EEE Zn u zer tr” en = >; nt nn —, N » 41,% 102 5 „ 2700 M Oberen eeenbehe Prioritäten 3Y,% . 94 „ 50 „ „ 2700 Mb » » 2) 415%. 121 „50 „ „ 9000 M ” ” 41% - 405 RN Fra ScH „600 .# Preussische Prämien- Alksihe Su 21 5, — 5 „ 300 ‚4 Schles. Bankverein, Dividende 6%. sen sr 1230 _ Beiträge einheimischer Mitglieder: Pro I. Semester von 318 Mitgliedern & I M. . 2862 M — % 3) I. ” „ 98l » a 9 DDR 2979 HM TT DM _ 5841 — Beiträge auswärtiger Mitglieder: Pro I. Semester von 65 Mitgliedern & 6 #.. 390 Ad — » I. „ „ 67 ” a 6 » 402 m TH _ 792 — Niethsbeitrag vam Schlesischen Gewerbe-Verein. — 540 — „ „ klassischen Musik-Verein . EB. kann: — 162 — » „ Verein für Geschichte und konn, 5 — 100 — „ Verein für bildende Künste . — 81 2 Jahres- ler vom hiesigen Magistrat . _ 300 _ Aussergewöhnliche Einnahmen: Für Gasbenutzung . 30 AM 80 % Von Fräulein Lindner . ® . I Vom Rechtsschutz-Verein Ehaner Mee . 6, — Für verkaufte Schriften . 20 „ 65 „ Zinsen von zeitweise angelegten Geldern : 68 „ 85 „ —_ 135 30 De ee ln 29100 1 10560 62 Kassen-Abschluss für das Jahr 1380. Allgemeine Kasse. Ausgabe. Für Miethe einschliesslich Wassergeld. ... . „ Honorare und Remunerationen „ Gehalt dem Castellan . » Neujahrsgeschenk demselben . dem Haushälter. . ” ” „ Heizung. „» Beleuchtung . = eorhllane der Malen end Neenscha fangen » Peuerversicherungs- Prämien „ Schreibmaterialien „ Zeitungs-Inserate . „ Druckkosten . 6 » Bucehbinder-Arbeiten . „» Porto. ö „ Kleine usa hen 6 : „ Naturwissenschaftliche Saion No oo » Entomolosische Section » Technische Section . „ Botanische Section Bibliothek . Unvorhergesehene ocgehen Bestand von Effecten: 7200 JM 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. 3000 HM 4% 3600 M 41,% » ” ob) ” ” ” 2700 AM 3%,% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. 2700 AM 41,% 5) ” „» ” 9000 HM 4% „ >) >) 600 M 3Y,% a Prämien-Anleihe. 300 M Schlesische Bankveseins-Antheilscheine. Kassen-Bestand für,das Jahr 1881... ee. er Bülow, 7. Z. Schatzmeister der Gesellschaft, Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. Ist verausgabt. Effecten. 2 29100 29100 Baar. A 1195 10560 48 62 DE SE Zu u ZZ WB Kassen-Abschluss für das Jahr 1880. Ist eingenommen. ä G } h Ist verausgabt, : DO .. — oa: n Te a der Section für Obst- und Gartenbau. a7 Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau —.]T +. Deparatkasse Efecten. | Baar. e HN 21 % Ausgabe. a Einnahme. mu; Für den Lesezirkel: An Bestand aus dem Jahre 1879... . 22... in 100. 7275 612 62 le rna@Bnchen 2) 20% an EColporlagerge-T...., eg re une a Een Gr, 7 m Mitglieder-Beiträge: ee > von 62 einheimischen Mitgliedern & 3 M u... Tod A a > na 2) 2s » „ 286 auswärtigen a5 3 M (ind. 3a 6M). 867 „ — » Mi nal Extraordinanafe 0 EN Beiträge für den Lesezirkel: ” Sunnarelion a SratısVeriheilungg ER von 54 Mitsliedem a3 M ..... nn. NZ Für Sämereien, Empfangs- und Versand-Spesen Erstattung auf Pränumeration für nicht gelieferte deutsche - len ati ti ee ee 16 35 nsgemein: Uebersetzung, der Auer nn aueulüne : ” » a nn 35 2 Portö-Auslägen! .”. MH RE gs gs % Einnahme für den Garen und dessen De ee Inser0lonSsl«oSter ee Vo Besondere Beiträge zur Unter haltung des Gartens: Divekkosten 1.7. eh „ea; a. von 37 hiesigen Mitglieden. ..... 16 M— % Bicht ee ee u „ 150 auswärtigen „, EN 761 m 5089|’ Kileine. Ausgaben... Wer 27 105 2 ORRSBERRRE 0: 2 ” b. für Edelobst, Sträucher, Weinreben . . 6205 M 09 % Eazsinaia |... Be nn u 0 2 verschiedene Garten-Produdte . . . 488 ,„ 05 „ „ den Garten: lin: 6693 „ 14 „ m is 64 Gäntnergehalt, Beleuchtung und Heizung . .........2054 M 79 N von dem Schlesischen Provinzial - Landtage aus dem Dispo- s Sub lüine gs EEE NE sitionsfonds pro 1880. . ... 2.2... 2.0... 1204 — % Dungstoffe inel. Fuhrlohn . ee a eg von demselben aus Tit.X No. 3 des Ordinarü . . .... 450 li... ‚Sämereien, Wildlinge, Edelreiser, Bäume und Pflanzen . . . 154 „ Zinsen von Effecten: SE 1650 En Bauliche Reparaturen undElltensilien”. .2 .... „ah 02 25081939 NEZDme, von 600 #4 4% Posener Credit-Pfandbriefen für 1 Jahr. . UM — % Insertions- und Druckkosten . ........ Sen er US — 3000 # 4'/, % Breslau-Schweidnitz-Freib. Prioritäten Plane, wul Daperomahenin. 2 0 nn 350 „ 23 „ für '/,, Hlahrs BR 6 Di, 508, R 4200 # 4), % Breslau-Sehweidnitz-Freib, Prioritäten „ den Bau des Gärtnerhauses: für jahre ER 3 94 „50 „ Zahlungen an Maurermeister Kühtz . .. 2. 222 2.2.2.3500 NM — > er 1 2 En hz Benienkpiefen A N al » » ” ” ZiegelnS ans Seilteri, 2 PO e 7 n Rentenbriefen für ahr. . R u = 3000 #4 3%,% Oberschlesischen Eisenbahn - Prioritäten a Soapasohe; und diverse fuelagenu. 2. Be een für 1 Jahr... „0.07% De Un... = ekaufte Pffecten: » 300 4 4% Schles. Rustieal- iefe für 2), Jahr Een Ars = | a By. N % Schles. Rustical-Pfandbriefe für / Jahr. 6, » er 319 5 300 .# Schlesische Rustical-Pfandbriefe inel. Zinsen . ... 801 M 62% een. Ak: 4200 .# Breslau-Schweidnitz-Freib. Prioritäten inel. Zinsen. 4350 SZ 600 .M# Schles. Rentenbriefe incl, laufende Zinsen . ... 65 MIR _600 ‚# Posener Credit-Pfandbriefe ine]. laufende Zinsen . 601 37192405 7 „ verkaufte Effeeten: 2700 4 Preslan-Schweidnitz-Freiburger Prioritäten inel. lau- Sehlesische Rentenbriefe . . » 2. 2 2 oo. ne. OMA Bu a Te ne Se „ 20, % Br 65 Posener Credit-Pfandbriefe. TE De 600 » on Gekaufte fecten: Breslau-Schweidnitz-Freiburger Eriortätene EG = Schlesische Rustieal-Pfandbriefe. . . . .. 2.22... 30 M — % = = Breslau-Schweidnitz-Frei ioriti - reslau-Schweidnitz-Freiburger Prioritäten... . . . . 4200 ,„, — s a Fi | & Bestand für das Jahr 1881 5 5 Loy roh. 82 508g re Se) a Re 7875 | 11775 | 15249 | war, | . Z. Schatzmeister der Gesellschaft. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. N Naturwissenschaftliche Section. (Seeretaire: Staatsrath Prof. Dr. Grube und Geh. Bergrath Prof. Dr. F. Römer; vom 20. October ab Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und der an die Stelle von Grube als Secretair gewählte Prof. Dr. Poleck.) In derselben wurden 8 Sitzungen gehalten; es sprachen: 1) Den 4. Februar: Herr Prof. Poleck über ein Wolff’sches Co- lorimeter;, — Herr Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer über Reste der Orustaceen - Gattung Arthropleura aus dem schlesischen Steinkohlen- gebirge — und über eine neu aufgefundene Ablagerung diluvialer Säuge- thiere bei Hirschberg; — Herr Privat-Docent Dr. Joseph über Diplo- lepis puparum F., eine in ‚der Raupe und Puppe des Kohlweisslings schmarotzende Schlupfwespenart — ferner über eine Gallwespenart von der Insel Sylt — und über das anatomische und biologische Verhalten von Actora aestuum Meig.), einer auf Helgoland und Sylt einheimischen Fliege; — Herr Prof. Dr. v. Lasaulx über ein Modell zur Demon- stration der sphärischen Projeetion von Krystallen und zur Darstellung der Lage der optischen Axen und der verschiedenen Verhältnisse der Dispersion in Krystallen — ferner über die Krystallform des als Oyelopeit bekannten Anorthitvorkommens aus dem Dolerit der ceyclopischen Inseln bei Trezza in Sieilien — ferner über die monosymmetrische Krystallform des Natrolit — ferner über Fergusonit, Aeschynit, Cassiterit, Wolframit und einige andere seltene Mineralien aus dem Granite von Königshayn bei Görlitz — und über Vesbin; — derselbe leste schliesslich vor: Justus Roth, Beiträge zur Petrographie der plutonischen Gesteine. 2) Den 3. März: Herr Privat-Docent Dr. Joseph über Enchytraeus cavicola n. sp., einen aus der Grotte von Potiskavez in Unterkrain stam- menden blinden Ringelwurm — über die Innervation und Entwickelungs- geschichte der Spinnorgane von Raupen, Blatt- und Schlupfwespenlarven; — Herr Staatsrath Prof. Grube über Chamaeleon montium und Ch. spectrum; — derselbe demonstrirte Korallen mit erhaltenen Weichtheilen; — Herr Prof. v. Lasaulx über ein Emergenzseismometer eigener Con- struetion; — derselbe legte vor: Geikie, On the carboniferous volcanie rocks of the Basin of the Firth of Forth their structure in the field and under the miceroscope. Edinburg 1879. 3) Den 23. April: Herr Prof. Dr. Galle über den im Februar 1880 auf der südlichen Halbkugel erschienenen grossen Kometen — Herr Privatdocent Dr. Gabriel über die ersten Differenzirungs-Erscheinungen des primitiven Protoplasmas. 4) Den 2. Juni: Herr Privatdocent Dr. Gabriel über den Di- morphismus von Thiereiern. 5) Den 20. October: Herr Dr. Schadenberg über die Philip- pinen und insbesondere über die letzten Erdbeben daselbst; — Herr vI Jahres - Bericht Dr. Göppert über Zweige von Cactus opuntia mit Cochenille-Thierchen aus Teneriffa. 6) Den 10. November: Herr Prof. Dr. Liebisch über den „Be- richt über die wissenschaftlichen Instrumente auf der Berliner Gewerbe- Ausstellung im Jahre 1879“ und ein Fuess’sches Reflexions-Goniometer, — Herr Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer über einen geologisch bemerkens- werthen Fund in den Eisensteinsruben von Willmannsdorf bei Jauer — ferner über Cölestin-Krystalle von Mokattam bei Cairo — ferner über „Odontornithes, A Monograph on the extinet toothed birds of North America by ©. C, Marsh 1880“ — endlich über ,„L. v. Schrenck’s Der erste Fund einer Leiche von Rhinoceros Merckii“, Petersburg 1880.“ 7) Den 3. December wurde die Sitzung wegen eines Herrn Dr. Göppert zugestossenen Unfalls und der plötzlichen Erkrankung des Herrn Dr. Gabriel, welche Herren die Vorträge für die Sitzung über- nommen hatten, vertagt. 8) Den 15. December legte Herr Dr. Göppert die erste Lieferung des durch die zoologische Station über die Fauna und Flora des Golfes von Neapel publiecirten Werkes vor und sprach dann über Bruch- stüicke eines fossilen Holzes aus den Eisensteingruben von Will- mannsdorf bei Jauer — und über den Bernstein, seine Abstammung und pflanzlichen Einschlüsse. — Hierauf sprachen Herr Prof. Dr. Poleck über die Analyse der Kronenquelle in Ober-Salzbrunn — über ein Uni- versal-Spektroskop von Krüss in Hamburg — und über Krystalle von Kalium und Natrium und die flüssige Legirung beider Metalle; — Herr Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer über den Fund eines Rhinoceros ticho- rhinus bei Skarsine — und über die nenen geognostischen und paläonto- logischen Aufschlüsse auf der Königsgrube bei Königshütte OS. von Dr. Kosmann; — Herr Öberbergrath Althans über das Vorkommen von gediegenem Schwefel von Kokoschütz bei Ratibor. Die botanische Section (Secretair: Professor Dr. Ferdinand Cohn) hielt im Jahre 1880 zehn ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung; es trugen vor die Herren: Cand. Ansorge: Beiträge zur Flora von Oberschlesien — über teratologische Bildungen verschiedener Pflanzen; — Dr. Eidam: neue Beobachtungen über Schimmelpilze — über rothes und grünes Holz; — Apotheker Fick: über die Pflanzengeographie von Schlesien; — Geh. Rath Prof. Dr. Göppert: über Drehung fossiler Stämme — über Me- dullosa stellata — über fossile Araucarien und über die Beziehungen der fossilen Flora zur Jetztwelt; — Wundarzt Knebel: über vegetabilische Nahrungsmittel in Nothzeiten; — Prof. Dr. Körber: über die Mikro- sonidien der Flechten — über die der Schlesischen Gesellschaft vom der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. VII Magistrat zu Breslau überwiesenen Herbarien von Boccone, Haunold und Hahn; — Lehrer G. Limpricht: über die Gattungen Gymnomitrium und Sareoseyphus; — Dr. W. G. Schneider: über Verbreitung der Puceinia Malvacearum in Schlesien; — Öberstabsarzt Dr. Schröter: über die arktische Pilzflora;, — Garten-Inspector B. Stein: über ein- seschleppte Steppenpflanzen an der oberschlesisch-russischen Grenze; — Professor Dr. Stenzel: über abnorme Tannenzweise — über Monstro- sitäten bei Linaria und Pedicularis — über Staarsteine;, — R. von Uechtritz: neue Funde schlesischer Phanerogamen im Jahre 1879; — der Secretair d. $.: über die in den Pompejanischen Wandgemälden abgebildeten Pflanzen — Beiträge zur Physiologie der Hyacinthen — über die Flora von Westaustralien — über neue botanische Apparate — über Caprifieation der Feigen. Die zehnte Wanderversammlung und ausserordentliche Sitzung der schlesischen Botaniker fand am 11. Juli beim Wald- schloss Nesigode bei Trachenberg unter dem Vorsitz Seiner Durchlaucht des Fürsten Hatzfeldt statt; es trugen vor die Herren: Dr. Bänitz (Königsberg): über preussische Characeen; — Geh. Rath Prof. Dr. Göppert: über ein blühendes Exemplar des Amorpho- phallus campanulatus — über den Drachenbaum von Teneriffa — über fossile Araucariten; — Apotheker Schadenberg:. über die Entwicke- lung des Amorphophallus und verschiedene Producte von den Philip- pinen; — Oberstabsarzt Dr. Schröter: über Conservirung von Hymeno- myceten; — der Secretair der Section: über Cultur von Hyacinthen in Nährlösungen — über Nostoc als Volksnahrungsmittel in Java — über ein neues Auxanometer. Beschlossen wurde eine Untersuchung über Vergiftungen durch Pilze und die dagesen vorzuschlagenden praktischen Massregeln, für welche Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter das Referat übernommen hat. Die entomologische Section (Seeretair: Rector K. Letzner) hat sich im abgelaufenen Jahre zu 7 Sitzungen versammelt, in denen ‚ folgende Vorträge gehalten wurden: 1) Von Herrn Rittergutsbesitzer Naacke: a. Ueber Dianthoecia proxima Hbn., neu für Schlesien. — b. Ueber interessante Varietäten mehrerer Lepidopteren-Species. 2) Von dem zeitigen Secretair: a. Ueber den Status der schles. Coleoptern-Fauna am Ende des Jahres 1879. — b. Ueber die euro- päischen Staphylinus-Arten mit rothen Flügeldecken. — c. Ueber die ‚schlesischen und europäischen Arten der Rüsselkäfer- Gattung sSitones 'Schönh. — d. Ueber Haptoderus unctulatus Duft., subsinuatus Dej. und sinualus n. sp. — e. Ueber die europäischen Arten der Gattung Mono- VIII Jahres - Bericht toma Hbst. — f. Ueber Tachinus fimetarius F., marginellus F., laticollis Grav., collaris Grav. und ihre Unterscheidungs-Kennzeichen. — g. Ueber die schlesischen Arten der Curculioniden-Gattung Trachyphloeus Germ. — h. Ueber die schlesischen Arten der Orthopteren-Familie Blattidae. Medicinische Section. (Secretaire: Geh. Medicinal-Rath Professor Dr. Spiegelberg und Privatdocent Dr, med. Grützner.) Die medicinische Section hat während des Jahres folgende Sitzungen abgehalten: 1) Sitzung am 9. Januar. 1) Herr Sommerbrodt: Zur Pathologie des Kehlkopfs. 2) Herr Wiener: Ueber Carcinoma uteri als Schwanger- schafts- und Geburtscomplication. 2) Sitzung am 6. Februar. Herr Berger: Ueber die Erscheinungen und Ursachen des sog. thierischen Magnetismus. 3) Sitzung am 13. Februar. 1) Herr Simon: a. Ueber ein Erkennungs- zeichen des Lues; b. über das Alter einiger Mittel gegen Scabies. 4) Sitzung am 27. Februar. 1) Herr Gottstein: Ausstossung des Schläfebeins.. 2) Herr Müller: a. Zum Diabetes; b. Kleinere Mit- theilungen. 3) Herr Berger: Ueber Katalepsie und Chorea major. 5) Sitzung am=12. März. Herr Rosenbach: Ueber accidentelle Herzgeräusche. 2) Herr H. Cohn: Beobachtungen an den Augen Hypno- tisirter. 6) Sitzung am 16. April. 1) Herr Bruntzel: Ueber die Erfolge der Antisepsis auf dem Gebiete der Laparotomien. 2) Herr Spiegel- berg: Zur Entwickelung der puerperalen Infection. 3) Herr H. Cohn: Ueber das Verschwinden der Farbenblindheit beim Erwärmen eines Auges. 7) Sitzung am 28. Mai. 1) Herr Schnabel: Entfernung eines Fremdkörpers aus dem Kehlkopf. 2) Herr Ponfick: Ueber Actino- mycose des Menschen. 3) Herr Bruntzel: Ueber seeundäre Dehiscenz der Wunde nach Laparotomie. 8) Sitzung am 4. Juni. 1) Herr Elias: Ueber Gastrotomie. 2) Herr Ponfick: Demonstration von Actinomycosis bovis. 9) Sitzung am 9. Juli. 1) Herr Wiener: Ueber die Herkunft des Fruchtwassers. 2) Herr Grützner: Zur Physiologie der Nieren, 3) Herr Marchand: Demonstration eines graviden Uterus. 10) Sitzung am 23. October. 1) Herr Spiegelberg: Zur Casuistik der Unterleibsgeschwülste. 2) Herr Marchand: Ueber acute Myositis. 11) Sitzung am 26. November. 1) Herr Grützner: Ueber die negative Schwankung des Nervenstroms bei verschiedenen Reizen. 2) Herr Simon: a. Ueber Lichen; b. zur Systematik der Hautkrankheiten. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. IX 12) Sitzung am 17. December. 1) Herr Kolaczek: Zur Technik der Uterusexstirpation. 2) Herr Jacobi stellt einen Antrag, betreffend Stellungnahme der Section gegenüber der neuen Pharmacopö. Die Section für öffentliche Gesundheitspflege (Seeretaire: Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer, Professor Dr. Förster und Bezirks-Physikus und Privatdocent Dr. Jacobi) hatte im Laufe des Jahres 1880 fünf Sitzungen. I. Sitzung am 23. Januar. Herr Dr. Kayer sprach über den statistisch nachweisbaren Einfluss des Berufes auf die Sterblichkeits-Ver- hältnisse Breslaus. Herr Dr. Wagner (Königshütte) machte Mittheilungen über das Vorkommen der verschiedenen Typhus-Arten im oberschlesischen Hütten-District. ; II. Sitzung am 20. Februar. Herr Prof. Dr. Poleck sprach über Leuchtgasvergiftung. Ill. Sitzung am 23. Juli. Herr Prof. Dr. Gscheidlen hielt einen Vortrag über Bierdruckapparate. Herr Bezirks-Physikus Dr. Jacobi sprach über Production und Consumtion von Thiermilch in Breslau. IV. Sitzung vom 3. December. Herr Prof. Dr. Ponfick sprach über Vergiftung durch die essbare Morchel. Herr Sanitätsrath Dr. ‚Schlockow sprach über gesundheitliche Verhältnisse in den Berg- werken. | V. Sitzung am 17. December. Herr Dr. Holdefleiss sprach über ‚Erfahrungen und Untersuchungen über die Danziger Rieselanlagen. Die geographische Section (Seeretair: Professor Dr. Galle) ‚hat in diesem Jahre keine Sitzungen gehalten. Von dem Secretair der , Seetion wurde für den Jahresbericht die Uebersicht der auf der Stern- ‚ warte ausgeführten meteorologischen Beobachtungen wie bisher zusammen- gestellt. Section für Obst- und Gartenbau. (Secretair: Stadtrath E. H. Müller.) Im Jahre 1880 hielt diese Section 10 Sitzungen. In denselben hielten ‚Vorträge: Herr Juwelier Herrmann: ‚Ueber Vistaria sinensis“, Herr wurden Berichte, Mittheilungen und Abhandlungen auswärtiger Mitglieder vorgelesen und besprochen. . X Jahres - Bericht Der Schriftenaustausch mit Schwestervereinen hatte seinen regel- mässigen Fortgang. Die in dem Lesezirkel hiesiger Mitglieder in Um- lauf gewesenen zahlreichen deutschen und fremdländischen Fachschriften wurden der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft überwiesen. Gegen Ende des Winters dieses Jahres wurde wieder eine Ver- theilung reicher Sortimente empfehlenswerther Nutz- und Zierpflanzen an Mitglieder veranlasst. Auch für das Jahr 13380 verdankte hohen Provinzialständen Schlesiens die Section die Gewährung der seither bewilligten Unterstützung zur Unterhaltung ihres pomologischen und resp. Obst - Baumschulgartens. Diese erhebliche Beihilfe gestattete den als Bedürfniss erweiterter Wohn- und Wirthschaftsräume anerkannten Anbau eines Seitenflügels an das bestehende Gärtnerhaus, und wenn einerseits die Kosten desselben die Geldmittel der Section nicht unerheblich schmälerten, so war andererseits der diesjährige Absatz der Producte des Gartens doch wieder ein recht erfreulicher, so dass deren Kassenverhältnisse als befriedigend zu be- zeichnen sind. Die historische Section (Seeretair: Direetor Prof. Dr. Reimann) hielt in diesem Jahre 12 Vorträge. 1) Prof. Dr. Fechner: Exil und Rückkehr des Fürstbischofs von Breslau, Grafen Schaffgotsch. (29. Januar.) 2) Der Secretair: Ueber Polens Einwilligung in die erste Thei- lung. (12. Februar.) 3) Oberlehrer Dr. Schönborn: Die wirthschaftlichen Verhält- nisse im Fürstenthum Breslau nach dem Ende des 30jährigen Krieges. (26. Februar.) 4) Prof. Dr. Grünhagen: Charakteristik Friedrichs des Grossen im Anfange seiner Regierung. 9) Der Secretair: Ueber die Streitigkeiten der Polen mit Preussen und Oesterreich wegen der Erweiterung, welche die letzteren über die Verträge von 1772 hinaus ihren polnischen Erwerbungen geben wollten. (15. April.) | 6) Der Secretair: Ueber das Verhältniss Preussens und Oester- reichs zur bayerischen Erbfolge 1764—1778. (29. April.) 7) Prof. Dr. Grünhagen: Ueber die Geschichte von Oppeln. Dr. Pfotenhauer: Ueber die Geschichte von Czarnowanz. Director Dr. Luchs: Ueber die Alterthümer Oppelns. (27. Mai.) 8) Prof. Dr. Grünhagen: Ueber den Ritt Friedrichs des Grossen von Mollwitz nach Oppeln. (80. Mai.) 9) Der Seeretair: Anbahnung einer französisch -russischen Ver- mittelung im bayerischen Erbfolgekriege. (28. October.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, XI 10) Prof. Dr. Grünhagen: Kundwerden des Breslauer Friedens 1742. (13. November.) 11) Der Seeretair: Unterhandlung über die Friedens - Prälimi- ' narien zwischen Oesterreich und Preussen im Januar und Februar 1779. (24. November.) | 12) Dr. Markgraf: Breslau eine deutsche Stadt vor der Mongolen- schlacht 1241. (9. December.) Die archäologische Section (Seeretair: Professor Dr. Alwin Schultz) | versammelte sich im Laufe des Jahres ein Mal. | Der Secretair hielt einen Vortrag am 6. December über Ursprung ı und Bedeutung der mittelalterlichen Turniere. Bericht über einige ‚, schweizerische Museen. Die juristisch - staatswissenschaftliche Section (Secretair: Landgerichts-Direetor Witte) versammelte sich im Laufe des Jahres zwei Mal. | In der 1. Sitzung am 10. März sprach Herr Prof. Dr. Hermann ‚Friedberg: a. über ein neues Zeichen des Erwürgungsversuches; \b. über die Beziehungen mehrerer Bestimmungen des Strafgesetzbuches zu dem sogenannten Magnetisiren, | In der 2. Sitzung am 3. November wurde zuerst durch den Vice- Präses der Gesellschaft, Herrn Geh. Regierungs-Rath Dr. Bartsch, zur | Wahl eines Seeretairs für die Section an Stelle des Herrn Regierungs- ‚Rath Lampe, welcher nach Marienwerder versetzt worden ist, geschritten. ‚Herr Landgerichts-Director Witte wurde vorgeschlagen und auch durch Acelamation einstimmig gewählt. Derselbe nahm die Wahl an. i Hierauf sprach Herr Geh. Justizrath v. Wittken über Leichen- ‚ verbrennung und Kirchhöfe, ‚Bericht des Conservators der naturhistorischen Sammlungen für das Jahr I880. | Die botanischen Sammlungen erhielten zunächst einen sehr ansehn- ‚lichen Zuwachs durch Ueberweisung nachfolgender drei Herbarien Seitens 0: hiesigen Masistrats: J 1) des der Kirchgemeinde zu $t. Maria-Magdalena gehörigen, bisher in den Räumen der hiesigen Stadtbibliothek aufbewahrten Hahn- schen Herbars. Es besteht aus 22 Foliobänden mit je doppeltem hölzernem Fach und würde, wenn es vollständig vorhanden wäre (aber 2 Bände haben vor Jahren wegen Insectenfrasses vernichtet werden müssen) laut Angabe des vorhandenen Katalogs 5136 KAl Jahres - Bericht Pilanzen enthalten. — Sammler und Anfertiger des ausserordentlich gut erhaltenen und geschützten Herbars war im vorigen Jahrhundert ein Cand. med. Hahn in Leipzig; 2) eines sehr werthvollen, wenn auch nur aus einem Foliobande bestehenden Herbars seltener sicilischer, italienischer und afri- kanischer Pflanzen des Sylvius Bocconi aus dem Nachlass des früheren Oberbürgermeisters Haunold. Ueber dasselbe ist schon in Kundmann’s Proneptuarium rerum natur. et artif. Vratisl. p. 39 berichtet; 5) eines aus 2 grossen Foliobänden bestehenden und unter dem Titel „Recreatio mentis et oculi botanieci‘ zusammengestellten Herbars aus dem Nachlass des obengenannten Joh. Sigism. Haunold. Das Herbar stammt aus dem Jahre 1696, ist leider schon sehr zer- fressen, aber doch recht interessant. Nur der erste Band ist, und zwar von hinten anfangend, numerirt und enthält 254 Blätter mit daraufgeklebten Pflanzen, der zweite Band ist nur halb gefüllt und ohne Numerirung. Die Pflanzen sind gesammelt und alphabetisch geordnet von Jac. Willis, College am Elisabetan, wie sich aus Kundmann |]. c. ergiebt. Der Präses der Gesellschaft, Herr Geh, Rath Göppert, schenkte eine in holländischer Sprache geschriebene Monographie des verstorbenen General-Lieutenants v. Jacobi, „‚Albano von Jacobi, General en Agaven- Monograaf. Lebensberigt door de Jonge van Ellemeet. 1874. Durch Ankauf wurden erworben: Dr. W. G. Schneider, Herbarium schlesischer Pilze. Fase. I, II, III, VII, VII, IX, X und XI. Die fehlenden Fasc. IV—VI werden nachgeliefert werden. ; v. Thümen, Mycotheca universalis. Fortsetzung (Fasc. XVI, XVII, XVID. Mit der Einordnung der ausserordentlich zahlreichen Doubletten wie mit der Sichtung des grossen Henschel’schen Herbars wurde fortgefahren. Die Sammlungen wurden vielfältig von eisheimischen Botanikern benutzt und erfreuten sich auch des Besuches des Directors des könig- lichen Reichsherbars zu Leyden, Professor Dr. Suringar. Breslau, den 22. December 1880. Prof. Dr. Körber, Conservator der Sammlungen. Bericht über die Bibliotheken der Schlesischen Gesellschaft für das Jahr 1880. Die Bibliothek war im abgelaufenen Jahre, die Festwochen ausge- nommen, an den bestimmten Tagen in den festgesetzten Stunden geöfinet und hat nicht blos den Mitgliedern der Gesellschaft zur Benutzung ge- standen, sondern mit ihren Gesellschaftsschriften häufig auch Studirenden der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XII der Naturwissenschaften ausgeholfen. Handelte es sich um Kleinigkeiten, um Nachschlagen von Citaten, so wurde das meist im Bibliothekzimmer sofort erledigt. Ausgeliehen wurden im Ganzen 604 Bände. Der Zuwachs der Bibliothek beziffert sich auf 1454 Bände, Hefte, Brochüren sehr ungleichen Umfangs. Aus einigen Blättern bestehende Brochüren und grosse wissenschaftliche Werke in starken Bänden, ob- schon im Werthe himmelweit verschieden, müssen hier, wo es sich um Zahlen handelt, als gleichwerthig gezählt werden. Von diesen 1454 Bänden, Heften, Brochüren, welche dem Bestande der Bibliothek im abgelaufenen Jahr zugetreten sind, wurden 64 durch Kauf erworben; 193 von einzelnen freundlichen Gebern — möge ihr Bei- spiel viel Nachfolge finden! — der Bibliothek verehrt, wofür hiermit noch einmal im Namen der Gesellschaft der verbindlichste Dank abgestattet wird; 37 von der Section für Obst- und Gartenbau ihr überwiesen und 1160 sind von den Vereinen, mit denen die Gesellschaft im Tausch- verbande steht, eingegangen, resp. von Universitäten, Anstalten, Behörden, 'Corporationen u. s. w. ihr zugewendet worden, Davon kommen auf die schlesische Bibliothek 166 und 5 Kupfer- stiche, auf die allgemeine 1288 und 1 Karte, zusammen 1454. A. Der schlesischen Bibliothek wurden von Behörden, Insti- tuten, Vereinen eingesendet: Von der königlichen Universität 51, aus Breslau vom Magistrat 5, vom Schlesischen Kunstverein 1, vom Ver- ein für Geschichte und Alterthum Schlesiens 3, vom Verein für das Museum schlesischer Alterthümer 3, vom Schlesischen Verein zur Heilung ‚armer Augenkranker 1, vom älteren Turnverein 1, vom kaufmännischen Verein 1, vom Verein christlicher Kaufleute die Breslauer Zeitung (acht ‘Quartale), von der Handelskammer 1, vom Schlesischen Forstverein 1, ‚vom Verein der schles. Bienenzüchter die Bienenzeitung pro 1880, von den ‚Breslauer Schulanstalten, das jüdisch-theologische Seminar und die schle- ‘ sische Blinden-Anstalt inbegriffen, 7; aus der Provinz von den Gymnasien ‚in Hirschberg, Schweidnitz, Wohlau, der Ritterakademie in Liegnitz, den ‚Realschulen in Landeshut und Tarnowitz, der höheren Bürgerschule in Freiburg, den Philomathien in Oppeln und Reichenbach, dem wissen- ‚schaftlichen Verein in Striegau, der ökonomisch-patriotischen Societät in Jauer und dem Gewerbe- und Gartenbau-Verein in Grünberg je 1; end- ‚lieh vom Vorschussverein in Zobten a. B. sein Vereinsblatt, drei frühere | Jahrgänge sowie die Nummern :des laufenden Jahres. Ausserdem erhielt die Bibliothek noch von der Buchhandlung Ader- ‚holz 2 Bände und den Jahrgang 1880 des Kirchenblatts, von den Herren ‘Superintendent Altmann 1, Professor Cohn 1, Professor Förster 1, ‚Hauptlehrer David Letzner 8, Reetor Letzner 8, Stadtrath Müller 6, ‚Frau Dr. Oelsner 27, Kastellan Reisler 1, Pastor Schimmel- pfennig 2, Apotheker Werner 1 Fascikel, sämmtlich in Breslau, und von den Herren Dr. Berg in Reinerz 1, Bürgermeister Dengler eben- "daselbst 2, Professor Peter in Teschen 2, Freiherr v. Rothkireh 1, Apotheker Spatzier in Jägerndorf 1, endlich vom Herrn Ober-Post- Commissarius Schück in Danzig 5 Kupferstiche, Portraits von Schlesiern. RV Jahres - Bericht B. Bei der allgemeinen Bibliothek gingen ein: Aus Amerika von der Academy of Arts and Sciences in Boston 2, von der Society of natural history ebendaselbst 9, vom Harvard College in Cambridge (Mass.) 3, von der Connecticut Academy of arts and sciences in New-Haven 1, von der Jowa Weather Service 2, von der American me- dical Association und dem Board of public education, beide in Philadelphia, je 1, von der national Conference und der geological and geographical Survey in Washington je 1, von der Smithsonian Institution ebendaselbst 2, von der Wisconsin Academy of Sciences, Arts and Letters und der Wis- consin natural history Society je 1, zusammen 25 Bände resp. Bändchen; aus Asien von der geological Survey office of India in Caleutta 6; aus Australien vom Government in Sydney 1, in Melbourne 5, vom bo- tanischen Garten in Adelaide 1, in Summa 7; in Europa aus Italien von der Societü di leiture e conversazione scienti- iche in Genua 6, von der Societ@ crittogamologica in Mailand 2, von der Docielü dei naturalisti in Modena 4, von der zoologischen Station in Neapel 2, von der Societa Toscana di scienze naturali in Pisa 7, von der Accademia dei Lyncei in Rom 10 und von der societü geografica ita- hana ebendaselbst 15, endlich von der Accademia d’agricoltura, arti e commercio in Verona 1, in Summa 45; aus Frankreich von der Societe des sciences physiques et naturelles in Bordeaux 2, von der sSociete Linneenne in Lyon 2, von der Academie des sciences et letires in Montpellier 3, zusammen 7; aus Grossbritannien und Irland von der philosophical Society in Cambridge 5, von der royal Irish academy in Dublin 23, von der Bri- tish association in London 1 und der royal microscopial Society ebenda- selbst 10, zusammen 39; aus Belgien von der Academie royale de medecine in Brüssel 16; aus Holland von der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Amster- dam 4, von der Societ€ hollandaise des sciences in Haarlem 6, dem Musee Teyler ebendaselbst 1, von der Maatschappy der nederlandsche Letterkunde in Leyden 2, der nederlandsche dierkundige Vereeniging ebendaselbst 1 und von dem Institut royal-grandducale in Luxemburg 2, zusammen 16; aus Dänemark von der königlichen Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen 4, von der Nordiske Oldskrift Selskab 9, zusammen 13; aus Schweden und Norwegen von der Gesellschaft der Wissen- schaften in Upsala 1, von der Videnskabs- Selskabet in Christiania 12, der dortigen Universität 2, vom Museum in Tromso 3, zusammen 18; aus Russland von der gelehrten Esthnischen Gesellschaft in Dorpat 5, von der Societas pro Fauna et Flora Fennica in Helsingfors 1, vom kur- ländischen Provinzial-Museum in Mitau 1, von der Societe imperiale des naturalistes in Moskau 4, von der kaiserl. russ. geographischen Gesell- schaft, der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, der entomologischen Gesellschaft und dem botanischen Garten in Petersburg zusammen 9, von der Gesellschaft für Geschichte und Alterthum der Ostseeprovinzen in Riga 1, zusammen 21; aus Desterreich-Ungarn von der Gewerbeschule in Bistriz (Sieben- bürgen) 1, von dem naturforschenden Verein in Brünn 1, der mährisch- schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues daselbst 10, der k. ungarischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Budapest 12, 4 ; der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XV dem historischen Verein für Steiermark in Graz 3, dem naturwissen- schaftlichen Verein daselbst 2, dem dortigen akademischen Leseverein 1, vom Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstadt 9, dem Verein für Naturwissenschaft daselbst 1, vom Ferdinandeum in Inns- bruck 1, dem landwirthschaftlichen Central-Ausschuss daselbst Jahrgang 1880 seiner Zeitschrift, vom dortigen naturwissenschaftlich - mediei- nischen Verein 1, vom Karpathenverein in Kesmark 2, der Akademie in Krakau 11, vom Museum Francisco-Carolinum in Linz 2, vom Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen in Prag 10, vom naturhisto- rischen Verein Lotos und der Sternwarte daselbst je 1, von der Ge- sellschaft für Landeskunde in Salzburg 1, von der Societü agraria in Triest Jahrgang 1880 ihrer Zeitschrift Amico dei campi, und aus Wien von der Akademie der Wissenschaften 28, der zoologisch-botanischen, der geographischen Gesellschaft und dem Alterthumsverein je 1, der geologischen Reichsanstalt 25, der anthropologischen Gesellschaft 8, der österreichischen Gesellschaft für Meteorologie 12 und der Centralanstalt für Meteorologie 1, in Summa 150; aus der Schweiz von dem historischen Verein in Bern 1, der natur- forschenden Gesellschaft daselbst 2, von der naturforschenden Gesell- schaft Graubündens in Chur 1, vom historischen Verein in St. Gallen 3, von der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft 2 und von der naturwissenschaftl. Gesellschaft daselbst 1, von der Societe de physique in Genf 1, von der antiquarischen Gesellschaft in Zürich 1, zusammen 12; aus dem Deutschen Reiche vom Verein für Naturkunde in Annaberg in Sachsen 1, von der Handels- und Gewerbekammer in Aschaffenburg 1, von dem dortigen polytechnischen Centralverein für Unterfranken 2, vom naturhistorischen Verein in Augsburg 1, vom historischen Verein für Schwaben und Neuburg ebendaselbst 3, vom Gewerbeverein in Bamberg 2, dem dortigen historischen Verein 1, aus Berlin von der Gesellschaft naturforschender Freunde, der medicinischen Gesellschaft, dem Verein zur Beförderung des Gewerbefleisses, dem Verein für Heraldik, Sphragistik und Genealogie, dem Verein für Geschichte der Mark Brandenburg, der juristischen Gesellschaft, vom Centralbureau der europäischen Gradmessung, vom k. geodätischen Institut, vom Ministe- rium der geistl. Angelegenheiten je 1, von der afrikanischen Gesell- schaft und vom Verein für Geschichte Berlins je 2, von der kaiserl. Admiralität die Annalen der Hydrographie und die Nachrichten für Seefahrer für 1880, von der k. niederländischen Gesandtschaft 1, von der deutschen geologischen -Gesellschaft 4, von der k. Akademie der Wissenschaften ihre Monatsberichte und 1 Band Abhandlungen, vom naturhistorischen Verein für Rheinland und Westfalen in Bonn 2, vom landwirthschaftlichen Verein für Rheinpreussen daselbst die Zeit- schrift, vom Verein für Naturwissenschaft in Braunschweig 1, vom landwirthschaftlichen und vom naturwissenschaftlichen Verein in Bremen je 1, vom Provinzial-Landwirthschaftlichen Verein in Bremervörde 2, vom Oberbergamt in Breslau 1, vom Verein für Chemnitzer Geschichte in Chemnitz 1, von der naturforschenden Gesellschaft in Danzig 2, vom Verein für Erdkunde in Darmstadt 1, vom Verein für Geschichte und Naturgeschichte in Donaueschingen 1, von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden, der ökonomischen Gesellschaft daselbst je 1, vom dortigen Verein für Erdkunde 3 und vom k. sächsischen statistischen Bureau 4, von der k. Akademie gemeinnütziger Wissen- XVI Jahres - Bericht schaften in Erfurt 1, von der physikalisch-medieinischen Gesellschaft in Erlangen 1, aus Frankfurt a. M. von der Senkenberg’schen natur- forschenden Gesellschaft 3, vom ärztlichen und vom physikalischen Verein und vom deutschen Hochstift je 1, vom Alterthums-Verein in Freiberg in Sachsen, von der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg i. Br. und vom Verein für Naturkunde in Fulda je 1, von der oberhessi- schen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Giessen, der Ober- lausitz’schen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz je 2, von der kgl.’ Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 1 und vom baltischen Centralverein in Greifswald die landwirthschaftliche Zeitschrift für 1880, vom Verein für Erdkunde in Halle a. $. 2, vom naturwissen- schaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen daselbst 1, von der Leopoldinischen Akademie der Wissenschaften die Zeitschrift Leo- poldina für 1880 und 2 Bände Abhandlungen, vom naturwissenschaft- lichen Verein in Hamburg-Altona 5, von der geographischen Gesell- schaft in Hannover, vom historischen Verein und von der technischen Hochschule daselbst je 1, vom naturhistorisch-medieinischen Verein in Heidelberg 1 und vom Verein für Kunde der Natur und der Kunst in Hildesheim 1, von der Gesellschaft für Mediein und Naturwissen- schaften in Jena 5, vom Verein für Naturkunde in Kassel 2, vom dortigen Verein für Geschichte und Landeskunde 7, vom naturwissen- schaftlichen Verein für Schleswig-Holstein in Kiel 1, von der königl. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königsberg i. Pr. 2 und eine geologische Karte, von der kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig 2, vom Aerztevereinsbunde daselbst seine Zeitschrift, vom Verein für Geschichte des Bodensees in Lindau 2 und vom Museums- Verein in Lüneburg 1, von der Gesellschaft zur Beförderung der ge- sammten Naturwissenschaften in Marburg 8, vom historischen Verein von und für Oberbayern in München 4, von der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften 7, von der dortigen Sternwarte 1 und dem landwirthschaftlichen Verein in Bayern ebendaselbst 1, vom westfälischen Provinzial- Verein für Wissenschaft und Kunst in Münster 1, vom Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklen- burg zu Neu-Brandenburg 2, vom germanischen Museum in Nürnberg 2, vom zoologisch-mineralogischen Verein in Regensburg und vom histori- schen Verein der Oberpfalz ebendaselbst je 1, vom Henneberg’schen Verein für Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden 1, vom Ver- ein für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde in Schwerin 1, vom grossherzoglich statistischen Bureau daselbst 2, vom landwirth- schaftlichen Verein in Sondershausen 1, von der polytechnischen Ge- sellschaft und vom entomologischen Verein in Stettin je 1 und von der dortigen Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde 4, vom statistisch-topographischen Bureau in Stuttgart 6, vom dortigen Poly- technicum 2 und vom Verein für vaterländische Naturkunde daselbst 1, vom Münstereomite in Ulm 1, vom Harzverein für Geschichte und Alter- thumskunde in Wernigerode 3, vom Verein für nassauische Alterthums- kunde in Wiesbaden 1 und vom nassauischen Verein für Naturkunde daselbst 2, endlich von der medieinisch-physikalischen Gesellschaft in Würzburg 2, Summa 163 und 1 Karte. (Fortsetzung folgt.) Breslau, Ende December 1880. Dr. Schimmelpfennig. T. Bericht über die Thätigkeit der medicinischen Section im Jahre 1880, erstattet von den zeitisen Secretairen der Section P, Grützner und O. Spiegelberg. Sitzung vom 9. Januar 1880. Der Vorsitzende, Herr Spiegelberg, verliest ein Schreiben des Vorstandes des „Aerztevereins des Regierungsbezirks Breslau“, in welchem derselbe an die medicinische Section das Ersuchen richtet, die Sitzungs- berichte der Section nicht mehr in den politischen Zeitungen zu ver- öffentlichen. Der Vorsitzende bemerkt, dass die Section alle Ursache habe, diesem Ansuchen Folge zu geben und erinnert hierbei an einen früheren Be- schluss der medicinischen Section vom 8. November 1878, nach welchem die Berichte der medicinischen Section nur in der „Breslauer ärztlichen Zeitschrift“ veröffentlicht werden sollen. Der Antrag wird ohne Debatte einstimmig angenommen. 1) ı) Trotz dieses Beschlusses sind über die Verhandlungen der Section vom 6. und 13. Februar in einigen hiesigen politischen Blättern Berichte erschienen, die selbstverständlich nicht von Mitgliedern der Section herrühren können. Die „Deutsche medicinische Wochenschrift“ bringt in Nr. 8 vom 21. Februar d. J. einen Artikel über: „Thierischer Magnetismus und Hypnotismus“, in welchem auch über die Ver- handlungen der medicinischen Sectioh der schlesichen Gesellschaft vom 6. und 13. Februar berichtet wird. In qu. Artikel heisst es: „Die Berichte über die Verhandlungen der verschiedenen Gesellschaften rühren von meinem erprobten Herrn Correspondenten her und sind von den Vortragenden selbst der sorgfältigsten Revision unterworfen.“ Dem gegenüber ist zu bemerken, dass die actenmässige Darstellung der Verhandlungen der medieinischen Section nur durch die Secretaire derselben erfolgt. Spiegelberg. Grützner. 1880. l > Jahres-Bericht Hierauf spricht Herr Sommerbrodt Ueber Stimmbandeysten. Es folgt der Vortrag von Herrn Wiener Ueber Carcinoma uteri als Schwangerschafts- und Geburtscomplication. Meine Herren! Jüngst suchte eine 37 jährige, zum fünften Male ge- schwängerte Frau meine Hilfe, mit der Angabe, seit drei Monaten an Blutung, Jauchung, heftigen Kreuzschmerzen etc. erkrankt zu sein. Ich fand die Frau von kachektischem Aussehen und bereits am Ende der Gravidität angelangt; nach ihrer eigenen Berechnung hätte die Geburt schon vor 8—14 Tagen stattfinden sollen. Als Ursache der Kachexie und der Krankheitsbeschwerden fand sich ein etwa gänseeigrosses Blumen- kohlgewächs, das die ganze hintere Muttermundslippe einnahm und nach rechts hin derart an das hintere Scheidengewölbe heranging, dass es von demselben nicht mehr deutlich abgegrenzt werden konnte. Die vordere Muttermundslippe war, makroskopisch wenigstens, völlig intaet. Da die Geburt nach dem objeetiven Befunde stündlich zu erwarten war, so entschloss ich mich zur sofortigen Entfernung der Neubildung und führte die Operation unter Assistenz des Herrn Dr. Bruntzel mit dem Paquelin’schen Thermokauter aus. Die Entfernung gelang ohne Zwischen- fall und ohne erhebliche Blutung. Leider konnte nach rechts hin wegen der Gefahr, den Douglas’schen Raum zu eröffnen, die Geschwulst nicht vollständig entfernt werden, so dass ein, allerdings ganz unbedeutender, Rest zurückblieb. Da die Neubildung sich bis dicht an den inneren Muttermund heran erstreckte, kamen wir wiederholt mit dem Glühmesser in fast unmittelbare Berührung mit den Eihäuten. Nichtsdestoweniger und obgleich während der Operation der Scheiden- theil bis zum Introitus vaginae herabgezogen worden war, änderte sich, von zwei bis drei kurz nach der Operation aufgetretenen Uteruscon- tractionen abgesehen, die Sachlage in den nächsten Tagen nicht im Ge- ringsten. Erst nach drei Tagen, und zwar, wie uns schien, völlig unab- hängig von der Operation, stellten sich regelmässige Wehen ein und . nach einem etwas schleppenden Geburtsverlauf von 1'/, Tagen erfolgte die Geburt glücklich für Mutter und Kind (zweite Schädellage). Das Wochenbett verlief bei fortgesetzten Carbol-Irrigationen völlig normal. Leider aber zeigt sich schon jetzt, vier Wochen p. part., nicht nur ein Recidiv der hinteren, sondern auch eine rasch wuchernde carcinomatöse Erkrankung der vorher anscheinend völlig intacten vorderen Muttermund- Lippe. Dieser Fall, meine Herren, giebt mir willkommenen Anlass, in Kürze die gegenwärtig vorzugsweise herrschenden Anschauungen über die Be- deutung der Schwangerschafts- Careinome und ihre Behandlung Ihnen vorzutragen. Noch vor nicht gar zu langer Zeit herrschte unter den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. B} Geburtshelfern in diesen Punkten grosser Widerspruch. Nähere Kennt- niss und bessere Würdigung dieser unheilvollen Complication verdanken wir im Wesentlichen den Arbeiten der letzten zehn Jahre und nicht zum geringsten Theil der klaren und eingehenden Bearbeitung durch Spiegel- berg. Die Ursache dieser widersprechenden Ansichten lag eben darin, dass das Zusammentreffen von Schwangerschaft resp. Geburt mit Gebär- mutterkrebs glücklicher Weise ein seltenes Ereigniss ist, dass es also den einzelnen Beobachtern an genügender Erfahrung fehlte. Heutzutage verfügen wir jedoch über eine, wenn auch nicht über- mässig grosse, so doch hinreichende Zahl gut beobachteter Fälle, um die Frage der Schwangerschafts-Careinome zu einem baldigen definitiven Abschluss bringen zu können. Die neueste Publieation von Herman !) zählt aus der gesammten Literatur 180 einschlägige Fälle auf, eine im Vergleich zur Häufigkeit der Gebärmutterkrebse bei nicht schwangeren Frauen entschieden kleine Zahl. Woher kommt es nun, dass diese Complication in der Gravidität nicht häufiger beobachtet wird? Zunächst ist hier zu erwähnen, dass ein Theil der Geburtshelfer die Möglichkeit leugnete, dass bei schon vorhandenem Gebärmutterkrebs überhaupt noch Conception erfolgen könne; alle in der Schwangerschaft beobachteten Careinome seien erst während derselben entstanden, nicht aber vorher schon dagewesen. Man glaubte, dass die Krebsjauche das Semen zerstöre, ferner, dass der vom Carcinom auf das Uterusgewebe ausgeübte Reiz die Einnistung des Ries verhindere und dergl. mehr. Derartige Einflüsse haben vielleicht für einzelne, keineswegs aber für alle Fälle Geltung. Es ist nämlich wiederholt von glaubwürdigen Autoren Conceptionseintritt bei vorhan- denem Krebs des Scheidentheiles beobachtet worden. Absolut unmöglich ist Conception wohl nur dann, wenn die carcinomatösen Wucherungen den Cervicalcanal gänzlich verlegen und den Eintritt des Sperma ver- hindern. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass Carcinome gar keinen hemmenden Einfluss auf Schwangerschaftseintritt ausüben. Sicherlich thun sie das, da doch sonst das Zusammentreffen von Krebs und Schwangerschaft häufiger beobachtet werden müsste. Hauptsächlich hin- dern wohl die Blutungen, die gerade durch den Coitus von neuem an- gefacht und verstärkt werden, den Eintritt des Sperma; auch mag in anderen Fällen die Erkrankung ohne dass wir es wissen, bereits auf die Schleimhaut des Uteruskörpers fortgeschritten sein und die Festsetzung des Eies unmöglich machen. Entgegen der allgemeinen Ansicht nun, dass Careinome des Gebär- mutterhalses hemmend auf Schwangerschaftseintritt einwirken, glaubte Cohnstein?), dieselben übten einen, die Conception geradezu be- !) Transact. of the Obstetr. Soc. of London Vol. XX. SrArcch. i. Gyn. Bd. V. 4 Jahres-Bericht günstigenden Einfluss aus. Er hatte nämlich gefunden, dass von 58 Frauen zur Zeit der letzten, mit Gebärmutterkrebs complieirten Geburt 16 zwischen 27 bis 33 Jahren, 19 zwischen 34 bis 37 Jahren und 23 zwischen 358 bis 49 Jahren alt waren und meinte nun, weil der Gebärmutterkrebs vor dem 30. Jahre und ebenso Schwangerschaft nach dem 38. Lebens- jahre selten sei, so müsse dieses häufige Zusammentreffen von Krebs und Schwangerschaft vor dem 30. und jenseits des 38. Lebensjahres für eine die Conception fördernde Einwirkung der Uteruscarcinome sprechen. Die Richtigkeit dieses Schlusses möchte ich für meinen Theil sehr be- zweifeln und eine Erklärung für die relative Häufigkeit dieser Com- plication vor dem 33. und jenseits des 38. Lebensjahres darin suchen, dass die Zeit vom 20. bis Mitte der 30er Lebensjahre eben die Zeit der grössten Fertilität des Weibes, dagegen die Zeit jenseits des 38. Lebens- jahres eben die Zeit der grössten Frequenz der Uteruscareinome ist, so dass ein häufigeres Zusammentreffen von Krebs und Schwangerschaft in diesen Lebensperioden nichts‘ Auffallendes an sich hat. Cohnstein suchte den Grund der Erleichterung des Conceptions-Eintrittes in dem Umstande, dass Careinome des Scheidentheiles die Oeffnung des Mutter- mundes steigern, die in den Mutterhalskanal vortretenden Schleimhaut- falten ausgleichen und dadurch das Eindringen des Sperma begünstigen. Nun, m. H., wäre der Vorgang wirklich ein so einfacher, dann liesse sich nicht absehen, warum Careinome nicht häufiger bei Schwangeren angetroffen werden. Gelegenheit dazu ist ja leider bei der grossen Ver- breitung der Uteruscareinome zwischen dem 30. und 40. Lebensjahre häufig genug gegeben. Nach alledem müssen wir im Gegensatz zu Cohnstein dem Krebs des Scheidentheiles einen die Conception hemmenden Ein- fluss zuerkennen. Was nun weiter die Diagnose der Schwangerschafts- Careinome betrifft, so unterscheidet sich dieselbe in nichts von derjenigen der Carcinome ausserhalb der Gravidität. Wir finden ganz dieselben Formen, und zwar hauptsächlich den Epithelkrebs — als eigentliches Cancroid und als Blumenkohlgewächs — und den parenchymatösen oder infiltrirten Krebs; letzteren entweder in Form einzelner harter, tiefsitzender Knoten, oder diffus im Gewebe der Portio verbreitet. Es würde mich hier zu weit führen, der Frage näher zu treten, ob der infiltrirte Krebs gleich- falls ein Epithel- oder Bindegewebskrebs sei, ferner ob die Scheidentheil- Careinome, wie Ruge und Veit‘) wollen, überhaupt keine Epithel-, sondern entweder Bindegewebs- oder Drüsenkrebse seien. Letztere Hypothese scheint mir durch die von Ruge und Veit vorgebrachten Argumente durchaus nicht genügend gestützt und die alte Waldeyer- Thiersch’sche Ansicht über die Abstammung der Careinome von Epithelien ‘) Zeitschr. f. Gyn. ete. II. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 5 dadurch keineswegs erschüttert zu sein. In Kürze sei hier noch der Ruge-Veit’schen Anschauung über die Bedeutung papillärer Erosionen des Scheidentheiles Erwähnung gethan. Ruge und Veit glaubten, weil sie bei diesen Erosionen atypische, drüsenförmig in die Tiefe wuchernde Epithelwucherungen fanden, es hier mit den Anfangsstadien des Carcinoms zu thun zu haben. Mögen nun auch manche Carcinome thatsächlich in dieser Weise beginnen, so geht es, wie besonders Spiegelberg hervor- hob, doch nicht an, aus der Anwesenheit drüsenförmiger Epithel - Neu- bildungen sofort den Beginn eines Carcinoms herleiten zu wollen. Es ist bekannt, wie schwer oft den Anatomen die Entscheidung wird, ob im gegebenen Falle eine gutartige drüsige, oder maligne carcinomatöse Wucherung vorliegt; hier entscheidet eben nur der klinische Verlauf über den Charakter der Neubildung. Stellt sich Härte, Geschwulstbildung, Zerfall u. s. w. ein, so hat man es mit einem Carcinom zu thun, fehlen diese Symptome, wie es ja bei papillären Erosionen überwiegend häufig der Fall ist, dann muss der Process als gutartiger angesprochen werden. Es drängt sich uns nun die weitere Frage auf, ob Gravidität auf die Entwickelung der Carcinome, und umgekehrt, ob Carcinome auf den Fortgang der Gravidität einen Einfluss ausüben resp. welchen? In beiden Punkten widersprechen sich die Angaben der Autoren mannigfach. So wurde von der einen Seite bemerkt, dass Careinome in der Schwanger- schaft sehr rasches Wachsthum und rapiden Zerfall erkennen liessen und die Ursache hierfür in dem grossen Blutreichthum der Geschlechtsorgane, in der nutritiven Reizung ete. gesucht. Von anderer Seite wurde gerade das Gegentheil behauptet, indem der Gravidität ein das Wachsthum des Krebses hemmender Einfluss zuge- schrieben wurde. Es wurden Fälle angeführt, wo in der Schwangerschaft völliger Stillstand der Neubildung oder erhebliche Verminderung resp. sänzlicher Schwund früherer Blutungen beobachtet worden war. Sieht man aber näher zu, so wird man die apodiktische Ansicht weder der einen noch der anderen Seite so ohne Weiteres gut heissen können, son- dern man wird finden, dass Careinome in der Schwangerschaft so gut wie ausserhalb derselben verschiedenes Verhalten zeigen, dass also rapides Wachsthum in dem einen, sehr langsames dagegen in dem anderen Falle sich bemerkbar macht. Es sind eben besonders die weichen Formen des Krebses, die in der Schwangerschaft so gut wie ausser derselben rasch wuchern und zerfallen, während die harten Cancroide eher stationär bleiben oder nur langsam fortschreiten, so dass wir also im Ganzen der Gravidität weder nach der einen noch anderen Richtung einen besonders hervortretenden Einfluss auf das Wachsthum des Krebses einräumen können. Hinsichtlich des Einflusses nun, den Gebärmutterkrebse auf den Ver- lauf der Gravidität ausüben sollten, wurde vielfach die Ansicht geäussert, Ö Jahres-Bericht dass die Schwangerschaft meistens durch dieselben eine vorzeitige Unter- brechung erführe. Die Ursache dieser vorzeitigen Unterbrechung suchte man theils in den Blutungen, theils in der erhöhten Congestion nach den Genitalien, ferner in dem Uebergreifen der Neubildung auf den unteren Gebärmutterabschnitt, wodurch dessen für die Aufnahme des Eies nöthige Entfaltung verhindert werde und dergleichen mehr. Entgegen diesen An- sichten ergaben jedoch die Zusammenstellungen Cohnstein’s, dass in der Mehrzahl der Fälle die Schwangerschaft ihren ungestörten Verlauf nehme, indem unter 100 Fällen 68 Mal die Geburt am rechtzeitigen Ende, je 15 Mal Abort und Frühgeburt und zwei Mal Spätgeburt erfolgte. Dabei ist nicht einmal bemerkt, ob nicht in dem einen oder anderen Falle von Abort resp. Frühgeburt unzweckmässige therapeutische Eingriffe zur vorzeitigen Unterbrechung führten. Eine ungünstige Einwirkung auf den Verlauf der Schwangerschaft sollte man wohl & priori in den Fällen erwarten, in denen die Wucherungen sich auf den Uteruskörper in grösserem Umfange fortsetzen, obwohl Cohnstein auch für diese Fälle mit fort- geschrittener Desorganisation nur 29 °/, vorzeitiger Unterbreehungen fand. Die Mehrzahl der Schwangerschaften bei Uteruscareinom nimmt demnach ihren ungestörten Fortgang bis zum normalen Ende. Wie verhalten wir uns nun den mit Carcinom complieirten Schwanger- schaften gegenüber? Soll eine solche Schwangerschaft künstlich unter- brochen werden, oder sollen wir einfach zuwarten, oder soll das Carecinom operativ entfernt werden? So lange man noch der Ansicht war, dass Gebärmutterkrebs ohnehin zu vorzeitiger Schwangerschafts-Unterbrechung führe, musste es als ein rationelles Verfahren erscheinen, einen möglichst frühzeitigen Abort her- beizuführen, um die Mutter vor weiteren Insulten zu schützen. Ein solches Verfahren musste sich um so mehr Geltung verschaffen, als noch mannig- fach in früherer Zeit die Anschauung gehegt wurde, dass bei Carcinose der Mutter auch der Foetus bereits inficirt und erblich belastet, an dessen Leben also nicht viel verloren sei. Seitdem man aber weiss, dass careino- matöse Mütter völlig gesunde Kinder gebären können, seitdem man ferner die Erfahrung gemacht hat, dass nach Aborten sehr oft das Wachsthum der Neubildung, die Blutung, Jauchung etc. rasch zunehmen, seitdem ist man von der Einleitung des Abortes immer mehr zurückgekommen., Neuerdings empfiehlt zwar Herman (l. ec.) den künstlichen Abort wieder, weil er weniger Gefahren für die Mutter mit sich bringe, als die recht- zeitige Geburt. Er vergisst aber dabei, dass der Abort ohne Weiteres das Leben der Frucht opfert und der Mutter nicht den geringsten Nutzen bringt. Aus demselben Grunde wie den künstlichen Abort müssen wir auch die künstliche Frühgeburt verwerfen. Man glaubte durch die künst- liche Frühgeburt einerseits ein lebensfähiges Kind zu erhalten und anderer- seits die bei rechtzeitiger Geburt drohende Gefahr der Quetschung und nn rn mn ——— —— ’ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7 Zertrümmerung der Neubildung erheblich zu verringern. Aber seitdem man kennen gelernt hat, wie leicht Frühgeborene bei längerer Geburts- dauer — und das ist«bei Gebärmutterkrebs fast immer der Fall — zu Grunde gehen, und wie leicht sie in der ersten Lebenszeit selbst kleinen Schädliehkeiten erliegen, seitdem man ferner erfahren hatte, dass bei Frühgeburt die gleichen Zertrimmerungen stattfinden, wie bei recht- zeitiger Geburt, weil ja das Hinderniss nicht durch die Grösse der Frucht, sondern durch die Härte und Unnachgiebigkeit der erkrankten Partien gegeben ist, seitdem ist man immer mehr von der künstlichen Frühgeburt zurück und zu dem Prineip gekommen, die Schwangerschaft ihren unge- störten Verlauf nehmen zu lassen. Höchstens in denjenigen Fällen dürfte der künstliche Abort resp. Frühgeburt erlaubt sein, in denen unerträgliche Leiden, wie schwere Blutungen ete. das Leben der Mutter bedrohen, obzwar wir uns nicht verhehlen dürfen, dass mit der Aufstellung dieser Indieation der subjeetiven Auffassung des Begriffes ‚‚unerträgliche Leiden“ Thür und Thor geöffnet wird. Was soll nun aber denn gegen die Neubildung unternommen werden? Zwei Wege liegen hier offen vor uns: entweder wir verhalten uns ex- ' speetativ, oder wir operiren. Vor noch nicht gar zu langer Zeit wurde fast allgemein der erste Weg, der des Abwartens, eingeschlagen, indem man entweder Operationen in der Schwangerschaft überhaupt für zu gefährlich hielt, oder durch den Eingriff die Schwangerschaft zu unter- ' brechen befürchtete. Zumal bei Carcinomen, die anscheinend keinen ı oder nur sehr langsamen Fortschritt machten, hielt man die exspectative | Behandlung für die einzig richtige. Andere Geburtshelfer waren zwar | der Ansicht, dass die Neubildung entfernt werden müsse, wollten aber | die Operation erst am Schwangerschaftsende resp. Geburtsbeginn ausge- ‚ führt wissen, da auch sie sich vor der Sehwangerschafts-Unterbrechung | fürehteten. Nun, diese Befürchtung ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre über den Einfluss von Eingriffen an den Genitalien auf den Fort- sang der Schwangerschaft nicht mehr so gross. Wir wissen jetzt, dass selbst grössere Operationen den Verlauf der Gravidität durchaus nicht zu unterbrechen brauchen, jä dass die Mehrzahl der letzteren dem- ungeachtet ungestört verläuft. Nach Herman’s Zusammenstellung er- folgte unter zehn Fällen, in denen das Careinom in der Schwanger- schaft operativ entfernt wurde, vier Mal Schwangerschafts-Unterbreehung, aber es fragt sich noch, ob diese vier Operationen auch schonend genug ausgeführt worden waren und ob wirklich die Schwangerschafts-Unter- brechung jedes Mal Folge der Operation war. Für unsere Eingangs er- zählte Beobachtung glaubten wir, trotzdem die Geburt drei Tage nach der Operation begann, diesen Zusammenhang zurückweisen zu müssen, da ı ohnehin die Schwangerschaft abgelaufen und der Geburtsbeginn stündlich ı zu erwarten war. S Jahres-Bericht Nachdem nun für uns die Furcht vor Schwangerschafts-Unterbrechung wegfällt, möchten wir als rationellste Behandlung die empfehlen, Schwanger- schafts-Careinome sofort dann, wenn sie uns zu Gesicht kom- men, operativ zu entfernen, und nicht erst das Schwangerschafts- ende abzuwarten. Denn wenn überhaupt bei Careinomen noch etwas gerettet werden kann, so kann dies nur durch sofortige Hilfe geschehen. Wir alle wissen, wie rasch Carcinome, auch ohne dass wir es makro- skopisch erkennen können, sich peripher und in die Tiefe ausbreiten, wir wissen, wie oft Operateure, die bei Carcinom-Exstirpationen im Gesunden zu operiren glaubten, sich nachträglich vom Gegentheil über- zeugen mussten. Darum möchten wir ganz besonders die oberflächlichen, langsam wuchernden Careinome, die man früher einer abwartenden Be- handlung unterwarf, zur sofortigen Exstirpation empfehlen, da mit jedem Tag ferneren Zuwartens der weiteren Ausbreitung der Neubildung Raum geboten wird. Nachtheile kann ein solches Verfahren wohl kaum, dafür aber nur Vortheile im Gefolge haben. Höchstens dass wir einmal in die Lage kommen, im Verlaufe der Gravidität noch einmal wegen eines Reeidives operiren zu müssen (nach Herman bisher einmal nöthig ge- wesen). Hat man nun aber ein Careinom aus irgend welchem Grunde wäh- rend der Gravidität unberührt gelassen, so fragt es sich, ob ein solches Verhalten auch dann noch gerechtfertigt ist, wenn die Geburt sich ein- stellt. Entschieden möchten wir diese Frage verneinen und die Forderung aufstellen, alle diejenigen Carcinome, die überhaupt noch zu entfernen sind, gleich im Beginne oder wenigstens im Ver- laufe der Geburt abzutragen. Denn was geschieht, wenn die Neubildung stehen bleibt? Nun, ın. H., der Verlauf einer solchen Geburt hängt natürlich ab vom Sitz und der Ausdehnung der Neubildung. Ist die Erkrankung nur auf den Mutter- mundssaum beschränkt, so kann die Canalisation des Scheidentheils und die Austreibung der Frucht ungestört von Statten gehen; jedoch wird es kaum ohne Quetschung des erkrankten Theiles abgehen, was immerhin - für das weitere Verhalten der Neubildung nicht gerade vortheilhaft ist. In gleicher Weise kann die Geburt ohne erhebliche Störung verlaufen, wenn nur eine Muttermundslippe in vielleicht nicht gar zu grosser Aus- dehnung ergriffen ist. Aber hier ist doch schon eine verzögerte Eröffnungs- periode und bedeutendere Quetschung resp. Zertrümmerung beim Durch- tritt der Frucht zu erwarten. Warum also nicht lieber vorher diese Ge- fahren durch Entfernung der Geschwulst beseitigen? Beide Gefahren, ver- zögerte Eröffnung und schwere Läsionen, sind in noch viel höherem Maasse zu erwarten, wenn beide Muttermundslippen ringsum ergriffen sind. Alsdann wird zwar, wie dies Spiegelberg treffend schildert, „‚der obere und grösste Theil des Mutterhalses eröffnet und gedehnt, jener der Schles. Gesellschaft für vaterl. QCultur. 9 Ring aber leistet hartnäckigen Widerstand. Wohl wird er unter dem andrängenden Kopfe bisweilen etwas weiter, aber doch nicht genügend weit; er wird durchbrochen, zertrümmert, oder was die Regel, die Ge- burtsthätigkeit erlahmt, Metritis entwickelt sieh.“ Quellmittel und dergl. sind bei der absoluten Starre der erkrankten Gewebe völlig nutzlos. Hier muss also unbedingt alles Krankhafte entfernt werden, und zwar der leichteren Blutstillung wegen am besten mit der Glühschlinge oder dem Thermokauter. Ist es nicht möglich, alles Krankhafte zu beseitigen, so wird man seine Zuflucht zu Ineisionen nehmen müssen. Aber, m. H., allzu viel dürfen wir auf solche Ineisionen auch nicht vertrauen. Die- selben reissen oft weiter in das gesunde Gewebe hinein, zu gefährlichen Blutungen Anlass gebend; ferner darf die Möglichkeit der septischen In- fection von den Schnitträndern aus nicht unberücksichtigt gelassen wer- den; endlich beseitigen die Ineisionen nicht immer das Hinderniss voll- ständig, so dass häufig noch weitere instrumentelle Nachhilfe, wie Forceps und Craniotomie nöthig wird. Dabei erleiden natürlich die er- krankten Theile wiederum einen höchst verderblichen Druck. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle davor warnen, in einem der- artigen Falle zur Wendung zu schreiten, da diese, wie aus Cohnstein’s und Herman’s Zusammenstellungen hervorgeht, für Mutter und Kind äusserst ungünstige Chancen bietet. Die bei der Einführung der Hand unvermeidliche Zertrümmerung der Neubildung macht diese Operation zu einer so unheilvollen für die Mutter, während die bei der Armlösung und Kopfentwickelung sich entgegenstellenden Hindernisse das Absterben so vieler Früchte erklärlich machen. Ueberhaupt ist in den Fällen, wo beide Muttermundslippen ergriffen sind, die Prognose für die Frucht ebenso schlimm wie für die Mutter. Vorzeitiger Blasensprung — die Folge der Unnachgiebigkeit des Collum uteri — zögernde Geburt, instrumentelle Eingriffe ete. gefährden in hohem Maasse das kindliche Leben. Es drängt sich demnach hier die Frage auf, ob man nicht in solchen Fällen, in denen die Geburt übermässig lange zögert und nicht ohne Aufopferung der Frucht vollendbar scheint, lieber zum Kaiserschnitt seine Zuflucht nehmen will, da ja das Leben der Mutter ohnehin als verlorenes zu be- trachten ist. Wenigstens würden wir fast immer ein lebendes Kind er- halten. Bis vor Kurzem freilich hatte sich nur ein kleiner Theil der Geburtshelfer entschliessen können, die Sectio caesarea für die eben besprochenen Fälle zu empfehlen; fast allgemein wurde diese Operation noch für so furchtbar gehalten, dass man sie nur in den extremsten Lagen anwenden zu dürfen glaubte. Allmälig scheint sich aber doch in der letzten Zeit ein Umschwung der Ansichten zu Gunsten des Kaiser- schnittes bemerkbar zu machen, da man von Tag zu Tag mehr einsieht, dass auch die Geburt per vias naturales kaum günstigere Aussichten für die Mutter eröffnet, als die Sectio caesarea. Während nun über die 10 Jahres-Bericht Zulässigkeit des Kaiserschnittes in den letzteren Fällen noch Meinungs- differenzen bestehen, ist man wohl allgemein darüber einig, dass diese Operation in allen den Fällen Platz greifen muss, in welchen das ganze Terrain bis zum inneren Muttermund ergriffen ist, oder die Neubildung sogar auf das untere Uterussegment oder in grösserem Umfange auf die Scheide übergegriffen hat. Hier ist die ganze Cervicalwand ein starrer unnachgiebiger Ring, den auch eine verkleinerte Frucht nicht passiren kann. Die Abtragung eines Stückes der Neubildung nützt gar nichts, da die obere, absolut undehnbare Partie dennoch stehen bleiben müsste. Ineisionen in diese obere Partie müssten, wenn sie überhaupt etwas nützen sollten, so tief geführt werden, dass eine Verletzung des Peri- toneum fast unvermeidlich wäre. Ein Versuch, durch Aufopferung des Kindes die Mutter zu retten, würde der letzteren theuer zu stehen kommen. Gänzliche Zertrümmerung und Verjauchung der Neubildung, vielleicht auch Ruptur des unteren Uterusabschnittes würde die Folge sein. Wozu also Mutter und Kind opfern? Hier muss demnach unsere erste Sorge dem Kinde zugewandt werden, und dies kann erfolgreich nur dann ge- schehen, wenn wir uns zum Kaiserschnitte entschliessen. Diese, Vielen noch grausam erscheinende Operation hat keineswegs die grossen Ge- fahren mehr, die ihr allerdings noch vor wenigen Jahren zukamen, Handelt es sich blos darum, die Mutter mit einiger Sicherheit über die Gefahren der Geburt und des Wochenbettes hinwegzubringen, so haben wir in der Porro’schen Methode des Kaiserschnittes ein vortrefilliches Mittel, das, wie Sie wissen, darin besteht, dass man zur Verhütung der Nachblutung aus den Uteruswundrändern oder des Uebertrittes von Jauchemassen in die Peritonealhöhle sofort an die Sectio caesarea die Abtragung des Uterus und die Befestigung des Stumpfes in der Bauch- wunde anschliesst. Freilich würde für die Mutter damit nur ein kurzer und zweifelhafter Gewinn erreicht werden. Ob die Freund ’sche Totalexstirpation des Uterus unmittelbar post partum zulässig sei, wage ich hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheint mir die in der Geburt doppelt grosse Gefahr der Blutung und Infection ein ernstes Bedenken gegen diese Operation abzugeben. Auch ist zu erwägen, dass in Folge der in puerperio völlig veränderten anato- mischen Lage der Beckenorgane Verletzungen wichtiger Gebilde viel- leicht leichter und häufiger stattfinden könnten. Endlich ist ja die Freund’sche Operation ohnehin in den Fällen ausgeschlossen, wo die Neubildung entweder auf die Scheide oder aber, was bei den hoch hinaufgewucherten Carcinomen so häufig der Fall ist, auf das para- metrane Gewebe übergegangen ist. Mögen wir nun den Kaiserschnitt machen wie wir wollen. keinesfalls werden die Resultate schlechter sein, als beim Versuche, die Frucht per vias naturales zu entwickeln. Natürlich sind die Vortheile der Sectio der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 11 caesarea nur momentane. Der weitere Verlauf solcher weit gewucherter Carcinome ist selbstverständlich immer ein absolut infauster. Aber nicht blos bei den weit fortgeschrittenen Careinomen allein, sondern auch bei den weniger umfangreichen, bei denen die Geburt auf natürlichem Wege erfolgte, ist die fernere Prognose höchst ungünstig. Ein beträcht- licher Theil der Mütter ging direct an den Folgen der Verletzungen, zumeist an septischer Infeetion zu Grunde; ein anderer Theil erlag in den nächsten Wochen nach der Geburt den fortgesetzten Blutungen u. s. w., der übrige Theil erlag mehr oder minder bald der fortschreitenden Krank- heit resp. rasch auftretenden Recidiven. Allgemein wurde die Beob- achtung gemacht, dass unmittelbar nach der Geburt ein besonders rapides Wachsthum der Careinome nahezu Regel ist. Auch bei unserer Kranken ist dies, wie bereits erwähnt, der Fall. Vorzugsweise sind es wohl die Traumen der Geburt, vielleicht auch die Involutionsvorgänge des Wochen- bettes, welche diesen üblen Einfluss auf die Neubildung ausüben. Unter allen Umständen ist demnach das Zusammentreffen von Careinom mit Schwangerschaft resp. Geburt als ein höchst unheilvolles Ereigniss zu betrachten, dessen weiteren Folgen wir nahezu ohnmächtig gegenüber- stehen, Sitzung vom 6. Februar. Herr Simon spricht: Ueber ein neues Erkennungszeichen der Syphilis. Vortragender schildert eine von ihm bisher nur bei syphilitischen Per- sonen und zwar fast stets Weibern beobachteten Pigmentanomalie, welche er bereits in 34 Fällen zu sehen Gelegenheit hatte. Er stellt 10 aus- geprägte Fälle des Uebels vor, neun Frauen und einen Mann. Er be- spricht hierauf die klinischen Eigenschaften, die differentielle Diagnostik und den Werth dieses Symptoms, die Genese desselben und die Statistik des Vorkommens. Hierauf spricht derselbe: Zur Geschichte der Scabiestherapie. Die beiden neueren Hauptmittel gegen Scabies, der Perubalsam und Styrax seien, wie allgemein angenommen werde, im Jahre 1863 und 1865 von Gieffers resp. von Pastau zuerst empfohlen worden. Vortra- gender fand indessen, dass die Geschichte dieser Mittel eine weit ältere sei. Beide werden bereits 1635 von Petrus Poter in weitverbreiteten Schriften als erste und wichtigste Mittel gegen Krätze verschrieben und zwar, ebenso wie jetzt, mit oleum olivarum verdünnt. — Styrax ist schon 1583 bei Montanus, 1363 bei Guido von Cauliaco gegen Sceabies 12 Jahres-Bericht empfohlen, ja schon vor 1000 Jahren ist es von Abubeker Rhazes, geboren 860, als Krätzmittel gerühmt. Schliesslich hält Herr Berger einen Vortrag: Ueber die Erscheinungen und das Wesen des sogenannten thierischen Magnetismus. Der Vortragende hat sich, angeregt durch die Demonstrationen des Herrn Hansen, in den letzten Wochen eingehender mit eigenen Unter- suchungen über den sogenannten thierischen Magnetismus beschäftigt. Die an bekannten Collegen durch die Manipulationen des Herrn Hansen hervorgebrachte tetanische Muskelstarre musste jedem Unbefan- genen die Ueberzeugung von einer zunächst höchst merkwürdigen That- sache verschaffen, die als solche keinem bgründeten Zweifel unterliegen konnte. Indess hat Herr Heidenhain in seinem in der jüngsten allgemeinen Sitzung der schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur gehaltenen lichtvollen Vortrage, der jetzt auch bereits gedruckt vorliegt, die Resultate seiner hochinteressanten Untersuchungen über den- selben Gegenstand mitgetheilt und an einzelnen „‚Fällen‘ die wesent- lichsten Symptome demonstrirt, deren pathologische Physiologie aus- einandergesetzt und am Schluss einen Erklärungsversuch für die Genese des ganzen Symptomencomplexes gegeben. Der Vortragende hat sich bei seinen Versuchen streng an die von Herrn Hansen geübte Procedur gehalten. Das ruhige Anstarren eines glänzenden Objectes (z. B. des Hansen’schen Knopfes) erscheint ihm besonders dann von Wichtigkeit für die Herbeiführung des Zustandes, wenn der Gegenstand möglichst nahe den Augen gehalten wird und so eine intensive Accomoda- tionsanstrengung längere Zeit stattfindet. Die weiteren „‚magne- tischen‘‘ Hantirungen des Herrn Hansen ersetzt er meist durch das Auf- legen der warmen Hand auf Stirn oder Scheitel, während das Be- streichen im Gesicht und an den Extremitäten nur den Zweck hat, bei bereits eingetretenem Zustande die gesteigerte Reflexerregbarkeit der betreffenden Muskeln zur Erscheinung zu bringen, resp. den leichten - Rigor der Muskeln in tetanische Starre zu verwandeln. Das Senso- rium ist während des hypnotischen Zustandes keineswegs in allen Fällen aufgehoben, in manchen bleibt dasselbe sogar vollsändig ungetrübt. Während diejenige Klasse von Individuen, welche im hypnotischen Zustande einen mehr minder hochgradigen Torpor der Gross- hirnrinde zeigen, eine zwar sehr intensive, doch nicht absolute, übrigens über die gesammte Hautoberfläche gleichmässig verbreitete Analgesie darbieten, zeigt sich im Gegentheil bei denjenigen, die ihr Bewusstsein bewahren, eine ausgesprochene Hyperalgesie. Die bekannten lokalen Hautreflexe sind meist unverändert, der Patellarreflex häufig sehr bedeutend gesteigert. Die elektrische Erregbarkeit weist keine der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13 wesentlichen Veränderungen auf. Gewissermassen als Fundamentalversuch bezeichnet der Vortragende die Versuchsanordnung, geeignete Indi- viduen aus dem physiologischen Schlafe in den Zustand des Hypnotismus überzuführen. Gerade dieser Versuch beweist den Unterschied zwischen dem normalen Schlafe und dem experimentell her- vorgerufenen Zustande, so dass die Bezeichnung „Hypnotismus“ vom symptomatischen Standpunkte aus durchaus nicht zutreffend erscheint, vielmehr ist die auch von Herrn Heidenhain befürwortete Benennung „Experimentelle Katalepsie“ die richtigste. So wie verschiedene Abstufungen des hypnotischen Zustandes existiren, so bietet auch das klinische Bild der Katalepsie ähnliche individuelle Verschiedenheiten dar; nach eigenen Beobachtungen des Vortragenden aber ist die voll- ständige Analogie beider Zustände zu statuiren. Die experimentelle Katalepsie kann aber nicht nur durch die Einwirkung des menschlichen Körpers herbeigeführt werden, sondern auch eine Reihe von physika- lischen Kräften, besonders die Wärme, Elektrieität und Magnetismus zeisen dieselbe Wirkung, so dass der persönliche Einfluss des „Magnetiseurs‘ vollständig in Wegfall kommen kann. Besondere Wirkung kommt der Wärme zu, welche bei den ausgeführten Manipulationen wahrscheinlich das wesentlich wirksame Agens darstellt. So lange | die warme Hand sich auf der Stirn oder dem Scheitel der Hypnoti- | sirten. befindet, bleibt der Hypnotismus fortbestehen, auch wenn andere Reize, die ihn sonst beseitigen (Anblasen, Rütteln ete.) einwirken. Natür- ‚ lieh ist es ganz gleichgiltig, wem die ‚„‚magnetisirende‘“ Hand angehört ‚ und sie kann selbstverständlich auch durch die oben erwähnten physika- | lischen Mittel, insbesondere durch eine über dem Kopfe des Betreffenden befindliche wärmestrahlende Platte ersetzt werden; auch ein Kata- plasma leistet unter Anderem dieselben Dienste. Einzelne Hypnotisirte , ahmen auch Husten und Niesen mit Erfolg nach, und durch gewisse | Methoden, besonders durch Auflegen der warmen Hand in die Nacken- segend, innerhalb eines bestimmten Rayons, oder durch entsprechend lokale Anwendung strahlender Wärme, durch starke sensible und akustische , Reize, wird der Hypnotisirte schliesslich aus einem Nachahmungsautomaten ‚auch in einen Phonographen umgewandelt, welcher alle ihm , vorgesproehenen Worte, natürlich auch in fremden Sprachen, mit monotoner Stimme wiederholt. — Geruchs- und Geschmacks- ‚Hallueinationen hat der Vortragende bei einzelnen Individuen mit ‚Sicherheit hervorrufen können. In eingehender Weise begründet der- ‘selbe seine Hypothese über das Zustandekommen des merkwürdigen Symptomencomplexes, auf Grund der von ihm beobachteten Thatsachen und mit Zuhülfenahme anderweitiger pathologischer Erfahrungen dahin, ‚dass es sich dabei um eine, durch die genannten Reize her- ‚beigeführte Exaltation der infracorticalen und spinalen 14 Jahres-Bericht Centralapparate handelt. So erklärt sich ungezwungen die be- sondere von Hansen betonte Prädisposition derjenigen gesunden und muskelstarken Individuen, bei welchen diese Apparate eine besonders leiehte, eben durch die Uebung allmälig erworbene An- spruchsfähigkeit besitzen. (Soldaten, Turner ete.) Die experi- mentell herbeigeführte Exaltation der spinalen Reflex- apparate bleibt bei den Hypnotisirten noch eine Zeitlang zurück, auch ausserhalb des hypnotischen Zustandes, wie dies Herr Heidenhain hervorgehoben hat. Diese hochgradige spinale Reflex- erregbarkeit ist übrigens nicht allen Individuen eigenthümlich, sie scheint vorzugsweise für jugendliche Personen Geltung zu haben. Die Untersuchung in einer Reihe von Krankheitszuständen hat sehr interessante Ergebnisse geliefert. Hemiplegische können im hypno- tischen Zustande Bewegungen ausführen, die im normalen Zustande für sie unmöglich sind. Selbstverständlich ausgeschlossen ist die Bewegungs- fähigkeit, sobald sich ihr mechanische Hindernisse (Contracturen) entgegen- stellen. Die bekannten Erfahrungen über Mitbewegungen gelähmter Glieder bei cerebraler Hemiplegie; die bekannte Meynert sche Lehre von der funetionellen Verschiedenheit der Leitungsbahnen des Hirnschenkelfusses und der Hirnschenkelhaube (erstere die psychomotorische Bahn, letztere die Bahn der Reflexbewegungen) liefern die Erklärung für diese anfänglich höchst frappirende Thatsache. 2. Tabes- Kranke schwanken auch bei vollständiger hypnotischer Be- wusstlosigkeit in gleicher Weise, wie ausserhalb dieses Zustandes, sobald die Augen geschlossen werden. Dies beweist, dass die Regulation unserer Bewegungen vermittelst des einfallenden Lichtes keine bewusste ist, d. h. dass sie nicht im cortiecalen Seheentrum, sondern in den infracortiecalen Seh-Apparaten (dem als wichtiger CoordinationsApparat allseitig anerkannten Vierhügel) vermittelt wird. Die Angabe in der Literatur, dass auch absolut amaurotische Tabiker das Romberg’sche Phänomen darbieten, ist wohl nicht zu- treffend; wohl aber wird dies möglich und verständlich sein bei solchen Kranken mit vorgeschrittener Sehnerven-Atrophie, die überhaupt noch Liehtempfindung haben. — Lässt man den hypnotisirten Tabiker eine Zeitlang mit geöffneten Augen im hellen Raume verharren, so zeigt er nach dem Erwachen aus der Hypnose, allerdings nur für ganz kurze Zeit, eine momentane, höchst auffallende Besserung seiner Coordina- tionsstörung, die wohl dadurch zu erklären ist, dass während des hypno- tischen Zustandes der eoordinatorisch wirkende Vierhügel gleichsam roborirt wird, da ja die Nebenschliessung zur Gross-Hirnrinde ausgeschaltet ist, oder wenigstens nicht in normaler Weise fungirt. Je nach dem Grade der spinalen Erkrankung und der dadurch gesetzten Leitungsunterbrechung wird sich dieses Verhalten bei differenten Fällen natürlich auch ver- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 15 schieden gestalten müssen. 3. Im hypnotischen Zustande können unter Umständen Individuen auch mit peripher gelähmten Gliedern eine grössere Energie der (Nachahmungs-) Bewegungen darbieten, als im wachen Zustand. — Nachdem der Vortragende zum Schluss noch die Beziehungen der experimentellen Katalepsie zu bestimmten Krankheits- zuständen (Katalepsie, Chorea major, epidemische Volkskrankheiten) hervorgehoben und auch einige, aus den bisherigen Beobachtungen für die ärztliche Praxis vielleicht sich ergebende Gesichtspunkte kurz er- wähnt hat, erfolgte eine Demonstration, welche namentlich die Erweckung des Sprechapparates zum Gegenstand hatte. In der an diesen Vortrag sich knüpfenden Discussion bemerkt zunächst Herr Heidenhain, dass er zwar keine der von Herrn Berger bekannt ge- gsebenen Beobachtungen bezweifle, dass er aber in Beziehung auf die Deutung derselben in mancher Hinsicht abweiche. Nach seinen Beobachtungen bedürfe es zur Erzielung des hypnotischen Zustandes bei geeigneten Individuen gar keines äusserlichen Reizes. Die intensive Vorstellung, der Schlaf nahe heran, ge- nüge schon um bei hochgradig erregten Individuen denselben eintreten zu lassen. Er habe z. B. einen seiner Zuhörer, Herrn stud. med. Friedländer aufgefordert, die Augen zu schliessen und mit Ausschluss aller sonstigen Gedanken den festen Vorsatz zu fassen, hypnotisch zu werden; nach kurzer Zeit sei wirklich Hypnose eingetreten. Am 1. Februar d. J. habe er zu demselben Herrn Vormittags gesagt, er werde heute Nachmittag um 4 Uhr in seinem Zimmer von ihm hypnotisirt werden, er solle kurz vor 4 Uhr auf die Uhr sehen, um sich über die Zeit zu orientiren. Ein Verwandter des Herrn Friedländer, Herr College Rügner habe die Controle übernommen und den vollständigen Erfolg constatirt. Es ge- nüge mithin eine gewisse Spannung der Aufmerksamkeit, um Hypnose herbeizu- führen. Auf ganz dieselbe Thatsache ist selbstständig Herr Dr. Kroner gekommen. Derselbe habe „dem Vortragenden mitgetheilt, dass wenn er intensiv nur an das Herannahen des hypnotischen Zustandes denke, er an der Steifigkeit seiner Arme den wirklichen Eintritt merke. Die Schlafversuche des Herrn Berger fänden viel- leicht hierin eine ausreichende Erklärung. Sie seien an Personen, die schon oft hypnotisirt worden, angestellt. Nun wisse man ja aus dem täglichen Leben, dass ein Schlafender leicht er wache, wenn man an dessen Bett herantrete, Werde in der Nähe der schlafenden „Medien“ irgend eine Manipulation ausgeführt, welche ein, wenn auch nur unvollkommenes Erwachen herbeiführe, so könne der blosse Gedanke, dass Etwas zur Herbeiführung des Hypnotismus geschehe, schon ausreichen, um denselben wirklich eintreten zu lassen. Dass Fälle von Hypnotismus vorkämen, bei welchen das Bewusstsein er- halten sei, stehe nicht im Widerspruche mit seiner Hypothese. Die Individuen, von welchen Herr Berger gesprochen, hätten nämlich abweichend von dem von ihm beobachteten Verhalten nicht tonische Contractionen, sondern klonische Krämpfe gezeigt; möglicher weise läge hier Intermittens in den Functionen auch des Be- wusstseins vor. Aus seinen Erfahrungen wisse er, dass wenige Anhaltspunkte ‚ für den Hypnotisirten genügen, um ihn von dem Vorgefallenen zu unterrichten; ; ein intermittirender Ausfall des Bewusstseins dürfte es daher wohl ermöglichen, dass solche Individuen eine Notiz alles Geschehenen erhielten. Herr Grützner demonstrirt hierauf einige Schriftproben, die ein von ihm benutztes „Medium“ fertigte. Der Betreffende war weitsichtig und konnte nur mit Hülfe einer Convexbrille Schriftzüge und Figuren genau nachmachen. Nach- dem derselbe hypnotisirt war, wurde ein Blatt Papier vor ihn gelegt, ihm ein Bleistift in die rechte Hand gegeben und seine Augen auf das Papier gewendet. Hierauf stellte sich Herr Grützner auf die linke Seite des Hypnotisirten, und er- griff gleichfalls einen Bleistift und setzte seine Hand so auf das Papier auf, dass der Hypnotisirte Bleistift und die mit demselben ausgeführten Bewegungen sah. Als nun Herr Grützner zu schreiben begonnen, habe das Medium sofort ohne Brille mit- bzw. nachgeschrieben. 16 Jahres-Bericht Herr Grützner schrieb z. B.: Herr Biermer bemerkt, dass der von Herrn Berger vorgeschlagene Aus- druck: experimentelle Katalepsie die beschriebenen Zustände in sofern nicht ganz decke, als bei der gewöhnlichen Katalepsie Arme und Beine in der Stellung ver- harren, in der dieselben vor dem Anfalle sich befanden, oder in der Stellung, in die sie durch fremde Hand während des Anfalles gebracht worden seien. Bei der gewöhnlichen Katalepsie bestehe Geschmeidigkeit der Muskeln, die sogen. flexi- bilitas cerea; diese ermögliche es, dass die Glieder mit Leichtigkeit aus einer Lage in die andere gebracht werden könnten; in den von Herrn Berger er- wähnten Fällen handle es sich um tonische Contractionen, welche der Gewalt nn Widerstand leisten; zum Theil bekämen die Hypnotisirten sogar klonische rämpfe. Dem gegenüber spricht sich Herr Berger dahin aus, dass nach seinen Be- obachtungen die hypnotischen Zustände natürlich ebenso individuelle Verschieden- heiten darbieten, als die Katalepsie selbst. Er ist überzeugt, dass die Muskelstarre im hypnotischen Zustande nichts weiter ist als eine graduelle Steigerung der flexibilitas cerea bei der Katalepsie, welche letztere durch locales Streichen inner- halb weniger Secunden in den tetanischen Krampfzustand übergeführt werden kann. Auf eine eingehende Besprechung weiterer Analogien der „experimentellen Kata- lepsie“ in verschiedenen Krankheitszuständen gedenkt Herr Berger demnächst zurückzukommen. Sitzung vom 18. Februar 1880. Fortsetzung der Discussion zu dem Vortrage des Herrn Berger: Ueber die Erscheinungen des sogenannten thierischen Magnetismus, welche in der Sitzung am 6. Februar vertagt worden war. Herr Heidenhain ergriff znnächst das Wort und betonte, dass das Gebiet des Hypnotismus ein noch so neues sei, dass es sich ganz von selbst verstehe, dass jeder, der sich mit der Sache befasse, sich zunächst gewisse Ansichten bilde, die er gern zu corrigiren bereit sei, sobald neue Erfahrungen und Beobachtungen mitgetheilt werden. * 1 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. YQq Anfangs habe er den Standpunkt vertreten, dass es sich bei den Erscheinungen des Hypnotismus um den Fortfall der hemmenden Einwirkungen der Grosshirnrinde auf den motorischen Apparat handle, vermöge dessen dieser in den Zustand er- höhter Reflex-Erregbarkeit gerathe. Er sehe in der Annahme des Herrn Berger, dass die Erhöhung der Reflex-Erregbarkeit der infracorticalen Centren durch eine directe Reizung zu Stande komme, keinen prineipiellen Unterschied mit der seinigen; denn da auch bei blossem Wegfall des hemmenden Einflusses der Gross- hirnrinde eine Erregbarkeitssteigerung der untergeordneten Centren zu Stande komme, so könne man nur darüber verschiedener Ansicht sein, ob diese Steigerung eenüge, alle beobachteten Erscheinungen zu erklären, oder ‘ob man gezwungen sei, noch eine directe Errcgbarkeitssteigerung in Anspruch zu nehmen, wozu er bis Jetzt keinen Anlass habe. Der Ansicht des Herrin Berger, nach welcher hypnotische Erscheinungen auch bei völlig intactem Bewusstsein zu Stande kommen könnten, trete er bei, nachdem er inzwischen Gelegenheit gehabt hätte, diesbezügliche Beobachtungen zu machen. Für derartige Fälle müsse man sich daran erinnern, dass das soge- nannte Sensorium eine Vielheit von Functionen umfasse; es hindere Nichts anzu- nehmen, dass nicht alle sensorischen Functionen oleichzeitig erlöschen, sondern die von dem Willen ausgehende Hemmung der motorischen subcorticalen Mechanismen früher in Fortfall komme, als die bewusste sinnliche Wahrnehmung. Ein eingehendes Studium habe er dem Berger ’schen Sprechversuche ge- widmet, wonach bei Auflesen der Hand in der Nackengegend des hypnotischen Individuums dieses zu einem Phonographen umgewandelt werde, der mechanisch alle vorgesprochenen Worte wiederhole. Es sei indess nicht blos die Wärme, welche genannte Erscheinungen zu Stande bringe, wie Herr Berger in der vorigen Sitzung angab, es genüge schon der einfache Druck auf die Nackengegend, ausgeführt mit einer Hand, deren Temperatur niedriger sei als die des Nackens, um zu dem nämlichen Resultate zu führen. Der Berger’sche Versuch schien anfangs aller Deutung zu spotten. Doch habe sich schliesslich ein Anhaltspunkt zu einer solchen in dem bekannten Goltz’- schen Quakversuche ergeben. Herr Goltz habe nämlich vor Jahren gefunden und dies zuerst auf der Naturforscherversammlung zu Hannover mitgetheilt, dass ein Frosch, welchem die Grosshirnhemisphären exstirpirt sind, jedesmal quake, so- bald die Rückenhaut zwischen den Schulterblättern leise gestrichen und dadurch eine Zerrung ihrer sensiblen Nerven herbeigeführt werde. Aus dieser Beobachtung ergebe sich, dass ein reflectorischer Zusammenhang zwischen gewissen sensiblen Nerven der Rückenhaut und dem motorischen Lautapparate im verlängerten Marke bestehe. Nach Ansicht des Redners besteht ein ähnlicher Zusammenhang auch beim Menschen zwischen den sensiblen Nerven des Nackens und dem Lautcentrum. Denn er habe die Beobachtung gemacht, dass eine Reihe hypnotisirter Personen reflectorisch einen quarrenden oder stöhnenden Ton von sich gebe, sobald die Nackenhaut in der- Gegend des vierten bis siebenten Halswirbels unter geradem Drucke abwärts gezogen werde. Dieser Ton werde durch eine kräftige Exspi- ration erzeugt und lasse sich beliebig oft wiederholen. Nach den Beobachtungen von Herrn Goltz machen Hunde, deren Rücken- mark in der Höhe des zwölften Brustwirbels durchschnitten sei, nach vollständiger Heilung der Wunde eine Reihe von Reflexbewegungen aın Hinterkörper unter Vermittelung des von dem übrigen-Centralvervensystem isolirten Lendenwirbels als refleetorischen Centrums. Wenn man bei solchen Thieren die Rückenhaut auf einer Seite neben den Lendenwirbeln kratze, so machen dieselben mit dem gleich- seitigen Hinterbeine eine reflectorische Kratzbewegung; beim Kitzeln der Perinäal- gegend entleere sich refleetorisch die Harnblase ete. Beide Reflexe kommen oft bei hypnotisirten Menschen vor. Werde eine stehende Versuchsperson hypnotisirt und die Haut neben den Dornfortsätzen der letzten Lendenwirbel gezerrt, so be- wege sich das gleichseitige Bein scharrend rückwärts; reize man abwechselnd die betreffende Hautstelle auf beiden Seiten, so schreiten abwechselnd beide Beine rückwärts. Der Quakversuch, welcher in Verfolgung des Berger’schen Sprechversuchs ausgeführt wurde, habe Redner noch zu weiteren Entdeckungen geführt, die sich ‚an eine Angabe von Weinhold anschliessen. Werde bei einem Hypnotisirten die Gegend des Magens mit dem Finger ab- ‚ wärts zerrend gestrichen, so gebe derselbe einen quarrenden und stöhnenden Ex- ‘ spirationslaut von sich. Spreche man mit einem Schalltrichter, um die Schall- 1880. 2 18 Jahres-Bericht wellen auf einen kleinen Raum zu concentriren, gegen den Nacken oder gegen die Magengegend, so würden die gesprochenen Laute oder Worte wiederholt, gleich- viel ob sie für den Hypnotisirten einen Sinn haben oder nicht, spreche man da- gegen gegen den Hinterkopf oder in die Ohren, so erfolge kein Nachsprechen. Der Bezirk in der Magengegend, von dem aus Quarren erfolge, sei ein sehr begrenzter; derselbe beginne etwa 2 Finger unter dera Brustbein, erstrecke sich in der Mittellinie des Körpers etwa 2 Zoll abwärts, während er ungefähr ebenso- weit nach rechts und links reiche. Man könne den empfindlichen Bezirk einiger- massen umgrenzen, wenn man ihn mit einer tönenden Stimmgabel abfasste, indem man den Knopf derselben auf die Bauchwand setze. So lange der Knopf der Stimmgabel sich in der empfindlichen Region befinde, gebe auch die Versuchs- person einen Ton von sich. Die Percussion ergebe, dass der auf diese Weise ab- gegrenzte Bezirk auf die Gegend der vorderen Magenwand falle. Die sensiblen Nerven des Magens seien allein an der Erscheinung betheiligt, wären es auch die Hautnerven, so müsste sich der empfindliche Bezirk entsprechend der anatomischen Verbreitung der Hautnerven ausdehnen, wovon keine Rede sei. Da nun die sensiblen Nerven des Magens vom N. vagus abstammen, so sei zu er- warten gewesen, dass auch andere peripherische Verbreitungsbezirke derselben Nerven Lautreactionen hervorrufen. In der That giebt nun auch eine Versuchs- person einen Laut von sich, sobald man mit dem Finger die Gegend des Kehl- kopfes streicht. Spreche man gegen den Kehlkopf, so erfolge undeutliches Nach- sprechen, dasselbe sei deutlicher, wenn man in den geöffneten Mund hinein gegen die hintere Rachenwand spreche, Da nun in der Magenwand, am Kehlkopfe und der hinteren Rachenwand sensible Aeste des Vagus sich verbreiten, so lasse sich annehmen, dass auch in der Nackengegend die wirksamen sensiblen Fasern aus dem Vagus stammen, wenigstens beschreibe die Anatomie Anastomosen zwischen dem Vagus und dem Halsnervengeflechte, deren Bedeutung bisher unbekannt geblieben sei. Schliesslich theilte Herr Heidenhain noch einige Beobachtungen mit, die die Aufhebung der Muskelkrämpfe bei Hypnotischen betreffen. Derselbe fand näm- lich, dass der Krampf der Hypnotischen, wenn er nicht zu intensiv, sich durch Be- rührung mit einem kühlen Gegenstande aufheben lasse. Werde z. B. der eine Arm eines geeigneten Individuums durch Streichen direet in Krampfzustand ver- setzt und sei der Krampf bereits auf den andern Arm übergegangen, so genüge es, auf einen der beiden Arme ein kaltes Geldstück oder ein Stück kalten Glases ete. zu legen, um nach wenigen Secunden den direct berührten, bald darauf auch den anderen Arm erschlaffen zu sehen. Berühre man ferner die Stirn eines Hypno- tischen, dessen Augen und Mund krampfhaft geschlossen sind, mit einem Stück kühlen Glases von einigen Quadratcentimetern Fläche, so öffnen sich sowohl Augen und Mund, während die Hypnose noch fortdaure. Die Angabe Hansens, dass muskelstarke und muskelgeübte Individuen sehr häufig gute Medien sind, fand Herr Grützner durch Untersuchungen an Turnern etc, bestätigt: Bei einem Fechtwart begannen in der Hypnose klonische Krämpfe regelmässig in demjenigen Arme, den er zum Schlagen benutzte, die übrige Musculatur seines Körpers befand sich in geringer Spannung. Die Glieder blieben aber in den Stellungen, in welche man sie brachte. Bei einem vorzüg- lichen Reckturner trat sehr leicht klonischer Krampf beider Arme ein. Betrefis des verschiedenartigen Einflusses von scheinbar gleich temperirten und gleich intensiven Wärmequellen auf die Erzeugung der Hypnose macht Herr Grützner, insoweit es sich um strahlende Wärme handelt, darauf aufmerksam, dass man hierbei vielleicht wie beim Lichte, an die verschiedenen Qualitäten der Wärme denken könne, die möglicherweise nicht ganz gleich auf unsere Haut einwirken. Weitere Untersuchungen, die Herr Grützner im Anschluss an die oben mitgetheilten Beobachtungen Herrn Heidenhains und Bergers an Taub- stummen anstellte, ergaben Folgendes: An einigen Knaben, die noch Vocalgehör hatten, konnte festgestellt werden, dass sie caeteris paribus Vocale besser ver- standen, sobald sie ihnen unter den nöthigen Vorsichtsmassregeln gegen den Nacken oder die Magengegend, als gegen andere Theile des Kopfes oder der Brust gesprochen wurden. Ein sehr intelligenter, vollkommen tauber Knabe gab an, dass, wenn man ihm gegen den Nacken oder namentlich gegen die Magen- grube sprach, einen dumpfen Laut vernommen zu haben, den er mit einem Brummen bei geschlossenen Lippen wiedergab, während er, in anderer Weise angesprochen, entweder Nichts oder höchstens einen Hauch wahrnehmen konnte, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 19 Offenbar empfand er also die Erschütterungen seines Körpers ganz verschieden und identifieirte sie in dem einem Falle mit denjenigen, die er selbst zu empfinden gewöhnt war, wenn er ein M continuirlich aussprach. — Fast alle Taubstumme, die hypnotisirt werden konnten, hatten angenehme, glänzende Gesichtshallueina- tionen, sahen flackerndes Feuer, ein brennendes Haus etc. Herr Gscheidlen theilt mit, dass er bald nach gelungener Wiederholung der Versuche Hansens die Frage experimentell zu erledigen suchte, ob Individuen, welche bisher noch nicht hypnotisirt waren, während des physiologischen Schlafes in den hypnotischen Zustand übergeführt werden können, da ihm derartige Ver- suche nicht allein von hoher wissenschaftlicher, sondern auch eminent praktischer Bedeutung zu sein schienen; solche Versuche seien bisher noch nicht angestellt worden, denn die Versuche des Herrn Berger hätten sich nur auf die Ueber- führung des physiologischen Schlafes in den hypnotischen bei „‚Medien‘“ erstreckt. Vor dem Hypnotisiren wurden die Anzahl der Athemzüge und der Herz- schläge gezählt, sowie der Grad der Tiefe des Schlafes aus dem Eintreten bezw. Ausbleiben bestimmter Reflexe erschlossen z. B. Zurückziehen des Beins beim Kitzeln der Fusssohle. Das Hypnotisiren geschah durch Streichen des Gesichts, ohne dass dabei eine Berührung stattfand, oder durch Auflegen der eigenen warmen Hand oder der eines Assistenten. Bei sieben Individuen habe er gefunden, dass der Versuch, sie zu hypnotisiren vergeblich gewesen; es hätten sich weder Athem- züge noch der Herzschlag geändert, noch hätte es geschienen, dass eine Aenderung in den Reflexbewegungen eingetreten wäre. Diese Individuen wären bisher noch nicht hypnotisirt worden, indessen hätten zwei am anderen Tage in den hypnotischen Zustand übergeführt werden können, bei den übrigen fünf aber wäre dies nicht gelungen. Bei einem achten Individuum aber sei es Redner gelungen, dieses aus dem physiologischen Schlafe in den hypnotischen Zustand überzuführen. Er habe dabei nicht allein eine Vermehrung der Athemzüge, wenn dieselbe auch gering gewesen sei, eine hochgradige Reactionslosigkeit auf sensible Reize, sondern auch eine Steifigkeit in den Armen beobachtet. Am anderen Tage konnte das Indivi- duum in kürzester Zeit in den hypnotischen Zustand übergeführt werden. Bei einem neunten Individuum habe er beobachtet, dass dasselbe in Krämpfe verfiel, als etwa 9 Minuten die warme Hand auf seinem Kopfe lag. Herr Gscheidlen will aus diesen Versuchen den Schluss gezogen wissen, l. dass wer im wachenden Zustande nicht in den hypnotischen Zustand über- geführt werden kann, auch im Schlafe nicht hypnotisirt werden könne und 2. dass wer im wachenden Zustande leicht hypnotisirbar sei, auch im Schlafe hypnotisirt werden könne, ohne dass er vorher jemals hypnotisirt gewesen wäre. Der Grad des Hypnotismus richte sich wahrscheinlich nach der An- fälligkeit des Individuums. In Bezug auf letzten Punkt, Anfälligkeit der Individuen bemerkt Herr Gscheidlen, dass er beobachtet habe, dass kräftige Männer von 40 - 50 Jahren und darüber, in den nämlichen Verhältnissen wie junge Leute hypnotisirt werden könnten. Der Procentsatz der Anfälligen sei kaum ein anderer. Herr Grützner berichtet ferner von Beobachtungen über Analgesie und Hyperalgesie bei Hypnotischen. Die Gehbewegungen, welche Hypnotische machen, gleichen nicht selten denen, die sie im wachenden Zustande häufig ausführen. Ein Offizier sei z. B. im hypnotischen Zustande ihm im zierlichen Paradeschritt ge- folgt. — Betreffs des Nachschreibens im hypnotischen Zustande hat er noch einige weitere Erfahrungen gemacht. Mehrere Medien schrieben ebenfalls nach, aber Bann 20 gut, wie das in der vorigen Sitzung erwähnte aus der Berger’schen inik. Herr Born theilt mit, dass nach seinen Erfahrungen die Nachahmungs- bewegungen in der Hypnose bei verschiedenen Personen gewisse graduelle Unter- schiede zeigten. Einige Medien imitirten nur grobe Bewegungen, wie Vorwärts- schreiten oder Verbiegungen des ganzen Körpers, liessen aber feinere Bewegungen, die mit der Hand oder mit einzelnen Fingern ausgeführt wurden, ganz unbeachtet; von dieser niedersten Stufe an liesse sich eine vollständige Entwicklungsreihe bis zu solchen aufstellen, welche selbst die feinen complieirten Bewegungen der Lippen beim Sprechen genau nachahmten u. s. w. Herr Rosenbach wünscht, dass die Frage, woher es komme, dass die „Medien‘“ so überaus complieirte Bewegungen nachmachen, eine Erörterung fände, | da es sich hier nicht um Retlexactionen, sondern um höchst interessante psycho- Y# _ 20 Jahres-Bericht logisch wichtige Vorgänge handle. Mit der Annahme einer gesteigerten Reflex- erregbarkeit werde nicht einmal das „Wie“ des Vorganges, geschweige denn das „Warum“ genügend berücksichtigt. Beiläufig sei auch mit der blossen Annahme, dass nach Ausschaltung des Grosshirns die Reflexerresbarkeit steige, das Factum nur umschrieben und nicht erklärt. Man könne den Vorgang mit Anwendung des Gesetzes von der Erhal- tung der Kraft befriedigend deuten; denn während sonst jeder Reiz in zwei Bahnen, in die Reflexbahn und die Bahn nach dem Grosshirn einstrahlt, also sich theilt, wird er nach Verlegung des Weges zu letzterem nur in die ersten Bahnen und dann natürlich mit voller Stärke eindringen. Herr Berger betont die Wichtigkeit der Beobachtungen desHerrn Gscheidlen und hebt hervor, dass dieselben mit seinen Anschauungen in vollkommenem Ein- klange stehen. In Bezug auf den Sprechversuch habe er gefunden, dass derselbe nicht allein beim Auflegen der warmen Hand in die Nackengegend gelungen, sondern dass der Sprechapparat auch erregt wird durch Wärmestrahlung auf die ent- sprechende Region; ferner durch irgend welche eventuell einige Minuten lang fortgesetzte acustische Reize, wobei der Hypnotisirte, so lange der acustische Reiz andauert, denselben nachzuahmen bestrebt ist. In analoger Weise wirkt eine intensive Hautreizung (z. B. elektrocutane Pinselung) an irgend einem Körpertheil. Der von Herrn Heidenhain dem Goltz’schen Quakversuche nachgebildete Versuch gelingt nach den Erfahrungen des Herrn Berger nicht bei allen Individuen. In Bezug auf das Auffinden geeigneter Individuen müsse B. bemerken, dass hierbei das Anstarren eines glänzenden Gegenstandes, wie es Herr Hansen übe, von grosser Wichtigkeit sei und zwar lege er ein ganz besonderes Gewicht darauf, dass das betreffende Objeet möglichst nahe den Augen fixirt wird. Die dadurch bedingte Reizung des centralen Accommodations-Apparates ist für die Herbeiführung des Zustandes äusserst günstig; bei wiederholt Hypno- tisirten allerdings kann dieses Moment ausfallen, obwohl es andererseits grade bei diesen auch ganz allein an und für sich genügt, den Zustand zu erzeugen, ‚ohne irgend welche andere Manipulationen. Alle Versuche, ein geeignetes Individuum in den hypnotischen Zustand zu versetzen, blieben erfolglos, sobald gleichzeitig mit demselben eine inten- sive Hautreizung stattfindet. Ferner habe er gefunden, dass durchaus nicht alle Individuen im hypnotischen Zustande Analgesie zeigen; dies trifft nur für die- jenigen zu, die dabei eine mehr oder minder hochgradige Bewusstseinsstörung dar- bieten. Diejenigen dagegen, die ihr Bewusstsein völlig bewahren, zeigen im Gegen- theil eine meist sehr ausgeprägte Hyperalgesie. Durch geeignete schwächer wirkende Versuchsmodificationen kann man zuweilen bei Personen, die sofort ausgedehnte Muskelzuckungen bekommen, diese die Nachahmungsbewegungen störenden resp. unmöglich machenden motorischen Reizerscheinungen vermeiden. Herr Neumann bemerkt, dass das Nachsprechen auch bei Geisteskranken beobachtet werde. Romberg habe dies Phänomen bereits in seinem Lehrbuche der Nervenkrankheiten beschrieben und als „Echosprache“ bezeichnet. Sitzung vom 27. Februar 1380. Der Vorsitzende, Herr Grützner, giebt dem Bedauern Ausdruck, dass trotz des einstimmigen Beschlusses der Section vom 9. Januar d. J. Referate über die Verhandlungen der Section vom 6. und 13. Februar in einigen politischen Blättern erschienen sind, und spricht die Hoffnung aus, dass der Beschluss auch von den Nichtmitgliedern, die die Section besuchen, in Zukunft respeetirt werde. Die Berichte über die Verhand- lungen der Section erscheinen allein in der „Breslauer ärztlichen Zeit- schrift.“ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 91 Herr Gottstein legt alsdann einen Sequester vor, den er bei einem Kinde von 1'/, Jahren entfernt hatte und der fast das ganze nekrotisch gewordene Schläfenbein darstellt. Die Portio mastoidea ist ganz erhalten, an der vorderen Fläche, an der die Corticalis durch den cariösen Process zerstört ist, ist die Anlage des processus mastoideus, sowie die sutura mastoidea-squamosa zu er- kennen, an der innern Seite sieht man eine Furche, die als sulcus sigmoideus zu betrachten ist. An der pars petrosa ist die vordere Fläche, die zur Bildung der Trommelhöhle beiträgt, in dem Sequester enthalten. Annulus tympanieus, promontorium, knöcherner Gehörgang, semicanalis pro tensore tympani. Am tegmen tympani ist die Berührungsfläche des Knochens mit der dura mater unversehrt, durch den hiatus canalis Fallopii kann man den Fallopischen Canal bis zu seinem Ende am foramen stylo- mastoideum sondiren. Von der eigentlichen Pyramide ist jedoch nur der hintere und untere Theil mit dem Sequester exfoliirt, so dass. ein Theil der Labyrinthhöhlen frei liegen. Ebenso ist von der pars squa- mosa nur der horizontale 'Theil mit der sutura petro-squamosa und ein kleines Stück des senkrechten Theils exfoliirt. ‘Trotzdem ein langwieriger Eiterungsprocess der Exfoliation vorausgegangen war, trotzdem die Zer- störung in der Umgebung der sinus sigmoideus stattgefunden hatte und am tegmen tympani sogar die dura mater direct berührte, war der Aus- | gang ein günstiger. Die Eiterung sistirte, und das Kind erholte sich nach der Entfernung des Sequesters zusehend. Vortragender glaubt, dass durch eine productive Periostitis sich in der Umgebung des Sequesters ‚ rechtzeitig eine Knochenmasse gebildet hat, die als Schutz den Nach- bartheilen diente. Hierauf macht Herr J. Müller nachfolgende Mittheilungen: 1. Beobachtungen über Diabetes mellitus. Schon seit 8 Jahren beschäftigt ihn lebhaft der Diabetes mellitus; ‚ bietet doch diese Erkrankung für den physiologischen Chemiker manches | Interessante. | Vor längerer Zeit bat er in der medicinischen Section der schle- | sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur die Breslauer Aerzte, ihm möglichst viel Urine, namentlich zuckerhaltige, senden zu wollen; er be- | absichtige, genaue Listen über die einzelnen Fälle zu führen. Dank der ‚ Erfüllung dieser seiner Bitte ist er heut in der Lage, der medieinischen | Seetion eine Zusammenstellung der von ihm genau reeistrirten 100 Fälle | vorlegen zu können; er glaubte, es müsse solche Statistik ein gewisses | Interesse erregen, gehört es doch sicher zu den Seltenheiten, dass in | einer Stadt so viele derartige Erkrankungen eine solche Reihe von “ > 9 Jahres-Bericht Jahren genau beobachtet und verfolgt wurden. Gewiss haben ja die Karlsbader Aerzte ein bei Weitem grösseres Material, die Beobachtungs- dauer aber ist da nur eine kurze, die Kranken gehören ausschliesslich den gut situirten Ständen an. Von den 100 am Diabetes mellitus Leidenden, über welche er im Laufe der letzten 8 Jahre genaue Listen geführt hat und die von ihm durch- schnittlich 3, Jahre beobachtet wurden — ein Theil selbstverständlich bei Weitem länger, ein anderer kürzere Zeit — kommen 78 auf das männliche und nur 22 auf das weibliche Geschlecht. Hiervon fallen 3 in das Alter zwischen 10—20 Jahren, 8 > } » Aue set) 20—50 ” 89 5» „ „ 50—80 ” Die drei im Alter von 10—20 Jahren waren sämmtlich männlichen Geschlechts; von den 8 im Alter von 20—50 Jahren gehören 4 dem weib- lichen und 4 dem männlichen Geschlecht an und die 89 im Alter von 50—80 Jahren theilen sich in 18 Frauen und 71 Männer. Nach dem Beruf klassificiren die 76 männlichen Geschlechtes — zwei im Alter von 10—20 Jahren hatten einen Beruf noch nicht wählen können — in Aerzte, Particuliers, 5 Gastwirthe, 6 Gutsbesitzer, 8 Gewerbetreibende, 8 Beamte und Lehrer, 45 Kaufleute. In Betreff der Confession, die hier wegen des auffallenden Resultates Beachtung verdient, fallen von den 100 Erkrankten 57 auf Christen, und zwar 13 weiblichen und 44 männlichen Geschlechtes, und 43 auf Juden, und zwar 9 weiblichen und 54 männlichen Geschlechtes. Geheilt ist kein einziger; gestorben sind 17; davon kommen 3 auf das Alter zwischen 10—20 Jahren, In» „ „ 20—50 ” 11 ee) ” b>) 90—80 » Das Geschlecht betreffend 3 auf das weibliche und 14 auf das männliche. | Bei näherer Betrachtung dieser Zahlen ergiebt sich vor Allem, dass die Zahl der an Diabetes mellitus Erkrankten eine weit grössere ist, als man früher anzunehmen gewohnt war; es gehört diese Erkrankung keineswegs zu den seltenen: das männliche Geschlecht partieipirt hierbei in einem unverhältnissmässig hohem Procentsatz: 78 pCt.; selten werden Kinder von dieser Krankheit befallen; dieselbe nimmt mit dem Alter progressiv zu. Die Berufstabelle zeigt, dass die ärmere Bevölkerungs- DD u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 33 klasse, trotzdem die Kost derselben eine weit stärkemehlhaltigere, also eventuell mehr zuckerproducirende ist, als dies bei den besser situirten Ständen der Fall, sehr selten am Diabetes mellitus leidet, dass dagegen die Kaufleute dieser Krankheit am meisten ausgesetzt sind. Er kann sich diese Thatsache nur dadurch erklären, dass die Annahme: „grössere Aufregung, welcher der Kaufmann ja mehr als die meisten anderen Berufsklassen unterworfen ist, begünstige diese Erkrankung‘ eine rich- tige ist. Diese Erklärung findet eine Stütze darin, dass die ärmere Be- völkerung sehr wenig partieipirt, und dass er unter den 100 Erkrankten nicht einen einzigen Geistlichen, nicht einen einzigen Offizier habe, Be- rufsklassen, deren Thätigkeit unter normalen Verhältnissen am wenigsten Aufregung mit sich bringen. Er glaubt, dass diese Annahme auch die ungezwungenste Erklärung für den hohen Procentsatz der an Diabetes Erkrankten jüdischer Confession bietet, finden wir doch in der That bei den Juden den Kaufmannsstand überwiegend vertreten, ja häufig gerade hier auch die Frauen bedeutenden Antheil am Geschäft nehmen. Geheilt ist von den 100 Erkrankten kein einziger; dies will sagen: zeigte sich auch bei vielen an dieser Krankheit Leidenden der Urin oft Monate lang zuckerfrei, plötzlich traten doch wieder Zucker und mit demselben die diabetischen Erscheinungen auf. Wichtig und interessant ist die Sterblichkeitsziffer; hat dieselbe auch insofern einen geringeren Werth, als einzelne Fälle von ihm ja erst wenige Monate beobachtet wurden, so zeigt sich doch, dass die Zahl 17 von 100 durchschnittlich 3’, Jahre an Diabetes Erkrankten angesichts des meist hohen Alters keine hohe ist. Absolut gefährlich ist diese Krankheit im jugendlichen Alter, sind doch alle drei Patienten im Alter von 10 bis 20 Jahren gestorben; von den 8 im Alter zwischen 20 bis 50 Jahren starben 3, das sind 37‘), pCt.; von’ den 89 im Alter zwischen 50—80 Jahren 11, das sind 12,56 pCt. Man sieht daraus, dass die Gefahr im höheren Alter, sobald der Krankheit gemäss gelebt wird, fast ganz verschwindet; 11 Sterbefälle von 89 Menschen im Alter von 50—80 Jahren innerhalb der ange- gebenen Zeit dürfte wohl nichts Anormales in sich schliessen. In Be- treff des Geschlechtes stellt sich das Sterblichkeitsverhältniss nicht auf- fallend verschieden: von den 22 weiblichen starben 3, das sind 13,64 pCt., von den 78 männlichen Geschlechtes 14, das sind 17,95 pCt. Weit entfernt, dieser kleinen Statistik ein neues Mittel gegen den Diabetes mellitus beifügen zu wollen, bitte er, es ihm nicht als An- massung auszulegen, wenn er sich erlaubt, seine Erfahrungen bei Beob- achtung dieser vielen Erkrankten hier mitzutheilen. Vor Allem kommt es gewiss darauf an, diese Erkrankung so bald als möglich zu diagnostieiren; nicht selten ist ihm der Fall vorgekommen, dass die Aerzte erst dann den Urin zur Untersuchung gesandt haben, 24 Jahres-Bericht nachdem Carbunkel, Gangrän ete. eingetreten waren; bei genauerer Nachfrage aber ergab sich, dass die Patienten schon längere Zeit an vermehrtem Durst, grösserer Urinmenge, Sehstörungen, Abmagerung ete. gelitten, dass also Carbunkel, Gangrän ete. die Folgen der Diabetes waren. Es ist das zeitige Erkennen dieser Krankheit von solch enormer Bedeutung, weil, so lange dieselbe nicht diagnostieirt ist, die nöthige Diät sich nicht anordnen lässt. Dann ist das Wichtigste „die Regelung der Diät“; er glaubt behaupten zu können, dass wenn Arzt und Patient darauf bedacht sind, den Zuckergehalt auf einem geringen Procentsatz festzuhalten (bei leichteren Diabetes-Formen gelingt es, hierbei den Zucker fast ganz zurückzudrängen), diese Krankheit gar sehr an Schrecken ver- liert; sind doch die Beschwerden meist erst die Folge des urinirten Zuckers, der seiner hydroscopischen Eigenschaft wegen den Geweben Wasser entzieht oder sie sonst irgendwie alterirt und dadurch die unan- senehmen Erscheinungen bedingt. Er weiss sehr wohl, dass es schwere Diabetes-Erkrankungen giebt, bei denen dieser Satz nicht passt; ob die- selben nieht aber erst in Folge vernachlässigter Diät zu schweren ge- worden sind, lässt er dahingestellt sein. Es gehört zur Regelung der Diät aber ein ganz genaues Eingehen auf die Kost; gewiss ist es geradezu schädlich, den Patienten die Kohlenhydrate ganz zu entziehen, bei genauer Beobachtung aber gelingt es meist, die Menge des zu erlaubenden Brotes etc. festzusetzen, die Patient — ohne oder wenigstens ohne ent- sprechenden Zucker zu uriniren — geniessen kann. Zur Erreichung dieses Zweckes muss Patient belehrt werden, welche Speisen Stärkemehl oder Zucker enthalten; nicht selten ist es ihm vorgekommen, dass er bedeutende Mengen Zucker im Urin fand, der Kranke aber leugnete, mehr als erlaubt, Brot, Compot etc. genossen zu haben; bei genauer Nach- frage aber erfuhr er, dass Patient Chocolade oder Milch in grösseren Quantitäten getrunken, dass er Zwieback, Maccaroni oder sonst eine Speise, von welcher er nicht wusste, dass sie Zucker oder Stärke ent- hielt, gegessen hatte. Hierbei erlaubt er sich, die Aerzte darauf aufmerksam zu machen, ‘wie leicht es ist, sich von dem Zu- oder Abnehmen des Zuckers im Urin zu überzeugen: die bekannte Heller’sche Kaliprobe giebt den nöthigen Anhaltepunkt. Kocht man Urin mit einer ungefähr gleichen (Juantität Kalilauge, so wird der Urin um so dunkler, je mehr Zucker in demselben enthalten ist; hat der Arzt einige Male diese Färbung be- obachtet bei Urinen, deren Zuckergehalt vorher genau quantitativ festge- stellt war, so wird es ihm bei Ausführung der Heller’schen Probe gelingen, annähernd den Procentgehalt anderer Urine zu bestimmen. Am Schluss dieser Mittheilung möchte er den Aerzten das einfache Mittel an die Hand geben, sich vor Täuschung bei Urin-Untersuchungen zu hüten: die alkalische sogenannte Fehling’sche Kupferlösung ist ein der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 35 prächtiges Mittel zur Erkennung des Zuckers im Urin, nur hat sie den einen Fehler, mit der Zeit, ohne dass dies der Flüssigkeit anzusehen ist, zu verderben. Kocht man mit solcher verdorbenen Fehling’schen Lösung Urine, so wird man die bekannte Reaction bekommen, auch ohne dass Zucker vorhanden ist. Führt man die Probe aber so aus, dass man die mit ungefähr der fünffachen Menge Wasser verdünnte Fehling’sche Lösung vor Zusatz des Urins kocht, sich dabei überzeugt, dass so keine Reduction des Kupferoxyds eintritt, dann tropfenweis Urin zufügt und abermals kocht, so wird man in dem Ausbleiben oder dem sofortigen Eintreten der gelbrothen Färbung resp. Niederschlages unzweifelhaft die Ab- oder Anwesenheit des Zuckers festsetzen. Anknüpfend an diese Mittheilung macht er auf ein Geheimmittel gegen Zuckerharnruhr aufmerksam, welches von einem gewissen Richard Berger aus Dresden-Blasewitz in die Welt geschleudert worden ist. Dieser auch in Breslau vorigen Herbst debütirende Herr lässt sich für die Consultation 30 Mark bezahlen und sendet später aus Dresden dem be- treffenden Patienten 4 Fläschchen, jedes mit einem pulverförmigen Inhalt von annähernd 25 g; signirt sind dieselben: Nr. 1. Zweimal tägl. eine reichl. Messerspitze im Wechsel mit Nr. 2. Nr. 2. ” ” PP) ”) ” 2) ” vb) „) en Nr. b2 ” vb) ”) ” ”) ”) » 2) „) 1. [6 Nr. 4. „) YP) ” ” ” vB) 2) vb) ”) 2. Der Inhalt jedes dieser 4 Fläschchen besteht aus fein pulverisirtem Milchzucker mit einigen Tropfen Creosot verrieben, Pulver Nr. 2 und 4 sind durch einen geringen Zusatz von rothem Bolus schwach röthlich gefärbt. Ausser diesen 4 Pulvern erhält Patient noch ein Beutelchen mit 50 9 Nussblätterthee. Leider ist es dem Herrn Berger durch seine Annoncen auch in Breslau gelungen, Leichtgläubige zu täuschen. 2) Bespricht Herr Müller das Vorkommen von Brenzkatechin in dem Harn eines Kindes. Im Jahre 1873 wies er in Gemeinschaft mit Herrn Professor Dr. Ebstein das erste Mal Brenzkatechin — auch Oxyphensäure genannt — im Urin eines Kindes nach (Neubauer u. Vogel. 7. Aufl., pag. 120). ı Nach der damaligen Publieation (Virchow’s Archiv Bd. 62, pag. 554) sind noch einige derartige Fälle von anderer Seite mitgetheilt worden. Durch die Liebenswürdigkeit des in der Familie des Knaben fungirenden Hausarztes sind ihm in der letzten Zeit abermals Urinmengen des nun 6 Jahre alten Kindes, das — wenn auch -schwächlich — sich doch normal entwickelt, zugegangen. Der Urin enthält nach wie vor Brenz- katechin, leicht daran kenntlich, dass dieser Urin beim Sehütteln mit Salmiakgeist, Kali- oder Natronlauge sich unter Sauerstoffabsorption nach und nach braun, ja schwarz färbt, dass er Silberlösung in der 26 Jahres-Bericht Kälte zu metallischem Silber, ebenso Kupferoxyd redueirt ete. Harn- stoff, Harnsäure, Phosphate und Chloride waren wie früher in normaler Menge vorhanden. — Gewiss wird es bei genauer Beobachtung der Urine gelingen, häufiger diesen abnormen Stoffwechsel zu constatiren, 3) äussert er sich über das Benzoesaure Natron folgendermassen: Schon Anfang November v. J., als Prof. Rokitanski das benzoe- saure Natron als Mittel gegen Schwindsucht empfahl, hat er, in der Vor- aussetzung, dass in der medieinischen Section über die im Allerheiligen- Hospital hierüber gesammelten Erfahrungen Mittheilung gemacht werden würde, Versuche angestellt, die beweisen sollten, dass das benzoesaure Natron kein Antisepticum sei, dass es demnach niemals antibacteriell, antiinfeetiös wirken könne. Die der medicinischen Section vorgezeigte Versuchsreihe bestand darin: 1) dass er im Urin 1, 5, 10 und 20 pCt. benzoesaures Natron löste, 2) dass er frisches Fleisch in 1, 5, 10 und 20 pCt. benzoesaure Natronlösung einlegte. Urin wie Fleisch faulten trotz der bedeutenden Menge dieses Salzes; nur bei der 20 procentigen Lösung wurde die Fäulniss verlangsamt, keineswegs aber verhindert. Es verhält sich das benzoesaure Natron gegenüber der Benzoesäure genau so wie das salicylsaure Natron zur Salicylsäure; frei sind diese Säuren stark wirkende Antiseptica, gebunden sind sie hierin ohne jede Wirkung. — Anders wie im Blut muss das benzoesaure Natron in den Magen ge- bracht sich verhalten; hier wird durch die stärkere Säure des Magens aus dem benzoesauren Natron Benzoesäure frei und diese wird antifermen- tativ und anregend zugleich wirken können. Hierauf spricht Herr Berger: Ueber Catalepsie und Chorea major. Nach einigen kurzen historischen Bemerkungen über die Catalepsie sucht der Vortragende die Ansicht zu begründen, dass dieselbe, wenngleich sie in den meisten Fällen nur als ein Symptom verschiedener Hirn- erkrankungen, besonders bei Psychosen, auftritt, und sodann relativ häufig als eine Theilerscheinung bei schwerer Hysterie zur Beob- achtung gelangt, doch auch in seltenen Fällen eine selbstständige, paroxysmenweise auftretende Neurose darstellt. Hinsichtlich der Sympto- matologie pflegt man die Flexibilitas cerea nicht nur als das wich- tigste pathognostische Symptom zu betrachten, sondern ist geneigt, die- jenigen Zustände von Starrsucht, welche dieses Symptom nicht darbieten (Catochus), auch nieht unter den Begriff der Catalepsie zu. subsumiren, oder höchstens als „Catalepsia spuria“ gelten zu lassen. Auf Grund eigener Beobachtungen tritt der Vortragende dieser Auffassung entgegen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97. Die in der That pathognostische Bedeutung der Flexibilitas cerea ‘ soll dabei keineswegs an gefochten werden, aber in mehreren Fällen des Vortragenden fanden sich in einzelnen Paroxysmen so hochgradige tonische Muskelkrämpfe, dass von einer passiven Beweglichkeit der Glieder nicht die Rede war, während andere Anfälle derselben Kranken mit ausgesprochener Flexibilitas einhergingen. Ja im Verlaufe eines An- falles konnte er mehrmals die Intensität der Muskelstarre in kurzen Zwischenräumen wechseln sehen, von dem Zustand der wachsartigen Biegsamkeit bis zur vollständig unbeweglichen tetanoiden Starre. Die Flexibilitas cerea stellt demgemäss nur einen ganz bestimmten mittleren Contractionssrad der vom tonischen Krampf befallenen Muskeln dar, welcher sich aber bisweilen so steigern kann, dass die passive Stellungs- veränderung unmöglich wird. In einem seit längerer Zeit mit Herrn Collegen Hannes behandelten Falle von hysterischer Catalepsie hatte V. mehrfach Gelegenheit, die Analogien zwischen diesem spon- tanen Krankheitszustande und der „experimentellen Catalepsie“ zu studiren. Es zeigte sich hier eine vollständige Uebereinstimmung, be- sonders auch hinsichtlich der Nachahmungsautomatie und des Nach- sprechens. Auch gelang es, durch leise centrifugale Striche in wenigen Sekunden die sehr charakteristische Flexibilitas cerea in eine immobile Starre umzuwandeln, durch leichtes Streichen Trismus, Contracturen des Sternocleidomastoideus, des Cucullaris ete. zu erzeugen. Von Wich- tiskeit ist die Thatsache, dass der Nachahmungszwang zu Tage trat, ohne dass irgend welche Manipulationen an der Kranken vorgenommen wurden. Beim Auflegen der Hand auf den Kopf derselben zeigte sich nun die merkwürdige Erscheinung, dass sie jetzt allen an sie ge- richteten Aufforderungen lautlos nachkam, ohne späterhin eine Ahnung davon zu haben. Dieselbe Erscheinung fand Herr Berger auch bei einer sonst vollständig gesunden Person, einer Wärterin seiner Abtheilung, die sich im Zustand der „experimentellen Catalepsie‘‘ befand; doch konnte späterhin dieses Verhalten auch ohne Auflegen der Hand be- obachtet werden. ' In Betreff der Chorea "major tritt der Vortragende auf Grund einer Reihe eigener, zum Theil kurz berichteter Beobachtungen mit Ent- schiedenheit für die selbstständige Bedeutung dieser höchst merk- würdigen — durch die hypnotischen Versuche unserem Verständniss näher serückten — Neurose ein, welche in analoger Weise wie die Chorea minor vorzugsweise eine Krankheit der zweiten Kindheit darstellt und keineswegs, wie Ziemssen will, nur als ein Ausfluss echter Psychosen und Cerebralleiden einerseits und der Hysterie und der Simulation anderer- seits aufgefasst werden darf. Aus der überraschenden Einwirkung plötz- licher Reize (z. B. kalter Uebergiessungen) dürfe man noch durchaus nicht die Berechtigung herleiten, in einem vorliegenden Falle die Diagnose auf 238 Jahres-Bericht Simulation zu stellen. Wenn man den schweren hypnotischen Symptomen- eomplex durch ähnliche, weit leichtere Reize auf der Stelle beseitigen kann, so darf es nicht Wunder nehmen, wenn in gleicher Weise, oder durch anderweitige psychische und moralische Einwirkungen Paroxysmen beeinflusst werden, bei denen ja ihrem ganzen Verlauf gemäss von einer schweren materiellen Läsion nicht gut die Rede sein kann. Herr B. ist geneigt, als Grundlage der Chorea major eine krankhaft gesteigerte Er- regbarkeit cerebraler Centralorgane anzunehmen, auf Grund welcher die in den genannten Apparaten aufgespeicherten Bewegungs-Combinationen — zum Theil erlernt, zum Theil nur Erinnerungsbilder früher gesehener Bewegungsaete — unwillkürlich und unbewusst zeitweilig (anfallsweise) gewissermassen explodiren. Die höchst merkwürdige Energie und Ge- schieklichkeit der in den Paroxysmen der Chorea major ausgeführten Bewegungen — diese sind bekanntlich oft der Art, dass sie im normalen Zustand überhaupt nicht in gleicher Weise ausgeführt werden können —; die Lebhaftigkeit der im Anfalle oft vorhandenen Hallueinationen, die nicht selten auflallende Verschärfung der Sinnesempfindungen u. A. m. bieten vielfache Analogien mit den Ergebnissen der hypnotischen Ver- suche. Die im kindlichen Alter vorkommenden Fälle von Chorea major haben im Allgemeinen eine günstige Prognose. Von Arzneimitteln ist in erster Reihe der Arsenik zu empfehlen. Neben zweckentsprechen- den diätetisch-hygienischen Massnahmen und geeigneter psychischer Be- handlung sind besonders milde hydrotherapeutische Proceduren (feuchte Einwiekelungen und laue Halbbäder) anzurathen. — Das Brom- kalium leistet hier eben so wenig, wie bei der Chorea minor. — In der an diesen Vortrag sich schliessenden Discussion bemerkt Herr Heiden- hain, dass der Vortrag des Herrn Berger ihn über vieles aufkläre. Bei seinen mit Herrn Grützner angestellten Versuchen wäre alle Pathologie ausgeschlossen gewesen. Er könne nach seinen Erfahrungen nur bestätigen, dass es verschiedene Formen oder Grade des hypnotischen Zustandes gebe. Namentlich habe er öfters Fälle gesehen, in welchen nichts eintrete, als einfacher tiefer Schlaf. Darauf habe ihn noch kürzlich ein Studirender nach Erfahrungen an sich selbst aufmerksam gemacht, bei welchem die Wärme des Ofens leicht Schlaf herbeiführe. Das Ticken einer Uhr habe öfters bei gleichzeitigem Schliessen der Augen den gleichen Effect gehabt. — Neuerdings habe er in Gemeinschaft mit Herrn Grützner an einer Reihe von Personen durch einseitige Manipulationen einseitige hypnotische Erscheinungen hervorgerufen, und zwar bei völlig freiem Bewusstsein. Das Letztere käme auch unter gewissen Bedingungen bei doppelseitiger Catalepsie der Extremitäten vor. Er frage den Vortragenden, ob ihm vielleicht ähnliche Erfah- rungen vorlägen. Herr Berger erwiedert, dass ihm derartige Beobachtungen gleichfalls vorge- kommen wären. Ueberhaupt möchte er es für wahrscheinlich halten, dass manche der unter besonderen Umständen bei einzelnen Personen auftretenden sogenannten „epilepsoiden“ Krampfanfälle, die aber sich später nicht wiederholen und auch nicht der Ausdruck irgend eines Cerebralleidens sind, in die Klasse der im hyp- notischen Zustande beobachteten Krampfzustände gehören, und demgemäss an und für sich durchaus keinen Grund für die Annahme einer „organischen Be- lastung‘‘ des betreffenden Individuums abgeben. Wenn in der Anamnese eines Kranken ein vereinzelter allgemeiner Krampfanfall statuirt wird, so möge man es sich stets angelegen sein lassen, auch die näheren Bedingungen seiner Entstehung festzustellen. Hinsichtlich der von Herrn Heidenhain angegebenen Einwirkung der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 des warmen Ofens könne er nur noch hinzufügen, dass mehrere der von ihm zu hypnotischen Versuchen geeignet gefundenen Personen, bei welchen die Er- scheinungen in gleicher Weise wie durch die sogenannte "magnetischen Manipula- tionen auch durch die Einwirkung strahlender Wärme auf den Kopf herbeigeführt werden konnten, die bestimmte Erklärung abgaben, dass ihnen wohl bekannt wäre, wie sie stets davon einen unangenehmen Einfluss auf ihr Befinden, ins- besondere Eingenommenheit und dumpfe Empfindungen im Kopfe, verspürt hätten. Eben deshalb vermeiden sie aber solche Einwirkungen, z. B. längeres Stehen am heissen Ofen, oder gehen ihnen rechtzeitig aus dem Wege. Daraus er- giebt sich auch die einfache Antwort auf die Frage, warum die betreffenden Per- sonen nicht früher unter ähnlichen Bedingungen "spontan in den hypnotischen Zustand gerathen sind. Herr Heidenhain bemerkt weiter, dass es ihm noch nicht gelungen sei, bei geeigneten Personen Hallueinationen hervorzurufen. Es sei ihm nicht zweifel- haft, dass solche in der Folge auch ihm zur Beobachtung kommen würden. Dass Hallucinationen überhaupt eintreten, habe ihm Weinhold aus Chemnitz geschrie- ben, auch lägen hierüber ausführliche Beobachtungen von Richet in Paris vor. Herr Kayser frägt den Vortragenden, ob ebenso wie durch einfache Manipu- lation die Flexibilitas cerea in Tetanus überzuführen, umgekehrt auch aus dem Tetanus ein Flexibilitas cerea herzustellen sei resp. "diese selbst hervorgerufen werden könne. Der Vortragende bejaht die Frage. Sitzung vom 12. März 1880. Herr Rosenbach spricht Ueber accidentelle Herzgeräusche. Der Vortrag wird in extenso an einem andern Orte erscheinen. Hierauf hält Herr Cohn nachfolgenden Vortrag: Ueber hypnotische Farbenblindheit und Accomodationskrampf und über Methoden, nur das Auge zu hypnotisiren. „Die fundamentale Entdeckung Heidenhain’s und Grützner's '), dass man durch langsames Streichen der rechten Stirn- und Scheitelbein- gegend ausser Katalepsie der linken Ober- und Unterextremität auch temporäre Farbenblindheit des linken Auges bei gewissen Per- sonen („Medien‘) künstlich hervorrufen könne, machte den Wunsch in mir rege, die Natur dieser Farbenblindheit eingehender zu studiren. Heidenhain und Grützner äusserten sich zunächst nur ganz im Allgemeinen dahin, dass Verwechselungen von rothen und grünen, so wie von blauen und gelben Farbentönen vorkommen. Ich ersuchte daher Herrn Prof. Heidenhain undHerınDr. Grützner; mir ihre „Medien“ zu specieller Prüfung betreffs des Farbensinnes zu ‚senden; die Herren Collegen erfüllten nicht nur meine Bitte, sondern ‘stellten auch einen Theil der im folgenden ersten Abschnitt geschilderten Versuche gemeinsam mit mir an. Herr stud. med. August Heidenhain (Bruder des Hrn. Prof. H.), 22 Jahr alt, kerngesund, hat auf jedem Auge Myopie 7,0 (D) und S1. 1) „Breslauer ärztliche Zeitschrift“ 1880. Nr. 4. 30 Jahres-Bericht Sein Nahpunkt für Burchardt’s kleinste Punkte (Nr. 15) ist 70 mm. Folglich ist seine Accommodationsbreiie a = 14 — 7=T1D. Sein Lichtsinn,. am Förster’schen Photoptometer geprüft, ist L= 1. Sein Gesichtsfeld für weiss am Perimeter völlig normal. Pupillen 4 mm, gut reagirend. Pigment-, Contrast- und Spektralfarben werden vorzüglich differeneirt und stets richtig bezeichnet. An den 4 langen Stilling’schen Buchstabentafeln bei mässiger Tagesbeleuchtung für jede Farbe (roth, braun, blau, grün) S ?%,,. Herr stud. H. streicht sich dreimal leicht mit seiner rechten Hand über die rechte Stirn- und Schläfengegend, sofort tritt ein katalepsie- ähnlicher Zustand der Muskeln des linken Armes und Beines, leichte Facialisparese bei völlig klarem Bewusstsein und Sinken der S des linken Auges auf kaum '/, ein. Sofort wird aber wieder S=]1, wenn man statt 7 D: concav 11 D vorsetzt. Es entsteht also links- seitiger Accommodationsspasmus von 4 D. (Am rechten Auge bleibt M 7 und S 1 wie früher.) Zugleich rückt der Nahpunkt links für feinste Burchardt’sche Punkte (Nr. 15) von 70 auf 20 (!) mm heran. Jetzt ist also a= 50—11=39D, d. h. gleich einer Linse, deren Brennweite nur 2,5 cm beträgt. Diese Versuche wurden tagelang wiederholt und unter allen vorgelegten Gläsern immer — 11 D für das beste Fernglas während der Hypnose erklärt; von einer Selbsttäuschung kann keine Rede sein, da bei ganz unbeabsichtigter Einsetzung von — 11 vor das normale und 7 vor das hypnotisirte Auge nicht einmal S !/, erreicht werden konnte. Uebungen im Ueberwinden von Concav- gläsern hat Herr stud. H. niemals gemacht; alle ophthalmologischen Unter- suchungsmethoden und Probetafeln sind ihm noch total unbekannt. Am linken Auge behält auch während der Hypnose die Pupille ihre Grösse und Reaetionsfähigkeit. Der Lichtsinn L bleibt = 1; das Gesichtsfeld für weiss am Perimeter bleibt vollkommen normal. Die 'S für roth und grün an Stilling’s langen Tafeln sinkt trotz Correction mit concav 11 D auf ?%,,, die S für gelb und blau hingegen auf '%,,.- Der Farbensinn verschwindet jedoch links total, wie aus folgenden Versuchen erhellt. I. Pigmentfarben. 1) Meine farbigen Pulver. Zu Krapprosa wird Grau und Schweinfurter Grün gelegt (Rothgrünblindheit); zu Chrom- gelb wird jedoch auch Kobaltblau und Schweinfurter Grün gelegt, was ich bisher unter 100 Farbenblinden nur bei 4 Fällen !) totaler Farben- blindheit gesehen. Alle Farben nennt er grau; nur weiss bezeichnet er richtig als weiss und schwarz als schwarz, legt stets richtig weiss \) Vol. Fall 48, 58, 62 und 66 in meinen „Studien über angeborene Farben- blindheit.“ Breslau 1879. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 31 und schwarz hinzu und differeneirt die 5 Nuancen meiner grauen Pulver ganz genau. 2) Auf Daae’s empfehlenswerther Tafel (2. Auflage) erscheint ihm 1E=2C,d.h. blau = gelb, aber auch = 5 D, d. h. grün, was sehr gut mit den Pulverproben stimmt. 3) Auf meinen gestickten Tafeln werden nur Nr. 25—32 (purpur in dunkelblau), Nr. 19 und 20 (gelb in rosa) und Nr. 24 (rothgrau in grün) gelesen. Es sind dies diejenigen Proben, welche technisch noch am Un- vollkommensten ausgefallen und mitunter von Farbenblinden gelesen worden sind. Alle andern gestickten Tafeln liest er nicht. 4) Donders’ pseudo-isochromatische Wollfäden [eine Vereinfachung meiner gestickten Tafeln ')] aus dem physiologischen Laboratorium in Utrecht von Kagenaar bezogen. Von den 8 ersten Proben erkennt H. nur bei h einen Faden anderer Farbe; er ist also nach Donders über- haupt farbenblind. Von den 6 zweiten Proben erkennt er nur bei Probe 1 einen andren Faden, er ist also nach Donders grünblind. Von den 10 letzten Proben erkennt er nur auf Brettchen 15 einen andren Faden; er ist also nach Donders auch rothblind. Die drei bezeich- neten Brettchen nennt er „gelb oder blau mit grauem Streifen“ (!) statt blau mit purpur und violettem Streifen. Auf allen andern 21 Brettchen unterscheidet er keine Streifen. 9) Auf Snellen’s fünfzeiliger Farbentafel nennt er Zeile 1 dunkel- ‚grau, 2 hellgrau, 3 dunkelgrau, 4 = 2 hellgrau, aber doch etwas dunkler, 5 ähnlich 1 und 5 als grau. Also nur Zeile 5 richtig, d. h. er ist roth- 'grünblind und blaugelbblind. 6) Durch jedes farbige Glas erscheint ihm Alles grau. 7) Von der letzten technisch sehr gut gearbeiteten Ausgabe der Stilling’schen pseudo-isochromatischen Tafeln liest er nicht einen Buchstaben; sehr leicht jedoch erkennt er die jenem Hefte ?) beige- sebene Tafel, die jeder Farbenblinde lesen muss, und die nur Simulanten nicht lesen zu können behaupten (rosa in gelbgrün). Von den älteren, technisch weniger gelungenen Auflagen liest er verschiedene Buchstaben, ‘wenn auch etwas mühsam, selbst aus „Neue Folge. 1. Lief. 1878.“ 5) In Stilling’s Atlas°) über das Sehen der Farbenblinden (Cassel 1880) verwirft er die auf den 2 ersten Tafeln von Rothgrünblinden gezeichneten Verwechselungen; ebenso auf der 3. Tafel die von Blau- gelbblinden. Dagegen bezeichnete er die Systeme auf der 4. Tafel als !) Sitzungsbericht der ophthalmolog. Gesellschaft. Heidelberg 1879, pag. 174. 2) Leider hat Stilling seine mehrfach veränderten Auflagen nicht numerirt, so dass man sie jetzt schwer bezeichnen kann. Auf dem Titel der in Rede stehenden Auflage heisst es: Neue Folge. Zweite Lieferung. Cassel 1579. ®) Der Preis von 60 Mark für 3 Tafeln ist enorm, 32 Jahres-Bericht seiner Farbenempfindung analog. Diese Tafel bringt je 11 Farbenver- wechselungen von 3 Totalfarbenblinden. Auf Tafel IVa zeigt 3 und 4 die 11 Verwechselungen bei totaler Farbenblindheit mit deutlich herabgesetzter Lichtempfindlichkeit für Roth und Grün. Auch Herrn stud. H. scheinen die 11 Farben der Zeile 3 so grau wie Zeile 4, nur stimmt das dem Grün entsprechende Grau in der Nuance nicht ganz, und die Farben 10 und 11 (rosa) entsprechen in der Nuance mehr den Farben 11 und 10 (grau). — Auf Tafel IVb zeigt Zeile 1 und 2 die Verwech- selungen bei einem andern Falle totaler Farbenblindheit. Diese findet Herr stud. H. vollkommen mit seinen Empfindungen übereinstimmend, nur das Blau (Farbe 7) erscheint ihm etwas dunkler als das darunter stehende Grau; auch ist die Nuance des letzten Rosa nicht ganz gleich der des letzten Grau; sonst stimmen alle Nuancen total. Herr H. ist also „weifellos total farbenblind. II. Contrastfarben. 1) Von den farbigen Schatten erscheint nieht ein einziger farbig. 2) Successiv-Contrast. Ein vorgelestes gelbes Papier wird grau genannt, eine Minute fixirt und dann von der grauweissen Unterlage fort- gezogen. Sofort ein graues Nachbild. Bei einem Versuche erweckte ich Herrn H., während er weiter fixirte, aus der Hypnose, was sehr leicht durch Klopfen der linken Hand geschieht; sofort verwandelte sich das graue Nachbild in ein blaues. Dieser Versuch ge- lang dann bei allen Farben. Die Contrastfarbe erscheint stets, wenn man H. innerhalb 10 Secunden nach dem Fortziehen der Primärfarbe ent- hypnotisirt; wird er später erweckt, so tritt kein farbiges Nachbild mehr auf. III. Spektralfarben. Es tritt keine Verkürzung des Spektrums ein; die Hypnose kommt so schnell, dass Herr H. ausser Stande ist, anzugeben, welche Farbe zuerst verschwindet; „‚vielleicht blau?“ Die hellste Stelle im Spektrum bleibt der gelbe Theil. Aber das ganze Spektrum erscheint ihm grau. Brennendes Lithium, Natrium und Thallium sieht er gleich farblos, nur als helle Linien, am hellsten das Natrium. Magnesiumbeleuchtung ändert darin nichts. Im Stereoskop, in dem er ohne Hypnose deutliche Tiefenwahr- nehmung, Glanzphänomen und steten Wettstreit zweier verschiedener Farben hat, sieht er in der Hypnose nichts plastisch, keinen Glanz, und nur die dem nichthypnotisirten Auge vorgelegte Farbe. Obgleich es sich eigentlich von selbst versteht, dass bei Herm stud. H. jegliche Simulation ausgeschlossen ist, wurden doch die mannig- fachsten Versuche an verschiedenen Tagen angestellt, um ihn betrefis des Accommodations-Spasmus und der Achromatopie zu Widersprüchen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 33 zu verlocken, stets mit negativem Erfolge.‘) Am meisten überrascht war stets Herr H. selbst, wenn er seine Fehler mit dem normalen Auge eontroliren durfte. Strich man die linke Stirn-Schläfenbeingegend, so traten genau dieselben Erscheinungen an den rechten Extremitäten und am rechten Auge auf; nur wurde dann die Verständigung durch gleich- zeitig entstehende Aphasie erschwert. Dieser Fall gleicht so vollkommen dem von Becker’) kürzlich sehr sorgsam beschriebenen, höchst interessanten Falle von angeborener, einseitiger Farbenblindheit, dass er wie jener als eine neues Arsu- ment gegen die Dreifarbentheorie dient. Bereits im November vorigen Jahres schrieb mir Herr Prof. Hering aus Prag bei einem Briefwechsel über seine Farbentheorie folgende sehr interessante Bemer- kungen, die ich mit seiner gütigen Erlaubniss hierhersetze: „Wenn es‘, sagt also Hering, ‚für mich noeh weiterer Beweise für die Unbrauchbarkeit der Helmholtz’schen Theorie — ich sage nicht für die Brauchbarkeit der meinigen —- bedurft hätte, so würde dieser Becker’sche Fall mir diesen Beweis geliefert haben. Wenn die alte Theorie die Rothblindheit erklären will, so muss sie annehmen, dass diese Rothblinden weder grau noch weiss sehen, sondern dass ihnen alle Farbenempfindungen aus Grün und Blau gemischt sind. Was wir weiss sehen, ist ihnen blaugrün; denn zum Weiss gehört ja eine gleichzeitige und gleichstarke Erregung aller drei Faserarten. Bei den Rothblinden fällt die eine Faserart weg, folglich sehen sie dasselbe, was der Normalsehende dann sieht, wenn seine grün und blau empfindenden Fasern gleich stark, die rothempfindenden aber nur minimal erregt sind. Alle Farbenempfindungen des Rothblinden umfassen also nur die Uebergänge vom Grün zum Blau. Analog würde der Blaublinde nach dieser Theorie Alles nur Roth oder Gelb oder Grün sammt den Uebergangstönen zwischen diesen Farben sehen. Der Grünblinde endlich sieht Alles Roth, Rothblau oder Blau. Nun haben zwar schon .die bisher beobachteten Fälle von erwor- bener einseitiger Farbenblindheit hinreichend gelehrt, dass dem nicht so sei; aber der Becker’sche Fall setzt Allem die Krone auf. Was nämlich ist totale Farbenblindheit nach Helmholtz? Sie ist darin begründet, dass der Farbenblinde nur eine Faserart besitzt, \) 80 z. B. wurden auf Veranlassung eines Zweiflers zwei farbige Papier- streifen so nahe an einander unter dem Stereoskop angebracht, dass der rechte links, der linke rechts erscheinen musste; war das linke Auge nun hypnotisch und farbenblind, so musste trotzdem der rechte Streifen farblos erscheinen und der linke in der normalen Farbe. So schien es auch Herrn H., der, ohne Ahnung der Ursache und ohne Kenntniss des Versuchs, sofort ganz richtig sein Befremden aussprach darüber, dass er jetzt rechts farbenblind geworden sein müsse, 2) Gräfe’s Archiv. Band XXV, 2. 1880, 3 34 Jahres-Bericht sagen wir z. B. die blaue. Er sieht also Alles Blau. Am Blausten ist ihm so viel als uns am hellsten; denn für ihn giebt es ja keine andere Liehtempfindung, als blau. Er sieht eben einfarbig. Hieraus folgt, dass wenn Einer auf dem einen Auge Alles nach seinem Farbensinn aufs Feinste unterscheidet, wie dies die Becker’sche Kranke (— und Herr stud. H. in unsrem Falle —) that, und wenn er also sehr wohl weiss, was Roth, Blau oder Grün ist, und er ist auf dem andren Auge total farbenblind und kann mit diesem Auge keine Farbe von der andern unterscheiden, während er doch mit demselben die feinsten Schattirungen des Grau erkennt, wie der Normalsehende, es folgt, sage ich, dass dieser Kranke uns nun auch die Mittheilung machen müsste, dass er mit dem farbenblinden Auge Alles roth sieht oder Alles blau oder Alles grün, je nachdem ihm eben die eine oder die andere Faserart geblieben ist. Denn besässe er gar keine mehr, so müsste er nach Helmholtz ja blind sein. | | Nun sah aber die Beeker’sche Kranke (— und unser stud. H. —) Alles grau in grau, was sie mit dem andren Auge farbig sah und wirkliches Grau sah sie beiderseits gleich als Grau. Nach meiner Theorie versteht sich das Alles von selbst; der Kranken fehlt eben in einem Auge die rothgrün- und die blaugelb - empfindende Substanz, und nur die schwarz-weiss empfindende war vor- handen. Nun, wie gesagt, die totale Unbrauchbarkeit und Unrichtigkeit der alten Theorie war mir längst klar; aber der Becker’sche Fall giebt eine Probe auf’s Exempel, die so rein und vollkommen ist, wie keine andre.‘ Als ich Herrn Prof. Hering jetzt von dem Befunde bei Herrn stud. H. Mittheilung machte, antwortete er mir am 25. Februar d. J.: „Ihr Fall ist ein klassischer Beweis dafür, dass die Weiss- empfindung nicht aus der gleichzeitigen Erregung dreier farbig empfindender Fasern oder Substanzen resultirt.“ In unsrem Falle konnte ich durch die mannigfachsten Methoden nachweisen, dass die Vorgänge in der schwarzweiss empfindenden Substanz des Herrn H. auch in der Hypnose empfunden wurden, dass jedoch, wie aus dem Nachbilder-Versuch erhellt, in der rothgrün- und blau- gelb-empfindenden Substanz Dissimilation und Assimilation vor sich gingen, ohne in der Hypnose empfunden zu werden. Aus unsrem Falle folgt ferner, dass Weiss und Schwarz positive Empfindungen sind und dass diese ausser grau allein in der Hypnose fortbestehen. Fälle, wie der vorliegende, scheinen mir ausserordentlich geeignet zur Prüfung des Werthes isochromatischer Proben, hier natürlich nur für totale Farbenblindheit. Nach den überraschenden Wahrnehmungen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 35 zu welchen schon das Studium des Hypnotismus bis jetzt geführt hat, wäre es ja nicht undenkbar, dass bei geeigneten Individuen in gewissen Stadien oder durch gewisse hypnotische Versuchsmethoden nur Roth- grünblindheit ) oder nur Blaugelbblindheit künstlich temporär erzeugt werden könnte, — und dann hätten wir eine Controle für Farbensinntafeln, wie sie uns zunächst noch fehlt. Und das Prineip der pseudo-isochro- matischen Tafeln wird sicher sehr bald die alte Methode der Wollenver- gleichung, die wir mit Fug und Recht die Seebeck’sche?) nennen müssen, verdrängen. Wie vorzüglich der Stilling’sche Atlas die Ver- wechselungsen der Totalfarbenblinden wiedergegeben, folgt bereits aus unsrem Falle. Von grosser Wichtigkeit scheint mir endlich der constatirte hoch- sradige einseitige Accommodationsspasmus; täglich überzeugten wir uns, dass das andre Auge gleichzeitig keinen Spasmus des Tensor chorioideae darbot. Allerdings scheint auch kein binokulärer Sehakt in diesem Zustande erzeugt werden zu können. Resultate: 1) Liehtsinn und Farbensinn können in der Hypnose vollkommen von einander getrennt werden. 2) Leichtes Bestreichen der Haut der rechten Stirn- und Schläfengegend macht das linke Auge totalfarben- blind und ruft bedeutenden Accommodatioskrampf hervor. 3) Liehtsinn und. Raumsinn bleiben in der Hypnose intact. Andre Fälle von hypnotischer Farbenblindheit werde ich demnächst mittheilen; eine irgend bemerkenswerthe Nachwirkung auf das Allge- meinbefinden konnte ich bei halbseitigem Hypnotisiren bisher nicht sehen, während allerdings bei totaler Hypnose die Reflexerregbarkeit mitunter bis zu gehörigem Opisthotonus bei leisester Berührung steigt. !) Der vorliegende Vortrag war bereits im Druck, als Herr Professor Heidenhain die überaus wichtige Entdeckung machte, dass nach Einträufelung von Atropin das Auge seines Brudersin der Hypnose nicht mehr totalfarbenblind, sondern nur rothgrünblind wurde. Gelb erschien im Beeinn der Atropinwirkung grau mit blauem Schimmer, später rein blau, dann blau mit gelbem Schimmer, so dass gelb durch einen blauen Schimmer er- scheint. Dann endlich gelb mit leicht blauem Schimmer. Bei Blau verhält es sich entsprechend umgekehrt. Aber grün und roth erscheinen auch trotz Atropin nur grau. Die Angaben von dem Uebereinanderschwimmen zweier Farben erinnern lebhaft an Goethe’s bisher räthselhaft erschienene Mittheilung: „Diese Farben- blinden sagen, sie sähen das Gelbe gleichsam über dem Roth schweben, wie lasirt.“ (Farbenlehre. Didaktischer Theil. $ 106.) — Auch zwei andre Fälle von Contrastsehen hatte .ich seitdem mit Herrn Professor Heidenhain zu beobachten Gelegenheit. 2) Vgl. Schweigger, Handb. d. Augenheilkunde. 4. Autl. pag. 555. 3 ES Jahres-Bericht © [op Sitzung vom 16. April 1880. Herr Bruntzel hält nachfolgenden Vortrag: Ueber die Erfolge der Antisepsis auf dem Gebiete der Laparotomien. Die statistischen Erhebungen über die Resultate der Ovariotomie in den verschiedenen Ländern lieferten bis zum Jahre 1873 für die deutschen Ovariotomisten das wenig erfreuliche Ergebniss, dass deren Resultate weit hinter denen der Engländer und Amerikaner zurückstanden. Eine Zusammenstellung von Ovariotomien aus den Jahren 1867 —73 ergab, dass England und Nord-Amerika 75 °/,, Deutschland nur 50°, Heilungen aufzuweisen hatte. Der Grund für diese Misserfolge wurde in allem möglichen gesucht, man glaubte, die deutschen Frauen seien nicht so widerstandsfähig gegen derartige schwere Eingriffe; die deutschen Hospitäler, deren Einriehtung und Verpflegung in denselben wurden für die Misserfolge verantwortlich gemacht, die lediglich auf Seiten der Operateure zu suchen waren, denen von Ausländern damals der Vorwurf gemacht wurde, dass sie Erfahrungen Fremder sich nicht zu eigen gemacht hätten und auf eigene Faust experimentirten. Diesen Vorwurf haben in den letzten Jahren die deutschen Operateure in jeder Beziehung entkräftet; die Veröffentlichungen der neuesten Zeit zeigen, dass die deutschen Ovariotomisten den Ausländern nicht allein ebenbürtige Resultate aufzuweisen haben, sondern, dass sie deren Resul- tate in mancher Beziehung übertreffen. Bei Aufstellung der Statistik ist in erster Linie ferner zu berück- sichtigen, dass im Auslande, speciell in England, das bis jetzt die weitaus günstigsten Resultate aufzuweisen hat, die Ovariotomie in den Händen verhältnissmässig weniger, sehr geschickter Operateure sich be- findet, während in Deutschland eine Anzahl von Aerzten sich berufen fühlen, einmal in ihrem Leben eine Ovariotomie zu versuchen, leider oftmals ohne dass die nothwendigsten Vorkenntnisse und technischen Fähigkeiten für das Gelingen der Operation ihnen zur Seite stehen, wie die Veröffentlichungen auch der neueren Zeit, die dazu noch meist schön gefärbt sind, hinreichend documentiren. Vergleichen wir dagegen die Resultate der beschäftigten deutschen Ovariotomisten wie Billroth, Nussbaum, Schröder, Olshausen, Hegar, Spiegelberg ete., so stellen sich deren Resultate völlig ebenbürtig denen der englischen Koryphäen zur Seite, ja übertreffen sie in vieler Beziehung, da bei dem verhältnissmässig geringeren Materiale, das auf die einzelnen Operateure in Deutschland entfällt, viel seltener eine Auswahl unter den sich dar bietenden Fällen getroffen wird, als es von englischen Operateuren ge- schieht, von denen einzelne nur uncomplieirte Fälle operiren. Was die deutschen Resultate um so achtungswerther macht ist auch der Um- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 37 stand, dass sehr viele Fälle erst sehr spät zur Operation kommen und dureh öftere Punetion des Tumors von Seiten der behandelnden Aerzte die Prognose der Operation erschwert wird, da hinlänglich bekannt ist, dass durch derartige Eingriffe die zwar momentan dem Patienten Er- leichterung schaffen, oft genug weitgehende Adhäsionen und Verlöthungen, durch Entzündungen der Umgebung des Tumors gesetzt werden, ausser- dem das Allgemeinbefinden der Patienten durch wiederholte Punctionen verschlechtert wird. * Fragen wir uns, wodurch die deutschen Ovariotomisten zu so günstigen Resultaten gelangt sind, so haben sie vor allem der Antisepsis, neben der verbesserten Technik es zu verdanken, dass die Mortalitätsziffer von Jahr zu Jahr sinkt. Gewiss haben die Koryphäen der Ovariotomisten, wie Spencer Wells und Köberle, Resultate ohne Antisepsis erzielt, die die Anderer, unter antiseptischen Kautelen Operirenden weit in den Schatten stellen; jedoch dürfen wir nicht verkennen, dass die Angaben von Spencer Wells z. B. über Vorbereitungen zur Operation, penibelste Sauberkeit in Instrumenten und Verbandstücken, Bedingung des sich Tage lang vorher Enthaltens von Berührung mit anderen Kranken, die An- forderungen, die jetzt von Antiseptikern gestellt werden, weitaus über- treffen, und das strikte Innehalten derartiger Anforderungen verbunden mit einer derartigen Uebung und technischen Fertigkeit, wie sie Operateuren, wie Spencer Wells und Köberle zur Seite stehen, haben Serien von 20 und mehr hintereinander geglückten Laparotomien öfters zu Stande gebracht. Andererseits dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass diesen Öperateuren auch eine Reihe von Fällen hintereinander verunglückt ist, die zwar die Höhe der geglückten Fälle nicht erreicht, jetzt aber keinem wirklich aseptisch Operirenden vorkommen können und dürfen, da diese verunglückten Fälle weitaus zum grössten Theil an Infection, d. h. an septischer Peritonitis zu Grunde gegangen, eine Todesart, die bei wirklich antiseptischem Operiren als eliminirt bezeichnet werden kann. Ueber den Begriff der Antisepsis sind leider bis zum heutigen Tage die Acten durchaus noch nicht geschlossen. Das „Listern‘“ wird von den einzelnen Operateuren noch immer nach Belieben umgemodelt, jeder scheint sich eine eigene antiseptische Methode gebildet zu haben. Spe- ciell unter den gynäkologischen Operateuren herrschen völlig verschie- dene Ansichten über den Begriff „‚Listern‘“, während der Eine den Spray für unerlässlich hält, erachtet ihn der Andere für völlig überflüssig; hier verlangt ein Operateur ein Zimmer, das nach einer bestimmten Himmels- richtung gelegen ist, dort sollen Operateur und Assistenten unmittelbar vor der Operation ein Vollbad nehmen, ja Hegar verlangt noch jetzt, dass nicht nur die bei der Operation direet eingreifenden, sondern auch die Umgebung in den letzten Tagen in keine Berührung mit infeetiösen Stoffen gekommen ist. 38 Jahres-Bericht Gehen wir auf diese Punkte etwas näher ein, so haben die meisten mit der Antisepsis gar nichts zu thun, ein viel beschäftigter Operateur und dessen Assistenten sind nieht im Stande, sich von infeetiösen Stoffen Tage lang fern zu halten, eine neue Klinik und extra für Ovariotomien eingerichtete Räume existiren leider Gottes bei uns auch noch nicht. Den besten Beweis, wie hinfällig diese Anforderungen sind, bieten die Resultate unserer Klinik, auf die ich später genauer eingehen werde. Wir operiren in einem Zimmer ®n welchem Tags vorher das poliklinische Ambula- torium abgehalten wurde, in welchem der ganze Schmutz der land- läufigen Gynäkologie sich präsentirt, dabei ist das Zimmer von Gebär- und Wochenzimmern umgeben, die Räume niedrig und leider auch dunkel. Dieselben Assistenten, die sich in das geburtshülflich gynäkologische Material iheilen müssen, assistiren während der Operation, und häufig genug ist es vorgekommen, dass wir direet von einer Entbindung, bei der wir mit putriden Stoffen in Berührung gewesen, unserem verehrten Chef bei einer Ovariotomie assistiren mussten, ohne dass für das Ge- lingen der Operation ein Nachtheil erwuchs. Den Carbolspray halten wir bei Laparotomien für ein unerläss- liches Erforderniss; wenn gesagt worden ist, dass er in ein Gefühl der Sicherheit einschläfere und den Operateur; die übrigen antisept. Mass- regeln vergessen mache, so ist das doch weiter nichts als blosse Redens- art. Von der angeblichen Gefahr des Sprays, dass er den Eintritt einer Carbolvergiftung befördere, haben wir niemals etwas wahrgenommen, bei einer einzigen Ovariotomie (die der Clientel des Herrn Dr. Caro hier- selbst entstammte) trat vorübergehend neben Carbolurin Fieber ein, das jedoch so rasch wieder verschwand}, dass von einer eigentlichen Carbol- vergiftung nicht die Rede war. Niemals haben wir, trotzdem eine Reihe von Operationen geraume Zeit in Anspruch nahm, irgend welche üblen Erscheinungen durch den fortwährenden Eintritt des Carbolnebels in die Bauchhöhle gesehen, im Gegentheil die fortwährende Benetzung des Pe- ritonäums und der Därme mit dem Carbolnebei schwemmt die daran haftenden Partikelchen des etwa übergetretenen Cysteninhalts oder Blut- coagula dem tiefst gelegenen Theile des Abdomens zu und gestattet kein festeres Anbacken der Partikel an die Umgebung. Ohne Spray in Räumen zu operiren, in denen durch Verweilen von Patienten oder Zuschauern die Gelegenheit zur Verschleppung infectiöser Keime gegeben ist, halten wir bei Eröffnung so leicht infieirbarer Lymphsäcke, wie des Peritonäums, für sehr gefährlich und wird es dann stets ein Zufall sein, wenn eine Ovariotomie, in derartigen Räumen ge- macht, glückt. Wir benutzen in unserer Klinik einen Dampfspray aus der Fabrik von Fischer in Berlin, der 5 Stunden ohne Unterbrechung arbeitet, er hüllt das ganze Operationsterrain und dessen Umgebung in einen feinen 3% Carbolnebel, der Operateur und Assistenten durchaus der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 nicht belästigt, auch bei längerer Dauer nicht; ausserdem sichert er vor etwaigem Eindringen von Infeetionskeimen, die durch Zuschauer einge- bracht werden oder im Zimmer suspendirt sein könnten. Wir haben stets bei grosser Corona operirt, sämmtliche Klinieisten konnten den Operationen beiwohnen und nie haben wir gesehen, dass 15 oder 20 un- betheiligte Zuschauer den Wundverlauf in irgend einer Weise beeinflusst hätten. Natürlich ist es nieht dem Carbolspray allein zu verdanken, dass unsere letzten 25 Laparotomien hintereinander genesen; es gehört eben zu einem derartigen Resultate die gewissenhafteste Durchführung aller antiseptischen Massregeln, um die complieirtesten und von vornherein die schlechteste Prognose gebenden Fälle durchzubringen. Es vertheilen sich diese 25 Laparotomien auf 19 Ovariotomien, 4 Castrationen, 1 Totalexstirpation des Uterus, 1 Hydronephrosenoperation. Fassen wir zuerst die 19 ÖOvariotomien ins Auge, so müssen wir vorausschicken, dass sämmtlich intraperitonäal behandelt worden sind. Wenn auch, wie Spiegelberg (cfr. Berl. klin. Wochensch. 1879. Nr. 18) mit Recht geltend macht, mit der extraperitonäalen Behandlung sehr wohl die Durchführung der strengsten Antisepsis zu verbinden wäre, so ist doch niemals ein derartig reactionsloser Wundverlauf möglich, wie bei der intraperitonäalen Behandlung; die demarkirende Eiterung des Stieles unter der Klammer, die Bildung einer breiteren Narbe im unteren Wundwinkel und die dadurch gegebene Disposition zu Bauchbrüchen sind Sachen, die sich bei intraligamentöser Behandlung des Stiels völlig ver- meiden lassen. Eiterungen in der Wunde gehören bei uns jetzt zu den srössten Seltenheiten, meist sieht die Wunde so linear aus, als wäre sie mit dem Räasirmesser geschnitten. Ueber das Schicksal des ver- senkten Stieles kann man völlig beruhigt sein, wenn man antiseptisches Ligaturmaterial benutzt, wird man auch für die Folge nicht Becken- eiterungen zu fürchten haben; der Stielrest mit seinen Ligaturen wird einfach eingekapselt und giebt zu keinen weiteren Reizungen des peri- tonäalen Beckenüberzuges Veranlassung. Wir werden daher stets nur intraperitonäal behandeln und schliessen uns völlig dem Ausspruch Ols- hausens an (efr. Pitha Billroth VI, 288), dass der Klammer die ruhm- reiche Vergangenheit angehöre, der Stielversenkung die vollkommenere Zukunft. Eines der seltensten Ereignisse bei Versenkung des Stieles trat in einem Falle auf, der von Herrn Dr. Günter aus Jauer zur Operation der Klinik überwiesen worden war. Es hat eine Haematocele retrouterina nach Exstirpation des rechtsseitigen intraligamentös inserirten Ovarialeystoms, die im weiteren Verlaufe durch Punetion per Rectum entleert wurde und wobei sich der Cystenrest mit seinen Ligaturen 40 Jahres-Bericht abstiess. Der Fall ist von Dr. Kroner in Nr. 1 der Breslauer ärztl, Zeitschrift 1880 veröffentlicht. Ein zweites unangenehmes Ereigniss passirte bei einem Falle, den ich in Abwesenheit des Herrn Geh. Rath Spiegelberg operirte. Es war ein rechtsseitiges Dermoid, bei einer sehr herunter gekommenen Frau, die fortwährend fieberte und bei der durch die Laparotomie constatirt wurde, dass frische fibrinös eitrige Peritonitis bestand, neben der Cyste befanden eich reichliche Massen verfärbter peritonäaler Flüssigkeit. Die Operation verlief reactionslos, vom zweiten Tage ab war Patientin fieberfrei und der andauernd fieberfreie Verlauf bewog mich die Nähte schon am sechsten Tage zu entfernen — die Wunde war völlig per primam geheilt. Am nächsten Morgen jedoch veranlasste mich eine Klage der Patientin, die in der Nacht mehrmals gehustet und in Folge dessen Schmerzen in der Wunde haben wollte, zur Oeffnung des Verbandes und fand es sich, dass die Wundränder im ganzen Bereich der Wunde einfach aus einander gewichen waren und mehrere Darmschlingen frei zu Tage traten. Ganz ıninimale Bluteoagula bedeckten die Darmserosa; ich reinigte sofort die Wunde und die Därme, reponirte dieselben, frischte die Peritonäalränder wieder an und nähte die Wunde von Neuem zu. Patientin befindet sich wohl und munter, die Wunde hat an ihrer Oberfläche anfangs stark geeitert, ist jetzt aber am achtzehnten Tage nach der Operation völlig verheilt. Es hat also in diesem Falle der antiseptische Verband sich aufs Glänzendste bewährt; die geöffnete Peritonäalhöhle mit Darm haben mehrere Stunden bloss gelegen, ohne dass nachträglich auch nur die geringste Spur von Peritonitis aufgetreten wäre, ja noch mehr, in diesem Falle ist durch die Laparotomie die vorhandene Peritonitis mit einem Schlage beseitigt worden, ein Erfolg, der ja auch von anderer Seite hinlänglich verbürgt ist, da Fälle von Ruptur der Cysten mit conseeutiver Peritonitis einen glücklichen Ausgang durch die Laparotomie fanden. Es ist natürlich bei derartig complieirten Laparotomien Haupt- bedingung, die Toilette des Peritonäums aufs sorgfältigste zu installiren. Hierzu gehört vor allem ein so weit reichender Schnitt, dass die mit einem Schwamme armirte Hand in alle Ecken und Buchten der Bauchhöhle bequem gelangen kann, um jede Spur aseitischer Flüssigkeit oder über- geflossenen Cysteninhalts zu entfernen. Wir wischen nicht allein die Peri- tonäalhöhle mit feuchten, earbolisirten Schwämmen aus, sondern schütten grosse Quantitäten 2procentiger warmer Carbollösung in die Bauchhöhle und sind dadurch in der Lage, die der tiefsten Stelle, also dem Douglas’schen Raume, zugeschwemmten Theile des Cysteninhalts aufs sauberste zu entfernen. Da wir bei Ausführung unserer Laparotomien den grössten Werth auf die Trockenlegung der Bauchhöhle legen, haben wir auch bei den Castrationen sofort den Schnitt so weit verlängert, dass der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 41 wir bequem mit der Hand in die Bauchhöhle gelangen konnten. Für die Prognose der Operation hat die Länge des Schnittes gar keine Bedeu- tung, man wird beim antiseptischen Operiren doch jetzt kaum mehr die Mortalitätsziffer von der Länge des Schnittes abhängig machen; ja es wird entschieden die Prognose eher trüben, wenn man noch nachträglich den Schnitt verlängern muss, nachdem vorher vergebliche Manipulationen bei kleinem Schnitte stattgefunden haben, wie sie bei Abgleiten der Lisatur oder Blutung vorkommen können, als wenn man ihn gleich so weit führt, dass man zu allen Theilen des Operationsfeldes bequem ge- langen kann, Legt man auf absolute Austrocknung der Bauchhöhle das grösste Gewicht, so wird man bei Laparotomien nicht genöthigt sein, die Drainage der Bauchhöhle in der ausgedehnten Weise zu machen, wie sie Barden- heuer (efr. Zur Frage der Drainirung der Peritonäalhöhle, Stuttgart 1880) verlangt. Das Peritonäum ist eine so rasch resorbirende Membran, dass es geringe Blutmengen, die keine septischen Stoffe in sich bergen, binnen ganz kurzer Zeit zur Resorption bringt. Aufs prägnanteste wurde dies constatirt bei einer Ovariotomie, die Herr Stabsarzt Goder (Poln.-Lissa) der Klinik zu überweisen die Güte hatte. Es waren bei einem colossalen Tumor die ausgedehntesten Adhäsionen mit Netz, Magen und vorderer Bauchwand vorhanden, und trotzdem wir aufs sorgfältigste die Blutung durch weitgreifende Ligaturen en masse zu stillen suchten, waren wir nicht im Stande, der parenchymatösen Blutung aus den flächenhaften Adhäsionen völlig Herr zu werden, schlossen rasch die Bauchwunde und applieirten einen festen Compressionsverband, der die Blutung am sichersten stillte, und die Genesung war nicht im Geringsten durch das Hineinbluten in die Peritonäalhöhle complieirt. In diesem Falle blieb trotz der schweren Complicationen sogar die Gravidität, die den vierten Monat er- reicht hatte, bestehen, während sie in einem früheren von Geh. Rath Spiegelberg operirten Falle durch Abort am dritten Tage endete. Die Ovariotomien bei bestehender Schwangerschaft geben im Allge- meinen eine sehr gute Prognose, man soll stets in den ersten Monaten der Gravidität operiren, da nicht allein die Prognose für Erhaltung der Frucht eine bessere ist, sondern auch die Operation bei weiter vorgeschrittener Gravidität gefährlicher wird, da durch den Blutreichthum der Ligamente in den späteren Monaten leicht gefährliche Blutungen eintreten können. Bei grossen Cystomen oder bei Vorhandensein reichlieher Mengen aseitischer Flüssigkeit neben dem Tumor haben wir öfters, 1—2 Tage vor der Laporotomie, die Bauchhöhle durch eine Punetion von dem übermässigen Inhalte zu entlasten gesucht; man schafft sich nieht nur Raum zum bequemeren Manipuliren in der Bauchhöhle, sondern ver- mindert andererseits auch die Gefahren, die eine plötzliche Entleerung der Bauchhöhle, besonders bei in ihrer Ernährung stark redueirten Indi- 42 Jahres-Bericht En viduen, mit sich bringen kann. Natürlich muss auch eine derartige Punetion unter allen aseptischen Cautelen ausgeführt werden, damit nicht noch kurz vor der Operation eine Infection gesetzt werde. Die Punetion führen wir stets in der Linea alba aus, der von Blutgefässen isolirtesten Stelle des Abdomens. Den Gesetzen des intraabdominellen Druckes gemäss ist es durchaus gleichgültig, sich die tiefste Stelle des Abdomens aufzu- suchen oder durch entsprechende Lagerung den Ausfluss der Flüssigkeit zu unterstützen; jede beliebige Stelle der Bauchwand wird für Entleerung einer Cyste oder freier ascitischer Flüssigkeit denselben Effeet haben und ist daher die Linea alba als gefahrloseste Stelle in jedem Falle vor- zuziehen. Dass eine plötzliche Entleerung umfangreicher Tumoren der Bauch- höhle auch bei emaeciirten Individuen nicht von derartig schädlichem Ein- flusse ist, wie sie früher angenommen wurde, beobachteten wir in einem Falle, der von Herrn Dr. Anderson-Saarau uns zur Operation über- wiesen worden war. Es handelte sich um eine öl jährige Frau, die vor einem halben Jahre in Folge eines apoplektischen Insultes eine rechtseitige Lähmung mit Aphasie erlitten hatte; ein kolossaler Tumor füllte das Abdomen aus, und musste der Schnitt von der Symphyse bis zur Herz- srube geführt werden, um den kleineystischen Tumor, der durch Punction nicht zu verkleinern war, in toto aus der Bauchwunde herauszuwälzen, nachdem durch Einbohren mit der Hand in den Tumor es gelungen war, einen Angriffspunkt zum Zuge zu finden. Es hatte die plötzliche Entfernung weder während der Operation, noch auf den Verlauf derselben irgend welche nachtheilige Folgen, im Gegentheil war der Verlauf so reactionslos, dass Pat. schon am 10. Tage entlassen werden konnte. Ebenso grosse Schwierigkeiten, wie derartig kolossale Tumoren, bieten oft kleine Tumoren dar, besonders wenn sie noch nicht das Niveau des kleinen Beckens überragen und durch kurzen Stiel mit dem Uterus und dessen Anhängen fest verbunden nicht nach obenhin disloeirt werden können. In einem Falle sahen wir uns genöthigt, von der Exstirpation ‚abzustehen, da sich unüberwindliche Schwierigkeiten durch Fixation des etwa faustgrossen Tumors im Becken darboten. °, Jahre später laparo- tomirten wir die Patientin zum zweiten Male, die Entfernung des Tumors, der in dieser Zeit rasch gewachsen war und die Grösse eines Kinds- kopfes erreichte, bot jetzt fast gar keine Schwierigkeiten, da durch das Emporsteigen des Tumors der Stiel und seine Verbindungen so in die Länge gezogen waren, dass sie bequem unterbunden werden konnten. Der. Inhalt der ÖOvarieneysten ist besonders bei zwei Arten der- selben von jeher als verderbenbringend bezeichnet worden und zwar bei Dermoiden und bei verjauchten Cysten. Bei beiden mit vollem Rechte: sowohl der mit Fett untermischte Haarbrei, als auch der missfarbige FEiter sind Faetoren, deren Wirkung auf das Peritonaeum entschieden der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur, 45 (9) verhängnissvoll werden kann, wenn nicht die genaueste Toilette sofort Abhilfe schafft. Drei unserer Fälle wären Dermoide, alle drei genasen reactionslos. Eigenthümlich ist es, dass alle bisher bei uns in der Klinik vorgekommenen Dermoideysten sehr stark abgemagerte und kachectisch aussehende Frauen betrafen; in zwei Fällen waren weitgehende Erkran- kungen des Peritonaeums und Netzes (sarcomatöser Natur) vorhanden, bei beiden waren reichliche Massen aseitischer Flüssigkeit neben dem Tumor, _ die auch nach der Operation rasch wiederkehrten. In einem Falle wurde eine im Wochenbett durch Achsendrehung spontan verjauchte Cyste, die durch Herrn Stabsarzt a. D. Dr. Pauly- Posen uns überwiesen war, glücklich entfernt und das Fieber, das durch den im Körper etablirten, kindskopfgrossen Eitersack verursacht wurde, ; wurde durch die Laparotomie, wie in jenem Falle, bei dem frische Peri- ‚ tonitis bestand, sofort coupirt. | Als Ligaturmaterial verwenden wir zur Versorgung des Stiels car- bolisirte Seide, die wir uns nach v. Nussbaums Angabe dureh Kochen in Carbolwachs selbst bereiten, Catgut, das z. B. von Olshausen ' empfohlen wird, halten wir besonders für voluminösere Stiele nicht für so sicher, und da wir mit der Seide höchst zufriedenstellende Resultate ‚ haben, sehen wir keinen Grund, von der Seide als Ligaturmaterial Abstand zu nehmen; dagegen verwenden wir zur Unterbindung flächenhafter Ad- ‚ häsionen, Abtragung von Netzstücken und zum Schluss der Bauchwunde ‚ selbst Catgut. Nach Reinigung der Patientin wird ein Verband von Krüll- ı gaze und Benzoewatte angelegt, wie er in der Volkmann’schen Klinik ‚üblich ist, derselbe wird durch Carboleaze-Binden befestigt. Die ganze ‚ Operation selbst wird in einem sehr stark seheizten Zimmer ausgeführt, ‚ das eine Temperatur von 20°R. hat, das zur Toilette verwandte 2%, | Carbolwasser ist ebenfalls warm, dh nicht durch Abkühlung der Peri- | tonäalhöhle unangenehme icheittihllen von Seiten der Een uns und Cireulationsorgane hervorgerufen werden, die ja nach den W egner'- schen Versuchen hinlänglich bekannt sind. Die Nachbehandlung ist rein negativ, bei Erbrechen Eis und Nar- eotica, mit Vorliebe Opiumsuppositorien und Morphiuminjeetionen, da bei der Disposition zum Erbrechen, nach der lang dauernden Chloroform- narcose, per os genommene Narcotica das Erbrechen öfters steigern. In den ersten Tagen Nahrungsenthaltung, dann flüssige Kost; bei herunter- gekommenen Individuen geben wir möglichst bald Analeptica. Der Ver- band wird, wenn er keine Beschwerden macht, erst dann entfernt, wenn wir die Nähte fortnehmen, was meist am 7. oder 8. Tage geschieht. Kleine Fiebersteigerungen in den ersten Tagen nach der Operation sind ‚öfters zu constatiren, und höchst merkwürdig ist es, dass wir so häufig ' Gelegenheit haben, Bronchitiden oder eireumseripte Pneumonien bei unreren Laparotomien zu beobachten, auf die dann stets das Fieber 44 Jahres-Bericht zurückzuführen ist. Woher die Lungenaffeetion stammt, ist schwer zu eruiren, das wahrscheinlichste ist, dass die Entblössung und dadurch her- beigeführte Abkühlung der Patientin, wenn auch die Operation im warmen Zimmer vorgenommen wird, sie hervorruft, unterstützt dürfte sie wohl durch die Miteinwirkung des Carbolsprays und des Chloroforms werden. Oefters tritt auch, wenn am Tage nach der Operation die Regel vorzeitig durchbricht, geringe Temperatur-Erhöhung ein. Ueber die anderen Laparotomien kann ich mich in Kürze fassen. Ueber die von uns ausgeführten Castrationen ist von Herrn Geh. Rath Spiegelberg im letzten Aerzteverein eingehend berichtet worden. Bei den glänzenden Resultaten, die die Antisepsis bei Bauchschnitten aufzu- weisen hat, wird man jetzt bei der Castration in erster Linie das End- resultat würdigen müssen. Wir haben in dieser Beziehung nur Misserfolge zu constatiren (cfr. Bresl. ärztl. Zeitschr. 1879 Nr. 23 und Archiv. f£, Gynäkol. Bd. XV. Heft 1). Für gewisse Fälle, in denen angeborene oder erworbene Anomalien und Defecte des Uterus oder der Scheide bei normal funetionirenden Eierstöcken lebensgefährliche Erscheinungen her- vorrufen, wird die Castration eine segensreiche Operation sein; in allen anderen Fällen (wie zur Bekämpfung von Blutungen bei Fibromen, ovariellen Hysterien ete.) dürfte sie doch nur höchst zweifelhafte Resul- tate liefern. Es hat vielleicht die relative Ungefährlichkeit einer anti- septischen Laparotomie, die so kleine Organe des menschlichen Körpers betrifft, dazu verleitet, die Indieationsfrage zur Castration recht weit zu stellen; dass aber dann Misserfolge, wie sie nicht nur uns allein, sondern auch anderen begegnet sind, dazu beitragen können, den Werth der Castration zu schmälern, liegt klar auf der Hand; nur die absolut ge- eigneten Fälle werden der Castration diejenige Beachtung verschaffen, die sie in so hohem Maasse verdient. Die Totalexstirpation des Uterus betraf ein Sarcoma uteri, die Person befand sich in sehr gutem körperlichen Kräftezustand und hatte sich verhältnissmässig rasch von dem schweren Eingriff erholt, doch liess das Reeidiv nicht lange auf sich warten; schon in der sechsten Woche war ein verdächtiger Knoten im Beckenbindegewebe über der Scheiden- narbe zu constatiren, der rasch zu massigen Knollen sich vergrösserte und durch Perforation nach der Blase und Scheide der Patientin ein rasches Ende bereitete. Wir haben bei diesem Sarcomfalle dieselbe traurige Er- fahrung machen müssen, wie bei einem unserer glücklich operirten Car- cinomfälle, dessen Präparate ich im vorigen Sommer der Section zu demonstriren die Ehre hatte. Nach den Erfahrungen unserer Klinik müssen wir sagen, dass trotz der genauesten und strengst durchgeführtesten Antisepsis die Prognose der Totalexstirpation des Uterus eine durchaus infauste ist, die Schwere des Eingriffs steht in keinem Verhältniss zu dem Erfolge, den man durch AAN FEN a A han ze R / / der Schles Gesellschaft für vaterl. Cultur. 45 die Totalexstirpation erreicht, da man vor Reeidiven nie geschützt ist, und bei geeigneten Fällen durch ungleich mildere Operationsverfahren den armen Kranken doch öfters für längere Zeit Heilung resp. Erleich- terung von ihren Leiden schafft. Wir werden unseren Erfahrungen ge- mäss die Laparotomie zum Zwecke der totalen Exstirpation des Uterus nie wieder machen; bei der Gefahr, den der schwere Eingriff an sich bietet, ist weder bei Sarcom noch bei Careinom der absolute Erfolg, der durch die Entfernung des erkrankten Organs doch eintreten müsste, sicher zu erreichen, da wir nie im Stande sind, die Lymphgefässe des Beckens, in denen neue Keime vielleicht schlummern, in dem Umfange zu ent. fernen, wie wir es bei der Exstirpation anderer carcinomatös erkrankter Örsane bei Amputatio mammae z. B. thun. In die letzte Kategorie unserer Laparotomien gehört die Hydrone- phrosenoperation; sie betraf ein junges Mädchen, das von der medici- nischen Klinik uns zugesandt wurde; wir legten eine Nierenbecken-Bauch- fistel an, suchten den Sack, nachdem eine Verlöthung desselben mit der vorderen Bauchwand eingetreten war, durch adstringirende Injeetionen zur Schrumpfung zu bringen, was uns jedoch nur im beschränkten Masse selang; die Niere funetionirt ruhig weiter, wenn auch in beschränktem Masse, und werden wir in nächster Zeit die Exstirpation derselben vom Rücken her, also extraperitonäal vornehmen. Vergleichen wir die Resultate früherer Laparotomien, die Herr Geh. Rath Spiegelberg ausführte, mit denen der letzteren Zeit, so sehen wir, dass durch die Einführung der Antisepsis ein ungeahnter Erfolg er- zielt wurde. Während bis zum Jahre 1376 wenig mehr als die Hälfte der Operationen ein glückliches Resultat lieferte, konnte Herr Geh. Rath Spiegelberg in seinem Bericht über 35 gelisterte Ovariotomien 30 Hei- lungen (86°/,). verzeichnen (efr. Berl. klin. Wochenschrift 1879 Nr. 18) und die 25 seit dieser Zeit operirten Laparotomien, in denen mit den verschiedensten Complieationen zu kämpfen war, noch dazu bei Indi- viduen, die sich in den denkbar schlechtesten Ernährungsverhältnissen befanden, sind alle hinter einander genesen, ein Resultat, das nichts zu wünschen übrig lässt. Und dies verdanken wir lediglich der penibelsten Durchführung der Antisepsis und zwar einer Antisepsis, die nicht blos in dem Gebrauch einer bestimmten Carbollösung oder Carbolsprays allen aseptischen Anforderungen glaubt Genüge zu thun, sondern die Ope- rateur und Assistenten jeden Augenblick daran erinnert, dass von dem geringsten Versehen, vom Abweichen auch der kleinsten antiseptischen Vorschrift das betreffende Menschenleben nicht nur gefährdet, sondern verloren ist. Es ist unbegreiflich, wie sich noch immer, auch in der neueren Zeit, Aerzte und Öperateure gegen die Lister’sche Methode verschliessen können; derartigen Aeusserungen, dass schlechte Resultate bei Bauchschnitten durch die Anwendung der antiseptischen Methode 46 Jahres-Bericht erzielt wurden, kann man mit ruhigem Gewissen entgegenhalten, dass der Betreffende die Antisepsis nicht richtig verstanden und in Folge dessen auch nicht richtig zur Ausführung gebracht habe. Uns hat die antiseptische Methode bei den letzten 25 Laparotomien so glänzende Resultate geliefert, dass bessere nicht zu erzielen sind. Es wird fort und fort unser Bestreben sein, die antiseptischen Mass- regeln derartig zu vervollkommnen, um auch die kleinsten Unregelmässig- keiten des Wundverlaufs zu beseitigen, und hoffen wir, dass wir die Errungenschaften der letzten Laparotomien auch für die Zukunft in jeder Beziehung behaupten werden, damit das Gespenst der septischen Injection, dem weitaus die grösste Anzahl der Todesfälle bei Laparo- tomien zum Opfer gefallen ist, endgültig verscheucht werde. Alsdann spricht Herr Hermann Cohn Ueber das Verschwinden der Farbenblindheit beim Erwärmen eines Auges. „Wenn ich noch vor vier Wochen die Ankündigung eines Vortrages unter obigem Titel gelesen hätte, so würde ich dieselbe für einen Scherz gehalten haben; wäre mir aber von sachkundiger Seite mitgetheilt worden, dass es sich um sichere Beobachtungen handle, so hätte ich dieselbe doch nicht eher geglaubt, bis ich sie mit eigenen Augen gesehen. Da es wohl vielen der anwesenden Collegen ähnlich geht, erlaube ich mir, die merkwürdige Erscheinung, um die es sich handelt, hier an zwei von Geburt an Totalfarbenblinden vorzuführen. Wir verdanken bekanntlich Heidenhain und Grützner die Ent- deekung der wichtigen Thatsache, dass Streichen einer Schädelhälfte bei manchen Personen zugleich mit Kataleptisirung der entgegengesetzten Extremitäten auch Farbenblindheit des entgegengesetzten Auges hervorruft. Ich fand jedoch eine noch einfachere Methode, das Auge allein zu hypnotisiren und theilte dieselbe der geehrten Gesellschaft‘) bereits am 12. März mit. Sie besteht darin, dass man ein Auge erwärmt, sei .es mit einer warmen Hand oder mit einem warmen Umschlage; dadurch entsteht auf dem anderen Auge bei hypnotisirbaren Personen stets Aceom- modationskrampf und zuweilen Farbenblindheit. Diese Methode hat das äusserst angenehme, dass weder im Gesicht noch am Körper irgend welche Krämpfe oder Lähmungen, weder in der Sprache noch im Bewusstsein, noch im Urtheil irgend welche Störungen auftreten, und dass diese Versuche selbst bei den allerempfindlichsten Personen, die sonst schon durch einmaliges Aufwärtssehen total be- sinnungslos werden, ohne die geringste Belästigung oder Ge- fährdung beliebig lange angestellt werden können. ") Breslauer Aerztliche Zeitschrift No. 6 und 7. 2 SE. da der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 47 Die Beobachtung, dass Normalfarbensehende durch Erwärmen eines Auges Veränderungen ihrer Farbenempfindungen auf dem anderen Auge erfahren, legte es nahe, zu vermuthen, dass auch in den Empfindungen mancher von Geburt an Farbenblinden, wenn sie überhaupt hypnotisirbar, Veränderungen eintreten würden. Dass diese Vermuthung richtig, be- weisen die beiden vorzustellenden Fälle. Der erste Fall betrifft einen 17 jährigen jungen Mann, Herrn B., der schon in seinem 7. Lebensjahre zwei vollkommen verschieden gefärbte Kleider seiner Schwestern für gleich erklärte. Ich fand ihn vor zwei Jahren, als ich 3000 hiesige Schulkinder auf Farbenblindheit untersuchte, als totalfarbenblind; ich habe seine Verwechselungen nach allen damals bekannten Methoden untersucht und auf pag. 148 meiner ‚‚Studien über angeborene Farbenblindheit‘“ (Breslau 1879) als Fall 10 ausführlich beschrieben. Hier eitire ich nur kurz folgendes: Nicht zu einer einzigen Probenfarbe wurden die entsprechenden Farben gefunden, wenn man nach Seebeck mit Wolle prüft; zu purpur lest er: roth und chamois, zu braun: dunkelroth, zu rosa: roth, braun, lila, orange, zu carminroth: lila und rosa, zu gelb: orange, zu grün: violet, zu blau: violet, zu indigo- blau: schwarz, zu grau: braun und weiss. Im Spectrum ist keine Ver- kürzung vorhanden. Neueste Stilling’sche und Pflüger’sche Proben nicht ein Buchstabe gelesen. Er macht heut dieselben Verwechselungen wie vor zwei Jahren. Herr Hansen hatte ihn bei einer Vorstellung als ausgezeichnetes „Medium“ gefunden und ihn in tiefste Hypnose versetzt. Obgleich er seit 6 Wochen nie mehr hypnotisirt worden, ist er doch so empfindlich, dass er nach einem einzigen Aufwärtsblick die Augen nicht mehr öffnen kann, so empfindlich, dass ein leichtes Streichen über seine Wange ihn hindert, nur ein Wort zu sprechen ete. Lege ich meine gut er- wärmte Hand auf sein linkes Auge, so lacht er über alle Farbenver- wechslungen, die er eben gemacht, sortirt sofort alles nach den feinsten Nuancen richtig zusammen und liest die schwersten Stilling®’schen und Pflüger’schen Buchstaben richtig. Dasselbe gelingt auch, wenn ich sein rechtes Auge erwärme. Der zweite Fall betrifft einen 16jährigen Lehrline, Herrn Sch., der wegen eines einfachen Augencatarrhs in meine Behandlung trat und mich erinnerte, dass ich ihn vor 2 Jahren auf der Mittelschule als total farben- blind gefunden. Schon vor 8 Jahren war das Leiden zur Cognition der Seinigen gekommen, da er eine Rose schön grün nannte. Seine Ver- wechslungen sind genau geschildert in meinen „Studien“ pag. 167 bei Fall 72. Wie damals, legt er bei der Seebeck’schen Wollenprobe zu purpur: grün, zu braun: rosa und blau, zu rosa: blau und gelb, zu carmin: violet und grün, zu gelb: zinnoberroth und grün, zu grün; 48 Jahres-Bericht grau und blau, zu blau: gelb und grün. Weder Stilling’s noch Plüger’s Buchstaben werden gelesen. Dieser Patient hatte noch niemals hypnotische Versuche gesehen, ist auch selbst niemals hypnotisirt worden. Schon längst hat sich mir die Vermuthung aufgedrängt, dass alle Farbenblinden „Medien“ sind, da der Procentsatz farbenblinder Medien von Anfang an zu auf- fallend war; ich versuchte daher wie im vorigen Falle, durch Erwärmen des linken Auges das rechte zu hypnotisiren. Sogleich wurden alle Fehler in den Wollproben unter Lächeln und Staunen von Herrn Sch. corrigirt und alle Stilling’schen und Pfüger’schen Buchstaben gelesen. Nun erst versuchte ich Herrn Sch. nach den üblichen Methoden des Fixirens und Bestreichens allgemein zu hypnotisiren — allein trotz viertel- stündiger Bemühung vergebens. Auffallend erschien nur, dass er nach einem längeren Aufwärtsblick senkrechte Nystagmustösse machte. An vier aufeinander folgenden Tagen waren alle Versuche resultatlos geblie- ben, als ich ihn aber am 5. Tage eine volle halbe Stunde‘) ein Glasstück fixiren liess, wurde er so hypnotisch, dass ich jeden einzelnen Muskel in Starre versetzen konnte, wenn ich nur in seiner Nähe einen leichten Strich durch die Luft machte etc. Der dritte Fall endlich betrifft Herrn stud. med. F., der vielfach von Herrn Heidenhain und Berger zu Versuchen als „Medium‘ benutzt worden und bei dem ich eine typische Rothgrünblindheit mit unverkürztem Spectrum nachweisen konnte. Grau und grüne Pulver wurden zusammen- gelegt, Stilling und Pflüger nicht gelesen. Herr F. ist so empfind- lich, dass er bei leichter Berührung schon starke Krämpfe bekommt; da- gegen tritt, wenn er sich selbst ein Auge mit der erwärmten Hand zuhält, kein anderes Symptom, als ein Accommodationskrampf und Ver- schwinden der Farbenblindheit des andern Auges ein. Er ordnet sofort vorgelegte Pulver richtig und liest Stilling und Pflüger. Bei Herrn F. und Herrn B. werden freilich nach 1—2 Minuten wieder die alten Farbenverwechselungen gemacht; da jedoch das rich- tige Farbensehen blitzschnell bei ihnen eintritt, so können sie sich hin- reichend über die wahre Natur der Farbe orientiren. Bei Herrn Sch. ändern sich aber die einmal richtig erschienenen Farben nicht, sie werden nicht wieder grau, und wenn er das andere Auge noch so lange erwärmt. Bei ihm gelingt aber die Hypnose des linken Auges viel langsamer, als die des rechten; er muss das rechte Auge wohl über eine Minute lang erwärmen, um das linke farbensehend zu machen. ') Auch einen hiesigen Collesen konnte ich erst, nachdem ich ihn hatte 40 Minuten lang fixiren lassen, in Hypnose versetzen. Sollten vielleicht alle Menschen Medien sein, wenn sie nur lange genug fixiren? der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 49 Auch nur eine einzige theoretische Bemerkung schon jetzt an diese wunderbaren Thatsachen zu knüpfen, halte ich für sehr gewagt. Von der Richtigkeit der erwähnten Beobachtungen wollen sich die Herren Collegen jedoch jetzt durch den Augenschein selbst über- zeugen. Leider gelingt der Versuch nicht bei allen Farbenblinden; es werden ja auch nicht alle Medien in der Hypnose farbenblind. Dass aber bei diesen 3 Farbenblinden während des Erwärmens') eines Auges die Farbenblindheit verschwindet, steht über jeden Zweifel fest. Die beiden Totalfarbenblinden sind zufällig Lehrlinge in Farbe- waarengeschäften und sind sehr erfreut, durch ein so einfaches Mittel ihren Farbensinn völlig normalisiren zu können und manchen Aergernissen nunmehr zu entgehen. Das Hypnotisiren kann also unter Umständen auch Nutzen bringen.“ Hierauf spricht Herr Spiegelberg Veber die Entwickelung der puerperalen Infection. In Deutschland nehme man z. Z. allgemein an, dass die Erkrankung an Puerperalfieber durch Uebertragung septischer, d. h. unreiner oder in Zersetzung begriffener Stoffe von aussen oder durch sogenannte Selbst- infeetion geschehe. Die Infeetion von aussen sei die gewöhnliche, die durch Selbstinfeetion die seltenere. Unter ersterer verstehe man die direete Hinimpfung eines septischen Stoffes in das Gewebe des Geburts- kanals oder die einfache Einbringung eines solchen auf dessen Oberfläche, welcher sich nun dort fortpflanzt und seine zerstörenden Wirkungen ent- faltet, unter letzterer die Vergiftung des Organismus durch Zersetzung von im Geburtskanal gebliebenen Massen, gewöhnlich Eiresten. Zur Verhütung der Infeetion werden empfohlen: die genaueste Reinlichkeit der Hände und Instrumente, die Fernhaltung der Geburtshelfer von an- steckenden Krankheiten, der Studirenden von anatomischen Arbeiten, das Verbot, dass Hebammen, welche kranke Wöchnerinnen in Pflege haben, anderweitig bei Geburten Hilfe leisten und schliesslich die gründliche Entfernung etwa im Uterus zurückgehaltener Eireste nach der Geburt. Allein trotz dieser nach Ansicht des Vortragenden vollständig gerecht- fertigten zweckentsprechenden - Vorschriften käme das Puerperaltieber nicht selten noch vor. Deshalb werde die seeundäre Antisepsis, be- stehend in Spülung und Drainage der puerperalen Uterinhöhle, auch in Entbindungsanstalten noch so sehr eultivirt. Sie leiste aber wenig, selbst- ") Mit kalter Hand geht es nicht; zufällig haben die beiden Totalfarben- blinden stets kalte Hände; sie hätten sonst wohl zufällig schon die Entdeckung an sich gemacht. 1880. 4 50 Jahres-Bericht verständlich besonders da, wo die Erkrankung bereits von der Ober- fläche in das Parenchym eingedrungen sei, gar nichts. Nach der Ansicht des Vortragenden entspringen die meisten Puerperal- erkrankungen aus der Infection vom Geburtskanal selbst, nämlich aus der in demselben vor sich gehenden Fäulniss, die ihrerseits wieder durch den unter der Geburt erfolgenden Eintritt von Luft bedingt werde. Es genügt deshalb nicht, wenn antiseptisch geboren werden soll, die strenge Einhaltung der oben besprochenen Vorschriften, sondern es ist gleich unumgänglich nöthig, den Geburtskanal der Gebärenden völlig rein zu halten und die in denselben eingedrungene Luft zu entfernen und jeden- falls zu desinficiren, und zwar während des ganzen Geburtsverlaufes hin- durch, sobald es nöthig erscheine. Herr Wiener schliesst sich der Forderung des Herrn Vortragenden, die prophylaktische Desinfection der Gebärenden in keinem Falle zu versäumen, voll- kommen an, glaubt aber, dass diese nothwendige Massregel bisher nur in den klinischen Instituten geübt wurde. In der Privatpraxis wurde sie so gut wie ganz ausser Acht gelassen. Der grösste Theil der Hebammen besitze überhaupt keine Irrigations-Apparate und mit den bisherigen Spritzen werde in der Regel mehr Luft in den Genitalkanal eingeführt, als vorher drinnen war. Deshalb werde man in der Praxis die puerperalen Irrigationen in einem viel ausgedehnterem Maasse vorzunehmen haben, als der Herr Vortragende angedeutet hat. Seien auch in manchen Fällen putrider Zersetzung des Uterus-Inhaltes die puerperalen Aus- spülungen sowohl, wie die Uterusdrainage und die permanente Irrigation völlig nutzlos, so gelinge es doch andererseits häufig, durch ausgiebige Ausspülungen die Hauptmasse der Zerfalls-Producte zu entfernen und die weitere Zersetzung zu be- schränken. Alles komme darauf an, dem jauchigen Zerfall der Placentarthromben vorzubeugen. Dies sei nur durch die puerperalen Ausspülungen möglich. Gelinst es, durch dieselben den Process auf die oberflächlichste Schicht des Endometrium zu beschränken, dann würden die tiefer gelegenen Blut- und Lymphbahnen mittler- weile Zeit haben, sich gegen das Eindringen von Infectionsstoffen abzuschliessen, und die Aussicht auf Genesung werde immer grösser. Herr Eger jun. möchte aus der nicht zu läugnenden Thatsache, dass trotz des vor 2 Jahren an das Publikum durch die hygienische Section gerichteten Mahn- rufes das Wochenfieber nach wie vor in Breslau seine Opfer fordere, nicht folgern, dass die Ursachen des Auftretens anderswo gesucht werden müssten, als in den damals allseitig anerkannten Schäden. Er könne den Nachweis führen, dass alle die seitdem zu seiner Kenntnis gekommenen Infectionsfälle ebenfalls wiederum durch Hebammen von Frau zu Frau geschleppt wurden. Wäre die von Herrn Spiegelberg so in den Vordergrund gestellte Autoinfection wirklich so wesent- lich, dann müsste die Schwere des Geburtsverlaufes annähernd in gradem Verhält- niss stehen mit Zahl und Intensität der Puerperal-Erkrankungen. Dies war in seinen Fällen absolut nicht der Fall. Nicht eine einzige der Kranken war durch Kunsthilfe oder auch nur im Beisein des Arztes entbunden worden; bis auf eine — auch normal gebaute — waren alle Mehrgebärende mit vorhergegangenen leichten Entbindungen, denen als schädigendes Moment nur eines gemeinschaft- lich war — die infieirende Hebamme. Herr Langer bemerkte hierauf, dass er kurz mittheilen wolle, dass seit dem 15. Februar 1878 auf Veranlassung der hygienischen Section eine Puerperalfieber- Commission ernannt wurde, deren Ausschuss nicht unthätig geblieben sei. Das am 1. October 1878 für die preussischen Hebammen-Schulen neu einge- führte Lehrbuch sollte den Hebammen die nothwendigen Winke für eine eründ- liche Desinfection ihrer etwa mit septischen Stoffen in Berührung gekommenen Hände und Instrumente vor und nach der Geburt geben, doch blieben die ge- stellten Erwartungen weit zurück. Es wird den Hebammen nur ein 4% Carbol- Oel vorgeschrieben, mit welchem sie ihre Hände etc. zu desinfieiren hätten. Leider seien auch innerhalb dieser 2 Jahre eine ganze Reihe neuer ver- schleppter Puerperalfieber-Fälle vorgekommen. Die Commission habe deshalb dem EI WEI DE a a a Be man LU U 2 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 51 Köngl. Polizei-Präsidium das Anerbieten gemacht, sämmtliche Hebammen Breslaus vor den zeitigen Director der Provinzial-Hebammen-Lehr-Anstalt zu eitiren, und erhielten dieselben die eingehendste Belehrung über das Kindbettfieber, dessen Verschleppung und namentlich über dessen Verhütung. Die soeben von Herrn Geh. M.-R. Spiegelberg empfohlenen Irriga- tionen der Scheide mit lauer 2 % Carbol-Lösung vor und nach jeder gseburtshilflichen Untersuchung etc. ete. sind den Hebammen dringend ans Herz gelegt worden, ebenso die allergrösste Reinlichkeit ihres Körpers und ihrer Kleider. Die hierfür entworfene genaue gediuckte Anweisung ist den Hebammen hiesiger Stadt seitens des Kgl. Polizei-Präsidiums bereits übermittelt worden. So sei denn zu hoffen, dass unter der Controle der Aerzte unsere Hebammen durch strikte Befolgung aller Vorschriften mehr Segen bringen mögen als es bisher der Fall gewesen. Herr Spiegelberg bedauert, zu kurz seine Anschauungen vorgetragen zu haben, denn nur dadurch wären die Missverständnisse erzeugt, als deren Folgen er die von Herren Eger und Wiener gemachten Bemerkungen resp. Einwände ansehen müsse. Nichts könnte ihm ferner liegen, als die genannte Commission angreifen zu wollen, deren Mitglied ja er selbst war, wie er ja selbst den da- maligen Aufruf an das Publikum verfasst hätte. Wenn der Aufruf die gehoffte Wirkung nicht gehabt habe, so läge das eben daran, dass er auf die Desinfection des Genitalkanals in der Geburt keine genügende Rücksicht genommen und das konnte derselbe damals noch nicht, weil man noch zu sehr an die alleinige Be- deutung der Infection durch Hände und Instrumente sich angelehnt habe. Herrn Eger speciell sei zu erwidern, dass nichts im Vortrage zur Annahme berechtige, als wolle der Redner die Bedeutung der Infection von aussen schwächen; er habe ja betont, dass diese die schwersten und besonders acutesten Erkran- kungen bewirke; neben ihr müsse aber auf die spontane, d. h. die durch den Luftzutritt bewirkte Fäulniss im Genitalkanale hingewiesen werden, weil diese die Erkrankungen auch bei grösster Reinlichkeit der Hilfeleistenden und vor allem auch die leichteren Erkrankungen erkläre. Der Grund dieser Fäulniss stehe allerdings zu der Dauer der nicht ganz antiseptisch geleiteten Geburt in gradem Verhältnisse, woraus aber auch nicht folge, dass solchen Geburten immer auch die schwersten Erkrankungen folgen; dies hängt ja von der grösseren oder ge- ringeren Leichtigkeit des Abflusses des Fauligen und auch von der Entwickelung der Wundbacterien ab, die in Bezug- auf Zeit und Intensität so verschieden ist. Wenn übrigens eine Hebamme immer von Neuem infieirt, so ist sie eine an sich unreine Hebamme und muss removirt werden, weil sie fahrlässig ist; sie auf eine beschränkte Zeit mit Interdiet zu belegen, würde bei ihrer Unkenntniss oder Fahr- lässigkeit auch nur für die beschränkte Zeit, nicht auf die Dauer deren Pflege be- fohlene schützen. Herrn Wiener hat Vortragender nur zu erwidern, wie es ihm unbegreiflich erscheine, dass Herr W. aus den Aeusserungen im Vortrage erschlossen habe, es halte der Redner die secundäre Antisepsis, die Wochenbettspülungen des Uterus für unnütz. Er habe sich ja oft genug und auch heute ausgesprochen, wie nützlich diese letzteren unter Umständen sein könnten, und was Herr W. über diesen Punkt gesagt habe, könne Redner vollkommen unterschreiben; auch habe er oft genug darnach gehandelt. Sitzung vom 23. Mai 1880. Herr Schnabel theilt einen Fall mit, bei dem es ihm gelang, einen Fremdkörper aus dem Larynx zu entfernen. Im Anschluss an die Mittheilung des Herrn Schnabel berichtet Herr Elias über eine Tracheotomie, die er vor 4 Wochen an einem 3jährigen Mädchen ge- macht hat, das an Laryngitis crouposa litt und bei Beginn der Operation fast in Asone lag. Die Tracheotomie wurde schnell ausgeführt, das Kind erholte sich nach Einlegen einer Hartgummicanüle sofort. Beim Herausziehen des inneren Canülenrohres behufs Reinigung von Blutgerinnsel, hörte das Kind auf zu athmen, wurde bald asphyktisch und zeigte nur wenig Leben. Das Canülenrohr hatte sich von der Halsplatte gelöst und war in die Trachea herabgefallen. Es gelang noch 4* 59 Jahres-Bericht rechtzeitig, dasselbe zu erfassen, hervorzuziehen und das Kind durch künstliche Respiration wieder ins Leben zurückzurufen. Nach 3 Wochen war die Halswunde vernarbt. Herr Elias hat noch zwei ähnliche Fälle von Walter und Spence in der Literatur aufgefunden und räth bei Anwendung der Hartgummicanülen die- selben vor der Anwendung auf ihre Festigkeit sehr genau zu prüfen. Alsdann hält Herr Ponfick einen Vortrag über Actinomykose des Menschen im Anschluss und in Erweiterung seiner im Mai 1879 der Gesellschaft gemachten Mittheilung. Dem ersten der im hiesigen Allerheiligen-Hospital beobachteten Fälle sind inzwischen drei weitere gefolgt, welche ebenfalls mit einer prävertebralen Phlesmone, unter Betheiligung verschiedener den betroffenen Wirbeln benachbarter Organe verbunden gewesen sind und wie jener erste auf dem Wege einer schleichenden Ausbreitung des Eiterungsprocesses durch Erschöpfung zum Tode geführt haben. Beson- ders interessant ist der letzte, einen ca. 40 jährigen Barbier betreffende Fall, insofern hier die Krankheit mit grösster Bestimmtheit auf die Ex- traction des hinteren oberen Backenzahnes bezogen wurde. Von dem Augenblick der Entfernung desselben an stellte sich nämlich eine Ent- zündung des umgebenden Zahnfleisches und bald des ganzen rechten Backens ein, welche allmählich durch schwielige Schrumpfung zu einer narbigen Kieferklemme führte. Die hier gebildeten Fistelgänge setzten sich dann weiter in die Schläfen-, die obere Nacken- und Halsgegend fort, bis die Haut in diesen Regionen total unterminirt und der Patient der vereinten Wirkung dieser langwierigen Eiterungen und der durch die Kieferklemme bedingten chronischen Inanition erlegen war. In dem zweiten Falle war das die Halsmuskeln und die grossen Gefässe um- wuchernde Granulationsgewebe in die r. V. jugularis durchgebrochen und hatte sich von da aus eine gewaltige Metastase in dem rechten Herzen entwickelt, welche im Umfange eines kleinen Apfels dem Vorhof- Endocard nächst der Trieuspidalis aufsass, das Ostium stark beengte und weiterhin eine actinomykotische Myo- und Pericarditis nach sich gezogen hatte. Diese secundären Herde bestanden sämmtlich genau aus den nämlichen Elementen, wie die primäre intermusculäre Infiltration, einschliesslich jener „Pilzkörner“ geben haben. ‚ welche der Krankheit den Namen ge- Auf Grund dieser neuen Beobachtungen, welche ihrem klinisch- anatomischen Gesammtcharakter nach schon auf den ersten Blick ein ganz anderes Bild als der erste Israäl’sche Fall darbieten, hebt der Vortr. die local bösartige, aber nicht unmittelbar constitutionell-infeetiöse Natur des Processes hervor und macht auf die sehr wesentlichen Unter- schiede aufmerksam, welche er den septischen und pyämischen Affeetionen gegenüber aufweist, welche mit dem Eindringen parasitärer Organismen verbunden sind. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 53 Was die Natur der fraglichen Körner anlangt, so zeigen dieselben beim Menschen die vollste Uebereinstimmung mit der von Bollinger beim Rindvieh gegebenen und vom Vortr. vielfach bestätigten Schilderung und mit den analogen Gebilden, welche der letztere jüngst auch beim Schweine nachzuweisen vermocht hat. Bei all’ diesen Geschöpfen sind sie nach makroskopischem Aussehen und ihrer ganzen Anordnung, wie nach ihrem feineren Bau und dem Stadium ihrer Entwiekelung so überaus constant, dass sie nicht nur als regelmässige und unzertrennliche Be- gleiter der Krankheit betrachtet, sondern auch in einen innigen Causal- zusammenhang damit gebracht werden müssen. Denn überall, so weit immer die Eiterung dringen mag, finden sie sich innerhalb der Granula- tionen oder des spärlichen Secretes der Fisteln und Hohlräume ange- sammelt. Sehr merkwürdig bleibt dabei allerdings die Thatsache einer so weitgehenden Gleichartigkeit der Stufe ihrer Entwickelung, dass sie in den verschiedenen Einzelfällen sowohl, wie in den verschiedenen Regionen jedes betroffenen Individuums stets eine bis ins kleinste gehende Ueber- einstimmung ihrer Erscheinungsform zeigen und dadurch dem Studium ihres Werdesanges bisher noch unbesiegte Schwierigkeiten entgegensetzen. Dieser Umstand, im Verein mit dem negativen Ausfall der von dem Vortr. und Anderen angestellten Züchtungs- und Uebertragungsversuche bestärken ihn in dem Verdachte, dass jedenfalls ein Theil der in Rede stehenden Körner bereits abgestorbene Organismen seien. Der Vortrag wird durch eine grosse Zahl Knochenpräparate vom Menschen und Rinde, sowie einige colorirte Abbildungen erläutert. Schliesslich spricht Herr Bruntzel Ueber Dehiscenz der Bauchdecken nach Ovariotomie. In seinem Berichte über 25 nach einander glücklich verlaufene Laparotomien erwähnte V. kurz eines unangenehmen Ereignisses, das nach Exstirpation eines Dermoids des rechten Ovarium eingetreten war. Die Wundränder waren am Tage nach der Entfernung der Nähte im ganzen Bereich geborsten, mehrere Darmschlingen lagen frei zu Tage. Reposition derselben und Naht der Bauchdecken. Heilung. Seitdem ist bei weiteren 6 Ovariotomien (die ebenfalls einen glück- jichen Ausgang hatten) dasselbe unangenehme Ereigniss zweimal einge- treten: nach einer doppelseitigen Ovariotomie trat am achten Tage in Folge heftigen Hustens eine Berstung des oberen Wundwinkels ein; in dem anderen Falle wichen schon am vierten Tage die Wundränder in Folge andauernden Hustens bei einer hypostatischen Pneumonie, die die Ovariotomirte betroffen hatte, auseinander und lag der Darm in grossem Umfange frei zu Tage. In beiden Fällen wurde sofort, nach- dem der Unfall bemerkt worden war, der erneute Schluss der Wunde durch Naht herbeigeführt; beide verliefen günstig. 54 Jahres-Bericht Nach V. ist die Veranlassung der Dehiscenz in dem Nahtmaterial, zu dem Catgut benutzt war, zu suchen, das besonders im dritten Falle so wenig Widerstand zeigte, dass schon am vierten Tage die Ränder barsten. Aber auch in den anderen Fällen waren die das Peritoneum mitfassenden Catgutsuturen nicht im Stande, die serösen Flächen des Peritoneums einander genähert zu erhalten, sie wichen auseinander und dadurch wurden die Schnittflächen des Peritoneums einander zugekehrt, die bei dem geringen Reiz, den das antiseptische Verfahren auf sie aus- übte, keine Tendenz zur innigeren Vereinigung zeigten, und nach erfolgter Berstung dieselbe Beschaffenheit zeigten, als bei der Operation. Die relative Ungefährlichkeit der Dehiscenz ist lediglich dem anti- septischen Ocelusivverbande zuzuschreiben; das Catgut als Nahtmaterial für die tiefen Peritonäalsuturen wäre in Zukunft durch nach v. Nuss- baum'’schen Angaben präparirte Seide zu ersetzen. Eine ausführliche Mittheilung ist in Nr. 25 des „‚Centralblatt für Chirurgie“ erschienen. Sitzung vom 4. Juni 1880. Herr Elias spricht Ueber Gastrotomie. Die Gastrotomie zur Entfernung fremder Körper ist seit langer Zeit mit grossem Glück gemacht worden. Von 17 Operirten starben nach H. Petit nur 2. Bei Weitem nicht so günstig waren die Erfolge der Gastrotomie zur Anlegung einer Magenfistel. Meist war ein Carcinom des Oesophagus vorhanden; nur in wenigen Fällen eine narbige imper- meable Strietur. In letzteren Fällen ist von Verneuil, v. Langen. beck ete. stets mit gutem Erfolg operirt worden; während von den, wegen Carcinom Operirten, keiner länger als 3 Monate lebte; die Mehr- zahl starb wenige Tage nach der Operation, meist an Entkräftung, weil sie schon halb verhungert war; nur einige an eitriger Peritonitis. Vor- tragender wirft die Frage auf, ob bei solch’ ungünstigen Resultaten bei Careinoma oesophagi überhaupt noch in dieser Weise zu operiren sei und bejaht sie schliesslich. Hierauf geht V. zur Operation selbst über, beschreibt die einzelnen Acte derselben und ist der Ansicht, dass die Gastrotomie unter strenger Antisepsis eine gefahrlose Operation ist: Zum Schluss stellte V. einen 46 jährigen Restaurateur vor, dem er vor 12 Tagen wegen eines Carcinoma oesophagi eine Magenfistel angelegt hatte. Der Kranke war dem Verhungern nahe. Nach Eröffnung der Bauchhöhle machte das Auffinden des Magens einige Schwierigkeiten; zur Naht der Magenwand an die Bauchwand wurden 91 Knopfnähte verwendet. Am 4. Tage wurde der Magen eröffnet und Fleischbrühe mit Ei durch einen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 55 Trichter in denselben eingegossen, bis dahin wurde der Operirte von dem Tage der Operation an mit Klystieren von Leube’scher Fleischsolution ernährt. Am 7. Tage wurden 12 Nähte, am 8. die letzten 7 herausge- nommen. Nach Entfernung derselben zeigte sich die Verwachsung zwischen Magen- und Bauchwand als fest und sicher. Der ÖOperationsverlauf war absolut fieberlos, die Temperatur nur am Abend nach der Operation 37,7, sonst immer 36,8—37,2. Puls nicht über 75. Der Kranke hat sich sehr erholt, fühlt sich relativ ziemlich wohl und hat nur geringen Durst. Seine Nahrung besteht in Bouillon mit Ei, Wein, Reis, Gries, Sago und täglich einmal weiches Fleisch, das sich der Kranke zuvor kaut und dann in den Magen hereindrückt. Unter diesen günstigen Bedingungen hofft Vortragender den Kranken noch einige Zeit am Leben zu erhalten. In der an diesen Vortrag sich schliessenden Discussion erwähnt Herr Richter, dass er im vergangenen Jahre eine Gastrotomie gemacht habe, wie es so häufig geschieht zu spät, bei einem Patienten mit Carcin. oesoph., der schon seit Tagen nicht einen Tropfen Wasser hatte schlingen können und dessen Lungen bereits in Mitleidenschaft gezogen waren. Der Kranke starb nach etwa 20 Stunden, ohne dass sich peritonitische Erscheinungen eingestellt hätten. R. sind im Ganzen etwa 50 Fälle von Gastrotomie (der Anlegung eines Magenmundes gegenüber der Gastrotomie, der vorübergehenden Eröffnung des Magens zur Entfernung eines Fremdkörpers aus demselben) bekannt, mit mindestens 12 Heilungsfällen, d. h. Fällen, bei welchen die Operationswunde ohne wesentlichen Zwischenfall heilte, und die Ernährung durch die Fistel das Leben des Patienten um Wochen und Monate ver- längerte. In den meisten Fällen erlagen dieselben dann allerdings der weiteren Ausbreitung des Krebses, und unter den wegen Narbenstrietur Operirten einige den secundären Folgen der Magenentzündung. Operirt man bei Leuten mit sehr kräftig entwickeltem Thorax, bei denen man den ganz leeren Magen aus der Tiefe hervor- holen muss, um ihn an die Bauchwunde anzunähen, so erregt das Bewusstsein, dass zunächst allein die Heftfäden, später wesentlich nur die Verklebungen der Peritonäalplatten die vordere Wand des zunächst noch leeren Magens suspendirt erhalten und auch gegenüber den Erschütterungen bei eventuellem Erbrechen und Husten Stand halten müssen, die ängstliche Empfindung, es könne hier leicht zu einer secundären Trennung der narbigen Verbindung kommen. Indess scheint sich dann — nach einer brieflich mitgetheilten Beobachtung von Dr. Escher in Triest — eher, wie es von dem widernatürlichen After bekannt, die parietale Peri- tonäalschicht von der Bauchwand abzuheben und trichterförmig sich nach innen vorzuwölben, als dass die beiden Bauchfellblätter sich wieder von einander trennten, — Uebrigens ist man neuerdings mit der chirurgischen Behandlung von Careinomen im Anfangstheil des Darmtractus noch weiter gegangen, insofern Peau im vergangenen Jahre .bei Carcin. pylori nach Entleerung des gewaltig ausgedehnten Magens durch Punetion die kranke Stelle ausgeschnitten und die Wundränder des Magens und Duodenums mit einander vernäht hat. Der Kranke, bei dem sich keine Peritonitis entwickelte, starb am 5. Tage nach der Operation an Erschöpfung, trotzdem während der letzten Tage mehrere Transfusionen ihm neues Blut zugeführt hatten. Auch bei diesen Operationen kann man nur auf einen günstigen Ausgang rechnen, wenn der Kranke sich zu ihrer Ausführung ent- schliesst, ehe seine Kräfte völlig redueirt sind. Herr Kolaczek erklärt, dass über die Zulässigkeit bezüglich der Gastro- tomie wegen Üarcinoma oesophagi unter den Chirurgen noch lange nicht Ein- müthigkeit herrsche, weil zufolge der bisher gemachten Erfahrungen kaum eine zweite Operation von so kläglichen Erfolgen begleitet sei. Er möchte seine per- sönliche Ansicht dahin aussprechen, dass ihn weder die Ungefährlichkeit des Ein- griffes an sich, noch die so überaus trügerische Hoffnung auf ein gewisses Stationär- bleiben des Krebses, noch schliesslich sein eiener Wunsch, dem Patienten wenigstens vorübergehend Linderung, also Euthanasie zu verschaffen, zur Gastrotomie bestim- men würden, sondern lediglich das dringendste Verlangen des Kranken operirt zu 56 Jahres-Bericht werden, trotzdem ihm über den Effect der Operation die unverblümte Wahrheit eröffnet sei. Leider kämen die Chirurgen oft genug in die Lage, grade bei Carci- nosen die Operation zu verweigern, und nur zu bekannt sei es, dass sie von jeher die Operationen par complaisance wegen der gewöhnlich üblen Erfolge und des Mangels jeglicher Befriedigung perhorrescirt haben. Hierauf demonstrirte Herr Ponfick im Anschluss an seinen jüngst gehaltenen Vortrag den schwer veränderten Unterkiefer eines frisch geschlachteten Ochsen, welcher einmal eine mächtige cutane Geschwulstentwickelung am Kiefer- winkel in Gestalt grosser, an Sarkomknoten erinnernder nässender Tu- moren zeigt, sodann aber in seiner ganzen Dicke von einer ähnlich zusammengesetzten grauröthlichen Wucherung in solchem Masse durch- setzt ist, dass von dem Knochen nur noch spärliche und sehr eigenartig gestaltete atrophytische und stalaktische Reste übrig geblieben sind. Soweit sich diese Neubildung, sei es Innen, sei es Aussen, ausgebreitet hat, finden sich die wiederholt erwähnten kleinen „Körner“, jeweilen von etwas Eiter umhüllt, darin eingebettet. Der Vortragende macht besonders noch auf das Verhalten der Zähne aufmerksam, welche in Krone wie Wurzeln ein ganz normales Verhalten darbieten und von dem um sie herum wüthenden Proliferationsvorgange lediglich passiv und secundär in Mitleidenschaft gezogen erscheinen, da- gegen sind die unverhältnissmässig tiefgreifenden Zerstörungen in der äusseren Lamelle des Knochens danach angethan, um für das vorliegende Präparat auf eine von der Haut nach Innen vorschreitende Richtung des Processes hinzuweisen. Sitzung vom 9. Juli 1880. Dr. Wiener spricht: Ueber die Herkunft des Fruchtwassers. Der Vortragende giebt zuerst einen kurzen historischen Ueberblick über die einschlägigen Arbeiten der letzten Jahre und berichtet sodann über eine, unter Beihilfe des Herrn Grützner im hiesigen physiolo- gischen Institute an trächtigen Kaninchen angestellte Versuchsreihe, die zu dem Ergebnisse führte, dass an der Fruchtwasserbildung sowohl Mutter wie Frucht betheiligt sind. Zunächst wurden die Versuche Zuntz’ wiederholt, d. h. es wurden mehr oder minder eoncentrirte Lösungen von indigschwefelsaurem Natron in eine Jugularvene des Mutterthieres injicirt. Fast immer war der Farbstoff, wenn auch in minimaler. Menge, im Fruchtwasser nachzuweisen; gleichviel, ob der Mutter viel oder wenig beigebracht worden war. In den Foeten dagegen zeigte sich auch nicht eine Spur des Farbstoffes, ein Resultat, das auch Zuntz erhalten hatte. Wiederholt fand sich in der Harnblase ein Tropfen hellen, klaren Urin. Um die Bedingungen des Uebertrittes des Farb- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 57 stoffs auf den Foetus günstiger zu gestalten, wurde ein anderer Weg eingeschlagen. Bekanntlich wird das indigschwefelsaure Natron sehr rasch durch die Nieren ausgeschieden. Um nun diese Ausscheidung zu verhindern und den Farbstoff im mütterlichen Blute zurückzuhalten, wurden dem Mutterthiere zuerst beide Nieren exstirpirt und dann der Farbstoff injieirt. in allen diesen Fällen fanden sich grosse Mengen Farbstoff im Fruchtwasser, in den Foeten dagegen absolut nichts. Der Farbstoff scheint nicht durch die Placenta, sondern direet durch die Eihäute ins Fruchtwasser übergetreten zu sein, da letztere intensiv blau gefärbt waren, während in ersterer nur der mütterliche, nicht aber auch der foetale Theil sich gefärbt zeigte. Auffallend war, dass bei den T'hieren, welche noch in der ersten Hälfte der Schwangerschaft sich befanden, so gut wie nichts vom Farbstoff im Fruchtwasser sich vorfand. Durch die bisherigen Versuche war also die Thatsache erwiesen, dass Stoffe aus dem mütterlichen Blute direct ins Frucht- wasser übertreten. Die Betheilisung der Foetalnieren an der Frucht- wasserbildung aber war durch dieselben keineswegs widerlegt worden. Der Nachweis dieser Betheilisung gelang auf folgende Weise: Wie Heidenhain nachgewiesen hat, wird das indisschwefelsaure Natron in den Epithelien besonders der gewundenen Harnkanälchen ausgeschieden; die Glomeruli dagegen bleiben völlig frei. Wurde nun durch die Bauch- decken des Mutterthieres hindurch den Foeten eine Pravaz’sche Spritze voll Farbstoff unter die Haut gespritzt, so fand sich schon nach 20 Minuten in den Nieren der Foeten — auch solcher aus früher Zeit — das näm- liche Bild, wie am erwachsenen Thiere, d. h. die Kerne der Harn- kanälchen-Epithelien waren intensiv blau gefärbt, die Glomeruli dagegen absolut farblos. Dies beweist, dass der Foetalniere dieselben Eigen- schaften zukommen, wie der des Erwachsenen. In einem Falle konnte kurze Zeit nach der Injection des Farbstoffs ein Tropfen stark blau gefärbten Urins aus der Harnblase des Foetus exprimirt werden. Daraus seht hervor, dass die Secretion der Foetalniere eine verhältnissmässig lebhafte und durchaus nicht: so selten und langsam ist, als vielfach be- hauptet wird. Man darf also mit Gusserow annehmen, dass es im Laufe der Schwangerschaft wiederholt zur Füllung der Harnblase des Foetus und zur Entleerung derselben ins Fruchtwasser kommt. Diese experimentell gewonnene Ansicht, dass die Foetalniere ver- hältnissmässig lebhaft secernire, erhielt durch eine jüngst vom Vortragenden am Menschen gemachte Beobachtung eine, jeden Zweifel ausschliessende Stütze. Bine hochschwangere Frau war an Verblutung aus einem ge- borstenen Schenkelvarix gestorben. Man fand nun die Harnblase des, aus dem intacten Uterus herausgenommenen Foetus prall mit Harn gefüllt; reichlich 10 eem wurden aufgefangen, ein kleiner Theil floss beim An- schneiden der Blase daneben. 58 Jahres-Bericht Diese Beobachtung widerlegt evident die Annahme Ahlfeld's, dass die Foetalniere niemals während der Schwangerschaft, sondern erst in der Geburt in Folge einer durch Kreislaufstörungen verursachten Druck- steigerung in den Nierenarterien secernire. Da in dem erwähnten Fall die Geburt überhaupt noch nicht begonnen hatte, konnte von Störungen, die den Nierenarteriendruck trafen, nicht die Rede sein. Die ausführliche Mittheilung über den Gegenstand wird demnächst im Arch. f. Gynaekol. erscheinen. Hierauf hält Herr Grützner seinen angekündigten Vortrag Zur Physiologie der Nieren. Ausgehend von den beiden Theorien der Harnabsonderung, der mecha- nischen von Ludwig, der die Secretion des Harnes lediglich als eine Filtration und Diffusion auffasst, und der vitalen von Bowman, be- ziehungsweise von Wittich und Heidenhain, welche die Nieren den übrigen Drüsen des Körpers gleichstellen und in den Nierenzellen, insonderheit in denjenigen der gewundenen Canälchen und gewisser Mark- strahlen die secernirenden Apparate sehen, welche aus dem Blute die auszuscheidenden Stoffe aufnehmen und aus dem Organismus entfernen, stellt sich der Vortragende durchaus auf die Seite von Bowman, da ihm die neuerdings von Heidenhain beigebrachten Ueberlegungen und Thatsachen (s. Hermann’s Physiologie Bd. V, p. 344, sowie diese Zeitschrift Nr. 22, 1879) durchaus beweiskräftig und vollkommen ein- wurfsfrei erscheinen. Auch die Angaben und Schlussfolgerungen Heiden- | hain’s über die Ausscheidung des indigoschwefelsauren Natron, welches von den Epithelien der Harncanälchen abgeschieden werde, aber nicht durch die Kapseln filtrire, scheinen ihm durchaus unanfechtbar, wiewohl in neuerer Zeit Pautynski (Virchow’s Archiv Bd. 79, p. 395), sowie namentlich Henschen (Hofmann-Schwalbe’scher Jahresbericht 1380, p. 347) andere Resultate als Heidenhain erhalten, und Letzteren be- stimmt haben, den Ansichten Heidenhain’s entgegenzutreten. Pautynski spritzte den Versuchsthieren ausserordentlich grosse (uantitäten dünner Indigearminlösung ins Blut und beobachtete alsdann Blaufärbung der Malpighi’schen Gefässschlingen, sowie Austritt blauen Farbstoffs in die Kapselräume. Gleiches eonstatirte Henschen, sowohl unter denselben Bedingungen, als auch dann, wenn er verhältnissmässig geringe Mengen gesättigter Indigolösungen den Thieren sehr schnell ein- verleibte und sie nach kurzer Zeit (nach höchstens einer Minute) tödtete. Während Pautynski aus diesen Thatsachen jedoch nur den Schluss macht, dass unter besonderen Verhältnissen der Farbstoff auf ungewöhn- lichem Wege (durch die Kapseln) den Körper verlasse, hält sich Hen- schen für berechtigt, diese Ausscheidung des Indigos als die normale aufzufassen. Die regelmässig zu beobachtende Blau- (namentlich Kern-) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 59 färbung der Epithelien der gewundenen Harncanälchen sei eine secundäre- Erscheinung, nämlieh der Ausdruck der Resorption des Farbstoffes aus dem indigohaltigen Harn, aber nicht aus dem indigohaltigen Blut. Wei- tere Versuche über die Schnelligkeit der Harnseceretion nach Einspritzung von Indisolösungen, sowie über die Aenderung des Blutdruckes machen es Henschen wahrscheinlich, dass der bei niedrigem Blutdruck in die Kapsel abgesonderte Harn durch Diffusion mit dem Blut der Malpighi’- schen Gefässschlingen derart an Concentration zunähme, dass die Folge dieser Concentration die Ausfällung des in die Kapseln filtrirten Farbstoffs in fester, krystallischer Form sei. Schliesslich scheinen ihm eine Menge von pathologischen Vorkommnissen (Secretionen des Harnes nach Unter- bindung der Nierenvene, des Ureter, nach Durchschneidung des Rücken- markes) für die Richtigkeit seiner Ansicht zu sprechen. Wenn es nun schon im höchsten Masse unwahrscheinlich ist, dass der von Henschen angenommene Filtrations- und Diffusionsprocess sich in etwa einer Minute und gerade da am regelmässigsten vollziehen soll, obwohl doch die Ausscheidung der Farbstoffe Stunden lang anhält, lässt sich die Henschen’sche Ansicht noch durch folgende Versuchsreihen, welche V. in Gemeinschaft mit den Studirenden B. Wendriner und M. Chotzen anstellte, als vollständig irrig erweisen. Bedingung für die Entstehung der Henschen’schen Bilder ist — ab- gesehen von der Injection übergrosser Mengen ins Blut — die überaus schnelle Einspritzung des Farbstoffes bei niedrigem Blutdruck oder zum mindesten bei stockender Harnsecretion, also zu einer Zeit, in welcher die Malpighi’schen Gefässschlingen von einem trägen Blutstrom durch- setzt werden. Unter solchen Verhältnissen wird dann bei rascher Injeetion das Blut aus den Gefässknäueln so gut wie ganz verdrängt, die Gefäss- knäuel sind anstatt mit Blut mit Indigo ausgefüllt, färben sich natürlich blau oder lassen selbst den Farbstoff in die Kapseln austreten. Daher kommt es, dass man die Henschen’schen Bilder am ehesten erhält, wenn man 1) schnell (innerhalb 30—40 Seeunden) den Farbstoff direct ins arterielle System injieirt und das Thier bald darauf tödtet, wenn man 2) nicht zu wenig Farbstoff einspritzt (auf ein Kilo Thier etwa 18 Gramm einprocentige Indigolösung), wenn man 5) die Operation bei tiefer Morphiumnarkose oder nach starken Blutentziehungen (d. i. bei trägem Blutstrom durch die Nieren) vornimmt. Die Blaufärbung der Kapseln ist dagegen nie zu beobachten, wenn man 1) den Farbstoff lang- sam oder 2) eine zu geringe Quantität davon einspritzt oder 3) bei schneller und reichlicher Injeetion dafür sorgt, dass niemals eine reine Indigolösung das Blut aus den Malpighi’schen Gefässschlingen ver- drängt, sondern schon gleichmässig mit dem Blute des Thieres gemischt durch die Nieren getrieben wird. Dies erreicht man am einfachsten, wenn man den Farbstoff in die Vena dorsalis pedis einspritzt. 4) Wenn 60 Jahres-Bericht „die Nieren sich in lebhafter Seeretion befinden und die momentan mit Farbstoff ausgefüllten Gefässknäuel dureh den raschen Blutstrom ausge- spült werden. Für die Behauptung des Vortragenden, dass Henschen durch seine raschen und ergiebigen Injectionen keineswegs natürliche, physiologische Bedingungen gesetzt, sondern höchst künstliche, pathologische Zustände hervorgerufen, aus denen ein Schluss auf physiologische Vorgänge in der Niere unter keinen Umständen gezogen werden kann, sprechen folgende Thatsachen: 1) Der Harn wird nach dergleichen raschen und reichlichen Injeetionen regelmässig eiweisshaltig. 2) So gut wie die Malpighi’schen Gefässschlingen mit Indigo ausgegossen sind, so zeigen sich auch — worauf Henschen, wie es scheint, nicht geachtet hat — eine Menge anderer Gefässgebiete des Körpers in ähnlicher Weise verändert. Die kleinen Gefässe der Lunge, Leber, Milz, der Muskeln u. s. w. sind mit blauen Massen erfüllt, ihre Umgebungen nicht selten in charakteristischer Weise blau tingirt. | Dass unter pathologischen Bedingungen die Secretionsthätigkeit der Niere eine durchaus andere werden kann, bestreitet der Vortragende keineswegs. So zeigen sich nach kurz dauernder Unterbindung der Ge- fässe, nach Unterbinduug des Harnleiters, nach Aetzung der Rinde, nach Durchspülung mit Kochsalzlösungen (Nussbaum, Pflüger's Archiv Bd. 17, p. 580) Störungen in der Seeretion. (Blaufärbung der Kapseln ete., Eiweiss- harn, Cylinder.) Nicht minder beobachtet man Aehnliches nach Injeetion von viel Wasser, sowie von an sich unschädlichen Stoffen (Gummi arabi- cum, Hühnereiweiss, diekflüssigen Carminlösungen ete.), die aber, wie der Vortragende glaubt, in Folge ihrer mechanischen Beschaffenheit den Blut- strom durch die Malpighi’schen Gefässknäuel erschweren, ja durch Verstopfung derselben (wie dies namentlich bei gewissen Carminlösungen direct beobachtet werden kann) zum Theil unmöglich machen. Der Um- stand, dass z. B. bei Injection von Hühnereiweiss viel mehr Eiweiss im Harn ausgeschieden wird, als man eingespritzt hat, sowie die Thatsache, - dass Farbstoffe, die sonst nie durch die Gefässschlingen ausgeschieden werden, bei passender Veränderung ihrer Consistenz mit Eiweiss zugleich in dem Kapselraum sich vorfinden, sprechen dem Vortragenden dafür, dass die mechanische Störung des Blutstroms in den Gefässknäueln und die mangelhafte Ernährung der seeretorischen Apparate die gemeinschaft- liche Ursache aller dieser pathologischen Erscheinungen ist. Herr Ponfick bemerkt, dass nach seinen Beobachtungen der Blut- und Gallenfarbstoff sich ganz ähnlich verhält, wie nach des Vortragenden Versuchen das indigschwefelsaure Natron. Circuliren geringere Mengen davon im Blute, so werden sie durch die Nieren ohne weitere Störung ausgeschieden; handelt es sich dagegen um grössere oder um rasch gehäufte Mengen, so erfolgt ihr Uebergang nicht ohne gleichzeitige Cylinderbildung und Eiweissausscheidung und nicht selten lassen sich darnach auch dauernde Veränderungen an dem secretorischen Parenchym nachweisen. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 61 Schliesslich demonstrirte Herr Marchand den Uterus einer hochschwangeren Frau, welche in Folge einer Blutung aus einem geborstenen Varix des Unter- schenkels gestorben war. Sitzung vom 22. October 1880. Herr Spiegelberg referirt unter Vorstellung der geheilten Kranken über einen Fall von Nierenexstirpation wegen Hydronephrose und späterer Nierenbecken- Bauchfistel. Die Kranke wurde im November 1879 der gynäkologischen Klinik von der medieinischen zugeschickt. Die Untersuchung ergab einen retro- peritonealen cystischen Tumor der rechten Seite, höchst wahrscheinlich der Niere angehörend. Da es sich nur um Echinococeus oder Hydronephrose handeln konnte, so wurde der Probeschnitt in der Linea alba unter voll- ständiger Antisepsis inel. Spray am 29. November ausgeführt. Die intra- abdominelle Palpation bestätigte die vorher gestellte Diagnose, dass der Tumor die Niere sei; eine Ausdehnung des Ureters aber in dessen Ver- laufe nach abwärts wurde nicht entdeckt. Die Cyste, welche mit ihrer linken Seite nur wenig die Mittellinie überragte, wurde hier punetirt, die ausströmende Flüssigkeit erschien als klarer Urin. Nach Ablösung der bedeckenden Serosa in einem gewissen Umfange wurde die Punctions- öffnung etwas erweitert, ihre Ränder an die beiderseitigen Bauchwund- ränder angenäht, ein Drain in den Sack gelegt und nach entsprechender Toilette der Bauchhöhle, da reichlich Urin in die Bauchhöhle geflossen war, die Bauchwunde geschlossen. Reactionsloser Wundverlauf unter aseptischem Verbande. Die Unter- suchung der entleerten Flüssigkeit bestätigte den urinösen Charakter derselben. Es handelte sich also um eine Hydronephrose aus der sich durch die Operation nun eine Nierenbecken-Bauchfistel gebildet hatte. Aus derselben entleerten sich fortwährend grosse Quantitäten Urins; die Kranke fühlte sich von ihren früheren Beschwerden wohl erleichtert, aber durch das Vorhandensein der Fistel für ihre Thätigkeit (Dienst- mädchen) unfähig. Vielfache Versuche, den Nierenbeckensack resp. die Niere durch Aetzungen zur Verödung zu bringen, waren resultatlos, und Vortragender entschloss sich deshalb zur Nierenexstirpation (aus- geführt am 29. Mai d. J.). Bei der schweren Zugängigkeit der Niere von der Lumbalseite aus — die Kranke hatte eine kurze Rippen-Darmbeindistance und sehr fette, = 62 Jahres-Bericht musculöse Decken —, bei der Thatsache, dass man von der Bauchnarbe direet aufs Nierenbecken traf und sicher sein konnte, an der äusseren Seite des letzteren unter Abpräparirung seiner Verbindungen bald zur Niere selbst zu gelangen — wurde die Entfernung von der Bauch- seite,her ausgeführt. Schnitt in der alten Narbe und über sie hinaus etwas nach oben bis an das Epigastrium heran; Ablösung des Nierenbeckens, Ausschälung der unteren Nierenspitze gelangen leicht. Um den oberen Theil der Niere von aussen und hinten her zu fassen, musste auf den Längsschnitt ein 6 cm langer Querschnitt nach rechts, und zwar 1 cm oberhalb der Nabel- höhe geführt werden. Ohne alle weitere Blutung kam man zu den fächer- förmig im Hilus sich ausbreitenden grossen Gefässen, einer Arterie und zwei Venen, die sich leicht ligaturiren liessen; ebenso wurde der Harn- leiter und einige kleinere in der Tiefe der Wunde blutende Gefässe unterbunden. — Dauer der Operation eine Stunde. — Ocelusionsverband. Günstiger Verlauf. Jede peritonitische Reizung blieb aus; doch nekrotisirten die Ränder der Querwunde von der Stelle aus, wo dieselbe die Längswunde traf. Nach längerer Eiterung kam es auch hier zur Heilung bis auf einen engen, in die Tiefe der Wundhöhle führenden Fistelgang, der sich nach Abgang mehrerer Ligaturen schliesslich schloss. Die vorgezeigte Niere ist ziemlich gross, nur an der inneren, dem ausgedeckten Becken zugekehrten Seite zeigte sich das secernirende Gewebe stellenweise verödet. Der Ureter hing in 5 cm Länge dem Nieren- becken noch an, ist eng und durchbohrt die Beckenwand in schräger Richtung — es handelte sich also um eine Klappenhydronephrose. Indem der Vortragende auf die ausführliche Darstellung, die Herr Kroner im Archiv für Gynäkologie geben wird, verwies, machte er noch folgende Bemerkungen: a) Zur Hydronephrosenoperation. Ueber dieselbe liegen eine ganze ‚Anzahl von Beobachtungen vor. Sie wurde bislang fast immer zweizeitig ausgeführt, indem man vorher eine Verlöthung des Sackes mit der Bauchwand herbeizuführen suchte. Die Furcht vor Uebertritt des Cysteninhaltes in die Bauchhöhle aber, wie er auch beschaffen sei und diese Furcht war ja eben die Ursache, wegen derer man vor Er- öffnung des Sackes Verlöthung desselben mit der Bauchwand herbeizu- führen versuchte — die brauchen wir mit der Antisepsis heute nicht mehr zu hegen. Der Vortragende erwähnt dann auch, dass er ja schon einige Fälle von Baucheysten mit einzeitiger Operation und Drainage glücklich behandelt habe (s. Alberts in Berlin. klin. W. 1878, Nr. 22, wo das Verfahren des Verf. beschrieben und neben das Simon ’'sche resp. Volkmann’sche Verfahren gestellt ist). Was nun die definitive Heilung der Hydronephrose durch den Schnitt betrifft, so geben alle Autoren an, sie hegten die Hoffnung, dass der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 63 die zurückgebliebene Nierenbeckenbauchfistel veröden würde. Nirgends aber ist angegeben, dass solches geschehen ist; und es ist auch nicht einzu- sehen, warum das noch vorhandene Nierenparenchym nicht weiter secer- niren soll, wenn es vom Drucke der abgesackten Flüssigkeit befreit ist. Es secernirte ja auch vorher, nur wurde das Secret durch die Lymphgefässe abgeführt. Eine radicale Hydronephrosenoperation kann also überall da, wo noch functionirendes Nierengewebe vor- handen ist, und das ist wohl fast immer der Fall, und wo der Dreterönicht’wessam zu, machen'ist, nurıin der Nieren- exstirpation bestehen. b) Zur Nephreetomie. Diese Operation hat durch Simon’s Arbeit eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Vortragender konnte aus der Litteratur 30 Fälle zusammenstellen, davon 3 bei Wanderniere. Lässt man diese 3, in ihrer Ausführung sehr einfache, Operationen bei Seite, so bleiben 27 Exstirpationen nicht disloeirter Niere; 9 darunter sind auf zweifelhafter Diagnose ausgeführt. Bei 26 ist der Ausgang angegeben: 12 genesen, 14 gestorben. Bei 23 ist die Operationsmethode ver- zeichnet; durch Lumbarschnitt sind 11 operirt: 7 Genesungen, 4 Todesfälle; durch Bauchschnitt 12: 4 Genesungen, 8 Todesfälle. Die grosse Morta- lität beim Bauchschnitt rührt gewiss daher, dass derselbe wesentlich bei falscher Diagnose, und von vornherein in ungünstigen Fällen ausgeführt ist. Der Vortragende giebt im Allgemeinen dem Bauchschnitt den Vor- zug, weil die früher so sehr gefürchtete mannigfache Verletzung der Serosa heute wenig in Betracht kommt, die Niere gut zugängig ist, und in der Operation die Diagnose der Erkrankung noch vervollständigt werden kann. Weiter berichtet der Vortragende Ueber eine bislang nicht beschriebene Art von Beckencysten. Der Fall wird ausführlich von den Herren Drr. Kroner und Marchand ebenfalls im Archiv für Gynäkologie beschrieben werden. Die jugendliche Kranke betrat die Klinik mit einem bis zum Nabel reichenden ceystösen Tumor, welcher den Uterus an seiner vorderen oberen Begrenzung vor sich hatte, letzteren also stark nach vorn und oben ver- drängt haben musste, demgemäss retrocervical und subserös sein musste. Dem entsprach die tiefe, weit herabreichende Lage hinter der hinteren Vaginalwand, und die Unverschiebbarkeit der Cyste daselbst. Es lag somit nahe, an eine intraligamentös entwickelte Cyste des Ligamentum latum zu denken. Die von der Scheide aus geübte Punetion schien dies zu bestätigen, da die entleerte Flüssigkeit ganz neutral und dünn war. Doch füllte der Sack sich bald wieder. Die Punction musste wiederholt werden; die Flüssigkeit erschien jetzt trübe, Punetionseröffnung wurde erweitert, Drain eingelegt. Unter wechselnden Erscheinungen, auf 64 Jahres-Bericht welche Herr Kroner (l. ce.) näher eingehen wird, trat 22 Tage später, nach einer starken Blutung in den Sack, der Tod ein. Die Ob- duetion ergab eine Meningocele sacralis anterior. Herr Marchand demonstrirte im Anschluss an die vorhergehende Mittheilung des Herrn Spiegelberg die Beckenorgane und das Becken der besprochenen Kranken. Bei der Section zeigte sich das Becken eingenommen durch einen umfangreichen Tumor, welcher mit coagulirtem Blut angefüllt war, und durch eine für einen Finger durchgängige Incisionsöffnung mit der Scheide communicirte. Der deutlich zweihörnige Uterus war durch die Cyste nach links und oben, der Mastdarm nach vorn gedrängt; am hinteren Umfang musste die Geschwulst von dem Kreuzbein abpräparirt werden. Nach der Herausnahme zeigte sich in der Mitte des letzteren eine enge rundliche Oeffnung, welche in der Richtung nach oben in den Knochen führte. Die Vermuthung, dass es sich hier um eine mit dem Spinal- kanal zusammenhängende Oyste handelte, bestätigte sich bei der sofort vorgenommenen Durchsägung des Beckens in sagittaler Richtung. Der Sack der Dura mater spinalis setzte sich durch die unterhalb des ersten Kreuzbeinwirbels gelegene Oeffnung direct in die Beckencyste fort, welche sich somit unzweifelhaft als eine Spina bifida oder Meningocele sacralis anterior erwies. Nach der Maceration des Beckens zeigte es sich, dass die Spaltung den Körper des ersten und zweiten Kreuzbein- wirbels betraf, doch waren die beiden seitlichen Hälften des ersteren durch Bandmasse mit einander vereinigt; die Oeffnung im zweiten Sacral- wirbel befand sich mehr nach rechts. Die Wurzeln des rechten Ischia- dieus waren durch die Cyste comprimirt, wodurch sich das Vorhandensein eines rechtsseitigen Pes varus erklärte. Der Tod war an eiteriger Meningitis erfolgt, welche sich nach oben bis auf das Gehirn fortgesetzt hatte. Die vorliegende Missbildung muss als ausserordentlich selten be- zeichnet werden; in der Litteratur ist bisher kein übereinstimmender ‚Fall aufzufinden gewesen. Eine Erklärung ihrer Entstehung hat grosse Schwierigkeiten, denn während bei der gewöhnlichen Spina bifida es sich um mangelhaften Schluss der paarig angelegten Wirbelbögen handelt, liegt hier eine Spaltung der Wirbelkörper vor, welche nach den bisher herrschenden Ansichten aus einer unpaaren Anlage entstehen. Mösglicher- weise dürfte die neuerdings beobachtete Communication zwischen Medullar- rohr und späterem Darmcanal am hinteren Ende des Primitivstreifens für die Erklärung der Missbildung zu verwerthen sein. Jedenfalls fällt die Entstehung derselben in eine sehr frühe Embryonalperiode, worauf auch der zweihörnige Uterus hinweist. Der Fall wird in dem Archiv für Gynäkologie genauer beschrieben "werden. i der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 65 Herr M. legte sodann einige Muskeln vor, welche eine sehr un- sewöhnliche Veränderung darboten. Dieselben stammten von der Leiche eines Mannes von 23 Jahren, dessen Section der Vortragende am Tage vorher gemacht hatte. Der Mann war auf der inneren Abtheilung des Allerheiligen-Hospitals seit drei Wochen in Behandlung gewesen, nachdem er 14 Tage vorher unter allmählich zunehmenden Muskelschmerzen und entsprechender Functionsstörung erkrankt war. Zugleich trat ödematöse Schwellung (ohne Albuminurie) ein. Trotz des fehlenden ätiologischen Anhaltes musste die Diagnose auf Trichinose gestellt werden, indess ergab die Untersuchung eines exstirpirten Muskelstückchens keine Tri- chinen. Der Tod erfolgte, nachdem die Erkrankung allmählich auch die Respirationsmuskeln ergriffen hatte. Bei der Section fand sich nun, ausser Veränderungen secundärer Art (doppelseitiger Lobular-Pneumonie) nur eine intensive Erkrankung der Musculatur, welche jedoch nicht sleichmässig verbreitet war, sondern vorwiegend die Streckmuskeln der Extremitäten, zum Theil auch die Brust- und Halsmuskeln, nur in geringem Grade aber die Bauch- und Rückenmuskeln, sowie die Adductoren der Oberschenkel und die Flexoren betraf. Das subeutane und intermusculäre Gewebe war ödematös infiltrirt. Die zuerst genannten Muskeln waren sehr auffällig verändert, ihre Farbe war grösstentheils sehr bunt-fleckig, indem blasse, gelblichgraue und trübe Streifen mit sehr zahlreichen dunkelrothen Flecken und Fleckchen abwechselten. Dabei entbehrte die Schnittfläche des gewöhnlichen Glanzes und war, besonders an den gerötheten Stellen, auffallend matt; die Consistenz sehr mürbe. Der Umfang der Muskeln war eher vermehrt als vermindert, so dass ein Theil der prallen Anschwellung der Glieder auf Rechnung der Volumszunahme der Muskeln zu setzen war. Trichinen. wurden auch in den Muskeln der Leiche nicht gefunden. Die mikroskopische Untersuchung ergab aber eine sehr intensive Ver- änderung der Muskelfasern; ein grosser Theil derselben war feinkörnig getrübt, die Querstreifung undeutlich; sehr zahlreiche Fasern waren sanz dunkelkörnig, ohne erkennbare Querstreifen, nur wenige aber waren verschmälert, und enthielten grössere Fetttröpfehen. In den rothen Flecken waren die Capillaren sehr stark gefüllt, die Muskelfasern viel- fach mit Extravasaten durchsetzt; stellenweise fanden sich hier auch ver- fettete Zellen in dem Zwischengewebe, sowie verfettete Capillargefässe. Ein grosser Theil der Primitivbündel war hier in unregelmässige Bruch- stücke zerfallen, welche sogenannte wachsartige Degeneration darboten. Regenerationsformen, vermehrte Muskelkerne fanden sich nicht. Die Untersuchung des frischen Rückenmarkes und der peripherischen Nerven ergab, soweit dieselbe bis dahin ausführbar war, keine Veränderung. Es handelt sich also um eine sehr verbreitete Affeetion der Mus- keln, welche sich in hohem Masse als entzündlich darstellt, um eine 1880. 5 66 Jahres-Bericht parenchymatöse Polymyositis (richtiger wohl „Myitis‘). Offenbar ist das über einen grossen Theil der Skeletmuskeln ausgedehnte, fast acute und allem Anschein nach idiopathische Auftreten dieser Affeetion eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung. Von besonderem Interesse ist die- selbe in Bezug auf die sogenannte progressive Muskel-Atrophie, obwohl sich die hier vorliegende Erkrankung — wie nicht besonders hervorgehoben zu werden braucht — sowohl klinisch als auch anatomisch sehr wesent- lieh von dem Krankheitsbilde der letzteren unterscheidet. Bekanntlich stehen sich hauptsächlich zwei Ansichten über die Natur jener Krank- heit gegenüber, die von der neuropathischen und die von der myo- pathischen Entstehung derselben. Die Fälle, in welchen Erkrankung der Vorderhörner des Rückenmarks der Affeetion zu Grunde lag, haben sich mehr und mehr gehäuft, auch entzündliche Veränderungen periphe- rischer Nerven sind in einer Reihe von Fällen neuerdings als Ursache angeschuldist — sehr wahrscheinlich handelt es sich um verschiedene zu Grunde liegende Processe, Ein Beispiel einer so verbreiteten idiopathischen entzündlichen Affeetion der Körpermuskeln, wie in dem vorliegenden Falle, dürfte zu den grössten Seltenheiten gehören. Sitzung vom 26. November 18380. Herr Grützner spricht Ueber die negative Schwankung des Nervenstromes bei verschiedenen Reizen und führt aus, dass, wenn man die ausserordentlich grosse Zahl von Fehlerquellen, die sich namentlich bei thermischer Reizung einschleichen können, vermeidet, man sehr häufig nicht in der Lage sei, eine negative Schwankung nachzuweisen, während dieselbe regelmässig mit Leichtig- keit zu constatiren sei, wenn es sich um elektrische Reizung mit Inductionsströmen handelt. Interessant ist der ausserordentlich viel ge- ‘ ringere Betrag der negativen Schwankung bei Säugethiernerven im Ver- gleich zu Froschnerven, ja es ist bei ersteren oft gar kein Actionsstrom (Hermann) nachzuweisen, selbst wenn ein vollkommen erregbarer Nerv tetanisirt wird. Die negative Schwankung ist deshalb kein untrügliches, objectives Zeichen für etwaige im Nerven stattfindende Erregungen; das heisst, es können heftige Reize den Nerven treffen und normaler Weise in ihm geleitet werden, ohne dass man im Stande ist, einen Actions- strom in ihm nachzuweisen, andererseits kann auch die elektromotorische Kraft im Nerven abnehmen (namentlich bei Erwärmung), ohne dass man diese Abnahme als negative Schwankung betrachten dürfte. — Aehnliche Erscheinungen betrachtet man nach chemischer Reizung. Die Erklä- rung dieser Thatsachen, welche V. in Gemeinschaft mit den Studirenden der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 67 Herren Gürtler und Menzel festgestellt hat, findet derselbe in dem Umstande, dass nicht, wie bei der tetanischen Erregung alle Fasern gleichzeitig in gleiche Phasen der Erregung und der negativen Schwan- kung gerathen, sondern diese Phasen sich regellos übereinanderschieben und in ihrer Wirkung nach aussen auf den Multiplicator sich theilweise oder ganz aufheben. Hierauf hält Herr Simon einen Vortrag Ueber Lichen ruber. Der Vortrag wird durch Demonstrationen und Krankenvorstellung erläutert. Weiter spricht derselbe Ueber das System der Hautkrankheiten. Herr Jacobi stellt am Schluss der Sitzung folgenden Antrag: „Die medicinische Section wolle beschliessen, entsprechend der Auf- forderung des Directors des Kaiserlichen Gesundheitsamtes die Beschlüsse der Commission bezüglich der Pharmacopöa Germanica einer eingehenden Prüfung in ihrem Schoosse zu unterwerfen und zu: diesem Behufe eine besondere Commission mit dem Rechte der Cooptation zu ernennen, welche mit den Vorarbeiten und der Berichterstattung betraut wird.‘ Den Statuten der Section zu Folge kann die Berathung über diesen Antrag erst in der nächsten Sitzung erfolgen. Sitzung vom 10. December 1880. Herr Rosenbach bespricht kurz den folgenden bemerkenswerthen Fall eines Fremdkörpers im rechten Bronchus und leet die bezüglichen Präparate vor. Der Schlosser Z., ein robuster, gut genährter Mann, erkrankte plötz- lich fieberhaft unter heftigem Stechen in der rechten Seite, namentlich in der Gegend des Schulterblattes; auch stellte sich starker Husten mit geringem Auswurf und lebhaftes Würgen ein. Bei der ersten Unter- suchung (im Herbst 1877), kurze Zeit nach dem Eintritt der geschilderten Beschwerden, fand sich bei der Percussion eine geringe Dämpfung der Fossa infraclaviceularis dextr. und eine etwas intensivere im oberen Theil des rechten Interscapularraums, während die Auscultation der bezeich- neten Partien meist deutliches, wenn auch etwas abgeschwächtes Vesi- culärathmen und ab und zu neben vorübergehenden, anscheinend aus den kleineren Bronchien stammenden catarrhalischen Geräuschen einen lauten inspiratorischen Stridor, der seine grösste Intensität über dem obersten 5* 68 Jahres-Bericht Theile der rechten Lunge hatte, constatiren liess. Einige Monate später waren die Erscheinungen weit mehr ausgeprägt. Die Dämpfung in den erwähnten Partieen war viel intensiver geworden und erstreckte sich auch auf das Manubrium sterni, das (rauh vesiculäre) Athemgeräusch war meist durch ein lautes, auf ziemliche Entfernung hörbares inspirato- risches Schnurren verdeckt, welches über dem obersten Theile der vorderen rechten Brustwand und im oberen Theile des rechten Inter- scapularraums als starkes Fr&emissement fühlbar war. Der Peectoral- fremitus war in den erwähnten Bezirken deutlich abgeschwächt, die Athmungs-Excursionen der rechten Thoraxhälfte, namentlich in dem oberen Theile, zeigten sich gegenüber denen der linken deutlich ver- mindert. Die faryngoskopische Untersuchung ergab, so tief man auch in die Trachea herabsehen konnte, keinen pathologischen Befund. Sehr auffallend waren die starken Hustenparoxysmen, an denen der Patient litt und bei denen im ganzen nur wenig schleimig-eitrige Massen ex- peetorirt wurden. Die physikalischen Symptome, welche in so prägnanter Weise vor- handen waren, liessen die Diagnose einer Stenose des Hauptbronchus des rechten Oberlappens mit grosser Sicherheit stellen; als Ursache der Bronchostenose wurde mit Rücksicht auf den guten Ernährungszustand und die Fieberlosigkeit des Kranken, sowie in Berücksichtigung der Dämpfung auf dem Manubrium sterni ein von den Drüsen des Mediastinum aus- gehender Tumor angesehen; der fieberhafte Beginn der Erkrankung wurde auf eine die Mediastinaltumoren so häufig begleitende Pleuritis zurück- geführt. — Die Hustenparoxysmen nahmen im weiteren Verlaufe der Krankheit in erschreckender Weise an In- und Extensität zu und: wurden wahrhaft qualvoll. Die Expectoration eitriger Massen wurde eine be- trächtliche; es stellte sich endlich eine putride Bronchitis stärksten Grades ein und unter allmählicher Erschöpfung, bei mässigem Hydrops ging der Patient zu Grunde. Die Diagnose auf einen Tumor des Me- diastinum musste natürlich aufgegeben werden, als trotz des Fortbestehens ‘ der Bronchostenose keinerlei Zeichen auf ein Wachsthum der Geschwulst hindeuteten, und es blieb, da kein Grund vorlag abenteuerliche Hypothesen zu formuliren, die Ursache der Bronchostenose in Dunkel gehüllt. Da brachte zwei Tage vor dem exitus lethalis ein von dem Kranken während eines Hustenparoxysmus expectorirtes Knochenstück Klarheit in das räthselhafte Krankheitsbild. Das in der Form einem abgesprengten Stück einer Haselnussschale ähnliche Fragment, welches anscheinend ein Stück aus der Peripherie eines Röhrenknochens oder einer Rippe eines ausge- wachsenen Thieres repräsentirt, scharfrandig, 1°, em lang, 1 em breit ist und an den Kanten deutliche Spuren der Splitterung, sowie auf seiner äusseren convexen Fläche eine scharfe vorspringende Knochenleiste zeigt, war, wie man nun mit aller Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 69 der Trunkenheit vom Patienten bei einer Mahlzeit verschluckt worden und hatte Veranlassung zu den geschilderten Beschwerden gegeben. In der That bestätigte die Section die Annahme, dass das Knochenstück die Ursache der Bronchostenose gewesen war; denn es fand sich bei Intaetheit aller übrigen Organe in der rechten derben, voluminösen, zahl- reiche Bronchiektasen zeigenden Lunge, dicht an der Eintrittsstelle des zum Oberlappen führenden Bronchus ein tiefes Geschwür, von dem aus ein feiner Gang in eine nussgrosse, aus einem Brandherde entstandene Höhle der Lunge führte; in das Geschwür passte das Knochenfragment mit seinen beiden scharfen Kanten vollständig hinein. Es ist entschieden sehr merkwürdig, dass ein so grosses Knochen- stück ohne Wissen des Patienten in den Bronchus gelangen konnte und dass der Fremdkörper über 5 Jahre in der Lunge verweilte, ohne aus- sestossen zu werden; auch ist es auffallend, dass die subjectiven Be- schwerden Anfangs so gering waren. Dass die Einkeilung eine so feste war, überrascht nicht, wenn man die ausserordentlich scharfen Kanten des Splitters betrachtet. Beiläufig mag noch erwähnt werden, dass die Bronchialdrüsen stark geschwellt und vergrössert waren und dass durch ihre Intumescenz wahrscheinlich die Dämpfung über dem Brustbein hervor- serufen war. — Bei der Section fanden sich durchaus keine Anhalts- punkte dafür, dass das Knochenfragment aus der Speiseröhre durch Per- foration in die Lunge hätte gelangt sein können. Hierauf berichtet Herr Kolaezek Ueber einen Fall von Totalexstirpation des carcinösen Uterus nach Freund-Bardenheuer, wobei er es jedoch gewagt hat, von der Freund’schen Massenligatur vollständig Abstand zu nehmen. Geleitet von dem chirurgischen Grund- satze, alle blutenden Gefässe isolirt zu unterbinden, wo dies ohne erweis- lichen Schaden für den Kranken, also in diesem Falle ohne übermässigen Blutverlust angeht, hält er die Massenligatur nicht nur für überflüssig, sondern geradezu für nachtheilig, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens erweist sich dieselbe nicht selten als unzuverlässig, so dass doch noch eine isolirte Unterbindung nöthig wird; zweitens dürfte sie in An- betracht des dichten, den Uterus umspinnenden Nervengeflechts durch Compression desselben zur Verschärfung des jeder Laparotomie auf dem Fusse folgenden traumatischen Shocks nicht wenig beitragen; drittens lässt sich bei Durchführung der tiefsten, das seitliche Laquear mit fassenden Lisatur ein Contact des Fadens mit den Infeetionsstoffen an der Ober- fläche des Krebses und somit eine Verschleppung desselben in den Naht- canal des parametralen Zellgewebes kaum vermeiden; viertens beein- trächtigt die Massenligatur die radicale Wirkung der Exstirpation, weil sie ja dem Messer ein abschreckendes Halt gebietet und dasselbe zwingt, a) 70 Jahres-Bericht möglicherweise in noch krebsig infiltrirtem Gewebe zu schneiden, und fünftens führt sie nach bekannten Erfahrungen die Gefahr der Blasen- oder Ureterenverletzung mit sich. — K. verfuhr nun in der Weise, dass er die Lig. lata zu beiden Seiten des Uterus bis über die Art. uterina hinaus, also bis etwa in die Höhe des innern Muttermundes in Absätzen durchschnitt und jedes spritzende Gefäss sofort unterband, im Uebrigen aber den Uterus in der bekannten Art theils stumpf, theils schneidend aus seinen Verbindungen herauslöste. Er überzeugte sich nun, dass bei solchem Vorgehen die Blutung eine durchaus mässige und ohne Schwierig- keit zu beherrschen ist, was schon an sich allein die Massenligatur ver- werflich erscheinen lassen müsse. Er hält auch dafür, dass diese ein- greifende Operation noch kürzer ausfalle,. wenn. man zu beiden Seiten des Uterus Klemmzangen anlege und so das Unterbinden der uterinen Arterienenden sich erspare und sodann den Durchstich der Laquearia nicht auf dem in der Scheide liegenden Finger, sondern mit dem Freund’- schen, für diesen Zweck angegebenen Messer oder auf einem der Scheide dieses Messers ähnlichen und das Laquear empordrängenden Instrumente ausführt. — Der Wundverlauf unterschied sich wesentlich von zwei anderen, streng nach der Freund-Bardenheuer’schen Methode ope- rirten Fällen dadurch, dass die Secretion und Eiterabsonderung eine viel geringere war, so dass die Patientin schon nach 14 Tagen zeit- weise das Bett verlassen konnte. Der Vaginaldefect war zu dieser Zeit schon bis auf Markgrösse geschrumpft und gegen den Andrang der Bauch- contenta hinreichend resistent. — K. glaubt durch die von ihm ausge- führte Modification der Exstirpatio uteri totius die von Bardenheuer schon bedeutend herabgeminderte Gefahr dieses Eingriffes noch um ein Weniges mehr verringert zu haben. In der an den Vortrag sich schliessenden Discussion bemerkt Herr Bruntzel, dass er bei Gelegenheit eines Berichtes (cfr. Archiv für Gynäkologie XIV, 2. 1879) über 6 von Herrn Spiegelberg ausgeführte Uterusexstirpationen dieselbe Ansicht ausgesprochen hat, wie der Vortragende. In einer Kritik der von anderer Seite vorgeschlagenen Modificationen des Freund’schen Verfahrens hat B. die Massen- ligaturen verworfen und die schrittweise Abtrennung des Uterus von den Liga- -menten und Laquear als chirurgisch allein rationell hingestellt. Da die Resultate der Operationen in jeder Hinsicht entmuthigende waren, die geheilten Fälle ebenso rasch Recidiven ausgesetzt waren, wie sie nach ungleich leichteren und gefahr- loseren Operationen auftreten, so hat Herr Spiegelberg von einer Wiederaus- führung der Operation bis jetzt Abstand genommen. Jedenfalls sind die günstigen, von Bardenheuer erzielten Resultate dazu angethan, den Gedanken einer Uterus- exstirpation wieder aufzunehmen, wobei dann die schrittweise Auslösung des Uterus der Massenligatur vorzuziehen sein würde. Die in neuerer Zeit von Billroth, Schröder etc. ausgeführte Exstirpatio uteri von der Scheide aus hat vor der vom Bauche aus grosse Nachtheile und verdient wegen der Unmöglichkeit, einen ver- dächtigen parametralen Knoten nachträglich noch zu exstirpiren, oder eine abge- glittene Ligatur aufs Neue zu schürzen, entschieden nicht den Namen einer Radicaloperation. Herr Kolaczek bemerkt hierauf, dass es für ihn nur erfreulich sein könne, wenn die Gynäkologen in der Fortlassung der Massenligatur eine Vervollkommnung der Freund’schen Operationsmethode erblicken. Doch sei er nicht erst durch die erwähnte Publication des Herrn Vorredners von der Unzweckmässigkeit der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 71 Massenligatur überzeugt worden, sondern er habe seinen jetzt zur That gewordenen Gedanken gleich nach der ersten Freund’schen Uterusexstirpation gehabt und diesem auch an dieser Stelle gelegentlich des Vortrages Freund’s über diese seine Operation vor mehr als zwei Jahren Öffentlich Ausdruck gegeben. Herr Martini erwähnt, dass in den letzten 3 von ihm operirten Fällen zwar die Freund’sche Ligature en masse angelegt worden sei, aber als insuffieient durch Einzelunterbindung hätte unterstützt werden müssen. Auch in früheren Fällen sei man zu Einzelunterbindungen secundär gezwungen gewesen. Der Vor- schlag des Herrn Kol. sei daher ein Erfahrungsresultat und die Massenligatur als unsicher und zeitraubend aufzugeben. Das vaginale Offenlassen des Douglas imponire nach den letzten Operationen ausserordentlich. Im Gegensatz zur Exstirpation von ovariellen Tumoren sei Infeetion bei Uterusexstirpation schwer auszuschliessen. Daraus folge die Noth- wendigkeit permanenten Abflusses und der Möglichkeit, bei jeder verdächtigen Temperatursteigerung sofort ausspülen zu können. Wesentlich für die ersten Tage ist sorgfältige Drainage sowohl der Bauch- höhle per vaginam als der vor der Blase durch Ablösung des Peritoneum ent- standenen Höhlung. Nach 3 bis 4 Tagen ist die Entfernung des Drains statthaft, des vaginalen sogar wegen Koliken nöthig. Herr Spiegelberg: Mir hat es in den 6 tödtlich verlaufenen Fällen der von mir geübten 8 Uterusexstirpationen nicht geschienen, als sei eine Septicämie die wesentliche Ursache des so enorm häufig unglücklichen Ausganges der Ope- ration. Dazu erfolgte der Tod in der Regel zu schnell, so dass ich gezwungen bin, wesentlich die Schwere der Verletzung, die lange Dauer der Operation, also den ihr folgenden Shock zu beschuldigen. In dieser Beziehung nun scheint mir ir Bardenheuer’sche Verfahren, die Peritonealnaht zu unterlassen, ganz nützlich. Weniger Werth möchte ich auf die Drainage, wie B. sie empfiehlt, legen. Die Peritonealhöhle kann man vor Schluss der Wunde vollständig desinfieiren; bilden sich Entzündungsproducte, so führen die Drains, bei der Raschheit, mit welcher sich Verklebungen im Bauchraume bilden, doch nicht alle fort — sind also für die Serosa überflüssig. Die Sepsis, welche sich nach der Operation entwickelt, scheint mir vielmehr von den unterbundenen Ligamentis latis resp. dem Binde- gewebe des Beckens und des Scheidengrundes auszugehen, und die Drainage nützt dann gewiss dadurch, dass sie die in letzteren Geweben gebildeten Infections- producte wegführt. Der absolute Schluss des Peritoneums nach der Operation ist das zu erstrebende Verfahren, das antiseptischen Grundsätzen auch entspricht. Ich werde deshalb bei einer künftigen derartigen Operation auch, trotz der Bardenheuer’schen u. A. Resultate, die Beritonealnaht anwenden, freilich nicht in so genauer Weise, wie sie Freund empfahl, um Zeit zu ersparen; dagegen werde ich allerdings die grosse Wundhöhle unter der, wie ich betone, relativ hoch anzulegenden Peritonealnaht, genau drainiren und ausspülen. Die Ligaturen wären in dieser Wundhöhle zu placiren. — Mehrere Punkte, die eine Erleichterung resp. Abkürzung der Operation bezwecken, sind übrigens schon von mir empfohlen und ausgeführt (s. Arch. f. Gyn. Bd. XV., S. 440), ohne dass. der Vortragende darauf Bezug genommen hätte; so, wie Herr Bruntzel bemerkte, die Unterlassung der 3. Freund’schen Ligatur; die Unterlassung der Abpräparirung der Serosa von der hinteren Wand des Collum, dafür directe Durchstossung derselben gegen den hinteren Scheidengrund; die Colpeuryse, um die Unterbindung der Basis des Ligamentum latum resp. der Art. uterina zu erleichtern, Herr M. B. Freund glaubte zunächst die Resultate der Ahlfeld’schen Statistik als nicht definitive bezeichnen zu müssen; denn sie bezögen sich auf die ersten Erfolge einer der schwersten chirurgischen Operationen, zu der eine ganz specielle und hinreichende Uebung an der Leiche für den Operateur und den Hauptassistenten erforderlich sei. Wenn aber auch die Gefährlichkeit der Operation, so weit dieselbe von der Technik hergeleitet wird, überschätzt werde, so seien Vereinfachungen der letzteren doch in hohem Grade erwünscht und mit Dank zu acceptiren, damit einer der Totalexstirpation (die in bestimmten Fällen von Uteruscarcinom doch nicht zu um- gehen, wenn man überhaupt auf dem operativen Standpunkt steht) gegenwärtig abholden Stimmung möglichst entgegen getreten werde. 72 Jahres-Bericht Er selbst hält aber die von dem Vortragenden in Vorschlag gebrachte Einzel- unterbindung der Lata-Gefässe (gegenüber den Freund’schen Massenligaturen) für keine Verbesserung der Methode. Es werde dabei weder Zeit noch Blut gespart, letzteres augenscheinlich weniger, als bei der Massenligatur, bei der es sich doch höchstens um die nach- trägliche Unterbindung der beiden Art. uterinae handelte, die dann an der Ligatur selber leicht dem Auge und Finger zugänglich gemacht werden können. Die Haupt- blutung während der Operation ereigne sich bei Durchtrennung der Scheiden- gewölbe und des über ihnen liegenden Bindegewebes, weil hier die Massenligaturen nicht wirksam sein können. Hier müssen allerdings meist Einzelunterbindungen vorgenommen werden. Er meint, die Hauptgefahr bei der Operation liege in der zu lange Zeit dauernden Exposition der Unterleibsorgane, der Eventration der Därme und den Zerrungen am Uterus und sieht in der von ihm schon seit Jahr und Tag geplanten und im hiesigen pathol. Institut vielfach geübten Combination der vaginalen mit der hypogastrischen Methode der Totalexstirpation den Fort- schritt, der die ganze Operation bezüglich der ihr anhaftenden Lebensgefahr auf das zu verantwortende Niveau zu bringen vermöge. Auf diese Combination dränge man denn auch schon von verschiedenen Seiten hin. Zuerst habe Rydysier zu Culm und hier in der Versammlung Herr Spiegelberg darauf hingewiesen. Diese von ihm befürwortete Combination bestehe in der der Laparotomie vorausgehenden, vollständigen Umschneidung der Portio, hinten bis in den Douglas, in der nachherigen Tamponade und daraufin der Laparotomie behufs vollständiger Durchtrennung der excav. vesico-uterina und der Lata. Die Versorgung der Lata beabsichtigt er durch eigens construirte Com- pressorien, die tagelang liegen bleiben, vorzunehmen; sollten sich diese nicht be- währen, durch zwei Freund’sche Massenligaturen, deren untere aber vom Bauche aus gelegt wird und das Laquear nicht mitfasst. Die ursprüngliche Peritoneal- naht müsste ebenfalls beibehalten werden. Nach den Versuchen an der Leiche habe die so modifieirte Exstirpation 30—40 Minuten gedauert. Sei die Abkürzung in viva nur eine verhältnissmässige und falle die Eventration der Därme ganz weg (da ja der Douglas vaginal durch- trennt worden), auch das Herauf- und Seitwärts-Zerren am Uterus, so sei wohl anzunehmen, dass die Gefahr der Operation um ein Wesentliches "redueirt und damit ihr chirurgisches Bürgerrecht gewonnen werde. Der Vorsitzende bringt schliesslich den Antrag des Herrn Jacobi, über den bereits berichtet wurde, zur Discussion. Der Antrag wird genehmigt und in die Commission werden ausser dem Vorsitzenden von der Versammlung die Herren: Biermer, Buchwald, Friedländer, Krocker, Jacobi, Müller, Poleck und Simon vor- geschlagen und gewählt, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 73 Il. Bericht über die Thätigkeit der Section für Öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1880, erstattet von den Herren Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Biermer, Prof. Dr. Förster und Königl. Bezirks-Physieus und Privat-Docent Dr. Jacobi, Zeitigen Secretairen der Section. — In der ersten Sitzung am 23. Januar sprach Herr Dr. Kayser über den Einfluss des Berufs auf die Sterblichkeit. Der Vortragende hatte diesen Einfluss an einem Materiale von 7000 Gestorbenen und 75 000 Lebenden in Breslau aus den Jahren 1874—77 studirt. Er unterschied 1) die intellectuelle, 2) die intellectuelle mecha- nische und 3) die mechanische Berufsgruppe. Der ersten Gruppe gehören die Gelehrtenwelt, der zweiten das mittlere Beamtenthum, die Handel- treibenden und die Besitzer als gesonderte Abtheilungen, der dritten das Handwerk und der Arbeiterstand an. Er zeigte, dass die mechanische Gruppe in allen Altersklassen, insbesondere aber vom 30. bis zum 60, Jahre die höchsten Sterblichkeitsziffern aufweise. Aehnlich stehe es mit dem Durchschnittsalter der Gestorbenen, das allerdings nur mit Vorsicht und unter der nöthigen Controle zu verwerthen sei. Dasselbe betrage in den drei Gruppen 56, 51 und 46 Jahre. Das niedrigste Durch- schnittsalter überhaupt haben Cigarren- und Steinarbeiter (32 - 33 Jahre). Redner verglich die Bekleidungsgewerbe (Schneider und Schuhmacher) mit dem Metallgewerbe (Schlosser u. s. w.) und kam zu dem Resultat, dass das erstere im jugendlichen Alter eine höhere, dann aber geringere Sterblichkeit habe. Zu den Todesursachen übergehend, zeigte Vortragender, dass bei den Hirnkrankheiten die intelleetuelle Gruppe — mit einer gewissen 74 ... Jahres-Bericht Einschränkung — am stärksten betheiligt sei, während zu den Lungen- krankheiten resp. zur Tuberculose die mechanische Gruppe das Haupt- eontingent stelle. Die Tuberculose bildet die Todesursache am meisten bei denjenigen Berufsarten, die das niedrigste Durchschnittsalter haben (bei Cigarren- und Steinarbeitern über 50 pCt. der Gestorbenen). Be- züglich der Infeetionskrankheiten stelle sich heraus, dass die Sterb- lichkeit am Unterleibstyphus bei allen Berufsgruppen dieselbe sei, was dafür spräche, dass die Ursache dieser Infectionskrankheit in allgemein wirkenden Verhältnissen zu suchen sei. Bei den Verunglückungen, speciell bei den Berufsverunglückungen, nehmen die erste Stelle Ver- unglückungen von Eisenbahnbetriebs-Arbeitern und Maurern mit 15 resp. 14 pCt. der Gestorbenen ein. Die 10 vom Vortragenden zusammengefassten gefährdeten Berufsarten haben ein um mehrere Jahre niedrigeres Durchschnittsalter, als die übrigen mechanischen Berufs- klassen. Der Vorsitzende, Herr Geh. Medieinal-Rath Prof. Dr. Biermer, nahm Gelegenheit, den in der Versammlung anwesenden Knappschafts- Arzt Herrn Dr. Wagner-Königshütte über die epidemischen Vorkommnisse in Oberschlesien zu interpelliren. Eine authentische Auskunft hierüber erscheine um so wünschenswerther und nothwendiger, als die Zeitungsberichte in dieser Beziehung kein klares Bild böten. Herr Geh. Rath Biermer richtete demnächst folgende Fragen an Herrn Dr. Wagner: 1) Wie steht es gegenwärtig mit dem Typhus in Oberschlesien ? 2) Ist eine grössere epidemische Ausbreitung des Typhus für Ober- schlesien zu befürchten? und wenn dieser Fall eintreten sollte, glaubt dann Herr Dr. Wagner, dass die vorhandene Zahl der Aerzte und des Wärterpersonals in Oberschlesien genüge, oder dürfte im Falle der Noth von Breslau aus eine Unterstützung von ärztlichem Personal und Hilfeleistenden in Aussicht zu nehmen sein? Herr Dr. Wagner beschränkt sich, wie dies hier, um kein falsches Bild von den Zuständen in Oberschlesien aufkommen zu lassen, aus- drücklich hervorgehoben sei, bei seinen Mittheilungen auf die ober- schlesischen Industriebezirke, während er selbst constatirte, dass ihm die Verhältnisse in den eigentlichen ländlichen Nothdistrieten nicht hinreichend bekannt seien, um ein bestimmtes Urtheil abzugeben. Was jene Industriebezirke anlange, so sei in diesen von dem Vorhandensein des Hungertyphus keine Rede, der Gesundheitszustand sei vielmehr ein verhältnissmässig günstiger; es liessen sich augenblicklich nur vereinzelte Fälle von Febris reeurrens und von Abdominaltyphus wahrnehmen. Eine bedeutende Ausdehnung epidemischer Erscheinungen im Industriebezirk Öberschlesiens sei nach Lage der Verhältnisse nicht zu befürchten. Was der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 75 die Zahl der Aerzte im Industriebezirk anlangt, so sei dieselbe durchaus ausreichend, um eine Unterstützung von Breslau aus nicht nothwendig erscheinen zu lassen. Auch in den ländlichen Bezirken seien die Aerzte keineswegs ‚so dünn gesät‘, als die Armuth der Bevölkerung; dies ver- muthen liesse. Bezüglich des Wärterpersonals sei zu bemerken, dass jeder Laie leicht zum Wärter ausgebildet werden könne. Der Vorsitzende, Geh. Med.-Rath Prof. Biermer, bemerkt, dass man in Breslau insbesondere Interesse daran habe, über die Krankheits- Erscheinungen in Oberschlesien genau und zuverlässig unterrichtet zu sein, da, wie die Vorgänge der letzten Jahre bewiesen, eine gewisse Solidarität zwischen den epidemischen Erkrankungen hier und in Ober- schlesien stattfinde. Auch er glaubt aus eigener Anschauung versichern zu können, dass die Schilderung oberschlesischer Zustände aus den Noth- jahren 1847/48 heute nicht mehr auf Oberschlesien passe. Die Ant- worten des Herrn Dr. Wagner seien so beruhigend ausgefallen, dass die Section vorläufig keine Veranlassung habe, sich mit diesem Gegen- stand weiter zu beschäftigen. In der zweiten Sitzung am 20. Februar hielt Herr Prof. Dr. Poleck einen Vortrag über Vergiftung durch Leuchtgas, Auf Grund eines Berichtes des Gasanstalt-Directors Troschel er- örterte der Vortragende eine Reihe von Fällen, in denen durch die Aus- strömung von Leuchtgas zum Theil schwere Erkrankungen erfolgt sind. Die Gesammtzahl der in diesem Winter hier beobachteten Fälle beläuft sich auf zehn, und in allen war die Ausströmung des Gases in Keller- oder Parterre-Räumen veranlasst durch Bruch von Rohrleitungen auf der Strasse, in einer Anzahl von Fällen befand sich in den betreffenden Häusern überhaupt keine Gasleitung. Der Vortragende hatte bereits vor einigen Jahren der hygienischen Section die Resultate einer gemeinsam mit Dr. Biefel ausgeführten Untersuchung über Kohlendunst- und Leuchtgas-Vergiftung mitgetheilt. Bei dieser Arbeit war unter denselben Verhältnissen experimentirt worden, wie sie im Leben derartige Vergiftungen veranlassen. In einem Versuchs- zimmer von 5 Kubikmeter Inhalt wurden Kaninchen der Einwirkung von Kohlendunst, welcher durch glühende Kohlen erzeugt wurde, und in anderen Fällen dem Einfluss von langsam einströmendem Leuchtgas aus- gesetzt. Während Sanitätsrath Biefel den pathologischen Verlauf der Versiftung bis zum Tode des Thieres beobachtete, hatte der Vortragende die bezüglichen Analysen der Luft, in welcher der Tod des Thieres er- folgt war, ausgeführt. Dabei hatte sich aus zahlreichen, von einander wenig abweichenden Beobachtungen eine mittlere Zusammensetzung des 76 Jahres -Bericht Kohlendunstes von 0,4 pCt. Kohlenoxyd, 6,36 pCt. Kohlensäure, 13,26 pCt. Sauerstoff und 79,71 pCt. Stickstoff herausgestellt. Der pathologische Verlauf der Vergiftung, welcher durch Versuche mit reinem Kohlenoxyd und reiner Kohlensäure controlirt worden war, wies darauf hin, dass hier die bedeutende Verminderung des Sauer- stoffes, die Vermehrung der Kohlensäure und das Kohlenoxyd die Krank- heitserscheinungen gemeinsam bedingen. Bei der Vergiftung durch Leuchtgas aber sei das Kohlenoxyd der allein wirksame Factor, sie sei eine reine Kohlenoxyd-Vergiftung, da in dem sehr gut gereinigten Bres- lauer Leuchtgas eine Spur des überaus giftigen Schwefelwasserstoffes sich nie vorfinde. Wenn Leuchtgas in luftgeschlossene Räume einströmt, so finde nur eine einfache Mischung, aber kein chemischer Process statt, welcher eine Verminderung des Sauerstoffes oder eine Vermehrung der Kohlensäure veranlassen könnte. Das relative Verhältniss derselben ändert sich eben nur mit der Menge des eingeströmten Leuchtgases. Der Vortragende hatte aber in der hiesigen Gasanstalt auch direete Versuche über die Veränderungen angestellt, welche das Leuchtgas erfährt, wenn es durch eine längere, noch nicht von Leuchtgas infieirte Bodenschicht dringt. Als bemerkenswerth stellte sich heraus, dass der Erdboden die schweren Kohlenwasserstoffe und damit die riechenden Bestandtheile des Gases absorbire, und dass der eigenthümliche Geruch des Gases erst dann wieder auftrete, wenn das Gas längere Zeit durch den Boden hin- durchgeströmt sei. Daraus erkläre sich, warum in den allermeisten Fällen das in die Wohnungen eindringende Gas nicht sofort bemerkt werde, wie dies namentlich bei dem Fall in dem Hause an der Kreuz- kirche No. 10 beobachtet worden sei. Die Gelegenheit, die Luft derartiger Räume in solchen Fällen zu analysiren, ist bis jetzt nicht benutzt worden und auch selten günstig. Um so lieber folgte der Vortragende einer Aufforderung des Director Troschel nach der Friedrich-Wilhelmstrasse No. 23, wo Gas aus einem alten Canal ausströmte, zu kommen. Das Gas war fast geruchlos, frei von jeder Spur von Schwefelwasserstoff und brannte angezündet mit wenig leuchtender Flamme. Die Analyse ergab 1,13 pCt. schwere Kohlen- wasserstoffe, 12,52 pCt. Sumpfgas, 14,73 pCt. Wasserstoff, 0,76 pCt. Kohlenoxyd, 3,62 pCt. Kohlensäure, 6,62 pCt. Sauerstoff und 60,62 pCt. Stickstoff. Unzweifelhaft lag hier der Bruch eines Gasrohres vor, welcher auch einige Tage darauf 35 m von jener Canalisation aufgefunden wurde. Ueber den gefrorenen Erdboden war das Gas in den alten Canal gelangt. Der Kohlenoxydgehalt war mehr als hinreichend, um Vergiftungs - Er- scheinungen hervorzurufen, wenn das Gas seinen Weg in die Erdgesehosse der benachbarten Häuser gefunden hätte, in denen es zunächst durch den Geruch nicht wahrgenommen worden wäre. Das Gas war ferner nicht explosiv, es brannte ruhig in der Luft. Wenn man seine brenn- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 77 baren Bestandtheile von den nicht brennbaren abzieht, so gelangt man zur Zusammensetzung der Luft des alten Canals, welche sich auf 4,4 pCt. Kohlensäure, 9,38 pCt. Sauerstoff und 31,1 pCt. Stickstoff berechnet, und erkennt daraus, warum das Gas nicht explosiv sein konnte. Die Explo- sivität der Gase hängt von dem vorhandenen Sauerstoff und von einem Gemisch von dem Verhältniss der explosiven Gase zu den nicht explo- siven ab. Das Verhältniss bewegt sich innerhalb enger Grenzen, es würden sonst weit häufigere Gasexplosionen vorkommen, und daraus er- klärt sich auch, warum man bei Leuchtgas-Vergiftungen, so hier an der Kreuzkirche, noch brennende Lampen in demselben Raume angetroffen hat, in welchem man später das aus den Ritzen strömende Leuchtgas an- zünden könnte. So explodirte ein Volumen Leuchtgas mit 5—10 Volumen Luft heftig, mit 11 Volumen Luft schwach und 11', Volumen gar nicht mehr.. Daraus erklären sich manche auffallende Erscheinungen bei Leucht- gas-Explosionen, daraus ergiebt sich aber auch mit Nothwendigkeit, dass die in unserem neuen Canalsystem sich entwickelnden Gase, die Canal- gase, nie ein explosives Gasgemisch bilden können. Speciell auf die vom hygienischen Standpunkt am meisten interessante Frage eingehend, wie es komme, dass sich gerade die Fälle von Leucht- gas-Vergiftungen so wesentlich mehren, findet der Vortragende die Ursache dieser Erscheinung vorzugsweise in unseren durch die Anlage der Canali- sation so häufig durchwühlten Strassen, wodurch der Boden undicht wird, sich ungleichmässig setzt und die entstandenen Hohlräume dann durch Er- schütterungen von oben zu Gasrohrbrüchen führen. Bei dem gegenwärtigen harten Winter wird dann das Gas nach den geheizten Wohnungen des Erdgeschosses der Häuser aspirirt, was im Sommer natürlich nicht vor- komme. Solche Vorkommnisse würden aber in allen grossen Städten be- obachtet, so beträgt die Zahl der im Jahre 1878/79 in Berlin aufgefundenen undichten Muffen 1573, die Zahl der Verstopfungen 28, der Rohrbrüche 89, zusammen 1690 nothwendige Reparaturen ausschliesslich in den von der Canalisation in den letzten zwei Jahren berührten Strassen, gegen 79 im Jahre 1876/77 und 372 dergleichen Arbeiten im Jahre 1877/78. Redner giebt seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass, hoffentlich nur vorübergehend, ein neuer Feind unserer Gesundheit in Gestalt des Leuchtgases durch das Erdreich in unsere Wohnungen schleiche, ohne dass es bis jetzt möglich sei, ihn sofort zu erkennen. Es giebt eine Anzahl empfindlicher Reactionen für Kohlenoxyd, aber sie lassen sich vom Standpunkt der Prophylaxis in unseren Wohnungen nicht anbringen. So ist der sogenannte englische Läutapparat empfindlich bei Anwesenheit von leichteren Gasen, er eignet sich aber nicht für unsere Wohnungen, während er in Bergwerken zur Signalisirung der schlagenden Wetter An- wendung gefunden habe. Die Einrichtung des Apparats und sein Prineip wurden durch einige Experimente erläutert. 8 Jahres-Bericht In der dritten Sitzung am 23. Juli sprach zuerst Herr Professor Dr. Gscheidlen über die Zulässigkeit der Bierdruckapparate. Die Frage über das zweckmässigste Verfahren beim Ausschenken des Bieres ist z. Z. eine Tagesfrage nicht blos in technischer, sondern namentlich in hygienischer Beziehung. Für die Wichtigkeit der Frage in ersterer Hinsicht spricht unter anderem der Umstand, dass in den letzten drei Jahren nicht weniger als 22 Patente von Seiten des deutschen Patentamtes ') an Erfinder und Verfertiger von Bierdruckapparaten ertheilt wurden, für die Wichtigkeit in letzterer Hinsicht, dass die Sanitäts- behörden in den verschiedensten Städten unabhängig von einander Ver- anlassung nahmen, bei Sachverständigen Gutachten über die Zulässig- keit der Bierdruckapparate einzuholen. Im nachfolgenden beabsichtige ich nun das Material, das zur Beant- wortung obiger Frage z. Z. vorliegt, zusammenzustellen, sowie meine eigenen Erfahrungen mitzutheilen. Veranlassung zu Studien nach dieser ") Das deutsche Patentamt ertheilte in Bezug auf Bierdruckapparate, Ver- besserungen einzelner Theile derselben etc. in den Jahren 1877 bis März 1880 nach- folgende Patente: 1877. D. R. P. 3355. Albert Klein in Borna. Vorrichtung zum en von Bierdruckapparaten. .R. P. 471. A. Rohde in Hamburg. Luftfilter für Bierpumpen. . R. P. 1334. Albrecht Storck in Kassel. Bierdruckapparat. . R. P. 2473. Stephan Eidams in Essen a. d. Ruhr. Bierdruck- apparat mit selbstthätiger Regulirungsvorrichtung. . R. P. 2904. Emile Derendinger iin Hagenau. Beweglicher Dampf- reinigungsapparat für Bierleitungen. . R. P. 3198. Otto Perkun in Dresden. Bierdruck- und Messapparat. . R. P. 4931. Otto Zwietusch in Milwaukee. Automatischer Kohlen- säure-Entwickelungsapparat. . R. P, 5013. Alexander Daelen in Düsseldorf. Bierdruckapparat. . R. P. 5254. E. v. Tadden in Dirschau. Bierluftdruckapparat. . R. P. 5597. Otto Eisele in Cannstadt. Bier-Conservator. . R. P. 6187. Wilhelm Volz in Backnang. Bierdruckapparat. . R. P. 6489. J. B. Ott in Mainz. Bierdruck- und Conservir-Apparat. . R. P. 6497. Julius Wetterer in Karlsruhe. Selbstthätiger Bier- druckapparat. R. P. 6634. Georg Wittmer in Constanz. Bierdruck-Luftpumpe. . R. P. 7114. Otto Zwietusch in Milwaukee im Staate Wisconsin. Automatischer Kohlensäure-Entwickelungsapparat für hohen Druck. . R. P. 7447. Hugo Alisch in Berlin. Vorrichtung zum Auffangen von Oel an Luftdruckapparaten für Bier. . R. P. 3042. Hermann Anders in Dresden. Hahn für Bierdruck- le P. 8091. Aug. Hilgers in Elberfeld. Bierdruckapparat. P. 8165. Mahr & Eisele in Esslingen. Bierdruckapparat. P. 8976. Theodor Lange in Breslau. Selbstthätiger Bierdruck- TaehaN .R. P. 10398. Zameit in Kämmersdorff bei Locken. Fass mit be- weglichem Boden. . R. P. 10438. Zameit in Kämmersdorfi bei Locken. Fassspund mit Vorrichtung, um eine Berührung der Luft mit der abzuzapfenden Flüssigkeit zu verhüten. 1878. 1879. 1880. Bu 900 9 u 89 DOUDDD 09 DB DOO der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 79 Richtung bot für mich eine Aufforderung, mich gutachtlich über die Zulässigkeit der Bierdruckapparate zu äussern. Wie bekannt, bestehen die bei uns z. Z. hauptsächlich im Gebrauch befindlichen Bierdruckapparate aus folgenden Theilen: 1) 2) 3) 4) Aus einer Luftpumpe, in welcher Luft comprimirt wird; einem Luft- oder Windkessel, der zur Aufnahme der compri- mirten Luft dient und meist mit einem Manometer zur Anzeige des Druckes versehen ist; aus Verbindungsröhren von Metall, Kautschuk oder Glas zwischen Luftpumpe, Windkessel und Fass und aus einer Leitung vom Fasse nach der Schankstelle. Dieses Rchr ist mehrere Meter lang und geht in Schlangenform durch einen mit Eis gefüllten Kasten, in welchem das Bier abgekühlt wird. Sind die einzelnen Theile des Apparates mit einander verbunden, ist die Luftpumpe in Thätigkeit gesetzt worden und der Luftkessel ge- füllt, so strömt das Bier, je nach dem Drucke, unter dem es steht, mit geringerer oder stärkerer Heftigkeit beim Oeffnen des Hahnes an der Schankstelle aus. Diese Bierdruckapparate haben sich bei uns rasch eingebürgert und sind z. Z. allgemein verbreitet. Die Bierdruckapparate gewähren nach Aussage der Wirthe folgende Vortheile: 1) 2) 3) 4) 5) Das Bierfass liegt abgesondert von dem Restaurationslocale an einem kühlen Orte, im Keller. Es bleibt dadurch von selbst kühl; nebenbei wird Platz im Restaurationslocale gewonnen. Das Bier kann beinahe vollständig aus dem Fasse klar abgezogen werden, während bei der früheren Methode des Ausschanks das Fass, sobald das Bier auf die Neige geht, gekippt werden muss, in Folge dessen Hefe und Pechtheilchen aufgeschwemmt werden, die das Bier trüben. Das Entweichen der Kohlensäure wird gehindert, da das Bier in geschlossenem Raume “unter hohem Drucke steht. Wegen dieser Eigenschaft, die indess von einigen Sachverständigen bestritten wird, werden die Bierdruckapparate auch „‚Conservatoren“ genannt, da sie das Bier conserviren und es vor dem „Abstehen‘ und „Schalwerden‘ schützen sollen. Das Anstecken der Fässer ist weniger zeitraubend, und dann können, sobald der Luftkessel mit mehreren Fässern in Verbindung gesetzt wird und von diesem besondere Bierheber zu der Aus- schankstelle gehen, in einfachster Weise zu gleicher Zeit ver- schiedene Biere verschenkt werden. Ist die Möglichkeit gegeben, grössere Bierfässer mit starkem Holze zu benützen, die einen geringeren Pechüberzug im Innern s0 Jahres-Bericht besitzen als die kleineren Fässer mit dünnem Holze und starkem Pechüberzuge, welcher sich unter Umständen ablöst und dann dem Biere einen fremden Beigeschmack ertheilt. Den ersten Bierdruckapparat habe ich in Augsburg im Jahre 1860 gesehen. Die Frage über die Zulässigkeit der Bierdruckapparate wurde meines Wissens zuerst im Jahre 1877 von dem Magistrate in Würzburg in Er- wägung gezogen. Derselbe setzte eine besondere Commission ein, zu welcher die Professoren Geigel und Wislicenus, sowie der Bezirks- arzt Dr. Hofmann zugezogen wurden. Diese Commission sprach sich unter dem 30. Januar 1873 gegen die Zulässigkeit der Bierdruckapparate aus.‘) In dem Gutachten wurde hervorgehoben, dass die Pressionen die Luft meistens aus dem Keller, aus Küchen und Hausgängen bezögen, dass die Pressionsröhren erfahrungsgemäss rasch grossen Unrath ansetzten, sehr schwer, häufig nur durch Dampf zu reinigen seien und dem Biere ekelerregende Bestandtheile zugeführt würden. Weiter wurde geltend gemacht, dass im Winter zu kalte Luft in das Bier eingepumpt werde, während zur heissen Jahreszeit das in den Bleiröhren stehende Bier mit Eis abgekühlt werde, welche Manipulationen als Ursache der häufigen Magenkatarrhe zu erachten seien. In Folge dieses Gutachtens wurden die Bierdruckapparate von dem Magistrate in Würzburg verboten, Gegen dieses Verbot erhoben 22 Bierwirthe in Würzburg bei der Regierung von Unterfranken Beschwerde. In dieser Beschwerde wurde auseinandergesetzt, dass der Magistrat wohl die Bedingungen des Be- triebes der Bierdruckapparate feststellen, nicht aber diese selbst verbieten könne. Es wurde namentlich betont, dass die beanstandeten Bierpressionen insbesondere den Vortheil hätten, dass durch die in das Bierfass ober- halb des Bieres eingedrückte Luft das Entweichen der Kohlensäure hintangehalten und das Bier hierdurch conservirt werde. Das unterfränkische Kreis-Medicinal-Comite, von dem die Regierung von Unterfranken ein Gutachten einforderte, sprach sich gegenüber dieser Beschwerde folgendermassen aus: 1) dass nach den eigenen Erfahrungen der Mitglieder des benannten Comites das Bier in den Pressionen zur heissen Jahreszeit nach den Pressionsröhren rieche und schmecke, und dass der Genuss ") Ortspolizeiliches Verbot der königl. Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg gegen den Gebrauch der sogenannten Bierpressionen (Bierpumpen). Correspondenzbl. des niederrheinischen Vereins für öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 8. 8. 59. 1879. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 81 des Bieres aus den Pressionen mitunter Ekelempfindung errege; dass ferner 2) der Art und Weise des Bierausschankes bei der allgemeinen Ver- schlechterung des Bieres verdoppelte sanitäre Aufmerksamkeit zuzuwenden sei, dass ferner 3) die behauptete längere Zurückhaltung der Kohlensäure im Biere durch die einfachen Pressionen nicht stattfinde, vielmehr bewirkt werde, dass ein Dritttheil des Fass-Inhaltes als schales abge- standenes Bier zu Tage trete; ferner dass 4) bei Anwendung von Kohlensäure als Druck aber statt der atmo- sphärischen Luft zur Erzeugung der ersteren völlig reine $Salz- säure erforderlich sei, welche wegen des höheren Preises von den Pressionsbesitzern nicht benutzt werden würde; endlich 5) die Controle über die nothwendige Reinhaltung der Schläuche oder Röhren bei der einen wie bei der anderen Pressionsmethode resp. die Beschaffung eines brauchbaren Leitungsmaterials über- haupt nicht möglich sei, weil Röhren von englischem Zinn, welche als die möglichst unschädlichen bezeichnet und deshalb meistens zu den Pressionen verwendet würden, dem Biere Geruch und Geschmack mittheilen, Kautschukrohre aber absolut unzu- lässig seien. Dieses Gutachten gelangt mithin zu dem Resultate, dass völlig reine Bier-Pressionen nicht hergestellt und nicht controlirt werden könnten, unreine Pressionen aber als gesundheitsschädlich zu erachten seien. Professor Reichardt‘) in Jena, von der Polizeiverwaltung in Weimar um ein Gutachten über Bierpressionen angegangen, spricht sich in ähnlichem Sinne aus. Wenn, sagt Reichardt, die zur Pression verwendete Luft nicht aus freier Atmosphäre, sondern, was häufig ge- schieht, aus Kellern, Höfen, Hausfluren oder Stuben entnommen wird, so können schon dadurch dem Biere schädliche Stoffe zugeführt werden, ebenso wenn es durch Leitungen, die nicht aus englischem Zinn be- stehen, seinen Lauf nehmen muss. Abgesehen davon, schadet auch der Druck, welchem das Bier durch die zugepumpte Luft ausgesetzt wird, denn es nimmt mit Nachlass desselben bald einen faden, schalen und sauren Geschmack an, weil die erfrischende Kohlensäure entweicht und Essigsäurebildung an deren Stelle tritt. In saurem Bier wird die Hefe sauer und verwandelt sich bald in faulige, welche sich mit anderweitigen Niederschlägen in dem Leitungsrohr ansetzt, Fäulnissprocesse ins Leben 1) Das Gutachten von Prof. Reichardt in Jena ist z. Z. von ihm selbst noch nicht veröffentlicht. Ich eitire deshalb nach: Zogbaum. Sind die in der Neuzeit eingeführten Bier-Pressionen vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus zulässig? Correspondenzblätter des Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen. 9. Jahrg. S. 145, 1880. 1330. 6 32 Jahres-Bericht ruft, deren Producte schliesslich mit dem Biere in den menschlichen Magen gelangen. Wie das Leitungsrohr, so werden auch Luftrohr und Windkessel zu Brutstätten für Fäulnissgase und Pilze, wenn, was nicht immer zu verhüten ist, Bier aus dem Fasse durch ersteres in letzteren zurückstaut. Die grösstmöglichste Reinhaltung des gesammten Apparates ist daher erforderlich, wenn das Bier nicht mit gesundheitsschädlichen Stoffen durch ihn versetzt werden soll. Da aber das bisher übliche Reinigungsverfahren nicht genügt, so verdient das Verzapfen des Bieres unmittelbar aus dem Fasse den Vorzug. Es ist nun kein Zweifel, dass wenn das Bier längere Zeit in den Apparaten steht, dasselbe einen ekelhaften Geschmack und Geruch be- kommt. Das beste Bier kann in unreinlich gehaltenen Apparaten in Bezug auf Geschmack und Geruch verdorben werden und unangenehme physiologische Wirkungen entfalten. In dieser Beziehung sind die Ver- suche von Dr. Weigelt, Director der landwirthschaftlichen Versuchs- station ') in Rufach interessant. Derselbe beobachtete, dass Biere, aus einer Pression verzapft, welche seltener gereinigt wurde, ausnahmslos hochgradigen Kopfschmerz erzeugten, während dieselben Biere, aus der- selben Wirthschaft im Fass bezogen, direct verzapft oder als Flaschen- bier getrunken, bei gleich grossem Consum zu keinerlei üblen Nach- wirkungen Veranlassung gaben. Weil das Bier, das über Nacht in einer Leitung steht, meist einen unangenehmen Geschmack und Geruch annimmt, so lassen vorsichtige, wenn auch weniger reinliche Wirthe, beim ersten Ausschank stets etwas Bier abfliessen und giessen dasselbe weg. Steht das Bier über Nacht in Bleiröhren, so wird es bleihaltig. Morel in Gent?) fand in solchen Frühschoppen bis '/J, Milligramm metallisches Blei per Liter. Bleiröhren, die bei Bierpressionen Verwen- dung fanden, zeigten nach einiger Zeit an der Innenseite der Röhre sich von einer Schicht überzogen, die aus basisch essigsaurem Blei, schwefel- saurem Blei und Chlorblei, sowie aus Verbindungen von Bleioxyd mit . Farbstoffen und Gummi und schleimartigen Substanzen bestand. Von der Richtigkeit dieser Angaben habe ich mich selbst überzeugt. Man darf nur eine vorher auch ganz reine Bleiröhre über Nacht in Bier legen, um am andern Tage im Bier Blei sowohl in einer löslichen als einer unlöslichen Verbindung zu finden. Bleiröhren, die längere Zeit beim Bierausschank benutzt werden, zeigen denn auch nach den Beobachtungen von Weigelt unverkennbare Spuren von Corrosionen, die auf die !) Weigelt. Zur Reinigung der Bierpressionen. Allgemeine Hopfenzeitung Jahrg. XX. S. 38. 1880. ?2) Morel. Rapport sur les inconvients que presentent les tuyaux en plomb pour l’aspiration de la biere. Bulletin de la societE de medecin de Gand. Janvier p. 9. 1877. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 33 Einwirkungen der saueren Zersetzungsproducte der abgelagerten Massen in den Röhren zurückgeführt werden müssen. Diese Thatsache ist enorm wichtig, denn an den meisten Orten Deutschlands wurden bis auf die jüngste Zeit zu den Bierleitungen nur Bleiröhren benützt und erst jetzt wird anderes Material für dieselben verlangt. Zu den Bierleitungsröhren dürfen ferner weder Röhren aus Blei- Compositionen, noch Zinnröhren, die mit einem Bleimaniel versehen sind, verwandt werden. Hofmeister und Popper') fanden nämlich, als sie feine Späne von bestem käuflichen Zinnlothe, das aus Blei und Zinn besteht, in ein Gefäss mit ca. °/, Liter Bier übergossen und in der Kälte stehen liessen, in dem Biere nach 16 Stunden Blei. Das Bier hatte keinen Metallgeschmack angenommen. Aus diesem Grunde erhellt, dass zu den Bierleitungen keine Röhren aus Blei-Compositionen oder mit Bleimantel versehene Zinnröhren benutzt werden dürfen, denn wenn letztere Risse oder Spalten bekommen, so ist eine Auflösung von Blei möglich. In Belgien ist die Benutzung von Bleiröhren seit 1877 durch Ministerial-Verfügung für das ganze Land verboten, Röhren aus Blei- Compositionen dürfen nur dann verwandt werden, wenn dieselben nicht mehr als 16 %, Blei enthalten. In Basel, 2) sowie in allen Städten, in welchen die Bierdruckapparate als zulässig erklärt wurden, sind Blei- Compositionen verboten. In Chemnitz ?) dagegen ist die Benutzung von verzinnten Bleiröhren gestattet. In gleicher Weise dürfen keine Röhren aus Kupfer oder Zink benutzt werden, indem sonst Kupfer- und Zinksalze in das Bier über- gehen. Man kann sich von dieser Thatsache ebenfalls überzeugen, man braucht nur blankes Kupfer oder Zink in Bier zu legen, um in kürzester Zeit im Biere, namentlich bei Zutritt der Luft, Kupfer oder Zink nach- weisen zu können. Dass das Bier beim Verweilen in Metallgefässen, Metallröhren leicht einen Metallgeschmack annimmt, ist den Bierbrauern längst bekannt. Vohl?) fand z. B. bei Gelegenheit der Untersuchung von Bier, zu dessen Bereitung zinkerne Kühlschiffe verwandt waren, das Bier zinkhaltig. Werden Kautschukschläuche zur Leitung des Bieres verwandt, so nimmt das Bier den Geruch und Geschmack des Kautschuk an. Aus ) Hofmeister und Popper. Ueber Bierpumpen. Prager med. Wochen- schrift. Jahrg. V. 8. 176. 1880. *) Bekanntmachung des Baseler Sanitäts-Departements, betreffend Einrichtung von Bierpumpen. Correspondenzbl. des niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. Bd. 8. $. 116. 1879. ®) Denkschrift des Vereins gegen Verfälschung der Lebensmittel zu Chemnitz: Die regelrechte Reinhaltung der Bierapparate betreffend. Chemnitz 1878. *) Vohl. Ueber zinkerne Bierkühlschiffe. Dingler, Polytechn. Journ. 242207. 8. 511. 1873. 6* 84 Jahres-Bericht diesem Grunde haben dieselben bisher wenig zu Bierleitungen Verwen- dung gefunden. Vor ihrer Benutzung braucht deshalb nicht besonders gewarnt zu werden. Werden Kautschukschläuche aber zu Verbindungen benutzt, so darf kein vulkanisirter gebraucht werden, sondern nur schwarzer. Der vulkanisirte ist, wie bekannt, bleihaltig. Werden die Bierleitungsröhren nicht häufig gereinigt, so überzieht sich deren Inneres rasch mit einem schmierigen Ueberzuge. Dieser Ueberzug, im gewöhnlichen Leben „Bierschleim“ genannt, kann so mächtig werden, dass er die ganze Röhre verstopft. Derselbe hat überaus widrigen Geruch und haftet den Wandungen des Rohrs ungemein zähe an, so dass er weder durch heisses Wasser noch durch eine Sodalösung herauszu- bringen ist. Weigelt bestimmte die Menge der organischen Substanz eines solehen Ueberzuges eines Bierrohres. Das Bierrohr hatte eine Länge von 8 m, besass eine Lichtweite von 12 mm und war Tags vorher mit warmem Wasser, in dem etwas Soda gelöst war, ausgespült worden. W. fand in diesem Rohr 99,3 Gramm bei 100° getrocknete organische Substanz. Ich fand in einem Bleirohre, das längere Zeit zur Bierleitung diente, auf 1 Decimeter Länge 0,15 Gramm bei 100° getrocknete orga- nische Substanz. Bringt man etwas von dieser Masse auf ein Liebreich’sches Täfelehen und schabt nach einiger Zeit die Masse ab, so zeigt sich (in 4 Fällen) stets deutlich saure Reaction. Trocknet man eine Röhre, die in ihrem Innern einen derartigen Ueberzug besitzt, so nimmt derselbe eine braunröthliche Farbe an und blättert sich theilweise ab. Verbrennt man ihn in einem trockenen Glasröhrehen, so tritt intensive Ammoniak- reaction ein. Der Ueberzug ist theilweise löslich in heissem Wasser, Alkohol und Kalilauge, sehr wenig löslich, fast unlöslich in Metallsäuren. Der wässrige Auszug ist schwach gefärbt, reagirt schwach sauer und hinterlässt beim Verdampfen nur geringen Rückstand. Auf Platinblech ver- brannt, schwärzt sich derselbe und hinterlässt nur wenig Asche. Der alkoholische Auszug, schwach gelblich gefärbt, reagirte ebenfalls ‚sauer und hinterliess beim Verdampfen einen harzähnlichen Körper. Der durch Kalilauge gewonnene Auszug hatte bräunliche Farbe. Mit Salpetersäure allmählich versetzt, trat Trübung ein; der entstehende Niederschlag setzte sich ab, färbte sich bei Kochen mit Salpetersäure gelb und wurde durch Zusatz von Ammoniak orange. Bei der Destillation mit schwefelsäurehaltigem Wasser wurde ein saures Destillat erhalten, dessen Geruch an Fettsäure erinnerte. In dem- selben konnte Essigsäure leicht nachgewiesen werden. Wird ein Theil der im Innern des Rohres abgelagerten Masse in Wasser aufgeschwemmt und mit Kaliumpermanganat versetzt, so tritt energische Oxydation ein, ebenso wird eine ammoniakalische Silberlösung rasch zerlegt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 85 Um auf die Anwesenheit von Fermenten zu prüfen, wurden zu einer Probe der aufgeschwemmten Substanz Nitrate zugefügt; es trat binnen "wenigen Stunden Nitritreaction auf, mit einer Indigolösung in verschlossenen Fläsehehen zusammengebracht, trat nach 16 Stunden Reduction des Indigo ein. Von einer mit etwas Amylumkleister versetzten Mischung wurde nach 24 Stunden Fehling’sche Lösung reducirt. Rohrzucker wurde in wenigen Stunden bei 37° in Traubenzucker verwandelt. Schwefelwasserstoff konnte bei keiner Probe beobachtet werden. Zu einer Zuckerlösung gebracht, trat binnen kurzer Zeit Gährung ein. Die mikroskopische Untersuchung ergab Bacterien, Mierococcen und Bacillusstäbehen in reichlichster Menge, Saecharomyces cerevisae, Saccha- romyces Mycoderma, Oidium lactis, grosse Krystalle von Caleiumoxalat, Fettkügelchen, Detritusmassen. Ein Theil der Organismen war bereits abgestorben, ein anderer Theil aber war noch lebensfähig, wie einmal aus obigen Beobachtungen hervorgeht und dann Züchtungsversuche in einer feuchten Kammer lehrten. Diese Reactionen zeigen, dass an der innern Wandung der Bier- leitungen sich unter Umständen ein Gemenge von Körpern findet, die theilweise selbst in Zersetzung begriffen sind und die in Berührung mit anderen Zersetzungen einleiten. Vom hygienischen Standpunkte aus ist es daher durchaus nicht gleichgültig, dass eine so leicht zersetzbare Flüssigkeit wie das Bier vor dem Genusse mit solchen Körpern in Be- rührung kommt. Hat man einmal ein derartig beschmutztes Rohr gesehen und sich von dem ekelhaften Geruch eines solchen selbst überzeugt, so möchte man geneigt sein, damit so etwas überhaupt nicht mehr vor- kommt, die Bierdruckapparate einfach zu verbieten. Selbstverständlich zeigen die Bierrohre in reinlichen Wirthschaften keinen derartigen Zustand. Werden die Bierleitungen häufig gereinigt, wo möglich vor dem Anstecken jeden Fasses, so wird die Ansammlung des Unrathes sehr verhütet. Wird dann noch von Zeit zu Zeit ge- spannter Wasserdampf durch solche Röhren geleitet, so erscheint das Innere derselben stets blank. . Aber nicht allein in den Bierleitungen hat man Anstössiges gefunden, auch die übrigen Theile der Pressionsapparate in der bisher gebräuch- lichen Form zeigen nicht unbeträchtliche und nicht unbedenkliche Ver- unreinigungen. Beim Anstecken des Bieres kann es sich ereignen, dass bei geringer Spannung der Luft in dem Luftkessel ein Theil des Bieres in die luft- zuführende Leitung tritt. Knövenagel!) untersuchte ein Stück eines ) Knövenagel. Resultate einer gelegentlichen Untersuchung der luft- zuführenden und der bierleitenden Röhren, Hohlräume ete. an den Bierpumpen. Correspondenzblatt des niederrhein, Vereins für öffentl. Gesundheitspflege. Bd. 8. S. 162. 1879. 56 Jahres-Bericht solchen Rohres, es war ein Bleirohr, und fand in demselben eine schmierige Masse abgelagert, bei deren mikroskopischer Untersuchung ein ziemlich dichtes Lager von Pilzen, grössere und kleinere zellige An- häufungen von niedern Pflanzen und zahllosse grössere und kleinere Gährungspilze nachgewiesen werden konnten. Weigelt fand in einem solchen Luftrohre, dessen Länge vom Luftkessel bis zum Bierfass 5 Meter betrug, 28,2 Gramm bei 100° getrockneter organischer Substanz. In dem Luftkessel selbst fand Knövenagel bei dessen Ausspülung mit reinem Brunnenwasser, dass das Wasser schmutzig braungelb gefärbt ablief und sich schon dem blossen Auge mit grünlichen pflanzlichen Bil- dungen zahlreich erfüllt zeigte. Der grösste Theil der Trübung setzte sich bald ab, einen dicken kaffeesatzähnlichen Bodensatz bildend. Die mikroskopische Untersuchung ergab neben Fettkörnchen und Feitkügelchen ausserordentlich reichliche pflanzliche Bildungen in lebhafter Fortpflanzung begriffen, so dass anzunehmen war, dass die innere Wandfläche des Kessels mit einem grossen ziemlich dichten Keimlager pflanzlicher Para- siten ausgekleidet sein musste, welche hierselbst immer weiter wuchern. Weigelt fand in einem solchen Luftkessel, als derselbe mit Dampf ge- reinigt wurde, 18,4 Gramm organische Substanz. In demselben fand er ferner auffallender Weise nicht unbeträchtliche Menger von Petroleum, das auf irgend eine Weise, vielleicht dass die Hähne damit geschmiert wurden, in den Kessel hineingekommen war. Durch die mitgetheilten Untersuchungen ergiebt sich, dass bei der Benutzung der Bierdruckapparate in der bisher geübten Form Veran- lassung zu Verunreinigungen aller Art gegeben ist und dass ein Verbot der Bierdruckapparate gerechtfertigt erscheint. Zur Belassung der Bier- druckapparate in der bisher gebräuchlichen Form hat sich keine Stimme erhoben. Schliesslich gedenke ich noch eines sehr wichtigen Einwandes, der gegen die Benutzung von Bierdruckapparaten vorgebracht wurde. Das Medicinal-Collegium zu Würzburg spricht sich nämlich in seinem oben - angeführten Gutachten dahin aus, dass durch die Bierpressionen ein längeres Zurückhalten der Kohlensäure, wie behauptet wurde, nicht statt- findet, vielmehr bewirkt werde, dass ein Dritttheil des Fassinhaltes als schales, abgestandenes Bier zu Tage tritt. Diese Ansicht steht im Wider- spruch mit der praktischen Erfahrung der Wirthe, nach der durch die Bierdruckapparate die Kohlensäure am Entweichen gehindert und das Bier vor dem „‚Schalwerden‘‘ und „Abstehen‘ längere Zeit bewahrt wird. Da nun die Güte und der Wohlgeschmack des Bieres wesentlich durch seinen Kohlensäuregehalt bedingt wird, so habe ich die Frage experimentell zu entscheiden gesucht, indem ich den Kohlensäuregehalt eines Bieres, das durch einen Bierdruckapparat verzapft wurde, unmittel- bar nach dem Anstechen des Fasses bei vollem Druck, hierauf bei halb der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97 entleertem Fasse und schliesslich, als das Fass fast ganz leer war, be- stimmte. Während dieser Zeit wurde keine Luft in den Apparat gepumpt. Die Bestimmung der Kohlensäure geschah nach bekannten Methoden durch Absorption in Barytwasser. Das Bier wurde in ein Glas gefüllt, an dessen Boden ein Tubulus sich befand, in dem eine Glasröhre steckte, die durch einen Kautschukschlauch mit Klemme verschlossen war. Beim Oeffnen der Klemme floss das Bier direet in einen Kolben ohne jegliches Schäumen. Zu jeder Bestimmung wurden 200 Gramm Bier verwandt, Nachfolgende Tabelle enthält die ermittelten Werthe: Temperatur |Kohlensäure- Ä Zeit. des Bieres. | gehalt in BER] ma do rancn Inhalt des Fasses. Versuch I. 4 h. 30 M. IORG: 0,220 voll. 7 h>20M. BE 0,218 halb entleert. 8h. 10 M. 6,5° C. 0,208 fast ganz entleert. Sun. DL. 7h.—M. 10,@: 0,240 voll. 9 h. 30 M. 6,5° C 0,235 halb entleert. 10 h. 30. M. 6,5° © 0,230 fast ganz entleert. Die Bestimmungen wurden in den Räumen der Weberbauer’schen Brauerei in Breslau vorgenommen. Aus den ermittelten Zahlen ergiebt sich, dass der Verlust, den das Bier bei Benutzung von Bierdruck- apparaten erleidet, keinesfalls bedeutender ist, als wenn das Bier direct aus dem Fasse verschänkt wird. Der Verlust an Kohlensäure ist gering gegenüber dem, den das Bier durch die sogenannte Bierspritze, mittelst der Schaum erzeugt wird, erleidet. Die durch das Bier mit Gewalt gejagte Luft treibt eine beträcht- liehe Menge Kohlensäure aus. Bei einer Bestimmung fand ich, dass 200 Gramm Bier durch eine Bierspritze 0,045 Gramm Kohlensäure ver- loren. Mit Recht ist daher die „Bierspritze‘‘ oder der „Spritzhahn“ in Bayern verboten. Man hat es sich nun angelegen sein lassen, die Bierdruckapparate mit Einrichtungen zu versehen, durch welche die Bedenken, die gegen ihre Zulässigkeit geltend gemacht wurden, ganz oder theilweise gehoben werden sollten. Diese Einrichtungen beziehen sich 1) auf die Beschaffung guter Luft, 2) auf die Fernhaltung der in der Luft suspendirten mikroskopischen Organismen, Staubtheilchen ete., sowie der zum Schmieren der Pumpe verwandten Materialien, 3) auf die Beschaffung von Vorrichtungen, durch welche das Ein- treten des Bieres in die Luftleitung verhindert wird, 4) auf die Gewinnung von tadelfreiem Leitungsmaterial und 9) auf die Reinigung der Bierdruckapparate. 58 Jahres-Bericht Um gute Luft dem Biere zuzuführen, hat man vorgeschlagen, die Luft. von aussen zu fassen. Zu dem Ende wurden an einzelnen Orten die im Keller befindlichen Apparate mit Röhren versehen, die an der Aussenseite des Hauses oder gar auf dem Dache frei endeten. Um das Hineinfallen von Staub in die Leitung zu verhüten, hat man die Röhren- endigungen mit diehtem Drahtnetz verschlossen und zu weiterem Schutze noch ein dachförmiges Gehäuse angebracht. “Letzteres ist vollkommen unnöthig; die Röhren brauchen nur an ihren Enden umgebogen werden; es dringen dann keine nennenswerthen Staubpartikelchen in die Röhre. Wendet man solche luftzuführenden Vorrichtungen an, so wird dem Biere reinere Luft zugeführt, als bei dem bisherigen Verzapfen des Bieres, wo jeweilen die Luft des Raumes mit dem Biere in Berührung tritt, in dem das Verzapfen geschieht. Um die Fernhaltung der in der Luft befindlichen Staubpartikelchen, mikroskopischen Organismen etc, und der zum Schmieren der Pumpe verwandten Materialien vom Biere zu erzielen, hat man vorgeschlagen, die Luft zu filtriren. Zu dem Ende wurden verschiedene Filter con- struirt. Ein solcher Filter einfachster Construction besteht aus einem hohlen Blechgefässe, an dem an gegenüberstehenden Seiten oben und unten Ansatzröhren angebracht sind. Durch die eine Röhre tritt die Luft in den Hohlraum, durch die andere verlässt sie denselben. Diese Blechgefässe werden mit Glycerin oder Salieylwatte gefüllt und in die Luftleitung zwischen Pumpe und Luftkessel eingeschaltet. Einen derartigen Apparat hat sich Alisch') patentiren lassen. Dieser Apparat besteht aus einem Blecheylinder, in dessen oberem Theile ein mit Salieylwatte gefüllter und mit Siebböden versehener Raum sich befindet; die Luft, die in den Apparat durch eine seitliche, nach unten gebogene Röhre eintritt, muss die Salieylwatte durchwandern, bevor sie durch eine zweite Röhre, die oberhalb der Salieylwatte angebracht ist, zum Luftkessel gelangen kann. Das untere Ende des Cylinders ist trichterförmig und mit einem Hahn versehen, um das von der Pumpe event. kommende Oel ablassen zu können. Damit man stets in das Innere des Apparates hineinsehen kann, ist nach der Längenachse desselben ein Glasstreifen eingesetzt. ?) Einen ganz vorzüglichen Filtrirapparat, durch den die zum Bier gelangende Luft zugleich auf trockenem und nassem Wege gereinigt wird, hat A. Rohde) construirt und sich patentiren lassen. Dieser Apparat besteht aus einem eisernen emaillirten eylindrischen Gefässe, das in der ) H. Alisch. Vorrichtung zum Auffangen von Oel an Luftdruckapparaten für Bier. D. R..P. Nr, 4447. ?2) Der Apparat wird in zwei Grössen geliefert, die eine zu 12,50 Mark, die ° andere zu 25 Mark. Der Apparat wird von dem Vortragenden vorgezeigt. ®) A. Rohde, Luftfilter für Bierpumpen. D. R. P. Nr. 471. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 89 Mitte auseinander genommen werden kann. Der obere Theil des Ge- fässes ist schichtenweise mit Holzkohlenpulver zwischen Sieben gefüllt. Ueber dem obersten Siebe befindet sich eine Schicht Baumwolle oder eine dieke Platte von plastischer Kohle. Durch diesen Theil des Appa- rates geht eine Glasröhre, die in das Gefäss luftdicht eingefügt ist und an ihrem oberen Ende eine mit Salieylwatte gefüllte Messingkugel trägt; die Glasröhre endet in einen aus geglühter Holzkohle hergestellten Block, der in eine Kaliumpermanganatlösung taucht, die sich in dem untern Theil des Apparates befindet. Die Luft, die in den Apparat tritt, hat zuerst die in der Messingkugel befindliche Salieylwatte zu durchwandern, dann geht sie durch die Glasröhre, den Kohlenblock und die Kalium- permanganatlösung. Von hier aus tritt die Luft durch die Holzkohlen- schicht und eine an dem obern Theile des Gehäuses angebrachte Röhre nach dem Luftkessel. Damit nicht Kohlentheilchen der austretenden Luft beigemischt werden, dient eine Baumwollenlage, die dem Kohlenpulver aufliest, oder eine Platte von plastischer Kohle. Dieser Apparat hat sich praktisch sehr bewährt; in der letzten Zeit haben ihn Hofmeister und Popper!) einer experimentellen Prüfung unterworfen und gefunden, dass durch denselben nicht nur die in der Luft befindlichen Fermente, die eine Zersetzung des Bieres einzuleiten ver- mögen, zurückgehalten, sondern dass durch denselben auch manche übel- riechende Gase, z. B. Schwefelwasserstoff, zerstört werden. Ich habe die Versuche von Hofmeister und Popper wiederholt und mich von der Richtigkeit ihrer Angaben überzeugt. Ich habe diesen Versuchen noch einige weitere hinzugefügt. Ich schaltete zwischen die Wasserluftpumpe des Laboratoriums und den Rohde’schen Filter eine ', procentige Leimlösung, der etwas Nährsalz zugefügt war, ein und liess Luft durch ein Kölbehen saugen, in der sich Pancreasinfus befand, das in stärkster Fäulniss begriffen war; ferner liess ich, um einen An- haltspunkt für die Menge der durchgeströmten Luft zu haben, die Luft vor dem Durchtritt durch das Kölbehen mit Panereas durch eine Elster’sche Experimentir - Gasuhr ?) streichen. Das Kölbehen blieb, nachdem 57,416 Kubikcentimeter Luft in 24 Stunden durch dasselbe getreten war, klar, während die Leimlösung, die zur Controle offen hingestellt war, bereits Trübung zeigte. Die Temperatur schwankte während des Ver- suchs zwischen 18 und 24°C. Um festzustellen, ob nicht allein Schwefelwasserstoffe, sondern Fäulnissgase überhaupt durch den Rohde’schen Filtrirapparat zurück- gehalten werden, schaltete ich drei Kölbehen neben einander zwischen dem Filtrum und der Wasserluftpumpe ein. Das eine Kölbehen enthielt ) Hofmeister und Popper. Ueber Bierpumpen. Prager med. Wochen- schrift. V. Jahrg. S. 188. 1880. 2) Gscheidlen. Physiologische Methodik. 1. Lief, S. 55. 1876. 90 Jahres-Bericht Bleizuckerlösung, das andere Nessler’sches Reagens, das dritte aus- gekochtes Wasser. Ich liess nun Luft durch das Filter und die Kölbchen aspiriren, die durch faules Pancreasinfus strich. Nach 24stündigem Durchleiten war die Bleizuckerlösung nicht geschwärzt, das Nessler’sche Reagens nicht getrübt, und das Wasser roch nicht nach Gasen, auch nicht, nachdem es etwas erwärmt war.') Bei der Untersuchung der Menge des bei diesem Versuche nicht zerstörten Kaliumpermanganats ergab sich, dass noch 2,5 Gramm nicht zerstört waren. In den Apparat waren bei Beginn des Versuchs 3 Gramm gebracht worden. Die Bestimmung geschah in bekannter Weise mittelst titrirter Oxalsäure, Aus diesem Verhalten geht hervor, dass der Rohde’sche Filter nicht allein im Stande ist, geformte Fermente zurückzuhalten, sondern auch die übelriechenden Fäulnissgase. Um zu prüfen, ob auch andere Gase durch das Filtrum zurück- gehalten werden, drückte ich 25 Liter einer Mischung von 9 Theilen Luft und 1 Theile Leuchtgas durch den Apparat. Hinter demselben waren 4 Drechsel’sche Flaschen eingeschaltet, von denen die erste concentrirte Schwefelsäure zur Absorption der schweren Kohlenwasserstoffe enthielt, die zweite Barytwasser, die dritte Blut zur Absorption von Kohlenoxyd, die vierte Wasser. Von diesen Flüssigkeiten blieb die Schwefelsäure vollkommen hell, das Barytwasser war stark getrübt, im Blute konnte indess Kohlenoxyd bei Zusatz von Schwefelammonium von dem Spectral- apparat nachgewiesen werden, das Wasser roch nicht nach Gas. Ich wiederholte den Versuch mit einer Gasmischung, die zu gleichen Theilen aus Luft und Gas bestand, der Erfolg war der nämliche. Da mir das Klarbleiben der Schwefelsäure bei diesen Versuchen sehr auf- fallend war, da beim Einleiten des Leuchtgases in Schwefelsäure sofort Braunfärbung stattfand, so liess ich reines Leuchtgas 24 Stunden durch den Apparat gehen, die Schwefelsäure blieb indess vollkommen klar. Während des Versuchs waren 92 Liter Leuchtgas durch das Filtrum ge- gangen, von denen, da neben der Schwefelsäure noch drei andere Flaschen eingeschaltet waren, indem die Versuchsanordnung die nämliche wie bei dem vorher gehenden Versuche blieb, 23 Liter durch die Schwefelsäure hindurchtreten mussten. Wurde das Leuchtgas nach dem Passiren des Filtrums angezündet, so brannte dasselbe mit schwach leuchtender Flamme, ein Beweis, dass der grösste Theil der Bestandtheile des Leucht- gases, namentlich das Aethylengas, von den Filtern zurückgehalten, wenn nicht zerstört wird. Von der Kaliumpermanganatlösung, die der Filtrir- apparat enthielt, waren bei diesem Versuche 2,2 Gramm zerstört worden, ') Die Flüssigkeiten werden vom Vortragenden vorgezeigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9] Angesichts dieser enormen Leistung kann ich daher nieht umhin, als mich äusserst günstig über den Rohde’schen Filter auszusprechen. Mein Urtheil, das sich auf obige experimentell gewonnene Anschauungen stützt, steht im Einklang mit dem von Hofmeister und Popper, sowie dem von Köhler in Kassel.’) Der Rohde’sche Filtrirapparat ist im deutschen Reiche patentirt. Der Verein gegen Verfälschung der Lebensmittel in Chemnitz hat vor einiger Zeit eine Denkschrift, ‚die regelrechte Rein- haltung der Bierapparate betreffend“, ausgearbeitet, in welcher der Rohde’- sche Apparat den Restaurateuren zur Anschaffung empfohlen wird. Nach den Erfahrungen, die in Hamburg gemacht wurden, muss die Salicyl- watte alle drei Monate erneuert werden und die Kaliumpermanganatlösung alle drei Wochen. Der Apparat wird in zwei Grössen abgegeben, die eine zu 30, die andere zu 60 Mark.?) Man hat nun des weitern Apparate construirt und Vorrichtungen angegeben, um einestheils Filter, Luftpumpe und Windkessel, anderntheils Luftpumpe und Windkessel oder letzteren allein entbehrlich zu machen. Um ersteren Zweck zu erreichen, setzte man die Bierfässer mit Kohlensäure-Entwickelungsapparaten in Verbindung, um durch die ent- wickelte Kohlensäure das Bier zum Ausfluss zu bringen. Einen derartigen Apparat construirte z. B. der Mechaniker Jicinsky °) in Prag im Jahre 1868. Auch in jüngster Zeit wurden ähnliche Apparate angegeben, z. B. von Zwietusch') in Milwaukee. Nach Himly wurde der beste derartige Apparat von H. Petersen’) in Kiel construirt. Bei diesem ‚Apparat wird die Kohlensäure aus Salzsäure und Marmor entwickelt; der entsprechende Druck der Kohlensäure wird durch eine Salzsäuresäule hergestellt, deren Ballon sich im zweiten Stock befindet, während die Reinisungsapparate, bestehend in einem Cylinder mit Marmor für die übergerissene. Kohlensäure und einem Wascheylinder, sich im Keller be- finden. Nach gefälliger Mittheilung des Herrn Dr. Himly in Kiel ist der Apparat vorzüglich, aber nur unter der Hand eines Sach- verständigen. Gegen den Einwand, es möchte bei eisenhaltiger Salz- säure Arsen in das Bier gelangen, schlug H. Petersen vor, in den Wascheylinder Eisenoxydhydrat zu bringen, um das Arsen ganz unschäd- lich zu machen. ") Köhler. Ueber Conservirung des Bieres mit Demonstration eines Des- infectionsapparates. Tageblatt der 52. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Cassel. S. 289. 1879. ?) Die beiden Apparate werden vorgezeigt und deren Einrichtung demonstrirt. ®) Jieinsky in Prag. Apparat, um das Schalwerden des Bieres beim Aus- schank zu verhüten. Dingler, Polytechn. Journ. Bd. 193. S. 175. 1869. *) Zwietusch in Milwaukee. Automatischer Kohlensäure-Entwickelungs- apparat. D.R.P. 4931, und derselbe: Automatischer Kohlensäuse-Entwickelungs- apparat für hohen Druck. .D. R. P. 7114. °) Himly. Ueber Bierdruckapparate. Verhandl. des „Schleswig-Holsteinischen Bezirksvereins“. Wochenschrift des Vereins deutscher Ingenieure. Jahrg. 1880. S. 280. 1880. 93 Jahres-Bericht Die Apparate, welche die Luftpumpe und den Windkessel entbehrlich machen sollen, bestehen im Allgemeinen aus ein oder zwei Cylindern, die in Wasser tauchen und aus denen die Luft zu dem Bierfasse geleitet wird. Solche Apparate wurden von Eisele in Cannstadt, Storck in Cassel, Eidams in Essen und Mahr u. Eisele in Esslingen construirt. Der Apparat von Eisele') besteht aus einem lufthaltigen Cylinder, der in Wasser eintaucht und mit dem Bierfasse in Verbindung steht. In dem Masse, als das Bier aus dem Fasse verschänkt oder der Cylinder beschwert wird, sinkt er in das Absperrwasser ein. In gleichem Masse drückt die eingeschlossene Luft auf die Oberfläche des Bieres. Aehnlich ist der Apparat von Storck’) construirt. Der Apparat von Eidams°) besteht aus einem grossen lufthaltigen Cylinder, der an seinem oberen Ende mit der Bierleitung, an seinem unteren mit der Wasserleitung in Verbindung steht. Die Luft in dem Cylinder steht unter dem Druck der Wasserleitung. Ein besonders con- struirtes Ventil verhindert nach dem Luftverbrauche den Eintritt des Wassers zum Biere. Der Apparat von Mahr u. Eisele°) besteht aus zwei Cylindern, von denen der eine mit Wasser, der andere mit Luft gefüllt ist. Ersterer ist über letzterem angebracht und mit diesem durch einen Heber ver- bunden. In dem Masse als das Wasser aus dem erhöht stehenden Cylinder in den tiefer stehenden einläuft, wird die Luft eomprimirt. Die Apparate, welche den Windkessel entbehrlich zu machen be- stimmt sind, bestehen aus Pumpen, welche direct mit der Wasserleitung in Verbindung gesetzt werden. Solche Apparate wurden von Wetterer in Carlsruhe, Hilgers in Elberfeld und Lange in Breslau construirt. Um den Eintritt des Bieres in die Luftleitung zu verhindern, was sich beim Anstechen des Fasses bei stark schäumendem Biere und geringem Drucke der Luft im Luftkessel leicht ereignen kann, hat man vorge- schlagen, ein Ventil direct an dem Fasse anzubringen. Die Ventile, die im Gebrauche sind, sind entweder Kegelventile oder Kautschukventile. Am besten haben sich bisher die Kautschukventile bewährt. Letztere bestehen aus einer Röhre, an deren unterem verschlossenen Ende sich einige seitliche Durchbohrungen befinden. Diese Oefinungen werden durch einen Kautschukschlauch verschlossen, welcher den Austritt von Luft leicht gestattet, den Eintritt aber von Luft und Flüssigkeiten hindert. °) ') 0. Eisele in Cannstadt. Bierconservator. D. R. P. Nr. 5597. ?) A. Storck in Cassel. Bierdruckapparat. D. R. P. Nr. 1334. ®) St. Eidams in Essen a. d. Ruhr. Bierdruckapparat mit selbstthätiger Regulirungsvorrichtung. D. R. P. Nr. 2473. *) Mahr u. Eisele in Esslingen. Bierdruckapparat. D. R. P. Nr. 8163. °) Ein derartiges Ventil, von A. Rohde in Hamburg construirt, wird vorgezeigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 93 In Bezug auf das Material, das zu der Luftleitung verwendet werden kann, herrscht Einigkeit unter den Sachverständigen, nicht so in Bezug auf dasjenige, das zur Fortführung des Bieres zu dienen hat. Zu der Luftleitung wird Kautschuk allgemein als zulässig erklärt. Zu der Bierleitung, soll nach meiner Ansicht weder Kupfer noch Zink, noch eine Zinneomposition, noch eine verzinnte Bleiröhre, sondern blos Glas oder reines Zinn verwendet werden dürfen. Wie oben bereits erwähnt, ist es in Belgien gestattet, zu den Bierleitungen Zinn zu nehmen, welches mit nicht mehr als 16 pCt. Blei legirt ist, der Chemnitzer Verein gegen Verfälschung von Lebensmitteln gestattet verzinnte Bleiröhren, da aber das Zinn solcher Röhren Risse oder Spalten bekommen und auf diese Weise das Bier bleihaltig werden kann, so ist seine Benutzung besser von vornherein auszuschliessen. Nach dem Urtheil des Medieinal-Collegiums von Unterfranken verleiht auch die Benutzung von Zinnröhren dem Biere Geruch und Geschmack. Ich kann dem nicht beipflichten und erlaube mir nur darauf aufmerksam zu machen, dass vor dem Allgemeinerwerden der Glas- und Steinkrüge allenthalben in Deutschland das Bier in zinnernen Krügen getrunken wurde und in einzelnen Gegenden, nament- lich Bayerns, noch heute getrunken wird. Darin herrscht Uebereinstim- mung, dass Kautschukschläuche zu Bierpressionen nicht verwendet werden dürfen. | Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dass die Uebelstände, die die Bierdruckapparate mit sich bringen, gehoben werden können. Nichts desto weniger würde ich mich unbedingt gegen die Zulassung der Bier- druckapparate aussprechen, gäbe es nicht ein Mittel, die Bierleitungen rein zu erhalten. Ich habe im Laufe des Vortrags der Erfahrungen von Weigelt in Rufach gedacht, die derselbe bei einer Bierleitung machte, die Tags vorher mit Soda und heissem Wasser gereinigt war und in welcher enorme Mengen organischer fäulnissfähiger Substanz trotz der Reinigung in den Röhren geblieben war. Zur Reinhaltung der Bierdruckapparate wird empfohlen: 1) Den Luftkessel mit einer herausnehmbaren Platte zu versehen, nach deren Entfernung der Luftkessel ausgescheuert werden kann. 2) Die Bierleitungsröhren nach dem jedesmaligen Gebrauche mit Wasser zu durchspülen. Der Verein gegen Lebensmittelverfälschung in Chemnitz empfiehlt hierzu die Pumpe von Roscher.') In sehr bequemer Weise lässt sich die Durchspülung der Röhren durch den selbstthätigen Bierdruckapparat von Lange) erzielen. Dieser ı) Pumpe zum Reinigen der Bierapparate von Roscher in Chemnitz. General-Vertreter: F. Voigt in Chemnitz. 2) Th. Lange in Breslau. Selbstthätiger Bierdruckapparat. D. R. P. Nr. 8976. 94 Jahres-Bericht Apparat wird direet mit der Wasserleitung in Verbindung gesetzt, die als Betriebskraft zur Comprimirung der Luft dient; sobald die Luft in dem Bierfasse eine gewisse Spannung erreicht hat, hört der Apparat auf zu funetioniren. Derselbe tritt aber sofort wieder in Thätigkeit, sobald der Hahn an der Schankstelle geöffnet wird. Das zum Betriebe benützte Wasser fliesst durch einen seitlichen Hahn ab. Verschliesst man diesen, so tritt das Wasser aus der Wasserleitung in die Luftleitung, durch- spült unter grossem Druck die Bierleitung und tritt zur Ausschankstelle wieder zum Vorschein.!') Die Apparate von Wetterer?) und Hilgers‘) kenne ich nicht aus eigener Anschauung. Ueber die Benützung der Soda lauten die Ansichten verschieden. Nach dem Würzburger Gutachten können bei dem Ausspülen der Röhren mittelst Soda Theile von dieser zurückbleiben, welche mit dem ausströmen- den Bier fortgespült werden, so dass den Consumenten wenigstens anfäng- lich statt Bier eine Arznei geboten wird. Der Verein gegen Lebensmittel- verfälschung in Chemnitz empfiehlt dagegen zur Reinigung der Leitung heisse 10 procentige Sodalösung, die längere Zeit in den Röhren stehen bleiben muss. Alsdann wird mit einer verdünnten Lösung von Kalium- permanganat und schliesslich mit Wasser gehörig nachgespült. Die Rei- nigung muss ferner nach der Vorschrift genannten Vereins alternirend, d. h. von oben durch den Hahn und von unten, dem Lagerraume aus, bethätigt werden. Die Kautschukschläuche, die zu den Verbindungen der Metallröhren benutzt werden, müssen häufig durch Drahtbürsten gereinigt und mit Kaliumpermanganat ausgespült werden. Ebenso müssen die Ventile häufig gereinigt werden; der Kautschuk, der zum Schlusse des Ventils benutzt wird, muss .nach jeder Reinigung durch neuen ersetzt werden. Es ist kein Zweifel, dass durch die Wasserspülung, sobald dieselbe nach dem Verschänken jeden Fasses vorgenommen wird, die Verun- reinigung hintangehalten wird. Wird die Wasserspülung vernachlässigt, so ist zum Ansetzen von Bierschleim Veranlassung gegeben, und hat sich solcher einmal an der Röhrenwandung angesetzt, so hilft kein Ausspülen mit Soda und noch so reichliches Wasserspülen. Es hat dies Weigelt gezeigt, der in der Bierleitung, die Tags vorher mit Soda und Wasser ausgespült war, so enorme Quantitäten organischer Stoffe fand. Es steht diese Beobachtung in vollkommenem Einklang mit den Erfahrungen der !) Der Apparat von Lange wird vom Vortragenden in der Versammlung demonstrirt. ®2) J. Wetterer in Carlsruhe. Selbstthätiger Bierdruckapparat. D. R. P. Nr. 6497. ») A. Hilgers in Elberfeld. Bierdruckapparat. D. R. P. Nr. 8091. a der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 95 Praktiker und den Wahrnehmungen, die ich in den letzten Monaten in Breslau gemacht habe. Gäbe es weiter kein Mittel, die Röhren zu reinigen, so könnte ich in. der Benützung des Rohde’schen Filters und in dem selbstthätigen Bierapparat von Lange lediglich nur einen Fortschritt sehen, mich nicht aber entschliessen, für die Zulässigkeit der Bierdruckapparate auszu- sprechen. Nun besitzen wir aber ein ganz vorzügliches Verfahren, alle Un- reiniskeiten aus den Bierleitungen gründlich zu entfernen. Dieses Ver- fahren besteht in der Durchleitung von gespanntem Wasserdampf durch die Bierpression. Der gespannte Wasserdampf ist im Stande, in wenigen Minuten alle Unreiniskeiten aus dem Apparate zu entfernen. Die Röhren erscheinen dann sofort blank. Einen ganz vorzüglich wirkenden, leicht transportablen derartigen Apparat hat Kallensee in Gotha construirt. Dieser Apparat besteht aus einem etwa 5 Liter fassenden kupfernen Kessel, der auf einem Drei- fuss ruht. An dem Kessel ist ein Sicherheitsventil angebracht, das bei einem Atmosphärendruck sich öffnet, sowie zwei Röhren, von denen die eine mit dem Luftkessel, die andere mit dem Bierleitungsrohre in Ver- bindung gesetzt wird. Das Erhitzen des Wassers geschieht durch eine Spirituslampe von besonderer Construction. Nach 10 Minuten schon ist reiche Dampfentwickelung vorhanden. Diesen lässt man nun entweder in den Luftkessel oder in die Bierleitungsröhre einströmen. Ist der erste Schmutz durch die Ausschankhähne zum Ausfluss gebracht, so schliesst man dieselben, damit der heisse Dampf die Röhren erhitzt und den Schmutz vollständig ablöst. Hierauf lässt man die Unreinigkeiten ab- fliessen, setzt den Kessel mit der Wasserleitung in Verbindung und spült die Röhren aus. | Von der vortrefflichen Wirkung des Kallensee’schen Apparates habe ich mich selbst überzeugt, indem Herr Kallensee die Güte hatte, mir ein Modell nach Breslau zu senden. !) Weigelt sah den patentirten Dampfreinigungsapparat von Nedder- mann?) in Strassburg in Thätigkeit und sah denselben seinen Zweck vollständig erfüllen. Dieser Apparat wird in zwei Grössen angefertigt. Der eine grössere ist für grosse Städte bestimmt und arbeitet mit 6 Atmo- sphären Ueberdruck, der andere kleinere sogenannte „Strassburger Bier- pressions-Dampfapparat‘‘ besteht aus einem tragbaren Ofenuntersatz mit Füssen, Rost und Rauchrohr und einem kupfernen Kessel; die Kessel ") Der Apparat wird vorgezeigt. ?) Der Apparat wurde von E. Derendinger in Hagenau, Bewegliceher Dampfreinigungsapparat für Bierleitungen. D. R. P. 2904, construirt, das Patent indess später an Neddermann in Strassburg übertragen. Patentblatt Nr. 48. S. 482. 1879. 96 Jahres-Bericht werden in zwei Grössen geliefert, von ca. 25 Liter und 42 Liter Gehalt. ') Zogbaum?) sah einen kleineren, 20 Liter fassenden Apparat, der in Apolda polizeilich eingeführt ist, in Thätigkeit und die nämliche Wirkung wie den von Kallensee in Gotha entfalten. Der Vollständigkeit halber führen wir an, dass die Polizeiverwaltung‘) in Köln die leicht transportablen Dampf-Entwickler mit Sicherheitsventilen von Johann Dollheiser und Peter Pfäffgen empfiehlt. Ueber die Wirkungsweise der Neddermann’schen Apparate sowie der genannten Kölner Firmen besitze ich keine eigene Anschauung. Bemerkt sei, dass sich das Abonnement auf den Dampfreinigungs- apparat von Neddermann für eine Leitung auf 60 Pfennige stellt. Zur Reinigung wird ein Zeitaufwand von etwa 20 Minuten erfordert, und dass sich in mehreren Städten bereits Unternehmer gefunden, die in geregelten Zeitabschnitten sämmtliche Bierlocalitäten ihres Rayons mit genanntem Apparat besuchen, die Reinigung vornehmen, was etwa 5 Minuten erfor- dert, und nicht die geringste Störung des Geschäftsbetriebes verursacht. Auf Grund meiner Erfahrungen muss ich mich dahin aussprechen : in Erwägung, dass 1) durch den Rohde’schen Filtrirapparat die Möglichkeit gegeben ist, dem Biere reine Luft zuzuführen °); 2) dass wenn die Leitungsröhren aus englischem Zinn bestehen, die Möglichkeit einer metallischen Beimischung ausgeschlossen ist; 3) dass wenn ein Ventil zwischen Windkessel und Bierleitung ein- geschaltet ist, die Möglichkeit des Zurücktretens des Bieres aus dem Fass in die Bierleitung aufgehoben ist; 4) dass es Apparate giebt, bei deren Benutzung die Bierleitungs- röhren jeder Zeit mit Wasser durchspült werden können; 5) dass durch gespannten Wasserdampf nach übereinstimmender Er- fahrung der Apparat vollständig gereinigt werden kann, bei Einhaltung dieser Bedingungen die Bierdruckapparate zwar an sieh für zulässig zu erklären sind, dass ihre Benutzung aber nur bei sorg- fältiger Keinhaltung der Leitung zu gestatten ist. Einzelne Polizeiverwaltungen und Sanitätsbehörden haben nun orts- polizeiliche Vorschriften über die Benutzung von Bierpressionen erlassen, %) Krätzer. Ueber Maschinen und Apparate. Der Bierbrauer N. F. B. 11. S. 235. 1880. 2) Zogbaum. Sind die in der Neuzeit eingeführten Bierpressionen vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus zulässig? Correspondenzblatt des allg. ärzt- lichen Vereins von Thüringen. 9. Jahrg. S. 148. 1880. 3) Polizeiverordnung über die Anwendung von Bierpumpen. Üorresp. des niederrhein. Vereins für öffentl. Gesundheitspflege. Bd. 8. S. 115. 1879. *%) Der Nutzen, den die Filtrirapparate gewähren, wird theilweise aufge- hoben, so lange das „Spritzen des Bieres“, d. h. die Durchjagung von Luft aus dem Schanklocal durch das Bier, gestattet ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97 von denen ich die von Köln, Basel und Mannheim, sowie die General- verordnung an sämmtliche Polizeibehörden des Zwickauer Regierungs- bezirkes anführe: Polizeiverordnung in Köln über die Anwendung von Bierpumpen. .$1. Bei dem gewerbsmässigen Ausschank von Bier dürfen Bierpumpen (Bierpressionen) nur in Gebrauch genommen werden, wenn a) die zur Pression verwandte Luft gut ventilirten und reinlich gehaltenen Räumen oder dem Freien entnommen wird, b) die Luftkessel so construirt sind, dass sie mittelst einer an der tiefsten Stelle angebrachten verschliessbaren Oeffnung einer Reinigung unter- worfen werden können, c) unter Ausschluss aller Kautschukröhren die Leitung vom Bier, wie die Leitung der Luft vom Luftkästchen bis zum Bierfass und von der Luftpumpe bis zum Luftkessel nur durch Röhren von reinem Zinn vermittelt wird, d) die Röhren stets rein gehalten werden und so eingerichtet sind, dass sie an die Wasserleitung angeschlossen werden können. $ 2. Uebertretungen dieser Vorschriften werden mit einer Geldstrafe von 3 bis 9 Mark geahndet, an deren Stelle im Unvermögensfalle verhältnissmässige Haft tritt. $ 3. Diese Polizeiverordnung erlangt mit dem 1. October 1879 Gültigkeit. Dieser Polizeiverordnung folgt eine weitere „Bekanntmachung“ vom nämlichen Datum: „Bei Publication vorstehender Polizeiverordnung mache ich die Interessenten darauf aufmerksam, dass die Reinigung der Leitungsröhren am besten durch Dampf bewirkt wird. Zu diesem Zwecke haben die Apparate-Fabrikanten Johann Dollheyser und Peter Pfäffgen leicht transportable Dampf-Entwickler mit Sicherheitsventilen construirt. Sollte es nicht gelingen, die Leitungsröhren rein zu erhalten, so würde nur übrig bleiben, den Gebrauch der Bierpressionen zu verbieten.“ Das Baseler Sanitäts-Departement hat folgende Bekanntmachung, betreffend Einrichtung von Bierpressionen, unterm 5. Juni 1879 erlassen: „Da eine vorgenommene Untersuchung einer Anzahl Bierpressionen in hiesigen Wirthschaften ergeben hat, dass diese Einrichtungen in mehrfacher Beziehung zu berechtigten sanitärischen Bedenken Anlass geben, sieht sich das unterzeichnete Departement bezüglich derselben zu folgenden Vorschriften veranlasst: 1) Die zur Pression verwendete Luft soll gut ventilirten und reinlich ge- haltenen Räumen oder dem Freien entnommen werden. 2) Die Luftkessel müssen so construirt sein, dass sie mittelst einer an der tiefsten Stelle angebrachten verschliessbaren Oefinung einer Reinigung können unterworfen werden. 3) Die Leitungen zwischen Lutftkessel und Fass sollen durch Ventile vor dem Eindringen von Bier geschützt werden. 4) Zur Herstellung der Leitungen, soweit sie aus Metall bestehen, darf nur reines Zinn in Anwendung kommen. Sogenannte „Composition“ ist nicht zulässig. 5) Sämmtliche Leitungen müssen reinlich gehalten und so eingerichtet sein, dass sie durch Anschluss an die Wasserleitung einer häufigen Spülung und ausserdem einer periodischen gründlichen Reinigung mit Dampf oder Soda- wasser unterworfen werden können. 6) Solche Einrichtungen, welche in einem oder mehreren Punkten den obigen Vorschriften nicht entsprechen, sind bis zum 1. August nächsthin in Ein- klang mit denselben zu bringen. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden nach $ 97 des Polizei- Strafgesetzes bestraft." 1880. 7 Jahres-Bericht > [0 2) Örtspolizeiliche Vorschriften, betr. Einrichtung und Reinhaltung der Bierpressionen in der Stadt Mannheim, vom 29. Februar 1880. Auf Grund der $$ 87a und 94 des P.-St.-G.-B. und der Verordnung des Grossherzogl. Ministeriums des Innern vom 2. Januar 1880 wird bezüglich der Einrichtung und Reinhältung der Bierpressionen in den Wirthschaften hiesiger Stadt bestimmt: $ 1. Die zur Pression verwendete Luft muss dem Freien entnommen werden und zwar der Strasse in einer Höhe von mindestens 3 Metern über dem Boden. Eine Ausnahme hiervon zu Gunsten eines grösseren offenen Hofraums kann unter der Bedingung gestattet werden, dass der Luftkessel nicht im Keller, sondern an einem geeigneten Orte im Freien aufgestellt ist, oder die Luft in einer Höhe entnommen wird, welche genügende Garantie für deren Reinheit bietet. $ 2. Die Luftkessel müssen entweder mit einer im untern Drittel der- selben angebrachten verschliessbaren Oeffnung (Mannloch) oder mit einem zum Abschrauben eingerichteten Deckel versehen sein. $ 3. Am tiefsten Theile des Luftkessels, welcher frei aufgestellt werden muss, ist ein Ablaufhahnen anzubringen. $4. Sämmtliche Leitungsröhren von der Luftpumpe bis zum Zapfhahn sind von reinem Zinn herzustellen. An den Biegungen ist Gummi zulässig. Kautschukröhren sind ganz untersagt. $ 5. Sämmtliche Leitungen müssen stets rein gehalten werden und so ein- gerichtet sein, dass der Reinigungsschlauch leicht angebracht werden kann. $S 6. Die Bierpressionen müssen wöchentlich mindestens einmal mittelst eines Dampfreinigungsapparates unter Aufsicht des hierzu verpflichteten Sach- verständigen gereinigt werden. $ 7. Jeder Wirth ist verpflichtet, ein Revisionsbuch, in welches die vor- genommene Dampfreinigung von dem amtlichen Sachverständigen beurkundet wird, in der Wirthschaft bereit zu halten und solches auf Verlangen den mit der Con- trole betrauten Polizeibediensteten vorzuweisen. $ 8. Die obligatorische Dampfreinigung tritt sofort in Kraft und sind ebenfalls sofort alle Bleiröhren zu entfernen. Die übrigen Einrichtungen sind in 3 Monaten fertig zu stellen. $ 9. Für die Dampfreinigung sind, sofern nicht durch Privatverträge anders bestimmt wird, folgende Gebühren zu entrichten: Für 1 Hahnen und 1 Leitung....... 70ER a . 2 Nheitungen..- = 63.5 ” 3 2? ” 3 DIE IE 60 72 Shock Assilı Saab 30 2 ? ” Ss 10. Zuwiderhandlungen werden nach Massgabe der im Eingange ange- führten Gesetzesbestimmungen geahndet. Wiederholte Bestrafung wegen Vebertretung dieser Vorschrift hat zur Folge, dass die Benützung der Pression nur unter besonders festzusetzenden Bedingungen gestattet oder ganz untersagt wird. General-Verordnung an sämmtliche Polizeibehörden des Zwickauer Regierungsbezirks, Pneumatische Druckapparate zum Bierschank betr, vom 20. Juli 1880.°) 1) Es dürfen die Rohrleitungen, insoweit das Bier damit in Berührung kommt, weder aus Kautschuk noch aus solchen Metallen bestehen, welche bei ihrem mög- lichen Uebergange in das Bier, durch Auflösung mittelst der im letzteren ent- haltenen oder unter gewissen Bedingungen sich darin bildenden Säure, dem Biere gesundheitsschädliche Eigenschaften ertheilen würden, also namentlich nicht aus Blei, Kupfer, Messing, Zink, vielmehr lediglich aus reinem Zinn oder Glas. 2) Es ist dafür Sorge zu tragen, dass das im Fasse enthaltene Bier nicht mittelst einer rückläufigen Bewegung in den Luftkessel treten kann, weil es, dort hineingelangt, sich daselbst zersetzen und dadurch der in diesem Gefässe enthaltenen Luft, wenn diese auch ursprünglich von reiner und guter Beschafien- !) Deutsche Medieinal-Ztg. Bd. 6. S. 318. 1880. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 99 heit war, gesundheitsnachtheilige Eigenschaften ertheilen würde, die auch auf das in dem Fasse enthaltene Bier bei dem Betriebe des Apparats nicht ohne üblen Einfluss bezüglich seiner Qualität bleiben würden. Eine solche rückläufige Bewegung tritt leicht bei stark moussirenden Bieren ein, sobald nämlich der Druck der in ihnen sich entwickelnden Kohlensäure grösser wird, als der in dem Luftkessel enthaltenen Luft. Die an den Kesseln und zwar an deren Böden jetzt vielfach zu dem Zwecke angebrachte Vorrichtung, um dieselben Öffnen, das eingedrungene Bier entfernen und den Kessel hierauf reinigen zu können, ist deshalb wenig empfehlenswerth, weil das Oeffnen und das nachherige luftdichte Verschliessen des Kessels an der betreffenden Stelle eine viel zu umständliche und zeitraubende Operation ist, die nur von sachkundiger Hand unternommen werden kann, und deshalb, und weil auch mit Kosten ver- bunden, viel zu häufig unterlassen wird. 3) Es ist aber nothwendig, dass die Bierleitungen mindestens alle 8 Tage einmal gründlich gereinigt werden, um den in ihnen aus dem Biere sich all- mählich absetzenden Schlamm zu entfernen. Am gründlichsten und zuverlässigsten erfolgt diese Reinigung mittelst Durchleitung von unter starkem Druck stehendem Wasserdampf und durch Nachspülen von kochendem, später von kaltem Wasser. Wo eine derartige Einrichtung nicht beschafft werden kann, empfiehlt es sich, eine Lösung von kohlensaurem Natron in heissem Wasser (in dem Verhältnisse von 1 Kilo Soda auf 50 Liter Wasser) mit darauf folgender Nachspülung mit kaltem Wasser zur Reinigung zu verwenden und zwar am zweckmässigsten und einfachsten auf die Weise, dass der sogenannte Stechhahn in ein Fass, welches mit der heissen Sodalösung gefüllt ist, eingeschraubt, hierauf diese Lösung durch die Bierrohrleitung mittelst der Luftpumpe getrieben und schliesslich auf dieselbe Weise die Nachspülung mittelst kalten Wassers bewirkt wird. 4) In Bezug auf die Aufstellung der betreffenden Apparate ist darauf zu sehen, dass dem Apparate stets eine reine Luft zugeführt werden kann. Entweder ist daher die Luftpumpe an einem Orte aufzustellen, der an sich schon diese Gewähr bietet, oder es ist, wenn sich wegen localer Verhältnisse solches verbietet, an der Luftpumpe ein Saugrohr anzubringen und dieses bis an einen solchen Punkt zu leiten, dass die Zuführung reiner Luft möglich wird. Solches wird sich daher überall dort nöthig machen, wo die Luftpumpe z. B.in dem Keller, in der Gaststube oder in einem sonstigen zur Luftentnahme ungeeigneten Raume aufgestellt ist. 5) Bei den Kohlensäureapparaten fällt nur die Sorge für Reinheit der zuge- führten Luft hinweg. Dagegen haben die übrigen Vorschriften in Bezug auf das Material der Rohrleitungen und die Reinhaltung der Apparate auch bei der vor- sedachten Art von Apparaten zu gelten. Demgemäss werden nun die Polizeibehörden des Regierungsbezirks hiermit angewiesen, denjenigen Schankstätteninhabern, die sich pneumatischer Bierdruck- apparate bedienen, die Beobachtung der vorstehenden Vorsichtsmassregeln, unter Androhung angemessener Strafen, aufzugeben und darüber, dass diesen Anord- nungen nachgegangen werde, durch öftere Revisionen gehörige Aufsicht zu führen. Die wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen in Preussen‘) erklärt in einem Gutachten vom 14. Januar d. J., dass den Wirthen, die sich der Bierpressionen bedienen, gewisse Bedingungen betrefis deren Einrichtung zur Pflicht zu machen seien. Nämlich 1) die Entnahme der Luft aus dem Freien, 2) die Filtration der Luft mittelst Baumwolle, 3) die Aufstellung eines Oelsammlers zwischen Luftpumpe und Windkessel, 4) eine Rohrleitung vom reinsten Zinn für das Bier nebst Einschaltung einer Glasröhre, 5) eine hinreichende Weite der zinnernen Röhren, 1) Gesundheitstechnisches Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen in Preussen, betr. Bierdruckapparate. Deutsche Medieinal-Ztg. Bü 0... 98, 1880, 7* 100 Jahres-Bericht 6) die Anlegung eines Ventils im Spundaufsatze, um den Rückfluss des Bieres in den Windkessel zu verhüten. 7) die Aufstellung eines Indicators behufs Luftregulirung in der Nähe der Bierkrahnen, um den Luftdruck nach Bedürfniss herzustellen und denselben auf höchstens 1 Atmosphäre Druck zu beschränken, da ein stärkerer Druck zu viel Schaum im Bier erzeugt und dadurch letzteres minder werthvoll macht. Von der Bestimmung der Einschaltung einer Glasröhre in die Bier- leitung möchte zweckmässig wohl Abstand genommen werden, da durch Herausnahme der Röhre und Reinigung derselben von Seiten des Wirthes eine Reinhaltung der Bierleitung vorgetäuscht werden kann. Soll die Glasröhre als Indicator der Reinhaltung der Bierleitung für den con- trolirenden Beamten angesehen werden, so muss dieselbe nothwendiger- weise unter Verschluss gestellt oder mit einer Plombe versehen werden. Die eingeschaltete Glasröhre bringt weiter den Uebelstand mit sich, dass bei der unumgänglich nothwendigen zeitweisen Reinigung mit gespanntem Wasserdampf dieselbe durch eine Metallröhre ersetzt werden muss, da die Glasröhre bei der plötzlichen Erhitzung sonst zerspringt. Sodann sprach Herr Bezirksphysikus Dr. Jacobi über Production und Consumtion von Thiermilch in Breslau Die pädiatrische Section der Naturforscher-Versammlung in Baden- Baden hat den guten Gedanken gehabt, eine Discussion über die Er- nährung der Kinder, welche auf der diesjährigen Versammlung in Danzig statthaben soll, derart vorzubereiten, dass eine grössere Zahl von Aerzten mit Vorarbeiten betraut wurde. Hierdurch ist auch die im Folgenden vorzulegende Zusammenstellung veranlasst worden. Dass dieselbe relativ vollständig und sicher ausgefallen ist, verdanke ich vor Allem dem sehr freundlichen und verständnissvollen Entgegenkommen zweier Behörden, die auf mein Gesuch in Anerkennung des gemeinnützigen sanitären Zweckes Enqueten veranlasst haben, deren Resultate mir zur Verfügung gestellt worden sind. Das Kgl. Hauptsteueramt hat ermittelt, dass in der Stadt Breslau am 1. Juni d. J. in 606 Wirthschaften an Milch- vieh 651 Kühe und 848 Ziegen gehalten worden sind. Unser Kgl. Polizei-Präsidium, das für hygienische Arbeiten ja immer ein warmes Herz und hilfreiche Hand zeigt, liess an zwei Tagen, Freitag den 14. und Sonnabend den 15. Mai, vom frühesten Morgen bis gegen Mittag auf den Bahnhöfen und an sämmtlichen Thoren, überall wo Hauptwege in die Stadt münden, von seinen Beamten die Milehzufuhr notiren, nach Quantität, ob Milch oder Sahne, aus welchem Orte, von welchem Besitzer. Hiernach wurden am Freitag den 14. Mai zugeführt 43913 Liter Mileh und 6178‘, Liter Sahne, zusammen 50091, Liter aus 398 verschiedenen Wirthschaften, am Sonnabend den 15. Mai 42154 Liter Milch und 5448"), Liter Sahne, zusammen 47602', Liter aus 383 Wirth- schaften. Am meisten wurde durch das Berliner Thor eingeführt (ea. 10000 Liter), demnächst durch das Ohlauer Thor (über 6000 Liter), der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 101 durch die Eisenbahnen ea. 8000 Liter. In der Zeit von früh bis gegen Mittag wird zweifellos fast die gesammte Milchzufuhr zur Stadt gebracht, die einzigen bedeutenden Ausnahmen bilden nur die Breslauer Molkerei- Genossenschaft und die Milchniederlagen des Herrn Stadtrath Korn, und diese erhalten Nachmittags noch zusammen ea. 4000 Liter von ausserhalb. Dazu kommt nun die Produetion innerhalb der Stadt. Die 651 Kühe in der Stadt geben annähernd wohl (ca. 8 Liter jede) 5000 Liter Kuh- milch, die 848 Ziegen (wenigstens im Sommer) ca. 800 Liter Ziegenmilch täglich, so dass die Gesammtsumme der für Breslau produeirten Milch täglich ca. 58000 Liter beträgt, wovon ca. °/, von ausserhalb zugeführt werden. Die Zahl der verschiedenen Wirthschaften oder Bezugsquellen, welche diese Milch liefern, beträgt ca. 1000. Hieraus kann man die Schwierigkeiten ermessen, welche der sanitären Milchcontrole entgegen- stehen! Pro Kopf der Bevölkerung Breslaus macht das ?°/, Liter. Man rechnet im Allgemeinen '/, Liter pro Kopf, wiewohl die bezüglichen Zu- sammenstellungen aus Königsberg, München, Paris und London sehr be- deutend differiren. Unter den Productionsstellen sind nun drei Gruppen ganz besonders bemerkenswerth: 1) die städtischen Kuhställe zur Production von Kinder- und Kurmilch; 2) die Milchniederlagen des Herrn Stadtrath Korn; 3) die Breslauer Molkerei-Genossenschaft. Von den 651 Kühen in Breslau befinden sich die meisten vereinzelt in den äussersten Vorstädten, 126 (Zählung vom 3. April d. J.) aber in den inneren Theilen der Stadt, in neun besonderen concessionirten Kuhställen, welche „‚Kinder-und Kurmilch“ produeiren. In den bewohnteren Stadtgesenden' werden bei uns überhaupt nur solche Kuhställe polizeilich geduldet, welche, wie jene neun, sich folgenden Bedingungen unter- werfen: dieselben Kühe dürfen nicht länger als 6 Monate in der Stadt bleiben, vierteljährlich muss eine veterinärärztliche Controle stattfinden, welche ev. die sofortige Entfernung kranken oder verdächtigen Viehes nach sich zieht, es darf Branntweinschlempe gar nicht, Biertreber nur in geringer Quantität verfüttert werden, die Stalleinrichtungen müssen sauber und luftisg sein. Der erste Kuhstall dieser Art wurde 1873 in der Neuen Antonienstrasse No. 5 mit 30—40 Kühen eröffnet. Die Fütterung in diesen Kuhställen ist zur Zeit nur Trockenfütterung: Malz- keime, Roggen- und Weizenkleie, Heu, Futtermehl, Leimkuchen, Siede, Rüben, Kartoffeln und Treber. Die Thiere werden nach spätestens 6 Monaten entweder verkauft oder zum Kalben aufs Land gebracht, um nachher wieder in den ‘städtischen Stall zurückzukehren. Der Liter ganzer Milch kostet 50 Pf. Die Gesammtproduction beläuft sich auf ca, 1000 Liter täglich, 102 Jahres-Bericht Herr Korn lässt seit ca. einem Jahre von seinen nahen Gütern täglich ca. 1260 Liter zur Stadt führen, welche hier in zwei Niederlagen verkauft werden. Darunter sind ca. 90 Liter „Kindermilch“, herrührend von einem besonderen Stalle, in welchem ganz streng und ausschliesslich Trockenfütterung stattfindet. Die Kindermilch kostet 30 Pf. pro Liter, die übrige unverändert 15 Pf., abgerahmt 10 Pf. 1879 wurde auch die Molkerei-Genossenschaft gegründet, welche täglich 7—8000 Liter Milch zuführt, wovon 400 Liter als „„Kindermilch‘“ bezeichnet werden, weil sie von Kühen eines bestimmten Dominiums stammt, die gar keine Industrie- Rückstände wie Schlempe und Treber, aber auch Grünfutter erhalten. Es sind zur Zeit 19 Dominien, welche diese Genossenschaft bilden. Ein sehr sachverständiger Director, dem ein Chemiker zur Seite steht, sorgt dafür, dass alle zugeführte Milch in Geschmack, Aussehen, Fettgehalt (mindestens 3 pCt.) normal erscheint. Auf jedem dieser Dominien fliesst die Milch beim Melken über den Lawrence’schen Kühlapparat in eine Kanne, welche sofort mit einer ge- stempelten Plombe verschlossen wird, um so nach Breslau zu gelangen. Hier hat das Institut 2 feste Verkaufsstellen und 7 gut federnde Milch- wagen, in welchen letzteren jene Kannen, durch Eis kühl gehalten, bis zu 5 Stunden durch die Stadt gefahren werden. Was nach 5 Stunden von der Milch der Wagen nicht verkauft ist, wird zu Butter und Käse verarbeitet. Zweimal täglich cireuliren die Wagen. Der Preis der ganzen Milch, auch der „Kindermilch‘“, ist 15 Pf. pro Liter, der halben Milch 8 Pf. Es muss anerkannt werden, dass durch diese 3 Einrichtungen die Milchversorgung Breslaus eine bedeutend bessere geworden ist. Zunächst geben sie die Möglichkeit, mit Sicherheit unverfälschte, wirklich reine Milch kaufen zu können. Was nun die „Kindermilch‘ betrifft, so gilt als solche nach dem Vorgange der Stuttgarter und Frankfurter Anstalten streng genommen nur solche, welche bei ausschliesslicher und sorgfältiger Trockenfütterung produeirt wird. Als Vorzüge dieser Fütterungsmethode werden angeführt, dass die Milchproduction durch das ganze Jahr eine gleichartige ist, dass die Kühe selber im Sommer nicht so leicht an Blähungen und Verdauungsstörungen leiden, und demgemäss auch der Genuss der Milch im Sommer weniger leicht Verdauungsstörungen, zumal bei Kindern, herbeiführt. Es ist klar, dass der Landwirth eine aus- schliessliche Trockenfütterung nur in den seltensten Fällen bei sieh durch- führen wird, und dass deshalb besondere Institute zur Production von „Kindermilch“ vorwiegend innerhalb und in der nächsten Nachbarschaft der Städte sich etabliren müssen, es ist ferner einleuchtend, dass solche Milch theurer wird, wie denn „Kindermilch“ auch thatsächlich mit 30 (Breslau) bis 50 Pf. (Frankfurt a. M.) der Liter bezahlt wird. Von soleher,,Kindermilch“ haben wir in Breslau in erster Reihe die 90 Liter der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 103 des Herrn Korn, sodann die 800-—-1000 Liter der 9 Kuhställe innerhalb der Stadt. Verdient sonach die „Kindermilch‘ der Molkerei-Gesellschaft streng genommen nicht diese Bezeichnung, so möchte ich sie doch auch beson- derer Beachtung empfehlen. Ob wirklich die ausschliessliche Trocken- fütterung so grosse Vorzüge hat, ist noch keineswegs bewiesen. Eine gleichartige Milch liefert eine Kuh, auch trocken gefüttert, während der ganzen Lactation ebensowenig wie eine Frau, und die meisten Milchwirth- schaften unserer Gegend halten ihr Milchvieh, wenn es auch Grünfutter (frischen Klee, Kleegras, später Grünmais) erhält, doch von dem Weide- gange fern. Dagegen gelten allgemein die gährenden Rückstände der Industrie, Schlempe, angesäuerter Treber und Rapskuchen, für ein nicht günstiges Futter der Milchkühe, und daher verdient es Anerkennung, dass die Molkerei mit Ausschluss dieser Futtermittel produeirte Milch als „„Kindermilch‘‘ zu nur 15 Pf. den Liter auf den Markt bringt. Es ist überhaupt erstaunlich, wie wenig auf diesem Gebiete trotz der kolossalen Literatur über Milch sicher gewusst wird. Ich erinnere nur daran, dass tüchtige Autoren angeben, die Kuhmilch enthalte mehr Fett als die Frauenmilch, und andere ebenso tüchtige, die Kuhmilch enthalte weniger Fett als die Frauenmilch und müsse daher zum Ge- brauche für Kinder einen Rahmzusatz erhalten. Die Milch ist eben ein so inconstantes Secret, dass nur eine sehr grosse Zahl von Analysen richtige Durchschnittswerthe finden lässt. Daher gilt es ohne Vorein- genommenheit weiter arbeiten! Einige Vorurtheile möchte ich noch berühren. Es gilt vielfach für nothwendis, dass ein Säugling stets Milch von derselben Kuh erhalte, Dagegen weiss jeder Sachverständige, dass Sammelmilch viel gleichartiger und sicherer ist. Ferner wird hier und da behauptet, in dem Molkerei- wagen müsse bei mehrstündigem Fahren die Milch verderben. Dies ist durchaus nicht der Fall, und ich weise darauf hin, dass auch in Frank- furt a. M. die dortige berühmte Milchkuranstalt, ein Musterinstitut, das täglich ca. 800 Liter Kindermilch & 50 Pf. verkauft, die Milch im Wagen zu ihren Kunden herumschickt. In Betreff der Race, welche ja für die Qualität der Milch und in Bezug auf die Häufigkeit der Perlsucht sicherlich von grosser Bedeutung ist, hat sich jene Frankfurter Anstalt für das ausschliessliche Halten des grauen Schwyzerviehes entschieden, das am seltensten Perlsucht haben soll. Bei uns hält man am häufigsten Oldenburger, Holsteiner aus der Wilster Marsch und Kreuzungen von Schweizer und Schlesischem Landvieh. Es ist übertrieben, wenn Cnyrim in Frankfurt a. M. bereits Abnahme der Kindersterblichkeit und der Ammen als Folge der Einführung der Kindermilch beobachtet haben will, die Ammen werden immer unentbehr- 104 Jahres - Bericht lich sein und das allerbeste Surrogat der Muttermilch geben, aber einen bedeutenden sanitären Fortschritt haben wir sicherlich in Einrichtungen, wie den drei angeführten zu begrüssen. Möge insbesondere auch die Molkerei-Genossenschaft, indem sie stetig eine ernste Selbsteontrole bei- behält, durch die Gunst des Publikums gefördert werden. In der vierten Sitzung am 3. December machte zunächst Herr Prof. Dr. Ponfick Mittheilungen über Vergiftungen durch die essbare Morchel, welche in einer der späteren Sitzungen weitergeführt und vervollständigt werden sollen. Demnächst sprach Herr Sanitätsrath Dr. Schlockow über die gesundheitlichen Verhältnisse in den Bergwerken. Der Vortragende nimmt zuerst Veranlassung, Öffentlich seinen Dank dafür auszusprechen, dass ihm die Auszeichnung zu Theil geworden sei, gelegentlich des 50jährigen Stiftungsfestes der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zum correspondirenden Mitgliede derselben er- nannt worden zu sein. Demnächst schildert er die chemischen, physi- kalischen und hygienischen Einflüsse der Bergwerke auf die darin be- schäftigten Arbeiter und wendet seine Aufmerksamkeit in erster Linie dem Steinkohlenbergwerke zu, in welchem %, der gesammten berg- männischen Bevölkerung Preussens beschäftigt sei. Für einen dem- nächstigen Vortrag behält Redner sich vor, die Wirkungen zu schildern, welche der Einfluss der Bergwerksarbeit auf Lebensdauer, Arbeitsfähigkeit, Häufigkeit und Form der Erkrankungen bei den betreffenden Arbeitern üben. Aus den interessanten Ausführungen des Redners sei Folgendes hervorgehoben: Die Communication nach den Arbeitsstätten im Bergwerk sei dort eine sehr beschwerliche, wo dieselbe auf der sogenannten Fahrt, welche im Wesentlichen aus Sprossenleitern besteht, durch die Schachte statt- finde. Der grösste Theil des Muskelsystems, die Athem- und Kreislaufs- Organe kämen hierbei in eine sehr erregte Thätigkeit. Vortheilhafter sei die maschinelle Beförderung durch die bis zu 1000 m tiefen Schächte oder der Weg durch schräg ins Bergwerk gelegte Stollen. Die mecha- nische Arbeitsleistung des Bergmannes sei eine verhältnissmässig ein- fache, jedoch bei niedrigen Flötzen ganz besonders wegen der gezwungenen und unbequemen Körperhaltung, in der dieselbe verrichtet werden muss, anstrengend. Diese Anstrengung beträfe auch, wo der Bergmann kauernd oder liegend arbeiten müsse, die Augenmuskeln und führe zu dem sog. Nystagmus der Bergleute, bei welchem die Augen in zitternde und krampf- hafte Bewegungen gerathen, sobald der Blick auf einen bestimmten Punkt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 105 fixirt werden soll. Fallendes Gestein sowie die massenhaft zur Ver- wendung gelangenden Sprengstoffe, ansteigende Grubenwässer u. s. w. brächten mannigfache Gefahr; leichte und schwere vielfach tödtliche Ver- letzungen gehören zu den häufigen Vorkommnissen in Bergwerken, deren mangelhafte Beleuchtung hierbei mit in Betracht zu ziehen sei. Die Zu- sammensetzung der den Bergmann umgebenden Luft sei eine ganz unge- wöhnliche, besonders in den kleinen Bergwerksgängen und an den Arbeits- punkten. Dieselbe zeichne sich ganz besonders durch eine erhebliche Verminderung des Sauerstoffgehalts (bis zu 5 pCt. des Volumens) und einen hohen Ueberschuss an Kohlensäure (bis zu 2 pCt.) aus. Die letzten stammen nicht allein aus der Ausathmungsluft der Menschen und Thiere, der Verbrennungsproduction der Grubenlampen und der Explosionsmittel, dem verwesenden Grubenholz, welches, um die Baue vor Zusammenbruch zu schützen, massenhaft in den Bergwerken vorhanden sei, vielmehr habe die blosgelegte Kohlenwand in hohem Grade die Eigenschaft, Sauerstoff zu condensiren und Kohlensäure auszuströmen, so dass zum mindesten ®/), des Kohlensäuregehaltes der Grubenluft der letzteren Quelle ent- stammen. Das sonst in geschlossenen Räumen gesundheitlich zulässige Maximum ist um das 5—10fache überschritten. Diese Menge der in Rede stehenden Luftart übe in Bergwerken schon um deswillen nicht die unmittelbar schädliche Wirkung wie sonst aus, weil in anderen Auf- enthaltsstätten von Menschen die Kohlensäure stets als Massstab für die Luftverderbniss im Allgemeinen, d. h. für die Ueberladung der Athem- luft mit organischen, der Lungen- und Hautathmung entstammenden Stoffen sei, während dieses Gas in den Kohlenbergwerken vegetabilischen Ursprungs sei. Immerhin seien die Einwirkungen einer sauerstoffarmen und kohlensäurereichen Luft auf die Gesammteonstitution des arbeitenden Bergmannes nicht zu verkennen. Auch die Entstehung von Lungen- emphysem wird dem hohen Kohlensäuregehalt der Einathmungsluft zu- geschrieben, Ein zweiter in Betracht kommender Factor sei die Sättigung der Bergwerksluft mit Wasserdunst, so dass die relative Feuchtigkeit der- selben selten unter 90 pCt. betrage. Die Annahme, dass ein hoher Grad von Erdfeuchtigkeit die Entwickelung von Lungenschwindsucht begünstige, fände bei den Bergleuten keine Bestätigung, da diese Krankheit bei den- selben auffallend selten vorkomme; vielleicht kommt es auch hier darauf an, ob die feuchte Luft anderweitig organisch verunreinigt sei oder nicht. Die Temperatur in den Bergwerken hänge von der Tiefe derselben, etwaigen Grubenbränden, Druck des Gesteins u. s. w. ab, dieselbe sei eine sehr gleichmässige und nur geringen Schwankungen unterworfen, so dass der Unterschied der Jahreszeiten sich daselbst fast verwische. Der Luftdruck nehme in gleichem Verhältniss mit der Tiefe zu. Die meteo- rologischen Verhältnisse in den Bergwerken seien von denen über Tage u ng 106 Jahres-Bericht im Allgemeinen so verschieden, dass man von einem eigenartigen „Gruben- klima“ sprechen könne. Auf die Wirkungen des Staubes, welcher weniger spärlich sei, als man erwarte, gedenkt der Redner in seinem zweiten Vortrage näher einzugehen. Demnächst beschreibt er die Ge- fahren der Grubenbrände uud der aus ihnen hervorgehenden, oft heim- tückisch einwirkenden, zumeist aus Kohlenoxyd bestehenden brandigen Wetter, die schlagenden Wetter, welehe zu den in manchen Bergwerks- revieren fast mit Regelmässigkeit wiederkehrenden Explosionen und Massenverunglückungen führen, beständen fast ausschliesslich aus leichten und nur zum sehr geringen Theil aus schweren Kohlenwasserstoffen. In Schlesien seien dieselben bis jetzt glücklicherweise fast noch gar nicht zur Beobachtung gekommen. Einigen Schutz gewähre die Sicherheits- lampe, den durchgreifendsten jedoch eine geordnete Ventilation der Berg- werke, die überhaupt das mächtigste Mittel zur Asservirung derselben darstelle; auf die verschiedenen Arten der natürlichen und künstlichen Grubenventilation geht der Vortragende näher ein. Zum Schluss schildert er den Einfluss des mangelnden Sonnen- und Tageslichts, welchem allgemein Ernährungsstörungen zugeschrieben werden, sowie die Einwirkungen der Einsamkeit und der ihn stets um- gebenden Gefahr auf den Bergmann, welche dessen Charakter vielfach ernst verschlossen machen. In der fünften Sitzung am 17. December sprach der Dirigent der Ver- suchsstation des landwirthschaftl. Centralvereins, Herr Dr. Holdefleiss, über Beobachtungen und Untersuchungen über die Danziger Rieselanlagen. Der Vortragende bezeichnet die Danziger Rieselanlagen als die in Deutschland bisher am besten gelungenen und als Muster dienenden. Die verschiedenen Mittheilungen, welche bisher darüber gebracht sind, seien nicht als vollständig und erschöpfend zu bezeichnen. Man habe viel berichtet über die Rieselanlagen selbst, welche sich gut bewährt haben, aber wenig über die Rentabilität und das Verhältniss, wie die Ausnutzung der Dungbestandtheile stattfindet, ferner über die Beschafien- heit der Früchte u. s. w. Gegen die Berieselung habe man die Ein- würfe erhoben, dass es nicht möglich sei, durch Berieselung das Spül- wasser in einer Weise auszunützen, bei der die Landwirthschaft ihre Rechnung finde, ferner, dass die gesundheitsschädlichen Stoffe durch die Berieselung nicht ausgeschieden, sondern ins Wasser abgeleitet würden, weiter sei die Beschaffenheit der Früchte bei allem gutem Wachsthum keine der Fütterung zuträgliche; diese Früchte vertrügen auch nicht die Aufbewahrung. Auf diese Einwürfe hat Dr. Holdefleiss bei seinem Besuch der Danziger Rieselanlagen seine besondere Aufmerksamkeit ge- richtet. Als die unmittelbarste Folge der Einrichtung von Wasser- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 107 leitungen sei bekanntlich die Anlage der Canalisation zu bezeichnen, welche in weiterer Consequenz zur Anlage von Rieselfeldern führte. In Danzig seien dabei besonders schwierige Verhältnisse gewesen. Die Bevölkerung sei eine dichte, die Strassen winklig, das Gefälle nicht ge- nügend. Mit Rücksicht hierauf sei besonderer Werth gelegt worden auf die sorgfältige Spülung. Alle 20 Tage werden die Canäle durch Fluss- wasser gespült. Das aus den Canälen fliessende Rieselwasser wird in Absatzbassins nicht erst gereinigt. Man sei der Meinung, dass die Nähe Danzigs am Meere dazu benutzt werde, die überschüssigen Rieselwasser direet ins Meer abzuleiten. Der Canalisationsgraben sei allerdings mit Durchbrechung der Dünen bis ins Meer geleitet, es werde jedoch kein Wasser direct ins Meer abgeführt und der hierauf bezügliche Einwurf sei nicht begründet; alles Wasser werde in der That zur Berieselung verwendet. Danzig verfügt bei 73 000 Einwohnern über eine Rieselfläche von 653 Morgen. Der Boden bei Danzig ist derart, wie man ihn selten zur Verfügung hat. Es ist reiner steriler Dünensand, der allein nicht das dürftigste Gras trägt, aber durch Anwendung der Berieselung; befähigt wird, Mais, Tabak, Rüben, Bohnen u. s. w. zu erzeugen, d. h. die lohnendsten Früchte, welche den intensivsten landwirthschaftlichen Betrieb zur Voraussetzung haben. Dringend erforderlich ist eine sorgfältige Planirung des Bodens, da sich sonst leicht kleine Tümpel bilden, welche die vollständige Degeneration der darauf wachsenden Früchte veranlassen. Bei den meisten Früchten, namentlich beim Mais, ist eine dauernde Berieselung nothwendig, um die Pflanzen in Turgescenz zu erhalten. Im Weiteren schilderte der Vortragende eingehend die Verhältnisse der Ausnutzung der Nährlösung dnrch den Boden und kam zu dem Schluss, dass dieselbe bei den Danziger Rieselfeldern eine ziemlich un- vollkommene sei. So ergaben von dem Vortragenden ausgeführte Ana- lysen, dass bei 100000 Theilen in der Canalflüssigkeit 7,014 Theile Stickstoff, im Wasser des Abzugsgrabens 5,710 Theile Stickstoff ent- halten waren. Die Menge des Kali war sogar im Wasser des Ab- zugsgrabens mit 5,781 grösser, als in der Canalflüssigkeit, die nur 5,396 enthielt. Nur von der in der Canalflüssigkeit mit 1,707 ent- haltenen Phosphorsäure gelangte nichts in die Wässer des Abzugsgrabens. Diese Analyse ergiebt, dass eine sehr bedeutende Menge der dem Boden zugeführten Nährstoffe unbenutzt wieder abgeführt wird. Interessante Resultate ergab die Vergleichung einiger Ernteproducte nach eigener Analyse, die Dr. Holdefleiss an Proben ausgeführt hat, welche er am 20. September v. J. selbst von den Danziger Rieselfeldern entnahm. In Danzig befinden sich zur Zeit 653 Morgen in Rieseleultur. Nach dem Bestellungsplan pro 1880.waren davon bebaut: 62 Morgen mit Winter- weizen, 56 Morgen mit Sommerweizen, 83 mit Roggen, 72 mit Winter- rübsen, 35 Morgen waren Brache für Raps und Rübsen, 6 sind mit 108 Jahres - Bericht Kümmel, 80 mit Gerste, 54 mit Hafer, 20 mit Pferdebohnen, 2 mit Erbsen, 1 mit Möhren, 25 mit Futterrüben, 13 mit Tabak, 16 mit Mais, Kartoffeln, Spargel u. s. w. bepflanzt, und 128 Morgen waren Wiesen- land. Was die Zusammensetzung der Canalflüssigkeit anlangt, so befanden sich in 100 000 Theilen (nach einer Danziger Analyse) organische Stoffe 56,57 Theile, anorganische Stoffe 69,93, Ammoniak 6,46, Summa 132,96 Theile, Stickstoff 6,48 Theile. Die anorganischen Stoffe bestanden aus Kieselerde und feinem Sand 14,60 Theile, Kalkerde 13,83, Magnesia 1,50, Kali 4,44, Natron 8,77, Schwefelsäure 2,37, Chlor 6,97, Eisenoxyd und Thonerde 7,47, Phosphorsäure 1,98, Kohlensäure 9,57, Summa 71,50 Theile, ab für Sauerstoff entsprechend dem Chlor 1,57, Summa anorga- nischer Stoffe 69,93 Theile. Ferner theilte der Vortragende einzelne Details über Aussehen und Beschaffenheit der auf den Danziger Rieselfeldern eultivirten Früchte mit. Besonders ergaben die Analysen einen für die Fütterung höchst günstigen Gehalt an Proteinstoffen und niedrige Zahlen für den Holz- fasergehalt. Was z. B. den Hafer anlangt, so wird derselbe gern ge- kauft. Der Vorwurf, dass die auf den Rieselfeldern gezogenen Früchte zu wässerig seien, trifft bei der Kartoffel allerdings zu; wenn dieselbe auch nicht unbrauchbar sei, so erscheine die Kartoffel doch als eine am wenigsten für Rieselfelder geeignete Frucht. Besser seien die Rüben. Auch der Tabak gedeihe und werde ein gut versendungsfähiges Product. Wenn er auch nicht den Geschmack des Tabaks der Havana habe, so finde er doch als gutes Deckblatt leichten Absatz. Ein Theil des Riesel- gebietes sei zum Anbau von Gemüse, Spargel, Himbeeren und anderen Gartengewächsen an Gärtner gegen hohe Pacht überlassen. Was die Kosten der Danziger Canalisation anlangt, so habe die An- lage ohne die Berieselung rund die Summe von 2 Millionen Mark er- fordert, so dass auf den Kopf der Bevölkerung etwa 28 Mark entfallen, eine im Verhältniss zu dem erreichten Resultat, „eine gesunde Stadt zu haben“, geringe Summe. Der Unternehmer der Rieselanlagen erhält auf dem Rieselfelde das Rieselwasser unentgeltlich, hat jedoch alle Arbeiten auf den Rieselfeldern für eigene Rechnung auszuführen. Diese Arbeiten sind bei der Nothwendigkeit des sorgfältigen Planirens und bei der wellenförmigen Beschaffenheit der Dünen ziemlich kostspielige. Der hierauf bezügliche Contract ist auf 30 Jahre geschlossen; nach deren Ablauf übergiebt der Unternehmer die Anlage kostenfrei in den Besitz der Stadt, so dass also die Stadt Danzig alle Veranlassung habe, mit diesem Arrangement zufrieden zu sein. Die Danziger Rieselanlage könne als Musteranlage auch für Städte im Binnenlande dienen. Die Ansprüche, dass die Berieselung auch erhebliche pecuniäre Vortheile bringen solle, würden allerdings nicht erfüllt, sie sind aber auch mit Rücksicht auf die sanitären Wohlthaten, die sie im Gefolge haben, nicht gerechtfertigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 109 Herr Professor Förster richtete demnächst einige Fragen an den Vortragenden. Namentlich erscheint es ihm fraglich, ob es möglich sei, dass die Landwirthschaft zu jeder Jahreszeit die von der Stadt abgegebene Gesammtquantität Rieselwasser, die während regnerischer Tage sich noch steigere, verwerthen könne; ferner, ob man in Danzig, wo keine Stau- bassins seien, auch im Winter beriesele, oder ob dort im Winter die Rieselwässer regelmässig ins Meer abgeleitet würden, Eine Berieselung festgefrorenen Bodens sei unthunlich, daher könne ein Wechsel in den zu berieselnden Flächen während der Monate December bis März nicht leicht stattfinden. Als man ungefähr vor sechs Jahren von Breslau aus privatim in Danzig anfragte, wurde mitgetheilt, dass man die Riesel- wässer im Winter allerdings bisweilen ins Meer laufen lasse. Was die finanziellen Resultate der Berieselung anlange, so sei das Resultat für die Communalverwaltung in Danzig ein glänzendes, da dort ohne Un- kosten für die Commune absolut ertragloses Unland durch den Pächter vermittelst der Berieselung in fruchtbaren Acker umgeschaffen werde, der nach einer Reihe von Jahren der Commune zufalle. Herr Dr. Holdefleiss constatirt hierauf, dass auch im Winter in Danzig „gerieselt“ werde. Das Canalwasser sinke auch im Winter in der Temperatur nicht unter 54, Grad. Die fortwährende Berieselung verhindere die Bildung einer Eisdecke und der Boden sei so sandig, dass derselbe nicht fest friere, und sei überhaupt so beschaffen, dass er nicht genug berieselt werden könne. Herr Professor Dr. Gscheidlen bemerkt, dass aus den Mittheilungen von J. König in Münster hervorgehe, dass auch im Winter zeitweise ge- rieselt werden könne; König habe nämlich durch genaue Temperatur- messungen festgestellt, dass das Rieselwasser einerseits bei eintretendem Frostwetter den Boden längere Zeit vor dem Gefrieren zu schützen und andererseits im Frühjahr den durchfrorenen Boden schneller zu erwärmen vermöge. Der Unterschied in der Temperatur des auffliessenden und abfliessenden Wassers könne in solchen Fällen 3—5° C. betragen, um- gekehrt könne in der wärmeren Jahreszeit das abfliessende Wasser um eben so viel Grade sich wärmer erweisen, als das auffliessende. Inter- essant sei die Beobachtung Königs, dass unter Umständen die Menge der Mineralstoffe im abfliessenden Wasser höher sei, als im auffliessenden, es scheine diese Beobachtung in dem von Dr. Holdefleiss gemachten Befunde Bestätigung zu finden. Herr Dr. Holdefleiss bemerkt hierzu, dass man durch fortwähren- des Berieseln das Frieren des Bodens verhindern könne; gefrorener Boden aber könne nicht berieselt werden. Herr Professor Dr. Förster macht auf einige Unterschiede auf- merksam, welche zwischen Breslau und Danzig in Bezug auf die Be- oO rieselung bestehen. Die Danziger Wasserleitung werde aus Quellwasser 110 Jahres - Bericht gespeist, welches im Sommer mit + 8°, im Winter mit + 6° in der Stadt anlange. Das Wasser komme also im Winter mit + 6° in die Canäle, während die Temperatur unseres Flussleitungswassers im Winter bis nahe an 0° sinke. Danzig habe zwar einen langen Winter und ein spätes Frühjahr, dagegen mildere Wintertemperaturen als Breslau. Das Thermometer sinke dort selten unter 12°, während in Breslau Kältegrade von 16—20° nicht zu den Seltenheiten gehören. Herr Dr. Holdefeiss glaubt auch, dass die Verhältnisse hier un- günstiger liegen, dass hier eine Berieselung nur bei sehr gelindem Winter möglich sein werde, sonst jedoch nicht ohne grosse Stau-Bassins (Re- servoirs). Eine Berieselung des Bodens im Winter bei geeigneter Wit- terung, eine Imprägnirung des Bodens durch Nährlösung empfehle sieh namentlich bei dem Anbau von Kartoffeln und Sommerweizen. Herr Bezirksphysikus Dr. Jacobi erörtert noch die sanitäre Seite der geringen Ausnutzung der organischen Stoffe durch den Boden. Diese schlechte Ausnutzung sei nur möglich bei schneller Durchsickerung, bei dem besseren Boden, der in Breslau für die Rieselanlagen bestimmt ist, werde die Ausnutzung eine vollkommenere und somit die Befürchtung, dass der Flusslauf durch die Abflusswasser infieirt werde, weniger nahe- liegen. „er der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 111 11T; Bericht über die Thätiskeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1880 erstattet von Herrn Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Herrn Prof. Dr. Poleck, zeitisen Secretairen der Section. Herr Prof. Dr. Poleck erläuterte in der Sitzung vom 4. Februar die Einrichtung eines aus der optischen Werkstatt von A. Krüss in Hamburg bezogenen Wolff’schen Colorimeters, welches auf dem von Dubosq, Landolt u. s. w. angewandten Prineip be- ruht, nach welchem die zu untersuchende Flüssigkeit so lange verdünnt werden muss, bis eine gleich dieke Schicht mit jener einer Normal- lösung gleich .gefärbt erscheint, dasselbe jedoch in einfacher und über- aus zweckmässiger Weise zur Anwendung bringt. Zwei nebeneinander stehende graduirte, unten durch eine Spiegelplatte geschlossene und hier seitlich mit einem Abflussrohr und Hahn versehene Cylinder erhalten ihr Licht durch einen um seine Axe beweglichen Spiegel. Die unten ein- fallenden Lichtstrahlen gelangen in der Axe der beiden, mit gefärbten Flüssigkeiten verschiedener Concentration gefüllten Cylinder nach zwei Glasprismen, durch welche sie bei zweimaliger totaler Reflexion zwei nebeneinander liegende Bilder geben, welche durch ein Ocular vergrössert und beobachtet werden. Die Bilder erscheinen bei ungleicher Con- centration der Lösungen verschieden gefärbt. Durch Ablassen der Flüssig- keit aus dem einen der beiden Cylinder stellt man gleiche Helligkeit und Färbung her. Ist der Gehalt der Flüssigkeit des einen Cylinders an färbender Substanz bekannt, so giebt der an beiden Cylindern abzu- lesende Kubikinhalt direct das Verhältniss des Gehaltes der beiden Flüssigkeiten an. Die Resultate sind scharf und bequem zu erlangen, 112 Jahres - Bericht das Abfliessen weniger Tropfen genügt, um schliesslich gleiche Färbung herzustellen, wie durch den Versuch bewiesen wurde. Der Apparat empfiehlt sich namentlich bei Trinkwasser-Untersuchungen zur Bestimmung des Ammoniaks und der salpetrigen Säure. In der Sitzung vom 15. December theilte derselbe die Analyse der Kronenquelle zu Ober-Salzbrunn | mit, welche durch ihre chemische Znsammensetzung in die Reihe der alkalisch-salinischen Säuerlinge und durch ihren verhältnissmässig nicht unbedeutenden Gehalt an doppeltkohlensaurem Lithium — sie enthält 0,011 gr im Liter — in jene der stärkeren Natron-Lithion-Quellen ge- hört. Er knüpfte an die Analyse einige Bemerkungen über die Be- stimmung des Lithiums und des Eisens. Hierauf demonstrirte er ein Universal-Spectroskop von Krüss in Hamburg, welches durch seine bequeme, handliche Construction eine möglichst viel- seitige Benutzung gestattet, da es nicht blos für die qualitative, sondern auch für die quantitative Spectral-Analyse nach dem Vierordt’schen Prineip eingerichtet ist. Ein nicht zu unterschätzender Vorzug des Instruments ist zunächst die ein für alle Mal fixirte richtige Einstellung des Spalt- und Scalenrohres, während das Ocular des Fernrohres dureh eine Mikro- meterschraube scharf und leicht einstellbar ist. Das Instrument ist daher jeden Augenblick zum Gebrauch bereit. Der einfache Spalt für die qualitative Analyse wird durch sorgfältig seschliffene Platinscheiben gebildet, welche durch eine Mikrometerschraube derart einander genähert werden können, dass schon bei dem schwach zerstreuenden Prisma von 60° brechendem Winkel die Natronlinie dop- pelt, durch eine feine schwarze Linie getrennt erscheint. Ein Vergleichs- Prisma für eine zweite Lichtquelle kann zurückgeschlagen werden, wenn man es nicht benützen will. Das Prisma kann ausgewechselt werden gegen ein anderes von doppelt so grosser Dispersion, ein sogenanntes Rutherfurd-Prisma. Der Tisch mit dem Prisma ist durch eine Metall- kapsel mit abnehmbarem Deckel vor dem Eindringen falschen Lichtes vollständig geschützt. Sämmtliche Objective haben 20 mm Oefinung und 162 mm Brennweite, das Beobachtungsfernrohr eine sechsmalige Ver- srösserung. Es kann mit seinem Träger durch eine Mikrometerschraube um die verticale Axe des Instruments bewegt werden. Die Trommel der Scheibe ist in hundert Theile getheilt, man kann nach Yo — "vo der Umdrehung der Schraube schätzen. Die ganzen Umdrehungen werden an einer horizontalen, unter dem Ocular ‘an einem Träger befestigten Scala abgelesen. Diese Messvorrichtung dient in Verbindung mit dem Fadenkreuz zur genauen Ortsbestimmung im Speetrum. Das Fadenkreuz der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 113 selbst wird durch zwei feine, unter einem Winkel von 45° sich kreuzende Linien auf einer Glasplatte gebildet, welche sich zugleich mit dem Vierordt’schen Spalt zur Abblendung des nicht benützten Theiles des Speeirums auf einem Schieber befindet, der in der Focal-Ebene des Oculars beweglich ist. Die Weite dieses Spaltes kann durch eine mit der Mikrometerschraube verbundene, in hundert Theile getheilte Trommel gemessen und gleichzeitig das Fadenkreuz bewegt werden. Auf diese Weise sind mit Es aieneit feine Messungen kleiner Abstände im Spectrum ausführbar. Das Scalenrohr besitzt einen um seine Axe nicht drehbaren Auszug, daher bleibt die Scala stets senkrecht zur brechenden Kante des Prismas, die D-Linie fällt mit dem Theilstrich 100 zusammen. Diese Scala ist bei dem Rutherfurd-Prisma nicht zu benutzen, dann dient aber die oben beschriebene Messvorrichtung vorzugsweise zur ÖOrtsbestimmung, ein Trommeltheil entspricht '/,;,,, der Länge des Spectrums von A—H. Für quantitative Untersuchungen der Absorptions-Spectra wird der Doppelspalt eingesetzt. Jede Hälfte desselben ist durch eine Mikrometer- schraube von 0,2 mm Ganghöhe beweglich. Die Weite des Spaltes kann an den in 100 Theile getheilten Trommeln abgelesen werden, von denen die eine grösser und mit einem Nonius versehen ist. Die Schneiden sind so gut und vollkommen geschliffen, dass man den Spalt bis auf 5—6 Trommeltheile schliessen kann, ohne durch Quer- streifen sonderlich gestört zu werden. Dem Instrument ist noch eine aus planparallelen Glasplatten, welche durch Bügel mit Schrauben zusammengehalten werden, construirte Ab- sorptionszelle von 11 mm Durchmesser und einem Schulz’schen Körper von 10 mm Durchmesser beigegeben, ferner Rauchgläser für die Zelle, ein Stativ und eine Lampe. Der Vortragende experimentirte hierauf mit dem Apparat, wobei seine Einrichtung und seine Vorzüge für die qualitativen sowohl, wie für die quantitativen Spectral-Analysen in vortheilhafter Weise zur Geltung gelangten. Zum Schluss legte der erilehdk noch schön krystallisirtes Kalium und Natrium und die flüssige Legirung beider Metalle aus der chemischen Fabrik von Dr. Th. Schuchardt in Görlitz vor. Herr Privatdocent Dr. Gustav Joseph sprach am 4. Februar über Diplolepis puparum F., eine in der Raupe und Puppe des Kohl- weisslings (Pieris brassicae L.) schmarotzende, zu den Pteromalinen zäh- lende kleine Schlupfwespenart. Er beobachtete, dass 1) die in den Raupen vor deren letzten Häutung Bang Larven ein Spinnorgan entwickeln und ausser- 1880. 8 114 Jahres - Bericht halb des Raupenbalges alsbald einen Cocon spinnen; 2) dass die Schlupf- wespe Raupen unmittelbar vor der Verpuppung nicht ansticht, sondern den Zeitpunkt der letzteren erspäht, um ihre Eier (über 50) durch die noch weiche Puppenhaut einzuschieben; 3) dass die innerhalb des Puppen- körpers sich entwickelnden und darin überwinternden Larven, welche im Freien im Frühlinge, im geheizten Zimmer schon im Winter das voll- kommene Insect geben, kein Spinnorgan entwickeln, keinen Cocon spinnen. Beide Generations-Formen dieser Art unterscheiden sich dem- nach von demjenigen Artenkreise der Pteromalinen, deren Vertreter Raupen aufsuchen, in deren Fettkörper die Larven einer anderen Schlupf- wespenart (Microgaster) bereits schmarotzen. Die äusserst kurze Zeit, in welcher letztere die Raupe verlassen, um alsbald einen Cocon zu spinnen, erlauert die Pteromaline, um jeder der Mierogasterlarven ein Ei in den Leib zu schieben. Letztere werden dadurch nicht gehindert, sich mit einem Seidegespinnst zu umgeben, aber ihre Puppe ergiebt später statt eines Mierogaster eine Pteromaline, die als Schmarotzer eines Schmarotzers in ihr sich entwickelt hatte. Derselbe Vortragende demonstrirte eine Gallwespenart, welehe sich aus Gallen (an den Stengeln der Wasserminze in Wassergräben auf der Insel Sylt) im Winter in geheiztem Zimmer sich entwickelt hat und deren vielkammerige Gallen denen von Aulax Scorzonerae Giraud (Abbildung bei Mayr: Die europäischen Cynipidengallen,. Wien 1876, Tafel I, Fig. 5) ähnlich ist. Dass diese Gallen von Zeit zu Zeit unter Wasser sich befanden, hat der Entwickelung der in ihr befindlichen Larven nicht geschadet. Ferner sprach er über das anatomische und biologische Verhalten von Actora aestuum Meig., einer am Strande der Nordsee von Helgoland und Sylt ein- heimischen Fliege. Das zur grossen Familie der Museiden, speciell zur Gruppe der Dryo- myzinen gehörige, 10—15 mm grosse Thier hält sich stets in der Nähe der Meeresbrandung auf und rechtfertigt den von Meigen gewählten Namen. Gu£rin u. a. Forscher sahen es auf dem Schaum der Wogen oder auf dem am Strande schwimmenden Tang. Der Vortragende fand es an gleichen Orten und in den Furchen, welche die Brandung auf dem Sande zurücklässt. Das scheue, nur an das Brausen der Brandung gewöhnte Thier fliegt bei dem geringsten anderen Geräusche auf, um nach kürzerer oder längerer Distanz sich auf den feuchten Sand wieder niederzulassen. Ueberfluthung von Sturzwellen schien das Thier nicht zu belästigen, die Fliege war bald wieder an der Oberfläche des Wassers und war auf dem Sande sogleich wieder in flugfertigem Zustande, ohne dass ihr Körper benetzt war. Das Meerwasser rollte, wie vom Federkleide der Schwimmvögel, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 115 in Perlenform von ihr herab. Die Eigenschaft, stets trocken zu bleiben, verdankt sie einem wachsartig mattglänzenden Ueberzuge ihres Körpers, der von Zeit zu Zeit berstet und in äusserst feinen Schüppchen abfällt, sogleich aber, besonders an den Flügeln, Schwingkölbehen und Luft- löchern sich erneuert. Der Vortragende fand, dass dieser Ueberzug aus einem anfangs Öölartigen und auf der Körperoberfläche sich ausbreitenden, alsdann wahrscheinlich durch Verdunstung etwas verdiekten und er- starrenden Stoff besteht, welcher theils das Product sehr kleiner, am ganzen Körper zerstreuten Drüsen ist, theils von einigen viel grösseren Drüsenschläuchen abgesondert wird. Letztere erinnern in Form und Bau an die Schweissdrüsen mancher Säugethiere und liegen in dem Binde- gewebe zwischen den Flügelmuskeln eingebettet. Ihre Ausführungsgänge befinden sich unterhalb der Ansätze der Flügel und Schwingkölbchen. Die Larve, welehe im Habitus der einer bei uns häufigen Fliegen- art (Scatophaga stercoraria L.) ähnlich, aber grösser ist, beobachtete der Vortragende im Blasentang, welcher, von den Wellen am Strande zurück- gelassen, den Wirkungen der Fluth ausgesetzt blieb und während der Ebbe einige Zeit auf dem Trocknen lag. Die zeitweise Durchfeuchtung mit Meerwasser scheint für die Entwickelung der Larve nothwendig zu sein, da Larven im Tang, der von der Brandungswelle nicht mehr er- reicht, oder nur mit süssem Wasser befeuchtet wurde, starben. Die Puppen, welche nebst noch nicht verpuppten Larven 10—12 cm tief im Sande aufgefunden wurden, ergaben nach 14—18 Tagen das vollkommene Insect, in einem Falle aber eine (der Smiera elavipes ähnliche) Schlupf- wespe. Das Weibchen der letzteren Art, welche der Vortragende einige Male den Tang spähend umschwärmen sah, muss demnach die kurze Zeit, welche die fusslose Fliegenlarve bedarf, um aus dem Tang in den Sand zu gelangen, erlauern und benutzen, um ein Ei in den Leib der Fliegenlarve mittelst des Legestachels zu schieben. So wird die ohne- dies durch die Natur der Oertlichkeit fortwährend in Frage gestellte Existenz der Fliegenlarve noch von einer anderen Seite her gefährdet. Der Parasit, welcher das Innere der Fliegenpuppe gänzlich aufzehrt, be- darf nur 18 Tage zu seiner Entwickelung. Derselbe demonstrirte in der Sitzung vom 3. März Enchytraeus cavicola n. sp., einen aus der Grotte von Potiskavez in Unterkrain stammenden, blinden Ringelwurm, welchen der Vortragende bereits früher mehrmals in dem Magen daselbst gefangener Olme in nicht mehr deutungsfähigen Resten gefunden hatte. Die ziemlich derbe grauweissliche Körperdecke ist mit vier Reihen schwach hakenförmig umgebogener Borsten besetzt, welche in Gruppen von je dreien zusammenstehen. Die Durchsichtigkeit der Körperdecke gestattete während des Lebens die Betrachtung innerer Organe. Die ’ [0 s) 116 Jahres - Bericht Leibeshöhle steht mit einer zwischen Kopf- und Mundlappen befindlichen, sehr kleinen Oefinung (Porus cephalicus) mit dem umgebenden Medium in Verbindung. Das Rückengefäss zeigte sich nur in dem vorderen Drittel des Körpers als in seiner Wandung gesondert, setzte sich aber nach hinten in einen in der oberen Darmwand liegenden Blutleiter fort. Das Bauchgefäss dagegen war in seinem ganzen Verlaufe deutlich und mit dem gesonderten Abschnitt des Rückengefässes durch 5 Seitenäste in Verbindung. Das Blut war im Leben des Thieres röthlich. Der über der Anschwellung der Speiseröhre gelagerte obere Schlundnervenknoten erschien nierenförmig, am Vorderrande rundlich, am Hinterrande schwach ausgebuchtet, auf Ober- und Unterseite mit einer seichten Furche (der Andeutung einer Commissur). Die Verbindungsstränge zwischen dem oberen und dem kleineren unteren Schlundnervenknoten waren eben so deutlich wie die Quer- und Längsverbindungen zwischen den beiden gleichgestalteten Hälften an den einzelnen Knoten der Bauchganglienkette. Ursprung und Verlauf der aus derselben hervorgehenden Nerven wich von dem Verhalten bei bereits bekannten Arten nicht ab. Dasselbe ist von dem Verhalten des Verdauungssystems, der absondernden Drüsen und deren Ausführungsgänge zu bemerken. Die Eileiter münden an den Seiten des Gürtels zwischen dem 12. bis 14. Ringel als Querspalten. Die Oeffnungen der (wie bei E. puteanus Vejd. vorhandenen) 2 Paar einfach gestalteter Samentaschen zeigten sich in der Zwischenfurche zwischen dem 4. und 5. Körperring. Die Lage der Eierstöcke ist an den Zwerchfellen des 11. und 12., die der Samendrüsen im 10. und 11. Segment, die Mündung ihrer Ausführungsgänge am 12. Segment. Da die bisher bekannten Arten der Gattung Enchytraeus farbloses Blut besitzen, so würde durch die röthliche Farbe des Blutes der Vor- tragende veranlasst worden sein, das neue Thier zu der von Clapar&de aufgestellten Gattung Pachydrilus zu zählen, wenn nicht die amorphe Gestalt der Samendrüsen im Gegensatze zu der Form der in büschel- förmigen Gruppen auftretenden und mit Stielen versehenen Organe von Pachydrilus dasselbe davon entfernten. Derselbe machte vorläufige Mittheilungen über die Ergebnisse seiner Untersuchungen der Innervation und Entwickelungsgeschichte der Spinnorgane von Raupen, Blatt- und Schlupfwespenlarven (Hyponomeuta evonymella F., Cladius, Lyda und Mikrogaster). . Abweichend von den neuesten Resultaten des holländisehen Forschers Th. W. van Lith de Jeude, der das Vorkommen von nervösen Elementen in diesen Organen in Abrede stellt, fand der Vortragende, dass dieselben von zwei Systemen mit Nerven versorgt werden, nämlich vom unteren Schlundknoten und von dem Verdauungsnervensystem aus. Die Nerven- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 1717 ausbreitung zeigte sich an den drei Abtheilungen des Spinnorgans ver- schieden. Da letzteres, besonders in seinem absondernden Abschnitte beim Ausschlüpfen der Larve aus dem Ei bereits fertig gebildet ist — die jungen Räupchen fertigen sogleich ein gemeinschaftliches Gespinnst zu ihrem Schutze an, — so bediente sich der Vortragende besonders der jungen, mit geringem Fettkörper versehenen Thiere. Je nachdem der aus dem unteren Schlundnervenknoten entsprossene Nerv oder der aus dem Verdauungssystem stammende Nerv dargestellt werden soll, muss die Hautdecke entweder des Rückens oder des Bauches entfernt, dabei aber jegliche Zerrung der Theile vermieden werden. Die Anlage des Spinnorgans findet in sehr früher Zeit des Ent- wicekelungslebens statt. Kaum sind die beiden Plättchen im äusseren Keimblatt gesondert, welche zur späteren Unterlippe mit ihrem medialen Rande zusammenwachsen, so zeigt sich alsbald darin und genau in der Region des später 4. Körpersegments eine kleine flache Einsenkung. Sobald die mittlere, zur Entstehung des Vorderdarms führende Einstülpung sichtbar geworden ist, hat sich jene Einsenkung vertieft, um später all- mählich zu dem tiefer in den Leibesraum hinein sich erstreckenden Schlauch zu werden. Die Zellen, welche dessen enge Lichtung aus- kleiden, unterscheiden sich anfangs kaum von den Formelementen, welche die äusserste Schicht des allgemeinen Körperinteguments zusammensetzen. Die Anlage der Spinnröhrchen entsteht also bei vielen Arten gleich- zeitig mit der Einstülpung des Munddarmes, aber etwas früher als die Anlage der Speicheldrüsen, welche das Vorhandensein der Mundhöhle voraussetzen, indem sie durch Einstülpung der Wandung der letzteren geschaffen werden. Bei den Gespinnstblattwespen (Lyda) ist die Anlage zur Mundhöhle früher sichtbar. Spinnschläuche und Speicheldrüsen ent- stehen hier gleichzeitig. Die Zellen, welche die Spinndrüsen zusammen- setzen, bleiben länger ihrer ursprünglichen Form treu als die Form- elemente der Speicheldrüsen. Entgegen der Anschauung Hatschek’s (Bei- träge zur Entwickelungsgeschichte der Lepidopteren 1877, $. 16) muss der Vortragende hiernach die Spinndrüsen als beziehungsweise primäre Differenzirung des Integuments, als Hautdrüsen, die Speicheldrüsen da- gegen als abhängig von der Existenz des Munddarms, also als beziehungs- weise secundäre Differenzirung auffassen. Die spätere Thätigkeit beider Organe spricht zu Gunsten dieser neuen Auffassung durch Ausprägung eines auffallenden Unterschiedes in den Eigenschaften der abgesonderten Flüssigkeiten. Während das Seeret der Speicheldrüsen hinsichtlich seines physiologischen Verhaltens den Verdauungssäften sich zugesellt, haben die Spinndrüsenzellen ihre vom Integument ererbte Eigenschaft: ein an der Luft erstarrendes und eine Art von Cutieula bildendes Secret zu liefern — sich treu bewahrt. Die Seide ist demnach, so eigenthümlich dies auch in Anbetracht ihrer Wichtigkeit für menschliche Cultur und 118 Jahres - Bericht Industrie klingen mag, ein in Form von Fäden von den Spinndrüsen ab- sesonderter, modifieirter, chitinhaltiger Cuticularstoff. Die Ausbildung der drei Abtheilungen des Spinnschlauches (Drüse, Reservoir und Ausführungsgang) ist einerseits selbst bei nahestehenden Arten derselben Gattung nicht ganz gleich, andererseits bei manchen Vertretern einander fernstehender Gattungen zuweilen auffällig überein- stimmend. Bei Hyponomeuta besitzt das aus dem Ei schlüpfende Räupchen eine ansehnliche Drüsenpartie mit Ausführungsgang, aber keinen reser- virenden Abschnitt. Sobald das zum schützenden Nest der Brut dienende gemeinschaftliche Gespinnst fertig ist, tritt bei den meisten Arten in der Spinnthätigkeit eine Pause ein, welche erst zur Zeit der Verpuppung wieder energisch wird, nachdem sich der mittlere Abschnitt des Spinn- schlauches unterdess ausgebildet hat. Mittheilungen über ansehnliche Reihen von Anpassungen in der Ent- wickelung des Spinnorgans an Veränderungen in äusseren Lebensbedin- gungen, unter denen bei Raupen Jahreszeit und Beschaffenheit der Futter- pflanze, bei Schlupfwespen Vorhandensein und Ernährungszustände des zugehörigen Wirthes eine hervorragende Rolle spielen, behält der Vor- tragende für spätere Vorträge sich vor. Herr Professor Dr. v. Lasaulx zeigte am 4. Februar ein Modell vor, welches dazu bestimmt ist, bei Vorlesungen die sphärische Pro- jeetion der Krystalle zu demonstriren und ausserdem auch zu der Dar- stellung der Lage der optischen Axen und der verschiedenen Verhältnisse der Dispersion in Krystallen verwendet werden kann. Dasselbe wurde nach den Angaben des Vortragenden, der ein ähnliches Modell seiner Zeit in London sah, von dem Mechaniker Herrn Vetter hier in vor- trefflicher Ausführung hergestellt. Der Vortragende sprach sodann über die Krystallformen des als Cyclopeit bekannten Anorthitvorkommens aus dem Dolerit der cyclopischen Inseln bei Trezza in Sicilien. Er machte ferner über die Ergebnisse von mineralogischen Arbeiten vorläufige Mittheilung, die unter seiner Leitung ausgeführt werden und deren Publication erst später erfolgen kann. Herr B. Schlegel hat den Natrolit untersucht und für ihn eine monosymmetrische Krystallform sowohl optisch als auch in den Winkelverhältnissen als wahrscheinlich erkannt; fernere Untersuchungen beziehen sich auf den Peectolit und Epistilbit. Herr Woitschach fand in den durch ihr Mineralvorkommen so interessanten Graniten des Königshayner Gebirges bei Görlitz die beiden ausserordentlich seltenen Mineralien. Fergusonit und Aeschynit in deutlichen, bestimmbaren Krystallen, ausserdem ein dem Kochelit der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 119 Websky’s wahrscheinlich verwandtes Mineral, endlich Cassiterit in kleinen Asgregaten undeutlicher Krystalle, Wolframit in radialstrahligen Partien, endlich ein dem Orangit ähnliches Mineral in kleinen kolophoniumartigen Körnern. Ueber die Ergebnisse genauerer analytischer Untersuchungen dieser und anderer Mineralien aus dem Königshayner Granit wird Herr Woitschach später noch ausführlicher berichten. Der Vortragende legt ein von Herrn Professor Scachi in Neapel neuerdings beschriebenes neues Mineral vor, welches grünlichgelbe In- erustationen auf der Lava des Jahres 1631 bildet und von ihm Vesbin genannt wird. Dasselbe verdient dadurch eine ganz hervorragende Be achtung, als es die Verbindung der Thonerde mit der Säure eines neuen Elementes, der Vesbiumsäure, zu sein scheint. Die sehr zahlreichen von Scachi durchgeführten Untersuchungen ergeben, dass dieses neue Element einerseits dem Molybdän, andererseits aber dem Vanadium ähnlich sich verhält, von beiden jedoch durch recht charakteristische Reactionen sich unterscheidet. Schliesslich legt der Vortragende den vor Kurzem erschienenen vierten Theil der so ausserordentlich verdienstvollen „‚Beiträge zur Petro- graphie der plutonischen Gesteine‘ von Professor Justus Roth vor, eine kritische Zusammenstellung aller über solche Gesteine in den Jahren 1873—79 veröffentlichten Analysen. Der Verfasser verdient durch diese sorgfältige und mühevolle Zusammenstellung der in allen möglichen Zeit- schriften zerstreuten Gesteinsanalysen die dankbare Anerkennung aller selbstforschenden Petrographen. Derselbe erläuterte in der Sitzung vom 3. März ein neues von ihm construirtes Seismometer, das er als Emergenzseismometer be- zeichnet, weil. es wesentlich den Zweck hat, nieht nur die Richtung einer Erdbebenwelle, sondern auch den Winkel zu registriren, unter welchem dieselbe an die Erdoberfläche tritt und der unmittelbar die Tiefe des Er- regungspunktes des Erdbebens erkennen lässt. Der Vortragende legt der Section dann das mit Unterstützung des französischen Ministeriums für öffentliche Arbeiten herausgegebene Pracht- werk der beiden ausgezeichneten französischen Petrographen F. Fouqu& und A. Michel Levy vor: „Mineralogie mierographique des roches eruptives francaises. Paris. A. Quartain. 1878.“ (Das Werk bildet einen Theil der Memoires pour servir & l’explication de la carte geo- logique de la France.) Der erste Theil des Textbandes giebt eine eingehende Beschreibung aller Mittel, die zur mikroskopischen Gesteinsuntersuchung dienen, unter ganz besonderer Berücksichtigung der einschlagenden optischen Verhält- nisse, Der analytischen Untersuchung und der zum Zwecke der Sonder- analysen einzelner Gesteinsgemengtheile nöthigen mechanischen Auf- 120 Jahres-Bericht bereitung ist eine besonders an neuen Versuchen reiche Besprechung ge- widmet. Der zweite Theil beginnt mit einem Versuche einer Classi- fieation der Gesteine und giebt dann die Beschreibung der einzelnen Mineralien, die vorzüglich für die Zusammensetzung der Gesteine von Wichtigkeit sind. Von ganz besonderer Bedeutung erscheint hier die Beschreibung der Feldspathgruppe.. Dem Textbande (509 Seiten Gross- Folio) ist ein Atlas beigegeben von 55 Tafeln, das Schönste und Voll- kommenste, das bisher in der Darstellung der mikroskopischen Details der Gesteine geleistet worden ist: theils verschiedene Arten des Licht- druckes und der Photographie, theils Chromo-Lithographie. Das in jeder Beziehung gleich ausgezeichnete Werk gereicht den Verfassern und dem Lande, dem sie angehören, zur hohen Ehre, der Wissenschaft zur wahren Zierde. | Der Vortragende legt dann vor: A. Geikie’s „On the carboniferous volcanie rocks of the Basin of the Firth of Forth their structure in the field and under the microscope. Edinburgh 1879.“ Unter Beigabe vieler trefflicher Skizzen und Darstellungen der mikroskopischen Gesteins- beschaffenheit auf zwei schönen chromolithographirten Tafeln werden die interessanten geognostischen Verhältnisse der Eruptivgesteine in der näheren nnd weiteren Umgebung von Edinburgh beschrieben und in die zahlreichen Gesteine von verschiedener Zusammensetzung eine Ordnung gebracht, die dort bis jetzt ganz fehlte. Nach beiden Richtungen hin bietet die treffliche Arbeit eine wesentliche Bereicherung unserer An- sichten über den Zusammenhang und die Genesis jener Gesteine. Herr Staatsrath Professor Dr. Grube legte der Section am 3. März mehrere in Weingeist aufbewahrte Korallen- und andere festsitzende Polypenstöcke, an denen der Weichtheil erhalten war, vor. Am deutlichsten lassen sich die Polypen selbst und ihr Verhältniss zu dem von ihnen erzeugten Stock an den Octactinien, den Polypen mit acht gefiederten, blattförmigen Fühlerchen erkennen, so namentlich an dem noch jetzt carmoisinrothen Sympodium coralloides, welches wie eine dieke Rinde die abgestorbenen Aeste von Gorgonien überzieht, und an dem prächtigen Spongodes floridus, dessen Substanz eine grosse Menge von eigenthümlichen, mondförmig gekrümmten Spieulen enthält, die packetweise zusammengedrängt in die consistente weiche Masse des Stammes eingelagert (aber leicht einzeln darstellbar) dem ganzen Stock eine grosse Festigkeit verleihen und doch dem Hervortreten der Polypen keinen Eintrag thun. Aber in den mit sternförmig gestellten Scheide- wänden versehenen (Polyaetinien) Steinpolypen verschmelzen die Kalk- partikelchen so innig zu diesen Scheidewänden und den Wandungen, und diese Kalkmassen bekommen ein solches Uebergewicht, dass die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 121 weiche Körpersubstanz, aus der sie doch hervorgegangen ist, ganz zurück- tritt. Selbst bei Korallen mit weitgeöffneten Kelchen sieht man nur in der Tiefe des Bodens den äusserst contrahirten Polypen, erkennt zwar immer deutlich die Mundöffnung, aber die um dieselbe herumstehenden Fühlerchen sind zu blossen Papillehen contrahirt, und der äussere thie- rische Ueberzug der Aussenwand, der doch die ganze Skulptur derselben hervorgebracht. hat, ist gänzlich geschwunden. Zum Belege diente eine Euphyllia striata mit lappig getheilten oder schon selbstständig ge- wordenen rings umschriebenen Kelchen, eine Manicina, Flabellen, Clado- coren, Caryophyllien und Balanophyllien, welche letztere der Vortragende an der Küste von Dalmatien und Istrien ganz frisch in Weingeist gelegt hatte. Diese massenhafte Kalksecretion so zarter Thiere muss wahrhaft in Erstaunen setzen. Sodann zeigte der Vortragende ein sehr interessantes von Buch- holtz entdecktes Chamäleon vor, Ch. montium aus dem Cameroon- gebirge an der Westküste Afrikas, und knüpfte daran einige Bemerkungen über die so eigenthümliche Familie der Chamäleons, welche sich zwar durch den seitlich zusammengedrückten Körper, den Farbenwechsel, den kantigen Kopf und langen Schwanz den Baumagamen nähert, aber durch den zangenförmigen Bau der Füsse mit ihren zu je 2 und 3 ver- wachsenen Zehen, durch die weit vorstreckbare wurmförmige Zunge, die selbständige Bewegung jedes Auges, das kreisrunde Augenlid und den Wiekelschwanz von ihnen wie von allen Eidechsen auf den ersten Blick unterscheidet und ausgesprochener als alle Verwandten auf das Leben auf Gebüschen und den Fang von Insecten angewiesen ist. Die vor- liegende Art ist oberhalb der Schnauze beim erwachsenen Männchen mit 2 langen, gerade vorgestreckten Hörnern bewaffnet und mit einem hohen, bis auf den Anfang des Schwanzes fortlaufenden, lappig ausgebuchteten Hautkamm versehen, das Hinterhaupt mit einer flachen Platte. Dem Weibchen fehlt der Kamm und statt der Hörner sieht man nur zwei konische Höcker. Dergleichen Geschlechtsunterschiede zeigen sich bei mehreren Arten. Wie es .aber in so vielen Gattungen Ausnahmen von dem allgemeinen Habitus giebt, so auch bei den Chamäleons. Bei einer ebenfalls von Buchholtz in demselben Gebiet entdeckten Species Ch. spectrum verkürzt sich der sonst so lange Schwanz, wird beim Männ- chen an der Wurzel ungemein dick und kann nur mit dem äussersten Ende zum Greifen dienen, während vielleicht die Gabelform der Nägel und ein oberhalb derselben an der Innenseite des Fusses stehender kurzer Stachel für die Leichtigkeit und Sicherheit beim Klettern als Ersatz dient. Das Naturell dieser Species ist, wie bei den meisten, träge und die Bewegungen langsam, wogegen Ch. montium sehr reizbar, schnell und unverträglich sein soll. Man kennt gegenwärtig schon an 30 Arten Chamäleons, alle der alten Welt und fast alle Afrika angehörig, nur 122 Jahres - Bericht wenige finden sich in Asien und Neuholland, doch besitzt auch Europa einen Repräsentanten, das nordafrikanische bis Spanien verbreitete ge- meine Ohamäleon (Ch. vulgaris). Herr Professor Dr. Galle gab in der Sitzung vom 23. April einen Bericht über die bisherigen Ergebnisse der Beobachtungen und Berechnungen des im Februar d. J, auf der südlichen Halbkugel erschienenen grossen Kometen. | Die ersten Nachrichten darüber brachten zwei telegraphische De- peschen vom 5. und 6. Februar aus Buenos-Ayres von dem Director der Sternwarte in Cordeba (in Argentinien), Professor Gould; ausführlichere Nachrichten folgten erst mehrere Wochen später, theils noch von anderen Orten Südamerikas, theils vom Cap der guten Hoffnung und von ver- schiedenen Orten Australiens. Der Komet machte sich besonders durch einen gegen 40 Grad langen weisslichen matten Schweif (etwa von der Helligkeit der Milchstrasse) bemerklich, und es machte für viele Beob- achter Mühe, den in den Dünsten des Horizontes befindlichen Kopf auf- zufinden. Die ganze äussere Erscheinung erinnerte an den grossen März-Kometen des Jahres 1843, bei dem gleichfalls der Kopf klein und schwer aufzufinden war, so dass es schien, als ob die ungeheuere Schweif- entwickelung gewissermassen alle Materie des Kometen absorbirt habe. Zu einer nicht geringen Ueberraschung der astronemischen Berechner führte demnächst die Bestimmung der Bahn des Kometen aus den ge- wonnenen genaueren Beobachtungen nun auch ferner noch zu einer so grossen Uebereinstimmung mit der Bahn jenes im März 1843 in Europa beobachteten und im äusseren Ansehen dem diesjährigen der Südhalb- kugel so ähnlichen Kometen, dass kaum ein Zweifel gestattet war, dass beide Erscheinungen ganz einem und demselben Himmelskörper mit der verhältnissmässig kurzen Umlaufszeit von nur 37 Jahren angehören. Dieses Ergebniss nahm ein um so grösseres Interesse in Anspruch, als der grosse Komet von 1843, gleich dem diesjährigen, sich in einer so langgestreckten schmalen Ellipse bewegt, wie solche bisher von keinem anderen Kometen bekannt war, und sich der Sonnenoberfläche in seinem Perihelium bis auf die sehr geringe Distanz von nur 18000 geogr. Meilen genähert, dieselbe daher fast gestreift hatte. Der Komet von 1843 war in Folge dessen bei seiner Sonnennähe am 27. Februar von vielen Beobachtern in nächster Nähe der Sonne am hellen Tage ge- sehen worden. Im gegenwärtigen Jahre hat die Sonnennähe am 27sten Januar stattgefunden, und ist hiernach die Umlaufszeit genauer zu 36 Jahren 11 Monaten anzunehmen; die mittlere Entfernung des Kometen von der Sonne stellt sich etwas grösser als die des Saturn, die weiteste J | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 133 Entfernung etwas grösser als die des Uranus, die ganze Bahn liegt dem- nach noch innerhalb des Sonnensystems. Sehr nahe wurde hierdurch die Frage gelegt, ob bei einer so kurzen Umlaufszeit von 37 Jahren dieser Komet nicht schon in früheren Jahr- hunderten öfter habe gesehen werden müssen, wie denn diese Frage wegen der Periodieität auch schon bei der Erscheinung von 1843, wenn auch damals nicht aus so bestimmten Gründen, aufgeworfen und diseutirt worden war. Mehrere Astronomen waren damals geneigt, eine äusser- lich ähnliche Kometen-Erscheinung des Jahres 1668 dazu in Beziehung zu setzen und eine Periode von 175 Jahren anzunehmen, während eine zweite Annahme von 147 Jahren, welche besonders von dem Amtsvor- gänger des Vortragenden, Professor v. Boguslawski, aufgestellt und in den Verhandlungen der Schlesischen Gesellschaft von 1844 und 1845 ausführlich erörtert worden ist, gegenwärtig als die richtigere sich er- weist, da diese 147 Jahre genau das Vierfache der jetzt zu 36,9 Jahren ermittelten Umlaufszeit sind. Herr v. Boguslawski hat dabei namentlich und mit Recht auf die merkwürdigen Kometen-Erscheinungen von 1695 und von 1106 (in der Zeit der Kreuzzüge) und eine Reihe anderer hingewiesen und ist selbst bis zum Jahre 371 v. Chr. auf einen von Aristoteles beobachteten Kometen zurückgegangen, nach dessen Namen den Kometen zu benennen, derselbe damals vorschlug. Dass aber nicht blos mehrere Umläufe von 36,9 Jahren, sondern selbst die vierfache Zeit von 147 Jahren öfter verfliessen musste, ehe eine Erscheinung dieses Kometen sich in den Chroniken wieder ver- zeichnet findet, ist aus der eigenthümlichen Form und Lage der Bahn desselben erklärlich, wodurch stets mehrere Umläufe vorübergehen, ehe er auf der Nordhalbkugel wieder sichtbar werden kann, während Beob- achtungen auf der Südhalbkugel in den früheren Jahrhunderten überhaupt nieht in Betracht kommen konnten. Ueberdem bildete vielleicht schon früher der matte Lichtstreifen des Schweifes keine sehr auffallende Er- scheinung und konnte zuweilen übersehen werden, auch konnten einige Wochen trüben Wetters seine Sichtbarkeit bei deren kurzer Dauer über- haupt verhindern. Den weiteren Untersuchungen über die Bahn und über etwaige frühere Erscheinungen dieses Kometen darf daher aus mehreren hier in Betracht kommenden Gesichtspunkten mit besonderem Interesse entgegengesehen werden. Herr Privatdocent Dr. Gabriel sprach am 23. April über die ersten Differenzirungs-Erscheinungen des primitiven Protoplasmas und am 2. Juni über den Dimorphismus von Thiereiern. 124 Jahres-Bericht Herr Dr. Alex. Schadenberg referirte am 20. October unter Vorlegung zahlreichen Demonstrations-Materials über die Philippinen und insbesondere über die letzten Erdbeben daselbst. Erdbeben sind auf den Philippinen häufig. Grössere Erdbeben, wie die im Juli dieses Jahres, gehören glücklicherweise zu den Seltenheiten. Seit der Entdeckung der Philippinen wurde Manila 5 Mal durch Erd- beben zerstört, 1645 mit einem Verlust von 3000 Personen, 1796 durch ein 2 Minuten andauerndes, 1824, 1863 und durch die jetzt stattgefun- denen, bei denen zu verwundern ist, dass ihnen nur eine verhältniss- mässig geringe Anzahl von Personen zum Opfer fiel. In den Monaten April und Mai dieses Jahres machten sich Erschütterungen in dem Norden Luzons bemerkbar. Der Herd, von dem dieselben ausgingen, schien nach den gemachten Beobachtungen ein nach aussen schon lange nicht mehr thätiger Vulkan zu sein, der in dem Gebirgsstock zwischen den Provinzen Abra und Lepanto gelegen ist, er befindet sich im 16,22sten Breiten- und 127. Längengrade nach dem Observatorium von St. Fernando. Anfangs waren die Erschütterungen schwach und selten, im Juni und Juli mehrten sie sich. Am 14. Juli, Nachts 12 Uhr 50 Minuten und 1'/, Stunden später fanden Erschütterungen statt, welche in Manila weniger, wohl aber in der Provinz grossen Schaden veranlassten und an folgenden Orten beob- achtet wurden: Sta. Cruz, Calamba, Cavite, St. Fernando, Batangas, Taal, Lipa, Bulacan, Tagabas.. Am 15. und 16. Juli wurden keine er- wähnenswerthen Erschütterungen bemerkt. Am 17. Juli, 7 Uhr 33 Mi- nuten war ein heftiger Stoss zu verzeichnen. Am 18. Juli Mittags 12 Uhr 14 Minuten fand das grosse Erdbeben statt, welches horizontale, vertiecale und rotirende Bewegung in sich vereinigte; es dauerte 70 Se- kunden. Nach der Zeichnung des Seismometers, deren Mittheilung der Vortragende dem Direetor des Observatoriums in Manila Padre Frederico Faura verdankte, konnte man drei Haupt- Oscillationen dabei unter- scheiden. Die erste: O. 5° $S. zu W. 5° N. mit einer Amplitude von 22°, die zweite von SW. nach NO. mit einer Amplitude von 19°, und zwar 10,10° nach SW. und 8,50° nach NO., die dritte von N. 4° W. nach $. 4° O. mit einer Amplitude von 16°, 9° nach $., 7° nach N. Der Anzeiger der verticalen Seismometer veränderte seine Stellung um 34 Millimeter. Von diesem Erdbeben bis zum 20. Juli, an welchem Tage eine sehr starke Repetition stattfand, wurde die Zeit durch fort- währende schwächere Stösse ausgefüllt. Am 20. Juli oseillirte das Pendel von SO. 15° N. nach NW. 15° $., es beschrieb einen Bogen von 12,30°. Ein unbeschreiblicher Schrecken hatte sich während des Erdbebens am 18. Juli der‘ Bevölkerung bemächtigt. Man glaubte sich auf das Meer, in ein schwankendes Schiff versetzt: die Mauern wie die höheren der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 125 Stockwerke der Gebäude bewegten sich wie die Masten von Schiffen auf bewegter See. Alles, was konnte, suchte Schutz in den zu ebener Erde gelegenen Räumlichkeiten. Ein Theil, namentlich die Eingeborenen, die ihnen für solche Fälle von der Geistlichkeit eingelernten Gebete sinnlos vor sich hermurmelnd, ein anderer Theil fluchend und schreiend, Alles in banger Erwartung. Nachdem das Ereisniss vorüber war, füllten sich die Strassen; jeder sah sich nach seinen Angehörigen um, ob sie noch unter den Lebenden seien. Der General-Gouverneur entwickelte eine lobenswerthe Thätigkeit. Er liess sofort die verstärkte Guardia veterana (Polizei) durch die Strassen eilen, durch sie die Gefangenen in Sicherheit bringen, die Verunglückten in Hospitäler überführen, kurzum in jeder Weise Hilfe bringen. Die Personen von Rang, besonders der General Primo de Rivera, thaten sich durch ihre Opferwilligkeit hervor. Am Nachmittage schaffte der grösste Theil der Bevölkerung die zu einem Obdach nothwendigsten Sachen ausserhalb der Stadt. Die durch das Erdbeben angerichtete Zerstörung spottet fast der Beschreibung. Nur wenige Gebäude sind unversehrt geblieben. Die Thürme der Kathedrale, des Convents de San Franeisco, des Hospitals de Sn. Juan de Dios und vier anderer Kirchen waren zusammengestürzt. Drei Kirchen hatten ihre Dächer verloren. Das alte und solide Bauwerk der Kirche von Sn. Augustin, welches den Erdbeben bisher immer Trotz geboten hatte, war stark mitgenommen. Bei dem Einsturz des Carcel de Bilibid waren so viel Gefangene verwundet worden, dass 60 in das Militärhospital übergeführt werden mussten. Kurzum, viele Jahre werden nothwendig sein, um das wieder aufzubauen, was wenige Minuten zer- stört haben. Erwähnenswerth ist noch, dass, nachdem sich die Erde beruhigt hatte, sich die Schleusen des Himmels öffneten und den durch die Erd- beben bereits angerichteten Schaden noch bedeuteud vergrösserten. Es resnete zwei Wochen ununterbrochen; an einem Tage, den 29. Juli, zeigte der Pluviometer 311 mm Regen. Diese Zeit blieb übrigens nicht ganz frei von Erschütterungen. Erst der 25. Juli beschloss die Reihe der Erdbeben, welche das blühende Manila in so kurzer Zeit in einen Schutthaufen verwandelt hatten. Der ca. 10 Leguas von Manila entfernte, auf einer kleinen Insel in der Laguna de Bombon gelegene Vulkan Taal verhielt sich während dieser Periode wie folgt: Am 12. Juli rauchte der Krater wie gewöhn- lich. In der Nacht vom 13. zum 14. liessen sich in seiner Nähe unter- irdische Donner vernehmen. Am 15. zeigten sich zwei starke Rauch- säulen, welche mit geringen Unterbrechungen bis zum 16. anhielten, um dann der gewöhnlichen Rauchmasse Platz zu machen. Am 18. verbreitete der Krater einen nebelartigen Rauch, der viel schweflige Säure enthielt. 126 Jahres - Bericht Mit dem Schlage Zwölf verschwand letzterer und das Erdbeben begann. Nachmittags erschienen wiederum die beiden Rauchsäulen und verblieben mit geringer Unterbrechung bis zum 20. früh 10 Uhr. Durch ihr Ver- schwinden wurde für Manila ein neues Erdbeben signalisirt. Am 21sten zeigte sich wieder eine den ganzen Krater ausfüllende Rauchsäule. Von dem am Südufer der Laguna de Rag liegenden Maquiling, der im J. 1754 die Orte Tanauan, Sapa, Lipa und Taal bei einem Ausbruche völlig zerstörte, in jüngster Zeit aber nicht mehr thätig war, berichtet man, dass er am 21. Nachmittags Rauch ausgestossen habe. Die um- liegende Bevölkerung fürchtete einen neuen Ausbruch und hielt Pferde zur eventuellen Flucht bereit. Auch der sonst ruhige Vulkan Bulusan im südlichen Luzon soll da- mals geraucht haben. Dagegen zeigte der Magon, der grösste Vulkan Luzons, keine Veränderung, sondern dampfte in gewohnter Weise. Herr Geh. Medicinalrath Professor Dr. Göppert legte in der Sitzung vom 20. October einige Zweige von Cactus opuntia aus Teneriffa mit einer grossen Anzahl von Cochsnille-Thierchen, flügellose Weibchen, vor, deren Erhaltung aber leider sehr zu bezweifeln ist. Er erhielt sie durch gütige Vermittelung des Herrn Kaufmann Schenkel in Hamburg. Derselbe sprach am 15. December über Bruchstücke eines fossilen Holzes aus den Friedrich -Wilhelm- Eisensteingruben von Willmannsdorf bei Jauer, welches dem Innern eines Stammes angehört, dessen Rinde leider nicht erhalten erscheint, und daher nicht ganz sicher bestimmt werden kann. Indessen gehört es unstreitig einem Nadelholz an, ähnelt insbesondere unserer Gattung Cupressinoxylon, der wir dies Holz anreihen und es als Art mit dem Namen calcarium belegen, weil in der Miocänformation, der dieses Holz angehört, Versteinerungen kohlensauren Kalkes kaum beobachtet worden sind. Ich behalte den Gattungsnamen Cupressinoxylon bei, weil er auf Cupressineen überhaupt, nicht blos auf Cupressus be- zogen werden kann, und fast alle Cupressineen der Jetztwelt durch die Structurverhältnisse ihrer Stämme miteinander übereinstimmen. Kraus wählt daher Cupressoxylon, als ob sie alle zu Cupressus gehörten, dessen Holz man aber im fossilen Zustande noch gar nicht kennt, und versetzt auch ganz ungerechtfertigter Weise unsere Cupressinoxylon-Arten alle ohne Weiteres in die Synonymie, als ob die fossile Flora nicht eben schon genug an diesem Uebelstande litte, der in allen Klassen das Studium der Naturkörper so sehr erschwert. In einer Zusammenstellung gebrauchter und jemals verwendeter Namen sämmtlicher fossiler Pflanzen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 127 welche ich 1847 für das „Buch der Natur‘ von Bronn, der die der Thiere auf ähnliche Weise bearbeitete, lieferte, betrug ihre Zahl schon ca. 6000, die der Thiere mehr als das Doppelte. Herrn Pfarrer Thrömer in Seichau besten Dank für Uebersendung dieses interessanten Fossiles. Ferner legte der Vortragende die ersten 12 Tafeln seines bereits vor vielen Jahren mit dem inzwischen am 20. Januar d. J. verstorbenen höchst verdienstvollen Prof. Menge in Danzig begonnenen Werkes über den Bernstein, seine Abstammung und pflanzlichen Einschlüsse vor, welches er der naturforschenden Gesellschaft in Danzig auf ihren Wunsch zur Herausgabe überlassen hat, und dort jetzt im Erscheinen begriffen ist. Das lithographische Kunst-Institut des Herrn J. G. Bach in Leipzig hat die 12 Tafeln (Gross-Quart) theils in farbigem, theils in schwarzem Druck sehr gut ausgeführt. Die ersten vier enthalten vor- zugsweise Abbildungen von den allgemeinen Verhältnissen des Ursprunges des Bernsteins, inwieweit er sich aus dem Aeussern desselben er- schliessen lässt, ferner die bis jetzt bekannten, sämmtlich den Coniferen angehörenden Bernsteinstämmchen; die folgenden 4 Tafeln die Typen der Structur der lebenden Coniferenstämme, welche (bisher noch nicht so zusammengestellt) als Typen für Untersuchungen fossiler Coniferen- hölzer zu dienen bestimmt sind, und’ zum Schluss nach dieser com- parativen Vorarbeit die Structurverhältnisse der bis jetzt als Frucht zahl- loser mühsamer mikroskopischer Untersuchungen von 7—800 Objecten die dennoch nur äusserst geringe Menge von mit einiger Sicherheit zu charakterisirenden Arten, welche den Bernstein einst lieferten. Vege- tationsgesetze waren von Anfang an dieselben, daher auch die Nadel- hölzer der Vorwelt nicht minder exclusiv wie die der Gegenwart, in der ja auch Wälder von Tausenden von Quadratmeilen nur aus ein Paar Arten bestehen. Bestätigt wird diese Vermuthung noch durch die nach Verhältniss geringe Menge von Blättern, Blüthen aller Gruppen der Coni- feren, wovon die nächsten 5 ebenfalls jetzt in Arbeit befindlichen, bald beendigsten Tafeln unseres Werkes handeln. Diese ganze Arbeit ist eine für sich abgeschlossene und ist gewissermassen als die Geschichte des Bern- steinwaldes zu betrachten, dem nun die Schilderungen der Decorationen seiner Bäume und der unter ihrem Schutze einst ergrünenden Vegetation folgen, insoweit sie ihre Reste ihnen und zwar auf so wirksame, der späteren Forschung noch zugängliche Weise dem Bernstein anver- trauten, dem berühmtesten aller fossilen Pflanzenreste. Durch Vorlage zahlreicher Objeete mikroskopischer Demonstrationen suchte der Vortragende seine Mittheilungen zu erläutern. Herr Professor Dr. Liebisch legte der Section am 10. November den „Bericht über die wissenschaftlichen Instrumente auf der Berliner 128 Jahres- Bericht Gewerbeausstellung im Jahre 1879, herausgegeben von Löwenherz, Berlin 1880 bei J. Springer, 535 S., 292 Holzschnitte“, vor und erläuterte ein in diesem Bericht beschriebenes und abgebildetes, von R. Fuess con- struirtes Reflexions-Goniometer an einem für das mineralogische Museum der Universität erworbenen Instrumente dieser Art. Herr Geh. Bergrath Professor Dr. F. Römer legte am 4. Februar Reste der Crustaceengattung Arthropleura aus dem schlesischen Stein- Kohlengebirge vor. Unter der Benennung Arthropleura armata haben Jordan und H. v. Meyer zuerst 1854 unvollständige Stücke dieser Gattung aus dem Steinkohlengebirge von Saarbrücken beschrieben. Es sind flache, mit zerstreuten dicken Höckern bedeckte Fragmente der äusseren Schalen- bedeckung des Körpers. Die genannten Autoren meinen, dass die Gat- tung vielleicht in die Verwandtschaft von Pterygotus gehören könne. Einen freilich nur sehr unvollständigen Rest desselben Thieres hat Geinitz (N. Jahrb. 1866 p. 144 Taf. III Fig. 4, 5) später aus dem Steinkohlen- gebirge von Zwickau beschrieben und neuerlichst hat derselbe (Isis, : Sitzungsber. 1879 p. 10 Taf. I Fig. 1) ein besser erhaltenes Stück der- selben Art aus thonigem Sphaerosiderit des Gottes- Segen-Schachtes bei Lugau abgebildet. Auf diese Angaben beschränkte sich bisher die Kenntniss des Thieres. Nun kommen auch Reste desselben aus dem niederschlesischen Steinkohlengebirge hinzu. Herr Obersteiger Völkel in Kohlendorf bei Neurode, dessen scharfer Beobachtung man schon ver- schiedene paläontologische und mineralogische Entdeckungen verdankt, hat in dem das Hangende des 7. Flötzes auf der Rubengrube bei Neurode bildenden sandigen Schieferthon mehrere Stücke des merkwürdigen Thieres aufgefunden und dieselben mit rühmlicher Liberalität dem Vortragenden für das mineralogische Museum der kgl. Universität übergeben. Ausser- dem wurden fast gleichzeitig durch Herrn Bergverwalter F. Walter auf der consolidirten Gustavgrube bei Schwarzwaldau unweit Gottesberg _ Bruchstücke des Thieres in ganz ähnlicher Erhaltung gefunden, deren Vergleichung durch die freundliche Gefälligkeit des Finders dem Vor- tragenden gleichfalls möglich war. So interessant diese schlesischen Funde auch sind, so sind es doch auch nur Fragmente und geben bei Weitem nicht eine vollständige Vor- stellung von Gestalt und Grösse des Thieres. Es sind, wie die früher von Saarbrücken und aus Sachsen bekannt gewordenen, nur Theile der festen Hautbedeckung des Körpers, und die aus zerstreuten, stumpf ko- nischen groben Höckern bestehende Skulptur der Oberfläche ist ganz wie bei jenen. Die Substanz der Schale selbst ist übrigens kaum erhalten und die flach auf der grauen Schieferungsfläche liegenden Schalstücke der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 129 heben sich nur durch dunklere Farbe und einen glänzenden Schimmer von dem Gestein ab. Die meisten Stücke sind längliche, parallel be- srenzte Lamellen, deren Enden nach der einen Seite sich ausbiegen. H. v. Meyer und Jordan deuten dieselben als Rumpf-Segmente, und diese Deutung ist auch die wahrscheinlichste. Das grösste der vorliegenden Stücke dieser Art, das von der Rubengrube, ist 55 mm breit und 90 mm lang, obgleich an dem einen Ende abgebrochen. Ein anderes Exemplar von der Gustavgrube ist kleiner, aber doch grösser als das von Geinitz abgebildete von Lugau, dem es sonst in der Form fast vollständig gleicht. Ausserdem liegen aber auch Stücke von ganz anderer Form vor. Na- mentlich befindet sich auf derselben Gesteinsplatte, mit der grössten Lamelle von der Rubengrube, ein 150 mm langes und 55 mm breites Stück von elliptischem Umriss. Dasselbe ist flach gewölbt und besteht aus zwei parallelen Lemellen, die einen inneren, jetzt mit Gesteinsmasse erfüllten Raum begrenzen. Dieses Stück kann in keinem Falle ein Rumpf-Segment darstellen, sondern ist als Glied der Bewegungsorgane zu deuten. Von Cephalothorax liegt nichts vor. Die Länge des ganzen Thieres betrug nach der Grösse des vorliegenden Fragmentes wenigstens 1 Fuss. Die nächsten Verwandten werden, obgleich Woodward (Geo- logieal Magaz. Vol. IX, 1872, p. 432) dieses zurückweist, doch wohl in der Nähe der Eurypteriden zu suchen sein. Es ist in hohem Grade wünschenswerth, dass es den Findern der bereits vorliegenden Stücke gelingen möchte, durch Auffindung eines vollständigeren Exemplars die Kenntniss* dieses merkwürdigen Thieres zu ergänzen. Inzwischen sollen die bisher vorliegenden Stücke durch Abbildungen genauer bekannt ge- macht werden. Für die Nachweisung von dem Vorkommen des bisher nur von Saarbrücken und aus Sachsen bekannt gewesenen Thieres auch im Kohlengebirge Schlesiens genügen dieselben in jedem Falle. Schliesslich erinnerte der Vortragende daran, dass schon früher eine andere srosse fossile Crustacee, nämlich Eurypterus Sconleri aus dem niederschlesischen Kohlengebirge, von ihm beschrieben worden sei. Ferner sprach derselbe über eine neu aufgefundene Ablagerung diluvialer Säugethiere bei Hirschberg. Dieselbe befindet sich im Boberthale unterhalb Hirschberg an einer als Weltende bezeichneten Localität, welche am Eingange der bemerkens- werthen felsigen, engen Thalschlucht gelegen ist, in welche der Bober bald unterhalb Hirschbergs eintritt. Die Ablagerung wurde schon 1873 bei Gelegenheit eines Wehrbaues für eine Fabrik aufgefunden. Dieselbe befand sich in einer 'von einer Lehmlage bedeekten Sandschicht und bildete einen fast 2 Fuss hohen Haufen von Knochen verschiedener Säugethiere. Knochen vom Rind, Mammuth (Elephas primigenius) und 1880. 9 130 Jahres - Bericht Geweihstücke des Rennthieres wurden namentlich beobachtet. Schon im Jahre 1865 wurde an einer weiter oberhalb am Fusse des Hausberges gelegenen Stelle eine ähnliche Ablagerung fossiler Knochen diluvialer Wirbelthiere beobachtet. Der Vortragende verdankt die Mittheilung dieser Thatsache Herrn Mühlenbaumeister Freyer in Hirschberg, der ihm zugleich eine Anzahl von Geweihstücken des Rennthiers von der zuerst genannten Localität übergab. Die Funde haben ein besonderes Interesse, weil sie die Existenz der grossen Diluvialthiere auch in diesem hochgelesenen Gebirgsthale der Sudeten erweisen. Das Rennthier lebte im Hirschberger Thale zu einer Zeit, als der Grund des Thales schon aufgehört hatte einen Landsee zu bilden, und durch den Abfluss, den sich der Bober in einem engen Thale durch den vorliegenden Gneiss- Rücken gebohrt hatte, trockengelegst worden war. Sind vielleicht durch irgend einen anderen Beobachter in Hirschberg Knochen von den ge- nannten Fundorten gesammelt worden, so würde eine darüber an den Vortragenden gerichtete Mittheilung denselben zu besonderem Danke verpflichten. Derselbe berichtete am 10. November über einen geologisch bemerkenswerthen Fund in den Eisensteingruben von Willmannsdorf bei Jauer. Es haben sich nämlich dort in einer Tiefe von etwa 20 m grosse Stücke von holziger Braunkohle und fussgrosse, zackige Coreretionen von grauem Hornstein gefunden. So auffallend diese Funde erscheinen würden, wenn sie in dem Eisensteinlager selbst vorkämen, so erklärlieh wird ihr Vorkommen, wenn man das nähere Verhalten desselben in Be- tracht zieht. Nach den Mittheilungen des königlichen Bergraths, Herrn v. Packisch in Waldenburg, welchem der Vortragende überhaupt die ganze Kenntniss des Fundes verdankt, sind die fraglichen Körper nicht im Eisenstein, sondern in einer aus Sand, Kies- und Eisenstein-Brocken bestehenden Ablagerung, welche zwischen dem Eisensteinlager und Basalt liegt, vorgekommen. Diese ganze Ablagerung ist augenscheinlich eine Trümmerbildung, welche bei dem Hervorbrechen des Basalts entstand, und gehört wie der letztere selbst der Tertiärzeit an. In der That gleicht auch die holzartige Braunkohle ganz derjenigen aus anderen niederschlesischen Braunkohlenlagern, und auch kieselige Coneretionen finden sich nicht selten in den die Basaltkegel umgebenden Trümmer- gesteinen. Die unregelmässig zackige Form der Coneretionen ruft übrigens eine entfernte Aehnlichkeit mit einer Knochen-Breccie hervor und für eine solche wurden dieselben von den Findern auch in der That gehalten. Beim Zerschlagen tritt freilich die durchaus unorganische kieselige Be- schaffenheit des Gesteins sogleich deutlich hervor. nn der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 131 Derselbe Vortragende legte Cölestin-Krystalle vom Mokattam bei Cairo vor, welche durch Herrn Baron Hugo v. Saurma im vorigen Winter dort gesammelt und in dankbar von dem Vortragenden an- erkannter Liberalität dem mineralogischen Museum der kgl. Universität übergeben worden sind. Dieselben zeichnen sich durch Grösse und Regelmässigkeit aus und sind im Habitus verschieden von den schon längere Zeit vom Mokattam bekannten Krystallen. Sie rühren auch von einer anderen Fundstelle her, nämlich nach Angabe des Finders aus dem Wadi et Tih (Thal der Verirrungen), am Südabhange des Mokattam. Die Krystalle sind ringsum frei ausgebildet und regelmässig wie Modelle. Es sind in der Richtung der Achse a langgezogene Combinationen der Flächen M, o, P und d. Der grösste der vorliegenden Krystalle ist 80 mm lang und 33 mm breit. Es wurde ferner vorgelegt: „‚Ödontornithes, A Monograph on the extinet toothed birds of North America. With 34 plates and 40 wood- euts by ©. C. Marsh. New Haven, Conn. 1880 (Memoirs of the Peabody Museum of Yale College Vol. I)“, ein prächtiger Quart-Band, welcher die Beschreibung der durch Herrn Professor Marsh in den Kreidebildungen des Ost-Abhanges der Felsengebirge im Laufe der letzten 10 Jahre ent- deckten fossilen Vögel mit Zähnen enthält. Es werden 20 verschiedene Arten solcher gezähnter Vögel, welche sich in 9 Gattungen vertheilen, unterschieden. Die verschiedenen Gattungen bilden zwei Hauptgruppen. Die eine Gruppe (Odontolceae) begreift grosse Schwimmvögel ohne Flügel und mit Zähnen, welche in gemeinsamen Gruben, ähnlich wie bei Ichthyosaurus, stehen. Die Hauptgattung ist Hesperornis. Die andere Gruppe (Odontotormae) begreift kleine Vögel mit sehr entwickeltem Flugvermögen, in getrennter Alveole stehenden Zähnen und biconcaven Wirbeln. Die typische Gattung ist Ichthyornis. Die Arten beider Gruppen sind nach dem von mehr als 100 Individuen herrührenden um- fangreichen Materiale, welches der Verfasser im Museum des Yale Col- lege vereinigt hat, beschrieben und durch vortrefflliehe Abbildungen erläutert, Wenn man erwägt, dass fossile Reste von Vögeln überhaupt zu den Seltenheiten gehören und dass aus den Kreidebildungen Europas nur ein paar vereinzelte Knochen von kaum näher bestimmbaren Vögeln bekannt sind, so erscheint die Mannigfaltiskeit eretaceischer Vögel, welche hier auf einmal unter vollständiger Darlegung ihres osteologischen Baues vor- geführt werden, ganz überraschend, und man gelangt bald zu der Ueber- zeugung, dass das Werk des Herrn Professor Marsh die wichtigste Be- reicherung, welche unsere Kenntniss fossiler Wirbelthiere in den letzten Jahren erfahren hat, darstellt. Endlich wurde auch über den Inhalt der Schrift: ‚Der erste Fund einer Leiche von Rhinoceros Merckii von Dr. Leop. v. Schrenck. Mit 9% 132 Jahres-Bericht drei phototypischen Tafeln. St. Petersburg 18350 (Mem. de l’Acad. Imper. Sc. de St. Petersbourg, Vllieme Ser., Tome XXVII, No. 7)“ berichtet. Zu den denkwürdigen Funden von ganzen, mit Haut und Haar und den Weichtheilen erhaltenen Exemplaren der ausgestorbenen grossen Pachy- dermen, nämlich des Mammuth (Elephas primigenius) und des woll- haarigen Nashorns (Rhinoceros tichorhinus seu antiquitatis), welche zu verschiedenen Malen seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts im Eise Sibiriens gemacht wurden, ist vor Kurzem ein neuer hinzugekommen. Ein vollständiges Rhinoceros wurde im nordöstlichen Sibirien unter 69° nördlicher Breite, an einem Zuflusse der Jana im Werchojanski’schen Kreise gefunden. Der Fund wurde schon 1877 gemacht, aber erst im März 1879 erhielt man in St. Petersburg davon Kenntniss. Als die Leiche gefunden wurde, war sie ganz vollständig. Leider wurde aber nicht das Ganze gerettet, sondern nur der abgehauene Kopf gelangte nach Irkutsk und später nach Petersburg. Dieser ist nun von Leop. v. Schrenck sorgfältig untersucht und beschrieben worden. Die Untersuchung lieferte zunächst das bemerkenswerthe Ergebniss, dass diese Nashornleiche nicht wie die 1771 am Wilui-Flusse gefundene dem Rhinoceros tichorhinus. s. antiquitatis, sondern einer anderen Art, dem Rhinoceros Merckii, angehört. Diese letztere Art ist dem Rhinoceros tichorhinus ähnlich, aber durch Umvollständigkeit der knöchernen Nasenscheidewand und ausserdem durch manche andere Merkmale des Schädels und des Gebisses unterschieden. Eine dichte Behaarung be- deckte wie bei jener Art den Körper und befähigte das Thier für den Aufenthalt in einem hochnordischen Klima. Es lebten also gleichzeitig mit dem Mammuth zwei behaarte Nashorn - Arten im nordöstlichen Sibirien. | Auch über die Art, wie sich diese vollständigen Körper jetzt ausge- storbener Thiere im nordöstlichen Sibirien bis auf die heutige Zeit er- halten haben, stellt L. v. Schrenck eine nene, wohlbegründete Ansicht auf. Er widerspricht der bisher allgemein verbreiteten Annahme, dass : diese Thiere im gefrorenen Boden Sibiriens gefunden worden und behauptet, dass sie nur im Eise vorkommen, und zwar im Eise, welches sich aus mächtigen Anhäufungen von Schnee gebildet hat, wie dergleichen bei Schneestürmen in Schluchten und engen Thälern in jenem Theile Sibiriens noch heutzutage zusammengeführt werden. Die lebenden Thiere stürzten in diese Schneemassen und kamen darin um. Unter der Be- deckung einer dünnen herbeigeführten Erdschicht haben sich die all- mählich in Eis verwandelten Schneelager bis heute erhalten, und bei ungewöhnlich hohen Anschwellungen der Flüsse werden sie angegriffen und die eingeschlossenen Thierkörper in die grösseren Flüsse hinab- seschwemmt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 133 Derselbe Vortragende referirte am 15. December über den Fund eines vollständigen Skeletts von Rhinoceros tichorhinus, dem wollhaarigen Nashorn der Diluvialzeit, welcher im Laufe dieses Sommers bei Skarsine, unweit Trebnitz, in einer Mergelgrube des Landes- Aeltesten und Kreisdeputirten Herrn v. Scheliha auf Perschütz gemacht worden ist. Nach der gefällisen Angabe des letzteren Herrn wurde das Skelett in der unweit der sogenannten Donnereiche, dicht bei Skarsine gelegenen Mergelgrube, in welcher der einen Theil des Trebnitzer Plateaus bedeckende Löss oder kalkhaltige Lehm zum Mergeln der Felder ge- graben wird, in einer Tiefe von 16 Fuss unter der Oberfläche gefunden. Leider erhielt Herr v. Scheliha erst dann Kenntniss von dem Funde, als durch die Unachtsamkeit der unkundigen Arbeiter der Zusammenhang des ganzen Skeletts zerstört uud viele Knochen, und namentlich auch der Schädel, zertrümmert waren. Demungeachtet ist das, was gerettet wurde, von grossem Interesse. Es liegen zahlreiche Wirbel und Rippen, die Knochen der Extremitäten, ein Theil des Beckens, der hintere Theil des Schädels, die Hälfte des Unterkiefers und fünf Backzähne des Ober- kiefers vor. Die Erhaltung der Knochen ist im Ganzen eine sehr voll- kommene. Obgleich die Knochensubstanz völlig ausgelaust und porös ist, so haben die Knochen doch, nachdem sie ausgetrocknet sind, eine für die Aufbewahrung völlig genügende Festigkeit. Aus der Beschaffen- heit der stark abgekauten Backzähne ist mit Sicherheit zu schliessen, dass das Skelett von einem alten, ausgewachsenen Thiere herrührt. — Die Zahl der Fundorte, an welchen Ueberreste des Rhinoceros tichorhinus bisher in Schlesien beobachtet wurden, wird durch diesen Fund bei Skarsine wieder um einen vermehrt. Es sind deren nun bereits fünf bekannt. (Vgl. 56. Jahresber. der Schles. Ges. für 1878. 9. 50.) Ohne Zweifel war das Skelett von Skarsine von allen das vollstän- disste und am günstigsten erhalten. Hätte es das Glück gewollt, dass ein kundiser Beobachter gleich bei der ersten Auffindung an Ort und Stelle anwesend gewesen, .so hätte man mit Leichtigkeit das ganze Skelett unversehrt heben und demnächst in Breslau aufstellen können. Möchten doch in Zukunft in unserer Provinz die Arbeiter in Kies- und Lehmgruben und überall, wo dergleichen Funde zu erwarten sind, von den Unternehmern dahin angewiesen werden, mit der grössten Vorsicht bei derartigen Funden fossiler Knochen zu verfahren. Schliesslich wurde der Liberalität, mit welcher Herr Landesältester v. Scheliha die wissen- schaftlich so werthvollen Knochenreste dem mineralogischen Museum der königlichen Universität übergeben hat, von dem Vortragenden in dank- barer Anerkennung gedacht. Von demselben wurde vorgelegt und besprochen: „Die neuen geognostischen und paläontologischen Aufschlüsse auf der Königsgrube 154 Jahres-Bericht bei Königshütte in Oberschlesien von Bergmeister Dr. Kosmann in Beuthen.‘“ (Besonderer Abdruck aus der „Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinen-Wesen‘“, Bd. XXVIIL) In dieser Schrift ist das Ergebniss mehrjähriger sorgfältiger Untersuchungen niedergelegt, welche den Zweck hatten, die Zusammensetzung des oberschlesischen Steinkohlengebirges bei Königshütte in der Art zu erforschen, dass nicht nur die Aufeinander- folge der Schichten im Allgemeinen festgestellt, sondern auch für jede einzelne Schicht die äusseren petrographischen Merkmale und der palä- ontologische Inhalt an pflanzlichen und thierischen Resten mit möglichster Schärfe und Vollständigkeit ermittelt wurden. Die betreffenden Unter- suchungen sind sämmtlich in den verschiedenen Bauen der Königsgrube angestellt und wurden durch den Umstand, dass gerade in den letzten Jahren bedeutende Ausrichtungsarbeiten dort ausgeführt wurden, besonders begünstigt. Die erlangten Ergebnisse sind nicht blos für die Kenntniss des oberschlesischen Kohlengebirges selbst von grossem Interesse, son- dern haben auch für die Vergleichung desselben mit den Kohlenmulden anderer Gegenden und für die namentlich in den Arbeiten von D. Stur und E. Weiss in jüngster Zeit erörterten Ansichten über die Gliederung des deutschen Kohlengebirges überhaupt, einen allgemeinen wissenschaft- lichen Werth. Herr Oberbergrath Althans legte der Section am 15. December ein Probestück natürlichen Schwefels mit einem aufgewachsenen hellgelben, krystallisirten Schwefel, welchen er der Güte des Herrn Berg-Assessor a. D. Lucke zu Ratibor verdankt, vor. Die Stufe ist als erstes Vor- kommen krystallisirten Schwefels in Schlesien bemerkenswerth. Dieselbe stammt aus dem von Herrn Lucke seit etwa einem Jahre in Betrieb ge- setzten Schwefelbergwerk bei dem Schwefelbade Wilhelmsbad bei Koko- schütz, unweit Ratibor. Die dort in 30—40 m Tiefe erbohrte Schwefel- lagerstätte ist durch einen Schacht und ausgedehnten Streckenbetrieb zum Abbau vorgerichtet und verspricht einen sehr einfachen und gewinn- bringenden Betrieb. Der Schwefel findet sich in zahlreichen, mehr als zolldicken reinen Lagen zwischen Mergelschichten abgelagert. Das Ge- birge ist wenig wasserreich und leicht zu gewinnen. Die Betriebsvor- richtungen zur Abscheidung des Schwefels aus dem tauben Gestein sind vollendet und sollen demnächst in regelmässige Arbeit kommen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 135 ING. Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1880, erstattet von Professor Dr. Ferdinand Cohn, Zeitisem Secretair der Section. In der ersten Sitzung vom 15. Januar legte Herr Prof. Dr. Stenzel Zweige einer Edeltanne (Abies alba Mill.) von Brückenberg im Riesengebirge vor, welche offenbar durch den Sturm umgestürzt worden war. Da einige starke Wurzeln noch im Boden ge- blieben waren, hatten sämmtliche Zweige der stattlichen Krone noch fingerlange Triebe gemacht. An den zahlreichen, dem Boden angedrückten Zweigen wehdeten die Nadeln ihre natürlichen, dunkelgrünen Oberseiten auch jetzt wieder dem Himmel zu; ebenso an den sie fortsetzenden nach- gewachsenen Trieben. Die ebenfalls sehr zahlreichen Zweige, welche nach oben zu liegen gekommen waren, wendeten dagegen jetzt ihre ursprüngliche Unterseite dem Himmel zu; die an ihnen stehenden, beim Umsturz des Baumes bereits ausgewachsenen Nadeln hatten ihre Richtung gegen den sie tragenden Zweig unverändert beibehalten, kehrten also ihre dunkelgrünen Flächen dem Boden, ihre weissgestreiften Unterseiten dem Himmel zu. An den nachgewachsenen Trieben dagegen kehrten die Nadeln, wie an allen in natürlicher Lage gewachsenen Zweigen, ihre grünen Oberseiten dem Lichte zu. Da diese jungen Triebe unmittelbar an die älteren mit den umgewendeten Nadeln grenzten, boten sie einen durch den Farbenunterschied sehr auffallenden Anblick dar. Die nach- gewachsenen Triebe zeigten an ihrem Grunde keinerlei Drehung, die veränderte Richtung der Nadeln beruhte daher auf einer Drehung ihres eigenen kurzen Stieles und boten so eine von der Natur selbst gegebene 156 Jahres-Bericht Bestätigung des Verhaltens fortwachsender Tannenzweige, wie es an künstlich umgewendeten Tannenzweigen von Frank (Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen, Leipzig 1870, $. 25 u. 8. 57) und von Kny') (51. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 1873, S. 96) beobachtet worden ist. Herr Dr. phil. W. G. Schneider machte fernere Mittheilungen über die Weiterverbreitung der Puccinia Malvacearum Mont., indem er diesen Pilz auf Althaea rosea in einem kleinen Vorgarten eines Hauses in der Neudorfstrasse in Breslau in reichlicher Entwiekelung im October fand; dagegen war dieses Jahr derselbe Pilz, auf Malva silvestris voriges Jahr im Dorfe Kleinburg gefunden, nicht tachr vorhanden. Auf den abgeernteten Kartoffelfeldern desselben Dorfes fand derselbe auch die für Schlesien neue, von Herrn Oberstabsarzt Dr. Schröter an mehreren Orten nahe um Breslau entdeckte Peronospora graminicola Sacc. auf Setaria viridis, die einzige bis jetzt bekannte, Gräser bewohnende Art dieser Gattung, die wahrscheinlich bisher übersehen wurde. An gleichem Orte wurde auch Cystopus candidus Lev. auf Sisymbrium Thalianum, wenn auch nur in ein Paar Exemplaren, gefunden. Der Secretair legte vor Früchte einer ostasiatischen Wassernuss, die ihm unser correspondirendes Mitglied, Herr Dr. Fritz Schneider in Madoera bei Java, zugeschickt hatte; es ist die in China als Volks- nahrungsmittel benutzte Trapa bicornis, welche einst Göppert bei Schossnitz fossil gefunden hatte. Hierauf besprach derselbe folgende Schriften: Lewis, P. Q., Mieroscopie organisms found in the blood of man and animals and their relation to the disease. Caleutta 1879. Müller, J. N. ©., Handbuch der allgemeinen Botanik. Band I. Heidelberg 1880. Meddelelser, fra Carlsberg laboratoriet, udgive ved Labora- toriets best grelse. Kjöbenhavn 1879. Dieses nun schon im zweiten Jahre erscheinende Organ des von dem Brauereibesitzer Johannsen zu Carlsberg bei Kopenhagen speciell für Untersuchungen über Gährung gegründeten und mit fürstlicher Munificenz and den reichsten Hilfsmitteln dotirten Laboratoriums enthält wiederum werthvolle Beiträge über die Biologie der Gährungspilze. Ferner besprach derselbe eine Anzahl botanischer Abhandlungen aus den durch Tausch in den Besitz der Gesellschaft gelangten Schriften ge- lehrter Gesellschaften (Bologna, Rom, Montpellier, Washington, Stutt- sart, Neu-Brandenburg u. s. w.). %) Kny hat hier nach einer brieflichen Mittheilung als Rückenseite die dunkelgrüne, unter Bauchseite die mit den beiden silberweissen Streifen ver- standen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 137 Herr Dr. Eidam hielt einen Vortrag über Beobachtungen an Schimmelpilzen unter Demonstration zahlreicher Objecte in natura, mikroskopischer Präparate und Zeichnungen. Bei vielen Pilzen mit spinnwebeartigem Mycel, gewöhnlich als Schim- mel bezeichnet, vereinigen sich die Fruchthyphen zu mehreren in eine gemeinsame säulenförmige Verbindung, welche seitlich oder an der Spitze isolirte sporentragende Fäden aussendet. Bei Penicillium führt diese Verbindung den Namen Coremium, eine Bezeichnung, die, wie dies auch Reinke gethan hat, in zweckmässiger Weise auf alle derartige Vor- kommnisse übertragen wird. Auf Kartoffeln fand Vortragender kürzlich ausgeprägte Coremiumbildungen von Verticillium ruberrimum, welche als 1—1'/), cm lange, trockene und federartige Büschel sich erhoben und beim geringsten Luftzug in lebhafte Bewegung geriethen. 5—20 Frucht- hyphen hatten sich in diesem Falle vereinigt, nach oben wurden ihrer immer weniger und schliesslich beschloss eine einzige Fruchthyphe das sanze Coremium. Auf allen Seiten aber strahlten von demselben wohl- sebaute Sporenfäden mit ihren charakteristischen Wirtelästen aus. Boirytis Bassiana, Ursache der gefürchteten Muskardine bei den Seidenraupen, findet man mitunter auch als harmlosen Bewohner feucht liesender Pflanzentheile und schon de Bary bewies, dass dieser Pilz ausserhalb des Thierkörpers fructifieiren könne, denn er brachte seine Sporen durch blosse Aussaat in Wasser zu allerdings sehr kümmerlicher Entwickelung neuer Fruchtträger. Ganz anders wird die Sache, wenn man, wie es Vortragender gethan hat, die Sporen der Botrytis Bassiana in Nährlösungen aussät. In Pflaumendecoet bilden sie ein grosses Mycel von besonderer Ueppigkeit, reich septirt und auffallend durch die massenhaften Anastomosirungen desselben. Späterhin erscheinen auf diesem Mycel, aber niemals allseitig, sondern nur gruppenweise und an einzelnen Stellen localisirt, die sporentragenden Aeste, welche makro- skopisch und im Reifezustand der Sporen schneeweisse, rundliche Häufchen darstellen. Niemals tritt eine andere als die eben beschriebene Fort- pflanzungsweise bei diesen Culturen auf. Verschiedene Isaria- Arten sind ebenfalls als Feinde zahlreicher In- seeten bekannt, und sie leisten uns sogar nicht selten als Vertilger schäd- licher Raupen nützliche Dienste. Aehnliche Isariaformen findet man aber auch auf anderweitigsem Nährboden, und Vortragender schildert eine solche Isaria, welche üppige Culturen von Rhizopus nigricans befallen und auf letzterem Pilz in lebhaftestem Wachsthum fructifieirt hatte. Eine andere Isaria, welche wie vorhergehende am meisten den Formen glich, welche de Bary in der Botan. Zeitung 1867, Tafel 1, Fig. 14, 15 u. 16 abbildet, wurde in einem Aquarium des pflanzenphysiologischen Instituts 138 Jahres - Bericht beobachtet, woselbst sie auf Azolla ‚filieuloides var. rubra angesiedelt war, Die Azollapflänzchen wurden von dem Pilz mit weissem Gespinnst über- zogen, sie bräunten sich und starben nach und nach gänzlich ab, während in einem benachbarten pilzfreien Aquarium dieselbe Azolla frisch grün und lebendig blieb. Die kranken Pflänzchen verwandelten sich zuletzt in humusartige Masse und verschwanden schliesslich unter völliger Zer- setzung, was auch mit den in ihren Blatthöhlungen wuchernden Nostoc- fäden der Fall war. Schliesslich berichtete Vortragender über die merkwürdige Entwickelungsgeschichte eines mennig- bis orange- rothen Schimmelpilzes, des Sporendonema casei Desm., welches von Desmazieres auf altem Käse zuerst entdeckt und beschrieben worden ist (Ann. de sc. nat. Tom. II, 1827). Späterhin haben ver- schiedene Forscher diesen Pilz ebenfalls beobachtet, so Bonorden, welcher in den Tafeln zu seinem Handb. d. Myc. Taf. 2, Fig. 51, eine allerdings nur unvollkommene Abbildung giebt. Vortragendem gelang es, den Pilz in klarer Nährlösung (Mistabkochung) zu eultiviren, woselbst die bereits zwei Jahre alten Sporen gut keimten und ein weisses, später braunes Mycel mit häufigen fussförmigen Anschwellungen an den Scheidewänden entwickelten. Es fand sich, dass Sporendonema Conidien entwickelt, welche als rothbraune Kugeln, im jungen Zustand farblos und oft mit hübschen Cutieularverdickungen ausgestattet, in langen Ketten auf besonderen Trä- gern wie bei Penicillium entstehen. Ausser diesen Conidienketten bildet Sporendonema oidiumartige Abgliederungen in kurzen, hakenförmig ge- krümmten, selten geraden oder auch wohl spiralig eingerollten Mycel- ästen, die sich septiren und bald in der Nährflüssigkeit bleiben, bald als schön mennigrothe Fäden gruppenweise in die feuchte Luft der Glasglocke hervortreten, woselbst sie regelmässig mit grossen Wassertropfen be- schlagen werden. Der rothe Farbstoff ist harzartiger Natur; er löst sich in Alkohol und Ammoniak. Sowohl die Conidienketten als die oidium- . artigen Abgliederungen erweisen sich als keimfähig; die ersteren können beide Conidienformen erzeugen, aus letzteren entstanden immer nur wieder Oidiumeonidien. Säet man beide Vermehrungskörper gleichzeitig aus und unterstützt die Cultur mit geringer Temperaturerhöhung, so er- hält man eine neue, bisher ganz unbekannte Art der Vermehrung von Sporendonema casei in Form von Fruchtkörperanlagen, deren höchst inter- essante Entstehung ausführlich besprochen wurde. Sie geschieht durch Anastomose gewisser Mycelzellen, nicht selten in der Nähe oben er- wähnter fussförmiger Auftreibungen, worauf die betheilisten Mycelstellen massenhaft feine Ausstülpungen treiben, welche sich alsbald zu einem rundlichen pseudoparenchymatischen Körper verbinden und öfters zu mehreren neben einander sich entwickeln. Auch auf dem natürlichen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 139 Substrat, trockenen Fäcalien, wurden neben obigen Conidienformen massenhaft diese Fruchtkörperanlagen in verschiedenen Alterszuständen vorgefunden. Sie sind im Innern mit reichlich Oel und Protoplasma führenden Zellen angefüllt, die zuletzt in rundlicher Blasenform aufschwellen. Dabei bleibt die Rinde der Gehäuse stets allseitig geschlossen, sie wird erst braun, dann schwarz, zur Weiterentwickelung im Innern jedoch ist den Fruchtkörpern eine längere Ruhepause erforderlich, nach deren Ablauf sie zur Sporenbildung schreiten. Die Sporen sind glatt, oval, mit einem runden braunrothen Kern versehen und es wird von ihnen nach erfolgter Keimung der geschilderte Entwickelungskreis wiederholt. Vortragender erläutert seine Darstellung mit Präparaten und Ab- bildunsen; doch soll über die Entwickelung von ‚Sporendonema casei später ausführlich an anderem Orte berichtet werden. In der zweiten Sitzung vom 29. Januar legte der Secretair vor und besprach: Journal of the R. microscopieal Society. London. II. 1879. Comes, O., Illustrazione delle Piante representate nei dipinti pompejani. Napoli 1879. Für die Bestimmung der im klassischen Alterthum bekannten Pflanzen sind die wenigen aus jener Zeit erhaltenen Abbildungen um so wichtiger, als aus den ungenauen Beschreibungen der griechischen und römi- schen Schriftsteller bekanntlich nur selten Gattung und Art mit Sicherheit bestimmbar sind. Leider sind die colorirten Pflanzen-Abbildungen der beiden ältesten auf der Wiener Hofbibliothek aufbewahrten Pergament- codices des Dioscorides, von denen der eine aus dem IV. Saec. stammen soll, noch immer nicht publieirt, obwohl dieselben zum grossen Theil schon von Jacquin in Kupfer gestochen worden sind. Mit Ausnahme einzelner Pflanzentheile, die als architektonische Ornamente verwendet wurden, sind als bildliche Darstellungen von Pflanzen nur die in den Wandgemälden von Pompeji und Herculanum erhaltenen in Betracht zu ziehen, zu denen in den letzten Jahren noch eine Anzahl ähnlicher Dar- stellungen in römischen Wandgemälden gekommen sind. Bei Gelegen- heit der Erinnerungsfeier an die 1800 jährige Wiederkehr der Zerstörung Pompejis hat Comes eine Zusammenstellung der campanischen Pflanzen- abbildungen gegeben und mit einem Text begleitet, dessen Kritik frei- lieh zu wünschen lässt; die Arten, welche von Comes mit Sicherheit bestimmt werden konnten, betragen 50, zu denen noch 20 unsichere Bestimmungen oder verschollene Abbildungen kommen. Da Comes die Pflanzen alphabetisch geordnet hat, lasse ich hier eine Zusammenstellung der von ihm aufgeführten Arten nach Familien folgen, die zweifelhaften und nicht näher nachweisbaren sind mit * bezeichnet. 140 Jahres-Bericht Agaricus deliciosus. Arundo Pliniana, Triticum sativum, Hordeum vulgare, Sorghum wul- gare, Panicum italicum*. Cyperus Papyrus. Hyacinthus comosus* (Muscari), Lilium candidum?*, Allium Cepa*, Aloe vulgaris, Asparagus officinalis, Ruscus Hypophyllum. Narcissus poeticus, Nareissus Pseudonarcissus, Pancratium maritimum?* Gladiolus segelum (dazıv. dog), Iris florenlina, I. germanica, I. Pseuda- corus. Canna coccinea?* Phoenix dactylifera, Cocos nucifera?” Cupressus sempervirens, Pinus Pinea, P. halepensis. Corylus Avellana*, Quercus Robur, Q. Ilex?*, Castanea vesca. Juglans regia — Platanus orientalis. Morus nigra, Ficus Carica, Artocarpus incisa?* Laurus nobilis. Aster Amellus, Chrysanthemum segetum. Cucurbita Lagenaria, C. Pepo, Cucumis sativus*, C. Melo. Olea europaea — Nerium Oleander — Convolvulus arvensis?* — Acanthus mollis — Arbutus Unedo*. | Hedera Helix — Vitis vinifera. Brassica Rapa*, Raphanus sativus“. Papaver Rhoeas — Nelumbium speciosum. Agrostemma Githago — Althaea rosea. Myrtus communis — Punica Granatum. Pirus communis, P. Malus, P. Cydonia, Mespilus germanica*. Prunus Cerasus, P. domestica*, Amygdalus communis. A. Persica. Rosa damascena. Lathyrus Cicera”, Faba vulgaris — Tamarindus indica, Acaeia vera. Herr Professor Dr. Stenzel theilte mit, dass er unweit der Baber- häuser im Riesengebirge eine Pedicularis silvatica mit endständiger Blüthe gefunden habe. Der Kelch derselben hatte 6 Zipfel, die Blumen- krone mit diesen abwechselnd 2 flache rundliche rosafarbene Abschnitte von der Bildung und Richtung der gewöhnlichen Unterlippe auf der einen, 2 ebensolche gerade gegenüber auf der anderen Seite; zwischen diesen jederseits 2 lanzettliche aufrechte nach innen etwas eingerollte Ab- | schnitte; 6 zwischen diesen Abschnitten der Blumenkrone, also vor den Kelchzipfeln stehende Staubgefässe; in der Mitte einen Stempel mit zwei- fächerigem Fruchtknoten, dessen Fächer vor den beiden aufrechten Ab- schnitten der Blumenkrone standen. An mehreren Blüthengrundrissen wurde gezeigt, wie man diese Blüthe nicht als eine pelorische auffassen könne, sondern nur als eine Verschmelzung der beiden obersten seitlichen Blüthen unter gänzlichem Fehlschlagen der Stempelspitze. > der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 141 Der Assistent am botanischen Garten, Cand. Ansorge, berichtete über seine Erforschung der Flora von Oberschlesien. Herr Knebel hielt einen Vortrag über die in Nothzeiten als Volksnahrungsmittel verwendeten Pflanzen. In der dritten Sitzung vom 12. Februar besprach der Secretair: Conwentz, H., Die fossilen Hölzer von Carlsdorf von Zobten. Breslau 1380. Ziegler, Thermologische Beobachtungen und thermische Vege- tationsconstanten. Frankfurt 1879. Hierauf hielt derselbe einen Vortrag über physiologische Beobachtungen an Hyacinthen. In der vierten Sitzung vom 26. Februar hielt Herr Professor Dr. Stenzel einen Vortrag über den Bau und die Wachsthumsverhältnisse der Psaronien. Seit seiner früheren Besprechung der Staarsteine (42. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 1864 $. 74) ist dem Vortragenden durch die Güte des Herrn Geh. Rath Göppert die Gelegenheit geboten worden, zahlreiche Staarsteine von Chemnitz zu untersuchen; Michaelis 1879 hatte er in Wien die prachtvollen Staarsteine des Hofmineraliencabinets, im Winter die der geologischen Reichsanstalt benutzen können. Auf Grund derselben wurde nach einer übersichtlichen Erörterung des Baues des Holzkörpers, der Rinde und der Wurzeln, welcher an zahlreichen vor- gelegten Stücken veranschaulicht wurde, das merkwürdige Verhalten der letzteren eingehender besprochen, deren Anfänge (processus radicales) eine oft bedeutende Strecke innerhalb der Rinde herabsteigen, ehe sie ins Freie heraustretend in den Boden eindringen. Hierbei tritt das merkwürdige Verhältniss ein, dass das Rindenparenchym zugleich mit den im organischen Zusammenhange mit ihm herabsteigenden Wurzel- anfängen selbst weiter wächst und so am Grunde noch ganz dünner Stammaxen von wenigen Centimetern Durchmesser einen Halbmesser von 20 em und darüber erlangen kann. Es übertrifft dann die Dicke der Stammaxe um das zwölf- bis fünfzehnfache, ein Verhalten ohne Beispiel bei lebenden Gewächsen. Besonders schwierig ist es, sich eine Vorstellung von dem Ver- halten der Blattansätze diesem Rindenwachsthum gegenüber zu machen. Längsschnitte, namentlich der eines 16 cm langen Stammstückes eines dem Psaronius infaretus nahestehenden Staarsteins im Hofmineralien- cabinet zu Wien, lassen keinen Zweifel darüber, dass der Zusammenhang zwischen den Gefässbündeltheilen des Blattanfangs an der Stammachse 142 Jahres - Bericht und denen der Blattnarbe an der Aussenfläche der noch ganz dünnen Rinde beim Diekenwachsthum dieser letzteren aufgehoben, die Lücke bald durch wohl von allen Seiten zuwachsendes Rindenparenchym aus- gefüllt wird, das dann mit seinen Wurzelanfängen als radial gestrecktes, mauerförmiges Zellgewebe fortwächst. Daraus erklärt sich die anfangs sehr befremdende Erscheinung, dass in der Rindenschicht fast nie nach den Blättern verlaufende Gefässbündel angetroffen werden. Betreffs der systematischen Stellung der Psaronien sieht der Vor- tragende die von ihm früher geltend gemachte Ansicht, dass dieselben baumartige Polypodiaceen gewesen seien, durch die reichen und ausser- ordentlich interessanten Beobachtungen von Grand’ Eury im Kohlenbecken von St. Etienne bestätigt. Die walzenrunde Form der viele Meter langen Stämme, während die Marattiaceen niedrige, verkehrt eirunde Stämme haben; die länglich runden, flachen Blattnarben an der Aussenfläche der oberen Stammtheile ohne jede Spur der ganz eigenthümlichen dicken Blattgrundanhänge der Marattiaceen; die durchgehende Plattenform der Gefässbündel des Stammes und der Blattstiele, während bei den Marat- tiaceen neben wenigen plattenförmigen mehr drehrunde Gefässbündel vorhanden sind — Alles spricht gegen die Vereinigung der Psaronien mit den Marattiaceen. Wenn Grand’ Eury sie nach dem Vorgange von Corda, dem der den Psaronien ganz analoge Bau von Dicksonia Lindeni und Saccoloma adiantoides noch unbekannt war, zu den Marattiaceen zieht, weil sie zu- weilen mit Blättern von Pecopteris, welche Grand’ Eury für Marattiaceen- blätter hält, zusammen gefunden werden, so kann ein, wie Grand’ Eury selbst zugiebt, so schwacher Grund gegen die angeführten gewichtigen Verschiedenheiten nicht ins Gewicht fallen. Das Bild, welches wir uns danach von dem Aussehen der baum- förmigen Psaronien machen müssen, den jetzigen Baumfarnen ähnliche schlanke Stämme, in ziemlicher Höhe schon mit noch in der Rinde ver- borgenen, weiter unten mit einem dieken Geflecht freier Wurzeln um- geben, oben mit grossen länglichrunden Blattnarben mit 1—2 breiten Gefässbündelspuren, an der Spitze mit einer Krone mächtiger, zierlich ge- theilter Blätter, wurde an den Stuppen Grand’ Eury’s veranschaulicht. Herr Geh. Rath Prof. Göppert sprach über gedrehte Stämme bei fossilen Hölzern. In der fünften Sitzung vom 11. März machte der Seeretair die er- freuliche Mittheilung, dass unser eorrespondirendes Mitglied, Herr Ober- stabsarzt Dr. Schröter, bis dahin in Rastatt, vom 1. April ab wieder nach Breslau als Regimentsarzt des Artillerie-Regiments versetzt sei, so wie dass die Herren Prof. Dr. Sadebeeck in Hamburg, Prof. Dr. Ar- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 143 dissone in Mailand, Prof. Dr. Haszlinsky in Eperies und der ver- diente Vicepräses des Karpathen-Vereins, Major v. Döller in Kesmark, als correspondirende Mitglieder unserer Gesellschaft ernannt worden seien. Hierauf hielt Herr Prof. Dr. Körber einen Vortrag über das Microgonidium der Flechten. Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert liess durch den Assistenten am botanischen Garten, Herrn Lakowitz, Querschliffe und Photographien von Medullosa stellata vorlegen, welche sich als eine Cycadee be- stätigt hat. Herr Apotheker Fiek hielt einen Vortrag über die Pflanzengeographie von Schlesien. Derselbe dient als Einleitung zu der im Jahre 1881 in J. U. Kern’s Verlag (Max Müller) zu Breslau erscheinenden Flora von Schlesien preussischen und österreichischen Antheils: unter Mitwirkung von Rudolf v. Uechtritz bearbeitet von Emil Fiek. Eine ausführliche Discussion knüpfte sich an diesen anregenden Vortrag. | Prof. Cohn bemerkt, dass die politische Begrenzung von Preussisch- Schlesien mit der pflanzengeographischen nicht zusammenfalle; schon Wimmer habe sich veranlasst gesehen, auch Oesterreichisch -Schlesien mit einzuschliessen; eine einigermassen natürliche Begrenzung des Gebiets werde jedoch nur erreicht, wenn man alles nach der Oder entwässerte Land einbegreife, so dass also das pflanzengeographische Gebiet von Schlesien mit dem des oberen und mittleren Oderthals zusammenfallen würde; doch sei eine natürliche Grenze nur auf dem linken Oderufer in der Richtung von Nordwest nach Südost vorhanden, wenn man dieselbe mit der Wasserscheide zwischen Elbe (Spree, Iser) und Oder, resp. zwischen Donau (March) und Oder zusammenfallen lasse; auf dem rechten Oderufer gebe die Wasserscheide zwischen Oder und Weichsel (Premza und Prosna) eine natürliche, wenn auch eben nicht charakteristische Landesgrenze; gegen Norden sei die natürliche Grenze durch Aufnahme der niederlausitzer Haide, welche einen dem übrigen Schlesien fremd- artigen Charakter trage, verrückt, und die Begrenzung durch die Wasser- | seheide zwischen Bober und Bartsch im Nordosten nur eine willkürliche, Von den politisch zu Preussisch - Schlesien gerechneten Theilen sei das südlich des Hummel- und Rietschenberges belegene Gebiet von Lewin und Cudowa pflanzengeographisch zu Böhmen gehörig, während das Braunauer Ländchen, eine Encelave des Glätzer Steinethals, offenbar zu Schlesien gerechnet werden müsse, und dasselbe gelte wohl auch von dem oberen Thal der Lausitzer Neisse und der Wittich (Friedland, Lieb- werda, Reichenbere, Zittau), welches durch den Iserkamm, Jäschken und 144 Jahres - Bericht die Lausche von den zum Elbgebiete gehörenden Königreichen Böhmen und Sachsen abgegrenzt sei. Prof. Dr. Stenzel bestreitet das Hereinziehen des oberen Neisse- thals zur Flora von Schlesien und macht auf die durch den Riesen- sebirgskamm gegebene Abgrenzung der Vegetationsgebiete vieler alpiner Pflanzen (Veronica bellidioides, Rubus Chamaemorus, Saxifraga oppositifolia, nivalis u. a.) aufmerksam. Herr Limpricht hebt hervor, dass bei den Moosen die kalklieben- den Arten oft auf ganz scharf begrenzte Stellen, z. B. auf Kalkvorkommen im Urgebirge beschränkt und daher sichere Anzeiger des Kalks seien. Derselbe berichtigt ferner, dass Fimbriaria, Grimaldia, Duvalia und Re- boulia analog den übrigen Marchantiaceen im reifen Zustande einschichtige Kapselwandung besitzen. In der sechsten Sitzung vom 38. April sprach der Secretair über die Flora von Westaustralien. Herr Paul Levy, der Sohn des im Jahre 1872 in Breslau ver- storbenen Prof. M. A. Levy, der sich durch seine orientalischen, insbe- sondere phönizischen Forschungen einen angesehenen Namen in acer Wissenschaft erworben, hat als Theilnehmer eines grossen Pariser Im- porthauses bereits wiederholt Reisen nach überseeischen Ländern und um die Welt gemacht; bei seiner jüngsten Reise während eines zehn- monatlichen Aufenthalts an den Westküsten von Australien, insbesondere in Albany am Kings Georges Sound (Südwestspitze von Australien) am Swan river und in der Sharks Bay, hat derselbe ein Herbar der dortigen Flora gesammelt, welches er mir bei seiner Rückkehr für die Samm- lungen des pflanzenphysiologischen Instituts als Geschenk zu überlassen die Güte hatte. Wir fühlen uns verpflichtet, dem jungen Manne, der von dem lebhaftesten Eifer, der Wissenschaft zu dienen, beseelt ist, an dieser Stelle unsern Dank auszusprechen. Die von Herrn Levy mitgebrachten Pflanzen, über 300 Arten um- fassend, konnten bei der Kürze der Zeit vorläufig erst nach Familien und Gattungen zusammengestellt werden und erwarten noch eine genauere Bestimmung der Arten; sie geben jedoch schon jetzt ein Bild von der Vertheilung der Familien in der dortigen, so überaus reichen und eigen- thümlichen Flora, unter denen die Akazien und die ginsterähnlichen Papi- lionaceen, die Myrtaceen (insbesondere Eucalyptus, Melaleuca, Callistemon) und die Proteaceen überwiegen; nächst ihnen die Compositen, unter denen viele Immortellen, die Gramineen, Cyperaceen, die Campanuli- floren (darunter insbesondere Lobelien, Scaevolen und Stylidien) und die Orchideen, die durch zahlreiche merkwürdige Formen repräsentirt sind; unter den übrigen Familien sind die höchst eigenthümliehen Lilüi- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 145 floren (Xerotes, Dasypogon, Xanthorhoea, Thysanothus, Azygosanthus und andere) und die Epacrideen hervorzuheben; zu erwähnen sind unter anderen auch die Chamaeleucien, mehrere Drosera, ferner Cedrela, Ca- suarina, Callitris, Cycas und andere. Ziemlich zahlreich sind auch euro- päische Unkräuter. Vortragender knüpfte an die Demonstration dieser schönen Samm- lung einige Bemerkungen über den Zusammenhang des Klimas mit dem anatomischen Bau und dem Habitus der Flora. Die Pflanzengeographie beschränkt sich nicht blos auf die statistischen Verhältnisse der jedes Gebiet bewohnenden Pflanzenfamilien und Gattungen, sondern sie hat auch auf die schon von A. v. Humboldt hervorgehobenen Beziehungen des Habitus oder der Physiognomie der Charakterpflanzen Rücksicht zu nehmen; denn während die systematischen Merkmale der Familien und Gattungen hauptsächlich auf den unveränderlichen Bau der Blüthen, Früchte und Samen sich begründen, ist der auf der Gestaltung der Vegetationsorgane (Stämme, Aeste, Blätter) beruhende Habitus für die Pfilanzengeographie gerade darum von besonderer Wichtigkeit, weil der- selbe von der natürlichen Verwandtschaft mehr oder weniger un- abhängig, vorzugsweise von den klimatischen Bedingungen beeinflusst wird; daher finden wir, dass Pflanzen aus ganz verschiedenen Familien einen ganz ähnlichen Habitus besitzen, zur nämlichen Pflanzenform gehören, wenn sie unter den nämlichen Lebensbedingungen erwachsen. Es ist eine Aufgabe der Wissenschaft, nachzuweisen, in wie weit die äussere Gestaltung der Vegetationsorgane, sowie ihr anatomischer Bau von den klimatischen Factoren beeinflusst, resp. diesen angepasst ist; werthvolle Hindeutungen in dieser Richtung enthält bereits Griesebach’s Vegetation der Erde. Ein anschauliches Beispiel giebt die Flora von Australien, wo die Aehnlichkeit aller den Scrub bildenden Holzgewächse mit ihren lederartigen, ungegliederten, schmalen, meist mit der Kante aufwärts gerichteten Blättern und den lebhaft gefärbten, kopfig ge- häuften Blüthen, welche gleichwohl sehr verschiedenen Pflanzenfamilien angehören, von jeher mit dem trockenen, sonnigen Klima in Verbindung gebracht worden ist, welches den ausgebreiteten wasserarmen Steppen dieses Continents zukommt. Aber ähnliche Steppen finden sich auch in anderen Welttheilen, ohne die nämlichen Pflanzenformen hervorzu- bringen. Die Wüsten des tropischen und subtropischen Amerika sind charakterisirt durch die unförmlichen, fleischig-saftigen Caeteen und die Agaveen; die nämliche Pflanzenform ist in den wasserlosen Gebieten der alten Welt innerhalb der heissen Zone durch Euphorbien, Aloe und andere Fettgewächse vertreten; derartige Pflanzen sind offenbar einem Klima angepasst, in welchem nicht blos der Regen in den meisten Monaten fehlt, sondern wo auch der Erdboden vollkommen bis in die Tiefe austrocknet; der völlige Mangel an Blättern vermindert bei ihnen 1880. 10 146 Jahres - Bericht die verdunstende Oberfläche auf ein Minimum, das grüne Parenchym des Stengels übernimmt hier die Thätigkeit der Assimilation und ist durch die starke Entwickelung der Cuticula vor dem Vertrocknen geschützt; solche Pflanzen vertragen gleich den Zwiebelgewächsen gänzlichen Wassermangel längere Zeit, wenn sie auch dabei stetig an Gewicht ab- nehmen und den Ersatz durch periodische reichliche Regengüsse ver- langen. Die Dornensträucher mit verkümmerten Blättern, welche die Wüsten des Orients, Nordafrikas bewohnen, deuten durch ihre furcht- bare Bewaffnung darauf hin, dass sie den Kampf ums Dasein gegen die Heerden grosser Säugethiere zu bestehen haben, welche in der spärlichen Vegetation die minder geschützten Gewächse leicht völlig ausrotten. Die Scrubflora von Australien sucht zwar die übermässige Verdunstung in der trockenen heissen Luft dadurch herabzusetzen, dass die mit dieker Cutieula überzogenen Lederblätter meist nicht die breite Oberfläche, son- dern die scharfe Kante der Sonne entgegenstellen, und dass die Spalt- öffnungen in tiefe, mit Haaren bedeckte Gruben eingesenkt sind; erinnern wir uns aber der Culturbedingungen dieser Gewächse in unseren Gärten, wo sie in besonderen Häusern (Grünhäuser, Neuholländer Häuser) seit langen Jahren gezüchtet werden, so erkennt man bald, dass sie ganz anderen Lebensbedingungen ausgesetzt sind, als die fleischigen Wüsten- gewächse der heissen Zone, Sie ertragen zwar keinen anhaltenden Frost, verlangen aber im Winter nur wenig Grade über Null; dagegen bean- spruchen sie einen besonderen Boden (Haideerde), der arm an mine- ralischen Nährstoffen, aber locker und beweglich, von ihrem zarten Wurzelsystem leicht durchwachsen wird, und der vor allem niemals völlig austrocknen darf. Offenbar finden die Neuholländergewächse in ihrer Heimath ganz ähnliche Bedingungen: bei trockener Luft und voller Sonnenwirkung doch einen Boden, dem das ganze Jahr hindurch durch das Grundwasser stets hinreichende Feuchtigkeit zu- geführt wird, um die Wurzeln vor dem Vertrocknen zu schützen und den Verdunstungsverlust durch die Blätter stetig zu ersetzen. Aehnliche Bedingungen scheinen auch am Cap der guten Hoffnung sehr verbreitet zu sein, wenn auch dort die Wüsten ohne Grundwasser, die nur Zwiebelgewächse und Aloeformen dulden, nicht fehlen. Der Mangel der Dornsträucher in Australien steht offenbar mit der Seltenheit pflanzenfressender Säugethiere in Zusammenhang. Hierauf hielt Herr R. v. Uechtritz einen Vortrag über neue Zugänge zur schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1879. Da diese Novitäten in der „Flora von Schlesien, unter Mitwirkung von R. v. Uechtritz bearbeitet von E. Fiek“, welche binnen Kurzem ausgegeben wird, aufgenommen sind, so kann der Abdruck des Vortrages hier ausfallen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 147 Die zehnte Wanderversammlung der botanischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur fand am 4, Juli zu Trachenberg resp. in dem Fürstlich Hatzfeldt’schen Jagdschlosse Nesigode bei Trachenberg statt. Nach dem Eintreffen der ersten Eisenbahnzüge aus Breslau und Posen wurden die zahlreich erschienenen Freunde der Botanik in einer stattlichen Wagenreihe nach dem Jagdschloss Nesigode gebracht. Die 1'/,stündige Fahrt durch die herrliehen Waldungen auf staubfreier Strasse bot bei dem regenfrischen und dabei warmen Wetter einen erquickenden Naturgenuss. Bei der Ankunft in Nesigode wurde den Botanikern seitens des Grundherrn, Sr. Durehlaucht des Fürsten von Hatzfeldt, der freundlichste Empfang. Die Gäste wurden von dem Fürstlich Hatzfeldt’schen Oberforstmeister und Cameral-Direetor Weisswange in herzlicher Ansprache im Namen des Fürsten willkommen geheissen. Se. Durchlaucht der Fürst Hatzfeldt hatte sich selbst zur Begrüssung der Gäste eingefunden und liess denselben die liebenswürdigste Aufnahme zu Theil werden. Bei dem opulenten Frühstück, bei welchem die Botaniker des Fürsten Gäste waren, brachte der Präses der schlesischen Gesellschaft, Geh. Medicinal- Rath Göppert, einen Toast auf Se. Durchlaucht den Fürsten von Hatzfeldt aus, den Letzterer mit einem Hoch auf Geh. Rath Göppert erwiederte. Die wissenschaftliche Sitzung wurde im Freien auf einem dicht am Jagdschloss liegenden, von mächtigen Buchen eingerahmten und um- schatteten Platze abgehalten und von Geh. Rath Göppert eröffnet. Fürst Hatzfeldt führte dabei den Vorsitz, während als Beisitzer Ober- forstmeister Weisswange, Geh. Rath Römer, Apotheker Fritze- Rybnik, Professor Körber, Professor Stenzel, Forstmeister Guse und Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. Häser fungirten. Zunächst sprach Geh. Rath Göppert über die Araceen, deren neueste Bearbeitung durch Professor Dr. Engler in Kiel durch ihre Aufnahme in den Prodromus von de Candolle eine massgebende Be- deutung erlangt hat, insbesondere über die grössten Aroideen unserer Gärten, die ostasiatische Gattung Amorphophallus, welche sich durch kolossale Formen ihrer Wurzelknollen, Stengel und Blüthen auszeichnet. Die eine Art derselben, Amorphophallus Rivieri, welche von Durieu deMaison- neuve 1861 aus Siam verbreitet wurde, entwickelte sich hier im bota- nischen Garten schon zu wiederholten Malen zu 2 m Kolbenlänge bei 1, m Blüthenlänge und fast 2 m Höhe des palmenwedelähnlichen Blattes. Doppelt an Grösse aller Theile übertrifft ihn der vor 3 Jahren von Beecari auf Ost-Sumatra entdeckte A. (Conophallus) Titanum. Die ersten Mittheilungen Beecari’s über die enormen Grössen -Ver- hältnisse des Amorphophallus Titanum begegneten selbst in Fachkreisen 10% 148 Jahres - Bericht einigem Misstrauen, da die Differenz gegenüber der Grösse, welche die bisher eingeführten Amorphophallus-Arten in der Cultur erreichten, eine gar zu bedeutende war. Im verflossenen Sommer jedoch hatten wir Gelegenheit, direet importirte Knollen von Amorphophallus campanulatus hier zu eultiviren, und zu unserer nicht geringen Freude erzogen wir aus ihnen Pflanzen, deren Riesendimensionen dem Amorphophallus Titanum ebenbürtig zur Seite standen. Die fünf Knollen verdanken wir dem um die Erforschung der Phi- lippinen hochverdienten Dr. A. Schadenberg, welcher sie auf Manila unter seiner Aufsicht ausheben liess und bei seiner Rückkehr nach Breslau unserem Garten geschenkweise übergab. Eine ?/, m breite Blüthe des A. campanulatus mit ihrer wahrhaft barocken, einer gigantischen Morchel ähnlichen Gestalt wurde der Wanderversammlung vorgezeigt. Im Nachstehenden geben wir die Uebersicht der Grössenverhältnisse zwischen hier eultivirten A. Rivieri, den Schadenberg’schen A. campanu- latus und die Beccari’schen Maasse von A. Titanum. Wie schwächend die bisherige Culturmethode auf die Knollenentwiekelung einwirkt, konnten wir an den Schadenberg’schen Knollen sehen, deren grösste am Abschluss der diesjährigen Vegetationsperiode von 13 kg auf 4,25 kg zurück- gegangen ist, also ?/, ihres Gewichtes verloren hat, selbst in dieser Ver- minderung ist sie allerdings immer noch erheblich stärker, als unser srösster A. Rivieri. Amorph. Amorph. | Amorph. Rivieri campanulatus Titanum Dur. Bl. Bece. Gewicht der grössten Knolle... 16 Pfd. 26 Pfd. 150 Pfd. (?) Horizontaler Durchmesser ..... 30 em (11*/,‘) 35 em (134/,*) 44 cm (17°) Verticaler Durchmesser........ 20 cm (8°) 23 cm (9“) — Länge des Blüthenstandes vom Grunde dessStiels bis zur Spitze des SpadizH BI RIO: 1,98 m (6'/,‘)| 50 cm (19) = Länge des Blüthenstiels ....... 1,04m (2'372) || 7 cm (3) 13,50 m ? (11’ 2% ?) Stärke des Blüthenstiels an der Basısı ma ee 6,em (24,0). | 4 em dyE2) 30 em (11?/,“) Grösster Durchmesser der Spatha | 40 cm (151/,“) || 50 em (19) 83 cm (2 7°) Länge der Spatha von der An- | satzstelle bis zum äussersten Zap Re a sen ae 35 cm (131/,) || 46 cm (17°) _ Höhe des ‚Blattstiels........... 1,0 m (8° 2") -2,20.m«(7)) 3,50 m (11° 2% Gesammthöhe des Blattes!)....| 1,25 m (4) 3m’ (9145) — Durchmesser des Blattstiels am Grtnden Ro a 6:cm (2%,“) ‚I 10 cm (3°/,‘) 21 cm (8°) Länge eines jeden der drei Blatt- | ÜBEN ee nee, 0,94 m (3°) || 1,57 m (5% | 3,1 m (9' 10% ') Die Blattäste breiten sich sehr bald horizontal aus, ein schirmförmiges Laubdach bildend. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 149 Eine zweite Vorlage des Geh. Rath Göppert verdanken wir ‚Herrn Apotheker Fritze in Rybnik, der, in der vaterländischen Flora ebenso bewandert, wie in der südlichen, vergangenen Winter in Madeira und Teneriffa zubrachte, auf den glücklichen Gedanken kam, auf Teneriffa nach den Resten des einst durch Humboldt der Welt bekannt gemachten Riesen-Drachenbaumes von 16 m Umfang, eines wahren Weltwunders der Baumwelt, zu forschen, dem leider die gewaltigen, so weit verbreiteten Decemberstürme des Jahres 1869 den Untergang bereiteten. Der ganze Stamm war damals verbrannt worden, doch gelang es dem unermüdlichen Eifer unseres Forschers, durch Nachgrabungen noch ein ansehnliches Stück des untersten Theiles von 2 m Länge und 1 m Breite zu finden, welches er die Güte hatte, dem Vortragenden zu überschieken, und welches fortan unter den Unicaten unseres botanischen Museums eine hervorragende Stelle einnehmen wird. Die rothe Farbe desselben zeugt von dem Reichthum an Harz, welches unter dem Namen Drachenblut bekannt ist. Nicht minder interessant ist die Mittheilung des Herrn Fritze, dass es doch noch wenigstens ein ausser jenem von Humboldt beschriebenen, an 16 m im Umfange messenden Stamm gleiches Exemplar auf Teneriffa bei Ycod giebt. Der durch Luftwurzeln unterhalb sehr verdickte Stamm hat unmittelbar über der Erde 13 m Umfang, 1 m über der Erde 14 m, 2‘/), m noch 10 m. Er befindet sich im Privatbesitz und würde wahr- scheinlich schon längst verschwunden sein, wenn sich nicht ein Engländer seiner angenommen und durch Anwendung eines wahrhaft drastisch romantischen Mittels seine Erhaltung wenigstens bis jetzt bewirkt hätte, was sich hier füglich nicht mittheilen lässt. Im botanischen Garten- Museum wird man das Geschenk des Herrn Fritze finden. Schliesslich sprach Geh. Rath Göppert den persönlich in der Ver- sammlung anwesenden Geschenkgebern, den Herren Apotheker Schaden- berg und Apotheker Fritze, seinen beiden Schülern, den wärmsten Dank für ihre werthvollen Geschenke aus. Ferner legte Geh. Rath Göppert noch ein ihm eingesandtes Werk unseres correspondirenden Mitgliedes, Dr. Purkynje, Professor der Forst- lehranstalt zu Weisswasser in Böhmen, vor, das vom böhmischen Forst- verein vorzugsweise in den Försterhäusern des Waldes errichtete ombro- metrische Netz Böhmens im ersten Jahre seines Bestehens, 1879, begleitet von einer musterhaften, die ombrometrischen Verhältnisse des Landes darstellenden Karte und zahlreichen Beobachtungsfällen von mehreren Hunderten von Stationen, ein Werk, welches ebensoviel Anerkennung verdient als auch zur Nachfolge auffordert. Von Dr. Conwentz, Direetor des Provinzial-Museums westpreussi- scher Stände in Danzig, waren als Gruss an die Versammlung eine Anzahl frischer Salzpflanzen des Ostseestrandes (Cakile maritima, Eryngium mari- timum, Salsola, Senebiera Coronopus, Crambe maritima) eingegangen. Zur Ansicht legte Geh. Rath Göppert ferner eine Anzahl Schliffe fossiler Hölzer, besonders Araucariten und andere der permischen For- mation, vor und sprach über die von ihm bearbeitete Revision seiner Bearbeitung fossiler Coniferen. Im Erscheinen begriffen sind die Tertiär- hölzer, an der Spitze die der Bernsteinformation, denen die in Zeich- nungen (40 Taf. in Qu.) bereits beendigten Hölzer der paläozoischen folgen sollen. Zur Illustration oder auch vielmehr zur Controle dienen mikroskopische, in dem rühmlichst bekannten Institut der Herren Voigt und Hochgesang in Göttingen aus dem vom Geh. Rath Göppert gratis gelieferten Material verarbeitete Schliffe, deren erste an 75 enthaltende Lieferung paläozoischer Hölzer von ihnen bald ausgegeben werden wird. Apotheker Schadenberg zeigte hierauf noch mehrere Photo- graphien mit Ansichten der Philippinen, ferner andere von ihm von seinen Reisen mitgebrachte Gegenstände, Manilahanf, ein Taschentuch aus Ananasfasern, eine Cigarrentasche aus Stuhlrohr (calamus) u. s. w. Ueber die von ihm ausgestellten Amorphophallus machte er selbst noch etwa folgende Mittheilungen: | Die jetzt im botanischen Garten zu Breslau befindliehen Exemplare stammen von der Insel Luzon aus der Umgebung Manilas. In ihrem Vaterlande erscheint die Blüthe im“Mai mit der beginnenden Regenzeit. Der Transport der Knollen, welche ‘/, Jahr unterwegs waren, ist wohl der Grund, dass dieselben erst jetzt zur Blüthe gelangten. Die Blüthen- triebe bildeten sich bereits auf dem Transport, dadurch meist in ver- kümmertem Zustande, und nur der ungemein grossen Fürsorge unseres allverehrten Herrn Geh. Rath Göppert ist es zu danken, dass sie zu so prächtiger Entwickelung gelangten. Die Pflanze selbst ist auf den Phi- lippinen nicht selten, grosse Knollen, wie die von mir mitgebrachten, die ein Gewicht bis ‘/, Ctr. erreichen, gehören auch dort zu den Selten- heiten. Die Lebensdauer der Blüthe währt ca. eine Woche. Vom Auf- blühen bis zum Verwelken entwickelt dieselbe einen aasartigen Geruch, welcher sich von weitem bemerkbar macht. Das erste im Breslauer Garten blühende Exemplar entwickelte diesen Geruch nur während zweier Stunden, als sich die Blüthe entfaltete, es machte sich also bereits hier ein Unterschied geltend, welcher durch klimatische Verhältnisse be- dingt ist. — Ein bis zwei Wochen nach dem Abblühen erscheint der Blatttrieb, bei der grössten mitgebrachten Knolle, welche ich bei dem Orte Sa. Francisco del Monte selbst ausgrub, erreichte er die kolossale Höhe von 18 Fuss bei einer Basis von 4 Zoll. Der bei der Manipulation des Ausgrabens hervortretende Saft des Stengels wie der Knolle überzog bald die Hände mit einem unangenehm feuernden Ausschlage, der sich erst nach zwei Tagen wieder verlor. Der Blatttrieb verschwindet im 150 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 151 November, von welcher Zeit an die Knolle ihre Winterruhe hält, bis zum Wiedererscheinen der Blüthe. Der Stand der Pflanze ist meist im Unterholz, sie liebt Schatten, oft findet man sie unter einzelnstehenden hohen Bäumen. Die Eingeborenen nennen sie Pongapon, durch Waschen ‚beseitigen sie die kaustischen Eigenschaften der Knolle und verspeisen dieselbe, der Stengel dient gekocht als Schweinefutter. Die europäische Colonie in Manila hat mit sehr geringen Ausnahmen keine Kenntniss von der in der Nähe vorkommenden so imposanten Pflanze, welche die Ein- seborenen wohl seit Urzeiten sich nützlich machen. Professor F. Cohn bemerkte, dass die Cultur von Pflanzen in che- mischen Nährlösungen, welche bisher nur zu wissenschaftlichen Zwecken diente, auch für die Praxis benutzt werden kann. Bekanntlich gehen Hyacinthen-Zwiebeln, in Wassergläsern gezüchtet, nach dem Ver- blühen zu Grunde, da die Reservestoffe der Zwiebeln für die Blüthen vollständig verbraucht werden. Vortragender zeigte eine Hyacinthen- Zwiebel, welche seit ihrem Blühen im März mit der wöchentlich er- neuerten Nobbe’schen Nährlösung (Chlorkalium, salpetersaurem Kalk, schwefelsaurer Magnesia, phosphorsaurem Kali) gespeist wird; ihre Blätter sind noch jetzt völlig gesund und kräftig, die Zwiebel ist frisch grün, mit Stärke reich gefüllt. Hierauf zeigte Prof. Cohn einen von den Mechanikern Thomas und Lägel construirten Apparat, welcher es gestattet, die Schnelligkeit des Wachsthums der Pflanzen zu messen; er unterscheidet sich von dem Sachs- schen Zeigerauxometer ausser anderen Modificationen dadurch, dass die Ablesung des Wachsthums nicht an einem Bogensegment, sondern an einem ganzen Metallkreis geschieht, der in ganze und halbe Centi- meter getheilt ist, was die ununterbrochene Fortsetzung der Beobachtung durch beliebig lange Zeiträume gestattet. Die genauere Ablesung geschieht durch einen Nonius. Die wachsende Pflanze wird in bekannter Weise in Verbindung mit einem Zeiger gesetzt, der sichtbar und beständig vor- rückt und das Wachsthum der Pflanze in 50fach grösserem Massstabe angiebt. Wenn man den metallenen Zeiger und den metallenen Kreis mit einem elektrischen Hammer in Verbindung brinst, dessen Strom bei den Theilstrichen unterbrochen wird, so wird das Wachsthum der Pflanze nicht nur für das Auge, sondern auch für das Gehör wahrnehmbar gemacht, und man wird in Zukunft thatsächlich das Gras wachsen hören können. Ferner demonstrirte Professor Cohn mehrere neue, vom Modelleur Grellert für die botanische Modellfabrik von Rob. Brendel in Berlin con- struirte Blüthenmodelle für Schulen von vorzüglicher Ausführung (Vicia, Lamium, Tilia, Syringa, Butomus, Asclepias). Endlich gedachte er der Thatsache, dass die Völker Ostasiens, ins- besondere die Chinesen und Japanesen, eine Menge von pflanzlichen und 152 Jahres-Bericht thierischen Nahrungsmitteln verwenden, die wir nutzlos liegen lassen; sie haben dadurch erreicht, dass diese dicht bevölkertsten Länder der Erde ihre Bewohner seit Jahrhunderten ernähren. Die Zeitungsberichte über ein Diner der chinesischen Gesandtschaft in Berlin haben erst neuer- dings wieder auf die wunderlichen Speisen, die dort zum Vorschein kommen, aufmerksam gemacht. Die Ostasiaten sind die einzigen, welche Pflanzen aus dem Kreise der Algen als Volksnahrungsmittel verwerthen, insbesondere Seetange, das einzige Pflanzenproduct des Meeres. Prof. Cohn demonstrirte Originalpackete des auf dem Markt von Tokio erkauften essbaren Seetang (Gelidium), die ihm von dem verstorbenen Regierungs-Rath Wichura verehrt wurden, sowie die neuerdings auch bei uns in den Handel ge- brachte, aus Seetang dargestellte ÄAlgengelatine, Agar Agar. (Vergl. die Abhandlung von Suringar über Gloiopeltis im Mus&e botanique de Leide Vol. I, Livr. 1—3.) Auch von Dr. Fritz Schneider in Soerabaja bei Java wurde dem Vortragenden eine Alge übersandt, welche auf den dortigen überschwemmten Niederungen knorplige, grüne, schwimmende Häute bildet, die centnerweise als Nahrungsmittel gesammelt werden. Es ist ein Nostoe, von unserem Nostoc commune pellucidum nicht zu unterscheiden. Die ein- zigen Kryptogamen, welche bei uns als Volksnahrungsmittel dienen, die Pilze, sind im Volke so wenig genau bekannt, dass fortdauernd Vergiftungen durch Verwechselungen der giftigen mit essbaren Arten eintreten. Die Zahl der Todesfälle durch Pilze ist vielleicht nicht kleiner, als die durch Triehinen, doch thut die staatliche und Polizeigesetzgebung im Allge- meinen viel zu wenig, um solche Unglücksfälle zu verhüten. Allein im Regierungsbezirk Breslau seien im verflossenen Jahre eine ganze Anzahl Erkrankungen und Todesfälle, verursacht durch den Genuss von Pilzen, zur Kenntniss gekommen; in einem Falle bei Lohe war der Knellen- blätterschwamm die Todesursache. Doch nur selten werde constatirt, welche Pilze eigentlich die Vergiftung veranlasst; für Verbreitung der Kenntniss schädlicher Pilze in den Kreisen des Volkes geschehe nichts. Nur in Breslau werde, Dank der langjährigen Bestrebungen des Geh. Rath Göppert, der Pilzmarkt von Seiten der Polizeibehörde sorgfältig überwacht. Prof. Cohn schloss mit dem von der Versammlung ein- stimmig angenommenen Antrage: Die Wanderversammlung der bota- nischen Section wolle beschliessen, eine Commission im Öffentlichen Interesse zu ernennen, welche die Pilzfrage zum Gegenstand eingehender Untersuchung machen und die geeigneten sanitätspolizeilichen oder ge- setzlichen Massregeln zur Verhütung der Pilzvergiftung beantragen solle. Als Referent der Commission wurde Oberstabsarzt Dr. Schröter, der bekannte Bearbeiter der schlesischen Pilzflora, gewählt. Forstmeister Guse sprach noch den Wunsch aus, dass die Commission alles für die bisher beobachteten Fälle von Pilzvergiftungen gesammelte Material in Rücksicht ziehe. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 153 Herr ÖOberstabsarzt Dr. Schröter sprach über die Methode der Conservirung von Hymenomyceten. Dieselbe muss derart geschehen, dass man den Pilz auch nachher leicht wieder untersuchen kann. Bei Pilz- vergiftungen empfiehlt es sich, den Mageninhalt mit Spiritus versetzt einzuschicken. Für Herbarienzwecke dagegen conservirt man die Hut- pilze einfach durch Trocknen bei nicht zu hoher Temperatur, ohne zu pressen. Von grösseren Pilzen werden nicht zu dicke Schnitte hergestellt, welche die Anfügung der Lamellen an den Stiel und andere Einzelheiten erkennen lassen; das Ganze wird zuerst in Fliesspapier eingeschlagen, nach dem Trocknen in die gewöhnlichen Kapseln von Schreibpapier. Farbe und Gestalt hält sich dabei allerdings nicht besonders, doch bleibt die mikroskopische Beschaffenheit vollkommen erhalten. Zur bequemen Grundlage für eine Zeichnung, die bei den Hutpilzen immer von Wich- tigkeit ist, bedient man sich des Längsschnittes, der auf das Papier ge- lest wiud und dessen Umrisse man zieht. Als sehr praktisches Ver- fahren zum Fixiren der Sporen empfiehlt es sich, auf Fliesspapier durch Hinlegen des Hutes das Sporenbild herzustellen, darauf die Rückseite des Papiers mit ätherischer Mastixlösung zu bestreichen und so das schnelle und feste Anhaften der Sporen zu bewirken. Für gefärbte Sporen wird weisses, für weisse Sporen farbiges oder dunkles Papier ver- wendet. Zeiehnungen von Hutpilzen nebst Sporenbildern derselben werden vom Vortragenden in Menge demonstrirt. Dr. ©. Bänitz-Königsberg legte hierauf einige Nitellen und Charen vor, die er am baltischen Strand im Brackwasser der Ostsee bei Danzig gefunden. Für Chara connivens Salzmann ist dies der einzige in Europa beobachtete, nicht durch Ballast verpflanzte Fundort dieser Species (Westerplatte und Strandsee bei Neufähr). Geh. Rath Göppert machte schliesslich noch Mittheilung über die beste Art und Weise, wie etwa auf Alpenreisen gesammelte lebende Pflanzen zu transportiren, und empfahl als solche die Einpackung der Pflanze in Wachspapier (sehr trockene wie Blüthen noch mit einigen Tropfen Wasser), ein Verfahren, das es möglich macht, dieselbe ohne jedes andere Hilfsmittel durchaus frisch tagelang zu erhalten. Mit einem von Geh. Rath Göppert ausgebrachten und von der Gesellschaft lebhaft begleiteten Hoch auf den Vorsitzenden, den Fürsten Hatzfeldt, wurde gegen 12 Uhr die wissenschaftliche Sitzung ge- schlossen, zu der sich 67 Theilnehmer eingezeichnet hatten. An die Sitzung schloss sich eine Waldexeursion. Auf 25 vom Fürsten Hatzfeldt bereitwilligst mit der erforderlichen Besatzung zur Verfügung gestellten Kähnen fuhren die Botaniker auf der Nesigoder Bartsch durch die herrlichste Waldlandschaft. Mächtige Baumriesen, darunter auch die Pannewitz-Eiche (so getauft zu Ehren des langjährigen Präsidenten des Schlesischen Forstvereius, der im Jahre 1857 seine 154 Jahres - Bericht General-Versammlung in Trachenberg abgehalten), zogen den Blick auf sich. Die reiche Wasserflora bot ausreichenden Stoff für botanische Sammlungen. Die Kähne glitten durch einen Blumenteppich von weissen Nymphaen, Hydrocharis, Stratiotes; Binsen, Pfeilkraut, Schilfrohr und Erlengebüsch, durchwebt von den gelben Blüthen des Ranunculus Lingua, fassten die Fläche ein; die Klänge des Waldhorns und die Lieder einer Sängerbarke hallten durch den einsamen Wald. Am Schlusse der Fahrt wurde die von Milde einst zuerst in Schlesien in dem jetzt verschütteten Teiche am zoologischen Garten in Breslau entdeckte seltene Lenmn«a (Wolffia) arrhiza wiedergefunden, welche von Göppert vor 15 Jahren an derselben Stelle beobachtet worden war. Das Wetter war während der nahezu zweistündisen Wasserfahrt das vortrefflichste. Erst als die Kähne verlassen und wieder mit den zur Heimfahrt nach Trachenberg bereitstehenden Wagen vertauscht waren, öffnete der Himmel seine Schleusen und ergoss sein ergiebiges Nass über die Häupter der Heimkehrenden, denen somit reichliche Gelegenheit geboten ward, das feuchte Element, welches auf der Nesigoder Bartsch zu ihren Füssen dahinfloss, nunmehr während der anderthalbstündigen Wagenfahrt von oben kennen zu lernen. Selbstredend wirkte dieser Zwischenfall in keiner Weise beeinträchtigend auf die treffliche Stim- mung, in der die Botaniker sich zum Festmahle im „Deutschen Hause‘ zu Trachenberg vereinten. Ein vortreffliches Menu wurde von zahl- reichen Toastreden gewürzt. Der erste, vom Präses der Gesellschaft, Geh. Rath Göppert, ausgebrachte Toast galt Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Hatzfeldt. Professor Cohn toastete auf den Oberforstmeister des Fürsten, Professor Weisswange, der sich in liebenswürdigster und ge- schiektester Weise um die Arrangements des festlichen Tages verdient semacht. Weitere Toaste wurden ausgebracht u. A. vom Oberforstmeister Weisswange auf Geh. Rath Göppert, von Letzterem auf Professor Cohn und auf den von Breslau scheidenden Regierungs - Rath Lampe; der Letztere dankt mit einem Hoch auf die botanische Section. Prof. Cohn konnte der Gesellschaft noch von einigen telegraphischen Glückwünschen Mittheilung machen, se waren Telegramme eingegangen vom westpreussischen botanisch-zoologischen Verein in Danzig und vom Garten-Inspeetor Berthold Stein in Innsbruck. Die Abendzüge der Posener Bahn führten die Festtheilnehmer, denen das wunderschöne Fest in froher Erinnerung bleiben wird, in die Heimath zurück. Wir schliessen hieran einen auszüglichen Bericht über einen von Herrn Geh. Rath Göppert am 27. Juli im botanischen Garten vor Mit- gliedern des Gewerbe -Vereins und der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur gehaltenen Vortrag der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 155 über Holzverwüstung unserer Tage und deren Folgen. Zunächst wurde auf die enormen Holzverniehtungen Nordamerikas hingewiesen, wo man systematisch die Wälder niederbrennt, nicht ein- mal rodet, um schnell Culturland zu erlangen; von den 13 Provinzen der Vereinigten Staaten sind ?”/,, namentlich im Westen, ihrer Wälder be- raubt, und in 60-70 Jahren werden sie total entwaldet sein. Aber ‚auch in Europa, und speciell in unserer Heimath, wird die Frage der 'Walderhaltung eine immer brennendere. Deutschland besitze gegen- wärtig noch ziemlich ein Viertel seiner Grundstücke mit Wald bedeckt, aber jährlich werde die Fläche kleiner. Trotz unserer Kohlenvorräthe hätten wir alle Ursache, unsere Wälder für etwas Besseres zu halten, als für eine grosse Brennholzniederlage. Schlesien speciell hänge in einer seiner vitalsten Fragen, in der Oderschiffbarmachung, eng mit der Waldfrage zusammen. Weder die Kettenschifffahrt, noch einer der vielen anderen Pläne, wie Canalisirung mit und ohne Lateralcanal, oder gar der projectirte Oder-Canal werden ausreichend Wasser für ihre Realisation finden, hängen vielmehr in erster Linie von Vermehrung unserer Wälder ab, die leider fast überall nur Verminderung erfahren. Viele unserer Privatwälder fallen der Axt zum Opfer, und nur die Wälder im Besitze des Staates, der Communen und Grossgrundbesitzer werden conservativ verwaltet. Wäre es allgemeiner zur Einsicht gelangt, welchen enormen Einfluss die Wälder auf den Wasserstand der Flüsse haben, man würde jeden einzelnen Baum schonen. Alle grossen Flüsse, namentlich Oder, Elbe, Rhein und Donau, nehmen nachgewiesenermassen seit Anfang des Jahrhunderts constant an Wasser ab, und das sei ganz allein der Wald- verwüstung zuzuschreiben. Nie sei die Natur bewundernswerther und grösser, als im Kleinen, und im Kleinen sehen wir, wie im Grossen das Ganze erhalten wird. Wir ahnen nicht, dass jedes kleine Moos, welches wir zerstören, ein kleines Wasserreservoir sei, und in viel grösserem Massstabe sei dies ein ganzer Wald. Sehr bedauernswerth seien aber Massenabholzungsen, wie z. B. die begonnene Zerstörung der prachtvollen alten Allee zwischen Breslau und Lissa, wo alte, zum Theil riesige, nicht weniger als fast 4000, 80—100 jährige Bäume zwecklos vernichtet wurden. Abgesehen vom Einfluss der Baummassen auf das Klima, seien sie es, welche verhindern, dass fast zwei Drittel des Regens in die unendliche Tiefe verloren gehen. Die Pflanzen, namentlich die tiefwurzelnden Bäume, heben das Wasser gleich Pumpwerken aus der Tiefe zur Oberfläche, er- füllt mit nährenden Bestandtheilen, empor. Entferne man den Wald, so werde der Boden steril und unfruchtbar, man sehe nur nach Palästina, Griechenland, Italien, wo seit Jahrhunderten der Wald verschwunden ist. Enorm sei der Einfluss der winzigen Moose auf die Wasserfrage. Unser Torfmoos (Sphagnum) vermöge das 20fache seines Eigengewichtes an Wasser festzuhalten, daher seien z. B. die Torfmoospolster der Hoch- 156 Jahres - Bericht gebirge die eigentlichen Mütter, und noch mehr, die Regulatoren unserer Quellen. Sie sammeln das Wasser und lassen es tropfenweise nach und nach wieder ab, wie der Vortragende an diesen Moosen zeigte. Fehle aber der schützende Wald, so trockne und sterbe das Moos dahin, das trockene nackte Erdreich werde fortgespült, komme als Sand und Schlamm in unsere Flüsse, deren Bett dadurch erhöht werde, so dass wir ge- zwungen seien, immer kolossalere Uferbauten auszuführen, um nur den Fluss im Bette zu erhalten. Auch unsere Oder bringe stetig mehr Sand und zwinge uns, immer höhere Dämme zu schaffen. Dagegen gebe es nur ein Mittel, und das sei Cultur der Bäume jeder Art und an jedem nur irgend passenden Ort, an welcher Cultur es auch in Schlesien stellenweise sehr fehlt. Gegenüber den baumlosen Flächen und Strassen in Schlesien — wie prächtig präsentiren sich die meisten Dörfer in Mähren, Böhmen und Ungarn, welche förmlich im Grün ihrer ertragreichen Obst- und anderen Nutzbäume sich verlieren. Wo soll für unsere Oder Wasser herkommen, wenn alle Wasserreservoire verschwinden? Im Jahre 1800 besass Schlesien gegen 4000 Teiche, heute kaum 4—500! Das sind Zahlen, die keines Commentars bedürfen. Ohne vermehrte Baumcultur hat die Oderschifffahrt keine Zukunft; eigent- lich überhaupt keine, da sich solche Verluste nicht so bald ersetzen lassen. Oberschlesiens Heil sieht der Vortragende nur in Erleichterung des Eisenbahntransportes und diese nur wieder in Vermehrung der Kohlen- production, die ja für unendliche Zeit noch gesichert erscheint. Man kommt gewiss in nicht gar langer Zeit zu dieser Ansicht und sollte sich jetzt schon hüten, für alle jene unausführbaren Pläne Millionen zu opfern. In der siebenten Sitzung vom 28. October berichtete der Secretair über eine Zuschrift des Magistrats, ob die Gesellschaft geneigt sei, die der St. Maria-Magdalena- Gemeinde gehörigen drei alten Herbarien von Boeconi, Hahn und Haunhold zur Aufbewahrung zu übernehmen? - Das Präsidium hat diese Anfrage bejaht, die Herbarien übernommen und der botanischen Section überwiesen, Prof. Körber, als Custos des Gesellschaftsherbars, legte diese alten Herbarien unter eingehender Besprechung vor. Die Hauptmasse des Bocconi’schen Herbars, welches unstreitig das werthvollste ist, wurde von Sylvius Bocconi, einem jedenfalls nahen Verwandten des be- rühmten italienischen Floristen Paul Bocconi, ums Jahr 1674 hauptsäch- lich im mediterranen Gebiete gesammelt und ist bereits 1726 in Chr. Kundmann’s Promtuarium rer. nat. et artif, wratislawiense erwähnt. Die Pflanzen sind meist gut erhalten, je 3—4 Arten auf einem Bogen auf- geklebt. Das Herbarium Haunold besteht aus zwei grossen Folio- bänden aus dem Jahre 1696, ist aber leider stark zerfressen und ohne der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 157 hervorragenden wissenschaftlichen Werth. Das grosse Hahn’sche Herbar bestand aus 22 Holzkästen in Form grosser Folianten, jeder Kasten ent- hält zwei Fascikel Pflanzen, die Gesammtzahl der Arten betrug 5136, leider sind drei Bände durch Wurmfrass zerstört. Der Sammler war ein Cand. med. Hahn, welcher um das Ende des vorigen Jahrhunderts sammelte. Erhaltung und Ausstattung des Herbars ist gut. Geh. Rath Göppert bemerkte, die meist gute Erhaltung dieser bis 200 Jahre alten Pflanzen sei ein Fingerzeig, dass das Sublimatisiren der Herbarpflanzen überflüssig sei, um so mehr, als das Sublimat ein weiteres Arbeiten mit den imprägnirten Pflanzen unmöglich mache. Oberstabsarzt Schröter constatirte die vorzügliche Wirkung des Schwefelkohlenstoffs zur Verhinderung des Insectenfrasses. Professor F. Cohn erinnerte an die in der Gewerbe-Ausstellung zu Liegnitz im Sommer 1880 ausgestellten, der dortigen Ritterakademie ge- hörigen Herbarien, welche aus dem 17. Jahrhundert stammen und von den letzten Herzögen aus dem Piastenhause angelegt worden sind; sie sind leider schlecht erhalten. Garten-Inspector Stein hatte in Innsbruck Gelegenheit, das sehr gut erhaltene, von 1494 etwa stammende Herbarium Guarinoni zu sehen. Professor Stenzel sprach über doppelte Blumenkronen bei Linaria vulgaris. An den Blumenkronen zahlreicher Stauden von Linaria vulgaris, welche ich Ende August d. J. an dem Ohledamm vor Pirscham bei Breslau gesammelt hatte, fand ich eigenthümliche Anhängsel, welche den Anfang zur Bildung einer äusseren Blumenkrone darstellten. Die Stauden waren ziemlich spärlich, doch im Ganzen regelmässig entwickelt; auch ihre Blüthen zeigten sonst keine Abweichung von der gewöhnlichen Form. Dagegen gingen vom Grunde der Blumenkronröhre, von dem Rande der Oeffnung, mit welchem sie dem Blüthenboden aufsitzt, ganz schmale, fast fadenförmige Blättehen aus, welche bei genauerer Be- trachtung sich jedoch stets flach, also schmal bandförmig zeigten. Am häufigsten trat je eins derselben rechts und links aus der Lücke zwischen zwei Kelchzipfeln hervor, also mit diesen abwechselnd, wie die Zipfel der Blumenkrone; sie waren oft so lang, dass sie gerade aus- gestreckt den Vorderrand der Unterlippe erreicht haben würden, blass- gelb, zart, kahl, kurz in Allem so beschaffen, wie die Blumenkrone. Die der letzteren zugewendete innere Fläche war meist etwas hohl, eine ganz flache Rinne darstellend. Deutlicher trat dies gegen das Ende her- vor, dessen Aussenseite gewölbt, orangefarben, mit feinen abstehenden Härchen dicht besetzt war, ganz wie die Innenfläche des Gaumens der Unterlippe. Selten waren diese Blattstreifen aufrecht, meist nach aussen und unten gebogen. 158 Jahres - Bericht An einigen Blüthen ‚war ein sonst ebenso sebildeter, rechts oder links stehender Anhang; an einer statt desselben nur ein ganz kurzes, lanzettliches, hellgelbes, kahles Blättchen. Nur einmal fand ich am Grunde einer Blumenkrone um ihre untere Oeffnung herum einen Kranz von fünf borstenförmigen, kurzen, weissen Anhängen. Wo die zuerst beschriebenen Anhänge nicht nur am Grunde der Blumenkrone, sondern, was sehr häufig stattfand, mehr oder weniger hoch an der Röhre, nicht selten bis zur halben Höhe derselben ange- wachsen waren, fand ich stets die ihnen zunächst stehenden Staubgefässe mit ihren Fäden gleich hoch an der Innenseite der Röhre hinaufgewachsen — eine sonderbare Wechselbeziehung, welche zu regelmässig auftrat, um nur zufällig zu sein und welche ich doch weder zu erklären, noch ihr etwas Anderes an die Seite zu stellen weiss, als die Ansätze zu einer inneren Blumenkrone, welche ich bei derselben Pflanze schon vier Jahre früher gefunden hatte. Auf einem steinigen Brachfelde zwischen Wurzelsdorf an der Iser und Ober - Polaun waren mir zahlreiche Stauden von Linaria vulgaris durch ihre dicht gedrängten, kurzen, aber üppig entwickelten Blüthen- trauben aufgefallen. Viele Blüthen derselben neigten insofern zur Bil- dung von Pelorien hin, als der Sporn sehr viel kürzer war, wie ge- wöhnlich, indem er oft kaum die Länge der Blumenkronröhre erreichte; ebenso war die Oberlippe weniger hoch nach oben zurückgeschlagen, ja bei den am meisten veränderten Blüthen ganz flach, nach vorn ge- richtet und hier seicht ausgerandet, jeder Lappen etwas eingedrückt, so dass sie von oben gesehen flach vierlappig erschien. In gleichem Schritt mit dieser Umbildung der Oberlippe war die Blumenkrone vorn weiter klaffend, indem auch der gewölbte Gaumen der Unterlippe sich abflachte. Der offene Rachen dieser Blüthen war aber keineswegs leer. Schon wo er nur als ein niedriger Querspalt erschien, traten aus ihm 1—2 schmale, blassgelbe Blättehen hervor, welche bis an die Wölbung der Oberlippe reichten; bei den weiter ge- ' öffneten Blumenkronen erblickte man hier eine ganze Anzahl verschie- dener Anhänge. Schmal-linealische oder lineal-lanzettliche Blättehen sassen nämlich mehreren oder allen Staubfäden seitlich an, bald nur am Grunde, bald bis in die Hälfte, seltener bis nahe unter den Staubbeutel den Fäden angewachsen. Die zwei Blättehen an den kurzen neben der Oberlippe stehenden Staubfäden waren ganz kahl, blassgelb, zart, kurz in Allem von der Beschaffenheit der Kronröhre und der Oberlippe; die einzeln oder zu 2 und 3, ja selbst 4, den langen Staubfäden angewachsenen da- gegen in ihrer unteren Hälfte wohl ähnlich gebildet, nach oben aber gegen das Innere der Blüthe flach vorgewölbt, orangefarben und mit feinen abstechenden Härchen dicht besetzt, also, abgesehen von ihrer der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 159 Gestalt, der Unterlippe ähnlich. Bei den am weitesten vorgeschrittenen Bildungen waren die Anhänge der längeren Staubfäden unten miteinander seitlich verwachsen und bildeten, sich aussen um die Staubfäden herum- ziehend, ein ziemlich breites, nach oben in mehrere schmale Zipfel ge- spaltenes Blattstück. Trotz des steten Zusammenhangs mit den Staubfäden können wir in diesen blattartigen Anhängen doch nur den Anfang zur Bildung einer zweiten und zwar inneren Blumenkrone sehen, welche nicht durch Verbreiterung der Staubfäden entstanden ist, sondern durch eine Spal- tung der eigentlichen Blumenkrone. Freilich muss diese schon früh, bei der ersten Anlage der Blüthe stattgefunden haben, da die an- fangs beschriebenen äusseren Blattstreifen oft nur wenig, die inneren aber meist kaum erkennbar mit der Blumenkrone zusammenhängen. Für diese Auffassung spricht aber die ausgezeichnete Ueberein- stimmung der Beschaffenheit der oberen Anhänge mit der Oberlippe, der unteren mit der Unterlippe; noch mehr die bei Spaltung von Blättern nach der Fläche regelmässig eintretende Erscheinung, dass beide Ab- schnitte einander die gleichartigen Flächen zuwenden, während ebenso die von einander abgewendeten gleichwerthig sind. Nun ist die Unterlippe der Krone bei Linaria vulgaris aussen hohl und kahl, innen gewölbt, orange und behaart; die an ihr aussen stehenden Anhänge sind dementsprechend auf der der Unterlippe zugewendeten Seite gewölbt, orange und fein behaart; die inneren Anhänge dagegen wenden ihre im oberen Theil gewölbte, orangefarbene und behaarte Fläche der Unterlippe zu, ihre Fläche ist dagegen hohl, hellgelb und kahl. Dass endlich diese Bildungen nicht auf die angeführten Oertlich- keiten beschränkt, sondern nur bisher unbeachtet geblieben sind, geht daraus hervor, dass ich selbst schon Aehnliches hier und da beobachtet habe, z. B. ein zwischen die unteren Zipfel eines sonst regelmässigen Kelches eingeschaltetes, andererseits auch mit der Blumenkrone zusam- menhängendes Blättehen, das der Unterlippe ähnlich gebildet, nach unten sogar kurz gespornt war. Ich fand dasselbe an einer der von mir früher beschriebenen (56. Jahresber. der Schles. Ges. für 1878, $. 140 —145) Pflanzen vom Wölfelssrunde in der Grafschaft Glatz. Garten-Inspeetor Stein constatirte, dass durch erheblich veränderte Lebensbedingungen sich an einzelnen Pflanzen Pelorien erziehen lassen, 2. B. an Lamium maculatum und Leonurus Cardiaca, welch’ letzterer in botanischen Gärten fast nie ohne Pelorien sei. Candidat Ansorge leste zwei Fuchsienblüthen mit eigenthümlichen löffelartigen Auswüchsen vor. Apotheker W erner legte durch Spargelkäfer — Orioceris Asparagt — vernichtete Spargel vor. Der Käfer vernichtet bei starkem Auftreten ganze Pflanzungen. 160 Jahres - Bericht Prof. F. Cohn zeigte eine nach Auerswald’schem System her- gestellte Botanisirmappe, Draht mit Holzrahmen, für 4 Mark von Gust. Herzig in Agnetendorf zu beziehen. In der achten Sitzung vom 11. November sprach Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter über die geographische Verbreitung der Pilze. Während früher angenommen wurde, dass die Pilze ohne eigentlich begrenztes Vaterland überall vorkämen, finden sich jetzt, wo man die Verbreitung der einzelnen Arten genauer kennt, eben so scharfe Grenzen, wie bei den Phanerogamen. Einzelne Wanderungen gewisser Arten sind beobachtet, einige Arten auch cosmopolitisch über die ganze Erde ver- breitet, aber die meisten Arten sind an feste Gebiete gebunden; diese Gebiete ihrerseits sind durch bestimmte Arten charakterisirt. In Europa unterscheidet der Vortragende wesentlich drei grosse Pilzreiche, das arktische, das mitteleuropäische und das mediterrane Gebiet, von welchen er diesmal ausschliesslich das arctische Gebiet eingehend bespricht. Relativ am besten durchforscht ist das russische Lappland und zwar durch P. A. Karstens in Helsingfors, der aus Lappland 370 Arten Pilze aufzählt, wovon viele allerdings nur dem südlichen Lappland eigen sind, so dass etwa 300 Arten der arctischen Zone verbleiben. Im schwedischen Lappland beginnt die Reihe der Sammler mit Wahlenberg, dem Lästad, Elias und Th. Fries folgten. Von Spitzbergen kannte man bis Ende der 60er Jahre 10—12 Pilze. Durch die von Th. Fries auf seinen späteren Reisen gesammelten Formen ist ihre Zahl jetzt auf 62 gestiegen, davon 11 auf der unter 75° liegenden Bären-Insel gefunden, während die Fundorte auf Spitzbergen bis zum 80. Grade reichen. Die deutsche Polar-Expedition sammelte Pilze nur zufällig mit anderen Pflanzen auf Ostgrönland; Bonorden und Fuckel fanden unter diesen 21 erkennbare Arten, davon 3 Hutpilze. Von den einzelnen Unterabtheilungen der Pilze sind im arctischen Gebiet die Phycomyceten (Schimmelpilze) nur mit sehr wenigen, die Myxomyceten (Schleimpilze) mit 11 Arten vertreten. Die Ustila- gineen (Brandpilze) zeigen einige charakteristische Arten, z. B. Ustilago vinosa auf Oxyria, U. Candollei auf Polygonum viviparum, U. ambiens auf Gräsern. Die Rostpilze (Uredineen) sind in Lappland mit 52 Arten ver- treten und gehen z. B. auf Weiden und Zwergbirken (Betula nana), so weit überhaupt Vegetation beobachtet ist, nach Norden. Einzelne For- men, wie Dromyces Primulae DC., Puceinia Trollii Karsten, Pucc. Geranü sylvatici Karst. (= Pucc. semi reticulata Fuckel) finden sich ausser in dem hohen Norden nur auf den höheren Gebirgen wieder, Puce. gigantea auf Epilobium angustifolium ist bisher nur im hohen Norden gefunden worden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 161 Von Hutpilzen sind aus Lappland etwa 130 Arten bekannt, aller- dings nicht alle aus dem Norden, aber selbst auf Spitzbergen und bis zur Ostküste Grönlands kommt unser Champignon noch vor, neben ihm zahl- ‚reiche andere essbare Pilze, für das dortige Klima ein Ersatz der Ge- müse; unser Reizker geht bis zum nördlichen Punkte Lapplands und der leuchtend gefärbte Fliegenschwamm tritt als König der Pilze auf. Be- kannt ist die Angabe, dass Lappen und Kamtschadalen aus dem Pilze ein berauschendes Getränk bereiten, weniger bekannt ist Schübler’s Aus- führung, dass die Berserkerwuth der Nordmänner auf den Genuss des Fliegenpilzes zurückzuführen ist, der Ammanitin- Vergiftung bewirkte, etwa dem Delirium tremens entsprechend, in diesem Zustande traten sie ihren Berserkergang an. Von den Scheibenpilzen (Discomyceten) sind in Russisch-Lapp- land 87 Arten gefunden, von denen etwa 60 sicher den Polarkreis über- schreiten; es sind darunter einige nur im höchsten Norden vorkommenden Arten, z. B. drei von Karsten auf dem Miste der wandernden Lemmings entdeckte Ascobolus - Arten (A. hyperboreus, A. lapponicus, A. rufo-palli- dus). Die essbare Lorchel (Gyromitra esculenta) kommt in manchem Jahre in Lappland sehr häufig, Morchella esculenta in Norwegen noch bis Alten (70°), eine Helvella (H. pezizoides Afz.) noch auf Spitzbergen vor. Sehr zahlreich sind die Kernpilze (Pyrenomyceten) im hohen Norden verbreitet. Karsten zählt aus dem nördlichsten Russisch - Lapp- land etwa 70 Arten auf, in Spitzbergen besteht etwa die Hälfte der von dort bekannten Pilze (ca. 30) aus Pyrenomyceten. Sphaerella- und Pleo- spora-Arten reichen in mannigfaltigen Formen bis in den höchsten Norden hinauf und namentlich scheinen Sphaerella Tassiana Not. und Pleospora herbarum am weitesten verbreitet zu sein. Fuckel hebt hervor, dass viele dieser nordischen Kernpilze durch verhältnissmässig sehr grosse Schläuche und Sporen auffallen, „ähnlich, wie dem ersten Besucher der Alpen die grossen Blüthen der meisten Alpenpflanzen auffallen“. Einen Beitrag zur Kenntniss der nordischen Pilzflora konnte Vor- tragender nach Durchsicht der von M. Wichura im Jahre 1856 bei Quickjock in Schwedisch-Lappland gesammelten Pflanzen, an denen sich eine Anzahl parasitischer Pilze fanden, aufstellen; er enthält 58 Arten. Da trotz der Forschungen der obengenannten schwedischen Botaniker über die Pilze des schwedischen Lapplands viel weniger bekannt gemacht ist, als über die von Russisch-Lappland, ist dieser zufällige Befund nicht ohne Interesse gewesen. Ein Theil der hochnordischen Pilze, welcher in den Ebenen und Bergen des mittleren Europas nicht mehr gefunden wird, tritt in den alpinen Regionen der höheren Gebirge wieder auf, dies ist namentlich von einer Reihe von Uredineen und Pyrenomyceten bekannt. Auch auf den Kämmen des schlesischen Riesengebirges finden sich einige dieser 1880. 11 162 Jahres - Bericht Formen, z. B. Uromyces Primulae minimae DC. und Uromyces solidaginis Niessl., letzterer in Schlesien nur auf dem höchsten Kamme des Riesen- gebirges (z. B. Hohes Rad) und dem Gipfel des Glatzer Schneeberges. Bei genauerer Durchforschung wird sich die Zahl der alpinen resp. hoch- nordischen Pilzformen, welche in unserem Gebirge vorkommen, wohl noch vermehren, bemerkenswerth bleibt aber im pflanzengeographischen Interesse, dass einzelne Arten, wie z. B. Puccinia Geranü silvatici und P. Trollii Karsten, die in Lappland und auf den Schweizer Alpen ge- funden worden sind, trotz der grossen allgemeinen Verbreitung ihrer Nährpflanzen, in den zwischenliegenden weiten Landstrichen und so auch auf unseren Bergen nicht angetroffen wurden. Im Anschluss an diesen Vortrag nehmen wir hier die von dem Vor- tragenden eingesendete Abhandlung auf: Ein Beitrag zur Kenntniss der nordischen Pilze. Im Sommer 1856 machte der im Jahre 1866 verstorbene Regierungs- Rath Wichura von Breslau aus eine Reise nach Schwedisch-Lappland, auf welcher er es sich angelegen sein liess, die Vegetationsverhältnisse in jenen hochnordischen Gegenden zu studiren. Wer die anmuthige Schilderung liest, die er in der Flora 1859 von seiner Reise gegeben hat, wird mit Freude der liebenswürdigen Darstellung folgen, durch welche er die von ihm besuchten Orte und die Gegenstände seiner For- schungen mit einem feinen poetischen Schleier umkleidet. *) Die Reise ging von Luleo zu Kahn den Luleo-Elf hinauf. Am 23. Juni wurde bei Jockmock der Polarkreis überschritten. An schäu- mendem Wasserfalle wurde dort die liebliche Calypso borealis gesammelt und deren Anatomie und Entwickelung studirt. Am 27. Juli wurde Quickjock erreicht, das Ziel der Expedition, unter 67° n. Br., 1000 Par. Fuss über dem Meere gelegen. Hier hielt sich W. bis zum 25. August auf. Bei dem Scheine einer nicht untergehenden Sonne sah er, wie unter dem Walten eines sichtlichen Zaubers, die Vegetation eines Sommers in wenigen Wochen heraufsteigen. Bei der Mitternachtssonne ergründete er die Entwickelung der von Professor Cohn entdeckten Stephanosphaera plwvialis, auf zahlreichen Ausflügen wurde der See von Quickjock mit seinen Inseln, die benachbarten Berge Wallibacken, Snjärrack, Njammats und der entfernteren Njunnats besucht, wobei namentlich dem Studium der nordischen Seggen, der Weidenbastarde und der Laubmoose ein- gehende Sorgfalt gewidmet wurde. Auch zwei grössere Ausflüge wurden unternommen. In Begleitung seines Gastfreundes, des Pfarrers, machte *) Ein Ausflug nach Luleo - Lappmarken von M. Wichura. Flora 1859. S. 335—433. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 163 er eine Kirchfahrt nach dem zwei Tagereisen von Quickjock in hoher Berssteppe an den Alka-Bergen (Alkevara) gelegenen, zur kirchlichen Feier aufgeschlagenen Lager der Wander-Lappen. Durch pfadlose Nadel- wälder wurde dann eine zehntägige Reise nach den einsamen Bergseen Wihrijaur und Pollaure unternommen, die, 1788 Par. Fuss hoch, im innersten Gebirge, hart an der norwegischen Grenze, im baumlosen Ge- biet gelegen, von den bis tief herab mit Schnee bedeckten Bergen (Titis, Kjrkewara) des Gebirgsstockes Sulitelma umgeben und von einer ausgesprochen arktischen Vegetation umkränzt sind. Quickjock selbst liest noch innerhalb des Gebietes des Baumwuchses, von ausgedehnten Wäldern von Abies excelsa und Pinus Frieseana Wich. umgeben; die Zahl der um Quickjock gefundenen Phanerogamen (ein- schliesslich 10 von W. hier neu aufgefundenen Arten) beträgt noch 366 Species. Eine reiche Sammlung der von W. auf der Reise gefundenen Pha- nerogamen, Laubmoose und Flechten befindet sich in dem Herbar der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Von Pilzen hat W. nur wenig gesammelt (No. 16—22 des folgenden Verzeichnisses), jedoch habe ich bei Durchsicht der in der Sammlung befindlichen Phanero- gamen auf Blättern und Stengeln von etwa 60 Pflanzenarten, namentlich an älteren abgestorbenen Theilen, welche den Exemplaren anhafteten, eine Anzahl parasitischer Pilze gefunden, so dass ich dadurch die folgen- den 58 Arten für die Umgegend von Quickjock constatiren konnte, Gewiss ist dies nur ein kleiner Bruchtheil der wirklich dort vorkommen- den Pilzarten, doch ist er gegenüber der geringen Zahl von Pilzen, die bisher für die von dem Polarkreise begrenzte nördliche Zone bekannt sind, verhältnissmässig nicht gering, und es finden sich darunter zahl- reiche Arten, .die aus jenen hohen Breiten noch nicht bekannt waren. Dureh Hinzufüguns einiger morphologischer Bemerkungen bei den einzelnen Arten habe ich theilweise Material zur weiteren Kenntniss dieser Formen, theils aber auch die Möglichkeit zur Beriehtigung irriger Bestimmungen bieten wollen: _ Die grösste Zahl der untersuchten Pilze habe ich, wie ich glaube, mit hinreichender Sicherheit zu gut unterschiedenen Arten verweisen können, Für eine kleine Zahl von Sphaeriaceen aus der formenreichen Gruppe der Gattungen Sphaerella, Leptosphaeria und Pleospora habe ich in der mir zugänglichen Litteratur (besonders in den hier massgebenden Schriften von Niessl, Karsten, Fuckel, Saecardo) keine zutreffenden Beschreibungen Sefunden und daher neue Speeciesbezeiehnungen wählen müssen. Es ist darauf wohl kein Gewicht zu legen, möglicherweise sind die Formen doch schon anderweitig-in mir unbekannten Quellen bekannt gemacht worden, möglicherweise ist aber auch der Formenkreis der Arten jener Gattungen grösser, als bei der jetzigen, auf eingehendste Untersuchung L1* 164 Jahres - Bericht der mikroskopischen resp. mikrometrisch bestimmbaren Merkmale ge- richteten Systematik angenommen wird. Vielleicht werden bei einer gereifteren Kenntniss nicht nur diese, sondern auch zahlreiche andere Species der neueren mykologischen Litteratur fallen. Vorläufig erfüllt die beschreibende Botanik ihre Aufgabe, indem sie das vorgefundene Material für die Zwecke weiterer Bearbeitung sichtet und ordnet. Die Zahlen der Maasse beziehen sich (wo andere Bezeichnungen nicht angegeben sind) auf 0,001 mm. Länge und Breite sind im Verhältniss ausgedrückt: Länge : Breite. Verzeichniss der in dem Wichura’schen Herbar zu Breslau aufgefundenen Pilzformen. I. Phyeomycetes. 1) Synchytrium globosum Schröt. Auf Blättern von Valeriana offi- cinalis L. Dauersporen reichlich über die Wurzelblätter und unteren Stengelblätter verstreut, in den Epidermis-Zellen lagernd, ohne Gallenbildung, als gelblichweisse glatte Knötchen vorragend, 80 bis 100 Durchm. Membran gelbbraun, glatt, Inhalt mit reich- lichem farblosen Oele. Quickjock, Anfang Juli 1856. Der nördlichste bisher bekannte Fundort für ein Synehytrium. 2) Peronospora densa Rabh. Auf Blättern von Rhinanthus minor Ehrh. An beiden in der Sammlung enthaltenen Exemplaren finden sich ausgebreitete Rasen auf der Unterseite mehrerer Blätter. Quickjock, 14. Juli 1856. Der Pilz ist in Deutschland bis auf die höchsten Gebirgs- kämme verbreitet und dürfte (vielleicht mit P. parasitica und Cystopus candidus, deren Vorkommen im hohen Norden jedoch noch nicht ausdrücklich constatirt ist) wohl als diejenige Perono- sporee anzusehen sein, welche am weitesten nach Norden vor- dringt. Karsten führt sie aus Lappland nicht an, dagegen beob- achtete er dort P. effusa (Grev.) auf Chenopodium album und Atriplex. II. Ustilaginaceae. 3) Ustilago Hydropiperis (Schum.). In den Blüthen von Polygonum viviparum L. In zwei Aehren, welche der Stock trägt, sind sämmtliche Blüthen befallen. Fruchtknoten kugelig aufgetrieben. Sporen 9 bis 11 Durchm., Membran glatt. Quickjock, 9. Juli 1856. Gehört wohl zu den am weitesten nach Norden verbreiteten Ustilaginaceen, ebenso wie sie auf der gleichen Nährpflanze der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 165 und auf P. Bistorta in Deutschland und der Schweiz bis auf die höchsten Alpenmatten hinaufreicht. Bei Karsten ist ihr Vor- kommen in Lappland nicht erwähnt. 4) Ustilago violacea (Pers.). In den Staubbeuteln von Stellaria gra- minea L. Die von dem Pilze befallenen Exemplare stehen dicht büschelig zusammen, sie sind sämmtlich sehr niedrig geblieben (7”—10 em), die Blumenblätter sind verkürzt, etwa von der halben Länge der Kelchblätter. Durchmesser der Sporen 5—7. Quickjock, 22. Juli 1856. | Von Karsten weder aus Lappland noch aus Finnland ange- geben. 5) Ustilago Caricis (Pers.). In den Früchten von Carex dioica L. In der befallenen Aehre ist nur eine Schlauchfrucht von dem Pilze ergriffen, die übrigen gesund entwickelt. Sporen kugelig, 17—22 Durchm. oder elliptisch 18—24 : 12-—20. Quickjock, 8. Juli 1856. Auch von Karsten aus Lappland angegeben, aber auf anderen Nährpflanzen. 6) Entyloma Calendulae (Oud.). Auf Blättern des Erigeron elon- gatum Ledeb. Der Pilz bildet flache, weisslich verfärbte, oft mit einem dunklen grünen Hofe umgebene, kreisförmige, etwa 2 mm breite Flecke, die gegen das Licht gehalten schwarz erscheinen, die Sporen sind kugelig, 10—12 Durchm., mit gleichmässig dickem, hellselbbraunem Epispor. Quickjock, 17. Juli 1856. (Auch auf einem Exemplare von Erigeron alpinum L., August 1856 bei Rörstad von Cederstrohle gesammelt, findet sich der- selbe Pilz.) In Karsten’s Mye. f. ist der Pilz nicht aufgeführt. Er kommt in den Schweizer Alpen auf verschiedenen Compositen vor und ist jedenfalls auch im hohen Norden weiter verbreitet. IN. =Dredineae. 1) Puccinia (Heteropuccinia) straminis Fuck., siriaeformis West. a. Auf Triticum caninum L., b. auf Anthoxanthum odoratum L., e. auf Avena subcaespitosa Clairv. Auf a. Teleutosporen und Uredosporen auf Blatt und Blatt- scheiden. Telsp. 38-44 : 15—17, Häufehen von der Oberhaut bedeckt. — Auf b. und c. nur Uredo (Uredo rubigo vera DC.), Sporen kugelig oder fast kugelig, 18—22 : 17—20, Membran schwachstachlig, gelblich, mit 4—5 unregelmässig gestellten Keim- 166 Jahres - Bericht poren. Zwischen den Sporen reichliche, bis 70 lange, oben kopf- förmig auf 9—15 erweiterte, hier mit dieker Membran versehene Paraphysen. a. Auf den Njammats, August 1856, b. bei Quickjock, 29. Juni, c. am Tarrajock bei Quickjock, 9. Juli 1856. Karsten erwähnt sie, doch nicht direct aus Lappland. 8) Puce. (Heteropuccinia) silvatica Schröt. Auf Carex rupestris All. Nur Teleutosporen in kleinen rundlichen Polstern. Sporen 35—46 lang, 10—16 breit, Verdickung am Scheitel 8—11 dick, abgerundet, Stiel meist kürzer als das untere Glied. Titir, 7. August 1856. Wahrscheinlich sehr verbreitet. Karsten erwähnt aus Lapp- land P. cariema DC., es bleibt unentschieden, ob er die vorlie- sende gemeint hat oder die echte P. carieina DC. (Auf Carex scordorrhiza Ehrh., von Osterley bei Dannemara, 4. Juni 1856 gesammelt, findet sich derselbe Pilz.) 9) Puce. (Brachypuceinia) Hieracii Schum. Auf Blättern von Hieracium nigrescens Willd. Uredo und Puceinia zusammen in zahlreichen Häufchen auf den Wurzelblättern. Teleutosporen meist 30—35 : 20—22. Zwischen Wihrijaur und Pollaure, 9. August 1856. | Von Karsten erwähnt, doch auf anderer Nährpflanze. 10) Pucc. (Hemipucecinia) Bistortae DC. Auf den Waurzelblättern von Polygonum viwiparum L. i Uredo reichlich, Häufchen zimmetbraun, Sporen 22 : 17—20, stachelig. Teleutosporen sparsam, 20—22 6 18, am Scheitel abgerundet. | Quickjock, 7. Juli 1856. Ist wohl wie auf den deutschen und schweizer Hochgebirgen auch im hohen Norden weit verbreitet. Karsten führt sie als Pucc. Polygom vivipari Karst. aus Lappland auf. 11) Puce. (Micropuceinia) Drabae Schleicher. An Stengeln und Blüthen- stielen von Draba hirta. Der Pilz bildet Auftreibungen und Verkrümmungen in dem oberen Theile des Stengels und der Blüthenstiele, aus denen hell- braunes Sporenpulver durch kleine schlitzförmige Oefinungen vor- bricht, Sporen 27—30 : 17—20, in der Mitte stark eingeschnürt, am Scheitel abgerundet, Membran hellbraun, dieht mit halbkuge- ligen Warzen besetzt. Kirkewara, 8. August 1856. Von Karsten nieht erwähnt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 167 12) Puccinia (Lepitopuceinia?) gigantea Karsten. Auf Blättern und Stengeln von Epilobium: angustifolium L. Der Pilz ist sehr reichlich über Stengel und die Unterseite der Blätter verbreitet, bildet an dem Stengel längliche, an den Blättern rundliche, flach polsterförmige, tiefschwarze, hell um- randete Flecken und verleiht der Pflanze das Ansehen, als ob sie über und über mit 'Tintenflecken besprengt wäre. Die Flecken sind aus einzelnen kleineren Häufchen zusammengesetzt, die nur Teleutosporen enthalten. Diese sind von sehr verschiedener Grösse (83-52 : 11—15), die Membran am Scheitel stark verdickt; sie haben einige Aehnlichkeit mit Puce. Asteris Duby. Njammats, 2. August 1856. Karsten fand diese Puceinia an mehreren Orten in Russisch- Lappland und Nord - Finnland. Sie ist eine der wenigen dem höchsten Norden ausschliesslich angehörigen Uredineen und ist auch auf den Alpen noch nicht gefunden worden. 15) Gymnosporangium juniperinum (L.). Spermogonien auf den Blättern von Sorbus Aucuparia L. Spermogonien zu d&—5 in etwa nur 1 mm braunen gelbrothen Flecken sehr reichlich über die Oberseite der Blätter verstreut. Lastak, 21. Juli 1856. Auch von Karsten aus dem ganzen Gebiet seiner Flora auf- geführt. 14) Pucciniastrum pustulatum (Pers.). Auf Blättern von Epilobium palustre L. Auf mehreren in der W.’schen Sammlung enthaltenen Exem- plaren finden sich an der Unterseite der Blätter reichlich die pustel- förmigen, von einem Pseudoperidium eingeschlossenen Uredo- Häufchen. Teleutosporen sind noch nicht ausgebildet. Quickjock, Ende Juli 1856. Karsten erwähnt nur das Vorkommen des Pilzes auf Epilobium angustifolum in Finnland. 15) Pucciniasirum Pirolae (Mart.). Auf Blättern a. von Pirola se- cunda L., b. von Pirola minor L. Die pustelförmig von einem Pseudoperidium eingeschlossenen Uredo-Häufchen stehen in kleinen Gruppen zu 3—5 genähert reichlich über die Unterseite der Blätter verstreut. Bau der Pusteln und Sporen ganz ähnlich wie bei dem Pilze auf Epi- lobien. Teleutosporen waren nicht zu bemerken. a. Wallibacken, 14. August 1856. b. Quickjock, 22. Juli 1856. Auch Karsten erwähnt das Vorkommen dieses Pilzes im höchsten Norden von Russisch-Lappland. 168 Jahres - Bericht [Caeoma luminatum (Schweiniz). Auf den Blättern von Rubus saxalılıs L. Diese eisenthümliche Uredinee findet sich über die Rückseite der Blätter verbreitet, so dass fast die ganze Blattfläche bedeckt ist, die einzelnen Häufchen nur durch die Blattnerven geschieden. Der junge Pilz treibt die Oberhaut blasenförmig auf, durehbricht sie dann und bildet breite Polster, von der Oberhaut umgeben, aber ohne eigentliches Peridium. Dannemara, 3. Juni 1856. Karsten zieht sie als Aeeidium-Form zu Phragmidium bulbosum (Strauss), jedoch ohne Begründung.] IV. Basidiomycetes. Hymenomycetes. 16) Clavaria Ligula Schaeff. Die Exemplare sind auf Zweigen und Nadeln von Picea ex- celsa Lk. aufsitzend. In dem W.’schen Herbar lappländischer Flechten mit No. 20 be- zeichnet, ohne Angabe des Fundortes. Von Karsten nur aus Finnland angeführt. 17) Clavaria Botrytes Pers. Durchschnitte eines kleinen, etwa 3 cm hohen und breiten Exemplars. In dem W.’schen Herbar lappländischer Flechten mit No. 10 be- zeichnet, ohne Angabe des Fundortes. Von Karsten nur aus Finnland angeführt. 18) Stereum ruaosum (Pers.). Im W.’schen Herbar lappländischer Flechten ohne Bezeichnung des Fundortes unter No. 96. Von Karsten als durch ganz Lappland verbreitet aufgeführt. 19) Stereum hirsutum (Willd.). Im W.’schen Herbar lappländischer Flechten No. 56. Von Karsten als durch das ganze Gebiet seiner Flora sehr häufig angeführt. 20) Polyporus ferruginosus Schrad. Fragment eines Fruchtträgers, etwa 5 cm lang, 2 cm breit, rostbraun, an der aufgewachsenen Stelle fast gelbbraun. Röhrchen fast 1 cm lang, Poren ungleich, eckig, ziemlich weit, Mündungen zahnförmig vorgezogen, zerschlitzt, so dass der Pilz stellenweise fast einem Irpex gleicht. Im W.’schen Herbar lappländischer Flechten ohne Angabe des Stand- ortes. Von Karsten aus Finnland aufgeführt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 169 21) Hygrophorus conicus (Scop.). Zwei im Ganzen gut erhaltene Exemplare, grösstentheils in der für die Species bezeichnenden Weise beim Trocknen schwarz geworden. Am Stiele sind die grobfaserigen, stellenweise gelb- gebliebenen Hyphen charakteristisch. Sporen noch deutlich, lang elliptisch, farblos. Im W.’schen Herbar lappländischer Flechten mit No. 19 bezeichnet ohne Angabe des Fundortes. Von Karsten nur aus Finnland angeführt. V. Aseomycetes. a. Discomycetes. 22) Peziza coccinea Jacg. Zwei etwas stark zerfressene Exemplare. Scheibe noch röthlich schimmernd, Aussenfläche weissfilzig. Schläuche 17—20 mm breit, Sporen lang elliptisch, oft eylindrisch elliptisch, 26—33 : 12—15. Paraphysen fadenförmig, 1 breit. Im 'W.’schen Herbar lappländischer Flechten unter No. 35, ohne An- gabe des Fundortes. Von Karsten nur von einem Standorte aus Finnland auf- geführt. 23) Mollisia junciseda Karsten. Auf Blättern von Eriophorum russeo- lum Pr. Becher sehr klein, etwa 0,2 mm breit, flach aufsitzend, trocken zusammenseschrumpft, schwärzlich. Schläuche eylindrisch-ellip- tisch, 55—66 : 13—15, 8sporig. Sporen spindelig-stäbchenförmig, 28—35:2—3, farblos, Inhalt gewöhnlich mehrtheilig. Para- physen fadenförmig. Am See Polaure, 6. August 1856. Von Karsten in Finnland auf Binsen gefunden. 24) Trochila junciseda (Karsten?). Auf Halmen von Juncus arcticus Willd. Gesellig über einen grossen Theil des Halmes verbreitet. Becher etwa 0,2—0,3 mm breit, ganz eingesenkt, beim Anfeuchten nicht hervortretend, schwärzlich. Schläuche fast ceylindrisch, 50—-55 : 10, 8sporig. Sporen stäbchenförmig, 33—35 : 2,9—3, oben oft etwas breiter. Inhalt in der Mitte meist mit einer Scheidewand. Paraphysen fadenförmig, 1 mm breit. — In seinen mikroskopischen Verhältnissen der vorigen fast ganz gleich. Vielleicht ist es 'nur von der Beschaffenheit der Nährpflanze bedingt, ob die Becher aus der Oberhaut vortreten oder von ihr bedeckt bleiben, es würde dann ein so erheblicher Unterschied 170 Jahres - Bericht einzelner Mollisia- Arten (Niptera), die zu den Pezizeen, und Trochila-Arten (Naevia), die zu den Stietideen gerechnet werden, nicht bestehen. Am See Pollaure, 6. August 1856. Vielleicht identisch mit der von Karsten in Finnland gefun- denen Mollisia juncinella * junciseda K. 25) Trochila ignobilis Karsten. Auf alten Blättern von Carex rigida Good. Becher gesellig, etwa 0,35—0,4 mm breit. Schläuche keulen- förmig, kurz gestielt, unterhalb der Spitze gewöhnlich etwas ein- geschnürt, 595 —65 : 10— 12. Sporen schief 2reihig, elliptisch- spindelförmig, 14—15:3—-4. Inhalt gewöhnlich mehrtheilig, farblos. Paraphysen reichlich, nach der Spitze schwach keulen- förmig verdickt, 2—2,5 breit. ' Snjärrack, 30. Juli, Pollaure, 10. August 1856. Karsten fand den Pilz in Finnland. Er sagt, dass derselbe mit gleichem Rechte zu Trochila und zu Mollisia gerechnet werden könnte, was für meine vorher geäusserte Vermutkung spricht. 26) Trochila melatephra (Lasch.). Auf alten Blättern von Kobresia scirpina Willd. Becher gesellig an der abgestorbenen Spitze der Blätter unter der Oberhaut sitzend, oft fast vollständig vortretend, sehr klein, etwa 0,2 mm breit, schwärzlich. Schläuche länglich - elliptisch, 50—55 : 10—13, sitzend, Ssporig. Sporen geballt, spindelförmig, an beiden Enden scharf zugespitzt, oft etwas gekrümmt, 20: 2,5 bis 3,5. Paraphysen zahlreich, fadenförmig, etwa 2 breit. Pollaure, 6. August 1856. Von Karsten in Finnland auf Acorus gefunden. IWohl derselbe Pilz findet sich auf Juncus balticus Willd. Becher gesellig, reichlieh über die Halme verbreitet, von der Oberhaut bedeckt, diese vorwölbend, mit der Scheibe vorbrechend, die von dem schwärzlichen, an den Rändern unregelmässig zer- schlitzten Exeipulum ringförmig umgeben ist. Schläuche elliptisch keulenförmig, 44—50 : S—10, sitzend. Sporen 10—13 : 3,9—4, farblos. Paraphysen fadenförmig. Rönstad, August 1856, von Cederstrahle gesammelt.] 27) Trochila diminuens Karsten. Auf Blättern von a. Carex capitata L., b. Carex sparsiflora Fr., c. Carex rariflora Sm., d. Carex lago- pina Wibg. Becher etwa 0,2—0,3 mm breit, unter der Oberhaut gebildet, welche von dem reifen Pilze meist deckelartig abgehoben wird. Schläuche bis 66 mm lang, 13 mm breit. Sporen 18—22 : 2—3, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 171 spindelförmig. Paraphysen die Schläuche überragend, unten faden- förmig, oben zu einer lanzettlichen oder spindelförmigen, 5—6 mm breiten Keule erweitert. — Ein durch die Gestalt dieser Para- physen sehr scharf charakterisirter Pilz. a. Wallibacken, 25. Juli, b. Quickjock, 31. Juli, ce. Kirkewara 8. August, d. Snjärrack, 23. August 1856. Von Karsten nur in Finnland auf Carex elongata aufgefunden, ich fand ihn auf derselben Nährpflanze bei Rastatt in Baden, es ist also ein sehr weit verbreiteter Pilz. 28) Trochila macrospora Karsien. Auf alten Blättern von Carex vesicaria L. Becher 0,5 mm breit, fast ganz vorbrechend, Scheiben gelb- braun. Schläuche knotenförmig, nach unten von der Mitte an gleichmässig verschmälert, am Scheitel abgerundet, 70—73 : 9—12. Sporen spindelförmig, auf einer Seite abgeflacht, 33—40 : 5—6, farblos, Inhalt gewöhnlich in 4—6 Theile getheilt. Pharaphysen oben keulenförmis, bis 5 mm dick, am Scheitel abgerundet. Snjärrack, Ende August 1856. Von Karsten auf derselben Nährpflanze in Finnland gefunden. 29) Trochila phacidioides Fr. Auf alten Blättern von Arctostaphylos alpina L. Schlecht entwickelte Früchte ohne Sporen, reichlich über die Blattfläche verstreut. Snjärrack, 15. Juli 1856. Auf alten Blättern von Diapensia lapponica L., von demselben Standort ähnliche ebenfalls sporenlose Fruchtkörper. 30) Phacidium ? sp. Auf Blättern von Phyllodoce coerulea Salisb. Auf der Blattoberseite vergilbter, zwischen noch lebhaft grünen stehender Blätter finden sich kreisförmige, 0,5—0,6 mm breite, flach gewölbte, beim Eintrocknen zusammengefallene pechschwarze Flecke, die einem unreifen Phacidium ähnlich sehen. Sporen oder Schläuche sind daran nicht nachzuweisen. Wallibacken, 28. Juni 1856. 31) Rhytisma Andromedae (Pers... Auf Blättern von Andromeda pohfolia L. Fast ein ganzes Blatt einnehmend. Jockmock, 16, Juni 1856. Auch von Karsten aus Russisch-Lappland angeführt. 82) Lophodermium arundinaceum (Schrad.). AufBlättern von Hie- rochloe borealis R. et L. Perithecien reichlich über das Blatt zerstreut, nicht auf be- srenzte Flecken zusammengestellt, lanzettlich mit spitzen Enden, 172 Jahres-Bericht etwa 0,5—0,6 mm lang, 0,25—0,3 mm breit. Schläuche eylin- drisch-keulenförmig, unten etwas verschmälert, am Scheitel zu- gespitzt, 75—90 : 12—13. Sporen von der Länge der Schläuche, 2 diek. Paraphysen oben gerade. Quickjock, 7. Juli 1856. Von Karsten als im ganzen Geblet seiner Flora häufig auf- geführt, doch auf anderen Nährpflanzen. 35) Lophodermium caricinum (Rob.). An Blattscheiden von Carex lagopina Wibg. Perithecien elliptisch, etwa 0,4 : 0,2 mm. Snjärrack, 23. August 1856. Von Karsten nicht aufgeführt. 34) Lophodermium maculare De Not. Auf alten Blättern von Vaecı- nium uliginosum L. Peritheeien breit elliptisch, dem kreisförmigen sich nähernd, 0,25—0,3 : 0,19—0,2 mm. Quickjock, 12. und 22. Juli 1856. Von Karsten als häufig aufgeführt, ob in Lappland, ist nicht speeiell erwähnt. b. Pyrenomycetes. 35) Sphaerella Tassiana (De Not). a. Auf dürren Blättern von Hierochloe borealis R. et L. Perithecien heerdenweise über einen grossen Theil des Blattes zerstreut, etwa 0,3 mm breit, mit kegelförmiger Mündung vor- ragend, schwarz. Schläuche etwa zu 10 in einem Perithceium, büschelig, kurz gestielt, sackförmig, 66—80 : 22—25, im untersten Drittel am breitesten, Scheitel flach abgerundet, $sporig. Sporen im oberen Theile 1—2reihig, unten mehrreihig, länglich-eiförmig, an beiden Enden abgerundet, 22 : 7—8, etwas über der Mitte mit Scheidewand, hier nicht eingeschnürt. b. Auf den Blättern von Avena subspicata (L.), e. den von Poa alpına L. Beide ganz gleich der Form auf Hierochloe, bei e. Peritherien oft sehr dicht stehend, fast zu schwarzen Krusten zusammen- fliessend. d. Auf dürren Blättern und Stengeln von Silene acaulis L., e. Silene alpina L., f. Alsine biflora Wg., g. Draba Wahlenbergii Laest., h. Carex rupestris All. Perithecium 80—150, Schläuche 55—70 : 22—24. Sporen 17—23 : 5,5—7, in ihrer Gestalt der Form auf Gräsern gleich. a. Quickjock, 7. Juli, b. Kirkevara, 8. August, e. Quickjock, 14. Juli, d. Tarrajack, 9. Juli, e. am Fusse des Nunjats, 9. Juli, f. Walli- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 173 backen, 16. Juli, g. Laestadi-Stenar, 11. August, h. Titir, 7. August 1856. Jedenfalls eine der im hohen Norden am weitesten verbrei- teten Formen. Karsten führt sie aus Finnland und Spitzbergen von zahlreichen Nährpflanzen an. 86) Sphaerella Wichuriana n. sp. Auf alten Blättern von a. Carex rupestris All., b. Carex microglochin Wg. Perithecien gesellig, ganz eingesenkt, mit blossem Auge kaum erkennbar, kugelis, 50 — 65 Durchmesser, Wandung glatt, dünn, aus grossen Zellen gebildet, Mündung nicht wahrnehmbar. Schläuche in sehr geringer Zahl im Perithecium, eiförmig, 22 bis 26 : 14—16, vollkommen stiellos, 8sporig. Sporen geballt, spindel- förmig, 11—13 : 3—3,5, farblos, in der Mitte mit einer Scheide- wand, nicht eingeschnürt. Paraphysen nicht vorhanden. a. Njunnats, 9. Juli, b. See Pollaure, 6. August 1856. ec. An Zweigen von Andromeda polifolia L. Unter der Oberhaut verborgen, Perithecien etwas grösser, 66— 80 Durchm. Schläuche 22—26 : 11— 14. Sporen 9 bis 11: 3—4, elliptisch spindelförmig. Jockmock, 16. Juni 1856. Aehnelt in der Beschaffenheit der Schläuche und der Peri- thecien fast Micropeltis, doch zeigt das Gefüge der Perithecien- wand nicht die strahlige Anordnung, wie in dieser Gattung. 87) Sphaerella inconspicua n. sp. An alten Fruchtstielen von An- dromeda tetragona L. Peritheeien etwa 60 — 90 Durchm., kugelig, wenig vor- ragend. Schläuche elliptisch eylindrisch, 40—50 : 15—16, rost- schwarz. Sporen 2reihig, ei-keulenförmis, 16—19 : 5—5,5, in der Mitte mit Scheidewand, obere Hälfte etwas breiter, untere nach unten verschmälert. _ Quickjock und Alkavara, 25. Juli 1856. 38) Sphaerella Vaccinii Cooke. Auf einem dürren Blatte von Vaeccei- nium Myriillus L. Schläuche noch nicht reif. Snjärrack, 30. Juli 1856. Auch von Karsten, ohne Angabe des Gebiets, aufgeführt. 39) Sphaerella saxatilis n. sp. Auf alten Blättern von Carex saxa- tilis L. Perithecien zerstreut, kugelig, 66—75 Durchmesser, ganz eingesenkt, mit undeutlicher und flacher Mündung, Wandungen 174 Jahres-Bericht dünn, braun. Schläuche büschelig, spärlich, ei-sackförmig, unter- halb der Mitte am breitesten, 30—35 : 15—17, 8sporig. Sporen geballt, spindelförmig, 17—20 :4—5, in der Mitte mit Scheide- wand, nicht eingeschnürt. [Leptiosphaeria cladophila n. sp. Auf lebenden Zweigen von Ribes alpinum L. Perithecien gesellis, unter der Oberhaut nistend, kugeligs, 150 bis 200 mm Durchm., zusammenfallend, mit flacher, vortretender Mündung, Wandung braun, dünn, kleinzellig.. Schläuche sehr zahlreich (100 und mehr) im Perithecium, eylindrisch, seltener eylindrisch - keulenförmig, 44—57 : 9—11, unten in einen sehr kurzen, dieken Stiel verschmälert, &8sporig. Sporen Z2reihig, spindelförmig, 20—22 : 3,5—4,5, gerade oder schwach gebogen, an den Enden stumpf, 4zellis, an den Scheidewänden nicht ein- geschnürt, grünlich - braun. Paraphysen sehr zahlreich, faden- förmig. | Gottsunda bei Upsala, 2. Juni 1856.] 40) Leptosphaeria culmorum Auersw. Auf a. Carex saxatilis L., b. Carex vesicaria L., e. Eriophorum angustifolium. Perithecien zerstreut, kugelig, mit kleiner, kegelförmiger Mündung vorragend, 0,16—0,2 mm breit, dünnhäutig. Schläuche elliptisch-keulenförmig, im unteren Theile in einen kurzen Stiel verschmälert, oft gebogen, 70—90 : 17—22, $Ssporig. Sporen schief 2reihig, spindelförmig, einseitig abgeflacht (kahnförmig), 26—31:7—9, durch drei Querscheidewände Azellig, an den Scheidewänden nicht eingeschnürt, zweite Zelle manchmal sehr schwach vorragend, Membran hellbraun. Paraphysen reichlich, fadenförmie. a. Alkewara, 28. Juli, und Kirkewara, 8. August, b. Snjärrack, Ende August, e. Njammats, 29. Juni 1856. 41) Leptosphaeria microscopica Karsten. Auf abgestorbenen Blättern von Carex pedata. Perithecien gesellig, sehr klein, etwa 0,15 mm Durchmesser, ganz eingesenkt, kugelig, dünnhäutig. Schläuche eylindrisch-keulen- förmig, kurz gestielt, 90— 100 : 13 —15, Ssporig. Sporen un- ordentlich 2reihig, elliptisch, einseitig abgeflacht, an den Enden abgerundet und wenig verschmälert, durch drei Querscheidewände 4theilig, in der Mitte eingeschnürt, 16 —22:7—9. Membran dunkelkastanienbraun, Am See Pollaure, 6. und 10. August 1856. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 175 42) Leptosphaeria Silenes acaulis De Not. Auf alten Blättern von Silene acaulis L. Schläuche fast elliptisch oder eylindrisch-elliptisch, 55—60 : 13, kurz und schief gestielt. Sporen 2reihig, spindelförmig, leicht gebogen oder einseitig abgeflacht, 50—35 : 6—6,5, durch drei Querscheidewände 4zellig, in der Mitte schwach eingeschnürt, sehr hell bräunlichgrün. Wallibacken, 16. Juli 1856. Von Karsten aus Lappland und Finnland nicht erwähnt, wohl aber in Spitzbergen gefunden. 45) Lepiosphaeria caricis n. sp. Auf alten Blättern von Carex sparsiflora Pr. Perithecien zerstreut, ganz eingesenkt, sehr klein, kugelig, 0,08—0,6 mm breit, dünnwandig, mit flacher oder schwach kegel- förmiger Mündung. Schläuche schmal eylindrisch -keulenförmig, untere Hälfte in einen kurzen Stiel verschmälert, 45—55 : 10—12, Ssporig. Sporen 2reihig, schmal spindelförmig, oft gekrümmt, 25— 580 : 4—4,5, gewöhnlich durch fünf Querscheidewände 6 zellig, dritte Zelle etwas breiter. Membran hell gelbbraun. Snjärrack, 30. Juli 1856. 44) Pleospora Wichuriana n. sp. Auf abgestorbenen Blättern von Carex rupestris All. Perithecien eingesenkt, nur mit dem Scheitel vortretend, kugelig, 100—110 breit, schwarz, am Scheitel abgerundet, hier mit wenigen (ö—6) steifen, bis 70 langen, unten 8— 10 breiten, am Scheitel stumpfen, geraden Borsten besetzt. Schläuche fast elliptisch, kurzgestielt, 40 —50 : 15, Ssporig. Sporen 2reihig, elliptisch, nach den abgerundeten Enden wenig verschmälert, mit meist 5 schwachen Quer- und I—2 schwachen, aber deutlichen Längsscheidewänden, 14—17:6—7. Membran gelbbraun. Para- physen undeutlich. Titir, 7. August 1856. Steht auf der Grenze zwischen Leptosphaeria und Pleospora. Durch die Kleinheit der Sporen von allen mir bekannten Pleo- spora-Arten sehr verschieden. 45) Pl. coronata Niessl. Auf alten Blättern von Erigeron uniflorus L. Peritheeien zerstreut, 0,2—0,3 mm breit, mit vorragenden, vorn schwarzen, pinselförmig gestellten Borsten, gekrümmten Mündungen. Schläuche 60—100 : 22—24. Sporen 2reihig, 22 bis 25:8 — 13, mit 5—7 Querwänden, Membran dunkel kastanien- braun, fast undurchsichtig. Wallikorso, 16. Juli 1856. 176 Jahres - Bericht | 46) Pl. hispida Niessl. Auf abgestorbenen Stengeln von Pedicularis Jlammea. Perithecien gesellig, etwas entferntstehend, hervorbrechend und zuletzt ganz frei, etwa 0,5—0,4 mm breit, mit abstehenden, bis 0,5 mm langen, scheidewandlosen, unten 7 mm dicken, schwarzen Borsten überall dicht besetzt. Schläuche eylindrisch- elliptisch, 88—95 : 20—22, seltener keulenförmig, bis 110 mm lang, kurz gestielt. Sporen 2reihig, elliptisch, 22—26 : 9—12, in der Mitte etwas zusammengeschnürt, mit 6 —7 Querscheide- wänden. Wirikjaur, Ende Juli, und Pollaure, 6. August 1856. 47) Pl. Drabae n. sp. Auf a. abgestorbenen Stengeln und Blättern von Draba hirta L., b. Draba nivalis Litjeb. Perithecien etwa 0,5 mm breit, am Grunde mit kriechenden braunen Haaren, sonst kahl, niedergedrückt, mit papillenförmiger Mündung. Schläuche eylindrisch-keulenförmig,' nach unten etwas verschmälert, kurz gestielt, 60—75 : 13—17. Sporen 2reihig, elliptisch, 16—20 : 7—9, durch 5—7 Quer- und 2—3 Längs- scheidewände mauerförmig. Membran dunkel kastanienbraun. a. Njumats korso, 18. Juli, b. Wallistroso, 16. Juli, und Kirkewara, 8. August 1856. 48) Pl. herbarum (Pers.). Auf abgestorbenen Stengeln von Ozxytropis lapponica Gaud. Sporen 26—30 : 10—12, mit 7 Querscheidewänden. Membran dunkel kastanienbraun. Pollaure, Ende Juli 1856. Pl. macrospora n. sp. An abgestorbenen Blättern von Hierochloe alpina Roem. Peritheeien gesellig, aber etwas entferntstehend über eine weite Strecke des Blattes verstreut, etwa 0,25—0,3 mm breit, niedergedrückt, schwarz, glatt und kahl, durch die Oberhaut durch- schimmernd, Mündung klein, papillenförmig. Schläuche eylindrisch- keulenförmig, nach unten verdünnt, kurz gestielt, 150—170 : 24 bis 26, 4 oder Ssporig. Sporen schief 1reihig, elliptisch, die zu vier im Schlauche lagernden meist 33—40 (einzelne bis 48) : 13 bis 17, die zu acht im Schlauche gebildeten 30—33 : 9—10, mit drei Querscheidewänden, die beiden mittleren Fächer oder auch nur eines derselben durch eine Längswand getheilt. Membran hell gelbbraun. Torne-Trask in Luleo, Lappmark (68°20° n. Br.), von Trister et Byonstrom ges. im Herbarium Wichura. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 777 49) Gnomonia Chamaemori (Fr). Auf Rubus Chamaemorus. Sporen meist 12—14 : 2,5—3. Wallibacken, 11. Juli 1856. Auch von Karsten aus Finnland und Russisch-Lappland auf- . geführt. 50) Gibbera Vaccinii (Sowerby). Auf einem Stengel von Vaccinium Vitis Idaea L. Jockmock, 25. Juni 1856. Von Karsten nur aus dem südlichen und mittleren Lappland aufgeführt. 51) Neetria sp. Auf Polyporus ferruginosus Schrad. Die vereinzelt stehenden scharlachrothen Perithecien enthalten keine reifen Schläuche, so dass die Species nicht sicher zu be- stimmen ist. Der Lebensweise nach ist zu vermuthen, dass es Nectria cosmariospora Not. et Ces. ist. Fundort nicht angegeben. Anhang: Sphaeropsideae. Dematieae. 52) Septoria Galeopsidis (Lasch.). Auf Blättern von Galeopsis versi- color Curt., welche zu Quickjock unter der Gerste als Unkraut wuchs. 18. Juli 1856. 55) Septoria Cerastii Desm. Auf alten Stengeln von Cerastium longi- rosire Wlach. Sporen 44—-55 : 2, an beiden Enden spitz. Quickjock, Juli 1856. 94) Hendersonia simplex. Auf alten Halmen von Melica nutans L. Perithecien gesellig, kreisförmig, etwa 0,1 mm breit, flach- gedrückt, schwarz. Sporen stäbchenförmig, 17—26 : 2,2—3, an den Enden stumpf, ungetheilt, gerade oder schwach gebogen. Membran hell grünlichbraun. Njammats, 6. Juli 1856. 55) Dilophospora Gera nii. Auf abgestorbenen Blattstielen von Gera- num silvaticum L. Peritheeien gesellis, unter der Oberhaut gebildet und aus ihr hervorbrechend, kreisförmig, niedergedrückt, mit kleiner, warzen- förmiger Mündung, etwa 0,3 mm breit, schwarz. Sporen eylin- drisch-elliptisch, an beiden Enden abgerundet, 14—17 : 4,5—6, ungetheilt, farblos, etwas unterhalb des oberen Endes seitlich be- setzt mit einer 2—3mal dichoton getheilten dünnen Cilie, deren Aeste weit abstehen, bogig gekrümmt und etwa 2—3mal so lang sind als die Sporen. Quickjock und Wallibacken, 4, Juli 1856. 1880. 12 178 Jahres-Bericht 56) Gloeosporium Potentillae Desm. Auf frischen Blättern von Co- marum palusire L. Quickjock, 30. Juli 1856. 57) Vermicularia Dematium (Pers.). a. An abgestorbenen Blattstielen von Polygonum viviparum L. Quick - jock, 7. Juli 1856. b. An abgestorbenen Blättern und Stengeln von Silene acaulis. Walli- backen, 16. Juli 1856. 58) Cladosporium graminum Link. Auf abgestorbenen Blättern von Calamagrostis lapponica H. Njavi, 25. August 1856. Garten-Inspector Stein sprach über Einwanderung südrussischer Steppenpflanzen in Oberschlesien unter Vorlegung zahlreicher, getrockneter Exemplare. Am Bahnhofe Sczakowa, der russischen Grenzstation nächst Myslowitz, sammelte Musik- lehrer Unverricht-Myslowitz das vorliegende Material auf dem Aus- ladeplatz und dessen Umgebung. In Folge der oberschlesischen Grenz- sperre für Viehtransporte werden die ankommenden Thiere in Scezakowa ausgeladen und dadurch dort diese Pflanzencolonie geschaffen. Die Samen mögen theils in Heu und Stroh mitgekommen, theils an und im Körper- haar der Thiere hängend, bis hierher verschleppt worden sein. Die auf- gefundenen Arten haben entweder sehr feine glatte Samen (Sisymbrium Löselii, $. pannonicum, Erysimum canescens, Achillea Neilreichü, Artemisia scoparia und A. austriaca), welche also leicht zwischen die Thierhaare gleiten, oder sind mit Anhängseln versehen, welche das Festhalten be- sorgen (Centaurea diffusa Lam. CO. tenuiflora DC.). Das massenhafte Auf- treten der Pflanzen in unmittelbarster Nähe der schlesischen Grenze, die Thatsache, dass sämmtliche Arten, besonders die beiden meterhohen Centäureen, ihre Samen ausreiften, die Wahrscheinlichkeit, dass Thiere von dort nach Schlesien hineingeschmuggelt worden, spricht dafür, dass einige dieser Arten bald auch auf oberschlesischem Gebiete auftauchen werden. Von Myslowitz selbst sandte Herr Unverricht schöne Exem- plare von Anemone silvestris, einer für Oberschlesien sehr seltenen Pflanze. Professor F. Cohn bemerkt, dass bis vor zwei Jahren bei Massel- witz eine Wollwäsche bestand, welche capische und argentinische Wollen verarbeitete; eine Pflanzenverschleppung, die sonst solche Anstalten meist begleitet, ist aber nicht nachweisbar. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 179 In der neunten Sitzung vom 25. November sprach Herr Mittelschul- lehrer Limpricht über neue Arten und Formen der Gattung Sarcoscyphus Corda. Sarcoscyphus Sprucei n. sp. Gymmomstrium adustum Autor., sed non descript. N. v. E. Nat. I. p. 120, Sarcoscyphus adustus R. Spruce. Synöcisch. In sehr niedrigen, der Felsunterlage direct aufsitzen- den, stark gebräunten Räschen. Stengel sehr klein, mittelst starrer brauner und weisser Rhizoiden angeheftet, mit zahlreichen Stolonen, kleinblätterigen sterilen Sprossen und keulenförmigen Geschlechtsästen. Blätter der sterilen Sprossen von Stengelbreite, zu '/, mit spitzer Bucht und spitzen Lappen. Geschlechtsäste dachziegelig mit 5—8 nach oben grösser werdenden Blattpaaren besetzt; Blätter so breit als lang, rundlich-quadratisch, zu '/, durch eine recht- bis stumpfwinkelige, meist zugerundete Bucht stumpflich oder spitz 2lappig; die Perichätial- blätter stets mit spitzem Einschnitt und spitzen Lappen; Zellnetz ver- hältnissmässig weit, rings oder angulär stark verdickt; Randzellen 0,018 bis 14 mm, Zellen der Blattmitte 0,025—23 mm, des Blattgrundes 0,056 mm I. Antheridien zu 1 und 2, selten 3; Stiel 7, so lang, aus 6 oder 7 zweizellreihigen Stockwerken. Archegonien bis 8, bieten im Halstheile 8 zweizellreihige Stockwerke zur Ansicht. Kelch sehr . zart, aus hexagonalen und meist gestreckten Zellen, am Rande cerenulirt. Kapselstiel mit 0,2 em das vortretende Perichätium überragend, sehr dick (0,27 —0,24 mm), mit 13—16 peripherischen Zellen, an seinem unteren Ende plötzlich in den kleinen (nur 0,083 mm diam.) rüben- förmigen Bulbus sich verjüngend. Kapsel klein, braun, kugelig, Klappen nicht ganz bis zur Basis getheilt, daher auch bei geöffneter Kapsel gegeneinander geneigt (Klappen von 0,28—36 mm 1. und von 0,14 bis 27 mm br.); Wandung 2schichtigs, doch ohne Ringfasern. Sporen 0,012 mm, braun, gekörnelt. Schleudern von halber Sporenbreite, stumpf, in der Mitte 3- und A4Aspirig. — Delin. Gottsche in G. & Rab., Hep. eur. exs. bei No. 648. Sarcoscyphus adustus. — Exsie. Carrington et Pearson, Hep. Brit. exs. No. 5. Nardia adusta. Sporenreife ? An verwitterten Granit- und an Gmeisblöcken des Fichtelgebirges, efr. leg. Funk (N. v. E, Nat. I. p. 120). An freiliegenden Steinen am Wege von Muhr auf die Adambaueralp im Lungau, ca. 1400 m, leg. J. Breidler am 14. August 1878. — Hiervon weicht die Pflanze des Riesengebirges (G. & R. Hep. eur. No. 648) von Felsblöcken am linken Weisswasserufer wesentlich ab, so dass sie nur provisorisch als var. de- cipiens hier stehen kann (Flora 1881 No. 5). 12% 180 Jahres - Bericht Sarcoscyphus styriacus n. sp. Synöcisch. Gleicht in Grösse und Farbe dem $. neglectus, im Zellnetz mehr dem $. Sprucei, doch ist er kräftiger als letzterer. Räs- chen bis 0,5 em hoch, braunschwarz bis schwarz, mit mattem Glanz. Pflanzen gedrängt, mit Stolonen und kleinblätterigen Sprossen, durch rasch aufeinanderfolgende Wiederholungssprossen von 0,1 cm Länge mo- nopodial und gabelig verzweigt und reichlich Protonema entwickelnd. Die Wiederholungssprossen wurzeln bald nach ihrem Hervortritt, produeiren nach wenigen Blattpaaren ein Perichätium, so dass bei 0,5 em Stengellänge oft 5—”7 Perichätien aufeinander folgen, wodurch die Stengel ein knotiges Aussehen erhalten. Blätter hohl, meist kreis- rund, zu '/, mit spitzwinkeligem Einschnitt und spitzen Lappen; Blatt- zellen trüb, angulär stark dreieckig verdickt; Zellen des Blattrandes 0,014—10 mm, der Mitte 0,018&—21 mm, des Blattgrundes 0,036 mm |1., alle Zellen mit 5—5 rundlichen, glänzenden Oelkörpern. Antheridien zu 2, oval, Stiel eben so lang, aus 10 zweizellreihigen Stockwerken. Perichätium wenig vortretend.. Archegonien zu 6—9, stets unbe- fruchtet. Perianthium noch wenig entwickelt, als niedriger Tubus, gebräunt, gegen den erenulirten Rand mit rectangulären Zellen. Die Entwickelung des Sporogons unbekannt. Krahbergzinken bei Schladming in Steiermark, ca. 2100 m, leg. J. Breidler am 8. September 1880. Sarcoscyphus neglectus n. sp. Paröcisch. In Grösse und Tracht den kleinsten Formen des Sareoscyphus Funckü nahestehend.. Rasen sehr niedrig, flach, dicht- gedrängt, meist schwarz und schwach firnissglänzend. Stengel bis 0,5 cm 1., verbogen, mit dünnen Seitensprossen, abwärts nackt, spärlich mit weisslichen Wurzelhaaren besetzt und durch blattlose Ausläufer ver- webt. Die sterilen Sprossen durch gleichmässige Beblätterung kamm- .förmig, die Blätter der fertilen Sprossen nach oben an Grösse zu- nehmend. Alle Blätter m. oder m. abstehend, nicht herablaufend, ei- rund, zu '/, scharf eingeschnitten, mit spitzen Lappen; Zellen trüb, eckig-rundlich, angulär (oder rings) stark verdickt; Randzellen kleiner (0,009 mm) als die angrenzenden, und gegen die Blattmitte (0,012 bis 0,017 mm), am Blattgrunde oval (bis 0,020 mm 1.); Oelkörper fehlen, Cutieula glatt. Perigonialblätter breit-eirundlich, zu '/,—'/, scharf eingeschnitten und spitzlappig, am Grunde des Dorsalrandes oft mit einem dritten gerundeten Lappen; Antheridien zu 2, oval, mit einem ‘/, so langen, zweizellreihigen Stiele. Das Perichätium vortretend, seine Blätter den nächstunteren gleich, aber grösser und zusammengerollt, mit zuweilen in der Mitte schwach umgerollten Seitenrändern; Arche- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 181 sonien zu 6—9, bieten im Halstheile 2 Zellreihen in 8 Stockwerken zur Ansicht. Perianthium zart, oft so lang als das Perichätium, Zellen mit gebräunten Wänden, im oberen Theile rectangulär und am Rande crenulirt. Kapselstiel 0,68 mm 1. und länger, 15 mm diam., mit 10—12 peripherischen Zellen (meist 4 zur Ansicht); Bulbus rüben- förmig. Kapsel mattbraun, kugelis (0,50—40 mm diam.), Wandung 2 schichtig, mit Stützpfeilern. Sporen 0,008—9 mm diam., braun, glatt. Schleudern von Sporenbreite, oft 3- und 4spiris. Sporenreife Anfang August. Auf Erde in den deutschen Hochalpen, meist auf Detritus von Schiefergesteinen, demselben bis zur Hälfte eingesenkt: Aineck bei $t. Michael im Lungau bei 2200 m am 2. August 1878 von J. Breidler entdeckt. — Hier lassen sich auch die Pflanzen von nachfolgenden Stand- orten unterbringen: Schwarzwand im Grossarlthal im Pinzgau, ca. 1600 m, J. Breidler am 283. August 1879; Ehrenfeuchtenhöhe bei Mittersill im Salzburgischen, ca. 1900 m, J. Breidler am 23. Juli 1879; Hohe Tatra, auf dem Gipfel der Schlagendorfer Spitze, am 28. Juli 1875 von mir gesammelt; endlich auch die Pflanze vom nordseitigen Gehänge bei Muhr in Steiermark, leg. J. Breidler am 17. August 1878; bei dieser letzteren stehen die Blätter fast sparrig ab, ihre Blattlappen sind meist durch zwei einzelne Zellen gespitzt und das Zellnetz ist getröpfelt. Sarcoscyphus pygmaeus n. sp. Jungermannia brunnea ? Spreng.; Funck in Herb. v. Flotow. — Gymno- mitrium adustum N. v. E., Nat. I. p. 120 p. p. et Funck Dee. 21. Diöcisch. &äg' Pflanzen gesellis mit den 2. Noch kleiner als Sarcoscyphus Sprucei, dem er habituell und im Zellnetz gleicht. Räschen dunkelbraun, dicht verwebt durch vielfach verbogene Stengel, sehr zahl- reiche auf- und absteigende Flagellen mit weisslichen Rhizoiden. Ab- steigende Flagellen blattlos, die sterilen Sprossen gleichmässig mit zu °/,;—'/, scharf 2spitzigen anliegenden Blättern von der Breite der Flagellen besetzt. Die Perigonialblätter und die Blätter unterhalb des Perichätiums grösser und nur zu /,—'/, doch scharf eingeschnitten und spitzlappig. Alle Blätter angedrückt, derb, oval, mit scharfem Einschnitt und spitzen Lappen; Zellen trüb, braun, rings stark verdickt („getröpfelt“), Zellen am Blattrande 0,014—12 mm, in der Blattmitte 0,021—18 mm, am Blattgrunde oval und 0,086 mm I. — g Ge- schlechtsäste kurz, walzenförmig, Perigonialblätter oft eiförmig, am Grunde bauchig, Antheridien zu 2 und 3, oval, Stiel '/, so lang, mit 5 und 6 zweizellreihigen Stockwerken. Q& Geschlechtsäste aus der Ventralseite der unterirdischen Stämmehen ev. Flagellen zu mehreren entspringend, mit Wiederholungssprossen, meist nur 0,1—0,15 em l., kurz u . £ "N 182 Jahres - Bericht keulenförmig, mit 2—4, aufwärts schnell grösser werdenden Blattpaaren besetzt; nur längere Aestchen zeigen am Grunde noch wenige Blatt- paare, die den Flagellenblättern gleichen. Das Perichätium vor- tretend. Das Perianthium ein hoher, oben gebräunter Tubus mit ein- seschlagenem Rande, der auch beim Durchtritt der Kapsel meist unver- letzt bleibt; Zellen durchweg rectangulär. Archegonien schlank, zu 95—7, zuweilen mit wenigen haarförmigen Paraphysen. Kapsel kugelig, dunkelbraun, 0,21 mm diam., Wandung 2schichtig, mit Stützpfeilern. Kapselstiel 0,010 mm diam. Sporen dunkelbraun, 0,012 mm. Schleudern ? Sporenreife ? In dicht verwebten Räschen an Felsen (Kieselgesteinen) der deut- schen Alpen. — In den Kärnthner Alpen entdeckt von Funck (vergl. N. v. E. Nat. I. p. 120). — Auch mein Freund J. Breidler, dem ich ein Pröbehen vom Originale mittheilte, hat aus dem überreichen Materiale, das er in Kärnthen und Steiermark sammelte, keine hiermit überein- stimmenden Pflanzen nachweisen können. Sarcoscyphus capillaris n. sp. Diöcisch. Nur die sterile © Pflanze bekannt, die habituell einer Jungerm. byssacea gleicht. Rasen kissenförmig, 1—2 cm tief, schwarz- braun, ohne Glanz. Stengel aufrecht, haardünn (bis 0,09 mm diam.), mit dunkelwandigen, quadratischen und rectangulären Rindenzellen, ein- fach oder wiederholt gabelig; Sprossen von 0,5—1,0 cm 1., abwechselnd mit sehr entfernt gestellten, dicht anliegenden, kleinen Blättern schuppen- artig besetzt, am Grunde nackt, Rhizoiden und Flagellen scheinen zu fehlen. Blätter fast kreisrund, so breit, die oberen bis noch ein- mal so breit als der Stengel, nicht herablaufend, hohl, anliegend, nicht ganz bis zur Mitte durch eine sehr enge scharfe Bucht in 2 eingebogene spitze Lappen getheilt; Blattzellen ziemlich gleich gross (0,012 mm), winkelig,in den Eckennicht verdickt, überall mit dunkelbraunen Grenzlinien: “ Cutieula glatt, Oelkörper fehlen. Das ovale bis eilängliche Periehätium verhältnissmässig gross und daher auffällig gegen den haarfeinen Stengel contrastirend, aus wenigen, oft nur aus 2 zusammengewickelten, spitz- lappigen Blättern gebildet; unterhalb desselben 1—5 Innovationen. Perianthium sehr zart und niedrig, aus quadratischen und reetangu- lären, dünnwandigen Zellen, im adhärirenden Theile aus gestreckten Zellen gebildet, am Rande vorspringend erenulirt, die 4—8 verödeten Archegonien kuppelartig. überwölbend. Befruchtete Archegonien und deren weitere Entwickelung unbekannt. | Var. $ irriguus. Gleicht habituell den schlanken Formen der Jungerm. inflata. In schwammigen, verwirrten Rasen bis 4 cm tief, dunkelgrün bis schwarzgrün. Stengel kräftiger (0,16—0,12 mm diam.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 183 und länger, mit zahlreichen schlanken Sprossen, stellenweise mit violett- purpurnen Rhizoidenbüscheln und mit absteigenden, blattlosen Flagellen. Blätter breiter, kreisrund bis breitrund, zu '/, meist spitzlappig; sonst wie vorige, doch meist völlig steril. Die Stammform, welche reichlich Perichätien entwickelt, wächst gesellig mit Gymnomitrium coneinnatum var. intermedium auf dem Winkel- nock bei Malta in Kärnthen, ca. 2400 m, wo sie J. Breidler am 14. August 1830 entdeckte. Hierher gehört auch die 2 Pflanze von der Nordseite des „Bartelmann‘“ bei Malta in Kärnthen, 22—2300 m, leg. J. Breidler am 10. August 1880. — Diese Pflanzen besitzen habi- tuelle Aehnlichkeit mit Jungermannia nevicensis Carr. (Carr. & Pearson, Hepat. Brit. Exs. Fase. II. No. 85), deren Stellung, weil die Blüthen- organe unbekannt sind, noch zweifelhaft ist. Var. $ irriguus wurde an überflutheten, senkrechten Felsen auf der Hochalpe im Maltathale in Kärnthen bei 23—2400 m von J. Breidler am 6. August 1880 entdeckt. Das mir reichlich mitgetheilte Material erwies sich in der Hauptmasse als völlig steril und nur an wenigen Perichätien konnte die Sarcosceyphus - Natur dieser Pflanze festgestellt werden, die ich als eine luxuriöse Form des vorigen auffasse. Sarcoscyphus aemulus n. sp. Diöcisch. Wie Sarcoseyphus Funckü in ausgedehnten, flachen, dicht verwebten, bis 1 cm tiefen, dunkelgrünen Rasen. Stengel fadenförmig, vielfach verbogen, spärlich mit weissen Wurzelhaaren, zahlreichen Sto- lonen, kleinblätterigen, aufrechten Sprossen und 2—3 Innovationen. Die fadenförmigen Sprossen kurz, selten bis 1 cm l. Blätter hohl, dieht anliegend, oval, zu '/, (selten bis °/,) mit halbmondförmiger Bucht und spitzen, eingekrümmten Lappen; Blattzellen eckig, dünn- wandie, angulär nicht oder kaum verdickt, ziemlich gleich gross, Rand- zellen 0,014 mm, Zellen der Blattmitte 0,018 m, chlorophyllreich, mit 2—3 grossen, brotförmigen Oelkörpern. g Sprossen gegen das Ende diek kätzchenförmige, Perigonialblätter dachziegelig sich deckend, breiter als lang, oft mit eingeschlagenem basalen Lappen; An- theridien zu 2, grün, oval-rund, Stiel dünn, so lang oder länger, mit 14 oft nur einzellreihigen Stockwerken. 2 Sprossen keulenförmig, Perichätialblätter weit grösser, fast kreisrund, mit kleiner, doch auch halbmondförmiger Bucht; Archegonien bis zu 16, doch nur reife oder abortirte. Perianthium noch wenig entwickelt, zeigt in der ring- ev. kurz röhrenförmigen Anlage 5- und 6eckige Zellen mit gebräunten Wänden. Sporogon unbekannt. Die 2 Pflanze entdeckte J. Breidler auf Erde zwischen Fels- ‚ blöcken am Vetterngebirg bei Schladming in Steiermark bei ea. 2200 am 5. September 1880; die entsprechende 5 Pflanze derselbe auf der Hoch- alpe im Maltathale in Kärnthen bei 2300—2550 m am 6. August 1880, Sarcoscyphus sparsifolius Lindb., Musci novi Scand. in Notiser p-. F. et Fl. fenn. 1868 p. 280, ist synöcisch und gleicht habituell den kleinen, entferntblätterigen Formen des Sarcosceyphus sphacelatus. Unsere deutschen Pflanzen, die ich hierher rechne, stimmen nicht genau mit den mir von Lindberg gütigst mitgetheilten Exemplaren aus Finnland über- ein, weshalb ich sie als var. norieus unterscheide. Ihre Blätter sind dicht gestellt, minder abstehend, die Blattlappen spitz, Blattzellen mit 2 elliptischen oder 3 und 4 rundlichen, schnell verschwindenden Oelkörpern. Die innere Schicht der Kapselwandung mit Halbringen! Sporen ungleich gross, gekörnelt, durch Schwefelsäure rosa und 0,017 mm diam. Schleu- dern kurz und dick, oft gegabelt, zuweilen an beiden Enden, mit 3 und 4 sehr breiten Spiralfasern. — An den Originalen von S$. sparsifolius ist die Kapsel klein, 0,50 mm diam., dunkelbraun, fast kugelig, der Kapsel- stiel 0,21 mm diam. mit 15 peripherischen Zellen, die doppelt grösser sind, als die Innenzellen; Kapselwandung 2schichtig, beide Schichten von gleicher Grösse und mit Stützpfeilern, die innere ohne Halbringe. Die var. norieus ist gegründet auf die Exemplare, welche J. Breidler am 12. Juli 1878 auf der Würflingerhöhe bei Stadl in Steiermark, ca. 2100 m, sammelte. — Hierzu lassen sich bringen die Pflanzen „Ober dem Weisssee‘“ im Stubachthal im Pinzgau, ca. 2250 m, leg. J. Breidler am 30. Juli 1879, 184 Jahres - Bericht Derselbe Vortragende sprach ferner über neue Muscineen für Schlesien. Im Jahre 1880 sind für Schlesien folgende Arten und Formen als neu nachgewiesen worden: Brachythecium curtum Lindb. Musei nonnulli Scand. p. 7 (1879); Synon. Br. Starkei b. robustum Kryptfl. v. Schl. I. p. 75; Br. Starkei forma major Milde in Limpr. Bryoth. Siles. n. 343; Br. Starkei in Limpr. Bryoth. Siles. n. 39. Hierzu gehören sämmtliche Standorte von Brachythecium Starkei aus der schlesischen Ebene und den Vorbergen der Sudeten. — Das eigentliche Br. Starkei tritt erst in der Bergregion auf und reicht bis an die obere Baumgrenze. Thuidium delicatulum (Hedw.) Lindb. Vergl. Kryptfl. v. Schl. I. p. 419. Steril im Schusterbusch am Queis bei Klitschdorf, Kreis Bunzlau, schon im October 1867 von mir gesammelt. — Diese Art | nähert sich habituell mehr dem Thuidium tamariscinum und lässt sich auch steril von Thuidium recognitum leicht unterscheiden. Sie wird voraus- sichtlich noch an vielen Punkten der Provinz nachgewiesen werden. Sphagnum Girgensohnii var. speciosum. Diese schöne Form gleicht habituell täuschend dem Sphagnum spectabile Schimp. Sie wächst der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 185 wie dieses an dem Rande von Waldbächen und beweist, dass unter gleichen Lebensverhältnissen auch verschiedene Arten in der gleichen Weise abändern können. Es steht in derselben Beziehung zur Stamm- form wie Sph. spectabile Schimp. zum typischen Sph. recurvum. Nach Schimper’s Syn. ed. 2 p. 850 soll Sph. recurvum sich durch eine Stengelrinde aus zwei Lagen kleiner, nicht poröser Zellen unterscheiden. Ich habe stets gefunden, dass die Stengelrinde hier nur als undeutlich bezeichnet werden kann, ja dass sie bei Waldformen ganz fehlt. — Bei Sph. cuspidatum Ehrh. besteht die Rinde aus 2 (selten 3) Lagen weit srösserer Zellen um einen zuweilen röthlichen Holzeylinder. — Sphagnum Jallax v. Klinggr., Topogr. Fl. Westpr. p- 128 (1880) besitzt die Stengel- structur von Sph. recurvum, die Stengelblätter und andere Merkmale je- doch von Sph. cuspidatum, weshalb ich es dem Formenkreise der letzteren Art zurechne. — Sph. Girgensohnü var. speciosum sammelte Apotheker Sonntag am Rande von Waldbächen auf den „langen Brachen‘‘ bei Wüste-Waltersdorf im Eulengebirge. Sphagnum subbicolor Hampe in Flora 1880 n. 28 p. 440 ist kaum als Form von sSph. eymbifolium zu trennen. Mit den Originalen übereinstimmende Exemplare sammelte ich in Wasserlöchern der Zeche bei Bunzlau. Sphagnum glaucum v. Klinggr., topogsr. Fl. Westpr. p. 126 (1830) ist eine Form von Sph. cymbifolium und wurde als solche schon als var. y squarrosulum N. v. E., Bryolog. Germ. I. p. 8 (1823), be- schrieben. Schöne Exemplare sammelte Apotheker Sonntag am Rande von Waldsümpfen auf den „langen Brachen‘“ bei Wüste-Waltersdorf im Eulengebirge. | * Fontinalis microphylla Schimp. n. sp. H. v. Klinggr., Topogr. Fl. Westpr. p. 112 (1880), aus dem See Czarny und dem See Choina in Ostpreussen les. Caspary ist mir zur Zeit noch unbekannt; doch lag mir die von Lützow in dem Karpionki-See bei Wahlendorf im Kreise Neustadt (Westpr.) gesammelte Pflanze zur Untersuchung vor. Diese Exemplare sind völlig steril und ist H. v. Klinggraeff ]l, ce. geneigt, sie mit Fontinalis disticha Hook. in Beziehung zu bringen. Die west- preussische Pflanze lässt sich ohne Zwang, so lange ihre Blüthenverhält- nisse unbekannt sind, bei Fontinalis dalecarlica Schimp. einreihen, die in Schweden und Finnland verbreitet ist, in Deutschland aber noch nicht nachgewiesen wurde. Gymnomitrium adustum verum N. v. E. Nat. I. p. 120. Auf feuchten Felsblöcken am linken Weisswasserufer im Riesengebirge unter- halb der Wiesenbaude von mir im August 1879 cefr. entdeckt. — In der nächsten Nachbarschaft davon wächst unter ganz ähnlichen Verhältnissen der Sarcosceyphus Sprucei var. decipiens, der in der Kryptfl. v. Schles. I. 156 Jahres - Bericht p- 250 von mir als Sarcosc. adustus R. Spruce beschrieben und unter demselben Namen als No. 648 in G. & Rab. Hep. eur. exs. von hier ausgegeben wurde. ' (Vergl. Flora 1881 n. 5.) Gymnomitrium concinnalum var. obtusum (Cesia obtusa Lindb., 1879 in Musei Scandin. p. 9). Melzergrund am Koppenbache im Riesen- gebirge im Juli 1869 von mir gesammelt. Gymnomitrium concinnatum b. erenulatum Limpr., Kıyptil. v. Schl. I. p. 246, begreift sowohl die Formen mit stumpf- als spitzlappigen Blättern und durch vorspringende Zellen crenulirten Blatträndern. (Gymnomitrium erenulatum Gottsche ist eine eigene Art aus Grossbritannien, die noch nicht in Deutschland gefunden wurde.) Da nun die Form mit stumpflappigen, erenulirten Blättern als eigene Art abgezweigt wird, können die Pflanzen mit cerenulirten, spitzlappigen Blättern, die in den Sudeten und Alpen viel häufiger auftreten, als var. intermedium bezeichnet werden, denn auch sie besitzen wie C. obtusa in den oberen Blättern beiderseits stark zurückgerollte Blattränder, und es stehen diese Pflanzen entschieden der Cesia obtusa näher, als derjenigen Pflanze, welche Lindberg als das Gymnomitrium concinnatum hinstellt. Hierbei kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, dass die Exemplare aus Schottland, welche mir als das typische @. concinnatum Lightf. ge- sandt wurden, auch nach Ausschluss der Formen mit erenulirten Blatt- rändern, sich immerhin noch von unserer continentalen Pflanze aus den Sudeten und Alpen durch einen sehr kurzen, engeren Blatteinschnitt mit kleinen, spitzeren Lappen unterscheiden. Daraus folst, dass Gymnomitrium concinnatum wie alle weit verbreiteten Moose einen grossen Formenkreis besitzt und dass es hier gewagt ist, auf rein vegetative Unterschiede hin neue Arten abzuzweigen. — Dass G. conc. in zweierlei Blattformen auf- tritt, war schon Hooker wie N. v. E. bekannt, so sagt letzterer Nat. 1. p-116: „Die Blätter sind... . in 2 eiförmige oder stumpfte, gleich grosse Läppchen getheilt. — Bei Jung. gymnomitrioides N. v. E., Nat. II. p- 92, wird auch des zurückgerollten Dorsalrandes und der Crenulirung Erwähnung gethan. Radula commutata Gottsche Mspt. Diöcisch. Bisher nur 2 bekannt. Radula complanata &@* propagulifera N. v. E., Nat. III. p. 148 p- p- (1838). An Felsen im Elbgrunde im Riesengebirge leg. v. Flotow am 18. August 1832. — An Felsen im Kessel des schlesisch-mährischen Gesenkes am 23. Juli 1870 von mir gesammelt. Herr Cand. phil. B. Ansorge legte einige schlesische Nova vor, darunter: Jasione montana L. var. glabrescens. Sparsam auf einem Wald- hügel bei Schadegur bei Namslau und in einem Kieferwäldchen unter- halb Gross-Osten, Kr. Guhrau. Stengel und Blätter bis auf wenige Haare, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 187 “ aber nicht vollständig kahl, wie sie nach Koch’s Synopsis auch vor- kommen soll. Anthemis ruthenica M. B. aus dem Guhrauer Kreise: Sandige Stellen am Landsraben bei Schwusen, aber sparsam; 21. Juli 1879. Seirpus lacuster L. var. compactus. Spirre ganz zusammengezogen, wie bei dem Seirpus compactus Krock. es der Fall ist. Diese Form mit dem Typus, mit Scirpus mucronatus L., Sc. maritimus L., zusammen am Krobotteiche bei Radziunz bei Trachenberg. Gleichfalls aus der Militscher Gegend, nämlich aus dem Dorfe Nessel- witz, stammte ein schwach fasciirtes Fruchtexemplar von Farselia in- cana DC.; von einem Wegrande zwischen Nesselwitz und Wirschkowitz ein Exemplar von Coronilla varia L., wo ein Blüthenköpfehen durch Streekung der Achse in zwei übereinander gestellte, fast 3 cm von ein- ander entfernte Blüthenquirle (einen unteren fünf- und einen oberen sechs- blüthigen) getrennt war. Von einem Wesrande der Strasse zwischen Gnichwitz und Wirrwitz, Kreis Breslau, lag ein Frucht-Exemplar von Taraxacum vulgare (Lmk.) Schrnk. vor, an dessen Schafte ca. 5 cm unter dem Kopfe ein zweiter Schaft ungefähr eben so lang mit vollständig entwickeltem Kopfe ent- sprungen war. Unterhalb der Ansatzstelle steht ein ca. 2 cm langes, schmales, gezahntes Blatt. Im seichten Wasser der Prosne Robotte, ca. nur '/, Fuss unter dem Wasser, fand sich eine sehr zierliche Form der Chara fragilis Desox, die nach der Bestimmung des Herrn v. Uechtritz der var. brachyphyllia AB. nahekommt. Diese vorliegende Form hat kaum eine Länge von 6 cm. Lemna trisulca L. f. minor. Diese Form unterscheidet sich vom Typus durch das in allen Dimensionen um die Hälfte kleinere Laub; fand sich in einem Ausstiche auf den Wiesen links der Strasse von Langenau nach Neudorf, Kr. Guhrau, unter einer dicht darüber lagernden Decke von reichlich blühender Z. minor L. Unter cauleseirenden Formen des Cirsium acaule All. von dem dürren Wesgrande der Strasse von Wirschkowitz nach Dziewentline, Kr. Militsch, sammelte Vortragender auch ein leider nicht ganz vollständiges, ge- köpftes Exemplar eines Cirsii, das wohl zu Cirsium acaule >< lanceolatum Naeg. gehört. Eine interessante Abänderung des Juncus conglomeratus L. sammelte Vortragender bei Juppendorf, Kr. Guhrau, auf einer feuchten sandigen Stelle des dortigen Kiefernwaldes. Bei Juncus conglomeratus L. wird stets das den ganzen Halm erfüllende Mark erwähnt; bei der vorliegenden Form ist aber selbiges an den drei gesammelten Exemplaren bis auf geringe, den inneren Wänden des Halmes anliegende Spuren, oder bis auf dünne, nur unter dem Mikroskop sichtbare von einer Wand des 158 Jahres - Bericht Halmes zur anderen sich spannende Fädchen geschwunden. Die Exem- plare sind vollständig gesund und gut entwickelt; die Kapseln leider noch nicht ganz reif. Vortragender legte ferner vor von Seichwitz, Kreis Rosenberg, eine Form des Hieracium Pilosella L., an dem zwei Schafte vollständig von der Wurzel bis zu den Köpfen verwachsen sind, so dass es scheint, als läge ein zweiköpfiges H. Pilosella vor, wie solche ja auch bisweilen vor- kommen. Dieses letztere wird aber ausgeschlossen durch die zu beiden Seiten des Schaftes scharf ausgeprägt verlaufenden Verwachsunsgslinien. Ritschl, der eine vollständige Darlegung anderer Formen von zweiköpfigen H. Pilosella L. giebt (efr. Progr. des Friedr.- Wilh.-Gymnas. zu Posen 1857), erwähnt dieses Vorkommen nicht. Eine proliferirende Form der Scabiosa ochroleuca L., wie sie öfters vorkommen, fand Vortragender bei Militsch an Wegrändern zwischen Wirschkowitz und Dziewentline. Herr Dr. Eidam legte intensiv blaugrünes Holz von Birken und Buchen vor, eine nicht selten auftretende Färbung, welche meist von Pilzen (Chlorosplenium (Peziza) aeruginosum an Laubholz, Chl. aerugineum an Nadelholz) hervorgerufen werden soll, obgleich im vorliegenden Falle nur äusserst spärlich Pilzhyphen im Holze zu finden seien. Ferner legte derselbe auffallend blut- bis carminroth in scharf be- grenzten Streifen und grösseren Ausbreitungen gefärbte Holzstücke von Acer Negundo vor, die er von Herrn E. v. Thielau auf Lampersdorf er- halten hatte. Hier ist offenbar eine Pilzinfection im Spiel; ein im pflanzenphysiologischen Institut befindliches Buchenholzstück zeigt auch diese blutrothe Färbung. Sie ist sehr charakteristisch und wird jeden- falls von einer ganz bestimmten aber noch unbekannten Pilzspecies her- vorgerufen, so dass sie mit der Rothfäule der Coniferen — letztere durch Trametes pini und Tr. radieiperda erzeugt — nichts zu thun hat. Fertigt man an den rothen Stellen des Holzes Quer- und Längsschnitte, so zeigen sich die Holzzellen reichlich durchsetzt mit Pilzmycel, welches farblos ist, die Wände der Tracheiden zerfrisst, so dass sie leicht splittern und vor Allem in den weiten getüpfelten Tracheen von Acer Negundo wirt verflochten in diehten Polstern auftritt, als massiver Pilzpfropf dieselben vollständig erfüllend. An der vielfach schon morschen Holzoberfläche vereinigt sich das Mycel stellenweise in dünne bandartige Lagen, die Hyphen sind dann sämmtlich von brauner Farbe. Bei Cultur in feuchtem Raum wächst das Mycel aus dem Holze hervor und auch die braunen Hyphen treiben junge farblose Fadenäste, welche im Finstern sehr schön und hell phosphoresciren, so dass dabei die ganzen Umrisse der Holz- stücke deutlich hervortreten. Die griechische Mythologie spricht bekamnt- lich von den Dryaden, den Nymphen, welche die Bäume bewohnen und mit deren Fällung ebenfalls den Tod erleiden sollen. Durch Auffindung der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 189 des blutrothen Holzes würden die alten Griechen in ihrem poetischen Glauben nicht wenig bestärkt worden sein, während wir heute ungläubig das Mikroskop zur Hand nehmen und prosaisch der Sache auf den Grund zu gehen suchen. Professor F. Cohn hält die Färbung für ein Zersetzungsproduct ge- wisser Bestandtheile des Holzes, das allerdings in erster Linie durch die Einwirkung der zersetzenden Pilze hervorgerufen werde. Garten-Inspector Stein bemerkt, dass schon längere Zeit die che- mische Natur der blaugrünen Färbung bekannt ist, und zwar wurde der wirksame Stoff 1863 von Fordos „Xylochloörinsäure‘ getauft, nach- dem er schon 1860 von Bley den Namen „Xylochlorsäure“ erhalten hatte. — Uebrigens reichen die chemischen Untersuchungen dieser Fär- bung bis 1312 zurück. Die blaugrüne Färbung ist sogar an fossilen Hölzern bekannt. Im hiesigen botanischen Garten fand Stein in einem alten Fliederstamme (Syringa vulgaris) einzelne sehr schön violett ge- färbte Jahresringe. Ober-Stabsarzt Dr. Schröter zeigt an den vorliegenden blaugrünen Hölzern den stellenweis sichtbaren Pilz und constatirt, dass der färbende Stoff neuestens als „Xylaeruginsäure“ beschrieben worden sei. De Bary nehme an, dass der Pilz eigentlich farblos sei und nur durch das Zer- setzungsproduct des Holzes mitgefärbt werde. Jedenfalls sei aber bisher die farblose Form des Pilzes noch nie gesehen worden. Garten-Inspector Stein erwähnt den ähnlichen Fall verschiedener ' Flechten, z. B. Rhizocarpon Oederi, welche nur durch Eisenocker rostgelb gefärbt bekannt sind. Hierauf legte Prof. Cohn eine Anzahl kleiner schwarzer Gallwespen | vor, welche er von Herrn Sanitätsrath Dr. Valentiner aus Kairo er- halten hatte. Es sind die Thierchen, welche in Unter-Egypten die Capri- ı fieation der Sykomoren (Ficus Sycomorus) vermitteln; und zwar sollen nur die Männchen frei ausserhalb der Feigen existiren, die Weibchen ‚ bleiben mit dem Steiss nach oben innerhalb der Blüthchen stecken, sie | werden durch Stacheln am Hinterrande darin zurückgehalten und von | aussen befruchtet. Die Caprification ist eine uralte Operation, die bei | der Cultur der gemeinen Feige (Ficeus carica) angewandt wurde, sie wird | von Theophrast und Plinius (Nat. Hist. XV. 21) ausführlich beschrieben; | letzterer unterscheidet die wilde Ziegenfeige (Caprifieus, der Name ist nach Art unserer Rosskastanie gebildet) von der zahmen; man solle | eine Ziegenfeige zwischen die zahmen in der Richtung des Windes pflanzen oder Zweige der wilden zwischen den zahmen Bäumen auf- hängen; aus den kleinen ungeniessbaren Früchten des Caprifieus sollen | durch Fäulniss oder durch Verwandlung der Körner entstandene Mücken , (eulices Plinius) ausfliegen; dagegen spricht Theophrast von Wespen opyxes, 190 Jahres - Bericht f welche den Namen tyvesg führen; letzteren hat Linn& adoptirt, da er das Inseet der Caprification Oynips Psenes nannte. Man meine, dass jene Mücken oder Psenes durch ihren Stich die reifende Feige der Luft und der Sonne mehr aufschliessen, auch den Milchsaft aufzehren und dadurch das Abfallen der Früchte verhindern, auch die letzteren früher und süsser reifen lassen; indess meint Plinius, in magerem und trockenem Boden sei die Caprification nicht nöthig, auch leiste Strassenstaub das nämliche. In neuerer Zeit ist der Nutzen der Operation vielfach in Frage ge- stellt worden, obwohl dieselbe noch gegenwärtig an manchen Orten, insbesondere im griechischen Archipelagus, geübt wird; aus der Mit- theilung des Dr. Valentiner geht hervor, dass dies auch in Unter-Egypten mit der Sykomore der Fall ist. Bekanntlich trägt die zahme Feige (Fieus carica) das ganze Jahr Früchte; die frühesten wurden schon von Plinius wie noch heut in Italien Grossi genannt, entwickeln sich an den obersten Knoten der vorjährigen Zweige und sind rein weiblich; an der wilden Feige sind sie monöcisch. Die im Sommer auf den einjährigen Zweigen sich entwickelnden forniti und erateri sollen auch rein weiblich sein, gleichwohl aber auch ohne Befruchtung reifen. Die Wirkung der Caprification hat man darin gesucht, dass die Gallwespen den Blüthen- staub aus den einhäusigen wilden Feigen auf die weiblichen Blüthen der zahmen Fruchtanlagen übertragen, welche bei ausbleibender Befruchtung leicht abfallen; während Andere nur ein reicheres Zuströmen der Säfte als Wirkung des Stiches der Psenes annehmen. Neuere Untersuchungen sind wohl wünschenswerth. Nach J. O. Westwood, On Caprification, Transaetions of the Entomol. Soc. London II, 1837—40, sind in den Sycomoren zwei verschiedene Gallwespen beobachtet worden: Blastophaga Sycomori und Sycophaga crassipes; in den von Dr. Valentiner gesammelten Exemplaren wurde nur Sycophaga crassipes gefunden, die durch die aus drei Borsten gebildeten Legestacheln, doppelt so lang als das Abdomen, kenntlich ist, die durch die nur halb so lange Legeröhre und die eigen- thümlichen Fühler charakterisirte Blastophaga wurde nicht aufgefunden. Prof. F. Cohn weist ferner darauf hin, dass zum Studium solcher Fragen Neapel vorzüglich gelegen sei, und verliest einen Brief von Dr. Anton Dohrn, dem berühmten Gründer der zoologischen Station in Neapel, jenes einzig dastehenden wissenschaftlichen Instituts, welches nunmehr von allen Regierungen subventionirt wird und jungen Forschern Gelegenheit giebt, an Ort und Stelle frisches Material zu studiren. Da die vom Deutschen Reiche subventionirten Tische zum Theil noch un- benutzt stehen, so macht Dr. Dohrn aufmerksam, dass z. B. ein Algen- forscher ungemein viel und gutes Material finden würde. Gleichzeitig legte Prof. Cohn den ersten Band der Fauna und Flora des Golfes von Neapel vor, herausgegeben von der zoologischen Station - daselbst, als ein neues Mittel, dem Institute die nöthigen Fonds zum 4 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 191 Weiterarbeiten zu sichern. Die nächsten Bände sollen auf Subscription erscheinen, und hoffentlich werden sich auch in Schlesien Mäcene der Wissenschaft finden, welche dieses brillant ausgestattete Werk ankaufen und damit gleichzeitig der deutschen Forschung weiterhin die Wege ebnen. Zur Vorlage gelangte ferner der 12. Band der geologischen Unter- suchung Nordamerikas, herausgegeben von dem Regierungs - Geologen F. v. Hayden, Fresh Water-Rhizopods of North-America; er enthält eine von 48 werthvollen Quarttafeln begleitete Monographie von Joseph Leydy. Aus einem Teiche bei Zwickau erhielt der Vortragende von Dr. Wünsche dünnem Himbeersaft ähnliches Wasser. Die rothe Farbe wird bewirkt durch die 1836 bei Gelegenheit der Jenenser Naturforscher- Versammlung in Ziegenhayn bei Jena von Ehrenberg aufgefundene Monas Okeni. Natürlich macht dieses rothe Wasser immer grosses Auf- sehen unter dem Volke, auch bilden sich am Boden des Wassers rothe Flecken. Prof. F. Cohn demonstrirte ferner noch vorzügliche Loupen, Glas- Lineale und neue Mikroskope mit Schiefstellung, drehbarem Tisch, Re- volver und vorzüglichen Objectiven von Seibert u. Krafft in Wetzlar und Zeis in Jena; ferner den schon früher gezeigten, von Thomas u. Lägel hier eonstruirten Kreis-Auxanometer zur Messung des Längenwachsthums der Pflanzen und einen von Küster hier construirten Pachymeter zur Messung des Dickenwachsthums, welcher selbst eine Zunahme von 0,0085 mm noch genau anzeigt. In der zehnten Sitzung vom 16. December trug Herr Geheimrath Professor Dr. Göppert eine Revision seiner Arbeiten über die Stämme der Coniferen, besonders der Araucariten, vor, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Descendenztheorie und unter Vorlage der für seine Monographie der paläozoischen Coniferen be- stimmten Zeichnungen, die ca. 36 Tafeln Gross-Quart einnehmen werden. Sie umfassen alle bis jetzt bekannten Coniferen dieses geognostischen Alters, schliessen sich an die bereits früher von dem Vortragenden be- kannt gemachten, hier wieder neu untersuchten Arten an, unter Hinzu- fügung der neuen seit den ersten Bearbeitungen in den Jahren 1843, 1850 und 1864 entdeckten Arten. Die ersten Tafeln handeln von der äusseren und inneren Beschaffenheit der lebenden Araucarien, worauf die ' fossilen nach ihrem geognostischen Alter folgen, das hier womöglich noch von grösserer wissenschaftlicher Bedeutung ist, als die botanischen, sich auf Structurverhältnisse gründenden, schwer zu ermittelnden und daher oft unsicheren Unterschiede. Die Reihe eröffnen die Arten der oberen 192 Jahres-Bericht Devon-, Culm-, Carbon- und Perm-Formationen auf 32 Tafeln mit beson- derer Berücksichtigung des Versteinerungsprocesses. Aporoxylon Unger, angeblich eine Conifere ohne Tüpfel, stellt sich bei genauer Untersuchung als damit wohl versehen heraus, kommt also unter die Araucariten, deren überhaupt 29 aufgeführt werden, selbstverständlich mit starker Reser- vation, bei vielen kaum durch Structur, sondern durch das verschiedene Vorkommen von einander zu unterscheidenden Arten. Schliesslich folgen die Illustrationen der noch zu den Araucariten zu rechnenden Piiys, Proto- pitys, sowie die eine von den beiden in der paläozoischen Periode bis jetzt gefundenen Pinites Conwentzianus. In gedrängtem historischem Ueberblicke wurden die Motive aus- einandergesetzt, warum der Verfasser den Gattungsnamen Araucarites beibehielt, weil er durch die in der Paläontologie gebräuchliche Endigung die Unsicherheit der Abstammung am besten bezeichnet, in der wir uns bei Fehlen der zur Vollständigkeit gehörenden Vegetations- und Frucht- organe befänden und daher der von G. Kraus eingeführte Araucariozylon (Araucarienholz) um so weniger passe, als in der Jetztwelt die Damara- Arten mit den Araucarien denselben inneren Bau theilen, man also ohne jene Organe mit diesen neuen Namen auch nicht weiter käme als bis- her, sondern die ohnehin grosse Zahl der Synonymen nur vermehre, und um Namen handelt es sich nur, denn in den generischen Daten nimmt Kraus keine Veränderung vor. Auf ähnliche Weise verfährt Kraus bei Pinites, wo er unter anderen eine neue Gattung, Cedroxylon, mit 25 Arten gründet, von denen er gleich von vornherein 12 als unsicher hinstellt, worauf ich hier nicht näher eingehe, sondern auf die dies- fallsige, grösstentheils bereits gedruckte Abhandlung in dem botanischen Centralblatt von Dr. Uhlworm verweise, in welchem sie als eine Art Prodromus des obengenannten grösseren Werkes erscheinen wird. Ebenso muss ich hier übergehen die Schlüsse, welche aus sämmtlichen dies- fallsigen Untersuchungen in Verbindung mit den anderweitigen Arten der paläozoischen Flora überhaupt mit Ausnahme derjenigen, welche das wahrhaft plötzliche Auftreten der Lepidodendreae, Calamariae, Sigillariae, Medullosae, Farne, betreffen, die ohne alle und jede Entwickelungs- oder Uebergangsstufe, und zwar in einer die Glieder der späteren Formation und der Jetztwelt sogar überragenden Vollkommenheit zum Vorschein kommen. Wir sind nun fast an der Grenze der Ablagerungen angelangt, in denen man durch fortdauernde Variationen Neubildungen von Land- pflanzen noch aufzufinden vermöchte. Nur Graphit und älteste Thonschiefer bleiben noch übrig, welche letzteren neuerdings wieder von Ostindien her als die Fundstätte des Diamants angegeben werden, an dessen Bildung auf nassem Wege ich durchaus nicht zweifle und meine, 1864 schon bewiesen zu haben. Jene vollkommeneren ebengenannten Bürger der ältesten Landflora begreife der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 193 ich jetzt unter dem Namen der combinirten Organismen. Sie füllen die grosse Lücke aus, welche jetzt zwischen der kryptogamischen Ge- fässpflanze und den Gymnospermen vorhanden ist, erlöschen am Ende der paläozoischen Periode, wie überhaupt der schöpferische Trieb zu absoluter Neubildung nur noch bis in die Trias hineinreicht, von wo an sich die gesammte spätere Vegetation nur noch in den Typen der Gegen- wart bewegt. In dem grossartigen Rahmen vom Anfange der Vegetation bis zur Kreideformation erblicken wir überhaupt etwa nur 9—10 zu Zellen- und Gefäss-Kryptogamen, Monocotyledonen und Gymnospermen gehörende Familien, jedoch mit wechselnder Zahl von Gattungen und Arten, am mamnigfaltigsten in dem Carbon, welche die Gebiete jener Flora ausmachen. Diese Einförmigkeit verliert sich erst in der Kreide, in deren mittleren Lagen auch urplötzlich ohne Vorstufen die Dicoty- ledonen zum Vorschein kommen und von da in immer steigender Pro- sression bis in das Miocen der Tertiärformation mit in etwa 112 Familien vertheilten 480—490 Gattungen und mindestens 2000 Arten ihr Maximum erlangen. Ein äusserst buntes Gemisch von mit unserer Vegetation aller Zonen und Regionen verwandter, ja sogar identisch erscheinender Arten, da eine nicht geringe Zahl von Tertiärpflanzen unter anderen zum Be- weise für Unveränderlichkeit von Artentypen in unsere jetzige Flora übergesangen sind. Für alle diese Arten, also etwa 2000 Tertiär- und 500 Kreidepflanzen, deren Zahl sich gewiss bald ausserordentlich vermehren wird, ist der phylogenetische Zusammenhang bis zu ihren Urformen noch zu erforschen, über die Kreide hinaus für ihre dieoty- ledone Flora noch Alles, abgesehen von den paläozoischen vom Culm bis Perm erst zu ermitteln, wie sich aus der Monotonie aller darauf- folgenden älteren Floren herausstellt, d. h. eben nach Massgabe der Er- mittelungen über die erforschten Gebiete (ich gefalle mir nicht in grund- losen Negationen) für jetzt anzunehmen ist. Ob man die Verhältnisse der fossilen Flora auf vorliegende Weise schon einer Betrachtung unterzogen hat, ist mir unbekannt. Den Meisten gilt dies schon als ein überwundener Standpunkt oder die fossile Flora für viel zu unvollständig, um in Angelegenheiten der Descendenztheorie gehört zu werden. Ich meine aber, dass, ungeachtet der tiefsten Hoch- achtung für den Gründer derselben, den auch ich als einen der ersten Naturforscher unserer Tage verehre, unsere noch so junge, kaum 60 Jahre alte Wissenschaft mit einer so reichen Literatur, wie sie nur wenige andere in solcher Kürze der Zeit aufzuweisen haben, mit ihren 6000 fast nach allen Richtungen nach Vorgang der jetzigen Flora unter- suchten Arten, doch wohl einige Berücksichtigung beanspruchen darf. Auch ich stimme für das allmähliche Fortschreiten von dem einfachen zum zusammengesetzten, von dem Auftreten von Zellenpflanzen bis zu Dieotyledonen, halte aber die Nachweisung des phylogenetischen Zu- 1880. 13 194 Jahres-Bericht sammenhanges der einzelnen Floren für die eine der Aufgaben, zu deren Lösung der Wissenschaft noch viel zu thun übrig bleibt. Schliesslich besprach der Vortragende noch das von ihm heraus- gegebene „‚Arboretum fossile“, bestehend in Dünnschliffen von paläo- zoischen Hölzern, besorgt von Voigt und Hochgesang in Göttingen. Die erste vorliegende Sammlung in elegantem Kästchen enthält ver- schiedene Schnitte und Schliffe nebst einem halben Bogen Text als Er- läuterung für den Preis von 60 Mark. Drei Abtheilungen: I. Jetztweltliche Schnitte zur Comparaticn von Damara australis und Araucaria Cuninghami; II. zur Erläuterung des Versteinungsprocesses 3 Schliffe; III. versteinte Coniferen, geordnet nach der Formation der paläo- zoischen Gruppe: A. Ober-Devon 4 Schliffe, B. Culmgrauwacke 12 Schl., C. Pro- duetive Kohlenformation 16 Schl.., D. Permische Formation 29 Schl., E. Keuper-Formation. Der Assistent am botanischen Garten, Herr Cand. phil. Ansorge, trug vor: Beiträge zur Verbreitung einiger schlesischer Phanerogamen, besonders von Galium vernum Scop., Cytisus capitatus Jacg. und Cytisus ratisbonensis Schaeffer. Er berichtete unter Vorlesung von Belagsexemplaren über eine zu Pfingsten und im October 1879 unternommene Exeursion durch den Oppelner, Creutzburger und Rosenberger Kreis nach dem Prosnaflusse bis zur Landesgrenze nach Russland und Posen hin, erwähnte des Vor- kommens von (ytisus ratisbonensis von Königshuld, Kupp und Brinnitze, Kreis Oppeln, bis Carlsruhe, zwischen Bierdzan und Sausenberg, und bei Jaschine, Kreis Creutzburg, dann bei Uschütz und Pitschen und bei Ja- nofka und Josefowka im Kreise Schildberg, Provinz Posen, an letzterem Standorte mit Luzula pallescens Bess. Ebenso erstreckt sich von Schlesien aus Gahum vernum Scop. und Cytisus capitatus Jacg., nämlich längs und nördlich der von Reinersdorf durch einen Theil des Kreises Schildberg nach Gross-Butschkau im Namslauer Kreise führenden Strasse bis in die Provinz Posen. Cytisus capitatus Jacg. fand sich ausserdem noch mit Galium vernum Scop. und Galium rotundifolium L. auf den bewaldeten Hügeln oberhalb Schadegur, Kreis Namslau. Vortragender legte ferner eine Reihe von Exemplaren der var. €. radıcans Forster der Caltha palustris L. von vielen Standorten zwischen Creutzburgerhütte bis zur Treneziner Sumpfwiese vor; sodann Agrimonia odorata Mill., Carex beretiuscula Good. und C. canescens L. var. pseudo- loliacea Anders. vom Brinnitzer Mühlteiche; Belagsexemplare für neue der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 195 oberschlesische Standorte von Astragalus arenarius L., Cerastium pumilum Curt und (er. Semidecandrum L. var. abortivum Coss. & Germ.; ferner Exemplare von Cineraria crispa DC. und Valeriana polygama Bess. (= V. simplicifolia Kabath) aus dem Creutzburger Kreise und ebensolche von den Prosnawiesen ober- und unterhalb Seichwitz, Kreis Rosenberg; eben- daher Hieracium pratense >< Tilosella W.; Lepidami Draba L. von Creutz- burg unter Getreide. Andererseits wies Vortragender auf das Fehlen bezw. seltene Vor- kommen mancher sonst in Schlesien gemeinen Pflanze hin, z. B. Hordeum nurinum L., Lepidium ruderale L., Lamium album L., Symphytum offi- cinale L., Salix viminalis L. und Euphorbia palustris (welch letztere an der Prosna ganz zu fehlen scheinen); Euphorbia Cyparissias L., Sazifraga granulata L. (nur an zwei Stellen und zwar sparsam), Hieracium praealtum Vill., Sedum reflexum L., das trotz seines sonstigen auf Sandhügeln und in Kieferwäldern in Schlesien häufigen Vorkommens für ganz Ober- schlesien noch nachzuweisen ist. Um Brinnitze, Kreis Oppeln, fehlen bis jetzt Sherardia arvensis L., Veronica agrestis L. und Thlaspi arvense L. nach den mehrjährigen Beob- achtungen des dortigen Pfarrers, der zugleich eifriger Botaniker ist, Herrn Schöbel, gänzlich; aber jetzt zeigen sich diese Ackerunkräuter, jedenfalls mit Gemüse- und Blumensamen eingeschleppt, im dortigen Pfarrgarten, und wird es wohl von Interesse sein, zu constatiren, ob und wie sie sich von dort weiter verbreiten. 196 Jahres-Bericht N. Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1880, erstattet von K. Letzner, zeitigem Secretair der Section. Die entomologische Seetion hat sich im Jahre 1880 zu 7 Sitzungen versammelt, in welchen folgende Vorträge gehalten wurden: Herr Gutsbesitzer Naacke legte in der Versammlung am 6. De- cember ein Pärchen der Dianthoecia Proxima Hb. vor, welches derselbe im August 1878 an Baumpfählen der Wilhelmsthaler Chaussee bei Landeck gefunden hatte. Die Art ist für Schlesien neu und tritt der von Dr. Wocke 1872 veröffentlichten Fauna Schlesiens zu. Derselbe legte ferner einige interessante Varietäten von Faltern vor. A. Von Melanismus beeinflusst. Melitaea Phoebe SV. 2, von Gleichenberg in Steiermark. Tief schwarzbraun. Die Vorderflügel an der Spitze mit drei kurzen Flecken- reihen, im Mittelfelde mit vier abgesetzten Flecken. Die Hinterflügel im Wurzelfelde mit Mittelfleck, im Mittelfelde mit einer geschwungenen Fleckenreihe. Die Flecke und Fleckenreihe hellpomeranzenfarbig. Argynnis Selene SV. d, von den südlichen Vorstadtfeldern Breslau’s. Im Wurzel- und Mittelfelde fehlt bis auf 2 Punkte die schwarze Zeichnung, dagegen erstrecken sich die schwarzen Punkte des Saumfeldes oblong vergrössert bis in das Mittelfeld. Die Saummonde bedeutend grösser und heller. | Argynnis Selene SV. d, von Lissa in Schlesien. Schwarzbraun. Nur im Mittelfelde tritt die der Art eigenthümliche rothgelbe Färbung in scharfer, winkelig begrenzter Form, sowie am Aussenrande in grösseren F Saummonden auf. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 197 Argynnis Dia L. 0, von Oswitz in Schlesien. Liefert zufälligerweise in Färbung und Zeichnung ein der vorstehenden Varietät ganz gleiches Bild, so dass Dia für Selene gehalten werden könnte, wenn nicht Hinter- flügelform und Unterseite die Art als Dia charakterisirte. Argynmis Aylaja L. d, von Reinerz in Schlesien. Die Vorderflügel bis auf zwei rothgelbe, scharf begrenzte Flecke stark schwarz beduftet, die der Art eigene schwarze Zeichnung theilweise zusammengeflossen, doch noch erkennbar. Die Hinterflügel ebenfalls, wenn auch schwächer, schwarz beduftet mit rothgelbem Schatten im Mittelfelde. Erebia Ligea L. d, von Bruneck im Pusterthale. Tief sammtschwarz. Die sonst rostfarbene oder rothgelbe Binde bedeutend schmäler und rauchgrau. (Eigenthum des Herrn Rothe in Kleinburg.) Lasiocampa var. Lobulina Esp. 9, von Reinerz in Schlesien. Schwarz. Dünn beschuppt. Auf den Vorderflügeln nur der weisse Mond und die beiden weissen, die Mittelbinde begrenzenden Zackenlinien sichtbar. Harpyia Bifida Hb. 2, von Pirscham in Schlesien. Die auf den Vorderflügeln befindliche breite Binde dunkler als sonst, sie zieht sich in gleicher Färbung in das Saumfeld über, wodurch im Mittelfelde ein weisses unregelmässiges Halboval gebildet wird. - B. Von Albinismus beeinflusst. Polyommatus Virgaureae L. 0, von Altwasser in Schlesien. Der Körper schwarz. Die Flügel im Wurzel- und Mittelfelde eitronengelb, dasselbe geht im Saumfelde in Roth über. Der schwarze Flügelsaum sehr schmal. | Melitaea Dictynna Esp. d, von Gleichenberg in Steiermark. Die Hinterflügel des Thieres vom Mittelfeld ab aschgrau. Argynnis Euphrosine L. ö, von Marienbad in Böhmen. Die Vorder- flügel führen im Mittelfelde zwischen Rippe 1 und 2, im Saumfelde zwischen Rippe 3 und 5, die Hinterflügel im Afterwinkel zwischen ' Rippe la und lc weissliche Schatten. Argynnis Hecate SV. d, aus Ungarn. Die Vorderflügel führen im Saumfelde zwischen Rippe 6 und 7 einen ovalen weissgelblichen Fleck. Epinephele Janira L., ein @ von Berchtesgaden. Die sonst rothen Felder der Vorderflügel weiss. Die Hinterflügel mit weissem Schatten im Saumfelde. Das Thier in dieser Färbung und deren Abstufung ist bei Berehtesgaden und im Pusterthale öfterer angetroffen worden, es dürfte daher dieses Auftreten mehr für Aberratio als für Varietät im engeren Sinne anzusehen sein. Herr Dr. Wocke gab in Folgendem eine zweite Fortsetzung des ' Verzeichnisses der am Stilfser oder Wormser Joche bisher gefangenen ' Lepidoptern. 198 Jahres-Bericht Die Lepidopternfauna des Stilfser Jochs. Fortsetzung II. (Vide Jahres-Bericht 1375 und 1876.) Im vergangenen Sommer verbrachte ich die Zeit vom 17. Juli bis 17. August wieder auf Stelvio. Diesmal war die Jahreszeit schon weit vorgerückt, der Schnee überall längst weggeschmolzen und viele Lepi- doptern-Arten, die ich 1876 zahlreich gefangen, waren schon vorüber, so die Erebia, die ich im Berichte von 1876 als Oeme angeführt habe, die ich aber nunmehr mit Staudinger als die unter dem Namen Hippo- medusa bekannte Alpenform von Medusa betrachte, die übrigens in manchen Exemplaren der echten Oeme so nahe kommt, dass kaum Unter- schiede zu finden sind; ebenso fehlte Pararga Hiera und andere. Die Vegetation war bei der in diesem Sommer herrschenden Feuchtig- keit überall sehr üppig, dagegen die Falterzahl im Vergleich mit früheren Jahren im Allgemeinen sehr gering, viele der besseren Arten, die ich sonst in Mehrzahl gefangen, waren sehr sparsam, so Anarta Nigrita, von der ich nur ein Paar erbeutete, und alle Syrichthus-Arten. Nur sehr wenige früher nicht beobachtete Arten wurden gefangen; auch der sonst so er- giebige Nachtfang lieferte äusserst wenig, da die Nächte entweder hell oder bei Regen empfindlich kalt waren. Eines besonderen Uebelstandes muss ich hier erwähnen, der sich in einigen der wärmeren Nächte bei trübem, theilweise regnerischen Wetter sehr unangenehm fühlbar machte; es war dies das massenhafte Auftreten der sSteganoptycha Pinicolana Z, Dieser früher nur in einzelnen Stücken vorgekommene Wickler hatte sich in diesem Jahre in solcher Menge eingefunden, dass durch den Frass seiner Raupen alle Lärchenbäume ihres Blattgrüns beraubt, rothbraun, wie erfroren aussahen und zwar fand dies von Prad ab aufwärts bis zur Baumgrenze überall gleichmässig statt. Die Ende Juli und Anfang August sich entwickelnden Schmetterlinge sassen nun bei Tage zu Millionen an den Zweigen der Bäume, nicht blos der Lärchen, sondern auch an anderen Bäumen, besonders auch an den Nadeln von Pinus Cembra, so dass an diesen an ein Sammeln durch Beklopfen der Zweige nieht zu denken war, denn die Schwärme abfliegender Pinicolana ver- hinderten das Erkennen irgend einer anderen Art. Bei Nacht nun er- schienen. fast stets nur einzelne Exemplare an der Lampe, aber in jenen drei oder vier Nächten waren sie besonders gelaunt, ihre Geburtsstätte zu verlassen und dem weit sichtbaren Lichte zuzufliegen, sie kamen in solchen Massen ins Zimmer, dass bald die Wände, die Fenstervorhänge, Betten und Möbel damit bedeckt waren. Hunderte verbrannten sich auf dem heissen Deckel der Lampe, ‚nicht wenige fanden sogar den Weg durch den engen glühend heissen Cylinder zur Flamme und brachten diese zum Erlöschen. Ich entsinne mich nicht, je solche Mengen von Schmetterlingen auf einmal gesehen zu haben und kann dies Auftreten EB der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 199 nur mit dem der Mücken in Lappland vergleichen, die freilich noch die unangenehme Eigenschaft zu stechen besassen. Während des grössten Theils meines Aufenthalts auf Franzenshöhe erfreute ich mich der Ge- sellschaft unseres Mitgliedes, des Herrn Kaufmann M. Wiskott, der auch schon im vorigen Jahre hier mit Herrn Dr. Standfuss fleissig gesammelt hatte. Wir unternahmen ein Paar Excursionen nach dem früher schon besuchten Bormio und eine mehrtägige nach dem an der Ostseite des Ortler gelegenen hochromantischen Suldenthal, dessen ausgedehnte Wiesen- flächen ein Tummelplatz zahlreicher Tagfalter, besonders Lycaeniden sind. Hier und bei der am Fusse der Firnfelder der Zufallspitze gelegenen Schaubachhütte, sowie auf dem ganzen Wege zu dieser wurde bei günstigstem Wetter eifrigst gesucht, aber im ganzen wenig Gutes ge- funden. | Ich gebe in Folgendem ein Verzeichniss aller von mir früher nicht angeführten, im Stelviogebiet in den letzten Jahren von den Herren Wiskott, Standfuss und mir gesammelten, sowie der von uns im Sulden- thal gefundenen bemerkenswertheren Arten und füge bei anderen einige Bemerkungen hinzu, zu welchen mich die Lesung der verdienstvollen Arbeit von Professor Heinrich Frey in Zürich — die Lepidopteren der Schweiz — veranlasste, in welchem Buche vielfach des an die Schweiz angrenzenden Stelvio gedacht wird. Polyommatus Virgaureae v. Zermaltensis Fallou war auf den Wiesen des Suldenthales am 24. und 25. Juli sehr häufig, die Männer theilweise ' sehon abgeflogen, diese meist klein, oft mit etwas verbreitertem schwar- zen Saum und schwarzem Mittelfleck der Vorderflügel, die Weiber zum Theil sehr dunkel, bei einigen sind die schwarzen Flecke der Vorder- flügel zu Strichen verlängert. — Cupido Eros O. wurde in mehreren Exem- plaren, aber nür &, sowohl bei Bormio am Flugplatze der Erebia Nerine, als auch in Sulden gefangen, wo er in Gesellschaft von Argus, ' Pheretes und Icarus feuchte Stellen des Weges besuchte. — Von C., Coridon fanden wir bei Franzenshöhe mehrfach weibliche Exemplare, deren Oberseite merklich blaue Bestäubung zeigt, besonders auf den Hinterflügeln. — C. Sebrus B., ein frisches 2, griff ich an der Strasse bei Franzenshöhe am 4. August. — Arg. Amathusia Esp. war nicht selten im Suldenthal, im Walde vor dem Dorfe. — Von Arg. Niobe fing ich ein frisches 2, dessen Grundfarbe auf allen Flügeln an der Wurzel bleich rothgelb, gegen den Saum fast rein weiss ist. — Von Erebia Glacialis ' Esp. fingen wir am 24. Juli kurz vor der Schaubachhütte nicht gar selten kleine, meist schon stark verflogene Exemplare, die alle zwei Augen auf den Vorderflügeln führen; viel später, bis zum 16. August, fing ich | noch frische Stücke der augenlosen Form am Piz Umbrail. — Er. Ae- ı imops Esp. griff ich einige frische 9 bald hinter dem Eingang ins ' Suldenthal am 26. Juli; es ist dies die höchste Erhebung, in der ich die 200 Jahres-Bericht Art bis jetzt antraf. — Pamphila Comma L. war wie früher häufig zwischen Trafoi und Franzenshöhe. Diese Alpenform ist, wie auch Frey anführt, viel dunkler als Comma der Ebene und auch meist grösser, sie zeigt auf der Unterseite der Hinterflügel die grüne Färbung noch dunkler als die lappländische var. Catena Stgr., die weissen Flecken eben so scharf begrenzt. Auch die Vorderflügel sind unten viel dunkler, an der Wurzel und im Spitzentheil schwärzlich grün und nur in der Flügelmitte zeigt sich, vom Vorderrand nach dem Innenwinkel zu bleicher werdend, die braungelbe Grundfarbe. Diese Alpenform ist schon 1852 von Meyer- Dür, Schm. der Schweiz p. 217, unter dem Namen var. Cattena ange- führt, welcher Name zu bleiben hat; der Staudinger’sche var. Catena, Stett. e. Z. 1861, bezeichnet die lappländische Form, die, ausser der Unterseite der Hinterflügel, sogar bleicher ist als die Form der Ebene. Wir lesen bei Frey und anderswo: Raupe von Coronilla varia, diese vom Wiener Verzeichniss aufgebrachte Fabel, sollte doch endlich auf- hören, von den Autoren nachgeschrieben zu werden. Die Raupe von vor. Catena fanden Dr. Staudinger und ich in Norwegen in Mehrzahl in den Büschen von Festuca ovina, cf. Stett. e. Z. 1861 p. 357, 58, und wird das Thier auch auf Stelvio und überall an genannter Pflanze oder verwandten Gräsern leben. Hübner’s Raupenbild gehört zu einer anderen Art. — Bembecia Hylaeiformis Lasp. fand ich in der ersten Woche des August mehrfach auf Himbeersträuchern an der Jochstrasse etwa um 5500‘. — Ino Cognata Rbr.?2 Frey giebt an, Globulariae bei Trafoi ge- fangen zu haben. Ich fing nur zwei 3 daselbst, die aber von deut- schen und ungarischen Globulariae sehr abweichen, sie sind die grössten Stücke, die ich aus dem ganzen Genus besitze und übertreffen die von Staudinger als echte Cognata erhaltenen andalusischen Exemplare, sowie diejenigen, die ich als var. Subsolana Stgr. aus Ungarn erhielt. Sie haben 35 mm Flügelspannung, während meine grössten Globulariae nur 27 mm, Subsolana ebensoviel und Cognata 30 mm messen. Gestalt der Flügel und Fühler wie bei den genannten, die Färbung ist eben so düster wie bei Cognata, doch etwas mehr bläulich, am nächsten kommen ihnen Exemplare aus dem Taurus, die ich von Haberhauer habe und die auch gross sind (30 mm), aber noch etwas dunklere bläulich-schwärzliche Vorderfligel haben. Der Glanz der Vorderflügel ist entschieden geringer, als bei Globulariae, doch alle diese Unterschiede wollen wenig sagen, und ich bin sehr der Ansicht, dass Globulariae, Subsolana und Cognata alle nur Formen einer in Grösse und Färbung sehr veränderlichen Art sind. — Zygaena Pilosellae Esp. war überall von 4—6000 Fuss Höhe, auch wohl noch darüber, sehr häufig, es sind darunter viele Exemplare, die zur alpinen Form Nubigena Ld. gehören, ein g'‘ hat die Hinterflügel- spitze stark geschwärzt, würde also nach Staudinger zur ab. Pluto ge- hören. — Psyche Plumifera OÖ. wurde im Jahre 1879 von den Herren der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 Standfuss und Wiskott in Menge gefangen an mehreren Stellen oberhalb Franzenshöhe, ich habe diese Art weder früher noch in diesem Jahre bemerkt, wahrscheinlich erscheint sie nur alle zwei Jahre. — Auch Epichnopteryx Sieboldü, die im vorigen Jahre nicht selten gewesen, fand ich nieht als Falter, dagegen zahlreich die schon ziemlich erwachsenen Raupen. — Agrotis Glareosa Esp. und Nictymera B. wurden am 20. und 30. Juli in je einem Exemplar, die erstere bei Bormio, die andere auf Franzenshöhe bei der Lampe, gefangen. — Agr. Cuprea, die an manchen Loecalitäten der Schweizer Alpen häufig ist, scheint am Stelvio nur sehr vereinzelt vorzukommen, ich fand ein einzelnes frisches $ am 11. August bei Trafoi an einer Blume. — Polia Xanthomista Hb. und Chi L., von beiden Arten erzog ich je ein typisches Exemplar aus bei Franzenshöhe sefundenen Raupen. — Cosmia Paleacea Esp. H. Wiskott fand ein Exemplar an der Cantoniera quarta, das aber wohl nur durch Zufall hier herauf gekommen sein kann. — DBiston Alpinus Sulz. Am 23. Juli fand H. Wiskott eine noch kleine Raupe im Suldenthal an einem Ampfer- stengel, Anfang August ich eine bei Franzenshöhe, leider gingen beide zu Grunde. — Eupithecia Extraversaria HS. (Heydenaria Stgr) Diese von Distinctaria HS. sehr verschiedene hochalpine Art wurde 1879 in einem Exemplare von Herın Dr. Standfuss gefangen, dies Jahr fingen H. Wiskott und ich je ein Stück bei Licht. — Ewup. Silenata Stdf. Ein Exemplar erzog ich von einer bei Franzenshöhe geschöpften Raupe. — Eup. Atraria HS. 154, 55. Drei frische Stücke, 2 3, 1 2, bei Franzenshöhe an Felsen Abends gefangen. Diese Exemplare gleichen sehr genau dem Bilde von HS., so dass ich an der Zugehörigkeit nicht zweifle, für eine ab. oder var. von Castigata aber kann ich dieses Thier nicht halten. Die drei Exemplare sind viel grösser als Castigata, 22—23 mm Flügel- spannung, während die 36 Cast. meiner Sammlung 17—21 mm messen. Die Gestalt ist dabei schlanker, die Flügel sind gestreckter, der Saum der vorderen schräger und gleicht sie hierin viel mehr der (aber auch kleineren) Larieiata.. Die Färbung aller Flügel ist ein sehr tiefes schwärzliches Braungrau, die Querlinien haben auf den Vorderflügeln wohl dieselbe Richtung wie bei Castigata, sind aber weniger gewellt und meist verloschen, besonders gegen die Wurzel, die helle Färbung zwischen den einzelnen Querlinien der Castigata fehlt gänzlich, am deut- liehsten ist die gleich hinter dem Mittelpunkt gelegene Querlinie und die nahe dem Saum liegende, welche wie bei Castigata gezackt, aber hinten nur schwach heller begrenzt ist, ihr Ende am Hinterwinkel ist nur bei einem Stück, dem 2, fast weiss, bei den 5' verloschen. Die Hinterflügel sind fast eben so dunkel wie die vorderen, gegen den Vorder- rand lichter, die Querlinien undeutlich, schwärzlich, am Innenwinkel mit wenigen helleren Schuppen. Auf der Unterseite sind alle Flügel schwärz- liehgrau mit deutlichen Mittelpunkten und schwärzlichen Querlinien, in 202 Jahres - Bericht der Lage wie bei Castigata. Ich halte dies Thier für eine gute, von Castigata sehr verschiedene Art. — sSericoris Irriguana HS. Dieser Wiekler ist im Ortlergebiet nirgends häufig, ich traf ihn diesmal nur in einem Exemplar nahe der Schaubachhütte. Zeller vertritt hartnäckig seine Ansicht der Verschiedenheit der Irriguana von Metallieana, scheint dagegen Nebulosana Zett. für synonym mit ersterer zu halten. Ich bin nun weit entfernt, Irriguana nicht von Metallicana unterscheiden zu wollen; ob ich sie als Art oder als Localform auffasse, bleibt sich ja im ganzen gleich und ist jedes Urtheil darüber subjeetiv. Ich unter- scheide hier fünf Formen, die ich alle als aus einer Grundform hervor- gegangen betrachte. Welche diese Grundform gewesen, dürfte schwer festzustellen sein, sicher sind einige dieser Formen nahe daran, eigene Arten darzustellen, doch zeigen einzelne unter ihnen vorkommende Ueber- gänge oder Rückschläge, dass sie alle zusammengehören. Ich unter- scheide also: 1) Metallicana Hb., die Form, welche vorzugsweise der Ebene und dem Hügellande angehört. Ich fand Metallicana bisher ziem- lich selten in Schlesien, nur einmal bei Salzbrunn in ziemlicher Anzahl, ausserdem habe ich sie aus Hannover, Mecklenburg und Oesterreich. Alle meine Exemplare haben gleiche Färbung und Zeichnung, ohne Ab- änderungen, die dunkelbraunen Binden sind auf dem gelbbräunlichen Grunde stets deutlich und scharf begrenzt, nur ein Exemplar aus Han- nover und eins aus Steiermark machen Ausnahmen, indem bei ihnen die Binden etwas blasser, die Grundfarbe dagegen dunkler erscheint. Die Bleilinien sind bei allen gleich deutlich, aber nie sehr lebhaft glänzend. — 2) Irriguana HS., die Alpenform. Die grösseren Stücke wie Metallicana, meist aber etwas kleiner und schwächlicher gebaut, einzelne sind sogar sehr klein, nur wie gewöhnlich Sudetana. Die Zeichnung ist genau die- selbe wie bei Metallicana, soweit sie nämlich vorhanden ist, die Grund- farbe ist etwas bleicher, die dunklen Zeichnungen weniger braun, mehr olivenbräunlich, auch die Bleilinien sind matter. Dadurch erhält die Zeichnung der Vorderflügel etwas Verschwommenes und Undeutliches. Der bei den Sericoris-Arten charakteristische dunkle Fleck am Hinter- rande hat genau dieselbe Form wie bei Metallicana, ist aber oft theil- weise, bisweilen ganz verloschen und dann nur durch die Richtung der Bleilinien zu erkennen. Solche Stücke kommen, besonders wenn sie klein sind, der Sudetana sehr nahe. Ich habe diese Form aus den Alpen der Schweiz und Oesterreichs in sehr vielen Stücken, die kleinsten vom Grossglockner, nie wurde darunter ein Stück gefangen, das man zu Me- tallicana ziehen könnte, dagegen fing ich auf Stelvio unter Irriguana. eine typische Sudetana, die ich hier natürlich nur als Aberration betrachten kann. — 3) Nebulosana Zett., die Hauptform des Nordens. Diese ändert in der Färbung unter allen Formen am meisten, die bleichsten Stücke gehen in die folgenden zwei Formen über, die dunkelsten übertreffen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 203 Metallicana an Schärfe der Zeichnung. Die Grösse von Nebulosana ist durchschnittlich etwas unter Metallicana, wie Irriguana, die Grundfarbe ist fast noch etwas bleicher als bei dieser, die braunen Binden von tief dunkelbraun bis zum Verlöschen ändernd, aber auch in der Breite nicht gleich bleibend. Die Hinterrandmakel ist wie bei den vorigen Formen, reicht aber nur selten bis in die Franzen, der dunkle Fleck am Hinter- winkel ist schmaler als bei Metallicana und oft nach oben verlängert, so dass er mit dem Hinterrandfleck zusammenfliesst, was ich bei Metallicana und Irriguana nie gesehen habe. Die Mittelbinde ist gewöhnlich etwas schmaler, aber auch manchmal eben so breit als bei Metallicana, die Bleilinien wie bei den anderen Formen, aber von lebhafterem Glanze, der bei blassen Stücken oft den einzigen Unterschied von Irriguana bietet. Die dunkelsten Stücke haben die Bleilinien besonders stark slänzend und diese sowie der Gegensatz der tiefbraunen Zeichnungen _ zu dem ledergelben "Grunde geben dann dem Flügel ein viel bunteres Ansehen, als die anderen Formen je erreichen, doch sind solche Stücke ziemlich selten, die häufigsten haben dieselbe Färbung wie Irriguana, bisweilen werden aber auch die braunen Zeichnungen ganz schwach und der ganze Flügel bekommt eine grünlich ledergelbe Farbe — Uebergang zu Ferrugines — bisweilen kommen auch Exemplare darunter vor, die von Sudetana gar nicht zu unterscheiden sind. Ich habe diese Form am häufigsten beobachtet und sie zu Hunderten bei Bossekop und auf den Gebirgen des mittleren Norwegen gefangen, darunter auch als Aberration sehr selten Sudetana, eine typische Sudetana sah ich auch in einer Sen- dung aus Norwegen. — 4) Ferruginea Tengsiröm. Von dieser Form kann ich am wenigsten sagen, ich sah nur einige Stücke aus Finnland und ziehe zu ihr zwei Exemplare, die ich am Dovrefjeld gefangen und die an Grösse alle meine Nebulosana übertreffen und den grössten Metallicana gleichkommen, doch wird es sicher auch kleinere Exemplare geben. Ferruginea schliesst sich an diejenigen Stücke der Nebulosana an, die am wenigsten hervortretende Zeichnung haben, die Grundfarbe ist bei ihr etwas dunkler und mit einem Stich ins Grünliche, die Bleilinien sind matt und gar nicht so vöortretend wie bei Nebulosana, am Vorderrand ganz verloschen, das Thier gleicht einer sehr grossen Sudetana mit braunerer Färbung. — 5) Sudetana Stdf., die Form des Riesengebirges, aber auch, wie schon erwähnt, als Aberration in den Alpen und in Norwegen. Grösse stets weit unter Metallicana und darin nicht sehr ändernd. Die Zeichnung bleibt dieselbe, nur sind die Binden wenig dunkler als die Grundfarbe, gewöhnlich dieser sogar gleich gefärbt und dadurch erhält der Vorderflügel ein gleichförmiges braungelbes Aussehen. Die Bleilinien sind bei deutlich gezeichneten Stücken dieselben, wie bei den anderen Formen, oft aber lösen sie sich in einzelne Punkte auf oder verblassen auch völlig. Nur einmal traf ich auf dem Kamme des Riesengebirges 304 Jahres-Bericht unter Schaaren der gewöhnlichen Form ein Stück, das deutlich dunklere Binden bei sehr bleicher Grundfarbe zeigte und als Irriguana angesprochen werden kann. — Steganoptycha Nigromaculana Hw. wurde von Dr. Stand- fuss bei Trafoi gefangen. — Steg. Languentana Stgr. Die Art wurde vom Autor nach Exemplaren aus dem Engadin und von Trafoi beschrieben. Ich habe dergleichen Stücke auch in der Nähe von Franzenshöhe ge- fangen, halte sie aber nur für eine grosse dunklere Alpenform von Eri- cetana HS. — Ocherostoma Copiosella Frey. Ich habe diese Art im Heinemann’schen Werk nach einer Notiz Heinemann’s zu Piniariella ge- zogen, da ich mich auf H.’s Urtheil verliess, der sie ja im Engadin be- obachtet hatte. Frey bestreitet dies Zusammengehören nun mit pietät- loser Entrüstung, ohne aber einen Unterschied beider Arten anzugeben. Ich habe kein eigenes Urtheil über die Sache, da ich nur ein S von Copiosella besitze, das ich einst von Frey erhielt; gern hätte ich nun das Thier auf Stelvio gesammelt, das an den zahlreichen Arven gewiss vorkommt, aber ich wurde durch die leidige Pinicolana daran gehindert, die es rein unmöglich machte, an Nadelholz zu sammeln, ich habe nicht einmal die sonst nicht seltenen Arg. Laevigatella und Amiantella finden können. — Coleophora Tractella Z. Ein schönes Z dieser seltenen hoch- alpinen Art fing H. Standfuss im vorigen Jahre, mir kam sie noch nie vor. — Col. Mediostrigata Frey? Die hochalpinen Coleophoren aus der Verwandtschaft der Fulvosquamella erklärt Frey sehr mit Recht für einen der schwierigsten Abschnitte der Microlepidopterologie. Ich habe eine kleine Anzahl verschiedener Arten auf Stelvio gesammelt, meist am ersten Signalkopf oder in der Nähe des Passes, von denen der srösste Theil, vielleicht alle den von Frey aufgestellten neuen Arten zu- gehören werden, leider aber vermag ich nach diesen Beschreibungen keine sicher zu bestimmen, da Frey bei allen vier eine Hauptsache ver- sessen hat anzugeben, nämlich die Beschaffenheit der Fühler und Palpen. Die zwei Exemplare, welche ich zu Mediostrigata rechnen möchte, sind sehr viel kleiner als Fulvosquamella, nur 10 mm Flügelspannung messend, der gerade weisse Längsstreif deutlich von der Wurzel bis zu den Hinter- randfranzen, die Vorderrandfranzen weisslich, ebenso einige Schuppen vor der Flügelspitze. Kopf, Palpen und Fühler bräunlichgrau, "letztere ganz ungeringelt, das zweite Palpenglied wenig verdickt mit kaum vor- tretendem Haarbüschchen, letztes Glied schlank und spitz, °/, so lang wie das zweite. — Laverna Propinquella St. Ein Paar bei Trafoi. — Tinagma Perdicellum var. Matutinellum fing Dr. Standfuss in wenigen Stücken bei Trafoi. — Lithocolletis Alpina Frey. Schon früher hatte ich die am Wege von Trafoi nach Franzenshöhe in Menge wachsende Alnus viridis nach den Minen dieses Thieres abgesucht, aber vergebens, da es stets zu früh war; dieses Jahr hatte ich mir die Untersuchung auf die letzten Tage meiner Anwesenheit aufgespart und fand nun auch Mitte August die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 205 Minen in grosser Anzahl, obgleich auch meist noch sehr jugendlich. Aus den mitgenommenen meist entwiekelten erzog ich im warmen Zimmer im December etwa 30 Exemplare des schönen Thierchens, das ich mit Frey nicht für Varietät von Strigulatella oder Alniella halte. Der Um- stand, dass die Art neuerdings auch in Norwegen gefangen (nicht ge- zogen) sein soll, spricht gar nicht gegen die Artrechte, denn abgesehen von doch vielleicht irrthümlicher Bestimmung, wächst auch in Norwegen Alnus viridis genug, z. B. in den nördlichen Thälern des Dovrefjeld, wie weit nach Norden, weiss ich freilich nicht, und es wäre befremdend, wenn da die Lithocolletis fehlen sollte. — Bucculatrix Aurimaculella Stt. fing ich in fünf Exemplaren gegen Sonnenuntergang in freiem Fluge am 24. Juli auf den Wiesen des Suldenthals, die Stücke sind sehr gross und auffallend schmalflügelig. — Nepticula Stelviana n. sp. Der Raupe dieser Art, die in den Blättern von Potentilla grandiflora minirt, habe ich schon in meinem Berichte von 1875 Erwähnung gethan. Damals erhielt ich keinen Falter, diesmal sammelte ich am 9. und 10. August gegen 200 meist erwachsene Raupen und erzog in Breslau im September 7 Z und 3 2 der prächtigen, der N. Dryadella sehr nahestehenden Art, deren Beschreibung ich an anderem Orte geben werde. Der zeitige Secretair hielt folgende Vorträge: 1. Ueber vier deutsche Haptoderus-Arten. (Feronia sinuata n. sp.) 1) Feronia unctulata Duft. Nach Schaum (Ins. Deutschl. I. 490) unterscheidet sich Feronia (Haptoderus) unctulata Duft. von den Verwandten dadurch, dass der fast quadratische Thorax nach vorn zu etwas, nach hinten gar nicht verengt ist, dass die Seiten des Thorax von der Mitte bis zur Basis gerade, die Hinterecken rechtwinkelig, aber nicht besonders scharf, sind und der Hinterrand auf seiner Mitte (zwischen den beiden Eindrücken) eine Aus- buehtung zeigt. — Dazu ist etwa noch anzufügen: Bei Haptoderus unctu- latus ist der Thorax hinten '/,—'/, seiner Breite breiter als lang, bei H. subsinuatus nur '/,. Bei H. unctulatus liegt die grösste Breite .des Thorax ungefähr in der Mitte desselben und verschmälert sich von da an nach vorn, bei H. subsinuatus liegt die grösste Breite des Thorax da- gegen ungefähr im ersten Viertel der Thoraxlänge (vom Vorderrande aus gerechnet) und verschmälert sich nach vorn weniger als bei H. unctu- latus. Daher erscheint der Thorax bei H. subsinuatus etwas länger als bei H. unctulatus, der Vorderrand desselben bei H. subsinuatus etwas breiter als bei H. unctulatus, und die Vorderecken stehen bei H. subsinuatus etwas weiter vom Kopfe ab, als bei H. unctulatus. Der aufgeworfene 206 Jahres-Bericht Seitenrand des Thorax ist bei H. unctulatus etwas dieker und die Punetirung am Hinterrande in der Regel etwas stärker, als bei H. sub- sınualus. Ausser dieser Hauptform kommt aber nicht selten eine Var. a, attenuatus, vor, bei welcher der Thorax hinten schmaler als vorn ist, und daher überhaupt etwas schmaler als bei der Hauptform erscheint. Die in der Mitte liegende grösste Breite des Thorax, die fast recht- winkeligen, nicht scharfen Hinterecken des letzteren, wie die stärkere Ausrandung auf der Mitte seines Hinterrandes lassen das Thier jedoch immer noch erkennen. — Schwieriger ist dies bei der Var. b, acutiusculus, wo die Hinterwinkel etwas spitzer als rechte Winkel sind. Hier bleiben als nicht immer deutliche Unterscheidungszeichen von der folgenden Art ausser dem ein wenig breiteren Thorax, dessen grösste Breite mehr in der Mitte liegt, nur die ein wenig stärkere Ausrandung am Hinterrande übrig. Dieses Thier ist in Schlesien ziemlich selten und findet sich nur im höheren Gebirge; ich besitze schlesische Stücke aus den Beskiden, dem Altvater-, Schnee- und Riesen-Gebirge, ausserschlesische aus dem Enga- din, den Alpen bei Gastein, Heiligenblut, dem steinernen Meer und aus Tirol (Stilfser Joch). — Die Angabe Schaum’s, dass dasselbe in der Ebene (bei Ratibor) gesammelt worden sei, beruht auf einem Irrthume. 2) Feronia subsinuata Dej. Dieses Thier ist nach Schaum (Ins. Deutschl.) der vorigen Art sehr ähnlich, aber etwas schmaler, und „an dem vor den Hintereeken des (subquadratischen) Thorax. etwas ausgeschweiften Seitenrande leicht zu unterscheiden‘. Der Thorax ist (wie weiterhin gesagt wird) am Hinter- rande völlig so breit, als vor der Mitte, die Hinterecken scharf recht- winkelig und die Decken an der Basis so breit, als die Basis des Hals- schildes. Diese Kennzeichen treffen (mit Ausnahme der Hinterecken, welche stets etwas kleiner als rechte Winkel sind) jedoch nur bei der Hauptform zu. Bei Var. a, rectus, ist der Thorax hinten ein wenig schmaler als vor der Mitte, und seine Seitenränder sind vor den Hinterecken nicht ausgeschweift, sondern gerade. — Bei Var. b, similis, ist der Thorax an seinem Hinterrande ebenfalls schmaler, als vor der Mitte, und seine Seitenränder zeigen die Neigung, sich vor den Hinterecken um ein Un- bedeutendes einwärts zu schwingen. — Bei Var. ce, bistriata Letzn. (Bresl. Zeitschr. für Ent. 1852 $. 212), zeigt sich am Hinterrande des Thorax, nahe an der Aussenseite, ein sehr flaches, rundliches, zuweilen undeut- liches Grübcehen, von dem aus die Oberseite des Thorax nach dem Seiten- rande hin nicht oder kaum wahrnehmbar ansteigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 207 Schaum kennt dieses Thier nur aus den steierischen Alpen, wo es nach seiner Angabe ziemlich selten vorkommt. Nach meinen Erfahrungen ist es in der Tatra und in den österreichischen Alpen wie in Schlesien häufig. Aus dem letztgenannten Lande besitze ich Stücke aus den Bes- kiden, dem Altvater-, Schnee-, Mense-, Riesen- und Hochwald-Gebirge. Feromia unctulata und subsinuata wurden von den schlesischen Ento- mologen früher für eine Art gehalten oder mit einander vermengt, daher sind alte Angaben über Fundorte dieser Arten unzuverlässis. Von dem in der Bresl. Zeitschr. für Ent., 1852 8. 212, beschriebenen Pierostichus (Argutor) unctulatus gehört nur die Var. latus zu diesem, alle übrigen Formen zu Pt. subsinuatus. Ein der Feronia subsinuata sich anreihendes Thier erlaube ich mir nachstehend als eine neue Art zu beschreiben: 3) Feronia (Hapioderus) sinuata n. sp. Piceus, antennis pedibusque rufis, prothorace subquadrato, basi utrin- que punetato bistriatoque, lateribus postice sinuatis, angulis postieis subrectis, coleopteris oblongo -ovatis, striatis, striis subtiliter punctatis punctisque duobus impressis. Long. 6—-7 mm. Das Thier ist den grösseren Stücken der Feronia subsinuata Dej. an Grösse und Gestalt gleich, unterscheidet sich aber von derselben dadurch, dass der Seitenrand des Thorax im vorderen Drittel mehr nach aussen gerundet (und daher daselbst breiter als bei F. subsinuata), auf der hinteren Hälfte aber sehr deutlich nach einwärts geschwungen und da- durch der Thorax am Hinterrande schmaler ist, wie bei F. subsinuata. Ausserdem ist der Thorax ein wenig kürzer und hat am Hinterrande, in der Mitte jeder Seite, einen tiefen, in seinem Grunde und seiner Um- sebung sparsam, fein, ja fast undeutlich punctirten (wodurch das Thier ein zarteres Aussehen erhält, als H. subsinuatus), schmalen Längseindruck und ausser diesem nahe am Hinterwinkel einen zweiten, seichteren und kürzeren, welcher bis an den Hinterrand reicht und von dem an der Thorax nach aussen allmählich bis zum Seitenrande ansteigt. Dadurch unterscheidet sich diese Art auch von der Var. bistriata der vorher- stehenden Species. Die Deckschilde sind etwas länger und hinten mehr , zugespitzt als bei F. subsinuata, und das Thier erscheint darum bei | gleicher Grösse ein wenig schlanker. Auf dem 3. Zwischenraume stehen | hinter der Mitte zwei eingestochene Punkte, während bei F\. subsinuata deren meist 3, seltener 2, selten 4 vorhanden sind. Von Feronia nemoralis Graels., cantabrieus Schauf., unterscheidet sich diese Art durch die stärkere Wölbung der Oberseite, die am Hinterrande | grössere Breite und die stärker einwärts geschwungenen Seiten des Thorax, wie durch den äusseren Eindruck am Hinterrande desselben, welcher bei F. nemoralis in die Oberseite ebenfalls scharf eingedrückt 208 Jahres - Bericht ist, weshalb dieselbe an seiner Aussenseite hoch, fast fältehenartig, em- portritt. Ausserdem sind die Decken hinten mehr verschmälert und die Streifen derselben weniger stark punetirt. — Näher als dem Haptoderus nemoraks ist das Thier dem H. apenninus Dej. verwandt, und steht hin- sichtlich des Grades der nach einwärts geschwungenen Thoraxseiten zwischen diesem und dem AH. subsinuatus. Es unterscheidet sich von H. apenninus: 1) durch etwas bedeutendere Grösse; 2) durch weniger nach einwärts geschwungene Thoraxseiten und hinten bedeutend breiteren Thorax; 3) durch etwas mehr nach hinten gezogene Hinterecken des Thorax; 4) durch geringere Tiefe der Eindrücke am Hinterrande des Thorax, namentlich bei dem am Aussenrande; 5) durch längere, hinten mehr zugespitzte Deckschilde; 6) durch das Fehlen der abgekürzten Punktreihe am Schildchen, welche bei H. apenninus stets deutlich vor- handen ist, bei H. subsinuatus und unctulatus dagegen öfters fehlt. Die 14 in meiner Sammlung vorhandenen Stücke dieses Thieres stammen aus den Salzburger (Gastein und Heilisenblut) und penninischen (Macugnaga) Alpen, und sind in ersteren (bei Gastein) zum "Theil von dem verstorbenen Staatsanwalt Pfeil, in letzteren von Baron v. Rotten- berg gesammelt. 4) Feronia (Hapioderus) apennina De;j. Da in dem Verzeichnisse der Käfer Deutschlands von Dr. &. Kraatz die Feronia apennina Dej. noch nicht als deutscher Bürger aufgeführt ist, so erlaube ich mir zu bemerken, dass ich in meiner Sammlung Exem- plare dieses Thieres von Gastein und Heiligenblut besitze. Derselbe zeigte ferner ausser den schlesischen drei Arten des Sub- senus Haptoderus noch 11 europäische Arten desselben vor. — Chaudoir theilt in seiner Beschreibung neuer oder wenig bekannter Feronien (L’Abeille V, 1868—69, p. 243 u. f.) die Arten des Subgenus Haptoderus nach der Zahl der eingedrückten Punkte auf den Deckschilden ein: 1) Deeken mit einem eingedrückten Punkte; 2) Decken mit zwei ein- gedrückten Punkten; 3) Decken mit 3—4 eingedrückten Punkten. — Da diese Punkte bei manchen Arten (H. nemoralis Gr., subsinuata) variiren, so könnte man die Arten dieses Subgenus in folgender Weise ordnen: 1) Thorax hinten nicht verengt, seine Seiten hinten nicht einwärts geschwungen: a. Thorax am Hinterrande mit vier Eindrücken: H. ama- roides, nemoralis; b. mit zwei Eindrücken am Hinterrande: H. unctulatus, subsinuatus. 2) Thorax hinten verengt, seine Seiten mehr oder weniger nach einwärts geschwungen: a. Thorax am Hinterrande mit vier Eindrücken; H. abacoides, blandulus, sinuatus, apenninus; b. mit zwei Eindrücken: H. spadiceus, pusillus, parvulus, glacialis, amoenus, brevis. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 209 2. Ueber den Status der schlesischen Coleoptern-Fauna am Ende des Jahres 1880. Im Jahre 1880 sind zur Käfer-Fauna Schlesiens als neue Arten zu- getreten: 1) Harpalus (Ophonus) maculicornis Duft. Unter den von Rottenberg gesammelten unbestimmten Thieren befanden sich 2 Stück dieser Art von Mühlsast bei Steinau. 2) Homalota Letzneri Eppelsh. Im Gebirge ziemlich häufig. Fried- land bei Waldenburg (Schwarz). Glatzer Schneeberg, Reinerz. 3) Omalium monilicorne Gyl. In meiner Sammlung befindet sich ein vor Jahren bei Breslau von mir gefangenes Stück, welches ich irrthüm- lich für eine andere Species gehalten hatte. 4) Monoioma angusticollis Gyl., formicetorum Thoms. Zwei Stück von Mühlsast bei Steinau. 5) Monotoma subquadrifoveolata Waiterh. In der Ebene, ziemlich selten. Bis jetzt nur bei Breslau (Mai bis September) und Liesnitz (Rosenau). Früher mit M. picipes Hbst. verwechselt. 6) Sitones longicollis Schönh. In der Ebene und im Vorgebirge, ziemlich selten. Breslau (Juni, Juli), Obernisk, Nimptsch, Ottmachau, Landeck, Kynau. 7) Sitones languidus Schönh. In der Ebene, selten. Bis jetzt nur bei ı Liesnitz (Gerh.) und Breslau. 8) Trachyphloeus aristatus Gyl. In der Ebene, selten. Breslau, Herrnstadt, Heiersdorf bei Fraustadt, Bisher mit Tr. squamulatus Oliv. vermengt. 9) Trachyphloeus scaber L. Von dieser Art sind für Schlesien neu ‚ die Var. tesselatus Marsh. und squamosus Schönh. Erstere ist in der ‚ Ebene ziemlich häufig, letztere dagegen ziemlich selten (Breslau, Wät- trisch bei Jordansmüh)). 10) Ceuthorhynchus molitor .Gyl., iriangulum Boh. In der Ebene und | im Vorgebirge, ziemlich häufig. Breslau (März bis Mai), Liegnitz, Bögen- | berge, Langenbielau. 11) Ceuthorhynchus Stenbergi Thoms. In der Ebene, selten. Ratibor, ı Kupp bei Oppeln. Bisher für C. rugulosus gehalten. Am Ende des Jahres 1879 zählte Schlesien 4270 Käfer - Arten. ' Nach vorstehendem Verzeichniss traten im Jahre 1880 zu: 10 Species, es würde daher die Zahl der Arten auf 4280 steigen, wenn nicht fol- , gende 4 Arten als eingezogen in Abgang zu bringen wären: 1) Mono- | toma scabra Kze. —= pieipes Hbst.; 2) Monotoma quisquiliarum Redt. = | #collis Aub.; 3) Monotoma brevipennis Kze., jetzt als Varietät von pieipes Hbst. betrachtet; 4) Monotoma flavipes Kze. ist Varietät von longi- | 1880. 14 210 Jahres-Bericht colis Gy. — Demnach stellt sich der Status der Species schlesischer Coleoptern am Ende des Jahres 1880 auf 4276. 3. Ueber die kleineren Ophonus-Arten (Ophonus cordatus bis Ophonus mendazx). 4. Ueber die schlesischen und europäischen Arten der Gattung Sitones Schönh. 5. Ueber die schlesischen (und 6 ausserschlesische) Arten der Gat- tung Trachyphloeus Germ. 6. Ueber die schlesischen Arten der Gattung Coeliodes Schönh. 7. Ueber die europäischen Arten der Gattung Monotoma Hobst. Das in diesen Vorträgen für Schlesien als neu Nachgewiesene ist bereits in dem Status der schlesischen Coleoptern-Fauna am Ende des Jahres 1880 in Kürze niedergelegt. 8. Derselbe zeigte eine grosse Anzahl Exemplare von Zaemophloeus ferrugineus Steph. vor, welchen Herr v. Hahn in längere Zeit gestandenen Vorräthen von Hafer- und Haidegrütze im November d. J. noch lebend in Menge aufgefunden hatte, und zwar in Gesellschaft des Anobium pani- ceum L. und der Mycetaea hirta Marsh. — Das Anobium hatte die ein- zelnen im Gries vorhandenen Graupenkörner total ausgehöhlt und sich in denselben verpuppt. — Zugleich wurde Laemophloeus pusillus Schönh. (weleher in Breslau zuweilen im Reis in Specerei-Gewölben vorkommt) vorgezeigt und auf die Unterschiede zwischen ihm und dem L. ferru- gineus hingewiesen. 9. Derselbe zeigte ein Stück des Omalium affıne Gerh. vom Glatzer 7 Schneeberge vor, das zweite Exemplar, welches bis jetzt aufgefunden worden ist. £ 10. Derselbe berichtete, dass nach Mittheilungen des Herrn Stadt- rath Müller dieses Frühjahr kleine Raupen, höchst wahrscheinlich die von Hyponomeuta (Tinea) malinella Zell., vielfach die jungen Blatttriebe an Aepfelbäumchen übersponnen und dadurch in Obstgärten bei Florians- dorf, unweit Zobten, bedeutenden Schaden angerichtet hatten. Nach den Mittheilungen des Herrn Landbau-Inspeetor Sutter ist dies auch in der Umgegend von Grottkau der Fall gewesen. — In dem vorigen Jahre hat das Thier (nach dem Berichte über die 1879 schädlich aufgetretenen Inseeten Böhmens von Dr. Niekerl) an den Obstbaum - Culturen im Melniker Bezirk in Böhmen bedeutenden Schaden angerichtet. 1l. Derselbe theilte mit, dass am 14. August dieses Jahres des Vormittags wieder ein Ameisenschwarm über der Stadt Breslau geschwebt haben müsse, wie aus den vielen, zwischen 1—3 Uhr Nachmittags auf den Strassen umherkriechenden, zum Theil noch geflügelten Exemplaren zu schliessen gewesen sei. Dieselben gehörten dem Lasius niger an. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Fa 12. Veber die schlesischen Arten der Familie Blattidae. Ueber in Schlesien heimische Thiere aus der Orthopteren- Familie ‘der Blattidae (Schaben, Kakerlaken) ist in den Schriften der Schlesischen Gesellschaft bis jetzt nur Weniges veröffentlicht worden. Es beschränkt ‚sich auf Folgendes aus den Jahren 1822—29: 1) In dem 3. Bulletin der naturwissenschaftlichen Section der | Schlesischen Gesellschaft vom 12. März 1822 (veröffentlicht von Steffens ‚und Müller) findet sich S. 2—3 über Blatia germanica L. das Nach- ‚stehende: ') | „Herr Rector Neumann in Löwenberg erstatiete einen sehr gründ- \liehen Bericht über die deutsche Schabe (Blatta germanica L.), die eigent- \lich in Asien, Südamerika und auf den Inseln des stillen Meeres (!) einheimisch, mit Kleidern und Waaren aus China nach Dänemark und von den Russen im Jahre 1813 nach Alt-Oels zwischen Sprottau und ‚Bunzlau gebracht worden ist und sich zur grössten Plage der Land- ‘bewohner von da im Löwenbergischen Kreise bis Flinsberg verbreitet ‚und so auch 1821 zu Schönwalde bei Lähn eingefunden hat. Dieses | geflügelte, gelblich-braune Insect mit fadenförmigen Fühlhörnern, 2 Spitzen jam hinteren Theile des Körpers und mit 2 schwärzlich-braunen, parallel laufenden Linien am Brustschilde (das die Einwohner der verschiedenen Dörfer bald Russen, bald Tyroler oder Spanier nennen) hält sich im Sommer in Kiefer-, Tannen- und Fichten-Wäldern auf und kommt im | Winter zu een in die warmen Landstuben, wo es alte Wäsche, ‚fette, wollene und lederne Kleidungsstücke, selbst die schmutzigen Hände der Enden Menschen benagt, alle Nahrungsmittel, auch angeschnittene ‚Citronen frisst und die vollgefüllten Dintenfässer ausleert. Als Ver- | l ‚tilgungsmittel dieses schädlichen Inseets, das die Heimehen (Acheta do- meslica) und, wie es scheint, auch die gemeine Schabe (Blatta orientalis, mit einem braunen Streifen auf der Stirn) vertreibt, sind mit Kienruss gekochte Erbsen, heisses Wasser, Oel, Schwefeldampf, abgekochtes Koloquinten-, Wolfs- oder Tollbeer-Wasser, auch die schleimige Masse ‚verfaulter, rother Fliegenschwämme empfohlen; aber die meisten Dorf- einwohner meinen, dass es sich nur durch Arsenik vertilgen lasse, dessen Anwendung hierzu doch sehr bedenklich ist. Durch eingesandte Exem- ‚plare haben sich die Entomologen der Section überzeugt, dass es wirk- lich die Blatta germanica und nicht die sonst in Schlesien sich einge- \fundene Blatta orientalis ist.“ 2) In der Uebersicht der Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1824 berichtet der Seeretair der naturwissenschaftlichen Seetion | ') Da ausser dem in meinem Besitze befindlichen Exemplare dieses Bulletins „wohl schwerlich noch eines in Breslau vorhanden sein dürfte, erlaube ich mir, ‚den hierher gehörenden Abschnitt wörtlich mitzutheilen. | 14* | - 212 Jahres - Bericht (Müller) S. 21: „Es wurden eingeschickt vom Herrn Apotheker Tei- ninger in Reichenstein einige Exemplare der Blatia lapponica und ein 9 der Blatta orientalis, welche Schaben seit Anfang dieses Jahres in mehreren Dörfern dasiger Gegend den Einwohnern beschwerlich fallen.“ Da kein Entomologe genannt ist, welcher die vorstehend genannten Thiere bestimmt hat, so dürfte in Hinsicht der Blatta lapponica wohl ein Irrthum obwalten, da dieses Thier von keinem der älteren Ento- mologen Schlesiens als bei uns einheimisch erwähnt wird und auch in der neueren Zeit von Keinem als in Häusern vorkommend beobachtet worden ist. 3) In der Uebersicht der Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1829 heisst es Seite 54: Der Berichterstatter (Prof. Dr, Graven- horst) zeigte ein lebendes Exemplar der Blatia americana vor, welches der Partkrämer Schube in Breslau zwischen Farbehölzern angetroffen hatte. Ueber die Blatta orientalis L. liest mir ein Brief eines Herrn Kausch in Liegnitz vom 26. November 1319 vor, in welchem derselbe den Be- richt des Kreisphysikus Dr. Massalien an die königliche Regierung in Liegnitz über das Auftreten des genannten Thieres im Kreise Görlitz in folgenden Worten mittheilt: „Endlich hat sich allhier ein früher un- bekanntes Hausinsect eingefunden und durch Gunst des warmen Sommers zu Millionen vermehrt. Dieses Insect zeigte sich zuerst bald nach dem — Kriege im Dorfe Rothwasser, wo es den Namen russische Wanze erhielt. Erst nun, da die Dörfer Rothwasser, Langenau, Schützenhayn, Gruna und Hochkirch damit übersäet sind, ist es zu meiner Kunde ge- kommen und von mir untersucht worden. — Dieses Thier ist ca. °/, Zoll lang, von Farbe schmutzig braun, glänzend; es gehört unter die Hemiptern und zwar Geschlecht Blatta. Der Kopf ist niedergebogen, die Fühl- hörner borstenartig, die Flügel flach und einigermassen lederartig, das Brustschild flach kreisförmig und mit einem Rande versehen; die Füsse sind zum Laufen geschickt, wie denn diese Thiere sehr schnell laufen. Oben am Schwanze sitzen zwei hervorragende Spitzen. Sie scheuen das Licht, halten sich mehrentheils zwischen dem Holze in Speiseschränken, Küchen, Bäckereien, Stuben, wo es warm ist, auf. Sie sowohl als ihre Larven, nagen an Speisen, Leder und faulen Sachen. Sobald sie ertappt oder gestört werden, flüchten sie in die nächsten Löcher und Ritzen. — Die hiesige Blatta hat nach der Linn&’schen Beschreibung die mehreste Aehnlichkeit mit Blatia lapponica, doch ist sie ihr in der Zeichnung nicht vollkommen gleich. — Wenn es sich, wie es höchst wahrschein- lich ist, wirklich erweisen lässt, dass dieses Inseet durch russische Völker hierher gebracht worden — wurden doch nach Linn& einst seine Verwandte aus Amerika nach Asien gebracht — so möchte es den Namen Blatta russica bekommen. Zur Vertilgung dieser Thiere ist schon der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 213 ; manches versucht worden, doch immer vergeblich. Nur wo man mit | recht siedendem Wasser zu ihnen gelangen konnte, wurden sie getödtet. ' Starke Schwefeldämpfe waren ohne Erfolg; jetzt habe ich Stein- | kohlendampf zum Versuch empfohlen und sehe dem Erfolge entgegen. Dr. Massalien.“ | Die schlesischen Arten dieser Familie, welche sämmtlich zur Ansicht | vorgelegt wurden, sind: | 1) Blatta germanica L., in Wäldern der Ebene und des Vorgebirges auf Gesträuch ziemlich häufig, in vielen Häusern der Städte jedoch in ı ungeheurer Menge. 2) Blatta lapponica L., in Wäldern auf Gebüsch ziemlich selten. , Bis jetzt noch nie in Häusern beobachtet, 3) Periplaneta orientalis L., in Häusern oft in grosser Menge. 4) Periplaneta americana F., in Breslau sehr selten in den Magazinen der Specereihandlungen. 214 Jahres - Bericht Na Bericht über die Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1880, erstattet von Director Dr. Reimann, zZzeitigem Secretair der Section. Am 29. Januar las Herr Professor Dr. Fechner über das Exil des Fürstbischofs Philipp Gotthard Grafen Schaffgotsch, nachdem er in zwei früheren Vorträgen über die Flucht desselben und die Sequestration des Stifts berichtet hatte (Jahresbericht für 1879, p. 435—437). Der Bischof begab sich (Anfang 1758) von Nikolsburg | über Wien, wo er keine Audienz bei der Kaiserin erhielt, nach Rom, dann nach Salzburg und von da nach Teschen, wo er mehrere Jahre verweilte. Da er einen Pfarrer aus der Nähe von Cosel wegholen liess, um ihn wegen seiner preussischen Gesinnung zur Rede zu stellen, streifte der General Werner bis Teschen und holte den dortigen Dechanten weg, um ihn gegen jenen Pfarrer auszutauschen. Der Bischof aber hielt sich seitdem in und bei Johannisberg, besonders in Freiwalde auf. Dort con- spirirte er 1762 mit dem Hauptmann Wallisch und dem Major Metzker, um mittels seiner Verbindungen Neisse in die Hände der Oesterreicher zu spielen, Der Versuch wurde im Keime erstickt, weil ein höchst sravirender Brief des Bischofs dem Commandanten von Neisse in die Hände fiel. Von seinen lebemännischen Sitten scheint der Bischof ungeachtet seiner bedrängten Umstände nicht gelassen zu haben; mit Wallisch überwarf er sich wegen der Gattin desselben. Einige Monate später stellte sich der Bischof, als sei der Plan auf Neisse von ihm nur fingirt worden, um die österreichische Einquartierung bei guter Laune zu erhalten, und bat um eine Zusammenkunft mit dem Könige. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 215 Dieser liess ihm sagen, wenn er sich auf preussischem Gebiete betreffen lasse, solle er Tags darauf gehenkt werden. Bei den Hubertsburger Verhandlungen intervenirten der sächsische Geh. Rath v. Fritsch und ' der General Graf Anhalt bei Friedrich für den Bischof, während sich _ der österreichische Hof sehr kühl verhielt. Friedrich gestattete ihm die Rückkehr in sein Bisthum, beliess ihm aber die königliche Ungnade und wies ihm das Franziskanerkloster in Oppeln als Wohnsitz an; als er ohne Erlaubniss von da aus eine Rundreise machte, um die Nonnen- klöster zu visitiren, bekam er scharfe Weisung, sich nach Oppeln zurück- zubegeben, und da ihm nur sehr knapp die Unterhaltsmittel zugeführt wurden, floh er im April 1766 zum zweiten Mal nach Johannisberg, wo cr bis an sein Lebensende 1795 verblieb. Am 12, Februar hielt der Secretair einen Vortrag über Polens Einwilligung in die erste Theilung. Am 26. Februar las Herr Oberlehrer Dr. Schönborn über die Wirthschaftspolitik des Fürstenthums Breslau nach dem dreissig- jährigen Kriege. Seit dem „räuberischen‘“ Einfall des Grafen Mannsfeld in Schlesien, der zu Anfang Ausust 1626 stattfand, hatten sich die wüsten Stellen ‚ hierselbst von Jahr zu Jahr vermehrt. Die selbständige Verwaltung \ Schlesiens war im Laufe des Krieges verloren gegangen. Das Oberamt ‚ diente nicht mehr zum Schutze der ständischen Freiheit, die kaiserliche Regierung griff in die Verwaltung der Landeskasse und in die Ver- theilung der Steuern ein, so dass sich nun das Finanzsystem unter dem | überwiegenden Einflusse des monarchischen Princeips weiter ausbildete. Mit dem Jahre 1637, als Kaiser Ferdinand III. seine Regierung begann, ‚ trat das Fürstenthum Breslau, da es seinem völligen Ruin entgegen- zugehen schien, in den Vordergrund. Das Streben der Regierung und der Stände musste vor allem darauf gerichtet sein, diesen hohen Noth- ‚ stand des Fürstenthums soweit als möglich zu beseitigen. Schon damals ; wurde von der österreichischen Regierung ein Gedanke hierbei in An- | regung gebracht, der überaus fruchtbar und segensreich in seiner Aus- führung hätte wirken können; es war der Gedanke der Dismembration ‚ der dem Adel gehörigen Güter. Derselbe fand aber heftigen Wider- ‚ spruch in der schlesischen Land- und Ritterschaft und auch der Landes- ‘ hauptmann Adam v. Säbisch redete der alten Gebundenheit des Grund- besitzes laut das Wort und bat den Kaiser, dergleichen Dismembrationen im Fürstenthum nicht zu gestatten. Wenn für die damalige Rechtspflege das Gutachten des Landeshauptmanns vom 2. September 1638 sich als ) nicht unbedeutsam herausstellte, so sind aber vor allem später die 216 Jahres - Bericht eifrigen Bestrebungen anzuerkennen, welche Regierung und Stände ver- folgten, einerseits, um die tiefgesunkene Landwirthschaft zu heben und zu fördern und andererseits, um das Steuerwerk des Fürstenthums Breslau in Ordnung zu bringen, welches besonders bei den kriegerischen Zeiten theils dureh die Menge der Commissarien, theils durch die Nachlässigkeit und Untreue der Buchhalter in grosse Verwirrung gerathen war. Hier- bei erwarben sich besonders hohe Verdienste um das Fürstenthum Wil- helm und Ernst v. Rehdiger, Christoph v. Branchitsch, Ernst v. Pförtner und G. F. v. Abschatz. Am 11. März gab Professor Dr. Grünhagen eine Charakteristik Friedrichs des Grossen im Anfange seiner Regierung. Am 15. April las der Secretair einen Aufsatz über die Streitigkeiten der Polen mit Preussen und Oesterreich wegen #2 der Erweiterung, welche die letzteren über die Verträge von 1772 hinaus ihren polnischen Erwerbungen geben wollten. Am 29. April hielt der Secretair einen Vortrag über das Verhältniss Preussens und Oesterreichs zur bayerischen Erbfolge (1764—1778). Am 27. Mai ward eine vereinigte Sitzung der historischen Section, des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens und des Vereins für das Museum schlesischer Alterthümer abgehalten. j Professor Dr. Grünhagen sprach in derselben über die Geschichte von Oppeln, Dr. Pfotenhauer über die Geschichte von Czarnowanz und Director Dr. Luchs über die Alterthümer Oppelns. Nach dieser guten Vorbereitung unternahmen die genannten drei Vereine wenige Tage später, am 30. Mai, einen Ausflug nach Oppeln und Czarnowanz. Sie wurden in überaus herzlicher Weise dort aufge- nommen und werden diesen Tag deshalb immer zu ihren schönsten Er- innerungen rechnen. Zu besonderem Danke sind sie den Herren Regie- rungs-Rath v. Ernst, Direetor Dr. Wentzel, Oberlehrer Dr. Wahner und dem Pfarrer von Czarnowanz, Herrn Lie. Swientek, verpflichtet. Am Festmahle nahm auch der Regierungs - Präsident, Freiherr v. Quadt- Wykradt-Hüchtenbruck, freundlich Theil und brachte den Toast auf Se. Majestät, unseren allergnädigsten Kaiser und Herrn, aus. Je mehr uns seine Liebenswürdigkeit bezaubert hatte, desto schmerzlicher berührt es ; uns, dass die Zeitungen, während wir dieses schreiben, die Trauerkunde von seinem frühzeitigen Ableben bringen. Aber das Gedächtniss des Gerechten bleibet im Segen! In Oppeln hat Herr Professor Dr. Grünhagen einen Vortrag über © den Ritt Friedrichs des Grossen von Mollwitz nach Oppeln gehalten. » der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 917 Am 23. October las der Secretair einen Aufsatz über die Anbahnung einer französisch-russischen Vermittelung im bayerischen Erbfolgekriege und am 13. November Herr Professor Dr. Grünhagen über das Kundwerden des Breslauer Friedens (1742). Am 24. November trug der Secretair die Unterhandlung über die Friedenspräliminarien zwischen Oesterreich und Preussen im Januar und Februar 1779 vor, Am 9. December behandelte Dr. Marggraf das Thema: Breslau, eine deutsche Stadt vor der Mongolenschlacht 1241. Der Aufsatz ist abgedruckt in der Zeitschrift des Vereins für Ge- schichte und Alterthum Schlesiens, 1880, p. 527. Die Vorträge des Herrn Professor Grünhagen sind enthalten in seiner in diesem Jahre erschienenen Geschichte des ersten schlesischen Krieges, nach archivalischen Quellen, und diejenigen des Secretairs werden eben abgedruckt in der Geschichte des preussischen Staates von Stenzel, fortgesetzt von E. Reimann, Band VI, der auch noch in diesem Jahr herausgegeben werden wird. 218 Jahres - Bericht V% Geographische Section. Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1880, mitgetheilt von Dr. J. @ Galle, zeitigem Secretair der Section. Höhe des Barometers über dem Ostseespiegel bei Swinemünde = 147,35 m. I. Barometerstand, li. Temperatur 1880. reducirt auf 0° Celsius, der Luft in Graden, nach in Millimetern. Celsius. 3 ! e ee 7,0 > Sl oe = Aa ee = mm mm mm Januar ....[ı1 | 7653 | 18 | 7418 | 75611 | 2 |+ 605) 27 |-1208|- 20,19 Februar ...| 4) 66 7|: 8365| A962 |22 29|+ 88 5 —- 98— 037 Märzr. =... 8: 13 69,5 | 4 31,8 53,36 | 29 |+ 13,911319|— 8,5+ 2,25 April...... s0o| 56,7 | 5| 355 | 46,69 | ı8 |+249| 30 |+ 02|+ 9,99 Mae 29| 563) 6| 4106| 48641 28 |+ 29,81 19 I+ O,1l+ 11,44 anal as 7ı 5327| 2| 2405| 4653| ı2 |t>289| 6 + z2l1 168 Jul | 55|927| s64| 4816 | 10 |+33,0| 22 |+ 102|+ 19,97 August....128| 572| 8| 3631| 4733| 26 |+ 258 28 |+ 80|+ 17,17 September.| 29 | 59,0 |ı6 | 385 | 50201 5 +2,61 26 + 6,1+ 14,55 October --. .. 111112) 755,5, | 29 | 28.7 45,29 7 '+231| 24 I— 46/+ 8,39 November .|28| 637 |ı8s| 301| 5015| 15 |+142) 3 |- 401+ 4,29 December .| 4 | 61814 | 306 | 4538| 24 |+ 106] 5 |- 421+ 2,89 Jahr | 0768 | 728.7°| 748.96 1 00 +33%0|..... 1203| 4 80,72 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 319 II. | der Luft. VE IE Benchtiskeitider Inft. 17 T IV. Wolken 1880. a. absolute, b. relative, bildung und in Millimetern. in Bmaaton, Niederschläge. 3 0.54 3 3 Slvasms 20% 12) 72) © 2) . m Monat. |& | £ = = 5 siz|s = G An: 28 3 33 E = = = "I = B | 2 I9| = ı2 I # | voo [303,2 |5 |s|2 3135 [7 lei” 255 Als |RA E aalahıs Kerl s Tage. 283 mm mm mm mm Januar ...| 2 | 62|2728| 1,5 | 3,56|...1100| 3 168 8 | 5 | 8| 18| 38,68 Februar ..|21 | 63| 10 | 19 | 3,70|...1100| 6 |51] 82 | 10 | 9\ 10| 16,38 März; .u.u: 6.596,9)11213.11521,431|063369 |:..1100| 127 217687, II.) 18 | 1156| 9,27 April. - .... 20309712927 3:0217 6,38 11-1100 187132) 217108110, 12| 38,70 Mate 43% 282 212,7. 19212 2,42, 27,48:. ...,100| 726 126| 742) 3.13) 15.109693 Junt!SlN.. 1221073:5. 1628 7 5,81 10,07 ]2.110017'221,32|1717°12 3.19 | 28 [110,52 ui ihurih. #1 15,221 d6 555 110,931... 110010567) 34| 6zulı 5.|211: 75 |. 70,65 Aue 16,1.14.8|28.:1.1:6,3,11.10,75.|- 51100] ,6..)35| 75:1: 8.|17:|..1:6 | 109,67 September| 7 | 15,7|1 13 | 6,3 | 9,28|...,100| 2 3677 | 4117| 9! 53,05 Veioper 17 3,).109.24)| 3,0 .,6,72 1. ..11001. 29.139) 79 | — | 13 |. 18: 57,12 Morenhe ae 2927 2.42, 5.023.-1100 2.927491779717 12171728) 33,46 December |24 | 71/27 | 29 4,67 1...11001111231 61] 82 | 1 116 14| 55,68 Jahr | 15,7 14 | 6,84||.. ‚100: .. |21|76,2| 59 |168| 139 | 690,11 V. Herrschende Winde. Januar. Die vorherrschende Windesrichtung war NW, in den letzten Tagen SO. Februar. Am häufigsten wehten SO- und SW-Winde, demnächst W. März. Am meisten wurde NW verzeichnet, aber nicht viel seltener O0, NO, N und W. April. Die häufigsten Winde waren SO und O, hiernächst folgten NW, W, SW, NO. Mai. NW, NO, N herrschten vor, hiernächst SO und W. — Die Stärke gering. Juni. NW und nächstdem w, SW und O kamen am häufigsten vor. Juli. Vorherrschende Windesrichtungen: NW, W und SW. August. Am häufigsten wehten NW und NO, es folgten dann O und SO. September. NW und W waren vorherrschend, in der ersten Hälfte öfter auch SO. Oetober. Die westlichen und südwestlichen Windesrichtungen waren entschieden vorherrschend. November. Auch in diesem Monat waren SW und demnächst W am häufigsten, oft auch NW und SO, December. Die westlichen Windesrichtungen NW, W, SW herrschten bei weitem vor, hiernächst SO und $. 220 Janua Febru März. BAD. Mai. Jahres-Bericht VI. Witterungscharakter. r. Die Temperatur hielt sich bis zum 15. stetig über, vom 15. bis 31. stetig unter dem Mittelwerthe. Doch auch in dieser zweiten Hälfte war die Kälte durchgängig eine sehr mässige, selbst nach dem Umschlagen der NW- in SO-Winde, welche, vom 26. bis 31. anhaltend, zwar oft etwas nebliges, aber sonst ganz heiteres Wetter brachten. Der Luftdruck war ein sehr hoher und nur an 6 Tagen unter dem Durchschnittswerthe. Das Quantum der Niederschläge überstieg den Mittelwerth besonders in Folge eines in der dritten Woche eingetretenen etwas reich- licheren Schneefalls. ar. Der heitere Himmel der 5 letzten Tage des Januar hielt im Februar noch 7 Tage an, erst am 12. trat eine vollständigere Trübung ein, worauf geringe Niederschläge folgten, die aber kaum die Hälfte des Mittelwerths erreichten. Die mittlere Tem- peratur war etwas über dem Mittelwerthe. An vielen Tagen war des Morgens die Kälte nicht unerheblich, regelmässig stieg jedoch das Thermometer um Mittag über Null, so dass zwar 23 Frosttage vorkamen, aber nur ein Eistag. Luftdruck und Feuchtigkeit waren normal. Trotz vieler heiterer und oft wolkenloser Tage erhob sich die Temperatur bei den anhaltenden rauhen östlichen und nordöst- lichen Winden wenig über den Durchschnittswerth und war vom 12. bis 23. sogar tief unter demselben. Der Luftdruck war ein ungewöhnlich hoher und stand nur vom 1. bis 5. und am 31. unter dem Mittelwerthe. Niederschläge an Regen und Schnee waren selten und gering, ihr ganzes Quantum betrug nur ein Viertheil des Durchschnittswerthes. Entsprechend gering war die Feuchtigkeit der Luft. Das Wetter war bis zum 12. kühl und regnicht, dann aber trat eine vierzehntägige Periode schönen und fast ganz trockenen Wetters ein, zum Theil mit einer sommerlichen Wärme bis zu 25° C. und mit einer für den April seltenen Beständigkeit, am Schlusse folgten noch einige kalte Tage und Regen. Der Luft- druck war keinen erheblichen Schwankungen unterworfen, die Regenmenge normal. An zwei Tagen wurden Gewitter ver- zeichnet. Das Wetter war vorherrschend kalt und nass, nur durch zwei kurze Perioden — vom 13. bis 16. und vom 25. bis 28. — warmen Wetters unterbrochen. Am 19. und 20. sank das Thermometer bis auf nahe 0° und trat an vielen Orten ausser- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. DPA halb auch Frost, im Gebirge ein starker Schneefall ein. Die Summe der häufigen Niederschläge betrug fast das Doppelte des Durchschnittswerthes, und entsprechend war die Feuchtigkeit der Luft eine hohe. Der Luftdruck war im Mittel ziemlich normal und ohne erhebliche Schwankungen, demgemäss auch die Wind- stärke eine geringe. Gewitter kamen zweimal vor. Juni. Wärme und Luftdruck zeigten keine grossen Schwankungen, erstere war meist über, letztere meist unter dem Mittel. Abso- lute und relative Feuchtiskeit waren über dem Mittelwerthe; die Niederschläge häufig und reichlich, oft von Gewittern be- gleitet, erreichten fast das Doppelte des Durchschnittswerthes. Juli. Das Wetter war zwar ein sommerlich warmes, der Himmel war jedoch selten ganz klar, und fanden häufig Niederschläge, be- sonders aber viele Gewitter statt. Das Quantum der Nieder- schläge, sowie Druck und Feuchtigkeit der Luft waren normal. August. Die erste Hälfte dieses Monats war überaus nass und regnicht, daher in mehreren Gegenden der Provinz Ueberschwemmungen stattfanden; die Regenmenge in diesen 15 Tagen überstieg die normale Menge des ganzen August um ein Drittheil. Vom 18. an aber trat anhaltend heiteres und trockenes Wetter ein mit vorherrschenden östlichen Winden, Luftdruck wie Temperatur waren anfangs meist unter, später über dem Mittel; die Feuch- tigkeit war durchschnittlich über dem Mittel. September. Der Monat begann mit einer Periode warmen und klaren Wetters, nur am 6. durch einen starken Gewitterregen unter- brochen. Vom 13. ab und besonders in der zweiten Hälfte waren, die Niederschläge häufig. Die Temperatur war bis zum 7. sehr warm, vom 8. bis 20. fast normal, dann aber kühl. Der Luftdruck war in der ersten und letzten Woche hoch, in der Zwischenzeit niedrig. Luftfeuchtigkeit und Regenmenge überschritten den Mittelwerth. October. War in ungewöhnlichem Grade trübe und regnicht, nur 6 Tage blieben ohne Regen, keiner war ganz heiter. Der Baro- meterstand war im Durchschnitt tief und dabei raschen und grossen Schwankungen unterworfen, besonders in der zweiten Hälfte. Die Durchschnittswärme war nahe normal, indem die Kälte der zweiten Hälfte durch einige warme Tage in der ersten ausgeglichen wurde. Am 23., 24. und 25. fiel Schnee. Die Gesammtsumme der Niederschläge betrug fast das Doppelte des vieljährigen Mittels für den October. November. Das erste Drittheil war kälter, die beiden letzten Dritt- theile wärmer als im Durchschnitt. Bis auf einige heitere und 222 Jahres- Bericht milde Tage in der letzten Woche war das Wetter vorwiegend trübe, oft regnerisch und neblig. Die Regenmenge war normal. Der Luftdruck war in der Mitte tief, am Schlusse hoch und be- wegte sich in raschen Sprüngen auf und nieder. Die relative Feuchtigkeit war etwas unter dem Durchschnittswerthe. December. Dieser December war in starkem Gegensatz zu dem von 1879 ungewöhnlich warm, die Temperatur 4° über dem Mittel; nur an drei einzelnen Tagen stand das Thermometer ein weniges unter demselben, an keinem Tage hielt es sich stetig unter dem Gefrierpunkte. Das Barometer dagegen blieb ausser vom 3. bis 8. dauernd unter dem Mittelwerthe. Niederschläge — meist Regen, nur einigemale vorübergehend Schnee — waren häufig und reichlich. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 393 V1I1lI. Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1880 | von Stadtrath E. H. Miller, zeitigem Secretair der Section. Die Section für Obst- und Gartenbau der Schlesischen Gesell- schaft für vaterländische Cultur zu Breslau hielt im Jahre 1880 zehn Sitzungen. Die erste Sitzung wurde am 28. Januar gehalten. Nach seitens des Seeretairs erfolgter Begrüssung der erschienenen Mitglieder und dessen Ersuchen an dieselben, die Zwecke der Section auch in dem begonnenen ‚ Jahre kräftig zu fördern, verlas derselbe den von ihm an das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft erstatteten Generalbericht über die in dem ‚ letztabgelaufenen Jahre gepflogene Thätigkeit dieser Section. | Hierauf wurde mit allseitigem Bedauern die Trauerbotschaft ver- , nommen von dem vor wenigen Tagen nach längerer Krankheit im Alter , von wenig über 72 Jahren erfölsten Ableben des Ober-Hofgärtners Herrn C. Schwedler zu Slawentzitz, eines in seinem weiten dienstlichen | Wirkungskreise wie auch seit der im Jahre 1847 stattgefundenen Con- stituirung dieser Section um dieselbe nach den verschiedensten Richtungen ' hin wohlverdienten Mannes. Sein Andenken wurde durch Erheben von ' den Plätzen geehrt und wird sicher bei denen, welche diesen Ehren- ' mann näher kannten, von Bestand bleiben. Zu sehr erfreulicher Kenntniss brachte der Secretair, dass nach Mit- theilung vom 7. Januar e. des Landeshauptmanns von Schlesien, Herrn iv. Uthmann, von hohem Provinzial-Ausschuss in Folge Petition des ı Präsidii der Schlesischen Gesellschaft die derselben für diese Section - zeither bewilligten Subventionen zur Unterhaltung deren pomologischen 224 Jahres - Bericht und damit verbundenen Obstbaumschul- und Versuchsgarten nunmehr auf den Haupt-Ausgaben-Etat gebracht, mithin auch für dieses und folgende Jahre bewilligt wurden. Es folgten Bekanntgebungen aus dem Bericht über die am 4. Januar a. c. stattgehabte Sitzung des Gartenbau - Vereins zu Ratibor. Die in demselben enthaltenen und auch von verschiedenen anderen Seiten her geführten bitteren Klagen und gegebenen Nachrichten über die durch die in der Nacht vom 8. December v. J. plötzlich eingetretene und bis zum 10. desselben Monats sich auf 22—24° R. gesteigerte Kälte, auch an sich zeither gegen solche als widerstandsfähig erwiesenen Bäumen und Sträuchern, namentlich an Obstbäumen hervorgerufenen sehr bedeutenden Frostschäden beabsichtigt Herr Geh. Medicinal-Rath Prof. Dr. Göppert zu sammeln und später Näheres darüber und über deren Folgen zu be- richten. Die zweite Sitzung folgte am 18. Februar. Es wurde darüber berathen, ob näher gegen das Frühjahr hin eine Ausstellung blühender Zwiebelgewächse zu veranstalten sein möchte, jedoch beschlossen, wegen schon zu weit vorgerückter Jahreszeit und weil in diesem Jahre allge- meine Klage über nicht befriedigende Qualität der Biumenzwiebeln geführt werde, von einem derartigen Vorhaben für dieses Jahr abzustehen. Herr Kaufmann Kramer hatte einen Napf mit 10 Stück sehr reich und durchaus gleichmässig blühenden Hyacinthenzwiebeln „‚Charles Dickens blau‘ eigener Zimmercultur ausgestellt. Vorgelesen wurde eine Abhandlung des Apothekers Herın Scholtz in Jutroschin „über Pflanzen-Localisirung‘“ und der von Herrn M. Schwedler, dem Sohne des im vorigen Monate zu Slawentzitz ver- storbenen Ober-Hofgärtners Herrn ©. Schwedler freundlichst eingesendete Nekrolog seines Vaters, welchen wir uns nicht versagen wollen, zur Ehre des Dahingeschiedenen hier folgen zu lassen. Derselbe lautet: Carl Heinrich Schwedler, des Gärtners Leonhard Schwedler und dessen Ehegattin Sophie, geb. Thiele, Zwillingssohn, geboren am 10. December 1808 zu Nienover, Oberamt Rothenkirchen, Königreich Hannover, verzog mit den Eltern 1815 nach Cassel in kurfürstliche Dienste. Im Jahre 1817 wurde der Vater, L. Schwedler, an das Landes- hospital Mershausen als Hospitalgärtner versetzt. An genanntem Orte erhielt Carl Schwedler neben dem Unterricht einer Dorfschule vom Vater 4 | die Unterweisung im Gemüse-, Obst- und Hopfenbau. In seinem vier- zehnten Jahre trat er in der Orangerie bei Cassel bei seinem Onkel, dem Orangerie-Inspector Mohr, und dem Hofgärtner Nolde in die Lehre, so dass er mit seinem zwanzigsten Jahre — wie man so sagt — aus gelernt hatte. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 395 Carl Schwedler arbeitete hierauf von Mitte Januar bis Anfang August ı 1830 als Gartengehilfe in der kurfürstlichen Orangerie der Carlsaue bei ‚ Cassel unter Hofgärtner Ch. O. Nolde, worauf er vom 1. October 1830 bis zum 31. Mai 1831 auf Wilhelmshöhe bei Cassel unter Hofgärtner Clauss und im grossherzoglichen Garten zu Bessungen bei Darmstadt ‚ vom September 1831 bis gegen Ende Juli 1832 unter Hofgärtner 'G. Noack in Condition trat. Am 9. September 1832 erhielt Carl Schwedler von der Domainen- | Direetion (Hofrath Mangold) in Oehringen den Ruf als selbständiger , Gehilfe unter Oberleitung des Hofsärtners Knecht nach Friedrichsruhe | bei Oehringen, wo er am 23. September 1832 eintrat. Da sich Frie- \ drichsruhe unter seinen Händen bedeutend hob und Hofgärtner Knecht ihm deshalb nicht hold war, so wurde dieser versetzt und Carl Schwedler | als Hofsärtner daselbst angestellt, welche Stelle er bis zum 23. März 1835 bekleidete. Durch seine Thatenlust erwarb er sich die Gunst ‚seines Herrn, des Fürsten August zu Hohenlohe-Oehringen, welcher ihm den Auftrag ertheilte, in Slawentzitz die Gärtnereien anzulegen. An dem ‚eben genannten Tage traf er an diesem Orte ein und blieb daselbst als "Hofgärtner bis zum 9. Januar 1855, an welchem Tage von dem Fürsten Hugo zu Hohenlohe-Oehringen er den Titel Ober-Hofgärtner und die \ Aufsicht über beide Gärten erhielt. In dieser Eigenschaft verblieb er in "Slawentzitz bis an sein Ende, welches am 22. Januar 1880 erfolgte. Andere Gärtnereien in grossartigem Style legte Carl Schwedler noch ‚an in Beuthen OS., Laband, Gleiwitz, Rudzinitz, Stubendorf, Comorno, 'Schimitschhof, Gross - Gorschütz, Poln. - Krawarn und mehreren anderen "Orten. Ferner, zu der Herrschaft Slawentzitz gehörig, die Anlagen um ‚das Jagdschloss Dombrowa, die Wildmeisterei Klein-Althammer und eine ‚grössere Anzahl kleinere Gärten. In der am 24. März stattgefundenen dritten Sitzung lag dem 'Seeretair leider wieder eine betrübende Pflicht ob, und zwar zur Kennt- "niss zu bringen das am 24. Februar a. c. im Alter von 85'/, Jahren er- ‚folgte Hinscheiden des um die deutsche Obsteultur und Sortenkenntniss "sich bis an sein Lebensende unvergleichlich hochverdient gemachten Superintendent J. G. C. Oberdieck in Jeinsen (Hannover), correspon- direndem Mitgliede der Schlesischen Gesellschaft, resp. dieser Section. | Sein Andenken wurde durch Erheben von den Sitzen geehrt. Herr Juwelier Herrmann sprach „über Cultur und Verwen- "dung der Wistaria chinensis D. ©. (Glyeine chin. bot. mag.)‘ Vorgelesen wurden weitere briefliche Mittheilungen der Herren Frickinger-Laasan, Seyler-Oberweistritz, Kurtz- Wieg- schütz, sowie von dem fürstlichen Hofgärtner Herrn Schütz in Mar- "garethen am Moos (Nieder-Oesterreich) über die auch an älteren Obst- 1880, 15 226 Jahres - Bericht bäumen, besonders Birnen, und sogar auch an einheimischen Coniferen erlittenen grossen Verluste durch die auch an diesen Orten an den Tagen vom 8.—10. December v. J. geherrschte, bis 26° R. sich gesteigerte Kälte, und der Bericht des Ratiborer Gartenbau-Vereins über dessen Sitzung am 7. März a. c. Vorgelest wurden noch die 52. Lieferung des Obsteabinets von H. Arnoldi in Gotha und ein im Besitz des Secretairs sich befindender Band, enthaltend äusserst sauber und correct im Anfange dieses Jahr- hunderts von einem hiesigen Kattundruckereibesitzer Zölffel in Aquarell- farben abgebildete 174 Species blühender Pflanzen, welche man zu jener Zeit hier in Gärten und Zimmern mit Vorliebe eultivirte. Vierte Sitzung am 28. April. Eine längere Zeit nahmen innere Angelegenheiten der Section in Anspruch. Ausgelest waren fünf sorg- fältigst gezeichnete und colorirte Pläne grösserer herrschaftlicher Park- Anlagen und Gärten, erdacht, angefertigt, ausgeführt und eingesendet von oben genanntem Herrn Hofgärtner Schütz, früher in Wettendorf (Ungarn), welche allseitige Anerkennung fanden. Vorgelesen wurde eine Mittheilung des Lehrers Herrn Kiefert in Floriansdorf „über plötzliches massenhaftes Auftreten einer | Mottenraupe und über deren Schmetterling“ und ein Elaborat des Kunstgärtners Herrn Friekinger in Laasan „zur Pflanzung und Pflege der Obstbäume“. Ein erfreuliches Feld der Anschauung und Besprechung boten die durch Herrn Kaufmann Kramer zur Stelle gebrachten, bis jetzt erschienenen, mit recht guten Abbildungen ver- sehenen Hefte: ‚Die Alpenpflanzen, nach der Natur gemalt von Jos. Seboth, mit Text von F. Graf und einer Anleitung zur Cultur der Alpen- pflanzen in der Ebene von Joh. Petrasch.“ In der am 9. Juni abgehaltenen fünften Sitzung wurden u. A. vorgelesen der Bericht des Sectionsgärtners Herrn Jettinger „über Culturergebnisse einiger an Sectionsmitglieder im Frühjahr 1879 vertheilter Gemüsesämereien“ und „Feinde der Obstbäume, deren Abwehr und Vertilgung“ von Hauptlehrer Herrn Oppler in Plania. | Zu der sechsten Sitzung am 22. September lag zur Kennt- nissnahme vor ein Abdruck des Gratulationsschreibens der Mitglieder des Präsidii der Schlesischen Gesellschaft an dessen Präses, den Geh. Medicinal-Rath Herrn Professor Dr. Heinr. Rob. Göppert zur Voll- endung seines 80. Lebensjahres am 25. Juli a. ec. Der von der Ver- waltung der Gartenbau-Gesellschaft zu Frankfurt a. M. aufgestellte und zur Begutachtung eingesendete Entwurf eines neuen Statutes des Deutschen nn nr en nem | 1 a j der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 937 , Pomologen-Vereins, dessen Mitglied die Section ist, wurde zur Berathung sestellt; wesentliches fand sich an demselben nicht zu erinnern und wurde derselbe sonach angenommen. Der Secretair machte die Mittheilung, dass das General-Comite der im Jahre 1881 zu Breslau statthabenden Schlesischen Gewerbe- und In- ‚ dustrie-Ausstellung in sein Programm auch eine Gruppe für Gartenbau ‚ aufgenommen und ihn als Mitvertreter derselben gewählt habe. Zur Vorlesung gelangte ein Artikel des Apothekers Herrn Scholtz in Jutrosehin: „Die Cultur der Aucuba-Arten.“ Die siebente Sitzung wurde abgehalten am 20. Oetober. Ein ‚, Dankschreiben königlicher Regierung zu Liegnitz für den übersendeten Jahresbericht pro 1879 wurde vorgelesen und ferner eine Empfehlung und Gebrauchsanweisung des von dem Lehrer C. Beeker in Jüterbogk angefertigten Brumataleimes zur Vertilgung den Obstbäumen schädlicher Insecten. Herr Geh. Rath Professor Dr. Göppert legte vor Exemplare einer aus Johannisbers in Oesterreichisch-Schlesien unter dem Namen „Band- _ birne‘ erhaltenen Birnsorte, welche in Form und Zeichnung grosse Aehn- liehkeit mit der Birne „Schweizer Hose‘ zeigte, ihre ziemlich dicke, lederartige, glatte Schale von lebhaft grüner Grundfarbe trug nur auf der Sonnenseite eigenthümliche gelbe und rothe bandartige Streifen, und das saftige, schmelzende Fleisch war von recht angenehm süssem, feinem, weinsäuerlichem Geschmack, Ausserdem legte derselbe noch soeben aus Teneriffa empfangene Abschnitte der Opuntia eoceinellifera Mill. mit den darauf lebenden Blattläusen, welche die echte Cochenille liefern, vor. Von dem Lehrer Herrn Kiefert in Floriansdorf empfangen, zeigte der Secretair Zweige der Aster horizontalis H. P., eines durchaus winterharten, sich bis zur Höhe von ca. 1'/, m pyramidal bauenden Strauches, dessen horizontal wachsende zahlreiche vielverzweigte Aest- chen, mit kleinen, schmalen, dunkelgrünen Blättern versehen, sich im Herbst mit zahllosen zierlichen, purpur - röthlichweissen Strahlen- | blümehen bedecken. Hierorts wird dieser schon länsst aus Nordamerika eingeführte Strauch nur wenig eultivirt und seine kleineren Zweige, noch bevor sie ihre Blüthen zeigen, zu Bindereien verwendet. Ferner, von demselben Einsender, die knolligen Wurzelstöcke der Anemone japonica Sieb. var. alba, einer perennirenden, nur bei stärkerem Frost zu be- deekenden Staude. Der feste Blüthenstengel derselben erhebt etagen- förmig, seine candelaberartig gestellten Blüthenzweige ausbreitend, sich ebenfalls auf etwa 1'/), m Höhe; die im September und October zahl- reich erscheinenden, bis 7. em im Durchmesser haltenden rein weissen Blüthen mit ihren intensiv hochgelben Staubgefässen gewähren einen im- , posanten, äusserst decorativen Anblick. Jene Aster wie diese Anemone 15* 228 Jahres - Bericht eignen sich ganz vorzüglich zur Vorpflanzung grösserer Gruppen höherer Sträucher wie zur Anpflanzung in kleinere Gruppen oder auch einzeln in der Nähe der Wege um grosse Rasenplätze. Nachdem der Secretair noch mitgetheilt hatte, dass auch bereits die zweite diesjährige Rate der von hohen Provinzialständen der Section gewährten Subvention zur Unterhaltung deren Obst-Baumschul- und Ver- suchsgarten empfangen werden konnte, wurde zu einer Vorbesprechung übergegangen über eine in der Mitte des Monats März k. J. durch die Section zu veranstaltende beschränkte Ausstellung und beschlossen, auf die von Dr. C. Bolle in Berlin redigirte Monatsschrift „‚Deutscher Garten“ zu subseribiren und dieselbe in dem Lesezirkel in Umlauf zu bringen. Vorgelesen wurden ein von dem Kunst- und Handelsgärtner Herrn Siegertin Goldschmieden verfasster und eingesendeter Artikel „über Veredelung der Rosen im Glashause“ und eine Anweisung des Obergärtners Herrn Lorenz in Bunzlau „über vortheilhafte Anlage der Spargelbeete‘‘, Am 17. November fand die achte Sitzung statt. Dieselbe war hauptsächlich anberaumt zu weiterer Berathung und Beschlussfassung wegen der für den März künftigen Jahres in Aussicht genommenen Aus- stellung und zur Feststellung des Programms für dieselbe. Nach diesem soll diese Ausstellung eintrittsfrei sein und in den Sälen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in dem alten Börsengebäude am Blücherplatz No. 16 am Sonnabend, den 12. März k. J., eröffnet und am Sonntag, den 13. März, geschlossen werden. Für die Ausstellung sind bestimmt: 1) Blühende Zwiebel- und Knollengewächse jeder Art, 2) blühende Topfpflanzen in vorzüglicher Cultur, 3) abgeschnittene Blumen und Bindereien, 4) getriebene Gemüse, 5) frisches, eonservirtes Obst und sollen für vorzügliche Leistungen Ehren - Certificate ertheilt werden. | Noch machte der Secretair Mittheilungen aus dem Bericht des Garten- bau-Vereins zu Ratibor über dessen am 7. November stattgehabte Sitzung und über eine Conferenz der Vertreter der Gruppe für „Gartenbau“ bei der im nächstfolgenden Jahre hier stattfindenden Gewerbe- und Industrie- Ausstellung, in welcher das Programm für diese Gruppe festgestellt wurde. Vorgelesen wurden Mittheilungen des Obergärtners Herrn Kühne in Glumbowitz „über die Louis van Houtte’sche Gärtnerei zu Gent“ und eine Abhandlung des Kunst- und Handelsgärtners Herrn Riedel in Löwenberg ‚zur Verbesserung der Wandbekleidung mit wildem Wein, Vitis quinquefolia“. u EEE der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 239 Gelegentlich der neunten Sitzung am 8. December hatten sich die Anwesenden seitens des Inspectors des hiesigen königlichen bota- | nischen Gartens, Herrn B. Stein, eines längeren Vortrages zu erfreuen / „über die Cultur der Alpenpflanzen“ und der Vorlegung von Photographien einiger Partien des botanischen Gartens zu Innsbruck mit Erläuterungen derselben. Ausserdem wurde noch vorgelegt und besprochen das 5. Heft von Nietner’s Gärtnerischem Skizzenbuch. Am 15. December wurde die zehnte und letzte diesjährige Sitzung gehalten. Der Secretair gab Kenntniss von der erfolgten Ver- theilung und resp. Versendung an die Sections-Mitglieder des Programms für die im März 1881 von der Section zu veranstalten beschlossene Ausstellung und desjenigen der Gruppe 19 ‚‚Gartenbau‘ der während des nächstjährigen Sommers gelegentlich der hiesigen Gewerbe- und Industrie- Ausstellung zu veranstaltenden temporären Gartenbau - Ausstellungen. Auf Antrag desselben wurde auch für eine im nächsten Frühjahr vor- zunehmende Gratisvertheilung an die Mitglieder der Section von Säme- reien empfehlenswerther Gemüse- und Zierpflanzen wieder ein erheblicher Geldbetrag bewillist. Herr Kaufmann J. Kramer legte eine Anzahl von ihm selbst am Risi gesammelter alpiner Pflanzen, insonderheit Orchideen vor. Herr Apotheker M. Scholtz in Jutroschin berichtete: Schon . ' vor Jahren habe er versucht, eine rosablühende Veronica chamaedris, welche bekanntlich sonst blaublühend auf allen Wiesen wächst, im 'Topfe , zu eultiviren, Es sei ihm dies jedoch nicht gelungen. Im vorigen Jahre habe er wieder ein rosablüthiges Exemplar gefunden, welches, wieder ‚in den Topf gepflanzt, sich in demselben vollständig habilitirte, den ı Winter ganz gut durchmachte und Mitte Mai d. J. auf 16 Blüthenstielen ı seine rosafarbigen, mit purpurnen Adern durchzogenen reizenden Blüthen entfaltete. Vorgelesen wurden ein ebenfalls von Herrn Apotheker Scholtz in Jutroschin eingesendeter „zweiter Bericht über Evonymus ja- ‚ ponieus Thbg.“, begleitet von einer Musterkarte von Blättern dieser | Gattung und verschiedenen buntblätterigen Varietäten derselben, sowie | eine dem „Chicago Democrat‘‘ vom 17. September d. J. entnommene statistische Notiz über den Apfelbau in den Vereinigten Staaten Nord- ı amerikas, Zum Schlusse dieser Sitzung ersuchte der Secretair, die auswärtigen Mitglieder möchten ihre Beiträge für das folgende Jahr zur Vermeidung ; der sehr hohen Postnachnahmegebühr bis spätestens zum 15. Januar ein- ‚ senden, von wo ab sonst die etwa rückständigen Beiträge durch Post- 230 Jahres - Bericht nachnahme eingezogen werden müssten; bis zur gleichen Zeit würden aber auch die Berichte über die Culturen der zum Versuchsanbau von der Section im Frühjahr unentgeltlich empfangenen Sämereien erwartet. Während einiger der abgehaltenen Sitzungen wurde selbstredend auch über wichtigere innere Angelegenheiten der Section verhandelt, wie z. B. die Feststellung des Etats und den schon im vorigen Jahre be- schlossenen Anbau an das Gärtner -Wohnhaus. Es wurde Bericht er- stattet über die Statistik der Section, die Bewirthschaftung des Gartens, ' die in demselben gemachten Cultur-Erfahrungen, wie auch über die Ein- nahmen und Ausgaben für denselben und die erfolgte Gratis-Vertheilung an Mitglieder von Sämereien empfehlenswerther Gemüse- und Zier- pflanzen. Ueber jene, wie über die für diese Vertheilung erforderlich gewesenen Ausgaben wurde durch den Secretair Rechnung gelegt und demselben nach erfolgter Revision und Richtigbefund Decharge ertheilt. Ferner wurden die eingegangenen Preisverzeichnisse und Programme an verschiedenen Orten in Aussicht genommener Ausstellungen, die neuesten Lieferungen des „‚Arnoldi’schen Obst-Cabinets‘‘ und des „Gärtnerischen Skizzenbuches von Th. Nietner‘“ vorgelegt und besprochen, sowie auch das Programm für eine von der Section in der ersten Hälfte des Monats März 1881 zu veranstaltende beschränkte Ausstellung berathen, fest- gestellt und an die Mitglieder wie auch an sonst bekannte Gärtner une Besitzer grösserer Gärtnereien in der Provinz versendet. Bezüglich des pomologischen und resp. Obst-Baumschul- und Ver- suchsgartens der Section ist in erster Reihe zu berichten, dass hohen Provinzial-Ständen auch für dieses Jahr eine Subvention zu dessen Unter- haltung in derselben Höhe wie in den vorangegangenen zu verdanken war und mit Hilfe derselben der im Interesse des Gartens behufs wün- schenswerther Aufnahme zu vermehrender ständiger Arbeitskräfte und resp. Lehrlinge für den Obstbau nothwendig befundene, projectirt ge- wesene Anbau eines zweitens Seitenflügels an das Gärtnerhaus schon in diesem Jahre in Angriff genommen und sogar beendet werden konnte. Unausgesetzt wurde die Bewirthschaftung des Gartens in rationellster Weise fortgesetzt. Zu beklagen ist, dass später Frühjahrs- und im Spät- herbst allzuzeitig eingetretener stärkerer Frost die Anzucht von Wild- lingen aller Obstsorten, besonders aber die in Cultur genommenen Edel- obstbäumchen, wie fast durch ganz Deutschland und darüber hinaus, so auch in unserem Garten sehr empfindlich schädigten und damit einen um so erheblicheren Verlust an dergleichen verursachten, als prineip- mässig nicht durchaus gesunde Edelstäimmehen nicht zum Verkauf gestellt werden. Dieser Verlust war denn auch die Hauptursache, aus weleher a die wieder recht zahlreich eingegangenen Aufträge oft nicht vollständig oder später gar nicht ausgeführt werden konnten, weshalb auch der Ab- | | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 931 satz junger Edelstämmehen nicht voll die Höhe des vorjährigen erreichte, dennoch aber als ein wohl zufriedenstellender anzusehen ist. Specielle Angaben hierüber werden wir weiterhin machen. Recht erfreulich ist es und giebt gewiss sicheres Zeugniss dauernden Erwerbes von Vertrauen zu den Produeten unserer Obstbaumschule, schon jahrelangen Kunden sich alljährlich immer wieder neue anreihen zu sehen. Um so bedauer- licher ist es daher, dass es noch nicht gelingen wollte, in der Nähe unseres Gartens geeignetes Terrain zu angemessenem Pachtpreise oder auch Ankauf zu ermitteln, um durch Verlesung der Saat- und Pflanz- schule dahin in dem Garten selbst mehr Raum zur Anzucht von Edel- stämmehen zu gewinnen. Die Bemühungen, ein solches Terrain zu er- mitteln, werden deshalb eifrig fortgesetzt. Führten wir in unserem letzten Jahresberichte an, dass die bei Be- sründung unseres Gartens errichtete Umfriedung eine vorläufig wenigstens theilweise Erneuerung von grösserer Dauerhaftigkeit erforderte, so haben wir nunmehr diesem hinzuzufügen, dass der Rest einer derartigen Erneuerung demnächst auch auszuführen nothwendig werden wird. Bezüglich der womöglich alljährlich stattfindenden Gratis-Verthei- lungen von Sämereien möge es gestattet sein, hier wiederholt zunächst darauf aufmerksam zu machen, dass dieselben keineswegs dazu bestimmt sind, ganze Gemüse- oder Ziergärten mit benöthigten Sämereien zu ver- sehen, sondern lediglich dazu, um empfohlene neuere Gemüse oder Zier-, besonders Florpflanzen zu verbreiten und den resp. Mitgliedern bequeme und kostenfreie Gelegenheit zu bieten, solche in eigenem Versuchsanbau auf ihren wirthschaftliehen oder Schönheitswerth prüfen, um je nach Befund Einschlägiges künftig direct aus Samenhandlungen beziehen zu können. Zu weiterer Beachtung möchte empfohlen sein, doch ja nicht die Stellen am ‚Kopfe unserer Samen-Offerten, wo der fette Vordruck: „Name“, „Wohnort“ sich befindet, und worauf auch in dem folgenden Texte noch besonders hingewiesen ist, nicht unausgefüllt zu lassen, weil, wenn dies, wie leider öfter vorgekommen ist, geschieht, in den meisten Fällen aus dem blossen Poststempel der Absender unmöglich zu erkennen ist, solche Verzeichnisse daher unberücksichtigt bleiben müssen, hieraus aber, wie die Erfahrung gelehrt hat, leicht unangenehme Missverständnisse und unverschuldete Vorwürfe an den Expedienten der auszugebenden Sämereien erwachsen. Sodann wird aber in den Offerten-Verzeichnissen auch noch ausdrücklich die Erwartung ausgesprochen, als Gegensatz der empfangenden Gratis-Sendungen, nach dem einer jeden derselben bei- gegebenen Schema über deren Inhalt einen Culturbericht erstattet zu erhalten. Recht sehr aber ist zu bedauern, dass dieser mässige Anspruch in den allermeisten Fällen, gar keine Beachtung oder für die in unseren Jahresberichten zu erstattenden Culturberichte nur ausnahmsweise be- friedigen könnende Erfüllung findet. Möchten die resp. Empfänger solcher 232 Jahres - Bericht Gratis-Sendungen, welche den Werth ihrer Beiträge ja überdies fast in der Regel weitaus übersteigen, doch wenigstens gefällig berücksichtigen, dass durch möglichst ceorrecte Culturberiehte sie sich nur gegenseitig und damit dem eigentlichen Zwecke dieser Vertheilungen, der Erlangung von Kenntniss und Verbreitung wirklich und allgemein empfehlens- werther, zum Theil neuerer Gemüse- und Zierpflanzen dienen und deshalb unserer schon öfter wiederholten dringenden Bitte um dergleichen künftig- hin in der sehr wünschenswerthen Weise zahlreicher nachkommen. Für die den Zwecken der Section entsprechenden gegebenen Notizen, eingesendeten Berichte und Abhandlungen, mündlichen Mittheilungen und Vorträge, welche stets aufmerksame Hörer fanden, erübrigt dem Seeretair nun noch die angenehme Pflicht, den betreffenden geehrten Mitgliedern wiederholt den verbindlichsten Dank für die ihm mit denselben bereit- willigst gebotene freundliche Unterstützung darzubringen, und soll dies hiermit auf das anerkennendste geschehen sein. Diese Bestrebungen der Section, auch in weiteren Kreisen nutzbringend zu wirken, fanden schon längst des öfteren aufmunternde ehrenvolle Beachtung; möge deshalb die freundliche Bitte wohlwollende Berücksichtigung finden, in soleh gemein- nützlichen Leistungen nicht zu ermüden und den in neuerer Zeit bei- getretenen Mitgliedern Anregung sein, dem so löblichen Beispiele lang- jähriger Mitglieder auch ihrerseits nach aller Möglichkeit Folge zu geben, damit der gute Ruf, dessen sich unsere Section selbst über die Grenzen unserer Provinz hinaus zu erfreuen die Ehre hat, derselben auch ferner erhalten bleibe. Die in den vorstehenden Sitzungsberichten nur nach ihrem Inhalt angegebenen Mittheilungen, Abhandlungen und Vorträge lassen wir nun- mehr folgen und wollen schliesslich nur noch um dauernd zahlreichen Besuch unserer Sitzungen ansprechen, weil unzweifelhaft durch einen solchen vermehrter belehrender Meinungsaustausch, Anregung und Inter- esse gewonnen wird. | Zum Capitel über Localisirung der Pflanzen. Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Es ist ein viel besprochenes Thema, das über Loealisirung der Pflanzen. Viel ist dafür, viel dagegen gesagt worden. Der Eine be- hauptet, die Pflanzennatur lasse sich in Betreff ihrer Ansprüche nicht umändern; der Andere gründet auf Versuche und Beobachtungen seine Ansicht, dass die Pflanze sich dennoch unter Umständen, Verhältnissen, welche von denen ihres natürlichen Standortes in mancher Beziehung der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 933 abweichen, anzupassen verstehe. Ich glaube, dass die Wahrheit mitten inne liegt, und jahrelange Beobachtungen über diesen Punkt haben mir gezeigt, dass viele, allerdings aber nicht alle Pflanzen ein so dankbares Naturell besitzen, um sich unter etwas abnormen Verhältnissen wohl zu fühlen. Man kann unter dem Begriffe der Localisirung dreierlei verstehen, einmal die Gewöhnung an einen Boden, welcher die chemischen Stoffe nicht in solehem Verhältnisse enthält, als wie jener, welcher der Pflanze ursprünglich von der Natur angewiesen wurde, an eine Erde, welche auch in physikalischer Beziehung vielleicht wesentlich anders ist, — so- dann eine Gewöhnung an eine andere Gegend, welche durch geringere oder grössere Wärme sich von der unterscheidet, welcher die Pflanze naturgemäss angehört, — endlich das Attachiren an einen Standplatz, welcher in Betreff des Lichtquantums eine Differenz zeigt. Im Allge- meinen jedoch versteht man bei uns unter Localisirung wohl nur die Gewöhnung an eine andere und jedenfalls eine solche an eine kältere Gegend. Wir haben eine Menge Pflanzen, welche uns eclatante Beispiele solcher fast absoluter Localisirung geben. Diese ist jedoch das Resultat langjähriger Züchtung und es ist dabei ersichtlich, dass das Kind immer abgehärteter wurde, als es die Mutter war, d. h. sich immer mehr und mehr localisirte. Man ist schliesslich so weit gekommen, dass einzelne Pflanzen der wärmeren Gegend unseren Winter mit Sicherheit im Freien auszuhalten vermögen; eine Umschau in einem grösseren, vielseitig aus- sestatteten Garten oder Park zeigt uns Hunderte solcher Beispiele. Es mag; allerdings vielleicht auch einzelne harte und zähe Naturen unter den Pflanzen geben, welche, direct aus ihrem wärmeren Urstandplatz in unsere nördliche Gegend gebracht, sich unempfindlich gegen die winter- liche Kälte zeigen; ich sage, es mag solche geben, denn mit Bestimmt- heit kenne ich Beispiele davon nicht; indessen ist ja die Möglichkeit solcher Existenzen nicht ausgeschlossen. Unbestritten aber ist, wie schon gesagt, dass die Abhärtung der allermeisten, bereits localisirten Pflanzen durch eine dureh lange Jahre fortgesetzte Vermehrung der Art erreicht wurde, Wer mit offenem Auge bei seinen Pflanzen weilt und hantiert, wird längst die Ueberzeugung gewonnen haben, dass ihm der von ihm selbst geschnittene und zur bewurzelten Pflanze sich etablirte Steckling besser ' gedeiht, als die von auswärts bezogene Pflanze; ja, was mich anbetrifft, so benütze ich in Erkenntniss dieses Umstandes in manchen Fällen die bezogene Pflanze nur, um von ihr Vermehrung zu erzielen und werfe sie, | wenn dies gelungen, getrost auf den Dünger, ich weiss doch, dass aus | ihr nicht viel wird; denn sie ist meistentheils verhätschelt und ver- ‚ weichliecht durch warme Glashäuser und warmen Guss und gleicht fast 934 Jahres - Bericht einer Pflanze, welche direct aus ihrem Vaterlande in meinen Besitz ge- langt. Lassen Sie sich ein Beispiel nach dieser Richtung hin vorlegen. Ich besitze eine Kalthauspflanze mit schönen, grünen, lederartigen Blättern, Namens Corynocarpus laevigalus Forst., welche, wenn auch aus Neuseeland, doch gegen Kälte sehr empfindlich ist. Kleinen Frösten, über welche andere Kalthauspflanzen nur spöttisch vorübergehen, fallen sofort ihre Blätter und jungen Triebe zum Opfer. Ich hatte die Pflanze vor Jahren aus einer einheimischen Handelsgärtnerei bezogen und sie auch weiter cultivirt, um von ihr nach und nach Triebe zur Vermehrung zu gewinnen, was mir bisher jedoch nur in sehr geringem Masse ge- lungen war. Sie verlor nämlich bei ihrer angeborenen Weichlichkeit und ehe ich ihr Natureill genau kannte und sie gegen Unbilden der Witterung schützte, alljährlich durch kleine Herbst- und Frühjahrsfröste ihre jungen Triebe, so dass mir zu Stecklingen nur wenig verblieb. Indessen war es mir dennoch gelungen, einen Trieb zu erhalten und zur Bewurzelung zu bringen, und das dreijährige Pflänzchen hat sich bereits männiglich entwickelt. Beide Corynocarpi, Mutter und Tochter, hatte ich in diesem Winter versuchsweise über Nacht in einen Flur gestellt, in welchen die Kälte mässig einzudringen pflegt. Es friert darin zwar die nasse Erde zu Stein und Bein, wenn draussen die Kälte halbwegs fühlbar ist, jedoch ist durch Thürverschluss jede Zugluft vermieden. Beide Pflanzen standen über Nacht nebeneinander. Das Ergebniss des Versuches war folgendes: Am Morgen des nächsten Tages waren beide Töpfe hart gefroren, ob durch und durch, habe ich nicht untersucht, be- zweifle es jedoch, weil die Dielen, auf welchen dieselben standen, durch den darunter befindlichen Keller mehr oder minder warm gehalten, immerhin etwas Wärme an die unteren Seiten der Töpfe abgegeben haben mögen. Die Mutterpflanze schien ganz erfroren; die Blätter waren glasig und hingen schlapp herab. Die junge Pflanze schien jedoch durch den Frost nicht im mindesten alterirt; sie stand steif und gesund daneben, ohne auch nur einen einzigen glasigen Fleck an den Blättern zu zeigen. Nach dem Einbringen beider Töpfe in ein warmes Local blieb die junge Pflanze unverändert, d. h. durch und durch gesund; die Alte laborirt noch heute, obwohl der Versuch vor 4 Wochen gemacht wurde, als hier im Freien einmal zur Nachtzeit die Temperatur bis auf Minus 13° R. gesunken war. Sollte das günstige Resultat bei der jungen Pflanze nicht eine Folge der Localisirung zu nennen sein? — Ich denke wohl. Gestatten Sie mir, bei dieser Gelegenheit Ihnen noch einen zweiten derartigen Versuch vorzuführen. — Die bekannte Aschpflanze Santolina Cha- maecyparissus L., eine Bewohnerin Südeuropas, wird bei uns in Glashäusern überwintert. Ich habe seit vielen Jahren die Pflanze in Cultur genommen, machte im Frühjahre Stecklinge davon zu einer Einfassung, asservirte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 335 von diesen Stecklingen ein Exemplar im Topfe zur nächstjährigen Ver- mehrung und stellte dieses stets mit meinen sonstigen harten Pflanzen über Winter in den kalten Keller. Vor drei Jahren setzte ich eine solche Pflanze isolirt auf eine Rabatte zur Prüfung, inwieweit sie sich localisirt habe. Sie wuchs in der freien Erde im Laufe des Sommers tüchtig heran und wurde beim Eingang des Winters mit Gartenabfall leicht gedeckt. Im Frühjahr nächsten Jahres zeigte sich die Pflanze gesund, sogar mit erhalilenen Zweigen. Den nächsten Winter musste dieselbe Pflanze, d. h. dasselbe Exemplar, ungedeckt aushalten und sie blieb lebendig, wenn auch die Zweige verloren waren, deren sie jedoch bald wieder neue trieb. Im letzten Winter, 1877 zu 1878, wiederholte sich dieselbe Erscheinung und ich habe heute noch die niedliche Santo- lina, welche sich so hübsch localisirt hat. In Abrede dürfte dabei frei- lieh nicht zu stellen sein und in Anrechnung wäre der Umstand zu bringen, dass ich meine Erde stets warm, d. h. immer chemisch thätig erhalte. In diesem Winter, 1878 zu 1879, habe ich eine junge Yucca recurva Salısb. ohne Deckung mit freiliegender Wurzel im Freien liegen gelassen. Der Versuch soll die Abhärtung der Pflanze nach dieser Richtung hin darthun. Bisher im Freien, jedoch in der Erde gelassene Wurzelstöcke von Yucca recurva habe ich stets im Winter gesund erhalten. Hierbei erwähne ich, dass ich auch schon Knollen von Begonia ricinifolia unseren Winter ohne Deckung im freien Lande aushalten sah. Hiermit schliessend wünsche ich nur noch, dass auch Besitzer srösserer Pflanzensammlungen Localisirungsversuche und zwar in aus- sedehnterem Massstabe anstellen und über deren Erfolge berichten möchten. Ueber Wistaria chinensis D. C. (Glycine sinensis Bol. May). Von Juwelier M. Herrmann. Auf meiner letzten Reise durch Süddeutschland begegnete ich zu wiederholten Malen in reizender Verwendung dem prächtigen, bei uns noch viel zu wenig gewürdigten Kletterstrauch Wistaria chinensis, welcher seinen Namen trägt nach Caspar Wistar, Professor der Anatomie an der Universität in Pensylvanien und Präsident der amerikanischen natur- wissenschaftlichen Gesellschaft, gestorben 1818. Dieser rasch wachsende Kletterstrauch ist für hohe, mit Spalier zu bekleidende Wände, sowie für Laubgänge, Veranden, besonders aber für ersteren Zweck, nicht genug zu empfehlen und gedeiht am besten im lockeren, nahrhaften, etwas feuchten, freien Grunde, wo er gegen kalte 236 Jahres-Bericht Winde geschützt ist. In den milden Gegenden Süd- und Westdeutsch- lands vollständig hart, muss er bei uns entweder am Spalier durch Stroh- oder Bastdecken geschützt oder, wenn in langen dünnen Zweigen, abge- bunden auf einen kleinen Raum zusammengebracht und mit Fichtenreisig oder dergleichen gedeckt und der Wurzelstock mit Erde oder Laub be- deckt werden. Die etwa 30 em langen und 12 cm breiten Blätter bestehen aus 9 bis 11 elliptisch zugespitzten, anfangs seidenartig behaarten, später leb- haft grünen, nur auf der unteren Seite mit angedrückten Haaren besetzten Blättehen. Die Blumen erscheinen in etwa 20—30 cm langen, lockeren, prächtigen, hängenden Blüthentrauben, ganz ähnlich wie Cytisus laburnum, jedoch grösser, violettbläulich-purpurn mit gelben Schwielen, sind mässig wohlriechend, blühen oft schon im Mai und Juni vor dem Ausbruch der Blätter und dann noch vereinzelt im August. Die Vermehrung geschieht durch Wurzelschnittlinge, Stecklinge von kurzen, jungen Seitentrieben im Juli oder August im kalten Mistbeet und importirten Samen in lau- warmes Mistbeet gesät. In ihrer Blüthenpracht bildet diese Wistaria eine herrliche Decoration. Das Bild einer solchen Decoration wurde mir auf meiner obenerwähnten Reise. Es war gesen Ende Juli 1377, wo ich, mit meinen Begleitern nahe der alten Mainbrücke zu Frankfurt vor einem zwei Fenster breiten, vier Stockwerk hohen Hause stehend, welches bis zum Dache von dieser reizenden Kletterpflanze berankt und von vielen Tausenden dieser prächtigen Blüthen bedeckt war, einen noch nicht erlebten überraschenden Anblick genoss, der uns eine geraume Zeit an den Platz fesselte. Nach den von mir eingezogenen Erkundigungen über die Erziehung dieser Prachtpflanze, der chinesischen Wistaria, ergab sich folgendes: Am 1. März 1862 wurde sie als Topfpflanze von dem Vater des jetzigen Besitzers des Hauses an die Stelle einer alten abgehenden Weinrebe an das Haus verpflanzt, wo sie vollständigen Schutz gegen Nordwinde, ‚während des Tages viel Sonne und den geeignetsten, mässig trockenen und warmen Standort fand und sich in kurzer Zeit in mächtigem Wachs- thum entwickelte, sie hatte bis dahin ein Alter von 20 Jahren erreicht; ihr Stamm hatte die Stärke von 7'/, cm Durchmesser und von dessen ca. 20 cm Höhe bedeckten die nach rechts und links spaliermässig schön gezogenen Zweige die ganze Facade des Hauses bis zum Dache, was ein vortrefflich geregeltes Bild ergab. Der colossale Blüthenreichthum mochte dadurch hervorgerufen worden sein, dass die zur Deckung der Hausfront nicht nöthigen älteren und längeren Triebe eingeschnitten wurden, wodurch sich die kurzen kräftigen Blüthenzweige bildeten. Auch im Sommer 1879 hat diese Wistaria brillant geblüht und die = wunderung vieler Beschauer erregt. der Schles. Gesellschaft für vateri. Cultur. 237 Ueber das plötzliche massenhafte Erscheinen einer Motten- raupe und über deren Schmetterling. Von Lehrer Kiefert in Floriansdorf. Im Mai und Juni vorigen Jahres zeigten sich auf den Aepfelbäumen hiesiger Gegend unzählige Gespinnste. Jedes derselben enthielt 20, 30 bis 50 kleine grünlichgelbe, schwarzgepunkte, dunkelköpfige Raupen von höchsten 2'/, em Länge. Nur die eingesponnenen Blätter wurden ab- gefressen und zwar so, dass die Rippen und starken Adern des Blattes übrig blieben. Die Raupen verpuppten sich im Schatten eines im Ge- spinnst noch ziemlich erhaltenen Blattes, nicht einzeln, sondern in ganzen Bündeln, so dass die weissen länglichen Cocons fast regelmässig neben- und übereinander gelagert waren. Die diesen Cocons entschlüpfenden Motten hatten nur eine Leibeslänge von 8—9 mm. Den grauen, am After gelbbraunen Körper deckten dachförmig die weissen mit schwarzen Punkten übersäeten Ober- und grauen, seidenartigen, am Rande feder- artig gefranzten Unterflügel. Interessant war, wie ich beiläufig bemerke, die Art und Weise, wie der ausgekrochene Schmetterling, indem er vorn den Kopf aufstützte, durch fortwährendes Zurückbiegen des Hinterleibes nach unten die Aus- bildung seiner Flügel beförderte. Der durch die theilweise Vernichtung des Laubes als auch durch die damit zusammenhängende kümmerliche Ausbildung der selbst noch in den Gespinnsten sich zahlreich entwickelnden Früchte verursachte Schaden war im Allgemeinen nicht so bedeutend, als er sonst bei dem massenhaften Vorkommen anderer Raupen zu Tage tritt, so dass sich noch eine ziemlich gute Mittelernte, nur etwas kleingebliebenen Obstes ergab. Zwar zeigten sich auch noch im August und September einzelne neue Gespinnste, doch glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Haupt- entwickelungs-Periode für diese Raupen in die Frühjahrszeit trifft, da eine neue Laubbildung, wie sie nach gänzlicher Vernichtung der Blätter durch Maikäfer oder sogenannte Schwammraupen vorzukommen pflest, auf den betreffenden Bäumen sich nicht einstellte, in Folge dessen auch den jungen Raupen der zweiten Periode die geeignete Nahrung fehlen musste, Die Zahl der ausgekrochenen Schmetterlinge entsprach bei Weitem nicht der Menge der vorhanden sewesenen Raupen, so dass wohl ein grosser Theil der Letzteren oder der Puppen ihren Feinden aus dem 238 Jahres - Bericht Thier- und aus dem Pflanzenreiche (ausgesprochene Erfahrung des Herrn Professor Dr. Ferd. Cohn) zum Opfer geworden sein mochte. Merkwürdig bleibt immerhin der Umstand, dass diese Raupe in hiesiger Gegend so plötzlich und in so erstaunlicher Menge erschien und namentlich die freistehenden Chaussee- als auch die an dem ÖOst-, Süd- und Westrande der Gärten befindlichen Bäume und an diesen wieder nur die gleichen Himmelsgegenden zugewendeten Kronenseiten mit ihren Gespinnsten bedeckte. Es wäre erwünscht, zu erfahren, ob und in welchen Gegenden Schlesiens im Jahre 1878 diese Motte in ähnlicher Weise wie hier sich gezeigt hat oder 1880 sich zeigen sollte.*) Dürfte nicht die in der Flugzeit des Schmetterlings herrschende Windrichtung von Einfluss auf seine Verbreitung sein? Am vortheilhaftesten wird sich dieses Insect jedenfalls in seinem Raupenzustande, sobald sich die Gespinnste zeigen, vertilgen lassen, weil die Raupe ihr Gespinnst nicht verlässt, sollte dabei auch eine Menge angesetzter Früchte verloren gehen. Zur Pflanzung und Pflege der Obstbäume. Von Kunstgärtner C. Frickinger in Laasan. Meine hier folgenden Aeusserungen haben lediglich den Zweck, wenn auch nicht den Gegenstand derselben vollständig umfassend zu behandeln, so doch wenigstens einige nicht oft genug vorführen könnende Winke und Rathschläge denjenigen zu ertheilen, welche wohl gesonnen sind, Obst- bäume zu pflanzen, denen es aber noch an der hierzu wie zu deren Pflege benöthigten Kenntniss mangelt, gediegene Werke oder mündliche Belehrung darüber aber nicht zu Gebote stehen oder, wäre dies auch der Fall, solche aus irgend welchem Grunde nicht zu Rathe ziehen. Mittel und Wege, Liebe zum Anbau brauchbarer, guter Obstsorten zu wecken, sind von Männern ausgegangen, die gar wohl erwogen haben, welcher Nutzen dem einzelnen Obstzüchter wie dem Gemeinwohl *) Die Section erbittet sich hierüber gefällige Nachrichten, sowie, wenn möglich, lebende Raupen in ihren Gespinnsten und deren unversehrte Schmetter- linge, deren Einsendung zur Feststellung der Species um so erwünschter ist, als nach der angegebenen Beschreibung selbst Herr Rector Letzner, eine Autorität in der schlesischen Entomologie, es nur für höchst wahrscheinlich hält, dass dieser Sünder, welcher die Aepfelbäume so stark beschädigt, die Tinea (Hyponomeuta) matinella Zell. sei. Die Red. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 erwüchse, wenn der Obstbau in solcher Weise und in solchem Umfange ' auch in unserer heimathlichen Provinz Schlesien, namentlich Mittel- und ‘ Nieder-Schlesien, gepflegt würde, wie dies Klima, Lage und Boden in weitaus hervorragender Weise gestatten. | Es wird ja viel Obst in Schlesien angebaut, aber wie unendlich ; nicht nur viel mehr, sondern auch bessere, werthvollere Sorten könnten ; geerntet werden, wenn allgemeiner und namentlich auch von den kleineren ‚ Landbesitzern der von einem alten gediegenen Obstbaumzüchter hinter- ; lassene goldene Spruch: „Auf den kleinsten Raum pflanz’ einen Baum und pflege sein, er bringt dir’s ein!“ beherzigt würde, ı Nicht aber so darf dieser Spruch verstanden werden, dass mit einem Male erwachender Uebereifer glauben möchte, auf kleinem Raume recht viele Obstbäume zu pflanzen; es würde dies fast zu demselben Resultate führen, als wenn keine Bäume gepflanzt worden wären, denn jeder Baum, mithin auch der Obstbaum, bedarf zu seiner vollkommenen Aus- bildung neben den anderen ihm zusagenden Bedingungen vor Allem auch Luft und Licht; diese beiden Bedingungen entbehrt aber der Baum, wenn er von seinem Nachbar gedrückt oder gar gedrängt wird, und um dies zu vermeiden mag nun angegeben werden, wie weit von einander entferntstehend Obstbäume gepflanzt, welcher Raum denselben vergönnt werden soll? | Um diese Frage wenigstens annähernd sich beantworten zu können, ist es nothwendig, dass derjenige, welcher Obstbäume pflanzen will, zu- nächst die Bodenbeschaffenheit des Standortes, welchen dieselben ein- ‚nehmen sollen, in Betracht zieht. Hierbei hat zu gelten, dass auf dürftigem, maserem Boden immerhin etwas enger gepflanzt werden darf, ‚als auf gutem, nahrhaftem, tiefsrundigem, weil auf ersterer Bodenart ‚selbst solche Sorten, welche eine natürliche Neigung zu kräftigem Wuchs und weiter Ausbreitung der Baumkrone haben, sich zwar, jedoch nie- mals in voller Kraft entwickeln, obwohl sie sich gesund erhalten, auch sute Früchte tragen, auf gutem, nahrhaftem Boden dagegen der gesunde ” Baum natürlich auch ein kräftigeres, üppigeres Leben und Gedeihen zeigen wird. Der Birnbaum, welcher fast immer die Neigung hat, in die Höhe zu streben, bedarf dennoch denselben Flächenraum wie der Apfel- und ‚Kirschbaum, welche ihre Aeste weiter ausbreiten, wogegen dem Pflaumen- baum eine geringe Fläche genügt; für erstere würde ein solcher von ‚etwa 40—50 Fuss, für letzteren von 25—30 Fuss im Geviert sich em- \pfehlen. Berücksichtist der Landmann, Stellen- oder Rusticalbesitzer, ‚dass es ihm wünschenswerth sein wird, aus seinem Obstgarten auch eine "Nutzung an Hack- und Halmfrüchten zu gewinnen, so hat er zu deren Gedeihen die Baumpflanzung mindestens in den hier angegebenen gröss- "ten Entfernungen anzulegen. Freilich wird in solehem Falle die Acker- ' | 240 Jahres - Bericht bearbeitung mit Pflug und Maschine kaum möglich sein und zu derselben nur der Spaten übrig bleiben, ist aber eine solche Bodenbearbeitung auch mühsamer und erfordert mehr Zeitaufwand, so wird der Ertrag auch ein um so grösserer sein. Erscheint dagegen eine Grasnutzung aus dem Obstgarten zweckgemäss, so mögen die angegebenen geringeren Entfernungen angenommen werden, wobei jedoch zu beachten ist, dass um die gepflanzten Bäume stets ein Kreis von anfänglich 2 Fuss Durch- messer freigehalten wird, welcher mit zunehmendem Wachsthum der Bäume angemessen erweitert und dessen Boden stets locker und grasfrei erhalten werden muss, um den Baumwurzeln die nöthise Luft und Feuchtigkeit zuzuführen. Hierbei sei bemerkt, dass derjenige, welcher in seinem Obst- und resp. Grasgarten dessen Berasung so zu sagen dem lieben Gott überlässt, niemals eine gedrungene Grasnarbe und ertrag- reiche Grasernte erreichen wird. Trockener, magerer Boden sowie tief- liegender nasser Boden, jeder verlangt seine bestimmten Grasarten, die auch nur dort gut gedeihen und deren Samen ein Jeder nach seinem Bedürfniss in als reell renommirten Samenhandlungen erhalten kann. Wer eine Obstbaumpflanzung machen und damit auch Obstzüchter werden will, hat vor Allem und zunächst sein Augenmerk darauf zu richten, dass er für das Klima der Gegend, für die Lage und Boden- beschaffenheit des für die Pflanzung bestimmten Stück Landes auch die geeignetsten Obstarten und aus diesen solche Sorten wählt, welche von reicher Tragbarkeit, langer Dauer und Wohlgeschmack zu verschiedenen Zeiten, auch zu den verschiedenen Zwecken des Haushaltes verwendbar sind; dort werden dieselben auch ihre höchste Vollkommenheit erreichen können. Solche Sorten, welche einen wärmeren Standort lieben, sind in geschützte Lage zu pflanzen. Bei Birnen ist auch noch darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Früchte ein mildes, saftreiches Fleisch haben, Die zur Anpflanzung erforderlichen jungen Obstbäume entnehme man unter möglichst genauer Angabe der Lage und Bodenbeschaffenheit wie auch des Zweckes der Pflanzung nur aus den bestrenommirten Baum- schulen, deren Pfleger, falls man einer eigenen solehen Auswahl nicht sanz sicher ist, hiernach die geeignetsten Sorten auszuwählen wissen werden. Gänzlich verwerflich ist der unter Landleuten sehr verbreitete - Brauch, den Bedarf junger Obstbäume, des billigen Preises wegen, von Hausirern zu kaufen oder auf andere billige Weise sich Obstbäume da- durch zu verschaffen, dass hübsch in die Höhe gewachsene Obstwild- linge aus dem Walde, der Hecke oder wo sie sonst zu finden sind, mit dem Vorsatze entnommen werden, dieselben in ihren Garten, ihre Acker- parzelle, an die Strasse oder an den Weg zu pflanzen und sie dort zu veredeln. In ersterem Falle werden sie mit seltener Ausnahme die Be- trogenen sein, weil entweder die schon seit mehreren Tagen aufgekauften und herumgetragenen Obstbäumchen ihrer bereits vertroekneten Wurzeln der Schles. Gesellschaft für vaterl. Qultur. 41 wegen kaum mehr anwachsen oder glücklichenfalls doch nur solche von ganz geringen Sorten sein werden. Andernfalls aber werden, wenn die Veredelungen solcher Wildlinge nicht überhaupt vergessen, sondern vor- genommen wurden, glücklich gelingen und die Wildlinge wirklich am Leben bleiben sollten, Jahre vergehen, ehe aus solchen untauglichen, un- geschulten Schwächlingen ein gesunder, tragbarer, kräftiger Baum heran- wächst. Ebenso verwerflich ist es bei Kernobst (Aepfeln und Birnen), den Stamm aus dem Wildlinse zu erziehen und das Edelreis auf diesen Stamm zur Kronenbildung aufzusetzen, denn abgesehen davon, dass hier das Edelreis durch Vögel, oder, noch nicht ganz fest mit dem Wildlins verwachsen zur Krone sich bildend, leicht durch Wind abgebrochen werden kann, so bleiben erfahrungsmässig solche Bäume immer schwäch- lich und faule Träger. Einen sehr auffälligen Beweis hierfür zeigt die Allee an der Laasan-Preilsdorfer (Striegauer) Strasse. Dort sind zumeist Aepfel angepflanzt, welche vor länger als 20 Jahren hochstämmig ver- edelt wurden; dazwischen stehen Birnen, welche zu gleicher Zeit niedrig veredelt worden sind. Der Unterschied des Baumwuchses zwischen beiden ist ein ganz auffallend verschiedener. Die Aepfelbäume sind Scehwächlinge und zeigen ein nur kümmerliches Vegetiren, während die niedrig veredelten Birnen kräftig gewachsen sind und während jener Zeit schöne Stämme wurden. Einen, jedoch mehr untergeordneten Vortheil, bieten allerdinss die aus dem Wildling hoch gezogenen Stämme, sie werden in schneereichen Wintern nicht so bald von den Hasen benagt, ist die Futternoth aber gross, so geschieht es dennoch. Ist die Auswahl der entsprechenden Obstsorten getroffen, so em- pfiehlt es sich, die Pflanzgruben für die im Herbst zu pflanzen beab- sichtigenden Bäumchen schon einige Wochen vor der Pflanzung, für eine Frühjahrspflanzung aber möglichst schon im Herbst auszuheben, damit die atmosphärische Luft ihren günstigen Einfluss auf den inneren Boden der Gruben wirken lassen kann. In magerem, sterilem oder gar kiesigem Boden sind die Pflanzgruben mindestens bis zu 6 Fuss im Quadrat und von gleicher Tiefe zu machen und guter Boden, am besten von Compost- haufen, herbeizuschaffen, dieser ist mit dem ausgehobenen geringen Boden sorgfältig zu mischen und mit dieser Mischung die Pflanzgruben zur Zeit, wenn die Pflanzung geschehen soll, wieder auszufüllen. Würde eine solche Bodenmischung unterlassen und der junge Baum nur in den guten Boden gepflanzt, so würde, wenn dessen Wurzeln denselben durch- drungen und den geringen Boden erreicht haben, sicher eine Stockung in dem Wachsthum des Baumes eintreten, welche bei längerer Dauer Krankheiten aller Art, als: Krebs, Brand, Dürrsucht u. dergl. zur Folge haben und das junge Baumleben vernichten. Als schlechte Bodenbeschaffenheit für Obstbaumpflanzungen ist san- diger ‚Kies anzusehen, als die schlechteste aber, wo der Untergrund feste 1880. 16 342 Jahres-Bericht undurchdringliche Lette ist. Weder auf diesen noch auf jenen soll man Kernobst (Aepfel und Birnen) pflanzen, nur Süsskirschen und die ge- wöhnliche Bauernpflaume (Hauszwetsche) werden hier noch gedeihen. Sauerkirschen verlangen schon besseren Boden. Bei Pflanzungen auf sonst guten Boden beobachte man dennoch, ob | der Untergrund nicht vielleicht nass ist, d. h. öfters stagnirendes Wasser hält. Wäre dies der Fall, so ist die Hochpflanzung zu empfehlen, d. h. die Pilanzgrube wird wie bei trockenen Pflanzstellen vorbereitet, jedoch bis zur Höhe des dieselbe umgebenden Bodens ausgefüllt und hierauf der Baum so gepflanzt, dass derselbe wie auf einen Hügel zu stehen kommt. Hat in den hergerichteten Pflanzstellen der eingefüllie Boden sich mässig gesetzt, dann, besser jedoch noch, bevor die Pflanzgruben ver- füllt werden, ist in denselben zunächst der Baumpfahl fest einzurammen und hiernach der junge Baum in nachstehend beschriebener Weise zur Pilanzung vorzubereiten und-zu pilanzen. Junge, gut geschulte Obstbäume sollen ein reiches Wurzelvermögen und in ihrer Wurzelkrone eine annähernd gleiche Verästelung wie ihre ° Asikrone zeigen. Alle durch das Ausheben der Bäume an deren Wur- zeln entstandene Beschädigungen sind mittelst scharfen Messers zu ent- fernen und ist der Wurzelschnitt siets von innen nach aussen zu führen, An der Asikrone wird alles Holz, was sich kreuzt oder drückt, an der Basis seines Auswuchses scharf weg-, die zur Kronenbildung geeigneten Zweige aber auf 4-5 Augen zurückgesehnitten, der Leit- oder Mittel- trieb jedoch immer um einige Augen länger belassen. Diese Sehnitte werden unmittelbar über einem nach aussen gerichteten Auge gemacht‘ und ist überhaupt durch verständiges Schneiden auf Bildung einer ge- fälligen, schöngeformten Krone hinzuarbeiten. Ist der Baum so vorbereitet, so wird dessen Pflanzung vorgenommen. Äuf die nicht klumpignass sein sollende Erde, welche sich vollständie zwischen und an die Wurzeln legen muss, werden diese gleichmässig vertheilt und einige Schaufeln Erde über dieselben gegeben; durch all- mähliches sanftes Rütteln, Heben und Senken des Baumes erlangt man, dass keine Wurzel hohl zu liegen und dass der Baum eben so tief zu stehen kommt, wie er in der Baumschule gestanden hat. Nachdem nun der Baum leicht angetreten (nicht, wie nur allzu häufig geschieht, fest- getrampelt) worden ist, wird derselbe dieht unter der Krone mit einer Weidenruthe an den bereits stehenden Pfahl angeheftet und an diesem erst, wenn im Laufe des ersten Sommers oder während des Winte sich die Erde mit dem Baume festgesetzt hat, festgebunden, wobei es räthlich ist, zwischen Band und Baum etwas Moos oder in dessen Er- mangelung Gras unterzulegen, damit der Baum an dem Bande sich nicht reibe oder davon gedrückt und somit beschädigt werde. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 943 t Tritt nach dem Pflanzen und auch im Laufe des Sommers grosse Trockenheit ein, so muss wiederholt und durchdringend mit reinem Wasser gegossen werden. Das so oft beliebte Giessen junger Bäume mit Jauche oder Gülle muss gänzlich unterbleiben, es schadet denselben mehr, als es nützen kann. Hierbei mag bemerkt sein, dass Düngen mit nur gut verrottetem, niemals mit frischem Dünger oder mit Dungguss, höchstens nur da angewendet werden kann, wo der ältere Baum auf seinem Standort Mangel an Nahrung leidet; es muss aber wohl unter- schieden werden, ob die sich zeigende Entkräftung auch wirklich Folge von Mangel oder nicht vielmehr einer wirklichen Krankheit ist, denn wäre letzteres der Fall, so würde durch die Düngung das Lebensende des Baumes nur um so schneller herbeigeführt werden. Ist Hasenfrass an den gepflanzten jungen Obstbäumen zu befürchten, so ist ein allgemein bekanntes Schutzmittel ein sorgfältiges Umbinden der Stämme mit Dörnern, oder auch wohl mit Stroh. Bei Mangel an diesen Materialien sind andere mit Erfolg angewendete Mittel das Ein- reiben der Stämme mit Speck, noch empfehlenswerther aber ein Anstrich derselben im zeitigsen Winter mit einer Mischung von Kalkmilch und einer Auflösung von Asa foetida (Teufelsdreck) oder mit gewöhnlichem Schiesspulver, oder auch der Anstrich mit Blut, Abtrittdünger, überhaupt mit lange andauernd übelriechenden Stoffen. Derartige Anstriche leisten jedoch nicht für den ganzen Winter, bei wiederholt eingetretenem nassen Wetter, den erwünschten Schutz, sie werden durch dasselbe abgewaschen, weshalb, um diesen Zweck zu erreichen, derselbe erneuert werden muss, welche Beschäftigung allerdings kein Vergnügen ist. Die Kronen der jungen Bäume sind in den ersten 3—4 Jahren einer guten Form entsprechend zurückzuschneiden und auszulichten. Ein ferneres Schneiden ist nur dann nöthig, wenn der Holzwuchs so stark wird, dass eine Art Verwilderung oder Ueberladung der Krone eintritt, vornehmlich sind dann auch die nach dem Innern der Krone wachsenden, sich drücken- den oder kreuzenden Aeste zu lichten. Jeder Schnitt, gleichviel ob am Srünen oder dürren Holze, muss glatt und scharf am Stamm oder Ast so ausgeführt werden, dass niemals Aststummeln, weder schwache noch starke, stehen bleiben, und hat die Säge zum Schnitt angewendet werden müssen, so ist deren Schnittfläche von der Rinde nach dem Holze zu mit scharfem Messer glatt nachzuputzen. Alle Schnittflächen sind mit weichem Baumwachs zu verstreichen, sie überwallen (überwachsen) dann um so eher und sind vor Kernfäule geschützt. Im Weiteren ist der Obstbaum zu pflegen durch alljährliches Aus- schneiden etwa trocken gewordenen Holzes, durch Reinigung des Stammes und der Aeste von abgestorbener Rinde, unter welcher schädliche In- seeten Schutz gesucht und ihre Eier abgelegt haben und damit vernichtet werden, was am besten vor Eintritt des Frühjahrs geschehen mag, sowie 16* 244 Jahres-Bericht auch durch fleissiges Absuchen der so schädlichen verschiedenen Raupen- arten, deren Eier und Nester. Gegen die Verheerungen des Frostnacht- schmetterlings ist zwar schon seit etwa 10 Jahren ein recht schätzens- werthes Mittel, aber immer noch viel zu wenig in Anwendung. Es ist dies der von dem Lehrer Becker in Jüterbogk erfundene Brumata-Leim, von dem jeder Obstzüchter zum Schutze seiner Obstbäume Gebrauch machen sollte. Die Anwendung dieses Leimes geschieht in folgender einfacher Weise: Von starkem, festem Packpapier reichlich handbreite, in ihrer Länge der Stärke der Bäume entsprechend geschnittene Streifen werden in etwa Brusthöhe derart um die Stämme gelest, dass sie die- selben, ohne eine Lücke zu lassen, vollständig umschliessen und an ihrer oberen Kante mit Bindfaden, besser jedoch mit geglühtem Draht, fest- gebunden, wodurch sich der Streifen von unten schirmartig etwas vom Stamme abhebt; die innere Fläche dieses Schirmes wird dann mit dem senannten Leim bestrichen und hat dies etwa in der Mitte des September zu geschehen. Das Männchen des Frostnachtschmetterlings fliegt näm- lich in den Abendstunden der Monate September bis Ende November, sucht das flügellose Weibchen auf und dieses, befruchtet, sucht nun an den Obstbäumen hinaufzukriechen, um seine Eier an deren Zweigen ab- zulegen, fängt sich aber unter dem angebrachten Papierstreifen, sowie mehrere andere schutzsuchende, den Obstbäumen schädliche Inseeten, oft in grosser Anzahl. Natürlich müssen die Papierstreifen öfter untersucht und die gefangenen Thierchen und deren Eier vernichtet werden. Sollte nach Verlauf einiger Zeit der Leim vertrocknet sein, so ist sein Auf- strich zu erneuern. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass, wo ein Obstbaum steht, welcher nur geringe oder gar schlechte Früchte trägt, oder welcher ein fauler Fruchtträger ist, auch ein Baum stehen könnte, welcher reich- lich gute und werthvolle Früchte trägt; ersterer muss daher fallen, oder, ist der Baum noch in dem Alter und in der Kraft, dass mit ihm eine Umveredelung vorgenommen werden kann, so hat diese je eher je besser zu geschehen. Ueber Feinde der Obstbäume, deren Abwehr und Vertilgung. Von Hauptlehrer Oppler in Plania. Schon sehr vieles ist gegen die durch Muthwillen oder Bosheit der Menschen veranlassten Schädigungen an Obstpflanzungen in freien Lagen wie in Gärten gesprochen und geschrieben worden, solche böse Thaten will ieh hier nicht weiter aufzählen und nur beiläufig anführen, dass der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 245 mir je bekannt gewordene grösste Vandalismus an Obstbäumen wohl das Absägen mit reifen Früchten beladener Pflaumenbäume ist, um auf diese Weise schneller zu jenen zu gelangen. Als einiger Schutz für Obst- gärten kann u. a. deren Umfriedung mit geflochtener Crataegus -Hecke und in denselben an Spalieren das Anbringen von aus mit Nägeln be- schlagenen Holzstäben construirten, mit Reisig zu bedeckenden Fallen empfohlen werden, gegen unbefugte Näscher das Bestreichen der Früchte mit Crotonöl.”) Zur Entdeckung der Thäter der Diebstähle von Baum- pfählen dürfte rathsam erscheinen, diese Pfähle an verschiedenen Stellen anzubohren, die Bohrlöcher mit Schiesspulver zu füllen und hierauf deren Oeffnungen mit Holzstiften wieder zu schliessen; bei der Verfeuerung solcher Pfähle wird die Heizvorrichtung zersprenst und der Dieb leicht ermittelt werden können. Uebergehend zu den Schädisern der Obstculturen aus der Thier- welt, gedenke ich zunächst des dreisten Näschers, des Sperlings, welcher nicht nur im Frühjahr die Blüthenknospen der Birnbäume wie die Obst- und Gemüsesaaten arg heimsucht, sondern auch an Kirschen und Wein- trauben grossen Schaden anrichtet und gegen den nichts besser hilft, als die Kirschbäume und Saatbeete nach allen Richtungen hin mit Fäden zu überziehen, an welche hin und wieder Glasstücke befestigt werden, deren Glitzern ihn erschreckt und fernhält. Auch der sonst so nützliche Staar befällt zur Kirschenzeit die Kirschbäume oft in grossen Schaaren, ist aber durch öfteres Schiessen eben so leicht zu vertreiben, wie der Pirol, wogegen der Fink den Kernobstsaaten grossen Schaden zufügt. Von den die Obstceulturen benachtheiligenden Vierfüssern will ich nur nennen den Fuchs, den Marder, den Iltis, welche oft die Wein- spaliere vollständig plündern; letzteren beiden hängen die Trauben nie zu hoch. Als -Abwehr gegen diese Thiere soll sich das Einstecken von Ueberresten getragener Kleidungsstücke bewähren. Dass aber auclı Ratten grosse Freunde reifer Spalier-Obstfrüchte sind, ist vielleicht eben so wenig bekannt, wie, ob das soeben angegebene Vertreibungsmittel auch gegen diese Thiere Schutz leistet. Als gefährliche Feinde der Obstbaumschulen sind anzugeben die gewöhnliche Feldmaus und die Wühlmaus (Fahrmaus, Erdschlüffel), letztere greift sogar die Wurzeln schon stärkerer Obstbäumchen an und führt damit deren allmähliches Absterben herbei, wogegen die Feldmaus auch in den Obst-Saatbeeten *) Das Crotonöl erzeugt, selbst in geringster Menge genossen, heftiges Vomiren und Purgiren; die damit bestrichenen Früchte werden nur schwer und mühsam ganz von demselben zu befreien sein, dürfte also auch beim Genuss be- ‚rechtigter Consumenten noch üble Wirkung äussern; seine Anwendung möchte daher lieber unterbleiben. Die Red. 246 Jahres-Bericht arge Verheerungen anrichtet.”) Zur Vertilgung der Wühlmaus soll man Mohrrüben (Möhren) aushöhlen, das ausgeschabte Fleisch mit gepulvertem Arsenik mischen, diese Mischung in die Aushöhlung bringen, diese mit dem vorher abgeschnittenen Möhrenkopfe wieder bedecken und so zu- bereitet die Möhren in die Läufe der Wühlmäuse einschieben. Die Zahl der den Obstbäumen und deren Früchten schädlichen In- seeten in und über der Erde, in ihren Raupen, Larven und in völlig ausgebildetem Zustande ist eine überaus grosse, aber auch die An- zahl der gegen dieselben anzuwendenden Mittel keine geringe, doch werden dieselben im Allgemeinen leider gar zu wenig angewendet, ob- schon sie oft genug durch Wort und Schrift bekannt gemacht sind. Ich will hier nur erinnern an das Ausgraben und Vernichten der Engerlinge, das der Warren (Maulwurfsgrillen) und ihrer Nester, das Aufhängen weithalsiger, mit versüsstem Branntwein zur Hälfte gefüllter Gläser gegen Wespen und dergleichen, an das Befeuchten klumpenweise zwischen und an den Aesten und Zweigen sich findender Raupen mittelst eines in schräger Richtung an einer Stange befestigten, mit in Wasser zu Schaum geschlagener grüner (Schmier-) Seife getränkten starken Pinsels, was denselben den alsbaldigen Tod bringt, und ferner an die rechtzeitige Anwendung des auf um die Obstbäume zu bindende Papierstreifen zu streichenden Brumataleimes zum Fange des Frostnachtschmetterlings und dergleichen schädlicher Inseeten, welche den Wurmstich des Obstes ver- anlassen. Möge der Abwehr und der Verminderung aller Schädiger der Obst- eultur stets zunehmende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Cultur der Aucuba-Arten in Töpfen. Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Leider noch immer viel zu wenig zur Ausschmückung gewisser Räume und Gärten verwendet, ist es nicht ohne Interesse, auf die Aucuba als solche Pflanze hinzuweisen, die fast allen Ansprüchen Genüge leistet, welche mun an eine gute Zimmerblattpflanze wohl machen mag. Ihr üppiger Wuchs, ihre herrlich frischen, immergrünen Blätter, ihre schönen *) In unserem Jahresbericht pro 1877 S. 69—71 haben wir zwei sich gegen Feldmäuse ausserordentlich bewährende Mittel angegeben, von denen das zuletzt angeführte bei Kern- und Steinobst-Aussaaten jetzt vorzugsweise mit bestem Er- folg in dem Obstbaumschulgarten der Section Anwendung findet. Die Inerustation der Obstsamen mit Minium allein gewährt nur Schutz den Samen von Coniferen gegen Vögel. Die Red. der Schles. Gesellsehaft für vaterl. Cultur. 947 rothen Früchte, welche die Pflanze den ganzen Sommer hindurch zieren, verleihen ihr eine der ersten Stellen unter den „hübschen Pflanzen“. Die Grosseltern unserer heutigen Aucuba-Collectionen sind Aucuba himalayca und japonica Thbg., und die Natur, Zufall und die menschliche Hand haben aus ihnen eine Menge mehr oder weniger schöner Varie- täten erzeugt, welche sich theils durch Grösse oder Form ihrer Blätter, theils durch deren Panachirung unterscheiden. Man hat solche mit rein grünen, solche mit gelb punctirten, gelb geflammten, gelb eingefassten oder mit gelber Mitte versehenen Blättern und man kann von Allen nur sagen, dass sie schön sind. | Die Pflanze, beiläufis eine Verwandte unseres heimischen Faulbaumes, ist dadurch noch interessant, dass sie sich zur Linn&’schen Klasse der Dioecia bekennt, und hieraus resultirt, dass man bei ihr Individuen findet, welche stets Früchte tragen, und solche, bei denen dies niemals stattfindet. Die Blüthen beider Geschlechter, welche sich bereits im Winter prä- pariren, erscheinen im zeitigen Frühjahr, zeigen eine schmutzigbraune Farbe und können daher nicht besonders schön genannt werden; um so schöner jedoch sind die corallenrothen Steinfrüchte, zu deren Aus- bildung die weibliche Pflanze ein halbes Jahr gebraucht und welche hier- auf fast während des ganzen nächsten Sommers die Pflanze als Zierde schmücken. Gehen wir nach dieser allgemeinen Charakterisirung zur Cultur der Aucuba in Töpfen über und bemerke ich hierbei, dass diese meine Be- sprechung nicht für den Fachmann, den Gärtner, sondern lediglich für ' den Privatmann, den Nichtgärtner bestimmt ist. Alle Arten und Varie- täten der Aucuba werden leicht durch Stecklinge vermehrt, gleichviel, ı ob man Triebe aus dem Wurzelhalse, vom Stamm oder von den Enden , der Zweige dazu verwendet. Erstere allerdings wurzeln etwas schneller an. Die Stecklinge werden in der Weise zurecht gemacht, dass man Triebe von 5—15 cm Länge von der Mutterpflanze so abschneidet, dass _ die Sehnittfläche sich unter zwei Blattaugen oder Blättern befindet und hierauf ohne weitere Manipulationen in gewöhnlichen, lockeren Garten- | boden, welehen man mit einem mit Glas schliessbaren hölzernen Rahmen ' bedeckt, oder in Töpfe 3 em tief oder je nach der Grösse des Schnitt- lings etwas tiefer eingesenkt. Hat man über freies Land nicht zu ver- fügen, so genügt das Einsenken der Steeklinge in Blumentöpfe, welche man mit nicht zu engen, weissglasigen Trinkgläsern bedeckt und durch ein an der Seite untergeschobenes Hölzchen in eine solche Stellung bringt, dass die äussere Luft mit der im Glase befindlichen eireuliren ‚ kann. Schutz vor Sonnenstrahlen und stets gleichmässige, nicht zu , geringe Feuchtigkeit sind Bedingungen, welche zu beobachten nicht ver- | absäumt werden dürfen. Unter solehen Verhältnissen wurzeln die Steck- " linge sicher in 3—4 Wochen. Die beste Zeit zur Vornahme dieser Ver- 248 Jahres - Bericht mehrung ist das Frühjahr und der Sommer. Einige Sorten, welche bereits durch ihr reiches Blattcolorit verrathen, dass sie kränklicher Natur sind, treiben zwar schwerer Wurzeln und geben langsamer selbst- ständige, kräftige Pflanzen, als die grünen und gelb punctirten, jedoch ist auch bei ihnen bei obigem Verfahren die Bewurzelung immerhin sicher und eine Veredelung solcher Sorten auf Unterlagen der Stamm- form, wie sie in vielen Gärten vorgenommen wird, durchaus ent- behrlich. ' Sind die Stecklinge bewurzelt, so kommen sie in kleine Töpfe mit guter Gartenerde zu stehen und wachsen bei nicht zu sonnigem Stand- orte rasch fest und lustig empor. Zur Füllung der Töpfe wähle man keine zu leichte, auf keinen Fall aber Haide- oder Lauberde, sondern nur einen etwas lehmigen, mit humeusen Theilen innig vermischten und dadurch gelockerten Boden, wie man solchen in gut gehaltenen Gärten häufig findet. Eine Zuthat von frischem Dünger oder irgend welchen Düngstofien ist gänzlich zu verwerfen. Sind nun die Töpfe vollgewurzelt, was man daraus erkennt, dass sich die Pflanzen mit ihren oberen Wur- zeln aus den Töpfen zu heben beginnen, so kommen sie in grössere Töpfe und es kann dies mit Ausnahme des tiefsten Winters zu jeder Zeit geschehen. Man hat auch dann, um zu guter Cultur zu gelangen, nur für gehörige Feuchtigkeit und für einen der Sonne nicht zu sehr ausgesetzten Standplatz zu sorgen. In Betreff der Formgebung der Pflanzen rathe ich zur Heranbildung von Kronenbäumchen, was leicht zu erreichen ist, wenn man die Pflanze zuerst ungestört in die Höhe gehen lässt und dann bei gewünschter Höhe den Trieb abzwickt, wodurch sich Seitenäste bilden. Vorher mussten natürlich alle etwa aus der Wurzel oder dem Stamme austretenden Triebe stets entfernt werden. Die Ueberwinterung der Aucuba ist äusserst einfach. Hat man ein frostfreies Zimmer, am besten obne viel Sonne, zur Verfügung, so stelle man die Pflanzen dort auf und giesse sie nur dann, aber auch durch- dringend, wenn die Blätter anfangen herabzuhängen. Auch kann ich zur Ueberwinterung im Keller rathen. Ich habe darin seit langen Jahren sowohl alte als auch ganz junge Aucubas stets mit bestem Erfolge über- wintert, gleichviel, ob das Kellerlocal wenig oder sehr wenig Licht empfing. Weniger gleichgiltis zu dieser Ueberwinterung sind die Feuchtig- keitsverhältnisse des Kellers und sie dürfte nur anzurathen sein, wenn man einen trockenen oder wenigstens nur mässig feuchten Keller benutzt. Unsere Schützlinge bleiben hier oder im Zimmer bis Mitte März oder Anfang April, je nachdem die Temperatur im Freien dies bedinst, und werden nun aus ihren Winterquartieren gebracht. Wer einen Garten hat, senke die Töpfe bis an den Rand in die Erde und lasse die Pflanzen ohne Furcht vor Frösten dort stehen. Einige Grade unter Null schaden der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 949 ihnen nichts; höchstens leiden durch sie die jüngsten Blätter, welche im Winter gewachsen waren, die sich jedoch rasch wieder durch andere ersetzen. Wichtiger ist es, sie gegen allzugrosse Bestrahlung der Sonne ' zu schützen, und es ist daher zweckmässig, die Disloeirung bei trübem Himmel vorzunehmen, damit sich die Pflanzen an das Licht gewöhnen ı können, ehe die Sonne sie längere Zeit bescheint. Die Aucuba liebt - überhaupt nicht viel und grellen Sonnenschein. Ein Standort im Sommer, auf welchen die Sonne täglich nur wenige Stunden scheint, ist ihr am ‚ liebsten; hier gedeiht sie dann ausserordentlich und treibt grosse und \ prächtig gefärbte Blätter. Wer keinen Garten hat, möge die Töpfe vor die Thür ins Freie, aufs äussere Fensterbrett oder auf den Balkon stellen, muss sie aber, wenn Nachtfröste zu befürchten sind, herein- nehmen, da die Wurzeln gegen Frost nicht gleich unempfindlich sind, wie der Stamm und die Blätter. Auch bei dieser Dislocation gelten die Vorsiehtsmassregeln, welche ich soeben näher besprochen habe. Sind die Nachtfröste vorüber und können in Folge dessen die Pflanzen eine , gesicherte Stellung beibehalten, so hat man nur auf eine verstandesmässige ı Feuehthaltung der Erde Sorge zu tragen. Im Sommer, bei trockener, \ heisser Witterung, darf man die Mühe nicht scheuen, den Pflanzen täg- | lich reichlich Wasser zu geben, gleichviel ob weiches oder hartes. So ' behandelt haben die Pflanzen einen üppigen Wuchs, eine erstaunliche | Lebenskraft und recht lange Dauer. Noch habe ich einiges zu bemerken. Beim Umsetzen der Aucubas kann man die Wurzeln stets ohne Gefahr beschneiden und muss dies schon deshalb thun, damit man nicht gezwungen ist, immer grössere ' Töpfe zu nehmen. Man ist leicht im Stande, grössere Pflanzen in ziem- ‚lich kleinen Töpfen in gutem Wachsthum zu erhalten, und erreicht dabei noch den Vortheil, einen Wurzelballen heranzuziehen. Töpfe von 15 cm Durchmesser genügen schon für ein recht stattliches Aucubabäumehen, wenn man durch gehöriges und wiederholtes Beschneiden der Wurzel einen festen Ballen daran gebildet hatte. Das Versetzen grösserer Aucubas ist übrigens nur alle zwei Jahre erforderlich. Ferner, hat man junge Pflanzen in kleinen Töpfchen und fürchtet, dass sie bei grosser ‚ Sommerhitze durch vernachlässigtes Giessen vertrocknen und in Folge dessen zu Grunde gehen könnten, so empfehle ich als ein einigermassen hilfreiches Schutzmittel die einfache Methode, den kleinen Topf in einen Srossen, am Grunde mit etwas Erde erfüllten so zu stellen, dass beide | Topfränder sich in gleicher Höhe befinden und nun die Zwischenräume mit feuchter Erde auszufüllen, weleher man kleingeschnittenes Moos bei- gemischt hatte; das Moos hält die Feuchtigkeit zurück und dadurch "trocknet die Erde in dem äusseren Topfe weniger schnell aus, welche " wiederum den inneren vor allzuschneller Austrocknung schützt. Beim Begiessen sind selbstverständlich beide Töpfe zu berücksichtigen. 250 Jahres - Bericht Man verwendet die Aucuba hauptsächlich zur Decoration halb- schattiger Plätze im Freien und im Hause. An den Fenstern nördlich gelegener Zimmer sind sie 'eine dankbare Zierde und ich empfehle, hier- mit schliessend, sie allen Freunden schönbelaubter Pflanzen. Einiges über Veredelung der Rosen im Glashause. Von Kunstgärtner J. Siegert in Goldschmieden. Als Unterlage für hochstämmige Rosen nehme ich die Rosa canina, welche in den Oderwäldern, auch an Gräben und Dämmen noch ziemlich häufig gefunden wird. Diese Wildlinge lasse ich mir Anfang oder Mitte October mit Eilfracht kommen. Auf Faserwurzeln an denselben lege ich um so weniger Gewicht, weil diese durch den Transport u. s. w. schon gelitten haben und selten frische Wurzeln treiben, der Wurzelstock aber, wenn er sonst gut und gesund ist, nach Belieben geschnitten werden kann; deshalb schneide ich, wenn Zeit vorhanden ist, sofort nach Ankunft der Wildlinge deren Wurzeln so stark zurück, dass sie in ihnen am besten dienliche kräftige Mistbeeterde in möglichst kleine Töpfe gepflanzt werden können, welche, nachdem sie gehörig angegossen worden sind, je nachdem die Witterung günstig ist, bis Anfang oder Mitte November im Freien stehen bleiben. Um diese Zeit bringe ich von diesen Wildlinsen so viele ins Warmhaus, als darin Platz finden, die übrigen aber ins Kalthaus unter die Stellagen oder wo sonst eben Raum vorhanden ist. Im Warmhause stelle ich dieselben an die rück- seitige Wand, die Töpfe je nach dem Raum in 3—4 Reihen neben- einander und 4—5fach übereinander, so dass ich auf einem beschränkten Platze eine grosse Anzahl unterbringen kann. Im Anfange spritze ich dieselben mässig, ist aber das Haus trocken, dann öfter, zwei bis sechs- mal täglich. Sobald sich frische Wurzeln bilden und die Wildlinge zu treiben anfangen, was gewöhnlich nach vier Wochen geschieht, beginne ich mit dem Veredeln mittelst Copulation, welche Veredelungsart ich unbedingt für die beste ansehe. _ Haben die Wildlinge einen für schwache Edel- reiser zu starken Stamm, so wende ich das Trianguliren und zwar stets mit gutem Erfolge an. Eine Hauptbedingung, um gute Erfolge zu erzielen, sind frische Wurzeln an den Wildlingen und gesunde holzige Edelreiser. Junges, markiges Hölz wächst immer schlecht, während gesunde, starke Reiser sich bald kräftig entwickeln. Nach der Veredelung muss stark gespritzt werden, namentlich, wenn kalte Witterung eintritt und stärker geheizt | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 351 werden muss, gewöhnlich acht bis zehn Mal täglich. Am zuträglichsten während der Wachsthumsperiode des Edelreises ist eine Wärme von 9—12° R. Eine grössere Wärme befördert zwar ein schnelleres Wachsen, doch kommen dann auch die Triebe sehr schwach und kränk- lich zum Vorschein und gehen später im Kalthause sehr leicht zurück oder stocken ab. Sobald sich die Triebe des Edelreises bis auf ca. 5 cm Länge ent- wickelt haben, löse ich den Bast oder die Baumwolle an der Veredelunes- stelle, gebe der Rose einen Stab, binde sie an diesen an und bringe sie ins Kalthaus, möglichst nahe unter Glas. Hier spritze ich die Rosen, jedoch nur an schönen, sonnigen Tagen, sonst nicht. Fängt man Mitte December mit dem Veredeln an, so ist der Erfolg am sichersten und man kann die Zurückbleibenden noch veredeln, was ja fast bei einem Dritttheil nüthig sein wird, weil man namentlich von besseren und neueren Sorten nicht immer gute Reiser hat und dieselben doch vermehren möchte. Ein späteres Veredeln im Februar oder März wird immer ein verfehltes sein, denn dann steht die Sonne schon zu hoch, die Wildlinge bleiben zu trocken, die Blattläuse entwickeln sich zu massenhaft und die Edelreiser, welche etwa noch wachsen, bringen ihre Triebe verkümmert zum Vorschein. Von den Wildlingen entferne ich mindestens alle acht Tage sämmtliche Ausläufer und Seitentriebe, denn diese entziehen nur dem Edelreise den Saft, es vertrocknet leicht, wenn man die Triebe stehen lässt. Habe ich eine grössere Partie Rosen ins Kalthaus gebracht und dadurch Platz im Warmhause gewonnen, so bringe ich andere Wildlinge an deren Stelle und verfahre auf dieselbe Weise mit der Veredelung, wie bei den ersten. Zeigen sich im Februar oder März die Blattläuse auf den Rosen im Kalthause, so nehme ich diese einzeln vor, bürste sie mit einem kleinen Borstenpinsel ab und wiederhole das nöthigenfalls nach einiger Zeit; dadurch behalten die Rosen ihr kräftiges frisches Laub und leiden nicht so, als wie durch Räuchern mit Tabak. Das Emballiren des Wurzelstockes in Moos u. s. w. habe ich zwar auch mit gutem Erfolge angewendet, d. h. die Wildlinge trieben sehr leicht und viele gesunde Wurzeln, so dass sie förmlich durcheinander wuchsen, doch litten sie immer durch den Transport in das Kalthaus, weil dabei viele Wurzeln abgerissen wurden. Ausserdem hat man im Kalthause nicht immer einen passenden Platz, weil man sie nicht auf den Stellagen unterbringen, sondern sie nur auf die Erde stellen kann und mit Sand die Ballen überschütten muss, damit die Wurzeln sich weiter entwickeln können. Pflanzt man dann die Rosen zum eigenen Bedarf aus, so kann man ja die genügende Vorsicht beobachten und dieselben werden auch weiter wachsen, verwendet man sie aber zum Verkauf resp. Versendung, so leiden die Wurzeln trotz guter Verpackung 959 Jahres - Bericht dennoch bei jedem weiteren Transport. Ausserdem kommen sie dann oft in Laienhände, welche mit solchen Rosen nicht umzugehen wissen und die Wurzeln vertrocknen lassen, so dass nur wenige davon weiter wachsen und dem Absender die Schuld dafür zugeschoben wird. Aus diesen Gründen habe ich diese Methode eingestellt und pflanze meine Rosen nun schon seit vielen Jahren wieder in Töpfe und zwar, wenn irgend möglich, in sogenannte Hyaecinthentöpfe, in denen sie sich leicht in Körbe verpacken und versenden lassen. Zum Schluss noch einige Worte über den bei der Winterveredelung erreichen könnenden Procentsatz veredelter Rosen. Nach meiner lang- jährigen Erfahrung in dieser Branche und bei dem hier angegebenen Verfahren sind mir im Durchschnitt von 1000 Stück in Töpfen einge- pflanzten Wildlingen ca. 600 Stück kräftig, d.h. das Edelreis mit 2—3 Trieben gewachsen, 200 Stück schwach getriebene, nicht verkäufliche Exemplare geblieben, welche erst im freien Lande sich kräftigen mussten, und von denen noch ein Theil zurückging, der Rest von 200 Stück machte wenige oder keine frische Wurzeln, starb theils ab oder trieb wenigstens nicht. Einiges über belgische Gärtnerei. Von Obergärtner W. Kühne in Giumbowitz. Angeregt durch den auch mir längst bekannt gewordenen hohen Ruf der belgischen Gärtnerei, und entschlossen, diese und die dortigen Cul- turen kennen zu lernen, trat ich, nachdem ich mich bereits mit grösseren süd- und norddeutschen Gärtnereien bekannt gemacht hatte, die Reise nach Belgien an und war nach meiner Ankunft in Gent auch bald so glücklich, Anstellung in der berühmten Gärtnerei des Herrn Louis van Houtte zu erhalten. Der Eindruck, den ich bei meinem ersten Eintritt in dieses gross- artige Etablissement empfing, war ein überwältigender. Aus den zahlreichen, auf das geschmackvollste mit den herrlichsten Kalt- und Warmhauspflanzen aller Arten angefüllten, verschieden con- struirten Pflanzenhäusern ins Freie getreten und das weite Revier der grossen Anzahl von Vermehrungs- und Veredelungs-Beeten und Kästen durchgangen, erblickt man auch weiterhin ein reiches Feld der Thätig- keit. Zunächst wurde mein Blick angezogen von einem grossen Quar- tiere, bepflanzt mit den schönsten und seltensten Stauden, deren Blüthen das Auge fesselten. An dieses reihte sich die umfangreiche Baum- und Gehölzschule und hinter dieser nahm ein weites Feld der schönsten, in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 253 vollster Blüthenpracht prangender Hyazinthen, Tulpen und anderer Zwiebel- gewächse meine vollste Bewunderung in Anspruch. Meine erste Beschäftigung erhielt ich in den Azaleen- und Camellien- Häusern und will nur in Kürze die mir neuen Erfahrungen erwähnen, welche mir hier über die Cultur dieser Pflanzen wurden. Die Azaleen wurden bald, nachdem sie verblüht waren, verpflanzt, die unregelmässig gewachsenen Triebe zurückgeschnitten, sodann zu schnellerer Durchwurzelung auf einige Zeit in ein temperirtes Haus ge- bracht und im Juni in dazu präparirte Beete im Freien eingesenkt; nur schwächliche und kränkelnde Exemplare wurden ausgepflanzt und bei grosser Hitze beschattet. In der Cultur der Azaleen und Camellien sind die Belgier wohl kaum übertroffen. Kaum beschreiben lässt es sich, welch herrliche Wir- kung ein Haus mit Tausenden der schönsten blühenden Azaleen und Camellien in wahren Prachtexemplaren auf das Auge übt. Im April des Jahres 1576 besuchte ich die grosse internationale Gartenbau-Ausstellung zu Brüssel. Frankreich, England, Belgien wett- eiferten in derselben. Dort sah ich z. B. aus der Privat-Gärtnerei von Ed. Gellinek de Walle zu Wondelgem bei Gent eine Gruppe von 25 blühenden Azaleen aufgestellt, deren jede einen vollständig mit Blumen überfüllien Kronendurchmesser von 1'/, m hatte; der Anblick war ent- zückend, überwältigend; in Cultur und Grösse übertrafen sie alle anderen ausgestellten. Anders verhält es sich mit der Cultur der Camellien; sie werden zwar ebenfalls nach der Blüthe verpflanzt, jedoch in den darauf folgenden sechs Wochen wie Warmhauspflanzen behandelt. Bei sonnigem Wetter werden die Häuser beschattet und die Pflanzen wiederholt fein bespritzt, bis sie durchgewurzelt sind, der neue Trieb vollständig entwickelt ist und sich der Blüthenansatz zeigt. Erst von dieser Zeit an werden die Pflanzen insoweit abgehärtet, dass sie auf ca. vier Wochen an einen schattigen Platz im Freien gestellt werden können, worauf man sie wieder in die Häuser nimmt. Wer seine Camellien während des Sommers ins Freie stellt, soll dieselben schon Anfang September einräumen, weil dann die Nächte schon feucht und kalt werden, was den Camellien äusserst nachtheilig ist; auch die Häuser, in denen dieselben während des Winters verbleiben, dürfen nicht zu feucht sein, wäre dies aber der Fall, so ist selbst der tüchtigste Gärtner nicht im Stande, einen schönen Camellienflor zu er- zielen, weil durch die zu grosse Feuchtigkeit die Camellien den grössten Theil ihrer Blüthen verlieren. Ihre Camellien vermehren die Belgier in folgender Weise: Nachdem die Camellien abgeblüht sind, beginnt man mit dem Schneiden der Steck- linge, welche in mit recht sandiger Haideerde gefüllte Holzkästen gesteckt 354 Jahres - Bericht und mit Glasscheiben bedeckt werden. Die Kästen bringt man sodann in ein Glashaus, welches bei grosser Hitze beschattet und mässig feucht gehalten wird. Sobald die Stecklinge anfangen, Callus zu bilden, werden sie der Sonne mehr ausgesetzt, damit sie nicht zu schnell treiben, denn da der Trieb die meiste Kraft des Stecklings absorbirt, so würde sich der Callus nicht genügend ausbilden können und leicht faulen. Die in allen grösseren belgischen Gärtnereien geübte Wirthschaft- lichkeit lernt man sofort bezüglich der Eintheilung und Verwendung der Arbeitskräfte kennen. Es sind die Gärtnereien in Sectionen eingetheilt, jede derselben hat ihren Chef, dem je nach Bedarf ein oder mehrere Gehilfen und Arbeiter zugetheilt sind, welche letzteren theils Erwachsene, theils Knaben im Alter von 11 Jahren an sind, denen die Arbeiten nach Kräften und Befähigung zugetheilt werden; z. B. schneiden ältere Knaben Stecklinge und pflanzen dieselben ein; andere binden Pflanzen auf und reinigen sie von etwa vorhandenem Ungeziefer u. s. w. Nimmt man nun an, zu solchen Arbeiten würde ein Gehilfe verwendet, dem man täglich 1, Mark zahlt, während solche Knaben täglich nur 40 Pf. er- halten, so ist man leicht überzeugt, wie viel gespart werden kann, wenn die Leute richtig verwendet und benutzt werden. Hauptsache bei Ver- wendung solch jugendlicher Arbeiter ist ein strenges Regiment, denn leicht werden die Knaben übermüthig; die meisten derselben verbleiben jedoch ihr ganzes Leben bei der Gärtnerei und zeigen in Folge dessen bei ihren Arbeiten grosse Gewandtheit. | In der mir nach meiner im Jahre 1876 erfolgten Rückkehr aus Belgien hier anvertrauten Gärtnerei bietet sich manche Gelegenheit, meine dort gemachten Erfahrungen in Anwendung bringen zu können. So hat mir z. B. der Winter, welcher sich hier öfter bis tief in das Frühjahr hineinzieht, so dass ein erheblicher Arbeitstheil erst in den Monaten April und Mai ausgeführt werden kann, was sich hauptsächlich auch auf die Anzucht der Pflanzen und die Bepflanzung der sehr ausgedehnten Teppichbeete bezieht, Veranlassung gegeben, auch hierorts Kinder zum Schneiden der Stecklinge, zum Stecken, Piquiren und Einpflanzen anzu- lernen und zu benutzen und hatte ich bis jetzt dies noch nicht zu be- reuen. Ebenso benutze ich zur Bepflanzung und Pflege der Teppichbeete jugendliche weibliche Arbeitskräfte, und Jeder, der die hiesige Terrasse gesehen, wird zugestehen, dass alles mit grösster Accuratesse ausgeführt und in dieser erhalten ist. Freilich muss man in der ersten Zeit mit den Knaben wie mit den Mädchen die Mühe sich nicht verdriessen lassen und stehen sie unter meiner steten Aufsicht, doch ist der Erfolg davon ein durchaus günstiger und lohnender, man kann aus demselben ersehen, dass auch in manchem gewöhnlichen Gartenarbeiter unvermuthetes Talent verborgen liegt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 955 Wie man Spargelbeete vortheilhaft anlegt. Von Obergärtner OÖ. Lorenz in Bunzlau. Zu Spargelanlagen ist jeder Boden, mit Ausnahme steiniger, nasser oder schattenreicher Stellen, welche zu vermeiden sind, verwendbar. Bündiger, schwerer Lehmboden muss durch Mengung mit Sand, am besten Flusssand brauchbar gemacht werden. Im Uebrigen ist der Boden in folgender Weise zur Spargelpflanzung vorzubereiten: Das mit Spargel zu bebauende Land muss sorgfältig von allen perennirenden Unkräutern gesäubert werden; ist dies geschehen, so wird dasselbe, gleich wie bei dem Rigolen, wie weiter beschrieben, durch- gearbeitet. Zuerst wird an dem einen Ende möglichst in der Richtung von Süd nach Nord ein Graben von 1 m Breite und 20 cm Tiefe aus- gehoben, in denselben eine 10—12 cm hohe Lage kurzer, verrotteter Dünger gebracht und dieser 2—3 Mal so umgegraben, bis derselbe mit dem Boden der Grabensohle gut gemenst ist. Um die Arbeit zu er- leichtern, kann man den Dünger auch nur halb so hoch auftragen und umgraben und sodann die andere Hälfte Dünger aufbringen und aber- mals umsraben, zu welcher Arbeit eine sogenannte Grabegabel vortheil- haft anzuwenden ist. Die Erde des zweiten Grabens wird in den ersten Graben geworfen und so fort, jeder Graben gleich dem ersten behandelt und endlich der Boden dieses in den letzten Graben gebracht. Nachdem hierauf das ganze Land gut geebnet wurde, werden die Pilanzlinien in der oben angegebenen Richtung der ausgeworfenen und wieder verfüllten Gräben, weil die Sonne so die später herzustellenden Dämme besser durchwärmen kann, in einer Entfernung von je lm an beiden Enden durch eingeschlagene kurze Pfähle markirt. Ist diese Arbeit vollbracht, so werden die Pflanzgräben in einer Breite von 50 cm und einer Tiefe von 20 cm und zwar in der Längslinie von einem Pflock zum anderen so ausgehoben, dass diese Linie in die Mitte des Grabens trifft. Die ausgehobene Erde wird gleichmässig nach rechts und links auf den noch 50 cm breiten Zwischenraum aufgesetzt und hat dies durch einen geschickten Arbeiter zu geschehen, welcher im Stande ist. alle Erde aufzudämmen. Ueber das Pflanzen des Spargels und dessen weitere Behandlung sei hier noch angegeben: Die Sohle jedes in dieser Weise ausgehobenen Grabens ist vor ihrer Bepflanzung nochmals gehörig zu lockern, resp. umzugraben, weil sie bei dem Auswerfen der Erde zum Theil festge- treten wurde. Ist dies-geschehen, so wird die Schnur von einem Pflock zu dem anderen angelegt und an derselben die Pflanzstellen durch Stäbe 256 Jahres - Bericht in der Entfernung von 65 cm von einander markirt. Alle folgende Arbeit hat vom nächsten Graben aus zu geschehen, in den zur Ver- meidung des Festtretens des Bodens Bretter zu legen sind. Um jeden Stab wird nun ein kleiner S cm hoher Haufen von der früher ausge- worfenen Erde gemacht. Auf diese Hügel bringt man je eine Pflanze, deren Wurzeln sorgfältig und möglichst gleichmässig auseinander zu breiten, etwa 2 cm hoch mit Erde zu bedecken und sodann mit den Fingerspitzen sanft aber doch fest anzudrücken sind. Ist eine Linie in dieser Art bepflanzt, so wird durch die Brause gut angegossen und hier- auf von den ausgesetzten Dämmen noch so viel Erde heruntergezogen, dass die Pflanzen 4—5 em hoch damit bedeckt sind. Sind alle Gräben in dieser Weise bearbeitet und bepflanzt, so hat man vorläufig nichts weiter zu thun, als die Pflanzen von Unkraut rein zu halten und bei trockenem Wetter zu giessen. Im Herbst werden dann, nachdem erst verrotteter Dünger oder kräftige Composterde auf die Pflanzen gebracht worden ist, die Dämme vollends in die Gräben ge- zogen, so dass das ganze Land wieder eben wird. Im zweiten und dritten Sommer hat man nur darauf zu sehen, dass die Pflanzung rein und locker erhalten wird. Bei Regenwetter wirkt ein Guss mit Jauche vortheilhaft auf die Vegetation des Spargels. Um den Spargel für eine lange Reihe von Jahren recht kräftig zu erhalten, ist eine alljährliche starke Düngung nothwendig. Im vierten Frühjahr kann man mit dem Spargelstechen beginnen. Zu diesem Behufe wird, wenn im März oder April gutes Wetter ein- getreten ist, die ganze Anlage gelockert, indem man zwischen den Pflanzlinien gräbt, in diesen selbst aber nur hackt, weil ein ungeschickter Arbeiter die nach dieser Methode gelegten, ziemlich seicht liegenden Pflanzen, wenn auch hier gegraben würde, leicht sehr nachtheilig be- schädigen könnte. Ist das Auflockern beendet, so zieht man mit einer Hacke oder mit einem sonst dazu tauglichen Instrument auf die Pflanzlinien Dämme in Art der Kartoffeldämme und werden diese dann noch mit einem Rechen oben glatt und recht sauber gemacht, damit man den Spargel sut stossen sieht. Hat der Spargelstich wieder aufgehört, so werden die Furchen, welche durch das viele Gehen in denselben fest zusammen- getreten sind, zunächst aufgehackt, dabei etwaige Erdknoten zerklopft und sodann umgegraben. Hat man übrigen Dünger, so kann eine gute Portion mit in den Furchen untergegraben werden. Zwischenpflanzungen müssen in den Spargelanlagen gänzlich unterbleiben, weil sie nur auf Kosten des Spargels geschehen. Diese seichtere Pflanzung ist der früher gebräuchlichen tieferen vor- zuziehen, weil die Sonnenwärme und Luft besser auf die Pflanzen ein- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 957 wirken können, die Pflanzen nicht so viele Erde zu tragen haben, daher weniger gedrückt werden, folglich auch eine längere Existenzfähiskeit behalten. Zur Anlage von Spargelpflanzungen ziehe ich den frühen von Ar- senteuil und Conovers Colossal dem Erfurter Riesen- und ein- und zwei- jährige Pflanzen den älteren vor, weil erstere zwei Sorten bedeutend stärkere Pfeifen liefern (schon die Pflanzen auf den Saatbeeten zeichnen sich durch stärkeres Wachsthum aus) und weil ältere Pflanzen ihrer stärkeren und längeren Wurzeln wegen beim Ausgraben zu leicht grosse Verletzungen erhalten, jede Verletzung aber nachtheilig auf die Pflanze wirkt, ihr ein kümmerliches Dasein bereitet und endlich ganz zu Grunde geht. Spargel kann man von Mitte April bis Mitte August pflanzen und empfiehlt es sich, die Pflanzen, damit die Wurzeln nicht vertrocknen, während des Pflanzens in Wasser zu stellen. Ein späteres Pflanzen ist nicht rathsam, weil eine nicht oder schlecht angewurzelte Pflanze leicht ausfault. Bei der Sommerpflanzung habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Pflanzen, denen die Stengel abgebrochen waren, schon nach acht Tagen neue Triebe brachten, hingegen Pflanzen, denen die Stengel erhalten blieben, erst 38 bis 14 Tage später trieben; hieraus folgt, dass es sich empfiehlt, alle Pflanzenstengel etwas über der Erde abzuschneiden, weil der Spargel, sobald er frisch treibt, auch beginnt, neue Wurzeln zu bilden. Zur Verbesserung der Wandbekleidung mit wildem Wein (Vitis quinquefolia). Von Kunst- und Handelsgärtner Rudolph Riedel in Löwenberg. Sehr oft, und wer hat es nicht schon gesehen, sieht man an den schönsten Villen und Schlössern ganze Wände mit wildem Wein (Vitis quinquefolia) bezogen. Fürwahr, der gewöhnliche wilde Wein ist un- bedingt auch zur praktischen Verwendung eine beliebte Kletterpflanze. Dennoch wird dieselbe von vielen Personen angefeindet. Warum? — Jeder, welcher ein Haus mit Grün bekleiden will, stellt als erste Be- dingsung, dass die dafür zu verwendenden Pflanzen die kahle Wand möglichst schnell bedecken. Nun hat dieser wilde Wein die gute Eigen- schaft der verlangten Schnellwüchsigkeit und dennoch ist dieselbe schon oft der Todtengräber solcher Anpflanzungen geworden; sein rasches Wachsthum artet häufig in Wucherung aus, welche dem Besitzer solcher Pflanzung höchst lästig werden kann, weil er sich mit seinen Gabeln überall anzuklammern sucht; jedes Fenstersims, auswendige Fensterladen, 1880. 17 258 Jahres - Bericht Jalousien oder Dachrinnen, wenn er sie erreicht, dienen ihm zum will- kommenen Anhalt und Stütze, er wird ihrer Meister, es wächst ein Zweig über den anderen, bis ganz unnatürliche Wülste in der Höhe hängen, welche dem Vorübergehenden fast unheimlich erscheinen. Diese massigen Wülste sind den Gegenständen, an welchen sie haften, bei Sturm oder Schneefall gefährlich, das abfallende Laub kann nicht hin- unterfallen, es setzt sich mit dem Schnee in den Zweigen fest und da- durch wird die Last solcher Wülste so gross, dass oft ganze Dach- rinnen, Fensterläden, Vorfenster, auch Simse durch dieselbe mit einem Ruck heruntergedrückt oder gerissen werden. Diesen Uebelständen abzuhelfen möge nachfolgendes anzugeben ge- stattet sein. Nicht der so willig und schnell wachsende wilde Wein, welcher seinen Zweck, der ihm von Mutter Natur beschieden ist, erfüllt, trägt die Schuld solcher Uebelstände, sondern zum grösseren Theile der Besitzer und Wärter solcher Anlagen und zwar aus nachstehenden Gründen. Will der Besitzer die kahle Wand eines Gebäudes schnell mit Grün bekleidet sehen, so hat er vor Allem sich klar zu machen, bis zu welcher Höhe diese Bekleidung reichen soll, sodann lasse derselbe in dieser Höhe und am Fussboden an befestigten Haken, in Entfernung von 30 cm von einander, senkrechte Drähte spannen und an jeden Draht eine Pflanze pflanzen. Von dieser Pflanze wird sodann nur eine Ranke an jedem Draht in die Höhe gezogen und muss jeder Nebentrieb an derselben bis auf ein Auge entfernt werden. So behandelt, bilden sich der Ranke entlang bei jedem Auge Knoten. Man darf dann nur, wenn der Wein seine bestimmte Höhe erreicht hat, diesen in derselben einstutzen und alles entlang der Ranke von oben nach unten ebenfalls bis auf ein Auge zurückschneiden. Es lässt diese Arbeit sich so schnell vollbringen, dass man in wenigen Stunden eine grosse Wand eines Gebäudes in Ordnung haben kann. So beptlanzte und behandelte Wände können nie kahle Stellen er- halten. Man kommt ferner nie mehr in die Lage, während des Sommers tagelang wichtigere Arbeiten zu unterlassen, um nach Sturm- und Regen- tagen plötzlich losgerissene Ranken, welche kahle Wandstellen zeigen, durch Heften und Anbinden wieder in Ordnung zu bringen. Nie können an so begrünten Wänden solche unnatürliche, hochhängende Haufen durcheinander gewachsener Zweige und abgefallener Blätter entstehen, wenn bei Beginn des Winters einmal und während des Sommers wenigstens einmal die Arbeit des Kürzens der gewachsenen Zweige vor- genommen wird. Jeder Balkon, jedes Fenster kann mit solchen grünen Weinguirlanden geziert sein. Jede in dieser Weise bekleidete Wand kann ohne jeden Nachtheil von jedem Gartenarbeiter behandelt werden. Das beste aber ist, eine solche Pilanzung veraltet nicht. An meinem Hause befindet sich eine Guirlande von Vitis quinquefolia, welche 11 Jahre alt ist und eine 5 em starke Rebe hat. Solche alte Reben bringen an den gestutzten Knotenpunkten meist nur kurze, mit Beerentrauben besetzte Frucht- zweige, welche eine solche Guirlande noch besonders zieren. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 259 Die Cultur der Alpenpflanzen. Von B. Stein, Kgl. Garten-Inspeector. Nachdem zwei Jahrzehnte hindurch ausschliesslich die Vorliebe für die schönen buntblätterigen oder enorm erossblätterigen Pflanzenformen der Tropen den gärtnerischen Markt beherrscht hat, kehren wir in den letzten Jahren mehr und mehr zur Cultur schön blühender und schön belaubter Stauden zurück. Am Anfange unseres Jahrhunderts war bereits einmal die Staude Modepflanze geworden, aber es waren hauptsächlich die steifen Formen der grossen nordamerikanischen Compositen, Aster, Sylphium, Solidago u. s. w., welche cultivirt wurden, und die Gleichförmisekeit dieser an und für sich schönen Pflanzen musste bald das Interesse an ihnen- _ sehwinden machen. | Die Idealstaude — wenn ich so sagen darf — welche für unser verwöhntes Auge Reiz haben soll, muss Blüthenpracht mit zierlichem Bau und schönem Blattwerk vereinigen und diese drei Bedingungen finden wir bei unseren Alpinen und Subalpinen in vielen Fällen auf das glücklichste concentrirt, und die Intensität, mit welcher die Cultur von Alpinen zunimmt, was man ja am besten an dem Handel mit denselben beurtheilen kann, zeigt, dass auch im grösseren Publikum diese reizenden Pflänzchen mit ihrer relativ leichten Pflege wohlwollende Aufnahme finden. Wir besitzen in unseren -Culturen jetzt die Schätze fast aller Hoch- alpen. Zuerst waren es unsere mitteleuropäischen Alpen, deren liebliche Zwerenflanzen Eingang in unsere Gärten fanden, ihnen reihte sich der Kaukasus und weiterhin die centralasiatischen Höhenzüge und das nörd- liche Sibirien an, aus denen russische Botaniker — diese „barbarischen“ Russen geben jeder grösseren militärischen Expedition einen Regierungs- Botaniker mit — die wundervollsten Dinge mitbrachten, welche unter Altmeister Regel’s glücklicher Hand in Petersburg eultivirt wurden und von dort bald ihren Weg ins Weite fanden. Englische Missionäre. und Offiziere der englischen Armee brachten uns Samen der herrlichen Alpinen des Himalaya, von denen viele zuerst 17* 260 Jahres-Bericht unter Leichtlin’s Augen in Baden-Baden keimten und sich entwickelten, um von dort aus in die englischen Handelsgärten überzugehen. Durch Bordere in Gedres, Dep. Hts. Pyrenses, wurden die Pflanzenschätze der Hochpyrenäen in die Gärten gebracht, unser specieller Landsmann Fritze in Rybnik erschloss uns die Sierra Nevada, Huter in Sterzing in Tirol brachte in Verbindung mit anderen botanischen Freunden zahl- reiche herrliche Pflanzen aus den italienischen Alpen in die Gärten, welche meist ihre erste Cultur in dem durch sein Alpinum, eine Schöpfung des genialen Professor v. Kerner, berühmten Innsbrucker botanischen Garten fanden. Alles aber wird übertroffen durch die geradezu unerwartete Reichhaltigkeit der nordamerikanischen Hoch- gebirge, welche in Woolson u. Co., Passaiec, N.-L., U. S. A., treffliche Einführer in die Cultur erlangten. Als Bezugsquellen für lebende Alpinen und für Pflanzen unserer Alpen sind zu empfehlen: Apotheker R. Fritze in Rybnik, Fröbel u. Co. in Neumünster bei Zürich, Correvon in Genf, Gusmus in Villach in Kärnthen; für den Bezug der aussereuropäischen Formen ist es neben den etwas entfernten Woolson u. Co. ausschliesslich die Firma Thom. S, Ware, hale farm nurseries Tottenham bei London, welche ich mit gutem Ge- wissen empfehlen kann. Die Pflanzen des ausserordentlich reichen W are’schen Catalogs sind fast absolut richtig bestimmt, verhältnissmässig billig und durchweg in sehr guten Exemplaren in meine Hände gekommen. Einige Erfurter Firmen führen allerdings auch Alpinen in ihren Catalogen, aber was ich von dort sah, waren zum grössten Theil falsch bestimmte, jammervolle Exemplare. Die Doubletten der reichen Colleetionen des Innsbrucker Gartens wurden hauptsächlich an Thom. 5. Ware zur Weiterverbreitung gegeben. | Die Cultur der Alpinen in Töpfen ist zwar die sicherste, aber un- willkürlieh wünscht man sich die zierlichen Pflänzchen in einer mehr an ihr natürliches Vorkommen erinnernden Form cultivirt zu sehen und da sind es natürlich die künstlichen Felspartien, welche man als Culturplatz wählt. Ueber die Anlage von Felsenpartien oder Steingruppen mich hier ausführlich auszulassen, mangelt die Zeit, es ist das ein Thema für sich. Ich erwähne nur, dass diese Anlagen wesentlich von zwei Punkten aus zu betrachten sind. In Gegenden, welche an Material zum Felsen- bau Ueberfluss haben, wird man mit Vorliebe einzeln in der Natur vor- handene Felsgruppen nachahmen, oder, wie Prof. v. Kerner in Inns- bruck, ganze Gebirgszüge en relief darstellen. In unseren steinarmen Gegenden nehmen wir mit Recht vorlieb mit einem bescheidenen Stein- hügel, der je nach dem vorhandenen Material mehr oder weniger malerisch sich staffiren lässt und dessen Steine in ihren Ritzen und Fugen Cultur- stätten für einzelne Trockenheit liebende Alpinen-Arten geben. Die Wege, der Schles. Gesellschaft für vaterı. Cultur. 261 welche diese künstlichen Felsbauten umgeben oder überschreiten, müssen erheblich tiefer liegen, als die betreffenden Hügel, denn ein Haupt- zweck der Hügelbildung beruht darin, die hier eultivirten Pflanzen dem Auge des Beschauers zu nähern und dieser Zweck geht natürlich ver- loren, wenn der Weg, welcher über den Hügel geht, an dessen Ober- fläche dahin führt. Ä Die Hauptbedingung zum Gedeihen alpiner Pflanzen liegt in der vollen Einwirkung von Luft und Licht auf die betreffenden Culturen. Freiland-Culturen können zu viel Sonne nicht erhalten und auch bei Topfeulturen beschränkt man den Schatten auf die wenigen Stunden der allerbrennendsten Sonnengluth. Schattige und windgeschützte Lagen sind für den grössten Theil der Alpinen sichere Opferplätze, an denen ein Vergeilen und Verkümmern in kurzer Frist eintritt. Andererseits sah ich z. B. selbst in den Alpen Edelweiss nicht schöner, als in den in vollster Sonne liegenden Culturen der königl. Gärtner - Lehranstalt in Wildpark, deren Garten Lauche zu einem wahren Schatzkästchen um- gebildet hat. Die Erdmischungen sind relativ nebensächlich. Als Kerner vor mehr als 20 Jahren seine Culturen begann, wurden die Erdmischungen, die ohnehin möglichst leicht waren, noch durch gehacktes Sphagnum gelockert. Dann ging Innsbruck zu immer schwereren Mischungen über und die Zusammensetzung, in welcher ich mit bestem Erfolge dann sechs Jahre dort unzählige Alpinen zu schönster Entwickelung gelangen sah, bestand in ungefähr '/, Lauberde, '/, Sand und je '/, Haideerde und verrottetem Lehm. Bei schwach wurzelnden Arten vermehrte ich mit bestem Erfolge den Sandzusatz noch erheblich. Anderwärts wird nach anderen Recepten gearbeitet; in England speciell mit fast reiner Lehm- erde, in Petersburg mit sehr leichter Erde; wir kochen eben Alle mit Wasser und "erreichen bei sonst guter Controle Alle unseren Zweck. Selbstredend bezieht sich diese Erdmischung nicht auf Rhododendron und Verwandte, welche ihre gewohnte reichliche Haideerde verlangen. Bei der Anzucht von Alpinen heisst’s: Divide et impera, ins Gärtnerische übersetzt: theile, vermehre und du wirst ein reiches Volk von Alpinen beherrschen. Das Uebertragen grosser Polster vom wilden Standort in den Garten ist theuer und meist wenig lohnend, da sie, mit geringen Ausnahmen, bald zerklüften und absterben. Mit dem Augen- blicke, wo ich anfing, diese grossen Polster zu zertheilen und vom Wurzel- hals an rein gärtnerisch Stecklinge davon zu machen, wuchsen eine ganze Anzahl Dinge, deren Cultur sonst immer für sehr schwierig galt. Am schlimmsten zu übertragen sind die alpinen Leguminosen, deren wenige Centimeter hohe Blattbüschel dem Sammler durch oft über meterlange, Schnurgerade, ins peitschenförmige verlängerte Wurzeln ein unversehrtes Herausnehmen ganz unmöglich machen. Dern Papilionaceen mit mehr 362 Jahres- Bericht oder weniger eingestutzten Wurzeln, gedeihen vom Herbst bis zur Blüthe im Mai-Juni scheinbar ganz gut, so wie die Blüthe aber erscheint, sterben sie oft ganz plötzlich. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass von frischgesammelten Pflanzen 50 pCt. im ersten Winter resp. Frühling zu Grunde gehen und bei besonders bösen Arten, leider sind dies gewöhn- lich die schönsten oder doch seltensten Formen, steigt die Verlustziffer noch viel höher. Kann man Samen erreichen, den ich stets wie jeden anderen Staudensamen behandelt habe, so halte ich diese Anzucht für weitaus das Beste. Wir benützten in Innsbruck zum Piquiren und zur Weitereultur mit bestem Erfolge roh zusammengeschlagene, flache, hölzerne Kästchen mit starker Drainage, billig und gut. An Töpfen hatte ich neben der gewöhnlichen Facon die in England üblichen, sehr schmalen und hohen Töpfe eingeführt für alle Pflanzen mit starken oder gar fleischigen Wurzeln und war mit den Culturerfolgen sehr zufrieden. Die kleinste Form dieser Töpfe mass bei 4 cm oberer Weite 10 cm Tiefe. Bei einzelnen Pflanzen, deren natürliches Vorkommen auf Geröll- halden beschränkt ist, ahmten wir dieses Geröll durch dick über ihre Culturschicht geschütteten erbsen- bis haselnussgrossen Kies nach. Kerner hatte durchweg das Belegen der Töpfe mit Steinstücken eingeführt, es schützt gegen Marchantien und sonstiges Unkraut, sieht sehr gut aus, aber verlangt ein erfahrenes Auge für das Giessen. Das Giessen ist überhaupt ein wichtiger Punkt. Nach meiner Auffassung kann ein Zuviel von Wasser den Alpinen nicht leicht geboten werden, selbstredend während der Wachsthumsperiode, und besonders gute Erfolge habe ich gesehen durch fleissiges Giessen und Spritzen auch in den Herbstmonaten noch. Dass ruhende, eingezogene Pflanzen geschont sein wollen, ist selbstredend. Man muss bei dem Giessen und Spritzen der Alpinen an die stete Wasserzufuhr von unten am wilden Standorte und an den un- gemein reichen Thauniederschlag der Hochalpen denken. Die Altersgrenzen der einzelnen Arten variiren natürlich ausserordent- lich. Im Allgemeinen aber sind die Alpınen auch im Freien nicht so lang- lebig, als man gern annimmt; die grösste Zahl der Arten dürfte ein Alter von wenig mehr als 3—5 Jahren erreichen und nur einzelne Arten treten uns in Polstern von schier hundertjähriger Dauer entgegen. Ehe ich meinen Vortrag schliesse, lassen Sie mich noch gedenken der immer wiederkehrenden Frage, ob die Alpinen in der Ebene ihre Formen wesentlich ändern; ausarten, sagt der Laie. Ich glaube darauf fast unbedingt mit Nein antworten zu können. Fast unbedingt, sage ich, denn wenige Ausnahmen existiren. Es ändert z. B. stets ab Myo- solis alpestris Schmdt. in die gewöhnliche Myosotis silvatica Hoffm. und Artemisia nana in Artemisia campestris. Letztere wird schon im Laufe eines einzigen Jahres 2 bis 3 Fuss hoch und bis auf die noch etwas grösseren Blüthenköpfehen der Form der Ebene ganz gleich. Diese der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 263 beiden Fälle sind aber unter etwa 600 Arten alpiner Pflanzen, die ich in vielen tausend Exemplaren während der 6 Jahre meines Aufenthalts in Innsbruck im dortigen botanischen Garten eultivirte, die einzigen gewesen, welche sich umwandelten. Ich glaube daher unbedinst berechtigt zu sein, für die Constanz der alpinen Arten einzustehen. Was in der Ebene nicht wachsen kann oder will, geht zu Grunde, aber es accommodirt sich nicht in Bezug auf Form- veränderung. | Ein anderer Aberglaube, den Kerner’s exacte Untersuchungen, von denen auf das Lebhafteste zu bedauern ist, dass er selbst nicht die Zeit zu ihrer Publication findet, schlagend widerlegen, ist die weitverbreitete Meinung, dass die Höhenlage intensivere Blüthenfarben und grössere Blüthen schafft. In dem kleinen Versuchsgarten, welchen Kerner unter freigebiger Staatshilfe fast auf der Spitze des Blaser bei Matrei in einer Höhe von ca. 2000 m angelegt hat und auch von Wien aus noch unter- hält, wurden zahlreiche Culturversuche in dieser Richtung gemacht. Der Erfolg war immer derselbe, die vegetativen Organe der Pflanze rückten zusammen, verkleinerten sich und die Blüthen wurden im selben Masse kleiner. Die Alpinen dagegen behalten in der Ebene stets ihre zierliche Form und ihre oft verhältnissmässig grossen und schön gefärbten Blüthen bei und diese beiden Bedingungen, verbunden mit ihrer einfachen Cultur, werden auch bei uns die Liebe für diese reizenden Kinder Floras hoffent- lich in immer weitere Kreise tragen, um so mehr, als unter den Alpinen die allerersten Frühjahrsblüher zu suchen sind und nach unseren langen Wintern wir ja gerade die ersten Blüthen immer mit doppelter Freude begrüssen. Zweiter Bericht über Evonymus japonicus Thbg. Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Nachdem ich im Jahre 1873 im Schoosse der Section eine Zusammen- stellung der damals häufiger verbreiteten Varietäten von Evonymus japonieus Thba. niederlegte und dabei eine richtige Nomenclatur derselben anzu- bahnen versuchte, bin ich heute in der angenehmen Lage, berichten zu können, dass es meinen unausgesetzten Nachforschungen gelungen ist, noch eine namhafte Anzahl anderer Varietäten aufzutreiben. Auch habe ich die Befriedigung gehabt, diese verbesserte Nomenclatur an Stelle der willkürlichen hier und da eingeführt zu sehen. Zur Besprechung der neu hinzugetretenen Evonymusvarietäten dürfte es nicht ohne Zweck sein, die früher bereits erwähnten hier nochmals 264 Jahres - Bericht zu recapituliren und zu beleuchten, sowie einige weitere oder rectifieirende Erfahrungen bei ihrer Cultur nachzutragen. Die Pflanze wird, wie ich schon früher darthat, durch zwei Urtypen repräsentirt: eine schmal- und eine breitblätterige, welehe mit Ausnahme dieser Blattunterschiede sonst gleiche Charaktere haben. Betrachten wir zuerst die schmalblätterige Form, welche wir 1) Evonymus japonicus Thbg. nennen, so können wir mit Be- stimmtheit nur eine Varietät von ihr ableiten und zwar: 2) E. japon. foliis eleganter punctatis. Bei ihr ist das Blatt bedeutend verschmälert, ist schön dunkelgrün mit grossem, länglichem, hellgelbem Innenflecke und besitzt den Glanz der Blätter der Mutter- pflanze. Da sich fast jede Pflanzeneulturanstalt für die Evonymusvarietäten eigene Namen erdenkt, so ist es schwer, aus dem Wust dieser Bezeich- nungen diejenige Sorte zu muthmassen, welche dieser Varietät entspricht. Aus fünf Verzeichnissen, welche Evonymus - Sortimente anführen, und welche ich mir zur Probe vorgelegt habe, kann ich nur entnehmen, dass sie wahrscheinlich identisch sind mit folgenden darin vorfindlichen Be- nennungen, als da sind: E. jap. maculatus, E. jap. foliis aureo maculalis, E. jap. medio punctatus; ich sage „‚wahrscheinlich‘“, denn alle diese Namen passen auch auf die weiterhin sub No. 4 angeführte Sorte und ich gab ihr deshalb den wohlbegründeten Namen: „foliis eleganter punctatis““, um sie von jener Sorte gehörig zu kennzeichnen. Die sehr hübsche Pflanze ist übrigens, wie ich mich durch langjährige Beobachtung belehrt habe, in der Jugend empfindlich gegen Licht- und Luftmangel zur Winterzeit. Später wird sie härter, hat aber stetige Neigung, in die Urform überzugehen, welche bei älteren Pflanzen sogar so gross ist, dass alle Blätter grün werden und diese auch ihre schmale charakteristische Form verlieren. Ein Mittel, diesem Uebelstande zu begegnen, ist mir bisher nicht bekannt geworden. Wir gehen nun zur zweiten Urform unserer Titelpflanze über und nennen sie: 3) E. jap. latifolius, deren Blatt also grösser und breiter ist. Diese hat eine Menge Abarten aufzuweisen und ich lasse sie hier folgen, indem ich zuerst die im Jahre 1873 aufgeführten vortrage. Ich hatte damals registrirt: 4) E. jap. latifol. aureo maculatis. Das Blatt hat die Grösse der Blätter der Mutterpflanze, ist dunkelgrün und zeichnet sich durch ein oder zwei goldgelbe längliche Flecken im Centrum aus. Sie ist in dieser Beziehung der sub No. 2 aufgeführten ganz ähnlich und nur unter- schieden durch das breite, oft rundlich sich bildende Blatt und etwas grösseren Glanz desselben, während No. 2 bei normaler Färbung stets schmale Blätter behält. Die Pflanze ist in der Jugend nicht so weich- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 265 lieh wie No. 2, hat aber im Alter, ebenso wie jene, die Unart an sich, in die grüne Urform überzugehen. In den Verzeichnissen finden wir sie beispielsweise unter dem Namen E. jap. rotundifola medio-pieta (der Name ist schon deshalb falsch, weil sie nicht rundblätterig ist, sondern rundliche Blätter nur ab und zu einmal vorkommen). Die Sorte ist zwar längst bekannt, aber immerhin noch selten in Privathänden zu finden. 9) E. jap. latifol. foliis albo-variegatis. Die älteste und ver- breitetste, aber am wenigsten schöne Form. Das Blatt ist ziemlich dick und zeigt einen grünen, mit weisser und grauer Schattirung versehenen Grund, während ein schmales weisses Band am Rande sich hinzieht und “die Einfassung des Blattes bildet. Die Pflanze geht seltener in die Ur- form über und ist im Winter, ob jung, ob alt, gleich unempfindlich gegen Lieht- und Luftmangel. 6) E. jap. latifol. foliis albo-marginatis, früher die schönste der ganzen Sippe. Blatt meist etwas zugespitzt, mattgrün mit aschgrauer Verwaschung, besonders nach der Spitze zu breit weiss und gelblich eingefasst. Die auffallende Breite dieses weissen Randes berechtigt zu obigem Namen: fol. albo marginatis, um den Unterschied zu No. 5 anzudeuten. In der Jugend ebenso empfindlich wie No. 2, hat sie, heran- gewachsen, jedoch die Tugenden wie No. 5. 7) E. jap. latifol. foliis aureo-marginatis. Blatt grün mit gelben Verwaschungen und breitem gelben oder grünen Rande, besonders schön bei sonnigem Stande. Die Pflanze besitzt die guten Eigenschaften der sub 5 angeführten Sorte und ist ziemlich verbreitet. 8) E. jap. fastigiatus. Ich erwähnte diese Sorte früher nur bei- läufig, weil mir nicht klar war, ob sie von Z. japonicus abstamme oder von E. radicans, mit welcher sie grosse Aehnlichkeit hat. Da mir ein glücklicher Zufall jedoch Gelegenheit bot, eine solehe Umbildung eines Zweiges von No. 5 in die Form des E. jap. fastigiatus zu beobachten, kann ich die Sorte nunmehr mit Bestimmtheit zu den Varietäten des japanischen Evonymus rechnen. Die Pflanze hat bedeutend kleinere Blätter als die Mutterpflanze, kleiner, als sie irgend eine andere ihrer Schwestern besitzt; sie sind länglich, grün mit weisser und hellgrauer Verwaschung und mit rein weissem Rande versehen. Das Blatt ist so ähnlich dem des Evonymus radicans, dass ich die Sorte bei sonst ganz tüchtigen Pflanzenkennern oft als letztere benannt sah. Sie ist aber zu- nächst durch die Art und Weise ihres Wuchses leicht von jener zu unterscheiden, indem sie stets in die Höhe gerichtet wächst, so dass die vielfachen Zweige fast parallel stehen, wohingegen Evon. radicans fast kriecht und sogar als hochstämmig gezogene Pflanze sich gern flach aus- breitet. Ausserdem bat, was sehr charakteristisch ist, Evon. radicans Blätter fast ohne, fastigiatus solehe mit deutlichem Glanz; auch sind die 266. Jahres- Bericht Blätter der ersteren mehr zugespitzt, während sie bei fastigiatus stumpf- spitzig sind. Letztere zeigt auch durch ihren schwächeren Wuchs, dass sie keine Urform ist, wie Evon. radicans, welche sich durch üppiges Wachsthum auszeichnet. Möglicherweise würde die Blüthe beider bessere Unterscheidungs- merkmale gewähren; leider kann ich sie nicht zu Hilfe nehmen, weil ich von beiden Pflanzen noch keine derselben zu Gesicht bekommen habe. Es scheint mir überhaupt, als wenn alle exotischen Evonymus- Arten bei der Topfeultur in unserer Gegend nicht so leieht zur Blüthe gelangen. Die Angabe, dass die Blätter panachirt seien, ist bei dieser Sorte überflüssig, da man einen grünblätterigen Ev. jap. fastigiatus nicht kennt. Härte wie bei No. 2, in der Form jedoch constant. Ehe ich nun das Kapitel über die früher besprochenen Evonymus- Varietäten verlasse, muss ich noch einer Art Erwähnung thun, welche bereits damals reichlich verbreitet war, von mir aber zu meiner Ab- handlung nicht gezogen wurde, weil mir nicht einleuchten wollte, dass sie der Stammform angehöre. Es ist die in den Pflanzenverzeichnissen der Gärtnereien unter dem Namen Ev. jap. pulchellus geführte Sorte. Die Pflanze ist zu kleinblätterig, um von vornherein glauben zu können, dass sie von Ev. jap. abstamme, und finde ich, dass sie auch in manchen Samm- lungen als Eurya japonica geführt wird. Hier kann nur die Blüthe ent- scheiden und bis dahin halte ich mich nicht geneigt, sie hier einzurangiren. Ja schon deshalb kann ich sie nicht zu den Japonicus-Varietäten zählen, weil sie in der Blattform stets constant bleibt, während alle klein- blätterigen Formen geneigt sind, hier und da einmal ein Blatt in der Grösse zur Welt zu bringen, wie es bei der Mutterpflanze zu finden ist. Wir gehen nun zur Betrachtung jener Sorten über, welche im Jahre 1873 theils wenig, theils gar nicht bei uns bekannt und verbreitet waren und aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Weg aus Frankreich zu uns nahmen. Es sind dies folgende nachzutragende 8 Sorten, deren Ein- schaltung ich in der Weise bewirken will, dass ich sie den Nummern der früher bereits beschriebenen anreihe. Es folgt demnächst: 9) Evonymus japonicus macrophyllus. Eine distinete schöne Sorte mit dunkelgrünen, mehr abgerundeten, sehr glänzenden Blättern, welche jedenfalls auch von Ev. jap. latifolius stammt. Sie ist äusserst decorativ, hat kräftigen Wuchs und ist gegen Licht- und Luftmangel wenig empfindlich. 10) Er. japon. latifol. pyramidalis hat grüne grosse Blätter mit einem Stich ins Gelbe und wenig Glanz auf denselben. Der Wuchs ist ausgesprochen pyramidenförmig und sehr üppig. Abstammung und Empfindlichkeit wie bei No. 9. 11) Ev. japon. latifol. foliis viride variegatis. Diese Sorte geht im Pflanzenhandel unter dem Namen Ev. jap. Duc d’Anjou, welcher der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 267 aber meines Erachtens ganz unstatthaft ist, weshalb ich obigen wissen- schaftlicheren Namen in Vorschlag bringe. Die Blätter dieser Art sind grösser als die der Mutterpflanze, sehr glänzend und zeigen gelbgrüne Zeichnungen in der Mitte eines schönen Grüns. Die Pflanze wächst gut heran und hat alle guten Eigenschaften der sub No. 9 beschriebenen Sorte. Sie ist sehr zu empfehlen. 12) Ev. japon. latifol. tricolor. Diese Varietät ist nicht neu, aber wenig verbreitet. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Blätter, welche die Grösse derer der Mutterpflanze haben, auf grünem Grunde verschiedenartige Zeichnungen von weisser oder gelber Farbe zeigen. Sie sind oft weiss gestrichelt und punetirt, oft mit gelben Punkten und grösseren gelben Flecken versehen, oft halb gelb, halb grün, oft ganz gelblich-weiss. Das klingt nun zwar recht interessant; aber schön ist es nicht, zumal die Pflanze nebenher auch die Liebhaberei hat, rein grüne Blätter zu treiben. Der Wuchs ist zwar normal, aber unschön, weil die Zweige lieber nach der Seite als nach der Höhe streben. Die jungen Exemplare sind gegen Licht- und Luftmangel empfindlich, die alten jedoch nicht. Durch gehöriges Aufbinden und passenden Schnitt kann man übrigens trotz des widerspenstigen Wuchses von dieser Sorte niedliche Bäumchen erziehen. 13) Ev. japon. latifol. foliis luteis. Diese Pflanze hat ganz den Charakter der unter No. 7 beschriebenen Sorte mit dem Unterschiede, dass die Blätter grünlichgelb, oft ganz gelb sind. Besonders schön sind die jungen Triebe. 14) Ev. japon. latifol. fasciatus foliis aureo maculatis. Die Sorte stammt von No.4, der sie in jeder Beziehung gleicht; jedoch zeichnet sie sich durch monströse, hahnenkammähnliche Bildungen mancher Zweige aus, welcher Umstand sie ganz eigenthümlich erscheinen lässt. 15) Ev. japon. crispus. Die sonderbare Pflanze hat kleine, grüne, mit weissen und grauen Zeichnungen versehene Blätter, ganz ähnlich denen des Ev. jap. fastigiatus, jedoch nach innen und aussen verbogen und daher kraus aussehend. Sie ist zärtlich, wurzelt als Steckling schwer an und treibt gern Zweige, welche sich von Ev. jap. fastigiatus in nichts unterscheiden. Man kann zwar annehmen, dass sie aus letzterer ent- standen ist, da man an dieser oft Andeutungen zur Umbildung in ihre Form findet, jedoch habe ich mit eigenen Augen an einem Ev. japon. latifol. foliis albo varieg. einen Zweig gesehen, welcher sich zu erispus umgewandelt hatte und kann daher dessen direetes Entstehen aus der Mutter beider constatiren. Die Pflanze ist jung so empfindlich wie No. 2, in der Form jedoch in so weit eonstant zu nennen, als sie keine der Stammpflanze ähnliche Triebe produeirt. 16) Ev. japon. macrophyllus foliis albo marginatis. Diese herrliche Pflanze gleicht im Allgemeinen der unter No. 6 angeführten 268 Jahres-Bericht Sorte; die Blätter sind jedoch grösser und besitzen ein reineres und viel reichlicheres Weiss, so dass sie die Königin der Evonymus-Varietäten ge- nannt werden muss. Sie ist jung und alt nicht empfindlich gegen Luft- und Lichtmangel und scheint sehr constant zu sein, wenigstens konnte ich an einem Exemplare, welches ich schon 5 Jahre besitze, noch nie- mals ein in die Urform übergegangenes Blatt entdecken. Sie ist wahr- scheinlich dem Ev. jap. macrophyllus entstammt, zeigt aber nicht den Glanz des Blattes, welcher diese Sorte auszeichnet. Hiermit schliesse ich meine zweite Besprechung über dieses Thema und will nur noch eine systematische Aufstellung der Sorten in Bezug auf die Erfahrungen beifügen, welche ich im Laufe vieler Jahre in Betreff der Beständigkeit der Panachirung gemacht habe. Da viele der bunt- blätterigen Varietäten bereits fünfzehn Jahre unter meiner Oberaufsicht stehen, und sie in so langer Zeit wohl Gelegenheit gehabt haben, die Kinderschuhe auszuziehen, so dürfte sich ihr Charakter nach dieser Rich- tung hin wohl hinlänglich ausgebildet und befestist haben, um ein richtiges Urtheil über sie fällen zu können. Beginnen wir mit den panachirten Sorten, welche bei mir niemals mit grünen Blättern be- setzte Zweige getrieben haben. Es sind dies Ev. jap. latifol. fol. albo marg., Ev. jap. latifol. fol. aureo marg., Ev. jap. latifol. fol. viride-varieg., Ev. jap. fastigiatus, Ev. jap. erispus und Ev. jap. macroph. fol. albo marg. Folgende zeigten sich ziemlich constant in der Blattfarbe, d. h. es er- schienen bei ihnen selten grüne Blätter, und zwar: Ev. jap. latifol. fol. albo varieg. und Ev. jap. latifol. fol. luteo. Endlich sind folgende Sorten als diejenigen zu verzeichnen, welche nur jung schön panachirt bleiben, bald theilweis grün beblätterte Zweige bekommen und endlich fast ganz srünlaubig werden. Es sind dies: Ev. jap. latifol. fol. aureo macul., Ev. jap. fol. eleganter punctat., Ev. jap. latifol. tricolor und Ev. jap. latifol. fas- ciat. fol. aur. macul. Wüsste Jemand ein Mittel zu erfinden, das Zurück- sehen in die Urform zu verhindern, oder wenisstens die Gründe anzu- geben, auf welchen dasselbe basirt, so würde er sich um die Garten- kunst sehr verdient machen und alle Freunde dieser Pflanzengruppe würden ihm danken. Weiss Jemand etwas davon, so wolle er es mir gütigst mittheilen; ich bitte recht sehr. Statistisches über den Apfelbau in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Aus dem Chicago-Democrat vom 17. September 1880 No. 10. Wie die amerikanische Pomologen - Gesellschaft ermittelte, gab es im Jahre 1876 in den Vereinigten Staaten 112 Millionen Apfelbäume, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 369 welche damals eine Ernte im Betrage von 50 Millionen Dollars ergaben. 1877 war kein gutes Erntejahr. In 1878 wurde der Gesammtertrag der Apfelernte in den Vereinigten Staaten auf 150 Millionen Barrels geschätzt und für 1880 erwartet man eine Ernte von nicht weniger als 200 Mill. Barrels. Von einer so ungeheueren Ernte geht nur eine halbe Million Barrels (a 3 Dollar 50 Cs.) jährlich nach Europa; und da die Apfel- ernte nicht von dem heimischen Bedarf bewältigt werden kann, ist der Verlust des nicht abgesetzten Theiles der Ernte selbstverständlich ausser- ordentlich gross. Im Ganzen giebt es circa 350 verschiedene Apfel- sorten, wovon gegen 300 gezogen werden und nur 50 von besonderem Werthe sind. Die Ciderfabrikanten des Ostens kaufen jetzt Aepfel, soviel sie nur gebrauchen können, zu 6 Os. pro Bushel einschliesslich Beförderung und sute Aepfel werden zur Zeit in New-York für 50 Cs. und selbst zu 25 Cs. per Barrel verkauft. Das gegenwärtige Erntejahr ist bekanntlich ein echtes Apfeljahr, allerortens brechen die Zweige und Aeste fast unter ihrer Last zusammen, und ein derartiger Ueberfluss lohnt kaum das Pflücken und Versenden. Das nächste Jahr wird voraussichtlich, der Regel gemäss, dagegen wieder eine mässige Ernte bringen. Auch Cider fällt bei einer so grossen Ernte derart in dem Preise, dass er kaum die Fabrikationskosten deckt. Unter soichen Umständen beschäftigen sich die Pomologen ernstlich mit der Frage, auf welche Weise man eine gleichmässige Vertheilung der Apfelvorräthe anbahnen, den Ueber- fluss des einen Jahres für den vermuthliehen Mangel des folgenden zur Geltung bringen könnte, oder welche Sorten für gleichmässigere Ergeb- nisse besonders geeignet wären. Cultur-Ergebnisse einiger an Mitglieder vertheilter und in dem Garten der Section versuchsweise angebauter Gemüsesamen. Von J. Jettinger, Gärtner der Section. A. Kopfkohl. 1) Erfurter dunkelrother Riesen-, eine vor- treffliche Kohlsorte, welche an Grösse andere Sorten bedeutend über- trifft. 2) Erfurter weisser, eine mittelfrühe, sehr distinete Sorte von zarter Beschaffenheit, welche alle Empfehlung verdient. B. Wirsing. Groot’s Liebling. Wird von sämmtlichen Bericht- erstattern als des Anbaues werth erwähnt. 970 Jahres-Bericht ©. Gurken. Es kommen alljährlich neue Formen von Gurken in den Handel, doch selten sind dieselben genügend fixirt und eben so selten übertreffen sie schon vorhandene Sorten. Noa’s Treibgurke ist nun wieder einmal eine werthvolle Bereicherung unseres Gurken - Sortiments mit wirklich streng ausgeprägten Merkmalen. Die Pflanze ist von robustem Wuchs mit üppigem Blattwerke; der Fruchtansatz erscheint reichlich und werden die einzelnen, tief dunkelgrünen Früchte mit wenigen Stacheln enorm gross. Die Sorte ist ausserordentlich wider- standsfähig, recht wohlschmeckend und daher sehr zu empfehlen. D. Buschbohnen. Ilsenburger weisse, Wie schon der Name sagt, ist dies eine weisskörnige Sorte, von sehr früher Reife und grosser Tragbarkeit. Die trockenen Körner kochen sehr gut und liefern ein äusserst mild schmeckendes Gericht. Ist für den Anhau im Grossen, auch im freien Felde, sehr empfehlenswerth. = E. Erbsen. 1) Telephon. Ergänzend das im vorigen Bericht über diese Sorte gesagte, kann dem, wie wir uns aus eigener Erfahrung überzeugten, noch hinzugefügt werden, dass dieselbe die grössten Schoten trägt, überhaupt den höchsten Ertrag gewährt. Die ungünstige Witterung des vergangenen Sommers beeinträchtiste die Samenernte jedoch leider so sehr, dass diese Erbse erst nächstes Jahr unseren Mitgliedern in grösseren Portionen zum Versuchsanbau zugehend gemacht werden kann. 2) Wunder von Amerika. Diese Sorte wird nur 20 em hoch, ist von gedrungenem Wuchs, reicher Tragbarkeit und ausserordentlich früh. 3) Day’s early. Ganz wie die letztgenannte Sorte, nur dass sie 40 cm hoch wird. Diese beiden letztbezeichneten Erbsensorten dürften wohl die aller- frühesten sämmtlicher Sorten sein und die weitere Beachtung unserer Gemüsezüchter verdienen. F. Kartoffeln. Champion. Ein in Irland aufgefundener Zufalls- sämling. Die Knollen sind gross bis sehr gross, von gelblicher Farbe, tiefäugig, mit selten rauher Schale. Die Staude wird sehr hoch, mit kräftigen, aufrechtstehenden Stengeln, welche sich nicht lagerten; die Belaubung ist locker, so dass Luft und Licht genügend Zutritt zum Erd- reich haben. Einer Krankheit hat diese Kartoffel trotz der ungünstigen Witterung nicht unterlegen. Der Anbau geschah auf schwerem Lehm- boden und war der Ertrag ein 35facher. Wie von zuverlässiger Seite mitgetheilt wird, soll sie auf ganz geringem Sandboden immer noch hohen Ertrag geben. Im Geschmack übertrifft diese Sorte wohl die meisten ihrer Schwestern. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. DA Statistische Notizen. Von dem zeitisen Secretair der Section. Wiederum, wie seit lange her, fand auch in diesem Frühjahr eine Gratis-Vertheilung von Sämereien empfehlenswerther Ge- müse und Zierpflanzen an Mitglieder zum Versuchsanbau statt. Theils wurden durch den hierzu beauftragten Secretair die für eine solche Ver- theilung wünschenswerth erscheinenden Sorten ausgewählt und aus den möglichst zuverlässigen Quellen bezogen oder aus dem Sections- und aushilfsweise aus seinem eigenen Garten entnommen, theils in An- erkennung der Zwech mässigkeit dieser Vertheilungen auch selbst gezüch- tete Sämereien von einer grösseren Anzahl Mitglieder in oft recht um- fangreichen, wertlivollen Sortimenten für diesen Zweck wohlwollend gespendet, Es waren diese freundlichen Zuwendungen, für welche hier- mit der gebührend beste Dank ausgesprochen wird, eingesendet worden von den Herren: Bombick, Bragulla, Bürgel, Deutsch, Flöte, Frickinger, Friebe, Frühbuss, Gildner, Gireoud, Himmel- stoss,Jäschke, Kühnau, v. Minutoli, Nitsche-Laband, Peicker, Benffer, Better, Riedel, . Schärff, (Schwedler, ‚Seeliger, Sommer-Stradam, Sybel, L. und P. Teicher, Weiss, Wilde und Zahradnik. Ii hergebrachter Weise wurde an sämmtliche Mitglieder das Ver- zeichniss der zur Vertheilung gelangen sollenden Sämereien mit dem Ersuchen versendet, dieselben unter Bezeichnung etwaiger Desiderata demnächst zurückgelangen zu lassen; solche gingen hierauf sehr zahlreich und umfassend von allen Seiten ein, weshalb es denn auch unerachtet verhältnissmässig grosser Quantitäten der meisten Sorten unthunlich wurde, alle Wünsche vollständig berücksichtigen zu können, obgleich die ansehnlichen Beihilfen vorgenannter Herren Geschenkgeber es ermög- lichten, an 134 Mitglieder in 1457 starken Portionen 150 Sorten Gemüse- samen und in 2506 ebensolchen Portionen 244 Sorten Sämereien von Zierpflanzen zur Vertheilung zu bringen. Auch die äusserst mühsame und zeitraubende Eintheilung und Versendung hatte der Secretair wieder übernommen und konnte die letztere in der Zeit vom 25. bis 27, März beendet werden. An dieser Stelle möge nun noch zu dem, was Eingangs dieses Be- tichtes bezüglich unseres Obstbaumschulgartens bereits mitgetheilt wurde, das folgende Erwähnung finden. Gegen Ende September wurde das für den Herbst 1880 und Frühjahr 1881 giltige Verzeichniss pomologisch richtig benannter Obstbäume, Beerensträucher und Weinreben, welche 272 Jahres - Bericht DO aus diesem, Schwoitscher Chaussee am Park von Alt-Scheitnig gelegenen Garten käuflich abzugeben waren, versendet. Es enthielt dasselbe, ausser den verschiedenen Obst -Wildlingen, 64 Sorten Aepfel, 29 S. Birnen, 26 8. Kirschen, 12 S. Pflaumen, 6 S. Pfirsiche, 20 S. Weinreben, 43 S. Stachelbeeren, 14 S. Johannisbeeren, 10 S. Himbeeren, 4 S. Brombeeren, 22 S. Erdbeeren, 6 S. Wall- und Haselnüsse, 3 S. Spargel, 37 S. Rosen und 15 $. Ziersträucher und Bäume. Verkauft wurden in diesem Jahre in unserem Garten herangezogene 38590 St. diverse Obst-Wildlinge, 4565 Edelstämmcehen von Kern- und Steinobst, 6616 St. Beerenobst- und Weinpflanzen, 49 St. Wallnussbäume und Haselnusssträucher, 497 St. Rosen, 94 St. Zierbäume und Sträucher und 7425 St. Spargelpflanzen. An dem durch den Secretair geleiteten Lesezirkel gärtnerischer Schriften betheiligten sich 54 hiesige Mitglieder gegen einen Extrabeitrag von 3 Mark. Im Umlauf waren in demselben 15 Berichte von Vereinen, mit denen die Section in Schriftenaustausch steht, 25 grösstentheils eben- falls im Austausch eingegangene deutsche und fremdländische, zum Theil mit vorzüglichen Abbildungen versehene Zeitschriften, 4 neuestens er- schienene Bücher und Broschüren. Der uns sehr schätzbare Schriften- austausch mit Herausgebern resp. Redactionen und Autoren einschlägiger Zeitschriften wie mit gleiche Zwecke verfolgenden Vereinen wurde dank- bar für Empfangenes regelmässig fortgesetzt, und werden wir uns an- gelegen sein lassen, denselben auch fernerhin zu pfleseu und nach Mös- lichkeit zu erweitern. Als zweite Fortsetzung des von uns im Jahre 1878 herausgegebenen, sich in den Händen unserer Mitglieder befindenden Cataloges sämmtlicher bis zu dieser Zeit an die Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft, Ab- theilung für Obst- und Gartenbau, abgegebenen Schriften lassen wir hier das Verzeichniss derjenigen folgen, welche in diesem Jahre im Umlauf sich befanden und jener Stelle überwiesen wurden: Belgique hortiecole. Annales de botanique et horticole. Red. par Ch. Morren. Tom. XXVIII. Liege 1378. Bericht über die Obst- und Gemüse - Ausstellung in den akademischen Rosensälen zu Jena vom 5.—8. October 1879, erstattet von den vereinigten Vorständen des Gartenbauvereins zu Jena, Dr. Martin, H. Maurer, L. Maurer, und des landwirthschaftlichen Vereins zu Jena, Zwätzen, Prof. Dr. Oehmichen, Rittergutsbesitzer Thierbach. Jena 1879. — über die Thätiekeit des Fränkischen Gartenbauvereins im Jahre 1878. Würzburg 1879. — über die Thätigkeit des Freiburger Gartenbau-Vereins in den Jahren 1876/77 und 1877/78, entworfen von C. Friekinger in Laasan. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 273 Blätter, Berliner, für Botanik, Gärtnerei und Landwirthschaft. Beiblatt zur deutschen Reichsofferten - Zeitung. Red. von Klar und Thiele. 7. Jahrgang. Berlin 1878. —- Deutsche, für Gärtnerei und Landwirthschaft. Central-Anzeiger der Handelsgärtner, Samenhändler, Baumschulenbesitzer, Land- und Forst- wirthe in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Red. von E. Müller. 5. Jahrg. Neustadt-Eberswalde 1879. Cohn, Ferd., Prof. Dr. in Breslau. Die Gärtnerei alter und neuer Zeit. Festschrift zur 25jährigen Stiftungsfeier des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues im Regierungs-Bezirk Cassel zu Cassel. Cassel 1880. Flore des Secres et des jardins de l’Europe ete., publi6 et &dite par Louis van Houtte. Grand Edition. Tom. XXIH. Gand 1877. Gärtner-Zeitung, Deutsche, Centralblatt für das gärtnerische Fortbildungs- wesen in Deutschland. Organ des Verbandes deutscher Gärtner- Vereine. Herausgegeben unter Verantwortlichkeit des Vorstandes. 2. Jahrg. Barmen 1878. 3. Jahrg. Barmen und Erfurt 1879. Garten-Flora, Monatsschrift für deutsche, schweizerische und russische Garten- und Blumenkunde. Herausgegeben von Dr. Ed. Regel. 27. Jahrg. Stuttgart 18738. Garten- und Blumen-Zeitung, Neue allgemeine. Herausgegeben und red. von Ed. Otto. 34. u. 35. Jahrg. Hamburg 1878 u. 1879. Seit 1852 Hamburger Garten- und Blumen-Zeitung. Gartenfreund, Der, Mittheilungen aus allen Fächern des Gartenbaues. Herausgegeben von der k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien. Red. | Joseph Beermann. 11. Jahrg. Wien 1878. Gartenschrift, Rheinische, Haupt-Organ des Verbandes rheinischer Garten- bau-Vereine. Herausgegeben von dem Gartenbau -Verein für das Grossherzogsthum Baden, 13. Jahrg. Red. von Rudolph Noack. Carlsruhe‘ 1879. Garten- und Obstbau-Zeitung. Illustrirte Monatsschrift für das gesammte Gartenwesen. Zugleich Organ des Landes-Obstbau-Vereins im König- reich Sachsen und mehrerer anderer Garten- und Obstbau-Vereine. Due 22 Jahre. - Leipzig 1878 u. 1879. Garten-Zeitung, Illustrirte.e Eine monatliche Zeitschrift für Gartenbau und Blumenzucht. Herausgegeben von der Gartenbau - Gesellschaft Flora in Stuttgart. Red. von Hofgärtner Lebl in Stuttgart. 22. u. 23. Jahrg. Stuttgart 1878 u. 1879. — Kärnthner. Herausgegeben vom Kärnthner Gartenbau-Verein. 9. u. 10. Heft. Klagenfurt 1879. — Wiener illustrirte, als Fortsetzung der Wiener Obst- und Garten- Zeitung. Organ der Gartenbau Gesellschaft in Wien. Red. von A. C. Rosenthal und Joseph Bermann. 4. Jahrg. Wien 1879, 1880. 18 274 Jahres - Bericht General-Anzeiger für Gartenbau, Landwirthschaft und Forstwesen. Organ für Handelsgärtner, Samenhändler, Baumschulenbesitzer, Landwirthe, Forstbeamte, Maschinen - Fabrikanten, Bienen- und Geflügelzüchter. Herausgegeben von Bernhard Freyer. 3. u. 4. Jahrg, Leipzig 1879 u. 1880. General-Versammlung des Gartenbau-Vereins zu Darmstadt. Jahresbericht des Präsidenten. Darmstadt 1878. Göppert, H. R. Dr., Der botanische Garten Breslaus im Sommer 1879. I. Neubauten. II. Fortsetzung vom 14. Juli 1879. (Aus der Bres- lauer Zeitung.) Breslau 1879. Handbuch, Illustrirtes, der Obstkunde. Herausgegeben von Ed. Lucas und J. G. C. Oberdieck. Supplement: Birnen. Stuttgart 1879. Hofman (Bang), N. E., Anleitung zur Behandlung der Zwerg-Apfel- und Birnbäume. Kopenhagen 1879. Hüttig, G., Geschichte des Gartenbaues. Berlin 1879, Jahresbericht, Zweiter, des Ausschusses des Württembergischen Garten- bau-Vereins 1879. — des erzgebirgischen Gartenbau - Vereins in Chemnitz, verfasst von Theodor Bader, Secretair des Vereins. 18. bis 20. pro 1877 bis 1879. Chemnitz 1879. — der Gärtner-Lehr-Anstalt zu Rötha auf das Jahr 1879. — des Gewerbe- und Gartenbau-Vereins zu Grünberg in Schl. 43. pro 1878/79 und 44. pro 1879/80. Grünbereg. — des Kärnthner Gartenbau-Vereins zu Klagenfurt. 8. pro 1879. — des Präsidenten des Gartenbau-Vereins zu Darmstadt 1879. Anhang: Verzeichniss der von dem Gartenbau -Verein empfohlenen Rosen, nach Farben geordnet. Neu aufgestellt im Herbst 1879. Darm- stadt 1879. | — und Programm der k. k. Oenologischen und Pomologischen Lehr- anstalt in Klosterneuburg. 5. u. 6. Klosterneuburg 1879 u. 1380. — des Gartenbau-Vereins für die Oberlausitz. 16. bis 18. bis 1. October 1879, Görlitz 787197u. 1880. — des Oberschlesischen Gartenbau-Vereins in Oppeln. 13. pro 1878. — über die Thätigkeit des Gartenbau-Vereins zu Potsdam pro 1873 und 1879. —- über die Thätigkeit des Obst- und Gartenbau-Vereins im Kreise Neu- markt. 1. in den Jahren 1874 bis Ende 1878 von A. Töpler. Journal de la Societ6 d’hortieulture de la Bas-Rhin. Tom. X. No. 3. 4. Strassburg 1879. — de la Soeciete centrale d’horticulture de France. II. Ser. Tom. XII. Paris 1878. Klette, R., Die Garten-Anlagen. Separat-Ausgabe aus Bärmann’s Zeit- schrift für Bauhandwerker. Leipzig 1879. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 275 Lauche, W., Deutsche Pomologie. Chromolithographische Abbildung, Beschreibung und Cultur-Anweisung der empfehlenswerthesten Sorten Aepfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Pfirsiche und Wein- trauben. Nach den Ermittelungen des deutschen Pomologen-Vereins. Berlin 1879. Lebl, M., Die Champignonzucht. Berlin 1879. Lucas, Ed., Dr., Schutz der Obstbäume gegen Krankheiten. Ein praktischer Rathgeber zur Erkennung, Abhaltung, Bekämpfung und Hebung der die Gesundheit und Lebensdauer unserer Obstbäume beeinträchti- senden Umstände und Krankheiten. Stuttgart 1879. Magazin, Deutsches, für Garten- und Blumenfreunde. Zeitschrift für Garten- und Blumenfreunde und Gärtner. Herausgegeben und red. von Dr. W. Neubert. 31. u. 32. Jahrg. Stuttgart 1878 u. 1879. Masbaum, G., Thierschutz. Ein Büchlein für Jedermann, besonders für die Jugend. Osnabrück 1879. Mittheilungen des landwirthschaftlichen Central-Vereins des Herzogthums Braunschweig. Herausgegeben von dessen Vorstande, redigirt von Oekonomie-Rath Dr. Bürstenbinder. 46. u. 47. Jahrg. Braunschweig 1878 und 1879. — der Section für Bienenzucht des landwirthschaftlichen Central-Vereins des Herzogthums Braunschweig. Herausgegeben von dessen Vor- stand, red. von dem Vorsitzenden der Section, C. J. H. Gravenhorst. 4. Jahrg. Braunschweig 1878. — der Section für Gartenbau des landwirthschaftlichen Central-Vereins des Herzogthums Braunschweig. Herausgegeben von dessen Vor- stand, red. vom Garten-Inspeetor Ad. Koch. 9. u. 10. Jahrgang. Braunschweig 1878 u. 1879. — des k. k. steiermärkischen Gartenbau-Vereins an seine Mitglieder. 5. Jahrg., Graz 1879. Monatsberichte der Obst-, Wein- und Gartenbau-Section der k. k. mäh- risch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues und der Natur- und Landeskunde 11. u. 12. Jahrg. Brünn 1877 u. 1878. — für Gartenbau in Schleswig-Holstein. Neue Folge. 13. u, 14. Jahrg. Kiel 1878:u. 1879. Monatshefte, Pomologische. Organ des deutschen Pomologen-Vereins und des Pomologischen Instituts in Reutlingen. Red. von J. G. C. Ober- dieck und Dr. Lucas. Neue Folge der Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau und der Monatshefte für Obst- und Wein- bau. 5. Jahrg. Stuttgart 1879. Monatsschrift für Obst- und Weinbau. Organ des schweizerischen Obst- und Weinbau-Vereins. Redact. A. Bosshard in Pfäffikon. 14. Jahrg. Frauenfelde 18738. 18* 276 Jahres - Bericht Monatsschrift zur Beförderung des Gartenbaues in den k. preuss. Staaten für Gärtnerei und Pflanzenkunde. (Fortsetzung der Wochenschrift des Vereins.) 21. u. 22. Jahrg. Berlin 1878 u. 1879. Obstgarten, Der. Wochenschrift für Obstbau, Sortenkunde und Obst- baumzucht. Herausgegeben von Aug. Freih. v. Babo. Red. von Dr. Rudolph Stoll. 1. Jahrg. Klosterneuburg bei Wien 1879. Ompted, Ludwig, Freiherr v. Praktische Anleitung zur Pfirsichzucht. Berlin 1879. Peters, Eugen T., Das Beerenobst. Anleitung zur Cultur und Vermeh- rung der Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren u. s. w. Nebst einer Sammlung von Recepten zur Bereitung von Wein, Säften und Syrup aus den Beerenfrüchten. Leipzig 1879. Pomologen - Verein, Deutscher. 17 Streitschriften zwischen Garten-In- spector W. Lauche in Potsdam, Direetor Friedr. Schneider II. in Wittstock, Dr. Ed. Lucas in Reutlingen, Prof. K. Koch in Berlin, Prof. Wilh. Seeliger in Kiel und 5 Vermittelungsschriften vom Gartenbau - Verein in Rudolstadt und der Gartenbau-Gesellschaft in Frankfurt a. M. Rechenschafts-Bericht des Vereins für Pomologie und Gartenbau in Mei- ningen. 21. Heft. Meiningen 1879. Skizzen-Buch, Gärtnerisches. In Verbindung mit Fachgenossen heraus- gegeben von Th. Nietner, königl. Hofgärtner in Charlottenburg bei Potsdam. Heft 4 u. 5. Berlin 1880. Sorauer, Paul, Dr., Die Obstbaumkrankheiten. Im Auftrage des deutschen Pomologen-Vereins bearbeitet. Berlin 1879. Vereinsblatt für die Mitglieder des deutschen Pomologen-Vereins. Heraus- gegeben von dem Vorstande. 1. Jahrg. Ravensburg 1879. Verhandlungen und Mittheilungen der k. k. landwirthschafts-Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1878. Wien. — des Gartenbau-Vereins zu Lübeck. Lübeck 1878. Zeitung, Braunschweiger Landwirthschaftliche. Mittheilungen des land- wirthschaftlichen Central - Vereins des Herzogthums Braunschweig. Red. vom General-Secretair Dr. Bürstenbinder. Herausgegeben von dessen Vorstand. (Fortsetzung der Mittheilungen dieses Vereins.) 47. Jahrg. Braunschweig 1880. — Deutsche Reichs-Offerten--. Ein Organ zur Insertion für Handels- gärtner, Samenhändler, Baumschulenbesitzer, Landwirthe, Maschinen- Fabrikanten u. s. w. Herausgegeben von Thiele u. Co. 9. Jahrg. Berlin 1879. — Wiener Obst- und Gartenbau-. Illustrirte Monatsschrift für Pomo- logie und die gesammte Gärtnerei. Herausgegeben von A. W, Frhr. v. Babo, red. von Dr. Rudolph Stoll. 3. Jahrg. Wien 1879. Dre Spots : Rt: EZ OR u ng en or LEE EEE Zen - der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 377 Ausser diesen noch: Das Obsteabinet von H. Arnoldi in Gotha. Herausgegeben unter Con- trole des Thüringischen Gartenbau-Vereins zu Gotha. 52 ste u. 53ste Lieferung. Noch sei bemerkt, dass diese sämmtlichen Schriften dort nach einem besonderen Reglement auch den auswärtigen Mitgliedern zu wün- schenswerth recht ausgedehnter Benutzung von dem Bibliothek -Custos, Herın Pastor emer. Dr. Schimmelpfennig, Blücherplatz No. 16, zu Diensten stehen, und dass hiervon in den 4 Jahren 1877 bis inel. 1880 jährlich durchschnittlich ca. 50 Bände und kleinere bezügliche Schriften an Sections-Mitglieder ausgeliehen wurden. | Hiesige. Auswärtige. Summa. Primo Januar 1880 zählte die Section für Obst- und Gartenbau Mitglieder... . 99 298 397 In demselben Jahre traten hinzu... . 6 17 23 | 105 315 420 Durch Ableben, Verzuges wegen oder. aus anderen Veranlassungen schieden aus 3 16 iS) Es blieben daher Ende December 1880 Easlamd 5 RE RE 102 299 401 Von. diesen sind als Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft beitragsfrei ... 40 13 53 Zur Unterhaltung des pomologischen und resp. Obst-Baumschulgartens zahlten EiboesHixtrabeiträge.... ll en 37 150 187 378 Jahres - Bericht Nekrologe der im Jahre 1880 verstorbenen Mitglieder der Gesellschaft. Dr. Carl Julius Hodann, Königl. Sanitätsrath und Primärarzt am Allerheiligen-Hospital, war der Sohn eines hiesigen Subalternbeamten und 1816 am 13. Juni geboren. Seine ärztliche Ausbildung verdankt er der ehemaligen medieco-chirurgischen Lehranstalt unserer Universität, nach deren Absolvirung er 1842 als Gehilfe seines Oheims, des Stabsarztes Dr. Sauer in Oppeln, in die Praxis eintrat. Nachdem er 1844 die Prü- fung als Medicochirurg erster Klasse mit Auszeichnung bestanden, wurde er 1845 im November als Arzt in der chirurgischen Abtheilung unseres Allerheiligen - Hospitals angestellt. In Anbetracht der grossen als ge- schickter Chirurg und glücklicher Operateur der Anstalt geleisteten Dienste ertheilte ihm die Universität Greifswald bei der Feier ihres vier- hundertjährigen Jubiläums 1856 honoris causa das Diplom als Doctor der Mediein, worauf er 1858 zum Primärarzt befördert wurde, welche Stelle er bis zu seinem Tode bekleidet hat. Seine rastlose Thätigkeit in den 1866 und 1870 hier errichteten Kriegslazarethen wurde Allerhöchsten Ortes 1866 durch Verleihung des Königlichen Kronenordens, 1870 des Prädicates als Sanitätsrath anerkannt. Nach längerer Kränklichkeit ent- schlief er 1880 am 21. Januar ins bessere Leben. ‚Seiner sicheren Hand“, heisst es in dem ihm in den hiesigen Zeitungen von der Hospital- Direcetion gewidmeten Nachrufe, „seiner wissenschaftlichen Tüchtigkeit und seiner milden gewissenhaften Pflege verdanken Tausende ihre Heilung oder doch Erleichterung ihrer Leiden.“ Der schlesischen Gesellschaft seit 1845 angehörend brachte er in zahlreichen Vorträgen, die er in der medieinischen Section gehalten hat, seine am Krankenbette und Öperationstische gemachten scharfsinnigen Beobachtungen und werthvollen Erfahrungen alsbald zur allgemeinen Kenntniss. Es lag in Hodann etwas Universelles und sein Wissen ging weit über die Grenzen seines Fach- studiums hinaus. Sein biederer Sinn, seine uneigennützige Herzensgüte, sein liebenswürdiger Humor sichern ihm in den Herzen aller derer, die ihn kannten, ein dauerndes Andenken. Sein Grab ist in unserer schnell a EEE BE ET El EEE DEE EEE EEE SEEN EEE £ D der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. | 379 vergessenden Zeit durch ein von seinen Freunden ihm errichtetes Denk- mal vor dem Vergessenwerden wenigstens über das nächste Menschen- alter hinaus geschützt worden. L. G. Silbergleit, Lehrer der neueren Sprachen, wurde am l4ten October 1824 geboren, besuchte das Gymnasium in Gleiwitz und bezog nach Absolvirung desselben die hiesige Universität, auf welcher er sich dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften widmete. Von der ihm in der Staatsprüfung für die genannten Disciplinen ertheilter Facultas für die höheren Klassen eines Gymnasiums hat er nur während des Probejahres Gebrauch gemacht. Seine Körperconstitution war den Anstrengungen des Unterrichts nicht gewachsen. Er legte sich daher nachträglich auf das Studium der neueren Sprachen und schuf sieh auf diesem Gebiete als Privatlehrer des Englischen, Französischen und Italienischen einen Wirkungskreis, in welchem er bis zu seinem am 1. Juni 1880 erfolgten Tode mit freudiger Hingebung gearbeitet hat. Ausser vereinzelten feuilletonistischen Besprechungen aus dem Gebiete der italienischen Tagesliteratur hat sich Silbergleit als Uebersetzer der Lieder des Schotten Burns und des Franzosen B£ranger, letztere in mehreren Auflagen erschienen, ein bleibendes literarisches Denkmal ge- setzt. Der Schlesischen Gesellschaft gehörte er seit 1873 an. Dr. Anselm Davidson, Königl. Sanitätsrath, 1805 den 24. Juni in Breslau geboren und auf dem Elisabetan für die Universität vor- bereitet, studirte von 1824—1828 auf unserer Hochschule Mediein und liess sich nach seiner Promotion hier als Arzt nieder. Scharfe Diagnose, sewissenhafte Sorge, die er allen seinen Patienten, ohne Unterschied, ob ‘reich oder arm, widmete, und zahlreiche glückliche Kuren, namentlich in Frauenkrankheiten, machten ihn schnell zu einem der gesuchtesten Aerzte Breslaus. Ausser seiner unter dem Titel: ,„Dr. Elias Henschel in seinem Leben und 50jährigen Wirken als Arzt und Geburtshelfer‘ 1847 erschienenen grösseren Schrift und einem längeren Aufsatze in den Abhandlungen unserer Gesellschaft: „Zur Geschichte der anatomischen Abbildungen‘ hat er für medieinische Fachblätter zahlreiche Recensionen geliefert. Lange Jahre dem Stadtverordneten-Collegium angehörend, er- warb er sich um unsere Stadtbibliothek, bei deren Begründung und Ein- richtung er hervorragend thätig gewesen ist und deren Curatorium er auch angehörte, namhaftes Verdienst. Ein sanfter Tod endete am 7. Juni 1880 sein der leidenden Menschheit gewidmetes Leben. Die Israelitische Krankenverpflesungs-Anstalt verlor in ihm ihren langjährigen dirigirenden Arzt. Seine bedeutende, namentlich in Geschichte der Mediein selten reiche Bibliothek ist leider unter den Hammer gekommen und in alle Winde zerstreut worden. Dr. Adolph Eduard Grube, Professor der Zoologie an der hiesigen Universität, wurde 1812 den 18. Mai in Königsberg i. Pr. geboren und 280 Jahres - Bericht 1830 von dem dortigen Collegium Friderieianum mit einem Zeugniss ersten Grades zur Universität entlassen. Auf der Schule von seinem Lehrer Bulack, der den naturwissenschaftlichen Unterricht ertheilte, für die Naturgeschichte gewonnen und zum Sammeln von Naturalien plan- mässig angeleitet, fesselten ihn auf der Universität Bär’s Vorlesungen über vergleichende Anatomie in solchem Masse, dass er diesen damals wenig gepflesten Zweig der Naturgeschichte zu seinem Lebensberufe machte und dem verehrten Lehrer, dem er in seiner 1877 auf ihn ge- haltenen Gedächtnissrede ein bleibendes Denkmal gesetzt hat, lebenslang die pietätvollste Dankbarkeit bewahrte. Für das hohe Ziel, an einer unserer Hochschulen einst Lehrer der Naturwissenschaft zu werden, welches sich Grube gesteckt hatte, war der seiner Arbeit über das Ge- fässsystem der Frösche zuerkannte Preis ein glückverheissendes Omen. Der nächste Schritt zur Verwirklichung seines Planes war seine Pro- motion zum Doctor der Philosophie 1834 den 28. Februar; aber so tüchtig er auch gearbeitet hatte, er wollte, bevor er sich des Lehrens unterwand, erst noch weiter lernen und unternahm zu diesem Behufe eine grosse wissenschaftliche Reise nach Italien und Sicilien, um an Ort und Steile die Fauna des mittelländischen Meeres zu studiren. Nach seiner Rückkehr im November 1836 habilitirte sich Grube 1837 in Königsberg als Privatdocent für Zoologie, vergleichende Anatomie und allgemeine Naturgeschichte und wurde 1843 zum ausserordentlichen Pro- fessor für diese Fächer ernannt, folgte aber 1844 einem ehrenvollen Rufe nach Dorpat, um dort die neuerrichtete Professur für Zoologie zu übernehmen. Obschon die russische Regierung sein Wirken durch Ver- leihung des Titels eines Staatsraths anerkannte, zog es ihn doch wieder nach Deutschland, weshalb er 1856 die ihm angetragene Professur der Zoologie an unserer Universität mit Freuden annahm. Unter seiner Di- rection hat sich das zoologische Museum zu einer der reichsten Universitäts- Sammlungen Deutschlands entwickelt. Der Leopoldinischen Akademie der Naturforscher gehörte Grube unter dem Namen Savigny schon seit 1841 an, unserer vaterländischen Gesellschaft trat er unmittelbar nach seiner Berufung nach Breslau bei. Sie verliert in ihm einen ihrer bedeutendsten Forscher. Was Grube für seine Wissenschaft geleistet, liegt in unseren Jahresberichten vor Aller Augen. So oft sich die naturwissenschaftliche Section, deren langjähriger Secretair er gewesen ist, versammelte, stets hatte er eine neue Frucht seiner Studien und Beobachtungen vorzulegen, eine neue Entdeckung seiner speciellen Forschungen mitzutheilen. Wieder- holte Reisen an das Meer und zahlreiche Verbindungen mit Gelehrten in allen Welttheilen lieferten ihm das Material, welches von ihm alsdann mit unermüdlichem Fleisse und bewundernswerthem Scharfsinne ver- arbeitet wurde. Seine körperliche Rüstigkeit und die Lebhaftigkeit seiner Bewegungen liessen ihm die 68 Jahre, welche er zählte, nicht ansehen D der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 281 und berechtigten zu der Hoffnung, er werde der Universität, zu deren Zierden er gehörte, der Wissenschaft, die seinen Forschungen so viel verdankt, und unserer Gesellschaft, zu deren Ruhm er so viel beigetragen hat, noch lange erhalten bleiben; aber ein in seinem Arbeitszimmer am 13. Juni gethaner Fall, der anfänglich wenig zu bedeuten schien, muss eine Verletzung innerer Organe veranlasst haben, die den Tod zur Folge hatte, der am 23. Juni 1830 den frischen und arbeitsfrohen Mann dem Kreise seiner Familie und seiner zahlreichen Freunde und Schüler auf immer entriss. Seine Forschungen über die Anneliden, deren Haupt- monograph er geworden ist, hat er vor seinem Tode noch die Freude gehabt, abgeschlossen und im Jahresbericht für 1879 abgedruckt vor sich zu sehen. Der von seinem langjährigen Freunde, Geh. Bergrath Professor Dr. Römer verfasste und in No. 18 der Leopoldina befind- liche Nekrolog Grubes enthält das Verzeichniss seiner zahlreichen Ab- handlungen, welche einzeln aufzuführen hier der Raum nicht gestattet. Kaufmann Oskar Philippi, seit 1874 Mitglied der Gesellschaft, erhielt, 1835 am 5. März hier geboren und von Haus aus zur Handlung bestimmt, seine Vorbildung für den künftigen Beruf auf der Realschule am Zwinger, aus welcher er 1849 abging, um seine kaufmännische Lehr- zeit anzutreten und später die väterliche Handlung zu übernehmen. Eine heftige Lungenentzündung, die ihn befiel, machte 1880 am 31. Juli nach blos zweitägiger Krankheit seinem Leben im kräftigsten Mannesalter ein allzufrühes Ende. Wie Philippi war auch Paul Jäschke, geboren 1839 den 6ten März, der Sohn eines. hiesigen Kaufmanns, der nach bestandener Abi- turienten-Prüfung 1858, den auf der hiesigen Universität bereits be- sonnenen Studien entsagend, sich der Handlung widmete. Nachdem er sich nach bestandener Lehrzeit in Frankreich, Spanien, Portugal und England für.seinen neuen Beruf gründlich vorbereitet hatte, übernahm er die Leitung der väterlichen Handlung, der er von 1864 an bis zu seinem 1880 am 23. August erfolgten Tode mit Umsicht vorgestanden hat. Unserer Gesellschaft gehörte er seit 1865 an. Carl Georg August-Plathner, Königl. Justizrath, war der Sohn eines Gutsbesitzers und 1810 den 12. Juni in Widzim, Kreis Bomst, ge- boren. Seine Vorbildung für die Universität erhielt er auf dem hiesigen Friedrichs-Gymnasium, welches er von 1822—1823 besuchte, worauf er alsdann bis Michaelis 1831 in Breslau und Berlin die Rechte studirte. Nach abgelegter Staatsprüfung wurde er 1837 zum Assessor am hiesigen Öberlandesgericht ernannt, 1839 zum Justiz - Commissar und Notar in Landeshut befördert, noch in demselben Jahre nach Rawitsch im Gross- herzogthum Posen und 1846 nach Breslau versetzt, wo er einen Wir- kungskreis fand, der seinen Fähigkeiten entsprach. Sein juristischer Scharfsinn, verbunden mit strengster Rechtschaffenheit und Gewissen- 282 Jahres - Bericht haftigkeit, machte ihn bald zu einem der meistbeschäftigten Anwälte, dessen Verdienst Allerhöchsten Orts durch die Ernennung zum Justizrath anerkannt wurde. Seit 1854 der Schlesischen Gesellschaft angehörend, ist er 1880 den 16. September, von Allen, die ihn kannten, tiefbetrauert, ins bessere Leben entschlafen. Zwei Tage später folgte ihm in die Ewigkeit nach Dr. Wilhelm Ferdinand Schellwitz, Wirklicher Geheimer Öber-Regierungsrath und Präsident der Königl. General-Commission von | Schlesien. Schellwitz, 1807 den 31. October in Wurzen im Königreich Sachsen geboren, verlebte seine Jugend in Suhl, wohin sein Vater, Königl. Sächsischer Justizamtmann, bald nach der Geburt seines Sohnes versetzt worden war. Auf dem Gymnasium in Schleusingen für die Universität gründlich vorbereitet, studirte er 1825—1828 in Leipzig und Halle die Rechte, bestand unmittelbar nach dem Abgange von der Uni- versität das erste Examen und wurde 1832 zum Referendar, 1835 zum Assessor am Naumburger Oberlandesgericht befördert. Indess der Justiz- dienst wollte seinem lebhaften, überall das Nützliche und Praktische an- strebenden Sinne auf die Dauer nicht zusagen. Schnell entschlossen gab ihn Schellwitz auf und trat nach Absolvirung eines praktischen Cursus in der Landwirthschaft bei der General-Commission der Provinz Sachsen in Stendal als Hilfsarbeiter ein. Von Anfang an sein Absehen auf Land- rentenbanken richtend, wie eine solche 1834 im Königreich Sachsen ge- gründet worden war, hat er sich um ihre Einführung in Preussen und dadurch zugleich um die Hebung des Nationalwohlstandes die aller- grössten Verdienste erworben. Hier in Breslau, wohin er 1841 als Regierungsrath an die General-Commission versetzt worden war, entwarf er das Gesetz zur Errichtung der Rentenbanken, dessen Ausführung durch die Ereignisse von 1848 allerdings verzögert, nachher aber mit um so srösserer Energie wieder aufgenommen wurde. Die Umstände verlangten gebieterisch eine gründliche Reform der gutsherrlich-bäuerlichen Ver- hältnisse und Schellwitz war der geeignete Mann, diese von ihm an- gebahnte Reform ins Werk zu setzen. Als vortragender Rath ins Ministerium berufen, hatte er die Genugthuung, den von ihm ausge- arbeiteten und in den Kammern vertretenen Gesetzentwurf zur Ablösung der Reallasten und Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse angenommen und durch königliche Sanction am 2. März 1850 zum Gesetz erhoben zu sehen. So vielversprechend dieser Erfolg für Schellwitz war, so wurde ihm seine Stellung verleidet, als unter dem Ministerium Westphalen Stillstand in der Gesetzgebung eintrat und dem Restaurationsstreben der grund- besitzenden Adelspartei Vorschub geleistet wurde. Nichts ist so beugend, als ohne Freudigkeit arbeiten zu müssen. Aus dieser Zwangslage wurde Schellwitz 1851 durch die Wahl des Präsidenten der Schlesischen en 1 u EEE EEE EEE EEE EEE i der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 283 General-COommission, Elwanger, zum Oberbürgermeister von Breslau er- löst. Die erledigte Stelle in dem ihm liebgewordenen Breslau bot ihm einen seinen Wünschen entsprechenden Wirkungskreis; sie konnte ihm, als er sich um sie bewarb, unmöglich versagt werden, und Schellwitz fühlte sich in ihr se befriedigt, dass spätere Versuche, ihn nach Berlin zu ziehen und dort zu fesseln, misslangen. 1873 als Ministerial-Director in das landwirthschaftliche Ministerium berufen, trat er nach antherthalb Jahren in sein früheres Amt wieder zurück. Selbstverständlich hat es dem hochverdienten Chef unserer General - Commission, der 1863 auch zum Director der Rentenbank ernannt worden war, an Auszeichnungen nicht gefehlt. Zu dem ihm 1865 verliehenen Rothen Adler - Orden 2. Klasse mit Eichenlaub erhielt er 1878 an seinem in ungebrochener Kraft und seltener geistiger Frische gefeierten goldenen Amtsjubiläum noch den Stern; zum wirklichen Geheimen Ober - Regierungsrath mit dem Range eines Rathes erster Klasse war er schon 1874 befördert worden. Schellwitz war, wie er sich in einem Kreise von Gesinnungs- genossen vor einem Jahre selber charakterisirt hat, „ein in der Wolle gefärbter Liberaler“, und nie und nirgends hat er aus seiner Ueber- zeugung ein Hehl gemacht, nie und nirgends ist er ihr in seiner langen politischen Laufbahn untreu geworden. 1858 in zwei Wahlkreisen ins Abgeordnetenhaus gewählt, nahm er das Mandat für Frankenstein-Münster- berg-Nimptsch an, seit 1870 vertrat er ununterbrochen den Wahlkreis Breslau-Neumarkt. Obschon hoch in Jahren, reichte für ihn doch jedesmal ein kurzer Urlaub im Sommer hin, das gestörte Gleichgewicht zwischen Kraft und Arbeit wieder herzustellen. So war Schellwitz auch im Sommer 1880 zu seiner Erholung nach Gastein gegangen. Noch immer rüstiger Berg- steiger, unternahm er dort in Gesellschaft von Freunden eine Bergfahrt. Sie ist die Ursache seines Todes geworden, aber nicht durch die An- strengung, die sie erforderte, sondern durch ein Unwetter, welches die Bergfahrer bis auf die Haut durchnässte. Eine elende Sennhütte bot eben nur dürftige Unterkunft, aber nichts, womit den unausbleiblichen Folgen der geschehenen Erkältung hätte vorgebeugt werden können. Schellwitz wurde in der Nacht von heftigem Fieber befallen und schwer krank nach Gastein zurückgebracht. Eine augenblickliche Besserung wurde zur Heimreise benutzt, doch war die sorgsamste Pflege nicht ım Stande, das fliehende Leben aufzuhalten; am 18. September erlag er den Folgen jener unseligen Bergbesteigung, betrauert von der ganzen Provinz, die in ihm einen ihrer besten und verdientesten Männer verloren hat. Der Schlesischen Gesellschaft gehörte er seit 1852 an. Vorträge hat er zwar nicht gehalten, dafür aber für die Cultur nicht blos Schlesiens sondern des gesammten Vaterlandes Eminentes geleistet, so dass wir ihn mit Stolz den unseren nennen. 254 Jahres-Bericht Dr. Carl Rudolph Fickert, Rector des Elisabetans, wurde im Forsthaus Planken, Kreis Neuhaldensleben, am 20. April 1807 geboren. Michaelis 1821 in die Quinta des Magdeburger Domgymnasiums einge- treten, schloss er mit unserem verewigten Haase einen Freundschafts- bund, dessen Geschichte er in seiner in classischem Latein geschriebenen Friderici Haasii memoria niedergelegt hat. Fickert und Haase schienen für einander prädestinirt zu sein; als Knaben und Jünglinge haben sie mit einander gelernt und studirt, als Männer zusammen ge- arbeitet, lebenslang Freude und Leid wie Brüder getheilt. Was der Diehter von Orestes und Pylades rühmt, „‚qui duo corporibus, mentibus unus erant“, gilt im schönsten Sinne auch von Fickert und Haase. Michaelis 1826 bezog Fickert die Universität Halle und studirte seiner Mutter zu Liebe Theologie, welches Studium er von Michaelis 1828 ab in Berlin fortsetzte. Eine mehrmonatliche Vertretung des Conrectors der Stadtschule in Neuhaldensleben bald nach Beendigung seiner Studien wurde für seinen späteren Lebensberuf entscheidend. Er hatte am Unter- richten Freude gefunden und beschloss daher, nach Ablegung seiner theo- logischen Prüfung das pädagogische Examen zu machen, um alsdann in irgend einer kleinen Stadt Rector zu werden, „‚höher wollte er“, wie er selber erzählt, „.damals nicht hinaus“, Glücklicherweise gelang es Haase, dem Freunde die allzugrosse Bescheidenheit, an welcher er litt, auszu- reden und ihn zu bestimmen, sich anstatt zum Reetorexamen zum Ober- lehrerexamen zu melden. Fickert bestand es mit solcher Auszeichnung, dass er Anfang 1834 als Adjunet nach Schulpforta berufen wurde, wo wenige Monate später auch Haase eine Adjunetenstelle erhielt. Die Freude des dortigen Zusammenarbeitens war leider nur von kurzer Dauer. Haase musste seine Betheiligung an der Burschenschaft 1836 mit dem Verluste seines Amtes und einjähriger Festungshaft in Erfurt büssen, durfte aber von Glück sagen, nach dem Absitzen seiner Strafe im Schul- dienst wieder Verwendung zu finden. 1839 finden wir die beiden Freunde durch Staatsstipendien unterstützt in Paris, Haase die Codices der römi- schen und griechischen Militairschriftsteller, Fiekert die seines Lieblinss- Autors Seneca vergleichend, dessen Herausgabe er beabsichtigte. Die Frucht dieser Pariser Studien war die von ihm besorgte und mit grossem Beifall aufgenommene Gesammtausgabe der Werke Senecas, Leipzig 1842 — 1345. Nach der Heimkehr schienen sich die Lebenswege der Freunde trennen zu sollen. Haase erhielt 1840 eine ausserordentliche Pro- fessur für elassische Philologie an unserer Universität, während Fiekert seine Lectionen in Pforta wieder aufnahm und 1841 für seine vorzüg- lichen Leistungen mit dem Prädicate Professor ausgezeichnet wurde. Doch die höhere Hand, welche die menschlichen Geschicke leitet, führte nach wenig Jahren die Freunde wieder zusammen. Der hochverdiente der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 285 Rector unseres Elisabetan, Reiche, einer der Stifter unserer Gesell- schaft, war 1844 in den Ruhestand getreten und seine Stelle vom Magistrat dem bei der Bürgerschaft eben so beliebten als von seinen Studenten verehrten Professor Haase angetragen worden. Unter Em- pfehlung seines Freundes Fickert lehnte Haase das ehrenvolle Anerbieten dankbar ab und Fickert wurde zum Nachfolger Reiches nach Breslau berufen, wo er Ostern 1845 sein Amt antrat. So war er, was er einst beabsichtigt hatte, wirklich geworden, ein Rector, nur mit dem Unter- schiede, dass die älteste und berühmteste Schule Schlesiens seiner Leitung anvertraut war. Den an diese Wahl geknüpften Erwartungen hat Fickert in jeder Beziehung entsprochen. Mit peinlicher Gewissenhaftigkeit seines Amtes wartend, hat er sich in den 35 Jahren seines hiesigen Wirkens um seine Schule und damit um Stadt und Staat unvergessliches Verdienst erworben. Seinen Collegen ein zuverlässiger Freund und humaner Vor- gesetzter, imponirte er den Schülern durch umfassende Gelehrsamkeit und ausserordentliches Lehrgeschick. Er liebte sie wie seine Kinder und sie ehrten ihn wie einen Vater. Seine Unterrichtsfächer waren ausser Latein in der Prima noch Religion und Hebräisch, in welcher Sprache er seltene Kenntnisse besass. Christenthum und classisches Alterthum waren in ihm zu einem schönen Ganzen verschmolzen; jenes übte, dieses liebte er. Wo es galt, der Gemeinde zu dienen und Gutes zu fördern, stand Fickert in erster Reihe. Dem Kirchenrath der Elisabet- Parochie hat er von Anfang an angehört und für die Armen der Gemeinde stets ein warmes Herz und eine offene Hand gehabt. Den Verein für Unterricht und Erziehung Taubstummer hat er fast durch ein Menschen- alter mit liebevoller Hingabe umsichtig.und erfolgreich geleitet. Schon in Schulpforta ein begeisterter Freund des Turnens hat er in Breslau für Einführung desselben in den Schulen mit Eifer gewirkt, es nachher mit Sorgfalt ‚gepflegt und durch Gründung des Turnvereins 1858 in weiten Kreisen heimisch gemacht. Bei der Feier des Universitäts-Jubi- läums ehrte ihn die philosophische Facultät durch Ertheilung ihres Doctorats; Allerhöchsten Ortes wurde ihm in Anerkennung seiner segens- reichen Thätigkeit der Rothe Adlerorden verliehen; der schönste Lohn für den bescheidenen Gelehrten aber war die Liebe und Verehrung, die ihm von allen Seiten entgegengetragen wurde. Erholung suchte und fand Fickert in dem Garten, den er gemiethet hatte und mit eigener Hand bearbeitete, und in der Pflege seiner Obstbäume. Er war der grösste Pomologe Schlesiens und eines der thätigsten Mitglieder der Seetion für Obst- und Gartenbau, deren Berichte zum grossen Theil aus seiner Feder stammen. Der Schlesischen Gesellschaft gehörte er seit 1847 an. Ueber seine Lieblingsautoren Seneca und Thucydides hat er in der philologischen Seetion wiederholt Vorträge gehalten. Nach längerer Krankheit beschloss er am 3. October 1880 sein arbeitsreiches und ver- 286 Jahres-Bericht dienstvolles Leben; wie lieb und werth er Allen, die ihm irgendwie nahe- standen, gewesen ist, wurde an seinem Begräbnisse offenbar. Auch um den 1880 den 24. November heimgesangenen Geheimen Justizrath Dr. Heinrich Ferdinand Fischer, der sich als langjähriges Mitglied des Stadtverordneten-Collesiums um das Wohl seiner Vaterstadt, als Stifter der ersten Philomathie Schlesiens um die vaterländische Cultur, als Politiker um das Verfassungsleben in Staat und Kirche hoch verdient gemacht hat, war die Trauer eine allgemeine, Fischer war der Sohn eines Kaufmanns und 1805 den 18. Juli hier in Breslau geboren. Auf dem Masdalenäum für die Universität vor- bereitet, studirte er 1826—1829 in Halle und Berlin die Rechte, wurde 1829 den 28. October als Auscultator vereidet, nach abgelegtem dritten Examen dem hiesigen Öberlandesgericht als Assessor überwiesen und 1837 den 1. April zum Justiz-Commissarius beim Fürstenthumsgericht in Neisse bestellt. Hier begründete er ganz im Geiste der Schlesischen Gesellschaft, der er das Jahr zuvor beigetreten war, die erste Philo- mathie Schlesiens, deren Statuten für alle später gegründeten Ver- eine gleicher Tendenz massgebend geworden sind, so dass Fischers An- denken, wie der ihm von der Neisser Philomathie gewidmete warme Nachruf rühmt, ‚in allen Philomathien der Provinz stets in Ehren ge- halten werden wird.“ Im October 1839 in seine Vaterstadt zurück- versetzt, hat Fischer seitdem, geliebt von der Bürgerschaft, verehrt von seinen Klienten wie von seinen Collegen, die ihn zum Präsidenten ihres Ehrenraths erwählten, hier bis zu seinem Tode ununterbrochen gelebt und gewirkt. Sein Beruf war ihm Herzenssache; ihn von der idealsten Seite auffassend, ist er in Tendenzprocessen mehr als einmal unauf- gefordert und nichts darnach fragend, ob und wie es ihm werde gedankt werden, schriftstellerisch aufgetreten, um durch seine Feder grundlose Anklagen in ihrer Nichtigkeit aufzuweisen und unschuldig Gemassregelte vor Vergewaltigung zu schützen. So in dem Processe der Hessischen Regierung gegen Sylvester Jordan und im Laufe des letzten Decenniums in der Sydow’schen Sache, deren günstiger Ausgang gewiss nicht zum wenigsten den scharfsinnigen Rechtsdeductionen der Fischer’schen Ver- theidigungsschrift zuzuschreiben ist. Schon als Jüngling auf der Universität für freiheitliche Entwiekelung des öffentlichen Lebens und für Deutschlands Einigung schwärmend, behielt er als Mann dieses Ziel unausgesetzt im Auge und setzte für dessen Erreichung seine ganze Kraft ein. Obschon der Verlauf der Frankfurter National-Versammlung, in welche ihn das Vertrauen seiner Mitbürger 1848 abgeordnet hatte, seinen Wünschen und Erwartungen wenig entsprach, so liess er sich doch nicht entmuthigen, sondern suchte als Vertreter Breslaus in der durch die octroyirte Verfassung gebildeten ersten Kammer von dem mühsam Errungenen zu retten, was zu retten der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 2937 war, und er ist so glücklich gewesen, Alles, was er als Jüngling ersehnt, wofür er als Mann gearbeitet hatte, im höheren Alter verwirklicht zu sehen. Auch auf das kirchliche und religiöse Leben Breslaus und dessen Ausgestaltung in freiheitlichem, echt protestantischen Geiste hat Fischer in hervorragender Weise bestimmend eingewirkt und sich an allen Hu- manitätsbestrebungen jederzeit liebevoll und hingebend betheiligt. Am 23. October 1879 feierte er, allen ihm zugedachten Ovationen sich durch eine Reise entziehend, in grösster Stille sein 50 jähriges Amts- Jubiläum. Die Universität Breslau ehrte ihn bei dieser Gelegenheit durch Ertheilung ihres juristischen Doctorats. Die Ruhe, die er sich für den Abend seines Lebens durch Abgabe eines grossen Theiles seiner Geschäfte zu sichern hoffte, ist ihm nur wenige Wochen beschieden gewesen. Zur Trauer Aller, die ihn kannten, erlag er am 24. November nach 14tägigem Krankenlager dem Asthma, an welchem er schon seit Jahren oft und viel gelitten hatte. Am Tage nach seinem Tode traf das Patent ein, welches ihn zum Geheimen Justizrathe ernannte. Ausser diesen ihren wirklichen Mitgliedern beklagt die Schlesische Gesellschaft auch den Verlust mehrerer correspondirenden und Ehren- Mitglieder. Es sind die folgenden: Anton Menge, 1808 den 15. Februar in Arnsberg in Westphalen geboren, widmete sich nach Absolvirung des dortigen Gymnasiums auf der Universität Bonn dem Studium der Naturwissenschaften mit solchem Erfolge, dass Goldfuss, der dort seit 1818 Zoologie lehrte, ihn zum Einschlagen der akademischen Laufbahn ermunterte. Unzweifelhaft würde Menge seiner Zeit die Zierde einer deutschen Hochschule geworden sein, wenn der Tod seines Vaters diesen Plan nieht durchkreuzt hätte. Um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen, nahm Menge 1833 eine Lehrerstelle an der höheren Bürgerschule in Graudenz an, aus welcher er 1336 an die Petri- schule in Danzig berufen wurde. Blieb ihm die Erfüllung seines Herzens- wunsches versagt, an einer Universität zu lehren, so hat er gleichwohl durch seine Arbeiten und durch Heranbildung tüchtiger Schüler der Wissen- schaft erhebliche Dienste geleistet. Der durch seine Forschungsreisen in Sibirien, China und den Kaukasusprovinzen berühmte Director des natur- wissenschaftlichen Museums in Tiflis, Gustav Radde, rühmt in selbst- loser Bescheidenheit, seine Erfolge vorzugsweise Menge’s anregendem Unterrichte in den naturwissenschaftlichen Diseiplinen zu verdanken. Von Menge’s Arbeiten ist in erster Linie sein von der Danziger natur- _forschenden Gesellschaft publieirtes grosses Werk „über die preussischen Spinnen‘ zu nennen, zu dem er sämmtliche Abbildungen mit eigener Hand gezeichnet hat. Ein ganz neues Forschungsgebiet erschloss sich in Danzig dem Binnenländer in dem Bernstein der Ostsee, dessen organische Ein- schlüsse seine Aufmerksamkeit mächtig auf sich zogen. Ehe der Sache näher getreten werden konnte, musste vor allen Dingen das erforderliche 288 Jahres-Bericht Material beschafft werden. Menge ging wohlgemuth ans Werk und sam- melte in verhältnissmässig kurzer Zeit eine grosse Anzahl von Stücken, auf Grund deren er Ostern 1856 seine Arbeit „Lebenszeichen vorwelt- licher im Bernstein eingeschlossener Thiere‘‘ veröffentlichte. Grössere Ausbeute gewährten die pflanzlichen Einschlüsse, in deren Bearbeitung ihm unser hochverehrter Präsident, Geh. Rath Göppert, getreulich zur Seite gestanden hat. Die Herausgabe dieses in seiner Art einzigen Werkes ist durch die Danziger naturforschende Gesellschaft gesichert, die sich damit ein neues Verdienst um die Naturwissenschaft erwirbt. Auch auf sprachwissenschaftlichem Gebiete war Menge wohl orientirt, und die Gebrüder Grimm verdanken ihm zahlreiche schätzbare Beiträge für ihr grosses Nationalwerk. Trotz seiner eminenten Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft hat Menge es über die bescheidene Stellung eines Oberlehrers, zu der er 1839 befördert wurde, nicht hinausgebracht; das Prädicat Professor erhielt er 1865 und bei seiner Pensionirung nach 44jährigem Schuldienste den Rothen Adler- Orden 4. Klasse. Sein Lebensabend war durch die Leiden und Be- schwerden, die das Alter mit sich bringt, getrübt; ein sanfter Tod erlöste ihn davon 1380 den 27. Januar, nachdem er noch die Freude erlebt hatte, sein Werk über die Spinnen vollendet zu sehen. Seine reiche Sammlung von Bernsteinstücken mit organischen Einschlüssen, die erste und einzige ihrer Art, hat er sicherem Vernehmen nach hochherzig und uneigennützig letztwillig dem neuen Provinzial-Museum Westpreussens zugewendet. Johann Georg Conrad Oberdieck, der erste Obstkenner und Obstzüchter unserer Zeit, entschlief am 24. Februar 1880 in Herzberg am Harze im 86. Lebensjahre ins bessere Leben. Sohn eines Geistlichen und 1794 am 30. August zu Wilkenburg in Hannover geboren und 1812 vom Gymnasium in Hannover mit ehrenvollen Zeugnissen zur Universität entlassen, widmete er sich in Göttingen, wie es sich für einen Pfarrers- sohn gehörte, dem Studium der Theologie. Unmittelbar nach seinem Abgange von der Universität als Subeonreetor an der Michaelisschule in Lüneburg angestellt, erhielt er 1819 die Pfarrei Bardowiek, von welcher ihn 1831 das Landes-Consistorium nach Sulingen als Superintendent berief. in gleicher Eigenschaft 1839 nach Nienburg an der Weser versetzt, wurde ihm 1853 die Superintendentur in Jeinssen übertragen, wo er bis zu seiner Emeritirung im Jahre 1878 im Segen gewirkt hat. Was er seinen Gemeinden als Prediger und Seelsorger gewesen ist, darin mögen wohl viele ihm gleich sein; was aber seinen Namen in der ganzen Welt bekannt gemacht hat, ist sein Obstgarten. Die seiner Gemeinde in Bardo- wiek drohende Verarmune brachte ihn auf den Gedanken, als Ersatz für den immer uneinträglicher werdenden Gemüsebau, der sie bisher ernährt hatte, den Obstbau als lohnenderen Erwerbszweig einzuführen, und so der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 389 ist der Pfarrer eines obscuren hannöverschen Dorfes mit der Zeit der erste Pomologe Deutschlands geworden. Von seinen zahlreichen Schriften sei hier blos seines epochemachenden, im Verein mit Dr. Lucas in Reutlingen herausgegebenen grossen Werkes gedacht: „Lllustrirtes Hand- buch der Obstkunde“, 7 Bände, Stuttgart 1857—1875; es sichert seinem Namen Unsterblichkeit. Ueber das äussere Leben des 1880 am 29. Februar im 71. Lebens- jahre verstorbenen und um die Meteorologie hochverdienten Professors Dr. M. A. F. Prestel, unseres correspondirenden Mitgliedes, ist wenig bekannt. In Göttingen 1809 den 27. October geboren, wurde er 1833 zuerst als Lehrer der Astronomie an der Navigationsschule in Emden angestellt, welches Amt er nach einigen Jahren mit dem des Lehrers der Mathematik und Naturwissenschaften am dortigen Gymnasium vertauschte. Die natur- wissenschaftliche Gesellschaft in Emden wählte ihn 1840 in ihren Vor- stand und 1858 zu ihrem Direetor. Unter seiner Leitung entfaltete sie sich zur höchsten Blüthe. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeiten, unter denen das 1871 unter dem Titel: ‚Der Boden, das Klima und die Witterung von Ostfriesland sowie der gesammten nord- westdeutschen Tiefebene in Beziehung zu der Landwirthschaft, dem See- fahrtsbetriebe, den volkswirthschaftlichen Interessen und den Gesundheits- verhältnissen“ erschienene Werk in erster Reihe genannt werden muss, wurde ihm die grosse goldene Verdienstmedaille für Kunst und Wissen- schaft, später noch der Königliche Kronen-Orden verliehen; auch war er Meister und Stiftsrath des freien deutschen Hochstifts in Frankfurt a. M. und Mitglied vieler gelehrten Gesellschaften. Durch ein gütiges Geschick sind ihm die Krankheiten und Beschwerden des Alters erspart geblieben. Heiter an seinem Frühstückstische sitzend, endete ein Herzschlag zur tiefen Trauer seiner Familie sowie der von ihm geleiteten Gesellschaft binnen 10 Minuten das Leben des in weiten Kreisen verehrten Mannes. Am 27. März 1880 starb nach längeren Leiden Professor Dr. Nils Johann Andersson, Director des naturhistorischen Museums in Stock- holm, Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, einer der ausgezeichnetsten Botaniker seines Vaterlandes. 1821 am 20. Februar im Stifte Linköping geboren, machte er seine Studien in Upsala, wo er sich 1845 auch als Privatdocent für Botanik habilitirte. Wegen seiner vortrefflichen Arbeit über die auf einer grösseren Reise von ihm durchforschte Flora Lapp- lands wurde er von der Regierung der zu einer Weltumsegelung auf der Fregatte Eugenie ausgerüsteten Expedition als Botaniker beigegeben. Das Ergebniss dieser von ihm in einem grösseren, auch ins Deutsche übersetzten Werke geschilderten Reise war seine Arbeit über die merk- würdigen, in Flora und Fauna ganz isolirt dastehenden Galopagos-Inseln, in Folge deren er 1855 als Demonstrator der Botanik nach Lund und im folgenden Jahre als ordentlicher Professor der Botanik nach Stock- 1880. 19 290 Jahres-Bericht holm berufen wurde. Mehrere Lehrbücher und Monographien, unter denen die über die Weiden hervorgehoben zu werden verdient, be- sonders aber sein überaus werthvoller, 1867 für die internationale Pariser Gartenbau-Ausstellung verfasster Apercu de la vegetation et des plantes eultivees de la Suede sichern ihm in der Geschichte seiner Wissenschaft ein bleibendes Gedächtniss. Ihm folgte im Monat Mai in dem ehrenvollen Alter von 76 Jahren nach 15 jähriger Quiescenz der Geh. Medicinalrath Dr. Philipp Phöbus in Giessen, Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, in die Ewigkeit nach. Phöbus war der Sohn eines Arztes und 1804 den 27. Mai in Märkisch- Friedland in Westpreussen geboren. Seine Vorbildung verdankt er dem Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin, dem er von 1813—1821 als Schüler angehörte. Auf der Universität in ein Duell verwickelt, musste er seine medieinischen Studien wegen des unglücklichen Ausgangs des- selben unfreiwillis unterbrechen und durfte sie erst nach 2 Jahren wieder aufnehmen, so dass sich Promotion und Examen bis ins Jahr 1827 ver- zogen. Phöbus wurde in Berlin, wo er sich niederliess, bald ein ge- suchter und beliebter Arzt und erhielt 1831 die auf seine Veranlassung neu gegründete Stelle eines Proseetors an der Charite, die er indess nach 16 Monaten wieder aufgab, um sich an der Universität als Privatdocent für pathologische Anatomie zu habilitiren. Nach dreijähriger Lehrthätig- keit nahm er Urlaub und privatisirte mehrere Jahre im Harze. Die schöne Frucht dieser Musse war sein Werk „Deutschlands kryptogamische “ Giftgewächse“, auch unter dem Titel: „Abbildung und Beschreibung der in Deutschland wild wachsenden Giftgewächse, von Brandt, Phöbus und Ratzeburg. II. Abth. Kryptogamen. Berlin 1838“, und die dritte Bear- beitung seines früher unter anderem Titel erschienenen „Handbuchs der Arzneiverordnungslehre‘“, von dem schon nach 2 Jahren ein neuer Ab- druck erforderlich wurde. Es ist in mehrere Sprachen übersetzt worden. Eine Folge dieser mit grossem Beifall aufgenommenen Arbeiten war 1843 seine Berufung nach Giessen als ordentlicher Professor der Mediein, zu- nächst für Pharmacologie, die er unter Ablehnung eines gleichzeitig an ihn ergangenen Rufes nach Dorpat annahm. Phöbus fühlte sich in seinem neuen Wirkungskreise übrigens so befriedigt, dass er glänzende An- erbietungen der Österreichischen und russischen Regierung, die ihn für ihre Universitäten zu gewinnen suchten, wiederholt unbedenklich aus- geschlagen hat. Das pharmacologische Institut in Giessen ist seine Schöpfung, er hat es bis zu seiner Emeritirung, die er 1565 wegen seiner geschwächten Gesundheit nachsuchte und erlangte, rühmlich geleitet. Ausser den obengenannten Hauptwerken hat Phöbus noch eine ganze Reihe selbständiger Druckschriften, deren Aufzählung der Raum nicht gestattet, herausgegeben und zahlreiche Abhandlungen physikalischen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 391] mineralogischen, botanischen, anatomischen und pharmaceutischen Inhalts in Zeitschriften veröffentlicht. Nicht minder schmerzlich war der Verlust eines unserer correspon- direnden Mitglieder, des Direetors des botanischen Gartens in Bonn, Professor Dr. Johannes v. Hanstein, welcher, das Rectorat der Uni- versität gerade bekleidend, am 27. August 1880 lebenslangem, mit grösster Geduld eriragenem Siechthum erlegen ist. Hanstein war der Sohn eines Oberpredigers in Potsdam und 1822 geboren. Da seine schwächliche Körperconstitution das Einschlagen einer wissenschaftlichen Laufbahn nicht rathsam erscheinen liess, wurde er 1838 aus der Secunda des Gymnasiums zum grauen Kloster weggenommen und in den königlichen Gärten als Lehrling untergebracht, um für Gartenbau und Gartenkunst ausgebildet zu werden. Die Praxis vermochte ihn jedoch auf die Dauer nicht zu befriedigen und so nahm er in seinen Mussestunden auf eigene Hand die elassischen Studien wieder auf, bestand 1845 die Maturitäts- Prüfung mit Auszeichnung und studirte alsdann in Berlin Botanik und Naturwissenschaften. Nachdem er sich 1848 das Doctorat der Philosophie erworben und 1849 das Oberlehrer-Examen abgelegt hatte, wurde er Lehrer an der Gewerbeschule in Berlin. Unermüdlich weiter arbeitend und höher strebend habilitirte er sich 1855 an der Universität als Privat- docent für Botanik und wurde 1861 in Anerkennung seiner Leistungen zum Custos des Universitätsherbars befördert. Glänzende Forschungen machten ihn in den Kreisen der Botaniker rasch bekannt. Seine Arbeit „über die Milchgefässe‘“ wurde von der Pariser Akademie mit dem grossen Monthyon’schen Preise gekrönt, ihr folgte nicht lange darauf die „über die Befruchtung und Entwickelung der Gattung Marsilia, einer Nährpflanze Neuhollands“. 1865 als Professor und Director des bota- nischen Gartens nach Bonn berufen, hat er in dieser Stellung, von seinen Collegen geliebt und von seinen zahlreichen Schülern verehrt, bis zu seinem Tode im Segen gewirkt. Seine nach Form und Inhalt gleich vollendeten Schriften sichern ihm in der Reihe der berühmten Botaniker auf immer einen Ehrenplatz, Dr. Schimmelpfennig. Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. # REN we .. gr » LE “ er we; “ ya N Mr g = # 3 in; IH we he er a Bebsa en, - & .. vu SH Az - u. % > "= » en gr or Ge v EL Sr Fa a ® zu n I. en Verzeichhiss sämtlicher von der sclles Gesellschaft für vater). Gultur heransggeenn Schr Schr 1. Einzelne Schriften. Zwei an. gehalten von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof. Reiche bei Be ersten Feier des Stiftungstages der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie) Schlesiens, am 17. December 1804. 8°, 48 Seiten, | An die Mitglieder der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens ! und an sämmtliche Schlesier, von Rector Reiche, 1809. 8%. 28 2 Oeffentlicher Actus der Schles. Gesellschaft f.- vaterl. Cultur, SPHalER au 12. Decbr. 1 1810 ; Äi; Feier ihres Stiftungsfestes. 8°. 40 8. | Joh. George Thomas, Handb. d. Literaturgeschichte Y. Schlesien, 1824. a 372 S., gekrönt Preisschrift. Beiträge zur Entomologie verfasst von den Mitgliedern der entom. Section, mit 17 Kpft. 1829. Die schles. Bibliothek der Schles. Gesellschaft v.K.G.Nowack. 8°, 1835 oder später a Z Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschichte der Schles. Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Gesshicheisguie: Schlosiens, In Mit 10 lithogr. Tafeln. 4°, 282 S. Dr. 5. A. Hoennicke, Die Mineralquellen der Provinz Schlesien, 1857. 8°, 186 S., ger Preisse hr Dr. J. 6. Galle, Grundzüge der schles. Klimatologie,.1857. 4°. 127 8. Dr. J. Kühn, Die zweckmässigste Ernährung des Rindviehs, 1859. 8°. 242 S., gekr. Preisüchh “Dr. H. Lebert, Klinik des akuten Gelenkrheumatismus, Gratulationsschrift zum DOIBER: Doctor x Tubilsum des Geh. San.-Raths Dr. Ant. Krocker. Erlangen 1860. 8°. 149 8. 2 u Dr. Ferd. Römer, Die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz. bei Oel in Schlesien, mit 6 lithogr. u. 2 Kupfer-Tafeln. 1861. 4°, 70 8. Lieder zum Stiftungsfeste der entomologischen und. botanischen Section der Schles. Gesellschaf als Manuscript gedruckt. 1867. 8%. 92 8. Verzeichniss der in den Schriften der Schles. Gesellschaft von 1804—1863 ze enthalten Aufsätze in alphab. Ordnung von Letzner. 1868. 8°, ” > Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1864 bis 1876 ine enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr. Schneide General-Sachregister der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 180 bis 1876 inel. enthaltenen Aufsätze, geordnet in alphab. Folge von ar Schneide 3 2. Periodische Schriften. a ne der Gesellschaft f. Naturkunde u. Industrie Schlesiens 8°. Bd. 1], Hit. T, 218 $ Hft. 2, 112 S. 1806... Desgl. Bd. IL, 1. Hit. 1807. | Correspondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, 4°, Jahrg. I, 1810, 96 8. Jahrg. III, 1812, 96 S. Jahrg. V, 1814,Hft.1u.2je96 II, 1811, do. as TV.1813,Hft.1u. 2je968.| - „ v1, 1815, Hft. 1, 968 Correspondenz der Schles. Gesellschaft £. vaterl. Cultur 8°. Ba. ], 362 8. mit- Abbild, 18194 1820. Desgl. Bd. II, (Hft. 1), 80 S. mit Abbild., 1820. Bulletin der naturwissenschaftl. Section der Schles. Gesellschaft 1—11, 1822, 80, do, do. do. 1-10, 1824, 8°, : Uebersicht der Arbeiten (Berichte sämmtl. Sectionen) und Veränderungen der ‚Schles. Geseie ch für vaterl, Cultur: Jahrg. 1824. 55 Seiten. 4°, 0 - Jahrg. 1847. 404 Seit: 4%, nebst] - Jahrg, 1866. 267 Seit. 8», 3 ‚€ 4825.84", 2 44 S, meteorol. Beob. Abhandl. @ S.- RR „ . 1848. 248 Seiten. 4°, „ . 1867. 278 Seit. Se, me nA » „1849. Abth.T, 1805. I, 398. Abhandl. 191 8, ® 28. 97 ; u met, Beobac 1868, ey IE, Eat, » 1850. Abtheil, T, 204 8, > Ir Pie | Wan a ae 1869. 371 Seit, 9. m SRIBRE BETA IRRE „1851. 194 Seiten, de, » Abhandı ao 0 IRB I | 1852, 212 2°, - 1883, 106. 3 1853.35 46, » 1870. 318 Seit. ir n ST STBBR, TAB 2a „1854. 288,0 48. Abhandl. 55 8, '1R86. 146 %..2, 1.208) Ei Ds, SB An m. 1871. 357 Seit. es ı er AI AR, ABS. 32. „ , a Abhandl, 252 EUR 4837,; ORTE a „971887.-.847. 72 722 „. 1872, 350 Seit, 8% E 1838, 184, a: 106. Re -Abhandl. 17T a 39.26 , v, „ . 1859, 22 4, - „2387 Seit. Se, 3 3840, 1517 2.0748. > .13860. 207. 5 4 7 1878 re 'g BA, IRB „ 1861. 148 8°, nebst 1874. 294 Seiten. 80 „1942. 226, 5 4°, Abhandl. 492 $. ” 878. 326 ; an 1:77 90: Dee „. 1862. 162 Seit, 8°, nebst |: ” 7 Hamann 1° 95x ee TA Abhandl. 416 S, ” = ag77. ro „* 1845. 165 ° „4°, nebst s 1863. 106 Seiten, 8°, ” 878. 331 „Result. der meteor. "sy: 1864. 266 Seiten, 8°, nebst | ” 1878. a R Beobacht,“ 52 8. umf, Abhandl, 266 S, we „1846, 320 Seit. 4°, nebst „ 1865. 218 Seit. 8°, nebst 47 S. meteorol, Beob, | Abhandl, 69 8, Mitglieder-Verzeichniss in 8° von 1805 und seit 1810 alle zwei Jahre BR Se „%. “ EL SPS UNE a it * % > ’ } Fr