6. Verdauungsstunde. Für die quantitative Bestimmung dieses Fermentes hält Vortragender folgende Methode für die geeignetste. Gleiche Mengen (9—10 Ce.) eines Sprocentigen Stärkekleisters werden auf Filter und Trichter vertheilt und mit ihnen die betreffenden, auf ihren Gehalt zu prüfenden Flüssigkeiten (etwa je 0,5—1,0 Ce.) gleichmässig gemischt. [Nach wenigen Minuten (namentlich in Brutwärme) filtrirt dort mehr, wo mehr Ferment ist, aber der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Uultur. 309 Nichts wo gar keins zugesetzt ist. Diese Methode, im Pıineip der Grün- hagenschen Pepsinbestimmung analog, ist ungemein genau und bequem. Schliesslich fand Vortragender, dass auch im Wesentlichen die Bildung des Fettfermentes mit der der beiden anderu gleichen Schritt hält, wobei er sich zur quantitativen Bestimmung dieses Körpers folgender Methode bediente. In gleich weite Probirgläschen werden je 5 Ce. blaue Lakmus- lösung mit den gleichen Mengen (0,1 Ce.) der Extracte verseizt, weun nöthig durch Hinzufügen einer schwachen Lösung von kohlensaurem Natron in der Nüance gleichgestellt und in die Flüssigkeiten kleine mit Feit getränkte Papierschnitzelchen (sog. Oelpapier) geworfen. Der lang- same oder schnelle Wechsel der Nüance von blau zu roth zeigt die Menge des Fermentes an. Die Ausscheidung der ungeformten Fermente anlangend, so ergiebt sich, dass wahrscheinlich alle in den betreffenden Drüsen als sogenannte Zyinogene vorgebildet sind und erst in den Secreten frei werden. Nach- gewiesen ist dies von dem Pepsin und Lab des Magens, sowie dem Alb- uminatferment des Pankreas, wahrscheinlich aber auch von dem Ptyalin nnd den diastatischen Fermenten der Leber und des Pankreas, da alle diese Drüsen durch Liegen an Ferment reicher werden. — Welcher Körper im Organismus diese Umwandlung der Zymogene bewirkt, ist un- bekanut: jedenfalls verdient die bei der Drüsenthätigkeit gebildete Kohlen- säure um so mehr Beachtung, als überhaupt Säuren die Fermenute freizu- machen im Stande sind. In der Sitzung am 6. August sprach Herr Dr, Eger über eine eigenthümliche Verbindung von Wanderniere mit Hydronephrose. Es handelte sich um einen Fall von beweglicher Niere bei einer 29jährigen, blutleeren Frau, die 2 Mal geboren hatte. Nach der zweiten Entbindung trat die linke Niere in unregelmässigen 2— 3 wöchentlichen Zwischenräumen in die linke Unterbauchgegend und wurden dadurch 24—36stündige, schwere, Shok ähnliche Zustände hervorgerufen. In ihnen bestand neben gewaltigen Schmerzen Harndrang, durch den sets eiweiss- freier, heller Urin entleert wurde. Die Anfälle verschlimmerien sich, als die Kranke nach 3 Jahren wieder gravida war; dieselben hörten jedoch aber nach dem 4. Monat plötzlich ganz auf. Unmittelbar nach der sonst normalen Entbindung erschien in der linken Unterbauchgegend ein grosser hıydronephrotischer Sack, der acht Wochen ohne irgend welche Störung der Urinsecretion bestand, während einer Nacht dann plötzlich verschwand und sich 14 Tage später eben so schnell wieder bildete. Nach wiederum 3 Wochen entleerte er sich während einer Nacht, indem die Kranke ungeheure Mengen Urin liess. Seitdem ist die Kranke von allen Be- schwerden frei. — Im Anschluss an diesen Fall erörtert der Vortragende 14 LU 210 Jahres -Bericht die von den neueren Autoren über die Einklemmung der vorgefallenen . Niere gegebenen Erklärungen und schliesst sich der Ansicht Gilewsky’s an, der alle Symptome von einer Compression des Harnleiter durch die eigene Niere herleitet. Dafür spricht auch das Entstehen der Hydro- nephrose während der Schwangerschaft. Die 2 Mal stattgehabte Entleerung des Sackes, sowie die Wiederanfüllung erklären sich ungezwungen aus einer erneuten, beschränkten Ortsveränderung der Niere. Hieran reihte sich eine Demonstration des Herrn Dr, Wernicke von einem Falle von Vierhügelerkrankung. Der Fali betraf einen Kranken, bei welchem linksseitige Lähmung der Extremitäten und der Gesichtsnerven mit einer eigenthümlichen Bewegungsstörung beider Augen combinirt war. Letztere bestand darin, dass beide Augen nur höchst mangelhaft nach aufwärts und abwärts, dagegen vollkommen normal mach rechts hin und nach links hin bewegt werden konnten. Diesen Zustand hatte der Kranke schon 8 Monate lang. Aus dem Vergleich mit analogen Fällen in der Literatur und den Ergeb- nissen der experimentellen Vierhügelreizung zieht der Vortragende die Berechtigung, in diesem Falle schon bei Lebzeiten die Diagnose auf Vierhügelerkrankung zu stellen. ‚Schliesslich sprach Herr Privatdocent Dr. Berger zur physiologischen und therapeutischen Würdigung des Gelsemium sempervirens. Der Vortragende theilt die Resultate seiner an Kalt- und Warm- blütern angestellten Versuche mit. Die therapeutischen Erfolge waren sehr unbefriedigend. . Nähere .Mittheilungen im „Centralblatt für mediein. Wissenschaft“. In der Sitzung am 13. August sprach Herr Prof. Gscheidlen über die Bedeutung der Brücke’schen Dissectionsbrille. Hierauf folgte ein Vortrag des Herrn Dr. Bröer über einen aus der Orbita eines Neugeborenen exstirpirten Tumor. Es war Anfang Februar dieses Jahres, da präsentirte sich beim Vor- tragenden die zwei Tage alte Tochter eines Arbeiters aus Klettendorf bei Breslau mit einem ansehnlichen Tumor der rechten Orbita. Die Mutter hatte bereits fünf normale Kinder geboren. Der Tumor erreichte in seiner Totalität ziemlich die Grösse des halben Kindskopfes; auf seiner Höhe befand sich die leicht getrübte, aber noch schwach durchsichtige Cornea. Die vordere Augenkammer war durch denDruck, den die Geschwulst von rückwärts ausübte, verkleinert, so dass die Cornea flach aufsass. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 911 Die ganze Geschwulst bot das Bild eines enorm vergrösserten Bulbus, dessen Conjunctiva reich vaseulanisirt erschien, namentlich mit zahlreichen, stark geschwellten Venen .durchschlängelt. Die Nase war durch den vom Tumor ausgeübten Druck nach links, und die rechte Wange nach abwärts gedrängt, so dass der rechte Mundwinkel nach unten verzerrt war. Das untere und obere Augenlid waren prall gespannt und um- fassten wie Klammern den Parasiten etwas unterhalb seiner grössten Circumferenz. Interessant waren die Excursionen, welche der gesammte Tumor analog den Bewegungen des gesunden Auges machte, so dass man wechsel- seitig die einzelnen Augenmuskeln auf den Tumor einwirken sah. Die rechte Orbita war durch die Geschwulst bedeutend vergrössert; aın unteren Orbital-Rand fühlte man eine Dehiscenz des Knochens, so dass der knöcherne Boden der Orbita vom Öberkieferbein abgehoben erschien und zwischen diesem und der Maxilla superior eine Furche fühlen liess. Man konnte hier deutlich sehen, wie der Knochen einem dauernden Druck auszu- weichen bestrebt ist, wie man es häufig genug bei Aneurysmen und anderen Tumoren zu beobachten Gelegenheit hat. Wenn auch die Oberfläche der Geschwulst stramm gespannt war, liess sich dennoch “deutliche Fluctuation nachweisen. Drei bis vier Tage später sah der Vortragende das Kind zum zweiten Male und fand am Tumor folgende Veränderungen: Seine Oberfläche war mehrfach arrondirt und hatte wiederholt zu Blutungen Veranlassung gegeben. Die Trübung der Cornea hatte zugenommen und ansehnliches Hypopyon sich eingefunden. Der Parasit war inzwischen gewachsen, daher waren die Augenlider ödematös geschwellt. Das Allgemeinbefinden des Kindes war dabei gut geblieben; es trank die regelmässig verabreichte Milch, entleerte regulär Urin und Faeces und hatte kein Fieber. Nach dieser raschen Veränderung entschloss sich Dr. Bröer zur Esetirpatio bulbi, punktirte zunächst den Tumor, um sich zu überzeugen, dass nicht etwa eine Hirnhernie vorlag (Ammon hat einen ähnlichen Fall beschrieben und abgebildet) — und entleerte eine klare, gelbliche Flüssig- keit, ähnlich wie man sie in Echinococcen-Blasen findet. Hierauf colla- birte die Geschwulst derartig, dass sie nicht mehr die Hälfte ihres ur- sprünglichen Volumens hatte. Herr Dr. Magnus, welcher die Güte hatte, bei der Operation zu assistiren, rieth eine Spaltung nach dem äusseren Lidrand vorzunehmen; hiernach erwies sich die Geschwulst als eine den Bulbus in sich schliessende Cyste. Der Sack wurde nun von den zum Theil innig verwachsenen Augenlidern frei gemacht, herausgeschält und der Opticus, welcher gleichsam den Stiel der Geschwulst bildete, im Grunde der Orbita durchtrennt. In der Muttereyste zeigten sich noch eine grosse Zahl kleiner Cysten, die bei der Eröffnung wiederum dieselbe Flüssigkeit entleerten. Der Blutverlust bei der Operation war sehr gering. Zur 14* 212 J ha) - Bericht genauen Beobachtung und Nachbehandlung nahm der Vortragende das - Kind in seiner Wohnung auf. Das Befinden nach der Operation war ruhiger, es schlief gut, nahm Milch mit Behagen zu sich und reagirte die ersten drei Tage gar nicht auf den operativen Eingriff. Dabei war die Beschaffenheit der Wunde durchaus gut, die Orbita begann bereits, sich mit Granulationen zu bedecken. Am vierten Tage collabirie das Kind, verweigerte Nahrungsaufnahme, fieberte und starb am fünften Tage nach der Operation. Die von Herrn Professor Cohnheim vorgenommene Section ergab kurz folgendes Resultat: Hirnhäute und Hirnsubstanz normal. Der rechte Stirn- lappen zeigte nach unten, entsprechend der Convexität des knöchernen Orbitaldaches eine analoge Concavität, ohne in seiner Substanz irgend verändert zu sein. Die Pars orbitalis des rechten Stirubeins, welche das Dach der Orbita bildet, war papierdünn und zeigte ebenfalls nach dem Cavum craniüi die besagte Convexität Glandula pituitaria normal. Ueber- haupt fand sich in der Schädelhöhle nirgend eine Veränderung, die auf eine Communication mit dem Tumor schliessen liess. Von den thoraeischen Organen ausser dem Pericardium alles normal, — in diesem war beträcht- licher, eitriger Erguss, — in Milz, Niere, Leber liessen sich keine ana- tomischen Veränderungen finden. Herr Dr. Weigert hat den Tumor einer eingehenden mikroskopischen Untersuchung unterzogen und fand darin: Epidermis mit verhoruten Zellen, Darmtheile mit verhornten Drüsen, Brücke’sche Muskeln, glatte Muskeln, eigentliche Muskulatur und Follikeln, hyalinen, gewöhnlichen Knorpel, ver- knöchernden Knorpel, quergestreifte Muskeln, glatte Muskeln, Fett, Schleim- sewebe. Hiernach erwies sich die Geschwulst als ein Teratom oder ein Amorphus aus der Klasse der Acardiaci. Besonderes Interesse bietet der Parasit durch seinen Sitz in der Orbita, Nur ausnahmsweise findet man in der Casuistik Intrafötationen, welche nieht von der: Medianlinie des Körpers ausgehen. Die überwiegende Mehrzahl sehen wir ja vom Kreuzbein oder von der Basis cranii (Clivus Blumenbachü) ihren Ausgang nehmen. Ahlfeld hat im Archiv für Gynaek. sechsundzwanzig solche aus’ der Literatur gesammelte Fälle mitgetheilt, deren äusseres Bild mehr oder weniger an unseren Fall erinnert. Diese meist von der Sella turcica ausgehenden Intrafötationen nannte Geoffroy St. Hilaire nach ihrem Sitz Epignaten. Luschka und Virchow beschreiben gleichzeitig Gallertgeschwülste (Physaliden) — Virch. Arch. Bd. XI u. XII: — der Glandut. pituitaria, deren Ursprung Heinrich Müller auf Wucherung von Chorda-Ueberresten zurückführt. Die congenitalen Sacral tumoren, die ja häufig Gegenstand chirurgischer Behandlung sind, erweisen sich meist auch als Teratome und sind theils als Hydrorhachis-Säcke, theils als Cysten (Spina bifida sacralis und coceygea) -— oder Cystosarkome oder Foetus in der Schles. Gesellschaft f, vaterl. Cultur. 213 foetu oder als Entartungen der von Luschka entdeckten Steissdrüse, be- schrieben worden. Bei unserem Amorphus liess sich der Zusammenhang mit dem Central- organe trotz sorgfältiger Prüfung nicht eruiren. Die Frage über das Zu- standekommen der Missbildung ist eine schwer zu entscheidende Es fällt die letztere jedenfalls in ein sehr frühes Embryonalleben, in eine Zeit, wo noch keine Allantois vorhanden war, wo also durch Anastomose die Ernährung des rudimentären Embryo von Seiten der grössern Frucht erfolgte. Endlich berichtete Herr Dr. Soltmann von Versuchen über die Functionen des Grosshirns der Neugeborenen. Vortragender erwähnt einleitend, dass sämmtliche Bewegungen der Neugeborenen unwillkürliche (reflectorische) seien, weil der Wille noch fehle. Daher das unbeholfene Gestieuliren, die uneordinirten Bewegungen mit allen Theilen. Auch die Bewegungen der Mimik, das Schreien seien Anfangs Reflexe, selbst das Saugen die kunstvollste Bewegung des Neu- sebornen. Letztere ausgelöst durch jedweden Reiz, der die Innenfläche (Lippen) des Mundes trifft (Beispiele); da das Saugen aber so sehr den Charakter der Zweckmässigkeit an sich trägt und auf Erhaltung der Race gerichtet ist, kann diese Reflexbewegung eine instinetive genannt werden, Der Neugeborene besitzt aber nicht alle Reflexe, die der Erwachsene zeigt, sondern nur die ursprünglichen reinen (spinalen), während ihm die durch Vorstellungen erworbenen, durch Erfahrung erlangten (also durch Ver- mittelung des Grosshirns, die cerebralen) fehlen, z. B. das Schliessen des Augenlides, wenn das Auge berührt werden soll oder wird. Der Grund, meint $., liegt darin, dass das Grosshirn beim Neugebornen noch voll- ständig ausser Thätigkeit ist. Hierfür giebt ihm die Anatomie gewisse Anhaltepunkte, da sämmtliche architeetonische Detail-Verschiedenheiten beim Gehirn der Neugebornen und Erwachsenen sich stets auf das Gross- hirn beziehen, welches bei Neugebornen noch unvollkommen organisirt ist (Weisbach, Jastrowitz, Meynert u. a... Da das Grosshirn das Organ des Willens und der Intelligenz ist, so meint Soltmann, müssen wegen der anatomischen Unvollkommenheit auch diese Functionen unvollkommen sein, wenn nicht gar ganz schlummern. Für die Willensbewegungen, die von der Grosshirnsrinde aus zu Stande kommen, sucht Soltmann dies durch seine Experimente zu beweisen. Die Rindencentra (Hitzig’s) sind nämlich beim Neugebornen noch nicht vorhanden, der elektrische Reiz blieb ohne Effect, und zwar wurde die ganze Gehirnoberfläche bei abge- decktem Schädel gereizt (constante Strom der Pinkus’schen Batterie). Die Reizstärke war sehr verschieden. Im Ganzen wurden 132 Hunde gebraucht. — Erst bei 10 Tage alten Hunden — nicht früher — gelingt es, die Bewegung für die Vorderpfote bei Reizung der Rinde zu effectuiren. Das 914 Jahres - Bericht Centrum für die Willkürbewegung der Vorderpfote ist das Erste, das sich bildet, dann folgt (13. Tag) das der Hinterpfote, dann das der Faeialis u. s. w. Die Öentra bilden sich nach und nach, anfangs ist der Bezirk jedes Centrums ausgedehnter als späterhin. Uebrigens sprechen individuelle und Racen-Eigenthümlichkeiten mit. Die Reflexbewegungen sind also die primären (Bahn der Hirnschenkelhaube), bei der Geburt vorhandenen. Sie lassen nach und nach durch die Wiederholung, Empfindungsreste, Bewegungsgefühle zurück, die als Bewegungsvorstellungen in der Rinde fixirt werden, von wo sie sich dann späterhin als secundäre Willens- bewegungen (Bahn des Hirnschenkelfusses) geltend machen. Es handelt sich demgemäss bei letzteren auch um einen dem Reflex analogen Vor- sang; nur dass die Auslösungskette keine continuirliche ist, sondern eine Nebenleitung mit Zwischenstation (Rinde) eingeschaltet ist in den Reflex- bogen. Und da in den Rindenzellen bei Aufspeicherung der Bewegungs- vorstellungen bestimmte moleeulare Veränderungen vor sich gehen müssen, da dieselbe bestimmte Bewegung somit an die Zelle haftet, in ihr prä- formirt ist, so dass der Reiz von dort aus stets dieselbe Bewegung auslöst, so erhält der sogenannte „freie Wille“ seine grosse Einschränkung. Noch eclatanter konnte Soltmann die Abwesenheit der Willkürbewegungen bei Neugebornen beweisen, wenn er diesen die beiden Grosshirnhemi- sphären sammt dem Streifenhügel entfernte. Während nämlich beim erwachsenen Thiere unter solehen Umständen sofort sämmtliche Willkür- bewegungen sistiren, die Thiere schlafähnlich in sich zusammensinken und so bis zum Tode verharren, so anders beim Neugebornen. Hier gehen sämmtliche Bewegungen nach der Operation gerade so wie vor derselben von Statten. Das Thier macht selbst seine Saugbewegungen, wenn man ihm den Finger zwischen die Lippen schiebt. (Analoges bei Gesichts- lagen in Utiero, wenn man touchirt.)- Alle diese Bewegungen sind also refleetorische, zu deren Zustandekommen die Hemisphären überflüssig sind. — Rückschlüsse vom Hund auf den menschlichen Säugling sind selbst- verständlich. Auch hier wird die Entwickelung der mot. Centren an gewisse Epochen gebunden sein, aber dem Charakter der Species ent- sprechend, wird sich die Sache ganz verschieden verhalten. Der Hund braucht anfangs am meisten die Vorderpfoten daher das Centrum zuerst entsteht, weil zuerst die Bewegungsvorstellung in der Rinde fixirt ist, dann folgt das Centrum der Hinterpfote, weil der Hund auf 4 Füssen zu laufen bestimmt ist, u. s. w., anders beim Säugling; hier ist es die Hand, die zuerst fähig wird, ihre Verrichtung unter Leitung des Willens zu erfüllen (7. Lebenswoche), dies geschieht zugleich mit dem Erlernen der Aeccomodation der Augenmuskeln, dann folgen die Bewegungen des Halses, Kopfes u. s. w., und erst zuletzt die der Beine, die noch bei 6—7 Mo- naten alten Kindern ganz regellos und unwillkürlich bewegt werden. Demgemäss wird sich die Reihenfolge der Entwicklung der Centra der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 215 gestalten. — Die grössere Ausdehnung der einzelnen Rindenbezirke anfangs erklärt sich Soltmann durch Irradiation, die um so mehr statthaben müsse, je weniger differeneirt die Rindenfelderung, und umgekehrt, je differeneirter, d. h. je mehr Bewegungsvorstellungen gesammelt, desto isolirter der einzelne Bezirk. (Beispiele) Daraus lässt sich auch begreifen, wie ver- schieden die mot. Fähigkeiten der einzelnen Individuen sein müssen und können, je nach der Zahl ihrer Bewegungsvorstellungen u. s. w. Die Extirpations-Versuche von Soltmann entsprachen seinen Reizver- suchen. Hatte der elektrische Reiz keine Bewegung zur Folge, so die Extirpation des Bezirkes auch keine Bewegungsstörung (Ataxie, Muskel- sinnlähmung), und umgekehrt. Die Extirpation der Rinde bei Neugebornen hatte, wenn diese am Leben erhalten wurden, aber auch späterhin keine Lähmung zur Folge; dies, sowie den Ausgleich der Lähmung bei erwach- senen Hunden, denen die Rinde extirpirt, erklärt sich Soltmann durch das funetionell vieariirende Eintreten der Rinde des correspondirenden Vorder- lappens der anderen Hemisphäre (durch das Experiment in einem Falle bestätigt). Wie nach doppelseitiger Extirpation die Sache sich stellt, konnte Soltmann nicht entscheiden. Endlich hat Soltmann auch das Gehirnmark auf den eleetrischen Strom geprüft. Vom Mark aus (Fasenzüge der caps. int., zwischen Seh- und Streifenhügel) konnte er schon bei neugebornen Hunden die charakteristische Zuckung der Vorderpfote, aber nur dieser, hervorrufen, auch von ober- flächlichen Theilen aus, dicht unterhalb der Rinde gelang ihm dies bei 1—2 Tage alten Hunden, in anderen Fällen musste er tiefer gehen, um den Effect zu erhalten. Die Verschiedenheit der Oertlichkeit erklärt sich Soltmann dadurch, dass die Fasern noch nicht völlig mit Markscheiden umgeben und dadurch noch nicht genügend isolirt sind; geschieht dies von unten auf die Peripherie zu, so wird die Bewegungsvorstellung der Rinde immer näher geführt, endlich in dieser fixirt, was damit überein- stimmt, dass das Centrum für die Vorderpfote das erste ist, das sich bildet. Ferner geht aus diesen Versuchen hervor, dass die Anschauung, als ob die Bewegung nach Reizung der Rinde nicht von dieser herrühre, sondern von tiefer gelegenen Organen, die durch Stromschleifen in Action versetzt würden, falsch ist. — Der Streifenhügel ist bei neugebornen Hunden nicht motorisch. In der Sitzung am 29. October berichtete Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt über die operative Entfernung eines grösseren Kehlkopfpolypen. Die Operation wurde aus2 Grüuden nöthig einmal, um Erstickungsgefahr damit abzuwenden und zweitens, weil das Athmungshinderniss in diesem spe- ciellen Falle als Ursache vonepileptiformen Anfällen verbunden mit 916 Jahres - Bericht apopleelischen Insulten, angesehen werden musste. Der 54jährige Kranke, seit 1867 heiser, stellte sich im Juni 1374 dem Vortragenden vor, der eine polypöse Neubildung von mittlerer Grösse auf dem linken wahren Stimmbande eonstatirte; die Operation schob der Kranke auf. Es traten nun in steigender Zahl epileptiforme Anfälle mit mehr oder minder flüch- tigen halbseitigen Lähmungen auf und zwar offenbar häufiger in dem Maasse, als der Polyp wuchs. Bis zum Anfang September 1875 hatte sich derselbe derartig vergrössert, dass er fast die ganze Stimmritze ausfüllte und höchste Athemnoth verursachte, weshalb sieh Patient endlich zur Operation entschloss. Der Vortragende entfernte am 19. September mit dem ungedeckten Kehlkopfmesser den Polypen in seiner ganzen Aus- dehnung, indem er ihn parallel dem linken Stimmbandrande abschnitt, an dem er mit breiter Basis ansass. Derselbe ist ein derbes Fibrom, hat 1,5 cm Länge, 0,6 em grösste Dieke und 0,9 em Höhe und zeigt am freien Ende papillare Wucherungen. Die Frage über die Abhängigkeit der epileptiformen Anfälle von dem hochgradigen Athmungshinderniss glaubte der Vortragende derartig beantworten zu können. An sich macht selbst bedeutende Stenose der Luftwege nicht epileptische Anfälle. Da aber vor 15 Jahren der Kranke in Folge einer Nervenzerrung durch Narben einige epil. Anfälle hatte, welche nach Exeision der Narben verschwanden, so ist eine Disposition (Ladung der Ganglienzellen in der Med. oblong. — Schröder v d. K.) zu Epilepsie bei ihm anzunehmen erlaubt. Dies zu- gegeben, muss man in der Ueberladung des Blutes mit Kohlensäure durch das Respirations-Hinderniss eines Theils direete Reizung des verlängerten Marks und in der Cumulation der Kohlensäure in der Lungenluft Reizung der Vagusenden und dadurch Reflexreiz auf die Med. oblong. als Anlässe zum epilept. Anfall erkennen. Dafür sprechen auch die 'Thatsachen, dass die Anfälle sich steigerten in dem Maasse, als der Polyp grösser wurde, dass die Anfälle vorzugsweise auftraten, wenn der Patient sich umlegte, wobei das Fibrom nach rückwärts sinkend die Stimmritze noch mehr verengte, ferner, dass vor der Operation Genuss von Wein Anfälle hervor- rief und nach der Operation nicht, und dass seit der Operation wenigstens bis jetzt kein epilept. Anfall mehr aufgetreten ist. Dann stellte Herr Dr. Jany einen Fall von Trideremia congenita vor. Patientin ist 23 Jahre alt, Tochter eines Schlossers aus der Gegend von Reinerz. Ihre beiden jüngeren Brüder, sowie ihre Eltern und Gross- eltern sollen gesunde und gute Auge haben. Sie besuchte von ihrem 8. bis 13. Lebensjahre die Dorfschule und hat lesen und schreiben gelernt. Sie giebt aber, an, dass sie stets kurzsichtig gewesen sei und gezwinkert habe. Später trat sie in Dienst als Viehmagd und konnte sich in den Musestunden ihre defeeten Kleidungsstücke selbst flieken. Bis zu ihrem der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 317 18. Lebensjahre hat sie niemals eine Entzündung oder Schmerzen in den Augen gehabt. Dann aber begann eine allmälige Verschlechterung ihres Sehvermögens und hat jetzt einen so hohen Grad erreicht, dass die Kranke ‚nit dem rechten Auge Finger nur noch auf 8—10 Centimeter Entfernung zählt, mit dem linken aber blos die Bewegung derselben merkt — vor 2 Jahren, wo der Vortragende die Patientin einmal flüchtig sah, konnte sie noch mit dem rechten Auge von Nr. 20 (Jäger) einzelne grosse Buch- staben, mit dem linken ebensoviel von Nr. 23 (Jäger) anf eirca 10 cm erkennen. Bei oberflächlicher Betrachtung der Augen fällt zunächst das Zwinkern und der Nystagmus auf, im Uebrigen erscheinen beide Bulbi wohlgeformt und von normaler Grösse. Die Cornea zeigt keine merkliche Abweichung in Bezug auf Form und Krümmung, wie man es mitunter bei solchen Augen- beobachtet bat; ihre Durchsichtigkeit ist aber in Folge einer lang be- stehenden oberflächlichen Keratitis sehr beeinträchtigt, so dass die genaue Untersuchung einzelner bei dieser seltenen Anomalie — der Vortragende hat unter 50,000 von ihm beobachteten Augenkranken diesen Bildungs- fehler bisher nur viermal gesehen — noch nicht aufgeklärter Punkte _ unmöglich ist. Die Farbe der Pupille, die ebenso gross erscheint wie die Cornea, ist dunkel, mit einem starken Stich ins Graublaue. Von der Iris ist keine Spur zu sehen, weder bei auffallendem Tageslichte, noch bei seitlicher künstlicher Beleuchtung. Noch besser überzeugt man sich hiervon bei durchfallendem Lichte mit dem Augenspiegel, wo man deutlich sieht, dass die Grenzen der roth erleuchteten Pupille genau der Peripherie der Cornea entsprechen. Bei seitlicher Focalbeleuchtung bemerkt man ferner auf beiden Augen, dass die untere Hälfte der vorderen Kammer dunkeler, die obere heller und zwar bläulich - grau erscheint. Die Trennungslinie dieser beiden Farben-Nüaucen beschreibt einen nach unten convexen Bogen und wird vom untern Linsenrand gebildet, der sich bei durchfallendem Lichte als schwärzlicher, nach unten convexer Bogen deutlich markirt und wie bemerkt, das Pupillargebiet in 2 fast gleiche Hälften theilt. Diese enorme Ectopie beider Linsen nach Oben ‚zeichnet diesen Fall ganz besonders vor anderen ähnlichen aus. Leider lässt sich wegen der Cornealtrübnug mit Hilfe des Purkinje-Sanson’schen Versuches nicht feststellen, wie weit der untere Linsenrand resp. die Vorderfläche der Linse von der Hinterfläche der Cornea entfernt ist und ob die Linse von normaler Grösse, demnach mit ihrem oberen Aequatorialrande nach oben und hinten verschoben, oder ob ihr oberer Rand vielleicht verkümmert ist. Natürlich lässt sich demzufolge auch nicht nachweisen, ob die Zonula Zinni nach unten defect ist, ebensowenig, ob die Ciliarfortsätze vor- handen sind oder nicht, sodann kann man die Refraction des Auges nicht bestimmen und ob Accommodation resp. ob der Tensor Chorioideae ‚da ist. 218 Jahres - Bericht Schliesslich lässt sich einmal wegen der Cornealtrübung, sodann wegen des Nystagmus nieht genau ophthalmoskopisech eonstatiren, welche Ver- änderungen der Hintergrund zeigt. Rechterseits sind im untern Theil des Glaskörpers einige strangförmige Opacitäten zeitweise sichtbar. Bezüglich der Aetiologie lässt sich nichts auffinden; Vererbung, die einige Male in solchen Fällen beobachtet worden ist, kann man hier aus- schliessen und so ist man genöthigt, als Rrklärungsgrund der Anomalie eine „Hemmungs-Bildung‘‘ anzunehmen, die demnach in den dritten Monat des Fötallebens, wo sich die Iris bilden soll, verlegt werden muss. In der Sitzung am 12. November hielt Herr Dr. Hempel einen Vortrag über Lage und Gestalts-Anomalien des nicht graviden Uterus und deren Behandlung. In einleitenden Bemerkungen theilte Vortragender die bislang ange- wendeten Methoden mit, die normale Lage des Uterus zu bestimmen. Die werthvollste derselben ist die bimanuelle Untersuchung an der lebenden gesunden Frau, und ihr Resultat, dass sich in der Mehrzahl der Fälle der Uterus bei leerer Blase in Anteversion oder in Anteflexion befindet, besitzt den Werth der Thatsache. Ist demnach auch der Schluss gerecht- fertigt, das als normal und als Durchschnittslage anzuerkennen, was wir bei der Mehrzahl finden, und was zu Beschwerden keine Veranlassung giebt, so bleibt doch die Berechtigung fraglich, jedes Abweichen des Uterus von dieser Lage als etwas Pathologisches und als Object einer Behandlung beirachten zu dürfen. - Eine methodische Untersuchung und Prüfung der Beschwerden legt nämlich den Gedanken nahe, dass die Lage der Gebärmutter als Quelle wirklicher Störungen nur dann zu betrachten ist, wenn sie stabil oder nahezu stabil, d. h. wenn der Uterus aus irgend einem Grunde an seiner freien Beweglichkeit gehindert ist. Die Therapie hat demnach die Auf- gabe, nicht die falsche Lage der Gebärmutter zu corrigiren, die als solche für den Kliniker nicht existiren darf, sondern derselben die Möglichkeit freier Bewegungen wieder zu verschaffen. Letztere sind allerdings durch verschiedene Einrichtungen beschränkt und regulirt, so dass die im Vor- trag ausgesprochne Ansicht nicht Cruveilhier’s unhaltbare Indifferenz-Theorie vertheidigt. | Abgesehen von Tumoren, die den Raum im kleinen Becken beschränken, sind die Störungen der Beweglichkeit zurückzuführen auf Congestionen und chronische Vergrösserung der Gebärmutter, auf Entzündungen und Scehrumpfungen im Parameirium, vielleicht auf peritonitische Adhäsionen. Für alle diese Fälle ist mit einer einzigen Ausnahme nur eine symptomatische Behandlung (Auflockerungs-, Resorptions-Therapie) indieirt; die Ausnahme der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 219 bilden die stabilen Retroversionen, veranlasst durch entzündliche Ver- srösserung des Uterus. Die mechanische Behandlung, die hier einzuleiten ist, hat, wie aus dem oben Gesagten folgt, nicht den Zweck, eine normale Lage des Uterus herzustellen, sondern sie wird angewendet, um die Re- duction des vergrösserten Organs zu bewirken, die, gelingt es, den Uterus zu reponiren und reponirt zu halten, nur selten ausbleibt, und um die starke Dehnung der für die Bewegungen der Gebärmutter so wichtigen Verbindung mit der Blase hintanzuhalten. Dafür ist jedoch Bedingung, dass der Uterus in vollständige Anteversions-Stellung gebracht und darin eine Zeit lang retentirt wird. Diese Anforderung erfüllt der Mayer’sche Ring nicht, das Hodge’sche Instrument nur bei straffen Vaginalwandungen, am Besten das Schultze’sche Pessar in seinen beiden Formen. (ef. Arch. f. Gynäkol. 1. IV. 3.) Von den Lage-Veränderungen sind die Gestalts- Anomalien des Uterus nicht zu trennen. Auch hierbei hat der Kliniker einen anderen Standpunkt, als der Anatom; eine gekniekte Gebärmutter repräsentirt für ihn nur dann eine wirkliche Anomalie und ein Object für die Therapie, wenn der Winkel starr ist und sich nicht spontan aus- gleicht. Eine für die Behandlung passendere Eintheilung, als die früher übliche, auf die Grösse des Kniekungswinkels basirende, ist diejenige, die den Grad der Dehnbarkeit desselben zu Grunde lest. 1. Der Uterus ist geknickt, der Knickungswinkel gleicht sich aber spontan oder durch den intraabdominellen Druck aus: Anteflexion; keine Behandlung — Retroflexion; Reposition des Uterus und, wenn nöthig, Applieation eines ‚Vaginalpessars. 2. Der Uterus ist geknickt, der Winkel ist jedoch nur instrumentell zu heben: Stift; neben diesem noch in einigen Fällen Vaginalpessar. 3. Der Uterus ist geknickt, der Flexionswinkel ist jedoch starr und gleicht sich weder spontan noch instrumentell aus: symptomatische Be- handlung. - Schliesslich wird darauf hingewiesen, dass die Noihwendigkeit einer mechanischen "Therapie ziemlich beschränkt, die Zahl der für diese ge- eigneten Fälle aber noch dadurch wesentlich redueirt ist, dass wir bei vielen unserer Patientinnen das Pessar misslicher Nebenumstände wegen entweder gar nicht placiren, oder nicht so plaeiren können, wie es für den intendirten Erfolg nothwendig ist. Hierauf berichtete Herr Dr. Litten über einen Fall von Ureteritis chronica cystica polyposa. In der Leiche einer 75jährigen Frau, welche an einem intraperi- cardialen Aneurysma mit relativer Aorteninsuffieienz zu Grunde gegangen ar, fand sich die linke Niere hochgradig geschrumpft, während die rechte im Zustand der Hydronephrose angetroffen wurde. Der zu letzterer gehörige Ureter war in hohem Grade verdickt und verlief sehr gewunden 220 Jahres- Bericht in sonst normaler Weise zur Blase. Sein Umfang betrug 4 em, und auf seiner Innenfläche erschien derselbe äusserst uneben. Diese Unebenheit rührte von einer zahllosen Menge verschieden grosser und verschieden gefärbter Cysten her, welche in die Schleimhant eingebettet und darüber prominirend, so dicht aneinander standen, dass man nirgend dazwischen die Mucosa sehen konnte. Dieser Zustand erstreckte sich in einer Aus- dehnung von 13 cm, vom Nierenhilus aus gerechnet nach abwärts, dann verengerte sich der Durchmesser des Ureter ziemlich schnell auf 2 em. Im Bereich dieser Stelle fanden sich auch noch Cysten, doch standen dieselben hier nieht mehr so dieht gedrängt und hingen zum Theil an kleinen, langausgezogenen Stielen. Weiter unterhalb verjüngte sich der Umfang auf 1 cm, und hier fand man quer durch den ganzen Ureter ziehend eine lineare Narbe, welcher parallel, 1'/, em weiter abwärts eine zweite, mehr strahlenförmige Narbe hinzog, welche das Lumen fast völlig verschloss. Zwischen beiden war die Schleimhaut oberflächlich erodirt, und in ihr eingebettet fand sich ein ziemlich hartes, schwarzes Conerement, welches aus einem Harnsäurekern und einem Mantel aus oxalsaurem Kalk bestand. -—- Die Wandung der beschriebenen Cysten war stark vascu- larisirt und bestand ihrer Grundsubstanz nach aus Bindegewebe, welche$ auf der innern Fläche ein einschichtiges Plattenepithel trug. Der Inhalt derselben reagirte neutral, war zähe-fadenziehend, flüssig, und ergab mit Essigsäure ausgesprochene Mucinfällung. Er bestand aus einer grossen Menge der verschiedenartigsten morphologischen Bestandtheile. Ausser weissen und rothen Blutkörpern und freien Kernen, fanden sich eine Menge normaler Epithelien und grosse Fusszellen, wie sie in den tiefern Schichten der Ureter-Schleimhaut constant gefunden worden. Ausserdem enthielt der Inhalt sehr viele amorphe, stark glänzende und in verdünnter Kalilauge lösliche Schollen und Klumpen, welche theils ganz homogen und mit Fettiröpfehen besetzt waren, theils in ihrem Centrum eine anders lichtbrechende, stark differenzirte Masse bargen, die entweder sich mit scharfer, gezackter, riffartiger Begrenzung gegen ihre Grundsubstanz ab- setzte, oder exquisit geschichtet war. Es handelte sich demgemäss um eine eystische und polypöse Degeneration der Ureter-Schleimhaut, als deren primäres der Kataırh aufgefasst werden muss, welcher die Folge der narbigen Constrietion und der davon resultirenden Behinderung des Harnabflusses war. Die Seltenheit derartiger Cystenbildungen an dieser Stelle gegenüber der verhältnissmässig grossen Häufigkeit von Verengerung des Harnleiters, sei es in Folge von Narbeneonstrietion oder der Ein- keilung von Concrementen muss auf ganz bestimmten anatomischen Ein- richtungen beruhen, welche sich bei verschiedenen Individuen wahrschein- lich sehr verschieden gestalten. Es wird gewöhnlich angegeben, dass sich in der Ureter-Schleimhaut keine Drüsen, sondern nur ganz ober- flächliche Krypten befinden, welche sehr weite Orifieien haben. Bei einer | | | \ = a ES N Pa a FRE Zi! ee 2 der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 331 derartigen Beschaffenheit der Schleimhaut wird es wohl kaum jemals zur Cystenbildung kommen, sondern man wird für derartige pathologische Veränderungen eine abnorme Tiefe der Krypten oder ein angeborenes Vorhandensein von Drüsen annehmen müssen, Weiter sprach Herr Dr. Litten über einen Fall von Polyarthritis urica. Der Fall betraf einen 41ljährigen Maschinenmeister, welcher au mehreren Attaquen von acutem Gelenkrheumatismus gelitten hatte, von denen die erste ihn in seinem 8. Lebensjahre ergriff. Nach 18 Jahren erfolgte eine sehr heftige Recidive, von welcher Patient sich nicht mehr vollständig erholte. Die Gelenkschmerzen bestanden fort, von Zeit zu Zeit trat eine Exacerbation der Gelenkaffection ein, schliesslich kam es zu hochgradigen Deformitäten und Ankylosen, welche die Beweglichkeit in hohem Grade beeinträchtisten. Auf der innern Klinik, auf welcher Patient Hilfe von seinen Leiden suchte, constatirte man hochgradige Ver- krümmungen an Händen und Füssen, stumpfwinkelige Ankylose der Knie- gelenke, Flexions- und Adductionsstellung der Hüftgelenke, sowie grosse Schmerzhaftigkeit der Schultern, Ellbogen und Fussgelenke, welche activ so gut wie gar nicht bewegt wurden. Patient entleerte im Durchschnitt subnormale Mengen eines hellgelben, ganz klaren, von morphologischen Bestandtheilen freien Harns, welcher während der ganzen l4tägigen Beobachtungszeit von Eiweiss starrte. Bedeutende Oedeme wurden con- statirt, welche als Höhlenhydropsien und Anasarca aufgetreten waren. Der Puls war langsam und schwach, aber durchaus regelmässig; die Herztöne überall vollständig rein. In beiden Lungenspitzen kleine eireum- sceripte Infiltrate.e Milz und Leber von normaler Grösse. Durchfall war nie vorhanden. Patient erlag seinen Leiden nach l4tägigem Aufenthalt in Krankenhaus unter zunehmenden Oedemen und Eutkräftung. Die Section bestätigte die klinischerseits angenommenen Gelenks- veränderungen. Dieselben bestanden an den kleinen Gelenken der Hände und Füsse in Subluxationen, welche besonders hochgradig an deu Metatarso (resp. carpal) — Phalangeal-Gelenken waren, aber auch an den übrigen kleinen Gelenken nicht fehlten. Die Gelenkflächen dieser, sowie sämmt- licher grossen Gelenke waren in dicken Lagen mit einer glänzend weissen Masse von Salbenconsistenz bedeckt, welche dieselben wie eine Kappe umgaben; hierdurch erschienen sie wie mit Bleiweiss bestrichen. Auch die fibrösen Theile des Gelenks, die Gelenkkapsel, die Ligamente, das Periost der Epiphysen, sowie endlich die Synovialmembran waren total mit jenen weissen Massen durchsetzt und erschienen vollständig weiss, Von den Gelenken erstreckten sich dieselben Massen, dem Verlauf der Sehnen folgend, theils in die Scheiden derselben, theils in die Substanz der Sehnen selbst eingelagert und zum Theil hier in körniger Form bis 222 Jahres-Bericht zu den Knie- und Ellbogengelenken, fanden sich jedoch auch am Oberarm. Selbst in der Substanz der Muskeln waren sie, in fibrösen Säck en einge- schlossen, ziemlich zahlreich vorhanden. Auch der Kehlkopf zeigte zahl- reiche Ablagerungen derselben Masse, theils in der Schleimhaut, theils im Knorpel und Perichondrium; ebenso das Lig. erico-arytaenoideum, so wie die basalen Gelenkflächen des Giessbecken- und Ringknorpel. (Störungen der Phonation waren nicht vorhanden gewesen.) — In den Lungenspitzen einige circumscripte käsige Herde; an der Vorderfläche der Mitralis frische Vegetationen. Milz normal gross, sehr derb. Die Niere im Sta- dium ziemlich hochgradiger Granularatrophie. Bei Behandlung mit Lu- sol’scher Lösung traten die Glomeruli als dunkelbraun-rothe Punkte deut- lich hervor. | Die chemische und mikroskopische Untersuchung jener beschriebenen weissen Ablagerungen in den Gelenken und dem Kehlkopf ergab, dass dieselben aus harnsaurem Natron bestanden, welches meist in der charakteristischen Form der Nadeln (sechsseitige Prismen) sich darstellte. Abgesehen von der ungewöhnlichen und hochgradigen Localisation der Gieht im Larynx‘, ist dieser Fall ausgezeichnet durch die bisher nicht beschriebene Complication von Schrumpfniere mit amyl. Degen. bei einem Gichtkranken. Die chron. Processe der Lunge können als ätiologisches Moment für die amyl. Degen. wohl nicht gut angesehen werden, weil sie zu unbedeutend ‚waren; dagegen scheint es wahrscheinlich, dass die chronisch entzündlichen Processe, welche zu den Gelenkdeformitäten führten, als Causalmoment für ‘die nachfolgende Degen. anzusehen ist. Dergleichen Processe können auch ohne Eiterung erfahrungsmässig dazu führen. Wie- viel von diesen entzündlichen’Processen auf den Gelenkrheumatismus, und wieviel auf Kosten der Gicht kommt, wird sich jetzt noch nicht ent- scheiden lassen, da bisher eine Complication dieser Krankheit mit amyl. Degen. noch nicht beobachtet ist. Die Amyloidveränderung der Nieren war in diesem Fall, obgleich sehr hochgradig, doch mikroskopisch kaum zu erkennen, und die Complication wäre bei der Section wohl übersehen worden, wenn die Diagnose klinischerseits nicht darauf gestellt worden wäre. Es ist daher nicht unmöglich, dass auch früher schon diese Com- plieation vorgekommen, aber nicht erkannt worden ist, weil die Symptome intra vitam die Aufmerksamkeit der Aerzte nicht darauf gelenkt hatten. In diesem Fall waren es hauptsächlich die starken Oedeme zusammen mit dem ganzen Harnbild, besonders dem hohen Albumingehalt, welche die Diagnose des amyl. Degens. wahrscheinlich machten. In der Sitzung am 19. November sprach Herr Dr. Fränkel über den Modus und die Erfolge intrauteriner Cauterisationen bei der Behandlung von Schleimhauterkrankungen der Körperhöhle des Uterus. ee der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 333 Weiter Herr Professor Gscheidlen über Rolletts compendiösen Batterieumschalter. Vortragender hob die Vorzüge dieses Apparats hervor, welcher ge- stattet, die einzelnen Elemente einer galvanischen Batterie auf die ver- schiedenartigste Weise mit einander zu verkoppeln, ohne dass dabei die Verbindungen der Poldrähte geändert zu werden brauchen. Weiter demonstrirte derselbe eine einfache Construction des von Bunsen modificirten Kemp’schen Regulators. Diesen Regulator kann man sich aus den Mitteln, die in einem Laboratorium stets vorräthig sind, jeder Zeit selbst dadurch herstellen, dass man eine unten zugeschmolzene Glasröhre von etwa 50 mm Länge und 15 mm Breite zur Hälfte mit Quecksilber füllt und dieselbe alsdann durch einen mit einem Loche versehenen Kautschukpfropfen, in dessen Durchbohrung eine mit einem seitlichen Ansatz versehene Glasröhre steckt, verschliesst. In letzterer Röhre befestigt man mittelst fest ge- wickelten Papiers ein kurzes dünnes Röhrchen, das mit einem kleinen Loch versehen ist. Die Einstellung des Regulators auf eine bestimmte Temperatur geschieht durch Verschieben der mit seitlichem Ansatz ver- sehenen Glasröhre in dem tubilirten Kautschukpfropfen. In einem Brütofen hält sich die Temperatur mit diesem Regulator innerhalb 2 bis 3° C. lange Zeit constant. Schliesslich wies Vortragender eine Modification des Crosley’schen Gasdruckregulators vor. Man stellt sich diesen Apparat dadurch her, dass man auf ein unge- fähr 1 dm langes und 60 mm breites Präparatenglas, das mit einem ebenen Rande und seitlicher Oeffnung versehen ist, eine dünne Kautschuk- lamelle mittelst eines Kautschukringes so befestigt, dass in der Mitte des- selben sich eine kleine Vertiefung befindet. In die Kautschuklamelle macht man seitlich ein kleines Loch, umklebt dasselbe mit einem Kork- ringe und bringt darin ein kurzes Glasrohr an; weiter kittet man auf die Mitte der Lamelle einen hölzernen Kegelstif. Auf das Präparatenglas wird ein ähnliches Gefäss gesetzt, dessen Boden abgesprengt ist; beide Gefässe werden mittelst eines Kautschukringes verbunden. Das obere Glas wird weiter durch einen Kautschukring verschlossen, in dessen Mitte sich die gebogene Glasröhre befindet, in welches der Kegelstift hineinragt. Der Apparat wird zwischen die Gasleitung und den Wärmeregulator ein- geschaltet; das Gas tritt durch die seitliche Oeffnung des unteren Prä- paratenglases in den Apparat, geht in demselben weiter durch das Glas- röhrehen in der Kautschuklamelle in das obere Präparatenglas und von 924 Jahres- Bericht da durch die gebogene Glasröhre zu dem Wärmeregulator. Bei mässigem | Gasdruck wird die Kautschuklamelle mässig gespannt, steigt der Gasdruck aber, so wölbt sich dieselbe in die Höhe und der Kegelstift wird in die obere Glasröhre hineingeschoben. Wie weit dies geschelien soll, regulirt man durch Verschiebung der oberen Glasröhre in dem Kautschukpfropfen. Damit die Flamme des Brenners auch bei dem stärkesten Gasdrucke nicht erlischt, ist an dem Kegelstift eine seitliche Rinne angebracht. In der Sitzung am 26. November demonstrirte Herr Dr. Jany einen Cysticercus subretinalis in einem Auge, das vor zwei Tagen enucleirt worden war. Die Enu- cleation musste vorgenommen werden. wegen einer ‚durch den COysticercus hervorgerufenen sehr acuten Iridochorioiditis, die eine sympathische Affec- lion des andern Auges befürchten liess. Der Fall betraf einen 26 Jahr alten, sonst ganz gesunden und kräf- tigen Locomotivheizer, der im März d. J. plötzlich unter Kopfschmerzen eine Verschleierung des rechten Auges bemerhte und 5 Tage darauf augen- ärztliche Hilfe suchte. Der unter den Erscheinungen einer Retinitis (apoplectica), die ur- sprünglich für eine speeifische gehalten wurde, an der Macula lutea ein- gewanderte Cysticercus-Embryo war anfänglich durch die Blutextravasate verdeckt und nicht zu sehen; er wurde erst 12 Tage später, nachdem er sich bereits weiter entwickelt und die unterhalb seiner Einwanderungsstelle gelegene Netzhautpartie blasig vorgetrieben hatte, diagnostieirt. Der Pa- tient trug das Entozoon 7 Monate ohne irgend welche Schmerzempfindung, bis plötzlich die Iridochorioiditis eintrat. Der Bulbus war 3!/, Stunden nach der Enucleation in einer prä- äqualoriellen Ebene durchschnitten und bisher in verdünntem Alkohol aufbewahrt worden. Trotz der hierdurch eingetretenen Veränderung der Gewebe sah man deutlich nach Entfernung des Glaskörpers die Retina in ihrem ganzen hinteren Abschnitt sammt den mit Blut gefüllten grösseren Venen; sie zeigte sich von der Pupille aus nach allen Richtungen hin in grösseren und kleineren Falten (Leisten) abgelöst und nur dicht unterhalb der Macula lutea kuglig vorgetiieben. An letzterer Stelle lag die ein wenig linsenförmig abgeplattete nakte Cysticercusblase, eingebettet in das fast -1 mm dicke, grauweissliche, frische Exsudat der Chorioideas und zwar mit ihrem Kopftheil, der sich durch die Kalkkörperchen deutlich markirte, nach vorn gerichtet und dicht an der Retina an. Der Durchmesser der Blase betrug fast 5 mm. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 2235 Weiter referirte Herr Dr. Buchwald von experimentellen Untersuchungen über Structurveränderungen der Niere nach Unterbindung ihrer Vene, die er in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Litten angestellt hat: Es wurde bei Thieren (Hunden und Kaninchen) die linke Nierenvene unterbunden, um die darauf eintretenden Structurveränderungen der Niere, der Zeit und dem Wesen nach, kennen zu lernen. Folgendes war der constante Befund: Einer unmittelbar nach der Unterbindung beginnenden und allmälig zunehmenden hochgradigen Stauung mit Blutungen ins Gewebe, folgte Verfettung und Zerfall der secernirenden zelligen Elemente und Schutz- Epithelien. Die Verfettung begann frühestens 12 Stunden nach der Unter- bindung. Das gesammte Organ nahm bis zum 6. Tage an Grösse und Gewicht zu, dann trat Verkleinerung ein, theils durch Aufsaugung des ergossenen Blutes, der verfettenden, zertrüämmerten Zellen, theils durch Fortschaffung der letzteren mit dem Harn. Nach 4--6 Wochen war die Niere vollkommen atrophisch. Auffallend wenig verändert erschienen stets die Gefässknäuel, die auch im ganz atrophischen Organe relativ wohl erhalten aussahen und nur ein wenig kleiner und einander genähert gefunden wurden, während die Harnkanälchen theils collabirt, theils mit Zelltrümmern in Schollenform vollgestopft angetroffen wurden. Einmal zeigten sich neue, grosse, venöse Abflussbahnen durch die Nierenkapsel. Die Veränderungen waren analog den in janderen Organen (Leber, Sehnerv) nach langdauernden, hochgradigen Stauungen beobachteten. In der Sitzung am 10. December hielt Herr Professor Dr. Förster einen Vortrag über eine Augenkrankheit der Bergwerksarbeiter. Die beiden von dem Vortragenden vorgestellten Kranken, Bergleute aus der Gegend von Waldenburg, klagen über Sehstörungen sehr be- deutender Art; sie sind in Folge derselben zu ihrer Berufsarbeit unfähig geworden. Die Untersuehung der Sehschärfe, der Refraetion, der Em- pfindlichkeit für schwache Lichtquantitäten, der brechenden Medien, der Netzhaut und Aderhaut ergiebt fast nichts abnormes; wenigstens würden die geringen Abweichungen vom normalen Zustande die Arbeitsunfähig- keit in keiner Weise erklären. Es ist bei den Patienten nichts gestört als das physiologische Gleichgewicht der äusseren Augenmuskeln und und zwar tritt diese Störung nur ein bei gewissen Blickrichtungen. So lange die Sehlinien etwa 30—45° unter die Horizontale gesenkt sind, (wie dies z. B. beim Lesen und Schreiben, beim Essen, Gehen ete. der Fall zu sein pflest), fühlen die Kranken keinerlei Belästigung; sowie der ‘15 226 } J Ehre Naericht Blick aber bis in die Horizontalebene oder über dieselbe erhoben wird, beginnt sofort eine lebhafte zuckende Bewegung der Angäpfel in an- nähernd senkrechter Richtung. Diese Osecillationen werden desto stärker, ‘je mehr der Blick nach oben geführt wird. Dem Kranken kommen diese unwillkürlichen Bewegungen der Augäpfel dadurch zum Bewusst- sein, dass ihnen alle Gegenstände ähnliche oscillirende Bewegungen zu machen scheinen, wie seine Augen sie thatsächlich ausführen. Versucht ein solcher Kranker eine Lichtflamme zu fixiren, die sich etwas über der Horizontalebene befindet, so erscheint sie ihm in vertical stehenden Ellipsen, lebhaft oseillirend u. s. w. Dieser Gesiehtsschwindel hat nur für alle intendirten Bewegungen und für die Orientirung sehr störende Consequenzen. Dem Kranken geht das Urtheil über die Entfernung ver- loren; er läuft in der Grube an seine Mitarbeiter an, weil er sie noch fern glaubt; er trifft beim Zuschlagen mit der Spitzhaue und dem Klöpsel nicht den richtigen Ort; auf der Strasse stören ihn des Abends nament- lich die tanzenden Gasflammen; er muss dann den Kopf stark nach hinten biegen um so die Sehlinien zur Antlitzfläche spitzwinklig nach unten zu stellen; dann stehen die Gasflammen ruhiger u. s. w. Der Theil des Blickfeldes, in welehem die Gegenstände ruhiger stehen, ist von dem Theile, in dem die Objeete oseillirend erscheinen, nicht durch eine be- stimmte, allemal in demselben Neigungswinkel zur Horizontalebene ge- legene Grenze. geschieden. Unter gewissen Bedingungen rückt vielmehr diese Grenze etwas nach unten und das Blickfeld‘ der Osecillationen wird grösser auf Kosten des ruhigen Blickfeldes. Diese Bedingungen sind. 1) starke Herabsetzung der Beleuchtung; 2) körperliche Anstrengung; 3) vorangegangene Osecillationen selbst, wenn diese bereits von einiger Dauer und stärkerer Intensität waren. Vergrössert sich das Blickfeld der Öseillationen, so nimmt auch die Sehreizungsamplitude der letzteren zu. An Nachtblindheit (Hemeralopie) leiden die Kranken, wie von einer Seite behauptet worden, nicht. Der Vortragende hat dies mit seinem Photo- meter nachgewiesen. Wenn im Dämmerlicht die Sehschärfe dieser Kran- ken nicht blos relativ, sondern absolut abzunehmen scheint, so kommt dies nur daher, dass alsdann die Oseillationen der Augen zunehmen, Stellt man die Sehlinien stark abwärts, so ist die Sehschärfe auch im Dämmerlicht nicht absolut verringert. Der eine von den beiden Kranken konnte, wenn er bei hellem Tageslicht eine Zeit lang ruhig im Zimmer gesessen hatte, seine Sehlinien allmälig bis 15—20° über die Horizontal- ebene erheben, bevor die Oseillationen begannen. Hatte er dagegen die Augäpfel durch stärkere Rollung nach oben eine Zeit lang in lebhafte Oseillationen versetzt, so blieben sie noch unruhig selbst wenn das zu fixirende Objeet 10-—-20° unter die Horizontale herabgeführt worden war. Für das Sehen mit den peripherischen Theilen der Netzhaut muss die Unruhe der Augäpfel noch weit störender sein — namentlich im Dun- BE u Des” a a BE Er a RR I as Kal er rt nee der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 337 keln — als für das Sehen mit den centralen Partieen. Die Grubenarbeit bietet sehr ungünstige Bedingungen für den Sehact dieser Kranken und ist ihre Arbeitsunfähigkeit daher vollkommen begreiflich. Anspannung des Accommodations-Apparates durch Concavgläser, Ent- spannung desselben durch Convexgläser sind ohne Einfluss auf das Zittern der Augen, dagegen wirkt eine stärkere Anspannung der inneren geraden Augenmuskeln (durch Vorsetzen von Prismen, Basis nach Aussen) auf das Zittern ein wenig hemmend, ohne dasselbe aber ganz zu beseitigen. Der Blick kann dann ein wenig höher gehoben werden bevor das Zittern eintritt. Dieses Symptom des unwillkürlichen Zitterns der Augäpfel (Nystag- mus) wird bekanntlich auch sonst häufig gefunden, u. A. bei allen Al- binos. Doch unterscheiden sich alle andern an Nystagmus Leidenden von den hier besprochenen Kranken in sehr wesentlichen Momenten. Bei jenen hat der Nystagmus sich fast immer in der ersten Lebenszeit ent- wiekelt, meist in Folge von Krankheiten, die das Sehvermögen herab- setzten. Er ist stets mit Abnahme der Sehschärfe verbunden und die Personen haben die Virtuosität erlangt trotz des Augenzitterns ein Object im Ruhezustand zu sehen. Hier dagegen tritt der Nystagmus erst im späteren Lebensalter auf, ist meist mit Herabsetzung der Sehschärfe ver- bunden und die OÖbjecte erscheinen den Personen oscillirend. In der deutschen Literatur sind bis jetzt erst 13 Fälle von dieser Krankheit ver- zeichnet, deren Beschreibung und Auffassung mit den hier vorgestellten nicht durchweg harmonist. Der Vortragende ist der Ansicht, dass das Symptom des Nystagmus bei den Bergleuten hervorgebracht werde durch eine Uebermüdung der oberen graden Ausenmuskeln, die schliesslich zu einer mehr oder weniger vollständigen Lähmung und zu Gewebsverän- derungen derselben führe. Er findet einen Beweis dafür namentlich in dem einen der vorgestellten Kranken, bei denen die Richtung der Aug- äpfel nach oben sich in hohem Grade defect erwies. Bei starker An- strengung den Blick hoch zu heben trat hier eine zum Theil horizontal pendulare Bewegung der Augäpfel ein. Ein Bergmann, der durch Dr. Burchard der Sectionssitzung zugeführt worden war, zeigte auch das Symptom dieses bei erhobenen Sehaxen eintretenden und in senkrechter Richiung stattfindenden Oscillirens der Augäpfel, jedoch ohne dass ihm dabei die Gegenstände zu tanzen schienen. Dr. Dierich in Waldenburg hatte auf Veranlassung des Vortragenden eine Anzahl Bergleute, die nicht über Sehstörungen klagten, auf diese Art des Nystagmus untersucht und denselben unter 29 Personen bei Zweien gleichfalls gefunden. Es scheint somit, dass die Art der Beschäftigung der Bergleute nicht gerade selten zu diesem vertical oseillirenden Nystagmus — resp. zu einer Ueber- müdung der oberen graden Augenmuskeln — führe, dass die hiervon be- fallenen Personen aber zum Theil die Virtuosität erlangen trotz des Ny- 15* 998 Jahres-Bericht tagmust die Gegenstände ruhig zu sehen, dass ein anderer Theil hingegen - sich diese Virtuosität nieht erwirbt und arbeitsunfähig wird. Gegenstand weiterer Untersuchungen wird zunächst das Gesichtsfeld sein müssen, das bisweilen erheblich concentrisch verengt zu sein scheint. Alsdann sprach Herr Dr. Bröer über Parametritis mit Eiterdurchbruch ins Duodenum. Eine 34jährige Arbeiterfrau wurde im December vorigen Jahres von ihrem fünften Kinde entbunden und im Juni 1875 von Herrn Dr. Landau in Behandlung genommen. Dieser fand damals bei der Untersuchung: das rechte Laquear durch eine pralle Geschwulst herabgedrängt, welche bei bimanueller Untersuchung als dem parametranen Gewebe angehörig erkannt wurde. Das rechte Bein war leicht flektirt und addueirt, also in Psoitis oder, wenn man will, Coxitis Stellung. Dabei bestand damals intermittirendes Fieber, Schmerzen in der rechten Inguinalgegend, nach dem Oberschenkel ausstrahlend. — Diese Krankheitserscheinungen bes- serten sich nicht, als eine Resorption durch deutliches Kleinerwerden der parametranen Geschwulst eonstatirt wurde. Bald danach fand sich eine Anschwellung des oberen Drittels des rechten Oberschenkels, die man als eine am Ileopsoas herab erfolgte Eitersenkung ansehen musste. Zu dieser Zeit, den 25. August, kam die Kranke in der Filiale des Elisabethiner-Klosters in die Behandlung des Vortragenden. Bei der hoch- gradigen Abmagerung fiel die Anschwellung des rechten Oberschenkels um so mehr auf. Die Geschwulst fühlte sich teigig an, in der Tiefe fluktuirend. Drei zu verschiedenen Zeiten gemachte Ineisionen, die fast den Femur erreichten, — (das Bisturi drang bis ans Heft ein) entleerten nur etwas seröse Flüssigkeit. 1 Die Kranke litt die letzten 6 Wochen continuirlich an profusen Durchfällen, welche auf keins der üblichen, die Darmperistaltik herab- setzenden Mittel antworteten, Zunge aphthös belegt, dabei war jetzt der Krankheitsverlauf nahezu fieberlos. — Ein höchst eigenthümliches, sehr markirtes Phänomen, welches deutlich die Communieation der Gesehwulst mit der Abdominalhöhle nachwies, war das sonderbare Gurren im Unter- leibe, sobald man mit der vollen Hand einen Druck auf die Geschwulst des Oberschenkels ausübte. — Man konnte hierbei an das Bestehen einer Hernie denken, obgleich überall der Pereussionston an der intumescirten Stelle ein gedämpfter war. Patientin starb am 18. October, nachdem sie zum Skelett abgemagert war, unter den Erscheinungen hochgradigster Schwäche. -- Die von Herrn Dr. Weigert ausgeführte Obduetion zeigte ım rechten Parametrium verheilte Narben als Reste abgelaufener Ent- zündung, und einen im Verlauf der vorderen Psoas-Fläche etablirten Ab- scess, welcher nach oben bis ans Duodenum hinauf reichte, dieses an zwei Stellen seiner Hinterwand perforirt hatte, und nach unten durchs Pou- AST, FERNE I ee er FTD der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, 229 part’sche Band hindurch bis unterhalb des Trochanter minor gedrungen war. Periost sowie Hüftgelenk waren intact. Dass ein vom Parametrium ausgehender, sogenannter Senkungsabscess seinen Weg bis ins Duodenum hinauf nimmt, erscheint & priori paradox, allein wenn man die Lage der Kranken, welche wochenlang horizontal _ war, berücksichtigt und bedenkt, dass die Parametrien nieht viel unter der hinteren Symphysenwand, und die hintere Duodenal-Wand dem Lenden- theil der Wirbelsäule anliegt, so ist, nach den Gesetzen der Schwere, der vom Eiter hier eingeschlagene Weg keineswegs so überraschend. Hierzu kommt, dass der Wegweiser für die Bahn des Abscesses zweifellos das den Ileopsoas einhüllende Bindegewebe war. So selten es vorkommt, dass eine Fascie vom Eiter perforirt wird, so häufig dient sie demselben als Führer. König in Rostock hat in einem der Volkmann’shen Vorträge die Bedeutung der Spalträume des Bindegewebes für Ausbreitung entzünd- licher Processe hervorgehoben und durch eine Reihe von Belegen er- härtet und hierdurch viele, in Eiterung übergehende Entzündungen in ihrem topographischen Verlauf beleuchtet. Die Fälle, wo Beckenabscesse ihren Weg nach der Blase oder häu- figer nach der Scheide oder dem Rectum genommen haben, sind ja be- kannt. Auffallend erscheint es, dass die Eiteransammlungen des Cavum pelvis subperitonaeale nicht nach dem benachbarten Damm hin erfolgen, allein hiervor schützt ‚‚die Barriere‘ des Diaphragma pelvis. Spiegelberg macht in seinem Aufsatz über Exsudate in der Um- gebung des weiblichen Genitalcanals bereits darauf aufmerksam, dass Phlegmonen des Beckens mitunter in die Fossa iliaca und von dort höher hinauf in das retroperitoneale Gewebe steigen können. Herr Dr. Weigert demonstrirte hierauf das Präparat. Endlich sprach Herr Dr. Weigert über eine Mykose bei einem neugeborenen Kinde. Es handelte sich um ein schlecht genährtes, 6 Tage altes Kind, wel- ches etwa in der 32. bis 34. Woche der Entwicklung stand. In der Nabelgegend fand sich ein Geschwür mit scharf abgesetztem Rande und glattem Grunde. Die Nabelgefässe waren in der Nähe des Nabels von sulzig-infiltrirtem Gewebe umgeben, sie selbst theils leer, theils mit frischen Gerinnseln erfüllt. Die Lungen waren durchsetzt mit stecknadel- kopf- bis kirschkerngrossen, derben Blutheerden, die hauptsächlich peri- pherisch sassen. Im Innern derselben fanden sich öfter kleine weisse, ebenfalls derbe Stellen. Der Pleura-Ueberzug war über manchen der- selben weisslich-trübe.e Auch in den Nieren fanden sich stecknadelspitzen- bis senfkorngrosse Blutungen theils dicht unter der leicht abtrennbaren Kapsel, theils in der Nähe des Nierenbeckens zu dem dasselbe umgeben 230 J ahres - Bericht den Gewebe. Uebrige Organe normal. — Die mikroskopische Unter- suchung zeigte den Grund des Nabelgeschwürs bedeckt mit einer dieken Lage äusserst gleichmässiger, scharfer, kleiner Körnchen, die im Ganzen ein chagrinirtes Aussehen darboten. Die Körnchenmassen waren in Bssig- säure, Salzsäure, Kalilauge, Glycerin, Alkohol, Chloroform und Nelkenöl unlöslich. Hämatoxilin- Alaun färbte sie dunkelblau, ebenso Methyl violet mit nachherigem Auswaschen der; Präparate in verdünnter Essig- säure; roth wurden die Massen durch Karmin-Salzsäure-Glycerin; braun durch Karmin mit nachherigem Auswaschen in (durch Alkohol) verdünntem Liquor ferri sesquichlorati (sämmtliches Kernfärbungen). Am schönsten sah man die Gebilde, wenn man zuerst die Präparate mit Haematoxylin färbte, dann in verdünnter Kalilauge auswusch, bis sie nur eine ganz schwachblaue Färbung hatten, sie weiterhin mit starker Essigsäure be- handelte und endlich in Glycerin untersuchte. Es glückte dann oft, nur diese Massen blaugefärbt und ihr Korn ausserordentlich scharf zu sehen (dureh Kalilauge allein verliert es an Schärfe). Die Körneben mussten nach alledem als Mikrokokken angesehen werden. Unter dieser Schicht kam an dem Nabelgeschwür eine Zone, in der sich Kerne nicht nach- weisen liessen, auf diese folgte dann eine sehr kernreiche entzündete Partie. — Mikrokokken fanden sich aber ferner im Centrum jedes der Blutheerde und zwar im Innern kleiner Gefässe (Arterien, Schlingen der Nierenglomeruli, Kapillare), dieselben ganz ausfüllend und stark er- weiternd. In der Lunge waren oft ganze Kapillarbezirke von ihnen wie durch eine Injection erfüllt. Bei den kleinen Nierenhämorrhagien gelang es nur durch die Methode hintereinander folgender Schnittreihen in jeden der Blutheerde den Mikrokokkenhaufen zu finden, der oft nur einem oder zweien der Schnitte nachzuweisen war. An manchen Stellen, z. B. an den weissen Partieen der Lungenheerde, -lagen sie in diffusen, nicht durch eine Gefässmembran abgeschlossenen Häufehen. Fast immer war dann gleichzeitig eine Entzündung in der Umgebung. Auch in dem subpleu- ralen Gewebe waren theils mit Mikrokokken infieirte Gefässe in der Nähe der Blutungen, theils diffuse Anhäufungen im Centrum entzündeter Pleurastellen. In der Sitzung am 17. December referirte Herr Prof. Heidenhain über eine im physiologischen Institute von Herrn Dr. Ostrumoff aus Moskau angestellte Untersuchung über Innervation der Blutgefässe der äusseren Haut. Aus den mitgetheilten Versuchen wurden folgende Schlüsse gezogen: 1) Durch Reizung des peripherischen Endes eines frisch durch- schnittenen Ischiadieus mit mittelstarken Strömen des Magnetelektromotors kann man bei eurraisirten wie bei nicht curarisirten Hunden eine Ver- der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur. 331 engung der Gefässe am Fusse erzielen, welche sich beliebig lange ('/, St. bis 1 St.) ausdehnen lässt. Die Angabe von Goltz, nach welcher wäh- rend jener Reizung entweder sofortige Gefäss-Erweiterung oder doch nur geringe uud schnell vorübergehende Verengerung mit darauf folgender Erweiterung. eintrete, beruht auf einem Irrthum. 2) Erst nach beendigter Reizung erweitern sich die Gefässe und zwar über das vor der Reizung bestandene Mass hinaus. 3) Nach Durchschneidung des N. ischiadieus sinkt in den nächsten Tagen die Erregbarkeit der die Verengerung herbeiführenden Nerven schnell. Wenn dieselbe nach ungefähr 4 Tagen auf ein Minimum herab- gekommen ist, tritt bei Reizung des Ischiadieus mittelst tetanisirender In- ductionsströme Gefäss-Erweiterung an dem Fusse auf. 4) Dasselbe Resultat kann man an einem frisch durchschnittenen N. ischiadicus erzielen, wenn man durch denselben in Pausen von je 5 Secunden einzelne Inductionsstöme von einer gewissen mittleren Stärke sendet. Durch diese Thatsachen ist die zuerst von Schiff aufgestellte und neuerdings von Vulpian und Goltz vertheidiste Annahme, nach welcher neben gefässverengenden auch erweiternde Fasern existiren,. zur Evidenz erwiesen. Goltz hat aber die Leistungsfähiskeit der ersteren unter- schätzt und die vorwiegende Wirksamkeit der letzteren an einem in der Degeneration begriffenen Nerven für das normale Verhältniss gehalten. 5) Die nach Durchschneidung des N. ischiadicus eintretende dauernde Gefäss-Erweiterung, welche erst im Laufe der Zeit allmählich abnimmt, ist Folge der Lähmung der verengenden, nicht (Goltz) einer anhaltenden Rei- zung der erweiternden Fasern. Denn Durchschneidung von Nerven, welche nur erweiternde Fasern enthalten, bringt an den Theilen, zu welchen diese Fasern gehen, keine dauernde Gefässdilatation hervor. 6) Die Gefässwandungen besitzen, unabhängig von den von Hirn- und Rückenmark an dieselben herantretenden Nerven, die Fähigkeit, auf Steigerung des arteriellen Druckes durch verstärkte Thätigkeit ihrer Ring- museculatur der Art zu reagiren, dass eine selbst beträchtliche Druck- steigerung (herbeigeführt auf meclianischem Wege oder durch Reizung des N. splanchnicus) eine Erweiterung nicht zur Folge hat, vielmehr mit- unter trotz der Drucksieigerung selbst eine Verengerung eintritt. 7) Die wahrscheinlichen Vermittler dieser selbstständigen Reactiou sind die schon von Vulpian und Goltz an den Gefässwandungen vor- ausgesetzten gangliösen Centra, auf welche die verengenden Nerven im Sinne einer Verstärkung ihrer Thätigkeit, die erweiternden Nerven als Hemmungsnerven einwirken. 8) Die Hemmungsnerven der Hautgefässe können auf dem Wege des Reflexes durch Reizung sensibler Nerven, ferner durch Athmungssuspension, durch Nicotin- und Calabar-Injection erregt werden. Wenn man einen 232 Jahres-Bericht der Schles, Gesellschaft f. vaterl. Cultur. dieser experimentellen Eingriffe bei einem Hunde macht, dem vorgängig ein Nv. ischiadieus durchschnitten worden ist, so steigt gleichzeitig mit dem arteriellen Drucke die Temperatur an allen Pfoten mit Ausnahme der gelähmten, welche trotz erheblicher Drucksteigerung eine Temperatur- erhöhung nicht wahrnehmen lässt. 9) Die in dem N. ischidiacus enthaltenen vasomotorischen und Hem- mungs-Nerven treten aus dem Rückenmarke nicht durch dieselben Wur- zeln, welche jenem Stamme die Fasern für Empfindung und willkürliche Bewegung zuführen (Sacral-Wurzeln), sondern durch die höheren Spinal- Wurzeln bis zur untern Grenze des Brustmarkes und vielleicht noch über diese hinaus. Sie laufen durch die Rami communicantes der Spinalnerven zum Sympathicus und werden erst durch diesen dem N. ischiadicus zu-- geführt. 10) Die Hemmungsnerven der Hautgefässe spielen eine wesentliche Rolle bei der Wärme-Regulation. Denn indem Reizung derselben die die Haut durchströmenden Blutmengen erheblich vermehrt, steigt die Wüärme-Abgabe nach aussen, was ein Sinken der Innentemperatur zur Folge hat. Zu Secretairen für die nächste Etatszeit wurden die Herren Professoren Cohnheim und Freund gewählt. 2323 a Nachtr&äe zum Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft über das Jahr 1875.) Sitzung der medieinischen Section am 17. December 1875. An den voranstehend im Auszuge wiedergegebenen Vortrag des Herrn Prof. Heidenhain knüpfte sich eine lebhafte Discussion, an welcher die Herren Cohnheim, Grützner, Biermer, Klopsch, Auerbach, Voltolini, Förster und Heidenhain Theil nahmen. Aus derselben sei hier Folgendes hervorgehoben. Prof. Auerbach glaubt in einem Punkte der Auffassung des Vor- tragenden eine andere entgegenstellen zu können. Gewiss ist durch die neueren Forschungen und jetzt wieder durch diejenigen Heidenhains mit besonderer Evidenz erwiesen, dass es Gefässnerven giebt, deren Erregung unter Umständen eine Erweiterung der Gefässe bewirkt; allein wie dann letztere zu Stande kommt, ist eine besondere, der Erwägung und Untersuchung bedürftige Frage. Die Beantwortung der letzteren durch die Hemmungstheorie, d. h. durch die Annahme eines der Wirkung des Vagus auf das ganglienreiche Herz analogen Processes an den periphe- rischen Gefässen beruht nur auf hypothetischen Vorstellungen und führt zu dem Ergebniss, dass mit Nachlass des Tonus der Wandung das Ge- fässrohr durch den Blutdruck passiv erweitert werde. Dem gegenüber muss man sich fragen, ob nicht eine einfachere Vorstellung möglich ist, ob nicht an den Gefässen Muskelelemente vorhanden sind, welche eine active Erweiterung der Röhren zu bewirken vermögen. Als solche können, abgesehen von einer anderweitigen Möglichkeit, in erster Linie schon die Längsmuskelfasern der Gefässe in Anspruch genommen werden. Es lässt sieh nämlich ein Moment geltend machen, durch welches die Contraction der Längsfasern eines Rohres erweiternd auf dasselbe wirken muss. Es ist bekannt, dass jede Muskelfaser, wenn sie sich activ verkürzt, zugleich im Querdurehmesser entsprechend breiter wird. Wenn dies nun an jeder einzelnen Faser geschieht, so wird für eine ganze Gruppe oder Lage solcher eine erhebliche Gesammtverbreiterung resultiren, und insofern sie an den anderen dehnbaren Schichten der Wandung adhäriren, so wird auf diese ein Zug in querer Richtung ausgeübt werden, welcher bei gleich- zeitiger Verkürzung und Entspannung in der Längsrichtung um so wirk- samer sein muss. Namentlich wo eine continuirliche Schicht von Längs- *) An Seite 232 des 53. Jahresberichts anzufügen. 232 b fasern das Rohr umhüllt, muss dann eine erhebliche Vergrösserung seines Umfanges erreicht werden. Aus einem analogen Grunde müssen auch die Fasern der Ringmuskelschicht, falls sie durch ihre Contraction eine Verengerung machen, zugleich in der Riehtung der Axe des Rohrs einiger- massen verlängernd wirken und auch auf diesem Wege die Widerstände des Blutstroms steigern, während hingegen die Längsmuskeln schon durch Verkürzung des Rohrs, durch Ausgleichung von Krümmungen und Schlän- gelungen der Gefässe zur Beschleunigung des Blutstroms und somit auch zur Temperaturerhöhung beizutragen im Stande sein dürften. In jedem Punkte erscheinen also die Längsfasern als Antagonisten der Ringmus- kulatur. Wird dies zugegeben, so liegt die Folgerung nahe, dass die beiden Classen von Gefässnerven einfach durch Vertheilung auf die bei- derlei Muskulaturen entgegengesetzt wirken, eine Auffassung, welche zu- nächst gleich berechtigt erscheint mit derjenigen einer von Nerv zu Nerv ausgeübten Hemmungswirkung. Herr Prof. Heidenhain entgegnet, dass an den Arterien im All- gemeinen Längsmuskulatur eben nicht vorhanden ist, indem nur an ver- einzelten Stellen spärliche Längsfaserzellen gefunden worden sind. Herr Prof. Auerbach giebt das für die grossen und ebenso für die kleinsten Arterien zu. Hingegen lassen sich an vielen Arterien eines gewissen mittleren Calibers ziemlich reichlich vorhandene Längsfaserzellen constatiren. Ausserdem kommen ja aber für Hyperämieen und locale Beschleunigungen des Blutstroms auch die Venen in Betracht, welche sehr reich, ja überwiegend mit Längsmuskulatur ausgestattet sind. Mangel- hafıigkeit der anatomischen Grundlage kann auch der Anwendung der Hemmungstheorie entgegengehalten werden. Diese ist nach Analogie der Verhältnisse im Herzen auf die Annahme von Ganglien an den periphe- rischen Gefässen angewiesen, welche indessen nicht zu finden sind. Herr Prof. Cohnheim bestreitet die letztere Behauptung. An man- cherlei Arterien, namentlich z. B. an denjenigen des Mesenteriums sind kleine Ganglien deutlich zu sehen. Es verdient deshalb die Anschauung Heidenhains den Vorzug. Da der Jahresbericht in der Regel nur die gehaltenen Vorträge, nicht aber die daran sich knüpfenden Besprechungen bringt, so ist auch die obige Discussion anfangs nicht mit aufgenommen worden. Es erschien indessen nachträglich wünschenswerth, die über die physiologische Seite der Frage im Schoosse der Section kund gegebenen verschiedenen An- sichten mit zu publieiren. Die Secretäre der Section im Jahre 1875: Breslau, November 1877. Freund. Gscheidlen. V. Bericht über die Thätigkeit der Section für öffentliche Gesundheits- pflege der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1875, erstattet von den Herren Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Prof. Dr. Förster und Director des statistischen Bureaus der Stadt Breslau Dr. Bruch, zeitisen Secretairen der Section. Die Constituirung dieser neuen Section erfolgte am 10. Februar 1875, auf Antrag mehrerer Mitglieder, namentlich von der medicinischen Section. Der Präses der Gesellschaft, Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Göppert eröffnete die von dem Präsidium berufene Versammlung der Interessenten mit einer Bewillkommnung und Dank für das zahlreiche Erscheinen, sprach über die erste Stiftung der medieinischen Section im Jahre 1809 durch Geh. Medieinalrath Dr. Johann Wendt und dessen Verdienste um die Gesellschaft, ferner über die frühere Thätigkeit derselben, die sich bei Epidemien und allgemeinen Calamitäten auch der Sorge für Ge- sundheitspflege gewidmet hat. Auf den Vorschlag des unterzeichneten Präses wurde Herr Geh. Medicinalrath Dr. A. Wendt zum Tages-Präsidenten ernannt, und unter seinem Vorsitze constituirte sich die Versammlung zu einer Section für öffentliche Gesundheitspflege und schritt sofort zur Wahl ihrer Secretaire, deren Zahl auf drei fest- gesetzt wurde. Durch Acelamation wurde zunächst zum ersten Secretair der Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, zum zweiten Prof. Dr. med. Förster, zum dritten der Director des statistischen Bureaus Dr. Bruch gewählt, Die Gewählten nahmen die Wahl an. 234 Jahres - Bericht Herr Prof. Dr. Förster stellte hierauf den Antrag: das Präsidium der Gesellschaft zu dem Beschluss zu veranlassen, dass wie bei der Gartenbau-Section auch Nicht-Mitgliedern der Schlesisehen Gesellschaft für vaterländische Cultur unter ähn- liehen Bedingungen die Theilnahme an der Versammlung der Section gestattet werde. Der Antrag wurde zum Beschluss erhoben. Als Versaiimlungstag wurde alternirend mit der medicinischen Section 13 Freitag in Aussicht genommen. Das Präsidium in den Sections- Sitzungen übernahm auf Beschluss des Secretariats zunächst der erste Secrelair, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Biermer. In der Sitzung am 19. Februar hielt, nach einigen einleitenden Worten des geschäftsführenden Präsidenten, Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer über die Aufgaben der Section, Dr. Steuer einen Vortrag über Mortalitätsstatistik und Armen-Krankenpflege von Breslau in den Jahren 1872 und 1873. Vortragender erwähnt zuerst kurz den nahen Zusammenhang von Statistik und Hygiene. Was die Mortalität betrifft, so sei der Zusammen- hang in die Augen fallend; aber von gleicher Wichtigkeit sei die Be- wegung in der Armen-Krankenpflege einer grossen Stadt, erstens wegen der zur Disposition stehenden genaueren Angaben von Seiten der ihr vorstehenden Beamten resp. Behörden, — zweitens des Umstandes halber, weil sie ein ziemlich getreues Spiegelbild der allgemeinen Krankenbe- wegung gäbe. Vor Allem habe die Hygiene sich diesem Gebiete mit Eifer zuzuwenden, denn Fortschritte in der Armen-Krankenpflege kommen der Allgemeinheit jederzeit zu Gute. Zum Thema selbst übergehend, constatirt der Vortro gende die auf- fallende Uebereinstimmung der beiden Jahre 1872/73. Bis auf den Schluss der grossen Pocken-Epidemie, der in das Jahr 1872 hineinragt und einer hleinen Cholera-Epidemie im Sommer 1873 waren beide Jahre frei von grösseren Volkskrankheiten. Es zeigt sowohl Mortalität, wie Krankheits- bewegung in beiden oft überraschend gleiche Ziffern. Redner beweist dies, indem er die statistischen Berichte der grossen Breslauer Kranken- häuser, der Hausarmenpflege, der wohlthätigen Vereine ete. aus beiden Jahren anführt; — in gleicher Weise durch die: Statistik der Todesfälle in beiden Jahren. — Beide — Krankheitsbewegung wie Mortalität —- weisen bedeutend bessere Verhältnisse nach, als in den nächst verflossenen Jahren. Ohne sanguinischer Weise die hygienischen Massregeln, welche von der Commune in den letzten Jahren consequent durchgeführt worden sind, als Ursachen dieser erfreulichen Momente in. Anspruch zu nehmen, weist u Ze ie ke der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 335 Redner doch darauf hin, dass weitere günstige Resultate, die entsprechend den fortgesetzten hygienischen Bestrebungen zu Tage treten würden, mit der Zeit zu derartigen Schlüssen führen müssten. In der Sitzung vom 5. März sprach Herr Dr. Paul Lion über die Breslauer Canalisationsfrage. Zum bessern Verständniss der Frage hatte Magistrat in anerkennens- werther Weise eine grosse Anzahl von Detailplänen- der Stadt, der Güter Herrnprotsch, Ransern ete., des ganzen Canalsystems, Durchsehnitts- profile der Canäle ete. in übersichtlicher Weise ausstellen lassen, die vor und während der Sitzung vielfach in Augenschein genommen wurden. Herr Geheimrath Prof. Dr. Göppert theilte ein Schreiben des Ma- sistrats an die vaterländische Gesellschaft mit, in welchem derselbe der Section alles Material, welches seinerseits für die Entscheidung der wich- tigen Angelegenheit gesammelt worden ist, zur Disposition stellt, da es für ihn von dem höchsten Interesse sein müsse, das Urtheil der bewähr- testen Fachmänner und Gelehrten bezüglich der Canalisationsfrage zu ver- nehmen. Gleichzeitig theilt Magistrat mit, dass Stadtbaurath Kaumann in der Sitzung auwesend und bereit sein wird, jede etwa gewünschte Aus- kunft zu ertheilen. Die Seetion beschloss, an den Magistrat für dieses anerkennenswerthe Entgegenkommen ein Dankschreiben zu richten. Herr Dr. Lion gab zunächst ein kurzes Bild von den gegenwärtigen Verhältnissen der Stadt. Breslau besitze bereits eine grosse Anzahl von Canälen, die aber nicht unter einander in Verbindung stehen und noch innerhalb der Stadt in die Oder münden. In dieselben werden nicht nur sämmtliche Schmutz- und Hauswässer, sondern auch die seit etwa drei Jahren geschaffenen Waterclosets geleitet. Obwohl diese Canäle zu- sammen eine Länge von vier Meilen haben, ist doch erst etwa !/, der Stadt canalisirt. Einverständniss werde innerhalb der Section sicher dar- über herrschen, dass es nothwendig sei, auch den noch nicht canalisirten Theil der Stadt zu canalisiren und die Mündung der Canäle über das Weiehbild der Stadt hinaus zu verlegen. Von diesem Gesichtspunkte aus sei die projeetirte Anlage mit Freuden zu begrüssen. Auch vom hygienischen Standpunkte aus müsse das Project als eine Wohlthat anerkannt werden, da beabsichtigt werde, die Canäle so tief zu legen, dass durch sie diejenigen Stadttheile, die, wie besonders die süd- lichen, an sehr ungünstigen Grundwasserverhältnissen leiden, drainirt werden. Frage man nun, in welcher Weise das ganze Canalsystem zu be- nutzen sei, so sei zu berücksichtigen, dass bereits gegen 1800 Water- Closets in die vorhandenen Canäle eingeleitet seien. Entweder müsse 236 Jahres- Bericht man auch allen übrigen Hausbesitzern die Errichtung von Water-Closets gestatten, oder die Entfernung der schon vorhandenen verlangen. Ent- scheidet man sich dafür diese Canäle nur zur Ableitung des Haus- und Spülwassers zu verwenden, so bleibt nichts übrig, als nach Beseitigung aller Olosets und der Düngergruben ein obligatorisches Tonnensystem einzuführen, welches, da es bauliche Veränderungen an den Häusern noth- wendig macht und auch sonstige erhebliche Kosten verursacht, kaum bil- liger durchzuführen sein .dürfte als die Schwemmceanalisation. Hierbei bleibt die Frage offen, ob es überhaupt möglich ist, bei einer Stadt von etwa 8000 Häusern ein richtig durchgeführtes, eintägliches Fortschaffen der Fäcalien nothwendig machendes Tonnensystem durchzuführen. Auch die Desinfeetion der Tonnen ist abgesehen von dem nicht unerheblichen Kostenpunkte schwer eontrolirbar und eine bei besonders dringenden Ver- anlassungen, bei Epidemien leicht erzwingbare Vorschrift ist dauernd kaum durchzuführen und wird häufig vernachlässigt werden. Die Annehmlich- keit der Water-Ciosets ist mit der Tonnenabfuhr nicht zu vereinigen, wie dies die Erfahrungen der Städte Leipzig, Dresden und Metz bestätigen. Vom sanitären Standpunkte aus könne man zugeben, dass ein gut aus- geführtes Tonnensystem sich ebenso gut bewähren werde, wie das Schwemm-Canalisationssystem. Aber eben die gute Durchführung sei schwierig. Wo das Tonnensystem bisher Eingang gefunden, sei man immer mehr oder weniger zum Canalisationssystem zurückgekehrt. Das letztere habe den Vorzug, die Annehmlichkeit der Water-Closets zu bieten und mit demselben erst werde das Wasserhebewerk seine segensreiche Wirksamkeit voll entfalten können. Nur bei dem Canalisa- tionssystem sei es möglich, alle Immunditien in kürzester Zeit aus der Stadt zu schaffen. Freilich sei dann zu verlangen, dass die Canäle auch das erforderliche Gefälle besitzen, weil sonst‘ die Zersetzung der Fäcalien noch innerhalb der Stadt erfolgt und die Canäle nichts anderes sind, als verlängerte Abtritte. Aber gerade in dieser Beziehung seien die Verhält- nisse in Breslau ausserordentlich günstig. Das Canalsystem werde nicht nur ein erheblich grösseres Gefälle als beispielsweise diejenigen in Danzig und Hamburg haben, es werde auch nicht an dem erforderlichen Wasser fehlen. Redner wendet sich nunmehr zu den gegen die Dichtigkeit und Un- durchlässigkeit der Canäle erhobenen Bedenken und erklärt dieselben für unbegründet, wie die von Pettenkofer, in Hamburg, Altona, Berlin ge- machten Erfahrungen beweisen. Ebenso unhaltbar sei die gegen die Clo- sets gemachte Einwendung, dass dieselben die Luft in den Häusern ver- pesten. Wo ein Water-Closet nicht vollkommen geruchlos sei, trage nur die fehlerhafte Construction desselben die Schuld, und es werde darum Sache der Behörden sein, diese streng zu controliren. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 237 Sich nunmehr zu der Frage wendend, was mit dem durch die Ca- näle fortgeführten Inhalte derselben anzufangen sei, erklärt Referent, dass in dieser Beziehung Niemandem die Entscheidung leicht fallen werde, da die Frage, wie dies am besten geschehe, überhaupt noch nicht entschieden sei. Eine blinde Nachahmung dessen, was anderwärts geschehen, könne unberechenbaren Schaden stiften. Ein Hinausschieben der Entscheidung bis nach Fertigstellung des ganzen Canalsystems sei bei der Art und Weise, wie Magistrat mit dem Bau vorzugehen gedenke, nicht möglich. Derselbe wolle, sobald eine Canalstrecke erbaut ist, die Einführung von Water-Closets in dieselbe gestatten, in dem Augenblicke aber, wo man sich hierfür entscheide, müsse man wissen, wohin mit den Immunditien? — In die Oder können dieselben nicht geleitet werden. Man habe die Errichtung grosser Sammelbassins und die Verwerthung der Fäcalien zu Dungstoffen auf chemischem Wege empfohlen. Aber leider habe man hierfür noch kein allen Ansprüchen genügendes Verfahren gefunden. Es bleibe mithin nichts übrig, als das vielfach geschmähte und ver- dächtigte und doch von allen Autoritäten gepriesene Rieselsystem. Die Frage wegen der Rieselfelder ist zwar noch nicht als abge- schlossen zu betrachten, das Urtheil der grossen Commission aber, welche das englische Parlament zur Prüfung der Frage eingesetzt, ist ein durch- aus günstiges. Es ist constatirt, dass durch die Einführung von Riesel- feldern nirgend das Auftreten zymotischer Krankheiten, Fleck- typhus u. s. w. begünstigt worden ist, dass durch die Rieselfelder nie und nirgend eine an Malaria erinnernde Krankheit erzeugt worden, dass das Vieh, das auf den Rieselfeldern gehalten wird, gedeiht und frei von ‘ Parasiten bleibt. Die Danziger Rieselfelder, welche die Breslauer Com- mission in der heissesten Sommertemperatur besucht, haben keinen üblen Geruch verbreitet. Was das Areal anlangt, das für Breslau zu einer Rieselfeldanlage nothwendig erscheint, so hat Dünkelberg einige hun- dert Morgen als ausreichend bezeichnet und damit offenbar etwas ober- flächlich geurtheilt, denn es ist ein bei Weitem umfangreicheres Terrain, aufs Höchste bemessen eine Fläche von 8—10000 Morgen wünschens- werth. Für Breslau speciell liegen die Rieselfeld-Verhältnisse ausser- ordentlich günstig; ein dafür vorzüglich geeignetes städtisches Terrain überhebt uns der Nothwendiskeit, wie die Berliner Commune, colossale Summen für die Erwerbung des erforderlichen Grundbesitzes auszugeben. Ausser durch den Besitz der Stadtgüter wird die Rieselfeldanlage durch massenhaft eingehende Anerbieten von Landwirthen sicher gestellt, die sich um das Canalwasser bewerben. Unser Boden ist für die Rieselfeld- Anlage geeigneter, als der märkische Sand, unsere klimatischen Verhält- nisse dafür vortheilhafter, als die Englands. Die technische Hygiene ist eine Erfahrungswissenschaft. Generalarzt Roth, der von Dresden aus zur Besichtigung der englischen Rieselfelder deputirt wurde, gab denselben 238 Jahres -Bericht in sanitärer Beziehung das günstigste Zeugniss. Bei Gelegenheit der: Naturforscher Versammlung sahen wir Autoritäten wie Varrentrap, Göttisheim und Wiebe in unserer Mitte. Sie besichtigten das zur Rieselfeldanlage in Aussicht genommene Terrain und sprachen sich enthu- siastisch dahin aus, dass keine zweite Stadt ein so geeignetes Terrain besitzt, dass sich für Breslau wie für keine zweite Stadt die Anlage einer Schwemmeanalisation mit Rieselfeldern empfehle. An diesen Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Debatte: Kfm. Sindermann, Vertreter des Tonnensystems, fragte zunächst an, ob die Danziger Commission auch das Innere der Canalleitung ge- prüft. Stadtbaurath Kaumann erklärte, dass das Begehen der Canäle nur an wenigen Stellen möglich, da es Röhren von nur 8 Zoll Durch- messer in dem für eine Einwohnerschaft von 100,000 Seelen berechneten System habe, dass aber sämmtliche Canäle, auch die Hauscanäle eontro- lirbar sind. Dr. Lipschütz hält die Rieselfelder für absolut ungefähr- lich für die Gesundheit, glaubt dass neben der Schwemmcanalisation das Abfuhrsystem in gewissem Umfang zur Entfernung der Immunditien noth- wendig sein werde, dass mit einem gut eingerichteten Tonnensystem, wie dasselbe z. B. in Zürich eingeführt sei und sich dort bewährt habe, Closets möglich sind, dass das Areal der Rieselfelder im Laufe der Zeit seine Absorptionsfähigkeit verliere und durch frisches Terrain ersetzt werden müsse und erklärt sich in Summa in Anbetracht der localen Verhältnisse Breslaus für die Schwemmeanalisation.e Kfm. Sindermann bestreitet den Werth der Untersuchung in Danzig, man solle auf ein nicht erprobtes Gutachten nicht ein System von solcher Tragweite gründen. Die Tonnen- abfuhr empfehle sieh vor Allem auch in finanzieller Beziehung, da ihre Einführung und die dabei möglich werdende Verwerthung der Fäcalien der Commune einen viel höheren Nutzen gewährt, als bei den Rieselfeldern zu erwarten sei. Der erste Secretair der Section Geh. Rath Professor Biermer siebt auf eine deswegen an ihn gerichtete Interpellation Auskunft über das in Zürich, seinem früheren Wohnsitz, eingeführte Tonnensystem, das mit seinen portativen ofenähnlichen Tonnen allerdings gegen das alte in der Stadt herrschende Unwesen der Jauchegruben als ein wesent- licher Fortschritt zum Bessern zu bezeichnen ist. Die Tonnen werden seruchlos alle 8—14 Tage geleert, die Benützung von Water- Closets ist nicht ausgeschlossen. Ausserdem ist die Stadt im Besitz eines guten lege artis angelegten Canalsystems, das auch bei der Tonnenabfuhr zur Ableitung der Haus- und Schmutzwasser der Fabriken u. s. w. unent- behrlich ist. Für dieses gemischte System spricht viel vom sanitären Standpunkt, für eine Stadt von den Dimensionen Breslaus aber ist es nicht empfehlenswerth. Ein vernünftiges Abfuhrsystem entspricht allen Anforderungen der Hygiene, die darauf dringen muss, dass die Fäcal- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 339 massen nicht in der Nähe der Wohnungen faulen, sondern möglichst davon entfernt werden. Die geschlossenen Aborte sind ein Feind der menschlichen Gesundheit, weit gefährlicher als die offenen Düngergruben. Der Unverstand, der bei der Anlage solcher geschlossene Senkgruben in einzelnen Städten herrscht, ist oft ein unerhörter und die Abschaffung dieser Gruben, die ihre gesundheitsschädlichen Ausströmungen in die Wohnungen verbreiten, ist ein unabweisbares Bedürfniss der Gesundheits- pflege. Es entsteht nun die Controverse, was soll man an die Stelle derselben setzen? Beim Canalsystem lässt es sich nicht eontroliren, was unten vorgeht, die Sorge eines Hervordringens nachtbeiliger Gase wird sich völlig nicht beseitigen lassen und in dieser Beziehung verdient das Kübelsystem den Vorzug. Aber dieses System wird sich in einer grossen Stadt ebensowenig ausführen lassen, als der Wunsch, dass jeder Einwohner ‚sein eigenes Haus hat. Das Bessere ist überall der Feind des Guten. Die reine Durehführung des Tonnensystems, selbst wenn dasselbe unter poli- zeiliche Controle gestellt würde, liesse sich in Breslau kaum ermöglichen und darum muss man aus Zweekmässigkeitsgründen gegen das Tonnen- und für das Schwemmeanalisationssystem stimmen. Das Canal- system wird ohnehin für das Küchenwasser nothwendig und so eine unter- irdische Communieation mit ihren Gefahren bei Epidemien unvermeidlich bleiben. Die Schwemmeanalisation ist auch das reinlichste System. Die Frage, wohin mit den Fäcalmassen ist lediglich den Technikern zur Ent- scheidung zu überlassen. Schon der Regelung und der Verbesserung der Grundwasserverhältnisse wegen ist für Breslau eine Canalisation unver- meidlich. Ein Theil der Schweidnitzer Vorstadt ist direet auf Sumpf ge- baut und eine Entwässerung derselben ist so bald als nur möglich ins Werk zu setzen. Bezirksphysikus Dr. Hirt befürwortet die Einführung der Schwemm- Canalisation nicht nur als eine Einriehtung faute de mieux, sondern als eine die Gesundheitsinteressen wesentlich fördernde In Liverpool sei nach der Einführung einer noch nicht einmal vollständigen Canalisation die Mortalitätsziffer von 36 pro mille auf 19 gesunken. Er bittet um Auskunft, ob für ausreichende Ventilationsvorrichtungen bei dem Canalbau Sorge getragen worden. Ueber die Ventilationsvorrichtungen giebt Stadtbaurath Kaumann Auskunft. Die Ventilation soll nieht durch Ventilationsthürme, die sich nicht bewährt, sondern in anderer zweckentsprechender Weise bewirkt werden. Der Director des städtischen statistischen Bureaus Dr. Bruch macht darauf aufmerksam, dass es absolut unmöglich sei, in einer Stadt mit Wasserleitung die Canäle bei ihrer Verwendung ausschliesslich auf das Abflusswasser zu beschränken. Er empfiehlt, sieh auf die Urtheile Petten- _ kofer’s, Liebich’s und namentlich Virchow’s beziehend, die Schwemm- 240 Jahres - Bericht Canalisation als die in finanzieller und hygienischer Beziehung vortheil- hafteste Rinrichtung. Ein schwieriger Punkt sei jedoch die Behandlung des Abflusswassers im Winter bei hohem Frost. Stadtbaurath Kaumann spricht sich dahin aus, dass die Sorge, wohin mit den Rieselwassern im Winter allerdings keine geringe. Die Lösung, die Fäcalmassen im Winter in ein Staubecken zu leiten, dort einfrieren zu lassen und später zu verwerthen, sei keine glückliche. Das einfachste, auch in Danzig zur Anwendung kommende Verfahren sei das, im Winter nur diejenigen Terrains zu berieseln, welche auch in dieser Jahreszeit diese Behandlung vertragen. In Ransern und auf den anderen städtischen Gütern finden sich solche Areale, auch habe Forstrath Fintel- mann eine Berieselung der städtischen Forsten für zulässig erklärt. Forst- rath Fintelmann bestätigt dies und empfiehlt als ein zweites Mittel für die Verwendung der Winter-Abflusswässer die Berieselung von Gras- flächen, welche unter dieser Behandlung keineswegs leiden. Einer raschen Uebersättigung des Bodens, einem Versagen der Absorptionsfähigkeit, lasse sich in gewissem Grade durch fortgesetzte Ausnutzung desselben mit Oel- und ähnlichen Früchten vorbeugen. Auch für die Waldungen lässt sich eine mässige Verwendung der Rieselwässer empfehlen. Hinsichtlich der günstigen Wirkung des animalischen Düngers auf die Baumvegetation und auf die Belebung absterbender Bäume haben 10jährige Versuche überraschende Resultate geliefert. Geh. Rath Prof. Biermer constatirte am Schluss der Sitzung die wesentliche Uebereinstimmung der Meinungen innerhalb der Section für öffentliche Gesundheitspflege und dass das Project des Magistrats auf keinen Widerstand bei den Mitgliedern derselben gestossen sei. In der Sitzung vom 9. April hielt Herr Dr. Hulwa einen Vortrag über die Berieselungsfrage vom agrieulturchemischen Standpunkte aus. Die Schwemmcanalisation mit Rieselfeldern ist nunmehr eine be- - schlossene Sache und wäre es unnütz und wenig erspriesslich, gegen- theilige Meinungen und Vorschläge zur Geltung zu bringen. Nach meinem Dafürhalten ist es angesichts des gefassten Beschlusses vielmehr Pflicht jedes Bürgers, welchem das Wohl der Stadt am Herzen liest, nach besten Kräften das begonnene Werk zu fördern, damit das- selbe frucht- und gesundheitsbringend sich gestalten möge. In diesem Sinne wollen Sie meine Mittheilungen zur Sache auffassen. . Soweit ich den Verhandlungen über diese wichtige Sanitäts- und volkswirthschaftliche Frage gefolgt bin, blieb mir der Eindruck, dass bei Beurtheilung der Tragweite der Frage dem agrieulturchemischen Stand- punkt nicht genügend Rechnung getragen worden sei. — Ich vermisste eine eingehende Würdigung bezüglich der Winterberieselung, der Schlick- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 941 bildung, der benöthigten Landfläche und deren Beschaffenheit, so wie endlich der in Aussicht gestellten Walddüngung und des vorgeschlagenen Planes, den Landwirthen um Breslau die Cloakenflüssigkeit zu Versuchen zu überlassen, um daraus die Verwendbarkeit der Düngeflüssigkeit zu ermessen. Die ganze Rieselwirthschaft ist doch eingestandenermassen erst noch ein Versuch, und man sollte das Gelingen desselben nicht der mehr oder minder grossen Geschicklichkeit und Kenntniss des praktischen Landwirths allein überlassen, sondern auf rationell wissenschaftlicher Basis vorgehn, wo es sich um so grosse Geldopfer und Gesundheitsrücksichten handelt. Bei aller Achtung vor der praktischen Tüchtigkeit der dabei in Frage kommenden Landwirthe, muss ich denselben jedoch die Erfahrung für eine Betriebsweise absprechen, für welche uns noch kaum die Grundlinien gegeben sind. Die Berieselung resp. das wohin mit der Fäcaljauche als Abschluss der Canalisation ist ebenfalls eine sanitäre Massregel, welche aber vornehm- lich vom agrieulturchemischen Standpunkt befriedigend zu lösen ist. Be- rücksichtigt man diesen Standpunkt nicht gehörig, so dürfte es leicht kommen, dass die allgemeine Gesundheitspflege das wieder verbietet, was das städtische specielle Interesse erlaubt, resp. verlangt. Da nun das ‚‚wohin‘‘ mit den Abfallstoffen einen Cardinalpunkt bei der Entscheidung über die Methode der Stadtreinigung bildet, so werden bei der Beurtheilung einer oder der anderen Methode neben der Medizin und Technik auch der Landwirth und der Chemiker wesentlich interessirt sein. Im Bewusstsein dieses Interesses hat der Breslauer landwirthschaft- liche Verein bereits im October und November 1873 die damals auf- getauchte Frage der Berieselung und Abfuhr auch sofort in lebhafte Er- örterungen genommen, und machten sich bei Abwägung der Verwendbar- keit beider Methoden folgende Gesichtspunkte geltend. Man erkannte an, dass die Schwemmeanalisation die bequemste und reinlichste Art sei, um die Fäcalien rasch aus dem Bereiche menschlicher Wohnstätten zu schaffen, anderseits konnte man nicht anders nach den bisherigen Erfahrungen, als die Berieselung der Felder für eine noch offene, nicht spruchweise Angelegenheit erklären, bei welcher erst durch zahlreiche Experimente unter unseren Klima- und Bodenverhältnissen die hauptsächlichsten Bedingungen festgestellt werden müssen, nach welchen den Anforderungen an die allgemeine Gesundheitspflege und der voll- gültigen landwirthschaftlichen Ausnützung dauernd entsprochen werden kann. Die allgemeine Gesundheitspflege verlangt, dass das unreine Canal- wasser ob mit oder ohne menschliche Excremente nicht in die öffentlichen Wasserläufe gebracht und weiterhin auch das Grundwasser der künftigen 16 242 Jahres- Bericht Rieselfelder nicht so verunreinigt wird, dass es die Stadt selbst und die umliegenden Ortschaften gefährdet. Es wird nun bei einer Berieselungsanlage davon abhängen, ob es gelingt, die Spüljauche vollständig unterzubringen und die versickernde Flüssigkeit vollkommen und dauernd rein zu erhalten. — Beides kann nur erreicht werden durch reichlich bemessene Rieselflächen, reichlicher als man sie wohl hier in Anschlag bringt. Was nun die vollkommene landwirthschaftliche Ausnützung betrifft, so wird sich diese an das Verhalten des Bodens und der Pflanzen gegen- über der Spüljauche knüpfen. Für die Lösung dieser Frage bietet der herkömmliche Betrieb der Landwirthschaft noch nicht die erforderlichen Bedingungen; es bedarf neuer Einrichtungen und. Culturmethoden, um diese Frage in Einklang mit der vorigen zu bringen. — Die Spüljauchewirthschaft befindet sich noch in den Kinderschuhen,. und muss erst durch viele Versuche gross gezogen werden. ; Es steht ebenfalls ausser Frage, dass der Boden bis dahin der beste Desinfector, das zweckmässigste Mittel ist, um die Canalisationswässer zu reinigen und zu verwerthen. — Ein lehmiger Sand, wie solehen Breslau in den Gütern Ransern und Herrnprotsch bietet, wird sich hierzu besser eignen als Sandboden, da letzterer eigentlich vorerst nur filtrirt und die suspendirten Stoffe aufnimmt, ersterer neben den suspendirten auch die gelösten Stoffe absorbirt. — Erst allmälig wird durch Berieselung der Sand absorptionsfähig; indessen darf hier nicht vergessen werden, dass bei lehmigem Boden die Filtration langsam vor sich geht und eine grössere Bodenfläche für die Aufnahme der Fäcalwässer nothwendig ist, also die Anlage auch theurer kommt; anderseits, dass Sandboden, namentlich bei der Berieselung während des Winters als Sicherheitsfactor dient, um die Flüssigkeiten versinken zu lassen. — Jeder Boden besitzt im Verhältniss zu der durch seine Bestandtheile bedingten Absorptionskraft die Fähigkeit, ‚ aus einer flüssigen Düngung einen Theil der darin gelösten und su- spendirten Stoffe aufzunehmen. -— Absorbirt werden von Pflanzennahrungs- stoffen: das Kali, die Phosphorsäure, die Magnesia und das Ammoniak; nicht absorbirungsfähig sind: das Chlor, die Salpetersäure und das Natron und auch die Schwefelsäure. Wenn das durch das Canalwasser dem Boden zugeführte Ammoniak durch Zutritt der Luft in Salpetersäure übergeht und das Pflanzenwachs- thum dieselbe nicht assimilirt, so tritt dieser werthvolle und wichtige Nährstoff in den Untergrund und findet sich in den Drainwässern. Bei unrationeller Berieselung würden sehr bedeutende Quantitäten dieses Nähr- stoffes auf solche Weise verloren gehen. Die Absorptionskraft des Bodens, so wie dessen wasserfassende Kraft erreichen jedoch früher oder später ihre Grenze, ebenso wie auch der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 243 die Fruchtbarkeitsbedingungen sich nicht bis ins Unendliche vermehren lassen, sondern im Uebermass den Pflanzen geboten, dieselben vergeilen. Der Boden versagt, über diese Grenzen hinaus mit Fäcalwasser berieselt, einfach den Dienst bezüglich der gewünschten Reinigung und der an- gestrebten Verwerthung; es entströmen ihm dann schädliche Gase einer- seits, verunreinigte Untergrundwässer anderseits, und endlich bilden sich Abnormitäten im Pflanzenwuchs, welche mit den Bedingungen einer ge- sunden Ernährung von Menschen und Thieren nicht im Einklang stehen. Im Hinblick auf die Berieselung wird ferner nicht genug gewürdigt, dass auf einem Boden, welcher stets auf der Höhe seiner wasserfassenden Kraft steht, und auf einer Wiese, die dauernd mit Fäcalwasser befeuchtet ist, im ersteren Fall die meisten unserer Culturpflanzen nieht gedeihen, und im zweiten Falle nur unnormale Gräser wachsen können, da in dem mit Wasser gesättisten Boden bei mangelndem Luftzutritt die Verwesung organischer Stoffe eine andere Richtung nimmt, als in einem gut ge- lufteten' Boden, und anderseits durch Lesung von Drainrökren auch nur immer das über die wasserhaltende Kraft sich ansammelnde Wasser ab- fliessen kann. Um eine wirksame Reinigung und zweckmässige Verwerthung des Canalwassers durch Filtration zu erreichen, ist es also nothwendig: 1) dass der Sauerstoff der Luft in das Innere des Bodenfilters gelangen kann, was wieder dadurch bewirkt wird, dass man das Canalwasser auf 2 Filter vertheilt und sie in einem Turnus von Stunden oder Tagen be- nutzt, also eine absieigende intermittirende Filtration einrichtet, 2) dass man umfängliche Landflächen benutzt, um für die verschiedenen Feld- früchte die normalen Bedingungen des Wachsthums zu beschaffen, indem z. B. Körnerfrüchte nur periodisch auf Rieselland ohne Rieselung zu bauen sind, 3) dass man für genügenden Abfluss des Untergrundwassers sorgt. Man giebt sich ferner bei der Berieselung der Betrachtung hin, dass die in den Fäcalwässern gelösten Pflanzennährstoffe in Folge der Ab- sorptionskräfte des berieselten Bodens dauernd sehr vollständig festgehalten resp. für die Pflanzen reservirt werden und berücksichtigt nicht, dass es naturgesetzmässig ganz und gar von dem Reichthum des Bodens und der Verdünnung des mit ihm in Berührung kommenden Wassers abhängt, ob eine Absorption der aufgebrachten oder umgekehrt eine Auslaugung schon aufgenommener Stoffe stattfindet. So werden Kalk und Magnesia in Folge der lebhaften Nitrifieation der Spüljauche in grösserer Menge dem Boden entführt, als zugeführt, und erscheint es darum wichtig, die bei der Berieselung verwendeten Bodenarten auf ihre Absorp- tionskraft zu prüfen, Es wird somit die Eigenschaft eines Bodens, sich sehr vollständig mit Fäcalstoffen zu tränken, zu welchem Dienst ein Sandboden erst all- 16* 244 Jahres-Bericht mälig herangezogen werden muss, oft ein sehr fraglicher Gewinn sein, da es ganz von klimatischen Bedingungen und der örtlichen Lage abhängt, ob die Berieselung den Boden in einen Sumpf, oder in fruchtbares Land, oder in eine Wüste verwandelt. Wir haben bereits erwähnt, dass bei der Berieselung der Boden sehr reich mit Salpeter beladen wird; im Frühjahr entfaltet sich dann eine ausserordentlich lebhafte Vegetation, welche jedoch beim Eintritt eines heissen troeknen Sommers ins Gegentheil umschlägt, so dass Alles ver- brennt; je flacher die Pflanzenwurzeln, desto mehr sind sie dieser Gefahr ausgesetzt. — Oft dürfte namentlich auf sandigem Boden, ohne künst- liche Wasserzufuhr den Qulturpflanzen die vorausgegangene Winter- berieselung mehr schaden wie nutzen. Weiterhin bereiten die in den Fäcalwässern suspendirten feinsten Schlammstoffe, von Fäcalien, Küchen- und Fabrikabfällen, Strassenkoth herrührend und zum Theil eine Reihe parasitisch schädlicher Organismen umfassend, der Berieselung recht erhebliche Schwierigkeiten, indem dieser Schlamm da, wo er sich in zusammenhängender Schicht als Schlick ab- setzt, mehr oder weniger die Filtration des Bodens beeinträchtigt, ja ganz aufheben kann. — Mit Ausnahme des groben Sandbodens verschlickt jeder Culturboden sehr schnell durch diesen Spüljauchenschlamm und wird undurchlässig für Luft und Wasser; es bilden sich Jauchentümpel, das Gras vergeilt und fault. Bei trockner Witterung kann durch Abblättern dieser Schlickschicht die Durchlässigkeit einigermassen wieder hergestellt werden. — Bei nasser kalter Witterung bleibt auf Grasland nichts übrig als die Berieselung vorerst ganz abzubrechen. Die Schliekbildung ist so störend, dass man alies Ernstes daran denkt, alle Spüljauche vor der landwirthschaftlichen Benutzung erst künstlich zu klären, und erscheint dies um so wünschenswerther, als das mit diesem Schliek beschmutzte Grünfutter ungeniessbar für Vieh wird und auch die Grün-Gemüse unappetitlich macht. Die Möglichkeit, dass durch Canalwasserrieselung Parasiten verbreitet werden, liegt nun allerdings vor; es ist jedoch noch kein Fall mit Be- stimmtheit beobachtet worden, und die Möglichkeit schwindet noch mehr, wenn man dafür sorgt, dass die erzeugten Nahrungsmittel nicht in un- mittelbare Berührung mit der Spüljauche kommen, und einer besonderen Zubereitung durch Kochen, Dämpfen, Trocknen, Einsäuern unterworfen werden. In die Spüljauehe können auch Abfälle technischer Industrie gelangen, welche, namentlich viele Salze der Schwermetalle, den Pflanzen schädlich sind; es erscheint als Pflicht des Agrieulturchemikers, die Behörden auf die Schädlichkeit und demnach das Fernhalten dieser Stoffe aufmerksam zu machen. a a et TEE 2 dur el ve Ban y MR S“ r F der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 245 Weitere Schwierigkeiten der Berieselung liegen in der Winterfrage. — Die englischen Verhältnisse sind für uns nicht massgebend. Der englische Winter ist im Allgemeinen so mild, dass die Vegetation der niederen Culturpflanzen (vornehmlich der Gramineen) fast nie ganz aufhört. Die Berieselung wird dort nie ernstlich durch Vereisung des Bodens ge- hindert, sondern höchstens nur durch Winterfeuchtiskeit erschwert. — Bei uns in Deutschland können wir durchschnittlich nur etwa ein halbes Jahr auf eine Mitwirkung der Vegetation bei der Reinigung und Aus- nutzung der Spüljauche rechnen. In der kälteren Jahreshälfte muss von der Berieselung der Grasflächen Abstand genommen werden, und während zwei Monaten dürfte die systematische Berieselung des Landes durch Eis- bildung theils sehr erschwert, theils ganz unmöglich gemacht werden. — Bei starkem Frost wird für die Unterbringung der Spüljauche kaum anderes möglich sein, als dieselbe in möglichst durchlässige Bassins oder Gräben einzustauen, und zwar ehe der Frost tiefer in die Erde dringt, Hierbei dürfte es nöthig werden, um eine Verschliekung des Bassin- bodens vom Jauchenschlamm vorzubeugen, die Spüljauche vorerst zu klären, oder zu sedimentiren (am besten geschieht dies durch Thonerde- Phosphat, Torf, Theer und Kalkmilch) ehe dieselbe ins Staubassin tritt. Ferner wird über den Verbleib der abgeseihten Jauche sorgfältig zu wachen sein, damit man weiss, wohin die filtrirte Jauche ihren Weg nimmt und dass dieselbe nicht Brunnen vergiftet. Im Frühjahr kann durch Aufpumpen oder durch tiefwurzelnde Gewächse, Strauch- und Baumzucht die Jauche nutzbar gemacht werden. — Der Lauf der filtrirten Jauche kann leicht durch die Untersuchung der in verschiedenen Rich- tungen vom Bassin ausgehenden Grundwässer auf Chlorgehalt, welcher der Jauche charakteristisch ist, festgestellt werden. Die Spüljauchenwirthschaft gestaltet sich demnach bei uns weit com- plieirter als in England. Man kann sich nicht auf den Grasbau allein beschränken, man muss verschiedene Ländereien und verschiedene Bodenarten mit verschiedenem Grundwasserstande zu verschiedenen Jahreszeiten cultiviren. Alle diese Umstände, sowie die landwirthschaftlichen Erfolge mit flüssigem Cloaken- dung ergeben, dass nicht 4000 Morgen, ja auch das Doppelte des Areals noch nicht völlig ausreichen wird, um die landwirthschaftliche Ausnutzung resp. die höchstmögliche Ueberführung der düngenden Bestandtheile in Pflanzensubstanz und zugleich die sanitäre Reinigung der Spüljauche zu bewirken. | Für die Spüljauchenwirthschaft ist unleugbar das Vortheilhafteste, alle grünen Producte sofort an die Stadt zurückzugeben, oder, bei der Schwierig- keit der Heubereitung aus dem saftigen und schwer zu trocknenden Spül- jauchengrase, auf und neben den Rieselwirthschaften Viehställe einzu- 246 Jahres-Bericht richten, wo ferner auch auf die Verwerthung des sich dabei massenhaft erzeugenden Mistes Rücksicht genommen werden muss. Nach vorliegender Erfahrung wird in Deutschland und in England der Grasbau (italienisches Raigras u. dgl.) die Grundlage der Spüljauchen- wirthschalt ausmachen; ebenso werden quantitativ und qualitativ gute Erudten bei Gemüsebau und der Cultur gewisser Rübenarten (Futter- runkelrüben) so wie Handelsfrüchte (Raps) erzielt werden. Körnerfrüchte und Kartoffeln eignen sieh mehr zur Ausnützung alter Rieselfelder ohne Berieselung. — Zuckerrüben geben zwar grossen Massenertrag jedoch keinen Zucker und eisnen sich mehr für Brennereien. — Gemüse werden zwar sehr üppig und zart, können aber hinsichtlich der Zeitlichkeit nicht mit der Mistbeeteultur eoncurriren und somit nur auf geringe Preise rechnen. Sehr werthvoll ist die Spüljauche für Erdbeercultur; über die Erfolge bei anderen Beeren und Obst dürften sich auch günstige Aussichten eröffnen. Bei Nadelholz sollen noch Erfahrungen gemacht werden; die Forst- eultur mit Weiden, Schäleichen und Buschholz zu Heizungs- zwecken dagegen lässt schon um deshalb grosse Vortheile versprechen, als durch die tiefe Bewurzelung der Hölzer eine sichere Unterbringung und Ausnützung von Spüljauche und des Grundwassers zu allen Zeiten, selbst während der vegetationslosen Jahreszeit in Deutschland angezeigt ist. Eine solche Cultur würde eine Ableitung der Fäcal- wässer in die Flüsse entbehrlich machen. Die Spüljauche ist, wie die chemische Analyse festgestellt hat, als eine sehr stickstoffreiche Nährstofflösung anzusehn, welche, um für die Cultur von Kartoffeln, Getreidearten, Zuckerrüben, verwendet zu werden, verlangt, dass der Gehalt an Mineralstoffen, besonders an Phosphorsäure und Kali, durch besondere Zusätze oder in der Wahl des Bodens gegen- über dem Ammoniak erhöht wird. Wohin wir also auch blicken bei der von den canalisirten Städten gestellten Aufgabe, die Spüljauche unterzubringen, zu verwerthen und . möglichst unschädlich zu machen, finden wir eine lange Reihe von Fragen, welche der Beantwortung durch naturwissenschaftliche Forschung harren. — Die Agriculturchemie hat durch ihre Versuche grade mit Nährstoff- lösung die wichtigsten Gesetze der Pflanzenernährung bereits gefunden. Es gilt nun diese Versuche mit Berücksichtigung der städtischen Spül- jauche fortzusetzen. —- Nach der jetzigen Entwickelung der Wissenschaft dürfte diese Frage, wenn die nöthigen Kräfte und Anstalten beschafft werden, in nicht zu ferner Zeit gelöst werden, so dass man auf eine erfolgreiche Zukunft der Spüljauchenwirthschaft hoffen darf. Bei der Berieselung muss im Allgemeinen festgehalten werden, dass je grösser die Fläche und je günstiger der Boden, desto sicherer die Reinigung der Jauche, desto vollständiger ihre Ausnutzung. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 947 Wenn es ferner im Interesse des Pächters liegt, eine möglichst kleine Fläche intensiv zu berieseln und durch hohe Erträge guten Zins zu er- halten, so erheischt die Gesundheitspflege das Gegentheil. Zum Ausgleich dieser Gegensätze muss eine Methode gefunden werden, welche die Frage beantwortet: in wie weit erfolgt die Absorption und Verwerthung von Spüljauche mit Hilfe des Bodens und der Pflanzen, — wann beginnt die Verunreinigung des Abflusswassers, und wie ist die höchst gefährliche Schliekbildung zu verhüten ? Auf diese Frage kann nur mit Hilfe der Agrieulturchemie durch ein- gehende Versuche geantwortet werden. Man construire daher die Spüljauchenwirthschaft auf wissenschaftliche Basis und vereinige im Versuch Theorie und Praxis, so wird sich der Ausspruch Liebigs bestätigen, dass bei glücklicher Entscheidung der Canalisationsfrage der Städte ein Fortschritt in der Cultur und Civilisation sich eröffnet, und neue Bedingungen für die Vermehrung des Wohlstandes der Völker gegeben sind. In der Sitzung am 15. October hielt der Köngl. Bezirks - Physikus Herr Dr. J. Jacobi einen Vortrag über das Grundwasser von Breslau. Nach Definition der Bezeichnungen Grundwasser und Untergrundwasser wurden die Quellen des ersteren angegeben, über seine Tiefe unter der Erdoberfläche und über seine Bewegung gesprochen, sodann hervorgehoben, welche Bedeutung dem Grundwasser von jeher beigelegt worden ist in Bezug auf die Landwirthschaft, auf Bauten, Keller-Wohnungen und als einer Quelle der Wasserversorgung. Schon diese Beziehungen verlangten eingehende Grundwasserstudien und machten Feststeilungen der Bewegung und des Standes des Grundwassers aller Orten sehr nützlich. Pettenkofer hat nun seit 1856 noch in einer völlig anderen Richtung dem Grundwasser eine hygienische Wichtigkeit beigelegt: dort, wo sein. Stand, wie in München, als Maassstab dienen kann für den Grad der Bodendurchfeuchtung, bezeichne dasSinken des Grundwassers fürCholera und Typhus die Zeit der Gefahr. Für München sei bewiesen, dass die Schwankungen des Grund- wassers mit der Typhus-Mortalität in einem ursächlichen — wenn auch sonst noch ganz dunkeln — Zusammenhange stehen. In Berlin ist eine ähnliche Coincidenz durch einen kleineren Zeitraum gefunden worden, an anderen Orten, wie in Zürich, dagegen niehts davon. Für die Cholera liegen beweiskräftige Beobachtungsreihen noch nicht vor. 248 Jahres - Bericht Virchow hat neuerdings auch die Kindersterblichkeit mit ihrer er- schrecklichen Sommerzunahme zu dem Sinken des Grundwassers in Be- ziehung bringen wollen. Redner, der aus dem Rahmen der Thatsachen nicht heraustreten wolle, glaubt gezeigt zu haben, dass weitere eontrolirende Grundwasser- beobachtungen geboten seien, zumal da es sich hier um Discutirung der allerwichtigsten hygienischen Probleme handele. Breslau bietet, da seit dem 9. April 1874 hier an 43 Standröhren täglich die Höhe und die Temperatur des Grundwassers gemessen wird, zum Studium desselben jetzt günstige Gelegenheit. Die Breslauer Grund- wassermessungen sind deshalb besonders interessant, weil wir relativ die grösseste Zahl der Beobachtungspunkte haben und weil das Stadtgebiet sich in drei ganz getrennte und verschiedenartige grosse Drainagegebiete scheiden lässt: die Oderinsel, die Altstadt und die Vorstädte am linken Oderufer. Nachdem sodann die geognostischen Verhältnisse Breslaus nach den Resultaten der 156 Bohrungen, welche der Magistrat neuerdings hat vor- nehmen lassen und der beiden Tiefbohrungen, welche 1833 und 1849/50 stattfanden, eingehend besprochen worden, geht Redner die drei vorher genannten Gebiete an der Hand von Curven-Tafeln in Bezug auf das Grundwasser einzeln durch. Er zeigt, wie verschiedenartisg die Curven gestaltet sind, welche den Stand jedes Brunnens durch ein ganzes Jahr zur Anschauung bringen, dass sich indess bei eingehender Vergleichung eine Gesetzmässigkeit in der Curvenform ergebe und hiernach folgende Gruppen sich genau scheiden lassen: 1) Diejenigen Brunnen, welche nur von den Niederschlägen abhängen; 2) diejenigen, welche indireet mit der Oder, der-Ohle oder dem Stadtgraben zusammenhängen und von dem- selben beeinflusst werden, und 3) die direeten Oderbrunnen. Das Grund- wasser der Oderinsel sowie der Altstadt steht ganz unter der Herrschaft der Oder. Die Temperatur des Grundwassers zeigt im Allgemeinen eine um so ‚geringere Schwankung und um so grössere Verschiebung von Maximum und Minimum, je tiefer es sich findet, doch ist verhältnissmässig das Grundwasser in der Altstadt am höchsten temperirt. Die Chemie des Grundwassers in Breslau hat bisher eine systematische Bearbeitung noch nicht gefunden. Redner möchte den Magistrat bitten, auch auf diesem hochwichtigen Gebiete ex officio fortlaufende Unter- suchungen anstellen zu lassen, ähnlich denen, wie sie in Berlin durch Prof. Müller ausgeführt werden. Die Beziehungen des Breslauer Grundwassers zu unserer Mortalität, zu Cholera, Typhus, Kindersterblichkeit können vorläufig noch nicht dis- ceutirt werden. Die bezüglichen Zusammenstellungen, die Redner vorlegt, seien nur der Anfang einer Arbeit, die durch einen längeren Zeitraum der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 949 fortgesetzt werden müsse, um in dieser Richtung wissenschaftlich verwerth- bare Resultate zu liefern. Nur darauf wies der Vortragende kurz hin, dass Breslau keineswegs eine „Typhusstadt‘‘ sei, in Bezug auf die Kinder- sterblichkeit aber zu den Herodian distriets, nach John Simon’s Aus- druck, gehöre. In der Sitzung am 5. November hielt zunächst der Director des städ- tischen statistischen Bureaus Herr Dr. Bruch einen Vortrag über die Bedeutung der Volkszählung vom hygienischen Standpunkt. Eine genaue Feststellung der Bewohnerzahl ermögliche allein einen sichern Maassstab für die Beurtheilung der Sterblichkeit eines Ortes, eine gegen die Wirklichkeit zu geringe gezählte Bevölkerung müsse selbst- verständlich, bei der gewöhnlichen Berechnung der Sterblichkeitsziffer ein zu grosses Resultat dafür ergeben. Da der — zur Zeit immer noch nicht genau festzustellende — Zuzug nach Breslau seit der letzten Volkszählung von 1871 unzweifelhaft sehr stark gewesen ist, gelangt Redner auf Grund zuverlässiger Berechnungen aus der Bevölkerungs-, Steuer- und Schul- Statistik zur Vermuthung einer weit grösseren Seelenzahl, als man bisher allgemein angenommen habe und zwar von mindestens 240,000 Seelen. Da gewöhnlich die Ziffer 220,000 den zeitigen Mortalitätsberechnungen zu Grunde gelegt werde, so gestalte sich die Breslauer Mortalitätsziffer bei Annahme der grösseren Bevölkerung um ca. 3 per Mille günstiger. Durch seinen starken Zuzug trete Breslau ferner in die Reihe der Industrie- städte, welche die Eigenthümlichkeit ihrer Zusammensetzung aus einer grössern Zahl von Personen im gesundesten kräftigsten Lebensalter von 20—25 Jahren, auch in ihren Sterblichkeits-Verhältnissen erkennen lassen. Denn hierdurch werde die Sterblichkeit nicht scheinbar, sondern faetisch geringer. Wenn die Sterblichkeit Breslaus in den letzten drei Jahren, trotz starker Vermehrung der Bevölkerung, sogar positiv gesunken, die Kindersterblichkeit dagegen absolut und relativ gestiegen sei, so hängt dies ferner nicht nur mit den Altersverhältnissen, sondern auch mit dem Familienstande und den Erwerbsverhältnissen der Erwachsenen zusammen. Denn viele junge Eheleute aus niedrigem Stande — gleichfalls eine charakteristische Erscheinungsform in der Populationistik der Industrie- Städte — erzeugten viele Kinder, deren grössere Sterblichkeit die Ge- sammtsterblichkeitsziffer eines Ortes wieder in ungünstiger Weise modi- fieiren müsste. Die besondern Erhebungen über die hygienischen Verhältnisse bei den Wohnungen wurden sodann einzeln durchgenommen und deren Be- deutung erläutert, indem Redner sich die Darstellung der gewonnenen Resultate für eine spätere Zeit vorbehielt. Redner spricht sodann den Wunsch aus, dass sich die Section für Aufnahme einer Frage nach der 250 Jahres- Bericht Lage der Wohnung auf den Karten- Auszügen aus den Standesbüchern resp. den Sterberegistern interessiren möge, Ein besonders motivirter Antrag in dieser Beziehung werde demnächst gestellt werden. Hierauf hielt Herr Apotheker J. Müller einen Vortrag über rationelles Desinficiren. Derselbe wurde dazu veranlasst durch die häufig gemachte Wahr- nehmung der meist nicht scharf aufgefassten Unterscheidung der anti- septischen und der desinfieirenden Mittel, Körper, die meist für identisch gehalten werden, deren Wirkung aber eine ganz verschiedene. Wir verstehen unter antiseptischen Mitteln fäulnisswidrige, die Fäulniss verhindernde resp. hemmende Körper; unter desinfieirenden „‚entgiftende Mittel“, d. h. solche, welche die gebildeten Fäulnissproducte entweder einfach beseitigen oder sie in unschädliche Verbindungen umwandeln. Die Carbolsäure ist ein antiseptisches Mittel: sie verhindert die Fäulniss, ohne aber die schon vorhandenen, namentlich gasförmigen Fäulniss- producte, um die es sich ja meist handelt, weder zu beseitigen noch zu verändern. Das übermangansaure Kali ist ein desinficirender Körper: er nimmt die Fäulnissproducte weg, resp. verändert sie in geruchlose un- schädliche Verbindungen, hindert oder hemmt die Fäulniss aber keineswegs. Nachdem der Vortragende genauer auf den Fäulnissprocess selbst ein- gegangen, besprach er zuerst die antiseptischen Mittel. Dieselben wirken 1) entweder, indem sie das Zukommen von Fäulnisserregern zu stickstoffhaltigen Körpern verhindern, oder die leicht in Fäulniss übergehenden Substanzen durch passende Mittel zur Entwickelung der hineingelangten Fäulnisserreger ungeeignet machen; 2) indem sie den stickstoffhaltigen Körpern das zur Fäulniss un- umgänglich nöthige Wasser entziehen. Zu den letzteren Mitteln gehört, abgesehen von der Entziehung des Wassers durch Ab- dampfen, der Alkohol — angewandt zur Conservirung, thierischer und pflanzlicher Präparate; gewisse Salze, z. B. das Kochsalz, benützt zum Einsalzen des Fleisches; die Kohle, verwerthet in dem Ankohlen der Stämme etc. Die ersteren, abgesehen von der Aufbewahrung stickstoffhaltiger Körper unter Benützung des hermetischen Verschlusses, können eingetheilt werden in solche, deren Wirkung wir uns erklären können, und in solche, bei denen wir dies bis jetzt zu thun- nicht im Stande sind. Zu den ersteren gehören die Mittel, welche mit den stickstoffhaltigen Körpern Verbindungen eingehen, die der Fäulniss widerstehen, z. B. die arsenige Säure, das Quecksilberchlorid, das schwefelsaure Kupferoxyd und wohl als wirksamstes die Gerbsäure; dieselbe geht mit der stiekstoffhaltigen Haut eine Verbindung — Leder genannt — ein, die der Fäulniss lange widersteht. Hierher sind jedenfalls auch die Säuren zu rechnen. der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 251 Zu den letzteren gehört die in jüngster Zeit solch’ umfassende An- wendung gefundene, seit längst aber in den Räucherungen und in der Be- handlung des Fleisches mit Holzessig und Kreosot benützte Carbolsäure, der Camphor, die Benzoesäure und die Salieylsäure; letztere beiden wirk- liche Säuren, Camphor und Carbolsäure — nur fälschlich Säure genannt — völlig indifferent reagirende Körper. Könnte man sich bei Benzoe- säure und Salieylsäure auf Grund ihrer sauren Eigenschaften in gewisser Hinsicht die antiseptische Wirkung erklären — freilich ist die hemmende Wirkung eine so mächtige, dass eben dieser Grund nicht stiehhaltig — so fällt diese Erklärung bei Wirkung des Camphors und der Carbolsäure völlig weg. — Der Vortragende ging nun näher ein auf die vergleichenden Wirkungen der Salieylsäure und der Carbolsäure, demonstrirte die schon im vorigen Jahre der medieinischen Section vorgeführten und erweiterten Versuehe hierüber, und kam zu demselben Schluss: dass nämlich die Salieylsäure den in der Luft enthaltenen Fäulnisserregern einen bei Weitem geringeren Widerstand enigegensetze als dies die Carbolsäure thue. Zieht man nun noch in Betracht, dass die Salieylsäure in alkalischen Flüssig- keiten jede antiseptische Eigenschaft verliert, so kann man wohl mit Be- stimmtheit behaupten, dass die Salicylsäure nie die Carbolsäure ver- drängen wird. Sie wird wirken bei abnorm fermentativen Prozessen des Magens, da der Magensaft sauer reagirt; sie kann bei Blasen-Er- krankungen Hilfe leisten; sie wird in gewisser Hinsicht als elegantes Surrogat für Carbolsäure in der Chirurgie verwerthet werden; sie kann sich als Zusatz zu Mundwässern, Zahnpulver ete. nützlich erweisen, sie wird aber nie ein Mittel gegen septische Krankheiten werden können, da das Blut alkalisch reagirt und in solehen Flüssigkeiten, wie schon erwähnt, die Salieylsäure jede antiseptische Eigenschaft verloren. Es wäre er- wünscht und für den wirklichen Werth der Salieylsäure nur vortheilhaft, wenn sie in die gehörigen Schranken zurückgedrängt, wenn sie in der Mediein wie in der Haushaltung die ihr zukommende Stellung erhielte. — Alle die bis jetzt aufgezählten Mittel also waren antiseptische, fäulniss- widrige; sie werden mehr oder weniger das Eintreten der Fäulniss ver- hindern resp. hemmen, können aber mit wenigen Ausnahmen, zu denen die Kohle und die schweflige Säure gehören, schon gebildete, namentlich gasförmige Fäulnissproducte nicht wegnehmen, nicht unschädlich machen. Nachdem dies näher ausgeführt, ging der Vortragende über zu den spe- ciell desinfieirend wirkenden Mitteln und zog namentlich in Betracht das fliessende Wasser, Eisenvitriol, Chlorkalk und übermangansaures resp. mangansaures Kali; er bewies an angestellten Versuchen, dass diese Mittel keineswegs fäulnisswidrig also antiseptisch wirken, dass also trotz Gegen- wart dieser Körper die Fäulniss unbehindert eintritt; dass sie aber die Fäulnissproduete wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff und andere unan- genehm riechende Verbindungen mehr oder weniger schnell binden oder 252 Jahres - Bericht sie in nicht mehr riechende unschädliche Körper verändern. Am schla- gendsten kann man sich von diesem Unterschied der antiseptischen und desinfieirenden Mittel durch folgendes Experiment überzeugen: Die gas- förmigen Fäulnissproducete haben theils in Folge ihres Schwefelwasserstoff- gehaltes, theils der niedrig oxydirten anderweitigen gasförmigen Producte die Eigenschaft, mit Silberlösung getränktes Papier zu schwärzen, Schüttelt man nun eine in Fäulniss begrittene Flüssigkeit mit einem anti- septischen Mittel, z. B. Salicylsäure, so wird allerdings die weitere Fäul- niss sistirt, die gewiss schädlich wirkenden Fäulnissproducte aber nicht entfernt, das über die Flüssigkeit aufgehängte Silberpapier wird nach wie vor geschwärzt, ein Desinfieiren findet nicht statt. Wendet man dagegen an Stelle der Salieylsäure ein desinfieirend wirkendes Mittel z. B. über- magansaures Kali an, so bleibt das darüber aufgehängte Silberpapier völlig unverändert, das übermangansaure Kali hat die Fäulnissproduete gebunden resp. in unschädliche nicht mehr redueirend also schädlich wirkende Ver- bindungen verändert. Aus dem Gesagten und durch die Versuche Erläuterten ergiebt sich nun die Antwort auf die Frage: „wie man rationell desinfieirt‘‘ von selbst. Immer wird man sich fragen müssen: soll die Fäulniss verhindert oder sollen sehon vorhandene Fäulnissproducte wie übler Geruch ete. beseitigt werden? Zur Erreichung des ersteren Zweckes wird man antiseptische Mittel, also Alkohol, Carbolsäure, Salicylsäure ete., zur Erreichung des Letzteren desinfieirende Körper, also Eisenvitriol, übermangansaures Kali, ' Chlorkalk, vor Allem aber Wasser als ‘bestes Reinigungs-, also bestes desinfieirendes Mittel anwenden. Hat man z. B. Fleisch oder derartige Körper, will man diese conserviren, so wird man sich, abgesehen von der Anwendung des luftdiehten Verschlusses, mit Vortheil des Alkohols, der Carbolsäure, der Salieylsäure, kurz der antiseptischen Mittel bedienen. Wäre aber das Fleisch schon theilweise in Fäulniss übergegangen und wollte man es doch noch conserviren, so müsste man vorher erst durch Waschen, womöglich unter Zusatz von übermangansaurem Kali ete., die _Fäulnissproducte entfernen, also desinfieiren und dann antiseptische Mittel anwenden. Will man Hände, die mit faulenden Körpern in Berührung gekommen, geruchlos machen, so wird man sie nicht in Alkohol, Carbol- säure oder Salieylsäure-Lösungen waschen — dies würde den Geruch nicht beseitigen, — sondern wird dem Waschwasser etwas Eisenvitriol, Chlorkalk oder übermangansaures Kali hinzufügen. Dasselbe gilt selbst- verständlich z. B. von übelriechenden Ausgüssen; wollte man in diese Carbolsäure giessen, so würde zu einem üblen Geruch ein zweiter kommen; man muss hier ebenfalls ein desinfieirendes Mittel benützen. Meist nun aber werden die desinfieirenden Körper mit den anti- septischen rationell gemeinschaftlich anzuwenden sein, da man meist Fäulniss verhindern und gleichzeitig schon vorhandene Fäulnissproducte der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 353 wegzuschaffen beabsichtigen wird. Soll z. B. eine Cloake desinfieirt werden, so würde — Carbolsäure allein angewandt, wohl weitere Fäul- niss hindern, den in Folge schon vorhandener Fäulnissproducte herrschen- den Geruch aber nicht beseitigen; hier muss man desinficirende mit anti- septischen Mitteln combiniren, wendet z. B. mit Vortheil eine Mischung von Carbolsäure mit Eisenvitriol an. An Stelle des Eisenvitriols wird man, wo es anzubringen, am ratio- nellsten und vortheilhaftesten fliessendes Wasser benützen. Wir sehen hieraus, dass nirgends rationeller desinficirt wird, als jetzt in Breslau un- sere Schlammfänge: das immerwährend fliessende Wasser nimmt die Fäulnissproduete weg und die zugeschüttete Carbolsäure verhindert wei- tere Fäulniss. Jedenfalls ist diese rationelle Desinfeetion mit ein Factor unseres erreichten günstigeren Gesundheitszustandes; so lange mit Carbol- säure allein desinfieirt wurde, konnte ein durchgreifender Erfolg nicht er- zielt werden; seitdem aber Carbolsäure und fliessendes Wasser, ein anti- septisches gemeinschaftlich mit einem desinfieirenden Mittel angewandt wird, werden wir uns in den Strassen über üblen, von den Schlammfängen herrührenden Geruch nicht zu beschweren haben, ist Breslau in die Reihen der reinlichsten Städte getreten. Will man getragene Sachen, Möbel ete. desinficiren, so wird man vor Allem wieder das Wasser benützen, entweder, wie dies bei glatten Flächen geschehen kann, ohne jeden anderen Zusatz, oder wenn, wie bei Wäsche etc. thunlich, mit Zunahme von Chlorkalk, Eau de Javelle etc. Sollen Räume, also die Luft desinficirt werden, so muss für gute Ventilation gesorgt werden; handelt es sich darum, aus solchen Räumen Ansteckungsstoffe zu entfernen, so wird man nach gründlicher mechanischer Reinigung also neuen Anstrich ete., Räucherungen mit Chlor, wohl auch mit schwefliger Säure, anwenden ; immer aber ist der Schwerpunkt nament- lich darauf zu legen, die Entstehung von Fäulnissprodueten durch muster- hafte Sauberkeit überhaupt zu vermeiden, in unseren Haushaltungen jedes antiseptische wie desinfieirende Mittel womöglich überflüssig zu machen. Auch in unseren Häuslichkeiten herrschen noch nicht durchweg die ge- hörigen Vorsichtsmassregeln: lässt sich auch nicht, wie Pettenkofer dies angerathen, das sofortige Reinigen der schmutzigen Wäsche durchführen, so muss auf das Entschiedenste gewarnt werden, solche Wäsche offen liegen zu lassen; dieselbe gehört bis zur Zeit, wo sie gewaschen wird, in möglichst gut schliessende Kisten. Ein oft schauerlicher Geruch wird ferner häufig dadurch hervorgerufen, dass unsere Köchinnen die nassen, fettigen Knochen aufbewahren, um sie dann dem Knochensamnmler zu ver- kaufen; soll dies geschehen, so müssen, um Fäulniss nicht eintreten zu lassen, die Knochen bald auf dem Ofen getrocknet werden. Sehr häufig endlich kann man beobachten, dass auch in mit Wasserleitung nicht ver- sehene Ausgüsse übelriechende Flüssigkeiten wie Krautwasser ete. gegossen 254 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. und dadurch ein pestialischer Geruch verbreitet wird; solche Flüssigkeiten, wie überhaupt alles leicht in Fäulniss übergehende gehören, wenn eben nicht sofort nachgespült also desinfieirt werden kann, so schnell als mög- lich in die Cloake; kurz vor Allem ist auf das möglichst schnelle Ent- fernen der leicht in Fäulniss übergehenden Körper, auf reiche Verwen- dung von Wasser, auf musterhafte Sauberkeit zu achten. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, können wir uns gewiss über die in's Werk gesetzte Canalisation gratuliren; denn auch dies grossartige Unternehmen hat als Hauptzweck das möglichst schnelle Fortschatfen, also Unschädlich- machen aller faulenden Substanzen, verbindet also die wirksamste Des- infeetion mit dem rationellsten Verfahren, Fäulniss zu verhindern, d.h. jeder Anhäufung von faulenden Körpern vorzubeugen. v1. Bericht über die Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1875, abgestattet von Direetor Dr. Reimann, zeitisem Secretair der Section. Am 28. Januar hielt Herr Professor Dr. Kutzen einen (2.) Vortrag über das mährische Gesenke. Er lenkte die Aufmerksamkeit zunächst und hauptsächlich auf die Oder. Von Deutsch-Josnik an schlägt sie die Richtung nach Nordost ein und behält sie während ihres ferneren Laufes durch Mähren und Oesterreichisch- Schlesien bis über die preussische Grenze bei. In.ihrem Thale daselbst, einem breiten, schönen, äusserst fruchtbaren, von flachen Hügelreihen um- säumten Thale, nimmt sie durch eine grosse Zahl bedeutender Bäche und Nebenflüsse ansehnlich zu, so dass sie nach ihrem Uebertritte ins Preu- ssische bereits fast sämmtliche Gewässer der nördlichen und nordöstlichen Abfälle des Glatzer Schneeberggebirges, des Gesenkes und der nördlichen Abfälle der Mährisch-Schlesischen Karpathen in sich gesammelt hat. Dieses Thales volle Wichtigkeit tritt erst recht hervor im Hinblick auf die benachbarten Gegenden und Länder und auf menschliche Verhält- nisse innerhalb derselben. Es ist breit und eben genug, um Schwierig- keiten für das Fortkommen und den Verkehr wenig oder gar nicht dar- zubieten. Aehnlicher Art ist das Terrain nördlich darüber in Preussisch- Schlesien und in Polen. Dasselbe ist der Fall nach Südwest hin; denn hier gleicht das Thal der von den Beskiden kommenden Beczwa wie einer unmittelbaren Fortsetzung des Oderthales, und noch weiter südlich 256 Jahres - Bericht steht mit ihm fast wieder in unmittelbarer Verbindung die March, Mährens Hauptfluss, der in südlicher Richtung der Donau zueilt und diese an den Grenzen Ungarns auch erreicht. Es liegt also hier vor uns eine ins Grosse gehende Naturbahn, ebenso geeignet für Waaren-Transporte, wie für Völkerzüge von der mittleren Donau bis zur Ostsee und um- gekehrt. Dass sie als solche in grossartiger Weise auch oft benutzt worden ist, dafür sprechen sowohl aus dem Alterthum, wie aus dem Mittelalter und aus den neueren Jahrhunderten eine Menge überzeugender Beispiele. | Im Hinblick auf diese mehrfache hohe Bedeutung einer Bahn, wie sie die Natur an dem Gesenke und in dessen Nähe an der March und Oder geschaffen, ist es erklärlich, dass man, entsprechend der bereits in früheren Zeiten erlangten Einsicht, mit geeigneten Einrichtungen, mit An- legung von Communal-, Heer- und Kunststrassen zu Hilfe kam, durch welche die Verbindung des Donau- und Marchthales mit Schlesien, Polen und der Ostsee immer wirksamer vermittelt wurde; denn schon seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters hatte der Handel der Hansestädte an der Ostsee, Oder, Weichsel und im skandinavischen Norden mit Wien und Ungarn, besonders im letzteren mit Ofen, seinen Weg zum grossen Theil durch Mähren, nämlich durch das obere Oder-, Beczwa- und March- Thal genommen, so dass in dieser Richtung fortwährend Verbesserung der Wege noth that und versucht wurde, wenn auch, natürlich für jene Zeit man an einen rationellen Strassenbau noch nicht denken kann. In der Sitzung am 11. Februar hielt Director Reimann einen Vor- trag, in welchem er so zu sagen j eine Vorgeschichte der Hubertsburger Friedens-Commission gab. Er ging aus von den ursprünglichen Absichten der Feinde Preussens, wonach höchstens Brandenburg, Hinterpommern, Ostfriesland und Minden dem grossen Könige geblieben wäre. Frankreich wurde schon 1758 fried- fertig, der Wiener Hof dagegen erst durch die Schlacht von Torgau. Letzterer wollte sich damals mit dem Erwerbe der Grafschaft Glatz be- gnügen, musste aber lernen, noch mehr Wasser in seinen Wein zu giessen; zuletzt gerieth er sogar in Verlegenheit, als der grosse König die Forde- rung erhob, die Kaiserin-Königin solle sich an ihn unmittelbar wenden, Das wollte Kaunitz um keinen Preis thun; auf der andern Seite wurde das Friedensbedürfniss des Wiener Hofes gegen Ende des Jahres 1762 sehr gross. Da bediente sich der Staatskanzler des sächsischen Hofes, um zu Unterhandlungen mit Preussen zu gelangen. Der Vortragende setzte zuletzt auseinander, wie das Jagdschloss Hubertsburg gewisser- massen durch Zufall zu der Ehre kam, die Friedens- Commission auf- zunehmen. tr AUT der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 357 In der Sitzung am 25. Februar hielt Herr Dr. Schönborn einen Vortrag über die einleitenden Verhandlungen vor Eröffnung des Reichstages von 1653. Er wies zunächst hin auf das Quellenmaterial, von welchem beson- ders die Pruschenkischen Acta (Zacharias Pruschenk von Lindenhof, Geh. Rath von Weimar-Eisenach), hervorzuheben sind, und entwickelte darauf diejenigen einflussreichen Verhandlungen, welche einerseits die Eröffnung des Reichstags verzögerten, andererseits eine Suspension der römischen Königswahl herbeiführen sollten. Deshalb setzte er zuerst den heftigen Confliet zwischen Schweden und Brandenburg auseinander, infolge dessen der grosse Kurfürst gegen die Zulassung der Krone Schweden zum Reichs- tage ‘energisch protestirte. Nachdem der Vortragende die Nichtigkeit der von Schweden angezogenen, freilich nach dem clauselreichen Actenstil der damaligen Zeit bedenklichen Stellen des Friedens-Instrumentes er- läutert und die einzelnen Verhandlungen bis zur Lösung dieser Rechts- frage durchgeführt hatte, ging er auf die bedeutsamen Verhandlungen ein, in welehen die römische Königswahl und die kaiserliche Wahlcapitulation eine reichhaltige Discussionsmaterie bildeten. Hierbei trat der lebhaft wogende Kampf der kurfürstlichen Oligarchie mit der in ihrer erhöhten Machtstellung vorwärts strebenden Fürstenpartei in schneidender Schärfe hervor, bei dessen Darstellung ausser der staatsrechtlichen Bedeutung des Cademischen Vertrages die sich eonfessionell paritätisch gliedernden De- putationen des Fürstenrathes als neues nicht zu unterschätzendes Moment sich herausstellten. In den Sitzungen am 8. und 29. April sprach Herr Dr. Markgraf über den böhmischen Herrenbund, der sich im Jahre 1465 gegen die Regierung Georgs von Podiebrad bil- dete. Er erörtete zunächst die eigenthümliche Lage‘ dieses czechisch- hussitischen Wahlkönigs von Böhmen und die Art seines Regimentes, die sich aus dieser Lage ergab. Mit den Interessen des Herrenstandes vertrug sich seine Regierung nur so lange, als er Hoffnung hatte durch Be- günstigung der hervorragendsten Mitglieder desselben im Kampfe gegen die römische Curie den Herrenstand auf seiner Seite zu erhalten. Diese Hoffnung täuschte den König, daher seit 14635 eine immer wachsende Spannung zwischen Krone und Herrenstand. Das persönliche Zerwürfniss zwischen dem König und Sdeneo von Sternberg und die, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, feudal-elericalen Pläne des Breslauer Bischofs Jost von Rosenberg trieben die Dinge vorwärts. Aber der Bund vom 28. November 1465 ging nicht, wie Palacky und die Uebrigen, auf un- riehtige Angaben im deutschen Texte Eschenloers gestützt, angenommen 17 258 Jahres- Bericht haben, von vornherein auf hochverrätherische Ziele los. Gefährlich wurde: er für den König nur, sobald es der Curie gelang ibn in ihre Interessen zu ziehen. Um dem zuvorzukommen betrieb der König in den Jahren 1465—67 eine Vereinbarung mit der Curie mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln und allem Aufwande der ihm eigenthümlichen diploma- tischen Kunst, ohne zum Ziele zu gelangen. Während sie ihm ein starres non possumus entgegen hielt, suchte sie klug seine Gegner im böhmischen Reiche, die feudalen Herren und die deutsch-katholischen Städte in den Nebenländern, zu einem Bunde zu einigen. Im Frühjahr 1467 brachte der in Breslau residirende päpstliche Legat, Bischof Rudolf von Lavant, später von Breslau, diese katholische Liga zu Stande und ein schrecken- voller Bürgerkrieg begann. Am 13. Juni machte die Section in Verbindung mit dem Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens und dem Vereine für schlesische Alterthümer einen Ausflug nach Patschkau, wo Herr Dr. Kopietz einen Vortrag hielt über die Geschichte dieser Stadt. Am 16. September las Herr Archivrath Prof. Dr. Grünhagen über Preussen und England in den ersten Monaten der Regierung Friedrichs des Grossen. Nach archivalischen Quellen besprach er die Sendung Münchhausens, welchen König Georg II. unmittelbar nach dem Tode Friedrich Wilhelms I. an den Berliner Hof schickte, um diesen für ein Bündniss mit England zu gewinnen, und in der That war der junge König Friedrich einem sol- chen nicht abgeneigt, so lange er an den Absichten auf die Jülich-Berg’- sche Erbschaft festhielt. Als jedoch diese Pläne auf grosse Schwierig- keiten zu stossen schienen und andererseits sein Gesandter in Paris (Ende August 1740) ihm Mittheilungen machte von Plänen Frankreichs, beim . Tode des Kaisers einen Angriff Bayerns auf die pragmatische Sanetion zu unterstützen, änderte er seine Politik und, näherte sich Frankreich, ohne sich jedoch damit selbst die Hände zu binden, entschlossen eine Entschädigung für Jülich-Berg auf einer andern Seite, in Schlesien zu suchen. Diese Wendung, das Verschmähen der englischen Anträge, zog ihm dann von Seiten seines Oheims, des Königs von England, dessen bitteren Hass zu. In der Sitzung vom 283. October las Herr Reg.-Referendar a. D. v. Prittwitz über oberschlesische Zustände in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Er lehnte sich dabei an die Berichte an, welche eine 1565 zur Be- sichtigung oder Bereitung, wie damals dergleichen Geschäfte stets ge- ve WR der Schles. Gesellsehaft f. vaterl. Qultur. 259 nannt wurden, der Fürstenthümer Oppeln und Ratibor vom Kaiser er- nannten Commission über ihre erste Thätigkeit in den Jahren 1566 und 1568 erstattet hat, und an das der schlesischen Kammer hierauf zu- gekommene kaiserliche Reseript. Leider betreffen diese Schriftstücke, welche uns allein über die gedachte Bereitung aufbewahrt geblieben sind (im Prov.-Arch. Opp.-Rat. I. 49a. vol. 1), fast nur erst das Schloss Oppeln und den demselben einverleibten Kreis, sowie die Herrschaften Falkenberg und Schurgast. Doch enthalten auch sie schon auf ihren 151 Folien eine so grosse Fülle von Erörterungen und Andeutungen über die damals über- haupt obwaltenden Verhältnisse, dass das daraus Gegebene reichlich ge- nügte, dieselben als wichtiges und interessantes Material für die Cultur- geschichte Oberschlesiens zu erweisen. In der Sitzung am 11. November las Herr Prof. Dr. Palm über die Aussöhnung der Schlesier mit dem Kaiser durch den Dresdner Accord 1621. Als der böhmische König Friedrich von der Pfalz nach der unglück- lichen Schlacht am weissen Berge am 23. December 1620 seinen letzten Zufluehtsort Breslau verliess und auswärtige Hilfe suchend nach der Mark Brandenburg ging, geschah dies namentlich in-Folge eines Beschlusses der in Breslau versammelten Fürsten und Stände Schlesiens, eine Gesandtschaft an den Kurfürsten von Sachsen zu senden, der als Commissar des Kaisers sie zur Unterwerfung unter letzteren aufgefordert und seine Vermittelung ihnen angeboten hatte. An die Spitze dieser Gesandtschaft stellte man den Herzog Karl Friedrich von Oels; ihr Sprecher war der Breslauer Syndicus Dr. Rosa; ihre weitläufigen 'Instructionen gaben ihnen nicht Voll- macht zum Abschluss eines Friedens, sondern behielten diesen den Ständen selbst vor. Am 25. Februar gelangten die Gesandten nach Dresden und traten sogleich in Unterhandlungen ein, welche zwar nach der Absicht der kurfürstlichen Regierung die Vorgänge der Vergangenheit, z. B. die Berechtigung der Schlesier zum Widerstande gegen den Kaiser, ihr Ver- hältniss zu dem Winterkönig, gar nieht berühren, sondern unmittelbar die Annahme der zu stellenden Friedensbedingungen betreffen sollten, gleich- wohl aber zu Erörterungen jener historischen Verhältnisse mehr oder weniger führten und das Hauptwerk nicht förderten. Als die kurfürst- lichen Räthe dies erkannten, brachen sie alle derartigen Erörterungen ab und stellten ihre Forderungen und Gegenversprechungen, die alsbald nach Liesnitz gesendet wurden, wo ein Fürstentag vom 1. Februar ab ver- sammelt war, um über die Berichte der Gesandten zu beschliessen. Er schilderte dann die Vorgänge auf dem Liegnitzer Fürstentage, der die Gesandten nun bevollmächtigte, die sächsischen Vorschläge, nachdem man ihre drückenden Bedingungen möglichst gemildert haben würde, an- - 17* 260 Jahres - Bericht zunehmen, Dazwischen war die Nachricht von der Aechtung des Winter- königs und des Markgrafen Joh. Georg v. Jägerndorf, des Anführers der schlesischen Truppen in der Lausitz, nach Dresden gelangt. Der Schreck hierüber trug dazu bei, die Unterhandlungen zu beschleunigen, die sich vorzugsweise um eine General-Amnestie und um die dem Kaiser als Kriegskosten zu zahlende Summe drehten. Der Kurfürst genehmigte die Herabminderung der ursprünglich geforderten 500,000 Thaler auf 300,000 und ohne Vorbehalt auch die Ausdehnung des Pardons auf alle Schlesier. Dem Oberlandeshauptinann, Herzog Johann Christian, der sieh erst vom Könige Friedrich seines doppelten Eides entbinden lassen wollte, ehe er sieh unterwürfe, wurden sogar sechs Wochen Frist dazu gewährt. So kam der Abschluss des sogenannten Dresdner Accordes am 28. Februar zu Stande, dessen Artikel sowie ihre Aufnahme am kaiserlichen Hofe näher erörtert wurden. Nur mit Widerstreben fügte sich letzterer in die unbeschränkte Amnestie und erregte durch allerlei Ausstelluugen den Un- willen des Kurfürsten, der seine Glaubensgenossen der Erbitterung der jesuitisch gesinnten Wiener Räthe nicht preiszugeben beabsichtigte, ja so- gar für die Zukunft die Schlesier, wenn sie ihrer lutherischen Confession wegen je angegriffen werden sollten, zu schützen verheissen hatte. Man- cherlei Weiterungen mussten noch beseitigt werden, ehe es zu völliger Aussöhnung kam, die in einer Erneuerung der früher schon dem Kaiser Ferdinand von den Ständen geleisteten Huldigung durch Handschlag ge- schehen sollie. Namentlich wurde diese durch den von dem geächteten Markgrafen erhobenen Aufstand in Oberschlesien erschwert. Die kaum entlassenen Söldner mussten von neuem geworben werden, und noch über ein halbes Jahr verstrich, ehe jene Erneuerung der Huldigung vollzogen werden konnte. Am 25. November las Herr Prof. Dr. Röpell das erste Kapitel des bald nachher im Druck erschienenen Buches Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. In der Sitzung am 9. December hielt Herr Generalmajor Köhler einen Vortrag über den Feldzug 1468 in Mähren. Der Kampf aufs Messer zweier so hervorragender Persönlichkeiten, wie die Könige Matthias Corvinus von Ungarn und Georg Podiebrad von Böhmen, kann nicht anders als von grossem eulturhistorischen Interesse sein, schon dadurch, dass man erkennt, was mit den Mitteln der dama- ligen Kriegskunst zu erreichen war. Der Krieg fällt in eine Zeit, wo die Kriegskunst bereits vollständig mit der Vergangenheit, den Tendenzen und der Kampfweise des Ritterthums gebrochen hatte. Die militärisch organi- RN Au Be ar der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 361 sirte Volkskraft der Hussiten hatte nicht bloss die deutsche Ritterschaft, sondern auch die Lehnskriegsverfassung zu Boden geschlagen. Ihre Kampf- weise war in ganz Deutschland die herrschende geworden, auch Matthias bediente sich ihrer. Das Söldnerwesen bot die Mittel, das Aufgebot des Adels zu ersetzen oder doch zu ergänzen. Ersteres fand bei Matthias, letzteres auf Seiten Georgs statt, da hier die Landesvertheidiguug hinzutrat. Ihr diente jedoch nieht mehr ausschliesslich der Adel. In den Taboriten war das Fussvolk wieder zur Geltung gekommen. Die Stadt- und Land- bevölkerung bildete daher den Hauptnerv des Heeres. Ausserdem hatten sich die Feuerwaffen hinzugesellt. Ihr Standpunkt war jedoch noch ein so unentwickelter, dass sie nur der Vertheidigung zu gute kamen und in der Wagenburg die tactische Form fanden, die ihnen am meisten zusagte. Aber auch im Festungskriege hatten sie trotz der bestehenden Mauer- befestigung der Städte und Burgen dem Angriff noch keine Ueberlegenheit über die Vertheidigung verschafft, die Stärke der letzteren vielmehr da- durch erhöht, dass sie die bisherige Angriffsweise, die sich der hölzernen Thürme und Annäherungen bediente, unbrauchbar gemacht hatten. Eine starke Mauer in Bresche zu legen, war selbst das stärkere Geschütz nicht im Stande, da man sich noch der Steinkugeln bediente. Wie der Feld- krieg daher zu dem Bestreben führt, dem Gegner in günstigen Stellungen zuvorzukommen, so zwingt der Festungskrieg zur Anlage von Cireum- und Contravallationslinien. In beiden Fällen ist das Aushungern des Gegners der allein zuverlässige Weg zum Siege. Schlachten kommen unter diesen Umständen nicht vor. Man vermeidet sie, wenn es nicht etwa gelingen sollte den Gegner aus der Wagenburg herauszulocken, und das wissen beide Feldherrn zu vermeiden. König Matthias verdankte seine Erfolge nächst seiner berechnenden strategischen Führung der Operationen im Wesentlichen seiner überlegenen Cavallerie und seinem stehenden Söldner- heer, indem er sich durch erstere begünstigt auf das Manövriren legte und das grösstentheils aus Fussvolk bestehende böhmische Landes-Aufgebot auf die Wagenburg beschränkte und aushungerte. So gelang es ihm den König Georg aus Mähren zu verdrängen, den zur Vertheidigung desselben zurück- selassenen Prinzen Vietorin in Trebitsch einzuschliessen und das neue böhmische Aufgebot von dessen Befreiung abzuhalten. Wenn es nun auch dem Prinzen am 5. Juni gelang zu entweichen, so fiel jedoch nicht nur Trebitsch (Kloster) in die Hände der Ungarn, sondern was noch mehr be- deutete, die Hilfsmittel König Georgs waren erschöpft, indem das Auf- gebot verbraucht, die berittenen Söldner grösstentheils vernichtet waren und Mähren als leichte Beute offen lag. Den Vortrag anch auf die gleichzeitigen Operationen der Schlesier. und Lausitzer auszudehnen, wie beabsichtigt war, verhinderte die vor- gerückte Zeit. Be VII Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1875, von Stadtrath E. H. Müller, zeitisem Secretair der Section. Im Jahre 1875 hielt die Section für Obst- und Gartenbau der Schle- sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau elf Sitzungen. Die erste Sitzung fand am 20. Januar statt. Es wurde der durch den Secretair dem Präsidium der Schlesischen Gesellschaft erstattete Generalbericht über die Thätigkeit dieser Section im Jahre 1874 vor- gelesen und der Nachweis des Gärtners der Section, Herrn Jettinger, über den Zutritt und Verkauf der Producte des Obstbaum-Schulgartens in demselben Jahre, sowie die am Schlusse desselben verbliebenen Baum- schul-Bestände zur Kenntniss gebracht. In der am 17. Februar abgehaltenen zweiten Sitzung hielt Herr Kaufmann Hutstein einen längeren Vortrag: „Ueber Pflanzen- eultur im Allgemeinen“, mit besonderer Hinweisung auf die noth- wendig verschiedenartige Behandlung und Pflege der Pflanzen mit wenigen fleischigen und solcher mit zahlreichen feinen Faser- und holzigen Wurzeln. Ausserdem gelangte zum Vortrag eine Abhandlung des Apo- theker Herrn Scholtz in Jutroschin: „Ueber buntblätterige Pelargonien und deren Anzucht aus Stecklingen“, und machte Herr Justizrath von Dazur Mittheilung davon, dass er in seinem Garten eine aus Frankreich bezogene „Birke mit blutrother Belaubung“ besitze; zugleich machte derselbe aufmerksam auf die bei dem rühmlichst bekannten Lilien-Sammler und Cultivateur Herrn Leichtlin in Baden-Baden 264 Jahres - Bericht eultivirte, aus den Gebirgen von Turkistan stammende Liliacee, (Eremurus robustus oder speclabilis) (Blüthenschweif), als ausserordentlich prachtvoll und effectreich. Am 10. März wurde die dritte Sitzung eröffnet mit Mittheilungen des Secretairs aus einem von dem ersten Lehrer an der Mädchenschule zu Jüterbog, Herrn Becker, eingesendeten Aufsatz: Ueber die Reb- laus (Phylloxera vastatric) und die Blutlaus (Schizoneura lanigera) und über die Anwendung des von demselben bereiteten Brumata - Leimes zur Ver- tilgung auch dieser, die Weinanlagen verwüstenden und resp. den Obst- bäumen schädlichen Insecten. Herr Obergärtner Schütz in Wettendorf (Ungarn) berichtete brieflich: In dem hiesigen, meiner Pflege anvertrauten gräflich Erdödischen Garten wird eine Sequoia Endl. (Wellingtonia Lindl.) gigantea eultivirt. Der Baum wurde bis über den Winter 1869 stets gedeckt, von da an jedoch nicht mehr. Bei einer Kälte vo 20° R. hatte derselbe zwar seinen Gipfeltrieb verloren, bald jedoch bildete der diesem zunächst stehende Ast sich zu einem sol- chen aus so, dass der erlittene Schaden nicht mehr bemerkbar ist. Der Baum, von schöner pyramidaler Form, breitet seine regelmässig gestellten Aeste von der Erde bis zu seinem Gipfel aus und hat gegenwärtig eine Höhe von 10 Meter erreicht; er bietet fürwahr einen imposanten Anblick dar und wenn derselbe ohne Schaden zu nehmen noch zwanzig Jahre so fort wächst so, dürfte er die höchsten Bäume des Gartens überragen: 25 Cmtr. über der Erde hat der Stamm einen Umfang von 136 Cintr. und bei 1 Mtr. Höhe einen solchen von 105 Cmtr. In der Höhe von circa 8 Mir. setzten im Jahre 1873 etwa 30 Samenzapfen an, welche die Grösse derjenigen der gewöhnlichen Kiefer erreichen;*) die Zeit der Reife war jedoch eine so verschiedene, dass der Baum noch in diesem Jahre reife und grüne Zapfen zugleich trägt. Um den Baum nicht zu beschädigen darf den- selben Niemand mit, noch ohne Leiter besteigen und so kommt es, dass die überreif zur Erde fallenden Zapfen nur wenige Samen enthalten. Ueber die Anzucht der Wellingtonia aus den geernteten Samen behält sich Herr Schütz den Bericht vor und hofft, dass die Sämlinge sich besser acelimatisiren werden als solche aus importirtem Samen. Derselbe führt noch an, wie er an geeigneter Stelle des Gartens eine grosse runde Gruppe um ihren Rand mit den neuesten, aus England bezogenen, deren Mitte aber mit ausgehobenen Stöcken älterer, Olematis-Sorten bepflanzte, die Triebe theils an der Erde hin, theils in die Höhe leitete und diese *) Nach Angabe des Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. Göppert gehört die Sequoia (Wellingtonia) zu denjenigen Coniferen, welche, wie derselbe schon im Jahre 1863 in dem Garten der Flora zu Cölln wahrzunehmen Gelegenheit hatte, bei uns sehr früh, oft schon im achten Jahre Zapfen tragen. der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 265 Gruppe durch die reiche Fülle ihrer grossen mannigfaltig gezeichneten Blüthen einen prächtigen Anblick gewährt. Vorgetragen wurden: von Obergärtner Herrn Grossmann in Warm- brunn: „Ueber Weinbau in kälteren Gegenden‘ und von Kunst- gärtner Herrn Mache in Költschen: „Einiges zur Cultur des Spargel.“ Während der vierten Sitzung am 31. März wurden Mittheilungen des Handelsgärtner Herrn Opitz in Hirschberg vorgelesen: „Bezüglich der Cultur der Winter-Levkojen“ und nachdem Herr Stadt- Forst- und Oeconomie-Rath Dr. Fintelmann noch Blätter der von ihm in einer früheren Sitzung erwähnten buntlaubigen Acer campestre und A. negundo vorgezeigt hatte begann derselbe seinen auf mehrere folgende Sitzungen zu vertheilenden längeren Vortrag: „Ueber Baumpflan- zungen und ihre Bedeutung in Städten“ mit besonderen Be- ziehungen auf Breslau. Fünfte Sitzung am 5. Mai. Der Secretair legte die speecificirte Rechnung vor über die Kosten der im Anfang April erfolgten Gratis- Vertheilung von Sämereien an Mitglieder, ebenso die Nachweisungen der Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1874 für den Obst-Baumschul- und Versuchsgarten der Section und für diese selbst. Erstere beide nebst Belägen übernahm Herr Obrist-Lieutenant Manger zur Prüfung, letztere aber soll dem Präsidium der Schlesischen Gesellschaft eingereicht werden. Herr Obergärtner Zahradnik in Kamienietz skizzirte die Ein- drücke, welche er bei dem Besuch der Schlossgärtnerei zu Neu- deck empfangen hatte wie nachstehend. — „Neben anderen hervorragenden Gärtnereien Oberschlesiens ist diejenige von Neudeck noch wenig ge nannt worden. Zwar jüngeren Ursprungs, kann jenen jedoch gerade diese Gärtnerei durchaus würdig zur Seite gestellt werden. Niemand, welcher sich überhaupt für die edle Gartenkunst interessirt und die Tarnowitzer oder Beuthener Gegend besucht, sollte daher dieselbe verlassen, ohne auch dem herrschaftlichen Garten zu Neudeck seinen Besuch, der sicher nicht reuen wird, abgestattet zu haben.“ „verfolgt man den vom alten Schlosse links sich abwendenden Fahr- weg, so gelangt man an diesen neuen Garten, der rings von einer hohen Mauer umgeben, eine vierseitige Fläche von 2!), Heciaren (9 Morgen) umfasst. Schon beim Eintritt in denselben üben zwei zu beiden Seiten des zierlichen eisernen Thores gelegene grosse prachtvolle Gewächshäuser mit Doppellicht ihre Anziehungskrafi. Zur linken Seite das Kalthaus, ‘dessen Inneres fast zu jeder Jahreszeit mit den mannigfaltigsten blühen- den Pflanzen in geschmackvollster Gruppirung decorirt ist; unter den- selben erregten auch mehrere in den freien Grund gepflanzte hochstämmige Exemplare der Rose Marechal Niel, deren weite Kronen mit Hunderten 266 Jahres - Bericht von Blüthen und Knospen bedeckt waren, meine besondere Aufmerksam- keit. Zur Rechten das eben so imposante Palmenhaus mit seinen reichen Schätzen seltener und seltenster Pflanzen und besonders schönen Baum- farnen, Cicas- und Pandanus-Arten. Alles in starken Pflanzen und in der vorzüglichsten Cultur.“ „Es folgt nun der von gut chaussirten Wegen durchschniltene und durch diese in Quartiere getheilte Nutzgarten, dessen Rabatten mit Zwerg- ' obstbäumen der edelsten, besten Sorten und mit hochstämmigen Rosen bepflanzt sin. Am Mittelwege liegen breite Rasenpartien, in denen prachtvolle Einzelpflanzen und Blumen- wie auch entzückend schöne Echeverien-Gruppen das Auge erfreuen; in der Hälfte seiner Länge aber befindet sich ein grosses Wasserbassin und an seinem Ende das Wohn- haus des Garten-Inspector Herrn Fox, ein schönes Gebäude in Rohbau.‘ „Zu beiden Seiten dieses Hauses liegen drei Reihen Glashäuser deren viele Abtheilungen den verschiedensten Culturen, namentlich auch der Treiberei von Wein und Obst dienen. Noch im December waren die herrlichsten Weintrauben zu sehen, ebenso Ananasfrüchte von ganz enormer Grösse, Gurken hingen in solcher Menge und Schönheit von den Fenstern herab, wie man sie schöner. im Sommer in dem best- gepflegten Beete kaum findet, während die in einem besondern Hause erst vor drei Jahren gepflanzten Pfirsichbäume in ihrer Ausbreitung schon dessen ganze Länge einnahmen und im April und Mai Hunderte der köst- lichsten Früchte liefern. Andere Häuser enthalten grosse Mengen der schönsten Zierpflanzen, eine jede in vollkommenstem Culturzustande, an- dere wieder sind den Vermehrungen für die grossartigen Teppichbeete vor dem neuen Schlosse und für die Blumenbeete gewidmet. Hinter dem Wohnhause des Herrn Fox und diesen Glashäusern liest ein grosser Hof in welchem, ausser einem langen, für die Gemüsetreiberei bestimmten Hause, die Frühbeete, Composthaufen ete. ihren Platz gefunden haben.“ „Vor dem neuen, in französischem Gesehmack erbauten mächtigen Scehlosse liegen breite, bau- und gartenkünstlerisch im Teppichstyl aus- geschmückte Terrassen mit ansehnlichen, durch Springbrunnen gespeisten Wasserbassins, vor denen sich ein weiter — künstlich in natürlichster Gestaltung angelegter See ausdehnt, schöne Baumgruppen, zwischen denen sich freundliche Fernsichten öffnen und grössere Waldungen umkränzen in näher oder entfernter herantretenden Vorsprüngen die dieselben um-- schliessenden, in sanften Wellenformen gehobenen Wiesenmatten. Um das ganze Schloss- und Garten-Gebiet zieht sich in weitester Ausdehnung der grossartige Park mit seinen herrlichen Partien.‘ „Zieht man in Betracht, wie seit erst wenigen Jahren der erwähnte schöne Garten mit seinen sämmtlichen Baulichkeiten, die gärtuerischen Anlagen auf der Terrasse, die grossartige Parkscenerie vor derselben während des Baues des neuen Schlosses, nebenher aber auch noch Ver- Be der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 267 schönerungen und beträchtliche Erweiterungen des bis dahin vorhandenen Parks, alles auf zum Theil recht sterilem Sandboden hergestellt wurde und schaut zugleich die sorgfältige Cultur der Gewächshauspflanzen, wie den gesunden, üppigen Wuchs der Pflanzungen in den umgewandelten und neuen Parkanlagen, wo überall auch die äusserste Sauberkeit erfreut, so muss man wirklich um so mehr staunen und den Hut ziehen vor dem wissensreichen, wahrhaft kunstsinuigen Schöpfer alles dessen, der die ihm von dem hohen Besitzer hierfür bereitwilligst zur Verfügung gestellten sehr beträchtlichen Mittel in solcher würdigsten Weise zu verwenden versteht.“ „Jedem, welcher ein wahrhaftes Interesse für solche Werke hat, wird der freundliche Garten-Inspector Herr Fox, der hier so Bedeutendes leistete und noch leistet, über dieselben gewiss gern möglichste Auskunft ertheilen. Möchte Herr Fox nur die Güte haben über seine so vortreff- lichen Pflanzeneulturen und Treibereien auch Näheres in diesen weit ver- breiteten Jahresberiehten zu veröffentlichen, in weiten Kreisen würde dies jeder strebsame Gärtner freudigst und dankbarst begrüssen.‘ Herr Lehrer Oppler in Plania, der thätige Schriftführer des Ra- tiborer Gartenbau-Vereins, hatte brieflichen Bericht erstattet über die vor- jährige Obsternte in einem grösseren Theile Oberschlesiens und über die Bemühungen dieses Vereins für den Schutz insectenfressender Vögel. Vorgetragen wurde ein Aufsatz des Apotheker Herrn Seholtz in Jutro- schin: „Ueber Vertilgung der Regenwürmer in Blumen- töpfen‘“ und diseutirt über zwei, durch den Lehrer Herrn Bragulla in Bischdorf aufgestellte Fragen, betreffend das Blühen aus Samen ge- zogener Rosen. Am 9. Juni wurde die sechste diesjährige Sitzung abgehalten. Der Gartenbau -Verein zu Ratibor hatte das Referat über seine am 2. Mai ce. gehabte Sitzung und der Gartenbau-Verein zu Freiburg i. Schl. seinen ersten Jahresbericht pro 1873/74 eingesendet. Von dem Inhalt des ersteren wurde Kenntniss gegeben und letzterer wird, so wie die seit Mitte v. J. erscheinende, ihres reichen belehrenden Inhalts wegen durch den Secretair warm empfohlene ‚Deutsche Gartenzeitung‘‘, zugleich Organ des Vereins für Gartenbau und Botanik in Cöln, redigirt von Dr. Kalender, erstem Schriftführer des Vereins, in dem Lesezirkel der Section in Um- lauf gesetzt werden. Vorgelesen wurde ein von dem OÖbergärtner Herrn Schütz in Wettendorf (Ungarn) eingesendeter Aufsatz: „Die Verwendung der Lonicera brachypoda fol. aureo variegat. zur Decoration von Steinpartien.“ Der Gärtner der Section, Herr Jetiinger sprach unter Vorzeigung von Exemplaren: „Ueber Veredelung von Rosen auf die Wurzel.“ 2683 Jahres- Bericht Die siebente, am 7. Juli stattgehabte Sitzung war insbesondere dem Vortrage des Geheimen Medieinal-Rath Herrn Prof. Dr. Göppert: „Agrieultur als Muster der Garteneultur‘ gewidmet. Nach dessen Beendung legte derselbe noch vor, einen von Herrn Oberforst- meister von Ernst aus Oppeln gefundenen jungen Kieferstamm mit sehr eigenthümlicher, dureh Beschädigung des Haupt- und Mitteltriebes von Phalaena Tortrix verursachten Deformität der Krone und Astbildung, ferner den ihm durch Herrn Rendant Döring in Oppeln mitgetheilten, ebenfalls sehr seltenen Fall einer Gurke mit Blattbildung in Folge des an selbe angewachsenen und weiter entwickelten Blattstieles und zuletzt noch die getrockneten Fasern der Spiralgefässe der Musa Cavendishiü Paxt. (einer Art des Pisang), welche das zarteste Gewebe der Welt liefern, auch zur Papierfabrication geeignet sein würden und leicht gewonnen werden können, indem sie direct aus. den Stämmen gehaspelt werden. In der achten Sitzung vom 29. September machte der Se- eretair Mittheilung von der Empfehlung der Herren Schrader & Berend zu Schönfeld bei Leipzig des in ihrer dortigen Fabrik in fester Form dargestellten xanthogensauern Kali (Sulphocarbon-Präparat),' welches in vielem Wasser aufgelöst, möglichst gleichmässig dem Boden zugeführt, oder auch mit Erde oder Superphosphaten gemischt, in jede beliebige Tiefe gebracht, sich als das bisher einzig praktische, der Vegetation un- schädliche Mittel erwiesen habe, die Reblaus (Phylloxera) und alle Arten Bodenungeziefer zu tödten oder zu beseitigen. Derselbe berichtete ferner dass in Breslau unter Direetion des Herrn Dr. E. Eidam und dem aus den Herren Professor Dr. Ferd. Cohn, Dr. Friedländer - Kentschkau, W. Korn und R. Seiffert-Rosenthal bestehendem Curatorium eine Samen- Control-Station für die Provinz Schlesien errichtet worden sei und, dass die hiesige städtische Promenaden-Deputation zur Benutzung bei Anlagen neuer, oder Umänderung bestehender hiesiger städtischen Promenaden, das in Paris bei Rothschild in zwei stattlichen Royal-Foliobänden er- sehienene kostbare Kupferwerk: „Alphand, Les Promenades de Paris“ käuflich erworben und bei der hiesigen städtischen Bibliothek deponirt habe. Zum Vortrage gelangten folgende Einsendungen: 1) des Lehrer Herrn Becker in Jüterbog: „Gegen die Obstmade“ mit Hinweis auf die Anwendung seines recht empfehlenswerthen Brumata-Leimes; 2) von Obergärtner Herrn Plosel in Falkenberg O.-S.: „Deuizia gracilis Sieb. & Zuce. und Pelargonium zonale fl. pl. als Hoch- stamm“; 3) von Herrn Apotheker M. Scholtz in Jutrosehin: „Ein Paar Brüder der Reblaus“ und 4) von Kunstgärtner Herrn Frickinger in Laasan: „Das Erdmagazin des Gärtners“. Sa ya der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 969 Neunte Sitzung am 29. October. Frau Gräfin von der Goltz auf Melochwitz hatte eine Partie Pflanzen mit Früchten eingesendet, um deren botanischen Namen und etwaige Nutzungsweise zu erfahren. Derselben wird berichtet werden, dass dies Pflanzen der im südlichen Europa wild, in Westen und Süden Deutschlands in Weinbergen jedoch hie und da verwildert wachsenden, perennirenden Physalis Alkekenghi L. der sogenannten „‚Judenkirsche‘“ sind; die Frucht, eine süssliche schlei- mige Beere ist zwar, etwa in Art der Tomaten (Liebesäpfel) eingemacht geniessbar, jedoch von fast widerlich fadem Geschmack und ihre äussere Hülle äusserst bitter. Herr von Salisch auf Postel berichtete über eine mehr als hun- dertjährige Eiche zu Koschnöwe bei Prausnitz, deren Laub seit Menschen- gedenken alljährlich auf der Schattenseite lebhaft hellgrün, auf der Sonnen- seite aber gelb gefärbt ist und bemerkt hierzu, dass Sämlinge von der- selben mehr oder weniger dieselbe Eigenschaft zeigen; als Probe war dem Bericht ein gelbes Blatt dieser Eiche beigelegt. Derselbe berichtete ferner, dass unter mehren in diesem Jahre aus dem Obstbaumschulgarten der Section bezogene Stämmchen der „Brüsseler Weichselkirsche“ zwei Exemplare sich befanden, welche mit dicht gefüllten Blüthen sich be- deckten und nur einige wenige, aber recht gute Früchte trugen und ver- muthet deshalb eine Sortenverwechselung. Der Gärtner der Section, Herr Jettinger widerlegte jedoch diese Annahme mit der Angabe, dass bei Jungen Stämmchen dieser Weichsel eine solche Erscheinung öfter vor- komme, bei deren zunehmenden Alter jedoch das Gefülltblühen nach und nach aufhöre und damit die Fruchtbarkeit sich steigere. Bine Anfıage des ÖObergärtner Herrn Kabelitz in Radenz war dahin zu beantworten, dass die unter seinen Platanen-Sämlingen vor- gefundenen zwei rothlaubigen Exemplare nicht Bastarde, sondern Varie- täten waren, deren baldiges Absterben nach den erhaltenen Angaben nur Folge irgendwelcher Krankheit der Pflanzen gewesen sein könne. Ueber seine sehr reiche und vortheilhaft verwerthete Pfirsichernte berichtete Herr Steiger Bombik zu Consolidirte Eisenbahngrube mit der Warnung, Pfirsichbäume an sehr heissen Tagen zu bespritzen oder zu begiessen, es habe dies unzweifelhaft, und wie er aus eigener Erfahrung bestätigen könne, das Abwerfen der Früchte znr Folge. Herr Obergärtner Pflaume in Oberweistritz empfahl das Um- pfropfen älterer Obstbäume aller Art, welche nur Früchte geringer Güte bringen oder nur wenig tragbar sind; schon nach wenigen Jahren wird man dadurch wieder Bäume mit schönen Kronen erzielt haben und eine befriedigende Ernte auch nicht ausbleiben. Die zu diesem Behufe im Februar gebrochenen, in luftigem Keller in Erde oder Sand eingeschla- genen Hdelreiser können zum Umpfropfen alter Bäume, bei denen es hinter der Rinde vorzunehmen sehr zu empfehlen ist, noch bis in den 370 Jahres-Bericht Juni verwendet werden, und wer dasselbe übernimmt wird es hoffentlich auch verstehen dem Baume die richtige Form zu geben, die sogenannten Zugäste stehen lassen und je nach Bedarf im folgenden Jahre nachzu- pfropfen oder auch ganz wegzuschneiden. Vorgetragen wurden: ein speeieller Bericht des Kunstgärtner Herrn Schmidt in Stephansdorf: „Ueber die Cultur des Meerrettig (Armoracia sativa L.)“ und eine Bekanntgebung des Lehrer Herrn Becker in Jüterbog: „Für Obstbaumbesitzer‘“, in welcher derselbe wieder- holt auf die bedeutenden Schädigungen der Obsternten durch die Raupen des Frostschmetterling (Geometra brumata) und des Blüthenbohrer (Antho- nomus pomorum), gegen welche der lange klebrig bleiberde Brumataleim die erfolgreichste Anwendung findet, aufmerksam macht. In der zehnten Sitzung am 17. November wurden u. a. die Berichte der Gartenbau-Vereine zu Wittstock und Ratibor über die von denselben veranstalteten Ausstellungen zur Kenntnissnahme vorgelegt und machte der Secretair Mittheilungen aus einem kürzlich von Herrn Garten- Director Bürgel zu Schloss Wittgenstein (Rumänien) empfangenen Briefe über die in dortiger Gegend seit dem Frühjahr verlaufenen Witterungsverhältnisse und deren, besonders durch anhaltende Dürre ver- anlassten, nachtheiligen Einfluss auf fast sämmtliche Arten von Acker- früchten, Gartengemüsen, wie auch auf die Wein- und Obsternte. Zum Vortrage waren -eingesendet: von dem Kunstgärtner Herrn Gildner in Schollwitz: „Mittheilungen über die Baum- schulen zu Schollwitz‘“ und von dem Öbergärtner Herın Lorenz in Bunzlau: „Ueber zweckmässige Verglasung der Glashaus- und Frühbeetfenster“ und „Anzucht veredelungsfähiger Stämmcechen der Rosa canina aus Stecklingen.“ Die elfte, resp. letzte Sitzung für dieses Jahr fand am 8. De- cember statt. Herr Professor Dr. Ferd. Cohn hielt einen Vortrag: „Ueber die Palmen“, und wurden ausserdem noch vorgetragen: Mit- theilungen des ÖObergärtner Herrn Kittel in Eckersdorf: „Ueber Auslichten der Früchte an Spalier- undZwerg-Obstbäumen“ und „Ueber Rosa Manetti als Unterlage für hochstämmige Rosen.‘ Zu letzterer Mittheilung wurden sich widersprechende Urtheile laut bezüglich Widerstandsfähigkeit der Manetti-Rose gegen harte Fröste, wobei der Sectionsgärtner Herr Jettinger anführte, dass dieselbe nach Koch’s Dendrologie in Italien aus Samen erzeugt wurde und ihren Namen zu Ehren des Professor Manetti in Monza erhielt; die neuerer Zeit in Frankreich vielfach zu hochstämmigen Veredelungen herangezogene Rosa multiflora de la Grifferaie aber sich weniger empfindlich gegen Fröste erweisen solle als jene. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 271 Hierauf folgten für die bevorstehende neue HEtatszeit 1876/77 die Wahlen der Functionäre der Section. Es wurden durch Acelamation wiedergewählt: Stadtrath EP. H. Müller als 1. Secretair, Herr Juwelier M. Herrmann als 2. resp. stellvertretender Secretair und Protokollführer, Herr Professor Dr. Ferd. Cohn als Mitglied der städtischen Pro- menaden-Deputation und die Herren Stadt-, Forst- und Oeconomie-Rath Dr. Fintelmann und Obrist-Lieutenant a. D. Manger in die Garten-Commission. Die Wahlen wurden von sämmtlichen Gewählten angenommen. Selbstverständlich wurden während der stattgehabten Sitzungen auch die von den verschiedensten Seiten her eingegangenen Preisverzeichnisse vorgelegt und auf die in denselben offerirten Novitäten aufmerksam ge- macht; ebenso wurden die eingegangenen Programme für gärtnerische Ausstellungen bekannt gegeben und zur Betheiligung an diesen aufgefordert. Die in diesem Jahre erschienene 43, Lieferung des Obstkabinets von H. Arnoldi in Gotha gab durch die 6 Früchte, welche sie in natur- getreuer Nachbildung enthielt, ebenfalls Veranlassung zur Besprechung über Güte und Tragbarkeit dieser. Ausserdem erforderten innere An- gelegenheiten der Section mehrfache Berathungen und Beschlussnahmen; unter diesen namentlich der diesjährige Etat für die Section selbst und für deren Garten. Auch legte der Secretair über die Kosten der durch ihn besorgten Gratis-Vertheilung von Sämereien und über die Ein- nahmen und Ausgaben für den Garten, wie auch für die eigenen Bedürf- nisse der Section die speziellen Verrechnungen nebst Belägen vor. Erstere beide übernahm Herr Obrist-Lieutenant a. D. Manger zur Prüfung, nach deren Richtigbefinden dem Secretair über dieselben Decharge ertheilt wurde, während letztere zu weiterer Veranlassung in die Hände des Herrn Kassirer der Schlesischen Gesellschaft gelangte. ‘ Der Austausch der Jahresberichte und sonstiger Schriften mit den angesehensten deutschen und mehreren fremdländischen Gartenbau- und ähnlichen Vereinen, wie auch mit Redactionen gärtnerischer Zeitschriften nahm seinen ungestörten Fortgang. Und bot in diesem Jahre sich auch keine Veranlassung dar zur Erweiterung solchen Austausches, so ist doch als anerkennenswerth zu verzeichnen, dass die Section sich jetzt eines regelmässigeren und prompteren Empfanges der Tauschschriften, als in den vorangegangenen Jahren zu erfreuen hat. Weist unser diesjähriger Bericht wieder recht schätzenswerthe, be- lehrende Vorträge und Mittheilungen, insbesondere auch von auswärtigen Mitgliedern nach, für welche thatsächliche Unterstützung der Seeretair nieht unterlassen will, den betreffenden werthen Herren noch an dieser telle wiederholt seinen verbindlichsten Dank auszusprechen, so sei ihm 272 Jahres - Bericht doch gestattet mit demselben noch die Bitte zu verbinden, solche Thätig- keit im Interesse des allgemeinen Gartenwesens und Insonderheit unserer Section auch weiterhin zu üben, und dass diesem rühmlichen Wirken auch diejenigen, namentlich jüngeren resp. Mitglieder möglichst nach eifern wollen, denen sich, sei es als Männer vom Fach oder als Laien, zwar ebenfalls hierzu Stoff darbieten dürfte, welche aber, vielleicht nur aus all zu grosser Bescheidenheit, hiermit zeither noch zurückhaltend waren. ‚Stets ist es uns ein Zeichen erfreulichen, gern durch uns nach Möglichkeit unterstüzenden Vorwärtsstrebens, wenn aus dem weiten Kreise unserer Mitglieder ein in neuerer Zeit hinzugetretenes jüngeres Mitglied unseren lärger bewährten, geschätzten Berichterstattern als soleher sich anreiht. Die Bewirthschaftung des pomologisehen und resp. Obstbaum- schul- und Versuchsgarten der Section erfolgte unter strenger Be- obaehtung des angenommenen Prineips, die zu cultivirenden Obstsorten unter richtiger Namensbezeichnung zu erhalten und unter Festhalten an dem für dieselbe aufgestellten, als sachgemäss und nützlich sich erwei- senden Plane Das Wetter des Frühjahrs, wie der Verlauf des Sommer und Herbst war dem Wachsthum der Mutterstämme, gleich dem der. jungen Edelstämmchen und Pflanzen günstig, ebenso liess der Absatz der Produete der Obstbaumschule, wie dies weiterhin nachgewiesen werden soll, kaum etwas zu wünschen übrig. Dagegen hat der in den ersten Tagen des December plötzlich eingeiretene harte Frost besonders die jungen Pflanzungen wieder sehr bedeutend und zum Nachtheil der nächst- jährigen Erträgnisse des Gartens geschädigt; zur Zeit lassen dessen jeden- falls recht beklagenswerthe Folgen jedoch noch nicht vollständig sich übersehen, weshalb unser nächster Bericht die näheren Angaben hierüber enthalten soll. | Die durch das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft in dem letzt- vorangegangenen Jahre eingeleiteten Verhandlungen mit hiesiger König- lichen Regierung, um für die Unterhaltung unseres Gartens die Gewähr einer Unterstützung aus der bei Hochderselben verwalteten Freiherr von Kottwitz’sehen Stiftung zur Hebung und Förderung der Obsteultur in den Regierungsbezirken Breslau und Oppeln zu erlangen, haben ein er- wünschtes Resultat leider noch immer nicht erreichen lassen, sie werden jedoch in der Zuversicht, dass ein solches sich dennoch erzielen lassen werde, weiter geführt. Zwar haben die Kassenverhältnisse der Section auch in diesem Jahre, nach Ausweis des im Anhange folgenden Kassenberichts sich weiter er- heblich verbessert, um aber den zur Unterhaltung und steten Beaufsich- tigung des Gartens durchaus benöthigten Bau eines bescheidenen Wohn- hauses für den Gärtner und dessen Gehülfen nebst den erforderlichen Wirthschaftsräumen demnächst ‘in Angriff nehmen zu können, sind die vorhandenen Geldmittel noch immer bei weitem nicht und um so weniger der Schles. Gesellschaft f. vaterl, Cultur. ie) ausreichend, als die Umfriedung des, der Munifizenz der hiesigen städtischen Behörden zu verdankenden, eirea 3°/, Heetar (eirca 15 Morgen) umfassenden Gartenareals in Folge der in den letzten Jahren besonders nachtheilig auf dieselbe eingewirkten Witterungseinflüsse in nächster Zeit einer umfassenden, kostspieligen Reparatur bedarf und jedenfalls auch darauf Bedacht genommen werden muss, nach vollendetem Bau noch wenigstens ein kleines Reservekapital übrig zu behalten zur Deekung durch etwaige Missjahre hervorgerufener Ausfälle in den Erträgnissen des Gartens und für unvorherzusehende, zu dessen Erhaltung aber nothwendige Ausgaben. Unter diesen Verhältnissen riehten wir nochmals an die geehrten Mit- glieder die freundlich ergebenste Bitte weitere ausserordentliche Beihilfe geneigtest spenden zu wollen, lediglich bestimmt zu endlich zu ermög- liehender Ausführung der oben bezeichneten, auf das dringendste be- dürfenden Bauliehkeiten. Jederzeit wird der Secretair der Section zu deren Empfangnahme dankbarst bereit sein. Vom hohen Königlichen Ministerium für die landwirth- schaftlichen Angelegenheiten wurde der Section auch für dieses Jahr zur Erhaltung ihres Gartens die zeither huldvoll gewährte Subvention snädigst überwiesen, durch Hochdasselbe gleichzeitig aber dem Präsidium der Schle- sischen Gesellschaft Kenntniss davon gegeben, dass von nächstem Jahre ab Gesuche um Gewährung von Zuschüssen an die Provinzial-Vertretung zu richten seien, welcher die Mittel zur Bestreitung derartiger Ausgaben vom 1. Januar künftigen Jahres ab überwiesen werden sollen. Verehr- liches Präsidium hat hiernach auf Ersuchen der Section sich gern bereit- willig gezeigt, die erforderlichen Schritte zu thun, um diese zur Erhaltung des, nur allein im Interesse für die Hebung und Förderung der schlesischen Obsteultur durch die Section mit eigenen erheblichen Opfern an Zeit und Geld errichteten, sich zeither auch in diesem Sinne nützlich erwiesenen pomologischen und Obstbaumschulgarten nothwendige, seither aus Staats- mitteln empfangene Subvention auf dem ihm durch hohes Ministerium vorgezeichneten neuen Wege auch in der Folge aus den der Provinz für derartige Ausgaben überwiesenen Fonds gewährt zu erlangen. Möge nun die Voraussetzung sich erfüllen, dass hohe Provinzial-Vertretung den ernsten Bestrebungen der Section für Aufbesserung eines wichtigen Zweiges höherer Landeseultur auch die gleiche anerkennende Beihilfe nicht ver- sagen werde, deren Zuwendung von Einem Hohen landwirthschaftlichen Ministerium sie sich seit. einer Reihe von Jahren mit Erfolg und dank- barst: zu erfreuen hatte. Endlich möge noch erwähnt sein, dass die vor zwei Jahren zur Er- sparung der hohen Gebühr für Postnachnahme eingeführte Massnahme direeter Einsendung der Beiträge der geehrten auswärtigen Mitglieder dieser Section an deren Secretair mehr uud mehr Anklang gefunden hat. Deshalb gestatten wir uns diese neuere Einrichtung hiermit und mit dem 18 274 Jahres - Bericht Bemerken in gefällige Erinnerung zu bringen, dass auch fortan nur die- jenigen Beiträge, welche nicht bis zum 15. Januar jeden Jahres eingehen, mittelst Postnachnahme unter Begleitung der Quittung werden erbeten werden. Ackercultur als Muster für Gartencultur. Von Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert. Gärtnerei und Botanik gehören unstreitig zu einander, sind aber dennoch fast stets verschiedene Wege gewandelt, und mehr als von man- cher andern Wissenschaft liefert ihre Geschichte den Beweis, dass die Praxis der Theorie voranzueilen pflegt. Im klassischen Alterthum nahm die Gärtnerei bereits eine hohe Stufe der Ausbildung ein, ward durch zahlreiche wichtige Beobachtungen fort und fort durch das ganze Mittel- alter hindurch erweitert, ehe von der Botanik als Wissenschaft auch nur die Rede war. Als dieser nun im Anfange des 16. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Begründung zu Theil ward, blieben doch beide stets ge- trennt, so dass Linn€ es unternehmen konnte, in seiner Classification der Naturhistoriker seiner Zeit die Gärtner nieht zu den eigentlichen Wissenschaftsgenossen, sondern nur zu den Botanophilen zu zählen, die . sich mit den Pflanzen nur beiläufig beschäftigten, wohin er freilich auch noch Anatomen, Aerzte, Dilettanten_(Miscellanei) überhaupt rechnete. Im ganzen vorigen Jahrhundert widmete sich fast nur ein einziger Botaniker freilich höchsten Ranges, Du Hamel du Monceau, der wissenschaft- lichen Seite der Gärtnerei. In seiner uns hinterlassenen Physik der Bäume liefert er eine Arbeit, die heute noch mit Recht in grössten Ehren gehalten wird. Physik und Chemie, die gegen Ende des vorigen Jahr- hunderts in völlig neuem Gewande erschienen und sofort auch in un- mittelbare Beziehung zum Leben der Pflanze in ihrem Verhältniss zum Boden und zur Atmosphäre gebracht wurden, blieben ohne wesentliehen Einfluss auf die gesammte praktische Verwendung der Pflanzenkunde auf Acker- und Garteneultur. Vergebens wiesen Sprengel, Lampadius und Andere auf den hohen Werth dieser neuen Lehren hin. Liebig war es vorbehalten den richtigen Zeitpunkt wahrzunehmen, um ihnen ihre "bahnbrechende Bedeutung zu verschaffen und so eine totale Reform der gesammten Agrieultur zu bewirken, ja ihr auch die Bahn zu bezeichnen, welche sie fort und fort zu ihrem Heil zu wandeln hat, von der sie im Ganzen und Grossen auch heute noch nicht abgewichen ist. Die alte der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 3755 Humustheorie, die Ansicht, dass der Humus unmittelbar zur Ernährung der Gewächse diene, Mineralien wie Gyps, Kalk, Mergel nur als Reiz- mittel wirkten, ward verlassen, und auf das evidenteste nachgewiesen, dass organische Körper nicht als solche, sondern erst nachdem sie sich durch Verwesung und Zersetzungsprocesse in anorganische Körper auf- gelöst, d. h. in Wasser, Kohlensäure und Ammoniak verwandelt hätten, zur Verwendung gelaugten. Es sei daher vorzugsweise die Ermittelung der Aschenbestandtheile, welche den Gewächsen als Haupt- nahrungsmittel dienen, noihwendig, um zu wissen, welche Stoffe die Pflanze zu ihrer Entwickelung bedürfe und dem Boden für die ver- lorenen als Ersatz wiederzugeben seien. Somit war die Lehre von der künstliehen Düngung begründet, eine der glänzendsten und erfolg- reichsten Entdeckungen unserer Tage und das bisherige empirische Ver- fahren für immer beseitigt. Die Garteneultur blieb trotz ihrer innigen und nahen Beziehungen zur Agrieultur, da sie ja gewissermassen mit ihr unter einem Dache wohnt, davon unberührt. Die Gartencultur, verlassen von der Theorie, — in wie viel Handbüchern der Botanik kommt auch nur der Name Gärt- nerei vor —, hatte sich auf eine in der That bewundernswürdige Weise ein empirisches Cultursystem geschaffen, welchem sie überaus glückliche Erfolge verdankte und sich daher zunächst nicht veranlasst sehen mochte der neuen Richtung zu huldigen. Sie blieb dem alten mehr als tausend- jährigen Herkommen treu und. operirte fort und fort mit den bisher ge- wohnten Culturmitteln, mit Sand, Lehm, Dammerde, Heideerde, verschie- denen Düngerarten, die sie noch mit den alten, der Wissenschaft ganz unerfindbaren Ausdrücken bezeichnete, warm, kalt, hitzig u. s. w., ohne bei ihrer Verwendung auch nur die geringste Rücksicht auf die Bestand- theile der Gewächse selbst zu nehmen. Erst in der allerneuesten Zeit hat man angefangen einige Versuche mit den von dem Laboratorium der Agrieultur so reichlich dargebotenen Mitteln zu machen, aber auf ganz empirische Weise, ohne die Natur und Zusammensetzung der damit zu eultivirenden Pflanzen näher zu beachten, Kaum sollte man es wohl glauben, .dass die gesammte Gartencultur zur Zeit wohl auch nicht eine einzige chemische, zur Ermittelung einer zweckmässigen Culturmethode veranlasste Analyse einer Pflanze oder eines Bodens besitzt, wie die Agrieultur sich gegenwärtig deren fast zu Tausenden zu erfreuen hat. Keine Pflanze wird von ihr in Cultur ge- nommen, ohne vorher auf die angegebene Weise die Bedingungen erforscht zu haben, unter welchen ihr Gedeihen sicher zu erwarten ist. Dem ge- sammten Obstbau steht, so viel ich weiss, bis jetzt nur eine Analyse, die des Apfelbaumes, zu Gebot, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche, Aprikosen u. A. gehen leer aus. Die fast seit Anfang dieses Jahrhunderts, oder wenigstens seit dem ersten Decennium desselben eultivirten Neu- 137 276 Jahres- Bericht Holländer- und Cappflanzen, unter ihnen namentlich die kostbaren Pro- teaceen, die schönen Erica verlieren sich wie viele andern allmällig aus unsern Gärten, meist aus keiner andern Ursache, als weil die Pflanzen, je älter sie werden, nicht mehr vermögen gegen die ungünstigen Boden- verhältnisse zu kämpfen, in welche sie unsere Sorglosigkeit versetzt. Denn wer wird denn behaupten wollen, dass die Heideerde, die wir ihnen oetroyiren, mit der ihrer Heimath identisch sei. Unsere immer älter werdenden Orangen wollen auch nicht mehr recht gedeihen die so oft, missrathende Ananaseultur, wie die so vieler anderen zum Theil recht kostbaren Gartenpflanzen, wird auf ähnliche irrationelle Weise betrieben. Freilich erreicht der Werth aller dieser Culturen nieht so ungeheure Summen, wie die des Ackerbaues, ist aber immerhin bedeutend genug, und jedenfalls wünschenswerth, ihn durch radikale Verbesserungen und dadurch bewirkte Vermehrung der Einnahmen noch zu stei- sern. Man denke nur an die kostbaren Orchideen, deren Handels- werth in den Katalogen sich auf 50—40,000 Franes beläuft, die nicht minder theuren Palmen, Cycadeen mit Exemplaren, die je mit 3 bis 4000 Thlr. bezahlt werden, die Farne, Aroideen, Coniferen und zahl- lose andere Zierden unserer Gärten. Mit Theilnahme, wie die Aerzte einer unerforschlichen Krankheit gegenüber, verweilen wir bei dahin welkenden uns werthen Gewächsen, aber rathlos, denn das, was ihnen fehlt und vorzugsweise helfen könnte, ist uns unbekannt. Es zu er- forschen haben wir den von der Agricultur bereits vor 30 Jahren eingeschlagenen Weg zu betreten. Unter gegen- wärtigen Verhältnissen gehen viele sehr bald und im Laufe von 5 bis 6 Jahren mehr als die Hälfte der neuen Einführungen wieder verloren. Mit manchen Palmen, wie z. B. Cocos nueifera, kommt man entweder nur zeitweise oder wohl gar nicht zu Stande. | Mit Unrecht würde man die Sehuld dieses trostlosen Zustandes, den wir hier der Wahrheit gemäss aus eigenen vielfachen, sehr unlieb- samen Erfahrungen schildern, den Gärtnern allein zuschreiben, die Botaniker, insbesondere die Gartendirectoren, sind hierbei eben so betheilig. Wir haben uns, wie einst die Agronomen, mit den Chemikern zu vereinigen, um diesem wahrhaft wissenschafts- losen Zustande ein Ende zu machen. Heimathliche Bodenarten und ihnen entsprossene Exemplare sind zu analysiren und. das Resultat dann zur Ermittelung der Bodenmischungen für die eingeführten zu eultiviren und zu verwenden. Bei dem unendlich sich täglich steigernden Verkehr wird sich das Material nach und nach unschwer beschaffen lassen. Was dürfen wir z. B. unter andern von unserem hochzuverehrenden Landsmann, Herrn Baron Dr. Fer- dinand von Müller in Melbourne erwarten, der auf wahrhaft gross- artige Weise sich bestrebt, die Flora Ausstraliens nach Europa zu ver- hr der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 277 pflanzen. Gern biete auch ich die Hand dazu. — In einer zweiten Mit- theilung mehr über die Art und Weise, wie das vorhandene Material wenigstens vergleichungsweise vorläufig zu benutzen ist. Viele werden diese Bemerkungen für überflüssig halten. So urtheilten freilich auch einst vor 30 Jahren viele Oeconomen über die damals ein- breehenden Neuerungen, heut werden sie sich wohl hüten zu jenen ver- alteten Ansichten zurückzukehren. Vieles hat die Agrieultur über Bord ge- worfen und die Gärtnerei hat genug Material, um diesem Beispiele zu folgen. In wie weit nach einer Richtung der angewandten Botanik die Forst- eultur diese Ansichten zu beachten hätte, kann ich nicht recht be- urtheilen. Bei den mir bekannten Vorschlägen zur Walddüngung wird auf die näheren Bestandtheile der Bäume keine Rücksicht genommen. Und doch fehlt es hier nicht an vortrefflichen Analysen, wie auch von so vielen Waldpflanzen, mit deren Hilfe man allein im Stande wäre, die, so viel ich weiss, jetzt noch sehr unklare Theorie der sogenannten Wald- unkräuter im Ordnung zu bringen, deren es gewiss nur sehr wenige giebt. Man studire nur mehr das Pflanzenleben in der Natur, insbeson- dere das der Wurzeln und wird sich dadurch manches unnütze Experiment und überflüssige Discussion ersparen. Stürme und Frost werden auf un- sere gesammten Baumeulturen weniger verheerend einwirken, wenn man unsere gegenwärtig so allgemein geübte naturwidrige Behandlung des Wurzelsystems durch Kürzung desselben aufgeben und auf die unumgänglich nöthigen Fälle beschränken wollte. Uebrigens wird man bei Zeiten dahin kommen, auch die Wälder in das Gebiet der sogenannten Rieselfelder zu ziehen, was ihnen, wenn man dabei auf die angedeutete Weise rationell verfährt, sehr erspriesslich sein dürfte,*) Mittheilungen über Gewächse des botanischen Gartens vom 20. Juli 1875. Von Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert. Gegenwärtig blüht hier die grösste und schönste der Erdorchideen Disa grandiflora L. vom Cap (Disa Name der Eingeborenen), zum ersteu *) Laut Zusicherung Sr. Excellenz des Königl. Preuss. Ministers für Land- wirthschaft wird die von ihm in Potsdam bald zu begründende physiologisch- gärtnerische Versuchsstation es sich mit zur Aufgabe stellen die hier vorgeschla- gene Untersuchungsmethode weiter zu verfolgen, so dass sich die erfreuliche Aussicht darbietet zur wissenschaftlichen Gestaltung dieses Zweiges der praktischen Botanik. Göppert. 278 Jahres-Bericht Mal, aufgestellt auf einer Etagere unter einer Kastanie links von der Hauptallee, umgeben von einigen anderen tropischen Orchideen in Glä- sern, wie der längsten aller Blüthen des Uropedium Lindeni Ldl. aus Centralamerika mit fast 21, Fuss langen Blumenblättern. In der Nähe die technisch wichtigsten Pflanzen der Erde: die Baumwolle Gossypium herbeceum mit malvenartiger Blüthe, der auch die gelbe Baumwolle G. religiosum bald folgen wird und dieses Jahr im Freien zur Reife ge- langen dürften; die Mutterpflanzen der Yute-Fasern, Corchorus olitorius aus ÖOstindien, die‘ Ramie, Rame-Faser, China-Gras, Grasleinwand, For- skolea (Boehmeria) tenacissima, aus Ostindien und China, der neuseeländische Flachs (Phormium tenax), der Nährer der Tropen, der Reis (Oryza sativa var, montana), welcher auf trockenem Boden gedeiht, die Erdeichel oder Erdnuss, deren Blüthe wie die noch einiger anderen Leguminoser sich nach dem Verblühen merkwürdigerweise in die Erde verbirgt und dort die Fruchtschote zur Reife bringt, die Batate oder süsse Kartoffel (Ipo- maea Batatas), nicht zu verwechseln mit der chinesischen Dioscores Ba- tatas, die Nährpflanze Oceaniens namentlich Otaheitis, Colocasia esculenta, die Cochinchina’s Amorphophallus Rivieri; die chinesischen Theepflanzen, zeylanische Zimmtbäume, Zuckerrohr, fast alle mit den dabei befindlichen Producten, Jatropha Manihot bei allen tropischen Gruppen. Mehrere da- von blüken, wie die japanischen Lilien Takesima, longifolium, Thunbergianum» tenuifolium, chalcedonicum, bald auch auratum. Sämmtliche zur Zeit be- sonders interessante Schlauchblattpflanzen, Nepenthes, Sarracenia, Cephalotus und die californische Darlingtonia in den kleinern Gewächshäusern, wo noch blühen Clerodendron fall, Medinilla, wahrhaft magnifica genannt, desg]. Anthurium magnificum aus den Urwäldern Java’s. Pandanus furcatus hat zu wiederholtenmalen die 4—5 Fuss langen männlichen Aehren in 3-4 Stunden entwickelt. Die sogenannte Königin der Nacht Cactus grandiflorus blüht ebenfalls von Zeit zu Zeit, zwar schon lange bekannt, doch einzig im Pflanzenreich. In dem alten meist mit Farnbäumen, Cycadeen er- füllten Palmhause, prachtvolle Gesehenke unsers Landsmanns Professor Dr. Baron Ferdinand v. Müller in Melbourne, zwei noch in der Ent- wickelung begriffene Farnstämme, ein 8 Fuss hohes Balantium antareticum, die merkwürdige Todea barbara Moore von mehr als tausendjährigem Alter, wie aus dem Vergleiche mit einem hier seit fast 40 Jahren eul- tivirten Exemplare geschlossen werden kann, eine eben blühende Banane Musa Cavendishiü, viele andere wichtige Arzneipflanzen, Chinabäume in 8 verschiedenen Arten, Paulinia sorbilis oder Guarano, diese giftige Pau- inia Curare. Taeghinien. der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 279 Ueber Pflanzenculturen. Von Kaufmann J. Hutstein. Unter Pflanzeneulturen versteht man im allgemeinen die Züchtung der Pflanzen, um sie mehr oder weniger der Vollkommenheit entgegen zu führen. Je nach dem Standpunkt, welchen der Cultivateur einnimmt, werden die Erfolge verschieden sein können. So stellt sich der Laie, Naturfreund, Botaniker, welcher wild wachsende Pflanzen liebt, leicht be- friedigt, wenn er diese auf seinen Versuchsorten lebend und gesund fort- bringt; der Obszüchter richtet sein Augenmerk auf den Erhalt guter Früchte, der Blumist betrachtet einen reichlichen Blumenflor als Ausgangs- punkt seiner Aufgabe. Es kann hier nicht der Ort sein und auch nicht in der Absicht liegen, die einzelnen Culturbranchen besprechen zu wollen, sondern es wird sich einfach darum handeln, die Gesichtspunkte aufzu- stellen, unter denen Culturen mit Erfolg stattfinden. Die erste Grundlage eines jeden Culturverfahrens ist die möglichst genaue Kenntniss der Lebensbedingungen, unter welchen die zu cultiviren- den Gewächse in der freien Natur vorkommen. Wo diese Kenntniss an den lebenden, in der freien Natur wachsenden Pflanzen nicht zu er- reichen ist, und dazu wird sich oft keine Gelegenheit darbieten, ist man gezwungen die besten Schriften, welche über derartige Culturen handeln, zur Hand zu nehmen. Ohne diese Kenntniss tappt der Pflanzenzüchter im Dunkeln herum und wird nur selten ein erfolgreiches Resultat zu er- zielen im Stande sein. Wenn es ihm überhaupt gelingt einzelne Erfolge zu gewinnen, so sind diese einzig und allein dem Zufall zuzuschreiben und somit einer Macht zu verdanken, der man sich schliesslich doch nicht immer aufs Geradewohl anvertraut. Bei einem grossen Theil unserer Pflanzenzüchter ist die Benutzung dieser Macht fast zur Gewohnheit ge- worden. Man kümmert sich wenig oder öfter wohl gar nicht wo diese oder jeue Pflanze wächst, welche wesentlichen Lebensbedingungen sie er- fordert, sondern man meint, mit ein wenig Pflege, bestehend. in zugeführter Wärme, Feuchtigkeit und guter Erde sei Alles ausgerichtet. Dieser Schlen- drian ist leider vielfach vorhanden und kann alle Tage beobachtet werden. Es ist nun freilich nicht zu leugnen, dass uns die Natur selbst nur zu oft in die Hände arbeitet und zur Oberflächlichkeit hinführt, weil sie eine Menge Pflanzen geschaffen hat, welche unter sehr ausgedehnten Lebensbedingungen noch wachsen und selbst gedeihen. Erst wenn schwierige Culturen an uns herantreten, ich erinnere nur an die einhei- mischen, wild wachsenden Pyrola-Arten, Pedicularis, alle Vaccineen und 250 Jahres - Bericht Lycopodiaceen mit ihren einfachen, bindfadenartigen Wurzeln, und wir einsehen, dass der Zufall nur wenig hoffen lässt, gelangen wir zu der Einsicht und erachten es für nothwendig uns nach besseren Culturwegen umzusehen. Diese sind, wie bereits erwähnt, zunächst aufzusuchen, Also entweder die Pflauzen an ihrem natürlichen Standort auf Lage, Licht, Erde und Feuchtigkeitsverhältnisse sorgfältig zu prüfen, oder, wenn dies nicht angänglich ist, uns mit denjenigen Werken zu umgeben, welche möglichst genau und umständlich die Lebensweise der zu eultivirenden Pflanzen schildern. Ist beides erlangt, so dürfen wir noch nicht mit Sicherheit rechnen, dass wir am Endziele angelangt sind, das ist, die Pflanzen gesund und kräftig fortzubringen. Die geheime Werkstätte der grossen Natur, die scheinbar mit nur sehr einfachen Mitteln arbeitet, birgt oft noch sehr subtile Eigenthümlich- keiten in ihrem Arbeitslaboratorium, welche nur derjenige erkennt, der mit klarem Auge sieht und urtheilt und mit reichen Kenntnissen und praktischen Erfahrungen ausgestattet ist. | Ueber buntblätterige Pelargonien. Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Unter den buntblätterigen Schmuckpflanzen nehmen unbedingt die schönen Scharlach-Pelargonien mit ihren so vielfach gefärbten Blättern die erste Reihe ein. Es ist hinlänglich bekannt, wie die verschiedensten Nuancen von Roth, Gelb, Weiss und Grün bei ihnen gefunden werden, und ich habe noch Niemanden gesehen, welcher nicht beim Anbliek einer solchen Pflanze, wenn sie sich in guter Cultur und Ueppigkeit befindet, entzückt gewesen wäre. Und dennoch ist die Pflanze, mit Ausnahme einiger wenigen weissblätterigen Sorten, nicht sehr verbreitet und zwar deshalb, weil man bei ihrer Cultur auf einige Schwierigkeiten stösst; diese werden geringer sein beim Fachmann, d. h. beim Gärtner, welcher an allen Fingern ein Glashaus hängen hat, grösser bei solchen Garten- freunden, welchen diese Wohlthat versagt ist, und, da ich mir nicht ge- traue den Fachmännern meine geringfügigen Rathschläge unterzubreiten, so sei meine heutige Arbeit nur den Dilettanten gewidmet. Mögen sie mir folgen, sie werden es nicht bereuen. Seit langen Jahren beschäftige ich mich mit der Cultur dieser Pe- largonien, überwintere sie ohne Glashaus glücklich und habe im Sommer der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 281 meine Freude, wenn sie in prachtvollem buntem Gemisch, eine Beet- einfassung bildend, sich üppig entwickeln. Es ist Thatsache, dass eine jede buntblätterige Pflanze, wenn sie von einer grünblätterigen gleichen Art abstammt, gewissermassen eine kranke Pflanze ist; sie ist aus diesem Grunde auch zarter und- weich- licher als die Mutterpflanze und mithin auch schwerer zu erziehen und zu conserviren. Was nun die buntbläiterige Pelargonie in specie anbetrifft, so hat sie in erster Reihe den Fehler, wenig Wurzeln zu bilden. Eine Pflanze mit geringem Wurzelvermögen wird sich aber niemals so kräftig ausbilden können, als man es wünscht, und ich kam daher auf den Ge- danken die Wurzelbildung künstlieh zu vergrössern. Im Juli und August mache man Stecklinge und schneide sie unterhalb eines Auges glatt weg; man braucht nicht zu ängstlich zu sein in betreff der Dicke der zu den Stecklingen zu wählenden Triebe, wenn dieselben nur wenigstens 2 Zoll lang sind. Nachdem die Stecklinge geschnitten, mache man entweder zwischen der Schnittfläche und dem ersten.Gliede hie und da kleine Ein- kerbungen, d. h. man schneide kleine Theilchen aus dem Stamm heraus, welche ohngefähr die Form eines Menschenauges haben — 3 —4 solcher Einkerbungen genügen —, oder man spalte die Schnittfläche durch einen senkrechten Einschnitt von einem halben Zoll Länge in 2 gleiche Theile, oder durch einen Kreuzschuitt in vier Theile, so dass also gewissermassen der Steckling 2 oder 4 Füsse habe. Nun lege man die Stecklinge zwei Tage hindurch bei Seite, damit alle Schnittflächen gut vertrocknen. So vorbereitet werden sie in die Erde gesteckt und zwar direct ins freie Land, vorausgesetzt, dass dasselbe nicht aus zu hartem lehmigen Erdreich bestehe. Tiefer als einen Zoll, oder bis zum ersten Auge, vom Ende an gerechnet, dürfen sie.jedoch nieht in der Erde stehen. Ich rathe hierbei, sie der Bequemlichkeit halber in die Nähe der alten Stöcke zu stecken, wenn diese nämlich im freien Lande stehen, und zwar jede Sorte zu dem entsprechenden alten Stocke. Man spart so die Etiquettirung und kann eine Verwechselung leicht bemerken und ausgleichen. So lässt man die Stecklinge bis zum September stehen ohne jede andere Wartung oder Pflege, als welche den Mutterpflanzen zu Theil wird. Beim Ausheben, welches mit Vorsicht und mit Hilfe eines kleinen Spatels zu bewirken ist, wird mau nun mit Erstaunen wahrnehmen, welche Menge von Wur- zeln die Pflänzchen besitzen und bei genauer Besichligung diese ausser am Ende ebensowohl an. den Einkerbungen als auch an den senkrechten Einschnitten finden. Wir haben hier also den Fall einer künstlichen Wurzelvermehrung und ich gestehe, dass ich mich herzlich gefreut habe, als ich die Richtigkeit meiner durch Nachdenken gewonnenen Vermuthung bestätigt fand und ein so gutes Resultat erzielt worden war. So gebildete Pflänzchen pflanze man nun in kleine Töpfchen, zur Ueberwinterung bestimmt und zwar in je ein Töpfchen eine Pflanze. Die 282 Jahres-Bericht Manier viele kleine Pflanzen in einem grossen Topfe zu überwintern passt nur für Glashäuser und nicht für Zimmer; doch würde ich für bunt- blätterige Pelargonien selbst im Glashause kleine Töpfehen vorziehen. Man nehme eine recht klare, jedoch humose Gartenerde und stelle die Töpfehen entweder bald ins Zimmer ans Fenster oder unter das Fenster eines alten Kastens ins Freie; letzteres Verfahren ist vorzuziehen. Hier werden die Pflänzchen willig einwurzeln und sich gut entwickeln. Im ‚Kasten können sie so lange stehen, als es die Witterung erlaubt, jedoch muss selbstredend oft gelüftet werden. Ich habe wenig Raum zur Ueberwinterung und muss 4—5 Reihen Töpfehen neben einander an das Fenster stellen; da schneide ich denn alle grossen Blätter unbarmherzig ab, wenn ich die Pflanzen bei eintreten- der Kälte ins Zimmer nehme, und handle dabei nicht ohne Grund. Die grossen Blätter brauchen dieselben im Winter nicht, die kleinen genügen hinlänglich zur Nahrungszuführung aus der Luft, denn sie schlafen bis zum Februar und beanspruchen wenig Nahrung. Wohl aber würden die srossen Blätter, wollte ich sie lassen, die lichtbedürfiigen Pflanzen bei so enger Aufstellung durch Beschattung schädigen. Man halte die Pflänz- chen nicht zu nass, sie nehmen es nicht übel, wenn sie auch einmal acht Tage ganz trocken stehen; jedoch achte man darauf vertrocknete oder faulende Blätter bei Zeiten zu entfernen. Ich nehme sogar die vertrock- neten Blattstützblättehen hinweg. Auf diese Weise sind die Embryonen zur Fäulniss grösstentheils entfernt. Mitte Februar beginnt sich die Ve- getation in den kleinen Töpfchen zu regen und nun zwicke ınan alle Endtriebe ab, wenn es nicht schon im Herbst geschehen ist, um einen buschigen Habitus zu erzielen. Bei weiterer Vegetation müssen die Pflanzen gelichtet aufgestellt und, wenn möglich, im April in einem alten Kasten ins Freie unter Glas gebracht werden. Hier schlägt man die Töpfehen in die Erde ein und lässt es an Lüftung bei Tage und Deckung bei et- waigen Frösten der Nacht nicht fehlen. In der Mitte des Monats Mai pflanzt man sie nun ganz ins Freie und sorgt sowohl für Reinlichkeit ‘ durch Bespritzen, wenn Gewitterregen die Blätter mit Erde beschmutzt haben, als auch für Kräftigung durch zeitweiligen Guss mit Leim- oder Hornspänwasser, wenn die Vegetation in erhöhtem Maasse vor sich. geht. Blüthen lasse ich an ihnen nicht aufkommen; sie consumiren zu viele Nahrungsstoffe, welche den Blättern zu Gute gekommen wären und, da diese Letzteren bei den buntblätterigen Pelargonien doch einmal die Hauptsache sind, so halte ich es nicht einmal für schön, durch die meist rothen Blüthen den Eindruck, welchen die schönen bunten Blätter machen, abzuschwächen. Einen Rath zu geben, welche Sorten man in Cultur nehme, ist nicht nöthig, sie sind alle schön; nur so viel bemerke ich schliesslich, dass man bei der grossen Anzahl von Varietäten, welche, oft kaum unterscheidbar, der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 283 in den Katalogen der Handelsgärtner existiren, und bei den hohen Preisen der Pflanzen sich mit etwa 12 Sorten begnüge. Mehr wird der Zimmer- gärtnerei zur Last, da man von jeder doch wenigstens 5 Vermehrungen für den Winter machen muss und bei aller Vorsicht nicht immer alle Pflänzchen bis zum Frühjahr erhält. Man muss daher bei der Vermehrung schon auf die kleine Einbusse rechnen, welche jedoch bei meiner Be- handlungsweise 5—6 pCt. nicht übersteigt. Ich lege zum Schlusse die Cultur der bunten Scarletpelargonien jedem Pflanzenfreunde dringend ans Herz, sie ist eine traute Pflanze. Der Weinbau in kalten Gegenden. Von Obergärtner ©. Grossmann in Warmbrunn. Dass im Gebirge das öftere Fehlschlagen einer Weinernte vom Spa- lier im Freien, wie auch‘ von Wänden von Bauchlichkeiten manchen Be- sitzer abhält Wein anzupflanzen, werden diejenigen bekunden, welche in solcher Gegend wohnen. Viele Flächen an Häusern und dergleichen bleiben deshalb lieber leer, als dass man sie, wie gesagt wird, zu seinem späteren Aerger mit Wein bepflanzte. Bietet nun aber schon an und für sich eine grünbelaubte Wand einen freundlicheren Anblick als eine kahle Mauerfläche, so wird auch selbst in kälteren Gegenden das Fehlschlagen der Weinernte seltener eintreten und nicht nur grüne Belaubung eine Zierde der Wände sein, sondern demjenigen, welcher hierzu Wein an- pflanzte, dieser auch Nutzen bringen, sobald Lage und Bodenbeschaffen- heit gehörig berücksichtigt, m der Wahl der anzupflanzenden Sorten und in der Behandlung des Weinstockes mit Sachkenntniss verfahren wird. Vieles, und darunter manches Gute ist schon über Weinbau geschrieben, es schreekte aber durch die Menge des darnach zu Erlernenden den Laien dem dieser kleine Aufsatz gewidmet sein soll, eher ab, als dass es för- dern half. Eine nahrhafte, dabei aber mehr trockene Bodenart, sowie eine Lage von Südost bis Südwest, sind für Weinanlagen unbedingtes Erforderniss. Das Pflanzloch muss wenigstens 1 Q.-Mtr. weit und 70 Cmtr. tief gemacht, auf dessen Sohle eine eirca 18 Cmir. hohe Lage gut verrotteter Dünger gebracht und dann bis zur halben Tiefe mit guter Erde aufgefüllt werden. Hierauf wird, nachdem der Boden sich gesetzt hat, im Herbst der Wein- stock in schräger, nach der Mauer zu aufsteigender Richtung bis auf 234 Jahres-Bericht zwei Augen eingelegt und mit Erde und auf diese wieder mit verrottetem Dünger beschüttet und sanft angetreten; damit aber das kleine, nur mit zwei Augen aus der Erde hervorgehende Reis nicht ohne Schutz sei, um- stecke man es mit Stäbchen und beschütte es für den Winter mit Erde. Als zu pflanzende Sorten wähle man unter den am frühest reifenden die tragbarsten, welche die losesten Trauben liefern; sie sind in den be- schreibenden Preisverzeichnissen leicht zu finden. Es sind dies z. B. der Augustwein und Frühleipiger; im Gebirge und kälteren Gegenden reifen sie Ende September bis Anfang October, während in flachen oder süd- licheren Lagen ihre Reife schon Ende August bis Anfang September eintritt. In Bezug auf die Behandlung des Weinstockes irage man zunächst Sorge, dass die austreibenden Triebe des jungen Setzlings unbeschädigt bleiben, man hefte dieselben, wenn nöthig, behutsam an Stäbe und lasse sie im ersten Jahre ruhig fortwachsen. Im Herbst schneide man die unterste Rebe (Triebe) wieder auf zwei Augen zurück und dicht hinter derselben das alte Holz mit den höheren Trieben. Im zweiten Jahre werden sich dann zwei kräftige Triebe entwickeln, von denen, wenn während der Wachsthumperiode wieder gut angebunden wurde, zum Herbst der obere Trieb (Rebe) auf Schenkel, 4—6 Augen, der untere auf Zapfen, 2 Augen, geschnitten werden können und im dritten Jahre die ersten Trauben liefern werden. Im Frühjahr des dritten Jahres, nachdem der Stock kräftige Triebe gemacht hat, muss mit dem Aus- brechen begonnen werden, d. h. alle Triebe, welche sich am Wurzel- stock oder am älteren als dem vorjährigen Holze bilden, entferut, aber auch bei etwa doppelt ausgetriebenen Augen, der schwächere Trieb weg- genommen werden, so dass. jedes Auge nur einen Trieb zu ernähren hat. Gleichzeitig werden die belassenen Triebe angebunden und hauptsächlich darauf gesehen, dass die aus den beiden Augen des Zapfens fürs nächste Jahr hervorgehende Rebe oder Schenkel und Zapfen ungehindert fort- wachsen können. Nach der Blüthe kneift man zwei Augen über dem letzten Traubenansatz, jeden Trieb an welchem solcher vorhanden ist ab, damit die Nahrung der Traube zu Gute komme. Sollten jedoch die vor- hin erwähnten beiden Zuchtruthen des Zapfens Schaden genommen haben, so müssen an Stelle dieses die zwei untersten Triebe des Schenkels, selbst wenn auch Trauben daran wären, gehen gelassen werden. Die aus den Blattwinkeln sich entwickelnden schwachen Triebe (Geiz) müssen überall bis auf ein Auge verkürzt und nie grösser aufkommen gelassen werden, damit der Stock seine Kräfte nicht vergeude, sondern schöne Früchte für dieses und kräftige Zugreben für nächstes Jahr liefere. Bei Trockenheit, welche bei Wänden ohne Traufe gewöhnlich im Boden vorherrscht, giesse man besonders nach der Blüthe oft und stark, womöglieh mit flüssigem Dünger, weil zur gleichmässigen Entwickelung der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 385 der Trauben, resp. Beeren, der Stock viele Feuchtigkeit und Nahrung bedarf und schneide, wenn dennoch einzelne Beeren zurückbleiben sollten dieselben mit einer Scheere behutsam aus den Trauben heraus, damit auch der wenige Saft welcher in dieselben gehen würde, den anderen Beeren zu Gute komme. Oefteres Bespritzen am Morgen und des Abends mit weichem Wasser, trägt wesentlich zu kräftigem Wuchse bei und hält den Schimmel (eine Krankheit) von den Trauben entfernt. Sind die Trauben ausgewachsen und beginnt die Zeit der Reife, so entferne man einen Theil der Blätter in der Nähe der Trauben, damit die Wärme zu diesen mehr Zutritt ge- winne und dadurch die Reife beschleunigt werde. Im Herbst, wenn das Wachsthum der Reben bald aufhört, köpfe man die wachsen gelassenen Zugreben, d. h. man sehneide !hnen die Spitzen ab, damit der in den- selben aufsteigende wenige Saft die Augen für das nächste Jahr noch stärke. Geschieht dieses Köpfen jedoch zu früb, wenn die Rebe noch in gutem Wachsthum ist, so treiben, weil zu viel Saft vorhanden ist die Augen welche im folgenden Jahre Früchte bringen sollten, :noch in dem- selben Herbst aus und man hat dann nichts als eine herbe Lehre. Wird der Weinstock wie hier angegeben wurde behandelt, so ist der Herbstschnitt leicht, die unteren schwächeren Triebe werden zu Zapfen, die übrigen, wenn der Stock stark genug ist, zu Reben (8 bis 12 Augen) und Schenkeln zu diesen je ein Zapfen, tiefer als diese geschnitten. Eine richtige Beurtheilung des Schneidens, wie viel Holz der Stock vollständig gut ernähren kann, muss dem Schnitt vorangehen; besser ist es dem Stock etwas mehr als zu wenig Holz zu nehmen, weil in letzterem Falle derselbe eher geschwächt als gekräftigt wird. Ist Schwäche vorhanden, so muss wieder mit Zapfen und Schenkel angefangen werden und bleibt dann der Stock wieder um ein Jahr oder auch mehr in seiner Tragbarkeit zurück, statt vorwärts zu kommen. Zu bemerken ist noch, dass Geitz, went, wie angegeben, nicht aus- gebrochen wurde, sondern stehen blieb, noch zu recht kräftigen Trieben erwachsen kann, welche aber nie Trauben bringen, es müsste denn aus denselben durch Zapfenschneiden Fruchtholz für das zweite Jahr wieder gewonnen werden. Sind die Stöcke im Herbst geschnitten, so müssen dieselben einige Zeit noch stehen, 5—6° Kälte schaden nichts, tragen vielmehr zur Aus- reifung des Holzes bei. Die Stöcke werden, wenn nicht stark gefroren, niedergelegt, denn wenn gefroren, so brechen sie wie Glas, und werden mit Erde oder Stroh eingedeckt. Um den Stock muss im Interesse des- selben die Erde in einer geringen Entfernung mit verrottetem Dünger noch bedeckt werden, weil derselbe, als schlechter Wärmeleiter, die Wärme in zeitigen Frühjahrstagen abhält in die Erde zu dringen und den Stock zu früh in Vegetation zu bringen. Auch ziehen durch die Nieder- 286 Jahres -Bericht schläge der Atmosphäre die Dungtheile aus dem Dünger in die Erde und führen den Wurzeln neue Nahrung zu. Sind Nachtfröste nicht mehr zu fürchten, so wird Deckung und Dünger entfernt und der Stock auf- gebunden. Das Aufbinden kann in allen möglichen Formen geschehen, nur müssen Reben, welche gelassen wurden, im Bogen, mit der Spitze nach innen oder unten geheftet werden, damit der Saft, welcher immer nach der Höhe strebt, in gleicher Stärke in die Augen sich vertheile. Später, wenn der Stock schon stark ausgetrieben hat, werden dieselben wie beim Ausbrechen schon angegeben wurde behandelt; so geht es fort bis dieselben wieder für den Winter niedergelegt werden. Ein solches Verfahren, welches nebenbei in den Mussestunden ausgeführt werden kann, giebt Freude und auch Früchte, und wird dem, welcher die kleine Mühe nicht scheut, dieselbe immer im reichen Maasse lohnen. Zur Cultur der Winter-Levkojen. Von Handelsgärtner C. Opitz in Hirschberg. Mancher Levkojenfreund, welcher im Winter mit der Topfeultur dieser Pflanze sich beschäftigt, hat sicher schon die unliebsame Erfahrung gemacht, dass wenn im Herbst die Levkojen eingetopft werden, diese nur wenige Hauptwurzeln haben, der feinen Haarwurzeln aber ganz ent- behren. Die Pflanzen trauern deshalb dann lange, bilden schwer nur wenige neue Wurzeln und im Laufe des Winters geht in der Regel ein Theil derselben zu Grunde. Mein Culturverfahren, durch welches ich stets die gesundesten, üp- pigsten, ins Auge fallenden und deshalb vom Publikum gern gekauften Pflanzen erzielte, ist in Kürze folgendes: Mitte März mache ich die Aus- saat in ein laues Mistbeet, pieire sobald als möglich die jungen Pflänzchen und bringe sie dann, wenn sie kräftig herangewachsen sind, auf ein dazu vorbereitetes Beet. Ist ihr Wuchs dann soweit vorgeschritten, dass sich die Blüthenknospen entwickeln und man wahrnehmen kann, welche Pflanzen mit gefüllten Blumen blühen werden, so hebe ich diese mit einem Handspaten vorsichtig aus, stutze ihre langen starken Wurzeln bis auf 6—8 Cmir. vom Stamme ab ein und bringe sie hiernach auf ein frisches Beet, wo sie stark angegossen und überhaupt steis feucht gehalten werden. Es hat dies zur Folge, dass in kurzer Zeit um die eingestutzten Wurzeln sich eine Menge junger, feiner Wurzeln bilden, welche bei dem der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 387 späteren Eintopfen der Pflanzen gutes Zusammenhalten des Ballens er- möglichen und überhaupt diesen die nöthigen Kräfte zuführen. Kommt nun die Zeit des Einpflanzens heran, so lasse ich die hierzu zu verwen- denden Töpfe an ihrer Innenseite mit möglichst frischem Kuhmist be- streichen. Nach der Einpflanzung bringe ich dann meine Levkojen in einen kalten Kasten, in welchem sie bis November, December verbleiben und dann erst im Kalthause einrangirt werden. Die Vertilgung des Regenwurmes in Blumentöpfen, Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Vor einiger Zeit theilte ich meine. Ansicht über die Nützlichkeit des Regenwurmes mit und halte auch heute noch daran fest, dass diese eine grössere ist, als wir bei oberflächlichem Nachdenken anzunehmen ge- wöhnt sind, ja ich halte ihn noch heute für den Draineur, welchen die Natur kostenlos angestellt hat. Er ist es, der die Erdschichten so um- gestaltet, dass sie zur Lufteirculation geeignet werden, ein Umstand, der von grossem Werthe ist. Nichts desto weniger will ich nicht abläugnen, dass das Thier uns schädlich werden kann, wie ja auch über gleiche Verschiedenartiskeit des Wirkens von dem Maulwurf gesprochen wird. In Blumentöpfen wühlt dieser Wurm sehr oft zum Schaden der darin stehenden, schwach bewurzelten Stecklingspflänzchen und verleidet denselben die Bildung neuer Würzelchen. Man erkennt das Vorhandensein desselben in solchen Töpfen bekanntlich leicht, da er es liebt lockere voluminöse Aufhäufungen seines Unrathes auf die Oberfläche der Erde hinzutragen. Für diesen Fall wird in manchen Gärtnerbüchern empfohlen die Töpfe mit einer Lösung des Quecksilber-Sublimates — Hydrargyrum bichloratum corrosivum — zu begiessen, wobei vermerkt wird, dass dieser Stoff die Würmer tödte, den Pflanzen jedoch nichts schade. Es ist ohne Zweifel richtig, dass durch eine so überaus giftige Substanz, wie sie das Quecksilber-Sublimat repräsentirt, alle derartige Thiere leicht getödtet werden können; ob es aber auch richtig ist, dass dieselbe den Pflanzen nicht schade, lasse ich dahingestellt. Meine Ansicht ist im Gegentheil dahingehend, dass die Anwendung quäst. Lösung in den allermeisten Fällen den Tod auch der Pflanze zur Folge haben wird. Ausgenommen vielleicht dürften nur die Pflanzen aus der Familie der Cruciferae sein, welche allerdings gegen Chlorsalze ziemlich indifferent sind. Inwiefern 2388 Jahres -Bericht ich aber ein Veto beim Gebrauche des Sublimats ausspreche, findet seine. Begründung in dem Umstande, dass wir uns dabei selbst mit diesem Gifte imprägniren. Das Sublimat hat die physikalische Eigenschaft als solehes in der Luft zu verdampfen; mithin wird sich diese im Zimmer oder Glashäusern in dem Maasse mit Sublimatdämpfen schwängern, als die Erde in den Töpfen, oder der Theil Sublimatlösung austrocknet, welcher aus den Töpfen auf die Stellagen oder in die Untersätze ge- flossen ist. Jedenfalls würde ich selbst, der ich mit Giften umgehe und dureh lange Jahre wohl etwas giftfest geworden bin, das Experiment niemals machen und kann es daher nur verwerfen und die Auforen jener Bücher tadeln, welche solehe Rathschläge ertheilten, ohne selbst mit der Natur jenes Stoffes und seiner Gefährlichkeit gehörig bekannt zu sein. Es war mir nun darum zu tbun ein wirksames und gefahrloses Mittel zur Vertilgung des Regenwurmes in Töpfen zu entdecken und es gelang mir. Gern trete ich nun vor die Oeffentlichkeit und theile diese Erfah- rung der Allgemeinheit mit. Man giesse nämlich, wenn die Erde in den Töpfen recht ausgetrocknet ist, stark mit eineın Wasser, in welchem man etwas Aloeextract aufgelöst hat. Man wiederhole diesen Guss, jedoch durchdringend, zum zweiten Male, wenn es nötbig ist, d. h. wenn die Erde wieder trocken ist, und alle Würmer werden todt sein. Diese Extraetlösung schadet keiner Pflanze, wie ich erprobt habe, kann viel- mehr als Düngung gelten. Man erhält das Aloeextraet leicht in jeder Apotheke das Loth zu 40—50 Pfennige, und hat man bei der Anwen- dung desselben weiter keine Mühe, als dasselbe in die Giesskanne zu schütten und, nachdem diese mit Wasser gefüllt worden, mitunter mit einem Stäbehen umzurühren bis es gelöst ist, was keinen langen Zeit- raum erfordert. Man kann auf ein Liter Wasser ohngefähr eine reich- liehe gehäufte Messerspitze des Extractes nehmen. Etwa beim Giessen damit benetzte Blätter leiden nicht wahrnehmbar und können später mit Wasser oder durch den Regen leicht abgespült werden. Ich habe auch bei einem Topfe, welcher anscheinend viele Regenwürmer enthielt und ‘von grösserer Dimension war, statt mit Extractlösung zu giessen, etwas Extraet auf die Erde gestreut und sodann mit gewöhnlichem Wasser ge- sossen. Das Resultat war dasselbe. Schliesslich muss ich noch bemerken, dass gewöhnliche Aloe statt des Aloeextractes nicht zu empfehlen ist. Diese enthält viele Harzstofie, welehe die Giesskanne unrein machen und sich im Wasser nicht lösen, auch müsste man bei seiner Anwendung viel mehr davon nehmen, um ein ‚gleiches Resultat zu erzielen, wie bei der Verwendung des Extractes. Dieses ist von seinen Harztheilen befreit und löst sich vollständig und klar im Wasser; es wird daher jedenfalls vorzuziehen sein. Ob es übrigens seine Wirksamkeit in der Erde längere Zeit behalten wird, hängt davon ab, ob es rascher oder langsamer in Humus verwandelt der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 389 wird, worüber eine Erfahrung noch nicht vorliegen kann. Jedenfalls wird bei einer lehmigen, also alkalischen Erde die Umwandlung eher eintreten, als bei einer sandigen Humuserde, Ueber die Verwendung von Lonicera brachypoda fol, aurea var. bei Anlegung von Hainpartieen. Von Obergärtner A. Schütz in Wettendorf (Ungarn). Zu den vielen buntblättrigen Pflanzen, welche in unserer Zeit in der mannigfachsten Weise Verwendung in der Gärtnerei finden, gehört auch Lonicera brachypoda fol. aurea variegatis. Dieselbe, einmal ausgepflanzt, bedarf keiner weiteren grossen Pflege, hält unsere Winter im Freien gut aus, verdient deshalb in jedem Garten zur Verzierung einen Platz und ist besonders da von vorzüglicher Wirkung, wo sie zur Bepflauzung des Bodens einer Steinpartie angewendet wird. In der Natur bieten Steine nur als grössere Felsen ein gressartiges Bild, darum sollte man es auch vermeiden in den Gärten kleinere Steine in ihrer nackten Form zur Anwendung zu bringen. Es lassen sich jedoch auch solche einzeln, oder zu 5—4 bei einander in zusammenhängenden Boden-Erhöhungen oder Vertiefungen mit Vortheil anbringen und geben ein angenehm wirkendes Bild, welches sich um so freundlicher gestaltet, wenn sie von einem rasenartigen Teppich der Lonicera brachypod. fol. aur. var. umgeben, von der Natur in denselben hinein gelegt zu sein scheinen und der Mamnigfaltigkeit wegen von einzeln gepflanztem Epheu umrankt sind, zwischen denselben auch wohl kleinere Rasenflächen auftreten, auch da, wo mehrere Steine in eine grössere Form zu einander gefügt wurden, im Freien ausdauernde Farnkräuter sowie einige Juniperus communis, Yucca, Pulmonaria virginica (Syn. Martensia virginica, Lithospermum pulchrum Lehm.) u. dergl. gepflanzt wurden. Da, wo Loniceren auftreten, müssen dieselben so dicht gepflanzt sein, dass nachdem sie heranwachsen, der Boden nicht zu sehen ist, am zweckmässigsten geschieht dies, wenn man in ein Pflanzloch immer 8—10 Stück pflanzt. Zurückzuschneiden sind dieselben nur im Frühjahr um kräftige junge Triebe zu erhalten, welche eine weit intensivere Blattzeichnung annehmen als alte Triebe. Eine solche Steinpartie, nicht gar zu klein, sondern in einer Aus- dehnung von mindestens 20—30 Mtr. und angemessener Breite, in der 19 290 Jahres - Bericht Nähe von Baumgruppen, oder mit einem Hintergrunde von Gesträuch an- gelegt und da wo angänglich, von einem kleinen Wasser durchflossen, fesselt das Auge in angenehmer Weise, verfällt ihm auch nicht als klein- liche Spielerei. Da die Vermehrung dieser Lonicera eine äusserst leichte ist, so hält es nicht schwer in einem Jahre Tausende derselben heranzuziehen. Man steckt junge Triebe im Sommer als Stecklinge in kleine Holzkästen, stellt diese in einen kalten Mistbeetkasten, hält sie geschlossen und behandelt sie ganz wie andere krautige Stecklinge; um sie recht stark auspflanzen zu können, werden sie im Monat Februar zu 3—4 in kleine Töpfe ver- pflanzt und in ein mässig warmes Mistbeet gestellt, wo sie bis zum Aus- pflanzen im Frühjahr kräftige Triebe entwickeln. Ausser der oben angegebenen, findet diese Lonicera noch gute Ver- wendung als Untergrund bei Zwerg-Coniferen- und Mahonien-Gruppen; für Teppich-Beete wird sie zwar auch benutzt, die Pflanze verliert dabei jedoch viel von ihrem schönen goldfarbigen Blattschmucke, weil sie wäh- rend des Sommers geschnitten werden muss. Ein Wink zur Veredelung edler Rosensorten. | Von Sectionsgärtner J. Jetting er. Die Vermehrungsarten der Rosen sind so allgemein bekannt, dass wir eine Aufzählung derselben nieht für nothwendig halten. Auch die von uns im Nachstehenden beschriebene Methode wird da und dort ge- wiss angewendet, verdient aber doch noch mehr Beachtung als ihr seither zugewendet wurde. Es ist die Veredelung der Rosen auf Wurzeln der Rosa canina und ihrer Varietäten. | Jedem Fachmanne ist es bekannt wie schwierig es manchmal wird, grössere Mengen edler Rosen als wurzelächte Pflanzen aufzubringen; bei Veredelung auf Wurzeln umgeht man das Mühevolle und oft Resultatlose des Stecklingmachens. Die Wurzeln, welehe zur Veredelung dienen sollen, schneidet man im Laufe des Herbstes in eirca 12 Cmtr. lange Stücke und schlägt die- selben, um sie jeder Zeit haben zu können, an einen frostfreien Ort in mässig feuchte Erde ein, so zwar, dass sie ganz bedeckt sind. Die Stärke der Wurzeln kann zwischen Bleifeder- und Fingerstärke sein. So bald es die Zeit erlaubt, wird mit der Veredelung der schon vorräthig der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 391 geschnitlenen Rosen-Edelreiser begonnen. Das obere Wurzelende wird hierbei mit einem scharfen Messer an seiner horizontalen Fläche, sofern es nicht copulirfähige Wurzeln sind, glatt abgeschnitten, und das Edel- reis durch Sattelschäften oder Gaisfusspfropfen (Trianguliren) angesetzt; was sich copuliren lässt, wird auf diese Weise veredelt. Zwei Augen genügen zu einer Veredelung vollkommen, doch kann man, wo dieselben enger stehen, auch mehrere verwenden. Zum Verbinden bedient man sich mit Vortheil des bekannten Raffia-Bastes, welcher ein späteres Lockern des Verbandes nicht nöthig macht, weil derselbe nach und naclı fault. Die Veredelungsstelle wird wie bei andern Veredelungen am besten mit kaltflüssigem Baumwachs bestrichen. Hat man eine grössere Anzahl von Veredelungen fertig, so wird zum Einpflanzen geschritten, wobei man sich jedoch nieht zu beeilen braucht. Die Veredelungen können in einem feuchten Warm- oder Vermehrungs- hause, wo solche Arbeiten gewöhnlich vorgenommen werden, ohne Scha- den mehrere Stunden liegen bleiben, wenn sie nur mit einem feuchten Lappen, oder mit etwas Moos bedeckt sind. Das Einpflanzen geschieht, wenn man von einer Sorte eine grössere Menge hat, in dazu geeignete Holzkistehen, bei einer geringeren Anzahl in nicht allzugrosse Töpfe. Man pflanzt ganz dicht, wie man Stecklinge steckt, und ist dabei nur zu beachten, dass die Veredelungsstelle nicht in die Erde kommt, weil sonst Fäulniss eintritt. Die zum Einpflanzen zu verwendende Erde kann eine sandige, leichte Laub- oder Frühbeeterde sein. Die so eingepflanzten Veredelungen stellt man im Warm- oder Ver- mehrungshause auf. Ist Raum im Vermehrungsbeet selbst, so ist dies der beste Platz. Durch leichtes Spritzen hält man die Vermehrungen mässig feucht. Nach Verlauf von vier Wochen wird man finden, dass die Edelreiser zu treiben anfangen, es ist dies jedoch noch kein sicheres Zeichen für das Gelingen der Operation, denn das Edelreis hat nur erst eine Verbindung mit der Unterlage eingegangen, diese jedoch noch nicht Wurzel geschlagen, sondern nur erst Callus gebildet. Die Wurzelbildung wird nach weiteren vier Wochen stattfinden und man kann dann die Pflanzen nach und nach kühler stellen, überhaupt so behandeln, wie es frisch bewurzelte Pflanzen verlangen. Fäulniss und Moder muss sorg- fältig vermieden und entfernt werden, weil durch dieselben die saftigen, weichen Triebe schnell vernichtet werden würden. Sind im Laufe des Sommers die Pflanzen vollkommen abgehärtet, so kann an einem trüben Tage mit dem Auspflanzen derselben begonnen werden. Hierbei werden die am Wurzelstück etwa entstandenen wilden Triebe entfernt, die Veredelung fast bis zu ihrer Basis zurückgeschnitten und so tief gepflanzt, dass die Veredelungsstelle noch mit Erde bedeckt wird. Bei sorgfältiger Behandlung wird man in kurzer Zeit die Freude haben, die jungen Pflanzen treiben zu sehen. Fehlt es an Kaum zur 19% 2992 Jahres- Bericht Auspflauzung, so begnügen sich die jungen Pflanzen den Sommer über wohl noch in den Vermehrungsgefässen, sie müssen dann aber, um ein zu starkes Austrocknen zu verhindern, schattig stehen. Die Wurzeln zu Unterlagen beschafft man sich am besten durch Auspflanzung junger Samenpflanzen der Rosa canına auf ein gut rigoltes Land, diese werden in einigen Jahren veredelungsfähig sein und liefern beim Ausheben eine Menge brauchbarer Wurzeln. _ Deutzia gracilis in Baumform. Von Obergärtner J. Plosel, Schloss Falkenberg O.-8. Die in Japan, dem nördlichen China und auf dem Himalaya heimische Deutzia gracilis Sieb. $ Zucc. Schlanke D., verdankt ohne Zweifel die rasche Verbreitung welche dieser Strauch im freien Grunde der Gärten, wie in Töpfen, vornehmlich zum :Treiben fand, seinem reichen und zier- lichen Blüthenschmuck. Für letzteren Zweck verwendet, präsentirt sich die Deutzia gracilis aber viel zierlicher und vortheilhafter in Form eines Bäumchens.. Eine Stammhöhe von 1—1Y, Mtr. ist genügend. Um in kürzester Zeit diese Höhe zu erhalten bedient, man sich ınit Vortheil als Unterlage der schnellwüchsigen Arten, D. scabra, canescens, Fortunei, be- sonders einer wenig markigen Sorte und veredelt auf diese in Kronen- höhe. Am sichersten gelingt die Veredelung zu Anfang März in einem Warmhause, welches die hierfür nöthigen Bedingungen bietet. Die er- forderlichen Unterlagen werden schon im Frühjahr des vorhergehenden ‚Jahres in Töpfe gepflanzt, damit sie den Sommer über sich-genügend bewurzeln, während dem aber alle sich bildenden Wurzel- und Seiten- triebe glatt am Hauptstamm entfernt. Solche Kronenbäumehen werden zur Zeit der Blüthe ein sicherer und die geringe Mühe der Anzucht loh- nender Handelsartikel sein, da sie jedeu Pflanzenfreund befriedigen werden. Auch noch manche andere strauchartige Gehölze, welche als solche mit ihren Blüthen oft nur geringen Effeet machen, bringen als Hochstamm gezogen oder veredelt erst ihren vollen Werth als wahre Zierden unserer Gärten zur Geltung, wobei ich nur auf die bekannten Cytisus purpureus, Halimodendron argenteum, Prunus triloba und Ribes sanguineum aufmerksam machen will. Doch sind auch manche Sträucher mit kriechenden, langen, ruthenförmigen, dünnen Aesten zur Bildung von Trauerbäumchen der SEEN, IE WEITE fr der Schles. Gesellschaft f. vater, Cultur. 293 zierlichsten Art sehr geeignet und passend, wie z. B. Caragana pygmaea und Evonymus nanus zu beobachten Gelegenheit bieten. Wie überhaupt der Effeet eines Gehölzes erst dann zur richtigen Geltung gelangen kann, wenn ihm in angemessener Umgebung der passende Platz angewiesen wurde, so wird auch durch dessen für be- stimmte Zwecke richtig gewählte Erziehungsform Gelegenheit geboten das Ansehen desselben wesentlich zu erhöhen. Hierzu noch etwas über Scarlet-Pelargonien (Pelargonium zonale). Vielfach hat man bei diesen Pflanzen die Erfahrung gemacht, dass die gefüllten Varietäten, im Verhältniss zu den einfach blühenden, nur eine seringe Anzahl Blüthen zu vollkommener Entwicekelung bringen. Um so mehr ist dies zu beklagen, wenn dieselben in guter, kräftiger Cultur, oder den Sommer über im freien Lande sich befinden. Der Grund hierzu liegt, nach den von mir gemachten Beobachtungen darin, dass der grössere Theil der in der Entwickelung begriffenen Blüthenknospen, durch die reiche Masse grosser Blätter in der weiteren Ausbildung beeinträchtigt wird. Fassen wir dagegen eine dieser gefüllten Varietäten als Hoch- stämmcehen gezogen ins Auge, wo Sonne und Licht ungehindert auf die sich entwickelnden Blüthenknospen einwirken können, so werden wir auch eine Masse vollständig entwickelter Blüthen finden, welche uns freudig überrascht. Um nun aber eine gleiche Menge solcher Blüthen auch an niedrig wachsenden, oft zu grösseren Gruppen vereinigten Exem- plaren zu erreichen, empfiehlt es sich, einen Theil der älteren, grossen, den vollen Zutritt von Licht und Luft hindernden Blätter zu entfernen, damit diese frei auf die jungen Blüthendolden einwirken können. Ein Paar Brüder der Reblaus. Von Apotheker Mortimer Scholtz in Jutroschin. Wie ein oder das andere Jahr nicht gleich günstig für die Ent- wiekelung irgend einer Pflanze ist, so unterliegt das Thierreich unzweifel- haft gleichen Bedingungen. Tritt heute das Gespenst der Reblaus drohend mahnend an uns heran, so ist dies eine Folge der Witterungsverhältnisse der vergangenen Jahre, welche der Entwiekeluug dieses Thieres günstig gewesen sein müssen. Das ist einfach und klar und manch’ ein Beob- achter wird Wurzelläuse im vergangenen Sommer gefunden haben, welche ihm bisher als unbekannte Erscheinung galten. -- Was mich betrifft, 294 Jalires- Bericht so beobachtete ich solche an 3 Pflanzenarten und scheint es mir nicht ganz ohne Interesse, darüber zu referiren. Schon im Jahre 1873 und darauf ebenso im Jahre 1874 bemerkte ich im Sommer an Cineraria acanthifolia dichte Haufen schwarzer Blatt- läuse und in den Töpfen die Erde stark aufgewühlt. Nähere Beobach- tung belehrte mich, dass das Aufwühlen der Erde durch kleine Ameisen verursacht wurde, welche sich vielerlei Eingänge in die Erde der Töpfe ‚gemacht hatten. Ich vermuthete eine grosse Liebe zu den Wurzeln der genannten Pflanze Seitens dieser Inseeten, überzeugte mich jedoch bei näherer Untersuchung, dass die Thierchen Läusen nachgingen, welche massenhaft in jedem Topfe an den Wurzeln sassen. Inseetenpulver er- wies sich als wirkungslos und mein neues Mittel, Aloeextractauflösung, war mir noch nicht bekannt. Die Pflanzen litten anscheinend sehr und erholten sich erst im Herbst, wo sich die Läuse verloren. Die zweite Pflanze, an welcher jedoch nur Wurzel- und keine Blatt- Läuse gefunden wurden, war Centaurea gymmocarpa. lch besass etwa 15 Töpfe kleiner, aus Samen und Stecklingen gezogener Pflanzen; auch hier wurde jeder Topf durch Ameisen aufgewühlt und erwies sich als Grund dieses Treibens das Vorhandensein zahlloser Wurzelläuse. Nur wenige Pflanzen rettete ich aus diesen fatalen Verhältnissen. Beide dieser hier angeführten Beobachtungen waren durchaus nur oberflächlich, dadurch erklärlich, dass der Impuls noch nicht gegeben, wie er es dureh das Auftreten der Wurzelreblaus geworden ist. Der dritte Fall wurde von mir schon genauer beobachtet und ich kann darüber Näheres mittheilen. Als ich nämlich im Herbst einen bunt- blättrigen Sambucus nigra aus dem Topfe nahm, um ihn, da er sehr durch- sewurzelt war, den Winter über ins freie Land einzuschlagen, bemerkte ich dichte Haufen hellblauer Läuse an den Wurzeln, nicht; allein am Topfrande, sondern auch in allen Gängen im Ballen, welche durch Regen- würmer gebohrt worden waren. Im Sommer hatte der kleine Baum sehr an grünschwarzen Blattläusen gelitten. Ich schlug den mit Läusen be- ‘ deckten Ballen in die Erde und nicht weit davon eine andere Topf- Sambucus, welche sich frei von Läusen gezeigt hatte. _Ich warf Erde über die Ballen und liess sie so bedeckt bis Mitte Januar 1875. Als durch Aufthauen des Schnees ein günstiger Zeitpunkt gekommen war, nahm ich den kranken Ballen heraus und fand die Thiere noch lebend vor, wie gesagt hellblau und von der Grösse der Rosenblattlaus; sie krochen im Zimmer ganz munter am Ballen herum. Ich nahm nun auch den gesund gewesenen Sambucus heraus und fand mit Erstaunen, dass er jetzt Läuse hatte! Haben sich nun diese in der Zeit in weleher Beide in der Erde standen, den Weg zu dem bisher unbefallenen Ballen ge- bahnt? Es ist meines Dafürhaltens möglich und wahrscheinlich. Nun will ich nur wünschen, dass die Sambucus-Laus nicht mit der Reblaus By" der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 295 identisch sei (bin leider kein Zoologe) und mir meine Weinpflanzung be- fällt. Ich habe eine Ahnung, begründet in einer gewissen internen Ver- wandtschaft, welche ich zwischen Vitis und Sambucus herausfühle und nicht näher detailliren will, dass es wohl möglich sei. Das Erdmagazin des Gärtners, | Von Kunstgärtner C. Frickinger in Laasan. Welche Bedeutung die verschiedenen Erd- resp. Bodenarten für den Gärtner haben, wie deren Besitz und richtige Verwendung bei seinen Culturen geradezu eine Lebensfrage für ihn sind, darf bei denselben wie bei Gartenfreunden als bekannt wohl angenommen werden; in nach- stehendem will ich auch nur auf die Gewinnung, resp. Bereitung einiger verschiedener Erdarten hinweisen und deren Verwendung nebenbei er- wähnen. Jeder Praktiker wird guten Gartenboden schon an seinem Aus- sehen, an dem üppigen Wuchs der auf demselben sich vorfindenden Pflanzen, aber auch durch den Griff mit der Hand u. s. w. leicht er- kennen, er würde auch nicht in das Erdmagazin gehören, wenn wesent- liche Bedingungen nicht Beides von einander abhäugig machten, denn ein guter Gartenboden liefert für das Erdmagazin reichliche Mengen ve- getabilischen Abraums und Abfälle, weiche den Moder- und Compost- haufen bereichern, und diese, rationell bearbeitet, geben dem Gartenboden seiner Zeit wieder neue Kraft, neues Leben. Der wichtigste Inhalt des Erdmagazins sind unzweifelhaft der Moder- haufen und der Composthaufen, ihre Bestandtheile sollen von einander durchaus unterschieden sein, sie sind deshalb auch von einander getrennt anzulegen. Dem Moderhaufen sind nur frische Pflanzen-Abfälle und Abraum resp. Unkräuter zuzuführen. Bevor diese Stoffe jedoch wieder zu Dün- gung oder zu sonstigen Culturen geeigneter Erde geworden resp. bereitet sind, wird immerhin ein 4—6jähriger Zeitraum vergehen und werden dieselben auch grosse Mengen Samen von Unkräutern enthalten, welche sofort zum Leben erwachen, wenn ihnen die Bedingungen hierzu, d. h. Licht, Luft und Wärme geboten sind, was dann eintritt, wenn die er- zeugte Modererde zur Düngung oder zu sonstigen Culturzwecken ihre Verwendung findet. Um nun das Verwesen der aufgebrachten Pflanzen- 296 7 ahres - Bericht stoffe möglichst zu beschleunigen, zugleich aber auch die Lebensfähigkeit der mit denselben herbeigeführten Samen zu vernichten, empfiehlt sich, eine mindestens zweimal jährliche, gründliche Umarbeitung des Moder- haufens und zwar am zweckmässigsten im Frühjahr und im Herbst; die zu beiden Zeiten häufigeren feuchten Niederschläge, wie die Wärme des Sommers und das Durchfrieren während des Winters fördern den Ver- wesungsprocess und wenigstens die meisten der schon auf dem Moder- haufen keimenden Samen oder schon gewachsenen Unkrautpflanzen werden durch das Umarbeiten in ihrer weiteren Entwiekelung gehindert und zer- stört. Das zur Förderung der Verwesung zuweilen sich bedienende Mittel des Begiessens des Moderhaufens mit verdünnter Schwefel- oder auch Salzsäure ist am besten gar nicht, oder doch nur äusserst mässig anzuwenden, weil ein Zuviel der sich bildenden Erde auf Jahre hinaus alle belebende Kraft benimmt. _ Auf den Composthaufen sind im Gegensatz zum Moderhaufen nur solche Stoffe zu bringen, welche an und für sich schon als Dung be- nutzt werden können. Werthvolles Material für denselben sind z. B. Holz-, Torf- und Braunkohlenasche, Horn-, Leder- und Wollen-Abfälle, Kalk, Lehm und Estrich von alten Bauten, Geflügel-, Abtritt- und Stall- dünger mit Schorerde; ihr Werth wird aber noch erhöht, wenn der Haufen öfter mit Gülle, Gespülwasser aus der Küche, zum Waschen be- nutzt gewesenem Seifenwasser begossen wird. Selbstverständlich erfordert auch der Composthaufen eine alljährlich mindestens zweimalige sorgfältige Umarbeitung und wird dessen Inhalt dann schon nach 3 Jahren für Garten und Feld ein vorzüglich guter Dünger sein; für die Cultur von Topf- pflanzen wird er jedoch erst nach 5—6 Jahren und natürlich nur als Beimischung zu den übrigen entsprechenden Erdarten mit gutem Erfolge verwendbar. Das Aufbringen von Steinkohlen-Rückständen oder Asche auf den Composthaufen ist durchaus verwerflich, sie verhindern ein freu- diges Wachsthum selbst der gewöhnlichsten Pflanzenarten und mehr noch ein solches der Topfpflanzen. Kaum dürfte irgendwo eine Gärtnerei existiren, in welcher ein so bedeutender Vorrath guter Mistbeeterde vorhanden ist, dass solche nach einem zwei- bis dreijährigem Turnus erst wieder zur Anwendung gelangen könnte; durch die auf derselben betriebenen Culturen wird aber ihre Menge vermindert und sie ihrer Kräfte beraubt. Wenn nun eine bereits gebrauchte Mistbeeterde ruht, d. h. während der nächsten ein oder zwei Jahre nicht in Verwendung genommen und durch fleissiges Umarbeiten locker gehalten, somit in den Stand versetzt wird neue Kraft aus der Atmosphäre zu gewinnen, so wird doch eines Theils das an der- selben durch die vorangegangene Cultur verlorene Quantum zu ersetzen, audern Theils aber die während ihrer Ruheperiode aus der Atmosphäre aufgenommene Kräftigung nicht ausreichend sein um sie für den gleichen ee a ee Se der Schles. Gesellschaft £, vaterl. Cultur. 297 Zweck mit dem erwünschten guten Erfolge wieder benutzen zu können. Hierzu bieten nun der Moder- und der Composthaufen die geeigneten Mittel. Von beiden ist nämlich schon im Herbst bei dem Abfahren der Mistbeeterde aus den abgetragenen Beeten ein gleiches Quantum bei dem Durchwerfen derselben als Ersatz- und Verbesserungserde mit durch zu werfen, damit die Mischung eine recht gleichmässige, daher bei ihrem späteren Gebrauch auch gleichmässig wirkende werde. Lauberde. Diese rein, d. h. nur aus Laub herzustellen ist wohl möglich, aber nicht unbedingt nöthig; auch liefert Laub allein nur ein sehr geringes Quantum Erde, zu der es je nach seiner Art erst in kür- zerer oder längerer Zeit vollständig zersetzt wird, sie würde auch für die meisten Culturen eine zu leichie Erde sein. Ich ziehe daher vor, den Laubhaufen mit verrottetem Mistbeetdünger zu versetzen, resp. zu vermischen, d. h. denselben durch schichtenweise Aufhöhung von Laub und dem bezeichneten Dünger errichten und ihn von Zeit zu Zeit um- arbeiten zu lassen bis Laub und Dünger vollständig in Erde umgewandelt und gemischt sind. Eine in solcher Weise hergestellte Lauberde ist ausserordentlich nahrhaft, fühlt sich mild an und eignet sich ganz vorzüg- lich zur Cultur der Orange:, aller krautartigen Pflanzen und ebenso, mit Haideerde untermischt, für die Cultur der neuholländischen Pflanzen, welche hierin ein besonders üppiges Gedeihen zeigen. Unter den Gärtnern ist der Begriff von dem was Haideerde ist ein sehr ausgedehnter und werden unter dieser Benennung recht ver- schiedene Erdarten verstanden. Als Beweis dafür diene das Folgende, Während der ersten Zeit meiner gärtnerischen Laufbahn, in Süd-Deutsch- land, hatte ich die Haideerde in solchen Nadelholzpflanzungen zu sam- meln, welche vollständig mit Haidekraut (Erica) bewachsen waren. Hier wurde das Haidekraut an der Wurzeltiefe losgehackt, das grobe Kraut ausgeschüttelt und der Rückstand auf Haufen gebracht, welche in zwei bis drei Jahren eine Erde lieferten in der Erica, Camellia, Asalea, Rhodo- dendron etc. ganz vortrefflich gediehen. Ich meine, dies war die richtige Haideerde.. Dagegen wurde in meinem demnächstigen Wirkungskreise, welcher etwa 5 Meilen von dem ersteren entfernt lag und meilenweit einen Wald nicht aufzuweisen hatte, sogenannte Haideerde von einer tief- liegenden Wiese der Art entnommen, dass von den Seitenwänden kleiner Gräben, welche in einen die Wiese durchschneidenden tieferen Graben mündeten, grosse Rasenstücke abgehoben und auf einen Haufen gebracht wurden. Diese Erde, zwar sandig, aber weder sauer noch torfhaltig, war freilich erst nach 3-4 Jahren zu gebrauchen, die Pflanzen, für welche sie verwendet wurde, zeigten aber nie einen üppigen Wuchs. Es hatte da eben genommen werden müssen, was zu haben war; Haideerde war es aber sicher nicht. In Schlesien ist kein Mangel an guter Haideerde, und findet man solche z. B. in den Trachenberg-Wartenberger und den 298 Jahres - Bericht Ohlau-Brieger Forsten sowie in den Trebnitzer Revieren in vorzüglicher Güte. Auch in hiesiger Gegend wird Haideerde gesammelt, doch ist dieselbe allzu humusreich, es muss ihr daher eine grosse Menge Sand zugesetzt werden, um sie für die Cultur von Topfpflanzen brauchbar zu machen, und dennoch wird sie leicht sauer, wenn in nur irgend unvorsichtiger Weise gegossen wird. Die Moorerde ist braun, locker, enthält wenig Sand und besteht meist aus verwesten Sumpfmoosen. In Moorgegenden an aufgeworfenen Grabenrändern und auf eultivirten Moorstrecken findet man die beste vor, die dann mit reinem Quarzsand gemischt und gesiebt gewöhnlich auch bald brauchbar ist. Torfhaltige Moorerde wird nur erst nach einigen Jahren und fleissiger Bearbeitung brauchbar; im Nothfalle kann sie gleich der Haideerde Verwendung finden. Das hauptsächliche Erforderniss eines Erdmagazins ist guter Sand, gleichviel ob Gruben-, Fluss- oder Kiessand, denn er wird allen Erdarten zuzusetzen sein. Der beste Sand ist freilich ein reiner, feiner, scharf- körniger Flusssand, da dieser jedoch nicht überall zu haben ist, so empfiehlt es sich den vorhandenen Gruben- oder Kiessand vor dem Ge- brauch gehörig zu waschen, um damit die, die Erde etwa verschlämmen könnenden Bestandtheile zu entfernen. Die Cultur des Meerrettig (Armoracia sativa L.). Von Kunstgärtner P. Schmidt in Stephansdorf. Zwar kann man auch in mittelmässig gutem, nicht all zu nass und kalt gelegenem Boden bei kräftiger Düngung schon recht schöne und starke Stangen (Wurzelknollen) des Meerrettig erziehen, vortheilhafter für den Anbau desselben wird aber immer ein bündiges, freigelegenes feuchtes Erdreich sein, nachdem dasselbe schon im Herbst zuvor stark mit Kuh- mist gedüngt wurde. ‘ Die geeignetste Zeit, die sogenannten Keime (die feineren Er- nährungswurzeln an dem unteren Ende der zum Küchengebrauch aus- gewachsenen stangenartigen Wurzelknolle) auf die vorher tief umgegra- benen Beete zu bringen, ist von Ende März bis Anfang Mai. Diese Arbeit später vorzunehmen, empfiehlt sich deshalb nicht, weil die in letzterem Monat öfter schon eintretende grössere Trockenheit einer bal- digen Blattaugenbildung und Bewurzelung der gelegten Keime hinderlich der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 299 ist. Bei dem Eiuernten des Meerrettig, Ende October, lasse ich diese Keime höchstens 21, Cmtr. lang an der Wurzelknolle (Stange) stehen, während die mehr in die Tiefe gegangenen Keime entweder sofort nach der Ernte vermittelst Rigolen der Beete sorgfältig ausgehoben werden, oder auch über Winter an Ort und Stelle verbleiben. Nach dem Ein- sammeln der Keime werden dieselben nun sogleich pflanzgerecht zu- geputzt, d. h. nachdem das obere Ende eines solchen, welches den Kopf der neuen Stange geben soll, glattgeschnitten wurde, werden durch sanftes Schaben mit dem Rücken eines Messers vom Wurzel- nach dem Kopfende zu an demselben alle feinen Fasern entfernt, jedoch der Art, dass dessen oberer '[heil, wo er die Blattaugen zu treiben hat, wie das untere Keimende auf 3 Cmtr. Länge unberührt bleibt. Ohne diese Säu- berung würde der Keim, nachdem er gelegt wurde, an seiner ganzen Länge Blattaugen und Wurzeln bilden und dadurch der Zweck, die Ge- winnung einer fehlerfreien Stange, vereitelt werden. Die schon im Herbst ausgehobenen und zum Lager vorbereiteten Wurzeln (Keime) gewähren den Vortheil, schon bis zu ihrem Einbringen im Frühjahr an ihrem Kopfende Blattaugen getrieben zu haben und so- mit denen, welche erst im Frühjahr zugeputzt werden, mithin noch einige Zeit zur Blattaugenbildung verwenden ‘müssen, im Waclısthum erheblich vorangehen. Da Meerrettig, wenn er nur einigermassen gedeckt ist, nicht erfriert, so findet die Ueberwinterung der im Herbst vorbereiteten Wurzeln im Freien statt. Zu diesem Zweck wird eine eirca 30 Cmtr. tiefe Grube ausgeworfen, deren Grund planirt und die Keime schichten- weise mit Zwischenbringung von Erde eingelegt, bei eintretend starkem Frost aber nur mit einer etwa 6 Cmtr. starken Schicht Laub, Nadelstreu oder anderem Deekmaterial überdeckt. Keime, wenn sie auch nur einige Stunden der Luft frei ausgesetzt sind, werden leicht durch Welken un- brauchbar, man hat daher bei dem Ausheben und Putzen derselben stets darauf zu achten, dass sie nicht trocken werden, weshalb sie während dieser Zeit zuweilen anzufeuchten und durch Ueberdecken von etwas Stroh oder alter Leinwand vor scharfem Luftzuge zu schützen sind. Aus demselben Grunde empfiehlt es sich auch die Keime, sobald sie ge- sammelt und geputzt sind, im Herbst sogleich in die Grube einzuschlagen oder wenn deren Einsammlung erst im Frühjahr geschieht, dieselben nach geschehener Vorbereitung alsbald in die inzwischen hergerichteten Pflanz- beete einzulegen. Keime, welche man beim Abschnitt mit schwarzen Adern durchzogen findet, werden am besten sofort entfernt, sie liefern nur für den Küchengebrauch untaugliche Wurzeln; im heissen Sommer bei zu trockenem oder auch bei zu nass und kaltgelegenem Boden findet sich diese Krankheit oft ein. | Schreitet man zum Legen der Keime, so markire man auf dem dazu vorbereiteten Acker Linien in 60 Cmtr. Abstand von einander, ziehe auf 300 Jahres - Bericht denselben mit einer Hacke 10 Cmtr. tiefe Furehen und lege die bis zu 40 Cmtr. lang sein könnenden Keime (längere werden selten stark), mit 6 Cmtr. Zwischenraum in dieselben so hintereinander, dass stets nach dem Wurzelende des vorhergehenden Keimes das Kopfende des nächsten folgt. Bei dem Decken der Legewurzeln mit der durch das Aufziehen der Furche ausgeworfenen Erde verfährt man in folgender Weise: Man beginnt so, dass man immer die blossliegenden Keime zur rechten Hand hat und zieht nun, nachdem man das Wurzelende aus seiner horizontalen Lage 4 Cmtr. tiefer, also nach unten gebogen und fest gedrückt hat, die Erde auf denselben, drückt sie ebenfalls fest an, richtet aber dabei das Kopfende des Keimes in einer Länge von 4 Cmtr. der Art nach oben, dass dasselbe noch 4 Cmtr. Boden über sich erhält. Sind in dieser Weise alle Keime gedeckt, so erübrigt nur noch, der bessern Ansicht wegen, die Beetfläche mit einem Rechen zu ebnen. Um später bequemer arbeiten zu können wird man gut thun, nach je zwei Linien eine Furche folgen zu lassen. | Ende Juni, wo die Wurzeln des Meerrettig bereits 18—20 Cmitr. hohes Grün getrieben haben müssen, wird es Zeit sein das sogenannte „Heben‘“ derselben vorzunehmen. Behufs dessen zieht man die Erde am Keime entlang bis zu den Ernährungswurzeln nach der Seite, entfernt darnach alles Grün bis auf 2—3 Triebe, ebenso alle, sich etwa am Kopfende und an der horizontalen Lage des Keimes gebildete Wurzeln mit scharfem Messer und beschabt nochmals denselben mit stumpfem Messerrücken, wie es bei dessen Zubereitung vor dem Legen geschah. Hat sich bei dieser Manipulation der Keim in seiner Bewurzelung ge- lockert, so wird er wieder in seine frühere Lage fest gedrückt und der Boden wieder aufgebracht. Nach Beendung dieses Geschäfts sind die Reihen in der Weise, wie es bei den Kartoffeln geschieht, zu beziehen, wobei jedoch ein Berühren der Wurzeln mit der Hacke zu vermeiden ist; ein Aufhäufeln von 8 Cmtr. Boden genügt. Bis zur Erntezeit wird nun nur noch ein Reinhalten der Beete von Unkraut erfordert. Jedem Gemüsegärtner dürfte es bekannt sein, dass jedes, auch das kleinste Wurzelstück des Meerrettig befähigt ist, in noch ziemlich tiefer Lage auszutreiben; deshalb ist es nothwendig bei dem Ausheben der Keime, welche oft tiefer als 60 Cmtr. in die Erde dringen und nur sicher durch Rigolen der zur Meerrettig-Cultur benutzt gewesenen Beete zu finden sind, jedes Endchen derselben sorgsam aufzusammeln und an Orte zu bringen wo sie verderben müssen. Noch möge erwähnt sein, dass ich auf abgeernteten Meerrettigbeeten als Folgefrucht, nach nochmaliger Düngung stets die schönsten Sellerieknollen gezogen habe. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 301 Einiges über die hiesigen Baumschulen. Von Kunstgärtner W. Gildner in Schollwitz. Die hiesigen Obstbaumschulen, verbunden mit Gemüsebau, bestehen schon seit länger als 50 Jahren und sind während dieser Zeit stets rationell betrieben worden. Bei Auswahl der Obstsorten wird hauptsäch- lich darauf gehalten nur das Beste und Bewährteste, sowohl für die Tafel als für die Wirthschaft zu cultiviren. Der Flächeninhalt der Baumschulen inel. Gemüseland beträgt circa 3'/a Hectare. Der Boden ist durchgehend ein kräftiger, fester Lehmboden, der bei einer Tiefe bis 1 Mtr. und darüber eine Unterlage von theils weissem, theils eisenhaltigem Sande hat. Die Lage ist eine nach Westen durch den höher liegenden Park, nach Norden durch eine hohe mit Obst- spalieren versehene Mauer, nach Osten und Westen durch eine niedrigere Mauer geschützt. Die Anzucht der Obstwildlinge geschieht durch Samenaussaat und zwar im Frühjahr so zeitig als möglich. Die Samen von Kern- und Steinobst werden hierzu lagenweise in grosse irdene, am Boden mit Ab- zuglöchern versehene Töpfe in feuchten Sand geschichtet, diese mit einem passenden Deckel versehen, damit die Mäuse nicht eindringen können und etwa 30 Cmtr. tief in Erde eingegraben. Die Aussat geschieht auf besonders dazu hergerichteten Beeten von mittlerer Bodenbeschaffenheit in Reihen von 15—20 Cmtr. Entfernung. Da es die Zeit anderer Ar- beiten wegen nicht gestattet, die Sämlinge zu piquiren, so werden die Samen möglichst dünn gesät und bleiben die Pflanzen auf demselben Samenbeete 2 Jahre stehen, nach welcher Zeit sie geschult werden; die schwächeren werden auf besondere Beete nicht zu eng gepflanzt, um später eingeschult zu werden. Das Feld, worauf geschult werden soll, wird im Laufe des Winters bis 80 Cmtr. tief rigolt. Au Stellen, wo der Sand nahe liegt, wird der- selbe ausgehoben und durch Boden von andern Stellen ersetzt; das Ganze wird, nachdem sich die Erde gesetzt hat, geebnet und mit verrottetem Teichschlamm oder altem Compost gedüngt. Sobald im Frühjahr das Wetter es erlaubt, wird zur Einschulung der Sämlinge geschritten; die- selben werden an ihrer Pfahlwurzel scharf zurückgeschnitten, an der Spitze jedoch nicht eingestutzt. Das Pflanzen geschieht reihenweise in nach der Schnur gezogenen Gräben, welche ihre Richtung von Norden nach Süden erhalten haben und in einer Entfernung von 30 Cmtr. bei einer Reihen- weite von 80 Cmir. Zwischen diesen Reihen werden im ersten Jahre 302 Jahres - Bericht noch Zwergbohnen oder auch Wiener Kohlrabi angebaut und das Ganze von Unkraut möglichst reingehalten. Nachdem die Pflanzung ein Jahr alt ist und sich gut bewurzelt hat, wird im nächsten Frühjahr zur Veredelung geschritten und zwar grösstentheils durch Pfropfen in die Rinde, welche Arbeit noch bis Ende Mai ausgeführt werden kann. Das Pfropfen in die Rinde geschieht jedoch nur bei Kernobst und wird hier in folgender Weise ausgeführt. Die Wildlinge werden so nahe als möglich an der Erde horizontal abgeschnitten. an einer glatten Stelle der Rinde ein Längs- schnitt gemacht, dann. aber nur die eine Rindenseite abgelöst und hier das vorher zugeschnittene Edelreis eingeschoben; die Zunge oder Keil des Edelreises, welcher zwischen die Rinde kommt, wird an der Seite, weiche an die feststehende Rinde angesetzt wird, an der scharfen Kante etwas abgestumpft, d. h. mit dem Messer lang herunter abgeschnitten, damit es gut an die Rinde passt. Sind die Reiser gesund und der Ver- band gut, so bleiben von 100 Reisern kaum 2 aus, weil die feststehende Rinde sich sofort mit dem Reise verläuft. Kirschen werden erst dann veredelt, wenn sie eine Höhe von circa 2%, Mtr. erreicht haben, und zwar durch Copulation, welche möglichst zeitig vorgenommen wird. Zum Verband werden schmale Streifen von dünnem, schlechtem, weissen Kattun angewendet, welcher mit gewöhnlichem Baumwachs bestrichen wurde, welches jedoch mit etwas Schwefel vermischt ist, weil dessen Geruch viele Inseeten von den jungen Trieben der Reiser abhält, Solche Streifen gewähren vor anderem Verbandmaterial den Vorzug, dass sie nicht erst gelöst werden dürfen, weil sie, sowie das Stämmchen stärker wird nach- geben und zuletzt zerreissen. Hand- oder Hans-Veredelung findet nur bei Pfirsichen oder Aprikosen statt. Zu Unterlagen für Pfirsich und Aprikose werden Ausläufer von weichholzigen Pflaumensorten verwendet, weil diese die Veredelung am leichtesten annehmen. Die Pflaumenwildlinge werden theils in Zwiebel- töpfe. gepflanzt, theils in Moos emballirt, Letztere werden vorher in einen aus Kuhfladen und altem Lehm bestehenden.Brei getaucht; vor ihrer Ver- edelung, die im Februar erfolgt, werden sie so lange in ein Warmhaus gestellt und feucht gehalten bis die Knospen zu schwellen anfangen, und dann theils copulirt, theils oculirt, auch durch Einsetzen von Augen mit Holz veredelt. Durch letzteres Verfahren erhält man gegenüberstehende Aeste, wodurch die Spalierbildung erleichtert wird. Sind sämmtliche Unterlagen veredelt, so werden sie in einen lauwarmen Kasten gepflanzt, hier treiben sie bei geschlossenen Fenstern kräftig und werden nach und nach. durch vorsichtiges Lüften abgehärtet. Sind Nachtfröste nicht mehr zu erwarten, so werden die Fenster abgenommen und bleiben die jungen Bäumechen, welche im Laufe des Sommers mittelst Stäbehen schon in Spalierform gebracht werden, bis zum Herbst, auch den Winter über im Kasten stehen und werden nur die Bäumchen, welche im folgenden Früh- ERREGER ET de EN NN RN bla 2 der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 303 jahr keine Verwendung fanden, ausgepflanzt und in Spalierform weiter ausgebildet. Aepfel und Birnen, auch einige Pflaumensorten werden nur hoch- stämmig gezogen und zwar, mit Ausnahme einiger wenigen Sorten der Ersteren, welche ihres hin und her gebogenen Wuchses wegen eines Pfahles bedürfen, sämmtlich ohne Pfahl. Die Heranbildung der hoch- stämmigen Bäume geschieht mittelst des jetzt fast überall hierfür angewen- deten Zapfenschnittes und wird hier in folgender Weise dabei verfahren: Jedes Edelreis wird auf 3, auch 4 Augen geschnitten, das obere Auge hildet den Leitzweig, die unteren Augen werden im Laufe der Wachs- thumsperiode an ihren Spitzen abgekneipt, im Herbst auf Zapfen von 3 Augen und der Leitzweig auf 5—6 Augen zurückgeschnitten; im fol- genden Jahre giebt an diesem das obere Auge wiederum den Leitzweig und die unteren Augen werden wieder zu Zapfen geschnitten, sodann aber die im vorigen Herbst belassenen Zapfen dicht am Stamm mit glattem Sehnitt entfernt. In dieser Weise wird alljährlich fortgefahren bis der Stamm seine bestimmte Höhe erreicht hat und dann zur Kronenbildung geschnitten wird. Von Unkräutern werden die Baumschulen in der Regel durch mehr- maliges Umgraben des Bodens zwischen den Baumreihen gereinigt. Vor dem blossen Reinigen mit der Hacke gewährt dies verschiedene Vortheile. Nach eingetretener Dürre wird damit der fest gewordene Boden tiefer gelockert, was zur Bildung der hier reichlich vorhandenen Seiten- oder Saugwurzeln beiträgt, und Luft und Feuchtigkeit vermögen leichter ein- zudringen. Ist ein Feld von Obstbäumen abgeräumt, so wird dasselbe mit altem Frühbeet- oder frischem Kuhdünger gut gedüngt, einige Jahre zum Gemüsebau verwendet, dann frisch rigolt und wieder zur Aufnahme von Obstbäumen zubereitet. Sämmtliche in hiesiger Baumschule eultivirte Obstsorten, mit Ausnahme weniger, mit in hiesiger Gegend gebräuchlichen Namen benannter Sorten, werden möglichst unter richtig pomologischen Namen gehalten und sind als Standbäume in Hochstamm- oder Zwerg- form, theils als Spaliere im Garten oder in den Alleen vorhanden und tragbar. Auch werden mehrere der besten, im Freien reifenden Wein- sorten, welche durch Absenker vermehrt werden, sowie grossfrüchtige Johannis- und Stachelbeeren, nebst drei der besten Himbeersorten und von Wallnüssen hauptsächlich die mittelgrosse, dünnschalige, als die den andern vorzuziehende Sorte gezogen. Dies in Kürze das Wesentlichste über die hiesige Obstbaumschule, dem nur noch hinzugefügt sein möge, dass die Anzahl der hier vertretenen Aepfel und Birnen auf je eirca 60, der Kirschen auf 20, der Pflaumen auf 24 Sorten sich beläuft. 304 Jahres - Bericht Zweckmässiges Verglasen von Gewächshaus- und Frühbeet- Fenstern. Von Öbergärtner OÖ. Lorenz in Bunzlau. In Gewächshäusern, hauptsächlich in solehen mit liegenden Fenstern, und in Treibkästen findet man trotz gelegten Schattens und Lüftung öfter an den Pflanzen durch Sonnenbrand beschädigte Blätter. Auch in un- seren Gewächshäusern habe ich dies oft wahrgenommen und endlich her- ausgefunden, dass viele Scheiben, wenn man von der Seite darüber hin sieht, scheinbar in eine Spitze sich verlaufende Erhöhungen haben; es ist dies jedoch nur eine Spiegelung, denn man fühlt keine Erhöhung. Diese Spiegelungen erhitzen den aufgefangenen Sonnenstrahl so stark, dass wenn er auf Pflanzen trifft, die Blätter bald Brandflecken erhalten und, da die Sonnenstrahlen sich nach dem Stande der Sonne richten, so kann es vor- kommen, dass von einem einzigen solchen Spiegelpunkte aus eine ganze Reihe Pflanzen Brandflecken erhält. Liegen nun auch Schattendecken, so sind diese um das Licht hindurch zu lassen doch nicht so dicht, dass nicht auch ein Sonnenstrahl durch ihre Zwischenräume hindurch dringen könnte und trifft ein solcher nun gerade auf einen solchen Spiegelpunkt, so giebt es doch trotz des Schattenlegens Brandflecken. Der hier angeführte Nachtheil wird jedoch leicht vermieden, wenn sämmtliche Scheiben verkehrt, d. h. die Spiegelseite nach unten, eingelegt werden, weil dann die Sonnenstrahlen sich nieht auf einem Punkte eon- centriren, sondern sich ausbreiten. Unser im Jahre 1872 erbautes, 20 Fenster langes Ananashaus habe ich in dieser angegebenen Weise ver- glasen lassen und obschon die Scheiben dergleichen Spiegelpunkte eine Menge haben, bis jetzt dennoch keine Brandflecken an den in demselben ‚befindlichen Pflanzen wahrgenommen; ich werde deshalb auch die andern Häuser umglasen lassen. Ausserdem gewährt das Legen der Scheiben auf ihre Kehrseite auch noch den Vortheil, dass der Kitt fester hält, weil eine verkehrt liegende Scheibe sich, wenn auch unmerklich, doch immer nach ihrer Mitte hin etwas vertieft, so dass die Feuchtigkeit sich nach dieser hinzieht. Ist die Spiegelseite der Scheibe aber nach oben gekehrt, so wird die Nässe sich. stets nach deren Seiten zu an den Kitt hinziehen und diesen weit früher unhaltbar machen. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 305 Rosa canina L. aus Stecklingen zu Stämmchen zu ziehen. Von ÖObergärtner OÖ. Lorenz in Bunzlau. Dass Rosa camia aus Stecklingen schon binnen 2 Jahren zu 1 bis 1°/, Mir. hohen, oculirfähigen Stämmchen sehr leicht zu ziehen ist, dürfte vielleicht nicht genügend bekannt sein, weshalb ich hier angeben will, wie ich dabei verfahre, ‚Im Juni oder Juli lasse ich das erste beste Beet locker umgraben, auf dasselbe eine etwa 2 Omtr. hohe Lage Flusssand bringen und diesen mit einem eisernen Rechen so durchziehen, dass sich die obere Erdschieht mit dem Sande etwas mischt und hierauf das Beet zur Abhaltung der Zugluft mit einem Rahmen von Breitern umgeben. Die Stecklinge sclıneide ich auf 2 Augen und stecke diese in 3-Cmtr. Entfernung flach in schräger Richtung so ein, dass das obere Auge aufsitzi. Während des Tages wird das Beet fest zugedeckt, aber über Nacht offen gehalten und immer mässig gespritzt. In 3—4 Wochen haben die Stecklisge Wurzeln; im folgenden Frühjahr pflanze ich dann dieselben in 80 Cmtr. von einander entfernte Reihen mit 3 Cmir. Abstand. In demselben Jahre erstarken die Pflanzen soweit, dass schon im folgenden Jahre sich Stlämmchen von der oben an- gegebenen Höhe und Stärke bilden. Aus Samen dauert die Anzucht min- destens doppelt so lange, da der Same oft 2 Jahre liegt ehe er keimt. — Künftig will ich diese Stecklingszucht im April oder Mai mit weichen Trieben versuchen. Rosa manetti als Unterlage für hochstämmige Rosen. Von Obergärtner J. Kittel in Eckersdorf. Viel ist zwar schon über die Rosa maneiti als Unterlage geschrieben worden, doch will ich mich nicht enthalten auch meine Erfahrungen über dieselbe zu berichten. Vor etwa 10 Jahren als ich die Manetti-Rose noch nicht kannte er- hielt ich unter andern Rosen-Edelreisern auch einige unter einem glän- zenden Generals-Namen, die gleich den andern zu Veredelungen ver- 20 306 Jahres - Bericht wendet wurden. Nach 6 Jahren hatten diese so glanzvoll bezeichneten Reiser mächtige Kronen gebildet, ich inzwischen aber auch deren rich- tigen Namen als: Rosa Manetti, und zugleich deren hauptsächlichste Ver- wendungsart kennen gelernt; nämlich die, von derselben gemachte Steck- linge als Unterlage für hochstämmig zu veredelnde Rosen zu benutzen. Im Herbst hob ich daher jene mit der Manetti-Rose veredelten Stämmcehen aus dem freien Lande, pflanzte sie in Töpfe und brachte diese in einen Keller, wo sie über Winter sich gut festgewurzelt hatten. Im März stellte ich diese Töpfe dem Licht nahe in das Kalthaus und einige Wochen darauf in das Warmhaus, damit die Triebe sich schneller zur Benutzung als Stecklinge entwickelten. Nach etwa 3 Wochen waren die Triebe ge- nügend und so weit ausgebildet, dass die Blätter schon Festigkeit ge- wonnen hatten. Nun schnitt ich die jungen, 10—25 Cmtr. langen Triebe am vorjährigen Holze glatt ab und steckte sie in einen geschlossenen Vermehrungskasten in gewaschenen grobkörnigen Sand, weil frische Säge- späne von Tannenholz, welche hierzu ebenso zweckmässig verwendbar sind, mir nicht zur Disposition standen. Nach 2—3 Wochen waren die Stecklinge an ihrer Schnittfläche reichlich mit Wurzeln besetzt, sie wurden zu 3—4 Stück in 10 Cmtr. weite Töpfe gepflanzt, dann wieder in den geschlossenen Kasten gebracht bis sie gehörig durchwurzelt waren, hier- auf nach und nach durch Lüften abgehärtet und nachdem sie zuletzt wäh- rend 8 Tagen der freien Luft ganz ausgesetzt waren, endlich auf ein da- für vorbereitetes Beet in 45 Cmtr. Entfernung von einander auf 30 Cmtr. Reihenweite ausgepflanzt. Von jetzt an werden die jungen Pflanzen ganz sich selbst überlassen, sind nur von Unkraut rein zu halten und erforder- lichen Falls zu giessen, auch ist es nicht nöthig sie zu schneiden, da die jungen Stämmchen sich selbst aus den Wurzeltrieben bilden und schon im zweiten Herbst in angemessener Höhe und Stärke zur Veredelung ver- wendbar sind. Die alten Stöcke der Manetti-Rose lasse ich so lange im Warmhause stehen, als sie zur Stecklingszucht geeignete Triebe machen, was gewöhn- lich bis in den Monat August geschieht. Das oben angegebene Verfahren kann daher öfter wiederholt und Stecklinge bis in den September aus- gepflanzt werden. Der engeren Pflanzung auf den Beeten gebe ich des- halb den Vorzug, damit die Stämmchen der ohnehin sehr kräftig wach- senden Manetti-Rose nicht all zu stark werden, weil erfahrungsmässig stärkere Stämmchen, wenn sie in rauheren Gegenden zum Schutz gegen die winterliche Kälte umgebogen werden ınüssen, leicht brechen und da- mit oft die schönsten Rosenstämme verloren werden. Bisher habe ich noch nieht wahrgenommen, dass die Unterlage von Manetti-Rose durch Frost leidet, deshalb und bei ihrer guten Bewurzelung führt sie auch bei den auf dieselbe gemachten Veredelungen nicht so viele Verluste herbei als bei solchen auf Rosa canina, besonders wenn diese nicht Sämlinge, IR der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 307 sondern nur wilde Ausläufer sind, welche stets ein sehr geringes Wurzel- vermögen haben. — Ob auch, wie ich glaube, die Austriebe veredelter, angetriebener Manetti-Stämmchen zu Stecklingen zu benutzen sind, darüber soilen mich demnächst anzustellende Versuche belehren. Ueber Auslichten der Früchte an Spalier- und Zwerg- Obstbäumen. Von Obergärtner J. Kittel in Eckersdorf. Es ist zwar eine alte Erfahrung, das Obstfrüchte, welche das Sonnen- licht unbehindert trifft, an ihrer demselben zugewendeten Seite eine mehr oder weniger lebhafte Färbung annehmen. Dennoch scheint man, sei es aus Unkenntniss oder weil man nicht den genügenden Werth darauf lest, dies in den meisten Gärtnereien immer noch zu wenig zu beachten. Wer aber schon seit vielen Jahren seine Aufmerksamkeit hierauf richtete, wird sich gewiss von dem günstigen Erfolge, namentlich von dem Nutzen der- selben für den Verkäufer überzeugt haben. Die Früchte gewinnen durch das sie unmittelbar berührende Sonnenlicht ein gefälligeres Ansehen, aber - auch an Wohlgeschmack. Nicht zu verkennen ist, dass weil die Ein- wirkung der Sonne die Frucht wegen ihrer damit annehmenden Färbung früher reif erscheinen lässt, sich in manchen Gärten auch eher naschhafte Gäste einfinden, welehe durch Probiren und Drücken der Früchte faule Flecken an denselben erzeugen, doch begegnet man gewiss nicht in allen Gärten solchen unliebsamen Zuvorkommenheiten und vereinzelt vor- kommender solcher Beschädigungen wegen, sollte man denn doch das Auslichten der Früchte zur Förderung ihrer Güte und Schönheit nicht unterlassen. Das Auslichten geschieht durch Beseitigung der vor den Früchten stehenden Blätter und ist, sobald die Früchte ausgewachsen sind, bei Steinobst also kurze Zeit nach der Steinbildung, an trüben Tagen, oder wenn um diese Zeit täglich Sonnenschein ist, nur gegen Abend vor- zunehmen. Es empfiehlt sich jedoch, dass das Auslichten nicht auf ein- mal, sondern besser während 2-—3 Tagen nur so weit geschieht, dass die Früchte, soweit sie die Sonne erreicht, frei werden, weil durch ein zu plötzliches Freimachen oft die von der Sonne betroffene Seite der Früchte anstatt sich zu färben Brandflecken erhält, die Früchte hierdurch ein 20% A a au, aa \ Y Yu 308 Jahren B ericht schlechtes Ansehen bekommen und in ihrer vollkommenen Ausbildung gestört werden. Es bezieht sich dies vornehmlich auf Pfirsiche, Aprikosen und Neetarinen; und wenn auch leiztere nicht zu den bestschmeckenden Früchten gehören, so ist bei ‘den scharlachrothen Sorten der Anblick von der Ferne doch der Art, dass man glauben möchte ein Blumenspalier statt eines Nectarinenspaliers zu finden. Aepfel und Birnen sind, ihrer härteren Schale wegen, weniger für das Auslichten empfindlich, daher auch nicht so leicht den Brandilecken ausgeselzt, doch mag es bei der hierzu erforderliehen geringen Zeit auch besser an trüben Tagen oder des Abends, bei frühreifen Sorten jedoch. nicht zu spät geschehen, weil kurz vor voller Reife sich keine Frucht. mehr färbt, deren Grundfarbe überhaupt mit zunehmender Reife eine an- dere Färbung annimmt. Dass schön gefärbte Früchte mehr Anziehungs- kraft besitzen als ihre bleiehsüchtigen Geschwister, wird wohl gern zu- gestanden werden; solehe schöne Färbung lässt sich aber nur durch Yas angegebene Verfahren erreichen. Veber die Palmen. Von Professor Dr. Ferdinand Cohn. Die ungewöhnliche Schönheit, welehe den meisten Palmen eigen ist, erregt die Bewunderung der Naturforscher und Laien in gleicher Weise, und hat die leizteren selbst zur Ueberschätzung ihrer systematischen Stel- lung verleitet. Linn&, der die Palmen als die Fürsten des Pflanzen- reichs bezeichnete, hielt es für unpassend, so vornehme Geschlechter in eine seiner 24 Klassen zugleich mit den gemeineren Sippen einzuordnen, und vereinigte sie deshalb in eine besondere Abtheilung an der Spitze des Pflanzenreichs, etwa wie wir in unseren Kalendern den Fürsten- Familien einen auszeichnenden Platz vor den übrigen anweisen. End- licher hielt die Palmen, welche er ebenfalls als Principes bezeichnete, wenigstens für die höchsten Monocotyledonen und ordnete die letzteren dem entsprechend so, dass die Palmen ihren Reigen schliessen. Heut- zutage sind die Botaniker darin einig, dass den Palmen ein so hervor- ragender Rang nicht gebührt, da ihre Blüthen verhältnissmässig unvoll- kommen sind, und sie sind daher in den neueren Systemen auf eine ziemlich tiefe Stufe, zwischen Aroideen und Gräser zurück versetzt worden. Aber für den unbefangenen Naturfreund, der mit künstlerischem der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 309 Auge die Pflanzen betrachtet, behalten die Palmen noch ihre unvergleich- liche Stellung, und sie übertreffen alle andern Pflanzen durch den edlen Charakter ihres Säulenstammes, den die prachtvolle Laubkrone der schön- gebogenen Riesenfedern oder Riesenfächer als Kapitäl schmückt. Es ist noch nicht lange her, dass es nur den Reisenden vergönnt war, des Eindrucks jener schönsten Pflanzenform sich zu erfreuen, denn selbst die botanischen Gärten enthielten früher nur wenige, meist kümmer- liche Palmen, und ein Institut wie der Palmengarten auf der Pfaueninsel in Potsdam war lange Zeit das einzige seiner Zeit in Deutschland. Alexander von Humboldt, ein klassischer Zeuge, berichtet im Kosmos, Bd. II, wie eine Fächerpalme in einem alten Schuppen des bo- tanischen Gartens bei Berlin den ersten Keim unwiderstehlicher Sehnsucht nach fernen Reisen in ihn gelegt, und dass, wenn man von dem hohen Altan des Palmenhauses auf der Pfaueninsel (einem Denkmal von dem einfachen Naturgefühl unseres edlen Monarchen Friedrich Wilhelm III.) auf die Fülle schilf- und baumartiger Palmen herabblickt, man auf Augen- blicke über die Oertlichkeit, in der man sich befindet, vollkommen ge- täuscht sei, und unter dem Tropenklima selbst, von dem Gipfel eines Hügels herab, ein kleines Palmengebüsch zu sehen glaube. Kein Wunder, dass die am reichsten dotirten Pflanzensammlungen mächtiger Staaten oder vornehmer Grossen sich beeiferten aus Glas und Eisen colossale Kuppelgewölbe zu errichten, welche ausschliesslich für die Cultur der Palmen bestimmt wurden, und durch amphitheatralische Aufstellung, Verdeckung der Kübel mit niedrigerem Gebüsch, und ge- schlängelte, mit Rasenbeeten eingefasste Wege den Eindruck tropischer Landschaften in erhöhtem Maasse hervorriefen. Es ist kekannt dass der Erbauer der Palmenhäuser des Herzogs von Devonshire und des Königl. botanischen Garten zu Kew bei London, Sir James Paxton, von ihnen das Muster für den grossen Krystallpalast entlehnte, den er für die erste Weltausstellung zu London im Jahre 1855 errichtete und dass seitdem die Glas- und Krystallpaläste als Ausstellungslokale für die verschieden- sten Gegenstände die Reise um die Welt gemacht haben. Dem Palmen- hause in Kew mögen die ähnlichen Gebäude im botanischen Garten zu St. Petersburg, das Palmenhause in Herrenhausen bei Hannover und das ehemalige Palmenhaus zu Biberich in der- Pracht ihrer Pflanzenvegetation am nächsten gekommen sein. Seit einem Jahrzehnt erfreut sich auch der botanische Garten zu Schöneberg bei Berlin eines wahrhaft grossartigen Palmenhauses. Auch besonders begüterte Privatleute suchten durch Er- richtung von Palmenhäusern ihren Villen eine neue unvergleichliche Schön- heit hinzuzufügen, und unvergesslich ist wohl allen der Eindruck, welchen die Palmengärten des Geheimen Commerzien-Rath Borsig in Moabit bei Berlin, lange Zeit die einzigen dieser Art im Besitz eines Privatmannes, beim ersten Besuch erregten. — Was bisher nur den Vornehmsten und 310 Jahres- Bericht Reichsten vergönnt war, das hat die neueste Zeit durch vereinigte Geld- - mittel der Gesammtheit auf dem modernen Wege der Actienunternehmung zugänglich zu machen gesucht und die in Folge dessen entstandenen Palmengärten (Flora in Cöln und Charlottenburg bei Berlin, Palmengarten in Frankfurt a. M. bieten wohl in ihren Häusern und Pflanzen das herr- lichste, was die höhere Gartenkunst in Deutschland geschaffen hat. Aber erst seit verhältnissmässig kurzer Zeit ist man zu der Ueber- zeugung gelangt, dass es: keinesweges besonders kostbarer Häuser, be- sonderer Kunstlehre, Heiz- und Cultureinrichtungen bedürfe, „um un- gestraft unter Palmen zu wandeln‘ oder doch am Anblick einiger dieser fürstlichen Gewächse sich zu erfreuen. Wenn auch viele Arten als Be- wohner der heissesten Länder besondere Sorgfalt in der Cultur erfordern, und daher zu einer allgemeinen Verbreitung nicht wohl geeignet sind, so giebt es doch eine sehr grosse Zahl von Arten, welche bereits in ihrer Heimath minder günstigen klimatischen Bedingungen widerstehen und in Schönheit und Pracht des Wuchses ihren zärtlicheren Schwestern nicht im Mindesten nachstehen. Solche Palmen können ohne Schaden im Sommer ins Freie gestellt werden, wo sie als Einzel- oder Schaupflanzen auf dem Rasen, oder als hervorragendes Centrum einer Gruppe von Musa Einsete, Heliconien, Dracaenen und Aroideen ein unvergleichlich schönes Bild sewähren; selbst auf unserer Breslauer Promenade erregen die Palmen- gruppen am Zwinger, wie die im hiesigen botanischen Garten ins Freie gestellten Palmen im Verein mit andern tropischen Pflanzenformen die allgemeine Bewunderung des Publikums. Noch reichlicher können na- türlich in südlicheren Gärten, wie z. B. in den Anlagen des Monte Pincio zu Rom die Palmen als Freilandpflanzen benützt werden. Viel zu wenig bekannt ist jedoch, dass auch für die Zimmereultur die Palmen als decorative Blattflanzen von höchstem Werthe sind und dass mehrere Arten zu denen am aller leichtesten eultivirbaren, ja ge- radezu unverwüstlichen Zierpflanzen gehören. Es gilt dies namentlich von den Arten, welche zwar innerhalb der Wendekreise, aber auf hohen Gebirgen vorkommen und daher für eine verhältnissmässig niedrige, je- doch gleichförmige Temperatur, wie wir sie in den Wohnzimmern haben, angepasst sind. DBedürfen dieselben auch vermöge ihres imposanten Wuchses Raum, so sind sie dafür ziemlich genügsam in Bezug auf Licht und leiden unter Staub, Zug und ungleicher Temperatur, wie sie in den Wohnungen unvermeidlich sind, bei weitem weniger als die meisten viel verbreiteten dieotylen Zierpflanzen. Viele Palmen überwintern auch ohne allen Schaden in ungeheizten Zimmern (Phoenix, Rhapis, Chamaerops), au- dere erfrieren, wenn die Temperatur sich einmal dem Nullpunkt nähert (Latania, Carludovica, ebenso Pandanus). Aber es ist durch unsere Handelsgärten eine so grosse Zahl von Palmen bereits eingeführt, und dieselben werden zum Theil zu so billigen Preisen in den Handel ge- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 311 bracht, das man nieht müde werden sollte alle Arten auszuproben und die für die Zimmereultur geeignetsten, die schon jetzt eine grosse Manuig- faltigkeit der Belaubung und der Tracht repräsentiren, soweit als mög- lich im Publikum zu verbreiten. Palmen, in freier Natur ohne Pflege des Menschen, gedeihen erst, wenn man dem 34. Grad nördlicher Breite näher kommt. Nur in dem begünstigten Europa reicht die Nordgrenze der Palmen weiter, schon am äussersten Nordende des Mittelmeeres bei Genua (43°) und von da in einer üppigeren Entwickelung längs des ligurischen Meerbusens an der Riviera di Torente überraschen den vom Norden kommenden Reisenden einzelne Dattelpalmen und dann ganze Palmenhaine. Aber die Dattel- palme ist in Huropa nicht einheimisch, sie ist freilich schon in sehr alter Zeit, wohl durch Phönicier und dann im Mittelalter noch einmal durch die Araber in Italien und Spanien eingeführt worden, aber ohne jemals ihre Früchte zur Reife zu bringen. Doch sind einzelne Palmen Italiens durch besondere Schönheit berühmt geworden, wie z. B. die Palme bei San Pietro in vincola zu Rom, und die Palme am Hötel Pagani auf Capri; noch herrlicher sind die Palmenwälder zu Bordighera bei Nizza und zu Elihe bei Valencia in Spanien. Dass die Dattelpalme zu Homer’s Zeiten den Griechen noch fremd war, beweist die schöne Stelle in der Odyssee wo der nach der Insei Scheria verschlagene Odysseus die Königstochter Nausikaa mit folgenden Worten anredet: „Aber noch nie solch einen Sterblichen sah ich mit Augen, „weder Mann noch Weib, mit Staunen erfüllt mich Dein Anblick! „So wie Delos vordem am Opferaltare Apollo’s, sah ich den „Palmenschaft aufsprossen in freudiger Jugend, und gleich also „betrachtet ich ihn mit staunendem Herzen lange; denn niemals „wuchs ein so herrlicher aus der Erd’ auf. So Dich, Mädchen, „bewundr? ich!!!“ 7... Die eigentliche Heimath der Dattelpalme ist der Orient, Syrien und Mesopotamien, ferner Aegypten und Lybien. Aus Babylonien kannte Plinius 49 verschiedene Dattelsorten, unter denen die Königsdatteln, die ausschliesslich für den Hof des persischen Gross-Königs gezogen waren, die vorzüglichsten, die Eberdatteln die grössten, die Perlendatteln die kleinsten waren, letztere in der Grösse von Weinbeeren. Noch edler sind nach Plinius die Dattelpalmen des heiligen Landes, vor allem aus der gepriesenen Palmenstadt Jericho. Auf palästinaischen Münzen findet man als Symbol des Landes die Palme und den Weinstock; einer der ältesten biblischen Namen ‚‚Thamar‘ bedeutet Palme. Heutzutage wird die Dattelpalme in allen Ländern längs des Südrandes des Mittelmeeres wie nicht minder in allen Oasen der Wüste in Hainen und Gärten an- gebaut, wie die durch Rohlfs und Ascherson von ihren Wüstenreisen mitgebrachten Photographien der lybischen Oasen veranschaulichen. Die 312 Jahres - Bericht Existenz ganzer Völker, insbesondere der Beduinen ist ganz und gar an diese Palme. gebunden. Europa besitzt ausser der Dattelpalme auch eine wirklich einheimische, wilde Fächer-Palme, nehmlich die Zwerg-Palme, Chamaerops humilis, welche längs der Küsten des Mittelmeeres, freilich nicht überall, rohrartiges Gestrüpp bildet, und deren in Finger gespaltene Blätter wahrscheinlich der ganzen Familie den Namen gegeben haben (Palma, Handfläche). Berühmt ist insbesondere die schöne Zwergpalme im bo- tanischen Garten zu Padua, welche unserem Dichter Goethe auf seiner itäalienischen Reise im Jahre 1786 überzeugende Belege für seine Idee der Pflanzenmetamorphose gewährte, und die deshalb mit Recht den Namen „La Palma del Goethe“ führt. Aehnlich ist Wuchs und Standort des amerikanischen Palmetto der chinesische Chamuerops chinensis und an- derer Arten. Vortragender schloss seinen Vortrag mit einer Schilderung der Fa- milie der Palmen, von denen in der Jetztwelt (es giebt auch fossile Palmen) wohl 1000 Arten existiren mögen und 678 in 80 Gattungen beschrieben sind; die meisten haben nur ein lokales Vorkommen, nur wenige sind über grössere Erdstriche verbreitet. Die Verdienste von Mirbel und Mohl um die Erforschung des Baues, von Marlius und Wendland um die Kenntnisse der Arten wurden hervorgehoben und das unübertroffene Prachtwerk von Martius vorgelegt. Auch der Verwendungsweisen wurde ausführlich gedacht, welche fast alle Theile der Palmen, Stamm, Blatt- stiele, Blattflächen, Blüthen, Früchte gestatten, in Folge deren die Palmen nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den nützlichsten Pflanzen gehören; denn die Palmen liefern Bau- und Meubelholz, Material zu Speeren, Pfeilen, zum Dachdecken, zu Stöcken, Latten und allem mög- lichen Flechtwerk, zu Hüten, Matten, Segeln, Körben; zu Briefen und andern Manuseripten; ihr Saft giebt Honig oder Zucker, Wein, Arac, Toddy, Essig, Hefe; ihre Fasern werden zu Sieben, Netzen, Bürsten und Besen verarbeitet; der Sago ihres Markes, der Kohl ihrer Blätter, die Milch der jüngeren, die Butter und das Fett der reifen Früchte sind Nahrungsmittel für ganze Völker; sie geben Wachs, Drachenblut, Kino und unzählige werthvolle Producte- Die wichtigsten Erzeugnisse der Palmen, insbesondere Stämme, Blätter, Blüthenkolben, Früchte verschie- dener Palmen waren zur Erläuterung des Vortrages ausgestellt. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur,. 313 Cultur-Ergebnisse einiger an Mitglieder der Section vertheilten Gemüsesamen. Von J. Jettinger, Gärtner der Section. Das Frühjahr des Jahres 1875 berechtigte zu den schönsten Hoff- nungen; die gehegten Erwartungen gingen jedoch nicht in vollem Maasse in Erfüllung. Die Monate April und Mai verliefen ohne verderbliche Nachtfröste und hatte letzterer Monat in seiner zweiten Hälfte sehr hohe Wärmegrade. Regen fehlte von dieser Zeit au, mit wenigen unbedeuten- den Ausnahmen, fast in allen Theilen der Provinz bis Mitte Juli. Selbst- verständlich litten hierunter die Gemüsepflanzungen auch selbst da, wo es an fleissigem Begiessen nicht fehlte. Zu dieser Trockenheit gesellte sich noch der Erdfloh in unvertilgbarer Menge und wurden demselben sämmtliche Kohlgewächse zu willkommener Beute. Am Besten gediehen noch Cueurbitaceen und Zwiebeln, von denen erstere seit Jahren nicht er- wachsene Erträge lieferten. So trocken der Vorsommer, so ungünstig feucht gestaltete sich der Nachsommer. Von Anfang August an war fast täglich Regen in grösserer oder geringerer Menge zu verzeichnen. Die ersten Fröste traten ziem- sich spät ein und war deshalb das Wachsthum der Bäume von sehr langer Dauer; die Anfang December plötzlich eingetretene strenge Kälte äusserte auf dieselben jedoch verheerende Wirkungen, deren Folgen je- doch erst im nächstjährigen Bericht eingehend zu besprechen sind. A. Wirsing. Später hellgrüner von Touraine. Derselbe entwickelte sich trotz des massenhaften Auftretens des Erdflohes, dem die Blätter wahrscheinlich zu hart waren, gut und lieferte feste Köpfe von zartem Geschmack. B. Blattkohl. Dippe’s feingekrauster niedriger wird als wohlschmeekend sehr empfchlen. Die Form ist vollständig constant. C. Salat. Amerikanischer Pflück-. Eine neue Einführung von welcher man sich recht viel versprach. Die Pflanzen, wie anderer Salat behandelt, gediehen recht gut und bildeten lockere, ziemlich grosse Büsche, welche auch bald ihre Stengel in die Höhe trieben. Die Blätter wurden wiederholt, als Salat zubereitet gekostet, wurden aber immer zu hart befunden, weshalb diese Sorte zu weiterer Anpflanzung nicht empfehlens- werth erscheint. D. Gurken. Russische Netz-. Sämmtliche Berichterstatter äussern sich dahin, dass sie es mit einer gewöhnlichen, mittellangen Landgurke 314 Jahres-Bericht gurke zu thun hatten. Nur ein Anbauer erzielle einige Früchte mit ge- netzter Schale. Hierbei bemerken wir, dass die unter obigen Namen seit wenigen Jahren in den Handel gebrachte Gurke durchaus nichts Neues ist. Hier in Breslau ist sie unter den Traubengurken — auch russische Gurke genannt, in dem Garten eines unserer Mitglieder schon vor Jahren in einzelnen Früchten, mit anderen an ein nnd derselben Pflanze aufgetaucht, ohne dass man ihr einen besonderen Werth beizu- legen befunden hat. E. Buschbohnen.. 1) Schirmer’s gelbschalige Wachs-. Eine vorzügliche Wachsbohne von constanter Form und allen sonstigen guten Eigenschaften. 2) Hinrich’s Riesen-Zucker-Brech-. Sehr ertrag- reich, mit dicken, fleischigen Schoten, welche sich sehr rein abfasern lassen und von feinem, zarten Geschmack sind. F. Stangenbohnen. Canadische Express. Wiederholter Anbau lieferte abermals ungünstiges Resultat, daher nicht empfehlenswertn. G. Erbsen. Bezüglich der Mark-Erbse „Wilhelm 1‘ sei, unsern vorjährigen Bericht ergänzend, erwähnt, dass dieselbe nach mehrseitigen Anbauversuchen als eine sehr frühe und ertragreiche sich bewährt hat. H. Salat-Rübee Osborn’s. Wird als eine feinschmeckende Salat- Rübe allseitig empfohlen. J. Sellerie. Naumburger Knoll-. Liefert bei angemessener Cultur grosse glatte Knollen und zeichnet sich von anderem Sellerie durch dunkelgrüne aufrechtstehende Belaubung aus. Ueber Geschmack und Zartheit der Knollen gab kein Berichterstatter Nachricht. Statistische Notizen. Von dem zeitigen Secretair der Section. In der letzten Sitzung im Jahre 1874 wurde auf Antrag des Secretairs eineunentgeltliche Vertheilung von Sämereien empfehlenswerther Gemüse und Florblumen an Mitglieder zum Versuchsanbau auch für das Frühjahr dieses Jahres genehmigt, derselbe mit deren Auswahl, Be- schaffung und Vertheilung beauftragt und für diesen Zweck die Summe von 180 Mark bewillist. Die zur Vertheilung gelangen sollenden Sämereien wurden so weit als thunlich aus dem Garten der Section, namentlich von Hülsenfrüchten entnommen, und ein grösserer Theil aus, als möglichst zuverlässig be- der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 315 kannten Produetionsquellen bezogen. Sehr reichhaltige und werthvolle Sortimente für diesen Zweck hatten aber auch, und ist dies hier mit be- sonderem Danke hervorzuheben, die geehrten Mitglieder Frau v. Tiescho- witz und Frau von Wille und die Herren Bragulla, Bürgel, Friekinger, Gildner, Gireoud, Grossmann, Grubert, Herr- mann, von Minutoli, Opitz, Oppler, der Gartenbau-Verein zu Ratibor, die Herren Pfeiffer, Pflaume, Riedel, Schneider, Schütz, Seyler, L.&P. Teicher, Zahradnik eingesendet, denen der Seeretair noch einiges aus seinem Garten ergänzend hinzufügte. Um nun aber auch Gelegenheit zu bieten, aus den vorhandenen Sämereien eine Auswahl treffen und die etwaigen Desiderata zu erkennen seben zu können, wurden Verzeichnisse derselben an die Mitglieder aus- gegeben und hiernach, die angedeuteten Wünsche, soweit die Vorräthe ausreichend waren, nach Möglichkeit berücksichtigend, an 128 Mitglieder versendet: 1743 Portionen in 153 Sorten Gemüse- und 2401 Portionen in 238 Sorten Blumen-Samen, mithin zusammen eirca 500 Portionen in 70 Sorten an 14 Mitglieder mehr, als im Jahre 1874. Jeder solchen Sendung wurde das Schema zum Berieht über Art und Eıfolg der vor- genommenen Culturen, besonders der verschiedenen Gemüsesorten bei- gegeben. War es zwar erfreulich in diesem Jahre diese Berichte in et- was grösserer Anzahl als seither zu erhalten, so bleibt es doch immer noch sehr wünschenswerth, dass in der Folge die Bitten um dieselben sowohl eine noch allgemeinere Berücksichtigung seitens der Betheiligten und auch bezüglich noch genauerer Angaben der Culturverfahren, der Erträgnisse wie der Verbrauchswerthe der Erzeugnisse erfahren. Die Zusammenstellung in unseren Jahresberichten der von allen Seiten, oft auch unter recht verschiedenen Verhältnissen gesammelten Erfahrungen würde unzweifelhaft damit, zunächst für unsere Mitglieder, aber auch für weitere Kreise an Werth gewinnen denn leider waren wir bisher in vielen Fällen mit unserem Urtheil lediglich auf die in dem Sectionsgarten gemachten Anbauversuche beschränkt. An dieser Stelle ist in Betreff des Gartens resp. der Obstbaum- sehule der Section noch folgendes anzuführen: Ausser verschiedenen Beerenfrüchten, Gemüsen und anderen Zwischenprodueten wurden in diesem Jahre nach allen Gegenden der Provinz abgegeben: 23800 Stück Obst-Wildlinge, 4375 Edelstämmchen von Kern- und Steinobst, 10393 Stück Beerenobst-Sträucher und Pflanzen, 386 Stück Weinreben und 300 Stück Stämmehen und Sträucher verschiedener Zierpflauzen und 500 Stück Weiden-Steckliinge.e Am Schluss des Jahres 1875 blieben Bestand: 30700 Stück Obst-Wildlinge, 24288 Edelstämmchen von Kern- und Stein- obst, 1700 Stück Beerenobst-Sträucher und Pflanzen, 286 Stück Wein- reben und 11240 Stück Stämmchen und Sträucher verschiedener Zier- pflanzen. A in, Be 316 Jahres-Bericht Zum Bau des Gärtnerhauses hatlen in diesem Jahre ausser- ordentliche Beiträge gespendet: die Herren Steiger Bombik in Consol. Eisenbahngrube (3. Rate) 3 Mark, Kaufmann Kramer hier 15 Mark, Lehrer Bragulla in Bischdorf 2 Mark und Pfarrer Kluge in Schönfeld 1 Mark. An dem für hiesige Mitglieder bestehenden, von dem Seecretair ge- leiteten Lesezirkel gärtnerischer Schriften betheiligten im Jahre 1875 gegen einen Extra-Beitrag von 3 Mark sich 64 Mitglieder. In demselben eireulirten: 20 Berichte von Vereinen, mit denen die Section durch Schriften-Aus- tausch in Verbindung steht; 20 zum Theil auch durch Austausch erworbene deutsche und fremd- ländische Zeitschriften, von denen mehrere mit vorzüglichen Ab- bildungen versehen sind, und 10 in neuester Zeit erschienene Bücher und Brochüren über verschie- dene Zweige des Gartenwesens. Den Herren Dr. v. Thielau auf Lampersdorf und Geh. Kriegsrath a.D. Winkler in Berlin, welche uns mit literarischen Gaben erfreuten, und den geehrten Vereinen, Autoren und Redactionen, von denen wir im Aus- tausch werthvolle Schriften empfingen, sei für dieselben hiermit der ver- bindlichste Dank dargebracht; das Aufrechthalten dieser Verbindungen wird der Section ein stets schätzbares sein. Der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft, Abtheilung für Obst- und Garteneultur wurden die im Umlauf gewesenen, hier nachfolgend ver- zeichneten Schriften überwiesen und stehen daselbst unter dem Custos derselben, Herrn Lothar Beeker, nach einem besonderen Reglement zu weiterer Benutzung bereit. Annalen des Acker- und Gartenbau-Vereins im Grossherzogthum Luxem- burg. 20. Jahrg. Luxemburg 1873. Auswahl der hier zu Lande (Hannover) zu pflanzenden Obstbäume, von Medieinalrath Dr. Engelbrecht in Braunschweig. September 1866. Extrablatt der Pomologisehen Zeitschrift. Organ des Pomolo- sischen Vereins für das Königreich Hannover. Salzgitter 1866. Belgique horticole, La, Annales d’horticulture Beige et Etrangere: Red. par Ed. Morren. Tom XXII et XXIII. Liege 1872 et 1873. Bericht. des Comites über die dritte grosse Ausstellung des Verbandes rheinischer Gartenbau-Vereine, verbunden mit der zweiten all- gemeinen Rosen-Ausstellung des Gartenbau-Vereins zu Darmstadt vom 17. bis 23. Juni 1873. Darmstadt 1873. — des Landwirthschaftlichen Central-Vereins für Schlesien über das . abgelaufene Jahr 1872 und 1873. Breslau 1873 und 1874. — über die Tbätigkeit des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Jahren 1871/72 von dem Vors. Apoth. Glassner. Cassel. Blätter, Berliner, für Gärtnerei und Landwirthschaft. Beiblatt zur „Deut- schen Reichsofferten-Zeitung“. Red. von Klar & Thiele. 2. Jahrg. Berlin 1873. der Schles. Gesellschaft f. vater]. Cultur. 317 Blätter, Pomologische, Monatsschrift für Pomologie, Wein-, Gemüse-, Hopfenbau und Kellerwirthschaft. Red. von Karl Höracek jun., Lehrer des Garten- und Weinbaues am pomologischen Institut zu “Troja bei Prag. 3. Jahrg. Prag 1873. Catalogue de Exposition general d’agriculture et d’horticullure instiluee par la Gouvernement grand ducal avec le concours de deux Societes agricoles du Pays a l’occasion de la celebration du 25. Anniversaire de la Lieutenance de Son Altesse royale Monseigneur Le Prince Henri des Pays-Bas. Luxembourg 1875. Gärtner-Vereins-Blatt, Deutsches. Organ sämmtlicher Gärtner-Vereine Deutschlands. Herausg. von P. Gräbner in Ringelheim. 2. Jahrg. Ringelheim 1873. Gartenbau-Zeitung, Kärntliner. Herausg. vom Kärnthner Gartenbau-Verein. 1. Heft 1873. Klagenfurt 1873. Gärten- und Blumenzeitung, Neue allgemeine deutsche. Herausg. von Ed. Otto. 29. Jahrg. Hamburg 1873. Gartenfreund, Der. Mittheilungen aus allen Fächern des Gartenbaues. Herausg. von der k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien. Red. von Joseph Bermann. 5. Jahrg., Nr. 22—26, Wien 1872, und 6. Jahrg. Wien 1873. Gartenschrift, Rheinische. Hauptorgan des Verbandes Rheinischer Garten- bau-Vereine. Herausg. von dem Gartenbau-Verein für das Gross- herzogthnım Baden. Red. von Rudolph Noack. 5. Jahrgang. Karlsruhe 1873. Garten-Zeitung, lllustrirte. Eine monatliche Zeitschrift für Gartenbau und Blumenzucht. Herausg. von der Gartenbau-Gesellschaft Flora in Stuttgart. Red. von Hofgärtn. Lebl in Langenburg. 17. Jahrg. 1875. General-Versammlung des Gartenbau-Vereins zu Darmstadt am 3. De- cember 1873. Darmstadt 1873. Göppert, H. R., Prof. Dr. Die morphologisch-physiologische Partie des hiesigen botanischen Gartens. Breslau 1871. — Führer durch den Königlichen botanischen Garten der Universität von Breslau. Mit einem Plane. 3. Ausg. Görlitz 1874. — Ueber die Pilz-Ausstellung im Museum des botanischen Gartens. Auszug aus einer am 23. Februar d. J. in der mediein. Section der schles. Gesellschaft gehaltenen Vorlesung. Breslau 1872. — Ueber Einwirkung der Kälte auf die Pflanze. Vorträge gehalten in der Sitzung der naturwissenschaftl. Seetion am 4. Mai und in der botanischen am 27, October. Hall, Johann Samuel. Die deutschen Giftpflanzen, zur Verhütung der tragischen Vorfälle in den Haushaltungen, nach ihren botanischen Kennzeichen, nebst den Heilungsmitteln. Berlin 1792. Jahresbericht des Erzgebirgischen Gartenbau-Vereins in Chemnitz. 14. Chemnitz 1874. — des Gartenbau-Vereins für das Grossherzogthum Baden. Erstattet von dem Präsidenten Franz Köhlitz bei der Gesammtausschuss- Versammlung in Baden am 8. Februar 1874. Karlsruhe 1374. — des Gartenbau-Vereins für Bremen und seine Umgegend. 17. Bremen 1874, — des Vereins für Gartenbau zu Coburg für das Jahr 1872 mit Rückblicken auf die Jahre 1870 und 1871. Coburg 1873. 318 Jahres - Bericht Jahresbericht des Kärnthner Gartenbau-Vereins. 1. und 2. für 1873 und 1874. Klagenfurt. — des Oberschlesischen Gartenbau-Vereins in Oppeln. 8. pro 1873. — des Schlesischen Central-Vereins für Gärtner und Gartenfreunde zu Breslau für die Jahre 1871 und 1872. Breslau 1873, und für 1873. Breslau 1874. — über die Thätigkeit des Gartenbau-Vereins zu Potsdam vom 1. Januar 1872 bis dahin 1873. Potsdam 1873, und pro 1873. Potsdam 1874. Illustration Horticole, L’, Revue mensuelle des Serres et des Jardins com- prenant la figure, la Description, L’histoire et la Culture des Plants les plus remarcables, les introductions nouvelles, la Chronique horti- cole, les voyages botaniques, le comptrendu des grandes esxpositions et des ouvrages nouveaux sur la botanigue et lhorticulture etc. eiec.; publiee sur la Direction de J. Linden et redigee par Ed. Andre avec la collaboration de plusieurs botanists et lhorticulteurs. Tom XX. Gand 1873. Journal de la Societe d’horticulture de la Bas-Rhin. Tom IX. Nr. 1% 2. Strassbourg 1871. Nr. 3 & 4. Strassbourg 1872. Nr. 5 & 6. Strassbourg 1873. — de la Socieie imperiale et centrale d’horticuliure de France. 2. Serie. Tom VII. 1873. Paris. Jühlke, Ferd., Rede bei der Feier des 24. Jahresfestes und Eröffnung der allgemeinen Herbstausstellung des Erfurter Gartenbau-Vereins am 4. October 1861, gehalten von dem Vereins-Direetor. . Be- sonderer Abdruck aus den Verhandlungen des Erfurter Gartenbau- Vereins. Berlin. Just, L., Dr., Bericht über die Thätigkeit der Samenprüfungs-Anstalt des landwirthschaftlichen Vereins im Grossherzogthum Baden. Er- stattet im Auftrage des Präsidiums. Karlsruhe 1874. Kalender, Emil, Dr., Anleitung zum Schnitt der Obstbäume und Wein- reben am Spalier. Im Auftrage von M. Scheidecker verfasst und mit einem Anhange über die schädlichen Obstinseceten versehen. 2. nach den neuesten Erfahrungen umgearbeitete Aufl. Cöln 1874. Kaulfuss, Georg Fried., Dr., Enumeratio filicum quos in ilinere circa terram legit Cl. Adulberlus de Chamisso adjectis in omnia harum plantarum genera permultasque species nom salis cogmitas vel novas animad- versiomibus. Lipsiae CIDIOCCCKXIV. Lucas, Dr., und Karl Koch, Prof. Dr, Der Ausfall der Obsternte im Jahre 1873. Magazin, Deutsches, für Garten- und Blumenkunde. Zeitschrift für Garten- und Blumenfreunde und Gärtner. Herausg. und red. von Dr. W. Neubert. 26. Jahrg. Stuttgart 1873. Meyen, L., Dr. Die natürlichen Phosphate und deren Behandlung für die Zwecke der Landwirthschaft. Leipzig 1873. Mittheilungen des Gartenbau-Vereins zu Erfurt, herausgeg. von dessen Secretair Th. Rümpler. Erfurt 1374. — der Section für Gartenbau des Vereins für Land- und Forstwirth- schaft im Herzogthum Braunschweig. Herausg. von dessen Vor- stande, red. von dem Vereinsgärtner, Garten-Ingenieur E. Bouche. 4. Jahrg. pro 1873/74. Braunschweig 1874. der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 319 Mittheilungen der Section für Obstbau des landwirthschaftlichen Central- Vereins des Herzogthums Braunschweig. Herausg. von dessen Vorstande, red. von dem Vorstande der Section für Obstbau, Medieinalrath Dr. Engelbrecht. 4. Jahrg. Braunschweig 1873. — des landwirthschaftlichen Central-Vereins des Herzogthums Braun- schweig. Herausg. von dessen Vorstande, red. von dessen Secretair, Kammer-Commissair Schönermark. 41. Jahrg. Braun- schweig 1873/74. Monatsberichte der Obst-, Wein- und Gartenbau-Section der k. k. mäh- risch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues und der Natur- und Landeskunde. 6. Jahrg. Brünn 1873. Monatsblatt für Gartenbau in den Herzogthümern Schleswig und Holstein. 8. Jahrg. Kiel 1873. Monatshefte, Illustrirte, für Obst- und Weinbau. Organ des deutschen Pomologen-Vereins. Red. von Oberdieck und Lucas. 9. Jahrg. Ravensburg 1373. Monatsschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den königl. preussischen Staaten für Gärtnerei und Pflanzenkunde. Redaet. Prof. Dr. Karl Koch. General-Secretair des Vereins. (Fort- setzung der Wochenschrift des Vereins.) 16. Jahrg. Berlin 1873. — des Vereins für Gartenbau und Botanik in Cöln. Als Organ des ‘Vereins red. vom ersten Schriftführer Dr. Kalender. 1. Jahrg. Cöln 1874. | Noack, Rudolph. Immerwährender Kalender. Eine kurz gefasste An- leitung zur rechtzeitigen Verrichtung der im Obst-, Gemüse- und Blumengarten vorkommenden Arbeiten. Karlsruhe 1874. Obstschutz, Der. Herausgeg. von dem deutschen Pomologen -Verein. 1. Abtheil. Schutz der Obstbäume und deren Früchte gegen feindliche Thiere. Bearbeitet von Dr. E. L. Taschenberg. Ravensburg 1874. Rapport sur les Resultats de l’Exposition generale d’Agriculiure et d’horticulture instituee par la Gouvernement grand ducal avec le concours de deux Societes agricoles du Pays & l’occasion de la celebration du 25. Anni- versaire de la Lieutenance de son Altesse Royal Monseigneur le Prince Henri des Pays-Bas. Luxembourg 1875. Rechenschafts-Bericht des Ausschusses des k. k. steiermärkischen Garten- bau-Vereins. 24. Gratz 1874, | — des Vereins für Pomologie und Gartenbau in Meiningen vom 1. April 1871 bis 1873 mit einer Anlage: Nutzen einer grösseren Ausdehnung der Obstbaumzucht für Land und Leute und Be- kämpfung der hiergegen bestehenden Vorurtheile. 17. Heft. Meiningen 1873. Revue de L’arboriculiure fruitiere, ornementale et forestiere. Journal special de Pomologie et de Dendrologie ou recueil de faits et observations se rapportant a Ühistoire, la description et la culture de vegetaux lig- neux utiles et d’agrement, propres au climat de Europe centrale. Publication mensuelle editEe par l’Etablissement horticole des Frreres Simon-Louis, a Plantieres, pres Metz. 1. et 2. Annee. 1872 et 1872/73. Nancy. Roth, Wilhelm, in Langenbielau. Laubmoose und Gefäss-Cryptogamen des Bulengebirges nebst einer Uebersicht des Floren-Gebiets. Glatz 1874. 320 Jahres - Bericht Salomon, Karl, Beilageheft zur Garten-Flora. Nachtrag zum Verzeichniss der botanischen Autoren. Für Botaniker, Freunde der Pflanzen- kunde und Botanik. Erlangen 1873. Schwedler, Karl Heinrich, Ober- Hofbärtner des Fürsten Hugo von Hohen- lohe, Herzogs von Ujest. Mittheilungen über die Gärtnerei in Slawentzitz. Separatabdruck aus der ‚Deutschen Gartenzeitung.‘* Leipzig. Seemann, Berthold. Die in Europa eingeführten Acacien, mil Berück- siehtigung der gärtnerischen Namen. Hannover 1852. Statut des Gartenbau-Vereins zu Lübeck. Lübeck 1874. Taschenberg, E. L., Dr. Schutz der Obstbäume und deren Früchte gegen feindliche Thiere. Im Auftrage des Deutschen Pomologen-Vereins bearbeitet. Ravensburg 1874. Thielau, von, in Lampersdorf bei Frankenstein., Mittheilungen des, über die Folgen äusserer Verletzungen der Bäume, insbesondere der Eichen und Obstbäume. Ein Beitrag zur Morphologie der Ge- wächse von H. R. Göppert. Breslau 1874. Verhandlungen des internationalen pomiologischen Congresses in Wien am 2. bis 7. October 1873. Mit Zugrundelegung der stenographischen Protokolle bearbeitet von Dr. Ed. Lucas. 1. Vorsitzender des Congresses. Ravensburg 1874. — und Mittheilungen der k. k. Laudwirthschafts-Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1873. Wien. Wanderversammlung des Verbandes rheinischer Gartenbau-Vereine zu Darmstadt am 19. October 1873. 1) Auszug aus dem Protokoll über dieselbe. 2) Jahresbericht des derzeitigen Präsidenten, Rentner W. Schwab zu Darmstadt. 3) Bericht über die fünfte temporäre Obst-Ausstellung in Wien, erstattet von dem zur Wiener Pomologen-Versammlung vom Gartenbau-Verein zu Darmstadt er- nannten Delegirten, Hofgärtner Rudolph Noack in Darmstadt. 4) Rechenschaftsbericht über das Verbandsjahr 1872/73. Darm- stadt 1873. Wimmer, Dr., Gymnasial-Direetor. Ueberblick über die Geschichte der Keuntniss der Weiden von Linne bis auf die jetzige Zeit. Königsberg. Zeitung, Deutsche Reichs-Offerten-. Ein Organ zur Insertion für Handels- gärtner, Samenhändler, Baumschulenbesitzer, Landwirthe, Ma- schinenfabrikanten ete. Herausg. von Klar & Thiele. 5. Jahrg. Berlin 1875. Ausserdem noch: Das Obstkabinet von H. Arnoldi in Gotha, 43. Lieferung, aus Porzellan - Compositions- Masse naturgetreu nachgebildeter Obst- früchte verschiedener Art. Herausg. unter Controle des Thü- tingischen Gartenbau-Vereins zu Gotha. gr: VIE er rn En Sr BR Da EEE TE et N a a ER TER N BIER, | 2 der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. 321 Hiesige. Auswärtige. Summa. ‘Primo Januar 1875 zählte die Section für Obst- und Gartenbau Mitglieder:.......... 113 282 395, in Jahre lSy7sstraten hinzun.... u. yon. 2 20 22. 115 302 417. und schieden dagegen, meist durch Todes- Tall ausı ge seine 10 15 25 Es blieben daher Ende Dechr. 1875 Bestand 105 287 392. Von diesen sind als Mitglieder der Schle- sischen Gesellschaft beitragsfrei........... 45 10 55 und zahlen zur Unterhaltung des Pomolo- gischen und resp. Obstbaumschul- und Ver- suchs-Gartens gütige Extra-Beiträge....... 40 149 189. MH Eu HEN Ar er Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1875. Höhe des Barometers or Pariser Fuss über dem A bei Swinemünde. SR. I. Barometerstand, 11. en 1875. redueirt auf 0° Reaumur, der Luft in Graden, nach in Pariser Linien. Reaumur. 8 el ea R 8 Monat. g 2 = Ei 5 g 3 s & 5 ala |. zleledrıa|ı . = elwe en okealra.lalee os a dla ja. e E Januar ..... 28 [338,86 | 22 3217,71 1332,32 ea. 706 | 211608 | 0048 Bebroan 2. 0,3563. 04 >09 F 332803 2 Da az 532 März ........ 15| 337,65 |20 | 325,55 | 333,02 [17 | + 73 | 4) — 91 | 090 April 00 16| 335,49 \21 | 327.23 | 331,92 |oı\ + ızo |14) — 23 |+ 53 Mal 12| 336,34 \30 | 328,06 | 332,64 |23| + 20,9 | 2/|+ 0,4 |-+ 10,67 Juno 2| 335,18 | 5| 329,40 | 331,97 |24| + 26,1 j10|-+ 8,3 | + 15,67 A A 27| 336,15 ı 9| 326,73 | 331,68 | 1| + 238 |14| + 7,6 | + 14,79 August ..... 17 | 335,91 |56, | 329,22 | 332,67 |18 + 26,3 |31|+ 86 |-+ 15,33 September..|25| 336,95 |29| 327,86 | 333,19 |20,\ + 20,6 1251 + 0,5 | + 10,54 October ....| 7 336,78. 13 7322,73 | 33128 | 6 2.152130 20, 55 November ...| 3| 386,16 |11 | 321,44 | 330,50 |11 | + 11,7 |30 | — 10,1 |-+ 0,96 December ..|30| 337,32 | 5| 326,86 | 332,78 1233| + 65 | 7 — 205 | 335 Jahr. .".... 338.86 3214,44 |332% 23 + 2693| | — 20%,5 | + 59,69 324 Jahres - Bericht III. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken- 1875. a. Dunstdruck, b. Dunstsättigung, bildung und in Pariser Linien. in Procenten. Niederschläge, Monat. || = |3|.5 = /8&|=|23/8|=2|2|3|3 ae R S ge) S =) = Sa keen h oe u lkemilin 2,8 A = A ‘3 = AlsıRa)|s = Sam DR Tage. Ds Januar ...] 19300 | 2) 0,36 | 14,76...) 100)32|61| & 2| 6| 23 | 1431 Februar ...| 2) 2,07|)24| 0,34| 111|...| 10012561] 87 341 793] 20.1 512778 März... 9| 298123) o,78| 15711! ıo0lı8|24| 83 | 7! 9 15| 15,88 April ea. 7| 378|25| 0,92) 226|...| 100121126) 7ı| 5| 9| ı6| 917 Mal 23, 16.12 017 |7 25384.,3,22) 8) 700,17123), 65 921. 12719067 Juni... 20) 753112 2,53|. 4,87\120| 1001529! 67 | 8j14| 8) 2052 He ı9| 697|13| 267) 483]... 100115,29) 70 | 6lıı) 14| 4431 August...|12| 7,65|25| 3,08| 5,06 2| 100\25131| 7ı | 11)12| 8| 30,18 September| 9| 5,87/26| 1,67| 3,67| 5] 9920|34| 74 | 12| 7| 11| 26,99 Oetober ..| 6| A896|31| 1,55| 374]... 100| a|42| 86 | 3) 5) 23| 30,583 November |11| 3,60|30| 0,69| 1,891....| 100) 2|42| 84 1| 5| 24| 27,64 December [23] 2361| 7| o21| 1,42)...| 100124|66| 88 | 5| 7| ı9| 24,54 SEIN green HRGS 0,21 | 24,87 100 23 |77,8| 72101! 192 |276'443 . V.- Herrschende Winde. Januar. Sehr überwiegend waren W und SW; NW und SO wehten etwa halb so oft. Mittlere Richtung SW. | Februar. Vorherrschend waren O und SO, dann NW und W. Mittlere | Richtung NO. März. Vorwiegend wehten NW und W, nächst diesen am häufigsten N, SO, SW. Mittlere Richtung NW. April. Die Windverhältnisse waren wie im vorigen Monat, jedoch NW und W vor den übrigen Richtungen noch stärker vorwiegend, Mittlere Richtung WNW, Mai. Vorherrschend NW, hiernächst waren am häufigsten W, SO, SW. Als mittlere Richtung ergab sich SW. | Juni. Hauptsächlich wehten NW und W, nächstdem SO, NO, W. Mittlere Richtung NW, Juli. Bei weitem am häufigsten NW, hiernach folgte OÖ und W. Mittlere Richung NW. RE RR NN N a ER ı% der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur. 335 _ August. Die entgegengesetzten Luftströmungen NW und SO hielten sich das Gleichgewicht, nur um ein weniges war die erstere überwiegend. Mittlere Richtung NW. September. Am häufigsten NW, dann SO, W, SW. (SO an den hei- teren Tagen vom 9. bis 19.) Mittlere Richtung W. October. W und NW hielten mit SO und O das Gleichgewicht, erstere nur um ein geringes überwiegend. Mittlere Richtung SW. November. SO, dann NO überwiegend über W, SW, 8. Mittlere Richtung SO. December. Der Wind wehte in diesem Monat überwiegend aus W, NW, SW. Mittlere Richtung W. VI. Witterungs-Charakter. Januar. Die Kälte am Schlusse des vergangenen Monats December steigerte sich in den ersten Tagen des Januar (am 2.) bis zu — 16°,8, nahm jedoch dann rasch ab und mit einigen oft ziem- lieh plötzlichen Unterbrechungen war Thauwetter vorherrschend, so dass die Mitteltemperatur das Mittel um 2° überstieg. Nach zwei Wochen war die grosse Schneemenge des vorigen Monats ganz verschwunden, und die Niederschläge, deren Quantum nor- mal war, bestanden überwiegend aus Regen. Die Feuchtigkeit der Luft war etwas grösser als gewöhnlich. Der Luftdruck, sehr stark schwankend, war sehr tief vom 16. bis 26. bei W- und SW-Sturm, sonst meist über dem Mittel. Das Weiter war an- haltend trübe. Februar. Starker Schneefall und anhaltende Kälte während des ganzen Monats. Luftdruck durchgehends hoch, Niederschläge normal. Das Wetter war auch in diesem Monate meist trübe. März. Die Winterkälte dauerte während dieses Monats fast ununter- brochen fort. Vom 21. bis 25. bildete sich nochmals eine starke Schneedecke, und während der zweiten Hälfte des Monats wech- selten Schnee und Regen, wenig Graupel. Quantum der Nieder- schläge normal. Luftdruck und Luftfeuchtigkeit meist hoch, nur am 18. fand sich ein Minimum von 24 pCt. April. Die Wärme blieb noch stetig unter dem Mittel, eine Woche der ersten. Hälfte ausgenommen. Nachtfröste kamen wenige vor. Am Schluss des Monats fehlte noch das Laub der Bäume. Regen häufig, mit Schnee und Graupel, jedoch betrug das Quan- tum der Niederschläge nur die Hälfte des Durchschnittswerthes. Luftfeuchtigkeit normal, Luftdruck bei mässigen Schwankungen höher als im Mittel. \ EN NE PR Rn v 3236 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur. Mai. Die meteorologischen Elemente waren fast sämmtlich normal mit Ausnahme des Luftdruckes, der fast durchweg höher als im Mittel war. Häufige Regenschauer, darunter 3 Gewitter. Starker Ozon- gehalt; die Entwickelung der Nasa au trat stetig nach Ablauf der ersten Woche ein. Juni. Die Wärme war ungewöhnlich hoch, fast durchgehends 2"/,° über dem Mittel. Luftdruck ebenfalls über dem Mittel bei geringen Schwankungen, ebenso die Luftfeuchtigkeit. Niederschläge trotz ınehrerer Gewitterregen etwas unter dem Mittel. Das Wetter war überwiegend heiter. Am 29. starker Nebel. Juli. Der Luftdruck war etwas schwankend, im Mittel aber normal, ebenso die Temperatur. Ungewöhnlich gross war dagegen die Regenmenge, das Mittel um fast 1 Zoll überschreitend. . Die grösste Regenmenge fiel am 24. und 25., welchen Tagen eine Anschwellung der Oder folgte. Der Monat enthielt nur einen einzigen wolkenlosen Tag. August. Luftdruck und Temperatur meistens über dem Mittel. Das Wetter war überwiegend heiter; wenig Niederschläge, einen starken Regen vom 2. zum 3. abgerechnet. Am 19. Gewitter mit Schlossen und Hagel. September. Luftdruck hoch, das Wetter in der Mitte des Monats war anhaltend heiter. Temperatur normal, am 25. Reif. Das Quantum ‘ der Niederschläge, darunter noch 2 Gewitterregen, überstieg das Mittel. Luftfeuchtigkeit normal. October. Ein kalter, trüber und regnichter Monat. Die Regenhöhe betrug mehr als das Doppelte des Mittelwerthes. Schnee kam nur einigemale mit, Regen vor. Luftdruck und Dunstdruck niedrig, Luftfeuchtigkeit aber über dem Mittel. Temperatur niedrig in der zweiten Hälfte des Monats, an den letzten 3 Tagen Frost. November. Luftdruck niedrig, ebenso Wärme und Dunstdruck. Nieder- schläge waren zahlreich, das gesammte Quantum betrug das Doppelte des Durchschnittswerthes. December. Luftdruck bei mehreren grösseren Schwankungen normal, dagegen war die mittlere Temperatur eine sehr tiefe und Breslau gehörte an mehreren Tagen zu den kältesten Punkten Europas. Milder als im Mittel waren die Tage vom 14. bis 28. Die Höhe der zahlreichen Niederschläge (besonders von Schnee) war um 9 grösser als im Mittel. Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. INN 3 2044 106 3