Te de De a a Te ee ee Ey = ar DE nn. RE ZR en 4 TEN 2 n ni een ts ee = z ee - ie am, ENT ne; ER RE BET E EEE en ie ix an . =; . u as 2 ee ee er 5 u E ne ar IRRE ee E wre i 5 z x ern en = | re ne LE Ten a # u = e x ERETTENEN & = . he m ug LER “ : un ne nt al Varzsiehnis sämtlicher von der Sehles Goselsehaf für vater], a Bergen Bat, 1. Einzelne Schriften. en, | De Zwei Reden, Ehen von dem Reg.-Quartiermstr. Müller und Prof. Reiche bei der ersten » i Feier des Stiftungstages der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens, am 17. December 1804. 8°, 48 Seiten. = E An die Mitglieder der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens und an sämmtliche Schlesier, von Rector Reiche, 1809. 8.592: Ber, u Oeffentlicher Actus der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, gehalten am 19. Deebr. 1810 zur 4 Feier ihres Stiftungsfestes. 8°. 40 8. Joh. George Thomas, Handb. d. DierauE ‚Schlesien, 1824, 8°. 372 S., gekrönte .. Preisschrift. ‘e Beiträge zur Entomologie verfasst von den Mitgliedern der entom, Section, mit 17 Kpft. 1829. 80, .\ Die schles. Bibliothek der Schles. Gesellschaft v.K.G.Nowack. 8°, 1835 oder später erschienen. Denkschrift der#Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschichte der Schles. Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Geschichtskunde lese, 1853. Mit 10 lithogr. Tafeln. 4°. 282 S. Dr. J. A. Hoennicke, Die Mineralguellen der Provinz Schlesien, 1857. 8°, 166 8. gekr. Preisschr Dr. J. G. Galle, Grundzüge der schles. Klimatologie, 1857. 4%. 127 8. "Dr. J. Kühn, Die zweckmässigste Ernährung des Rindviehs, 1859. 8°. 242 8. 5 Gekr. Preiischt Dr. H. Lebert, Klinik des akuten Gelenkrheumatismus, Gratulationsschrift zum RN: Doetor Jubiläum des Geh. San.-Raths Dr. Ant. Krocker. Erlangen 1860. 8°. 149 8. Dr. Ferd. Römer, Die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz bei 0 in Schlesien, mit 6 lithogr. u. % Kupfer-Tafeln.. 1861. 4°. 70 8. Lieder zum Stiftungsfeste der entomologischen und bebannchen ln der- Schles. Gesellschaft, | B als Manuseript gedruckt. 1867. 8%. 92 S. Verzeichniss der in den.Schriften der Schles. Gesellschaft von 1804—1 563 incl. enthalten - Aufsätze in alphab. Ordnung von Letzner. 1868. 8%. Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1864 bis 187 6 in enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr. Schneid General-Sachregister der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1804 bis 1876 incl. enthaltenen Aufsätze, geordnet in alphab. Eolge von Dr. Schneider. u 2. Periodische Schriften. ne Verhandlungen der Gesellschaft f, Naturkunde u. Industrie Schlesiens 80, Ba. I, Bi. 1, 218 "3 .. Hft.2, 1128. 1806.: Desgl. Bd. II, 1. Hft. 1807. \ Eur 'Correspondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, 40, er, Jahrg. 1, 1810, 96 8. Jahrg. III, 1812, 96 S. Jahrg. V,1814, Hit. iu, Be = I, 1811, do. : 5 IV.1813,Hft.1u. 2je968. ” VL 1815, ‚Hit. 1, 96. Correspondenz der Schles. Gesellschaft f. vaterl.. Cultur 8°. Bd I, 362 8. mit, Abbild, 1819 £ 1820. Desgl. Bd. II, (Hit. 1),.80 S. mit Abbild., 1820. ö Bulletin der naturwissenschaftl. Section der Schles. cken 1-H, 1822, 8%, ; do. | do. ss. d0. wi: 1824, B% Uebersicht der Arbeiten (Berichte Sarktl, Sectionen) und Veränderungen der Schles. Gesellsch 0 für vaterl. Cultur: 8 Jahrg. 1824. 55 Seiten. 4°. Jahrg. 1847, 404 Seit. 4%. nebst | Jahrg. 1866. 367 Seit. ro 50.1820, BANN, 4, 44 S. meteorol. Beob. Abhandl. 90 S. ne 180065 A ».. 1848, 248 Seiten. 4°, r 1867. 278 Seit. 8%, III A „1849. Abth.1, 1808. 11,398. | Abhandl. 191 8. E8DB, 091... 5 00 u.44S. met. Beobacht. „1868. 300 Bei es n LT ESTBD Dr '„. 1850. Abtheil, I, 204 S,, BC N ne Abth. IL, 36 8. ei „AB EN »... 1851. 194 Seiten. 4°. Ber „01832, Dar UNE 1852.22 3,3040, S Bee rise, 35. ..51834.,148 0 207 2A0 SER TBEAL DAB: 0 8, x » 1835. 146°. a0. ». 1855.86 „4. 58862 107 2 Wr EST ED, VE & RU DS as RR. (a 2 AR9B, 184 un. 0 40 6 1808, 234 3 ,,0'.008 5 „1839.26 5. 4 er i8bg BR. +40 \ „ 1840 151 „ 4° „ 1860, 202 4° "n ©: 271841,.188. 2°, 7A0 ss 1861. 1 nebst n; „2.1849, 226: „48 IB Abhandl. 492 8. f ». 1843.269 „, 4°, 85 ..1862. 162 Seit. 8°. nebst % „. 184.230 „4, i Abbandl. 416 8. ER »... 1845. 165 „ 4°. nebst „1863. 156 Seiten. 8. nr „Result, der meteor. „1864. 266 Seiten. 8.nebt | |, } Beobacht.“ 52 S. umf. 'Abhandl. 266 $. I „1846. 320 Seit. 4°. nebst „» . 1865. 218 Seit. 8°. nebst | ee‘ 47 S. meteorol, Beob. „Abhand. 988. |. Mitglieder-Verzeichniss i in 8° von 1805 und seit 1810 alle zwei ‚Jahre en Yhiene, ET x = inundsechzigster Jahres-Bericht rn _ ıles ischen Gesell schaft für vaterländische Cultur. fl . Enthält Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen | der Gesellschaft . im Jahre 1883. ... .... Awenlan. - = 6. P. Aderhola’ Buchhandlung. a an 1884. Einundsechzigester Jahres-Bericht Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. Bnthart ‚ den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1883. Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. 1584. Inhalt des 61. Jahres-Berichtes. Seile Allgemeiner Bericht über die Wirksamkeit und die Verhältnisse der Gesell- schaft im Jahre 1883, abgestattet vom General -Secretair, Staatsanwalt vanllechtwitzi. u... 20. net een ana rrn en are alee I Bericht des Schatzmeisters über den Kassenabschluss pro 1883............. X Bericht des Conservators der naturhistorischen Sammlungen ............... XI De riehupülber dien Bibliotheken! der!/Gesellschaft .... ..».2.......enn.an.. XI Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Sectionen. I. Medicinische Section. Berger, Demonstration eines corticularen Erweichungsherdes des Gehirns 63 Buchwald, Demonstration diffuser idiopathischer acuter Hautatrophie..... an Cohn, Untersuchung über die Sehschärfe bei abnehmender Beleuchtung... 64 Eger und Krauss, über einen Fall von zehntägiger Anurie und Demon- stration eines doppelseitigen Ureteren-Verschlusses durch Steine ..... foJ | Era mäderl uber Oyariotomies se... nee ne ae. 46 — über den Mechanismus, die Diagnose und die Leitung der Geburt bei nor pamena re a 68 — Demonstration einer exstirpirten Dermoidceyste des Ovarium......... 100 Emıtsieh über die Pathogenese des Puerperallebers...................... 78 Gierke, über die Stützsubstanz des centralen Nervensystems ............. 65 Heidenhain, über pseudomotorische Nervenwirkungen .................. 63 Hirt, über die Salpetriere in Paris und die Charcot’sche Klinik für Nerven- keinen ons el N ee ne 27 — über einige neuere Färbmethoden für nervöse Centralorgane......... 34 = über: Behandlung, der. Epilepsie 2... m... 2... N 2. a 63 Krafft, Demonstration eines Carcinoma uteri und eines Falles von Achsen- dizehumasdes: Diekdarmein. . 8... Den an. RE LER, 1l Krauss, Demonstration eines Falles von Echinococcus des Herzens und von Arthritis deformans des Hüft- und Kniegelenks................. 34 — Demonstration eines enormen Hydrocephalus ...........:.......2.... 63 — Demonstration eines Falles von Sternothoracopagus tetrabrachius .... 67 Kroner, über einen. Rall von Nabelschnurtorsion . .,.......2.2...... 20... 11 Neisser, über Xeroderma pigmentosum (Kaposi), Liodermia essentialis cum Melanosi et Telangiectasia..... Eh ausm, BD. MOB ee. 1 Riegner, über einen Fall von ulcerösem Carcinom, der Harnblase......... 63 — über Exstirpation des Mastdarms wegen ausgedehnter Verschwärungen öl Inhalts-V erzeichniss. Simm, Demonstration des Präparats eines solitären Tuberkels in Pons Vasoli ma... ee sl nee De Unverricht, über experimentelle und klinische Untersuchungen über die Epilepsie un. nne a en a a ee A \Woltf, ‚über paroxysmale Hämoslobinurie. 2... ...... 00.2 — über doppelseitig fortschreitende Gesichtsatrophie................... II. Section für öffentliche Gesundheitspflege. Gutachten über Leichenhäuser auf ein Anschreiben des hiesigen Magistrats S: 118 nebst,,Beilägene, 03 28. 2 EEE er Karten-Formular zur Meldung von Infections-Krankheiten ................. Rathschläge für Mütter, Pflegemütter und Hebammen, betreffend die Er- nährune und Pflese der sauelmeer 2 0.2... Cohn (Hermann), Demonstration eines Modells: der Accommodation des Auges und Demonstration der Schulbank des Regierungs - Bauraths Meyer... uses ee ee En Jacobi, über die Sterblichkeitszitfer von, Breslau... nn ern. — über Desinfection, mit, Wasserdampf... 1.1.0 wel on oa Leppmann, über die sanitätspolizeilichen Postulate zur Prophylaxe der Tues-\ se. le ne Se ee Schlockow, über einige Ursachen der Verbreitung der Lungenschwind- SUCHE ROT N N N RS N Stern, zur Localstatistik infeetiöser Erkrankungen ..........2.:....2...... III. Naturwissenschaftliche Section. Althans, über die neuen Aufschlüsse von Blei- und Zinkerzen in Ober- Schlesien. \. na ae den u ar LIE an Arzruni, über oberschlesische Mineralien, über Gay-Lussit-Krystalle und über Minerälien aus Alaska... .......:2.... „ers Cohn (Ferdinand), über einige durch Gährung aus Milch erzeugte Genuss- mittel. 022 0 ee ne ee ee See ee Galle, über die bisher bekannt gewordenen Beobachtungen des Venusdurch- ganges vom 6. December m. d....... sn. nee Gissmann, über ein neues therapeutisches Mittel, das Kairin............. Göppert, aber öberitalienische ‚Gärten. 2. eu. ou....n2 ir ade Gürich, neue Saurierfunde aus dem Muschelkalk Oberschlesien. RER regeln. Jos in demonstrativer Vortrag über die Ergebnisse seiner mikroskopischen Untersuchung des Centralnervensystems der Bandwürmer............ Kossmann, über das Auftreten von Erzgängen und Gangmineralien in den oberschlesischensieinkohlenflötzenn. 23. 02 zer een — über das zum Abteufen von Schächten im schwimmenden Gebirge ein- geflihrte,@efrierverfahren ı...: .20°. sale. rer so — über Honigmann’s neu erfundene und construirte dampf- und feuer- lose Locomotive. .....: . auladsarsa..! ‚era Da ee: Kunisch, Demonstration eines ausgewachsenen Exemplars des Enerinus gracilis (L. v. Buch) in dem Muschelkalk von Krappitz OS........... Langenhan, Demonstration einer Kalkplatte mit 12 mehr oder minder voll- kommenen Kronen des Enerinus gracilis una nern, — Demonstration der ersten im oberschlesischen Muschelkalke gefundenen Landpflanze . 1... iHlshseete ps SUCH a or N! Seite Inhalts-Verzeichniss. Poleck, Resultate einer chemischen Untersuchung des Jalapins........... — Resultate einer Untersuchung, um die Veränderungen, welche der Chlorkalk beim Aufbewahren erfährt, kennen zu lernen............. — über die Arsenprobe der Pharmakopöe und einige neue Silber- werbindungen s... 2... a a LE OR — uber Verdichtung, yon Gasen. ........... essen smsalineh, - v. Richter, über Cinnolinderivate, eine neue von ihm entdeckte Klasse von Ionen er IE a Se rlyia Römer, über das Vorkommen eines grossen Geschiebes in der Steinkohle des Carolinenflötzes bei Hohenlohe-Hütte in Oberschlesien.......:... — tiber die naturhistorischen Sammlungen des British Museum und die Men ammllungentider British Association. 2. nu. an. nase. Enbersrlallis Gattung. Dietyophyton nn... en ul EN Schiff, über das ätherische Oel von Sassafras officinalis (Nees) ........... Täuber, über die Einwirkung von Kalium - Promanganat auf Japan- Kam yolaan un ae N a N IV. Botanische Section. Aufruf des deutschen Geographentages zur systematischen Förderung wissen- schaftlicher Landeskunde. von Deutschland. ... ................ 175. Dreizehnte Wanderversammlung der botanischen Section in Fürstenstein ... Cohn (Ferdinand), die deutsche botanische Gesellschaft................... — merkwürdiges Vorkommen von Algen in den Breslauer Waschteichen —zefecbar Homerianarı ea nk — Demonstration neuer aus Nordamerika eingeführter Dilatoren........ — DBesprechung des Buches „die Gletscher der Vorzeit“ von Professor Fanlselh es ua er hs ee A BR ya -— Japanische Holzschnitte verschiedener japanischer Nutzpflanzen...... — Demonstration mehrerer aus dem tropischen Südamerika stammender segeanslande zuasr absengene en m nl N rasen Schimmelpilze als Gährunsserreger »............... ......... — bolanlsche Merk red) a AR ea -—_ Ssperoillus olaucus und Kquisetum arvense ...............uncee.. — eeomerumer an beeuwenhoek =... 2 ..u... una. = Ünsersulchune der schlesischen Torfmoere..............n........... =, \onstrositäten unde Gallen a, al. an. nenne, Eidam,. über den Einfluss wechselnder Feuchtiskeit und Temperatur auf die Keimung ‘der Grassamen und der Runkelknäuel...:.............. — über Schimmel, Conidiensporen der Sterigmatocystis nidulans........ zo Nasbenänderungen ber den Aspersilleen............ Me... Franke, über die Entwickelungsgeschichte von Phyllosiphon Arisari...... Göppert, Tauschkatalog des botanischen Gartens von 1882 .............: — über die Flora des Bernsteins und ihre Beziehung zur Flora der IRenbisr Kormauion und den Gegenwart .................... en rüber den Hausschwamm ..........2......... ee Lakowitz, über Welwitschia mirabilis, Rafflesia Schadenbergiana und Pole carolıniana 0 00.00. ne ee a pncht, Moose aus Norweoen. ................H...200 00 dadanen. ende Moose im Sorbuszürtel des Riesengebirges ...........2........ — über einige neue Arten bei den Laub- und Lebermoosen ...... 204. — fortgesetzte Beobachtungen von Quellentemperaturen im Riesengebirge Inhalts-Verzeichniss. Schröter, über einige von Fritze auf Madeira und Teneriffa gesammelte Pilzeli 2: 09ER EIN. MERRE N REDEN SSR A RN. — neue Beiträge zur Algenkunde Schlesiens .......... nr... — Bemerkungen über Keller- und Grübenpilze. I. ............. a... -— über Demonstration. der. Pilze... u... ne Sr = „die. Lampersdorfer Porsten ............ Sa EN AN Stein, Demonstration blühender Orchideen und einiger Flechten aus dem altserbischen Balkan... Mal. a. SER END UN — Demonstration blühender Pflanzen aus dem botanischen Garten | 203.7,,225. 229. ==» Bloravartefacta u. BR DIENT RR 237. — Versuchseulturen von Orobanche auf Pelargonium zonale............ Stenzel, über die Bedeutung der Bildungsabweichungen.................. —- über fossile Farnstämme der Gattung Tubicaulis Cotta.............. v. Uechtritz, über die neuen Funde der schlesischen Phanerogamen-Flora 1881/82. 2- Henn ee — Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamen-Flora .. Werner, Demonstration des japanischen Arisaemum ringens.............. V. Entomologische Section. Letzner, über Hydrophilus aterrimus Esch., Var. barbatus 2. ............. — , über ‚Cistela (Cytilus) varıa BE. und auricoma Dut 2... 0. — über Crytohypnus’riparıus Rab......... u... ot — über die Puppe des Elater (Ampedes) aethiops Lac. scrofa Germ..... — über Otiorhynchus alpinus Richter, monticola Germ. und Otiorhynchus maurus @yl., dubius ‚st... .. 2. .22..... So | Letzner, über ÜCoptocephala rubieunda baich. ..... 2... 2 ar — . über. Timarcha metallica, Laich... 2. 2.2... 2 — über Larve und Puppe der Phytodecta (Gonioctena) rufipes.......... -——. über Phaedon Cochleariae E............ 0.2 er: — über den Status der Coleoptern-Arten Schlesiens’ am Ende des Jahres — über Eumenes pomiformis Spin. (Vespa coarctata Panz.)............. VI. Section für Obst- und Gartenbau. Müller, Generalbericht über die Thätiekeit der Section 0 2.0.2.2. — statistische Notizen über die Verhältnisse der Section ..2............ Brumataleim. 2.2.2.2 1 Se ee ee 318. Bdelreisersin.den Erde überwinterb.. 23... 00 Dee Gartenbau-Ausstellungyin Dieenitz 2... an A Gartenbau Ausstelhinem Hamburen 02 2 Gildner, Pnrsichbäumer im Treibhauser. sen. 0 ee Gireoud, Knollenpesonien 2... man see SER Gürich, Pfieve des Oransenbaumes, im Kübel: nn 2 22 See 324. Gurken neue We ee ee ee Gutachten der Section über die Petition um Erhöhung des Zolles auf ein- geführte Garten- und Obsibauerzeuenisse. ... 0... er... Hiller, über: Weigelien ta oe ne nn u A 319. Jestinser, Cultur der Theerose „Marechal Nieler 2 2 328. Inhalts -Verzeichniss. Jenallnanz Allan A ee RE 07 EEE Kühnau, Zwergjasmin als Brutstätte der Nachtigallen .............. 324. Lorenz, Schädigung der Astern durch eine zur Gattung Trypeta gehörige Fliege. ge an Bao NE RE Müller, Versuchsanbau des allerfrühesten Mais von Boronco......... 325. Nic mierdientzoser MarechaluNielier naleN ) Desek sen au. Zeesletübenr Catalpasispeciosannnn. 22%. us nad) and; 325. Riedel, Einrichtung und Haltung von Compoststätten und Erdmagazinen 323. Scholtz, neue Methode wurzelechter Vermehrung der Remontant-Rosen 324. silber d)xalisscarnosa PayE ME nal samen 325. Schütz, über Acer Ginale, Ceanothus und Clematis und deren Verwendung Zus Gruppen Anptlanzungen. in. Gärten..............une..al.ue 325. — welche Behandlung verlangen die Formbäume, um reichlich Früchte ED ARE ae a ee 325. Stein, über das Prachtwerk Aroideae Maximilianae............. 0.310: Eirebleimen. Veberwinterung der Silene pendula... ....................... — Betrachtungen über die Ursachen des langsamen Fortschrittes des Wbstpauessin Schlesien. 202... en. nn nen 325. Sutter, über Pflanzung und Erziehung von Obst- und Schattenbäumen an UÜhsugesen. „Ss Bes u ee 316. VII. Historische Section. Fun Aueosderlsection nach Bunzlau ............L..s....0.2.un nun. Caro, über den Krieg um die böhmische Krone im Jahre 1474........... Fechner, über die handelspolitischen Beziehungen Schlesiens zu Oesterreich von 740 biszum zweiten 'sehlesischen Kriege... ........ .....2....... Grünhagen, über das Ende des Hussitenkrieges und die Zeit nach dem Tode Selina any sa NR SE — Üulturgeschichtliches aus Schlesien aus dem Anfange des Mittelalters. Köhler, über den Conflict der Stadt Danzig mit der Krone Polen in den Jalnen 18707748 282er se ee — ülbenzdier Schlaeht Dei Wagcliacozzo. .2.....2. ms. .....20n.2.0n..s Markgraf, zur Geschichte des Gewerbe- und Handelsbetriebes in Breslau... Reimann, über die Wahl des Erzherzogs Maximilian zum Coadjutor in Köln. 17a) Seesen a ere R a — Enedisich I. und Joseph I. in den Jahren 177381.......-.....=.... Schimmelpfennig, Herzog Carl I. von Münsterberg - Oels und seine Semester, Margaretha von Anhalt ....................2..Heecnssene. VIII. Geographische Section. Arzruni, über einen Ausflug von Tiflis in die Provinz Gundsak (Elisabethpol) Cohn (Ferdinand), Bericht des Oberstabsarztes Schneider in Soerabaya über die in Folge der Eruption des Krakatau vom 26. bis 28. August ce. in der Sundastrasse eingetretenen Erscheinungen ...........-...-......- Galle, allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Königl. Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1883 ..........: 396 Inhalts -Verzeichniss. Seite Nekrologe der im Jahre 1883 verstorbenen Mitglieder der Gesellschaft: Kaufmann Heinrich Rudolph Tietze, Gabriel Nowack, Zahnarzt Dr. Jonas Bruck, Oberstlieutenant Carl Nowag, Geheimer Commissionsrath Dr. Isaak Cohn, Rittergutsbesitzer Wilhelm v. Löbbecke, Sanitätsrath Dr. Joseph Eger, Dr. Max Süskind, Kaufmann Carl "Theodor Burghart, Stadtrath Hermann Severin, Medicinal-Assessor Franz Julius Kretschmer, Apotheker Johann Spatzier in Jägerndorf, Pastor Joachim Leopold Haupt in Görlitz, Geh. Rath Carl August Alfred Freiherr v. Wolzogen in Schwerin, Professor Dr. Gabriel Gustav Valentin in Bern, Sir Edward Sabine in Richmond, Professor Dr. Oswald Heer in Zürich, Geheimer Archivrath Dr. Georg Christian Friedrich Lisch in Schwerin, Joachim Barrande in,Prae. ... u. 2. ung RL RUSS sr ot 403 Allgemeiner Bericht über die Wirksamkeit und die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahre 1883, abgestattet von Staatsanwalt von Vechtritz, z. Z. General-Secretair. Mit dem Schlusse des Jahres 1883 blickt die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur auf einen 80jährigen Zeitraum ihres Bestehens, ihres Wirkens auf dem Gebiete des Wissens überhaupt und der Förde- rung gemeinnütziger Zwecke in der heimathlichen Provinz. Fast die Hälfte dieses Zeitraumes, mehr als ein Menschenalter hindurch, erfreute sich die Gesellschaft der Führung und Leitung ihres hochverdienten Präses, — sie hofft auch ferner unter seiner Leitung gedeihlich zu wirken, nachdem im Laufe des Jahres sie das Glück gehabt, ihn von schwerer Krankheit zu alter Frische genesen zu sehen. Die Gesellschaft sah jedoch zu ihrem innigen Bedauern ein ver- dientes Mitglied ihres Directorii, den bisherigen zweiten General-Secretair, Herrn Gymnasial-Direetor Professor Dr. Heine, aus ihrem Vorstande scheiden, da derselben in Folge seiner Berufung zum Director der Ritter-Akademie zu Brandenburg Breslau und die Provinz Schlesien ver- lassen hat. Die Gesellschaft hatte in dem vergangenen Jahre die Freude, ihr Ehrenmitglied, den Königlichen General-Lieutenant, Präsident des König- lichen geodätischen Instituts zu Berlin, Herrn Dr. Baeyer, zu seinem 60jährigen, ihre wirklichen Mitglieder, Königlichen Director des Pomologischen Instituts zu Proskau, Herrn Oekonomie-Rath Stoll, zu seinem 50jährigen Dienstjubiläum, sowie die Herren Sanitätsrath Dr. Hirschfeld, Realschulen-Direetor a. D. Dr. Kletke, Geh. Medicinal- _ Rath Dr. Wendt, Geheimen Sanitätsrath Dr. Blümner, Geheimen Sanitätsrath Dr. Krocker zu ihren 50jährigen und Herrn Geheimen Sanitätsrath Dr. von Scholz in Schweidnitz’ zu seinem 60jährigen 1883. a II Jahres-Bericht Doctor-Jubiläum, sowie Herrn Gutsbesitzer Kiesling zu Hirschberg zu seiner 50jährigen Mitgliedschaft in der Gesellschaft zu beglückwünschen. Sie hatte die Freude, einem ihrer Töchtervereine, dem Verein für das Museum schlesischer Alterthümer, zur Feier seines 25jährigen Bestehens, der Oberhessischen Gesellschaft für Natur und Heilkunde in Giessen und dem Museum Francisco Carolinum in Linz zur Feier ihres 50jährigen Bestehens ihre Glückwünsche darzubringen. Im Laufe des Jahres verlor die Gesellschaft durch den Tod die wirklichen Mitglieder: Dr. med. Bruck, Kaufmann Th. Burghart, Dr. phil., K. u. K. Oest.-Ung. Consul, K. Geh. Commissions-Rath J. Cohn, Sanitätsrath Dr. Eger, Prof. Dr. Heinzel, Medieinal-Assessor Apotheker Kretschmer, Dr. phil. Nowack, Kgl. Oberst-Lieutenant a. D. Nowag, . Dr. med. Süskind, Stadtrath Severin, Kaufmann Rudolf Tietze, Königl. Kammerherrn Kraker von Schwarzenfeld, Rittergutsbesitzer Wilh. v. Löbbeeke und Geh. Sanitäts-Rath Dr. Schnitzer; sowie die Ehrenmitglieder: Dr. phil. Joachim Barrande in Prag und Archi- diaconus Haupt in Görlitz; endlich die correspondirenden Mitglieder: Professor Dr. Oswald Heer in Zürich, Grossherzoglich Mecklenburg- Schwerinschen Geh. Archivrath Dr. Lisch in Schwerin, Direetor des bota- nischen Gartens in Münster, Professor Dr. Nitschke, Apotheker Joh. Spazier in Jägerndorf, Professor Dr. med. Valentin in Bern, Geh. Justizrath Professor Dr. Wittein Halle und Grossherzoglich Meeklenburg- Schwerinscher Kammerherr, Hoftheater-Intendant, Königl. Regierungs- Rath a.D. Alfred Freiherr v. Wolzogen. Ausgetreten sind, meist wegen Verlegung des Wohnsitzes, 19 Mit- glieder; dagegen sind im Jahre 1883 folgende 16 Mitglieder neu auf- genommen worden, nämlich die Herren: Dr. phil. Kunisch, Kaufmann Gustav Bock, Kaufmann Oscar Grüttner, Stadtphysicus Dr. med. Schwahn, Lehrer an der höheren Bürgerschule G. Bauch, Gymnasial- Lehrer Dr. F. Böttner, Gymnasial-Lehrer Dr. Körber, Director des Kgl. Matthias-Gymnasiums Dr. Oberdick, Privatdöcent Dr. F. Schwarz, Fabrikant und Kaufmann Max Bartsch, Landschafts-Syndicus Königl. Justizrath Trautwein, Provinzial-Schulrath Dr. Tschackert, Professor Dr. Arzruni, Professor Dr. v. Richter und Assistenzarzt am Aller- heiligen-Hospital Dr. med. Wolff. Zum Ehren-Mitgliede wurde ernannt Herr Professor Dr. Heine, Direetor der Ritter-Akademie in Brandenburg. Das Diplom als correspondirende Mitglieder empfingen die Herren: Dr. Don Mariano del Amo y Mora, Professor in Granada, Dr. Don Benito Hernando y Espinosa, Professor in Granada, Professor Dr. Kanitz, Director des botanischen Gartens in Klausenburg, Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin, und Dr. phil. Alwin Schulz, Professor in Prag. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. III Gegenwärtig zählt die Gesellschaft: 428 wirkliche Mitglieder, 41 Ehrenmitglieder, 174 correspondirende Mitglieder. Die Section der Gesellschaft für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 364 Mitgliedern. Dieser unserer Section für Obst- und Gartenbau ist auch für das Jahr 1883 Seitens des Provinzial-Landtages der Provinz Schlesien eine Unterstützung von 1650 Mark gewährt worden, wofür wir hier auch öffentlich unseren Dank aussprechen. Am 16. December d. J. wurde das achtzisjährige Stiftungsfest der Gesellschaft unter lebhafter Betheiligung gefeiert. Zum Mitglied des Curatorii des Provinzial- Museums der bildenden Künste wurde an Stelle des ausscheidenden Herrn Gymnasial-Director Prof. Dr. Heine Herr Geh. Medieinal-Rath Prof. Dr. Biermer und zu dessen Stellvertreter Herr Medicinal - Rath Professor Dr. Hasse sewählt. | Eine andere Publication als die des Jahresberichts der Gesellschaft ist in diesem Jahre nicht erfolgt. Allgemeine Versammlungen haben in dem Jahre 1883 ausser der ordentlichen General-Versammlung am 7. December, in welcher das Direetorium für die Etatsperiode 1884/85 gewählt wurde, nicht statt- gefunden. Auch in diesem Jahre hat die Thätigkeit der Gesellschaft hauptsächlich in den Sectionen Ausdruck gefunden. Ueber diese Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren Sections-Secretaire Folgendes berichtet: | Naturwissenschaftliche Section. (Seeretaire: Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Prof, Dr. Poleck.) | Die Section hat. sich im Jahre 1883 sieben Mal versammelt und wurden nachstehende Vorträge gehalten: 1. Sitzung am 24. Januar: Geh. Bergrath Althans über neuere Aufschlüsse von Blei- und Zinkerzen in Oberschlesien; — Dr. Kunisch über paläontologische Funde in Oberschlesien; — Prof. Poleck theilte die Resultate der chemischen Untersuchungen über die Oxydations - Pro- ducte des Japan-Kamphers von Dr. Täuber und des Saffrols von Dr. Schiff mit. 9. Sitzung am 21. Februar: Bergmeister Dr. Kossmann über Erz- sänge und Gang-Mineralien in den oberschlesischen Kohlenflötzen; — Prof. Galle über den letzten Venus-Durehgang, den grossen Kometen des Jahres 1882 und die internationalen astronomischen Telegramme. 3. Sitzung am 25. April: Dr. Gissmann über Kairin; — Prof. Dr. v. Richter über Cinnolin-Derivate. 4. Sitzung am 27. Juni: Geh. Rath Prof. Dr. Göppert über ober- italienische Gärten; — Prof. Dr. Poleek und Apotheker Thümmel at IV Jahres-Bericht vorläufige Mittheilung über die Einwirkung von Arsen-, Antimon- und Schwefelwasserstoff auf Silbernitratlösung; — Prof. Poleck theilte die Resultate einer neuen chemischen Untersuchung des Jalapins durch Dr. Samelsohn mit. 5. Sitzung am 24. October: Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer über ein grosses Geschiebe aus der oberschlesischen Steinkohle, über die Gat- tung Dietyophyton und über die Versammlungen der British Association ; — Prof. Dr. Poleck und Apotheker Thümmel über einige neue Silber- verbindungen und die Arsenprobe der Pharmaecopoe. 6. Sitzung am 14. November: Privat-Docent Dr. Joseph über das Nervensystem der Cestoden; — Prof. Dr. Arzruni mineralogische Mit- theilungen; — Prof. Dr. Poleck Bericht über das Verhalten des Chlor- kalks beim längeren Aufbewahren auf Grund einer neuen Untersuchung des Apothekers 'Thümmel; — Bergmeister Dr. Kosmann über das zum Abteufen von Schächten im schwimmenden Gebirge von Ingenieur H. Pötsch erfundene Gefrierverfahren. 7. Sitzung am 12. December: Prof. Dr. Ferd. Cohn über einige Fermentationsproducte aus Asien; — Dr. Gürich über einige neue Saurier aus dem Muschelkalk von Oberschlesien; — Prof. Dr. Poleck über Verdichtung von Gasen und speciell über flüssige und feste Kohlen- säure, In derselben Sitzung wurden die beiden Secretaire durch Acelamation für die nächste Etatsperiode wiedergewählt. | Die entomologische Section (Seeretair: Reetor emer. K. Letzner) hat im Jahre 1883 11 Versammlungen gehalten, welche von Gästen im Ganzen zahlreich besucht waren. Vorträge hielten Herr Baumeister Fein und der Secretair der Section. Für die neue Etatszeit wurde der bisherige Secretair wiedergewählt. Die botanische Section (Seeretair: Professor Dr. Ferdinand Cohn) hat im Jahre 1833 zehn ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung gehalten. Es trugen vor die Herren: Dr. Eidam über eine tödtliche, durch Injection eines Schimmel- pilzes erzeugte Nierenkrankheit bei Kaninchen; — Geh. Rath Professor Dr. Göppert über den Tauschkatalog des Breslauer botanischen Gar- tens — über die Flora des Bernsteins und ihre Beziehung zur Flora der Tertiärformation — über Hausschwamm; — Dr. Max Franke über Phyllosiphon Arisari; — Realschullehrer G@. Limpricht über neue Laub- und Lebermoose aus Schlesien und Norwegen — über die Moos- flora im Sorbusgürtel des Riesengebirges — über Quellentemperaturen im Riesengebirge; — Oberstabsarzt Dr. Schröter über die von R. Fritze der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. V in Teneriffa gesammelten Pilze — neue Beiträge zur schlesischen Algen- flora — über die Pilze der Keller und Gruben — über die mit der Schlesischen Gartenbau - Ausstellung in Liegnitz verbundene Pilz - Aus- stellung — über eine Pilzexcursion in die Lampersdorfer Forsten; — Königl. Garten-Inspector B. Stein über interessante Pflanzen des Bres- lauer botanischen Gartens — über eine neue schlesische Flechte — über Sedum rubens Vill. — über Cultur von Orobanchen — über Ver- wendung künstlicher Blumen zu Lehrzwecken; — Prof. Dr. Stenzel über fossile Farnstämme; — Herr R, v. Uechtritz über neue Funde der schlesischen Flora; — der Secretair der Section über die deutsche botanische Gesellschaft — über die systematische Förderung wissen- schaftlicher Landeskunde — über Partsch, Untersuchung von Gletscher- spuren im Riesengebirge — über japanische Culturpflanzen — über Schimmelpilze als Gährungserreger — über Untersuchung schlesischer Torf-, Wald- und Wiesenmoore — verschiedene Demonstrationen. Die dreizehnte Wanderversammlung schlesischer Botaniker fand am 17. Juni in Fürstenstein und Salzbrunn statt; die mit ihr verbundene ausserordentliche Sitzung wurde unter Vorsitz des Herrn Ober-Regierungs- Raths Schmidt gehalten; es trugen vor die Herren: Dr. Eidam über Einfluss der Feuchtigkeit auf Keimung der Runkel- rüben — Demonstration der Zygosporen von Rhizopus, der Wurzel- bildung entrindeter Weidenzweige, eines Modells vom Roggenkorn,; — Prof. Dr. Körber über Moleeularbewegung; — Dr. Lakowitz Demon- stration von Welwitschia und Rafflesia Schadenbergiana; — Kgl. Garten- Inspector Stein über künstliche Blumen für Lehrzwecke; — Professor Dr. Stenzel über Bildungsabweichungen der Pflanzen. Unserem correspondirenden Mitgliede Dr. R. Peck in Görlitz wurde zu seinem 60. Geburtstage von Seiten der Section ein Glückwunsch- schreiben übersendet. Zur wissenschaftlichen Erforschung der schlesischen Moore wurde von der Section eine Commission ernannt, bestehend aus den Herren Beohn. Göppert, Limpricht, Körber, Schröter, Stein, Stenzel, v. Uechtritz; ein an den schlesischen Provinzial - Landtag gerichtetes Gesuch um Bewilligung einer Subvention zur Bestreitung der Kosten ist dem Provinzial - Ausschuss zur Berücksichtigung empfohlen worden. Bei der Wahl des Secretairs wurde der bisherige wiedergewählt. Die geographische Section (Seeretair: Professor Dr. Galle) hat im Jahre 1333 zwei Sitzungen gehalten. 1) In der Sitzung vom 9. Mai berichtete Herr Dr. Hermann Kunisch über das schlesisch-böhmische Erdbeben vom 31. Januar d.J. fj VI Jahres-Bericht 2) In der Sitzung vom 5. December theilte Herr Prof. Ferdinand Cohn einen Bericht des Dr. Fritz Schneider in Holländisch -Indien mit über die vuleanischen Eruptionen und die Erdbeben-Erscheinungen am 26.—28. August. — Herr Prof. Arzruni berichtete über eine von ihm ausgeführte Reise im östlichen Kaukasien. — Herr Dr. Kunisch be- richtete über eine österreichische Bearbeitung des schlesisch-böhmischen Erdbebens vom 31. Januar. Bei der vorgenommenen Wahl als Secretair wurde der bisherige wiedergewählt. Die medieinische Section (Secretaire: Professor Dr. Berger und Professor Dr. Ponfick) hat im Laufe des Jahres 15 Sitzungen gehalten. | 1. Sitzung vom 26. Januar. Herr Prof. Neisser: a. Ueber Xero- derma pigmentosum, mit Krankenvorstellung; b. Ueber Leukoderma sv- philitieum; ce. Demonstration eines Lepra-Kranken. 2. Sitzung vom 19. Februar. Herr Privatdocent Dr. Kroner: De- monstration einer Nabelschnurtorsion. Herr Dr. Krafft: a. Ueber Careinoma uteri; b. Demonstration eines Falles von Achsendrehung des Dickdarms. 3. Sitzung vom 2. März. Herr Dr. Wolff: Ueber paroxysmale Haemoglobinurie. Herr Prof. Ponfick: Ueber Haemoglobinaemie und deren Folgen. 4. Sitzung vom 16. März. Herr Dr. Simm: Ueber einen Fall von solitärem Pono-Tuberkel. / 5. Sitzung vom 20. April. Herr Dr. Unverricht: Experimentelle und klinische Untersuchungen über die Epilepsie. 6. Sitzung vom 27. April. Herr Prof. Hirt: Das Hospiz „La Sal- petriere‘ in Paris und die Charcot’sche Klinik für Nervenkrankheiten. 7, Sitzung vom 11. Mai. Herr Prof. Hirt: Deber einige neuere Färbemethoden für die nervösen Oentralorgane, mit Demonstration von Präparaten. Herr Dr. Krauss: a. Demonstration eines Falles von Echinococeus des Herzens; b. Arthritis deformans des linken Hüft- und Kniegelenks. 8. Sitzung vom 1. Juni. Herr Dr. Wolff: Ueber doppelseitige fortschreitende Gesichtsatrophie, mit Demonstration. Herr Privatdocent Dr. E. Fränkel: Zur Ovariotomie. 9. Sitzung vom 22. Juni. Herr Dr. Krauss: Demonstration eines enormen Hydrocephalus. Herr Primär-Arzt Dr. Riegner: Demonstration eines ulcerösen Carcinoms der Harnblase. Herr Prof. Dr. Berger: Demonstration eines corticalen Erweichungsherdes im Gehirn. 10. Sitzung vom 29. Juni. Herr Geh. Rath Prof. Heidenhain: Ueber pseudomotorische Nervenwirkungen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. VII 11. Sitzung vom 6. Juli. Herr Prof. Dr. Gierke: Die Stützsubstanz des centralen Nervensystems. 12. Sitzung vom 16. November. Herr Prof. Hirt: Zur Behandlung der Epilepsie. Herr Prof. H. Cohn: Die Sehschärfe bei abnehmender Beleuchtung. 13. Sitzung vom 23. November. Herr Dr. Krauss und Herr Dr. E. Fränkel: Demonstration eines Falles von Thoracopagus. Herr Privatdocent Dr. Buchwald: Demonstration eines Falles von Haut- atrophie. 14. Sitzung vom 30. November. Herr Medieinalrath Prof. Fritsch: Welche von den antiseptischen Massregeln bei Geburten sind für den praktischen Arzt nöthig? Herr Dr. Eger und Herr Dr. Krauss: Anurie und Uraemie durch Nierensteine. 15. Sitzung vom 14. December. Herr Primär-Arzt Dr. Riegner: Ueber Exstirpation des Mastdarms wegen ausgedehnter Geschwürsbildung. Herr Dr. E. Fränkel: Demonstration eines Falles von Dermoideyste des Eierstockes. Zu Secretairen für die nächste Etatszeit werden die Professoren Berger und Ponfick wiedergewählt. Die Section für öffentliche Gesundheitspilege (Secretaire: Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer, Professor Dr. Förster und Bezirks-Physieus Dr. Jacobi) hatte 6 Sitzungen. I. Sitzung am 2. Februar. Discussion über den Antrag des Herrn Dr. Leppmann vom 15. December 1882: „Ueber die sanitätspolizei- lichen Postulate zur Prophylaxe der Lues.‘ — Sodann Verhandlung über den Antrag des Herrn Dr. Asch: .‚den Magistrat um die Einrichtung bestimmter Formulare zur Meldung infectiöser Krankheiten zu er- suchen.‘ II. Sitzung am 9. März. Herr Dr. E. Stern hielt einen Vortrag: „Zur Localstatistik infeetiöser Erkrankungen.‘ — Sodann Commissions- Bericht seitens der Herren Prof. Dr. Neisser und Dr. Asch. _ —_ DI. Sitzung am 6. April. Herr Prof. Dr. H. Cohn demonstrirt ein Modell der Accommodation des Auges und die Beyer’sche Schulbank. — Herr Bezirks-Physicus Dr. Jacobi sprach ‚über die Sterblichkeitsziffer von Breslau.‘ | IV. Sitzung am 4. Mai. Herr Sanitätsrath Dr. Schlockow spricht „über einige Ursachen der Verbreitung der Lungenschwindsucht.‘ V. Sitzung am 9. November. Commissions-Bericht „über Leichen- hallen“ seitens des Herrn Bezirksphysieus Dr! Jacobi. — Discussion VIll Jahres - Bericht über ein Schema zu „Rathschlägen, betreffend die Ernährung kleiner Kinder“. VI. Sitzung am 14. December. Wahl der Secretaire. Section für Obst- und Gartenbau. (Seeretair: Stadtrath E. H. Müller.) Diese Section hielt im Jahre 1883 neun Sitzungen. Vorträge hielten: Herr Garten-Inspector Stein über die Aroideen des Kaisers Maximilian, Herr Landes-Bau-Inspeetor Sutter über Pflan- zung und Erziehung von Obst- und Schattenbäumen an Chausseen, und der Gärtner der Section, Herr Jettinger, über die Cultur der Theerose Marechal Niel. Zur Vorlesung gelangten eine Anzahl kürzere Berichte, Mittheilungen und Artikel, sowie längere Abhandlungen auswärtiger Mitslieder und wurde ausserdem über innere Angelegenheiten der Section und über ver- schiedenes von gärtnerischem Interesse verhandelt. Auch fand auf Veranlassung des Herrn Ober-Präsidenten der Provinz und des Schlesischen landwirthschaftlichen Central-Vereins eine ausser- ordentliche Sitzung von sachkundigen hiesigen und auswärtigen Mitgliedern statt zur gutachtlichen Aeusserung darüber, ob und wie hohe Zölle auf Gartenproducte bei deren Einführung über die Grenzen des Deutschen Reiches wünschenswerth erscheinen? Mit sachverwandten Vereinen wurde der Schriftenaustausch fort- gesetzt und die in dem Lesezirkel in Umlauf gewesenen Fachschriften der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft zugeführt. Eine unentgeltliche Vertheilung ansehnlicher Sortimente von Säme- reien empfehlenswerther Gemüse- und Zierpflanzen an Mitglieder zum Versuchsanbau erfolgte auch gegen das Frühjahr dieses Jahres. Hohen Provinzialständen hatte die Section wiederum dieselbe Sub- vention wie in den Vorjahren zur Unterhaltung des pomologischen und resp. Obst-Baumschul- und Versuchsgartens zu verdanken. Die sich an- dauernd bewährende Bewirthschaftung dieses Gartens wird fortgesetzt; aus den im vorigen Jahre erwähnten Gründen hat der Ertrag desselben sieh noch nicht über den vorjährigen erheben können, es sind jedoch die Aussichten zu dessen Wiederaufbesserung als günstig zu bezeichnen. Eine theilweise Neubedachung der in dem Garten vorhandenen Bau- lichkeiten war erforderlich und veranlasste einen nicht unbedeutenden Kostenaufwand; dessen ungeachtet blieben die Kassenverhältnisse der Section befriedigende. Die für die nächste Etatszeit stattgehabten Wahlen führten nur die eine Aenderung in den Personen der Functionäre der Section herbei, dass Herr Juwelier Herrmann sein Amt als zweiter resp. stellvertretender der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. IX Secretair niederzulegen wünschte und hiernach für dasselbe Herr Kauf- mann und Fabrikbesitzer J. Kramer gewählt wurde. Die historische Section | (Seeretair: Director Professor Dr. Reimann) hat im Jahre 1883 folgende zehn Sitzungen abgehalten: 1. Sitzung am 25. Januar. General z. D. Köhler: Der Confliet der Stadt Danzig mit der Krone Polen in den Jahren 1576 und 1577. 2. Sitzung am 15. Februar. Dr. Schroller: Culturhistorische Bilder aus Oesterreich-Schlesien. 3. Sitzung am 1. März. Prof. Dr. Grünhagen: Das Ende der Hussitenkriege und die Zeit nach dem Tode Kaiser Sigismunds. 4. Sitzung am 15. März. Pastor em. Dr. Schimmelpfennig: Herzog Karls I. von Münsterberg-Oels und seiner Schwester Margarete von Anhalt Stellung zur Reformation. Aus ungedruckten Briefen Herzog Karls, 5. Sitzung am 20. September. 1) Prof. Dr. Grünhagen: Cultur- geschichtliches aus Schlesien am Ausgange des Mittelalters. — 2) Der Secretair: Die Wahl des Erzherzogs Maximilian zum Coadjutor in Köln und Münster 1780. 6. Sitzung am 13. October. Der Secretair: Friedrich II. und Joseph II. in den Jahren 1779—82. 7. Sitzung am 1. November. Prof. Dr. Caro: Der Krieg um die böhmische Krone im Jahre 1474. 8. Sitzung am 15. November. Dr. Markgraf: Zur Geschichte des Gewerbe- und Handelsbetriebes in Breslau. 9. Sitzung am 29. November. Prof. Dr. Fechner: Die Handels- beziehungen Schlesiens zu Oesterreich 1741—1744. 10. Sitzung am 13. December. General z. D. Köhler: Ueber die Schlacht bei Tagliacozzo. Zum Seecretair für die nächste Etatszeit wurde der bisherige wieder- gewählt. Die philologische Section (Secretair: Gymnasial-Oberlehrer Dr. Peiper) versammelte sich im laufenden Jahre zu drei verschiedenen Malen. Am 15. Januar hielt Herr Dr. Bauch einen Vortrag über Joh. Rhagius Aesticampianus. Am 12. Februar setzte derselbe seinen Vortrag fort und sprach über die Vertreibung des Rhagius Aesticampianus aus Leipzig durch die Scholastiker. x Jahres - Bericht Am 18. December machte der Seeretair Bemerkungen zur Ge- schichte der von den Schweden 1632 verwüsteten Breslauer Dom- bibliothek. Bei der Wahl des Seeretairs wurde der bisherige für die nächste Etaiszeit wiedergewählt. Die musikalische Section (Seeretair: Musikdireetor Professor Dr. Julius Schäffer) versammelte sich im Laufe des Jahres einmal und zwar am 20. December. Der Secretair hielt einen Vortrag über den Antheil Seb. Bach’s an der Ausführung des Accompagnements in seinen Compositionen. Bei der vorgenommenen Wahl zum Seecretair wurde der bisherige wiedergewählt, | Bericht über den Kassen- Abschluss pro 1882. Für die allgemeine Verwaltung betrug laut Abschluss der Bestand am 31. December 1881 2526 Mark 34 Pf. baar und 29100 Mark in Effecten. Die Einnahmen im Laufe des Jahres 1882 beziffern sich zusammen auf 9114 Mark 40 Pf. gegen 9290 Mark 15 Pf. im Vorjahre, die Aus- gaben auf 11441 Mark 56 Pf. (einschliesslich 2513 Mark 95 Pf. für er- kaufte 2500 Mark Effeeten) gegen 7959 Mark 29 Pf. im Vorjahre. Der Effecten-Bestand hat sich um 2500 Mark Preuss. cons. 4proc. Anleihe auf 31 600 Mark vermehrt, wogegen der Baarbestand auf 199 Mark 18 Pf. zurückgegangen ist. Die Effeeten befinden sich in dem Depositorium des Magistrats hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt. Aus der Kassen-Verwaltung der Special-Kasse unserer Section für Obst- und Gartenbau ist hervorzuheben, dass die Einnahmen einschliess- lich einer Subvention von 1650 Mark seitens des schlesischen Provinzial- Landtages 8301 Mark 32 Pf., die Ausgaben dagegen 8249 Mark 53 Pf. betragen haben; in letzteren Summen befinden sich 1965 Mark 82 Pf. für gekaufte 1900 Mark diverse schlesische Eisenbahn - Prioritäts - Obli- gationen. Der Effecten-Bestand hat sich um 1900 Mark, auf 11 800 Mark, er- höht und war am Schluss des Jahres ein Baarbestand von 178 Mark 36 Pf. vorhanden. Das Gesammt-Vermögen der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur beträgt am 31. December 1832 43400 Mark in Effeeten und 377 Mark 54 Pf, baar, zusammen 43 777 Mark 54 Pf. Bülow, z. Z. Schatzmeister. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XI Die naturhistorischen Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur haben im Laufe des Jahres 1833 keine wesentliche Veränderung in ihrem Bestande erlitten. Dagegen war die Benutzung der Herbarien von Seiten hiesiger Botaniker eine vielfach rege. Mit der Revision der grossen Henschel’schen Sammlung wurde fortgefahren und dabei die Wahr- nehmung gemacht, dass die vor etwa 18 Jahren erfolgte Sublimatisirung derselben noch immer sich als kräftiges Schutzmittel gegen Insectenfrass bewährt. Unter letzterem leidet dagegen das Herbarium schlesischer Pflanzen, das einer Sicherstellung durch irgend welche chemische Mittel dringend bedarf. Eine längere Zeit in Anspruch nehmende Arbeit für den Unter- zeichneten war die Abfassung eines genauen Verzeichnisses der Mine- ralien- und Petrefacten-Sammlung, welche vor einigen Jahren aus dem Nachlass des Generals v. Gansauge in Berlin der Schlesischen Gesell- schaft geschenkt worden war. Das Verzeichniss, geordnet nach dem Inhalt der einzelnen Schubkasten, soll der Sammlung beigelegt werden. Professor Dr, Körber, Custos der naturhist. Sammlungen, Bericht über die Bibliotheken der Schlesischen Gesellschaft für das Jahr 1883. Ausgeliehen wurden im abgelaufenen Jahre zwar nur 420 Bücher, also 149 weniger als das Jahr zuvor, dafür aber wurde die Bibliothek während der Amtsstunden an Ort und Stelle häufiger als bisher benutzt. Neue Verbindungen wurden angeknüpft mit dem Nationalmuseum in Rio de Janeiro und mit der medicinischen Gesellschaft in Chicago. Der Zu- wachs beziffert sich für das verflossene Jahr auf 1399 Nummern. Er setzt sich zusammen: 1. aus dem Ankauf des botanischen, medicinischen und technischen kesecirkels..) 7, NR UND 43 Bände, 2. aus anderweitigen Netiänsehaffingen DE a 5 all 3. aus den a ennaen der Obst- und Gartenbau- Bection , .. 48 4. aus den im Merschrerbande een Schalten. a. aus dem aussereuropäischen Auslande . . 42 b. aus dem europäischen Auslande . . . . 418 e, aus dem deutschen Reiche . . ......:.. 626 d. aus Schlesien . . 105, lol. 5. aus Geschenken der Me eh Ba Anwendungen, . 00... 0.00% So in m 1399 Bände, von denen 123 der Schlesischen, der Rest der ‚allgemeinen Bibliothek einverleibt wurde. X1l Jahres- Bericht Als Geschenk ging der Bibliothek zu von Herrn Professor Albrecht in Brüssel 1, Freiherrn v. Borek in Innsbruck 2, Professor Borgi in Vallombrosa 3, Professor Dr. H. Cohn hier 1, Bürgermeister Dengler in Reinerz 2, Director Engler in Kiel 1, Commissionsrath Flatau in Berlin 4, Dr. Frerichs in Marburg 1, Geh. Medieinalrath Göppert hier 6, Geh. Sanitätsrath Dr. Grätzer hier 1, Professor Hartig in München 1, Prof. Hernando in Granada 1, Pastor Kuske in Löwen 1, Professor Orth in Berlin 1, Professor Penzig in Modena 3, Kaplan Richter in Ebersdorf 2, Professor Sandberger in Würzburg 1, Dr. Schneider in Soerabaija 1, Dr. Schreiber in Leipzig 1, Bibliothekar Dr. Senoner in Wien 1, Dr. Sonderegger in St. Gallen 4, Ver- sicherungs-Inspector Temple in Budapest 11, Staatsanwalt v. Uechtritz hier 1, Dr. Volger in Frankfurt a. M. 1, Professor Waldeyer in Strassburg 1, Director Weniger in Eisenach 1, Professor Wiesner in Wien 1, lauter eigene, grösstentheils im Laufe des Jahres erschienene Arbeiten resp. Werke; ausserdem von den Verlags - Buchhandlungen Aderholz 3, Max Müller 1 und Trewendt 1 Band von in ihrem Verlage erschienenen Werken. Sonst erhielt die Bibliothek noch von Herrn Geh. Rath Göppert 6 Piecen und eine Anzahl Nummern des Wanderers im Riesengebirge, von Herrn Stadtrath Müller 2 Convolute (31 und 125 die Breslauer Stadtverwaltung betreffende autographirte und gedruckte Schriftstücke), von Dr. Senoner in Wien 1, Staatsanwalt v. Uechtritz hier 9, Frau Forstsecretair Witowsky in Ratibor 4 und anderweitig noch 3. Indem ich allen verehrten Gebern im Namen der Gesellschaft hier- mit den verbindlichsten Dank ausspreche, kann ich mirs nicht versagen, die Freunde und Gönner unserer Bjbliothek zugleich um die Fortdauer und Erhaltung ihres Wohlwollens angelegentlichst zu ersuchen. Im Tauschverbande gingen ein: Aus Amerika von der American Academy of Arts and Sciences in Boston 1, von der Society of Natural history daselbst 6, von dem Museum of com- parative Zoology at Harvard College 13, von der American Medical-Asso- ciation in Philadelphia 1, in Chicago 1 (Journal of Ihe American Medical- Association), von der Smithsonian Institution in Washington 3, von der Wisconsin Academy of Sciences, Arts and Letters 1, von dem Weather Service in Jowa City 3, vom National-Museum in Rio de Janeiro 2, zusammen 31; aus Asien von der Geological Survey of India in Calcutta 10; aus Australien vom botanischen Garten in Adelaide 1; in Europa aus Italien von der Accademia delle scienze dell’ Istituto di Bologna 1, von der Societü di leiture in Genua 8, vom Istituto Lom- bardo in Mailand 3, von der Societü italiana di scienze naturali da- selbst 5, von der Societä cerittogamologica ilaliana 1, von der Socielü dei naturalist in Modena 3, von der zoologischen Station in Neapel 3, von der socielüa di acclimazione in Palermo 8, von der Societü Toscana der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XII di scienze nalurali in Pisa 2, aus Rom von der Accademia dei Lyncei 5 Bände Memorie und Band VII der Transunti, von der geographischen Gesellschaft 2 und Band VIII des Bolletino, aus Venedig vom Istitulo Veneto 15 und vom Ateneo Veneto 1 und aus Verona von der Accademia d’agricoltura, arti e commercio 2, in Summa 61; aus Frankreich von der Socidie des sciences physiques et naturelles in Bordeaux 2, von der sSocidie des sciences naturelles et mathematiques in Cherbourg 3, von der Societe Linneenne in Lyon 1, von der Academie des sciences in Montpellier 2, von der Societe des sciences in Nancy 2, von der Societe geologigue de France in Paris 13 Hefte ihres Bulletins, zusammen 23; aus Grossbritannien und Irland von der Philosophical Sociely in Cambridge 5, von der Royal Society und der Royal Irish Academy in Dublin 14, von der Royal Society in London 6, von der Microscopical Dociety ebendaselbst 6, zusammen 31; aus Belgien von der Societe royale de medecine 13, von der Societe de Botanique 2, von der sSocietE malacologigue 5, von der Academie de sciences, des letires et des beau& arts, sämmtlich in Brüssel 15, von der Societe des sciences in Lüttich 1 und von der belgischen geologischen Gesellschaft daselbst 1, zusammen 37; aus Holland von der Akademie der Wissenschaften in Amsterdam 4, von der holländischen Gesellschaft der Wissenschaften in Haarlem 4, dem Museum Teyler 1, von der Maatschappy der Nederlandsche Letier- kunde in Leyden 2, von der dierkundige Vereeniging daselbst 1, von dem Königl. Institut (historische Section) in Luxembourg 1, von der bota- nischen Gesellschaft daselbst 1, von der Niederländischen botanischen Gesellschaft in Nymwegen 2, von der Universität Utrecht 38, in Summa 54; aus Dänemark von der Königl. Akademie 11, von der Societe des anti- quaires du Nord 1, von der botanischen Gesellschaft 1, von der Nordiske Oldskrift Selskab 4, von der Universität, sämmtlich in Kopenhagen 14, zusammen 31; aus SS hveden und en von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaftrn in Upsala 1, von der Norske Nordhavs ewpedition in Christiania 3, zusammen 4; aus Russland von der Academie imp. des sciences 1, von der Commission archeologique 2, von der geographischen Gesellschaft 6, von der ento- mologischen Gesellschaft 4, vom botanischen Garten, sämmtlich in Petersburg 2, von der gelehrten esthnischen Gesellschaft in Dorpat 1, von der Societas pro Fauna Fennica in Helsingfors 1, von der Lettischen literarischen Gesellschaft in Mitau 1, von der Societe des naturalisies in Moskau 6, von der Gesellschaft für Gechichte und Alterthumskunde der russischen Östseeprovinzen in Riga 2 und vom Naturforscher- Verein daselbst 1, zusammen 27; aus Oesterreich- Uanden von der Gewerbeschule in Bistriz 1, von der mährisch-schlesischen Gesellschaft in Brünn 1, vom naturfor- schenden Verein daselbst 2, von der Redaction der Zeitschrift Riesengebirge in Freiheit 2, aus Graz vom deutschen akademischen Leseverein 1, vom naturwissenschaftlichen Verein für Steiermark 1, vom historischen Verein 3, aus Hermannstadt vom $Siebenbürgischen XIV Jahres-Bericht Verein für Naturwissenschaft 1, vom Ferdinandeum in Innsbruck 1, vom landwirthschaftlichen Central- Ausschuss daselbst die Landwirth- schaftlichen Blätter, Jahrg. XI, vom Karpathenverein in Kesmark 4, von der ungarisch-botanischen Gesellschaft in Klausenburg 2, von der Akademie in Krakau 6, vom Verein für Naturkunde in Linz 1, vom Museum Franeisco-Carolinum daselbst 2, vom Landesculturrath für das Königreich Böhmen in Prag das Amtsblatt, von der Königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften ebendaselbst 6, vom Verein Lotos 1, von der Lesehalle der deutschen Studenten 1, vom Verein für Ge- schichte der Deutschen in Böhmen 7, von der Gesellschaft für Landes- kunde in Salzburg 1, von der landwirthschaftlichen Gesellschaft in Triest ihre Zeitschrift für 1883, von dem technischen Institut in Udine 1, aus Wien von der Akademie der Wissenschaften 54, von der geologischen Reichsanstalt das Jahrbuch und die Verhandlungen 4, von der Centralanstalt für Meteorologie 2, von der österreichischen Ge- sellschaft für Meteorologie die Zeitschrift Jahrgang XVIII, von der anthropologischen Gesellschaft 3, von der zoologisch-botanischen Ge- sellschaft 2, vom Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt- nisse 1, von der geographischen Gesellschaft 1, von der Universität 3, zusammen 99; aus der Schweiz von der naturforschenden Gesellschaft in Bern 1, vom historischen Verein 2 und von der schweizerischen Gesellschaft für die gesammte Naturwissenschaft ebendaselbst 1, von der natur- forschenden Gesellschaft in Chur 1, von der naturforschenden Gesell- schaft in St. Gallen 1, von der sSocietE d’histoire und der sSociete de physique et d’histoire naturelle in Genf je 1, von der antiquarischen Ge- sellschaft in Zürich 2, vom akademischen Leseverein daselbst 1 und von der Universität 40, zusammen 51; aus dem Deutschen Reiche von dem Verein für Naturkunde in Anna- berg in Sachsen 1, vom historischen Verein für Schwaben und Neu- burg in Augsburg 2, vom historischen Verein in Bamberg 2 und vom Gewerbeverein daselbst die Wochenschrift, vom historischen Verein für Oberfranken in Bayreuth 1, aus Berlin von der königl. Akademie der Wissenschaften Abhandlungen und Sitzungsberichte 3, von der Universität 8, vom Verein für die Geschichte der Stadt Berlin, dem wir ausserdem für die Ergänzung der uns fehlenden Schriften zu be- sonderem Danke verpflichtet sind, 5, von der deutschen geologischen Gesellschaft 5, von der afrikanischen Gesellschaft 2, von der Kaiser- lichen Admiralität die Annalen der Hydrographie und die Nachrichten für Seefahrer (2), vou der Gesellschaft naturforschender Freunde 9, vom Verein Herold die Zeitschrift (1), vom Königlichen statistischen Bureau 2, von der medicinischen Gesellschaft 1, von der juristischen Gesellschaft 1, vom Königlichen geodätischen Institut 3, aus Bonn von der Universität 60, vom naturhistorischen Verein 4, vom landwirth- schaftlichen Centralverein den Jahresbericht und die Zeitschrift (2), aus Bremen vom naturwissenschaftlichen Verein 1, vom landwirth- schaftlichen Verein 1, vom Provinzial-Landwirthschaftsverein in Bremer- vörde 1, vom Centralausschuss der königlichen Landwirthschafts-Ge- sellschaft in Celle 4, von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Chemnitz 1, von der naturforschenden Gesellschaft in Danzig 1, vom historischen Verein in Darmstadt 2, vom Verein für Erdkunde da- EN > JR BE le BE Fe en Ze der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XV selbst 1, aus Dresden von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis 3, von der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde 2, vom Königl. statistischen Bureau 4, von der ökonomischen Gesellschaft 1, von der naturforschenden Gesellschaft in Emden 1, von der Universität in Erlangen 32, von der physikalisch-medieinischen Societät daselbst 1, aus Frankfurt a. M. von der Senckenberg’schen Gesellschaft 3, vom physikalischen Verein 1, vom ärztlichen Verein 1, vom Alter- thumsverein in Freiberg i. $. 1, von der Universität in Freiburg i. Br. 56, von der naturforschenden Gesellschaft 1, vom Verein für Naturkunde in Fulda 1, von der oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Giessen 1, von der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 1, von der Oberlausitz’schen Gesellschaft der Wissen- schaften in Görlitz 2, von der geographischen Gesellschaft in Greifs- wald 1, vom baltischen Centralverein daselbst die landwirthschaftliche Vereinsschrift, von der Leopoldinischen Akademie in Halle a. $. die Zeitschrift und Nova acta Band XLIV (2), vom Verein für Erdkunde daselbst 1 und vom naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen 5, vom naturwissenschaftlichen Verein in Hamburg 2, aus Hannover von der technischen Hochschule 1, vom historischen Verein für Niedersachsen 2, von der landwirthschaftlichen Gesellschaft 1, aus Hanau von der Wetterau’schen Gesellschaft für die gesammte Natur- kunde 1, vom naturhistorisch - medieinischen Verein in Heidelberg 1, von der medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Jena 4, von der Universität daselbst 52, vom naturwissenschaftlichen Verein in Karlsruhe 1, vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde in Kassel 3, aus Kiel von der Gesellschaft für Schleswig - Holstein’sche Geschichte 1, vom naturwissenschaftlichen Verein 1, von der Uni- versität Band XXVII der Schriften und 15 Dior teihternen (16), von der Universität in Königsberg 36, von der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft daselbst 11, vom botanischen Verein in Landshut in B. 1, aus Leipzig von der Redaction des Naturforschers die Zeitschrift, von der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 4, von der naturforschenden Gesellschaft 1, von der polytechnischen Gesellschaft 2, von der Redaction des Aerztlichen Vereinsblattes das Vereinsblatt, von der Redaction der Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie in Lahr die Zeitschrift, vom Verein für die Geschichte des Bodensees in Lindau 1, vom historischen Verein für Marienwerder 5, von der Ge- sellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften in Mar- burg 4, von der dortigen Universität 44, aus München von der Akademie der Wissenschaften 5, von der Sternwarte 2, vom historischen Verein in Ober-Bayern 2, vom landwirthschaftlichen Verein die Zeitschrift, vom Verein für Geschichte der Stadt Meissen I, vom Verein für Ge- ‚schichte und Alterthumskunde Westfalens in Münster 1, vom West- fälischen Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst daselbst 2, vom germanischen Museum in Nürnberg 2, von der dortigen naturhistorischen Gesellschaft 1, vom Verein der Freunde der Naturgeschichte in Neu- Brandenburg 1, vom Verein für Naturkunde in Offenbach 1, von der Redaction der Zeitschrift für Geschichte der Provinz Posen in Posen die Zeitschrift, vom zoologisch-mineralogischen Verein in Regens- burg 1, von dem historischen Verein für die Oberpfalz 2, von der Universität in Rostock 35, vom Verein für hennebergsche Geschichte in Schmalkalden 1, vom Verein für mecklenburgische Geschichte in XVI Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. Schwerin 1, von der Irmischia in Sondershausen das Correspondenz- blatt, vom dortigen Verein zur Beförderung der Landwirthschaft 1, vom entomologischen Verein in Stettin 1, von der Gesellschaft für pom- mersche Geschichte 4, von der polytechnischen Gesellschaft daselbst 1, aus Stuttgart vom statistisch-topographischen Bureau 6, vom Verein für vaterländische Naturkunde 1, vom Polytechnicum 2, von der Ge- sellschaft für nützliche Forschungen in Trier 1, vom Münstercomit6 in Ulm 1, vom Harzverein für Geschichte in Wernigerode 2, aus Würz- burg von der Universität 93 und 2 Bände Festschriften zur 3. Säcular- feier, von der physikalisch-medieinischen Gesellschaft 2, vom histori- schen Verein für Unterfranken und Aschaffenburg 3, vom Nassau’schen Verein für Naturkunde und vom Verein für Nassau’sche Alterthums- kunde in Wiesbaden je 1, in Summa 626. Aus Schlesien gingen ein vom Verein für Geschichte und Alter- thum Schlesiens 4, vom Museum schlesischer Alterthümer 1, vom Verein für bildende Künste, vom Schlesischen Forst- Verein je 1, vom König- lichen Oberbergamt 2, vom Statistischen Bureau in Breslau 2, von der Universität 60, vom Zobtener Vorschuss-Verein sein Genossenschafts- blatt, von Breslauer Schulen, Anstalten und Vereinen Jahresberichte 20, von Schulen, Anstalten, Vereinen, Gesellschaften in der Provinz Jahres- berichte, Programme 13, zusammen 109, Dr. Schimmelpfennig. Kassen-A bschluss für das Jahr 1883. Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. Einnahme. An Bestand aus dem Jahre 1882 . Mitglieder-Beiträgen: von 48 einheimischen Mitgliedern & 3 AM „ 257 auswärtigen en Beiträgen für den Lesezirkel: von 41 Mitgliedern & 3 MM. ‚ Einnahme für den Garten und Erträgnisse desselben: Extra-Beiträge zur Unterhaltung des Gartens: von 36 hiesigen Mitgliedern . „ 141 auswärtigen „, We Ad 119 MM 144 NM — 774 ” ” 50 Erträgnisse des Gartens: für Edelobstbäume, Sträucher, Weinreben verschiedene Garten-Producte . 3569 M 722 , 80 Subventionen: von dem Sehlesischen Provinzial-Landtage . Zinsen von Effecten: von 3300 # 41/, % Freiburger Eisenb.-Prior. -Obligationen „ 3000 4 3°/),% Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblie. Lit. E. „„ 3300 # Schlesischen Rustical- Pfandbriefen. 1000 M Rechte-Oder-Ufer-Bisenbahn-Prioritäts-Oblig. 300 „4 Oberschles. Prioritäts-Obligationen . 2100 #4 4% Freiburger Prioritäts-Obligationen . erkauften Effecten: Freiburger Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen . 667 . 4291 NM 148 M 105 147 40 13 42 ” eh} » 50 80 2) Ist eingenommen. Effecten. en 11500 13900 Baar. 2 178 918 123 4959 1650 496 8324 a 36 30 66 Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. Ausgabe. Für den Lesezirkel: Journale und Bücher. Colpontares Buchbinderarbeit und Extraordinaria . ,„, Sämereien zur Gratis-Vertheilung: Sämereien, Empfangs- und Versendungs-Spesen. „ Insgemein: Porto ee ENT hr: Insertions- und Druckkosten. Anseschafitte Werke . Kleine Ausgaben Extraordinaria „ den Garten: Gärtnergehalte, Heizung und Beleuchtung . Arbeitslöhne . Eee, Een ur Dunsstoffe inel. Fuhrlohn ...... Sämereien, Obst-Wildlinge, Edelreiser, Bäume und Pflanzen . Baulichkeiten und Utensilien Insertions- und Druckkosten Porto und Extraordinaria . „ erkaufte Bffeeten: 2100 A 4% Freiburger Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen . Kassen-Bestand für das Jahr 1834 Ist verausgabt. Effecten. Baar. BE A % 155 MM 26 A 99 2 ee) 2,04, — 233 so — 240 81 75 M 45 8 Orr lo 6, 80 „, 24 al Na 2 — 407 71 1856 A 10 ZN 1618 „ 98 „ 276 Rn un) 242 „ 99 „ So) 5, 33 bb} 52 ” 158 „, 46 „ — ATTA 72 — 2157 65 13900 459 97 13900 | 8324 66 Bülow, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft. Kassen-A bschluss für das Jahr 1SS3. A ST SS Ist eingekommen. Ist verausgabt. Allgemeine Kasse. A ne a Allgemeine Kasse, bang ha a Eifeeten. Baar. Effecten. Baar. Einnahme, HM lb a Ausgabe. 21 2] 2 | Au BesiandSus@lem; vorigen Jahre, Zr 2: 47° 0 020 udn Sl a ee tl‘ 199 I) Für Miethe einschliesslich Wassergeld . EuB.. . er 1860 e Ben van BER » Honorane und Remuneraltionen — 790 — von 7200 .# Niederschl.-Märk. Prior.-Actien 4%. ......28M—% 22 Seel dem; Dastellan ., -ı SE... 2 1 Be Bier I = 3000 .# Bresl.-Freib. Saul in ee nee » SipNlaliregeschenk demscIben er 2: ee re El 3600 M a, % 162 ia 35 1; dem: Haushälterne in 0. ee — 9 = ä x IE = 65 ; 2700 M One. ech. -Prior. "oblie, Lit. E. 3% ENT 94 m 50 ? ” Heizung. 0 ee) a Ah cl ee re ee — 327 63 2700 ıM 1 Re R E Br e au%... 1a 50 > Beleuchtung; nr a en nt — 2332 92 9000 HM 41,% 405 $ k „ Unterhaltung der Mobilien und Nenaneeleungen ee — 3 2 En ei -. er G. 2 33, in s 600 .# Preussische Prämien Anleihe ee Ei le % est; Eile. is ur 2 re ee es 2 E 300 .#£ Schles. Bankvereins-Anth., Dividende 6%... . 18, — „ 2 ces A de RE 70 er ee a ze ee = e 9500 4 Preussische eons. Anleihe 4%. - - 2 22... 30, — „ e eitungs-AnNONGeNn I: . . cr. ee ES ur _ 292 op) 3 1590 > „ Druckkosten . . . 5 6,5 oe Dr ee > 12 0.0: .5 —_ 2440 39 Beiträgen einheimischer Mitglieder: „ Buchbinder-Ar oe. a 5 No. 2 ee. o — 240 | 30 Pro I. Semester von 304 Mitgliedern 9M.......2736M —% a LOntOS a Fa ne >) 6 5 067 Omen Bro vi — 115 34 1: En „ 321 r ER 2889 „ — „ „ Kleine Pnebanen as we FE re — 63 _ ne ee _ = 5625 I3 „ Naturwissenschaftliche Section EEE 2: 5 ee ee — 5 — 2 en 3 > > i ,„„, Eintomolosisehessection” .. 2 .. Ve en. 2 — 37 —_ Pro I. Semester von 69 Mitgliedem a6 M ....... AUM— A „„. Technische Section 4 2 rn u — 245 | 60 I. Er „ 69 Ep) ee en „ ad », ‚BotanischeriSection: hmm ee er ae — 123 90 Wisichestrag; van SehleinefEswen Yen , B, „ Bibliothek? 7 Rn ER er —_ Sıe | 55 3 ; x ne Te en Zn = — | ‚„„ Unvorhergesehene Ausgaben She: a er re — 162 | 05 = er RE Tomas = 162 = | „ Erkaufte Effeeten, 2500 Mark Irene cons. ‚ Ay, Bulle, see >. —_ ei | WM von verschiedenen Vereinen . ... . Ze ee 7 RE EEE —_ 148 — Jahres Beitzae: van hiesigen Marsstrab | 00 ann ee — 300 —_ Bestand am Schlusse des Jahres 1882: a ER } 9500 M 4% cons. Preuss. Anleihe. re Einnahmen: | 7200 4 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts- Onlranfionen. yon JHränlentglinduer . 2; 0,..0. era ee IM—R% | 3000 Ab 4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblie. Für Gasbenutzung. . . Se ee ee RE 3600 M AY,% » » » | Zinsen von zeitweise en een Do 380... 20, 2700 A 3,% Oberschl. Eisenb. „Prioritäts-Oblie. Lit. E. | SWerkante 9 Brseksachen: as Sr. TO, 2700 M 41,% » » » „ Lit. F. b. Von Professor Dr. Teichmann in Basel in Folge testamentarischer Bestimmungen = 153 30 9000 HM 4% » » » „ Bit. ©. seines Vaters, des Herrn Justizraths Teichmann hierselbst . en —. 6000 ae 600 M 315% Prümien- Anleihe. er 300 ./4 Schlesische Bankvereins-Antheile. © Vorsehnse/ Fu 21,2 SEE DE Er Ne 5 Kr I — 319 65 300, N 33600 yr zz Erkaufie Effeeten: Preuss, cons. Aproc, Anleihe . . 2. oo co . 7000 = = | | 38600 | 11865 | 13 al | Sen | 2 Bülow, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft. Ve » PT N r T ae 5 3 x Be Kg Ka Tann Eich: RER I H iR ” NER ae ARUNn IN Bu | Etat der Einnahmen und Ausgaben der All | Einnahmen. N I. "Zinsen v0n258 0600, Mark Bheetene . 2... 2000 DE RR 1610 | II. | Beiträge von einheimischen Mitgliedern ................. 5328 | Hl. ‚iBeitrawe won auswärtigen Mitclieden. ... u. 780 l IV. | Miethsbeitrag vom Schlesischen Gewerbeverein ........... 540 \ V. | Miethsbeitrag vom Klassischen Musikverein .............. ‚162 | VI..| Miethsbeitrag von“div. ‚Vereinen... ........ 2. 0. 248 | j VII. | Jahresbeitrag des hiesigen Magistrats ........ 0. 300 El VIH. | Aussergewöhnliche Beiträge: Vl a. für- Gasbenutzung :. ......0.. 2.0.08 30 Mark N! b\. für Benutzung des Locals.. .2......... I, = I; e.. für 'zinsbar angeleste Gelder... .......8.. 30 = ) \ 69 N hi M ll | N IT 'S In | a0 | } FRE a Summa der Einnahme | 9037 I Breslau, deßlj | Das Präsidium der Schlesischen G®\ | Heidenhain, Biermer, v Tklh Präses. Vice-Präses. Get: | Ausgaben. I Mieihe einschliesslich Wassergeld !.. ........:.......... ME lonorare und Remunerationen .............n.an..2ne.. Bi eekchalt des Kastellans.. .... ... .....2.....2. 2 ir... ) | EV, Neujahrsgeschenke er ee een Bi . ı Keine se een "| Belsneiiinan nee DI anschattung von Mobiliar und Reparatur ......!........... N Da Bleuer Versicherungs Prämie... ..........:.....2.2..0.. | I, | Immer : 2. || Dinelkiköglensens es ae | MeeBuchbinderarbeiten...... 2... .2..4..2.20.2..n..se.e . Era nLoso Auslacen.................0...00.0neeeene ZIEL | Riene ken Bene ENamuewissenschaftliche Section ......=............2.2... IST Enmvomoloeische Section ... ... ... nun rn ecenee.. | ERBE echmische, Section... 2.2.0.0 0 re een. BE Botanische Sectiont..n sn. nn. ek: IE | Bilblännnele PAD ramaondimaria. .......2 0... nen nn en allschaft für vaterländische Gultur. rin, » Witte, Bülow, fe l-Seer. zweiter Gen.-Secr. Schatzmeister. smeinen Kasse für die Jahre 1884 und 1885. 160 Summa der ns 8624 T. Bericht über die Thätigskeit der medicinischen Section im Jahre 1883, erstattet von den zeitigen Secretairen der Section O0. Berger und Ponfick. Sitzung vom 26. Januar 1883. Herr Neisser hält einen Vortrag Ueber das „Xeroderma pigmentosum‘ (Kaposi), Liodermia essentialis cum Melanosi et Telangiectasia. Unter dem Namen Xeroderma (erste Art) hatte bereits im Jahre 1870 Kaposi eine bis dahin unbekannte Hautkrankheit beschrieben, welche in einer eisenthümlichen Atrophie der Haut bestand und zu merkwürdigen Pismentverschiebungen gewisser Hautpartien (Gesicht, Hände und Unter- arme) führte, schliesslich durch die Complieation mit im jugendlichen Alter auftretenden Epithelialeareinomen ausgezeichnet war. Neuerdings hat Kaposi seine frühere Darstellung an der Hand von im Ganzen 8 Fällen derart bestätigen und erweitern können, dass wir - jetzt in der That einem wohl charakterisirten Krankheitsbilde gegen- überstehen. Ich hatte neuerdings Gelegenheit, einen solchen Fall zu beobachten, und will denselben hier kurz mittheilen. Anamnese (nach den Angaben der sehr verständigen Mutter). Der Vater des Kranken ist an einer Oesophagus-Krankheit, welche ihn am Schlingen verhinderte (Careinom?) gestorben. — Die Mutter ist eine sesunde kräftige Frau, welehe an den Armen und auf dem Rücken deutliche strahlige, von serpiginösen Geschwüren herstammende Narben = en zeigt, die von einer zugegebenen Syphilis-Erkrankung während der Ehe 1883. 1 2 Jahres - Bericht herrühren. — Die Eltern waren 9 Jahre verheirathet und es wurden in dieser Zeit vier Kinder geboren. Das erste Kind kam im siebenten Monat der Gravidität todt zur Welt; es war an einer Seite weiss, an der anderen blau, eine Differenz, die scharf am ganzen Körper vorhanden gewesen sein soll. — Das zweite Kind ist unser Patient. Er war ein gesundes. kräftiges Kind mit schöner weisser Haut. Als er im dritten Monat nach der Geburt an einem schönen sonnigen Tage ins Freie getragen wurde, bildeten sich in seinem Gesicht eine Menge dunkelrother Flecken. Dieselben blieben einige Tage lang bestehen, wurden dann blässer, schuppten ab und verschwanden ohne besondere Folgen. Diese Erscheinung wiederholt sich seitdem jedesmal und anall den Stellen, welche der Sonne exponirt werden. Wenn der Knabe z. B. späterhin im Flusse badete, so waren es sonach alle Partien der Körperoberfläche, welche diese Erscheinungen zeigten, mit Ausnahme der Innenflächen der Schenkel und der Oberarme, weil diese vor dem Zutritt der Sonne Schutz hatten. Allmählich aber stellte sich am Ge- sicht, Hals, an den Unterarmen und Händen eine dunkle Verfärbung ein, also an all den Localitäten, welche sehr häufig den oben geschil- derten Process durchzumachen hatten. Ferner leidet Patient seit jeher an aufgesprungenen Lippen, die im Winter verheilen, im Sommer aber arge Beschwerden verursachen. Ausser diesen, auf der Haut sich ab- spielenden Erscheinungen war das Kind bis zum achten Jahre gesund und entwickelte sich in normaler Weise. Dann fing es an zu stammeln; im zehnten Jahre begann sich eine starke Schwerhörigkeit einzustellen. Seine Verstandeskräfte nahmen immer mehr ab, so dass er nicht mehr fähig war, ein Handwerk zu erlernen, sondern nur die einfachsten häus- lichen Dienste zu leisten im Stande ist. — Vor zwei Jahren bekam der Kranke eine „Blatter“ an dem rechten unteren Augenlid.. Wurde die- selbe aufgerissen, so blutete sie stark; allmählich entstand ein Geschwür, das sich stetig und langsam vergrösserte. — Das dritte Kind wurde ein Jahr später geboren, Mädchen. Sechs Wochen alt, starb es. An seiner Haut war nichts besonderes zu bemerken. — Wieder ein Jahr nachher wurde ein Knabe geboren. Derselbe lebt noch und zeigt nach Aus- sage der Mutter ganz dieselbe Beschaffenheit der Haut und der Lippen wie sein älterer Bruder. — Im Alter von 15 Jahren stellte sich bei ihm gleichfalls Schwerhörigkeit und Schwachsinniskeit ein. — An einem „Geschwür‘ im Gesicht, wie unser Pat., leidet der jüngere Sohn nicht. | Was die Idiotie betrifft, so liegt mütterlicherseits keine Belastung vor; dagegen sollen ein Bruder und eine Schwester des Vaters Idioten gewesen sein. ; Status praes. 8. Januar. — Kleiner schwächlicher Menseh mit imbeeilem Gesichtsausdruck, aber lebhaften Augen. Der Kranke ist der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3 24 Jahre alt, macht aber einen viel älteren Eindruck. Der Körper in steter Bewegung; fortwährend Versuche, die Umgebung auf die Er- krankung seines Auges und seiner Hände aufmerksam zu machen. Die Sprache dabei absolut unverständlich; lallend, unartieulirt, nur für die Mutter verständlich. Der Knochenbau des Körpers gracil, ohne irgend welche Auf- treibungen und Verkrümmungen. Musculatur und Panniculus adiposus wenig entwickelt. Die Haut des Rumpfes und der Oberarme, wie der Oberschenkel glatt, weiss, von normaler Beschaffenheit. Auf derselben finden sich, namentlich am Rumpfe, etwa 15 bis 20 tiefschwarz pigmen- tirte, malähnliche, linsengrosse Flecke; auch einige schmutziggraue, rauhe, wie senile Warzen aussehende Stellen von Bohnengrösse.. Am kücken sieht man eine Anzahl stecknadelkopfgrosser dunkelrother Flecke, die durch Druck keine Farbenveränderung erkennen lassen. Ganz anders ist nun das Bild, das die Haut des Gesichts und Halses und der Vorder- arme und Hände darbietet. Sie erscheint gegenüber der glatt weissen Haut des übrigen Körpers tief-dunkel gefärbt. Bei genauerer Betrachtung sieht man linsengrosse schwarze und dunkelbraune Flecke mit ganz schnee- weissen abwechseln, doch so, dass für den Gesammteindruck der dunkle Ton prävalirt. — Nur in den Fossis suprascapular. und auf der linken Seite des Nasenrückens befinden sich einige durch ihre weisse Farbe sofort auffallende Drei-Markstück grosse, leucodermatische Partien. — Der Uebergang dieser verfärbten Zonen in die normalen vollzieht sich im oberen Drittel der Unterarme und an der unteren Halslinie ohne scharfe Grenze. An den verfärbten Stellen ist zugleich die Textur der Haut verändert. Sie ist glatt, ohne die normale Furchenzeichnung und sehr stark verdünnt, namentlich am Handrücken und an der Nase, eine Veränderung, die sich besonders in der ungemein feinen Faltelung (wie bei atrophischer Favus-Kopfhaut) documentirt. Grosse Falten lassen sich am Handrücken leicht aufheben, während an den Vorderarmen dies schwerer möglich ist. Man hat den Eindruck, als wäre die oberste Hautlage fester mit der musculösen Unterlage verlöthet, als gewöhnlich. (Bei einer an der Radialseite des Unterarmes vorgenommenen Exeision fiel auch sowohl beim Schneiden als beim Nähen die derbere Beschaffen- heit der cutanen Gewebe auf, und trotz der sorgfältigen Antisepsis trat keine prima intentio ein, sondern die Wundränder gingen auseinander und trotz schöner Granulationsbildung ist das Vorschreiten des Epithels von den Rändern her ein sehr langsames.) — Die Nägel sind nicht verändert. Am auffallendsten ist — abgesehen von der geschilderten Pigmen- tirung — die Difformität des Gesichts. Die Lippen sind eingezogen und (bei Mangel sämmtlicher Vorderzähne) flach; das Lippenroth ist durch weissliche, narbenähnliche Haut ersetzt. Die Nase, scharf eonturirt, 1° 4 Jahres - Bericht ist unbeweglich (trotz der Weichheit und Verdünnung der Haut). Hier besonders findet sich ein grosser pigmentloser, glänzend glatter, wie es scheint, etwas unter dem Niveau der Umgebung liegender Herd. — An der Nasenspitze eine bohnengrosse, schmutzig-graue, rauhe, leicht erhabene Stelle, die wie eine flache Warze sich anfühlt. — Eine eben solche sitzt am linken Ohrläppcehen. Am rechten Auge schliesslich findet sich nach der Schläfe zu sich ausbreitend eine Geschwürsfläche, welche, am inneren Augenwinkel beginnend, das untere Lid in toto zerstört hat, am äusseren Winkel etwa den vierten Theil des oberen Lides und noch 1‘), Centimeter etwa von der Schläfenhaut einnimmt. Die Conjunetiva stark injieirt. Der Grund des Geschwürs flach, zeigt ganz niedrige Granu- lationen, die wie mit einer glänzenden Firnissdecke überzogen aussehen und sehr wenig Eiter produeiren. Der Rand wallartig aufgeworfen, knorpelhart, weisslich, wie durchschimmernd.. — Der Haarwuchs am Kopfe normal, Lanugo am ganzen Körper reichlich, nur an den Unter- armen und Handrücken spärlicher. Am linken Unterschenkel Narben- reste einer früheren Ulceration. | Sensibilität, soweit sich dieselbe bei dem unverständlichen Pat. feststellen lässt, herabgesetzt. Man kann ohne jegliche Schmerzens- äusserung des Patienten eine Nadel tief in die Nase einstechen. Die Haut des Patienten fühlt sich wie eine normale an. Nach An- gabe der Mutter ist die Schweissseeretion bei ihm eine sehr reichliche (während sie beim Bruder ganz fehlen soll). Eine Pilocarpin-Injeetion von 1 Centigsramm bewirkte nach drei Minuten sehr lebhafte Röthung der gesammten Körperhaut und profuse Speichelseeretion. — Etwa eine Minute später brach sehr lebhafter Schweiss aus, der an den Händen und Vorderarmen allerdings etwas geringer war, als am übrigen Körper. Das Gesicht dagegen war überströmt. Sämmtliche Lanugohärchen stellten sich zugleich mit der Röthung der Haut senkrecht auf die Hautoberfläche. Urin: spec. Gewicht 1010. Ohne jegliche Abnormität. Ueber die Identität dieses uns vorliegenden Falles (wie die des Bruders, welchen die Mutter uns als ganz analog, nur ohne Careinom, schildert) mit den von Kaposi als Xeroderma pismentosum beschriebenen kann meines Erachtens kein Zweifel bestehen. Sämmtliche von ihm angegebenen Charakteristika (Atrophie, Pigmentirung, Careinom, Telangi- ectasien etc.) finden sich in der ausgesprochensten Weise wieder. Die Affection ist eine verhältnissmässig seltene. Von Kaposi und Hebra, von Glax, R. W. Taylor, Duhring wie Heitzmann sind 19 Fälle beschrieben worden. } Zu diesen 19 Beobachtungen kommen hinzu 8, welche in einer von Wilhelm Rüder verfassten Dissertation: „Ueber Epithelialeareinom der Haut bei mehreren Kindern einer Familie“ Berlin 1880 beschrieben worden sind. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 5 Es stehen uns also im Ganzen 27 Fälle zur Verfügung, welche ich der Uebersichtlichkeit wegen in einer Tabelle zusammenstelle: Zahl Geschlecht Ge Beginn eis: Autor der und \ des h Bemerkungen. Fälle Alter schwister Leidens zu . ® ö . . Tod 25 J. alt, an Kaposi 1. Mädchen 18 Jahre im 1. Lebensj. Perikoheaikrabs. » Tod an multiplen 2. „ 10 „ „ 1. » J% Carein., 13 J. alt. 3. „ 6, Ge- |» 2. „ Ja 4. nn Sn schwister| „, 2. 5 ja 5. h bis or Ge- on 2 » taubstumm. 6. Knabe 24,, schwister| „2. , 7: Mann 17 h ? ja multipl. Carcin. 8. Mann“ 222... im 16. Jahre | ja Taylor 1; Mädchen 2) | Ge- 2. ” \ schwister im un- . by) sichere 4. 53 Ge- |, 1. Lebens- 5. sehwister ne 6 „ jahre gaben : „ I: )) Duhri 1 Mädct 7 elhe im 1. Jahre Mutter an Krebs uhring ; ädchen 17 Jahre Den Heitzmann \ı Mann "40 „ im 8.—9.J. ja 5 Mädch. derselben I 5 Eltern gesund, Rüder 1.—8. 8 Knaben ie im 1. Jahre | 4mal 1 Knabe a Carci- 5 nom gestorben. ‚beide Brüder sind schwachsinnig, : N 2 Mädchen bald Neisser 1. Mann 24 Jahre Ge- im 1. Jahre ja nach der Geburt 2. E22 schwister gestorben. Vater an Krebs ge- storben. 27 13 weiblich 4mal fast constant ee . 14 männlich je zwei; in frühester. 7 lmal | Kindheit | 7Fällen drei; |((1.-2.Lebens- a ie An- lmal jahr). gaben acht; über den ER Cha- 19 rakter der Neu- bildung. Versuchen wir nun im Anschluss an diese Fälle, und uns auf die grundlegenden Schilderungen Kaposis stützend, einen Einblick in die Pathologie dieses „Xeroderma pigmentosum“ zu gewinnen, so lassen sich folgende Hauptsätze aufstellen: ‘Die Krankheit besteht in einer angeborenen ‘Abnormität der Haut, die zwar nicht bei der Geburt vorhanden ist, aber im ersten oder 6 Jahres-Bericht zweiten Lebensjahre sich zu äussern beginnt (ähnlich wie Prurigo, Ichthyosis ete.). Dieses Moment des „Angeborensein“ zeigt sich auch in dem höchst bemerkenswerthen Auftreten der Krankheit bei mehreren Geschwistern, wobei das interessante Factum hervorzuheben ist, dass oft alle Kinder desselben Geschlechtes erkrankten, während die Kinder anderen Ge- schlechtes frei blieben. Wenig Gewicht ist wohl auf das nur in zwei Fällen beobachtete Vorkommen von Krebs bei den Eltern zu legen. — Die Krankheit ist unheilbar und führt meist durch multiple Careinomatose frühzeitig den letalen Exitus herbei. (Duhring meint einen milden und schweren Typus des Verlaufes aufstellen zu können.) Was den Verlauf der Krankheit anlangt, so verweise ich auf die Darstellung Kaposis, zumal die angeführten Krankengeschichten das Nöthige sagen, hier möchte ich nur auf die von Kaposi, wie ich glaube nicht genügend urgirten Anfangsstadien hinweisen: Im An- schlusse an äussere Schädlichkeiten (strahlende Wärme der Sonne) ent- stehen oberflächliche hyperämische (vielleicht Entzündungs-) Herde, die von vorübergehendem Bestande sind und nach wenigen Tagen bereits unter ganz oberflächlicher Abschuppung verschwinden. (Diese Eigenart der Haut ist auch von Taylor bereits erwähnt. Er sagt: Die Mütter betrachten die Krankheit anfangs als einfachen Sonnenbrand, auch werden häufig Masern fälschlich diagnostieirt.) Schliesslich aber führen diese Reizungen und: vorübergehenden Hyperämien, wenn sie sich jahre- und jahrzehntelang wiederholen, eben an den Theilen, die den betreffenden Schädlichkeiten permanent ausgesetzt bleiben, also im Gesicht, am Halse, an Händen und Vorder- armen zu schwereren persistenten Alterationen, es entstehen die Sommer- sprossen ähnlichen Pigmentationen, die Telangiectasien, die atrophischen Veränderungen, die Epitheliome. Jeder dieser einzelnen Vorgänge ist jeweilig einer verschieden mächtigen Entwickelung fähig und tritt bald mehr, bald weniger im einzelnen Falle in den Vordergrund, kommt oft auch gar nicht zu voller Ausbildung; bald wird von frühzeitiger, multipler Careinombildung berichtet, bald fehlt eine solche ganz und ist nur in den warzenartigen Vorstadien angedeutet. In dem einen Falle handelt es sich um kaum sichtbare, flohstich-ähnliche Telangiectasien, in dem andern um angiomartige Neubildung weiter Blutgefässe. Aus dieser Differenz resultiren auch die divergirenden Anschauungen und Bezeich- nungen der einzelnen Autoren. Jedenfalls aber ist für alle Fälle eine eigenartige angeborne Anomalie als Grundbedingung für das Zustande- kommen der Krankheit angesehen worden. Versuchen wir nun über die Art der angebornen Abnormität eine Vorstellung zu gewinnen, so scheint es zweckmässig, die uns bekannten Einzelthatsachen zusammenzustellen: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7 1. Unter der Einwirkung von Schädlichkeiten, welche eine gesunde Haut nicht alteriren, entstehen hier oberflächliche eireumseripte Hyper- ämien mit nachfolgender Desquamation, d. h. es besteht eine grössere Irritabilität der Gefässe, vielleicht eine geringere Schutzkraft des epithe- lialen Deckstratums. 2. Im Anschluss entstehen Pigmentverschiebungen. Das Pigment häuft sich an einzelnen Flecken in grossen melanotischen Massen an. Mikroskopisch findet man, dass dasselbe in den tieferen Epithel- sehichten sitzt, seltener finden sich solche schwarze Schollen im Corium. In den benachbarten weissen Stellen fehlt das Pigment gänz- lich in den Epithelien. Das Pigment ist durchaus identisch mit demjenigen der melano- tischen Neubildungen und ist nicht der gelbbraune, wie gewöhnlich nach Blutextravasaten zurückgebliebene Blutfarbstoff. Letzterer findet sich hauptsächlich im Bindegewebe, während unser melanotisches Pigment im Epithel abgelagert ist. | 3. Dieselben Stellen, welche durch die Anhäufung melanotischen Pigments im Epithel ausgezeichnet sind, zeigen reichlichere, gedrängtere Zapfenbildung des Rete Malpighii, als der Norm entspricht. — Diese vermehrte und vertiefte Zapfenbildung ist als das Anfangsstadium späterer Carcinome anzusehen, wie ja Kaposi bei der mikroskopischen Untersuchung einiger excidirter Knötchen- und Pigmentmäler schon solche Epithelial-Carecinome vorfand. Die kleinen pigmentlosen Stellen sind, was Zahl und Entwickelung der in die Tiefe sich einsenkenden Rete- zapfen anlangt, nicht wesentlich verändert. 4. In allen Fällen findet sich die Angabe, dass in auffallender Zahl schmutzig-gelbe, warzenähnliche Gebilde an der Haut entwickelt waren, d. h. jene Gebilde, welche durelr die mächtige Entwickelung der epithelialen Retezapfen mit nachträglicher Verhornung und durch die active Betheilisung der papillaren Blutgefässe zu Stande kommen. — In 11 Beobachtungen waren Careinome vorhanden und zwar in einem jugendlichen Alter, welches sonst von diesen Neubildungen ganz frei zu sein pflegt. Zu diesen Erscheinungen, welche auf pathologische Vorgänge im Epithel zu beziehen sind, treten andere hinzu, welche dem Binde- gewebe, resp. dem Gefässapparat desselben angehören, nämlich: die Entwickelung kleiner telangiectatischer Flecke, und ferner die Atrophie. | Diese Atrophie ist im grossen Ganzen eine der senilen Schrumpfung ähnliche Verdünnung der bindegewebigen Theile, namentlich derjenigen, welche sich in den oberen Coriumschiehten und im Papillarkörper be- finden. Das Unterhautbindegewebe erleidet gewöhnlich keine oder erst später eine Alteration und gestattet lange die normale Beweglichkeit der 8 Jahres-Bericht Haut über ihrer Unterlage. Die Lanugohärchen, wie die Schweiss- drüsen bleiben gleichfalls intac. — Die Verdünnung gerade der oberen Hautschichten ist es, welche die excessiv feine Faltelung der Haut (wie bei Favus-Kopfhaut) bei der geringsten Entspannung zur Folge hat. Mehr betheiligt ist die gleichzeitige Atrophie auch der epithelialen Hautschichten beim Zustandekommen der eircumscripten weissen Partien, wie sie unser Kranke z. B. am Nasenrücken darbietet. Diese Stellen zeigen mikroskopisch absoluten Pigmentmangel und gleichmässigere Grenz- linie zwischen Epithel und Papillarkörper, zugleich mit Verdünnung beider Schichten. Es zeigt sich also das interessante Factum, dass mit den atrophischen Vorgängen im Epithel ein Pigmentverlust, mit der Epithel-Hyperplasie eine abnorme Pigmentanbildung Hand in Hand geht, woraus jedoch nicht ohne Weiteres eine ursächliche Beziehung beider Vorgänge abzuleiten ist, da die Pigmentformation mehr von den Vorgängen im Gefässapparat direct abhängig zu sein scheint. — Was die Telangiectasien betrifft, so sind es meist kleine Eetasien cutaner Capillaren; nur Taylor hat grössere Tumoren gesehen, die Angiomyxome gewesen sein sollen. Fassen wir nun diese Einzelthatsachen unter einen Gesichtspunkt zusammen, so meine ich, haben wir es mit einer aus dem embryonalen Leben herstammenden Abnormität der die Haut formirenden Bestand- theile zu thun, derart, dass die Wachsthumsintensität der beiden sich im „Grenzkrieg‘‘ gegenüberstehenden Faetoren: Epithel und Gefässbinde- sewebe, von vornherein ungleich vertheilt ist. Normalerweise ist dieses Verhältniss zwischen Epithel und Gefäss- bindegewebe folgendes: I. Das Epithel der Hautdecke (Rete Malpighii) befindet sich per- manent im Zustande eines embryonalen Gewebes. Es besitzt physiolo- gisch die Fähigkeit, das ganze Leben hindurch sich zu vermehren (eine Fähigkeit, deren Intensität sich durch pathologische Reize noch ungemein steigern kann). Diese Entwicklungsfähigkeit aber ist abhängig: l. von dem Grade der Ernährung durch die Gefässe des zugehörigen Bindegewebes, 2. von dem Grade des Widerstandes, den das benachbarte Binde- sewebe dem Eindringen des Epithels entgegensetzt, 3. von dem Hinzutreten chemischer Vorgänge (Keratose). II. Das Gefässkeimgewebe besitzt: A. eine active Wachsthumsfähigkeit 1. embryonal a) während der Entwicklung des Körpers; b) in der Ausbildung embryonaler Keimreste zu Ge- schwülsten (Fibrome, Sarcome etec.). 2. Durch vermehrte Ernährung: Entzündung, Congestion. A der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 9 B. eine Resistenz gegen Zellenwucherungsvorgänge, die 1. normal im senilen Alter nachlässt, die 2. pathologisch: a) durch embryonalen Defect im jugendlichen Alter nachlassen kann (unsere Krankheit); b) durch entzündliche Vorgänge (Granulombildun- gen etc.) herabgesetzt werden kann, Ä Bei der uns hier interessirenden Krankheit ist nun wesentlich vorhanden eine frühzeitige (prämature) Atrophisirung des Bindegewebes (II. B. 2.), welches demnach dem sich vermehrenden Epithel keinen Widerstand entgegensetzt und die Bildung von Epithelwucherungen ge- stattet. — An einzelnen Stellen indess trifft die Atrophisirung (durch ungenügende Ernährung) auch das Epithel und führt zur Bildung der weissen glatten Flecke; an anderen Stellen dagegen ist die Atrophie im bindegewebigen Hauttheile eine auf das Fasergewebe beschränkte und gestattet eine mehr oder weniger extensive Angiombildung. — Die angeborne Anlage der Haut macht sich erst geltend nach dem Hinzu- treten äusserer Irritamente. Ob man embryonale Entwiceklungsabnormitäten auch für das Epithel, insbesondere für die Careinomentwicklung direet annehmen soll (embryo- nale Gewebskeime Cohnheim’s) oder dieselben auf die mangelnde Re- sistenz des Bindegewebes (nach Thiersch) allein zu beziehen hat, lässt sich nicht entscheiden; jedenfalls aber illustrirt die uns be- schäftisende Krankheit die Bedeutung des embryonalen, congenitalen Moments für das Zustandekommen der epithe- lialen Geschwulstbildung. Ueber die Beziehungen der Melanose zur Epithelwucherung lässt sich vor der Hand nur feststellen, dass beide Vorgänge zusammen sich vorfinden; eine nähere — vielleicht im Verhältniss von Ursache und Wirkung stehende Verknüpfung könnte höchstens aus der Analogie mit der allgemeinen Beobachtung gefolgert werden, dass stets die mela- notischen Tumoren die am rapidesten wachsenden sind. Denkbar wäre es immerhin, dass jene ,‚metabolische“ Kraft der Zelle, welche aus dem gewöhnlichen Blutfarbstoff den melanotischen macht, Beziehungen hätte zu einer gesteigerten Wachsthums- und Vermehrungsfähigkeit der Epithelien. Man könnte auch fast von einer malisnen Leucopathie sprechen, derart, dass die Wanderung des Pigments in den hyper- pigmentirten Bezirken die Epitheliombildung hervorruft. Was das Verhältniss zwischen Melanose und Telangiectasien anlangt, so erscheint mir von vornherein sehr beachtenswerth, dass die Herkunft des melanotischen Pigments aus Blutfarbstoff in den letzten Jahren höchst wahrscheinlich gemacht worden ist. — Gussenbauer besonders hatte diese Ansicht betont. Seiner Ansicht nach beginnt der Process der Melaninbildung mit einer Anschoppung der Blutgefässe, 10 Jahres-Bericht aus denen der Farbstoff gelöst in die Zellen gelange, in welch letzteren erst derselbe in Körnchen niedergeschlagen werde. Durch den von Kunkel erbrachten Nachweis, dass dieses Melanin Eisen enthalte, erscheint mir trotz der gegentheiligen Ansicht von Perls und Ziegler die Gussenbauer-Langhans’sche Ansicht wesentlich gestützt. — In Bezug auf die uns vorliegende Krankheit hat Geber in seinem Falle besonders darauf hingewiesen, dass an der Grenze der saturirten Pigment- flecke ectatische Gefässe mit Verzweigungen sich vorfanden. An den pigmentlosen Streifehen erschienen sie nur als zarte Streifchen oder punktförmige Fleckchen angedeutet. — Auch in der Vertheilung der erkrankten Partien erwähnt er, dass mit dem Spärlicherwerden der Pisgmentflecke das Schwinden ectatischer Gefässe gleichen Schritt hielt. — Nach dem mikroskopischen Befund scheint in den Geber’schen Fällen (Kaposi’s 3. und 4.) abweichend von unserem mit Epithelhyperplasie einhergehenden Fall eine sarcomatöse Neubildung vorgelegen zu haben. Doch zeigt sich in demselben klar der Zusammenhang der Gefäss- ectasie mit der Pigmentirung, derart, dass mit einer besonderen Reichhaltigkeit umfangreicher Gefässe jedesmal eine dichte Anhäufung- massenhafter runder und spindeliger pigmentirter Zellen einherging, während im Gegensatz hierzu die Gefässarmuth mit einer verminderten Proliferation und mit Pigmentmangel in den Zellen (auch in den Rete- zellen) ganz genau Schritt hielt. Im Corium fanden sich an den am meisten atrophischen Stellen zu soliden Strängen umgewandelte Gefässe vor. Granulations- und Bindegewebszellen waren nur ausnahmsweise wohl erhalten, das Bindegewebe selbst war grobmaschig und hatte sehr häufig seine Faserung eingebüsst. Ebenso betrachtet Taylor Hyperämie mit Dilatation der Capillaren und. mit nachträglicher Bildung von Telangi- ectasien als erstes Stadium der Erkrankung. In einem zweiten gehen diese Neubildungen atrophisch zu Grunde und lassen die dunklen Flecke zurück, während das dritte Stadium in einer eontinuirlichen Neu- bildung von Blutgefässen an diesen schon atrophischen Stellen und in der sich anschliessenden Atrophie der Haut selbst besteht. — Duhring meint dagegen, dass erst Pigmentirungen sich einstellen, dann Telangi- ectasien, die später durch atrophische Flecke ersetzt werden. Welche dieser Anschauungen die richtige ist, wird sich erst durch eine sorgfältige Beobachtung eines sieh entwickelnden Falles auf- klären lassen, weshalb ich speciell noch einmal auf die für diese Krank- heit charakteristischen Sonnenbrand-ähnlichen Anfangsstadien hinweisen möchte. Was die Nomenclatur anbetrifft, so habe ich nur der Bequemlich- keit für den Leser halber die Kaposi’sche Bezeichnung in der Titel- überschrift gewählt. Der Name: Xeroderma würde passend sein für eine Hauterkrankung, deren Wesen oder Hauptcharakteristikum wirklich der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 11 in excessiver Trockenheit bestände. Dies ist nicht immer zutreffend, Passender erscheint mir die Auspitz’sche Bezeichnung: Liodermia (Hautverdünnung) und zwar mit dem Zusatze: cum Melanosi et Telangiectasia, als Gegensatz zu der Liodermia ohne diese Compli- cationen. — Die Taylor’sche Benennung: Angioma pigmentosum et atrophicum ist nicht unrichtig, bezieht sich aber zu sehr auf einen speciellen Fall und hebt im Hauptwort nicht das Wesentlichste der Krankheit hervor. Auch das Beiwort „pigmentosum‘ glaubte ich besser durch „cum Melanosi“ zu ersetzen, um den Unterschied des mela- notischen Pigments gegenüber den Blutextravasat-Resten (wie z. B. bei Urticaria pismentosa) hervorzuheben. Sitzung vom 9. Februar 1885, Herr Kroner spricht Ueber einen Fall von Nabelschnurtorsion. Näheres hierüber findet man in der „Breslauer ärztlichen Zeit- schrift“, 5. Jahrg., S. 175, 1883, Hierauf demonstrirt Herr Krafft einige anatomische Präparate. Das eine Präparat betraf ein Carcinoma uteri, das andere einen Fall von Achsendrehung des Dickdarms. Sitzung vom 2. März 1883. Herr Wolff spricht Ueber paroxysmale Hämoglobinurie. Nach einleitenden Erörterungen über die Hämoglobinurie im Allge- meinen schildert der Vortragende die Geschichte der paroxysmalen Hämo- globinurie, bezüglich deren u. A. zu bemerken sei, dass bereits Dressler in einer kurzen aber gründlichen Arbeit über intermittirende Albuminurie und Chromaturie (Virchow’s Archiv 1854) des Fehlens rother Blut- körperchen in blutigem Harn Erwähnung gethan, dass weiter Gscheidlen, in Deutschland zum ersten Male, bei einem Falle von Hämoglobinurie (mitgetheilt von Secchi) den Nachweis von Hämoglobin und der Ab- wesenheit rother Blutkörperchen im Harn geführt habe. Sodann be- schreibt W. einen von ihm beobachteten Krankheitsfall, der in vieler Hinsicht von Interesse. ist. Derselbe betraf ein 27jähriges Dienst- mädchen, deren Vater an einem Fussleiden nach Verstauchung starb, deren Mutter noch lebt und nur über zeitweiligen Magenkrampf zu klagen hat. Von zehn ihrer Geschwister sind sieben gestorben, fünf jung, zum Theil an Abzehrung, zwei als Erwachsene nach kurzem Krankenlager, darunter ein Bruder an heftigen Blutungen aus Mund und 12 Jahres - Bericht After. Seit 1'/, Jahren wollte dieselbe an wechselfieberähnlichen An- fällen leiden; die klinische Beobachtung zeigte, dass dieselben hämo- slobinurischen Attaquen entsprachen. Anfangs bestanden die Symptome: Kurzathmigkeit, Cyanose, Frost, Hitze, Abgeschlagenheit, grosses Durst- gefühl, Kopfschmerz, Obnubilation des Gesichtsfeldes, Ausscheidung dunkel- rothen Urins, zuweilen unter Schneiden beim Wasserlassen und Drängen zu demselben, dazu traten im Sommer 82 Kriebeln in den Beinen, Ziehen in den Gliedern und unwiderstehlicher Zwang zum Gähnen, im Beginn des Winters 82 ferner Schmerzen in den Nierengegenden beiderseits, Schneiden im Epigastrium, Oppressionsgefühl im Scerobieulus cordis, Urticaria. Aeusserst selten wurde Erbrechen, nur einmal Ieterus der Conjunctiven beobachtet, Der in den Paroxysmen entleerte Urin liess, frisch untersucht, nicht selten den charakteristischen Streifen für Methämo- slobin im rothen Theil des Spectrums zwischen den Frauenhofer’schen Linien © und D, daneben die zwei bekannten Streifen des Oxyhämoglobins zwischen den Frauenhofer’schen Linien D und E erkennen, nach einigem Stehen gewöhnlich nur letztere. Die mikroskopische Untersuchung liess ausser den bekannten Hämoglobintröpfehen, die man in unregelmässigen Haufen oder in Cylinderform oder einzeln zerstreut sieht, oft auch srössere Körner wahrnehmen von grünlichem, gelbgrünlichem, violettem oder stahlblauem Farbenton, rothen Blutkörperchen nicht unähnlich, bald kleiner, bald grösser als diese. Vortragender glaubt, dass dieselben häufig mit rothen Blutkörperchen verwechselt worden sein mögen, doch fehlt ihnen vor Allem die Delle. Bei mikroskopischer Untersuchung des Blutes nach den Anfällen fanden sich Poikylocythen, Mikrocythen, blasse Färbung der rothen Blutkörperchen, verminderte Neigung derselben zur Geldrollenbildung, keine Schatten. Während der Paroxysmen war vielfach ein Unterschied gar nicht erkennbar, einige Mal ein gradweiser, gänzlicher Mangel der Geldrollenbildung, ausgesprochenere Poikylo- und Mikro- cythose sowie Blässe der rothen Blutkörperchen. Am Rande des Präpa- rates stehende, verschieden breite Reihen von vollkommen ausgelaugten rothen Blutkörperchen, denen sich gewöhnlich maulbeerförmige an- schliessen, oder derartige Gebilde in der Umgebung von Luftblasen selbst in der Mitte des Gesichtsfeldes, hält Verf. für vollkommen uor- male Erscheinungen, wahrscheinlich bedingt durch Verdunstungsprocesse. Für pathologisch sieht er Schattenbildung erst an, wenn ganz oder zum grössten 'Theil ausgelaugte scharf contourirte Blutkörperchen über das ganze Gesichtsfeld in grösserer oder geringerer Anzahl, nicht an Luft- blasen sich anschliessend, verbreitet sind. Nur einmal konnte während eines Anfalls — und es wurden sehr zahlreiche beobachtet — patho- logische Schattenbildung gesehen werden, hier trat aber die Attaque einen Tag vor der Menstruation auf; während dieser sind übrigens bereits von Hayem Blutveränderungen gefunden worden, dieselben wie der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13 bei den Neugeborenen. Vortr. fügte hinzu, dass kurz vor Eintritt und während der Menstruation bei anomal menstruirenden Individuen von ihm, in bisher allerdings sehr spärlichen Fällen, auch Schatten gefunden worden sind. Letztere sind freilich unter anderen Verhältnissen, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll, ebenfalls nachweisbar. Ehrlich schlug neuerdings ein Verfahren vor, durch welches man einen besseren Einblick in das Wesen der Krankheit gewinnen könne als bisher, das sich auch zu diagnostischen Zwecken weit mehr empfehlen solle als die zur Zeit üblichen ganz uncontrolirbaren und hierdurch öfter schädigend wir- kenden Verfahrungsweisen, z. B. das kalte Fussbad. Man solle einen Finger vermittelst elastischer Ligatur abbinden, eine viertel Stunde in eisgekühltes Wasser, sodann ebenso lange in laues Wasser thun; da- durch würden alle Elemente an Ort und Stelle zurückgehalten und ein relatives Verschwinden in der Menge des Körperblutes verhindert. Wäh- rend für gewöhnlich durch diese Procedur eine Veränderung des Blutes nicht eintrete, zeige sich beim hämoglobinurischen — und das mache die Methode diagnostisch verwerthbar — eine mehr oder weniger reich- liche Anflösung der rothen Blutzellen auf zweierlei Wegen, 1. werde eine capillare Schicht des Blutserums beim Einziehen eines Tropfens Blut in eine Capillare und Abscheidung des Serums vom Blutkuchen erkennbar roth gefärbt, 2. ergebe sich ein reichhaltiger mikroskopischer Befund: Poikylocythen, Mikrocythen, Riess’sche Zerfallskörperchen, blut- körperchenhaltige Zellen, mononukleäre grosse Zellen, deren Protoplasma sich in Scharlachglycerin dunkelroth, deren Kern sich orange färbt, Schatten: letztere seien nach E. das Wesen des hämoglobinurischen Processes. Vortr. hält das Ehrlich’sche Verfahren für vortrefflich zur raschen und sicheren Beurtheilung des Blutes bei der Hämoglobinurie nicht nur, sondern auch bei anderen Krankheiten, doch bemerkt er, dass er in seinem Falle selbst bei '), stündigem Abkühlen ete. gewöhnlich keine wesentlichen Unterschiede des mikroskopischen Blutbefundes gegen- über demjenigen vor dem Versuche habe feststellen können, mit Aus- nahme eines Falles, wo aber auch ein nicht abgebundener Finger Ver- änderungen, wenn auch in geringerem Maasse, aufwies, und wo überdies die Abhängigkeit der Veränderungen von dem Experiment zweifelhaft war. Die makroskopischen Blutveränderungen, wie wir sie in der Capillare schauen, vollziehen sich nieht bloss im abgebundenen, sondern auch im nicht abgebundenen Finger, freilich in etwas leichterer Form: dieses Verhalten ist wichtig für die Theorie der Krankheit. Die makro- skopischen Blutveränderungen kommen ferner nicht bloss der Hämoglo- binurie zu, sondern liessen sich auch einmal bei schwerem Diabetes (mit 8 pCt. Zucker), sowie bei vorgeschrittener Phthise nachweisen (Vortr. demonstrirt diesbezügliche Präparate), was die diagnostische Verwerthbar- keit der sonst so trefflichen Methode allerdings einzuschränken geeignet ist, 14 Jahres-Bericht Vortr. ging weiter auf die einzelnen Symptome und deren Häufigkeit ein, so auf die Urticaria, Färbung des Urins, Abhängigkeit derselben von der Intensität der Attaquen, auf den Eiweissgehalt des Urins etc. etc. Er wandte sich sodann gegen die Versuchsergebnisse von Boas mit An- wendung des induecirten Stroms und dessen Einfluss auf das Verhalten der rothen Blutkörperchen. V. hält es aus mehreren Gründen für weit zweckmässiger, die Elektrieität dem Körper direct zuzuführen und zu erproben, ob Hämoglobinausscheidung, sei es auch eine minimale, zu erzeugen ist. Das Resume seiner Untersuchungen hierüber lautet dahin, dass in seinem Falle weder der inducirte noch der constante Strom einen Einfluss auf die Hämoglobinurie übte. Um den Einfluss der Kälte zu studiren, bediente sich W. der Appli- cation von Eisblasen auf verschiedene Körperstellen. Dabei nun trat unverkennbar ein Einfluss der Quantität der Kälte auf die Hämoglo- binurie zu Tage. Bei Auflegen einer Eisblase auf eine Nierengegend konnte einige Mal Hämoglobinurie nicht ausgelöst werden, wohl aber stets bei Auflesen je einer Eisblase auf jede Nierengegend, oder auf jede Scapula. Einmal entstand bei Auflegen der Eisblase auf jede Nieren- gegend (1'/, Stunde) exquisite Hämaturie und Hämoglobinurie; dieser Versuch ward einen Tag vor Eintritt der Menstruation angestellt. Das Blut aber stammte sicher nicht aus der Vagina, sondern aus der Blase, wie die Katheterisation lehrte, und fand sich in zwei aufeinanderfolgenden Portionen: in der zweiten reichlicher als in der ersten, dafür war der Hämoglobintröpfehengehalt in der zweiten entschieden spärlicher als in der ersten. Die Hämaturie kann eines Theils dadurch veranlasst worden sein, dass die zahlreich vorausgegangenen Anfälle das Blut gegen Kälte weniger widerstandsfähig machten, dass nun bei Einwirkung grosser Kälteintensität sehr umfangreiche Auflösung rother Blutkörperchen erfolgte, die jetzt zu Hämorrhagien in innere Organe, so auch in die Nieren, führte, anderentheils durch eine Fluxion des Blutes zu den Nieren, vielleicht auch durch beides: eine gewisse Rolle mögen dabei auch prämenstruelle Veränderungen des Blutes und der Circulation gespielt haben. Eine derartige Thatsache weist uns nun darauf hin, dass wir nicht ohne Weiteres Fälle von intermittirender Hämaturie, wie ein solcher aus der Botkin’schen Klinik, mit dem ätiologischen Moment der Kälte, mitgetheilt ist, sondern dürfen von der intermittirenden Hämoslobinurie. Eine Attaque wird sich ferner wohl gelegentlich auch durch Appli- cation einer Eisblase auf eine Nierengegend, bei bestimmter Beschaffen- heit des Körpers, bei Ueberempfindlichkeit nämlich gegen Kälte, erzielen lassen. Bei Auflegen einer Eisblase auf den behaarten Kopf und selbst 2stündiger Dauer kam ein Paroxysmus nicht zu Stande, wohl wegen des Schutzes der Haare, der dieken Kopfhaut und der kleinen Hauttläche. 3® der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 15 Hielt die Kranke Eispillen im Munde, so bekam sie sehr ausgesprochene Schleimhauturticaria, aber keine Hämoglobinausscheidung, vielleicht wegen der geringen Dauer einer Kältewirkung, die hier in Betracht kommen konnte, sowie der kleinen Abkühlungsfläche. Beim Eintauchen einzelner Finger in eiskaltes Wasser wurde Hämoglobinurie nicht gesehen, wohl aber beim Eintauchen beider Hände. Vortragender erwähnt sodann jener bekannten Endemie, welche so viele Kinder hinraffte und die von Winkel in einer trefflichen Arbeit als Cyanosis icterica afebrilis cum haemoglobinuria bezeichnet worden ist. Alle Ursachen für das Zustandekommen der Hämoglobinurie wurden ausgeschlossen, nur der Kälte wurde nicht erwähnt, welche eine so mächtige Rolle bei der Hämoglobinurie des Menschen spielt: dabei fiel jene Endemie in eine Zeit, wo andere Erkältungskrankheiten so gern auftreten (Pneumonie etc.), nämlich in die Monate März und April. Wenn freilich nicht mit Sicherheit behauptet werden soll: die Kälte allein hat jene Endemie hervorgerufen, so wäre es doch sehr wünschens- werth, Kenntniss zu erhalten 1) von der täglichen Aussentemperatur zu jener Zeit: ob grosse Schwankungen zu verzeichnen waren (nebenbei vielleicht auch von den Luftdruckverhältnissen und atmosphärischen Nieder- schlägen), 2) von der Zimmertemperatur während der Geburten, 3) von der Abkühlungsdauer in den einzelnen Fällen während der Geburt und in den ersten Tagen. Dass schon ziemlich geringe Temperaturdifferenzen eine Rolle spielen können, ist aus der Aetiologie der Hämoglobinurie- Paroxysmen hinlänglich bekannt. Das Neugeborene bietet an sich schon günstige Bedingungen für das Zustandekommen von Hämoglobinurie: 1) ist seine Hautoberfläche relativ viel grösser als die der Erwachsenen, da ja die Hautoberfläche im (Quadrat, der Körper im Kubus wächst, 2) ist die Haut zarter, es wird also der Kälte eine grosse Fläche zur Ein- wirkung, geboten und es ist der Widerstand gegen dieselbe ein geringer, 3) erleidet jedes Neugeborene schon unter ganz günstigen äusseren Ver- hältnissen, bei einer Zimmertemperatur von 16—18°C,, eine sehr erheb- liche Abkühlung; es tritt nämlich in ein gegen fast 20° kälteres Medium, und es erleidet durch Strahlung und Ableitung nach aussen, sowie durch Verdunstung an seiner mit Feuchtigkeit durchtränkten Ober- fläche einen sehr hohen Wärmeverlust, 4) ist eine gewisse Insufficienz des Blutes, damit wohl auch verminderte Resistenz gegen Kältewirkung vorhanden. Wie sich schon a priori eine abnorme Beschaffenheit des Blutes annehmen lässt, da ja alle Organe des Kindes, sowohl im animalen als vegetativen System, erst in der Entwickelung begriffen sind, so sind auch in der That Veränderungen des Blutes in -den ersten Lebenstagen _ von Hayem u. A. nachgeweisen worden. Kommt zu diesen Momenten ein neuer Factor hinzu, nämlich un- Sünstige äussere Verhältnisse, wie besonders bedeutende Temperatur- 16 Jahres - Bericht schwankungen der Luft, so liesse sich damit schon der Ausbruch von Hämoglobinurie-Erkrankung erklären. Freilich ist es sehr befremdlich, dass eine derartige Endemie eine ganz vereinzelte Erscheinung geblieben ist. Vielleicht aber ist dem gar nicht so. W. meint, eine Hämoglobinurie komme bei Neugeborenen sehr häufig vor, freilich erwarte man nicht gleiche Verhältnisse, wie man sie gewöhnlich bei Hämoglobinurie- Paroxysmen Erwachsener finde, z. B. Entleerung schwarzrothen Urins ete. Die Hämoglobin-Ausscheidung sei eine quantitativ geringe, wie ja auch sehr häufig bei der paroxysmalen Hämoglobinurie vorkomme, der Urin brauche dabei keine rothe Farbennuance zu zeigen und mikroskopisch finden sich Hymoglobintröpfehen in Haufen oder Cylindern. Die masses jaunes nämlich hält er mit grösster Wahrscheinlichkeit für nichts anderes als Hämoglobintröpfehen, und er konnte dieselben einmal im Urin bereits vor dem Auftreten des Ieterus nachweisen. Letzteres Moment in Ver- bindung mit vielen anderen Gründen, besonders dem Verhalten des Blutes in den ersten Tagen, veranlasst ihn zu der Annahme, der Ieterus neonatorum beruhe auf einer, Hämoglobinurie im Kleinen, hervorgerufen durch Abkühlung, wahrscheinlich aber sei die Blutveränderung, die Hämoglobinämie, wie sie Ponfick nennt, eine beträchtliche, nur die Ausscheidung durch die Nieren eine mangelhafte, secundär komme es dann zu einem hepatogenen Ieterus, in ähnlicher Weise wie nach Ein- spritzungen von Hämoglobinlösungen, umsomehr als ja eine wegen der geringen Ausscheidung relativ grosse Menge von Blutschlacken in der Circulation des Neugeborenen kreise. Es steht mit dieser Theorie ganz sut im Einklange das häufigere Befallenwerden grade der schwächlichen und frühgeborenen Kinder, deren Blutkörperchen eine eben noch ge- ringere Resistenzfähigkeit gegen Kälte besitzen. Vielleicht werden Knaben, bemerkt W. beiläufig, und freilich sei dies nur eine fernliegende Möglichkeit, von Ieterus neonatorum häufiger befallen als Mädchen, weil die Kälteeinwirkung in Folge der grösseren Oberfläche der Haut bei ihnen eine bedeutendere sei, als bei jenen; zwar sei die Hautoberfläche der Knaben relativ kleiner als diejenige der Mädchen, doch seien, wie die Abkühlungsversuche lehren, nicht relative, sondern absolute Haut- oberflächengrössen von Wichtigkeit. Er setzt auseinander, in welcher Weise Untersuchungen nach dieser Richtung hin anzustellen seien. Nicht undenkbar wäre es auch, dass dieses Moment in Betracht komme für das weit häufigere Befallenwerden männlicher Individuen von paroxysmaler Hämoglobinurie: hier allerdings müssten noch andere Er- wägungen Platz greifen. | Vortragender geht sodann auf die von ihm aufgestellte neue Form der Hämoslobinurie ein, welche er als menstruelle Hämoglobinurie be- zeichnet. Er weist nach, dass nicht etwa unter irgend welchen anderen Einflüssen, wie Kälte, sondern lediglich unter dem Einfluss der Men- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 17 struation Hämoglobinurie-Attaqguen zum Ausbruch kamen, dass also eine Ausscheidung von Blutkörperchenzerfallsproducten stattfand, auf Grund gewisser, in den weiblichen Geschlechtsorganen sich abspielender Vor- gänge bei einem mit Hämoglobinurie behafteten, also in seiner Con- stitution in bestimmter Weise geschwächten Individuum. Er findet eine Analogie für ein solches Verhalten in dem Lepine’schen Falle, wo ein an Morbus Brightii leidender, also schliesslich in seiner Constitution redueirter Mann, stets nach Excessen in venere, somit ebenfalls nach gewissen, in der männlichen Geschlechtssphäre sich abspielenden Pro- cessen, von Hämoglobinurie-Attaquen heimgesucht wurde. Die der Men- struation an sich zukommenden Veränderungen des Blutes dürften sich wohl summiren zu den der paroxysmalen Hämoglobinurie zu Grunde liegenden Blutveränderungen, um durch Vermittelung des Nervensystems hämoglobinurische Paroxysmen auslösen zu lassen. Mit der Kenntniss von menstrueller Hämoglobinurie eröffne sich uns nun auch das Verständniss für eine Krankheitsform, welche von Senator, Hirschberg u. A. beschrieben worden ist, den menstruellen Icterus. Wäh- rend Senator denselben zurückführt auf Leberhyperämie, glaubt W. den- selben erklären zu können als einen hämato-hepatogenen Ieterus in ähn- licher Weise wie den Ieterus bei paroxysmaler Hämoglobinurie und den Icterus neonatorum. (Ausführlichere Begründung an anderer Stelle.) Interessant ist, dass für den menstruellen Icterus gleiche ätiologische Momente in Betracht kommen, wie für die paroxysmale Hämoglobinurie (Erkältungen, heftige Gemüthsbewegungen). Die Menstruations-Anomalien, besonders jene, welche unter den Symptomen von Frost und Hitze (Temperaturerhöhung), Kreuzschmerz, Schmerzen in den Gliedern, Dyspno&, Herzklopfen, Abgestorbensein der Hände oder Füsse resp. beider, unter einem also der Hämoglobinurie auffallerd ähnlichen Symptomencomplexe verlaufen, führt er zurück auf Hämoglobinämie. Bei der'Kranken, welche W. vorstellte, wurde übrigens einmal im Anschluss an eine Menstruation ein mit sehr hohem intermittirendem Fieber einhergehendes variolaähnliches Exanthem beobachtet mit täglich wiederkehrenden Attaquen, welche durchaus den hämoglobinurischen ähnelten, nur dass stets heller Urin entleert wurde, der nur äusserst selten und nur mikroskopisch erkennbar Hämoglobintröpfehen enthielt: sicher war hier Variola auszuschliessen, vielmehr handelte es sich um eine vasomotorisch-trophische Störung; ähnliche Exantheme kommen bei der Menstruation einerseits, bei der paroxysmalen Hämoglobinurie anderseits zur Beobachtung. Ob die vasomotorischen Störungen, be- ruhend vielleicht auf einer gesteigerten Erregbarkeit des vasomotorischen Reflexcentrums, eine Ursache oder Folge oder ein coineidirendes Symptom der Hämoglobinamie bezw. Hämoglobinurie sind, möchte er vorläufig 1883. 2 18 Jahres-Bericht dahingestellt sein lassen, für seinen Fall dünkt ihm die zweite Möglich- keit plausibler. | Bezüglich der Pathogenese der paroxysmalen Hämoglobinurie erhebt W. Bedenken gegen die Annahme einer primären Erkrankung der blut- bildenden Organe, glaubt diese jedoch zunächst nicht gänzlich ausschliessen zu können. In den meisten Fällen solle es sich aber um eine primäre Erkrankung des Blutes handeln, dabei kann es denn freilich zu secundärer Erkrankung der blutbildenden Organe kommen. Die toxische Hämoslo- binurie entstehe ja durch directe Einwirkung des Giftes (Arsenwasser- stoff, Salzsäure, Schwefelsäure, Pyrogallussäure, chlorsaures Kali, Azo- benzol, Toluylendiamin ete.) auf das Blut. An diese Form schliesse sich eng an die Hämoglobinurie bei aeuten Infeetionskrankheiten, wo pflanzliche Gifte in Gestalt niederster Organismen, von Pilzen, eine Blut- alteration setzen (Scharlach, Typhus ete.); hieran reihen sich die chro- nischen Infecetionskrankheiten (Febr. intermittens, Lues); gerade die Lues aber sei eine sehr häufige Ursache der Krankheit. In anderen Fällen, wo die eben genannten Momente mit Sicherheit auszuschliessen seien, wo vielleicht andauernde Erkältungen für sich, andauernde körperliche Anstrengungen, vielleicht auch Gemüthsbewesungen, oder einige dieser Ursachen gemeinschaftlich anzuschuldigen sein dürften, werde man auch nicht fehl gehen, eine primäre Blutveränderung anzunehmen. Zu einer solchen primären Blutinsufficienz komme es wohl auch bei Orsan- erkrankungen, wie Herz- und Nierenleiden, die sich ja gern mit Hämo- globinurie vergesellschaften. Des Weiteren erwähnt er der Ehrlich’schen Hypothese, welcher supponirt, dass das Stroma eines gewissen Theils rother Blutkörperchen gegen Kälte überempfindlich sei; der resistentere Theil werde durch die Kälte gereizt und gehe Theilungen ein, der andere werde in seinem Stromatheil ertödtet, lasse nun das Hämoglobin in das Blutserum diffun- diren, und hier wandle sich das Hämoglobin in Methämoglobin um, welches durch direete Reizung der Gefässwände einerseits den Schüttel- krampf und sein Analogon, die Anurie, andererseits die die Hämoglo- binurie begleitende Albuminurie veranlasse. Nun sah W. in seinem Falle bei Versuchen mit Abbindung und Abkühlung eines Fingers, dass auch das Blut des nicht abgebundenen Fingers röthliches Serum aus- treten liess, auch wäre, selbst wenn ein derartiger Befund fehlte, durch- aus die Möglichkeit nicht auszuschliessen gewesen, dass in tieferen, der Untersuchung nicht zugänglichen Körpertheilen eine Hämoglobinämie be- stand: es müssen also offenbar nach jenem Befund noch gewisse re- fleetorisch durch Kälte hervorgerufene Circulationsstörungen hinzutreten, möglicherweise auch Veränderungen des Blutdrucks, mit physikalisch- chemischen, zur Hämoglobinämie führenden Vorgängen innerhalb des Blutes. Freilich wäre wohl möglich, dass in einer Anzahl von Fällen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 19 wie auch in dem E.’schen, lediglich die Ueberempfindliehkeit der Blut- körperchen gegen Kälte eine Rolle spielte, im Beginn der Krankheit vor- nehmlich, während bei länger bestehender Hämoglobinurie noch vaso- motorische Störungen hinzutreten. Letztere sind besonders geeignet, die menstruelle Hämoglobinurie, die Hämoglobinurie ferner in Folge von Gemüthsbewegungen und körperlichen Bewegungen, zu erklären. Die Prognose sei im Allgemeinen quoad restitutionem ungünstig, aber auch quoad vitam, da intercurrente Krankheiten (Phthise) dem Leben nicht selten ein Ende machen. Die Therapie beschränke sich, abgesehen von Fällen mit frischer Lues, wo eine Inunctionskur indieirt ist, auf Roborantien, auf Alco- holica im Anfalle. Eine Prophylaxe, nämlich Vermeidung von Er- kältung, bestehe leider nur in der Theorie, könne aber in Wirklich- keit nicht striet durchgeführt werden. In der hieran sich knüpfenden Discussion erinnert Herr Ponfick zunächst daran, dass er die von dem Vortr. erwähnten bräunlichen oder srünlichen Kugeln und Tropfen in dem hämosglobinhaltigen Harn bereits vor vielen Jahren im Urin von Thieren mit mittleren Hämoglobinurie- Graden beobachtet und in seiner Arbeit über Morchelvergiftung auch eingehend beschrieben habe. Den lIeterus, welcher sich im Verlaufe dieser Ueberladungsen des Blutes mit freiem Farbstoff entwickeln kann, fasst er indess, im Gegensatz zu Herrn Wolff, keineswegs als eine hepatogene, sondern als eine ausgesprochen hämatogene auf, wie er das seit einer längeren Zeit auch vertreten hat. — Hinsichtlich der Ent- stehung der Gelbsucht der Neugeborenen hebt er hervor, dass er zwar für manche Fälle die hämatogene Natur für wahrscheinlich halte, wenn auch vorläufig noch für unbewiesen, dass daneben aber ein hepa- togener Ieterus der Neugeborenen ganz unbestreitbar sei. Sitzung vom 16. März 1833. Herr Simm zeigt das Präparat eines an einem solitären Pons-Tuberkel verstorbenen Kindes. Zuerst theilte derselbe die Krankengeschichte des betreffenden Falles mit, aus der besonders hervorzuheben ist, dass während der ganzen Krankheit fast nur Lähmungen der Gesichtsnerven vorhanden waren, und zwar bestand totale Lähmung des linken N. facialis in allen seinen Aesten und des linken Abducens, sowie Parese des rechten Abducens. Die übrigen Gesichtsnerven waren intact und nur die linke Pupille eonstant weiter als die rechte. Die Extremitäten waren bis auf die letzte Zeit intact, nur in den letzten Wochen trat Parese derselben und zwar zuerst rechts, später links ein. Di 30 Jahres - Bericht Die Section wurde von Herrn Dr. Krafft, damaligem ersten Assistenten des Herrn Prof. Ponfick, ausgeführt und bestätigte die intra vitam gestellte Wahrscheinlichkeits-Diagnose eines solitären Pons- Tuberkel. Derselbe war aussergewöhnlich gross, füllte fast den ganzen Pons Varoli aus und hatte einen frontalen Durchmesser von 34 mm, einen sagitalen Durchmesser von 27 mm, war aber, soweit dies makro- skopisch festzustellen war, nach keiner Seite durchgebrochen. In einer längeren Epikrise entwickelt der Vortragende die Gründe, weshalb er intra vitam die Wahrscheinlichkeits-Diagnose eines solitären Tuberkel im Pons Varoli gestellt hatte. Der Vortrag wird nach mikroskopischer Untersuehung des Präparates ausführlich mitgetheilt werden. Sitzung vom 20. April 1883. Herr Unverricht hält einen Vortrag Ueber experimentelle und klinische Untersuchungen über die Epilepsie. V. macht darauf aufmerksam, dass unsere Anschauungen über den Mechanismus des Krampfanfalls bis auf die neueste Zeit fast ausschliess- lich auf den Kussmaul-Tenner’schen Untersuchungen aufgebaut sind, wonach das sogenannte Krampfcentrum im Pons und in der Medulla oblongata zu suchen sein soll. Auch die Untersuchungen von Hitzig und die sich anschliessenden experimentellen Forschungen haben im Grossen und Ganzen eher zu einer Bestätigung, als zu einer Widerlegung der Kussmaul’schen Lehre geführt, und so kam es, dass Nothnagel selbst in seinem neuesten Werke über Epilepsie seine früher vertheidigte Ansicht aufrecht erhielt. Da U. sich bereits früher aus theoretischen Erwägungen zu der An- sicht bekannt hatte, dass die genuine Epilepsie ihren Ursprung von der Hirnrinde nimmt und dass letztere nicht nur der Ausgangspunkt der Krämpfe ist, sondern sich auch wesentlich an dem Fortbestehen der- selben betheiligt, so lag ihm daran, gegenüber obigen Anschauungen für diese Theorie eine möglichst solide experimentelle Grundlage zu schaffen. Zum Versuche wurden ausschliesslich Hunde gebraucht, denen man je nach ihrer Grösse eine entsprechende Quantität Morphium in die Vena femoralis injicirte. Es wurde alsdann die Trepanation vorgenommen und die Hirn- rinde mit möglichst schwachen Inductionsströmen gereizt. Nicht alle Hunde verfielen hierbei in Krämpfe, und es stellte sich heraus, dass die zu grosse Tiefe der Narcose nicht in allen Fällen das Ausbleiben der- selben erklärt, sondern dass man auch ein individuelles Moment annehmen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 91 muss, welches im einzelnen Falle selbst bei sonst günstigen Versuchs- bedingungen das Entstehen von Convulsionen unmöglich macht. Erhöhte Reflexerregbarkeit und Convulsibilität gehen jedenfalls nicht immer Hand in Hand, und auch von der Eigenwärme des Körpers scheint die Fähigkeit zu Krämpfen ziemlich unabhängig zu sein. Jedenfalls sah U. Fälle, in welchen trotz erheblicher Erniedrigung der Temperatur bis auf 35°C. in ano dennoch die Erregbarkeit des Gehirns eine befriedigende und die Neigung zu Krämpfen eine so hochgradige war, dass die Thiere schliesslich in einen Status epileptieus geriethen. Was für die Temperatur gilt, kann auch von der Zufuhr arte- riellen Blutes gesagt werden, trotz mangelhafter Blutversorgung kommen die ausgiebigsten Krämpfe zu Stande. Um zu sehen, ob der Verlauf der Krämpfe mit der Anordnung der motorischen Centren in der Hirnrinde harmonirt, wurde die Lehre der Rindenlocalisation einer nochmaligen Prüfung unterzogen, die zu einigen interessanten Ergebnissen führte. U. bekam folgende Reizeffeete von verschiedenen Stellen z. B. der linken Hirnrinde aus: 1. Zuckungen im rechten Orbicularis. 2. Bewegungen in dem unteren Facialisgebiete. 3. Schluss des Unterkiefers. 4. Zurückziehen der Zunge, 5. Zuckungen der rechten Zungenhälfte. 6. Zuckungen der linken Zungenhälfte. 7. Zuckungen im linken Risorius. 8. Aufsperren des Maules. 9. Zuckungen der oberen Extremität. 10. Drehung des Nackens nach der linken Seite. 11. Zuckungen der hinteren Extremität. 12. Bewegungserscheinungen am Auge, bestehend in Erweiterung der Pupillen, Oeffnung der Lidspalte und Drehung der Bulbi nach rechts, Im einzelnen Falle liessen sich diese verschiedenen Be- wegungserscheinungen von verschiedenen Punkten jener hinteren Region aus isolirt hervorrufen. 13. Zuckungen im rechten Ohr. Von diesen Thatsachen verdient besondere Erwähnung der Befund zweier Stellen, von denen aus sich isolirte Bewegungen beider Zungenhälften erzielen lassen. | Was für die Zungenmuskulatur eilt, das gilt wahrscheinlich in gleichem Masse für die Kaumuskulatur, denn selbst wenn man den Unterkiefer in der Mitte durchsägt, also beide Hälften vollkommen isolirt, so werden doch beide Seiten bei Reizung der einen Hirnhälfte in Be- wegung gesetzt. | 99 Jahres-Bericht Die Bewegungen des Rumpfes und Nackens geschahen in der Mehr- zahl der Fälle nach derselben Seite, bei halbseitigen Krämpfen machte der Körper einen Bogen mit der Convexität-nach der krampfenden Seite. Mit Sicherheit wird ein Muskel, der wohl dem M. risorius des Menschen entspricht und der den Mundwinkel nach aussen und unten zieht, stets von der gleichnamigen Hemisphäre innervirt, Wenn man sich diese Topographie der Rindencentren vor Augen hält und jetzt den Verlauf der Krampfanfälle von den einzelnen Centren aus verfolgt, so kann man leicht das Gesetz abstrahiren, dass immer nur solehe Muskelgruppen hinter einander in Krämpfe ver- fallen, deren Centren in der Hirnrinde neben einander liegen, Noch wichtiger als der Verlauf der Krämpfe auf der einen Seite war die Beobachtung, in welcher Weise dieselben die andere Körper- hälfte ergreifen, da darüber die menschliche Pathologie so gut wie gar keine Mittheilungen enthält und die vorhandenen Notizen zum grossen Theil mit einander im Widerspruch stehen. Es stellte sich das Gesetz heraus, dass der Krampf die andere Körperhälfte immer in einer streng regelmässigen und ganz typischen Reihenfolge heimsucht, gleichviel welcher der Ausgangspunkt des- selben auf der anderen Seite geweseniist. Mag der Krampf auf der einen Seite von der unteren Extremität oder vom Orbicularis ausgegangen sein, mag er zuerst in einer Zungenhälfte getobt oder mit Sperrkrämpfen des Unter- kiefers begonnen haben, immer befällt er zuerst sämmt- liche Muskeln der einen Körperhälfte und greift dann auf der anderen Seite in aufsteigender Richtung um sich, so dass zuerst die untere Extremität von Krämpfen befallen wird und jetzt die anderen Muskelgruppen in derselben Reihenfolge sich anschliessen, in welcher sie bei primärer Reizung des Öentrums der unteren Extremität von Zuckun- sen heimgesucht wurden. Wiederholt man die Reizung bei demselben Thiere mehrere Male hinter einander, so zeigen die späteren Anfälle meist eine viel grössere Intensität und einen schnelleren Verlauf, bei späteren Anfällen sieht man die Zuckungen lange andauern und sich nur mühselis und zögernd be- sänftigen, und schliesslich kommt ein Stadium, wo die Krämpfe das Thier nicht mehr verlassen, sondern einen dauernden Krampfzustand bilden, in welchem das Thier meist zu Grunde geht. Dieser Status epileptieus kann sich in zwei verschiedenen Formen entwickeln. Die erste bezeichnet U, als die oscillirende Ent- stehungsform, da sie gewissermassen ein Herüber- und Hinüberpendeln der Erregung darstellt. Hat nämlich der Krampf die zweite Körperhälfte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 93 in aufsteigender Richtung heimgesucht, so geht er wie er gekommen wieder zurück, die erste Körperhälfte in die Höhe, wieder zurück u. s. f. Eine zweite Form, von U. reeidivirende genannt, besteht darin, dass von der primär gereizten Muskelgruppe ein zweiter Anfall ausgeht, dem ein dritter und vierter folgt, bis sich ein allgemeiner Krampfzustand ausgebildet hat. Die Körperwärme steigt beim Status epilepticus beträchtlich in die Höhe und erreichte in einem Falle die enorme Höhe von 44,19 C, Zu gleicher Zeit kam hier eine mässige postmortale Temperatursteigerung zu Stande. Andererseits kann trotz erheblichen Absinkens der Eigen- wärme bis auf 34,8° C. der epileptische Zustand fortdauern. Die Athmung wird in den meisten Fällen coupirt und oberfläch- lich, sistirt wohl während des heftigsten Muskelspiels auch gänzlich. In anderen Fällen dagegen, wo die Erregung langsam von einer Muskel- gruppe zur anderen fortschleicht, kann es auch vorkommen, dass die Athmung fast gar nicht genirt wird, bis das Uebergreifen des Anfalls auf die andere Körperhälfte und die damit verbundene grössere Vehemenz und Schnelligkeit der Muskelzuckungen die Athmung plötzlich verflacht oder ganz verschwinden lässt, Die Pupillen erweitern sich gewöhnlich zugleich mit dem Eintritt des Nystagmus nach der krampfenden Seite. Greift der Krampf auf die andere Seite über, so bleiben sie gewöhnlich weit, oder es tritt nach einer kurzen Verengerung eine nochmalige Erweiterung ein. Im zweiten Theil des Anfalls machen die Bulbi nystagmusartige Bewegungen nach der andern Seite. Gewöhnlich ist das Verhalten beider Pupillen associirt, so dass beide sich gleichmässig erweitern und verengern. Diese Association kann aber gestört sein durch die Morphiumnarcose, und ebenso wird dieser Mechanismus durch häufige Krampfanfälle erschüttert, so dass die Pupille der nicht krampfenden Seite gewöhnlich an Weite zurückbleibt. Dasselbe gilt von den associirten Bewegungen der Bulbi. Die im Status epilepticus befindlichen Thiere verwendete U. dazu, den Einfluss verschiedener Eingriffe und Medicamente auf den Krampf- zustand zu prüfen. Was zunächst die Wirkung der Anämie anlangt, so zeigte sich, dass bei der Verblutung die klonischen Muskelkrämpfe nicht eher auf- hörten, bis einige Auf- und Niederbewegungen der Extremitäten und dyspnoische Respirationsbewegungen des Thorax und der Gesichtsmusku- latur das Herannahen des Todes verkündeten. Aehnlich wirkte die Kohlensäureüberladung des Blutes, und hierbei zeigte sich, dass selbst noch in dem Stadium, in welchem die sangliösen Elemente der Hirnrinde bereits ihre Functionen eingestellt haben, eine Wiederbelebung derselben durch erneuerte Bauerstofizufuhr möglich ist. 24 Jahres- Bericht Das grösste Interesse bietet das Verhalten der Apnoe zu den Krämpfen. Um diese zu studiren, wurde bei den im Status epileptieus befindlichen Hunden die Trachea geöffnet und die eingesetzte Canüle mit einem Blasebalg in Verbindung gesetzt, welchen man in energische Thätigkeit brachte. Der Erfolg war in Bezug auf die Krämpfe ein negativer, ja in mehreren Fällen beobachtete man ein continuirliches Fortdauern der Krämpfe, d. h. ein völliges Verschwinden der krampffreien Intervalle, welche fast bei jedem Status epileptieus einzutreten pflegen, und in welchen das Thier sein Sauerstoffbedürfniss durch einige tiefe Athemzüge befriedigt. Sistirtte man die künstliche Athmung, so traten wieder Krampfpausen ein, Constant ist der Einfluss der Apnoe auf die Pupillen, welche sich prompt verengen, obgleich der Muskelkrampf keine Verminderung zeigt. Sistirt man die künstliche Respiration, so tritt auch sofort wieder die Erweiterung der Pupillen ein. Wenn man einem Thiere im Status epileptieus Morphium in die Vene einspritzt, so gelingt es nicht eher die ausgebrochenen Krämpfe zum Stillstand zu bringen, als bis man zu Gaben greift, welche für das Versuchsthier direet tödtlich sind. Es geht daraus die für die Therapie wichtige Thatsache hervor, dass Morphium auf die ausgebrochenen Krämpfe keinen beruhigenden Einfluss ausübt, und dass deshalb das Morphium bei der Behandlung der Epilepsie ganz zu verwerfen ist. Mit Sicherheit gelingt es dagegen, mit Hilfe von Aethereinathmung das wildeste Muskelspiel zum Stillstand zu bringen. In den meisten Fällen genügen wenige Athemzüge, um das Thier in tiefen Schlaf und absolute Muskelruhe zu versenken, in welcher es so lange verharrt, bis der Aether grösstentheils ausgeschieden ist. Das Erwachen ruft auch den Krampf von frischem ins Leben, und nur eine neue Narcose vermag ihn wieder zu bannen. Wir sehen also in dem Aether ein Mittel, welches zwar im Stande ist, die Erregbarkeit der Hirnrinde so weit abzustumpfen, dass das Entstehen krampfhafter Zuckungen dadurch ver- hindert wird, welches aber jenen eigenthümlichen Erregungszustand, der das Bestehen allgemeiner Muskelkrämpfe bedingt, nicht zu beseitigen, sondern nur zu verdecken vermag. Fast dasselbe eilt vom Chloral. Das Atropin dagegen ruft eine Steigerung der Erregbarkeit her- vor, und es gelang in einzelnen Fällen durch Atropininjection die durch Chloral besänftigten Krämpfe wieder ins Leben zu rufen. Es geht daraus die Mahnung hervor, die Verwendung des Atropin bei der Behandlung der Epilepsie möglichst einzuschränken und dieses Mittel nochmals mit argwöhnisehem Auge durchzuprüfen. Sollte es, trotz seiner die Erreg- barkeit der Hirnrinde steigernden Eigenschaft, dennoch in einzelnen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 95 Fällen von Fallsucht indieirt sein, so wird deren Zahl jedenfalls hinfort erheblich eingeschränkt werden müssen. Nach Erledigung dieser Thatsachen legte sich U, die Frage nach der Localisation der Epilepsie vor. Giebt es einen bestimmten, eng umschriebenen Punkt im Centralnervensystem, von welchem aus sämmt- liche Phänomene des Anfalls zu Stande kommen und dessen Erkrankung beim Menschen das so räthselhafte Symptomenbild der genuinen Epilepsie erzeugt, oder ist dieselbe corticalen Ursprungs, das sind im Wesentlichen die beiden Alternativen, welche die moderne Forschung diseutirt hat. Seine Untersuchungen führten U., in striktem Gegensatz zu Albertoni, Pitres und Franck ete., mit aller Schärfe zu dem Satze, dass die Unversehrtheit der motorischen Rindenregion zum Zustande- kommen eines completen Krampfanfalls unbedingtes Er- forderniss ist. Um zu beweiskräftigen Resultaten zu gelangen, muss man die motorische Region in grosser Ausdehnung abtragen, um auf diese Weise grössere Muskelgebiete aus dem Krampfbilde auszuschalten, da bei kleineren Exstirpationen die Beobachtung des betreffenden Muskelgebietes auf grosse Schwierigkeiten stösst. Frappant ist der Verlauf eines An- falls, bei welchem linkerseits fast die ganze motorische Region ex- stirpirt ist und nun das stehen gebliebene Orbiculariscentrum gereizt wird. Es entstehen dann langdauernde Krämpfe in diesem Muskel, Seit- wärtsbewegungen der Bulbi und Dilatation der Pupillen. Die gesammte Rumpf- und Extremitätenmuskulatur verharrt aber in absoluter Ruhe, bis eine gewaltsame Torsion des Nackens das Uebergreifen der Krämpfe auf die andere Körperhälfte verkündet, die nun in aufsteigender Richtung von Zuckungen heimgesucht wird. Jetzt machen wohl auch die sym- metrischen rechtsseitigen Muskelgruppen Zuckungen, ebenso wie sonst bei dem Krampf der rechten Körperhälfte die linksseitigen Muskeln zucken, aber diese sind nur als Mitbewegungen aufzufassen, welche wahrscheinlich durch ein Ueberspringen des Reizes im Rückenmark zu Stande kommen, denn sie dauern nach halbseitiger Rückenmarksdurch- schneidung noch fort. Diese secundären Zuckungen sind aber auch der Schlüssel dafür, dass frühere Forscher den Einfluss der Rindenexstirpation auf die Krämpfe vollkommen geleugnet haben. Dass auch in den späteren Stadien, wenn bereits ein ausgesprochener continuirlicher Erregungszustand sich in dem Nervensysteme eingenistet hat, dennoch die Erregung der Hirnrinde die Hauptrolle spielt, geht aus dem Umstande hervor, dass man auch dann noch durch Exstirpation derselben beliebige Muskelgruppen zur Ruhe bringen kann. So kann man beliebige Muskelgruppen aus dem Krampfbilde ausscheiden und localisirte Krämpfe und Krampfzustände erzeugen. Man kann beim 96 Jahres-Bericht halbseitigen Status epileptieus die Kieferbewegungen vernichten, man kann die Orbiculariskrämpfe in Wegfall bringen, und man kann einen | Krampf erzeugen, an welchem sich die Extremitäten nicht betheiligen. Nur die secundären Zuckungen werden von der Rindenexstirpation nicht beeinflusst, ja sie dauern sogar fort nach halbseitiger Rückenmarks- durchschneidung, und es geht daraus mit grosser Bestimmtheit hervor, dass sie durch ein Uebergreifen der Erregung in untergeordneten Ganglien- gruppen zu Stande kommen und wahrscheinlich in solchen Gangliengruppen, welche in der Cerebrospinalachse ziemlich median und benachbart ge- lagert sind. Wenigstens dürfte die 'Thatsache, dass sie beim Risorius fehlen, keine andere Erklärung zulassen. Dass sie aber etwas Aceidentelles darstellen, geht nicht nur aus dem Umstande hervor, dass sie streng an die Zuckungen der andern Seite gebunden sind, sondern auch aus der Thatsache, dass sie in ein- zelnen Fällen gar nicht zur Beobachtung kommen. Es blieb nun noch die Frage zu entscheiden, auf welchem Wege die Erregung den einzelnen Rindengebieten zufliesst. Verbreitet sie sich von einem Centrum immer zu dem benachbarten, oder sucht sie andere Wege auf? Ob dieser erste Modus einer flächenhaften Ausbreitung, der Erregung über die Hirnrinde vorkommt, lässt sich schwer feststellen. Jedenfalls sah U., wenn er benachbarte Centren durch tiefe Einschnitte in die Hirnrinde von einander trennte, oder wenn er einzelne Centren mit einem Cirkelschnitt isolirte, dennoch keine Veränderung in dem Verlauf der Krämpfe eintreten, zum Beweise, dass untergeordnete Ganglien- sruppen die Uebertragung des Reizes nach den benachbarten Rinden- centren übernehmen können. Wenn also der Reiz zu seiner Fortpflanzung die Continuität der Hirnrinde entbehren kann, so war auch nicht zu erwarten, dass Durch- - schneidung des Balkens, der doch im Wesentlichen das Commissuren- system der beiden Hirnhälften darstellt, einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Krämpfe haben würde. Dies war denn auch thatsäch- lich der Fall. Nach vorsichtiger Balkentrennung griff die Erregung in unveränderter Weise auf die andere Körperhälfte über und nur, wenn die Operation einen starken Bluterguss in die Seitenventrikel erzeugt hatte, blieb die Verbreitung der Krämpfe auf beiden Körperhälften aus. Wenn man nun diese experimentell erzeugten Krampfanfälle mit den Anfällen echter Epilepsie vergleicht, so muss man sagen, dass sie von allen bislang auf die verschiedenste Weise produeirten Krampf- formen beim Thiere die grösste Aehnlichkeit mit dem Bilde der Fall- sucht beim Menschen darbieten, und dass deshalb die hier gewonnenen Schlüsse auch volle Anwendung für die Lehre von der genuinen Epilepsie haben. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9 Für die corticale Natur dieser letzteren sprechen besonders die ver- schiedenen Auraformen und psychischen Aequivalente, sowie die inter- essanten Beziehungen zum Schlaf und zu den Psychosen. Einzelne Beobachtungen lehren, dass die Zerstörung der motorischen Region auch beim Menschen Krämpfe in den zugehörigen Muskelgebieten verhindert. Bezüglich des Verlaufs der Krämpfe stimmen die vorhandenen kli- nischen Erfahrungen mit den Versuchen überein, nur für die Art, wie die zweite Körperhälfte befallen wird, fehlen exacte Angaben. Die wenigen vorhandenen stimmen mit den experimentellen Beobachtungen nicht überein, lassen sich aber vielleicht durch das Gesetz der Mit- bewegungen erklären, Sitzung vom 27. April 1883. Herr Hirt spricht Ueber das Hospiz ‚la Salpätriere‘ in Paris und die Charcot’sche Klinik für Nervenkrankheiten. Die Hospitäler von Paris haben auf fremde Aerzte von jeher eine grosse Anziehungskraft ausgeübt, was nicht blos den bedeutenden Eigen- schaften der leitenden Aerzte, sondern in gleicher Weise dem gewaltigen Krankenmateriale zuzuschreiben ist, welches dort allüberall zur Ver- fügung steht. Das Hötel Dieu, die Hospitäler Necker, Laennee, Pitie, Lariboisiere, St. Louis u. A. bieten Lehr- und Lernstoff in Hülle und Fülle, und wer je dem klinischen Unterrichte von S6e, Potain,Legroux, Fournier u. A. beigewohnt hat, der wird sich schwer davon Rechenschaft ablegen können, ob es mehr die Art der Kranken- vorstellung war, die ihn fesselte, oder die aussergewöhnlich grosse Zahl seltener und interessanter Krankheitsfälle.. Die genannten aber und alle Hospitäler in Paris an Umfang und Grossartigkeit der Anlage überragt ein Complex von Gebäuden, der unter dem Colleetivnamen „la »al- petriere‘“ bekannt ist und ursprünglich ein Hospiz für alte, arbeitsunfähige Frauen darstellte; ein besonderes Interesse verleiht ihm der Umstand, dass einer der ersten Neuropathologen der Jetztzeit, J. M. Chareot, in diesem Hause seinen klinischen Lehrstuhl aufgeschlagen hat und Zuhörer aus aller Herren Länder heranzieht, eine Thatsache, welche eine kurze Schilderung der Salpetriere um so eher gerechtfertigt erscheinen lassen muss, als die innere Einrichtung derselben und speciell die der Charcot- schen Klinik in Deutschland so gut wie unbekannt sind. Das ‚„Haus“, von dem wir sprechen, liegt auf dem linken Seineufer, neben dem Bahnhof von Orleans, dicht am Jardin des Plantes, also im südöstlichen Theile der Stadt, und umfasst ein durch eine Mauer abge- 38 Jahres- Bericht schlossenes Areal von 31 Hectaren, von denen 4'/, Heetar auf Baulich- keiten kommen. Es hat eine nicht uninteressante Geschichte, die sich über 2 Jahrhunderte zurück, bis in jene Zeit verfolgen lässt, wo der Frondekrieg in Paris herrschte, in Folge dessen man eine geradezu un- glaubliche Masse von Bettlern und Hilfsbedürftigen in der Hauptstadt antraf. Da unter den Frauen die Noth am grössten war, so beschloss man (1653), in das neu einzurichtende Hospiz, bei dessen Gründung auch eine alte Salpeterfabrik (,Salpetriere) mitfigurirte, zunächst nur Weiber aufzunehmen; dies geschah und am 7. Mai 1657 wurde an derselben Stelle, wo die heutige Salpetriere steht, ein Hospiz eröffnet, in dem, wie aus einem Berichte von Mazarin hervorgeht, anfangs 206 weib- liche Inquilinen Aufnahme fanden. Um dem Unwesen des Bettelns zu steuern, wurde bekannt gemacht, dass darin an jedem 7. im Monat jede arme arbeitsunfähige Frauensperson aufgenommen, dagegen fortan jede Bettelnde schwer bestraft werden würde. Wahrhaft königlich bedachte Ludwig XIV. diese seine eigenste Schöpfung; im Laufe weniger Jahre schenkte er dem Hospiz Areal, in der Nähe gelegene Baulichkeiten, Kapitalien und Privilesien aller Art, so dass die anfänglichen 200 Betten sich bald verzehn-, bald verzwanzig- fachten. Allerdings liess das Institut, vom hygienischen Standpunkt aus betrachtet, viel zu wünschen übrig, und die Berichte über die Zustände darin lauten in verschiedenen Zeitepochen zumeist sehr ungünstig, so be- zeichnete es z. B. Camus, der 1789 als Deputirter des dritten Standes der Stadt Paris sich genau darüber informirt hatte, als eine „‚cloaque affreuse“. Erst ganz allmälig besserten sich die Verhältnisse; die immer wachsende, schliesslich kolossale Ausdehnung der Anstalt, welche im Jahre 1823 den heutigen officiellen Namen „Hospice de la Vieillesse- Femmes‘ erhielt, machten und machen auch heute noch eine einheit- liche Verwaltung sehr schwierig; die grossen Summen, welche die Stadt aufwenden müsste, wenn sie den an ein Hospital der Neuzeit mit Recht gestellten Ansprüchen der Hygiene durchweg genügen wollte, lassen es erklärlich erscheinen, dass nicht alle Säle gleichmässig gut ventilirt und gleichmässig geräumig sind, wie man es in kleinen Hospitälern zu fordern berechtigt ist. Im Grossen und Ganzen ist Alles in schönster Ordnung; während eines fast 3monatlichen Aufenthaltes, wo es an Ge- legenheit nicht mangelte, die mannigfachsten Localitäten, darunter auch solche kennen zu lernen, welche von Fremden sonst nie betreten werden, haben wir Nichts gefunden, was zu ernsten hygienischen Bedenken hätte Veranlassung bieten können. Von besonderem Inseresse in der Geschichte des Hauses ist für uns das Jahr 1862, weil in ihm Charecot als Arzt der Salpetriere, in der er schon 14 Jahre vorher theils als externe (Famulus), theils als interne (Unterassistent seit 1848), theils als Chef der Clinique (Assistent 1853 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 99 wi bis 1855) gewirkt hatte, angestellt wurde. In diesem Jahre waren in der Salpetriere 5025 Betten belegt, von denen 3035 auf Arbeitsunfähige und nicht geistesgestörte Epileptische, 1512 auf Geisteskranke, der Rest . auf Beamte und Unterbeamte kam. Beiläufig sei hier einer sehr nach- ahmenswerthen Einrichtung erwähnt: alle Personen. die in dem Hause eine bestimmte Zeit als Wärterinnen fungirt haben und in ihm und durch den Dienst krank geworden’ sind, erhalten lebenslang Wohnung und Kost in einem eigens für sie errichteten, innerhalb der Salpetriere gelegenen Gebäude „Reposantes“. Das ärztliche und Verwaltungspersonal setzte sich damals (wie auch mutatis mutandis noch heut) aus 56 Personen zu- sammen, unter denen sich 7 Chefärzte befanden; keiner von diesen letz- teren wohnt im Hause, dagegen sind 8 Internes (Candidaten der Mediein, welche das Internat durch eine Preisbewerbung erhalten haben und meist im 8. bis 10. Studiensemester stehen) en M&decine und 8 Internes en Pharmacie darin einquartiert und zu etwaiger Hilfeleistung jederzeit bereit. Während des Vormittags findet man ausserdem eine grosse Menge der sogenannten Externes thätig, bevorzugte fleissige Studenten im 4. bis 6. Semester, welche als Protokollanten ete. funeiren. Zu den verantwortlichsten Stellen unter den Beamten der Salpetriere gehört, beiläufig bemerkt, die des Pförtners, der den Verkehr zu regu- liren und darauf zu achten hat, dass weder von den 4000 täglich aus- und eingehenden Personen, noch durch die nach Hunderten zählenden Wagen, die ein- und auspassiren, zu Unzuträglichkeiten, verbotenem Ver- kehr u. dergl. Veranlassung gegeben wird. | Die Oekonomie der Salpetriere liegt in der Hand des Directors und eines Oekonomen, welcher letztere den Einkauf der Lebensbedürf- nisse besorgt; 1861 wurden z. B. 754 990 Kilo Brot, 261 552 Kilo Fleisch, 196 000 Stück Eier, 179 278 Liter Kartoffeln, 205 594 Liter frische und trockene Gemüse u. s. w. verbraucht, und der Weinconsum belief sich auf 265 900 Liter, was praeter propter einen Liter pro Kopf und Tag entspricht. Den Wasserbedarf liefert der Canal des l’Oureq (Fluss im nordöstlichen Frankreich), aus welchem das 1845 erbaute, 2 Millionen Liter enthaltende Wasserreservoir (cf. Plan) gespeist wird; das Wasser ist von ausgezeichneter Güte und hat zu Infeetionen u. dergl. noch nie Veranlassung gegeben. Die Zahl der Verpflegungstage für 3899 In- disents belief sich auf 940 502, die für 2326 Alienes auf 513 228, die für 209 Insassen der Infirmerie generale auf 166 717. Die Verpilegungs- kosten betrugen in Summa 1886 974 Fres. pro Jahr, jeder Verpflegte kostete täglich 1 Fres. 24,22 Ctm. Die Mortalität in dem Hospiz ist verhältnissmässig keine bedeutende; von den Alten, Arbeitsunfähigen („Indigentes‘‘) starben jährlich etwa 23 pCt., von den Geisteskrankon 18,13 pCt. (Statistik des Jahres 1861). Alle diese Angaben sind, den mündlichen Mittheilungen des Directors Mr. Le Bas zufolge, noch heut 30 Jahres - Bericht zutreffend; ich kann nicht umhin, an dieser Stelle der grossen Liebens- würdigkeit und Zuvorkommenheit des genannten Herrn und aller Hospital- beamten, mit denen ich oft in Berührung kam, dankend zu erwähnen; interessant war es jedoch immerhin, als uns der Director auf Charcot's Verwendung einen genauen Plan des Hospizes (den wir verkleinert bei- seben) zur Verfügung stellte: ‚Sehen Sie dieses Exemplar in meiner Stube“, sagte er, „sehen Sie die 31 schwarzen Kreuze darauf? — es sind die 31 Granaten, welche Ihre Landsleute in die Salpetriere ge- worfen haben; wenn Sie wünschen, lasse ich sie auf Ihrem Exemplare einzeichnen: . „2... ” | Gehen wir nun zur Eintheilung des Hospitales über, wie sie sich heut darstellt und wie sie durch den beigelegten Plan erläutert werden soll. Da ist zunächst I. das Departement der Vieilles indigentes (alter, hilfloser Weiber), welche lebenslang im Hause bleiben; es zer- fällt in 3 Unterabtheilungen, die „Grandes Infirmes“ (völlig hilflose, blinde, paralytische Individuen), die ,„Incurables‘ (an alten Gehirn- und Rückenmarkskrankheiten, an Phthise, an Careinom u. s. w. Leidende), und die (oben erwähnten) „Reposantes“; II. ist zu nennen die „‚Infirmerie generale‘, eine Abtheilung, auf welcher die Hausinsassen, wenn sie acut erkranken, eine besondere ärztliche Behandlung erhalten (Arzt: Char- pentier), nach deren Beendigung sie in ihre resp. Stationen zurück- kehren. Die III. Abtheilung ist die der ,„Alienes‘, wo sich die ver- rückten Epileptischen, Idioten und andere Geisteskranke befinden; die IV. endlich bildet die Klinik der Nervenkrankheiten von Chareot, auf welche wir sogleich zu sprechen kommen. Von Aerzten sind ausser Charpentier noch Luys, der mit Charcot zusammen die Infirmerie generale verwaltet, ferner Moreau (de Tours), le Voisin und Legrand du Saulle zu erwähnen, welche als Irrenärzte functioniren. Genannte sechs Herren bilden neben Terilon, der die Chirurgie des Hauses leitet, die 7 Chefärzte; unter ihnen nimmt Charcot insofern eine Sonderstellung ein, als er nicht blos als Arzt der Salpetriere, sondern auch als klinischer Professor, Inhaber des Lehr- stuhles für Nervenkrankheiten und als solcher unpensionirbar ist, daher sein Material in der Salpetriere bis an das Ziel seiner Arbeitsfähigkeit verwerthen kann, während die übrigen, welche nur Hospitalärzte sind, in einem gewissen, innerhalb der sechziger Lebensjahre gelegenen Zeit- raume das Haus verlassen und sich pensioniren lassen müssen. (Aus dem Plane ersieht man nicht blos die Abtheilungen der Chefärzte [I bis IV], sondern auch die Lage der Nebengebäude, der Ställe, des Wasch- hauses, der Küche, des Parks ‚la Hauteur“, der Gemüsegarten etc. etc.) Die Charcot’sche Klinik für Nervenkranke (Plan IV) ist aus der Abtheilung für Hysterisch-Epileptische hervorgegangen; diese unter- stand seit 1860, wo Charcot „‚agrege de la Faculte“ geworden war, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 31 speciell seiner Leitung und wurde jederzeit als bevorzugte Lehr- und Lernstation benutzt, ohne dass man sie zu einer „Klinik“ im eigent- lichen Sinne des Wortes machte; denn Charcot wurde, nachdem er 12 Jahre Extraordinarius gewesen war, im Jahre 1872 allerdings Ordi- narius, aber für pathalogische Anatomie, und diesen Lehrstuhl behielt er, wie allbekannt, bis in die allerneueste Zeit inne; erst im Jahre 1881 wurde, nach Ueberwindung sehr grosser, durch persönliche Gegner wirkungsvoll erhöhter Schwieriskeiten, der Lehrstuhl für Nervenkrank- heiten, zunächst persönlich für Charcot, ins Leben gerufen und nach einem Besuche des Ministers Ferry in der Salpetriere die frühere Ab- theilung für Hystero-Epileptische zur etatsmässigen Klinik erhoben (Plan 5). Dieselbe umfasst jetzt ungefähr 180 Betten, die selbstredend von jeher nur für weibliche Patienten bestimmt waren; den überzeu- senden Ausführungen Charcot’s jedoch, dass eine Klinik für Nerven- kranke, in welcher den Studirenden alle möglichen Formen von Er- krankungen vorgeführt werden sollen, auch männliche Kranke enthalten müsse, hat man nachgegeben und, obwohl es eigentlich den Grundstatuten des Hauses zuwiderlief, eine Abtheiluns von 20 Betten für Männer ein- gerichtet (1881 [Plan 9]. Da Charcot neben seiner Klinik noch einen Theil der Infirmerie generale (II) und einen bedeutenden Theil der Ab- theilung für Incurables (D) als Chefarzt versieht, so beträgt die Zahl der unter seiner Leitung stehenden Betten zwischen 600 und 650, welche in ihrer Gesammtheit ein unvergleichliches Krankenmaterial, eine Art von lebendigsem Museum für seine mit Recht berühmt gewordenen Vor- lesungen darstellen. Im Jahre 1866 begann er dieselben in einem kleinen, sehr dürftig ausgestatteten, auch die anfänglich beschränkte Zuhörerzahl kaum fassenden Raum (ef. Plan 13); erst 17 Jahre später wurde der heutige „Salle des Cours, ’Amphitheätre“, den man aus einer ehemaligen Küche herstellte, eröffnet (Plan 3); er ist ausreichend gross und so eingerichtet, dass alle modernen Apparate, welche in Charcot’s Vorlesungen nie fehlen, namentlich die Apparate für die mit elektrischem Licht beleuch- teten Projectionen der Photographien und mikroskopischen Präparate zu Geltung kommen; über den Nutzen dieser Projectionen, welche von Dubose und Regnard installirt worden sind, auch nur ein Wort zu verlieren, halte ich für überflüssig: Wer die Schwierigkeiten kennt, welche es macht, vor einem grossen Publikum mikroskopische Präparate fruchtbringend zu demonstriren, wird die Einrichtung, welche gestattet, dass hunderte von Menschen das auf einem weissen Hintergrund riesen- gross projieirte Object auf einmal genau durchstudiren können, nur mit lebhaftem Beifall begrüssen. Mit Recht wies Charcot in seiner Er- Ööffnungsrede (cf. Progres medical Nr. 47, 1879) darauf hin, dass er bereits nennenswerthe Errungenschaften für die Wissenschaft in dem Ge- 32 Jahres - Bericht bäude der Salpetriere aufzuzeichnen habe, so sein pathalogisch-anato- misches Museum (Plan 5), die Abtheilung für die Autopsien (Plan 10), das physiologisch-chemische Laboratorium (5a), das photographische Institut und die Abtheilung für Gyps- und Wachsarbeiten (alles 5a). In welchem Sinne auf der Charcot’schen Klinik gearbeitet wird und welchen Standpunkt er in seinen Vorlesungen hinsichtlich der klini- schen Beobachtung einnimmt, das spricht sich in folgenden Worten, die man in seiner Antrittsrede als Professor der Nervenpathologie findet (cf. Progres med. Nr. 17, 18, 1832) aus: „Ill ne faut pas subordonner la pathologie a la physiologie. C’est l’inverse qu’il faut faire.“ Il faut poser dabord le probleme medical tel qu’il est donn& par l’obser- vation de la maladie, puis chercher & fournir l’explication physiologique: agir autrement ce serait s’exposer & perdre le malade de vue et ä& d£- figurer la maladie.“ Ein beherzigenswerthes Glaubensbekenntniss be- sonders für diejenigen, welche jeden Fortschritt auf neuropathologischem Gebiete ganz allein vom Thierexperiment resp. von der Vivisection erwarten! Nur wer Gewicht legt auf eingehende klinische Untersuchung, auf gründliche Durcharbeitung jedes einzelnen zweifelhaften Falles, wer Freude daran findet, klinische Thatsachen sorgfältig aufzuzeichnen und minutiös zu sammeln, selbst wenn man vorläufig nicht im Stande ist, sie physiologisch zu erklären, mit einem Worte, wer den kranken Menschen als erstes und wichtigstes Untersuchungsobjeet ansieht, nur dem wird die Charcot’sche Klinik volle Befriedigung gewähren. ‚Vous ne trouverez pas“, sagte er mir beim Wilikomm, „une elinique des ehiens chez moi, mais bien d’autres choses.....“ Unter diesen „autres choses“ will er vor Allem sein pathologisch-anatomisches Institut ver- standen wissen; es ist eine seiner Grundanschauungen, welche er fast in jeder Vorlesung zur Geltung bringt, dass die medieinische Klinik und die pathologische Anatomie in derselben Hand liegen müsse, dass der Kliniker sein Material von keinem Andern seeiren lassen dürfe, sondern Alles selbst seciren resp. in seinem Sinne seciren lassen müsse; immer wird bei ihm der Leichenbefund Punkt für Punkt mit den Erscheinungen während des Lebens verglichen und event. in Einklang gebracht, nichts wird ausser Acht gelassen, nichts kann übersehen werden, da dieselben Leute, welche den Kranken im Leben behandelten, bei der Section be- theiligt sind und die pathologisch-anatomische Untersuchung besorgen. Nur so kommt man, nach seiner Ansicht, zu wirklich gut beobachteten und beschriebenen Fällen, und Niemand wird ihm, namentlich was Hirn- und Rückenmarkskrankheiten anbelangt, hierin widersprechen können. Man darf wohl ohne Uebertreibung sagen, dass Charcot’s Unter- richt und seine Vorlesungen vermöge seiner persönlichen Begabung und in Anbetracht der vorhandenen Lehrmittel fast unübertroffen in der Welt dastehen, und es ist interessant genug, zu beobachten, wie er 20 Jahre a der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 33 lang das vorgesteckte Ziel, einen completten Lehrapparat zu besitzen, verfolgte. Lange schon hatte er mit dem Scharfsinn des genialen klini- schen Lehrers herausgefunden, dass all das ungeheure Krankenhaus- material für einen vollendeten Unterricht doch nicht ausreichte, insofern nämlich die leichten Fälle und die beginnenden schweren vollständig fehlten; in der Salpetriere selbst fanden und finden sich noch heut fast nur schwere, meist veraltete, theilweise unheilbare Krankheitsformen, die zwar für den Kenner behufs eingehender Untersuchung interessant sind, dem Neuling aber, dem Studirenden und jungen Arzte wenig nützen können. Mit Rücksicht auf diese bot Charcot all seinen Einfluss auf, um eine Einrichtung durchzuführen, die für die Salpetriere geradezu als etwas Unerhörtes bezeichnet werden musste, nämlich eine consultation externe, eine Poliklinik. Die ihm innewohnende Energie befähigte ihn auch hier, alle Schwierigkeiten zu bewältigen: im Jahre 1880 führte man dicht an der Umfassungsmauer innerhalb des Rayons der Salpetriere ein eigenes Haus auf, welches zu poliklinischen Zwecken bestimmt war und im Juni 1831 eröffnet wurde (Plan 12). Fünfmal wöchentlich öffneten sich jetzt die Pforien des Hauses, um jedem hilfsbedürftigen Nerven- kranken den Rath der Hospitalärzte zugänglich zu machen: Montag früh ist Moreau, Dienstag Charcot, Mittwoch Luys, Freitag Le Voisin und Sonnabend Legrand du Saulle persönlich in der Poliklinik anzu- treffen. Um nun auch die Behandlung der poliklinischen Kranken inner- halb des Hospitals zu ermöglichen, schlug Charecot u. A. die Installation eines elektrotherapeutischen Cabinets vor, welches man ihm nach Lage der Sache nicht abschlagen konnte: in demselben Jahre noch, wie die Poliklinik, wurde wiederum in einem eigenen Gebäude innerhalb der Salpetriere, als zur Charcot’schen Abtheilung gehörig, ein Cabinet d’Eleetrotherapie etablirt (Plan 4), in welchem jetzt allein 4 grosse statische Maschinen, durch Gasmotoren getrieben, arbeiten und welches mit der den französischen Behörden eigenen Munificenz ausgestattet und mit allen für die statische, galvanische und faradische Behandlung er- ' forderlichen Apparaten überreich versehen ist. Romain Vigouroux ist der thätige Leiter derselben. Die jahrelange Beschäftigung mit hysteri- schen Formen liess Charcot schliesslich noch die Creirung einer ophthal- mologischen und speciell ophthalmoskopischen Ahtheilung erforder- _ lich erscheinen, und auch nach dieser Richtung hin wurden seine Wünsche im Jahre 1882 erfüllt: man richtete ihm für ophthalmoskopische und andere einschlägige Untersuchungen ein eigenes Cabinet ein (Plan VII), das der Leitung des Dr. Parinaud unterstellt wurde. Nur Eines blieb bis zum heutigen Tage noch unerfüllt, wegen Schwierigkeit der Anlage und wegen wirklich sehr bedeutender Kosten: die Herstellung des Service general de Bains et d’Hydroth6rapie, welche frühestens 1584 vollendet sein wird; der Platz für das Gebäude ist bestimmt (ef. Plan 11) 1883. 3 34 Jahres - Bericht und die Vorarbeiten sind im Gange — unzweifelhaft wird auch dieser, vorläufig sein letzter Wunsch erfüllt werden. Dass er selbst bei seiner ausgebreiteten praktischen ärztlichen Thätig- keit für die diffieile Verwaltung seiner Abtheilung mannigfacher Assistenz bedarf, liest auf der Hand; die Namen derer, welche sich zu seinen früheren Assistenten und Schülern zählen, zeigen die Erfolge seines Unter- richtes; von ersteren nennen wir nur Cornil, Bouchard, Depine, Pierret, Debove, Geoffroy; die letzteren zählen nach Tausenden. Augenblicklich (März 1883) sind an Charcot’s Klinik angestellt: Ballet als Chef de Clinique, Paul Richer für pathologisch - physiologische Untersuchungen, Ch. Fer& für die Autopsien, Parinaud für Ophthal- moskopie, Londe für physiologische Chemie und photographische Auf- nahmen und Loreau für Injection, Gyps- und Wachsarbeiten. Lehrer und Schüler wetteifern mit einander, das fast nicht zu bewältigende Krankenmaterial möglichst nutzbringend zu verwerthen; Tag für Tag, Sonntag und Werktag, wird unter seiner Leitung gearbeitet, 27/,—3 Stunden täglich ist Chareot in der Salpetriere anwesend und für Jeder- mann, sei er Arzt, sei er Kranker, zugänglich — in dem Parloir (Plan 5) werden jährlich hunderte von interessanten nnd seltenen Nervenfällen von ihm persönlich untersucht und vor einem kleinen Kreise bevorzugter Zuhörer durchgesprochen. Während Dienstags die offieielle Poliklinik, Mittwochs und Freitags die öffentlichen Vorlesungen stattfinden, bleiben die übrigen Tage für private Krankenuntersuchunger und Besprechungen aller Art, reservirt; an diesen Privatissimis nehmen vorzugsweise Eng- länder und Russen theil, sporadisch Italiener, ganz vereinzelt Deutsche — die Betheiligung der letzseren könnte sehr wohl eine regere sein: wir sind der Ueberzeugung, dass Jeder, er sei alt oder jung in der Wissen- schaft, er sei ein Anhänger Charecot’scher Anschauungen und Prineipien oder ein Gegner derselben, seine Klinik und deren Einrichtungen mit Interesse kennen lernen und nicht ohne ein Gefühl der Hochachtung vor dem genialen Begründer derselben verlassen wird. Sitzung vom 11. Mai 1883. Herr Hirt bespricht einige neuere Färbemethoden für nervöse Centralorgane unter Demonstration diesbezüglicher Präparate. Hierauf demonstrirt Herr Krauss einen Fall von Echinoceoceus des Herzens und einen Fall von Arthritis deformans des Hüft- und Kniegelenks. Sitzung vom 1. Juni 1883. Herr Julius Wolff spricht Veber doppelseitig fortschreitende Gesichtsatrophie. Nach einleitenden Erörterungen über trophische Störungen im Allge- meinen und den Gesichtsschwund im Speeciellen giebt Vortragender einen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 35 Ueberblick über die Geschichte dieser Krankheit und zugleich eine Kritik der bisher über sie herrschenden Theorien. Sodann beschreibt er einen von ihm auf der Abtheilung des Herrn Sanitätsrath Dr. Fried- länder beobachteten Fall von doppelseitigem Gesichtsschwund, welcher sich als zweiter dem Eulenburg’schen Falle anreiht und in vieler Hin- sicht von Interesse ist. Derselbe betrifft ein 24jähriges Dienstmädchen, Clara Pludra. Sie wurde zum ersten Male im Alter von 19 Jahren menstruirt, ihre Periode war bis zum Mai vorigen Jahres regelmässig, wo sie aussetzte, um erst im Mai dieses Jahres auf einen Tag wiederzukehren. Von da an erfolgte sie allmonatlich auf mehrere Tage und verlief ohne irgend welche Beschwerden. Von Nervenkrankheiten ist in ihrer Familie nur eine zur Kenntniss gelangt; eine Schwester ihrer Mutter nämlich leidet seit 3 Jahren an Krämpfen. Ihr Vater vielmehr starb an Kehlkopf- schwindsucht, die Mutter an galoppirender Schwindsucht; ein Bruder und eine Schwester sind gleichfalls kehlkopfkrank, von den übrigen 7% Geschwistern weiss sie nichts Näheres anzugeben. Als kleines Mädchen hat sie Masern und Scharlach durchgemacht; während letzterer Krankheit, sie war damals 6 Jahre alt, hatte sie eine heftige Hals- entzündung mit hochgradigen Schlingbeschwerden und immer zunehmender Athemnoth zu überstehen, ja sie war einmal der Erstickung so nahe, dass der Arzt „zur Bräuneoperation“ schreiten wollte, doch ist sie schliesslich, obwohl nur mit Rachenpinselungen behandelt, der Gefahr glücklich entronnen. Seit dieser Zeit wurde sie jedoch stets von Schmerzen im Halse, zumal der rechten Seite, besonders beim Schlingen, von Athemnoth und von einem stechenden Schmerz der rechten Stirn und Schläfe belästigt, welcher mit wechselnder Häufigkeit und Intensität wiederkehrte und ‚im Knochen festsass“. Die übrigen Symptome, denen sich nicht selten Stechen im rechten Ohre hinzugesellte, waren zeitweilig ebenfalls wenig beschwerlich, um ein andermal desto empfindlicher her- vorzutreten, wie sehr sie sich gegen jegliche Erkältung durch gründliche Einpackung des Gesichtes und des Halses schützen musste und zu schützen wusste. Im Mai 1881 war sie in Folge anhaltenden mit Frost einhergehenden Fiebers, Ieterus, galligen Erbrechens und zunehmender Schwäche — der Arzt nannte es Gallenfieber — gegen 6 Wochen ans Bett gefesselt. Nach ihrer Wiederherstellung waren es immer wieder die Halsbeschwerden, welche sie peinigten und zeitweilig zu Erstiekungs- anfällen führten. Letztere waren die Veranlassung, dass die Kranke die Klinik des Herrn Geh. Rath Professor Dr. Biermer im Mai 1832 aufsuchte; seit 4 Wochen waren übrigens auch neuralgiforme Schmerzen im Rücken, im Bereich der drei letzten Rippen linkerseits, mit An- schwellung dieser Gegend hinzugetreten, ohne vorausgegangene Erkältung; sie stellten sich gewöhnlich Vormittags und Abends für kurze Zeit ein 3° 36 Jahres - Bericht und waren in der medieinischen Klinik mit Breiumschlägen, Schwitz- bädern und salieylsaurem Natron innerlich rasch beseitigt. Gegen die durch die chronische Tonsillitis bedingten Halsbeschwerden wurde bald eine Pilocarpin-Infeetionscur installirt, unter welcher sich Patientin eine Zeit lang recht wohl befand. Nach 3 Wochen jedoch wurde sie wiederum von einem Erstickungsanfall heimgesucht, sodass die Exeision beider Tonsillen, von welchen die rechte weit voluminöser war, als die linke, für nothwendig befunden und in der chirurgischen Klinik hierselbst ausgeführt wurde. Seit dieser Operation soll ihre bis dahin näselnde Sprache erst vorübergehend, sodann dauernd heiser geworden sein, wie sie auch jetzt ist, seitdem habe sie auch über Brennen und Kratzen im Halse zu klagen gehabt und das Stechen im rechten Ohr wurde häufiger. Gleich beim Eintritt in die Klinik wurde die sonst sehr intelligente Kranke zum ersten Male darauf aufmerksam gemacht, dass die rechte Gesichtshälfte eingesunken und das Haar des rechten Scheitels dünner sei als links. Mitte Juni vorigen Jahres, als noch die Tonsillenstümpfe etwas eiterten, wurde sie, wahrscheinlich durch Infeetion von einer anderen Unterleibstyphuskranken, an deren Bett sie den grössten Theil des Tages zubrachte, von typischem Unterleibstyphus mit Roseola, hohem Fieber, Diarrhöen etc. befallen. Nach 6 Wochen war sie her- gestellt, nun aber gingen ihr die Haare, und zwar nur auf der rechten Seite, stark aus und ersetzten sich nicht wieder. Im September vorigen Jahres verliess sie auf 2 Tage die Klinik. 8 Tage, nachdem sie wieder- gekommen, acquirirte sie noch einmal, wahrscheinlich wiederum durch direete Ansteckung von einer ihr befreundeten Typhuskranken, Abdominal- typhus, an welchem sie jetzt '/, Jahr lang mit Roseola, hohem Fieber, Stuhlverstopfung darniederlag. Gegen Ende desselben bekam sie neu- ralgiforme Schmerzen im Unterkiefer rechts, welche sie den übrigens vollkommen gesunden Zähnen zuschrieb, unabhängig davon stechende Schmerzen, welche vom occiput rechterseits, im Knochen festsitzend, sich über den ganzen rechten Scheitel hinzogen bis in die rechte Stirn, Schläfe, Auge, „wo es herauswollte“, in das Jochbein und den Unter- kiefer. Gar nicht selten wurde sie durch Paroxysmen in der Nacht geweckt; ausserhalb derselben bestand hochgradige Hyperästhesie in den von den Schmerzen befallenen Partien. Häufig gingen die Schmerz- anfälle mit Schwindelgefühl und Schwäche in den Gliedern mit reichlicher Thränenseeretion und mitunter sehr heftiger Entzündung des rechten Auges einher, sodass dasselbe ein wenig anschwoll; kalte Umschläge waren dann schädlich, während warme Breiumschläge gute Dienste leisteten. Bald ging auch die Neuralgie (Anfang März) auf die linke Gesichtshälfte über, vornehmlich auf die linke Stirn, mit Thränen- secretion des linken Auges und zeitweiliger Entzündung desselben ver- bunden. Niemals übrigens gewahrte sie eine einseitige Röthe oder der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 37 Blässe der Wangen, vielmehr weiss sie bestimmt, dass sie, bei physischen Functionen z. B., beiderseits gleichmässig erröthete. Niemals ferner trat ein Auge aus der Orbita sichtlich hervor, noch sank es ein, und bei der Thränensecretion ausserhalb der neuralgischen Attaquen, ebenso bei der Schweissabsonderung im Gesicht trat keinerlei Unterschied der beiden Seiten zu Tage. Anfang März gesellten sich auch zu den neuralgischen Schmerzen tonische, häufiger klonische Zuckungen der Kaumuskeln, namentlich des rechten m. masseter; im trigonum inframaxillare rechter- seits bestand meist ein durch tonische Contractionen bewirktes Gefühl von Zusammenschnürung und es war ihr dann, wie wenn dort ein Knochen sässe. Letzteres pflegte auch bei längerem Offenhalten des Mundes, sowie beim heftigen Zusammenbeissen der Zähne einzutreten, zugleich mit einem Krampfgefühl an der inneren Seite, des rechten m. sternocleido- mastoideus. Seit dem Bestehen der Kaumuskelkrämpfe, auf welche übrigens die verschiedensten Mediecamente: Morphium, Arsen, Chloral, Chinin, nur einen ungünstigen Einfluss auszuüben vermochten, fiel die rechte Gesichtshälfte mehr und mehr ein, der Haarschwund rechterseits wurde beträchtlicher, ja etablirte sich auch auf dem linken Scheitel. Seit Kurzem (etwa Anfang Mai) entdeckte sie ferner eine Pigmentirung des linken oberen und unteren Augenlides, die sie entschieden früher nicht gehabt haben will, ja die linke Gesichtshälfte soll, sie erkennt das mit Sicherheit an der Lage des linken Auges, gegen früher deutlich einge- sunken sein. Grosse Trockenheit im Munde hat sie schon vor dem zweiten Typhus gehabt, ebenso bitteren Geschmack. Niemals bestand Speichelfluss. Im April d. J. verfiel Patientin zweimal in mehrtägigen Zwischenräumen in Epilepsie mit vollkommenem Bewusstseinsverlust, sie stürzte dabei aus dem Bett heraus auf die gesunde Gesichtsseite. Seit dem 27. April d. J. befindet sie sich auf der medieinischen Abtheilung des Allerheiligenhospitals. Clara Pludra, ein mässig genährtes brünettes Individuum mit dunkelbraunem Haupthaar, ist sehr intelligent, von lebhaftiem, heiteren Temperament, im Umgange mit ihren Freundinnen, abgesehen von einem etwas reizbaren Wesen, angenehm. Ihr Körpergewicht betrug bei der Aufnahme 102 Pfund, ist gegenwärtig, nach unbedeutender Steigerung, auf 100 herabgegangen. Ihre Körperlänge misst 151'/), cm. Die Tempe- ratur ist Abends zeitweilig erhöht, bis 39,6 als höchstes; in der linken Achselhöhle zeigt der Thermometer gewöhnlich einige (2—3) Zehntel mehr, als in der rechten, im linken Gehörgange bald einen Grad mehr, bald einige Zehntel weniger, als im rechten. Die physikalische Unter- suchung der Brust- und Unterleibsorgane ergiebt keinerlei Besonder- heiten, durch welche sich etwa das remittirende Fieber erklären liesse. Die stets belegte, mitunter sehr heisere Sprache der Pl. weist uns auf die Untersuchung des Kehlkopfes mit dem Kehlkopfspiegel hin und wir 38 Jahres-Bericht finden eine Infiltration der falschen Stimmbänder, welehe sich über die wahren, ebenfalls geschwellten grauröthlichen Stimmbänder derart lagern, dass letztere verschmälert erscheinen, ebenso wie die Morsagni’sche Tasche. In der pars ligamentosa des rechten Stimmbandes, seit Kurzem auch des linken, ist eine Ulceration sichtbar, welche, wie auch Herr Privatdocent Dr. Gottstein meint, tuberculoser Natur ist. Möglich, dass das Fieber auf beginnende Lungentuberceulose, welche zunächst noch nicht manifest, zu beziehen ist, indessen sind ja Temperatur- steigerungen bei derartigen Leiden beobachtet, ohne dass Organerkran- kungen denselben zu Grunde lagen. Der Urin ist frei von Eiweiss und Zucker. Unser Augenmerk richtet sich vor Allem auf das Gesicht. Die rechte Gesichtshälfte ist stark eingesunken, in derselben eine Anzahl von Gruben, Furchen und Pismentirungen sichtbar, beträchtliche Störungen des Haarwuchses finden sich rechterseits, dieselben Veränderungen in kleinem Massstabe auch auf der linken Gesichtshälfte. Der panniculus adiposus ist rechts überall geschwunden, daher z. B. die tiefe Grube in der regio parotidea, in der regio buceinatoria. Die Haut ist trocken, überall straff über dem Knochen gespannt, auch dieser dem Schwund verfallen. So beträgt die Entfernung der protuberant. mental. bis zum angul. maxill.......... r. 9,4, 1. 11,4 cm, ” 5 „ zur vorderen Wand d. meat. audıtor. externus... ........... 2.0.0.0 0.32 7.110 1125, Nasenwurzel bis zur vord. Gehörgangswand ......... r.12.0,1,.130,, 55 „. protub. ext. (horiz. Ebene)... .. ... Tr. 29,0, 1.270), des unteren Randes des Unterkiefermittelstücks bis Haarwuchsantane .........0.. 2.0.2 0 2, 19,5. 1..16,0, desselben unt. Punktes hart am Nasenflügel vorbei bis zum: tub..0Ccipil... 35.0. a... al desselben bis zum oberen Augenhöhlenrand......... 2.11.09, 1231207, Die Gleichheit der letzteren Distanzen hängt wohl damit zusammen, dass rechts auch der obere Augenhöhlenrand, in Folge verticaler Atrophie des Stirnbeins, nach oben verschoben ist. Der schräge Durchmesser der rechten Ohrmuschel übrigens beträgt 5,2, der linken 5,5 em. Auch die Zähne und Alveolarfortsätze des Unter- und Öberkiefers zeigen beiderseits geringe Differenzen zu Gunsten der linken etwas voluminöseren. Sehr hochgradig ist die Atrophie der rechten Zungenhälfte und die Verschmälerung des rechten harten und weichen Gaumens, sowie der Uvula, welche beständig nach rechts deviirt ist. Weiter ist sehr bemerkenswerth der Schwund der Haupthaare. Rechterseits, und diese Verhältnisse illustriren die Photographien, welche Vortragender herumgehen lässt, recht gut, eine etwa fingerbreite von der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 aussen vorn, nach hinten innen, über den Scheitel nach dem oceiput laufende Furche, welche s-förmig geschwungen, ihre Convexität auf der Höhe des Scheitels nach innen wendet. In dieser ist das Haar wie abrasirt, sonst auf dem Scheitel und dem oberen Theil des Hinter- haupts rechts sehr spärlich und dünn. Die Furche, welche übrigens im Beginne ihres Verlaufs auf dem behaarten Kopf braun pigmentirt, sonst hellgelb ist, setzt sich nach unten vorn in eine intensiv braune, stellenweise von weissen Flecken unterbrochene Fläche fort, welche gleichfalls vertieft ist und eine annähernd halbmondförmige Figur bildet, die convexe Begrenzung nach innen, die concave nach aussen. Ihre grösste Breite beträgt 2 cm, der schräge Durchmesser 5 cm. 2,38 cm nach innen von dieser Zone, also ebenfalls auf der Stirn, einen Finger breit von der Mittellinie, verläuft schräg von oben aussen nach unten innen eine ebenfalls annähernd sichelförmige, braun pigmentirte, der vorigen ähnlich gelagerte Zone, deren breitester Durchmesser (in der halben Höhe) 7 mm misst. In der Schläfengegend gewahrt man eine weniger ausgesprochene, aber immerhin deutliche Pigmentirung, gleich- falls mit eingestreuten weisslichen Flecken. Pigmentirt sind ebenfalls das obere und untere Augenlid, eine annähernd keilförmige Partie auf dem os zygomaticum; in geringer Weise auch eine Zone ober- und unter- halb des rechten Mundwinkels, Auch in der linken seitlichen Stirngesend bemerkt man, genau jener breiteren rechtsseitigen Pigmentirung entsprechend, eine oberflächliche deutlich pigmentirte Abflachung; sie setzt sich nach dem behaarten Kopfe zu als pigmentirte Furche fort, in deren Bereich, wie auf einer Photo- sraphie veranschaulicht, die Haare ebenfalls gelichtet sind. Diese drei pigmentirten Furchen convergiren radienförmig und verleihen dem Ge- sicht schon an sich einen charakteristischen Ausdruck. Das obere und untere linke Augenlid, desgleichen die obere Augen- höhlenfläche pigmentirt wie rechts. Augenbrauen und Cilien rechterseits aussen fehlend, links ein wenig gelichtet. Ueber die rechte Gesichts- hälfte ziehen deutliche Venennetze, welche links vermisst werden. Dieses Verhalten ist von Interesse, weil eine derartige Gefässentwickelung der Annahme zu Grunde gelegt worden ist, die fortschreitende Gesichts- atrophie sei eine vasomotorische Neurose. Vortr. müsste aber für seinen Fall dann durchaus postuliren, dass sich auf der linken Seite eine gleiche oder ähnliche Zeichnung finde, und dies trifft nicht zu. Viel plausibler ist es jedenfalls, den vollendeten Gesichtsschwund als Ursache einer venösen Stauung anzusehen, indem das venöse Blut durch Com- pression der Venen von Seiten der sie umgebenden stark retrahirten Ge- webe (Bindegewebe, Muskeln), sowie durch Verengerung der Knochen- canäle im Rückfluss behindert ist. 40 Jahres-Bericht Bei psychischen Emotionen sah man im Anfange der Beobachtung die linke Gesichtshälfte diffus, die rechte in bandartigen Streifen erröthen, jetzt treten auch auf der linken Gesichtshälfte derartige Streifen hervor, welche allerdings nach einiger Zeit einer diffusen Röthe Platz machen. Trousseau’sche Flecke sind gar nicht selten beiderseits sichtbar. Die Sensibilität ist auf der rechten Gesichtshälfte für alle Quali- täten, mit Ausnahme des Raumsinnes, welcher herabgesetzt ist, gesteigert; besonders deutlich die galvano- und faradocutane Sensibilität. Bei auf- steigendem Strom (Anode auf die zu prüfende Stelle, Kathode auf den Nacken) wurde z. B. einmal (8./5.) rechts 1 Elem. (Stoehrer) als Stich empfunden, links noch nicht; etwas später r. 5, l. noch nicht; am 9.55. r. 4, 1. erst 6 El. (dabei hier neben Stechen die Empfindung von Bleigeschmack im Munde). Am 27./5. r. 4 El. als Stich, 1. 4 als Blei- geschmack, 5 als Stich. Am 28./5. r. 3,1. 5. Auf der Zunge wurden am 8./5. r. 3 El. als Brennen und Blei- geschmack empfunden, links gar nichts; am 9./5. r. 1, 1. 2 El. erst; am 28./5. r. 2, 1. 3 Brennen, bei 2 Geschmack von Blei. Die Werthe schwanken also zu verschiedenen Zeiten. Die Motilität ist beiderseits in sämmtlichen Muskeln ungestört. Die faradomuskuläre Contractilität, direete wie indirecte, war zeitweilig beiderseits normal und gleich, mitunter rechts gegenüber links ein wenig gesteigert. So zuckten einmal rechts die vom N. facial. innervirten Muskeln bei Reizung des Stammes und Verschiebung der secundären Spirale in die primäre um 2 cm, links erst bei 3 cm. Die indirecte galvanomuskuläre Contractilität erschien rechts etwas herabgesetzt, indem links bei 13 El. im ersten Ast des N. facial. Zuckungen erzielt werden konnten, rechts noch nicht bei 14 El. Vom Muskel aus wurde in dem- selben Gebiet bei einer Stärke von 15 El. noch keine Zuckung aus- gelöst, eine höhere Stromstärke wurde rechts nicht ertragen. Der galvanische Leitungswiderstand ist auf der rechten Gesichtshälfte erhöht, ein Befund, wie er auch von Berger erhoben und wohl mit Recht auf die Persistenz bez. Vermehrung der elastischen Fasern bezogen worden ist. Während der Anfälle von Neuralgie und Kaumuskelkrampf war der Widerstand beiderseits verringert, rechts in höherem Maasse, so dass beiderseits gleiche Werthe erhalten wurden. Es scheint daher, als ob auch die moleculäre Beschaffenheit der Nerven- primitivfibrillen resp. die Veränderung derselben während der Neuralgie eine Rolle spielte. Die Messung der Arme in horizontaler Lage und in Pronation von der unteren Begrenzung des Acromioclaviculargelenks bis zur Spitze des Mittelfingers ergiebt rechts 65°/,, links 65 cm, einen Unterschied also von °/, cm zu Gunsten des rechten Arms. 50 cm von der Spitze des Mittelfingers (bei derselben Lage des Arms) misst der rechte Oberarm der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 41 im Umfang 23, der linke 22Y, em. In 10 cm von demselben Punkte misst der Vorderarm beiderseits 20 cm. Die Kraft des rechten Arms ist deutlich etwas abgeschwächt segenüber der des linken. Die direete und indirecte galvanomuskuläre Contractilität ist beiderseits an oberen und unteren Extremitäten normal und gleich. Dagegen ist die directe und indirecte faradomuskuläre stellenweise rechts gesteigert. Die galvanocutane Sensibilität der Extremitäten und des Rumpfes ist rechts fast überall gesteigert. Für den faradischen Strom ist die Sensibilität nicht gesteigert am Vorderarm und den unteren Extremitäten, wohl aber an den übrigen Stellen rechterseits. (Diesbezüg- liche Zahlen an anderer Stelle.) Von Reflexen sind die Bauchreflexe beiderseits deutlich, aber nicht erhöht, ebenso die Patellarreflexe. Der cutane Fussreflex fehlt beiderseits, rechts findet sich Fussclonus, links nicht, Achillessehnen- reflexe werden beiderseits vermisst. Von den Sinnesorganen bietet nur das Auge Abnormitäten. Geruch und Geschmack sind beiderseits gleich und normal. Um von den äusseren Verhältnissen des Auges zu beginnen, so sei die Con- junetiva palpebrarum et bulbi beiderseits von stark injieirten korkzieher- artigen Gefässen durchzogen. Nach aussen vom äusseren Cornealrand befindet sich rechts eine 6—7 mm breite Pinguecula, nach innen vom inneren Cornealrand ist eine Pinguecula nur angedeutet, am linken Auge fehlt dieselbe. Irides von brauner Farbe, der Cireulus major rechts heller als links. $. beiderseits — 1, Refraction eine beiderseits gleiche geringe Hypermetropie. Bei der Untersuchung mit dem Augen- spiegel sieht man im rechten Auge aussen unten (U. B.) eine grössere Vene am Papillenrande abknicken. Im aufrechten Bilde kann man jedoch verfolgen, wie diese Vene in einem tieferen Niveau, als dem Papillenrande entspricht, in eine andere Vene mit schrägem Verlauf einbiest. Wir können hier nur wohl von einer physiologischen Ex- cavation sprechen. Licht und Farbensinn sind beiderseits normal und gleich. Die Untersuchung der Augen mit dem Perimeter, welche W. gemeinschaftlich mit Herrn Collegen Landmann, Assistent der Königl. Augenklinik hierselbst, angestellt hat, lehrt, dass 1) eine concentrische Einensung des Gesichtsfeldes beiderseits besteht, 2) eine Erweiterung desselben für centripetale, eine Verengerung für centrifugale Objecte. (W. demonstrirt die Zeichnung des Augenhintergrundes sowie der Ge- sichtsfelder, welch letztere Herr Dr. Landmann anzufertigen die Güte hatte.) Dieses Leiden wird bekanntermassen Anaesthesia retinae ge- nannt. Es findet sich bei jungen Personen, namentlich Mädchen, kurz vor der Pubertätszeit, vom 12. bis 15. Jahre, auf beiden Augen, Bei 43 Jahres-Bericht jungen Männern wird es zwar auch beobachtet, aber seltener, nie nach dem 20. Jahre (Förster). Bei Frauen nach dem 25. Jahre beruht es immer auf Hysterie. Nicht selten findet es sich in Begleitung von Neu- ralgien, bisweilen bei Lähmung einzelner motorischer Nerven, bei Anästhesie oder Hyperästhesie, bei Reflexreizungen etc. Vortr. ist geneigt, die Anaesthesia retinae in diesem Falle als eine reflectorische, von einer Neuritis des N. trigeminus bedingte aufzufassen; mit einem hysterischen Individuum habe man es nicht zu thun. Therapeutisch sei bemerkenswerth, dass gegen die Neuralgien und Zuckungen im Gebiet der Kaumuskeln der constante Strom vor- trefflich wirkt, dass schon bei Anwendung von 5 Elementen (Anode auf Gesicht, Kathode auf den Nacken) der Schmerz und Krampf erst für kurze, schliesslich für längere Zeit nachlässt, sodann ganz aufhört. Früher wurden Chloral bis zu 3 g, Chinin und andere Mittel (z. B. Bromäthyl, Paraldehyd) ohne Erfolg gegeben. Nächst dem constanten Strom ist die feuchte Wärme, wenn auch bei weitem nicht in dem Grade, wirksam, Das Uebergreifen der Atrophie von der rechten Seite auf die linke hat sich in diesem Falle so vollzogen, dass, im Gebiet des ersten Astes des N. trigeminus (N. supratrochlearis, N. supraorbitalis) links Pigmenti- rungen, Furchenbildung, Haarschwund sich entwickelten. Doch scheint, ob gleichzeitig, vor oder nach diesen Vorgängen, sei für diesen Fall kaum zu entscheiden, auf der ganzen linken Gesichtshälfte ein geringer Schwund nebenhergegangen zu sein. Die klinische Beobachtung macht letzteres wahrscheinlich, freilich ist hier der subjectiven Schätzung grosser Spielraum gegeben, sehr ins Gewicht fallen aber die diesbezüglichen durchaus nüchternen Angaben der intelligenten Kranken. Die oben notirten Distanzen (Knochenmaasse) freilich haben sich nach 4monat- licher Beobachtung nicht geändert, doch kommt ja zuvörderst der Schwund des Bindegewebes, des Panniculus adiposus, dann erst der des Knochens in Betracht. Vortr. hofft noch des Weiteren über den Verlauf dieser Krankheit berichten zu können, welche zweifellos im Fortschreiten be- griffen sei, wie schon aus dem Uebergreifen der Neuralgie auf das linke Jochbein ersichtlich. Bezüglich der Aetiologie und Pathogenese führt W. aus: Als 6jähriges Mädchen habe die Kranke Scharlach, im Anschluss daran eine heftige Halsentzündung (Diphtherie) überstanden und von dieser Zeit an Schmerzen beim Schlingen, Stechen im rechten Ohr, Kurzathmigkeit und Schmerzen in der rechten Stirn und Schläfe nicht verloren. Von diesen Symptomen steigerten sich, ohne eine der Patientin bewusste Veranlassung, als Er- kältung, besonders die Halsbeschwerden im vorigen Jahre derart, dass, zu einer Zeit, wo die rechtsseitige Atrophie bereits entwickelt war, beide Tonsillen, von welchen die rechte weit voluminöser war als die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 43 linke, exstirpirt werden mussten. Es dränge sich die Frage auf, ob hier ein Zusammenhang mit der chronischen Tonsillitis zu statuiren sei. Die chronische Tonsillitis trete häufig auf, dass dieselbe aber je zu einer Gesichtsatrophie geführt hätte, sei unbekannt. Seeligmüller habe einen derartigen Zusammenhang vermuthet, ihn aber nicht auf Grund eines einschlägigen Falles wahrscheinlich machen können. Für diesen Fall scheint freilich manches darauf hinzudeuten, dass die chronische zeitweilig exacerbirende Tonsillitis eine gewisse, allerdings nicht die alleinige Rolle beim Zustandekommen des Gesichtsschwundes gespielt habe. Scharlach, sowie die übrigen acuten Infecetionskrankheiten, z. B. Keuchhusten, Masern, prädisponiren, namentlich bei jugendlichem Alter und dem weiblichen Geschlecht, zu Gesichtsatrophie, nur müsse noch ein Anstoss hinzukommen, der in heftigen Erkältungen, in Traumen ge- geben sei: also eine Summe von Factoren müsse zusammenwirken, In einigen Fällen nun sah man die den Infectionskrankheiten folgende Hemiatrophie einsetzen mit Herpeseruption im Gesicht (Schuchardit), und da lag wohl eine durch die Infectionskrankheit gesetzte, zu chro- nisch-trophischen Störungen führende Neuritis zu Grunde. Acute In- feetionskrankheiten gehen nämlich gar nicht selten einher mit acuten Neuritiden, welche sich in acuten trophischen Störungen, in Herpes- eruptionen, zuweilen auch gleichzeitig in Neuralgien des Gesichts (sowie anderer Körpertheile) äussern. In allen Fällen von Zoster aber, welche bisher anatomisch untersucht werden konnten (Bärensprung u. A.), fanden sich in den zum Gebiet desselben gehörigen Nerven bez. deren Ganglien die ausgesprochenen Zeichen der Entzündung: Röthung, Schwel- lung, eitrige Infiltration, und derartige Entzündungen dürften unter ge- wissen Bedingungen chronisch werden können. Dass gerade jene chro- nisch trophischen Störungen, welche das Hauptcharakteristieum der Hemi- atrophie bilden, auf chronische Veränderungen (Entzündungen) eines peripheren Nerven (trigeminus, facialis) zurückgeführt werden dürfen, erhellt zur Genüge aus den Ergebnissen der Durchschneidung peripherer Nerven mit folgender Atrophie des Bindegewebes, der Muskeln, Knorpeln, Knochen etc. (Mantegazza u. A.). Von einer Entzündung rein trophi- scher Nerven zu sprechen sei übrigens vor der Hand nicht angängig, weil eine Betheiligung der Circulation, der Vasomotoren, an der Ent- stehung trophischer Störungen im Allgemeinen und speciell des Gesichts- schwundes, bei dem heutigen Stande des Wissens, nicht sicher auszu- schliessen sei. Es frage sich, wodurch die in diesem Falle, wahrscheinlich im Anschluss an Scharlach, gesetzte Neuritis des N. trigeminus (bez. facialis) chronisch geworden sei? 1) Wäre die Kranke ein tuberculös belastetes Individuum, gegenwärtig mit Kehlkopftubereulose behaftet, und bei der- 44 Jahres - Bericht artigen Individuen neigen die Entzündungen im Allgemeinen zu chro- nischem Verlauf; 2) sei wohl in der chronischen zeitweilig exacer- birenden Tonsillitis ein ursächliches Moment gegeben. Dafür spreche schon der Umstand, dass das erste Symptom der Gesichtsatrophie — und als ein solches dürfe gewiss der Schmerz der rechten Stirn und Schläfe aufgefasst werden — gleichzeitig eintrat und bestand mit anderen durch die Tonsillitis gesetzten Beschwerden (Stechen im rechten Ohr, Schmerzen beim Schlingen, Kurzathmigkeit), dafür spreche ferner der auffallend langsame Verlauf der Atrophie, welcher für gewöhnlich nur auf mehrere Jahre, in diesem Falle sich auf etwa 18 Jahre erstreckte, wenn der Stirnschläfenschmerz als erstes Symptom angesehen werde, und offenbar erst durch das Hinzutreten von Unterleibstyphus beschleunigt worden sei, dafür spreche vielleicht auch das Moment, dass gerade auf der Seite, deren Tonsille weit voluminöser gewesen, nämlich der rechten, die Hemiatrophie zuerst entstand, während die linke Seite sonst Lieblings- sitz. der Hemiatrophie sei. Dass nach Exstirpation der Tonsillen dem Process nicht Einhalt geboten worden, dürfe schon darum nicht Wunder nehmen, weil vermuthlich zu der Zeit eben bereits eine chronische Neuritis etablirt war. Uebrigens dürfte wohl die Annahme einer chro- nisch infeetiösen Neuritis vor den übrigen Möglichkeiten die grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben, es wäre gewiss gezwungen, wollte man von einer Neuritis ascendens von den Tonsillen aus oder von einem durch die Tonsillitis bedingten chronischen Reflexreiz auf den N. trigeminus (bez. facialis) oder von einem continuirlichen Fortschreiten der Entzündung (Seelismüller) auf den N. sympathicus und dessen Ganglion supremum, bei dem Mangel auf den N. sympathicus hindeu- tender Symptome, sprechen. Die Entstehung der linksseitigen Atrophie sei gewiss durch den zweiten Unterleibstyphus befördert; ob hier die Tonsillitis überhaupt einen Einfluss hatte, bleibe dahingestellt. Zweifel- haft bleibe auch, ob jederseits der Stamm bez. die Ganglien des N. tri- seminus bez. der N. facialis zuerst in entzündlichen Zustand versetzt wurden, später die peripheren Zweige, oder aber ob unter dem Ein- fluss jener Infectionskrankheit ein continuirliches Fortschreiten von den peripheren Nervenverzweigungen rechterseits auf die der linken Gesichts- hälfte statthatte. Es liegt hier das jedenfalls einzig dastehende Beispiel vor, dass eine Anzahl von Infectionskrankheiten, Scharlach mit Angina, Tubereulose, Typhus abdominalis (2 Mal) an der Entstehung und weiteren Gestaltung des Gesichtsschwundes theilgenommen haben. Es gäbe auch Analogien für einen derartigen Zusammenhang von chronischer Tonsillitis mit chronisch trophischen Störungen. Unter den Ursachen der Selerodermie, welche man als ein der Hemiatrophie ver- wandtes Leiden auffassen könne, werde von Silbermann u. A. chro- nische Tonsillitis genannt. Vielleicht handele es sich hier um ähn- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 45 liche Neuritiden. Die Annahme eines mechanischen Hindernisses wenisstens im Lymphstrom und des stellenweisen Stagnirens der Lymphe in den Gewebsräumen der Cutis habe der Urheber (Kaposi) selbst zurückgezogen. Ferner seien 5 Fälle von angeborener Gesichtshypertrophie bekannt (Friedreich, Heumann, Beck, Passauer, Ziehl), von welchen 2, also fast die Hälfte, einhergingen mit gleichseitiger Tonsillarhypertrophie, die im extrauterinen Leben einmal so zunahm, dass Erstickungsgefahr eintrat. Auch hier dürfte das anatomische Substrat in einer infeetiösen Neuritis des N. trigeminus gegeben sein, einer Neuritis auf Grund einer intrauterin überstandenen Angina, die entweder aus einem acuten Sta- dium in ein chronisches übergetreten oder überhaupt bald subacut ver- laufen ist, und acute Infectionskrankheiten können ja intrauterin durch- gemacht werden. Fernliegend seien auch hier die Möglichkeiten einer Neuritis ascendens von den Tonsillen aus, der reflectorischen Ueber- tragung eines Reizes vom N. glossopharyngens auf den N. trigeminus, des continuirlichen Fortschreitens auf den N. sympathicus, fernliegend gar die einer primären Neuritis und secundären Tonsillarhypertrophie. Ein Vergleich aber der Hemiatrophie und Hemihypertrophie sei nicht bloss in Anbetracht der Uebereinstimmung in der Symptomatologie gerechtfertigt, nein, auch die experimentelle Pathologie lehre, dass beides verwandte Störungen sind. Mantegazza u. A. fanden ja nach Nerven- durchsehneidungen nicht bloss atrophische, sondern auch hypertrophische Processe: Hyperplasie des Bindegewebes und Periosts, Hypertrophie der Marksubstanz der Knochen, Osteophytbildung, Hypertrophie der Lymph- drüsen bis zum 6fachen ihres Volumens. Dass die Hemihypertrophie immer intrauterin, die Hemiatrophie extrauterin entstände, bedürfe einer Einschränkung (Ziehl) und vermöge den Vergleich nicht von der Hand weisen zu lassen, da von Emminghaus ein Fall von angeborener halb- seitiger Atrophie beschrieben worden sei. Auch der Verlauf beider Krank- heiten wäre nicht wesentlich verschieden, da nicht bloss die Hemiatrophie progressiv sei, sondern auch, wie in dem Friedreich’schen Falle, die Hemihypertrophie es sein könne. Schliesslich wäre auch die Aetiologie beider nicht abweichend (localisirtes Trauma, Erkältungen). W. möchte zwischen der Hemiatrophie und der Hemihypertrophie ein ähnliches Verhältniss statuiren wie zwischen der typischen progressiven Muskel- atrophie und der Pseudohypertrophie oder lipomatösen Muskelatrophie und, entsprechend jener Friedreich’schen Theorie, den Satz auf- stellen, dass der Hemihypertrophie nur eine durch gesteigerte Intensität der Krankheitsanlage und durch gewisse Besonderheiten des kind- lichen, d. h. kindlicheren Alters modifieirte Form der Hemiatrophie zu Grunde liege. 46 Jahres - Bericht Hierauf hält Herr E. Fränkel einen Vortrag Ueber Ovariotomie. Wie wesentliche Fortschritte in den letzten Decennien in Bezug auf die Erkenntniss und Behandlung der Ovarientumoren auch gemacht worden sind, so besteht doch noch in vielen Punkten, besonders hinsichtlich der Histogenese und Histologie dieser Geschwülste einige Unsicherheit, und selbst in der Technik der Ovariotomie, wo am ehesten Ueberein- stimmung zu herrschen scheint, sind wir noch weit entfernt davon, einen fertigen Abschluss erreicht zu haben. Wenn es nun auch nicht mehr nöthig scheint — wie dies bis vor Kurzem üblich war — jeden einzelnen, günstig verlaufenen Fall von Ovariotomie zu veröffentliehen (eine ge- wissenhafte Publieation aller unglücklich verlaufenen wäre vielleicht lehr- reicher), so ist es doch nützlich, über diejenigen Fälle zu referiren, die anatomische oder klinische Besonderheiten darbieten und so zur Klärung der noch schwebenden Fragen etwas beitragen können. Von diesem Gesichtspunkte aus und gleichzeitig als Ergänzung und Berichtigung zu den Bemerkungen, die ich zu einem Vortrage Spiegelberg’s „Ueber Ovarialeysten mit serösem Inhalte“ in der medicinischen Section der Schles. Gesellschaft am 17. Januar 1879 (57. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft pro 1879 pag. 2) machte, berichte ich zunächst: A. Ueber Parovarialeysten. In diesem Vortrage und im Anschluss daran in einem Aufsatze: „Zur diagnostischen Punction. Die abdominellen Cysten mit dünn- flüssigem, serösem Inhalte‘ (Arch. f. Gynäkol., XIV. Bd., pag. 175 u. f.) charakterisirte Spiegelberg Cysten mit sehr dünnflüssigem, „serösem‘ Inhalte als solche, deren Wachsthum und Pro- duetion zum Stillstand gekommen sei. „Derartiger seröser Inhalt finde sich in parovariellen, wie in ovariellen Säcken; die Eierstockseysten unterschieden sich von allen anderen wesent- lich dadurch, dass sie „producirende“ Cysten seien, dass ihre Wand und gleichzeitig ihr Epithel im Verhältniss zur Zunahme des Geschwulst- volumens ebenfalls (excentrisch) wachse, dadurch keinen einseitigen Druck erleide, weiter funetioniren und Schleim bilden könne. Höre da- gegen das excentrische Wachsthum der Cyste auf, so erleide ihre Innen- fläche einseitigen Seeretdruck, das Epithel atrophire — an Stelle der produeirenden trete eine Retentionseyste, und diese erhalten überall nach und nach jenen neutralen serösen Inhalt (z. B. in der Gallen- blase, im Wurmfortsatze, im Antrum Hishmori). Für die Therapie ergebe sich hieraus die Consequenz, die abdominellen Cysten mit serösem Inhalt (Ovarial-, Parovarialeysten und Hydrops der Graaf’schen Follikel) nach der Entleerung zunächst nieht zu exstirpiren, da sie möglicher, ja der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 47 wahrscheinlicher Weise, wenn die Punction unter entsprechenden asep- tischen Cautelen gemacht sei, veröden wie die Retentionseysten. Die Entfernung solle nur vorgenommen werden, wenn die Säcke sich wieder füllen — und das sei wohl immer die Folge eines entzünd- lichen Vorganges an ihrer Innenfläche, hervorgerufen durch die Punction.“ Im Anschluss hieran theilte ich damals (l. ce.) einen Fall aus meiner Praxis mit. Frau B., 41 Jahre alt, 11 Jahre verheirathet, steril, consultirte mich Mitte October 1878 wegen habitueller Obstipation. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass dieselbe ihr unbewusst einen über mannskopfgrossen Tumor im Ab- domen hatte, der grosswellig fluctuirte, cystös erschien und aus dem kleinen Becken emporstieg. Er lag vor dem retroponirten Uterus, von der Scheide aus war nur ein kleines Segment desselben zu fühlen. Die unter streng antiseptischen Cautelen vorgenommene Punction sollte zuerst nur explorativer Natur sein, wurde aber wegen der gleich näher zu schildernden dünnflüssigen, serösen Beschaffenheit der sich entleerenden Flüssigkeit und der daraus mit Wahrscheinlichkeit herge- leiteten Diagnose einer Cyste des Ligam. latum (Parovarialeyste) oder eines Follikelhydrops sofort zu einer vollen Punction ausgedehnt. Gleich nach der- selben, wie auch später, war von der Cystenwand durch die sehr gut palpablen Bauchdecken nichts mehr zu fühlen; es musste sich also um eine sehr dünne Sackwand und um eine uniloculäre Oyste gehandelt haben, wie auch die Art der Fluctuation schon andeutete. Es wurden ca. 6 Liter einer wasserhellen, dünnen, alkalischen Flüssigkeit entleert, deren specifisches Gewicht 1004 war, und die — wie die Untersuchung im pathologischen Institut durch den damaligen Assistenten, Herrn Marchand, zeigte — keine Formelemente enthielt. Durch Kochen allein fällte sich kein Albumen, eben so wenig durch Kochen und Zusatz der üblichen Menge Salpeter- säure. Erst durch Zusatz der letzteren im Ueberschuss schlug sich eine mässige Menge Eiweiss nieder, ebenso durch Zusatz von Alkohol. Ich machte damals auf dieses besondere Verhalten des Eiweisses, soviel mir bekannt, bei Ovariencysteninhalt noch nicht beschrieben, aufmerksam und be- richtete ferner, dass nach dieser einen aseptischen Punetion, wie eine vor wenigen Tagen (Januar 1879, also 4 Monate später) vor- genommene Untersuchung ergab, sich keine Flüssigkeit mehr ange- sammelt habe, und Frau B., die, jetzt auch von ihrer Stuhlverstopfung befreit, sich wohl fühlte, als geheilt zu betrachten sei. Die Cyste müsse man als eine Parovarialeyste oder als Hydrops eines Follikels ansehen; eine Differentialdiagnose zwischen beiden sei intra vitam schwer möglich. Recidive der Flüssigkeitsansammlung seien allerdings möglich, in einem Falle von Atlee sogar noch nach 7 Jahren beobachtet; indessen sei eine so lange Zwischenzeit bei relativem Wohlbefinden, wie hier, doch mindestens gleich einer halben Heilunse. Frau B. blieb nun das ganze Jahr 1879 unter meiner Beobachtung, ohne dass sich die Cyste wieder füllte. Erst im Mai 1881, also fast 3 Jahre nach der ersten Punction, consultirte sie mich wieder, weil sie seit ca. 2 Monaten eine Wiederzunahme des Leibesumfangs zu bemerken glaubte. Sie sah trotz Heisshungers ziemlich kachektisch und abgemagert aus und klagte darüber, dass die Menstruation seit einigen Monaten unregelmässig und schmerzhaft seworden sei. Der Genitalbefund war derselbe, wie drei Jahre vorher; der grösste Leibesumfang 97 cm, Erhebung des Tumors über die Sym- physe 30 em, über den Nabel 11 cm. Am 10. Mai 1881 wurde die zweite, volle Punction aseptisch vorge- nommen, hierbei ca. 8 Liter einer leicht fadenziehenden, hellgelblichen Flüssig- keit entleert und Herrn Marchand zur Untersuchung übergeben. Derselbe be- richtete darüber: „Die neulich erhaltene Punctionsflüssigkeit (1010 speeif. Gew., neutral) giebt bei Zusatz von Acid. nitrie. sehr starke Fällung, ebenso beim Kochen nach vorsichtigem Ansäuern mit Acid. acetic., wobei die Flüssigkeit über dem voluminösen Niederschlag stark getrübt bleibt, was auf einen hohen Paralbumingehalt deutet. Bei Essigsäure im Ueberschuss keine Fällung, also kein Mucin. Demnach ist die Diagnose „Ovarialflüssigkeit“ wahrscheinlich | 48 Jahres - Bericht die richtige. Die mikroskopische Untersuchung ergab nur wenig indifferente, rundliche Zellen.“ Neun Tage nach der Punction war der Leibesumfang auf 81 cm zurück- gegangen, vom Tumor war nichts mehr nachzuweisen, als bei der Palpation eine gewisse Resistenz und ein grösserer Widerstand, als sich nach der ersten Punction bei dem Versuche, die Bauchdecken bis zur Wirbelsäule einzudrücken, bemerkbar gemacht hatte; also wohl Verdickung der bei der ersten Punction noch sehr dünnen und nachgiebigen Sackwand. Das Tumorsegment, welches vor der Punction vor dem rückwärts gelagerten Uterus von der Scheide aus zu fühlen gewesen, war jetzt verschwunden, der Uterus lag wieder dextroanteflectirt. Hingegen war nunmehr das rechte Ovarium vergrössert und gegen Berührung ziem- lich empfindlich zu fühlen. Alle subjectiven Beschwerden, wie Stuhlver- stopfung, Blasentenesmus etc. waren verschwunden, nur die Dysmenorrhoe be- stand fort. Wieder wurde Frau B. bis Ende 1881 beobachtet, ohne dass eine Wieder- füllung sich bemerkbar machte. Erst am 18. März 1883 erschien sie wieder, und zwar diesmal stärker, denn je vorher. Der grösste Leibesumfang betrug diesmal 107 cm. Sie gab an, seit dem Spätherbst 1852 eine Wiederanfüllung des Sackes bemerkt zu haben und genau dieselben Beschwerden, wie vor der ersten und zweiten Punction, aber in bedeutend verstärktem Maassstabe zu fühlen. Die Abmagerung und Kachexie hatten erheblich zugenommen. Da ein dauernder Erfolg von einer neuen Punction nicht mehr zu erwarten war, rieth ich zur Exstirpation des Tumors, die auch bewilligt wurde. Bei der vorher in Chloroformnarkose vorgenommenen Untersuchung fand sich der Uterus wieder dextroretrovertirt hinter dem mit einem Segmente in das kleine Becken hereinragenden, grosswellig fluctuirenden Tumor von glatter Oberfläche. Beide OÖvarien waren deutlich zu fühlen; das rechte ungefähr um das doppelte vergrössert, schmerzhaft, das linke normal, durch Bauchdecken Rectalunter- suchung gut palpabel. Vom rechten Ovarium schien ein fester, kleinfingerdicker Strang auf den Tumor überzugehen und imponirte für den Stiel desselben. Es wurde bestimmt eine Parovarialcyste diagnosticirt, höchst wahr- scheinlich rechtsseitig. Operation am 14. April 1883 unter streng antiseptischen Cautelen. Langer Bauchdeckenschnitt, möglichstes Herausdrängen des Tumors aus der Wunde durch den Landau’schen Handgriff (von der Scheide und der Bauchwunde aus), Ineision der dicken, von starken Gefässen durchzogenen Tumorwand mit dem Bistouri und Entleerung des Cysteninhalts in halber Seitenlage, Extraction des Sackes und gleichzeitig des seinem unteren Pole fest anhaftenden, bedeutend vergrösserten, indurirten und mehrfach cystisch degenerirten rechten Ovarium. Seine Mit- entfernung wurde beschlossen, der Stiel durchstochen und nach beiden Seiten unterbunden, dahinter nochmals eirculär. Alsdann Abreiben des Stiels mit 3pro- centiger Carbollösung, Bepulvern seiner Schnittfläche mit etwas Jodoform und Verreiben desselben, endlich Versenkung des Stiels, sorgfältige Peritonealtoilette, Bauchwundennath und antiseptischer Verband. — Absolut fieberfreier Heilungs- verlauf. Der erste Verband wurde am 7. Tage gewechselt (hätte aber, wie wir uns überzeugten, gut noch mehrere Tage liegen können), der zweite am 10., der dritte am 14.; Tags darauf verliess die Operirte meine Anstalt und menstruirte 4 Wochen nach der Operation normal und schmerzlos. Die Untersuchung der exstirpirten Cyste, im hiesigen patholo- gischen Institut freundlichst vorgenommen, ergab Folgendes: Circa mannskopf- grosse, zusammengefallene, uniloculäre Cyste mit ungefähr 4 mm dicker, gefäss- reicher Wandunge und glatter Innenfläche. Um die Cyste geht in bogenförmiger Krümmung die dilatirte und hypertrophische Tube herum. Das Peritoneum ist am ganzen Umfange von der Cyste leicht abziehbar, nur durch lockeres Binde- gewebe an sie geheftet; die Tube ist durch ein langes und durch- sichtiges Mesosalpinx an der vorderen CGystenwand lose ange- heftet, weit abhebbar. Die Sackwand besteht aus mehrfach geschichtetem Bindegewebe, ohne glatte Muskelfasern, auf der Innenfläche hie und da flim- merndes Cylinderepithel, welches stellenweise drüsenschlauchähnliche Einsen- kungen macht. Das (rechte) Ovarium ist fibrös entartet, vergrössert, mit mehreren kleinen, dünnwandigen Cysten, hydropisch entarteten Follikeln. Die grosse Oyste hängt nur durch lockeres Bindegewebe mit dem Ovarium zusammen. Diagnose: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 49 Parovarialcyste. Die bei der Operation entleerte Cystenflüssigkeit hat ein specifisches Gewicht von 1007, ist klar gelblich, etwas klebrig und faden- ziehend, mit Fibrinflocken, Rundzellen und Flimmerepithelzellen. Sie ent- hält reichlich Eiweiss, aber kein Paralbumin. (1/, natürlicher Grösse.) C. Cyste des Parovarium. Pf. Von der Cystenwand leicht abhebbarer Peritonealüberzug. 8. Unter dem Peritonealüberzug befindliche Sonde. T. Hypertrophirte und bogenförmig gekrümmt über den Tumor verlaufende, auf- geschnittene Tube mit langem Mesosalpinx. St. Stielschnittfläche. RO. Vergrössertes und fibrös entartetes rechtes Ovarium. Hf. Hydropisch entartete Follikel. Fo. Fimbria ovarica. Es wurde also in diesem Falle an der Lebenden mit voller Be- stimmtheit die Diagnose einer Parovarialcyste gestellt, obgleich es, wie Olshausen (Die Krankheiten der Ovarien, Stuttgart, 1877, p. 148) hervorhebt, schwierig, ja in der Regel unmöglich ist, die Cysten des Ligamentum latum von den einfachen Ovarialeysten oder den Kystomen überhaupt zu unterscheiden. Durch das Zusammentreffen mehrerer Mo- ‚mente während der fast 5jährigen Beobachtungszeit gelang dies hier dennoch. Wir erwogen das Resultat der ersten Punction (wasserhelle, specifisch sehr leichte, eiweissarme Flüssigkeit), die langsame Wieder- 1883. 4 50 Jahres-Bericht anfüllung (das erste Mal nach fast 3, das zweite Mal nach 2 Jahren) und endlich, als sicherstes Unterscheidungsmerkmal, das Fühlen beider Ovarien neben der Cyste, des rechten vergrösserten und des linken normalen. Dieses Moment ist zuerst von Gusserow als beweisend für die Diffe- rentialdiagnose der Parovarialeysten angegeben worden, und zwar fühlte er beide Ovarien nach völliger Entleerung. Auch ich fand den rechten, vergrösserten Eierstock erst nach der (zweiten) Entleerung des Sackes; bei der entscheidenden Untersuchung in Narkose vor der Operation gelang es mir jedoch, beide Ovarien bei prall gefülltem Sacke abzutasten. Leichter war die anatomische Diagnose zu stellen: Sie stützte sich auf die chemische Beschaffenheit der Punctionsflüssigkeiten, auf die ich noch zurückkomme, ferner auf die Anwesenheit von Flimmerepithel in der bei der Operation entleerten Flüssigkeit, auf die einfache Höhlung des Sackes und seine ganz glatte Innenfläche, besetzt mit hier und da flimmerndem Cylinderepithel und endlich auf die leichte Abtrennbarkeit des Peritonealüberzuges der Cyste. Hingegen erwies sich ein Symptom, welches Olshausen (]. c.p. 41, 42 und 148) als charakteristisch für die Cysten des Ligam. latum und für ihre Unterscheidung von Ovarialeysten hervorhebt, nämlich der Mangel eines Mesosalpinx der Tube, welche, soweit sie neben der Cyste verläuft, unmittelbar auf oder in ihrer Wandung liest, als in unserem Falle nicht zutreffend. ‚Die Tube behält, sagt Ölshausen, an allen Ovarientumoren ein, wenn auch kurzes Mesosal- pinx, vermittelst welches sie sich immer etwas von dem Tumor abheben lässt (mit Ausnahme allenfalls des Fimbrienendes selbst). An Cysten des Ligam. latum von nur irgend erheblicher Grösse besitzt die Tube kein Mesosalpinx mehr; sie liegt in der Wandung der Cyste selbst, weil dieselbe die Blätter des Peritoneum bis zur Tube hinan ent- faltet hat.‘ | | Jedoch spricht nicht bloss unser Fall gegen die allgemeine Gültig- keit dieses von ÖOlshausen aufgestellten differentiell diagnostischen Momentes. Es gelang mir, aus der Litteratur eine Anzahl von Fällen unzweifelhafter Parovarialtumoren zusammenzustellen, bei denen die Tube in ihrem ganzen Verlaufe oder nur streckenweise von dem Tumor abgehoben werden konnte, also ein Mesosalpinx besass.. So eitiren Schatz-Prochownik (Interessantere Fälle aus der gynäk. Klinik zu Rostock, Arch. f. Gyn. IX. Bd. p. 139) in ihrer sorgfältigen Zusammen- stellung einen Fall von Lawson-Tait, in dem es sich um einen uni- loculären Paroviarialtumor handelte und wo die äussere Bedeckung des Tumors sammt Ovarium und Tube leicht von der papier- dünnen Wandung desselben abgezogen werden konnte. Ferner fand Meadows (l. ec. 1872) die Tube nur zur Hälfte dem Tumor anliegend. Auch Köberle (Gaz. med. de Strassbourg 1873. p. 187, eitirt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 51 von Gusserow in: Ueber Cysten des breiten Mutterbandes. Arch. f. Gynäk. Bd. IX, p. 480/81) constatirte an zwei unzweifel- haften Parovarialeysten, die an ihrer Innenfläche mit einer Lage von hier und da flimmerndem Oylinderepithel ausgekleidet waren, dass sie leicht aus dem Peritonealüberzuge ausschälbar, leicht von Ovarium und der Tube trennbar waren. Endlich beschreibt Fischel (Ueber Parovarialeysten und parovarielle Kystome. Arch. f. Gynäk. XV. Bd., p. 198 u. f.) die Verhältnisse einer von Breisky operirten Parovarialeyste folgendermassen: „Bis zu einer Entfernung von 6 cm von der Schnittfläche ist die Tube von der Cyste durch einen dreieckig sich zuspitzenden Antheil des Mesenterium getrennt; ihr ganzer lateraler Theil — fährt aller- dings F. fort — der Ampulle entsprechend, die zu einer Länge von 28 cm ausgedehnt ist, liegt dem Tumor platt auf, das Peritoneum geht platt über denselben hinweg auf den Tumor, den es allenthalben als ablös- bare dünne Platte bekleidet.‘ | Es läst sich auch nicht einsehen, weshalb das eigentliche Mesenterium Tubae immer und ausnahmslos entfaltet werden muss; es kann der Parovarialtumor ebenso wie jeder andere intraligamentär sich ent- wickelnde Ovarialtumor nur in die tieferen Partien des Ligam. latum hineinwachsen, und dann bleibt das Mesosalpinx erhalten (cf. Fischel l. e. p. 205). Andererseits, meine Herren, bin ich durch die Freundlichkeit des Herrn Professor Ponfick in der Lage, Ihnen hier aus der Sammlung des patholog. Instituts einen unzweifelhaften multiloculären Ovarientumor zu zeigen, wo die Tube auch nicht das kürzeste Mesosalpinx hat, son- dern direet in der Wandung der Cyste selbst liegt. Es ist also das Olshausen’sche Gesetz von der ausschlaggebenden Bedeu- tung der Existenz oder Nichtexistenz eines Mesosalpinx für die anatomische Unterscheidung zwischen Ovarial- und Parovarialtumoren wohl für die überwiegende Mehrzahl der Fälle, aber durchaus nicht allgemein gültig. Kliniseh interessant ist die in unserem Falle durch 5 Jahre fortgesetzte Beobachtung einer Parovarialeyste und die verschiedenen Resultate der 3, durch längere Zeiträume von einander getrennten Untersuchungen des Cysteninhalts: Das erste Mal erschien derselbe wasserhell, klar, alkalisch, 1004 spec. Gew., sehr eiweissarm, par- ovarieller Natur oder von einem Follikelhydrops herstammend; das zweite Mal, fast 3 Jahre später, von demselben geübten Beobachter untersucht, ovariell, 1010 spec. Gew., von hohem Paralbumingehalt; das dritte Mal endlich, nach weiteren zwei Jahren, 1007—1008 spec. Gew., wiederum exquisit parovariell, Flimmerepithel enthaltend. Die beiden letzten Male war die Flüssigkeit leicht hellgelblich, aber dennoch 52 Jahres - Bericht klar, sehr wenig fadenziehend, durch ihre Beschaffenheit auch bei mikro- skopischer Untersuchung den Gedanken ausschliessend, dass die zeitlichen Veränderungen in ihrer Zusammensetzung durch Bluterguss in den Hohl- raum des Tumors hervorgebracht sein könnten. Nur ein ähnlicher Fall von annähernd so langer (fast 3 Jahre) Beobachtung einer Parovarialeyste und Untersuchung des zu verschie- denen Zeiten entleerten Oysteninhalts ist von Arning (Hamburg) (Ueber Cysten des breiten Mutterbandes. : Arch. f. Gynäk. X. Bd., p. 392) be- richtet. Auch hier nahm das specifische Gewicht von 1007 bei der ersten Punction bis 1017 bei der zweiten, zwei Jahre später vorge- nommenen, zu. Ueber die sonstigen Veränderungen des Inhalts in che- mischer und morphotischer Beziehung ist jedoch nichts Näheres erwähnt. Die aus diesen Beobachtungen resultirenden Schlüsse scheinen mir nun nicht sehr zu Gunsten der Eingangs dieses Vortrages erwähnten Spiegelberg’schen Theorie zu sprechen, wonach Cysten mit sehr dünn- flüssigem Inhalte als solche, deren Wachsthum und Production zum Stillstand gekommen, zu betrachten seien. Denn hiernach müsste bei jüngeren, noch funetionirenden und Schleim produeirenden Cysten der Inhalt Anfangs colloid sein und erst später, wenn sie zu reinen Re- tentionseysten herabgesunken, dünn, ‚‚serös‘‘ werden. Grade das Um- sekehrte aber war bei unserer und der Arning’schen Beobachtung der Fall. Auch die Erklärung der Wiederfüllung der Säcke in Folge eines entzündlichen Vorganges an ihrer Innenfläche, hervorgerufen durch die Punetion, erscheint mir nicht zutreffend. Abgesehen davon, dass in unserem Fall die Cyste trotz der peinlichsten, einer Entzündung vor- beugenden, aseptischen Massnahmen bei den Punetionen sich 2 Mal wieder füllte, kann man doch nicht eine Füllung, die erst nach länger als 2 Jahren nach den qu. Punctionen und ganz allmählich sich einstellte, als eine unmittelbare Folge einer mit der Entleerung zusammenbängenden Entzündung auffassen. Endlich müsste, wenn Spiegelberg’s Theorie richtig wäre und aus einer producirenden, mit functionirendem Epithel ausgekleideten Cyste dadurch eine zum Stillstand im Wachsthum ge- kommene, einfache Retentionscyste würde, dass allmählich ihre Wandung nicht mehr mit wachse und vom Inhalt einen einseitigen, zur Epithel- atrophie führenden Druck erleide, doch an solchen vermeintlichen ver- ödeten Retentionsceysten mit wässrigen Inhalt bei der anatomischen Unter- suchung sich ein atrophirtes Epithel finden. Weit entfernt davon fand sich aber in Köberle’s (l. ec.) und unserem Falle stellenweise flimmerndes, also gewiss nicht atrophisches Cylinder- epithel an der Innenfläche der Säcke, und auch sonst ist bei den viel- fachen Untersuchungen exstirpirter oder secirter Parovarialtumoren nirgends von einer Epithelatrophie die Rede. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 53 Will man durchaus an der Spiegelberg’schen Hypothese fest- halten, so kann man die Wiederfüllung nach einer einfachen Punction viel ungezwungener durch Reeidive in benachbarten, wohlerhaltenen Schläuchen des Parovarium (Hegar, die operative Gynäkologie. 2. Aufl. p. 943) erklären. Auch das von Spiegelberg und Weigert zuerst hervorgehobene Vorkommen von serösem Cysteninhalt neben colloidem in proliferirenden Ovarial-Kystomen liesse sich eher, als durch die erwähnte Theorie, vielleicht durch fötales Hineinwachsen von Resten des Urnierentheils des Wolff’schen Körpers oder von Parovarialschläuchen in das Ovarial- gewebe und spätere cystöse Degeneration dieser mit epithelialen Zellen gefüllten Canäle erklären. Wenn ich mir über die Ursache der in unserem Fall von Parovarial- eyste und übrigens auch in vielen anderen Fällen von Ovarialkystomen beobachtete, differente Beschaffenheit des zu verschiedenen Zeitpunkten entnommenen Inhalts derselben Cyste ein Urtheil erlauben darf, so scheint mir — wenn auch die Bedingungen der chemischen und morpho- tischen Zusammensetzung des Cysteninhalts zur Zeit noch nicht fest- gestellt sind — doch ein Hauptfactor bei der Constitution derselben die Gefässentwickelung in der Neubildung und, mit dieser zusammen- hängend, das mehr oder weniger fortschreitende Wachsthum der Cysten- wand und vor Allem der ihre Innenfläche auskleidenden Epithellage zu bilden. So erreichen die einfachen Follikeleysten in der Regel darum keine bedeutende Ausdehnung, weil mit der Vergrösserung die Gefässent- wiekelung in der Wandung nicht gleichen Schritt hält. Gleichzeitig ist ihre Innenfläche immer glatt, ohne secundäre Ausbuchtungen, von einem einschiehtigen polygonalen Epithel überzogen (Klebs, Handb. d. patholog. Anatomie. I. Bd., p. 789), ihr Inhalt dementsprechend klar, eiweissarm, speeifisch leicht. Zu ihrer definitiven Heilung genügt auch, so lange die Wandung und das Epithel die geschilderte Beschaffenheit behält, meist wohl die einfache Punction, wie wir ja bei Ovariotomien sehen, wo wir nach Entfernung des Kystoms des einen Ovarium am anderen oft genug einfachen Follikularhydrops finden, deshalb aber nicht gleich den zweiten Eierstock entfernen, sondern lediglich den gedehnten Follikel spalten, ohne dass sich später eine Wiederfüllung desselben oder Wieder- ‚vergrösserung des betreffenden Ovarium bemerkbar machte. Bei Parovarialtumoren bleiben meist Wachsthum und Weiterent- wickelung auf derselben niedrigen Stufe stehen, wie bei den Follikel- cysten. Die Mehrzahl derselben bleibt klein, dünnwandig, mit spärlicher Vascularisation der Cystenwand und Auskleidung ihrer Innenfläche mit einer einfachen Schicht von bald flimmernden, bald nicht wimpernden platten oder eylindrischen Zellen. (Winckel, Pathol. d. weibl, Sexual- 54 Jahres - Bericht organe, p. 81.) Meist bleiben diese Cysten so unbedeutend, dass sie intra vitam wenig oder gar keine Erscheinungen machen und erst bei der Section zufällig entdeckt werden. Dies geht schon daraus hervor, dass Winckel (]. e.) bis 1881 nur 38 solche, durch Operation ent- fernter Cysten das Ligsam. latum ‘zusammenstellen konnte, während er unter 450 Sectionen weiblicher Sexualorgane allein 25 Mal solche Cysten, allerdings nur bohnen- bis kirsch- oder wallnussgross, auffand. Solche kleinere, dünnwandige, schlecht vascularisirte, mit einer ein- fachen Epithellage ausgekleidete Parovarialeysten veröden wahrscheinlich auch durch die einfache Punction. Tritt aber eine bessere Ernährung und weitere Entwicklung der Sackwand ein, verdickt sich dieselbe, wie dies in unserem Falle all- mählich einzutreten und constatirbar schien, wandelt sich die einfache Epithelschicht an ihrer Innenfläche in ein mehr drüsiges Gebilde um, kommt es zu schlauchförmigen Einsenkungen in die Cystenwand, wie in unserem und Spiegelberg’s Falle (Arch. f. Gyn. Bd.I. p. 482), dann wird der Cysteninhalt dicker, eiweissreicher, specifisch schwerer, mit einem Worte colloid, dem Inhalte der Ovarialkystome ähnlich, der unter ganz ähnlichen Bedingungen produeirt wird, und dann schwindet auch, wie bei den letzteren ja längst bekannt, die Aussicht, durch eine Punetion mit oder ohne folgende Jodinjecetion die Cyste zur Verödung zu bringen und die Wiederfüllung zu verhüten. Unter welchen Bedingungen allerdings in dem einen Falle die Gefässentwicklung in der Neubildung spärlich, und diese letztere auf einer Anfangsstufe stehen bleibt, in dem anderen Falle die geschilderten bedeutsamen Umgestaltungen zum proliferirenden Kystom vor sich gehen, bleibt bis jetzt noch unaufgeklärt. Diese scheinbar rein theoretischen Erwägungen haben indessen praktische Consequenzen im Gefolge. Denn der noch vielfach geführte Streit, ob jeder Ovarientumor, der entfernbar ist, exstirpirt werden soll, wird wesentlich durch die Kenntniss dieser Cysten end- gültig entschieden werden. Jedenfalls scheint mir Spiegelberg’s praktische Schlussfolgerung richtig: ,‚Seröse Ovarial- und Parovarial- cysten zunächst zu punctiren und erst bei wiederholter Anfüllung zu exstirpiren.“ Nicht alle Operateure theilen diese Ansicht; so exstirpirt z. B. Köberle, der bis zum Jahre 1877 11 Parovarialtumoren, wohl die meisten von Allen, operativ entfernt hat, alle diese Cysten aus- nahmslos. Allerdings ist, wie aus unserer Krankengeschichte hervorgeht, ein längerer Beobachtungszeitraum behufs Entscheidung der Frage nöthig, ob die Punction zur Radicalheilung geführt hat oder nicht. Mein Urtheil, 4 Monate nach der ersten Punction, war verfrüht; aber auch Gusserow (l. e.), der schon 1 Jahr 4 Monate nach der ersten Punction die Wieder- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 55 anfüllung nicht mehr erwarten zu dürfen glaubte, urtheilte vielleicht zu schnell. Von diesem Gesichtspunkte aus ist auch die Discussion in der ehirurg. Gesellsch. zu Paris, Juli 1882 (Refer. im Centralbl. f. Gynäk. 1883. Nr. 16, p. 259) über seröse Ovarien- und Parovarieneysten, Heilung durch Puncetion mit oder ohne Jodinjeetion oder durch Ovario- tomie, von Interesse. Die überwiegende Mehrheit sprach sich, wenigstens für Parovariencysten und für ovarielle Cysten mit serösem Inhalte für Heilungsversuche durch Punction resp. Jodinjection aus. Duplay und Terrier verwarfen nur die Jodinjeetionen, Lucas Championniere allein plaidirte unbedingt für sofortige Ovariotomie, da bei Parovarien- eysten auch die Ovarien immer (?) mit erkrankt seien; er hielt — und dies gewiss mit Recht — die Jodinjectionen in die Cyste für einen entschiedenen chirurgischen Rückschritt, da dieselben ohne jede Garantie des Erfolges dennoch fast gefährlicher als die Ovariotomie bei unserem heutigen Standpunkte der Technik seien. Auch Verneuil sprach sich nur bei serösen Cysien für den Versuch einer Punction und, wenn diese erfolglos, event. für die Ovariotomie aus. Er verwarf die wegen stellen- weiser Dünnheit der Cystenwandungen oft gefährlichen Jodinjeetionen, die ausserdem unnütz, da — wie Pozzi ganz richtig hervorhob — viele im chirurgischen Sinne uniloculäre Cysten anatomisch multiloculär und der Verödung durch Punction und Injeetion nicht zugängig seien. Der von uns eingeschlagene Modus procedendi ist fol- sender: Jede einfächrig erscheinende Parovarien- oder ÖOvariencyste muss zunächst probepunctirt werden; bei klarem, wasserhellem, specifisch leichten, eiweissarmen Inhalt und nicht ungleichmässig oder knotig ver- diekt sich anfühlender Sackwand wird die Probepunction zur vollen aus- sedehnt, bei Wiederfüllung die letztere nicht mehr wiederholt, sondern zur Exstirpation des Tumors geschritten. Die der Punction folgende Jodinjection in die Cyste ist zu verwerfen. Bei collpidem, specifisch schwerem, eiweissreichem Inhalt dagegen ist, gleichgültig ob nach der probatorischen Punction sich ein multi- loculärer Tumor oder ein einfächriger mit gleichmässiger oder stellen- weise verdickter Sackwand herausstellt, sofort zu ovariotomiren, da die Wiederfüllung der Cyste, ob ovariell oder parovariell, bei solchem Inhalt ausser Frage steht. B. Dermoideyste des linken Ovarium. Der Fall, von Herrn Collegen Dr. Ehrlich in Brieg mir freundlichst über- wiesen, betraf eine 42jährige Frau, die 12 Kinder geboren und einmal abortirt hatte. Die Entwicklung der Geschwulst war seit ungefähr einem Jahr bemerkt worden; seit Anfang 1885 wuchs der Tumor rascher. Die Untersuchung zeigte einen kleinkindskopfgrossen, undeutlich fluctuirenden, sehr beweglichen, rund- lichen Tumor hinter dem retroflectirten, durch die dünnen Bauchdecken bimanuell gut aufrichtbaren Uterus. Die Finger konnten bei der in Narcose vorgenommenen Bauchdeckenscheiden-Rectaluntersuchung zwischen dem Fundus Uteri und der Ge- 56 Jahres - Bericht schwulst tief eindringen und das Ligam. latum, sowie den nach links und oben strangartig verlaufenden Stiel gut abtasten, so dass die Diagnose auf einen links- seitigen, wahrscheinlich wenig adhärenten Ovarientumor gestellt wurde. Die dermoide Beschaffenheit desselben wurde erst während der Operation erkannt. Die letztere wurde am 1. März h. a. vorgenommen. Nach selbstverständlicher Erfüllung aller antiseptischen Cautelen wurde unter Carbolspray eine verhältniss- mässig kurze Incision in die Bauchdecken gemacht, und rasch der eigenthümlich pralle, weissglänzende Tumor freigelegt. Behufs Entleerung wurde der Spencer Wells’sche Troicart in ihn eingestossen und seine Klammern in der Tumorwand festgehakt. Indem sich nun der Cysteninhalt äusserst rasch durch den Troicart von sehr grossem Caliber entleerte und die Cyste selbst schneller collabirte, als ich sie mittelst der Nelaton’schen Zange extrahiren konnte, glitt die Cyste vom Troicart plötzlich ab und trotz des sofortigen Vorlegens von Schwämmen vor die Bauchwunde, trotz Andrängens der Bauchdecken an die Wirbelsäule seitens des Assistenten und trotz möglichst beschleunigter Entwicklung des Tumors meiner- seits, drang doch eine ziemlich erhebliche Menge des bekannten Dermoidbreies von der ÖOonsistenz und Farbe erweichter Butter, untermengt mit einzelnen und zu Büscheln verfilzten Haaren, in die Bauchhöhle ein. Ausserhalb der Bauchhöhle erstarrte-der Brei sofort zu einer festen, talgartigen Masse, die sich nur schwer von ihrer Unterlage ab- wischen liess. Offenbar handelte es sich um ein bei Körpertemperatur flüssiges, bei niedrigerer gerinnendes Fett. Der Stiel des nun rasch entwickelten Tumors wurde, da er ziemlich dick und fett, dabei aber abgeplattet war, zunächst mit der Billroth’schen Klammer fest comprimirt und vor derselben abgeschnitten. Da einzelne Stielgefässe noch stark spritzten, so wurden dieselben isolirt mit Catgut unterbunden, alsdann der ganze Stiel mittelst der Fritsch’schen Nadel durchstochen, nach beiden Seiten, sowie dahinter noch eirculär mit carbolisirter, geflochtener Seide ligirt, mit 3 pCt. Carbollösung abgerieben, auf seiner Schnitt- tläche Jodoform verrieben und alsdann derselbe versenkt. Nunmehr sorgfältigste Toilette des Peritoneum, möglichste manuelle Entfernung der eingedrungenen Haare und Fettklumpen vom Netz und den Därmen, Ausspülung der Bauchhöhle mit warmer Salicyllösung und schliesslich Trockenlegung des Peritonealcavum mit Schwämmen. Dies letztere Manöver kann man sich dadurch sehr erleichtern, dass man zwei bis vier Finger der einen Handin die Scheide führt und sich von da aus der Reihe nach das hintere und vordere Scheidengewölbe, sowie die beiden Parametrien nach der Bauchwunde zu in die Höhe hebt und entgegenstülpt; es ist dann für die andere, mit einem Schwamme armirte Hand leicht, die Excavatio vesico- und recto-uterina, sowie die seitlichen Ausbreitungen des Peritoneum zu erreichen und genau zu reinigen. Selbstverständlich muss die in der Scheide agirende Hand vor Fortsetzung der Operation aufs Neue sorgfältig desinficirt werden. — Darauf das Netz über die Därme gebreitet, Schluss der Bauchwunde und Jodoform- Jodoformgaze-Wattenverband. Der Heilungsverlauf war ein rascher und günstiger. Die Temperatur erhob sich nicht über 38,6° C., letzteres bedingt durch einen Bauchdeckenabscess, der sich am 16. Tage nach der Operation durch den unteren Wundwinkel spontan entleerte, und durch eine leichte Exsudation um den ver- senkten Stielrest. Die Kranke verliess am 11. Tage das Bett und konnte am 23. Tage geheilt aus der Anstalt entlassen werden. Sie stellte sich mir vor wenigen Tagen, gesund und blühend aussehend, vor. Das Exsudat um den Stiel war völlig resorbirt, nur im unteren Wundwinkel trotz der relativ kurzen Ineision eine leichte Diastase der Recti. In früherer Zeit hätte ein derartiges Einströmen von Cysteninhalt in die Bauchhöhle, wie es in diesem Falle durch Abgleiten der Cyste von dem Troicart passirte, für ein unheilvolies, prognostisch ungünstiges Ereigniss gegolten. Jetzt sind wohl alle Operateure darin einig, dass die Verunreinigung der Bauchhöhle mit nicht zu grossen Mengen von gutartigem, dünnflüssigem Cysteninhalt bei sonst allseitiger und strenger Antisepsis, bei vollkommener Blutstillung und intacter Resorptionsfähig- keit des Peritoneums noch keine Gefahr der Septichämie in sich birgt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 57 Manche gehen heutzutage noch weiter; A, Martin in seinem jüngsten Bericht über eine Serie von 56 glücklich verlaufenen Ovariotomien (Berl. klin. Wochenschr. Nr. 10, 1883) sagt ausdrücklich: „Ich suche den Cysteninhalt, soweit es geht, nach aussen abzuleiten. Aber sehr oft kommt er in die Bauchhöhle und das erscheint ganz irrelevant für die Genesung der Frau. Frischer Cysteninhalt wird ebenso verdaut, ‘wie chokoladenfarbene Flüssigkeit, Eiter und Blut. Der Eiter, welcher aus Cysten, abgekapselten Herden und Tuben entleert wurde, hatte in sieben Fällen schon vor der Operation Fieber gemacht, ja der Eiter selbst stank zwei Mal aashaft. Das eitrige Tubensecret habe ich oft äusserst übelriechend gefunden. Oftmals, ja fast jedes- mal ist etwas davon in die Bauchhöhle gekommen. Ich habe nur eben sehr oberflächlich mit ?2—-3 Sehwämmen es ausgetupft, beschränke die Toilette nur auf Austupfen grosser Massen und Gerinnsel im Gegensatz zu der früheren langweiligen Austupfung event. Ausspülung mit Carbol- lösung. Die Bauchhöhle resorbirt dergleichen prompt, sobald nicht neue Zersetzungskeime zukommen, und die hält der Spray in Verbindung mit den übrigen antiseptischen Cautelen ebenso ab, wie er die vor- handenen zu zerstören genügt. Die Blutstillung hingegen ist sorgföltigst zu machen.“ Also Martin, wie auch Olshausen und Nussbaum halten eine so serupulöse Toilette des Peritoneum, eine so möglichst vollkommene Trockenlegung der Bauchhöhle, wie sie in den letzten Jahren die meisten Operateure, besonders Hegar und Köberl6& intendirten, für überflüssig. Dem wäre. zuzustimmen, wenn wir ausreichend sichere Massregeln besässen, um den Zutritt von Fäulnisserregern oder septischen Substanzen absolut zu verhindern. Doch wiege man sich in dieser Beziehung in keine allzugrosse Sich&rheit! Weder durch Ausschwefeln des Operations- locales, noch durch Erfüllen desselben die Nacht vor der Operation mit Carboldampf und Scheuern desselben unter Carbolspray, noch durch den Spray während der Operation, noch durch irgend eine andere unserer antiseptischen Cautelen vermögen wir den Zutritt von Fäulnisserregern vollkommen fernzuhalten. Wir dürfen also eine Methode noch nicht aufgeben, die — wie die peinlich sorgfältige Peritonealtoilette — den Zweck verfolgt, alle etwa während der Operation in die Bauchhöhle eingedrungenen Fäulnisskeime und septischen Stoffe in dieser noch vor Schluss derselben unschädlich zu machen. Wenn die Mehrzahl der Operateure jetzt viel seltener als früher die Peritonealdrainage anwendet, so ist dieselbe nicht nur durch die Einführung des Spray und strengerer antiseptischer Massregeln entbehrlich’ geworden, sondern auch durch die grössere Sorgfalt, die auf die Blutstillung und Toilette des Peritoneum verwandt wird und die festgehalten werden muss, bis wir ganz ver- 58 Jahres- Bericht lässliche Methoden zur Vernichtung und Fernhaltung von Fäulnisserregern haben werden. Denn auch die prophylaktische Drainage der Bauchhöhle — und hier komme ich auf einen ferneren wichtigen Punkt der Operations- technik — ist kein sicheres Mittel, um durch freie Ableitung der Secrete deren Zersetzung daselbst zu verhüten. Die Schwierigkeit des Abflusses von Flüssigkeiten aus der Bauchhöhle, auch unter Verhältnissen, wo mehrfache Drains eingelegt wurden, ist durch von Ott experimentell nachgewiesen (ef. Schröders Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. IX. Ba. 11129.721378 Wie enthusiastisch zuerst die Schrift von Marion Sims, worin er die prophylaktische Peritonealdrainage empfahl, aufgenommen wurde und wie bestechend die Erfolge von Bardenheuer auch erschienen, so hat sich doch die Majorität der Operateure aus theoretischen und prak- tischen Gründen schon davon abgewendet und als Basis des sicheren Erfolges für alle peritonealen Operationen die strengste Antisepsis an- erkannt. (ef. 1. c. Martin: Ueber die Drainage des Peritoneums und in der anschliessenden Discussion Schröder, Verh. d. Gesellsch. f£. Geburtsh. u. Gynäk. zu Berlin 28. März 1832). Wir besitzen zur Zeit noch keine ganz zuverlässige und gefahrlose Methode der Peritoneal- drainage, keine solche, die der Bauchhöhle in toto beikommt, da der Drain immer nur an einer ganz bestimmten Stelle liest und keinerlei Garantie bietet, eingeführte Infectionsstoffe gründlich wegzuspülen. Wir sind also in erster Reihe verpflichtet, das Hineingelangen solcher Keime _ zu verhüten. Gelingt uns dies aber, so ist die Drainage nicht nur überflüssig, sondern schädlich, weil sie die Abschliessung der Peritoneal- höhle aufhebt. Ä In unserem Falle schien es gleichfalls nicht nöthig, zu drainiren, Zunächst war dem Eindringen von Fäulnisskeimen durch strenge Anti- sepsis vor und während der Operation möglichst vorgebeugt; alsdann blieb nur wenig und unzersetzter, bei Körpertemperatur flüssiger Cysten- inhalt, keine ascitische Flüssigkeit, kein Blut in der Bauchhöhle zurück und endlich war das Peritoneum selbst von intacter Resorptionsfähigkeit, da dieselbe weder durch vorherigen zu starken intraabdominellen Druck — wie ein solcher bei enorm grossen Tumoren besteht — noch durch Lähmung des zu sehr und zu lange abgekühlten Darms, noch durch Ent- zündung oder ausgebreitete Texturanomalien des Peritoneums, noch end- lich durch allgemeine Anämie oder Kachexie herabgesetzt war. Aber auch unter ungünstigeren Verhältnissen, als die in unserem Falle waren, also bei unvollkommener Blutstillung und nicht zu stillendem Nachsickern aus getrennten Adhäsionen würde ich meist lieber einen Compressivverband anlegen, als drainiren; eingedrungenen, selbst eitrigen Cysteninhalt lieber sorgsam ausspülen und austupfen und möglichst nicht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 59 drainiren, ja auch bei mühsamer Ausschälung von Tumoren aus ihren Adhäsionen mit Setzung ausgedehnter Läsionen und Zurücklassung grosser Wundflächen die Drainage zu vermeiden versuchen, da diese Flächen doch nur unter umschriebenen Entzündungserscheinungen heilen können. Hat man hier bei der Operation die Infection vermieden, so sieht man Kn. = Knorpel; ä. = äussere, inn. = innere Fläche der Wand des Dermoids. wohl ab und zu bei deerepiden Kranken Collaps eintreten, aber keine Sepsis. (Schröder.) i Selbst für die subserösen Tumoren, bei deren Ausschälung grosse Zellgewebsräume des Ligam. latum eröffnet werden und für die Hegar und A. Martin die Nothwendigkeit der Drainage zugeben, stellt 60 Jahres - Bericht Schröder dieselbe in Abrede; er übernäht die eröffneten Zellgewebs- räume mit Peritoneallappen und bildet so eine Art Diaphragma nach oben. Mithin blieben für die Drainage nur noch diejenigen Fälle, in denen der Gang der Operation eine Communication mit der Scheide — einem Canal, dessen Secret grosse Zersetzungsneigung hat — bedingt, z. B. für die Totalexstirpation des Uterus, ferner bei Verletzungen der Blase, der Uretheren oder des Darms, falls diese nicht sicher durch die Wundnaht geschlossen werden können und endlich, wenn grössere Ge- schwulstreste zurückgelassen werden müssen, deren Mortification un- ausbleiblich ist. Zum Schluss möchte ich noch auf das histologisch interessante, ziemlich seltene Vorkommen von Knorpel in der Wand des exstirpirten Dermoids (von Herrn Collesen Dr. Martell nachge- wiesen, cf. Abbildung von Herrn Dr. Rosenstein) aufmerksam machen; derselbe fand sich in diesem Falle in Form von Platten und von im Bindegewebe eingebetteten Kernen bis zur Erbsengrösse in der Sack- wand vor. Vielleicht gehen diese Knorpeleinlagerungen, wie dies Förster vermuthete, hier aus Bindegewebe hervor, welches sich zu ihnen verhält, wie das Perichondrium normaler Knorpel zur hyalinen Knorpelmasse. So constatirte neuerdings Schröder (Bericht über die Verhandl. d. Ge- sellschaft f. Geburtsh. u. Gynäk. zu Berlin. Sitzung v. 24. Januar 1882) das Vorkommen von starken enchondromatösen Wucherungen in einem Fibroma ovarii, von einem 19jährigen Mädchen stammend. — Die ana- tomische Untersuchung der exstirpirten Geschwulst ergab sonst nichts von dem üblichen Befunde bei Dermoideysten des Ovarium Abweichendes; sie bestand aus einer derben Cystenmembran, an deren Innenfläche die drüsigen Gebilde der Haut, Talgdrüsen und Haare, ferner Fettgewebe nach Art des Panniculus adiposus und massenhaft geschichtetes Pflaster- epithel entwickelt waren. Der dritte Fall, über den ich zu referiren habe, war ein C. Intraligamentär entwickelter, rechtsseitiger Ovarientumor; beginnende eystöse Degeneration des linken Eierstocks, doppelte Ovariotomie. Frau Förster R., 33 Jahre alt, hat vier Kinder geboren, das letzte Ende Februar 1879. Zwei Tage nach dieser letzten, etwas protrahirten Entbindung erkrankte sie unter peritonitischen Erscheinungen und war angeblich °/, Jahre lang bettlägrig. Ebenso lange blieb die bis dahin regelmässige Menstruation aus, die von jetzt an irregulär, in drei bis vierwöchentlichen Intervallen, fünf bis sechs Tage unter Schmerzen andauernd, auftrat. Von dieser Wochenbetts-Erkrankung an will die Kranke eine Zunahme ihres Leibesumfangs bemerkt haben, am stärksten im letzten Halbjahr. Bei der ersten Untersuchung am 5. April 1883 zeigt sich das Abdomen gleichmässig ausgedehnt durch einen sphärischen, an- scheinend dünnwandigen, grosswellig fluctuirenden Tumor, der den Darm hinter und über sich hat, aus dem kleinen Becken emporsteigt und von den grossen, drüsigen Organen des Unterleibs gut abgrenzbar ist. Grösster Leibesumfang 109 cm, Erhebung des oberen Tumorrandes über den Nabel 13 cm, über die Symphyse 30 cm, starker wulstiger Prolaps der vorderen, geringerer der hinteren Vaginalwand, Cystocele vaginalis, alter Dammriss. Uterus gross, dextrovertirt, jedoch leicht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 61 durch die dünnen Bauchdecken median reponirbar, auffallend hochstehend, der Fundus 8 cm über dem oberen Symphysenrande. Ein grosses Tumorsegment ist von [der Scheide aus hinter dem Uterus zu fühlen, die Portio mit zwei Fingern kaum zu erreichen. Vom rechten Uterushorne aus verläuft ein kleinfingerdicker, praller Strang zum Tumor, in dessen Wand er sich verliert; der- selbe wird als die rechte Tube gedeutet. Das linke Ovarium ist in der Narkose durch die combinirte Bauchdecken-Scheidenuntersuchung als etwas vergrössert leicht abzutasten. Diagnose vor der Operation: Rechtsseitiges, wahrscheinlich uni- loculäres Cystoma ovarii. Operation am 10. April unter Beihilfe der Herren Collegen Hohenhorst, Schäfer und Rosenstein. Nach den üblichen Vor- bereitungen langer Bauchschnitt, Eröffnung des Tumors mit dem Bistouri und Entleerung einer gelblichen, exquisit ovariellen Flüssigkeit. Der Tumor folgt dem Zuge der Nelaton’sche Zange nach aussen zunächst gut, bald aber erwies es sich als unmöglich, seine im kleinen Becken median und nach der rechten Seite zu festsitzende Basis zu entwickeln. Vielmehr zeigten sich bei Einführung der Hand in die Bauchhöhle beide Blätter des Ligam. latum dextr. durch den Tumor bis zu ihrer Basis entfaltet und derselbe mit einem ziemlich grossen Segmente extraperitoneal, im Beckenzell- gewebe festwurzelnd. Das bei der Untersuchung schon vergrössert gefühlte linke Ovarium war gleichfalls ausgedehnt cystisch degenerirt; es wurde zunächst entfernt, sein Stiel unterbunden und versenkt. Nun trat an mich die Frage heran, ob ich den rechtsseitigen, grossen, ent- leerten Tumor aus dem Beckenzellgewebe enucleiren (nach Miner in Buffalo, Pean und neuerdings Schröder) oder (nach der älteren Schröder’schen Methode) nur soweit als möglich entfernen und den im Beckenbindegewebe wurzeln- den Rest in der Bauchwunde einnähen und drainiren wollte. Ich entschloss mich zum letzteren Vorgehen, und zwar wegen der erfahrungsgemäss oft ausserordent- lich festen Verbindung, in der intraligamentär entwickelte Ovarientumoren im Gegensatz zu ebenso inserirten Parovarialeysten und Uterusfibromen zum Becken- zellgewebe stehen und wegen der damit verbundenen äusserst schwierigen Blut- stillung in der Tiefe des kleinen Beckens, die die Durchführung der Enucleation unmöglich machen kann. Die Gefahr solcher Enucleationen ist sehr gross; Pean hat von 26 so Operirten die Hälfte verloren, andere Operateure noch mehr. Ich konnte um so eher den Rest zurücklassen, als der Tumor, wenigstens im chirur- gischen Sinne, uniloculär war und die Gefahr eines Recidivs oder einer malignen Degeneration innerhalb der zurückbleibenden Sackwand ausgeschlossen erschien. Es wurde also der entleerte Sack möglichst vorgezogen, mit zahlreichen, starken Ligaturen im unteren Wundwinkel ringsum eingenäht und vor den Nähten - abgetrennt. Der obere Theil der Bauchwunde wurde wie gewöhnlich geschlossen, der Sackrest mit warmer Salicyllösung ausgespült und mit kleinen Stielschwämmen ausgetrocknet, alsdann ein 25 cm langes, 1,75 cm im Querdurchmesser des Lumen messendes Hegar’sches Glasdrain bis auf den Grund des Sackes geschoben, des letzteren Höhle mit Jodoform eingepulvert und neben dem Glasdrain mit weicher Wiener Jodoformgaze tamponirt, Anlegen eines Compressivverbandes, aus dem das obere Ende des Glasdrains, fest mit Carbolwatte und Protectiv Silk ver- bunden, nur wenig hervorragte. Den ersten Tag halbstündliche, später nur ein- bis zweistündliche Reinigung des Glasdrains durch mit Carbolwatte umwickelte Plaifayr’sche Sonden. Erster Verbandwechsel am fünften Tage, Vertauschen des Glas- mit einem sehr dieken Gummidrain und täglich mehrmaliges, ‚später ein- maliges Ausspülen des Sackes mit verschiedenen Desinficientien, von denen sich am besten Sublimatlösung (1: 1000) bewährte. Der Sack wurde abwechselnd mit Jodoform und Jodoformgaze und mit Naphthalin, sowie Carbol- und Sublimat- gaze verbunden. Die unangenehme Nebenwirkung des Naphthalins, Excoriationen der benachbarten Hautpartien hervorzurufen, machte sich auch in unserem Falle, trotz vorherigem Bestreichen derselben mit Vaseline.und Bestreuen mit Pnder, geltend und zwang, dieses Verbandmittel zeitweise zu verlassen. Andrerseits durften wir wegen der Gefahr einer Jodoformintoxication bei einer so grossen, resorbirenden Fläche, wie der zurückgelassene Cystenrest sie bot, auch den Jodo- formverband nicht dauernd anwenden, obwohl derselbe grade hier, wo wir eine Heilung durch eitrige Exfoliation der Cystenwandungen, Schrumpfung derselben und Granulationsbildung von ihnen aus intendirten, uns indicirt erschien, und auch thatsächlich unter seiner zeitweisen Anwendung der Heilungsprocess die raschesten Fortschritte machte. Durch den geschilderten Wechsel zwischen den 62 Jahres-Bericht Verbandmitteln kamen wir über diese Schwierigkeiten hinweg und der, aller- dings 8, Wochen dauernde Heilungsverlauf war ein günstiger, nur complieirt durch einen von Anfang an bestehenden, mit Fieber verbundenen, eitrigen Blasen- katarrh, zu dem die Kranke durch ihren starken Scheidenvorfall mit Cystocele disponirt war. Die Localbehandlung dieses Katarrhs durch Ausspülungen der Blase mit schwachen Lösungen essigsaurer Thonerde coupirte das Fieber sofort. Die Operirte verliess nach drei Wochen das Bett und 5'/, Wochen später meine Anstalt, allerdings noch mit einer kleinen, aber gut granulirenden Cystenbauch- fistel, deren Schluss inzwischen erfolgt ist. Die anatomische Untersuchung des exstirpirten Sackes im hiesigen pathologischen Institut ergab eine einfache Ovarial- cyste von etwa 4 mm Wandstärke mit glatter innerer Fläche, ausgekleidet mit im Wesentlichen rundlichen, theils auch platten Zellen mit grossem Kern und einer Anzahl feiner Fetttröpfehen, offenbar Plattenepithel (geschichtetes) darstellend. Die derbe, von grösseren Gefässen durchzogene Wand besteht histologisch aus dickfaserigem, kernarmen Bindegewebe. (Herr Dr. Hanau.) Ich erwähne diesen Fall hier, um das operative Verhalten bei sub- ‚seröser Entwickelung von Ovarialtumoren zur Discussion zu bringen. Mir selbst ist dieser intraligamentäre Sitz, den man bei Empor- und Nachvorndrängen des Uterus durch den das kleine Becken ausfüllenden Tumor schon vor der Operation vermuthen kann, bis jetzt zwei mal begegnet und beide Male schienen mir die Schwierigkeiten der Enu- eleation fast unüberwindlich. Es mag nun sein, dass es auch leichtere derartige Fälle giebt und es ist sicher, dass geübtere Operateure, als ich, auch grössere Schwierigkeiten eher überwinden werden. So werden z. B. Cysten des Ligam. latum, nachdem man durch einen langen Schnitt das sie überziehende, jedoch meist nur lose anhaftende Peritoneum ge- spalten hat, sich wohl meist überraschend leicht aus dem Beckenbinde- sewebe enucleiren lassen; auch Tumoren mit unvollständiger Entfaltung des Ligam. latum, dessen Platten dann unterhalb des Tumors wieder bis zur Berührung aneinandertreten, werden nach Miner’s Vorschlag leicht aus den Parametrien herausgepellt werden können. Aber die wirklich mit Entfaltung des ganzen Ligam. latum tief im Beckenbindege- webe wurzelnden Ovarientumoren bieten bei der Enucleation solche Ge- fahren der schwer stillbaren Blutung, der Nebenverletzungen durch An- reissung grosser Beckengefässe, der Uretheren, der Blase oder des Darms, in der Reconvalescenz so schwere Gefahren von phlegmonösen Processen im Beckenzellgewebe, Thrombosen des Plexus pampiniformis, secundärer Infection des Peritoneums von der jauchenden Zellgewebs- höhle aus (Hegar, operat. Gynäk.), dass die langsamere, aber — ver- glichen mit den Endresultaten der Totalenucleation — sicherere Heilung auf dem Wege partieller Resection mit Einnähen des Restes mir VOrZUu- ziehen scheint, ausgenommen natürlich bei multiloculären Kystomen, die eben wegen Gefahr eines Recidivs um jeden Preis entfernt werden müssen. Schröder (300 Ovariotomien, Berl. Klin. Wochenschr. Nr. 16 und 17, 1882) hat den letzten Fall von Partialreseetion mit Einnähen des Restes vor drei Jahren operirt, seitdem alle enucleirt, darunter auch ein Reeidiv nach einer Partialentfernung, wo es ihm das erste Mal nicht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 63 gelang, den ganzen Tumor herauszuschälen. Aber derselbe Fall der Un- möglichkeit der Vollendung der Enucleation, der ihm vor drei Jahren und seitdem nicht wieder passirte, kann ihm oder jedem Anderen immer wieder vorkommen. Für leichtere Fälle, Cysten des Ligam. latum, theil- weise Entfaltung des letzteren und bestimmt für multiloculäre Ovarial- tumoren scheint mir also die Enucleation am Platze, bei schwierigeren kann sich besonders der weniger Geübte mit der Resection begnügen. Sitzung vom 22. Juni 1883. Herr F. Krauss demonstrirt zunächst einen enormen Hydrocephalus. Hierauf bespricht Herr Riegner einen Fall von ulcerösem Carcinom der Harnblase. Schliesslieh demonstrirt Herr Berger einen cortiealen Erweichungsherd des Gehirns. Sitzung vom 29. Juni 1883. Herr Heidenhain spricht Ueber pseudomotorische Nervenwirkungen. Der Vortrag ist in dem Jubelbande zu Du-Bois Reymonds Jubiläum in Berlin erschienen. Sitzung vom 6. Juli 1883. Herr Gierke hält einen Vortrag Veber die Stützsubstanz des centralen Nervensystems. Der Vortrag wird im Archiv für mikroskopische Anatomie ausführ- lieh mit Abbildungen erläutert erscheinen. Sitzung vom 16. November 1883. Herr Berger eröffnet die Sitzung mit einem Nachruf an die ver- storbenen Mitslieder Herrn Sanitätsrath Dr. Eger und Herrn Dr. Süss- kind. Die Gesellschaft ehrt das Andenken der Verstorbenen durch Erheben von den Plätzen. Derselbe schlägt alsdann die Bildung einer Commission vor behufs Versendung von Karten zum Zwecke einer Specialforschung über die Tuberkulosenfrage an die Collegen. In die Commission werden gewählt: Krocker, Biermer, Schlockow, Friedländer, Eger, Unverricht und Neisser. Alsdann spricht Herr Hirt Ueber die Behandlung der Epilepsie, speciell der partiellen, sog. Jackson’schen Epilepsie. Die von Brown- S&quard empfohlenen Cauterisationen habe er in allen Fällen, wo die 64 Jahres-Bericht Convulsionen in beiden Körperhälften auftraten, unwirksam gefunden, dagegen von localen Hautreizen in Form ringförmiger spanischer Fliegen dann Erfolge gesehen, wenn die Convulsionen auf eine Körperhälfte beschränkt blieben und die Patienten vor dem jedesmaligen Anfalle immer in demselben Gliede, sei es in demselben Finger, derselben Zehe, einer Hand oder einem Fusse eine Art Aura empfanden, sei es, dass diese als Ameisenkriechen, Kältegefühl, Kitzeln oder Jucken u. dgl. auftrat. Der Vortragende berichtet über 5 von ihm beobachtete Fälle von partieller Epilepsie, von denen 4 dadurch ein besonderes Interesse beanspruchten, dass nach Anlegung des ringförmigen 2—3 cm breiten spanischen Fliegenpflasters um das die Aura zeigende Glied diese selbst und der darauf folgende Anfall auf der entgegengesetzten Körper- hälfte auftraten, ehe dauerndes Ausbleiben der Anfälle erfolgte. (In einem Falle fehlen am Tage des Vortrages die Anfälle seit 5, in einem seit 4 Monaten, während sie vor der Application des Hautreizes täglich mehrere Male beobachtet wurden.) Die Transferterscheinungen traten innerhalb 1—8 Tagen auf. Der Vortragende ist der Ansicht, dass wenn bei partieller Epilepsie der Transfert nach rein localem Hautreiz auftritt (was in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fall zu sein scheint), so dass die Convulsionen dann die der früheren entgegengesetzte Körper- hälfte befallen, die Aussicht auf dauerndes Ausbleiben der Anfälle fast sicher vorhanden ist. Obgleich seine Beobachtungen für sichere Schlüsse noch nicht ausreichend sind, so habe sich der Vortragende zu der Mit- theilung doch für berechtigt gehalten, weil über Transfert grade bei partieller Epilepsie ausser Buzzard (Clinical leetures on diseases of the nervous System. London. Churchill 1882) seines Wissens Niemand etwas publieirt habe und weil er die Behandlung der Krankheit mit ringförmigen spanischen Fliegen, wobei natürlich jedes Medicament ausgesetzt wird, für dankbar genug erachte, um weitere Versuche damit anzustellen. In der an den Vortrag sich schliessenden Discussion bemerkt Herr Berger, dass er die diagnostische Beweiskraft für einen der 5 mit- getheilten Fälle für zweifelhaft halte. Wenn Jemand während eines Jahres täglich eirca 30 Krampfanfälle überstehe, so könne dies un- möglich Epilepsie sein. Das Vorkommen halbseitiger hysterischer Con- vulsionen müsse er entschieden behaupten. Uebrigens rathe er auch zu weiteren Versuchen. Herr Hirt bestreitet nicht das Vorkommen halbseitiger hysterischer Convulsion, hält dieselbe aber für sehr selten. Hierauf erstattet Herr Hermann Cohn Bericht über Untersuchungen über die Sehschärfe bei abnehmender Beleuchtung. Der Vortr. erwähnte zunächst die Methoden und Resultate, welche Tobias Mayer (1754), Aubert (1865), Posch (1876), Carp (1876), der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 65 Albertotti (1878) und Sons (1878) über die Beziehungen von Seh- schärfe (8) zur Lichtintensität (J) mitgetheilt haben. Es ergaben sich die allergrössten Differenzen bei den einzelnen Untersuchern. Dem Vortr. war es wahrscheinlich, dass die subjectiven Verschiedenheiten der Augen der Beobachter Ursache dieser Differenzen seien und er unter- nahm daher, zumal bisher nur wenige gesunde Augen betrefis $:J ge- prüft worden, eine Reihe eigner Untersuchungen bei 12—14 jährigen Schulkindern in Schreiberhau. Dieselben haben, wie der Vortr. schon vor 12 Jahren gezeigt, meist doppelte, selbst 2'/, fache $. Die Prüfungen waren sehr zeitraubend und konnten daher nur an 50 Augen durchgeführt werden, welche 8 = '*/,, '”/, '/, und %, zeigten. Die Untersuchungen wurden mit den nöthigen Cautelen unter freiem Himmel im August d. J. an einer Hakentafel, die nach Snellen Nr. 6 gezeichnet war und hinreichende Auswahl bot, vorgenommen, erst ohne, dann mit 1—6 grauen Gläsern, welche im Schmidt-Rimpler’schen Kasten ') vorgelegt wurden. Der Durchschnitt aller 50 Beobachtungen ergab, wenn J=1 und $S=1 gesetzt wird, bei 1—6 grauen Gläsern 9 = 0,9; 0,8; 0,65; 0,5; 0,34; 0,23. Die Lichtabsorption der grauen Gläser wurde erst später im physikalischen Cabinet mit freundlicher Unterstützung des Herrn Prof. Dr. OÖ. E. Meyer bestimmt. Das Mittel aus den Beobachtungen an den Photometern von Rumford, Bunsen, Ritchie, Glan und mittels des Episcotisters?) ergab, dass durch ein graues Glas nur 14 pCt., durch 2 graue Gläser nur 2 pCt. Licht geht. Die Ver- dunkelung durch 3—6 Gläser liess sich photometrisch nicht mehr be- stimmen; sie könnte nur annähernd berechnet werden, indem durch das zweite Glas nur noch 14 pCt. von den 14 pCt. Licht, welche das erste Glas passirten, durchtritt, was mit dem Experimente stimmt. Potenzirt man weiter, so würde durch die 1—6 Gläser gehen \,, "1; ee neoa) heses Und 5857 Licht. Natürlich sind diese Zahlen nur. ganz approximativ, da von den verschiedenen Farben verschiedene Mengen die grauen Gläser passiren. Um jedoch die S für J=1 bis J= '/, zu berechnen, bedarf man nur der ersten (auch experimentell) gefundenen Werthe für J. Es würde dann, wenn J=1 und $S=1 gesetzt wird, für J ',, /, und "es dureh Interpolation S = 0,93, = 0,89, = 0,84 gefunden werden. Be- zeichnet man nun, wie weit z. B. Snellen Nr. 60 nach den verschiedenen Beobachtern gelesen werden muss, wenn die Beleuchtung von J=1 auf J— '/, sinkt, so ergeben sich folgende enorme Differenzen: )) Verbesserte Exemplare desselben liefert Optikus Heidrich in Breslau (Schweidnitzerstrasse 27). 2) Die verschiedenen Apparate wurden vorgezeigt. 1883. 5 66 Jahres - Bericht bei nach nach nach nach nach nach & Mayer Posch ER NL| Sons Carp Cohn 3. 1 60 m 60 m 60 m 60 m 60 m 60 m Jr zi 47 = Se 39 N SI - 40 = 5972 UN: 42 = 24 = 28 = SU 2 34 = 92 = eis KT = D- 24 = 1972 29a 49 = Jedenfalls zeigen die Dorfkinder in Schreiberhau bei abnehmendem Lichte noch glänzende Sehschärfen, bei J '), noch mehr als S °),, während nach Posch nur '/, vorhanden sein sollte. Das Wichtigste aber sind die Differenzen unter den einzelnen Kindern in Schreiberhau, die durch Curven veranschaulicht wurden. Es gab Kinder, die mit 1 grauen Glase S=1, andre, die nur $ = 0,72 zeigten, uyasziian Gläsern: al} = sie “Br 0A = Singer N A, - mas 8 — 0,0 = > - — 08, - -> on D,, 4: 8 0. = 229 0819 z 6 = z = 071.4 4 2.892.008 z Ja es gab Kinder, die mit den 6 grauen Gläsern Snellen 6 selbst noch bis 10 Meter richtig lasen! Die binoeuläre S mit grauen Gläsern war meist, wenn auch nur um weniges grösser als die monoculäre S. Die ausführliche Mittheillung mit Tabellen wird in Knapp- Schweiggers Archiv im Januarheft erscheinen. Der Vortragende will nur sehr vorsichtig seine Schlüsse ziehen, glaubt aber zu folgenden 3 Sätzen berechtigt zu sein: 1. Die individuellen Schwankungen des Verhältnisses von J:S sind ausserordentlich grosse. Das psychophysische Gesetz hat im Hinblick auf die vorliegende Frage keine Geltung. 3. Die enormen Differenzen in den Resultaten der verschiedenen Beobachter und bei den verschiedenen Untersuchten desselben Be- obachters lassen die Aufstellung eines Gesetzes betreffs des Verhältnisses von J: 8 vor der Hand noch voreilig erscheinen. [S2) Sitzung vom 23. November 1883. Der Vorsitzende bringt eine Zuschrift des hiesigen Magistrats zur Verlesung, worin ein Gutachten seitens der Section erfordert wird, ob eine Veröffentlichung der Krankheit und der Todesursachen wünschens- werth sei. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 67 Hierauf demonstrirt Herr F. Krauss einen Fall von Sternothoracopagus tetrabrachius. Beide Individuen weiblichen Geschlechts und als solche vollkommen gut ausgebildet, sind in der ganzen vorderen Brust und der oberen Bauch- segend bis zu einer der Mitte der Abdomina entsprechenden Linie mit einander verschmolzen. Durch ein breites, vorderes und ein etwas schwächer entwickeltes hinteres Sternum, deren Manubria mit einander verschmolzen sind, werden die vorderen Enden der sieben oberen Rippen des einen Individuums mit den entsprechenden des anderen verbunden. Das rechtsseitige Kind ist um ein geringes schwächer entwickelt, als das andere. Die Länge desselben beträgt 43 cm, die des linken 50 cm. Auf dem rechten Scheitelbein desselben Kindes befindet sich eine ziemlich beträchtliche (vom Geburtsaet herrührende) Depression mit blutiger Suffusion der bedeckenden Weichtheile, ferner an der vorderen Halsgegend leichte Hautabschürfungen. Bezüglich der inneren Organe ist zu bemerken, dass mit Ausnahme von Herz und Leber sämmtliche Organe von normaler Beschaffenheit und für jedes Individuum für sich vorhanden waren. Was das Herz betrifft, so findet sich nur ein beiden Individuen gemeinsames, etwa um das Doppelte vergrössertes Organ vor von ca. 9 cm Durchmesser. Der Pericardialsack ist ebenfalls einfach. Soweit die bereits vorgeschrittene Fäulniss erkennen liess, bot das Herz folgende Einzelheiten dar. Die Atrien stellen einen einzigen, weiten Sack dar, welcher von einzelnen schwachen Muskelbündeln durchzogen wird. In denselben münden die beiderseitigen Hohlvenen getrennt von einander, je eine obere und eine untere. Die unterhalb der Atrien gelegenen Ventrikel werden durch ein vollständig vorhandenes, muskulöses Septum in eine kleinere, rechte und eine grössere, linke Hälfte getrennt. Erstere enthält den rechten Ventrikel des rechtsseitigen Kindes, während letztere das ganze übrige Ventrikelsystem: den linken des rechten Kindes, sowie die beiden Ventrikel des anderen Kindes darstellt, ohne durch ein Septum getrennt zu sein. Die Pulmonalis dextra entspringt aus der kleinen Ventrikel- hälfte, während die Aorta dextra seitlich rechts, die Pulmonalis sinistra und Aorta sinistra seitlich links aus der grossen Ventrikelhälfte her- vorgehen. Die zwischen Atrien und Ventrikeln befindlichen venösen Klappen sind grösstentheils unvollkommen vorhanden und gehen vielfach in ein- ander über, nur die zwischen Atrien und der kleinen Ventrikelhälfte befindliche Trieuspidalis dextra. ist als solche erkennbar. Die Semilunar- klappen sind durchweg gut ausgebildet. Die Leber ist deutlich doppelt angelegt, aber die beiderseitigen Organe sind durch eine breite Brücke von Lebersubstanz mit einander 5* 68 Jahres-Bericht verschmolzen. Es finden sich auch zwei Gallenblasen vor. Der über der Leber gelegene Theil der Bauchhöhle wird durch das einfach vor- handene Ligamentum suspensorium hepatis in zwei seitliche Hälften getheilt. Nach abwärts von der unteren Leberfläche sind die Kinder vollständig getrennt und insecirt daselbst die Nabelschnur, welche einfache, ziemlich mächtige Gefässe (1 Vene und 2 Arterien) enthält. Placenta und Aemion sind einfach und ohne Besonderheiten. Es reiht sich der beschriebene Fall den bereits bekannten und in Bezug auf Doppelmissbildungen ziemlich häufig vorkommenden Fällen von Thoracopagus an. Insofern, als die beiden Sterna theilweise ver- bunden sind, ist er als Sternothoracopagus und mit Rücksicht auf das Vorhandensein von vier unverschmolzenen oberen Extremitäten als Sternothoracopagus tetrabrachius zu benennen. Die Beschaffenheit der Circulationsorgane, welche in den einzelnen Fällen vielfache Unterschiede darbietet, machte im vorliegenden in Folge der vielfachen, zwischen den einzelnen Herzabtheilungen bestehenden Communicationen das extrauterine Leben der Kinder unmöglich. Der Mangel einer Septumbildung in der linken, grossen Ventrikel- hälfte dürfte auf die grosse, aus dem Venensystem beider Individuen in dieselbe einströmende Blutmenge zurückzuführen sein. Im Anschluss an diese Demonstration hält Herr Fränkel einen Vortrag Ueber den Mechanismus, die Diagnose und die Leitung der Geburt bei Thoracopagen. Der seltene Fall von Thoracopagus tetrabrachius, dessen genaue anatomische ‚Beschreibung Herr College Dr. Krauss in vorstehendem gegeben hat, veranlasst mich, auch vom geburtshilflichen Standpunkte aus einige Bemerkungen darüber zu machen. Der Fall stammt aus der Praxis meines Freundes und Collegen Dr. Herrnstadt in Reichen- bach i. Schl., der ihn mir zur Besprechung vor Ihnen gütigst über- lassen hat. Die Geburtsgeschichte ist nach dem Berichte des Collegen folgende: „Frau P. aus Langseifersdorf, Kreis Reichenbach, hat 7 lebende, sesunde Kinder geboren und erwartete Anfang November ihre achte Entbindung. Leibesumfang bedeutend. Am 29. October, Nachmittags 2 Uhr, Blasensprung. Langsames Vorrücken des Kopfes in dem normal gebildeten Becken. Nachmittags 6 Uhr wurde ich nach dem 1 Meile entfernten Dorfe telegraphisch eitirt, weil der Geburtsverlauf der Heb- amme abnorm schien. Als ich um °,7 in das Zimmer der Gebärenden trat, war die Geburt gerade beendigt. Nach Aussage der zuverlässigen Hebamme gestaltete sich dieselbe folgendermassen: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 69 Der grosse Kopf ging sehr langsam durchs Becken, wurde aber um 1,6 Uhr geboren, Da eine neue Wehe das Kind resp. den Thorax nicht vorwärts- und austrieb, machte die Hebamme Tractionen am Kopfe. Dass diese nicht allzu sanft waren, zeigt die Hautabschürfung an der linken Seite des Halses des erstgeborenen Fötus. (Ich werde bald nachher Gelegenheit haben, Ihnen, meine Herren, meine von der des Collegen Hernstadt abweichende Meinung über die Entstehung dieser Hautabschürfung vorzutragen. Anmerkung d. Vortragenden.) Die Kraft- anstrengungen führten trotzdem nicht zum Ziele. Die Hebamme vermochte nur, den nach hinten liegenden Arm zu lösen, das Kind lebte damals ihrer Angabe nach. Jetzt wurde ärztliche Hilfe erbeten. Noch vor Eintreffen derselben und nach '/, stündlichem Sistiren der Wehenthätig- keit traten neue Wehen auf und es wurde bei einer solchen starken Druckwehe der zweite Kopf zu Tage gefördert. Erneuter Zug an beiden Köpfen brachte die Früchte bis zur Mitte des Thorax (Arme brauchten, soweit berichtet, nicht gelöst zu werden) zum Durchschneiden, und durch eine letzte, kräftige Wehe wurden beide Kinder geboren. Die Placenta folgte leicht, Blutung mässig, Damm intact. Die Wöchnerin verliess am fünften Tage gesund das Bett.“ Zunächst, meine Herren, ist der geschilderte Geburtsverlauf wieder eine Illustration zu dem zuerst von Hohl ausgesprochenen Satze, dass die Geburt der Doppelmissbildungen häufiger, als man a priori annehmen sollte, spontan vor sich geht. Vielleicht war es ein Glück für die Kreissende, dass bis zur Er- möglichung ärztlicher Kunsthilfe bei ihr eine geraume Zeit vergehen musste. Denn jeder von uns hätte wahrscheinlich bei der eingetretenen Stockung der Geburt nach dem Austritt des ersten Kopfes sich zu manuellem oder instrumentellem Einschreiten für berechtigt und ver- pflichtet gehalten, dadurch den natürlichen Geburtsmechanismus gestört und die Gebärende in unnöthige Gefahr versetzt. Es lässt,sich nicht leugnen, dass die Polypragmasie und Lust zum Operiren, die sonst in der Geburtshilfe allenthalben der ruhigen, ab- wartenden Beobachtung und dem Grundsatze, nicht ohne Noth störend in den natürliehen Geburtsverlauf einzugreifen, gewichen, bei der Be- handlung der Missgeburten noch nicht ganz verdrängt ist und dass hier — vielleicht veranlasst durch das Ungewöhnliche, oft Unberechenbare der Erscheinung und ferner durch die Schwierigkeit der Diagnose, die sich erst bei der Geburt und durch die während derselben eintretende Geburtsstockung stellen lässt — die Ungeduld, den Geburtsact voll- endet zu sehen, zu blutigen, verstümmelnden, oft gefährlichen, zum Mindesten aber überflüssigen Operationen verleitet. So dürfte es denn vielleicht zweekmässig sein, an der Hand des vorliegenden Falles von Thoracopagus tetrabrachius die Diagnose, sowie o Jahres-Bericht den Mechanismus der Geburt dieser häufigsten Art von Doppelmonstra hier zu erörtern und daraus die allgemeinen Directive, soweit solche aufzustellen möglich, für die Behandlung abzuleiten. Und dies ist um so weniger überflüssig, als diejenigen Geburtshelfer, die sich speciell dem Studium dieser Doppelbildungen gewidmet haben, Duges, Hohl, Playfair, Kleinwächter und G. Veit, in ihren Ansichten durchaus nicht übereinstimmen. Thoraco-, sowohl $Sterno- als Xiphopagen, präsentiren sich am häufigsten in Kopf-, seltener in Beckenende-, am seltensten in Schulter- lage zur Geburt; die Xiphopagen vermöge ihrer loseren und nach- siebigeren Verbindung auch wie getrennte Zwillinge, das eine Kind in Kopf-, das andere in Steisslage. Der Geburtsverlauf ist ausser von den bei jeder Geburt mitwirkenden Factoren in erster Reihe abhängig von der mehr oder weniger nach- giebigen und dehnbaren Verbindung der Föten, von ihrer Verschieb- barkeit an einander. Nicht immer jedoch ist dieselbe, besonders beim Thoracopagus im engeren Sinne, so gross, dass man ihnen — wie Veit (Ueber die Leitung der Geburt bei Doppelmissgeburten. Samml. klin. Vortr. von Volkm. 164/165) meint — eine entgegengesetzte Lage zu einander künstlich geben, also den einen durch die Wendung in Fuss- lage bringen kann, während der andere in Kopflage bleibt. Ein Blick auf unser Präparat, sowie auf die 3, durch die Güte des Herrn Professor Ponfick hier aufgestellten ganz ähnlichen 'Thoracopagen zeigt die Un- möglichkeit eines solchen Verfahrens bei ihnen. Auch in den von Breslau (Monatsschr. f. Gebh. Bd. XXV, Suppl. pag. 147) und Rothe (Arch. f. Gyn. Bd. I, pag. 340) beschriebenen Fällen wäre dies nicht möglich gewesen. Dagegen trifft es für Xipho- und viele Sternopagen zu. Ferner hängt es davon ab, ob die verwachsenen Föten beide gross — wie in unserem Falle; sie wogen zusammen 5130 eg, hatten einen Kopfumfang von 35,2 resp. 32,2 cm, grad. Diam. von je 11,5 cm, Schultereireumferenz von zusammen 50,5 em — oder beide klein oder nur einer von ihnen kräftig entwickelt, ob sie lebend oder, wenn ab- sestorben, frisch oder macerirt und dann leicht eomprimirbar, ob der Geburtsverlauf leicht, analog demjenigen bei gleichzeitigem Eintreten getrennter Zwillinge oder schwer und anormal sich gestaltet. Zunächst kann im Beckeneingange sich nur ein Kopf oder ein Beckenende präsentiren, oder es liegen beide Köpfe oder beide Steisse, wie bei getrennten Zwillingen, vor, oder drittens ein Kopf- und Becken- ende gleichzeitig (nur bei Xiphopagen), oder endlich, was hierbei am seltensten, eine Schulter. Schon in dieser Beckenapertur kann ein Kopf den andern am Eintritt hindern oder es lässt bei primärer Steisslage ein Steiss den andern nicht herabtreten, hält ihn vielmehr über dem Becken- rande zurück. Das eigentliche Hinderniss für die Vorwärtsbewegung der F "ke der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ZEN ganzen Masse bildet alsdann nicht der tiefer stehende, sondern der höher oben zurückgehaltene, förmlich eingehakte vorliegende Theil des zweiten Kindes; dies zu beachten ist für operatives Eingreifen von Wichtigkeit. Bestand im Beckeneingange kein Hinderniss oder ist von zwei gleich- zeitig vorliegenden Köpfen oder Steissen der eine spontan zurückgegangen oder durch entsprechende Kunsthilfe vom Eingange entfernt worden, so rückt jetzt der vorangehende Theil, gewöhnlich ein Kopf, in die Beekenhöhle vor. Hier kann ihm durch verzögertes Nachfolgen in den Eingang seitens der in ihrem Umfange wesentlich verbreiterten Schultern Halt geboten werden. So auch in unserem Falle, wo der Kopf 3°, Stunden brauchte, um die sehr weite Beckenhöhle zu passiren., Auch werden beide Köpfe wie. bei getrennten Zwillingen gleichzeitig im Becken feststehend gefunden und können jetzt bei normaler Grösse und Consistenz kaum weiter, zumal wenn, wie nicht selten, eine Hand oder ein Arm den kaum neben dem Kopfe noch schmälern. Geringer wird das Hinderniss der Fortbewegung im kleinen Becken sein, wenn sich ein oder beide Beckenenden gleichzeitig daselbst befinden, wie ja nach allseitiger Uebereinstimmung die Geburt des Thoracopagus bei Fusslagen überhaupt am günstigsten verläuft. So wird nun endlich der vorliegende Theil, zumeist ein Kopf, den Becekenausgang passiren; ein Kopf wird geboren. Nun aber tritt, wie auch in unserem Falle, ein Stillstand in der Geburt ein. Der geborene Kopf kommt zunächst nicht völlig frei und beweglich vor der Schamspalte zu liegen, zuweilen drängt er sich sogar, wenn er nicht vorgezogen wird, wieder nach der Vulva zurück. Auch macht er die bekannten Drehungen nach dem entsprechenden Schenkel der Mutter gar nicht oder nur unvollkommen; endlich folgen gewöhnlich die Schul- tern nicht bald. Erst nach längerer Stockung der Geburt und durch unvermindert fortdauernde Wehenthätigkeit kann der Kopf mobil werden, seine Drehung durchmachen, und eine oder beide Schultern folgen spontan oder sie werden durch Kunsthilfe hervorgezogen. Für die weitere Ge- burt sind zwei Mechanismen möglich: entweder — und dies ist das viel Seltenere, aber in unserem Falle Dagewesene — treten beide Köpfe hintereinander durchs Becken, indem der zweite, noch in der Beekenhöhle stehende, sich in den Hals des ersten oder (wie in Rothe’s l. e. Fall) auch in die Achselhöhle desselben eindrückt und neben Hals und Schultern des ersten, durch das alsdann nothwendiger Weise sehr weite Becken vorbeipassirend, geboren wird. Die so zur Welt kommenden Früchte sind durchaus nicht immer so klein, wie man bei dieser Art des Durchgangs durchs Becken erwarten sollte; Hanks’ (Obst. Transact. Vol. III, pag. 414), Rothe’s und unser Thoracopagus zeigen eine ganz respeetable Entwickelung. Bei Gelegenheit dieses unmittelbar folgenden 72 Jahres-Bericht Durch- und Austritts des zweiten Kopfes aus dem Becken dürften auch am Halse des ersten Kindes die Hautabschürfungen entstanden sein, die ich als nicht durch die Hände der Hebamme erzeugt, sondern als Geburts- Druckmarken auffasse, entstanden durch Anpressen an die Symphyse des noch im Becken befindlichen Halses des ersten Fötus durch den zweiten nachrückenden Kindskopf. Vollständig gleichzeitiger Austritt beider Köpfe ist wohl nur bei sehr kleinen oder macerirten Früchten möglich. Bei dem anderen, häufigeren Mechanismus wird zuerst der Kopf des vorangehenden Kindes, alsdann seine Schultern geboren, während der zweite Kopf vom Beckeneingange abweicht und mit dem Halse über der vorderen Beckenwand hängen bleibt. Es tritt nun, wie bei der Evolutio spontanea bei Querlagen, der Rumpf des ersten Kindes in das Becken ein; bei Fortdauer kräftiger Wehen wird der Thorax in Lateroflexion immer tiefer ins Becken eingepresst und schliesslich in rascher Folge Thorax und Becken des ersten, alsdann Becken, Thorax und zuletzt Schultern und Kopf des zweiten geboren. Bei dieser Selbst- entwickelung bildet die Symphyse den Drehpunkt der ganzen Bewegung; der Hals des ersten Kindes stützt sich dabei zuerst an ihren unteren, die gemeinschaftliche Verwachsungsstelle beider Föten im weiteren Ver- laufe an den oberen Schamfugenrand. Wenn sich die Früchte mit den Füssen einstellen, aber nur ein Paar vorliegt, geht die Geburt in der Regel nur bis zur Ver- wachsungsstelle vor sich, worauf das zweite Paar Füsse der oberhalb des Beckeneinganges in schiefer Lage zurückgehaltenen Frucht ebenfalls durch eine Art von Selbstwendung geboren werden kann. Der Durchtritt der gedoppelten, zu einander parallelen Rümpfe und Köpfe — obwohl, wie gesagt, mit dem Beckenende voran noch relativ günstiger, als mit dem Kopfende — macht doch wegen des bedeutenden Umfangs dieser Theile noch Schwierigkeiten genug. Der nach hinten gelegene Kopf wird, den Raum der Kreuzbeinhöhlung benützend, zuerst geboren, während der vordere, indessen mit dem Halse an die Symphyse angepresst, von ihm über dem Beckeneingange zurückgehalten wird, alsdann aber leicht nachfolgt. Grosse Schwierigkeiten können endlich entstehen bei dem allerdings nur bei aneinander hochgradig verschieblichen Xiphopagen möglichen, gemeinschaftlichen Durchtritt in umgekehrter Richtung, aber nur dann, wenn der in Beckenendlage befindliche dem anderen, mit dem Kopfe nach abwärts gerichteten Fötus vorangeht. In diesem Fall findet man den Kopf des zweiten schon im Becken, wenn die Arme des ersten noch zu lösen sind, und wir wissen von diesem, bei getrennten Zwillingen nicht so seltenem Verhalten, dass hier eine Spontangeburt fast unmöglich ist. Wenn aber umgekehrt der erste der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 73 Zwilling mit dem Kopfe vorangeht, der zweite mit dem Beckenende folgt, entsteht kein nennenswerthes Hinderniss. Die Diagnose dieser Doppelmissbildungen ist in der Schwanger- schaft gar nicht, in der Geburt gewöhnlich erst im weiteren Verlaufe derselben, bei eintretender Stockung und dadurch bedingter Untersuchung der Gebärenden mit der vollen Hand zu erkennen. Ausschliessen kann man Thorakopagen von vornherein bei An- wesenheit von zwei Fruchtblasen, ebenso bei gleichzeitiger getrennter Präsentation zweier entgegengesetzter Körperenden, z. B. Kopf und Füssen; denn dies wäre nur bei getrennten Zwillingen oder bei Xiphopagen möglich. ‚ An Doppelmonstra denken muss man aber, wenn bei erkannter Zwillingsschwangerschaft gleichnamige Körpertheile vorliegen oder das erste Kind eine Querlage hat. Man muss dann bald die ohnehin zu operativen Zwecken (z. B. zur Wendung oder bei Steisslage zur Herab- leitung der Füsse) einzuführende Hand auch zur Feststellung einer event. Anwesenheit und Art der Verwachsung der Föten benutzen. Bildungs- fehler an einem vorangehenden oder schon geborenen Körpertheile z. B. Hasenscharte, Klumpfüsse, Spina bifida, müssen uns bei eintretender Stockung der Geburt immer an die Möglichkeit einer Doppelmissgeburt erinnern, weil erfahrungsmässig die Combination beider sehr häufig ist. Auch ein sonst unerklärlicher Stillstand der Geburt nach dem Aus- tritt eines Kopfes, ferner das von mir hervorgehobene Ausbleiben seiner Rotation nach dem mütterlichen Schenkel, sowie die Tendenz, beim Nachlass eines an ihm wirkenden Zuges sich in die Vulva zurückzu- ziehen, können auf die richtige Fährte führen. Sie deuten auf ein Hinderniss am Rumpf des Fötus hin; allerdings könnte dies auch eine Spina bifida oder ein dem Kreuzbein aufsitzendes Cystenhygrom sein. Allein die nach Drehung des Fötusrückens nach hinten und scharfem Anziehen der Schultern nach vorn in der Kreuzbeinhöhlung längs der foetalen Wirbelsäule unschwer eindringende Hand wird diese Miss- bildungen ausschliessen können. Dann liegt zur Erklärung der Geburts- stockung die Annahme von Zwillingen, getrennten oder verwachsenen, am nächsten; sie wird zur Gewissheit, wenn man durch die äussere Pal- pation noch einen zweiten Kopf über dem Beckeneingange und etwas seitlich fühlt. Hier, wie in allen Fällen von Geburtsstillstand durch un- aufgeklärte Hindernisse, ja selbst bei den höheren Graden von Becken- verenserung empfiehlt es sich, vor operativem Eingreifen in Narkose und auf dem Querlager, um den Arm recht tief senken zu können, die volle Hand in die Scheide und den Uterus einzuführen und sich so genau, als es intrauterin eben geschehen kann, zu orientiren. Wenigstens über Sitz und Art der Verwachsung wird man dabei Aufschluss be- kommen, auch darüber, ob man einen Thoracopagus oder Dicephalus oder 74 Jahres - Bericht ein dreifüssiges Monstrum vor sich hat, die durch ihr differentes Ver- halten bei der Geburt auch ganz differente Hilfen nöthig machen. Die Behandlung der Geburt bei Thoracopagen hängt natürlich nächst dem Befinden der Mutter von dem Stande und der Beschaffenheit des vorliegenden Kindestheils und von dem Leben oder schon erfolgten Tode der Doppelbildung ab. Wenn wir ausnahmsweise in der glücklichen Lage sind, frühzeitig die Doppelbildung erkannt zu haben und noch keine unberufene Störung des natürlichen Geburtsherganges stattgefunden hat, so können wir wohl ein exspectatives Verfahren einschlagen; denn es existiren genug Be- obachtungen, wo allein durch die Naturkräfte oder durch leichte Nach- hilfe Thoraeopagengeburten glücklich beendet worden sind. Leider aber kommen wir gewöhnlich nicht zu reinen Fällen. Meist finden wir, weil die Verwachsung im Beginn nicht erkannt wurde, die leicht erreich- baren Theile ohne Plan und Auswahl herabgestreckt, an ihnen die Föten gewaltsam ins kleine Becken hereingezogen und festgekeilt, oft schon zu einem unentwirrbaren Knäuel ineinander verschlungen und das Be- finden der Mutter durch diese foreirten Versuche so alterirt, dass schleunige Entbindung Noth thut. Aber auch dann noch müssen wir, wenn irgend möglich, dem geschilderten natürlichen Mechanismus folgen und bei Thoracopagen unnöthige blutige Eingriffe, wie die Detruncation, Evis- ceration, Exarticulation von Extremitäten, zu denen man sich bei diesen Doppelmonstris immer wieder versucht fühlt, vermeiden, schon deshalb, um uns nicht werthvoller Handhaben für die Extraction zu berauben. Liegt nur ein Kopf im Beckeneingange, so hat man wohl zunächst keinen Anhalt für Thoracopagie und lässt die Kopflage als solche gehen. Nur beim Vorfall von kleinen Theilen oder der Nabelschnur neben demselben würde man vielleicht Veranlassung haben, mit der Hand zur Wendung einzugehen, dabei im Uterus die Anwesenheit von Zwillingen entdecken, worauf dann sofort auch auf eine event. Coalition derselben zu achten und die Wendung auf die Füsse zu machen wäre. Dieselbe zufällige Entdeckung könnte beim Vorliegen eines Steisses, bei primärer Steisslage und etwa intendirtem Herabstrecken der Füsse erfolgen und müsste — auch bei getrennten Zwillingen — geschehen, wenn der erste sich in Schulterlage präsentirte. Querlage bei constatirter Zwillingsschwangerschaft verstärkt sehr den Verdacht einer Verwachsung beider Früchte. Hier muss ohnehin die Wendung auf die Füsse wegen der Schulterlage gemacht werden, und zwar holt man bei Thoracopagen am besten gleich alle vier Füsse herab. Findet man zwei Köpfe beweglich vorliegend, so hat man zunächst zu versuchen, durch Seitenlage und innere und äussere Hand- sriffe den einen vom Beckeneingange zu entfernen und den anderen der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 75 daselbst fest einzustellen. Gelingt dies nicht, so wird man zur Wendung auf die Füsse schreiten, auch bei getrennten Zwillingen das beste Ver- fahren. Nur streckt man bei letzteren gewöhnlich nur ein oder zwei Füsse, und zwar die des nach hinten und höher gelegenen Fötus, bei constatirter Verwachsung vier Füsse herab, weil sonst der eine Steiss über dem Beckenrande hängen bleiben könnte. Ebenso streckt man vier Extremitäten herab, wenn bei primärer Steisslage und erkannter Verwachsung ein Steiss den anderen am Ein- treten hindert. Man extrahirt vorzugsweise an den Füssen des nach hinten und höher gelegenen Fötus, sucht nach Playfair’s Rath stets die Rümpfe in die schrägen Beckendurchmesser zu bringen und dann durch starkes Erheben der geborenen Rümpfe gegen den mütterlichen Leib zuerst den hinteren Kopf ins Becken, in die Kreuzbeinaushöhlung und über den Damm zu bringen, während der nach vorn liegende Kopf zunächst über dem Beckeneingange zurückbleibt, nach Geburt: des zweiten aber leicht folgt. Ist die Wendung aber wegen Feststehens beider Köpfe im Beckeneingange unmöglich, so fragt es sich, ob man den einen mit der Zange entwickeln kann oder ob man zur Verkleinerung eines oder beider schreiten muss. Für den Beckeneingang, aber wohl ge- merkt nur für diesen, möchte ich mich dem Proteste Kleinwächter’s (die Lehre von den Zwillingen pag. 226) gegen den Gebrauch der Zange, ausgenommen etwa bei sehr kleinen Köpfen, anschliessen; auch die neueste Tarnier-Simpson’sche Zange, die sonst vielleicht gerade geeignet schiene, den nach hinten und höher gelegenen der zwei Köpfe zu fassen und in der Richtung der Achse des Beckeneinganges herabzu- ziehen, könnte nur das räumliche Missverhältniss steigern und die Gefahr einer Uterusruptur nahe legen. Rationeller scheint uns unter diesen Verhältnissen, den einen im Eingange feststehenden Kopf zu perforiren, um dann bei ihm vorbei die Hand zur Wendung einzuführen und die Füsse zu holen. Anders ist die Sachlage, wenn ein Kopf zu langsam oder gar nicht in der Beckenhöhle vorrückt, nicht durch- und austreten will. Hier legt man beim Vorhandensein der sonst üblichen Vorbedingungen und nach den bekannten Indicationen die Zange schon darum an, weil man ja bis dahin meist gar nicht das Vorhandensein einer Doppelmissbildung ahnen kann. Die Zangenextraction ist vielleicht etwas schwieriger als sonst, aber nicht unmöglich, wie z. B. beim Dicephalus dibrachius. Jedenfalls vermeide man die sogenannten „schweren Zangenoperationen‘“. "ie sind viel gefährlicher, als eine unter aseptischen Cautelen vorgenommene Per- foration und Kranioklasma und leisten dabei für Erhaltung des kindlichen Lebens nur wenig mehr. — Nach der Entwickelung des, wenn nöthig, 76 Jahres-Bericht verkleinerten Kopfes kann man dann, sobald die Verwachsung erkannt, noch die Füsse herabholen. Stehen beide Köpfe im Becken fest einge- keilt, so ist nach vorsichtigem Zangenversuch, wenn dieser vergeblich ausgefallen, gleichfalls zu perforiren. Ist ein Kopf geboren, so kann — das Seltnere — der zweite sich im Becken einstellen. Rückt derselbe nicht vorwärts, dann Zangenversuch, event. Perforation; folgt auch der enthirnte Kopf dem Zuge des Kranio- klasten nicht, dann führe man bei ihm vorbei die Hand zur Wendung ein. Der häufigere Fall ist, dass der zweite Kopf über dem Becken bleibt und seitlich abweicht und dass der Rumpf resp. Thorax ins Becken tritt. Darf man dann die Selbstentwicklung abwarten, resp. die- selbe nach Zweifel’s Rath (Lehrb. d. operativ. Geburtshilfe p. 411) herbeizuführen suchen, indem man an einem Arm stark nach vorn und nach der Seite zieht, in welcher innen der zweite Kopf liegt? In den seltenen Fällen, wo die Evolutio spontanea nach Geburt des ersten Kopfes erfolgte, geschah dies sehr schnell. Bei ausgesprochener Tendenz des natürlichen Geburtsverlaufes zur Selbstentwickelung kann also der Zweifel’sche Handgriff nicht sehaden, ebenso wie man bei bereits tief eingepresstem Rumpf des Kindes zunächst eine Einwirkung auf dessen Steiss versuchen kann. Aber im Vertrauen auf diesen Handgriff lange zu warten, würde ich ebenso wenig rathen, als ich bei einer einfachen Querlage, falls ich den Rumpf ins Becken eingekeilt fände, auf die Selbstentwickelung warten oder auf dieselbe durch Herab- und Nach- vornziehen des Armes hinwirken würde, statt sofort zu wenden. Das Letztere ist auch hier das Richtige, und zwar holt man die Füsse beider Kinder herab, wenn nöthig durch zweimalige Einführung der Hand, und schafft sich, falls man bei dem ins Becken eingepressten Rumpf nicht vorbei kann, für die agirende Hand durch die Eventration Raum. Veit (l. e.) will, abweichend von diesen Rathschlägen Hohl’s und Playfair’s, nur die Füsse des ungeborenen, zweiten Kindes herab- holen, zunächst weil sie die am leichtesten erreichbaren sein sollen, alsdann weil von der Umdrehung des ungeborenen Kindes ein geringerer Insult für die Gebärmutter zu erhoffen, als von der Wendung des Halb- seborenen. Aber ich möchte bezweifeln, ob bei so breiter Verwachsung und geringer Verschiebbarkeit an einander, wie an unserem Sterno-Thora- copagus, das Herabstrecken der Füsse lediglich der zweiten Frucht schon zur Umdrehung beider genügt hätte, denn bei einigermassen innigerer Coalition beider Kinder liegt eben nicht das halbgeborene in Grad- und das ungeborene dahinter in Querlage, wie Veit dies schematisch ab- bildet, sondern beide in Schieflage, und dann braucht man zu beider Umdrehung ihre 4 Extremitäten. Es zeigt dies eben, dass man bei den der Schles. Gesellsehaft für vaterl. Cultur. An überaus zahlreichen Varietäten der Doppelmissbildungen sich hüten muss, aus dem Verhalten einiger weniger Fälle allgemeine Gesetze ableiten zu wollen. Sollte endlich bei parallel zu einander in Beckenendelage ein- tretenden Früchten der bedeutende Umfang der Rümpfe trotz vor- wiegenden Zuges auf die hintere Fruchthälfte und Erhebung gegen den Leib der Mutter unüberwindliche Schwierigkeiten in der Entwickelung beider machen, so würde ausnahmsweise die Eventration des einen Fötus genügen, um Raum zu schaffen; am besten würde man dazu den nach vorn gelegenen wählen, um so dem hinteren Fruchtkörper zum Herabtreten in der Kreuzbeinaushöhlung Raum zu schaffen. Ist endlich bei Xiphopagen der in Beckenendelage befindliche Zwilling dem andern, mit dem Kopfe nach abwärts gerichteten, voraus- gegangen, so muss zunächst dieser zweite Kopf mit der Zange, resp. bei Nichterfolg derselben oder bei schon abgestorbenem Kinde nach Perforation mit dem Kranioklast und alsdann noch der zweite Rumpf ganz entwickelt werden, ehe Schultern und Kopf des ersten geboren werden können. Vom Kaiserschnitt und von der intrauterinen Trennung des Ver- wachsungsbandes nimmt man aus bekannten Gründen bei diesen Doppel- missgeburten völlig Abstand. Schliesslich demonstrirt Herr Buchwald einen an diffuser, idiopathischer, acuter Hautatrophie leidenden Mann. Die Atrophie betrifft die Haut beider Oberschenkel, ist sehr hochgradig und durch die Entwickelung sowohl, als durch manche Eigenthümlichkeiten different von den Schilderungen, welche Hebra und Kaposi in dem Artikel über Xeroderma gegeben haben. Das Leiden begann bei dem 36 jährigen, äusserst kräftigen Arbeiter im 20. Lebensjahre ohne nachweisbare Ursache, fing an den Knieen beiderseits an und ergriff innerhalb eines Jahres die Gesammthaut beider Oberschenkel und der Glutäalgegend, dann sistirte der Process, was die Ausdehnung anbetrifit, nahm aber an Stärke zu. Gegenwärtig ist die Haut an den afficirten Partien welk, hochgradig verdünnt, glanzlos, abschuppend, fast haarlos, mit einem äusserst reichen grob- und feinmaschigen Venennetze durch- zogen (wie bei einem blutreichen Injecetionspräparate), stellenweise in sehr zahlreiche, parallele Bogenfalten gelegt. Gegen das gesunde Ge- webe ist die kranke Haut scharf abgesetzt. Die Sensibilität ist erhalten. In den letzten Jahren griff der Process langsam auf die Unterschenkel über und verursacht hier Geschwürsbildung. Die Geschwüre sind aber nicht als Primär-Ursache zu beschuldigen. Eine genaue Beschreibung des Falles wird in dem Archiv für Dermatologie und Syphilis gegeben werden. 7s Jahres - Bericht Sitzung vom 30. November 1883. Herr Fritsch spricht Ueber die Pathogenese des Puerperalfiebers und sucht die prophylactischen antiseptischen Massregeln in logischen Zusammenhang mit den pathologischen Vorgängen zu bringen. Der Vortragende betont ausdrücklich, dass er, von aller Therapie ausgebrochener Krankheit, sowie von klinischen Verhältnissen absehend, nur die ganz uncomplieirten Fälle im Auge hat, wo der Arzt vorher engagirt, die Leitung der Geburt ganz in seiner Hand hat. In solchen Fällen, bei ganz gesunden Personen, verlangt der Vortragende sorgfältiges Reinigen der Geburtshelferhände und der Vulva resp. der Umgegend der äusseren Genitalien, verwirft aber alles Einspritzen und Ausspülen ante, post partum und im Wochenbett. Es wird also die Prophylaxe in einer Weise beschränkt, dass sie überall ausführbar ist. Die Gründe für diese Beschränkung, die Vortheile andererseits der geschilderten einfachen Methode, sucht der Vortragende zu begründen. In der an den Vortrag sich schliessenden Discussion macht Herr Buchwald darauf aufmerksam, dass Aerzte zu den meisten Geburten in der Privatpraxis zu spät gerufen werden, um für eine so sorgfältige Antisepsis, wie sie der Vortragende in seiner Klinik anwendet, bürgen zu können. Es möchte sich wohl empfehlen, dass die Hebammen mit der Antisepsis in der Geburtshilfe in dem Sinne des Vortragenden bekannt gemacht würden. Ausserdem wünscht B. Auskunft darüber, wie sich der Vortragende bezüglich der Ausspülungen während des Wochenbeites ver- hält, ob er es für zweckmässig erachte, täglich Ausspülungen vornehmen zu lassen, oder nur, wenn die Lochien eventuell übelriechend werden. Herr Jany interpellirt Herrn Fritsch in Betreff der in der hiesigen geburtshilflichen Klinik während der Geburtsperiode üblichen Massnahmen und bemerkt, dass er der Ansicht desselben, die antiseptischen Ein- spritzungen in die Scheide während des Geburtsactes seien, wenn nicht überflüssig, so mitunter schädlich, nicht beipflichten könne. Herr Jany führt an, dass er schon vor 20 Jahren davon überzeugt war und dies auch ausgesprochen habe, dass die Blennorrhoea neonatorum in den meisten Fällen eine von der Mutter auf das Kind während des Geburtsaetes übertragene Krankheit sei und dass er demzufolge in seiner damaligen nicht ganz unbedeutenden geburtshilflichen Praxis stets be- müht war, namentlich bei solchen Kreissenden, die an starkem Fluor schon während der Schwangerschaft gelitten hatten, der Entstehung der Blennorr- hoea neonat. während des Geburtsaetes vorzubeugen. Er liess, da man ja damals von der Anwendung des Carbols zu solchen Zwecken noch nichts wusste, häufige Einspritzungen von warmem Wasser in die Scheide der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 79 machen, um auf diese Weise möglichst alle Eiterpartikel, die an den Wänden der Vagina hafteten und von dem durchpassirenden Kinde auf- genommen werden konnten, vorher zu entfernen. Ausserdem ordnete er stets an, dass dem Neugeborenen vor Allem die Augenwinkel mit einem reinen Schwamme sorgfältig ausgewischt wurden. Dadurch ist es ihm gelungen, in den meisten Fällen die Blennorrhoea neonat. zu verhüten. Herr Fritsch bemerkt, dass er nur von solchen Geburten gesprochen habe, bei denen völlig normale Verhältnisse in der Privatpraxis existirten. In der Klinik wird aus naheliegenden Gründen in rigurösester Weise Prophylaxe geübt. Jedenfalls habe Herr Jany völlig Recht, was den Einfluss der Prophylaxe auf die Blennorrhoea neonatorum anbetrifft. In der Wiener Klinik sei mit dem Cred&’schen Verfahren ein Procent- satz von 1,9 pÜt. Blennorrhoe erzielt. Bei dem hiesigen Verfahren mit massenhaften Ausspülungen vor und während der Geburt seien ohne das Cred&’sche Verfahren 1,5 pCt. Blennorrhoeen vorgekommen. Jetzt werde übrigens, um auch noch diese Fälle zu vermeiden, Cred&’s Verfahren angewendet, nur mit dem Unterschiede, dass statt Argentum nitricum mit Sublimatlösung eingeträufelt werde. Herrn Buchwald erwidert der Vortragende, dass er ebenso handelt wie Buchwald, dass er also in Fällen, wo überhaupt schon touchirt sei, die Irrigation für unerlässlich halte. "Theoretisch aber sei, ohne dass touchirt sei, bei einer bislang gesunden Frau zuzugeben, dass prophylak- tische Ausspülungen unnöthig seien. Ja ein Missbrauch habe seine Ge- fahren, da die trocken und spröde werdende Vagina leicht zu kleinen ' Verletzungen disponire, von dem dann secundäre Infeetion ausgehen könne. Herr Fränkel schliesst sich ganz den Ausführungen des Vortragenden an und hat auf Anregung Spiegelberg’s schon seit mehreren Jahren in seiner geburtshilflichen Privatpraxis mit grossem Vortheil den Grundsatz befolgt, nach sorgfältigster Desinfeetion während und gleich nach der Ge- burt den Genitalkanal der Wöchnerinnen möglichst unberührt und unter aseptischem Ocelusivbande, der in den ersten Tagen des Wochenbettes häufig, später selten gewechselt wird, zu lassen. Desinfiecirende Vaginal- injectionen hält er bei normalem Wochenbettsverlauf für überflüssig, oft sogar für schädlich. Nur in einem Punkte möchte Fränkel eine Erweiterung der von Fritsch geschilderten prophylaktischen Massregeln befürworten, nämlich in einer möglichst gründlichen Desinfeetion des Vaginalrohrs und der Vulva gleich beim Beginn jeder Geburt. Er ver- kennt die Schwierigkeiten nicht, die sich der Unwirksammachung aller Infeetionsstoffe im Genitalkanal entgegenstellen; aber da einmal durch Küstner’s (Jena) und Fränkel’s Untersuchungen der reiche Bacterien- gehalt auch des ganz normalen Uterus- und Scheidensecrets festgestellt ist, da. andererseits bei jeder, auch der vorsichtigsten Vaginaluntersuchung s0 Jahres - Bericht Epithelverluste und zur Resorption septischer Keime geeignete kleine Wunden im Genitalschlauch Gebärender gesetzt werden, so scheint es ihm consequent, dieselbe Sorgfalt, die Fritsch bei jeder Geburt auf Vernichtung und Fernhaltung von Fäulnisserregern von den äusseren Gesehlechtsorganen verwendet, auch dem Inneren das Gleiche zu Theil werden zu lassen. Es genügt meist eine gründliche Desinfeetion der Scheide vor der ersten Untersuchung, da jede folgende Exploration nur mit aseptischer Hand vorgenommen werden darf; nur muss man sich darüber klar sein, dass eine blosse Ausspülung der Scheide, auch mit grösseren Mengen gleichviel welcher desinfieirenden Flüssigkeit alle septischen Keime in der Vulva und Vagina nicht völlig zu vertilgen im Stande ist; dies kann nur neben Ausspülung ein energisches Aus- wischen aller Buchten und Falten der Schleimhaut mit in genügend con- centrirte, desinfieirende Lösungen getauchten Wattebäuschen. Herr Hermann Cohn: Es ist wichtig, zu erfahren, wie die Gynäko- logen jetzt über die prophylaktischen Vaginalinjectionen vor der Ge- burt denken. Denn wenn auch schon seit Jahrzehnten mit grösster Wahr- scheinlichkeit angenommen wurde, dass jede Blennorrhoea neonatorum durch einen specifischen Fluor albus der Mutter während der Geburt selbst verursacht werde, so ist doch erst seit der Entdeckung der Gonococcen in der Vagina und Conjunctiva jeder Zweifel daran geschwunden, dass jede Eiterung der Augen der Neugeborenen auf stärkerer oder geringerer Infeetion mit Trippersecret aus der Vagina beruht. Die wahre Prophylaxe der Blennorrhoea neonatorum wird also stets in der Tilgung des Gonococcus in der Vagina bestehen. Passirt der Kindskopf bei der Geburt eine gonococcenfreie Scheide, so ist auch die Ausspritzung der ganz gesunden Conjunetiva mit Carbol- säure, Argentumlösung etc. völlig überflüssig. Hier existirt nun ein grosses Feld für die präventive Wirksam- keit des Hausarztes. Ich hatte z. B. in einer Familie zwei Kinder an Blennorrhoea neonatorum behandelt und war so überzeugt, dass das nächste Kind wieder mit blennorrhoischer Infeetion zur Welt kommen würde, dass, als ich die dritte Entbindungsanzeige der Mutter in der Zeitung las, ich meinem Assistenten vorhersagte, dass er am nächsten Tage (an dem ich verreiste) gewiss zu dem Kinde geholt werden würde. So kam es auch. Da ersuchte ich den Hausarzt, bei abermaliger Gravidität präventive Auswaschungen der Vagina, namentlich kurz ante partum mit Carbolsäure oder Sublimat zu machen — und das vierte Kind bekam keine Blennorrhoe. Ich möchte also glauben, dass schon zur Prophylaxe gegen die eventuelle Blindheit der Descendenz präventive Vaginaldesin- fectionen sehr empfehlenswerth sind. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. S1 Hierauf theilten die Herren Eger und Krauss einen Fall von „Zehntägiger Anurie, Demonstration eines doppelseitigen Ureteren- verschlusses durch Steine“ mit. Das vorgezeiste Präparat gehörte einem 59jährigen Manne an, der, seit vielen Jahren steinleidend, sich sonst einer guten Gesundheit erfreute. Nachdem schon Wochen vorher kleinere Steine abgegangen waren, trat am 14. November 1883 nach Entleerung klaren Urins und kurz unter den andern mässigen linksseitigen Schmerzen vollständige Anurie ein, welche bis zu dem am 24. desselben Monats erfolgenden Tode dauerte. Während dieser Zeit herrschte relative Euphorie und absolute Schmerzlosigkeit in Nieren- und Unterbauchgegend. Anfangs fehlten urämische Erscheinungen, später traten von solchen nur starkes Haut- jucken und allgemeine Convulsionen bei freiem Sensorium auf, und zwar erst etwa 30 Stunden vor dem Tode. Bei der Section fanden sich beide Nieren im Zustande mässig hydronephrotischer Entartung. Die Marksubstanz war beiderseits fast ganz geschwunden. Im Becken der rechten Niere ziemlich reichlich feinkörniges Gries nebst einigen grösseren Conerementen. Eines der- selben, kirschgross, ist an der Abgangsstelle des rechten Ureters aus dem Nierenbecken fest eingekeilt. Auch im linken Nierenbeeken feiner Gries, hier sitzt ein bohnengrosser Stein im Ureter fest eingeklemmt, etwa 5 cm oberhalb der Einmündung in die Blase. Sitzung vom 14. December 1883. Herr Riegner hält einen Vortrag | Ueber Exstirpation des Mastdarms wegen ausgedehnter Verschwärungen. M. H.: Ueber die Natur und Entstehung der Mastdarmulcerationen sind bekanntlich Kliniker wie pathologische Anatomen noch vollständig uneinig. Die einen halten sie für Producte der Syphilis, entweder der secundären Periode angehörig und aus plaques muqueuses entstanden, oder aus tertiären gummösen Affeetionen hervorgegangen. Andere glauben, dass sie durch direete Fortpflanzung aus weichen Geschwüren der Geni- talien oder durch von da herabfliessende infieirende Secrete hervor- gerufen würden. Für die letztere Ansicht spricht das vorwiegend häufige Vorkommen bei Weibern, wegen der Nähe von Scheide und After, und der Umstand, dass ich gerade unter den Puellis publieis die Geschwüre so oft sehe, lässt mich mindestens die venerische (ich sage ausdrücklich nicht syphilitische) Aetiologie für die häufigste halten. Indess kommen die in Frage stehenden Rectalgeschwüre, wenn schon bei weitem weniger oft, doch auch bei Männern zur Beobachtung, ferner bei unzweifelhaft nicht Syphilitischen, und endlich habe ich sie namentlich 1883. 6 82 Jahres - Bericht in der Privatpraxis mehrfach bei Frauen gesehen, wo überhaupt jede venerische Genitalaffeetion mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnte. Ich will auf diese streitige Frage hier nicht weiter eingehen, zumal der Assistent der dermatologischen Klinik Herr Dr. Juliusburg mit Unter- suchungen darüber beschäftigt ist, und dazu auch mein Material benutzen wird. Ich möchte hier nur für die therapeutische Seite der fraglichen Affection an der Hand meiner Beobachtungen Ihr Interesse für einige Minuten in Anspruch nehmen. Dass die Behandlung dieser Rectalgeschwüre eine äusserst schwierige und undankbare ist, wird jeder zugeben, der öfter Gelegenheit gehabt hat, sich damit zu beschäftigen. Und doch wird man immer wieder zu neuen Versuchen gedrängt, wenn man die Scheusslichkeit des Leidens, die Qualen der Patienten, und die schliess- lichen deletären Ausgänge vor Augen hat. Die Kranken leiden, abgesehen von mehr oder weniger heftigen Schmerzen, entweder an Incontinenz oder, wenn sich bereits Strieturen gebildet haben, an hartnäckiger Verstopfung und dabei beständigen blutig jauchigen Abgängen. Sie gehen schliesslich einfach durch Erschöpfung zu Grunde, oder es ent- stehen ausgedehnte periproctitische Abscesse mit Fistelbildungen, die durch Pyämie zum Tode führen, oder der letztere erfolgt durch Durch- bruch in die Peritonealhöhle, oder endlich bei completer Undurch- dringigkeit des Reetum durch Ileus. Erst im vorigen Jahre verlor ich daran eine Patientin, welche leider die beabsichtigte Colotomie ver- weigerte. Ich habe mich, wie andere auch, mit den verschiedensten Massnahmen abgequält; abgesehen von hohen Ausspülungen, oder in einigen Fällen permanenter Irrigation mit den verschiedensten Anti- septieis, Einführung von mit Salben- oder Jodoformpulver imprägnirten Tampons, ausgedehnter Application des Glüheisens ete., habe ich in der letzten Zeit fast regelmässig den hintern Rectalschnitt ausgeführt, um den Secreten wenigstens beständigen ungehinderten Abfluss zu sichern, und die Geschwüre localer Behandlung zugänglicher zu machen. Es ge- lang zwar namentlich durch letztere Massregel meist, die Jauchung zu mindern, die Beschwerden zu erleichtern, doch habe ich eine voll- kommene Ausheilung nie erzielen können. Die Patienten konnten vorübergehend gebessert entlassen werden, kehrten jedoch bald, nament- lich wenn sie zu Hause es an der nöthigen Pflege und Reinlichkeit mangeln liessen, mit den alten Leiden zurück. Von einer nebenbei meist ein- geleiteten allgemeinen Behandlung durch Schmierkur und Jodkali habe ich nie den geringsten Erfolg gesehen. Die allseitig anerkannte Unzu- länglichkeit der landläufigen Therapie hatte schon früher in England, wo die Colotomie bekanntlich selbst wegen noch exstirpirbarer Rectal- carcinome häufig unternommen wird, dazu geführt, diese Operation auch bei Mastdarmverschwärungen zu machen. Beim letzten Chirurgencongress hat Herr Dr. Hahn in Berlin von acht Fällen berichtet, in welchen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. | 83 er wegen hochhinaufreichender Ulcerationen die Colotomia anterior am Colon descendens oder der Flexura sigmoidea ausgeführt hat. Er ging dabei von der nahe liegenden Idee aus, dass durch Abhaltung des dele- tären Einflusses der Kothmassen es eher gelingen müsste, die Geschwüre im Mastdarm zur Vernarbung zu bringen, zumal wenn man, wie er es gethan hat, von dem künstlichen After aus das ganze periphere erkrankte Darmende häufig und energisch mit antiseptischen Flüssigkeiten irrigirte. Auch Professor Küster berichtete bei dieser Gelegenheit von einer Patientin, bei welcher er die Colotomia posterior gemacht und behufs besserer Durchspülung ein Drain durch das ganze Recetum gezogen hatte. Die Resultate, welche Dr. Hahn erzielt, entsprachen vollkommen seinen Erwartungen. Die zwei vorgestellten Patienten bewiesen durch ihr blühendes Aussehen den günstigen Einfluss der Operation, sie hatten sich rasch erholt und an Körpergewicht erheblich zugenommen, die Jauchung aus dem Mastdarm war versiegt. Ebenso ergaben die Präparate von drei anderen Kranken, welche °/, bis 21), Jahre nach der Operation an anderweitigen, mit letzterer in keinem Zusammenhang stehenden Er- krankungen gestorben waren, dass in der That eine nahezu vollkommene Ausheilung der Darmgeschwüre erfolgt war. Allerdings erstreckten sich die Ulcerationen in diesen Fällen sehr hoch bis zu 25 cm in den Darm hinauf, und bei solcher Ausdehnung der Geschwüre würde auch ich die Colotomia anterior für das Ultimum refugium halten, und nach den vorliegenden günstigen Ergebnissen eventuell auch ausführen. Indess ist einmal diese Operation doch selbst heutzutage nicht zu den ungefährlichen zu rechnen, hat doch auch Hahn trotz sorgfältigster Antisepsis zwei Patienten unmittelbar an den Folgen des Eingriffs verloren. Dann dürfte es auch wohl nicht immer mit Sicherheit gelingen, sämmtliche Fäcalstoffe von den Geschwüren fernzu- halten und dieselben zur vollkommenen Verheilung zu bringen. Die Patienten haben dann neben den noch nicht beseitigten ursprünglichen Beschwerden noch die nicht gerade angenehme Zugabe eines wider- natürlichen Afters, dessen Plagen doch nur bei besser situirten, die Zeit und Mittel, sowie den nöthigen Sinn für Reinlichkeit haben, einiger- - massen erträglich gemacht werden können. In der That litt die eine der von Hahn vorgestellten Patientinnen an einem ziemlich starken Prolaps der Colon, der nur schwer durch eine Pelotte zurückzuhalten war, und die Patientin Küsters war mit ihrem Zustande so unzufrieden, dass sie um jeden Preis davon wieder befreit werden wollte und ct in einem andern Krankenhause einer Operation unterzog, an welcher sie zu Grunde ging. Schliesslich aber tritt, wie die von Hahn vorgelegten Präparate bewiesen, und wie es schon a priori vorausgesetzt werden konnte, selbst wenn die vollständige Ausheilung der Ulcerationen gelingt, eine solehe Verengerung des Rectum ein, dass dasselbe vollständig un- 6: 54 Jahres-Bericht wegsam wird, und deshalb an einen etwaigen späteren operativen Wieder- verschluss des Anus praeternaturalis gar nicht gedacht werden kann. Selbst in diesem günstigsten Falle sind also die Patienten dazu ver- urtheilt, durch das ganze Leben die Kothfistel mit sich herumzutragen, und in der That ist mir nieht bekannt geworden, dass an einer der von ihren Rectalgesehwüren geheilten Kranken nachträglich auch noch die Heilung des künstlichen Afters hätte bewerkstelligst werden können. Es lag daher der Gedanke sehr nahe bei Ulcerationen, die nicht gar zu hoch hinaufreichen, deren Grenze dem Gesicht oder mindestens dem tastenden Finger zugänglich gemacht werden kann — und diese Fälle sind sowohl bei den sich selbst besser beobachtenden Privatpatienten, wie auch bei den in Folge polizeilicher Controle dem Krankenhause immer wieder zugeführten Puellis publicis doch nicht so selten — kurz in den Anfangsstadien des Leidens eine radieale Heilung anzustreben durch Exstirpation des erkrankten Mastdarms in derselben Weise, wie sie bei Mastdarm-Careinomen ausgeführt wird. In der That sind die durch die fraglichen Verschwärungen bedingten Leiden ja nicht weniger schlimm, als die mit Reetalkrebs behafteten Individuen, sie führen ebenso wie letztere ohne Operation schliesslich zu letalem Ausgange, und die Exstirpation ist hier um so mehr gerechtfertigt, als das Ge- spenst der Recidive nicht im Hintergrunde droht, sondern mit Sicher- heit eine wirklich definitive Heilung erwartet werden kann. Freilich ist die Operation nicht immer ganz leicht. Einmal ist die Blutung wegen der stark ausgedehnten Gefässe hierbei vielleicht noch erheblicher, als bei den wegen Krebs ausgeführten, bekanntlich mit zu den blutigsten gehörenden Operationen; doch lässt sie sich wohl meist durch schnelles Zufassen mit Pincetten, eventuell Umstechungen in un- gefährlichen Grenzen halten. Dann kann die Operation, wie auch Israel hervorgehoben, dadurch recht schwierig werden, dass man nicht wie beim Rectalcareinom einen festen durch das Gefühl zu begrenzenden Tumor in Händen hat, sondern ein zerreissliches, wenig resistentes Gewebe, häufig mit zahlreichen Eiterheerden und Fisteln in seiner Nachbarschaft. Doch braucht man hier auch nicht mit der Abgränzung des Krankhaften so ängstlich zu sein, wie beim Krebs, es genügt eben den periprokti- . tischen Herden durch die Eröffnung Abfluss zu verschaffen, um Heilung herbeizuführen; und selbst wenn bei zu hoch hinaufreichenden Ver- schwärungen das oberste noch kranke Ende zum Theil zurückgelassen werden müsste, ist es durch Vernähung mit der Afterhaut der Aussen- welt mindestens näher gebracht und örtlicher Therapie wirksam zu- sänglich gemacht. Aus nahe liegenden Gründen müsste in solchen Fällen jedoch mindestens der strieturirte Theil immer mit entfernt werden. Wie ich aus der Literatur ersehe, ist schon früher mehrfach von französischen Autoren die Operation wegen syphilitischer Verschwärungen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 85 gemacht worden. Bei Gelegenheit des Hahn’schen Vortrages erwähnte Dr. Israel zwei von ihm wegen desselben Leidens ausgeführte Mast- darm-Exstirpationen, von welchen die eine einen sehr günstigen definitiven Erfolg hatte, die andere, bei einer sehr elenden Patientin, durch Collaps in Folge des erheblichen Blutverlustes tödtlich endete. Auch Küster exstirpirte einen Mastdarm wegen syphilitischer Ulcerationen leider mit letalem Ausgange durch chronische Sepsis. Ich hatte vom 24. September bis 25. October d. J. Gelegenheit, in 4 Fällen die Exstirpation des Mastdarms wegen hartnäckiger mit Strieturen complieirter Ulcerationen auf meiner Abtheilung im Allerheiligen-Hospitale auszuführen. Selbstverständlich will ich Sie hier nicht mit ausführlichen Kranken- geschichten belästigen, sondern nur die Hauptmomente, welche sich mir daraus ergeben haben, mittheilen. Die detaillirte Beschreibung habe ich Herrn Dr. Juliusburg für seine Arbeit überlassen. Die Fälle betrafen sämmtlich Weiber, die der polizeilichen Con- trole unterworfen sind, und zwar zwei verheirathete Frauen im Alter von 3l und 47 Jahren und zwei Mädchen von 20 und 27 Jahren. Alle waren wegen venerischer Erkrankungen in den letzten Jahren mehrfach im Hospital behandelt worden, doch hatten nur zwei wegen sicherer luötischer Affeetionen (eine noch im Februar d. J. wegen nässender Papeln an den Genitalien) Inunctions- und Jodkalicuren gebraucht, von den anderen Beiden war die, Eine nur an fluor specificus, die Andere ausserdem an einem Ulcus molle commissurae behandelt worden, Sichere Symptome von luös waren zur Zeit der Operation bei Keiner mehr zu constatiren. Bei drei der Patientinnen hatte sich in der Höhe. von 3 bis 5 Ctm. über dem anus bereits eine feste rinsförmige Strietur ausgebildet, welche grade noch dem Zeigefinger den Durchtritt gestattete. Der unter- halb derselben liegende Theil konnte mit Hülfe des Speculum genau be- sichtigt werden, und zeigte ausgedehnte Geschwürsbildung zum Theil combinirt mit höckrigen Wucherungen; die Ulcerationen erstreckten sich zwar in allen Fällen noch über die Verengerung hinauf, konnten jedoch durch das Gefühl ziemlich deutlich von der gesunden Schleimhaut diffe- renzirt und mit der Spitze des möglichst hoch hinaufgeführten Zeige- fingers abgegrenzt werden. Bei der vierten Patientin (der 47 jährigen Frau) war es zu einer nennenswerthen Strietur noch nicht gekommen; dagegen war der After von eigenthümlichen, durch tiefe Buchten ge- trennten, dicken, nicht nässenden Wucherungen umgeben. Bei den beiden Mädchen hatten sich bereits Rectovaginalfisteln gebildet, die etwas über der Commissur in die Scheide mündeten, und durch Eintritt von Blähungen, Koth und Geschwürsjauche in die Vagina erhebliche Beschwerden machten. Dieselben waren, als ich die Exstirpation noch nicht in Erwägung ge- zogen, durch Spaltung des ganzen Damms im Juli und August d. J. 86 Jahres - Bericht beseitigt worden, in der Absicht nach eventueller Ausheilung des Mast- darmleidens die Perineoplastik zu machen. Bei der 3ljährigen Frau wurde im März d. J. eine Wucherung am Anus mit dem Paquelin ab- getragen, und wegen Zunahme der Beschwerden Ende Juni der hintere Sphineterenschnitt ausgeführt, wonach Patientin erheblich gebessert Mitte August entlassen wurde; wegen wieder stärker auftretender Jauchung kehrte sie jedoch Ende September auf die Abtheilung zurück. Diese Patientin war die erste, bei welcher die Exstirpation des Mastdarms vorgenommen wurde, nachdem inzwischen der Spineterenschnitt wieder nahezu verheilt war. Die Vorbereitungen waren die für Operationen am Mastdarm gebräuchlichen; mehrere Tage nur flüssige Kost, Reinigung des Darms durch Abführmittel und Irrigationen, Bäder, Ausspülungen der Vagina. Kurz vor der Operation wurde der Mastdarm noch einmal gut mit Sublimatlösung ausgewaschen, dann in Steinschnittlage der Anus möglichst nahe der Haut kreisförmig umschnitten, nur bei der 47 jährigen Frau musste der Schnitt, um die Wucherungen mit zu entfernen, in weiterem Bogen angelegt werden. Dann wurde in der bekannten Weise mit Cooper’scher Scheere und Messer, zum Theil auch auf stumpfem Wege der Mastdarm von der Umgebung gelöst, während ich mit dem hakenförmig hinter die Strietur gesetzten Zeigefinger denselben möglichst stark herunterzog. In der Sakralhöhlung und an den Seiten ging das leicht von Statten, dagegen war die Ablösung vou der Vagina wegen des zerreissliichen, zum Theil bis auf die Scheide zerfressenen Mastdarm- gewebes erheblich schwieriger und musste mit grosser Vorsicht ge- schehen, während ein Assistent seine Finger von der Vagina aus ent- segendrückte. Trotzdem wurde die Vagina in einem Falle angeschnitten, die Heilung der sofort vernähten Wunde erfolgte jedoch ohne Störung, Noch wichtiger war es bei der vorderen Abtrennung, eine Verletzung im Douglasschen Raume, der ja grade bei Weibern oft tiefer hinab- reicht, als man vermuthet, möglichst zu vermeiden. In zwei Fällen kam das Peritonaeum gar nicht zu Gesicht, in den andern beiden gelang es, dasselbe ohne Verletzung noch etwas abzulösen. Der Darm wurde mit der fortschreitenden Auslösung durch angelegte Cremailleren immer weiter heruntergezogen. Die Blutung war in allen Fällen sehr stark, konnte ‘ jedoch durch sofortiges Anlegen zahlreicher Pinzetten, zum Theil auch durch vorheriges doppeltes Unterbinden der sich spannenden Gefäss- stränge, sowie durch häufiges Irrigiren mit Sublimat-Eiswasser in mässigen Grenzen gehalten worden, so dass nur in einem Falle nach der Operation ein etwas bedrohlicher Collaps eintrat, der indess bald den gebräulichen Mitteln wich. Nachdem die Abtrennung möglichst bis über die Grenze der Verschwärungen erfolgt war, legte ich im ersten Falle nach der alten Velpeau’schen Methode einige starke Fadenzügel durch den gesunden Theil und schnitt den Mastdarm unterhalb derselben der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 87 ab. Ich überzeugte mich aber dabei, dass das Durchführen der Fäden einmal nicht ganz leicht und zweitens unnütz zeitraubend war, dass die- selben ferner nicht immer genügend hoch im Gesunden sassen und deshalb bei der Amputation des Darms zum Theil durchgeschnitten werden mussten, oder so locker hafteten, dass sie beim Anziehen ausrissen und jedenfalls zur Naht nicht zu verwenden waren. In den andern drei Fällen verzichtete ich deshalb von vornherein darauf, schnitt den ab- gelösten Theil des Darms vorn der ganzen Länge nach auf, bis ich sicher gesunde Schleimhaut vor mir sah, und legte durch den obern Wundwinkel einen Nähfaden, dessen Enden ich vorläufig locker knüpfte, dann trennte ich centimeterweise abwechselnd nach beiden Seiten den dem Gesicht zugänglich gemachten Darm im Gesunden durch, legte nach jedem ‚Scheerenschnitt sofort durch die frische Schnittfläche einen Faden, und unterband die spritzenden Darmgefässe. So vollzog sich die Ampu- tation des erkrankten Theiles ohne Zeitverlust überall im Gesunden, das zurückbleibende Ende konnte mit Hülfe der Fäden bis an die Anal- wunde leicht herabgezogen und an letztere sofort angenäht werden, nachdem selbstverständlich vorher noch eine gründliche Auswaschung der Wundhöhle vorgenommen und die Blutstillung noch einmal genau eontrolirt worden war. Es wurde vorn, hinten und zu beiden Seiten je ein Drain hoch hinauf zwischen die Nähte geschoben und durch Catgut- fäden an die Haut befestigt. Darauf wurde die Vagina, die vorliegende Mastdarmschleimhaut, die Nahtlinie und die Umgebung mit Jodoform leicht eingestäubt, ein Jodoformgazetampon über Vulva und Mastdarm durch eine einfache T-Binde fixirt. Der Verband wurde täglich zweimal ge- wechselt, dabei die Blase durch den Katheter entleert, Irrigationen mög- lichst vermieden. Durchschnittlich 10 Tage lang wurden die Patienten durch Opium obstipirt erhalten. Der Verlauf war in allen vier Fällen ein ziemlich gleichmässig guter und aseptischer. Die zuerst operirte Patientin hatte niemals Fieber, die anderen drei zeigten nur in den ersten 5 bis 4 Tagen abendliche Temperatursteigerungen, Schmerzen wurden mässig geklagt. In der Regel wurden die Drains bis zum sechsten Tage, die Nähte am 8—10. Tage entfernt, und dann durch Ol. Rieini für breiige Stühle gesorgt, welche im Sitzbade erfolgten; danach Abspülung, einfacher Salben- und Watteverband. In zwei Fällen schnitten eine Anzahl Fäden durch, und wurde die Heilung dadurch etwas ver- zögert, doch war auch hier schliesslich der Darm überall an die Anal- haut dicht herangezogen, Ä Was den Erfolg der Operation betrifft, so hat bei allen die Eiterung selbsverständlich vollkommen aufgehört, der Stuhl erfolgt schmerzlos und ohne jede Beschwerde. Die zuerst am 24. September operirte Patientin konnte bei ihrer am 14. October erfolgten Entlassung nicht nur den Stuhl, sondern bei nicht zu starkem Andrange auch Blähungen willkürlich zurückhalten. Ss Jahres - Bericht Die beiden unverheiratheten können zwar den Stuhl willkürlich ent- leeren und zurückhalten, sind aber für Blähungen incontinent. Sie sind beide in Folge der vor Beabsichtigung der Exstirpation ausgeführten Spaltung ihrer Rectovaginalfistel vorläufig ohne Damm, doch hoffe ich ihnen denselben noch durch eine nachträgliche Perineoplastik wiedergeben zu können. Nur bei der 47jährigen Frau ist, weil wegen der After- wucherungen zu viel von der umgebenden Haut mit entfernt werden musste, die neue Analöffnung etwas zu gross gerathen und desshalb nur bei derbem Stuhl die Zurückhaltung für kurze Zeit möglich, doch lässt sich dieser Uebelstand vorläufig durch eine einfache Bandage ziem- lich ausgleichen, und dürfte es vielleicht noch möglich sein, durch eine nachträgliche nische Operation ähnlich der bei Prolapsus ani die Afteröffnung genügend zu verkleinern. Man kann demnach mit den Resultaten ganz wohl zufrieden sein, wenn man erwägt, dass die Patientinnen von ihrem scheusslichen, vorher mit allen Mitteln vergeblich bekämpften Leiden radical geheilt sind, ohne dass die Function der Defaecation eine wesentliche Störung er- litten hat. Die exstirpirten Theile waren in einem Falle etwa 5, im zweiten etwa 6, in den beiden letzten je 7 cm lang. Leider sind zwei von den Präparaten durch ein Missverständniss verloren gegangen, die andern beiden wurden behufs der mikroskopischen Verwerthung durch Herrn Dr. Juliusburg in absoluten Alkohol gelegt und sind in Folge dessen jetzt so geschrumpft und verändert, dass ich auf ihre Vorzeigung hier verzichtet habe. Nachdem der Vortragende gie Ondeike demonstrirt eröffnet der Vorsitzende die Disscussion. Herr Ponfick: M. H.! Es ist mir sehr willkommen, heute durch Herın Riegner eine Frage angeregt zu sehen, welcher ich schon seit vielen Jahren meine lebhafte Aufmerksamkeit zugewendet hatte und welche trotz der vielen dabei noch aufzuhellenden Dunkelheiten die verdiente Beachtung noch nicht genugsam zu finden scheint, Es handelt sich hier um eine höchst eigenthümliche Form von Verschwärung, welche gewöhnlich einige Centimeter oberhalb der Anal- öffnung beginnend, bald nur den unteren, bald zugleich auch den mittleren Abschnitt des Mastdarms einnimmt, bezeichnender Weise aber gerade den Analring selber und dessen Umgebung unversehrt lässt. Das meistens durchaus eireulär gestaltete Ulcus ist ausgezeichnet durch die bestimmte, nicht selten völlig lineare Abgrenzung, sowie die Glätte und Reinheit der Ränder, welche scharf geschnitten, wenig unterminirt und weder geschwollen noch geröthet zu sein pflegen. Der tief in das Gewebe hineingreifende Grund wird theils von einer sehnenähnlich weissen Schicht — der Submucosa —, theils von den quer verlaufenden Bündeln der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 der Museularis gebildet und zeigt, in Folge der Dürftigkeit und Hinfällig- keit der aus beiden hervorspriessenden Granulationen, auffallend wenig von dem körnigen Aussehen sonstiger Geschwürsflächen. Nur an ein- zelnen Stellen bemerkt man unregelmässige Gruben und Löcher, welche sich häufig als die Ein- oder Ausgänge von Fisteln erweisen, die durch die Muscularis hindurch in das paraproktale Fettgewebe dringen, um nach mannigfach gewundenem, zuweilen spitzwinklig umbiegendem Ver- laufe bald blind zu endigen, bald zur Seite oder hinterwärts vom Anus zum Vorschein zu kommen. Immer aber ist die Wand des Reetums in der ganzen Länge des Defectes sehr verdickt und in einem so hohen Grade speckig-schwielig verhärtet, dass vor Allem hierdurch jene be- deutende Verengerung des Lumens entsteht, aus welcher die beschwer- lichsten Symptome des Leidens entspringen. Die Ausdehnung dieser Strietur entspricht bald nur dem mittleren, die tiefste Zerstörung auf- weisenden Theile des Defectes, bald ist fast in der ganzen Länge des Geschwürs eine allerdings nicht ganz gleichmässige Beschränkung der Passage vorhanden. Häufig fehlt es daneben in den Partieen des Darm- rohrs oberhalb der Stenose auch nicht an mancherlei Ausbuchtungen und Knickungen, welchen bald die Kothstauung, bald pseudomembranöse Adhäsionen mit den Nachbartheilen, vorzüglich der Gebärmutter, bald auch beide Momente im Verein, ihren Ursprung verdanken. Was nun die Stellung und den Charakter dieser merkwürdigen Ge- schwüre anlangt, so ist mir stets ein Umstand als sehr auffällig und in sewissem Sinne ausschlaggebend erschienen. Man vermag nämlich in dem ganzen erkrankten Bereich nicht nur mit dem blossen Auge keine nennenswerthe frische Gewebswucherung, irgend welche Producte einer typischen Neubildung zu entdecken, sondern auch die mikroskopische Betrachtung lässt im Wesentlichen Nichts nachweisen als eine spärliche kleinzellige Infiltration der blossgelegten Wandschichten: auf weite Strecken zwar, aber doch durchaus verschwommen, nirgends gesonderte Herde, nirgends eine gewächsähnliche Steigerung des trägen allgemeinen Wucherungsprocesses. Insbesondere fehlt an den linear abschneidenden und sehr schlaffen Rändern jede Spur einer gummösen oder sonstigen Herderkrankung. Lässt sich somit in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein einwandfreies Localzeichen für die syphilitische Natur der in Rede stehenden Geschwüre nicht entdecken, so ist das allgemeine Ver- halten der Patienten meistens ebenso wenig danach angethan, einer solchen Auffassung als Stütze zu dienen. Zunächst verdient hervorgehoben zu werden, dass die Befallenen fast ausnahmslos weibliche Individuen sind, theils notorische puellae, theils verheirathete, wohl auch mit Kindern gesegnete Frauen aus dem Arbeiterstande. Und zwar beschränkt sich diese Erfahrung von dem 90 Jahres - Bericht ganz überwiegenden Prävaliren des weiblichen Geschlechtes nicht etwa auf Breslau, sondern stimmt durchaus mit der überein, welche ich an dem grossstädtischen Proletariate Berlins gemacht habe. Auch dort handelte es sich einzig und allein um weibliche Personen, während die in Rede stehende Mastdarmerkrankung — ungeachtet der gewiss grossen Häufigkeit der Syphilis bei Männern — an solchen niemals zur Beobachtung gelangte. Sodann möchte ich darauf hinweisen, dass man dem Leiden unter gross- städtischen Verhältnissen allen Anzeichen nach unvergleichlich häufiger begegnet als in kleineren Orten, trotzdem ja auch hier an zahlreichen und mitunter sehr schweren Fällen von Lues wahrlich kein Mangel ist. Sieht man nun aber, unter strengster Kritik, näher zu, ob sich bei den mit Reetaluleerationen Behafteten andere unzweideutige Merkmale syphilitischer Infeetion nachweisen lassen, so kommt man zu dem über- raschenden Ergebniss, dass eine sonstige Localisation meistens gar nicht vorhanden ist. Zwar fehlt es öfter nicht an Wucherungen, Verdickungen und Narbenbildungen an der Vulva und um die Analöffnung. Indessen weder besitzen diese Erscheinungen irgend etwas Speecifisches, wodurch sie sich von .den Producten der an jenen Stellen so häufigen entzündlich- erosiven Störungen unterscheiden liessen, noch werden sie von ander- weitigen Affeetionen im Körper begleitet, welche es gestattet wäre, als pathognomisch für Lues zu bezeichnen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle stellte vielmehr die Verschwärung im Mastdarme das einzige Symptom dar, welches für die Annahme von Syphilis überhaupt als Grundlage dienen könnte. In anderen Fällen freilich bekundet, sei es die Anamnese, sei es zugleich der anatomische Befund, das Vorhanden- sein ausgesprochener Luös. Allein offenbar muss es doch mindestens sehr gewagt erscheinen, eine bald mit, bald ohne Syphilis verlaufende Veränderung als ein derselben eigenthümliches Begleitsymptom aufzu- fassen. So erwachsen denn, je unbefangener man prüft, desto ernstere Zweifel an der Beweiskraft des in Rede stehenden Leidens ebenso wohl angesichts des geschilderten Mangels irgendwelcher localer Spuren einer gummösen Wucherung, als auch angesichts der grossen Seltenheit, minde- stens der ofienbaren Unbeständigkeit anderweitiger, ‚zweifellos lu&tischer Erscheinungen, In der That stehe ich nicht an, die diesen Rectalverschwärungen und -Stenosen bisher unbedenklich zuerkannte syphilitische Natur vorerst als unerwiesen zu betrachten und eine derartige Anschauung, so verbreitet sie auch in weiten Kreisen sein mag, lediglich als den Ausfluss der auf diesem Gebiete ja noch immer nicht ganz beseitigten Geneigtheit anzusehen, alle mehr oder weniger sicher auf sexuelleExcesse zurück- zuführenden Leiden schlechthin der Syphilis zuzuschreiben. Erst sorg- fältigster klinisch-anatomischer Sichtung aller einschlägigen Fälle von Mastdarmulceration kann es gelingen, aus dem grossen Complexe dieser der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 91 -im weitesten Sinne venerischen Affeetionen diejenigen auszusondern, welche wirklich auf Lu&s bezogen werden dürfen. Nach meiner gegen- wärtigen Ueberzeugung aber ist es nur für einen geringen Procentsatz bewiesen und auch nur für einen beschränkten Bruchtheil wahrscheinlich, dass eine syphilitische Ansteckung jemals vorausgegangen sei. Auf einem so negativen Standpunkt angelangt, haben wir nun aller- dings die sich lebhaft aufdrängende Frage zu erledigen, von welcher Noxe sonst eine so tiefgreifende Zerstörung der Reetalwand abzuleiten sei: eine Aufgabe, der ich mich, wie ich bekennen muss, freilich ausser Stande fühle, vorerst gerecht zu werden. Diese Unmöglichkeit ist ein- mal darin begründet, dass es ausserordentlich schwer hält, mittelst der Anamnese gerade über den meiner Meinung nach massgebendsten Punkt, etwaigen sexuellen Missbrauch, ein offenes Eingeständniss zu erlangen, dann aber auch in der natürlichen Schranke, welche einem Redner bei der Erörterung einer so peinlichen Hypothese gezogen ist, welche sich vermisst, eine der Nachtseiten des socialen Lebens aufzudecken. Das ganze Aussehen der Mastdarmulcerationen nämlich bietet, wie ich im Vorstehenden gezeigt zu haben glaube, durchaus Nichts, was einer specifischen Ursache das Wort redete, sondern lediglich solche Merkmale, wie sie mit einer rein traumatischen Genese sehr wohl im Einklange stehen. Erwägt man also, dass es sich neben dem Verluste an Substanz einzig und allein um ziemlich torpide Reactionserscheinungen chronisch- entzündlicher Natur handelt, berücksichtigt man ferner die sehr oft zu bestätigende und gewiss sehr merkwürdige Erfahrung, dass der obere Geschwürsrand von der Analöffnung genau so weit entfernt liegt, wie der Länge eines erigirten Membrum entsprechend ist und dass die Ulceration mit einer kegelförmigen Zuspitzung, ähnlich der Gestalt der Glans, zu endigen pflegt, — so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass es sich hier um das Erzeugniss einer schweren mechanischen Läsion handle, hervorgebracht durch eine sei es einmalige gewaltsame Mast- urbation per Rectum, sei es durch habituelle Missbrauchung. Mit einer solchen Auffassung steht nun nicht nur der unspeeifische, nirgends productive, sondern einzig destructive Charakter des Geschwürs- grundes im Einklang, sondern sie wird, dünkt mich, noch ganz wesent- lich gestützt durch die oben erwähnte Thatsache, dass das Leiden aus- schliesslich bei Personen weiblichen Geschlechts angetroffen wird, und durch die weitere, dass es eine traurige Eigenthümlichkeit des weiblichen Proletariats der Grossstädte zu sein scheint. Beweise für eine derartige Annahme mittelst persönlichen Eingeständnisses beizubringen, wie sie unsere Gerichtsärzte vielleicht zu liefern vermöchten, bin ich ja nun freilich ausser Stande. Ich darf indessen wohl hervorheben, dass in Frankreich jener Missbrauch eingestandenermassen ziemlich häufig vorkommt 99 Jahres - Bericht und erst neuerdings wieder zur Erörterung gelangt ist. Andererseits möchte ich noch hinzufügen, dass ich bei einer Frau ganz ähnliche Ulcera- tionen und Narben auch in der Harnröhre gesehen habe — zugleich mit rectalen —, die aufs Unzweideutigste den Stempel grober mechanischer Insulte an sich trugen. Dass in dieser Region derartige Eingriffe zu- weilen vorkommen, dürfte allgemeiner anerkannt sein und muss jeden- falls für jene Patientin unbestritten bleiben. Für die Anschauung, dass in gleichem Sinne auch jene Mastdarm- geschwüre häufig einer einfachen Verletzung ihren Ursprung verdanken, nicht aber einer specifischen Infeetion, habe ich mich im Vorstehenden bemüht, eine Reihe bedeutsamer Indieien zusammenzustellen, zu denen. sich bei weiterer Verfolgung der Frage hoffentlich auch noch sichere Beweise gesellen werden. Herr Richter weist darauf hin, dass man bei Ausführung der Colotomia lumbaris jeden ferneren Eintritt von Koth in die anal gelegene Darmpartie dadurch unmöglich machen kann, dass man das Colon ganz durchtrennt, sein oberes Ende in die Bauchwunde einnäht, das untere aber durch Ligatur oder Sutur schliesst und versenkt, wie es mehrere Chirurgen gethan haben. Herr Neisser: So sehr ich mit Herrn Ponfick darin überein- stimme, dass ein endgiltiges Urtheil über die Natur der fraglichen Mastdarmulcerationen zur Zeit nicht abgegeben werden kann, so glaube ich andrerseits daran festhalten zu müssen, dass die syphilitische Natur der Rectalgeschwüre keineswegs mit sicheren Gründen negirt werden kann. — Scharf zu trennen in der Beurtheilung sind die am Orificium anale sitzenden Geschwüre von den weiter oben, meist oberhalb der Sphinkteren gelegenen Ulcerationen. Die ersteren sind Ulcera mollia oder auch exulcerirte syphilitische Papeln, die durch directe Infection (Ulcera mollia) oder durch die sünstigen örtlichen Verhältnisse (bei der Syphilis) entstanden und in Folge der täglich sich wiederholenden Irritation bei der Defäcation nicht zur Abheilung gelangen, sondern im Gegentheil immer weitere Partieen der Rectalschleimhaut überziehen. Diese Geschwüre sind es auch, welche Herr Riegner bei seinen Operationen vor sich gehabt hat. — Dass diese Formen sich meist bei Weibern vorfinden, liegt theils daran, dass die nahe Nachbarschaft zwischen Mastdarm und Scheide zu- fällige Uebertragungen gestattet, theils daran, dass direete Infeetionen naturgemäss häufiger Weiber als Männer betreffen. Eine ganz andere Gruppe von Geschwürsformen sind die weiter oben im Reetum sitzenden Ulcera, welche Herr Ponfick soeben in äusserst zutreffender Weise beschrieben hat. — Von directen Infeetionen als Entstehungsursache wissen wir nichts. Ebensowenig kann ich mich der Vermuthung des Herın Vorredners von traumatisch-mechanischen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 95 Einflüssen als Folge eines widernatürlichen Coitus anschliessen, eine Vermuthung, welche Herr Ponfick wesentlich auf das — in der That richtige — überwiegende, allerdings nicht ausschliessliche Vor- kommen der Rectalgeschwüre bei Weibern stützte. Es müsste dann meiner Vorstellung nach der engste Theil des Rectums, also der Sphinkteren- Abschnitt, doch auch in seiner Schleimhaut geschädigt sein, abgesehen davon, dass die Päderastie auch beim männlichen Geschlecht die Ver- anlassung zu solchen Ulcerationen sein müsste, worüber jedoch keinerlei Mittheilungen vorliegen. Was die Frage nach der syphilitischen Natur des Leidens betrifft, so ist dieselbe freilich nicht positiv zu beantworten. Es fehlt dem Ge- schwüre fast immer der specifische Charakter, wobei aber doch zu be- denken, dass wir denselben nach dem Aussehen anderer syphilitischer Schleimhautulcerationen — in vielleicht ganz ungerechtfertigter Weise — beurtheilen. Sodann ist hier zu erwägen, dass wir meist nur ein jahre- lang bestehendes Geschwür zur Autopsie bekommen, dessen primäre Ursache ja längst verschwunden ist. Nehmen wir selbst an: eine gummöse Infiltration der Rectalschleimhaut sei der Ausgangspunkt des Leidens gewesen, so wissen wir, dass solche Infiltrate allmählich zerfallen, dass sie verschwinden und — falls die Oertlichkeit es erlaubt — ver- heilen, d. h. vernarben, meist ohne besonders specifischen Charakter. Hier nun hindert die Oertlichkeit, d. h. die Defäcation ete., die Ver- heilung; es bleibt deshalb eine Uleeration zurück, weil äussere Gründe die Verheilung hindern, aber die eigentliche — vielleicht speeifische — Ursache ist längst verschwunden und zwar, ohne charakteristische Re- siduen zurückzulassen. — Es würde sich also nur im Beginne der Affeetion über die Speecifieität etwas ändern lassen. Solche Be- obachtungen sind der geringen Symptome wegen, welche die Kranken empfinden, leider sehr selten. Erst der Zerfall, die Ulceration machen die Kranken auf ihr schweres Leiden aufmerksam. Ich selbst habe bei einem jungen Manne mit sicherer Syphilis eine solche Beobachtung machen können. 3—4 em oberhalb des Orifieiums befand sich ein ' flaches, mit granulirenden Excrescenzen besetztes, reines, leicht blutendes Gescehwür, ohne besonderes Infiltrat. Die Infection lag vier Jahre zurück (1878), der Verlauf der Syphilis war durch viele Recidive — trotz reichlicher Behandlung — charakterisirt. — 1881 Juni traten Er- scheinungen häufiger Uebelkeit, von Tenesmus ohne Stuhl und grosser Schmerzhaftigkeit bei der Defäcation, bisweilen mit Ohnmachtsanfällen, auf. Dazu gesellten sich allmählich sehr häufige Entleerungen, oft ohne Faeces, aber von Eiter und Blut. Jodkali und Jodoform local erzielten keine esentliche Besserung. Die Ulcerationen also haben keinen specifischen Charakter mehr, weil sie in dem Stadium, in welchem sie uns vorkommen, nur noch trau- 94 Jahres - Bericht matische Geschwüre darstellen. — Mikroskopisch ist dieselbe Sachlage vorhanden. Grund und Rand der Ulcerationen zeigen in ihren Infil- trationen durchaus nichts für Syphilis Charakteristisches, wobei jedoch zu bedenken, dass ‚selbst veritablen syphilitischen Neubildungen mikro- skopisch histologisch specifische Eigenthümlichkeiten abgehen. — Es ist aber nach dem Vorhergesagten ferner erklärlich, dass auch eine anti- syphilitische Kur keinen Erfolg hat — selbst wenn Syphilis die frühere erste Ursache war. Hg und Jodkali beseitigen ja nur das speeifische Infiltrat, und um ein solches handelt es sich hier längst nicht mehr. Heilung ist in den vorliegenden Fällen nur zu erzielen — und wird erzielt — durch Abhaltung der theils chemischen theils mechanisch- traumatischen Irritation, welche die Defäcation mit sich bringt.. — Es entspricht eigentlich ein solches Rectalgeschwür einer Narbe, welche, unabhängig von dem Charakter der primären Geschwüre, bestehen bleibt, und von Medicamenten natürlich nicht zu beeinflussen ist. Was das Fehlen der Anamnese oder sonstiger Syphiliszeichen in vielen Fällen fraglicher Mastdarmulcerationen betrifft, so kann solch negativer Befund nichts gegen die Syphilis der Ulceration beweisen. Ja, ein negativer Befund ist ebensowenig ein Argument gegen die syphili- tische Natur, wie ein positiver für die luetische Grundlage des Pro- cesses, da sehr wohl etwaige andre Ursachen das Mastdarmgeschwür bei Syphilitischen hervorrufen können. Und in der That finden wir solche Ursache in Rectovaginalfisteln, in Verbindungen mit periproctalen Ab- scessen u. Ss. w. sehr häufig, — woraus sich wohl auch die grössere Häufigkeit der Affeetion bei Weibern erklärt. Ich meine also, dass gegen die Annahme, dass die fraglichen Ge- schwüre die Reste eines zerfallenen Gummas in der Rectalschleimhaut sein können, kein stichhaltiges Argument vorgebracht werden kann, dass aber gewiss häufig von andern Ursachen, Fisteln ete. solche Ge- schwüre ihren Ausgang nehmen. Die Entscheidung, welche primäre Ursache vorliege, halte ich in den späteren Stadien meist für unmöglich — fails nieht bacterielle Befunde hier noch Licht bringen werden. Wir sehen nur ein — durch irgend welche Schädlichkeit ent- standenes — Geschwür, welches durch die mit der Defäcation verbundenen Schädlichkeiten nicht verheilt, und immer grössere Dimensionen ein- nimmt. Auf die näheren Verhältnisse einzugehen, möchte ich verzichten, bis das sehr reichhaltige von meinem Assistenten, Herrn Julius- burger, gesammelte und bearbeitete Material vorliegt. Es wird die bald zu erwartende Arbeit, soweit ich sehe, auch durch statistische Zusammenstellungen zur Klärung der uns vorliegenden Frage sicherlich beitragen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 95 Herr Ponfick: Sicherlich ist es für einen Beobachter, der natur- gemäss häufiger die späten Stadien eines Processes vor Augen bekommt, stets sehr misslich, über den ersten Anlass und die ursprüngliche Natur eines Leidens ein festes Urtheil zu gewinnen, und ich habe mich darum auch lediglich dahin ausgesprochen, dass ein Beweis für seinen stets behaupteten syphilitischen Charakter noch nicht er- bracht sei. Wenn ich Herrn Neisser richtig verstanden, so haben seine Aus- führungen diese meine Ueberzeusung in vollem Umfange bestätigt. Denn wenn es ja auch gewiss richtig ist, dass notorisch luetische Geschwüre nach langem, vielleicht mehrjährigem Bestehen eine mehr und mehr indifferente Beschaffenheit gewinnen können und so an und für sich allein eine Diagnose nicht mehr gestatten, so handelt es sich doch, wie überall, so auch hier offenbar darum, in positiver Richtung den Beweis für die gemachte Annahme zu erbringen. Die Unmöglichkeit, die etwaige syphilitische Natur einer alten Ulceration auszuschliessen, berechtigt doch gewiss noch nicht zu dem Schlusse, sie als solche zu bezeichnen: bei einer solchen Argumentation würden wir vielmehr Ge- fahr laufen, die grosse Mehrzahl aller inveterirten Geschwüre als spe- eifische anzusehen. Selbstverständlich ist es mir niemals beigefallen, die Möglich- keit zu bestreiten, dass jene Deutung in einem gewissen Umfange zu- treffend sei: was ich hervorhebe, ist einzig und allein die von Herrn Neisser selbst anerkannte Thatsache, dass in einer auffallend grossen Zahl einschlägiger Fälle weder die localen Veränderungen, noch die allgemeinen Symptome ein Mittel zum Beweise der syphilitischen Ent- stehungsweise an die Hand geben. Ich gehe indess weiter und bekenne frei, dass ich die letztere bei manchen derartigen Patienten nicht nur für unbewiesen, sondern sogar für sehr unwahrscheinlich erachte. Denn in den doch auch nicht ganz fehlenden Beispielen einer durchaus flächenhaften, noch jugendlichen Verschwärung ') wird nieht minder die Erwartung getäuscht, einen gum- ' mösen Herd als Mittelpunkt oder eine typische Infiltration als Grund- lage des Substanzverlustes aufzeigen zu können. Vielmehr trifft man selbst dann nur einen ganz gleichmässigen und ebenen, schwach granu- lirenden Boden, gebildet aus den unteren Schleimhaut- oder obersten Submucosaschichten, welehe nur von indifferenten Rundzellen durchsetzt sind. Woher nehmen wir das Recht, ein so beschaffenes Uleus — vollends beim Mangel jedes verdächtigen Allgemeinsymptoms — zu einem luötischen zu stempeln? !) Einen derartigen Fall habe ich erst ganz vor kurzem wieder einmal zu Gesicht bekommen. 96 Jahres-Bericht Der Versuch des Herrn Vorredners, die Ulceration als Folge- erscheinung der Fisteln zu betrachten, welche allerdings nicht so selten damit verbunden sind, findet, meiner Erfahrung nach, in dem Krankheits- verlauf keine Stütze. Denn erstens giebt es genug Rectalgeschwüre der fraglichen Art, bei welchen, in den früheren Stadien wenigstens, von gar keiner Fistelbildung die Rede ist. Ueberdies stimmt aber die — offenbar secundäre — Genese der letzteren durchaus überein mit dem sonst dafür bekannten Entstehungsmodus: indem ein Zerfallsherd von der Mucosa aus tiefer und tiefer greift, vor Allem, indem er in das umhüllende lockere Fettgewebe vordringt, ruft er mancherlei Hohlgänge und Senkungen hervor; zu dem ursprünglich flächenhaften Geschwüre gesellen sich Fisteln, mit oder ohne Perforation in benachbarte Canäle. Dass gerade der Mastdarm zu einer solchen Combination besonders geneigt ist, erklärt sich aus der Natur seines Inhaltes genugsam. Weit entfernt also, etwas Primäres oder auch nur Wesentliches darzustellen, haben die Fisteln, meiner Meinung nach, lediglich die Bedeutung eines bei längerer Dauer des Processes allerdings fast unvermeidlichen, aber an und für sich selbst ganz nebensächlichen Ereignisses.‘ Indess selbst wenn wir ihnen im Sinne des Herrn Vorredners eine bedingende Rolle beilegen wollten, was wäre damit anders erreicht, als einen räthselhaften Vorgang, die rectale- Ulceration, durch einen nicht minder dunkeln, die rectale Fistelbildung, zu erklären! Wie ich glaube, sind vielmehr beide auf eine und die nämliche Ursache zurückzuführen, die ich — für eine gewisse Zahl von Fällen — hypothetisch angedeutet habe. Denn auch von meinem Standpunkte aus muss, wie ich nochmals betone, erst weiteren klinisch-anatomischen Erfahrungen die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, in wie weitem Umfange derartige Einflüsse wirklich im Spiele sind. Herr Reichel: Die Erfolglosigkeit jeder medicamentösen und localen Behandlung der Mastdarmverschwärungen lassen es fast auffallend er- scheinen, dass man erst in jüngster Zeit begonnen hat, eine Heilung dieses Leidens auf operativem Wege anzustreben, und dürfte die nächste Zukunft unsere Erfahrungen hierüber wesentlich bereichern. Zur Zeit kommen namentlich zwei Methoden in Betracht, die von Israel zuerst ausgeübte und auch von dem Herrn Vortragenden gewählte Exstirpation des Mastdarmes und die kürzlich besonders von Hahn empfohlene Colo- tomie. Die günstigen Erfolge, die Herr Primärarzt Riegner in den soeben demonstrirten Fällen erzielt hat, machen, wie ich gern zuge- stehe, einen bestechenden Eindruck und scheinen sehr zu Gunsten ersterer Methode zu sprechen. Nichtsdestoweniger halte ich die Zahl aller bis jetzt vorliegenden, praktischen Erfahrungen noch viel zu klein, um bereits endgültig über den Werth beider Verfahren zu entscheiden. Theoretische Erwägungen aber erwecken in mir manche Bedenken gegen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97 die Exstirpation des Reetum bei der in Rede stehenden Erkrankung und lassen mir zur Zeit die Colotomie als die empfehlenswerthere Operation erscheinen. In den hochgradigen Fällen, in denen die Ulcerationen weit im Mastdarm hinaufreichen, kann, wie der Herr Vortragende selbst zu- giebt, überhaupt nur die Colotomie in Frage kommen. Für jene minder schweren Fälle aber, in denen sich die Strieturen und Verschwärungen vollständig mit dem Finger abtasten und nach oben hin abgrenzen lassen, halte ich die Exstirpatio recti für zu weitgehend und zu ein- greifend.. Die Gefahren beider Operationen dürften sich ziemlich das Gleichgewicht halten; eher sind sie auf Seiten der Exstirpation des Mastdarmes noch grösser, als bei der Colotomie. Insbesondere ist es die vom Herrn Vortragenden selbst betonte beträchtliche Blutung, die den ersteren Eingriff zu einem so bedenklichen macht, zumal es sich meist um Personen handelt, die durch die lange Krankheit, die profuse langdauernde Eiterung bereits stark heruntergekommen sind und bei denen jeder weitere Blut- resp. Säfteverlust mit erheblicher Gefahr verknüpft ist. Dazu kommen die Gefahren jeder lange dauernden Operation, der langen Narkose, ferner die der localen Phlegmone und der eventuell eintreten- den Pyämie. Da ja in der Mehrzahl der Fälle bereits periproktale Abscesse und Fisteln bestehen, so wird die primäre Vereinigung, wie sie Herr Riegner bei den meisten seiner Patienten erreicht hat, nur in der Minderheit zu erwarten sein, und wird es öfter zu einem Aus- reissen der Nähte und einer sich anschliessenden Eiterung kommen. Die Gefahr der Colotomie liegt eigentlich nur in der drohenden Peritonitis, da ja die Dauer der Operation eine sehr kurze, der Blutverlust fast gleich Null ist. Der Peritonitis lässt sich aber bei Anwendung strieter Antisepsis nahezu mit absoluter Sicherheit vorbeugen, und beweist die Statistik der letzten Jahre, dass die Colotomie an sich als ein fast un- gefährlicher Eingriff zu betrachten ist. Was die ‚funktionellen Endresultate beider Operationen betrifft, so handelt es sich nach beiden um Patienten, welche der willkürlichen Con- _ tinenz in dem einen Falle relativ, in dem andern absolut verlustig ge- sangen sind. Ausserordentlich überrascht hat mich die Angabe des Herrn - Vortragenden, dass die von ihm operirten Patienten nicht nur für flüssigen Stuhl, sondern selbst für Flatus fast völlige Continenz haben. Da nämlich das Rectum in einer Ausdehnung von mindestens 6—8 cm oberhalb des Anus exstirpirt wurde, so muss auch jedesmal der Sphineter voluntarius in ganzer Ausdehnung mit entfernt worden sein; ein willkürliches Zurückhalten des Stuhles ist somit nur durch Zusammenpressen der Gesässmuskulatur ermöglicht; wie unvollkommen aber dieser Schluss ist, brauche ich nicht weiter zu erwähnen; ich bezeichnete deshalb _ diese Art von Incontinenz als relative. Die nach Colotomie zurück- 1883. 7 93 Jahres - Bericht bleibende ist hingegen allerdings eine absolute; doch lässt sich ja durch Tragen einer passenden Pelotte der unwillkürliche Kothabfluss sistiren und eine gewisse Regelung des Stuhles erzielen. — Gleichwohl würde ich gern zugeben, dass das functionelle Resultat nach Exstirpation des ‚„ als nach der Colotomie, wären die Patienten nach letzterer dazu verurtheilt, den Anus praeternaturalis zeitlebens zu behalten. Die Hahn’schen Fälle beweisen indess, dass die Colotomie eine völlige Heilung selbst sehr ausgedehnter Verschwärungen des Mastdarmes ermöglicht, wofern die Patienten nicht bereits zur Zeit der Operation so Mastdarmes ein besseres ist heruntergekommen sind, dass sie vor beendeter Heilung an secundärer » Erkrankung, wie Tubereulose oder amyloider Degeneration zu Grunde gehen. Die von ihm operirten Kranken behielten den widernatürlichen After allerdings dauernd; doch waren es ausschliesslich Kranke, bei denen die Ulcerationen im Reetum hoch hinaufreichten, und die Operation durch die Indicatio vitalis geboten war. Bei ihnen war also die Mög- lichkeit, das Rectum nach Abheilung der Geschwüre wieder für den Koth durchgängig zu machen, von vornherein ausgeschlossen. Anders verhält es sich indess bei jenen minder schweren Fällen, für welche gerade der Herr Vortragende die Exstirpation des Mastdarmes empfiehlt, in denen die Ulcerationen mit dem Finger noch abgrenzbar sind. Bei ihnen kann man sehr wohl nach Abheilung der Verschwärungen daran denken, die durch die Vernarbung enstandenen Strieturen allmählich oder foreirt zu dilatiren, eventuell durch Ineisionen, nach der Dilatation den Anus praeternaturalis zu schliessen und damit die normale Passage für den Koth wieder herzustellen. Die Dehnbarkeit narbiger Strieturen der Urethra und des Oesophagus lassen in gleicher*Weise die Dehnung der Strieturen des Reetum erwarten, wie dieselbe ja auch bereits bis- her geübt wurde und nur darum wenig Erfolg hatte, weil die Ulce- rationen weiter bestanden. Vielleicht wird gerade für diese, nur den untersten Abschnitt des Mastdarmes einnehmenden Geschwüre die Colo- tomie ein direetes Heilmittel werden. Praktische Erfahrungen über vollständige, auf dem angedeuteten Wege erzielte Heilungen liegen aller- dings noch nicht vor; doch muss der Versuch, durch die Colotomie die Geschwüre zur Vernarbung zu bringen, die Strietur dann durch Dilatation zu beseitigen und durch nunmehr vorzunehmenden Schluss des Anus praeternaturalis die normale Kothpassage wieder herzustellen, gewiss als rationell bezeichnet werden. Welche stichhaltigen Gründe, einem solchen Modus procedendi entgegenstehen sollten, vermag ich nicht einzusehen. Als einen der ersten Grundsätze der Chirurgie müssen wir festhalten, dass man ein Glied nur dann amputiren, ein Organ nur dann exstirpiren soll, wenn dasselbe unheilbar erkrankt ist oder die zu lange Heilungs- Aus ” Pr £ « FEW IL I 5 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 99 dauer eine schwere Gefahr für die Allgemeinconstitution oder gar das Leben des Patienten bedingen würde. Gegen diesen Grundsatz verstösst aber die Exstirpation des Mastdarmes bei Verschwärungen desselben. Deshalb trete ich zur Zeit, bis weitere Erfahrungen mich eines andern be- lehren, gegen dieselbe und für die Colotomie ein. Herr Richter fragst in Rücksicht auf die Aetiologie der Erkrankung, welchen Erfole die antisyphilitische Behandlung bei seinen Patienten mit syphilitischen Darmgeschwüren gehabt haben. Herr Riegner: Zur thatsächlichen Berichtigung muss ich Herrn Reichel gegenüber zunächst hervorheben, dass ich nicht gesagt habe, alle vier Patientinnen hätten Continenz für Stuhl und Blähungen behalten, ich habe das nur von der zuerst ©perirten constatirt, und ausdrücklich an- gegeben, dass zwei andere nur für Stuhl continent seien, die letztere, bei welcher ich zu viel von der Afterhaut hatte entfernen müssen, zunächst nur derben Koth kurze Zeit zurückhalten könne. — Für die hoch in den Darm hinaufreichenden Ulcerationen halte auch ich, wie ich schon in meinem Vortrag hervorgehoben, die Colotomie für das einzige Mittel, die Beschwerden der Patienten zu lindern und ihre Existenz erträglich zu machen. Was hingegen die mit dem Finger abgrenzbaren, nur den untern Theil des Mastdarms einnehmenden Verschwärungen betrifft, so werden bei dem von mir befürworteten Verfahren der exstirpatio recti, wie die vorgestellten Fälle ad oculus demonstriren, die Kranken durch eine einzige Operation in wenigen Wochen radical und dauernd geheilt, höchstens sind sie bei mangelnder Continenz genöthigt, eine leicht an- zubrinsende und zu controlirende Pelotte an der natürlichen De- fäcationsstelle zu tragen. Dass die durch die Blutung bedingte Gefahr der Operation bei sorgfältiger Ausführung und guter Assistenz nicht so hoch anzuschlagen, zeigt der Erfolg, die Gefahren des Heilungsverlaufs sind durch die Jodoformbehandlung meiner Ansicht und Erfahrung nach ganz unerheblich. Demgegenüber ist der von Herrn Reichel theoretisch bevorzugte Modus, wie ich glaube, ein recht langwieriger, gefährlicher und vor Allem in seinem Endzweck vollkommen unsicherer. Die beiden Operationen vertheilen sich, da die Heilung der ringförmigen, ausge- dehnten Gesehwüre auch nach der Colotomie noch recht lange Zeit in Anspruch nehmen dürfte, auf mindestens ein Jahr, und sind sicherlich, namentlich der Wiederverschluss des künstlichen Afters, was Gefähr- lichkeit und Unsicherheit des Erfolges betrifft, der exstirpatio reeti min- destens gleichwerthig. Vor Allem aber ist die Voraussetzung, welche ja auch nach Herrn Reichels Ansicht ein solches Vorgehen überhaupt erst rechtfertigen würde, dass es nämlich nach der Ausheilung der Ge- schwüre gelingen müsste, die entstandenen Strieturen durch allmähliche oder foreirte Dilatation zu beseitigen, eine falsche. Sind schon die von » dem Vorredner als Analoga herbeigezogenen meist kurzen narbigen 7" 100 Jahres-Bericht Strieturen des Oesophagus und der Urethra durch Dilatation anerkannter- massen niemals dauernd zu beseitigen, sondern nur durch lebenslängliches Bougiren auf einem gewissen Status zu erhalten, so gilt das noch in viel höherem Grade von den engen, festen und langen Strieturen des Rectum, welche durch die Vernarbung der meist den ganzen unteren Mastdarmtheil einnehmenden ringförmigen Geschwüre entstehen müssen. Die Patienten sind, wenn sie ein bis zwei Jahre mit der Heilung ihres Leidens verloren haben, vorausgesetzt, dass sie glücklich die Colotomie, die darauf folgende Dilatationscur und schliesslich den Wiederverschluss des künstlichen Afters überstanden haben, von ihrem Leiden eben noch nicht geheilt, sondern mindestens genöthigt, ihr Leben lang sich zu bou- giren, ganz abgesehen davon, dass das häufige Einführen der Erweiterungs- ınstrumente für die Narben nicht gleichgiltig sein und leicht frische Ulcerationen wieder anfachen wird. Eine radicale Heilung der ausge- dehnten Mastdarmulcerationen ist eben nur in anatomischem, niemals in funetionellem Sinne möglich, und deshalb die Exstirpation des unheil- bar erkrankten Organs meiner Ansicht nach nicht nur gerechtfertigt, son- dern, da sie binnen kurzer Zeit erwiesenermassen wirkliche Beseitigung des Leidens schafft, dem unsicheren und langwierigen Verfahren, wie es Herr Reichel aus theoretischen Gründen befürwortet, entschieden vorzuziehen. Hierauf demonstrirt Herr Fränkel eine exstirpirte Dermoideyste des Ovariums. Das Präparat stammt von Frau A. W. aus Kotzenau bei Haynau i. Schl., 30 Jahr alt, die in 10jähriger Ehe 3 Kinder geboren hatte, das letzte vor 3 Jahren. Ihre Menstruation erschien in regelmässigen, vier- wöchentlichen Intervallen, etwas profus und 8 Tage anhaltend, zuletzt am 26. November h. a., 12 Tage vor der Operation. Sie hatte seit 2 Jahren das Wachsthum der Geschwulst, angeblich von der linken Unterbauchgegend ausgehend, bemerkt und gab an, dass seit ca. einem Vierteljahre die Ausdehnung des Unterleibes rapide zugenommen habe; hierüber, sowie über Schmerzen im Leibe, Behinderung der Urin- und Stuhlexeretion wurde geklagt. Die Untersuchung ergab eine Ausdehnung des Unterleibes durch einen stellenweise deutlich fluetuirenden, an anderen Stellen teigigen bis harten Tumor von unebener Oberfläche und nahezu herzförmiger Gestalt, aus einem grösseren linken und kleineren rechten Segment bestehend. Links von der Linea alba, etwas unterhalb des Nabels, war eine sehr deutlich fluctuirende, mehr als faustgrosse, von der Vorderfläche des Hauptiumors ausgehende Nebengeschwulst fühlbar. Der Tumor reichte tief in den Douglas hinein, fühlte sich von der Scheide aus undeutlich fluetuirend an und verdrängte den Uterus, dessen Hinterfläche er dicht s der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 101 anlag, nach vorn und oben, so zwar, dass der äussere Muttermund dicht hinter der Symphyse und auf deren oberem Rande zu fühlen war, während Fundus und Corpus des vergrösserten Organs in der Mitte zwischen Schamfuse und Nabel etwas nach rechts von der Mittellinie palpabel waren. Der Tumor selbst war nur sehr wenig beweelich, die Bauchdecken über ihm gut verschiebbar. Grösster Umfang des Tumors 85 em, Erhebung über den oberen Rand der Symphyse 23 cm. Die Diagnose wurde auf ein Cystoma ovarii gestellt, jedoch die Möslichkeit eines von der Hinterfläche des Uterus subserös entwickelten Myoma eysticum zunächst nicht völlig ausgeschlossen. Es galt vor Allem, sich darüber klar zu werden, “ob der den Uterus verdrängende, tief in den Douglas und die Scheide prominirende Tumor der Hinterfläche der Gebärmutter nur angelagert, vielleicht durch Adhäsionen daselbst fixirt sei, oder ob er mit mehr oder weniger breiter Basis von der Rückfläche des Uterus selbst ausgehe. Die übliche combinirte Bauchdecken-Scheiden- Mastdarmuntersuchung in Steinschnitt- resp. Steissrückenlage führte hier nicht zum Ziele; es blieb unmöglich, den das kleine Becken ausfüllenden Tumor vom Uterus zu differenziren. Auch von der Holst-Hegar’schen Methode (Herabziehen des Uterus mittelst einer in die Vaginalpartton eingesetzten Kugelzange bei gleichzeitiger bimanueller Untersuchung) war hier keine Aufklärung zu erwarten, weil der durch den Tumor ohnehin schon verenste Raum im kleinen Becken durch das gewaltsame Herunter- ziehen des Uterus — wenn dies überhaupt möglich gewesen wäre — noch mehr beschränkt und das Eindringen der Finger zwischen Gebär- mutter und Geschwulst verhindert worden wäre. Ein Versuch, in Knie- ellenbogenlage den Tumor aus dem kleinen Becken nach der Bauch- höhle zurückzuschieben und so Platz zu schaffen, war gleichfalls ver- seblich. Zu einer entspannenden Punetion des Neoplasma wollte ich nicht schreiten, da seine oben geschilderten Form und Consistenzverhält- nisse eine Dermoideyste des Ovariums nicht ausschliessen liessen und hierbei eine Punction durch den Austritt dermoidaler Elemente in die Bauchhöhle leicht deletäre Folgen hätte haben können. So entschloss ich mich zu einer Untersuchungsmethode, die zuerst Prof. W. A, Freund in ähnlichen Fällen angewandt und in einer Dissertation eines seiner Schüler (Lenz, Sur l’exploration en sus- pension, Strassburg 1880) beschrieben hat. Hegar und Kalten- bach erwähnen dieselbe in der zweiten Auflage ihrer operativen Gynä- kologie, pag. 47: Die Kranke wird nämlich gewissermassen auf dem Kopfe stehend untersucht; Hinterhaupt und Nacken ruhen dabei, durch ein Kissen oder eine Genickrolle gestützt, auf der Erde, während zwei Assistenten die Schenkel der zu Untersuchenden senkrecht erheben und leicht flectirt spreizen. Der Untersucher steht zwischen den gespreizten Schenkeln und untersucht bimanuell von den Bauch- 102 Jahres - Bericht decken und der Vagina resp. Rectum aus, bei sehr empfindlichen und furchtsamen Frauen in Narkose, die in dieser Stellung ohne jedes Be- denken angewandt werden kann. Herr Prof. Freund theilte mir mit, dass er, ohne je einen Nachtheil davon zu sehen, stets chloroformirt hat, um in Suspension zu untersuchen. In unserem Falle war dies nicht nöthig; die Wirkung der Bauchpresse schien auch: ohne Chloroform voll- ständig eliminirt und man konnte, trotzdem auch jetzt das das kleine Becken ausfüllende Tumorsegment weder spontan ganz in die Bauchhöhle herabsank, noch durch Anwendung mässigen Druckes reponirbar war, doch so viel Raum gewinnen, um mit den Fingerspitzen zwischen der hinteren Fläche der Gebärmutter und der vorderen der Geschwulst tief einzudringen und somit zu constatiren, dass beide einander nur apponirt waren, also kein Uterustumor vorlag. Wenn man also durch die Untersuchungsmethode en suspension auch nicht in allen Fällen einen im kleinen Becken fest eingekeilten oder daselbst durch straffe, kurze Adhäsionen fixirten Tumor vollständig frei machen und zurückschieben kann, so dürfte es doch meist — wie in unserem Falle — möglich sein, ihn wenigstens so weit nach dem grossen Becken zu dislociren, dass die Organe des kleinen Beckens verschieb- lich und von einander differenzirbar und die Verbindungsweise des Neoplasma mit ihnen, resp. dessen Ursprung ermittelt werden können. Es würde sich: mithin empfehlen, diese einfache Explorationsmethode häufiger, als es bisher geschehen, für die Diagnose von Becken- und speciell Ovarientumoren zu verwerthen. Die Operation, am 8. December 1883 unter freundlicher Assistenz der Herren Collegen Hohnhorst, Karfunkel und Rosenstein vor- genommen, bot in ihrem ersten Theil nichts besonders Bemerkenswerthes. Wir fanden, wie vorausgesast, eine mittelgrosse Ovariencyste, deren dermoide Beschaffenheit erst nach ihrer Eröffnung evident wurde; die Entwicklung der Cyste ging mühelos. von Statten, nur wenig und dünne parietale Adhäsionen waren zu durchtrennen. Auch das im kleinen Becken eingekeilte Geschwulstsegment folgte leicht. Hingegen war die Orien- tirung über den Ausgangspunkt der Geschwulst (T) — s. Abbildung — einigermassen schwierig; die letztere entsprang scheinbar mit 2 isolir- baren Stielen von den beiden oberen Ecken des im unteren Wundwinkel sich präsentirenden, bedeutend vergrösserten und dextrovertirten Uterus, und zwar mit einem dünneren, circa 2fingerdicken (Str) von der rechten Kante und mit einem sehr breiten, gefässreichen und dieken Strange (Stl) von der linken Tubareeke und Seitenfläche des Uterus (U), derart, dass zwischen beiden Stielen, parallel dem Fundus der Gebärmutter, ein freier Zwischenraum (Z) war, von dem aus die Unterbindung beider vorgenommen werden konnte. Der linke Stiel ging straff gespannt in die Tiefe des kleinen Beekens hinab. Auf der Vorderfläche der Dermoid- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 103 ceyste verlief stark dilatirt und geschlängelt, die linke (Tu) Tube zu dem gleichfalls hypertrophirten, sonst aber in seiner Struetur wenig ver- ändert erscheinenden linken Ovarium (Ov.), das ungefähr in der Mitte der vorderen Fläche der Geschwulst in fast horizontaler Richtung mit der letzteren untrennbar fest verwachsen war. Im rechten Stiel konnte man deutlich die rechte Tube unterscheiden, vom rechten Ovarium war nichts mehr nachweisbar. Es konnte mithin während der Operation unter dem ersten Eindruck der doppelten Stielbildung scheinen, dass es sich um einen doppelseitigen Ovarientumor handle, dass beide Tumoren durch Adhäsionen fest mit einander verbunden seien und dass von dem linken Ovarium noch normales, funetionirendes Gewebe (das der Vorder- wand des Tumors adhärente Ovarium) zurückgeblieben sei. Allerdings widersprach dieser Annahme die Beschaffenheit des linken, flächenartig im kleinen Becken sich ausbreitenden, in das Ligam. latum sinistr. diffus übergehenden vermeintlichen Stiels. Eine richtige Deutung wurde erst nach Entfernung der Geschwulst durch die freundliche Untersuchung derselben durch Herrn Professor Ponfick dahin gegeben, dass es sich um eine Dermoideyste des rechten Ovarium handle, die nach wahrscheinlich längerem Aufenthalt in der Höhle des kleinen Beckens und peritonitischer Verlöthung mit ihrer Umgebung, speciell mit dem sonst normalen linken Ovarium sich, vielleicht durch seröse Transsudation in ihre Höhle, in der letzten Zeit rasch vergrössert habe. Dieser Ver- srösserung weichend sei der Uterus, da das kleine Becken durch ein Ge- schwulstsegment schon ausgefüllt war, nach oben, in die Bauchhöhle gedrängt und hierbei die linke Tube und das linke Ovarium, von früher her der Vorderfläche des Dermoids adhärent, gleichfalls nach oben dis- loeirt worden. Diesen Organen folgend, wurde auch das linke Ligam. 104 Jahres-Bericht latum nach oben verzerrt und ausgezogen und bildete so den zweiten, auf die Geschwulst und linke Seitenfläche des Uterus continuirlich übergehenden Pseudostiel. Der weitere Verlauf der Operation: Partienweise und eireuläre Unterbindung und Durchtrennung beider Stiele, isolirte Unterbindung einiger Gefässe von sehr grossem Kaliber in dem durchtrennten linken breiten Mutterbande, Versenkung derselben in die Bauchhöhle nach Verreibung ihrer Schnittflächen mit Jodoform (Fritsch), sorgfältige Peritonealtoilette mit Sublimatlösung (1 : 10 000), endlich Verschluss der Bauchhöhle boten nichts Besonderes. Erwähnenswerth scheint mir die Vereinfachung des Wund- verbandes, wie ich denselben nach Ovariotomien in der Schröder- schen Klinik anwenden sah und jetzt hier gleichfalls mit bestem Erfolge applieire. Statt des kostspieligen, durch Druck und übermässiges Hitze- gefühl die Operirten in den ersten Tagen oft sehr genirenden Watte- Compressivverbandes des Abdomen wird die Wunde dünn mit Jodoform bepulvert, mit einer entsprechend grossen und nicht zu dieken Schicht weicher Jodoformgaze (ich verbrauchte kaum 1 Meter) bedeckt, darüber eine einfache Lage Lister’schen Mackintosh und das Ganze mit breiten Streifen amerikanischen, ausgezeichnet klebenden Heftpflasters fixirt. Diesen Verband, der um mehr als das Doppelte billiger ist, als der üb- liche Watte-Binden- oder streng Lister'sche Verband — ein Umstand, der bei den meist armen Patientinnen, die zu laparotomiren sind, nicht ganz zu übersehen ist —, der ausserdem den Öperirten frei und aus- giebig zu athmen erlaubt, sie weder drückt, noch durch Hitze belästigt, ist ausserdem vollständig fest genug und nach allen Seiten bei genauer Anlegung fast hermetisch schliessend, vor Eindringen von Infections- keimen schützend. Einen Watte:Compressivverband würde ich nur noch nach Entfernung sehr grosser Unterleibsgeschwülste Zwecks Verhinderung zu plötzlicher und starker Herabsetzung des intraabdominellen Drucks an- legen, oder dann, wenn Nachsickern von Blut aus zahlreichen, durch- trennten parietalen Adhäsionen eine blutstillende Compression des Ab- domen wünschenswerth machte. Ich entfernte den Jodoformgazeverband (nach fieberfreiem Verlauf) erst am 9. Tage nach der Operation und fand die Wunde so vollständig per prim. intent. vereinigt, wie noch bisher bei keiner 'anderen Verbandweise. Die Operirte verliess am 12. Tage das Bett und reiste am 16. Tage nach ihrer Heimath. Die exstirpirte Cyste (Untersuchung durch Herrn Dr. Hanau im pathologischen Institut) zeigte eine ziemlich derbe Wandung von be- kannter Struetur und enthielt neben trüber, bräunlicher Flüssigkeit Haare, Talgdrüsen, Knochen (Kieferstücke), Zähne und Zahnkeime Sie war nicht, wie die meisten Dermoideysten, uniloculär, sondern zerfiel in mehrere grössere und kleinere Höhlen, die durch Scheidewände von der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 105 ziemlich derbem Gewebe nur unvollkommen von einander getrennt waren, Ihre Innenfläche zeigte kleine röthliche Knöpfchen bis Schrotkorngrösse, aus sehr gefässreichem Granulationsgewebe bestehend. Ein grösseres Knöpfchen, circa erbsengross, besteht central aus Fettgewebe. Die Flüssigkeit, von exquisit ovariellem Aussehen, fadenziehend, reagirte neutral und war sehr stark albuminreich; ausserdem enthielt sie Paralbumin und Mucin. Es fanden sich in ihr viel Körnchenkugeln. Bin seltenes Verhalten bot die in der Flüssigkeit enthaltene Fettmasse dar. Dieselbe zeigte sich zu zahlreichen harten, meist runden, theilweise aber auch unregelmässig geform- ten, grösseren und kleineren Klumpen zusammengeballt. Dieselben bestanden aus verfetteten und verhornten Epithelien, amorphem Fett und Haaren. In der Litteratur sind nur zwei ähnliche Fälle, von Rokitansky und Routh (ef. Olshausen, Die Krankheiten der Ovarien. Stuttgart. Enke 1877, p. 402), bekannt, wo das Fett nicht eine einzige zusammen- hängende Masse bildete, sondern in Gestalt zahlloser Kugeln in einem schmutzigbraunen Fluidum schwamm. In unserem Falle stürzte nach Ineision der Cystenwand bei der Operation eine ganz ähnlich aussehende Flüssigkeit und mit ihr viele Fettkugeln hervor. Noch viel mehr blieben in der Cyste zurück. Betreffs der Ursache dieses Zerfalls der Fetimasse in einzelne Kugeln schliesse ich mich ganz der Olshausen’schen An- sicht an, dass die Vermischung des Fetts mit der in die Cyste trans- sudirten und mit Blut gemengten Flüssigkeit — wie sich dieselbe auch in unserem Falle fand — das ätiologische Moment dafür abgegeben habe und nicht — wie Rokitansky annahm — eine Stieltorsion und eine dadurch dem Fett mitgetheilte rotirende Bewegung. Denn einmal war in unserem Fall von einer Torsion des Stiels nichts zu bemerken, andrer- seits waren auch die Fettklumpen nicht regelmässig genug abgerundet, theilweise sogar sehr unregelmässig gestaltet, um durch eine rotirende Bewegung concentrisch sich zusammengeballt haben zu können. Schliesslich blieb noch die Frage zu erörtern, ob wir es in diesem Falle mit einem reinen Dermoid zu thun hatten oder — wofür die bei derartigen Tumoren ungewöhnliche Multiloeularität zu sprechen schien — mit einer Combination einer Dermoideyste mit Colloidentartung. Da sich aber bei sorgfältiger Durchsuchung der Cystenwand durch die Herren Collegen Hanau und Rosenstein keinerlei epitheliale Elemente eines proliferirenden Cystoms, vielmehr nur epidermoidale Bildungen vorfanden, so mussten wir bei der Annahme einer reinen Dermoideyste stehen bleiben, in die, vielleicht im Zusammenhange mit dem letzten Puerperium, eine Blutung und Transsudation von Flüssigkeit stattgefunden und das rasche Wachsthum derselben in der letzten Zeit bedingt habe. 106 Jahres-Bericht Die Nosogenie der Dermoide anlangend, hat ein von A. Fränkel in Wien (ef. Refer. im Centralbl. f. Gynäk. Nr. 38, 1883) publieirter Fall Billroth’s, Dermoideyst. d. Ovar., complieirt mit multipl. Dermoiden des Peritoneums, zu erneuter Discussion der jetzt geltenden Theorien über die Entstehung dieser Neoplasmen Veranlassung gegeben. Fränkel bleibt mit geringen Erweiterungen bei der Heschl-Lücke’schen Theorie von der fötalen Inclusion abnormer Bestandtheile in das Ovarium. Er erklärt das Auftreten dieser und der anderen tiefen Dermoide durch Einstülpungen in das mittlere Keimblatt (Lücke) und leitet das Vor- handensein von osteoidem Gewebe in Dermoideysten von einem, mit der Einstülpung gleichzeitig erfolgenden Einschluss von osteogenetischen Elementen der Urwirbelmasse aus der Umgebung der eingestülpten Partien her. Uns will diese Hypothese immer noch plausibler erscheinen, als das Zurückgehen Waldeyer’s auf den Blumenbach’schen Nisus for- mativus, die besondere Bildunsskraft der Elemente des Ovariums, wo- nach dessen der Eizelle äquivalenten Epithelzellen auch andere Form- elemente als wiederum epitheliale Gebilde hervorbringen können. Es scheint in der That wenig wahrscheinlich, dass plötzlich aus Drüsen- sewebe Knorpel und Knochen entstehen sollen. Und dann, wie Ols- hausen (l. c.) sehr richtig hervorhebt, passt diese Theorie nur für die Ovarialdermoide; allenfalls vielleicht noch, möchte ich hinzufügen, für die Dermoide im weiblichen Becken in der Nähe der Ovarien, wohin einzelne Ovarialelemente versprengt sein können. Wie will man aber mit der Waldeyer’schen Theorie die tiefen Dermoide des Hodens und Gehirns und die ganze Reihe der oberflächlichen in der Orbita, dem Mund, Hals nebst Mediastinum anticum erklären? Man müsste, sagt Ols- hausen, für anscheinend gleiche Bildungen zwei ganz verschiedene Theorien der Entstehung aufstellen, und so scheint uns die Inclusionstheorie immer noch den Vorzug der Einheitlichkeit zu besitzen, dass bei Ein- stülpungen im Bereiche des äusseren Keimblattes subeutane, bei Ein- stülpungen in das mittlere tiefe Dermoide entstehen. Zu Secretairen für die nächste Etatszeit wurden die bisherigen Secretaire wiedergewählt. ' L der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 107 11. Bericht uber die Thätigkeit der Section für Öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1883, erstattet von den Herren Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Prof. Dr. Förster und Königl. Bezirks-Physieus und Privat-Docent Dr. Jacobi, zeitisen Secretairen der Section. Erste Sitzung am 2. Februar. 1. Herr Dr. Leppmann giebt zur Einleitung der Diseussion das fol- gende Resum6 über seinen am 15. December 1832 gehaltenen Vortrag über die sanitätspolizeilichen Postulate zur Prophylaxe der Lues, Zur Verhinderung der Verbreitung der Syphilis sind erforderlich: J. Gemeinsame internationale Praeventivmassregeln. II. Systematische Regelung der prophylaktischen Massregeln im Einzelstaat unter direeter Oberaufsicht desselben. III. Sanitäre Controle gewisser Bevölkerungsklassen und zwar: 1. der Prostituirten durch Ueberwachung der geduldeten und Unterdrückung der heimlichen Prostitution. Zu diesem Behufe werden die Prostituirten am zweckmässissten in Bordelle con- centrirt. . des Soldatenstandes; . der Matrosen und eventuell der Schiffsreisenden; . gewisser Kategorien der Arbeiterbevölkerung; . von Angehörigen des dienenden Standes, namentlich der Ammen und des Krankenwartpersonals; 6. der in öffentliche Zwangsanstalten Aufgenommenen. IV. Ueberwachung von Ritual- und Volksgebräuchen, sowie der chirur- gischen Verrichtungen, namentlich der Beschneidung und Impfung. em 108 Jahres - Bericht V. Sorge für ausreichende Behandlung aller Erkrankten. VI. Sorge für zweckmässige Belehrung. VI. Staatliche Initiative zur Schaffung einer genauen Syphilis-Statistik. VIll. Strafrechtliche Verfolgung derer, welche die Krankheit wissentlich verbreiten. Herr Dr. Asch hält vor Allem für nothwendig, dass die Prostituirten unentgeltliche Aufnahme im Krankenhause finden, damit sie selbst frei- willig um Aufnahme nachsuchen mögen. Herr Dr. Leppmann empfiehlt dagegen aus praktischen Gründen einen festen Beitrag zu verlangen. Herr Professor Dr. Neisser hält die Einrichtung eines neuen Sy- philis- Hospitals für wünschenswerth, weil in der Klinik thatsächlich Platzmangel besteht. Man dürfe nicht, wie jetzt, aus Rücksichten auf den Raum veranlasst sein, Syphilitische möglichst früh zu entlassen. Ferner müssten gegenwärtig sehr häufig Kreis- und sonstige Provinzialkranke zurückgewiesen werden, deren Unterbringung und Kur im allgemeinen Sanitätsinteresse geboten ist. Wo bleiben diese? Genügende Hospitäler und leichte Aufnahme der Erkrankten seien die wichtigsten Grundlagen der Syphilis-Prophylaxe. Herr Bezirks-Physikus Dr. Jacobi hält gleichfalls für den Haupt- punkt der Syphilis-Prophylaxe die möglichst leichte Zugänglichkeit der Hospitalpflege. Die englischen Syphilidologen wollen dies ausschliess- lich mit solcher Einseitigkeit, dass sie selbst die periodischen Unter- suchungen der Prostituirten zurückweisen. Ferner hält er eine staatlich organisirte Controle durch das ganze Land, wie in Italien, für noth- wendig. Herr Professor Dr. Neisser führt an, dass jährlich ca. 200 Syphi- litische aus der Provinz sich in der Klinik vorstellen, ferner, dass schon jetzt viele Prostituirte freiwillig wegen Syphilis sich an das Hospital wenden. Herr Simson bittet vom ethischen Standpunkte aus, diese Schmach der Zeit nicht noch durch weitere Anträge zu vergrössern. Herr Dr. Asch erwidert dem Vorredner, dass es sich für uns darum handle, die gefährlichste der Volkskrankheiten zu bekämpfen. Er hält auch die Errichtung von Kreis- resp. Bezirkskrankenhäusern für Syphilis für geboten und empfiehlt eine bezügliche Petition an den Pro- vinzial-Landtag. Herr Dr. Arning hält ein Einschreiten gegen die Kurpfuscherei gerade auch in Rücksicht auf diese Frage für nothwendig. Herr Bezirks-Physikus Dr. Jacobi stellt den Antrag: ‚eine Com- mission zu ernennen zur Abfassung einer kurzen Denkschrift, welche die heute anerkannten Uebelstände zusammenfasst und geeignet ist, den interessirten Behörden eingereicht zu werden.“ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 109 Dieser Antrag wird angenommen und in die Commission mit dem Rechte der Cooptation werden gewählt die Herren Neisser, Lepp- mann, Asch, Schlockow, Jacobi. 2. Herr Dr. Asch beantragt: „den Magistrat zu ersuchen, dass die Anzeigen der infeetiösen Krankheiten auf bestimmten Formularen auf städtische Kosten seitens der Aerzte durch die Post der Polizeibehörde zugesandt werden.“ Der Antrag wird der obengenannten Commission gleichfalls zur Vor- berathung übergeben. Zweite Sitzung am 9. März. i. Herr Dr. Emil Stern hält einen Vortrag zur Localstatistik infektiöser Erkrankungen. Eine gesteigerte Ausbreitung venerischer Erkrankungen in neuerer Zeit ist oft behauptet, selten jedoch ziffermässig dargethan worden, wie dies neuerdings für Budapest durch Jurkiny geschehen. Für Bres- lau aber erscheint dieser Nachweis um so zeitgemässer, als jüngst hier die hygienische Section die Frage der Syphilis-Prophylaxe eingehender behandelt hat. Vortragender hat seinen statistischen Studien die Jahresberichte des Allerheiligen-Hospitals pro 1860 bis inel. 1881 sowie die statistischen Sanitätsberichte der preussischen Armee, soweit sie veröffentlicht sind, zu Grunde gelegt. Wie aus den vorgelegten Tabellen ersichtlich, prävaliren im Hospital stets die weiblichen Venerischen. Von allen venerischen Affectionen hatte die Blennorrhoe stets die geringste Frequenz; sie kam in den sechziger Jahren zumeist häufiger bei Weibern, in den siebziger Jahren ausnahmslos öfter bei Männern zur Behandlung. In den Jahren 1560 bis 1868 kam das primäre Geschwür häufiger zur Behandlung als die const. Syphilis, von da ab war das Umgekehrte der Fall. An beiden Formen aber wurden stets mehr Weiber behandelt als Männer. Im Alter von unter 15 und über 60 Jahren kamen venerische Erkrankungen nur in verschwindend kleiner Zahl zur Beobachtung. Deshalb wurde nur das Verhältniss der Hospitalkranken zur jeweiligen Zahl der Bevölkerung im Alter von 15—60 Jahren in Betracht gezogen und danach der Gang der relativen Erkrankungsfrequenz an venerischen Erkrankungen graphisch dargestellt. Die Häufigkeit venerischer Erkrankungen stieg bei den Weibern ziemlich schnell in den Jahren 1861 und 1862, sank etwas 1863, um 1864—1866 recht hoch zu bleiben. Von da aber trat ein fast eontinuirliches Sinken bis zum Jahre 1875 ein. Im Jahre 1875 beginnt eine neue Zunahme, die sich 1877 intensiv steigert. 1878 bleibt die Frequenz ziemlich auf gleicher Höhe, sinkt 1379 und 1830 stark, um 1881 wieder bedeutend in die Höhe zu gehen. 110 Jahres - Bericht Bei den Männern zeigen die venerischen Erkrankungen einen ziemlich gleichen Gang, jedoch sind die Schwankungen weniger ausgiebig, auch wird der Höhepunkt der Erkrankungsfrequenz meist etwas später erreicht. Bei beiden Geschlechtern aber fällt die niedrigste Morbiditätsfrequenz in das Jahr 1875. Der Antheil, den die constitutionelle Syphilis an der Ge- sammtsumme aller venerischen Erkrankungen nimmt, beträgt 23 bis 57 pCt. und ist namentlich seit dem Beginn der siebziger Jahre grösser geworden. Die venerischen Erkrankungen beim Militair werden auf Grund der amtlichen Berichte gleichfalls tabellarisch zusammengestellt und der Gang der Seuche auch hier durch graphische Darstellung veranschau- licht. Die Frequenz venerischer Erkrankungen beim VI. Armeecorps ist in den Berichtsjahren 1867— 1880/81 (mit Ausnahme des Jahres 1868) stets grösser als bei der gesammten Armee, während die Garnison Bres- lau in den Jahren 1873—1876/77 eine etwas kleinere Frequenz dieser Erkrankungen zeigt als die Armee. Von da aber sind in der Breslauer Garnison die venerischen Erkrankungen relativ häufiger als im ganzen Heere. Ganz analog dem Gange der venerischen Erkran- kungen bei den männlichen Hospitalkranken sinkt bei der Militairbevölkerung Breslaus die Frequenz dieser Erkran- kungen in den Jahren 1873—1876, steigt rapide an 1877 und hält diesen hohen Stand bis 1879 inne. Auch die censtitut. Syphilis zeigt ein ziemlich gleiches Verhalten beim Militair, wie beim Civil. Aus diesem übereinstimmenden Verhalten beider lässt sich aber ein Schluss auf die Morbidität der Gesammtbevölkerung wohl ziehen. Als ursächliche Momente aber für das gehäufte Auftreten vene- rischer Erkrankungen werden nachgewiesen: Abnahme der Ehe- schliessungen, mit der eine Zunahme der ausserehelichen Ge- burten Hand in Hand geht, sowie Sinken desallgemeinen Wohl- standes, ermittelt durch Berechnung des pro Kopf der Bevölkerung ent- fallenden eingeschätzten Einkommens. Eine Berechnung des numerischen Verhältnisses der unter polizeilicher Controle stehenden Prostituirten zur jeweiligen Einwohnerzahl ergiebt für Breslau in den Jahren 1866 bis 1872 eine Abnahme, von da ab aber eine stetige Zunahme der Dirnen. Ein gleiches Verhalten zeigte sich in Berlin, wo übrigens im Verhältniss zur Gesammtbevölkerung kaum die Hälfte so viel Dirnen unter polizeilicher Controle stehen, wie hier. Sodann wurden die Wohnungsverhältnisse der im Hospital aufgenommenen Venerischen kurz berücksichtigt und schliesslich folgende Massregeln zur Einschränkung der Seuche empfohlen: © der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 111 . Es ist dahin zu wirken, den allgemeinen Wohlstand zu heben, namentlich aber sind der weiblichen arbeitenden Bevölkerung neue Erwerbsquelien zu eröffnen. . Die Polizeiaufsicht in den Strassen ist auch für die Naechtzeit Polizeibeamten von Beruf zu übertragen. Den Aerzten ist eine Anzeigepflicht der Infectionsquellen auf- zuerlegen. | Zur Strafe gezogen werden soll Jeder, der eine ansteckende Genitalaffeetion wissentlich verbreitet und die Heilung derselben zu betreiben unterlässt. . Die Aufnahme Infieirter in die Krankenhäuser soll thunliehst erleichtert, die Kenntniss der Gefahren der Syphilis-Infeetion mög- lichst verbreitet werden. Nachfolgende Tabellen wurden zur Erläuterung des Vorgetragenen der Versammlung mitgetheilt. Tab. I giebt die absoluten Zahlen der im Allerheiligen-Hospital an vener. Affeetionen Behandelten, Tab. II das Verhältniss derselben zur jeweiligen Einwohnerzahl im Alter von 15—60 Jahren, 'Tab. III die vener. Erkrankungen beim Militair, Tab. IV das Verhältriss der polizeilich eontrolirten Prostituirten zur jeweiligen Einwohnerzahl. Tabelle I. Im Allerheiligen-Hospital wurden behandelt: © L. ae ae E Blenorrhoe. Uleus primar. Const. Syphil. Vener. Affect. Ela | w Sa. 1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1875 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 M. | w 3 | M | w. Sa. m.) “| Ca, 7 ga a 59'137 | 196) 64 ' 106 | 120 |... 180: | 8ıs.| 497 BE aloe | 188 O6 | 54 Da lıze| 19a | Ss8| 53 66. | 101 | 167. | 125 | ass | Aıı | 77 | 138 | 215 | 2688 | 525 | 793 77 | 55 | 132 | 117 | 224 | 341 | 11a | 179 | 293 | 308 | 458 | 766 88 | 78 | ı66 | 125 | 307 | as2 | 86 | 183 | 269 | 299 | 568 | 867 sol 21m ı13 345 | Ass| 59 | 182 | 191 | 252 | 569 | 82ı 90 95 192 188 | s1o | Ms | 74 | 195 | 269 I..11 | 600 | il 92 | 106 | 198 | 132 | 273 | 405 | sz | ıs8 | 270| s11 | 52 | 87 104 | 83 | 187 I ı1ıs | 216 | 334 | 122 | 274 | 06 | 354 | 573 | 97 112 | 108 | 220 | 111 | 108 | 219 | 123 | 266 | 389 | 346 | 482 | 828 E57 12| 82 | 155. [937 | 110 | 240 | 3250| 257 | 452 | 709 62 | a7 | 109 | 63 | 205 | 268 | 137 | 249 | 386 | 262 | 501 |. 768 72, 37\109| s5 | 163 | 248 | 169 | 227 | 396 | 326 | 7 | 753 .52 2| 54 | 108 | 178 | 286 | 154 | 208 | 362 | 314 388 702 Al... 41 | 95179) 274 | 146 | 238 | 384 | 282 417 699 21ı —| 7117124: 162.| 286 | 83 | 205 | 293 |. 285 867 650 Se 7721 2200551 |, 911252323 | 504 452 756 93 2 |. 99.1105 | 376.) 4817| 256 | 461: | 717 | 460 83771297 S0 0.0.87 . h n, 452 891 | 1343 141 6 | 147 471 746 | 1217 2,134 | 450 7022 1152 E12 Jahres-Bericht Tabelle I. r DE Von 10 000 Civil-Einw. im Alter u ws 8 von 15—60 Jahren wurden im © Gesammt- Civil-Bevölkerung ' Allerheil.-Hosp. behandelt = Bevölkerung ER an Au IV. S 2 I eben an vener. Affect. | an const. Syph. = =, E los. mw sm. | weolasan | tn) von en M..\.W., asapaM. | SW. == 1860 40475 | 47520| 87995144,5 | 64,8 56,6] 15,8 | 22,3 | 19,3 18611 71405 | 74138| 42987 |) 49538) 92525145,1| 78,3 62,9 | 12,6 | 24,6 | 19,2 1562 ; i 45.499) 51.556 | ‚92.0551.58,9 101,8 .81,2.16,9.| 26,72 22,1 1863 . 1 48011| 58574| 101585 |64,2| 85,4 | 75,4 | 23,7 | 33,4 | 28,8 1864| 81144 | 82975| 50523] 55592 | 106 115 | 59,2 | 102,1 | 81,7 | 17,0 | 32,9 | 25,3 1865 .. 150830| 578357 |108187[49,6| 99,1\ 75,9 | 11,6 | 23,0 | 17,7 1866 S 51137 | 59122 | 110 2591] 60,9 | 101,5 | 82,6 | 14,5 | 33,0 | 24,4 1867| 82936 | 88890| 51444 | 60887 | 112331 |60,5| 92,3 | 77,7 | 16,9 | 30,0 | 24,0 1868 53 900 | 63772 | 117 672] 65,7 | 89,8 | 78,8 | 24,6 | 42,9 | 34,6 1869 56 356.1. 66,657 123.013761,2| 725162821203 399 31.0 1870 58812 | 695421128 354 143,7 | 65,0 59,218, 34,5 27,3 1871| 99543 |108454| 61 269 | 72430 | 133 699] 42,7 | 69,2 |57,1122,3 | 34,4 | 28,9 1872 i 63816 | 75060 | 138 876 | 51,1| 56,8 | 54,2 126,5 | 30,2 | 28,4 1873 ; 66. 363 |. 77.690:| 144.053 1 47,3 | 49,91 48,7123.2206,8125,1 1874 68 910 | 80 320 | 149 230 [40,9 | 51,9 | 46,8 120,9 | 29,7 | 25,7 1875 | 114 829 | 124 904| 71458 | 82951 | 154409 | 39,6 | 44,2 | 42,0 | 12,3 | 24,7 | 19,0 1876 75186| 89 109|164295|40,4 | 50,7 | 46,0 | 12,1 | 26,0 | 19,6 1877 78914 | 95 267 | 174181 |58,3| 87,7 | 74,4 | 32,4 | 48,3 | 41,1 1878 \ 82 642 | 101 425 | 184 067 | 54,7 | 87,91729| . Ä 1879 - 86 370 | 107 583 | 193 953 | 54,5. | 69,3 | 62,7 j 1880 | 125 936 | 146 976 | 90 098 | 113 743 | 203 841 | 40,9 | 61,7 | 56,5 2 1881 | 128 242 | 149 667 | 91 748 | 115 826 | 207 574 66,4| 93,4 | 81,4 Tabelle Il. Garison Frolan. Von 1000 Mann erkrankten: | Absol. I. | | : ; Il. IV. Im Jahre Kopf- | Zahl der in der im VL Ar- | ind. preuss. Ä Erkran- Garnison ee ne M Stärke. | kungen. Breslau. er ; El 00050 [Vener. | Syph. | Vener. | Syph._|_Vener. | Syph. | Vener. | Spph._ | Syph. | Vener. | Syph. | Vener. | Syph. | Vener. | Syph. | ” 1867 : >| 585 5102| 58 | 1868 e | - x 5 46,3 103 48, 2 led 1869 14080 910) 495,4 109 1870 1. Halbj. ee. ls 1871 2. Halbj. "| 545 | 106 54 | 5 1872 : : | \ ? R 57,3 | 45,1 10,3 1873 1. Quart. 2,4) 12,18. DE 02) \ 1873/74 4.388 |. 147. |, 46 |:335... 105.1 498 | 1900. | 384 | 07 1874/75 A601 |.195 ..46.| 293 | 100. 321 100 B lo re 187/76 5.146 | 148 1.30.1288 158 |»413.| 96 | >88 | 4 1876/77 5.031 |, 122. |, 98 | 562 | 56 | 303 - 108 1 >00 6% 1877/78 4993 | 227 | 58-| 46,1 | 11,8 | 61,1 | 146 | 860 | 74 1878/79 A943 | 354 | 50 | 514 |101 | 59.1.7. 169 | 585 84 1879/80 4929 |.234 | 66 | 474 | 134 | 536 | ızz | s29.| 88 1880/81 4908 | 270 | 67 | 550 | 13,6 | 62,7 | 173 | 392 | 101 1881/82 5233 | 2834 | a7 | 47 | 90 |.587 | 156 der Schles. Gesellschaft für vaterl. QCultur. 113 Tabelle IV. ee Breslaus Aral Von 100 inseri- = 2 = pirtenErpsgiuiien ' Zahl Sen wurden krank u Be Ein- der inscribirten = = on befunden ohne Prostituirten BiloNE KERLS Zahl zB & = im ih absol. oo se Breslau Berlin 1866 168 450 731: 4,34 ä 70,9 1867 171219 799 4,66 58,6 1868 192 068 840 4,37 3 60,4 5 1869 197 753 873 451 2,24 75,0 59,5 1870 204 218 34 3/59 2,11 41,6 559 1871 207 606 776 3,73 1.96 56,0 51,8 1872 215 053 769 357 1,96 32,2 62,8 1873 222 747 843 309 1,93 42,6 64,4 1874 230 986 947 4,10 2.09 292 576 1875 239 408 985 4,11 2,32 16,6 45,3 1876 246 286 1 150 4,67 2,45 19,2 - 1,9 1877 29477712 1 261 Dr 2,49 29,3 82,4 1878 260 895 1465 5,61 2,61 251 572 1879 267 377 1 609 6,02 2,78 34,7 50,7 1880 273 293 1 762 6,45 2,83 42,3 44,1 1881 277 909 18323 4,76 e 48,0 i 1882 284 013 1540 9,42 { S 2. Herr Professor Dr. Neisser erstattet den Bericht der in der ersten Sitzung gewählten Commission bezüglich der Syphilisprophylaxe: „Die Section solle dem Magistrat vorschlagen, zu veranlassen, dass für die Prostituirten ein Hospital-Abonnement obligatorisch werde.“ Eine in diesem Sinne abgefasste, von Herrn Dr. Leppmann formulirte Zuschrift wird verlesen und einstimmig beschlossen. 3. Herr Dr. Asch erstattet den Bericht derselben Commission be- züglich der Anzeigeformulare: „Die Section solle dem Magistrat vor- schlagen, behufs frühzeitiger Anzeige jedes Falles einer ansteckenden Krankheit die Aerzte Breslaus mit Meldekarten zu versehen, auf denen die jeweils vorliegende Infectionsform unterstrichen wird, und welche sodann per Post dem Königlichen Polizei-Präsidium zugesandt werden.‘ Dieser Antrag wird gleichfalls einstimmig angenommen. Dritte Sitzung am 6. April. 1) Herr Prof. Dr. Hermann Cohn demonstrirte ein Modell der Accommodation des Auges. Für das Verständniss der Ent- stehung der Kurzsichtigkeit ist die Lehre des Mechanismus der Accom- modation beim Nahesehen von grösster Wichtigkeit. Durch Zeichnungen kann dieser Mechanismus nur schwer klar gemacht werden. Ein Modell, von v. Beetz in München im Jahre 1867 construirt, zeigt wohl die Krümmung der Linse und die Spannung der Aderhaut, leider aber 1883. fo) 114 Jahres-Bericht weder den Accommodationsmuskel noch das Aufhängeband der Linse. Gerade diese schwer zu beschreibenden Theile hat der Vortragende an seinem Modell sichtbar und beim Nahblick veränderlich gemacht. Durch Senkung eines einzigen Hebelarmes hinter dem Modell werden 5 Veränderungen im Auge hervorgerufen, die beim Sehen in die Nähe eintreten; es wird nämlich 1) das Aufhängeband der Linse erschlafft, 2) die Krümmung der vorderen und hinteren Linsenfläche vermehrt, 3) der Accommodationsmuskel zusammengezogen, 4) die Aderhaut nach vorn gespannt und 5) der Pupillarrand der Iris nach vorn bewegt. (Ge- nauere Beschreibung folgt im Centralblatt für Augenheilkunde, April- heft.) Um den Preis niedrig zu bemessen, zeigt das Modell nur fünf- malige Vergrösserung des Auges; es wird vom Optikus Heidrich in Breslau, Schweidnitzerstrasse 27, für 12 Mark angefertigt und dürfte für physiologische und hygienische Vorträge, besonders auch in Semi- narien und Schulen für populäre Darstellungen zu empfehlen sein. Der Vortragende wird das demonstrirte Modell in der hygienischen Aus- stellung in Berlin in der Gruppe der hygienischen Lehrmittel aus- stellen. 2) Herr Prof. Dr. Hermann Cohn demonstrirte die von der hie- sigen königl. Regierung empfohlene Schulbank des Herrn Resie- rungs-Baurath Beyer. Alle Aerzte sind seit fast 20 Jahren darin einig, dass der wesent- lichste Theil der Schultischreform in der sogenannten Minusdistanz der Bank beim Schreiben besteht. Subsellien mit positiver Horizontal- Entfernung von Tisch und Bank sind den Augen schreibender Kinder schädlich. In sehr präciser Weise hat neuerdings Geh. Rath Prof. Esmarch die wesentlichsten Regeln für richtiges Sitzen gegeben in einer Be- lehrung, welche an die Eltern schiefwerdender Kinder in der chirur- gischen Klinik in Kiel vertheilt wird. | Die kurze Belehrung von Prof. Esmarch, deren weiteste Vorbreitung wünschenswerth ist, lautet: „Schulkinder werden schief und kurzsichtig durch krummes Sitzen auf schlechten (altmodischen) Schulbänken. Sie sitzen krumm, wenn die Bank zu weit vom Schultisch entfernt und im Verhältniss zum Tisch zu niedrig ist und keine zweckmässige Rückenlehne hat. „Die Schulbank ist daher nur dann nicht schädlich für die Ge- sundheit, wenn das Kind auf derselben beim Schreiben und Lesen auf- recht sitzen muss und längere Zeit ohne Ermüdung so sitzen kann. Um dies zu erreichen, muss 1) das Sitzbrett gerade so weit vom Fussboden (Fussbrett) ent- fernt sein, als die Unterschenkel des Kindes lang sind (von der Knie- kehle bis zur Sohle gemessen); der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 115 2) muss das Sitzbrett so breit sein, als die Oberschenkel lang sind (von der Kniekehle bis zum Rücken gemessen); 3) muss der abgerundete vordere Rand des Sitzbrettes 2—3 cm weiter vorstehen, als der innere Rand des Tisches; 4) muss das Sitzbrett so hoch sein, dass das Kind beim Schreiben die Vorderarme bequem auf die Tischfläche auflegen kann, ohne die Schultern zu heben oder Kopf und Rücken zu senken; 5) muss der untere Theil des Rückens beim Lesen genügend ge- stützt sein (Kreuzlehne). „Da mit dem Wachsen der Kinder sich diese Verhältnissse ändern, so sollten mindestens alle halbe Jahre auch die Sitze durch Nachmessen corrigirt werden.‘ Wenn Prof. Esmarch heut in die Breslauer Schulen käme, so würde er nach seinen sehr richtigen Prineipien in jeder Klasse die Sub- sellien als gesundheitsschädlich bezeichnen müssen. Denn leider werden hier beständig Subsellien mit unveränderlicher positiver Distanz eingeführt. In diesen können die Kinder nur schlecht stehen und müssen schlecht sitzen, da sie beim Schreiben zur Compensation jener positiven Eintfernung des Tisches sich entweder gleich vorn überbeugen oder an die Bankkante vorrutschen müssen. In letzterem Falle findet kein Sitzen, sondern ein Hocken statt, und in Folge mangelhafter Unter- stützung des Oberschenkels bei dieser Stellung tritt nothwendig in kürzester Zeit der bekannte Zerfall der Haltung ein. Die königliche Regierung zu Breslau hat allerdings in einer trefi- lichen Verordnung vom 27. December 1881 angeordnet, „dass bei jeder Neubegründung oder neuen Einrichtung einer Schule ihr vorher Bericht darüber zu erstatten sei, nach welcher Form die Schulbänke in derselben gefertigt werden sollen und welche Erwägungen für die Aus- wahl derselben massgebend gewesen sind, damit sie die Auswahl vor der Ausführung gutheissen oder beanstanden könne.“ Es wird also hoffentlich in Zukunft die Einführung falschgebauter _ Subsellien mit unveränderlicher positiver Distanz inhibirt werden. Allein auch die alten, schlechten Subsellien müssen verbessert werden, wenn man sie nicht dem Esmarch’schen Vorwurf aussetzen will, dass für _ die Breslauer Schulkinder gesundheitsschädliche Modelle aufgestellt wurden. Meist wurde der Kostenpunkt den ärztlichen Wünschen entgegen- gehalten; allein dieser Einwand ist jetzt unhaltbar, da Herr Regierungs- Baurath Beyer eine sehr sinnreiche und billige Vorrichtung erfunden, welche sich auch an den alten Bänken anbringen lässt und die, da der “Erfinder im Interesse der Sache auf ein Patent verzichtet hat, den Platz eines Schülers nur um 50 Pfennig vertheuert. gE 116 Jahres - Bericht Die Beyer’sche Vorrichtung gestattet ein sehr bequemes und ge- räuschloses Vorrollen der Bank beim Schreiben, indem eiserne Oesen am unteren Bankrande auf einem Rundeisen vorgleiten. So kann eine negative Distanz von 3 cm und mehr beim Schreiben leicht her- gestellt werden. Ä Nachdem der Vortragende die verschiedenen Systeme von Subsellien dureh Zeichnungen erläutert, bemerkt derselbe, dass natürlich auch die besten Subsellien nichts gegen die in erschreckender Weise zunehmende Kurzsichtigkeit leisten können, wenn, wie es leider in allen Klassen der Breslauer Schulen geschieht, die grössten und die kleinsten Schüler an dasselbe Subsellium gesetzt werden! Der Vortragende legt ein für die hygienische Ausstellung in Berlin bestimmtes Tableau vor, welches die Zunahme der kurzsichtigen Schüler in 24 deutschen Gymnasien in Curven graphisch darstellt; der Durchschnitt aus 9244 Beobachtungen ist in einer goldenen Curve ge- zeichnet, welche die Procentzahlen kurzsichtiger Schüler von Sexta bis Prima in folgender steigender Progression zeigt: 22 pCt., 27, 36, 46, 55, 58 pCt. In der neuesten Verordnung der königlichen Regierung zu Breslau vom 11. December 1882 ist erfreulicherweise angeordnet, „dass bei allen Neubauten und eingreifenden Reparaturen nicht ver- säumt werde, vorgängig ein ärztliches Gutachten über die beabsichtigten Anordnungen einzuholen.“ Allein das genügt noch nicht. Es fehlt eben in jeder Schule ein Schularzt, der sich fortdauernd um alle hygienischen Verhältnisse der Anstalt kümmert. Die Thesen, welche der Vortragende dem Genfer internationalen Congress „betreffs der Nothwendigkeit und der Obliegenheiten der Schulärzte“ im vorigen Jahre eingesendet hat, wurden vom Üongresse ohne Discussion und einstimmig angenommen. Es existiren in Paris und im Departement der Seine bereits 114 und in Lyon 8 Schulärzte; auch in Havre, Bruxelles und Frankfurt a. M. giebt es ärztliche Schul -In- speetoren. Möchte auch endlich in Breslau eine Anzahl von Schulärzten creirt werden! 3) Herr Bezirksphysikus Dr. Jacobi spricht über die Sterblichkeitsziffer von Breslau. Obgleich Breslau noch immer die hohe Sterblichkeitsziffer von 31 und 32 auf Tausend zeigt, lässt sich doch erweisen, dass es gesundheit- lich seit 1864 erhebliche Fortschritte gemacht hat. Die Mischung der Bevölkerung hat sich nämlich seit 1864 andauernd bei uns in der Richtung verschoben, dass die Altersklasse von 0—5 Jahren sich von 981 bis auf 1212 auf 10 000 Einwohner vermehrt (in den 5 letzten Volks- der Schles. Gesellschaft für vaterl. QCultur. 117 zählungen 981, 986, 1090, 1141, 1212), der ganze Rest sich demgemäss um dieselbe relative Grösse vermindert hat. Da nun dem Alter bis zu 9 Jahren eine ca. 9 Mal höhere Sterblichkeit zukommt als den übrigen Altersklassen zusammengenommen, so würde im Jahre 1880 die allgemeine Sterblichkeitsziffer, wenn 1880 relativ nur ebensoviel Kinder unter fünf Jahren hier gelebt hätten wie 1864, ceteris paribus 29 statt 32 auf Tausend betragen haben. Eine andere wichtige Verschiebung unserer Altersklassen ist die Ab- nahme der Zahl der Männer von 20 — 30 Jahren (in den 5 letzten Volkszählungen 1267, 1142, 1083, 1093, 949 auf 10 000 Einwohner). 1880 lebten in Breslau relativ 8586 Männer von 20—50 Jahren weniger als 1864. Die Verlegung der Kürassierkaserne mit ihren 800 Mann, die Incommunalisirung einiger ländlichen Vororte können das allein nicht erklären. Breslau hat vorwiegend weibliche Industrie. Das ist aber für die Sterblichkeitsziffer sehr bedeutsam, weil die Fabrikarbeiterinnen durch körperliche Verhältnisse und durch ihre Beschäftigung verhindert werden, die Mutterpflichten voll zu erfüllen. Daher die grosse Kinder- sterblichkeit, wo weibliche Industrie blüht, und die sehr geringe in der Arbeiterstadt Essen, wo fast nur Männer industriell thätig sind. Während bei uns der Unterleibstyphus seit 1868 andauernd seltener und milder geworden ist und Lungenschwindsucht, Diphtheritis nicht häufiger auftreten als in anderen anerkannt gesunden Städten, hat sich nur die Mortalität an Magendarmkatarrh und an Lungenentzündung ver- mehrt. Beides aber hängt allein ab von dem Wachsthum der Kinder- zahl. Von allen Todesfällen an Lungenentzündung entfallen °/, auf: das Alter unter 5 Jahren. Es ist die enorme Kindersterblichkeit, die wir jetzt besonders zu bekämpfen haben. So viel auch schon geschieht, es muss noch mehr geschehen. Da dieselbe fast ausschliesslich auf fehlerhafter Ernährung beruht, und diese wiederum vielfach auf Unkenntniss, so stellt Redner schliesslich den Antrag: „Die hygienische Section wolle den Magistrat ersuchen, Jahr für Jahr kurze Belehrungen über die Ernährung der Säug- linge zur möglichsten Verbreitung bei den öffentlichen Impfungen zur Vertheilung gelangen zu lassen.“ Herr Dr. Kayser findet in den letzten 10 Jahren die Schwan- kungen der Sterblichkeit direet abhängig von denen der allgemeinen Erwerbsverhältnisse. Herr Geheimrath Prof. Dr. Biermer hat auch aus seinen persön- liehen Wahrnehmungen die Ueberzeugung gewonnen, dass Breslau keine ungesunde Stadt ist. 1 Die Versammlung beschliesst, den Antrag Jacobi einer Commission, bestehend aus den Herren Eger, Jacobi, Kayser, Schwahn und Stern, zur Vorberathung zu übergeben. 118 Jahres - Bericht Vierte Sitzung am 5. Mai. 1) Der Vorsitzende verliest folgende Zuschrift des Magistrats: „Auf Anregung einer Wohlthäterin sind wir seit längerer Zeit mit der Frage beschäftigt, ob es nothwendig beziehungsweise zweckmässig ist, für die Stadt Breslau oder doch einen Theil derselben entweder auf einem Friedhofe oder, was der Ansicht der Geschenkgeberin mehr entspräche, auf einer mit dem Friedhofe nicht in Verbindung stehenden Stelle eine Leichenhalle zum faeultativen Gebrauch zu errichten, in welcher, um dem Lebendigbegrabenwerden vorzubeugen, Leichen resp. Scheintodte über die für die Beerdigung vorgeschriebene kürzeste Frist hinaus, also länger als 72 Stunden, nach dem Wunsche der Geberin 5, ja 7 Tage lang, d. h. so lange in dazu eigens hergerichteten Lager- stätten niedergelegt und beobachtet werden, bis, abgesehen von der schon vorher erfolgten Erklärung des Arztes, auch der Laie sich zu. versichtlich davon überzeugen kann, dass die Verwesung eingetreten und die von ihm gefürchtete Gefahr absolut ausgeschlossen ist. Das Königliche Polizei-Präsidium, welches über seine Stellung zu dieser Angelegenheit von uns gehört worden, hat eine derartige Anlage resp. Einrichtung als sanitär unzulässig erachtet und als einen unumstösslichen Erfahrungssatz hingestellt, ‚dass Zustände, welche man unter dem Colleetivnamen ,Scheintod‘“ begreift, nie länger als 72 Stunden währen, diese Frist deshalb zur Abwendung Lebendig- begrabenwerdens für ausreichend und die Aufstellung von Leichen in offenen Särgen über diese Frist hinaus als sanitär unzulässig zu er- achten sei.“ Nach den Vorgängen anderer Städte, wie München, Weimar, Frankfurt a. M., neuerdings, soviel uns bekannt, auch Lyon, glauben wir mit jener mehrerwähnten Wohlthäterin uns ohne Weiteres bei der Auffassung der hiesigen Polizeibehörde nicht beruhigen zu sollen, halten vielmehr zur Erledigung dieser Frage ein von competenter Seite segebenes sachverständiges Gutachten für geboten. Aus diesem Grunde ersuchen wir die sehr geehrte Section ganz ergebenst, im Interesse unserer Bürgerschaft zur sachgemässen Er- ledigung einer immerhin wichtigen Angelegenheit gefälligst beitragen und uns ein unter Berücksichtigung auch der hiesigen Verhältnisse motivirtes Gutachten geneigtest zufertigen zu wollen.‘ Es werden die Herren Geheimrath Prof. Dr. Heidenhain, Prof. Dr. Ponfick und Bezirksphysikus Dr. Jacobi mit dem Entwurfe des sewünschten Gutachtens betraut. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 119 2) Herr Sanitätsrath Dr. Schlockow hält einen Vortrag über einige Ursachen der Verbreitung der Lungenschwindsucht. Die öffentliche Gesundheitspflege hat seit dem Beginn dieses Jahr- hunderts einer so mörderischen und gerade in den leistungsfähissten Altersklassen ihre Opfer fordernden Krankheit wie die Lungenschwind- sucht fast vollkommen unthätig gegenüber gestanden, indem die An- nahme herrschte, das Leiden sei ein ererbtes oder in der Gesammt- constitution begründetes und darum unvermeidliches. In früherer Zeit wurden wenigstens Versuche gemacht, die Schwindsucht zu verhüten, und galt dieselbe für eine übertragbare Krankheit; die berühmten Ana- tomen Morgagni und Vesal unterliessen darum die Section der in Folge derselben Verstorbenen, und Prof. Leiehtenstern berichtet, dass in Spanien und Portugal, in Languedoc und der Provence gesetzliche Bestimmungen darüber bestanden, dass die Kleider, Betten und Effecten verstorbener Schwindsüchtiger verbrannt wurden und, wenn thunlich, blieb das Krankenzimmer längere Zeit unbewohnt oder wurde desinfieirt. Der Gesundheitsrath von Neapel liess 1782 durch Cirillo Cotugno eine populäre Belehrungsschrift über den Gegenstand verfassen und wurde in vielen italienischen Städten Öffentlich, in Florenz sogar durch Mauer- anschläge das Publikum auf die Gefahr des Umgangs mit Schwind- süchtigen aufmerksam gemacht und die Beobachtung gewisser Schutz- massregeln empfohlen. Den thatsächlichen Nachweis der Uebertragbarkeit der Tubereulose haben u. A. Tappeiner und Cohnheim geführt und durch die muster- siltisen Arbeiten Robert Koch’s ist auch der organisirte Krankheits- keim derselben nachgewiesen worden. Es tritt nunmehr an diejenigen wissenschaftlichen Kreise, die sich mit Gesundheitspflege befassen, die Aufsabe heran, allen denjenigen Bedingungen nachzuforschen, welche die Verbreitung der Tubereulose begünstigen oder derselben entgegen- stehen, um auf Grund der Ergebnisse dieser Forschungen Massnahmen gegen eine Krankheit angeben zu können, welche unter den Todes- ursachen der Erwachsenen einen viel breiteren Raum einnimmt, als alle sogenannten epidemischen Krankheiten insgesammt. Die Grundlage und der Anfang jeder hygienischen Arbeit in grösserem Massstabe ist jedoch eine zuverlässige Statistik, und hat sich der Vortragende seit mehreren Jahren bemüht, das einschlägige Material zusammenzutragen, zu sichten und nach hygienischen Gesichtspunkten zu bearbeiten. Umfassende Untersuchungen über die ursächlichen Verhältnisse der Lungsenschwindsucht wurden in England vorerst im Jahre 1858 auf Ver- anlassung des dortigen Gesundheitsamtes angestellt. Die genannte Behörde sing, nachdem die Sterberegister für die einzelnen Theile Englands sehr bedeutende Verschiedenheiten in der Häufigkeit der Schwindsucht (154 120 Jahres - Bericht bis 445 jährliche Todesfälle auf je 100000 lebende Einwohner) er- geben hatten, von der Ansicht aus, dass diese Unterschiede durch ört- liche Ursachen bedingt sein müssten, und dass mithin die Lungenschwind- sucht zu den vermeidbaren Krankheiten gehöre. Der Gesundheitsbeamte Greenhow wurde in die von Lungenkrankheiten am meisten heim- sesuchten Bezirke behufs eingehender Ermittelungen geschickt. Das Er- sebniss derselben war im Wesentlichen, dass die industrielle Bevölke- rung stärker betroffen wurde als die ackerbautreibende und dass die- jenigen Industriezweige als die schädlichsten sich erwiesen, bei denen die Arbeit in geschlossenen, schlecht ventilirten und staubigen Räumen verrichtet wird. Gestützt wurde dieses Ergebniss durch die Erfahrung, dass in ÜCasernen und Gefängnissen nach Gewährung eines grösseren Luftraums und Einführung zweckmässiger Ventilation die Todesfälle in Folge von Tubereulose abgenommen hatten. Eine zweite Reihe von Untersuchungen wurde in England, als daselbst in einer Anzahl von Städten nach Einführung der Schwemmeanalisation und Herabsenkung des Grundwassers eine auffallende Abnahme der Schwindsucht bemerkt worden war, über den Einfluss der Bodenbeschaffen- heit auf das Vorkommen dieser Krankheit angestellt. Der Sanitäts- beamte Buchanan kam hierbei zu dem merkwürdigen Resultat, dass die Bewohner eines sandigen, durchlässigen und mit günstigen Abfluss- verhältnissen versehenen Bodens weniger zur Tubereulose* disponirt sind als die eines thonigen und feuchten. Um über den Einfluss der Höhen- lage auf die Verbreitung von Schwindsucht Aufklärung zu erhalten, setzte die schweizerische naturforschende Gesellschaft eine Commission ein, welche in einer durch die Jahre 1805 bis 1809 fortgeführten, einen grossen Theil der Schweiz umfassenden Enquete feststellte, dass die Tubereulose auch in den höchstgelegenen Wohnplätzen vorkomme, dass sie jedoch mit der ansteigenden Lage der Ortschaften abnehme. Dieser wohlthätige Einfluss beziehe sich jedoch nur auf die landwirthschaft- liche Bevölkerung, während derselbe überall da nicht zum Vorschein komme, wo selbst in hohen Gebirgslagen die Beschäftigung der Be- wohner eine vorwiegend industrielle ist. Von einzelnen Beobachtern wurde als thatsächlich angeführt, dass Personen, die sich aus hohen . Alpenregionen in wärmere Gegenden und Niederungen begeben, hier sehr leicht an Lungenschwindsucht erkranken, dass sie jedoch, falls das Leiden noch nicht zu weit vorgeschritten, durch Rückkehr in das Gebirge Hei- lung finden. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Kuechenmeister für das König- reich Sachsen und Corval für das Grossherzogthum Baden, indem Wohnplätze mit städtischem Gepräge und industrieller Beschäftigung ihrer Bewohner gegen diejenigen sich im Nachtheil erwiesen, in denen Aufenthalt und Arbeit im Freien vorwiegen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 19] Der Vortragende wurde zu seinen Untersuchungen durch die während seiner ärztlichen Thätigkeit im oberschlesischen Industriebezirk gemachte Wahrnehmung veranlasst, dass daselbst Tubereulose, Skrofulose und die englische Krankheit zu den selteneren Krankheiten gehören und dass die erst genannte daselbst häufig zum Stillstand und zur Rückbildung selangte; dieses Verhältniss war ein um so auffälligeres, als namentlich in der Arbeiterbevölkerung die Lebensweise vielfach eine antihygienische ist, die Ernährung eine verkehrte und darum unzureichende, Alkohol- missbrauch sehr häufig, die Hautpflege mangelhaft, die Wohnungen über- füllt, die Wasserversorgung unzureichend, die Entfernung der Auswurfs- stoffe aus der Nähe der Wohnungen und die Entwässerung nicht ge- regelt, dazu die freie Atmosphäre mit Staub, Rauch und schädlichen Gasen versehen — alles Momente, die nach den bisherigen Anschauungen die Entwicklung tubereulöser Krankheiten begünstigen und thatsächlich allen Formen von Typhus in Oberschlesien den Boden bereiten. Einige Autoren gehen nun von der Ansicht aus, dass die Einathmung von Kohlenstaub die Lungen gegen Schwindsucht schütze, der Vortragende ist indess nicht geneigt, sich derselben anzuschliessen und damit das sel- tenere Vorkommen der Tuberculose im oberschlesischen Industriebezirk zu erklären, da die Krankheit dort nicht nur bei den Steinkohlen-, sondern auch bei den Erzbergleuten und den Hüttenarbeitern und in der Gesammtbevölkerung überhaupt, im besondern aber auch bei den Familienmitgliedern der Bergwerks- und Hüttenarbeiter auffallend selten sei. Die Krankenjournale von 30 Knappschafts-Aerzten aus den Jahren 1874, 1875 und 1876 ergaben, dass von 23 804 Frauen, welche in den betreffenden Sprengeln durchschnittlich zur freien ärztlichen Cur be- rechtigt waren, jährlich nicht mehr als 36 wegen Tubereulose in Behand- lung gekommen waren, von 46599 Kindern bis zum 14. Lebensjahre nur 11, wegen Skrofulose 65, wegen Rhachitis oder englischer Knochen- krankheit sogar nur 5, erstaunlich geringe Zahlen, zumal wenn in Be- tracht gezogen wird, wie häufig man den letztgenannten Leiden in Breslau begegnet. Nächstdem hatten frühere Untersuchungen auf Grund des amt- lichen Materials der Preussischen Knappschaftsvereine ergeben, dass bei den Steinkohlenbergleuten anderer Bezirke, z. B. in Rheinland -West- ' phalen, die Lungenschwindsucht nicht selten ist. Als dieser Krankheit entgegenwirkend konnten in Oberschlesien allenfalls die verhältnissmässig hohe Lage, 240 bis 350 m über dem Meeresspiegel, und die tiefe Drai- nirung und Trockenlegung des Bodens durch die Hohlgänge der Berg- werke geltend gemacht werden. Erhebungen, welche auf Veranlassung des Vortragenden von dem Verein der Aerzte Oberschlesiens angestellt wurden, liessen darauf schliessen, dass die Lungenschwindsucht in den links der Oder gelegenen Kreisen des Regierungsbezirks Oppeln, welche im allgemeinen die wohlhabenderen sind, wie Leobschütz, Neustadt, 722 Jahres-Bericht Neisse, ungleich häufiger ist als in den auf dem rechten Oderufer gelegenen, namentlich Tarnowitz, Rakwitz, Pless und Rybnik. Dem Versuche, die Ermittelungen auf ein grösseres Gebiet auszu- dehnen, stellte sich zunächst die Schwierigkeit entgegen, dass es in Preussen bis jetzt noch an einer gesetzlich eingeführten obligatorischen Leichenschau mit Constatirung der Todesursachen mangelt; die amtlichen Zusammenstellungen über die letzteren beruhen nur auf den Angaben der Angehörigen der Verstorbenen bei den Standesämtern; trotzdem wurde dieses Material schon darum mit in Benutzung gezogen, weil die Schwindsucht, zumal wenn sie tödtlich abläuft, auch von den Laien richtig erkannt wird. Weiter erstreckten sich die Untersuchungen vor- nehmlich auf Bayern, Sachsen, Baden und Hessen-Darmstadt, in welchen Ländern die Todesursachen durch Leichenschau amtlich festgestellt werden. Für die deutschen Städte mit über 15 000 Einwohnern waren die fortlaufenden Berichte des Reichsgesundheitsamtes massgebend. Die Schwindsuchtsziffer, d. i. die Zahl der jährlich von 100000 Einwohnern an Schwindsucht Gestorbenen stellte sich für dieselben im Mittel auf 360. Weit über diesen Durchschnitt hinaus erwiesen sich namentlich Remscheid mit 878, Gladbach mit 725, Solingen mit 662, COrefeld mit 576, Würzburg mit 555, Fürth mit 536, Bielefeld mit 533 betroffen, während beispielsweise für Pr.-Stargard diese Ziffer nur 157, für Weimar 162, für Königshütte 164, für Rostock 180, für Coburg 213 betrug. Die Ermittelungen ergaben weiter, dass der gesammte Osten von Deutschland, insbesondere die Küste der Ostsee, ungleich weniger von Tubereulose zu leiden hat als der Westen und Nordwesten; so berechnete sich die Tuberculosenziffer in dem fünfjährigen Zeitraum 1875 — 1879 für den Regierungsbezirk Marienwerder auf 161, Königsberg 174, Danzig 174, Köslin 185, Gum- binnen 196, Bromberg 220, dagegen für den Regierungsbezirk Arnsberg auf 486, Cöln 511, Osnabrück 514, Münster 517 und Düsseldorf auf 529. Die entsprechende Ziffer betrug beispielsweise in den Kreisen Konitz 102, Gerdauen 112, Pillkallen 142, Schildberg 143, Tarnowitz 169, dagegen steigt dieselbe in den Kreisen Kempen (Regierungsbezirk Düsseldorf) auf 672, Meppen (Landdrostei Osnabrück) auf 638, Lübbecke (Regie- rungsbezirk Minden) auf 635, Altena (Regierungsbezirk Arnsberg) auf 602, Tecklenburg (Regierungsbezirk Münster) auf 588. Die zunächst liegende Vermuthung, dass diesen erheblichen Unter- schieden in der Verbreitung der Schwindsucht eine geringere Dispo- sition der im Osten mehr vertretenen slavischen Bevölkerung zu tuber- culösen Erkrankungen gegenüber der germanischen zu Grunde liegen könne, widerlegte sich dadurch, dass auch die rein deutschen Kreise 5 SEE: u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 192 oO der östlichen Provinzen in demselben Masse von der Krankheit verschont bleiben wie die mit gemischter oder rein slavischer Bevölkerung. Nicht ganz ohne Einfluss auf die Höhe der 'Schwindsuchtssterbl ichkeit erwies sich die Sterbeziffer der Kinder in den ersten Lebensjahren in dem Sinne, dass überall da, wo eine grössere Anzahl von Schwächlichen zeitig ab- starben, in um so höheren Grade die am Leben Gebliebenen aus wider- standsfähigeren Individuen bestehen. Von wesentlicher Bedeutung für die Schwindsuchtshäufigkeit ist die Dichtigkeit der Bevölkerung; die Städte sind dem platten Lande gegenüber im Nachtheil und innerhalb der Städte die dichter bebauten und bewohnten Theile gegen diejenigen, in welchen weniger Einwohner auf eine bestimmte Fläche oder auf einen Wohnraum kommen; dieser Umstand vermag auch für jenen Unterschied in den östlichen und westlichen Provinzen eine, wenn auch nicht durch- greifende Erklärung abzugeben, da einzelne im Osten gelegenen Bezirke mit dieht gedrängter Bevölkerung eine ungleich geringere Tubereulosen- sterblichkeit aufzuweisen haben, als im Westen gelegene mit sehr dünn gesäeter Einwohnerschaft. Hier wird die hygienische Untersuchung zu- nächst einzusetzen haben, um örtliche Schädlichkeiten zu ermitteln, wo- bei das Moment der erblichen Belastung und der Verwandten-Heirathen mit in Betracht zu ziehen ist. Dass die männliche Einwohnerschaft über das zwanzigste Lebensjahr hinaus der Tuberculose weit zahlreicher zum Opfer fällt, als die weib- liche, führt zu dem Schlusse, dass die industrielle Beschäftigung auf das Entstehen der Krankheit einen unverkennbaren Einfluss ausübt, der noch deutlicher hervortritt, wenn die einzelnen Berufsklassen neben ein- ander gestellt werden. Wenn nun auch alle derartigen Untersuchungen über die Häufigkeit gewisser Krankheiten bei bestimmten Berufsarten mit grosser Vorsicht geführt werden müssen, da die körperliche Rüstig- keit bei der Wahl der Beschäftigung wesentlich massgebend ist und so- mit schon beim Eintritt in den Beruf die Disposition zu Erkrankungen eine verschiedene ist, so entgeht es der Beobachtung nicht, dass gewisse Staubarten für die Lunge verderblich sind, und zwar scheint es hier im Wesentlichen auf die physikalischen Eigenschaften des Staubes, ins- besondere auf die Verletzungen, welche derselbe in den Athemorganen erzeust und somit wohl auch für die Aufnahme der Tuberkelbaeillen die Wege bahnt, anzukommen; gegen Kohlenstaub, welcher im All- gemeinen milde und nicht scharf ist, zeigt die Lunge eine grosse Toleranz, dagegen erliegen Sandsteinarbeiter und Eisenschleifer der Sehwindsucht in grosser Zahl, wenn nicht Vorrichtungen getroffen werden, um das Eindringen des schädlichen Staubes in die Luftwege zu ver- hüten. Unter den Gefangenen insbesondere der Strafanstalten ist die Tuber- eulose sehr verbreitet, in einzelnen Zuchthäusern bis zum Doppelten 124 J ahres - Bericht und Dreifachen im Vergleich zu den entsprechenden Altersklassen der freien Bevölkerung. Die Gesammternährung hält Redner unter den Ursachen der Lungen- schwindsucht für nicht so massgebend, als dies in ärztlichen Lehrbüchern geschieht. Die ärmeren Kreise Oberschlesiens seien von der Krankheit viel weniger heimgesucht, als die wohlhabenderen; dass ferner die Er- nährungsweise in den westlichen Provinzen entsprechend dem grösseren Wohlstande eine viel reichlichere sei als in den östlichen, sei allgemein bekannt, trotzdem seien die letzteren, was die Schwindsuchtssterblichkeit anlangt, den ersteren gegenüber in hohem Masse bevorzugt; noch nie sei ausserdem behauptet und noch weniger bewiesen worden, dass diese Sterblichkeit in einem Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Ausfall der Ernten und den Lebensmittelpreisen stünde, und dass insbesondere Nothstands- jahre eine grössere Ausbreitung der Schwindsucht zur Folge hätten, es wird im Gegentheil von Virchow in seinem Berichte über die grosse Typhusepidemie, welche in Oberschlesien in den Jahren 1847 und 1848 geherrscht hat und während welcher die Ernährung der ländlichen Be- völkerung in den Kreisen Rybnik und Pless auf ein Minimum herab- gesetzt war, ausdrücklich hervorgehoben, es sei ihm daselbst, obwohl er eine ausserordentlich grosse Zahl von Kranken aus den ärmeren Ständen gesehen habe, auch nicht ein einziger Fall von Phthisis vor- gekommen. Ferner muss der Vortragende dem allgemein herrschenden Glauben entgegentreten, dass die Schwindsucht vor dem dreissigsten Lebensjahre die meisten Opfer fordere, um dann erheblich abzunehmen, es steige viel- mehr die Zahl der Todesfälle an Schwindsucht stufenweise bis zum 70. Lebensjahre bei beiden Geschlechtern an. Für die in England gemachte Wahrnehmung, dass in den mit tiefer Canalisation versehenen Städten die Schwindsucht auffallend ab- nehme, hat sich in Deutschland ein entsprechendes Verhältniss nicht sefunden, da in Danzig, Hamburg, Frankfurt a. M. und Berlin die Jahre, welche der Durchführung der Canalisation gefolgt sind, eine im Wesent- lichen nicht geringere Tuberculosensterblichkeit aufweisen, als die jenen sanitären Massnahmen vorausgegangenen Zeit, und in Breslau die Ab- nahme der Krankheit nur eine scheinbare ist, Die geographische Verbreitung der Tuberceulose im Königreich Preussen wurde durch eine von dem Vortragenden entworfene Karte, auf welcher die einschlägigen Verhältnisse graphisch dargestellt waren, ver- anschaulich. An den Vortrag schloss sich die nachfolgende Discussion: Zunächst führt Herr Geheimrath Biermer aus, dass zwar die Entdeckung Koch’s den Träger des tubereulösen Virus kennen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 125 gelehrt habe, dass aber die Ansteckungsfähiskeit der Tubereulose schon seit 1865 bekannt gewesen sei. Indessen beweisen die Er- fahrungen in den Hospitälern und von den Aerzten, dass die Ueber- tragbarkeit der Tuberculose von Person zu Person eine äusserst geringe ist. Zweifellos sei zur Entwicklung der Krankheit eine Prädisposition nothwendig, und diese werde in erster Reihe gegeben durch erbliche Anlage und körperliche Depotenzirung. Nicht unreine Luft überhaupt, sondern specifisch verunreinigte Luft mache Tubereulose bei vorhandener Prädisposition. Es sei jetzt unsere Aufgabe, die Luft auf diese spe- eifische Verunreinigung zu untersuchen. Wenn Herr $. der Ernährung keine erhebliche Bedeutung für die Entwickelung der Tuberculose bei- messe, so widerstreite dies der sicheren Erfahrung, dass schlechte Nahrung, Hunger, Anämie zu den wichtigsten prädisponirenden Momenten gehören. Unzureichende Nahrung neben sonstigen depotenzirenden Um- ständen bewirke auch die abnorme Häufigkeit der Tuberculose in den Strafanstalten. Herr Prof. Dr. Hirt muss Herrn $. entgegen an dem Satze fest- halten, dass Kohlenstaub vor Phthisis schütze. Dies sei bewiesen durch die reichen Erfahrungen in Belgien, England und insbesondere der friendly societies ete. In Sheffield suchen die Schleifer mit Kohlenstaub erfüllte Luft Abends als Prophylacticum auf. Wie bedeutsam ferner die Ernährung für die Entwickelung der Tuberculose sei, das illustrire das Beispiel, dass Debauve in Bicetre die Tuberculösen fast allein mit Fleisch-Ei-Pulver behandelt und von günstigen Erfolgen berichtet. Herr Sanitätsrath Dr, Schlockow hebt hervor, dass in den ein- zelnen preussischen Zuchthäusern die Schwindsuchts-Sterblichkeit trotz der fast vollständig gleichen Ernährung doch sehr verschieden sei und auch den entsprechenden Tubereulosenziffern der Provinzen, aus denen ihre Insassen stammen, nicht parallel gehe. Die Luft in Oberschlesien sei in den Wohnungen der ärmeren Klassen sehr schlecht. Gegen Prof. Hirt müsse er daran festhalten, dass die schützende Eigenschaft der Kohlenstaubatmosphäre gegen Tuber- culose nicht bewiesen sei. Schieferstaub sei gewiss schädlich, sodann finde man in den Kohlenrevieren Eschweiler und Saarbrücken sehr viel mehr Schwindsüchtige als in Oberschlesien. ‚Herr Dr. Freund möchte den methodischen Aufenthalt in Kohlen- staub-Atmosphäre zur Behandlung der Phthise empfehlen. Ferner theilt er Versuche mit, welche ergeben, dass eine Impfung um so leichter zur Infeetion führt, je tiefer sie eindringt. Herr Dr. Soltmann glaubt, dass die Koch’sche Entdeckung die Veranlassung dazu gegeben habe, dass’ das ätiologische Moment, die Prä- disposition bei der Tubereulose, jetzt zu wenig berücksichtigt, und anderer- seits die Infection, die Uebertragbarkeit dieser Krankheit, zu schwarz 126 Jahres-Bericht gemalt wird. Letztere setze nach seinen übereinstimmenden Erfahrungen, sowie nach denen von Epstein im Prager Findelhause beim Säuglinge den innigsten Contact zwischen Mutter und Kind voraus. Von angeborener Tuberculose sei ihm nur ein einziger Fall bekannt; die Kinder einer phthisischen Mutter erben von dieser nur die Disposition, kommen gewöhnlich schwach, anämisch zur Welt und gehen schnell phthisisch zu Grunde, falls sie mit der kranken Mutter im innigsten Contacte bleiben, werden aber nicht phthisisch, wenn sie sofort von der Mutter entfernt und einer gesunden Amme übergeben werden. Epstein nun meine, dass bei diesem innisen Contact in erster Linie wohl die Milch der Mutter den Säugling infieire, $. hält die mütter- liche Atmosphäre für die Noxe und glaubt, dass eher als durch die Nahrung eine Ansteckung durch Athmung (Einathmung) erfolge. Herr Sanitätsrath Dr. Schlockow führt an, dass es noch nicht bewiesen sei, ob die Milch der perlsüchtigen Kühe Tuberkelbacillen ent- halte. Er stimme Herrn Hirt insofern bei, als er auch den Kohlen- staub an sich für nicht schädlich halte, es handle sich in den Kohlen- bergwerken aber auch um vielfaches anderes Gestein. Herr Geheimrath Biermer macht schliesslich darauf aufmerksam, dass Mehlstaub nicht unschädlich sei, sondern erfahrungsgemäss die Schwindsucht begünstige. Fünfte Sitzung am 9. November. 1. Herr Bezirks-Physieus Dr. Jacobi theilt mit, dass gegenwärtig im Polizeigefängnisse mit gespanntem, über 100° C. heissem Wasser- dampfe desinfieirt werde. Die Ausgaben für Feuerung seien dabei er- heblich geringer, als bei der früheren Anwendung heisser trockener Luft; ausserdem diene derselbe Dampfkessel auch zur Erwärmung des Bade- wassers. Leider tauge der Dämpfkasten nichts, weil er aus weichem Holz gefertigt ist und mehr und mehr undicht wird. Es wird daher ein neuer von Eisen oder Eichenholz beschafft werden müssen. Trotzdem habe man darin eine Temperatur von 105 °C. erzielen können, und wie wirksam der Apparat sei, ergebe sich daraus, dass Kuhmilch, welche . vor 4 Wochen, in einer Selterwasserflasche durch Kork und Drath ver- schlossen, durch eine Stunde in dem Dämpfkasten gehalten war, noch heute — wie sich die Versammlung überzeugt — süss und frisch ist, obwohl sie inzwischen in warmer Zimmertemperatur aufbewahrt wurde. Es sei daher sehr zu empfehlen, dass auch in anderen Breslauer An- stalten eine Dampf-Desinfection Eingang fände. Sie ist bequem, sicher und ihr Betrieb sehr billig. Im Polizei-Gefängniss tragen die mit der Desinfeetion der Kleider Beschäftigten jetzt Watte-Respiratoren, nach- dem in zwei Fällen bei denselben Flecktyphus aufgetreten ist. Ausser- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 127 dem hat Dr. J. beantragt, dass eine Einrichtung zur Condensirung und Desodorisirung des dem Kasten entsteisenden Dampfes vor dem Oeffnen desselben angebracht werde, weil dieser Dampf sehr übelriechend ist. 2. Sodann erstattet Herr Bezirks-Physikus Dr. Jacobi den Bericht der in der vorigen Sitzung gewählten Commission. Er verliest zunächst das von derselben entworfene Gutachten. Dasselbe wird mit geringen Aenderungen von der Versammlung in folgender Form angenommen: „Breslau, den 9. November 1883. Einem Hochlöblichen Magistrate hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt . beehrt sich die unterzeichnete Section das unter dem 6. April d. J. (IX. 98/83) erforderte Gutachten im Folgenden ganz ergebenst zu er- statten. Wir halten eine Beerdigungsfrist von 72 Stunden, wie sie seit dem Jahre 1822 gesetzlich bei uns besteht, für durchaus genügend, um gegen die Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens sicher zu stellen. Es giebt unzweifelhaft Fälle von Scheintod, d. h. Zustände inner- halb des Lebens, in welchen die Athmung, der Herzschlag und die willkürlichen Bewegungen in solchem Grade abgeschwächt sind, dass man sie nur bei grösserer Aufmerksamkeit und genauerer Untersuchung oder selbst gar nicht mehr wahrnehmen kann. Dergleichen findet man bei tiefer Ohnmacht, Chloroform-Asphyxie, Collaps in schweren Krankheiten, Asphyxie der Neugeborenen, ferner bei Ertrunkenen, Er- stickten, während der Agonie u. s. w. | Sieht man indessen ab von den anekdotenhaften und historisch . nicht verbürgten Erzählungen und stützt sich allein auf die zuver- lässigen Angaben in der Literatur, so findet man auch nicht einen Fall, in welchem für den sachverständigen und gewissenhaften Beob- achter der Scheintod länger als etwa 3 bis 4 Stunden angedauert hätte. Für unsere Ansicht sprechen positiv auch die Erfahrungen der Hospitäler, der pathologisch-anatomischen Institute und der Leichen- häuser. Niemals ist aus einem wissenschaftlich geleiteten Hospitale ein Fall von längerem Scheintod veröffentlicht worden; und was die Leichenhäuser betrifft, so haben wir durch directe Anfragen bezüglich der ältesten und am meisten benutzten ermittelt, dass in München (seit 1792) und Mainz (seit 1803) noch niemals, in Weimar (seit 1824) seit Menschengedenken, d. i. seit 42 Jahren, kein Fall von Wieder- erwachen eines Scheintodten vorgekommen ist. Die uns von dort zu- segangenen Berichte fügen wir ihrer Bedeutung wegen in extenso ab- schriftlich bei (efr. die Anlagen am Schlusse). 8 Jahres - Bericht Endlich dürfen wir auch darauf hinweisen, dass bei den deutschen Standesämtern, bei welchen seit ca. 8 Jahren alle Todesfälle inner- halb der ersten 36 Stunden gemeldet werden müssen, bisher noch niemals wegen Wiederauflebens eine solche Meldung rückgängig ge- macht worden ist. | Es erscheint hiernach die Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens schon bei unseren gegenwärtigen Einrichtungen vollkommen ausge- schlossen und eine weitere Schutzmassregel in dieser Beziehung nicht mehr nothwendig. Andererseits aber sehen wir sanitär wie gesetzlich kein Bedenken dagegen, wenn unter gewissen Bedingungen Leichen über die Dauer von 72 Stunden hinaus in einer passend eingerichteten Halle auf- bewahrt werden. Das Gesetz bestimmt nur, dass die Beerdigung ‚,‚erst nach Ablauf von 72 Stunden‘ erfolgen solle und fixirt somit allein die untere Grenze der Beerdigungsfrist. Die Bedingungen, welche wir meinen, sind: 1. dass die Leichen der an ansteckenden Krankheiten Verstorbenen wegen der Gefahr der Uebertragung hiervon ausgeschlossen bleiben; 2. dass die Aufbewahrung nicht länger dauert, als bis die auch für den Laien unzweifelhaften Todeszeichen, d. h. äussere Ver- wesungs-Erscheinungen eintreten. Erst von diesem Termine an würden bei nicht ansteckenden Leichen sanitäre Bedenken sich überhaupt geltend machen; 3. dass die qu. Halle auf einem Friedhofe oder in unmittelbarer Nähe eines solehen sich befindet. Lehrt auch die Erfahrung, dass Leichendepots innerhalb der Städte, wie die meisten Morguen und anatomischen Institute — (in Breslau liegt die Anatomie in der Nähe des Hebammen-Instituts) — sich erheblich nachtheilig nicht erwiesen haben, so erscheint ein doppelter Transport der Leichen bis zur definitiven Begräbnissstätte für den Öffentlichen Verkehr doch störend und unzweckmässig, Was die örtlichen Verhältnisse in Breslau betrifft, so ist zu be- dauern, dass bisher seitens des Publikums eine sehr geringe Neigung zur Benutzung von Leichenhäusern kundgethan worden ist. Auf dem alten Begräbnissplatze der reformirten Gemeinde in der Fischergasse befand sich seit dem Beginn dieses Jahrhunderts eine Leichenhalle, in welcher auch Weckapparate nicht fehlten. Auf dem Masdalenen- Friedhofe in Lehmgruben besteht seit 1868 eine Leichenhalle, nach A Bu rt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 129 dem Muster der neuen Münchener errichtet, mit elektrischem Läute- apparat, Wärterzimmer u. s. w. Endlich besitzen die neuen Com- munal-Friedhöfe in Gräbschen und auf den Polinke-Aeckern grosse Leichenhallen. Trotzdem sind hier von den ca. 8000 Leichen im Jahre nur ca. 150 — einschliesslich der von auswärts hergebrachten — in Leichen- hallen aufbewahrt worden. Im Interesse der Wohnungs-Hygiene und des öffentlichen Verkehrs und ferner bei ansteckenden Leichen zur Verhütung weiterer Ueber- tragung erscheint es im hohen Grade wünschenswerth, dass eine grössere und am besten eine allgemeine Benutzung der Leichenhäuser zur Aufbewahrung der Leichen bis zur Beerdigung bei uns Sitte werde. Da die Ueberzeugung, dass die Leichen in den Leichenhallen überall würdig aufbewahrt und beobachtet werden, zur‘ Einführung dieser Sitte beitragen würde, so erscheint eine Vervollständigung der vorhandenen Leichenhäuser in dieser Richtung zweckmässig. Ausserdem halten wir es für nothwendig, dass bei jedem Leichen- hause für die ansteckenden Leichen ein abgesonderter Raum benutzt und ausserdem auf Ventilation und Desinfeetion genügend Bedacht ge- nommen werde. Hiernach halten wir die Anlage eines Leichenhauses auf einem der beiden neuen Communal-Friedhöfe im Sinne der qu. Wohlthäterin unter den oben angegebenen Modalitäten für unbedenklich und in einer gewissen, ebenfalls oben angedeuteten Beziehung sogar für zweck- ' mässig. Anlagen. I. München, den 3. Juli 1883. Ich habe mich heute bei Polizei und Leichenhaus-Verwaltung er- kundigt, ob im Leichenhause Sceheintodte untergebracht und dort wieder erwacht wären, — aber stets verneinende Antwort erhalten. Auf Ihre Anfrage hin nun wandte ich mich an Herrn Baurath Zenetti und habe von ihm umstehende Mittheilung bekommen. Das einzige, was ich weiss, ist, dass die Todten, welche alle eine Schnur zu einem Glockenzug in die Hand bekommen, in Folge postmortaler Muskel- contraetionen hier und da läuten. — Am häufigsten wurde dieses Vor- kommniss während Choleraepidemien beobachtet. Mit u. s. w. (gez.) Dr. M. v. Pettenkofer. 1883. $) 130 Jahres-Bericht München, den 3. Juli 1883. Hochgeehrter Herr Geheimrath! Ich habe in den Acten nachgesehen und auch mit dem Referenten Stadtrath Lemmer gesprochen und kann Ihnen daher versichern, dass seit Bestehen unserer Leichenhäuser dahier noch niemals ein Fall des Wiedererwachens Scheintodter vorgekommen ist. Mit u. s. w. (gez.) Zenetti, Baurath. Mainz, den 50. Juni 1883. In umgehender Erwiderung Ihres geehrten Schreibens beeile ich mich Ihnen ganz ergebenst mitzutheilen, dass meines Erinnerns. soweit mir denkbar, ein Fall von Scheintod in Mainz in diesem Jahrhundert überhaupt noch nicht vorgekommen ist, noch viel weniger aber, dass ein bereits in das Leichenhaus auf den Friedhof verbrachter Schein- todter wieder erwacht sei. Ich bin geborener Mainzer — 1816 — mein vor 5 Jahren gestorbener Vater hatte das 89. Lebensjahr er- reicht, — mein Grossvater, der bereits 1835 gestorben ist, war 85 Jahre alt geworden, und niemals wurde von einem derartigen Vorfalle, der doch von Generation zu Generation weitererzählt worden wäre, mir Mittheilung gemacht. Wenn in irgend einer grösseren Stadt ein der- artiges Ereigniss leicht möglich wäre, so müsste das ganz besonders in Mainz der Fall sein, da es hier Sitte ist, dass die Verstorbenen mit ganz seltener Ausnahme wenn nicht schon am Todestage selbst, so doch gewiss nach Ablauf der ersten 24 Stunden auf den Kirchhof verbracht werden. Dort bleiben dieselben ausgestellt, bis von dem zu diesem Zwecke von der Stadt angestellten Kirchhofsarzte die schriftliche Erlaubniss zur Beerdigung ertheilt wird. Erst in neuester Zeit wurde noch die Anordnung getroffen, dass ein Arzt vor der Verbringung auf den Friedhof den wirklich eingetretenen Tod con- statirt. Indem ich mich mit grossem Vergnügen zu weiteren Mittheilungen bereit erkläre, zeichne u. s. w. (gez.) Dr. Helwig. Weimar, den 30. Juni 1883. Nach Erkundigung bei dem hier seit 42 Jahren funetionirenden Leichenhausarzt Herrn Dr. Vulpius hat sich vor ca. 30 Jahren der Fall ereignet, dass an einer Leiche erst am 6. Tage sich Fäulniss- Erscheinungen zeigten und dass deshalb bis dahin die Beerdigung a een der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 131 ausgesetzt blieb. Das Wetter soll kühl oder kalt zu der Zeit ge- wesen sein. Scheintod ist seit 42 Jahren hier nicht vorgekommen. Ob früher? (gez.). Dr. Pfeiffer. Die hygienische Section der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Cultur.‘ Referent hatte hierzu noch ausgeführt, dass ein Leben ohne Athmung und Herzschlag beim Menschen undenkbar sei, dass aber unzweifelhaft eine vita minima vorkomme, bei welcher selbst die sthetoskopische Untersuchung im Stiche lasse. Glücklicherweise aber dauere ein solcher Zustand nur kurze Zeit. Bei Neugeborenen, welche nach stundenlanger Asphyxie doch wieder zum Leben gelangen können, vermisse man den Herz- schlag in solchen Fällen nie länger als höchstens Minuten. Bei kataleptischen und hysterischen Zuständen, die gelegentlich für Scheintod galten, durfte eine sachkundige und gewissenhafte Untersuchung niemals lange im Zweifel bleiben. Was die Litteratur über diesen Gegenstand enthält, zeugt von der Macht des Vorurtheils selbst bei bedeutenden Forschern. Ein J. P. Frank berichtet von einem Falle von dreistündigem Scheintod, welchen er selber beobachtet, führt aber gläubig auch Fälle von acht- tägigem Scheiniod an, von denen man ihm erzählt hatte. Jener Frank’sche Fall nun ist der längste, den ein zuverlässiger und sachver- ständiger Beobachter selber gesehen und bei welchem ein solcher wirk- lichen Tod vor sich zu haben gewähnt hat. Eine prolongirte Agonie, bei welcher die Respirationen und der Herzschlag aussetzend und ver- einzelt auftreten, ist kein Scheintod. Hierfür hat Jozat die Bezeichnung „mort intermediaire‘“ erfunden. Um die Unglaubwürdigkeit älterer Litteratur zu erkennen, genügt es, bei Bruhier das Capitel „de masti- catione mortuorum“ zu lesen. Indessen seien die Bestrebungen zur Wiederbelebung Scheintodter, welche in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begannen (in Amsterdam 1767), sehr segensreiche gewesen, wenn auch solche Uebertreibungen dadurch veranlasst wurden; so sei die Benutzung von Leichenhallen im hygienischen Interesse ausserordent- lich wünschenswerth, wenn wir auch von unserem Standpunkte ihnen den Zweck absprechen, zu welchem sie Hufeland 1791 gerade ins Leben gerufen hat: als „asyla vitae dubiae“. In der Discussion betont zunächst Herr Professor Dr. Förster das Bedürfniss unserer Stadt nach grossen allgemeinen Leichenhäusern. So- bald solche vorhanden sind, würde eine Polizei-Verordnung angezeigt sein, welche die Aufbewahrung der Leichen in der Wohnung nur für eine gewisse Zeit gestattet. Herr Professor Dr. Berger weist auf den Fall von „hysterischem Scheintod“ hin, den Rosenthal mittheilt, in welchem eine junge Frau | gr 132 Jahres-Bericht durch 32 Stunden ohne Puls und deutliche Athembewegungen, leichen- blass und kühl, mit vollkommen erschlafften Gliedern und reactionslosen engen Pupillen dagelegen hatte und bereits aufgebahrt werden sollte, als Rosenthal selber dureh die faradische Reaction ihrer Muskeln nach- wies, dass sie nicht todt sei. Herr Berger hat selber einen Fall der Art gesehen, in welchem durch eine Stunde Puls und Respiration fehlten. Herr Dr. Jacobi erwidert Herrn Professor Dr. Förster, dass Breslau schon heute mehrere grosse Leichenhallen besitze, so auf den neuen Communal-Friedhöfen in Gräbschen und auf den Polinke - Aeckern und auf dem Magdalenen - Friedhofe in Lehmgruben, wo die Einrichtungen genau nach dem Muster des Münchener Leichenhauses ausgeführt sind. Es käme daher nur auf gewisse Vervollständigungen und besonders auf die Gewöhnung des Publikums an. Die Leichenzüge, welche durch die Stadt ziehen, seien für eine moderne grosse Stadt nicht mehr zulässig. — Herrn Professor Berger erwidert er, dass seines Wissens in dem Falle von Rosenthal doch auch leichte Athembewegungen am Abdomen zu sehen und schwache dumpfe Geräusche am Herzen zu hören waren. Herr Dr. Buchwald führt einen Fall aus eigener Beobachtung an, welcher lehrt, dass man den Todtenschein erst einige Stunden nach dem Ableben ausstellen solle. Eine Patientin, welche wegen Asphyxie bei Struma tracheotomirt war, hörte in der dritten Nacht nach der Operation zu athmen auf. Als Herr B. herbeikam, war dieselbe nach der Aus- sage der verständigen Wärterin seit 10 Minuten todt. Er machte sofort durch eine halbe Stunde Wiederbelebungsversuche, ohne dass Puls, Herzschlag oder Athmung nachweisbar wurden. Dann traten wieder vereinzelte, unregelmässige Herzschläge auf und nach 20 Minuten ein Athemzug, und die Patientin lebte jetzt noch 5 Stunden lang. Herr Geheimrath Biermer weist auf die günstigen Erfahrungen hin, welche man in Bayern hinsichtlich der Gewöhnung des Publikums an die Benützung der Leichenhäuser gemacht hat. 3. Herr Bezirksphysieus Dr. Jacobi theilt ferner den Entwurf einer Belehrung bezüglich der Ernährung und Pflege der Säuglinge mit, welchen die in der III. Sitzung d. J. zu diesem Zwecke gewählte Com- mission ausgearbeitet hat. Derselbe wird mit mehreren Aenderungen in der folgenden Form angenommen: Rathschläge für Mütter, Pflegemütter und Hebammen, betreffend die Ernährung und Pflege der Säuglinge, gegeben von der Hygienischen Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. 1. Jede gesunde Mutter soll ihr Kind selber stillen. Wenn das Kind auch nur die ersten 2 bis 3 Monate die Brust bekommt, so wird es dadurch schon vor vielen Gefahren geschützt. a He in = fi der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 133 Hat die Mutter nieht genug Nahrung, so ist nebenbei Kuhmilch zu geben. . Der beste Ersatz für Mutter- resp. Ammenmilch ist Kuhmilch. Die Kuhmilch muss unabgerahmt sein, ferner, sobald sie in das Haus kommt, stark gekocht und vor jedem Trinken erwärmt werden. Bis zum achten Monat ist sie mit abgekochtem Wasser zu ver- dünnen und zwar ungefähr: für Kinder im 1. und 2. Lebensmonat 1 Milch : 2 Wasser, z z = 8 uSD- z aD > z - - ZUNHTIE- NIS, = > - sie! = . Ein Nahrungsmittel, das die Kuhmileh beim Kinde voll- ständig ersetzen könnte, giebt es nicht. . Neben der Kuhmilch darf erst vom 4. bis 7. Lebens- monate an fettlose Kalbs- oder Rindsbrühe 1 bis 2 Mal am Tage verabfolst werden. Auch Graupenschleim oder Haferschleim als Einmischung in die Milch kann von diesem Zeitpunkte an 1 bis 2 Mal am Tage ge- reicht werden. . AlleKindermehle, Kunstpräparate, condensirte Schwei- zer Milch u.s. w. sind nur auf besondere Anordnung des Arztes als Nahrungsmittel an Stelle der Mutter-, Am- men- oder Kuhmilch anzuwenden. Brot, Kartoffeln, Mehlsuppe und Kaffee sind zu vermeiden. . Die Nahrung muss in regelmässigen Zwischenräumen, anfänglich am Tage alle 2 Stunden, aus vollkommen reinen Trinkflaschen gegeben werden. Nachts darf ein sesundes Kind nur einmal Nahrung erhalten. Gummihütehen, Saugpfropfen, Lutschbeutel dem Kinde als Be- ruhigungsmittel in den Mund zu stecken, ist verwerflich; sie be- wirken Soor (Schule, Schwämmchen) und Magendarmkatarrh. Nach jeder Nahrungsaufnahme muss dem Kinde der Mund sorgfältig ge- reinigt werden. . Jedes Kind soll bis mindestens zum 6. Monat täglich, später zweimal in der Woche, ein Bad von 28° R. er- halten, in welchem es 10 Minuten verbleibt. . Das Wickeln und Wiegen der Kinder ist schädlich. Mit dem 4. Monat darf das Kind aus dem Steckkissen heraus. Sein Lager bestehe dann aus Matratze und Kopfkissen von Ross- haar, Seegras oder Indiafaser und leichter Zudecke. Das Kind soll nicht bei der Mutter oder Amme in demselben Bette schlafen. 134 J ahres-Bericht 9. Das Kinderzimmer muss täglich mindestens zweimal | 1 Stunde lang gelüftet werden. | Beschmutzte Windeln dürfen darin weder aufbewahrt noch ge- | trocknet werden. Die Kinder selbst sind ungefähr vom 5. Monate an bei mildem Wetter mindestens einmal am Tage auf 1 Stunde an die Luft zu bringen. 10. Durchfall und Krämpfe hängen fast nie mitdem Zahnen allein zusammen und sind immer bedenklich. Es ist daher in solchen Fällen ärztliche Hilfe nachzusuchen. Schlaftränke und Beruhigungssäfte sind schädlich. Bis zur Ankunft des Arztes ist bei Durchfall die Milch durch schwarzen Thee, dünnen Haferschleim, Reiswasser oder dünnen Graupenschleim zu ersetzen, bei Krämpfen ein warmes Bad zu geben. Ferner wird beschlossen, diese Fassung zur Revision der Commission zurückzugeben und die definitive Feststellung einer zweiten Lesung vor- zubehalten. Sechste Sitzung am 14. December. 1. Der Vorsitzende verliest die folgende Zuschrift des Magistrats: Breslau, den 5. December 1883. „Der hygienischen Section theilen wir auf den Antrag vom Februar bezw. 14. März c. ergebenst mit, dass wir im Einverständniss mit dem Königlichen Polizei - Präsidium beschlossen haben, zur Meldung von Infections - Krankheiten besondere Kartenformulare (vgl. Anlage) vom 1. Januar 1834 ab einzuführen und den Herren Aerzten unentgelt- lich zu überlassen. er Ein Bedürfniss zur Aufwendung des Portos konnten wir dagegen nicht anerkennen, da die Beförderung der Karten mit dem gleichen Erfolge wie bisher durch die Angehörigen bezw. in einzelnen Fällen durch die Aerzte u. E. geschehen kann.“ » Der Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt. Friedensburg. v. Ysselstein. (Anlage.) | Krankheitsmeldung. Cholera asiatica. Diphtheritis. Febris recurr. _ Dysenteria. Variola. Typhus abdom. Scarlatina. Febris puerperal. Variolois, Typhus exanth. Morbilli. (Die zutreffende Krankheit ist zu unterstreichen.) 1; Vor- und? Zunahmerde Erkrankten 27. Zn et ern . 0.00 eve 2/0 8 0 do 0 080 0.0 ae 8 a 8 et, e er re.r ee te ie, ee ıyr a eo alie/.e, (ara eFie ale \siIee- u alne 2.. Alter (bezw. Geburtsjahr): "2%... 2.2.02 7. Sen. Ace | der Schles. Gesellschaft für vateri. Cultur. 135 engel oilielterie, le), oe ar erlerlei eiieizälie. es elieile: erle- e; /e/ieiie,.e; eo ,o\'e,, ee ie, ’er.e 0 0 oe 0, el ee eo .o\.Je, ei 0 0 olerieleie © a ax.“ Ss lrasselund Nummer an. wa nn ae nn 6. Vorderhaus?........ Hinterhaus@a 4. 2%... Stockwerk?........ 7. Bei Pensionairen, Chambregarnisten, Aftermiethern Name des RMoknunosmhapers er ee nee anne & A\\ichnscheinlicher Tas; der! Brkrankung: ....... u... 2.2.2... .o 0 ee 8 08 0 00 8 8 1 8 8 LT 1 1 0 LE LT LT T TFT LT LT LT LT T L CE LT CT T FT CT I FF L CC CL TE 0 © 10. Ist die Erkrankung vor Aufnahme in das Krankenhaus polizeilich meweldena er we ee he Me a Breslausrden 23, Kon... 2. Ferner verliest der Vorsitzende eine Anfrage des Magistrats, dahin- sehend, ob die Veröffentlichung der "Todesursache jedes Gestorbenen in den Tagesblättern Vortheile oder Nachtheile habe, insbesondere ob die Angabe der Todesursache an dieser Stelle im sanitären Interesse liege. Es wird beschlossen zu antworten, dass diese Veröffentlichung keinerlei Vortheil habe und wohl unterbleiben könne. Es genüge, wenn die Todesursache dem Standesamte mitgetheilt wird. 3. Sodann wird die Wahl der Secretaire für die nächste zweijährige Periode durch Stimmzettel vollzogen. Mit grosser Majorität werden die bisherigen drei Secretaire wiedergewählt. 156 Jahres - Bericht TIT. Bericht über die Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1883 erstattet von Herrn Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Herrn Prof. Dr. Poleck, zeitigen Secretairen der Section. Herr Geheimer Bergrath Althans berichtete in der Sitzung vom 24. Januar über die neueren Aufschlüsse von Blei- und Zinkerzen in Oberschlesien. Anknüpfend an die Ausdehnung des dortigen uralten Bleierzberg- baues vor dem dreissigjährigen Kriege und dessen Wiederaufnahme unter Friedrich dem Grossen vor jetzt beinahe 100 Jahren auf der Friedrichs- grube, wurde auf die seit 60 Jahren hinzugetretene bedeutende Ent- wickelung des Bergbaues auf Zinkerze hingewiesen. Zur Zeit liefert dieser Erzbergbau nebst den durch denselben versorsten Hüttenwerken mit zusammen 14 000 Arbeitern und einem Verbrauche von 20 Millionen Centner Steinkohle 1'/, Millionen Centner Rohzink, '/, Million Centner Blei und 10 000 Kilogramm Silber. Redner erläuterte die Art des Vorkommens dieser Erze in zwei verschiedenen flötzartigen Lagen in bezw. unter dem Dolomit des mitt- leren Muschelkalks, sowie dessen bisher bekannte Verbreitung in mehreren Mulden der flachwellig über dem Steinkohlengebirge ausge- breiteten Muschelkalkdecke. Unter Hinweis auf die genetische Bildung der Erzlagerstätten durch Auslaugung der ursprünglich mit Erzen fein imprägnirten, später durch Zersetzung in Dolomit umgewandelten Kalk- steinschichten wurde das Auftreten der Zinkerze als Galmei in Ver- bindung mit Brauneisenerz in den höher liegenden Theilen der Mulden, _ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 137 als Zinkblende in Verbindung mit Schwefelkies in den tiefer liegenden Theilen, sowie die innige Verwachsung der Bleierze mit den Zinkerzen erwähnt. Es wurde hervorgehoben, dass die mächtigen Wasserhaltunes- Maschinen der Gruben den Stand der unterirdischen Wasser in der be- sonders reichen Beuthener Mulde von Jahr zu Jahr um etwa 1 m tiefer brächten und dadurch dort immer noch unverritzte ausgedehnte Erzfelder trocken legten und für die Gewinnung zugänglich machten, dass aber diese neuen Aufschlüsse vorwiegend Zinkblende und weniger den für die Hütten erwünschten Galmei lieferten. Erfreulich erscheine es unter solchen Umständen, dass neuerdings in dem Theile des Muschelkalkgebirges nördlich und westlich von Tarno- witz, welcher von einer nach Koschentin und Lublinitz sich flach ein- senkenden Decke von Keuper überlagert wird, besonders am Rande dieser Keupermulde Zink- und Bleierze, sowie auch Schwefelkies in ganz ähnlichem Verhalten wie in der Beuthener Mulde an zahlreichen Punkten aufgefunden worden sind. Diese Funde sind theils in alten Bleierzbauen in der Nähe von Tarnowitz, theils durch Schürfbohrlöcher im unverritzten Gebirge gemacht und theilweise gerade auch in Bezug auf den reichhaltigen, besonders begehrten Galmei vielversprechend. Derartige Funde sind u. a. bei Tlutzikont und Brynnek gemacht. Bei vielen Bohrlöchern hat sich ergeben, dass unter der Keuper- decke der Muschelkalk sich wieder nahe an die Oberfläche hebt. Die Verbreitung des Erzvorkommens nach Norden ist so bis zu dem Flüsschen Malapane hin nachgewiesen. Doch wird die bergbauliche Aufschliessung dort durch ungewöhnlichen Wasserreichthum der Muschelkalkschichten erschwert werden, indem mit vielen Bohrlöchern starke artesische Quellen, u. a. unweit Miotek unweit der Malapane eine solche von etwa 10 cbm Ausfluss in der Minute erschroten worden sind. Von geologischem Interesse, allein wohl ohne bergbauliche Aussicht, erscheinen mehrere Tiefbohrungen im Innern der besagten Keupermulde bei Erdmannshain und Pawonkau unweit Koschentin bezw. Lublinitz, mit welchen innerhalb der Mergel- und Sandstein-Schichten des Keupers auftretende schmale Dolomit- und Kalksteinbänke getroffen sind, in denen Schwefelkies, Zinkblende und auch Bleiglanz sich nachweisen liessen. Herr Dr. Hermann Kunisch legte ein prachtvolles ausgewachsenes Exemplar des Encrinus gracilis L. v. Buch aus dem Muschelkalke von Krappitz OS. vor, welches er der Güte des Herrn Steinbruchbesitzers Schmula in Krappitz verdankt und das nunmehr in den Besitz des mineralogischen Museums der hiesigen königlichen Universität übergegangen ist. Da in der einschlägigen Litteratur bisher immer nur ganz junge Exemplare 138 Jahres-Bericht zur Beschreibung und Abbildung gelangten, war es von Interesse zu er- fahren, inwiefern die ausgewachsenen Thiere von den jungen im Baue abweichen. Die Unterschiede liegen hauptsächlich in der Armbildung. Bei den jungen Individuen ist der Rücken des Armes so gewölbt, dass der Querschnitt des letzteren einem Rundbogen entspricht; bei den aus- gewachsenen Exemplaren dagegen erhebt sich der Rücken des Armes zu einem mehr oder minder scharfen Kiel, so dass der Querschnitt des Armes einem Spitzbogen ähnlich ist. Bei den jugendlichen Entwicke- lungszuständen sind die Glieder im oberen Theile der Arme stets deut- lich alternirend seitlich verschmälert, während die abwechselnde seitliche Verschmälerung der Glieder bei den ausgewachsenen Individuen mitunter kaum noch zu bemerken ist und nahezu Parallelität der Gelenkflächen auftritt. Besichtist man die Arme des ausgewachsenen Zustandes von der Seite, so beobachtet man oft eine paarweise Anordnung der Glieder, welche bei den jungen Exemplaren nicht bemerkt wird. Eine genauere Beschreibung und Abbildung des in Rede stehenden Petrefacts wird dem- nächst in der „Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft“ zu Berlin erscheinen. Im Anschluss hieran legte Herr Langenhan eine Platte aus dem Kalkbruche des Herrn Rutsch aus Krappitz vor, welche nicht weniger als zwölf mehr oder minder vollkommene Kronen und zahlreiche Arm- und Stielfragmente des Enerinus gracilis aufwies, Derselbe Vortragende demonstrirte hierauf die erste im oberschle- sischen Muschelkalke aufgefundene Landpflanze, welche er in dem Stein- bruche des Herrn Kluczny zu Krappitz aufgenommen hatte und als Voltzia Krappicensis n. spec. bezeichnete. Diese neue Coniferen- Art steht der Voltzia acutifolia Schimp. & Mong. und der Voltzia Wess- manni Schimp. am nächsten und wird anderwärts genauer beschrieben und abgebildet werden. Herr Professor Dr. Poleeck berichtete in derselben Sitzung über zwei aus dem unter seiner Leitung stehenden pharmaceutischen Institut der Universität hervorgegangene Arbeiten, welche beide zu interessanten wissenschaftlichen Resultaten geführt hatten. Herr Dr. Ernst Täuber hatte die Einwirkung von Kalium-Permanganat auf Japankampher studirt. Der Ausgangspunkt der Arbeit war die zwischen den Chemikern Ballo und Kachler bestehende Controverse über die chemische Constitution des Japankamphers und speciell über die Entstehung erheblicher Mengen von Adipinsäure bei seiner Oxydation durch Kaliumdichromat und Schwefelsäure. Dr. Grosser hatte bei seiner Untersuchung des ätherischen | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 139 Oels von Coriandrum sativum’) nachgewiesen, dass der Hauptbestandtheil desselben ein secundärer Alcohol, ein Terpenhydrat, sei, welcher bei seiner Oxydation durch Kalium-Permanganat ein Keton und neben Essig- und Oxalsäure auch eine Säure von derselben Zusammensetzung wie die Adipinsäure, C,H,,O,, liefere. Dies war die Veranlassung, dasselbe Öxydationsmittel auch auf den Campher einwirken zu lassen. Die in Rede stehende Untersuchung erstreckte sich auf sämmtliche auf diesem Wege erhaltenen Oxydationsproducte des Japankamphers. Nach vielfachen Versuchen über die geeignetsten Bedingungen für den günstigen Verlauf dieser Oxydation wurden die besten Resultate er- halten, wenn der Kampher in haselnussgrossen Stücken mit ca. 1 Liter Wasser und 100 gr einer 2Oprocentigen Kalilauge untsr allmählichem Zusatz von 250 sr Kalium-Permanganat in einem Kolben mit Rückfluss- kühler und im Wasserbade bis zur vollständigen Entfärbung der Flüssig- keit erhitzt wurde. Der unveränderte Kampher wurde dann abgeschlemmt und mit neuen Mengen Kalium - Permanganat weiter behandelt. Auf 920 gr Kampher wurden 1750 gr Kalium-Permanganat und 120 gr Kaliumhydroxyd verbraucht. Die nun farblosen Flüssigkeiten wurden von dem ausgeschiedenen Manganschlamm getrennt und filtrirt, das Filtrat bis auf einen Liter abgedampft und unter Abkühlung mit ver- dünnter Schwefelsäure übersättigt, wobei eine sehr lebhafte Kohlen- säure-Eutwickelung eintrat und ein weisses Krystallpulver sich abschied. Die ganze Masse wurde nun in einem grossen Kolben unter wieder- holtem Zusatz von Wasser so lange destillirt, als das Destillat noch sauer reagirte. In diesem sauren Destillat wurden durch die Analyse ihrer Baryum- und Silbersalze Essigsäure und Buttersäure nachgewiesen und neben diesen flüchtige Fettsäuren von 6—10 Atomen Kohlenstoff in der Molekel erhalten, welche sich wegen ihrer geringen Menge nicht von einander trennen liessen. Es besteht also die Hauptmasse der flüchtigen Oxy- dationsproducte aus Essig- und Buttersäure und aus Kohlensäure. Im Destillations-Rückstande wurden die ausgeschiedenen Krystalle, ein Gemisch von Kamphersäure und Kaliumsulfat, durch Filtriren getrennt und das Filtrat wiederholt mit Aether ausgeschüttelt. Diese ätherische Lösung wurde bis zur vollständigen Beseitigung der freien Säure mit Wasser gewaschen, der Aether abdestillirt und der syrupdicke Rück- stand, mit etwas Wasser verdünnt, längere Zeit im Exsiecator über Schwefelsäure stehen gelassen. Es bildeten sich einige sehr schöne monokline Krystalle von Kamphersäure, während die Hauptmasse keine Neigung zur Krystallisation zeigte. lt) Diese Berichte, Jahrgang 59, 1881, S. 267. 140 Jahres-Bericht Dieselbe Säure war auch in dem Krystallmehl enthalten, welches sich, wie bereits erwähnt, bei der Uebersättigung der alkalischen Lösung mit Schwefelsäure ausgeschieden hatte und nach dem Trocknen mit Alcohol ausgezogen worden war, wobei das Kaliumsulfat zurückblieb. Durch Verdunsten der alcoholischen Lösung schossen Krystalle von Kamphersäure, C,,H,,0,, an. Ihre Identität wurde durch die Analyse und den Schmelzpunkt, 185°, festgestellt. Durch den Einfluss der freien Schwefelsäure auf den Alcohol war auch eine kleine Menge Aethyl- kamphersäure, C,,H,,(C,H,)O,, entstanden, deren Identität durch die Analyse ihres Silbersalzes ausser Zweifel gestellt wurde. Neben diesen beiden Säuren war noch Oxalsäure in erheblicher Menge vorhanden. In der ätherischen Ausschüttelung des Destillations-Rückstandes waren noch drei andere nicht flüchtige Säuren enthalten. Nach Verdunstung des Aethers und Wiederaufnahme des Rückstands mit Wasser wurden sie durch Barytwasser in ein unlösliches und zwei lösliche Baryumsalze übergeführt. Das erstere Salz war die Baryum-Verbindung der Kam- phoronsäure, C,H, ,O,, deren Identität durch die Analyse und den Schmelz- punkt, 116°, festgestellt wurde. | Die beiden anderen Säuren wurden durch die verschiedene Löslich- keit ihrer Baryumsalze getrennt. Die Analyse des sich allmählich in Krystallen ausscheidenden Baryumsalzes, sowie jene des entsprechenden Silbersalzes führten zu der Formel der Adipinsäure, C,H,(COOH),. Da die freie Säure jedoch keine Spur von Krystallisation zeigte, sondern zu einer amorphen gummiartigen Masse eintrocknete, deren Schmelzpunkt bei 135° lag, und da ferner weder ihr Ammon- noch ihr Silbersalz krystallisirte, so war sie mit der Adipinsäure nicht identisch, sondern nur isomer, stimmte aber in ihren Eigenschaften auch nicht mit der isomeren Hydroxykamphoronsäure von Kachler überein, welche bei höherer Temperatur schmilzt, schön krystallisirt und auch ein krystalli- sirtes Ammonsalz besitzt. Die verfügbare Menge war nicht ausreichend, um ihre chemische Structur festzustellen. Die dritte hier vorliegende Säure bildet ein lösliches Kupfersalz und konnte durch Vermittelung desselben isolirt werden. Nach Fällung .der unlöslichen Kupfersalze der beiden anderen Säuren wurde aus dem Filtrat das Kupfer durch Schwefelwasserstoff, die freie Essigsäure durch Abdampfen entfernt und aus dem Rückstand die freie, nicht flüchtige Säure durch Aether ausgeschüttelt. Sie war in Wasser sehr leicht lös- lich und setzte in ihrer syrupdicken Lösung erst nach langem Stehen kleine Krystalle ab. Die Analyse der freien Säure, ihres Silber- und Bleisalzes und ihres Aethers führte zu der Formel einer dreibasischen Säure, C,,H,,0, = C,H,„O(COOH),. Es muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, ob in der Molekel dieser Säure noch eine Hydroxyl- a a a der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 147 gruppe vorhanden und damit eine vierwerthige dreibasische Säure oder ob vielleicht ein Acetylderivat einer Säure von der Zusammensetzung C,,H,;0, vorliegt. Die analytischen Daten sind in der Inaugural-Dissertation des Herrn Dr. Täuber, Breslau 1382, enthalten. Herr Dr. Julius Schiff hatte das ätherische Oel von Sassafras officinalis Nees. zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit gemacht. Das Safrol ist der Hauptbestandtheil des ätherischen Oels von Sassafras offieinalis Nees. Es wird als eine farblose, durchsichtige, stark lichtbrechende Krystallmasse erhalten, wenn man die zwischen 228° und 235° C. siedende Fraetion des Oels bis zu einer Temperatur von — 25° abkühlt. Das Safrol krystallisirt nach den Messungen des Herrn Prof. Arzruni im monoklinen System, es schmilzt bei + 8°C. und bildet bei mittlerer Temperatur ein farbloses, durchsichtiges Oel von scharfem Ge- schmack und dem charakteristischen Geruch des Sassafrasöls, welches bei 18° C. das specifische Gewicht von 1,0956 besitzt. Da es erst bei -— 25° C. fest wird, so bleibt es, bis 30° unter seinen Schmelzpunkt abgekühlt, noch flüssig. Es reagirt neutral, ist optisch inactiv und siedet bei 232°. In Alcohol und Aether ist es löslich, in Natronlauge unlöslich. Saint-Evre leitet aus der Elementaranalyse und Dampfdichte die Formel C,,H,,0, ab. Zu derselben Formel gelangten auch Grimaux und Rouotte, und auch die Analysen von Schiff gaben dieselben Re- sultate. Das chemische Verhalten des Safrols ist ein überaus charakte- ‚ristisches. | MNen Mehrere Tage bis auf 280° erhitzt, blieb es unverändert und spaltete kein Wasser ab, über 320° C. erhitzt, verharzte es. — Metallisches Natrium war selbst bei 100° ohne Einwirkung und ebensowenig gelang es, durch Einleiten von Chlorwasserstoff oder Phosphorpentachlorid ein chlorhaltiges Derivat zu erhalten. Der Sauerstoff war daher nicht in der Form von Hydroxylgruppen in der Molekel des Safrol vorhanden. Wässrige und alcoholische Kalilauge sind selbst beim anhaltenden Erhitzen am Rückflusskühler ohne jede Wirkung auf das Safrol, ebenso bleibt es bei Einwirkung von schmelzendem Kaliumhydroxyd zum grössten Theil unverändert, indem sich nur eine geringe Menge einer schwarzen, nicht weiter zu charakterisirenden Substanz bildet. Das Safrol redueirt weder ammoniakalische Silberlösung, noch bildet es mit Kaliumbisulfid eine krystallisirte Verbindung, ebensowenig wirkt Ammoniak oder naseirender Wasserstoff ein. Es ist daher das Safrol weder ein zusammengesetzter Aether noch ein Aldehyd oder Keton. 142 Jahres- Bericht Sämmtliche Reduectionsversuche des Safrols verliefen resultatlos. Es wurden weder mit Jodwasserstoff noch mit Phosphorpentasulfid wohl- charakterisirte Reductionsproducte erhalten, der letztere Körper bewirkt beim Erhitzen vollständige Verkohlung des Safrols. Aetzkalk, Zinkstaub und reducirtes Kupfer waren selbst bei schwacher Rothgluth, Kalium- hydroxyd mit Eisenpulver einerseits und mit ameisensaurem Natrium andererseits auch bei erhöhter Temperatur oine Wirkung, ebenso wie Natrium und Zinknatrium. Meist konnte das Safrol unverändert wieder- gewonnen werden, in einzelnen Fällen, wie bei der Behandlung mit Natrium, erhöhte sich der Siedepunkt ohne Aenderung der Zusammen- setzung, in keinem Fall fand eine Reduction, Anlagerung von Wasser- stoff oder ein Ersatz des Sauerstoffs durch Wasserstoff statt. Alle diese Thatsachen führen zu dem Schluss, dass der Sauerstoff in der Molekel des Safrols ungewöhnlich fest gebunden ist. Ebensowenig wie die Reduction des Safrols gelang die Darstellung einer Nitro-Verbindung oder einer Sulfonsäure. Beim Vermischen mit rauchender Salpetersäure entzündet sich das Safrol, weniger conc. Säure von 30 pCt. wirkt in der Kälte nicht, da- gegen bei 50—60° sehr energisch ein. Wird sie mit gleichen Theilen Wasser verdünnt, so nimmt das Safrol beim Erwärmen bis auf 60° C. eine schon von Bonastre beobachtete charakteristische rothe Farbe an, es setzt ein rothes Harz ab und es entsteht neben Kohlensäure nur Oxal- säure. Bei längerem Erwärmen mit dieser verdünnten Salpetersäure wird das Safrol vollständig zu Kohlensäure und Oxalsäure oxydirt. Ebenso energisch wirkt eine gesättigte Lösung von Kalium-Perman- ganat ein unter heftiger Entwickelung von Kohlensäure, während inter- mediäre Oxydationsproducte kaum auftreten. Anders gestaltete sich diese Einwirkung, als die Kalium-Permanganat-Lösung mit dem vierfachen Volumen Wasser verdünnt und allmählich unter starkem Durchschütteln dem Safrol zugesetzt wurde. Bei Anwendung grösserer Mengen über 300 gr des letzteren wurden als Oxydationsproducte erhalten: Kohlen- säure, Oxalsäure, Ameisensäure und Propionsäure, deren Identität durch Analyse der Kalksalze bezw. der Bleisalze ausser Zweifel gestellt wurde. Neben diesen Säuren wurde in geringer Menge, aus 300 gr Safrol nur 1,5 gr, ein nicht flüchtiges intermediäres Oxydationsproduct von neutraler Beschaffenheit erhalten. Es war im warmen Wasser, Alcohol und Aether löslich und wurde daraus als eine krystallinische Masse von mikroskopischen rhombischen Prismen erhalten, deren Schmelzpunkt constant bei 59° lag. Dieser Körper ist nicht flüchtig, er färbt sich schon beim Erhitzen auf 100° gelb und wird bei weiterer Erhöhung der Temperatur bei 120° endlich unter Schwärzung zersetzt, indem sich - z z A x Kl rc x der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 143 gleichzeitig Wasser bildet. In Kalilauge und Ammoniak ist er löslich, ohne sich mit dem Kalium oder Ammoniak zu verbinden. Die chemische Analyse führte als einfachsten Ausdruck zu der Formel C,H,0,, welche mit Rücksicht auf die Entstehung dieses Körpers aus dem Safrol wohl verdoppelt werden muss, aber durch eine dampfdichte Bestimmung nicht controlirt werden konnte. Diese verdoppelte Formel C,,H,,0, unterscheidet sich durch einen Mehrgehalt von 2 Atomen Wasserstoff und 2 Atomen Sauerstoff vom Safrol. Durch verdünnte Salpetersäure wird dieses intermediäre Oxydationsproduct vollständig zu Kohlensäure oxydirt. Die vorhandene geringe Menge dieses Körpers gestattete leider keine weiteren Versuche zur Feststellung seiner chemi- schen Structur. Durch Chromsäure wird das Safrol unmittelbar zu Kohlensäure oxydirt, es entstehen nur sehr geringe Mengen intermediärer Producte. Die Versuche, den Wasserstoff des Safrols durch Halogene zu er- setzen, verliefen bei Einwirkung von Chlor und Jod resultatlos. Durch letzteres wurde die Substanz vollständig zerstört und im ersteren Falle ein Gemisch mehrerer flüssiger Chlorproducte erhalten, welche sich schon bei 100° unter Schwärzung zersetzten und nicht von einander getrennt werden konnten. Dagegen entstand beim vorsichtigen Behandeln mit Brom ein Bromsubstitutionsproduct in weissen rhombischen Prismen, dessen Schmelzpunkt bei 169,5° C. lag und dessen Zusammensetzung durch die Formel C,,H,Br,O, ihren Ausdruck findet; es ist identisch mit dem von Grimaux und Rouotte auf analoge Weise erhaltenen safrol pentabrome. Es ist in Wasser, Alcohol und Aether sehr wenig, dagegen in Benzol leicht löslich, Kaliumhydroxyd entzieht ihm kein Brom. Das gesammte chemische Verhalten des Safrols führt zu nach- stehenden Schlüssen bezüglich der chemischen Structur seiner Molekel. Es enthielt nach dem Ergebniss der chemischen Untersuchung keine Hydroxyigruppen und ist ebensowenig ein zusammengesetzter Aether, ein aldehyd- oder ketonartiger Körper. Da alle Reductionsversuche scheiterten, so enthält es den Sauerstoff fest und, da die Hydroxylgruppen fehlen, unmittelbar an Kohlenstoff gebunden. Die Oxydationsversuche haben Ameisensäure und Propionsäure geliefert, dies setzt eine Methyl- und eine primäre Propylgruppe voraus. Andere intermediäre Oxydations- producte treten nur untergeordnet auf. Durch Chromsäure wird es, wie das Naphthalin, vollständig zu Kohlensäure und Wasser verbrannt. In der Methyl- und Propylgruppe sind 10 Atome Wasterstoff und 4 Atome Kohlenstoff enthalten. Die noch übrigen 6 Atome Kohlenstoff gestatten kaum eine andere Anordnung, als wir sie im Benzolring kennen. Unter solchen Umständen erscheint das Safrol als ein Methylpropylbenzol, Cymol, iu welchem 4 Wasser-Atome des Benzols durch 2 Atome Sauer- stoff vertreten sind, wie nachstehende Formeln zeigen: 144 Jahres - Bericht Ü b) H 7 Gz H, | j C PLN la C | | Re I ee ne Raayıı CH, Methylpropylbenzol, Cymol, Safrol ah GO: Diese Auffassung erklärt vollständig das eigenartige chemische Ver- halten des Safrols, welche weder mit Alcoholen und Estern, noch mit Phenolen, Chinonen oder anderen Klassen organischer Verbindungen Analogien zeigt, sie erklärt die grosse Beständigkeit des Safrols und die äusserst feste Bindung des Sauerstoffs; ferner die Entstehung der Ameisen- und Propionsäure bei der Oxydation. Es könnte zwar auf- fällig erscheinen, dass keine vom Benzol derivirenden Säuren erhalten werden konnten, doch erinnert dies einerseits an das Verhalten des Naphtalins, welches durch Chromsäure vollständig zu Kohlensäure ver- brannt wird, andererseits findet es gerade in der aufgestellten Formel seine Erklärung, welche ebensowohl durch die Thatsache gestützt wird, dass keine Nitroderivate und keine Sulfonsäuren erhalten werden konn- ten, als sie auch andererseits damit in Einklang steht, dass nur ein Theil des Wasserstofis durch Brom ersetzt werden konnte, entsprechend dem Verhalten der primären Propylderivate gegen Halogene. . Der volle Beweis für die Richtigkeit der Formel würde geführt sein, wenn es gelungen wäre, den Sauerstoff des Safrols durch Wasser- ‚stoff zu ersetzen und so zum Cymol zu gelangen. Alle Reductions-Ver- suche verliefen aber, wie bereits erwähnt, resultatlos. Dagegen spricht das optische Verhalten des Safrols zu Gunsten der in Rede stehenden Structur des Safrols. Herr Professor Dr. OÖ. E. Meyer .hatte die Freundlichkeit, die Re- fraction des Safrols mittelst eines Meyerstein’schen Spectrometers zu - bestimmen. Es ergaben sich, nach der Cauchy’schen Formel berechnet, die Werthe 1,5311 für die rothe Wasserstofflinie, 1,5364 für die Natron- linie und 1,5495 für die blaue Wasserstofflinie. Hieraus ergiebt sich die Molekular-Refraction zu 44,14. Wenn man mit diesem empirischen Werthe den nach der Formel C,,H,,O, für das Safrol aus den bekannten Atomrefraetionen des Kohlenstoffs, Wasserstoffs und Sauerstoffs berech- neten Werth vergleicht, so wird nur genügende Uebereinstimmung, näm- lich der Werth 43,85, erzielt, wenn man im Safrol die doppelte Bindung der Sauerstoffatome und drei doppelte Bindungen der sechs Kohlenstoll- - der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 145 L atome, also den Benzolring, annimmt, was sich mit der aus dem chemi- schen Verhalten abgeleiteten Structur des Safrols vollständig deckt. Dieselbe hat eine neue Stütze dadurch gewonnen, dass es dem Re- ferenten in wiederholten Versuchen nicht gelungen ist, das Safrol durch Hydroxylamin in eine Nitrosoverbindung, ein Acetoxim, überzuführen. Die Entdeckung dieser überaus interessanten Kategorie chemischer Ver- bindungen durch Professor Victor Meyer in Zürich bietet ein sehr be- quemes Mittel für die Entscheidung, ob der in der Molekel vorhandene Sauerstoff dureh doppelte Bindung an ein Kohlenstoffatom oder mit zwei Kohlenstoffatomen vereinigt ist. Alle Körper, welche die Gruppe C = 0, wie die Ketone, oder die Gruppe © se o; wie die Aldehyde enthalten, führen diese durch Behandlung mit Hydroxylamin, NH, O, in die Gruppe C=N—OH oder © an über, während Hydroxyl-Verbindungen, wie die Alco- hole oder jene Körper, welche ein Sauerstoffatom an zwei Kohlenstoff- atome gebunden enthalten, wie Aether, Aethylenoxyd u. s. w., gegenüber dem Hydroxylamin unwirksam sind nnd keine Nitrosoverbindungen geben. Der Umstand, dass aus dem Safrol keine derartige Verbindung erhalten werden konnte, ist eine neue Bestätigung der aufgestellten Structurformel des Safrols, in welcher die beiden Sauerstoffatome an je zwei Kohlen- stoffatome gebunden gedacht werden. Die analytischen Daten sind in der Inaugural-Dissertation des Herrn Dr. Schiff, Breslau 1882, enthalten. Herr Privatdocent Bergmeister Dr. Kosmann sprach in der Sitzung vom 21. Februar über das Auftreten von Erzgängen und Gangmineralien in den ober- schlesischen Steinkohlenflötzen. Unter den verschiedenen Hypothesen, welche über die genetische Bildung der Erzformation des oberschlesischen Muschelkalksteins auf- gestellt sind, kann diejenige nicht zurückgewiesen werden, gemäss welcher die Erze in Folge des Heraufbrechens unterirdischer Quellen entstanden sind, welche Metallsalze von Blei, Zink, Cadmium, Eisen, Magnesia in - Lösung enthielten. Der Einwirkung der kalkigen Schichten des Kohlen- kalksteins und darüber liegender Schichten, welche zu jener Zeit erst dolomitisirt wurden, sowie derjenigen von organischen Substanzen ver- danken wir die Ausfällung und Ablagerung der Erze, welche zuerst im Zustande von geschwefelten sich bildeten, dann in späterer Folge durch Atmosphärilien und alkalinische Quellen in gesäuerte Erze übergeführt wurden. Solche aufsteigende Quellen müssen nothwendig auch das Ge- birge unter den Schichten des Muschelkalksteins durchbrochen haben, also die Steinkohlenformation und den Buntsandstein. Thatsächlich 1883. 10 146 Jahres - Bericht kennen wir ja Verwerfungen im Steinkohlengebirgse, deren Klüfte und störende Wirkungen auch die Muschelkalksteinschichten durschsetzen. Diese Sprung- oder Verwerfungsklüfte können nun sehr wohl, sobald nicht nur etwa deren Wände hier und da mit krystallinischen Absätzen bekleidet sind, sondern die ganze Breite der Spalte mit Mineralmassen erfüllt ist, als Gänge erachtet und als solche bezeielinet werden. Der- artige Klüfte finden sich nicht nur in den Steinkohlenflötzen vor, sondern der Bergmann lernt sie auch bei der Durchörterung des Nebengesteins, beim Auffahren von Querschlägen, bei der Wiederausrichtung verworfener Flötztheile kennen. Es sind nun solche Gangklüfte bisher nur aus dem Flötzrücken süd- lich der grossen Beuthen-Tarnowitzer Erzmulde bekannt geworden, aber in Gruben, deren Schächte noch in ihren hangenden Schichten die Bänke des Muschelkalksteins durchteuft haben, oder dieht an dem Ausgehenden der letzteren liegen. Es sind dies Gruben wie Florentine bei Beuthen, Hedwigswunsch bei Borsigwerk, Concordia bei Zabrze, Gräfin Laura bei Chorzow. Weiter südlich ist es die Königsgrube bei Königshütte, und endlich ganz nach Süden gelegen der neueste Fund auf der Augustens- freude-Grube bei Nicolai. Aber auch diese ist nicht ausser Connex mit den Schichten des Muschelkalksteins, da ganz in der Nähe verschiedene insulare Reste der letzteren (Mittel-Lazisk) vorhanden sind, welche auf die frühere Verbreitung derselben schliessen lassen. Bei den vorgelegten Handstücken wurde auf die Ausbildung schöner Kalkspathkrystalle hiugewiesen, wie sie von den Gängen anderer Erz- reviere bekannt sind, in der oberschlesischen Erzformation selber aber nicht gefunden werden; ferner auf den Unterschied, dass auf diesen . Klüften der Schwefelkies immer nur in der regulären Form, in der Blendeformation dagegen immer als Speerkies gefunden werde; nur ein Stück des letzteren konnte von Florentine - Grube vorgelegt werden. Auf Florentine-Grube fanden sich Bleierze im Kalkspath, auf Königsgrube ausgezeichnete Kalkspathe mit Schwefelkies, auf Gräfin Laura-Grube Schwefelkies mit Zinkblende, Kalkspath und Braunspath, auf Hedwigs- wunsch-Grube im Schuckmann-Flötz Schwerspath, auf Augustensfreude compacte Partien von aneinander gehäuften Bleiglanzkrystallen, im Ganzen ca. 3", Centner mit Zinkblende-Krystallen. Herr Professor Dr. Galle berichtete über die bisher bekannt gewordenen Beobachtungen des Venusdurchganges vom 6. December v. J., welche auf dem amerikanischen Continent, wo die Erscheinung vorzugs- weise und ihrem ganzen Verlaufe nach sichtbar war, meist günstige ge- wesen sind. In Europa und speeciell in Schlesien, wo nur ein kleiner Theil der Erscheinung kurz vor Sonnenuntergang, gesehen werden konnte, | | | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 147 war dies weniger der Fall. In Breslau war das Wetter ungewöhnlich trübe und dunkel, doch fanden in einzelnen Theilen Schlesiens wenigstens theilweise Aufheiterungen statt, und es konnte der Planet auf der Sonnen- scheibe z. B. in Ratibor von Herrn Oberlehrer Dr. Reimann, in Schwieben bei Tost von Herrn Lehrer Grund, in Leobschütz von Herrn Assessor Dr. Troska gesehen werden, so dass in Leobschütz in überraschender Weise bei dem Eintritt des Planeten selbst Theile der Venus-Atmosphäre ausserhalb der Sonnenscheibe erkennbar erschienen. Der Vortragende theilte sodann noch Einzelnes über die physischen Erscheinungen des vorjährigen grossen Kometen mit, ferner über eine in neuester Zeit getroffene Vereinbarung zwischen einer grösseren An- zahl von Sternwarten (denen auch die hiesige Sternwarte beigetreten ist), betreffend das Verfahren bei dem Austausch astronomischer Tele- sramme hier und zwischen Europa und Amerika, wofür als Centralstellen in Europa die Sternwarte in Kiel, in Amerika die in Cambridge ange- nommen worden sind. Herr Apotheker Dr. Gissmann sprach in der Sitzung am 25. April über ein neues therapeutisches Mittel, das Kairin, welches im Stande ist, die fieberhafte Temperatur in kürzester Zeit zur Norm zu bringen und während des ganzen Verlaufs der betreffenden Krankheit dabei zu erhalten. Das Kairin wurde von Fischer und Köniss in München auf synthetischem Wege aus dem Chinolin — Chininbasis — dargestellt und durch Professor Filehne in Erlangen auf seine thera- peutische Wirkung geprüft. Hierbei zeigte es sich, dass nur diejenigen hydrirten, methylirten, äthylirten Chinolinderivate fieberwidrige Eigen- schaften besassen, bei denen der Kohlenstoff der ebengenannten Aleoholradicale direct mit dem Stickstoff des hydrirten Chinolins ver- bunden war. Das neue, Kairin genannte Fiebermittel stellt ein gelblich-weisses, in Wasser leicht lösliches Pulver dar, dessen wässerige Lösung eigen- thümlich kühlend und bitter schmeckt. Die Dosis für Erwachsene be- trägt zweistündlich bis 0,5 gr; die fieberwidrige Wirkung dieser Einzel- gabe hält jedoch nur zwei Stunden an, so dass noch vor Ablauf dieser Zeit eine neue Dosis des Medicaments verabreicht werden muss. Das Kairin besitzt keine giftigen Eigenschaften. In den Harn geht es leicht und schnell über und ertheilt demselben eine eigenthümliche braungrüne Färbung. Eine Anzahl soleher Kairin- harne wurde von dem Vortragenden quantitativ untersucht. Das Kairin liess sich in denselben mit Leichtigkeit nachweisen und übereinstimmend wurde bei sämmtlichen Harnen ein auffallend kleiner Gehalt an normalen Harnbestandtheilen constatirt. 10* 148 Jahres-Bericht Den Schluss des Vortrages gab die Ausführung einiger neuen höchst charakteristischen Reactionen des Kairins gegen Eisenchlorid, Salpeter- säure, Chlorwasser u. s. w. Herr Professor Dr. V. v. Richter berichtete über eine neue, von ihm entdeckte Klasse von Körpern, welche er als Cinnolinderivate bezeichnete. In der organischen Chemie existiren einige Stammsubstanzen oder Stammkerne, von denen durch Substitution ganze Reihen von Derivaten abgeleitet werden können. So liesen der grossen Klasse der sog. aro- matischen Verbindungen die Stammkohlenwasserstoffe: Benzol, Naphtalin u. s. w. zu Grunde. Ein besonderes Interesse haben in neuester Zeit zwei dem Benzol analog eonstituirte, aber stickstoffhaltige Kerne — das Pyridin C,H,N und das Chinolin C,H.N — erlangt, da sie die Stamm- substanzen vieler Pflanzenalkaloide darstellen. Diesen basischen Stamm- kernen reiht sich nun der neue CUinnolinkern an. Das Cinnolin C,H,N, kann als ein Chinolin aufgefasst werden, in welchem eine CH-Gruppe durch Stickstoff vertreten ist; es enthält eine ganz eigenartige, zwei Stickstoffatome einschliessende Kette: CH = CH CH = CH C, Ey C, H, | N= CH N=N Chinolin. Cinnolin. Von besonderem theoretischen Interesse ist auch die eigenthümliche Bildungsweise des Cinnolinkerns und zunächst eines Derivates desselben, seiner Oxycarbonsäure C,H,(OH)N . CO,H. Dieselbe entsteht aus dem Orthodiazochlorid der Phenylpropriolsäure beim Erhitzen der wässerigen Lösung auf 70° C. Während sonst bei analogen Reactionen die Diazo- körper stets Stickstoff abspalten, bleibt in diesem Falle die Diazogruppe intact; unter Aufnahme der Elemente des Wassers und Austritt von Chlorwasserstoff schliessen sich die beiden Seitenketten zu dem eigen- thümlichen Cinnolinkern: | (C=C.C0,H eo C,H, ++H,0-+=1!C,H; + HCl N = Ncı enge ı: o-Phenylpropriolsäure- Cinnolinoxycarbonsäure. diazochlorid. Die so gebildete Cinnolinoxycarbonsäure scheidet sich, in nahezu theoretischer, Menge, in gelblichen Krystallnadeln ab, welche nach dem Umkrystallisiren aus Essigsäure farblos sind und getrocknet einen volu- minösen Filz bilden. Beim Erhitzen auf 260—265° zerfällt die Säure glatt inKohlendioxyd und Oxyeinnolin. Das Oxyeinnolin C,H,(OH)N, krystallisirt aus heisser verdünnter Essigsäure in farblosen kleinen Prismen, schmilzt bei der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 149 225° und sublimirt unzersetzt. Seinem chemischen Verhalten nach gleicht es sehr dem &-Oxychinolin und löst sich gleich letzterem in Alkalien und Säuren unter Bildung von Salzen. Durch Destillation des Oxy- einnolins mit Zinkstaub wurde ein Oel erhalten, das nach Nicotin und Chinolin riecht, sich leicht in Säuren unter Bildung von Salzen löst, und dessen Identität mit dem Cinnolin C,H,N, durch weitere Versuche festzustellen ist. Die angeführten Reactionen eröffnen die Möglichkeit, durch Ausdehnung derselben auf analoge Diazoverbindungen zur Dar- stellung zahlreicher Cinnolinderivate zu gelangen. Herr Geh. Rath Professor Dr. Göppert sprach in der Sitzung vom 27. Juni über oberitalienische Gärten, speciell über jene von Monte Carlo, Mentone u. s. w. auf Grund von Mittheilungen und unter Vorlage einer grossen Anzahl sehr gelungener Photographien, welche er von seinem Schüler, dem Professor und Director der ersten Academia agraria in Modena, Herrn Dr. Penzig, einem ge- borenen Breslauer, erhalten hatte. Ein diesen Mittheilungen zu Grunde liegender Vortrag des Herrn Professor Dr. Penzig ist inzwischen in der Zeitschrift „Die Natur“ zum Abdruck gelangt. Herr Professor Dr. Poleck theilte in derselben Sitzung die Resultate einer chemischen Untersuchung des Jalapins mit, welche in dem unter seiner Leitung stehenden Laboratorium des pharmaceutischen Instituts von Herrn Dr. Samelson ausgeführt worden war. Das Jalapin, ein harzartiges Glycosid, welches in den Knollen von Ipomoea orizabensis Ledanois enthalten ist und diesen durch Alcohol entzogen werden kann, ist mehrfach Gegenstand chemischer Arbeiten gewesen. Die erste eingehendere Untersuchung rührt von Meyer her, welcher dem Körper den wenig geeigneten Namen Jalapin gab, dann war es Spirgatis, welcher zuerst die Identität des Jalapins mit dem in den Knollen von Convolvulus Scammonia L. vorhandenen Scammonin nachwies. Samelson gelangte in seiner Arbeit zu nachstehenden, von den früheren Untersuchungen abweichenden Resultaten. Die Analyse des nach bekannten Methoden rein dargestellten @ly- cosids führte zu der von Meyer gefundenen Elementar-Zusammensetzung und zu derselben Formel C,,H,,O,,, welche ihre volle Bestätigung in der Zusammensetzung der Derivate findet. Das Jalapin wird durch Be- handeln mit Barytwasser in der Siedhitze gelöst und geht in das Baryum- salz der Jalapinsäure über, deren Zusammensetzung C,,H,,0, durch die 150 Jahres - Bericht Analyse ihres Baryum- und ihres Bleisalzes festgestellt und deren Ent- stehung durch die Gleichung | C,,H,50,s + 2Ba(OH), = 2C,.H,,09Ba + 2H,O Jalapin | Jalapinsaures’ Baryum ausgedrückt wird. Es ist daher das Jalapin das Anhydrid der zweibasischen Jalapin- säure, deren Salze, wie sie selbst, sämmtlich in Wasser löslich sind- Diese einfachen Beziehungen zwischen Jalapin und Jalapinsäure sind von den früheren Forschern nicht erkannt worden. Wenn Jalapin in kleinen Portionen mit verdünnter Salzsäure be- handelt wird, so wird es in Traubenzucker, Dextrose, deren Chlornatrium- Verbindung in schönen Krystallen erhalten wurde, und in einen, in Wasser unlöslichen harzartigen Körper, das Jalapinol, gespalten, welches aus Aleohol in langen feinen Nadeln krystallisirt und bei ca. 63° schmilzt. Die Analyse desselben führt zu der Formel C,,H,,0, + ',H,0. Das Jalapinol besitzt alle Eigenschaften eines Aldehyds. Es ist in Wasser unlöslich, leicht löslich in Alcohol und Aether. Eine frisch bereitete aleoholische Lösung reagirt neutral, nach längerem Stehen an der Luft aber sauer. Es redueirt ammoniakalische Silberlösung, indem sich schon bei gewöhnlicher Temperatur nach einiger Zeit ein metallischer Silberspiegel bildet. Es verbindet sich mit saurem, schwefligsaurem Kalium zu eiuer kıystallisirten Verbindung, deren Zusammensetzung auf Grund der Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Schwefelbestimmung durch die Formel C,,H,, 0,HKSO, ihren Ausdruck findet. Es scheint auch eine für die Aldehyde charakteristische Blausäureverbindung zu geben. Die Aldehydnatur des Jalapinols geht aber zweifellos aus seinem Verhalten gegen aleoholische Lösung von Kaliumhydroxyd hervor, durch deren Einwirkung die Aldehyde die ihnen entsprechenden Säuren und Aleohole liefern. Dies war hier der Fall. Durch Aufnahme von ein Atom Sauerstoff entstand einerseits die zweibasische Jalapinolsäure, C,.H,,0,, und andererseits Isobutylalcohol, C,H,,O,, neben einem in- differenten Harz, welches sich wahrscheinlich, analog dem Acet-Aldehyd- harz, durch eine Polymerisation des Jalapinols bildete. Die Zusammensetzung der Jalapinolsäure wurde durch die Analysen des Baryum- und Silbersalzes festgestellt. Die freie Säure ist in Wasser unlöslich, leicht löslich in Alcohol und Aether, aus deren Lösungen sie in’ weissen Nadeln krystallisirt, welche bei 64° schmelzen. Durch Kaliumpermanganat wurde das Jalapinol zu einer flüchtigen flüssigen Säure, der Isobuttersäure, C,H,O,, und zu einer festen, flüch- tigen Säure, der Oxyisobattersäure, C,H,O,, oxydirt. Andere Oxy- dationsproducte traten dabei nicht auf. Beide Säuren wurden durch die Analyse ihrer Baryum- und Silbersalze identifieirt. Die Oxyisobutter- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 151 säure ist zweifellos Oxydationsproduet der in erster Linie entstandenen Isobuttersäure. Diese glatte Oxydation des Jalapinols zu Isobuttersäure erklärt in befriedigender Weise das Auftreten des Isobutylaleohols bei der Behandlung des Jalapinols mit Kaliumhydroxyd. Man kann in der That das Jalapinol als Tetrabutylaldehyd ansehen, welchem bei seiner Darstellung aus dem Jalapin durch die Behandlung mit Salzsäure eine Molekel Wasser entzogen worden ist, analog der Entstehung des Croton- aldehyds aus zwei Molekeln Acetaldehyd. Während ein Theil des Jala- pinols durch Kaliumhydroxyd unter Aufnahme von einem Atom Sauerstoff in Jalapinolsäure übergeführt wurde, wurde ein anderer Theil unter Aufnahme von einer Molekel Wasser zu 4 Molekel Isobutylaleohol redueirt, dessen Identität durch den Geruch und Siedepunkt nachgewiesen wurde, da er nach seiner Entwässerung durch Chlorcaleium und wasser- freies Kupfersulfat zum grössten Theil bei ca. 109° C, destillirte, aber nur in verhältnissmässig geringer Menge erhalten wurde, so dass Analyse und dampfdichte Bestimmung späteren Versuchen vorbehalten wird. Während bei der Oxydation des Jalapinols mit Kaliumpermanganat nur Iso- und Oxyisobuttersäure erhalten wurden, trat bei der gleichen Behandlung des Jalapins neben diesen Säuren auch noch Oxalsäure auf, deren Entstehung sich leicht aus der Anwesenheit der Zuckermolekel in diesem Glycosid erklärt. Wurde dagegen das Jalapin mit rauchender Salpetersäure oxydirt, so wurden Kohlensäure, Isobuttersäure und die bereits von Mayer beobachtete Ipomsäure, C,,H,,O,, erhalten. Letztere ist mit der Adipinsäure zwar isomer, aber nicht identisch, und bleibt die Feststellung ihrer chemischen Structur weiteren Versuchen vorbehalten. Die Identität dieser Oxydatıonsproducte des Jalapins wurde durch die Analyse der Caleium-, Kupfer- und Silbersalze festgestellt. Die Resultate der Arbeit lassen sich kurz dahin zusammenfassen, dass das Jalapin das Anhydrid der Jalapinsäure ist und durch Säuren in Jalapinol und Traubenzucker zerlegt wird. Das Jalapinol ist ein Alde- hyd, welches, durch Kaliumhydroxyd einerseits in Jalapinolsäure und andererseits in Isobutylaleohol übergeführt wird. Die Oxydationsproducte des Jalapins nnd des Jalapinols sind vorzugsweise Iso- und Oxyiso- buttersäure. Die analytischen Daten befinden sich in der Inaugural - Dissertation des Dr. Samelson, Breslau 1883. Herr Geheimer Bergrath Professor Dr. Römer berichtete in der Sitzung vom 24. October über das Vorkommen eines grossen Geschiebes in der Steinkohle des Carolinen-Flötzes bei Hohenlohehütte in Oberschlesien. Solche fremdartige Körper in der Steinkohle gehören zu den sel- tensten Erscheinungen und bei der ziemlich allgemein geltenden Vor- t52 Jahres - Bericht stellung von der Entstehung der Steinkohlenflötze, nach welcher die Herbeiführung solcher Gesteinsstücke durch heftige Störungen ausge- % . . schlossen scheint, ist das Vorkommen derselben in der Kohle nur schwer zu erklären. Der Vortragende hat schon früher solche Geschiebe von derselben Stelle beschrieben. (Vergl. Zeitschrift der deutschen geolo- sischen Gesellschaft Bd. XVI, 1864, S. 615 fi.) Das gegenwärtig vor- liegende Stück zeichnet sich durch seine bedeutende Grösse aus. Bei einer Länge von 2 Fuss und 1'/, Fuss Breite hat es ein Gewicht von 55 kg. Es ist von fast regelmässig ellipsoidischer, etwas abgeplatteter Gestalt. Eine glänzende schwarze Kohlenrinde liest der Oberfläche überall fest an. Bis zu einer Tiefe von fast einem Zoll ist auch das im übrigen graue Gestein des Geschiebes von aussen her schwärzlich gefärbt. Das letztere ist feinkörnig und von sehr fester Beschaffenheit. Schon mit blossem Auge erkennt man, dass es vorzugsweise aus Quarz- körnern besteht und ausserdem einen feldspathartigen Gemenstheil ent- hält. Nach einer durch Herrn Professor Dr. Arzruni ausgeführten mikro- skopischen Untersuchung enthält es ausser grauen Quarzkörnern und kaolinisirtem Feldspath auch Granat, Magneteisen und secundären Glimmer in kleinen Blättchen. Weder in Oberschlesien selbst, noch in den an Oberschlesien angrenzenden Gebieten ist ein ähnliches Gestein anstehend gekannt. Auch die früher von dem Vortragenden beschriebenen Geschiebe gehörten ähnlichen, wesentlich aus Quarz und einem feldspath- artigen Minerale bestehenden Gesteinen an. Das Mineralogische Museum ist dem Herrn Steiger v. Porembski auf Paulinenschacht bei Hohenlohe- hütte für die gefällige Uebersendung dieses bemerkenswerthen Stückes dankbar verpflichtet. Uebrigens ist auch noch an einer anderen Stelle in Oberschlesien ein Geschiebe in der Kohle gefunden worden. Nach einer Mittheilung des Herrn Dr. Gürich besitzt Herr Dr. Mikolayezkak in Tarnowitz ein faustgrosses Geschiebe aus der Steinkohle der Hoym- srube bei Rybnik. Aus dem übrigen Deutschland ist nur ein solches Vorkommen und zwar aus dem westfälischen Steinkohlengebirge bekannt. Nach einer in den Verhandlungen des naturhistorischen Vereins des preussischen Rheinlandes und Westfalens Jahrg. 19, 1862, 8. 24 ent- haltenen Notiz von Nöggerath, auf welche der Vortragende durch Herrn v. Dechen in Bonn aufmerksam gemacht wurde, fand sich ein kindskopf- grosses Geschiebe von lichtgrauem Hornstein in einem Kohlenflötze der Grube Frischauf bei Witten. Aus ausserdeutschen Kohlenmulden ist auch jetzt nur das von dem Vortragenden schon früher erwähnte, durch Phillipps beschriebene Vorkommen solcher Geschiebe in der Kohle von Neweastle und von Norbury unweit Stockport bekannt. Derselbe theilte ferner Bemerkungen über J. Hall’s Gattung Dietyophyton mit. Die unter dieser Gattungsbenennung beschriebenen, aus einem dünnen Gitterwerk rechtwinkeligs sich kreuzender Stäbe be- | : der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 153 stehenden trichterförmigen, Körper, welche bisher nur aus dem Ober-Devon des Staates New-York bekannt waren, kommen auch im Mittel- Devon der Eifel vor. Das von dem Vortragenden in der Lethaea palaeoz. Th. I. S. 304 unter der Benennung Tetragonis Eifeliensis von Gerolstein be- schriebene Fossil gehört nach Vergleich mit amerikanischen Exemplaren des Dietyoph. tuberosum augenscheinlich derselben Gattung an. Die systematische Stellung der Gattung erscheint noch sehr zweifelhaft. Der neuerlichst von den amerikanischen Autoren ausgesprochenen Ansicht, dass die Gattung zu den Kiesel-Spongien gehöre und zunächst mit der recenten Gattung Euplectella zu vergleichen sei, findet in dem Umstande, dass weder bei den in Sandstein eingeschlossenen amerikanischen Exem- plaren noch bei den in Kalk versteinerten der Eifel sich die Substanz der gitterförmig sich kreuzenden Stäbe selbst erhalten hat, sondern nur deren Abdruck im Gestein zurückgeblieben ist, keine Bestätigung, da, wenn die Substanz der Stäbe kieselis gewesen, sie sich in beiden Ge- steinen hätte erhalten müssen, wie es bei echten Spongien der paläo- zoischen Schichten in der That der Fall ist. Jener Umstand lässt viel- mehr vermuthen, dass die Substanz der Stäbe hornartig oder chitinös ‚gewesen ist. Derselbe berichtete über die unlängst von ihm besichtigte neue Auf- stellung der naturhistorischen Sammlungen des British Museum inLondon. Da das im Mittelpunkte von London gelesene Gebäude, in welchem bisher die naturhistorischen und die Kunstsammlungen, sowie die Bibliothek des British Museum vereinigt waren, sich schon längst als zu be- schränkt für die täglich wachsenden Sammlungen erwiesen hatte, eine Er- weiterung des vorhandenen Gebäudes aber nicht thunlich war, so wurde beschlossen, für die naturhistorischen Sammlungen einen Neubau auszu- führen. Dieses ist nun geschehen und das prachtvolle neue Gebäude, welches in South Kensington, dem südwestlichen Theile von London, vortrefflich gelegen ist, bereits seit einem Jahre vollendet. Mit der Ein- ordnung der Sammlungen ist man gegenwärtig beschäftigt und die Auf- stellung eines Theiles derselben ist bereits vollendet. Das letztere gilt namentlich von der mineralogischen und von gewissen Abtheilungen der paläontologischen Sammlung. Erst jetzt gewinnt man von dem unge- heuren Umfange und dem unschätzbaren Werthe dieser Sammlungen die richtige Vorstellung, da der frühere beschränkte Raum nur einen geringen Theil aufzustellen erlaubte. Derselbe gab endlich eine Darstellung von der Einrichtung der Versammlungen der British Association, deren letzteren in diesem Jahre in Southport bei Liverpool gehaltenen er beigewohnt hatte. Obgleich diese Institution im Allgemeinen eine Nachahmung der deutschen Natur- forscher-Versammlungen ist, so hat sie doch im Einzelnen sich erheblich verschieden gestaltet. Die Vorträge der einzelnen Sectionen sind nicht 154 Jahres - Bericht wie bei uns ausschliesslich für die wissenschaftlichen Fachgenossen be- stimmt, sondern vorzugsweise auch auf die Anregung und das Verständ- niss eines grösseren Publikums berechnet. Dadurch verhalten sich diese Vorträge nach Form und Inhalt etwas verschieden von denjenigen unserer Naturforscher-Versammlungen. Im nächsten Jahre findet die Versamm- lung der British Association zum ersten Male in einem aussereuropäischen Lande, nämlich in Montreal in Canada statt. Herr Professor Dr. Poleck theilte in der Sitzung vom 24, October die Resultate einer gemeinsam mit Herrn Apotheker Thümmel unter- nommenen Arbeit über die Arsenprobe der Pharmakopoe und einige neue Silberverbindungen mit, unter Vorlesung der betreffenden Präparate und gleichzeitiger Aus- führung der einschlagenden Versuche, über welche bereits in der Sitzung vom 27. Juni der Section ein vorläufiger Bericht erstattet worden war. Die von H. Gutzeit vorgeschlagene und vorzugsweise auf Veran- lassung des gegenwärtigen Referenten in die zweite Auflage der deutschen Pharmakopoe aufgenommene Prüfung auf Arsen, die Einwirkung von Arsenwasserstoff auf eine concentrirte Silberlösung, ist ebenso charakte- ristisch, wie empfindlich. In einem Reagir-Cylinder wird Zink mit ver- dünnter Schwefelsäure und der auf Arsen zu prüfenden Substanz zu- sammengebracht, in das obere Ende ein Pfropf von Watte eingeschoben und die Oeffnung mit einem Blatt Filtrirpapier überdeckt, auf dessen Mitte vorher ein Tropfen einer aus gleichen Theilen Silbernitrat und Wasser bereiteten Lösung gebracht worden ist. Bei Gegenwart von Arsen färbt sich die benetzte Stelle zunächst auf der unteren, dann auf der oberen Seite citrongelb, während an der Peripherie des Flecks sich ein braunschwarzer Rand bildet, welcher allmählich nach der Mitte sich verbreitert und endlich den ganzen Fleck schwärzt, während das letztere auf der Unterseite des Papiers schon weit früher stattgefunden hat. Bei grösseren Mengen Arsen und stürmischer Entwickelung des Gases tritt die gelbe Farbe nur vorübergehend auf, der Fleck wird rasch schwarz. Wird der Fleck, so lange er noch gelb und nur schwarz umrandet ist, mit Wasser benetzt, so wird er sofort auf der ganzen Öberfläche schwarz, gleichzeitig röthet er blaues Lackmuspapier, obwohl die concentrirte Silberlösung völlig neutral ist. Es stellte sich bald heraus, dass Schwefel- und Phosphorwasserstoff ganz ähnliche Flecke hervorrufen, während Antimonwasserstoff sich in etwas abweichender Weise verhält. Das eingehende Studium dieser Reactionen hat zur Entdeckung einiger neuen Silberverbindungen geführt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 155 Wenn man ein, mit einem Tropfen concentrirter Silberlösung be- netztes Papier der Einwirkung von Schwefelwasserstoff aussetzt, so erscheint ein gelber bis gelblich grüner Fleck, welcher sich mit einem schwarzen Rande umgiebt und von diesem aus nach längerer Ein- wirkung schwarz wird. Wird er mit Wasser benetzt, so verändert sich die gelbe bis gelbgrüne Farbe zunächst nicht, erst nach längerer Zeit geht sie in Schwarz über. Dies findet aber sofort statt, wenn man Schwefelwasserstoff auf eine verdünntere Silberlösung wirken lässt. Zur Isolirung dieser Verbindung wurde unter beständigem Schütteln Schwefelwasserstoff in eine concentrirte Silberlösung geleitet. Unter lebhafter Absorption des Gases und beträchtlicher Temperatur-Erhöhung entstand ein gelbgrüner Niederschlag. Beim Auswaschen mit Wasser zersetzte er sich, während er durch verdünnte Salpetersäure nicht wesent- lich verändert wurde. Der mit letzterer Flüssigkeit ausgewaschene und lufttroekene Niederschlag war ein dunkelgrünes Pulver mit einem Stich ins Gelbe, welches sich erst bei Temperaturen über 180° zersetzte. Die Analyse dieser Verbindung führte zu der Formel Ag,S.AgNO,, sie entsteht nach der Gleichung 3AsNO, + H,S = Ag’S.AsNO, + 2HNO,. Wenn man in eine concentrirte Silberlösung, 40 Theile Silbernitrat in 30 Theilen Wasser, nach und nach 5 Theile reinen Schwefel ein- trägt, so erhält man nach wiederholtem Befeuchten mit verdünnter Sal- petersäure und Abdampfen im Wasserbade ein kermesfarbenes Pulver ohne krystallinische Struetur, welches durch siedendes Wasser in Schwefel- silber und Silbersulfat zerlegt wird. Die Analyse führt zu der Formel Ag,S.A2,50,. Die Verbindung entsteht nach der Gleichung 4AsNO, + 25 = 4NO, + (Ag,S. Ag,S0,). Die Erscheinungen, welche bei Einwirkung von Arsenwasser- stoff auf concentrirte Silberlösung eintreten, sind bereits vorstehend geschildert. Um das Verständniss dieser Reactionen zu gewinnen, wurden con- centrirte, aus gleichen Theilen Silbernitrat und Wasser bereitete Lösungen direet mit Arsenwasserstoff behandelt. Schon die ersten Blasen färben diese Lösungen intensiv eitrongelb, ohne einen Niederschlag zu bilden, die Flüssigkeit röthet aber sofort Lackmus. Die gelbe Färbung bleibt bei gewöhnlicher Temperatur, selbst bei Zusatz von Salpeter- säure, ein bis zwei Tage bestehen, dann wird die Lösung farblos und enthält neben arseniger Säure auch Arsensäure, während sich eine ent- sprechende Menge metallisches Silber Abschördet, Beim Erwärmen wird jedoch die gelbe Flüssigkeit sofort entfärbt unter Abscheidung von metallischem Silber, und dasselbe geschieht, wenn die Lösung mit Wasser verdünnt wird, sie schwärzt sich und giebt dann ein farbloses Filtrat, 156 Jahres - Bericht Dieselbe Schwärzung tritt ein, wenn auf die gelbe Lösung Arsenwasser- stoff nachaltig einwirkt. Setzt man zu der gelben Verbindung eine kleine Menge Schwefelwasserstofiwasser, so scheidet sich Schwefelsilber ab, welches sich aber beim Umschütteln fast ganz wieder löst, wahr- scheinlich unter Bildung der oben beschriebenen Doppelverbindung des Silbers. Um diese gelbe Arsenverbindung zu isoliren und rein darzustellen, wurden eine grosse Anzahl der verschiedenartigsten Versuche, leider ohne Erfolg, angestellt. Es konnie daher nur die Analyse der Zer- setzungsproducte zur Kenntniss ihrer Constitution führen, Die Thatsache, dass die gelbe Verbindung sich durch Wasser in metallisches Silber zerlegt, während das Filtrat arsenige Säure und freie Salpetersäure neben überschüssigem Silbernitrat enthält, liess über den einzuschlagenden Weg keinen Zweifel. Wurde das relative Verhältniss des abgeschiedenen Silbers zur arsenigen Säure und Salpetersäure fest- gestellt, so war ihre Zusammensetzung gegeben, auch wenn nur unge- wogene Mengen derselben in Arbeit genommen wurden, wie dies hier nicht anders möglich war. In vier verschiedenen Darstellungen dieser gelben Verbindung wurden auf ein Atom Arsen nahezu 6 Atome Silber und 6 Molekel Salpeter- säure gefunden. Es entsteht daher die gelbe Verbindung zweifellos durch nachstehenden Process | H,As + 6AsNO, = (Ag,As.5AsNO,) + 3HNO, und ihre Zersetzung durch Wasser wird durch die Gleichung ausgedrückt: (Ag, As. 3AgNO,) + 3H,0 = 6Ag + H,AsO, + 3HNO,. Wenn man in eine concentrirte Silberlösung feingepulvertes reines Arsen vorsichtig in kleinen Portionen einträgt, so färbt sich die Lösung sofort gelb und reagirt sauer durch freie Salpetersäure. Bei grösseren Mengen von Arsen tritt eine heftige Reaction ein, unter Entwickelung von Stickoxyd scheidet sich metallisches Silber ab und bildet sich arsenige Säure. Die Analyse der Zersetzungsproducte ergab das Atomverhältniss des Arsens zu Silber wie 1 zu 3, es wird daher der Process der Entstehung der gelben Verbindung hier durch nachstehende Gleichung ausgedrückt: | 2As + 6AsNO, + 3H,0 = 5HNO, + H,AsO, + (Ag,As.3AeNO,). Diese gelbe Doppelverbindung des Arsensilbers mit Silbernitrat war bisher nicht bekannt. Phosphorwasserstoff verhält sich gegen concentrirte Silbernitrat- lösung und gegen damit benetztes Papier in jeder Beziehung wie Arsen- wasserstofl. Die entstandenen Flecke lassen sich in nichts von dem der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 157 Arsenfleck unterscheiden, sie werden beim Benetzen mit Wasser sofort schwarz. Die gelbe Verbindung wurde in analoger Weise durch Ein- leiten von Phosphorwasserstoff in mit Eis gekühlte eoncentrirte Silber- lösung erhalten, konnte aber ebensowenig isolirt werden, wie die Arsen- verbindung. Das zu ihrer Darstellung benützte arsenfreie Phosphor- wasserstoffsas wurde durch Einwirkung von verdünnter Kalilauge auf Jodphosphonium erhalten. Bei der Analyse der Zersetzungsproducte der gelben Verbindung stellte sich heraus, dass sich die Atom- und Moleeular- sewichte des Phosphors zum Silber und zur Salpetersäure wie 1: 6,2: 5,5 verhalten. Die Bildung dieser gelben Phosphorverbindung erfolgt daher völlig analog jener des Arsens H,P + 6AsNO, = (Ag,P.3AgNO,) + 3HNO, und ihre Zersetzung durch Wasser wird durch nachstehende Gleichung ausgedrückt: (Ag,P.3AgNO,) + 3H,0 = 6Ag + 3HNO, + H,PO,. Wenn man weissen Phosphor in concentrirte Silberlösung einträgt, so scheidet sich sofort Phosphorsilber ab, die Lösung aber färbt sich gelb und reagirt sauer. Es bildet sich also auch hier, analog dem gleichen Verhalten des Arsens, die gelbe Doppelverbindung nach der Gleichung 2P + 6AsNO, + 3H,0 — H,PO, + 3HNO, + (Ag,P. 3AgNDO,). Rother Phosphor bildet die gelbe Verbindung nicht, es entsteht in der concentrirten Silberlösung neben freier Säure nur Phosphorsilber, die Flüssigkeit bleibt farblos. Simon beobachtete zuerst, dass beim Einleiten von Antimon- wasserstoff in eine verdünnte Silbernitratlösung alles Antimon als Antimonsilber nach der Gleichung H,Sb — 3AgNO, —= Ag,Sb + 3HNO, sefällt werde. Ist dem Gase Arsenwasserstoff beigemischt, so bleibt das Arsen als arsenige Säure in Lösung. A. W. Hofmann schlug dies Verhalten zu einer Trennung von Arsen und Antimon vor, indem er gleichzeitig die Zersetzung des Antimonsilbers durch Weinsäure con- statirte. Aus diesem Verhalten des Antimons konnte mit Sicherheit auf die Existenz einer, der Arsen- und Phosphor- analogen Doppelverbindung geschlossen werden und diese wurde in der That auch erhalten, wenn Antimonwasserstoff in eine concentrirte Silberlösung geleitet wurde. Relativ reines Gas neben wenig freiem Wasserstoff wurde erhalten durch Zusammenkneten von 400 Theilen zweiprocentigem Natriumamalgam mit 8 Theilen frisch reducirtem Antimon und successives Behandeln dieser Mischung mit Wasser in einem Gasentwickelungs-Apparat, durch welchen gleichzeitig ein langsamer Kohlensäurestrom hindurchging. 158 Jahres-Bericht Beim Einleiten des Gases in eine Lösung von 1 Theil Silbernitrat in 0,7 Theilen Wasser trat schon nach den ersten Gasblasen sauere Reaction ein, die Flüssigkeit färbte sich gelb und nahm nach einiger Zeit eine grüngelbe Farbe an. Durch Verdünnen mit Wasser wurde auch diese Verbindung zersetzt unter Abscheidung eines schwarzen Niederschlages, sie konnte daher nicht isolirt werden. Ihre Zusammen- setzung wurde aus ihren Zersetzungsproducten erschlossen. In drei Analysen verhielten sich die Atom- und Moleeulargewichte des Antimons, Silbers und der Salpetersäure wie 1:6:6. Die Bildung und Zersetzung dieser gelben Doppelverbindung des Silbernitrats mit Antimonsilber werden durch nachstehende Gleichungen ausgedrückt: H,Sb + 6AgNO, = 5HNO, + (Ag,Sb .. 3AgNO,) und (Ag,Sb.. 3AgNO,) + 3H,0 = 3HNO, + 6Ag + H,Sb0,. Die Einwirkung des metallischen Antimons auf concentrirte Silber- lösung verhält sich abweichend von jener des Arsens und Phosphors, es entsteht dabei nicht die gelbe Doppelverbindung, sondern die Reaction verläuft in nachstehender Weise: 2Sb + 2AsN0, = 2Ag + Sb,0, + N,O,. Was den sichtbaren Verlauf der Einwirkung des Antimonwasserstoffs auf mit concentrirter Silberlösung benetztes Papier anlangt, so färbt sich die betupfte Stelle an ihrer Peripherie dunkelbraunroth bis schwarz, während der Spiegel des Flecks je nach der Dauer oder Intensität der Reaction sich entweder gar nicht oder nur schwach grau färbt, sauere Reaction annimmt und durch Ammoniak geschwärzt wird. Die beschriebenen neuen Doppelverbindungen des Silbers zerfallen in zwei Gruppen, in die eine Gruppe des Schwefelsilbers, welches sich zu einer Molekel mit einer Molekel Silbernitrat oder Silbersulfat ver- bindet und zweifellos auf analoge Verbindungen des Selens und Tellurs schliessen lässt, und in eine zweite Gruppe, in welcher je eine Molekel Ag,As, Ag,P und Ag,Sb mit drei Molekel Silbernitrat vereinigt ist. Wie zu erwarten war, zeigten diese drei Doppelverbindungen die grösste Analogie in ihren Eigenschaften und in ihrem chemischen Verhalten. Was nun die Empfindlichkeit dieser Arsenprobe anlangt, so gaben .0,006 mg arseniger Säure, entsprechend 0,005 mg Arsen, nach 15—20 Minuten noch einen deutlich erkennbaren gelben Fleck, welcher durch Wasser wenn auch nicht schwarz, so doch noch braun gefärbt wurde. Bei 0,015 mg Arsen tritt die charakteristische Gelbfärbung bereits nach 5 Minuten auf und der Fleck wird beim Benetzen mit Wasser schwarz. Bei mehrfach wiederholten Versuchen gelang es erst bei 0,04 mg Arsen, im Marsh’schen Apparat einen deutlichen Spiegel im Glasrohr zu er- halten, derselbe liess aber kaum weitere Versuche zur Feststellung seiner Identität zu. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 159 Der Docent an der Universität, Herr Dr. Joseph hielt in der Sitzung vom 14. November einen demonstrativen Vortrag über die Ergebnisse seiner mikroskopischen Untersuchung des centralen Nervensystems der Bandwürmer. Das darüber bereits Veröffentlichte beschränkt sich bis heut auf Darlesung des Verhaltens im ausgebildeten Bandwurm. Die an der äusseren Seite der sogenannten grossen Wassergefässe längs der ganzen Gliederkette sich erstreckenden Nervenstämme sind gegen den Kopf hin einwärts gerichtet und schwellen in letzterem zu zwei markartigen Ver- dickungen an, welche durch eine mittlere, dünnere Verbindungsmasse oder Commissur verbunden sind. Der Vortragende beweist durch Prä- parate, dass dies nicht bei allen Bandwurmarten zutrifft und nicht als ursprüngliches Verhalten gelten kann. Die Commissur besteht bei dem Katzenbandwurm (Taenia crassicollis) aus zwei dicht nebeneinander liegenden, durch eine feine Schicht der gallertartigen Grundsubstanz ge- sonderten Strängen. Bei anderen Arten (T. transversalis des Murmel- thieres) erscheinen beide Verdickungen durch deutlich doppelte Com- missur verbunden, während bei noch anderen Arten (wie T. saginata des Menschen, T. rhopalocephala des Hasen) ein eentraler, von der Rücken- nach der Bauchfläche stark zusammengedrückter Nervenring mit jeder- seits doppelten seitlichen Verdickungen, als Ursprüngen häufig jederseits doppelter Wurzeln der beiden Nervenstämme sich findet. In letzteren beiden Fällen wird das von der Doppeleommissur oder dem Ringe ein- geschlossene Mittelfeld von Muskelfasern durchzogen, welche aus der Körpermuskulatur zu den Saugnäpfen ziehen, was nicht wenig zur Ver- deckung des wahren Sachverhalts beiträgt. Noch erheblich wichtiger erscheint die Entdeckung des Vortragenden, dass bei den Finnen, den Jugendzuständen der Bandwürmer, im Zustande vor der Ausstülpung das centrale Nervensystem durch einen Ring sich darstellt, über dessen feinen Bau durch die demonstrirten Präparatserien sich Folgendes ergiebt. In dem Stadium, in welchem Haken und Saugnäpfe im Gegensatze zu ihrer späteren Lagerung noch im Innern an der Innenwand des Finnen - Hohlkolbens wahrnehmbar sind, das Hakenkranzpolster — die Hauptachse des Hohlkolbens senkrecht stehend gedacht — die tiefste Stelle in jener Höhlung einnimmt, die vier Saugnäpfe darüber angebracht erscheinen, die Innenwand des hohlen Kolbens mit einer zarten, aus Grundsubstanz und einem glashellen Häutehen — dem späteren Integu- ment — ausgekleidet ist, in diesem Stadium liegt der Nervenring über den Saugnäpfen, nahe der inneren Höhlraumauskleidung (der späteren Subeutieula). Er besteht aus zarten Fasern und zahlreichen ein- und angelagerten hüllenlosen Gänglienzellen von 0,012 mm Durchmesser, deren 160 Jahres - Bericht Kerne (mit deutlichen Kernkörperchen) 0,0046 mm messen und durch Hämatoxylin intensiv gefärbt werden. In anderen Serien von Quer- und Längsschnitten wird ein Stadium erkannt, in welchem das die Hakenkränze tragende Polster aus dem Grunde des Kolbenhohlraums sich gehoben, die Gegend der Saugnäpfe passirt hat, letztere ihre definitive Lage unterhalb der Hakenkränze ein- senommen haben, endlich Schlingen der Wassergefässe bereits gebildet waren. Hier zeigt sich der Nervenring in die Gegend zwischen den Saugnäpfen gerückt oder hinter denselben und tiefer in die Körpergrund- substanz eingebettet. Auch sind die aus dem Nervenring entspringenden Nervenstämme wahrnehmbar. In einem viel früheren Finnenstadium, wo die Haken nur durch kegelförmige Verdiekungen der inneren Kolbenauskleidung an einem Polster auf dem Boden des Kolbenhohlraums dargestellt sind, ist der seschilderte Nervenring nur durch zerstreute Häufchen von Ganglien- zellen angelegt, welche im Umkreise des Kolbenhohlraumes nahe an dessen innerer Auskleidung lagern und deren Fortsätze nur an wenigen Stellen unter einander vereinigt erscheinen. In weiterer Entwicklung zeigen sich immer mehr Fortsätze der Ganglienzellen mit einander ver- einigt, bis endlich der früher geschilderte Nervenring gebildet ist, welcher in den Finnen sämmtlicher vom Vortragenden untersuchten Bandwurm- arten wahrnehmbar ist. Durch die hier kurz angedeutete Entdeckung des Vortragenden be- sinnt die bisherige Isolirtheit der darmlosen Bandwürmer dem Anschlusse an andere Lebensformen Platz zu machen. Das ursprünglich ringförmige centrale Nervensystem im Jugendzustande und seine Anlage in noch früherer Lebensperiode der Bandwürmer erinnert nicht nur einerseits an den Nervenring um den Schlund der Rundwürmer (Nematoden), anderer- seits an den Nervenring, welcher in der Rinne des Wimpersürtels mehrerer freilebenden Wurmlarven (Anneliden) eingebettet liegt, sondern schliesst sich (ist homolog) dem Nervenring der (Craspedoten) Schirm- quallen (Cölenteraten) an. Die Plattwürmer bekunden aber damit eine noch innigere Verwandtschaft mit jenem Thiertypus als die übrigen Wurmklassen. Während nämlich der Ring der Rundwürmer vermöge der höheren Organisation aller Körperorgane sich bedeutend mächtiger. entwickelt, der Nervenring dagegen in der Rinne des Wimpergürtels der senannten Wurmlarven sich zurückbildet, verkümmert und durch Aus- bildung eines, in der Anlage bereits in den Larven vorhandenen, anders gestalteten Nervensystems (in Form eines Schlundringes 'mit davon aus- sehender Bauchknotenkette) ersetzt wird; während also beide Wurm- klassen dadurch von jenen Schirmquallen sich wieder entfernen, bewahren die Bandwürmer zeitlebens entweder unverändert oder in unerheblicher Veränderung die ererbte ursprüngliche Form des centralen Nervensystems der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 161 und damit die Signatur ihrer Verwandtschaft mit jenen auf niedrigster ÖOrganisationsstufe befindlichen Lebewesen. Die wie in den Schirm- quallen regulär-strahlige Anordnung der in der Vier- und Sechszahl vor- handenen Saugnäpfe und der zu denselben gehenden Nervenästehen steht damit in vollstem Einklange. Die in Vorstehendem angedeuteten Thatsachen werden dureh Demon- stration einschlägiger Präparate und Handzeichnungen illustrirt. Herr Professor Dr. Arzruni machte in derselben Sitzung Mit- theilungen über oberschlesische Mineralien, über Gay-Lussit-Krystalle und über - Mineralien aus Alaska und berichtete zunächst über neuerdings auf der Grube. Neue Helene bei Scharley in Begleitung von Bleiglanz, schaliger Zinkblende, Kieselzinkerz und anderen Mineralien vorgekommene Weissbleierzkrystalle.. Die zur Ansicht vorgelegten Stufen erhielt das mineralogische Museum durch die Güte des Herrn Bergverwalters Ostmann, welcher in einem seine Sen- dung begleitenden an Herrn Geh. Rath Römer gerichteten Briefe noch Folgendes über die Verhältnisse in der genannten Grube mittheilt: „Gegen Norden, nach dem Ausgehenden hin (Scharleyer Aufdeckarbeit), zählte Zinkblende zu den Seltenheiten. Erst in den tieferen Horizonten der Neuen Helene-Grube bemerkte man allmähliche Uebergänge von Galmei in Blende. Die Blende tritt inmitten des Galmeilagers nesterartig auf: weiter im Einfallen der Lagerstätte entwickelt sich dieselbe als com- pactes Lager, hier am liegenden Sohlenkalk den untersten Platz ein- nehmend, während nach dem hangenden Dolomit wieder gesäuerte Erze auftreten. Der die Blende begleitende Dolomit ist grau, während der Galmei - Dolomit die charakteristische braune Färbung hat. Von der Blende erreicht die Schalblende, und zwar die strohgelbe amorphe Varietät — gewöhnlich in concentrisch schaliger Absonderung auf- tretend — den höchsten Zinkgehalt = 67 pCt., während der Gehalt der bläulichgrauen Schalblende zwischen 50—55 pCt. schwankt. Häufig be- obachtet man auch eine dolomitische Blende als innise Imprägnation des Dolomits mit Blende.“ Auch Herr Dr. Kosmann hat eine Beschreibung der Vorkommnisse in der Grube Neue Helene geliefert (vergl. Zeitschr. des Oberschles. berg- und hüttenm. Vereins 1882 Juli und 1833 August- September). Die an das mineralogische Museum gelangten Stufen zeigen entweder die compacte braune, theils amorph aussehende, theils deutlich krystal- linische Blende in nierenförmigen, warzenartigen Aggregaten, die von schmalen Bändern von Bleiglanz durchzogen und von kaum mit der Loupe erkennbaren Kryställchen von Kieselzinkerz bedeekt sind, oder die erwähnten strohgelben Coneretionen, in denen die Blende um einen 1883. 11 162 Jahres-Bericht Kern von Bleiglanz sich abgelagert hat und ab und zu auch concentrische schmale Schalen von Bleiglanz führt, welche besonders deutlich im Quer- schnitt hervortreten, oder endlich sind es bereits stark zersetzte Stücke, deren Sulfide (Bleiglanz und Blende) sich in Oxydhydrate uud Oxyd- salze umgewandelt haben und vorwiegend aus Eisenocker (aus dem Eisengehalt der Blende entstanden) bestehen, mit Kieselzinkerz und Weissbleierz. Letzteres tritt in bis 5 mm grossen, vollkommen durch- sichtigen, wasserhellen, oder auch etwas milchis getrübten Krystallen auf, welche meist in beträchtlichen Anhäufungen der nierenförmigen und schaligen, bereits stark zersetzten Blende aufsitzen oder die Wandungen z. Th. würfelförmiger Hohlräume bekleiden, die durch Zersetzung und Entfernung des ursprünglich dagewesenen Bleislanzes entstanden sind. Die Weissbleierz-Krystalle zeichnen sich nicht durch Formenreichthum aus; sie sind meist in der Richtung der Brachyachse langgestreckt, fast ausnahmslos Zwillinge nach dem gewöhnlichen Gesetz, d. h. Zwillings- ebene eine Fläche von (110), an denen mit Sicherheit blos die Formen (110), (111), (012), (021) zu beobachten sind. Die scharfe Ausbildung und die sehr ebenen Flächen gestatten eine ziemlich genaue Messung. Herr Stud. Drabant führte im Institut des hiesigen mineralogischen Museums eine Reihe von Messungen aus, deren Resultate als durchaus befriedigend angesehen werden können, indem dieselben fast genau mit den von Herrn N. v. Kokscharow angegebenen Werthen (vergl. dessen Mat. z. Min. Russl. Bd. VI S. 100 ff.) übereinstimmen. Derselbe legte dann einige zufällige, d. h. unbeabsichtigte Produete der Sodafabrikation vor, u. a. Gay-Lussit-Krystalle, genau von dem Aus- sehen der natürlichen „‚elavos“ (Nägel) von Venezuela, deren Bildung auf Kosten eines Theiles der Soda geschieht und die nicht unerheblichen, schon längst constatirten, aber bisher nicht näher erforscht gewesenen Verluste bei der Sodagewinnung bedingt, welche erst durch die von Herrn Professor Rammelsbergs und dem Vortragenden nachgewiesene Bildung des Gay-Lussit, sowie eines zweiten Hydrocarbonats von Calcium und Natrium eine befriedigende Erklärung fanden. (Vergl. Monatsber. d. königl. preuss. Akad. 1850 $. 783 und Zs. f. Kıystallogr. Bd. VI S. 24, 1882). Derselbe sprach schliesslich über einige Mineralien aus Alaska und legte schöne, wohlausgebildete, dunkelhimberfarbene, im Glimmerschiefer beim Fort Wrangell gesammelte, bis 1,5 cm grosse Krystalle von Granat vor, an denen die Formen (110) und (112) auftreten, wobei bald die eine, bald die andere die vorherrschende ist. Aehnliche Granaten, einer der Aleuteninseln entstammend, befinden sich auch im Berliner minera- logischen Museum und die sie begleitende Etiquette (von Erman, Kotzebue oder Chamisso herrührend?) besagt, dass die Koloschen diese Granaten als Geld gebrauchen. — Die hier vorgelegten bilden einen _ . ug bel} da iu U 2 EL F.- er ’ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 163 Theil einer Sammlung von Mineralien und Gesteinen, welche die Herren DDr. Aurel und Arthur Krause von ihrer Reise mitbrachten und dem Vortragenden zur Bearbeitung anvertrauten. Die Herren Krause hatten sich bekanntlich im Jahre 1881 im Auftrage der Bremer geographischen Gesellschaft zum Zwecke naturwissenschaftlicher Erforschung von Alaska und der Tschuktschen - Halbinsel nach diesen Gebieten begeben, woher sie Ende 1882 nach Deutschland mit reichen naturwissenschaftlichen und ethnographischen Collectionen zurückkehrten. Die geologisch - minera- logische Sammlung, aus etwa 150 Nummern bestehend, bildet zwar den kleinsten Theil der werthvollen wissenschaftlichen Ausbeute, immerhin gewährt sie eine Möglichkeit, über die Geologie dieser so wenig er- forschten Länder einige Schlüsse zu ziehen. Die meisten Handstücke von Gesteinen weisen darauf hin, dass beide durch das Beringmeer von einander getrennten Gebiete eine ziemlich analoge geologische Structur besitzen: es sind hauptsächlich -die ältesten Bildungen, Massengesteine der Granitfamilie, sowie krystalline Schiefer einerseits und junge, tertiäre. Ablagerungen mit ihren Eruptivgesteinen (vorherrschend Basalten) andererseits, welche in der Collection vertreten sind. Die reichen Erzlager, welche in Alaska jetzt zum Theil von den Amerikanern ansgebeutet werden (Juneau-City auf dem Festlande, Ste- ward mines, Lake Mountain, Last chanse, Wicked falls auf Sitka) ge- hören wohl ausnahmslos den krystallinen Schiefern an und führen Gold, ferner Blei, Zink und andere meist geschwefelte Erze (z. B. Bleiglanz, Zinkblende, Magnetkies, Arsenkies, Eisenkies), unter denen aber, auf- fallender Weise, Kupferverbindungen sich nicht zu finden scheinen. Nur an der Kasan-Bai auf Prince of Wales Id. sind verlassene Kupferminen angegeben, woher auch derber Kupferkies vorliegt. Killisnoo Id., in der Chatham-Street auf der Westseite von Admirality Id., ist durch Eisen- glanz in rosenrothem Kalkspath vertreten. Auf Tertiär und speciell auf Miocän lässt ein Schiefergeröll vom Unteren Natagehin, einem rechten Nebenfluss des Tschilkathin, schliessen. In demselben sind nämlich Blattabdrücke und Pflanzenreste erhalten, welche nach einer Bestimmung durch Herrn Dr. Gürich Corylus Mae Quarri ©. Heer und Sequoia Langsdorfi Brug. angehören. Eine dritte Gattung liess sich wegen mangelhafter Erhaltung nicht bestimmen. Von den krystallinen Schiefern der Tschuktschen - Halbinsel, speciell von Pooten, rührt ein Stück schönen reinen Graphits her. Dasselbe Mineral tritt auch in Wicked falls, Sitka, auf und schliesst grosse Arsenkies- krystalle ein, ist aber von geringerer Qualität als der erstgenannte. Sitka besitzt auch heisse Quellen, welche pulverigen Schwefel absetzen. Sie hängen offenbar mit den in diesen Gebieten so zahlreiehen thätigen Vulcanen zusammen. 11% 164 Jahres - Bericht Herr Professor Poleck theilte die Resultate einer Untersuchung mit, welche Herr Apotheker Thümmel im pharmaceutischen Institut der Universität ausgeführt hatte, um die Veränderungen kennen zu lernen, welche der Chlorkalk beim Aufbewahren erfährt. Es stellte sich dabei heraus, dass bei Aufbewahrung des Chlorkalks, unter Ausschluss des direeten Sonnenlichtes, in offenen Gefässen im Keller und in verschlossenen Bodenräumen sein Gehalt an wirksamem Chlor während 15 Monaten von 38 pCt. nur auf 29,7 pCt. und 31,2 pCt. zurückgegangen war und dass derselbe in einer ganzen Anzahl Proben, welche aus verschiedenen Bezugsquellen entnommen und dort zum Theil unter wenig günstigen Bedingungen aufbewahrt worden waren, meist über 25 pCt. betrug. Gegenüber der Thatsache, dass gegenwärtig ein Chlorkalk mit einem Gehalt von 38 pCt. wirksamem Chlor in den Handel kommt, erscheint es nicht gerechtfertigt, dass die neue deutsche Pharmacopoe den früher geforderten Gehalt von 25 pCt. auf 20 pCt. herabgesetzt hat. Herr Bergmeister Dr. Kosmann that Erwähnung zweier Beispiele aus der bergmännischen und Maschinentechnik, um daran zu erläutern, in welcher Weise dieselbe sich das physikalische Verhalten von Salz- lösungen bezüglich ihrer Wärmecapaecität zu Nutze mache. Das erstere betraf das von dem Ingenieur H. Pötsch zu Aschersleben erfundene und zum Abteufen von Schächten im schwimmenden Gebirge eingeführte Ge- frierverfahren, dessen praktische Durchführbarkeit derselbe bereits auf der Zeche Archibald bei Aschersleben bewiesen hat. An die Vorlegung einer photographischen Darstellung von der Anordnung der bei diesem Verfahren gebrauchten Apparate und Rohrleitungen wurde die Erläuterung geknüpft, dass in einer Eismaschine Chlorcaleiumlauge bis auf — 40°C. abgekühlt und, da dieselbe bei dieser Temperatur noch nicht erstarrt, in einem Rohr hinabgelassen wird in ein vervielfältistes System von Röhren, welche auf die Länge von 1—1', m in das durch Gefrieren zu er- härtende Gebirge, welches in der Sohle resp. in den Seitenstössen des abzuteufenden Schachtes ansteht, vorgetrieben werden und zur Aufnahme der Lauge durch Auslöffeln des Erdreichs befreit und leer gemacht sind. Die Lauge bleibt in den Röhren stehen und giebt ihre Kälte an die um- gebenden Schichten ab mit dem Erfolge, dass die Temperatur der letzteren von + 11°C. bis auf — 19° C. sinkt, in Folge dessen sie erstarren zu einer Härte, welche derjenigen des Flussspaths gleichkommt. Ist dies geschehen, so wird die Lauge in die Erkältungsapparate zurück- gesaugt, während das vorher schwimmende Gebirge nun in festen Stücken hereingehauen und die Zimmerung in gewöhnlicher Weise nachgeführt werden kann. Die Befestigung des Gebirges ist eine derartige, dass die Schachtwände ihre Stetigkeit behalten, bis der Schacht durch die auf- zuführende Ausmauerung gesichert werden kann. Da zugleich das Wasser in den Gebirgsschichten mitgefriert, bezw. die zusitzenden Wasser in den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 165 Schachtwänden zurückgehalten werden, so wird jede Wasserhaltung er- übrigt. Die in die Eismaschine zurückgelangte Lauge wird, abermals abgekühlt, von neuem benutzt. Das andere Beispiel betraf die von Moritz Honigmann in Greven- berg bei Aachen erfundene und eonstruirte dampf- und feuerlose Locomotive. Dieselbe beruht auf der Nutzanwendung der physikalischen Eigenschaft der Aetznatronlauge, vermöge ihres hohen Siedepunkts, bei + 190° C., heisse Wasserdämpfe zu condensiren und deren Wärme zu absorbiren, so lange, bis sie selbst ins Sieden geräth: der hierdurch an- sesammelte Wärmevorrath wird verbraucht, um Wasser zum Sieden zu bringen und wiederum Dampf zu erzeugen. — Der Locomotivkessel be- steht aus einem inneren mit Natronlauge gefüllten Cylinder und einem denselben umgebenden Ringe, welcher mit Wasser gefüllt ist; letzteres wird durch Wasserdämpfe von hoher Spannung erhitzt. Der aus dem Cylinder der Dampfmaschine austretende Dampf entweicht in den mit Natronlauge gefüllten Kessel, welche die Dämpfe condensirt und ihre Wärme an den letzteren umgebenden Wasserkessel abgiebt, dessen Wasser durch diese Erwärmung neue Dämpfe erzeugt. Natürlich nimmt diese Kräfteerzeugung der Lauge in dem Masse ab, als sie durch die Condensation der Wasserdämpfe selbst verdünnter wird und ihr Siede- punkt mit demjenigen des Dämpfe erzeugenden Wassers sich ausgleicht. Man hat gefunden, dass zu einer Leistung von 5 Pferdekräften in 5 Stunden ca. 500 kg Natronlauge erfordert werden. — Bereits hat unter Verwen- dung eines solchen Kessels eine Probefahrt mit einem Dampfer auf der Spree zu Berlin stattgefunden. Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn sprach in der Sitzung vom 12. December über einige durch Gährung von Milch erzeugte Genussmittel unter gleichzeitiger Vorlegung derselben. Gährungen werden bekanntlich durch Fermente erregt; die meisten Fermente sind durch mikroskopische Pilze erzeugt, von denen sie sich schwer isoliren lassen, und sie kommen daher in der Regel mit den Pilzen gemeinsam in Thätigkeit und vermehren sich gleichzeitig mit diesen; es sind die sog. organisirten Fermente (Mierozyme). Ein kleinerer Theil der Fermente wird in den Geweben der grösseren Thiere und Pflanzen erzeugt, von denen sie sich leicht isoliren lassen (sog. unorga- nisirte Fermente, Euzyme, Macrozyme). Von den gährungserregenden Pilzen, welche an der Erzeugung technisch werthvoller Fermentations-Producte betheiligt sind, sind bisher nur der Alcoholhefepilz und der Essigpilz (Saccharomyces und Myco- derma) genauer studirt worden. Wir finden bei verschiedenen Völkern 166 Jahres - Bericht Asiens eigenthümliche, durch Gährung gewonnene Producte, über deren Fermente noch fast gar nichts bekannt ist. Der Vortragende demonstrirte einige aus Milch gewonnene Producte, welche er durch den Leibarzt des Schah von Persien, Dr. Polak in Wien, erhalten: 1) Keschk, welcher im ganzen Orient von Syrien bis Afghanistan und Turkestan als Volks- nahrung: benutzt wird, er wird aus mässig abgedampfter sauerer Butter- milch in Kugeln oder Stangen präeipitirt, giebt mit etwas Reis, Umbelli- ferenwurzeln und Blättern aus der Steppe eine gute Suppe. 2) Karagrut, der eingedampfte schwarze, sehr saure und salzige Rückstand bei der Keschkbereitung. 3) Jaurt, das beliebteste Getränk der Orientalen, das vom Schah bis zum Bettler täglich genossen wird, ist saure Milch, durch Zusatz von Keschk gewonnen, vertheilt sich leicht mit jeder Quantität Wasser und etwas Salz zu einer erfrischenden Emulsion (Dugh). Andere Gährungsproducte der Milch sind der Kumys, ursprünglich aus Stuten- milch von den Nomaden in Süd- und Ostrussland gewonnen und wegen seiner ausserordentlich nahrhaften Eigenschaft auch bei uns berühmt ge- worden, und der Kephir, der bisher nur den Bergvölkern der höchsten Gebiete des Kaukasus bekannt, seit einem Jahre auch von russischen Aerzten als ein ausgezeichnetes Nahrungs- und Heilmittel namentlich für Anämische und Phthisiker gerühmt wird. Kephir wird aus Kuhmilch durch Zusatz eines besonderen Ferments bereitet, erbsen- bis bohnen- grossen, harten Körnern oder Klümpchen von gelblicher Farbe, die als Kephirkörner bezeichnet werden. Werden Kephirkörner gequellt und dann mit roher oder gekochter Milch übergossen, so tritt schon nach einigen Stunden Gährung mit lebhafter Gasentwickelung ein, die sich bei der in Flaschen festverschlossenen Milch fortsetzt; nach 1—3 "Tagen ist der Kephir zum Genusse fertig. Häufig wiederholtes Umschütteln der Flaschen veranlasst, dass die Milch nicht wie gewöhnlich beim Sauerwerden zu einer dicken Gallert serinnt, sondern sich in sehr feine Bröckchen oder Flöckchen abscheidet. Bei ruhisem Stehen sondert sich das Ganze in eine obere Flüssigkeit und in einen voluminösen pulverigflockigen Absatz, der sich beim Schütteln wieder gleichmässig vertheil. Die Menge der Milchsäure und der Kohlensäure, die sich bei der Gährung entwickeln, nimmt von Tag zu -Tag zu, daher vom vierten Tage ab beim Oeffnen des Korks der Kephir wie Champagner oder Berliner Weissbier als schneeweisse stark mous- sirende säuerliche Flüssigkeit ausfliesst. Die Kephirkörner sind, wie schon Kern fand, ein Gemenge von Bacillen und Alcoholhefe; die Bacterien scheinen den Milchzucker theils in Milchsäure, theils in Lactose umzuwandeln, letztere durch die Hefe in Alcoholgsährung versetzt zu werden. Der Vortragende ist den Herren Prof. Goroschankin in Moskau, Museumsdirector Dr. Radde, Dr. Haudelin und Apotheker Otten in Tiflis für Zusendung von Kephir zu Dank verpflichtet. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 167 Der Assistent am mineralogischen Institut, Herr Dr. Gürich, legte neue Saurierfunde aus dem Muschelkalk Oberschlesiens vor. Die beiden zuerst vorgelegten Schädel gehören zu Nothosaurus, der artenreichsten Gattung der Triassaurier (vergl. H. v. Meyer, Die Saurier des Muschelkalks 1847—55). Der eine, 107 mm lang, stammt aus dem Muschelkalk von Krappitz und gelangte durch Vermittelung des Herrn Gutsbesitzers Madelung in den Besitz des Herrn Dr. Kunisch, der andere, 19] mm lang, von Mariagrube bei Beuthen OS., stammt aus der Sammlung des Herrn Pfarrers Bronder in Bogutschütz und gelangte durch Vermittelung des Herrn Lehrers Winkler in Tarnowitz in den Besitz des Breslauer mineralogischen Museums. Beide Schädel ergänzen sich insofern, als der kleinere die geschlossene, von oben entblösste Schädel- kapsel, der grössere nur die Ausfüllung des Schädelraumes — von unten blossgelegt — darbietet, während die Knochensubstanz nicht mehr vor- handen ist. Sie unterscheiden sich dadurch von einander, dass bei dem Krappitzer Exemplar die Augen grösser, die Längenentwickelung der hinteren Schädelhälfte geringer ist, ein Unterschied, der wohl nur eine Folge des jugendlicheren Alters dieses Individuums ist, wofür auch die vom Scheitelloch bis zur Schnauzenspitze reichende, vorn fast klaffende Naht spricht, Sonst stimmen die Schädel ausgezeichnet überein, so dass sie als einer Art angehörig zu betrachten sind. Dieselbe unterscheidet sich von den bisher bekannten Arten durch folgende Unterschiede: Der Abstand der Augenhöhlen von den Nasenlöchern ist bedeutend grösser als der Längendurchmesser der letzteren, bei den übrigen Arten kleiner, nur bei N. augustifrons eben so gross; Stirn und Nasenbeine sind breiter, wogegen die die Augenhöhlen von den Schläfengruben trennende Knochen- brücke ganz beträchtlich schmaler ist. Der Oberkiefer reicht bis in die hintere Augengegend, bei den anderen Arten bis unter den vorderen Theil der Schläfengruben. Schneidezähne schlank, gekrümmt, längs- gerieft waren 10, Backzähne von ähnlicher Form, aber bedeutend kleiner, wohl nur 50 vorhanden, bei N. mirabilis an 100. Der Rand des Schädel- umrisses zeigt in der Augengegend eine beträchtliche Anschwellung, da- hinter eine Einschnürung, die durch eine plötzliche, nach innen und oben gerichtete Einbiegung des Jochbeins bedingt ist; bei den bekannten Arten verläuft der Rand von den vorderen Augenecken geradlinig nach hinten. An dem zweiten Exemplar tritt noch ein anderes wesentliches Merkmal hervor: die geringe Länge der Gaumenlöcher ; dieselbe beträgt nur '/, der Gesammtlänge des Schädels, bei den übrigen Arten '/,;, (N. Andriani) bis '/, (N. mirabilis). An diesem Exemplar sind noch folgende bisher unbeobachtete That- sachen wahrzunehmen. Am hinteren Ende der Mediane befand sich ein unpaarer Knochen mit zwei Paar schlanker, nach vorn und oben ge- 168 Jahres - Bericht richteter Fortsätze; er wird hier als Basisphenoid gedeutet. Seine Be- obachtung ist deshalb bisher nicht möglich gewesen, weil er unterseits von den Flügelbeinen verdeckt wird. Diese besassen bei dem vor- liegenden Exemplar zwei schmale, aufsteigende, median aneinander liegende Fortsätze, die in der Gegend der Gaumenlöcher .zu endigen scheinen. Die Vorderstirnbeine waren mit den Gaumenbeinen durch eine Knochensäule verbunden. Es steht übrigens die in zwei Exemplaren vorliegende neue Art, durch die angegebenen Merkmale wohl charakte- risirt, von den anderen, unter sich näher verwandten Nothosaurus-Arten weiter ab und zeigt Anklänge an das verwandte Genus Pistosaurus. Eine Benennung der Art soll einstweilen unterbleiben. Ein dritter Fund nimmt ein noch weit grösseres Interesse in An- spruch, da er einen zusammenhängenden Theil des Skelets eines ganzen Thieres darbietet. Dasselbe wurde auf den Halden der Maxgrube bei Michalkowitz OS. von Herrn Maschinenmeister Hlubek gefunden und gelangte durch Vermittelung des Herrn Dr. Kosmann in den Besitz des Breslauer Museums. Es stammt aus dem Chorzower Kalk, also den untersten Schichten des Muschelkalkes. Das Fragment umfasst den hin- teren Theil des Schädels, Hals, Brustgürtel und rechte Vorderextremität; nur ein Theil ist in Substanz erhalten, von dem übrigen liest nur der Hohldruck vor. Vom Schädel ist nur die linke Seite deutlich erkennbar; dieselbe zeigt ein 3 mm breites Scheitelbein, ein kleines Scheitelloch, zwei zwischen Scheitel- und Jochbein gelegene Schläfengruben; der letzteres nach hinten fortsetzende Knochen (quadratum) ist nach innen gekrümmt. Die Aussen- ränder des in der hinteren Region 12 mm breiten Schädels convergiren nach vorn ziemlich bedeutend und lassen eine kurze, stumpfe: Schnauze vermuthen. Der Hals, 59 mm lang, umfasst 16 Wirbel, die nach dem Kopfe zu schmaler werden. Die Wirbelbogen, lose mit dem Körper verbunden, zeigen eine flache Oberseite, auf welcher der Dornfortsatz nur als schwacher Kiel hervorragt. Halsrippen sind nur an den drei letzten Wirbeln wahrzunehmen; sie stellen, von der Seite gesehen, lang- gezogene Dreiecke dar, deren Spitze dorsalwärts und deren steilere Seite nach vorn schaut. Von der übrigen Wirbelsäule sind die vier ersten Rückenwirbel vorhanden und von der Unterseite entblösst. Von den Rippen ragen nur einige mit ihren proximalen Enden aus dem Gestein; kurz vor dem Gelenkkopfe besitzen sie eine beträchtliche, nach vorn gerichtete Anschwellung. Vom Brustgürtel sind nur die Coracoidea ganz erhalten; sie unterscheiden sich von denen des Nothosaurus dadurch, dass sie keine mittlere Einschnürung aufweisen, sondern mit fast parallelen Rändern nach hinten gerichtet und hier sehr schräg abgestutzt sind, Sceapula und Clavieula mögen, nach den Eindrücken und den erhaltenen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 169 Resten zu urtheilen, den entsprechenden Knochen von Nothosaurus sehr ähnlich gewesen sein. Der Oberarm, 10'/, mm lang, war im ersten Drittel etwas gekrümmt, vorn rundlich, hinten mehr länglich im Querschnitt. Radius und Ulna, 6'/, resp. 6'/), mm lang, waren schlanke gerade Knochen, ersterer rund- lich, letzterer mehr platt. Carpalia waren nicht mehr wie 3 vorhanden, 2 ulnare rundlich, 1 radiales mehr länglich. Metacarpale 5, von ihnen setrennt dem äusseren ulnaren Carpale eug an, unter spitzem Winkel von der Axe ausgehend. Die Phalangen, der Zahl nach, 2, 3, 3, 4, 3, divereirten ein wenig; der fünfte Finger war etwas stärker nach hinten gekrümmt. Obgleich die Knochensubstanz nicht mehr vorhanden ist, lässt doch der Abdruck der ohne jede Störung der Lage ausgebreiteten Hand in tadelloser Deutlichkeit alle Einzelheiten erkennen. Von Nothosaurus und Verwandten, sowie von Placodus ist das Thier durch die doppelten Schläfengruben verschieden; von den ersteren ist es ferner, trotz der Uebereinstimmung im Bau des Brustgürtels, bestimmt geschieden durch die Form des Schädels, den kürzeren Hals, die Ent- wickelung der auch zum Gehen eingerichteten Extremitäten, die bei jenen Flossenfüsse sind, und durch die Form der Coracoidea. Alle diese Genera sind aber Riesen im Vergleich zu dem vorliegenden Reptil. Eher vergleichbar ist dagegen Neusticosaurus pusillus Seeley (Quart. Journ. 1882 S. 350) —= Simosaurus pusillus Fraas, aus der Lettenkohle von Hoheneck bei Stuttgart. Der nur von der Unterseite blossgelegte Schädel ist indess schmaler, schlanker, etwa wie bei Nothosaurus; der Hals war mehr als noch ein- mal so lang als der Schädel, bei der vorliegenden Art aber kaum doppelt so lang. Halsrippen scheinen bei Neusticosaurus gar nicht vorhanden gewesen zu sein; das Coracoid ist dem von Nothosaurus ganz ähnlich und der Vorderfuss zählte nicht mehr wie 3 Zehen. Ebenso ist das Genus Pachypleura Cornalia aus dem weissen Kalk von Viggiu am Luganersee durch die schlanke Schädelform, die Form der Rippen und die abweichende Entwickelung der Hand verschieden. Also auch mit diesem Thier ist eine generelle Uebereinstimmung nicht wahrscheinlich, eine Annahme, die auch durch die bedeutende Altersdifferenz bestätigt wird: Pachypleura stammt aus dem Lias oder günstigsten Falls der obersten alpinen Trias. Es gehört also dieses Thier von der Maxgrube einem neuen Genus an, das wohl den Nothosauriern nahesteht, aber auch zugleich auf andere Abtheilungen der Reptilien, wie Lacertilier und Crocodilier, hinweist. Auch dieses Genus soll noch nicht benannt werden, um durch neue Funde eine Bestätigung und Erweiterung dieser Angaben abzu- warten, 170 Jahres-Bericht Herr Professor Poleck sprach schliesslich über Verdichtung von Gasen mit besonderer Berücksichtigung der Arbeiten von Cailletet in Paris und Pietet in Genf aus dem Jahre 1877 und der neuesten Arbeit von Wro- blewski aus diesem Jahre über die Verdichtung von Wasserstoff, Sauer- stoff und Stickstoff unter Demonstration der betreffenden Apparate. Nach Charakterisirung des gasförmigen Zustandes auf Grund der kinetischen Theorie der Gase bemerkte er, dass seit den erwähnten Arbeiten per- manente Gase nicht mehr existirten. Die Verdichtung der Gase zu flüssigen und festen Körpern ist abhängig von der Vermehrung des Druckes und der Abkühlung. Schon Cagniard Latour hatte die Beob- achtung gemacht, dass Aethyläther bei einer gewissen höheren Tempe- ratur durch keinen Druck verflüssigt werden könne und Andrews ver- allgemeinerte diese Beobachtung durch den Nachweis, dass es für jeden sasförmigen Körper eine bestimmte Temperatur giebt, über welche hin- aus seine Verflüssigung durch vermehrten Druck nicht mehr ausführbar ist. Er nennt diese Temperatur ‚die kritische Temperatur“. Anderer- seits entspricht unterhalb derselben jedem Temperaturgrad ein bestimmter Druck, welchen Andrews ,‚den kritischen Druck‘ nennt. So kann die Kohlensäure bei einer Temperatur über 30° durch keinen noch so grossen Druck verdichtet werden, während sie bei 31° durch einen Druck von 75 Atmosphären, bei 0° durch 36 Atmosphären, bei — 26° durch 26 Atmosphärendruck flüssig wird. Der Umstand, dass man diese Ver- hältnisse nicht kannte, macht es erklärlich, dass alle früheren Versuche, den Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff zu verdichten, missglückten, obwohl Faraday, Natterer u. A. dabei über einen Druck von weit über 1000 Atmosphären verfügten. Cailletet und Pictet dagegen gelang unter Einhaltung dieser Bedingungen die Verdichtung dieser Gase. Der zuletzt genannte Forscher kühlte in seinem mit je zwei Saug- und Druckpumpen — sie wurden durch eine Dampfmaschine im Gang erhalten — ver- sehenen Apparat zunächst flüssige Kohlensäure durch rasches Verdampfen von flüssiger schwefliger Säure auf eine Temperatur von — 65° ab und. erzeugte dann durch gleich rasches Ansaugen derselben die Temperatur von — 140°. Kohlensäure von dieser niedrigen Temperatur kühlte den Theil des Apparats ab, in welchem die betreffenden Gase, welche sich in starken schmiedeeisernen Gefässen — Sauerstoff aus chlorsaurem Kalium, Wasserstoff aus einem Gemisch von gleichen Molekeln ameisen- saurem Kalium und Kaliumhydroxyd — entwickelten, durch ihren eigenen Druck, welcher die Höhe von 650 Atmosphären erreichte, verdichtet wurden. Beim Oeffnen des Apparates trat der flüssige Wasserstoff unter heftigem Zischen als ein völlig undurchsichtiger Strahl von stahlblauer Farbe aus und in demselben Augenblick hörte man auf dem Boden ein TE ee m UNE der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 171 Geräusch wie von fallenden Metallkörnern. Ein Theil des flüssigen Wasserstoffs war fest geworden und hatte dabei die seinem chemischen Verhalten als Metall entsprechenden physikalischen Eigenschaften erkennen lassen. Wroblewski gelang es in einem sinnreichen, abweichend con- struirten Apparat unter Anwendung von flüssigem Aethylen, welches bei seinem Verdampfen eine Temperatur - Erniedrigung von — 136° erzeugt, Sauerstoff durch einen Druck von 23 Atmosphären zu verflüssigen und seine Eigenschaften in diesem Zustande zu studiren. Es ist eine durch- sichtige, äusserst bewegliche Flüssigkeit. Die kritische Temperatur des Sauerstoffes scheint bei — 105° zu liegen, während sie bei Stickstoff und Kohlenoxyd, deren Verdichtung zu farblosen Flüssigkeiten demselben Forscher gelang, und bei Wasserstoff noch weit niedriger liegt. Bei diesen Versuchen erstarrte auch zum ersten Mal Alcohol bei — 130° zu einer weissen, festen Masse, Die Kohlensäure spielt eine hervorragende Rolle in der Ge- schiehte der Verdichtung der Gase, ihre Eigenschaften und ihr Ver- halten sind typisch für die ganze Reihe der bis jetzt verflüssigten Gase. Sie wurden an drei mit flüssiger Kohlensäure gefüllten Glas- röhren, sogenannten Natterer’schen Röhren, demonstrirt, während ein schmiedeeiserner Cylinder mit 8 Kilogramm der jetzt fabrikmässig dar- sestellten flüssigen Kohlensäure die Erzeugung grösserer Mengen fester Kohlensäure gestattete. Die flüssige Kohlensäure ist ein farbloses, leicht bewegliches Fluidum, vom speeifischen Gewicht 0,74, welches sich für jeden Temperaturgrad stärker ausdehnt, als irgend ein anderer Körper und in dieser Beziehung selbst die Ausdehnung der Gase übertrifft. Die eine der mit flüssiger Kohlensäure gefüllten Röhren zeigte die charakte- ristischen Wellenbewegungen, eine zweite die bedeutende Ausdehnung und die völlige Vergasung beim Erwärmen über den kritischen Punkt + 31°, in der dritten, anscheinend leeren, verdichtete sich beim Ab- kühlen flüssige Kohlensäure, wodurch die engen Beziehungen zwischen Druck und Temperatur unmittelbar vor Augen traten. Der Siedepunkt der flüssigen Säure liegt bei — 78°, dabei tritt aber eine noch bedeu- tendere T'emperatur - Erniedrigung ein, so dass ein Theil der flüssigen Säure fest wird. Beim Oeffnen des Kegelventils des mit dem unteren Ende erhöht gestellten Cylinder strömte die flüssige Kohlensäure unter mächtigem Zischen heraus. Sie wurde in einem Beutel von dichtem Tuch aufgefangen und verdichtete sich darin zum grossen Theil zu einer ‚völlig weissen, lockeren, schneeartigen Masse, welche sich in grösseren Mengen stundenlang fest erhielt und, ohne vorher flüssig zu werden, langsam verdunstete. Auf der Hand schwimmt sie in einer Hülle gas- förmiger Kohlensäure, ohne ein besonderes Gefühl von Kälte zu erzeugen; dagegen entstehen sofort schmerzhafte Frostwunden, wenn man sie durch Zusammendrücken in unmittelbare Berührung mit der Haut bringt. Mit 17004 Jahres-Bericht wenig Aether gemischt, bildet sie eine breiartige Masse, deren Tempe- ratur auf — 100° sinkt, aber bei dem Versuche nur bis — 70° gemessen werden konnte, weil das mit Alcohol gefüllte Thermometer keine tiefere Graduirung besass. Quecksilber gefror rasch in dieser Mischung und liess sich auf dem Amboss hämmern. In der glühenden Schale zeigte sie die Erscheinungen des Leidenfrost’schen Versuchs, sie bewahrte ihre niedrige Temperatur. In einem kleinen Tiegel befindliches Quecksilber gefror, als es in das in der glühenden Schale befindliche Gemisch von fester Kohlensäure und Aether eingetaucht wurde, ein Versuch, welcher zuerst von Faraday angestellt worden war. Die flüssige Kohlensäure findet bereits seit einigen Jahren technische Verwendung. Vorübergehend wurde sie in der Krupp’schen Fabrik be- nutzt, um die Verstärkungsringe am unteren Theile der Geschützrohre durch Erkältung dieser wieder abzustreifen, jetzt zum Dichten der Stahl- süsse in geschlossener Form. Sie befindet sich zu dem Zweck zu je 100 Kilogramm in Gussstahlgefässen, welche bis auf 200 Grad erhitzt werden, so dass die Kohlensäure dann beim Einströmen in die ge- schlossene Form einen Druck von ca. 1200 Atmosphären ausübt. In derselben Fabrik wird sie zur Darstellung von Blockeis, Selterwasser, zum Bierdruck verwendet. Letztere Benützung ist vom hygienischen Standpunkt aus warm zu empfehlen, da hier ein dem Bier eigenthümlich angehörender Bestandtheil als Druckkraft verwandt wird, dadurch das Bier kohlensäurereicher bleibt und das wenig appetitliche Einpumpen von oft recht unreiner Luft vermieden wird. In Berlin hat die flüssige Kohlensäure als Triebkraft der Dampfspritzen der Feuerwehr Verwen- dung gefunden. Man lässt sie so lange in den Dampfraum einströmer, bis die Wasserdämpfe die nothwendige Spannkraft erreicht haben. Bei dieser Einrichtung kann die Dampfspritze ca. 5 Minuten früher ilıre Thätigkeit beginnen. Man hat ferner gelungene Versuche mit flüssiger Kohlensäure zum Heben von gesunkenen Schiffen gemacht, und es ist begründete Hoffnung vorhanden, sie in manchen Fällen als Triebkraft vortheilhaft verwenden zu können. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 173 EN: Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1883, erstattet von Professor Dr. Ferdinand Cohn, zeitigem Secretair der Section. Die botanische Section hat im Jahre 1883 zehn ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung gehalten. In der ersten Sitzung vom 18. Januar legte Herr Geheimrath Göppert den neuen Tauschkatalog des botanischen Gartens für 1832 vor. Bei dem immer mehr schwindenden Interesse an offieinellen Ge- wächsen, welches durch das Verfahren der neuen Reichspharmacopoe, bei den in ihr aufgeführten Pflanzen die Autoren wegzulassen und da- durch die wissenschaftliche Bezeichnung aufzugeben, gewiss nicht ver- mehrt werden wird, hält er es, dieses Ausserachtlassen der wissenschaft- lichen Nomenclatur missbilligend, im Interesse der systematischen Botanik und der heutigen Pharmacie fast für geboten, durch eine Zusammen- stellung aller etwa bis 1860 in der medieinisch-pharmaceutischen Welt noch bekannteren Arten und der von ihnen stammenden Droguen, viele dieser heut nur mehr oder weniger beachteten Pflanzen der Vergessen- heit zu entreissen. Die etwa 5380 Arten dieser Zusammenstellung wurden seit 1854 im hiesigen botanischen Garten von uns ceultivirt und sind in überwiegendster Zahl auch heute noch hier vorhanden. Die deutsche Reichspharmacopoe von 1872 enthielt noch 223 Pflanzen, deren Theile in der Mediein An- wendung fanden, während die Zahl dieser Arten in der neuen Reichs- pharmacopoe von 1882 auf 160 zurückgegangen ist. Neu hinzugetreten 174 Jahres - Bericht sind in dieser letzten Ausgabe der Pharmacopoe nur 6 Arten, darunter wirklich wesentlich wohl ausschliesslich Pilocarpus pinnatifidus Lem. Eine kleine Zahl von Desideraten, welche bisher noch nie Eingang in unsere Garteneulturen gefunden haben, empfiehlt der Redner allen Förderern dieses Theiles der Wissenschaft, als deren glänzendste Vertreter er her- vorhob den hochverdienten Hasskarl, dessen mit eigener Lebensgefahr bewirkte Entführung der Chinabäume aus Peru — deren Ausfuhr be- kanntlich bei Todesstrafe verboten war — und Einbürgerung ihrer Cultur auf Java, ein Verdienst ist, welches neuerlich kleinliche Neider dem bewährten Forscher vergeblich zu schmälern suchen, während es die gesammte Wissenschaft als ein für die ganze Menschheit äusserst segens- reiches stets anerkannt hat und ferner anerkennen wird; dann H. Karsten, den gleichfalls autoptischen Forscher der Cinchonen und ersten Einführer der Farnbäume in unsere Gärten, sowie den fort und fort unermüdlich wirkenden Baron Ferdinand v. Müller in Melbourne, der botanische Stern Australiens, welcher uns die unvergleichlichen Schätze der Flora Australiens auf ebenso liebenswürdige wie freigsebige Weise erschliesst und durch die Eucalyptus - Culturen zum Üonservator der Wälder der alten und neuen Welt geworden ist. Mit wahrer Freude nannte er noch als Vertreter der jüngeren Forschung den Hauptförderer .der Flora Argentinas und der südamerikanischen Republiken Professor Hierony- mus, bisher in Cordoba, der jetzt in Breslau seine Pflanzensammlungen bearbeitet, und unseren mit so grossen und prachtvollen Oolleetionen von den Philippinen soeben zurückgekehrten Mitbürger Dr. Schaden- berg, dem wir neben Riesen-Exemplaren von Amorphophallus campanu- latus zahlreiche gut erhaltene Exemplare einer neuen enormen, bis 5 m Umfang haltenden Rafflesia, die wir nach dem Entdecker R. Schaden- bergiana nannten, verdanken. Professor Cohn legt vor: das I. Heft des I. Jahrgangs der „Be- richte der Deutschen botanischen Gesellschaft“, Berlin, Bornträger, 1883; es enthält Mittheilungen über die Entstehung, die Statuten und das Reglement der am 1. September 1882 constituirten Gesellschaft, welche neben den regelmässigen Monats-Sitzungen in Berlin alljährlich eine Generalversammlung bei der Naturforscher-Versammlung veranstaltet; ‘sie stellt sich die Herausgabe monatlicher Berichte und Abhandlungen, die Unterstützung wissenschaftlicher Untersuchungen, die Erforschung der Flora Deutschlands, sowie ihrer Speeialgebiete zur Aufgabe. Durch Begründung der Deutschen botanischen Gesellschaft ist ein wissenschaftlicher Mittelpunkt für alle deutschen Botaniker geschafien worden, der schon längst vermisst wurde und ohne Zweifel zum Aul- blühen des botanischen Studiums wesentlich beitragen wird; es ist zu hoffen, dass auch viele der schlesischen Botaniker sich der Gesellschaft anschliessen werden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 175 Derselbe verliest einen ihm zugegangenen, von der Commission des Geographentages ausgegangenen Aufruf der Herren Prof. Ratzel, Zöppritz und Dr. Lehmann zur systematischen Förderung wissen- schaftlicher Landeskunde von Deutschland, für welche Aufgabe eine srosse Anzahl freudiser Mitarbeiter nothwendig ist. Zunächst sollen Register der bereits im Buchhandel veröffentlichten oder in den Berichten der geographischen, naturwissenschaftlichen und anderer Provinzial- und Local-Vereine enthaltenen Vorarbeiten angelegt werden. Auch von Seiten der Schlesischen Gesellchaft wird von der Commission eine Zusammen- stellung der Literatur über schlesische Landeskunde gewünscht. Die Section spricht den genannten Herren ihre Bereitwilligkeit zur Unterstützung ihrer Arbeiten aus, indem sie auf das publieirte General- Sachregister der Schriften der Gesellschaft hinweist und frägt gleich- zeitig an, nach welchen Richtungen hin ihre weitere Betheiligung er- wünscht sei. Professor Cohn theilt noch mit, dass Herr Dr. Penzig, Schüler hiesiger Universität, zum Professor und Director der agrarischen Station zu Modena ernannt worden sei. Herr Limpricht legt eine Anzahl Moose vor, die ihm im November vorigen Jahres Herr Pfarrer Kaurin zu Opdal in Norwegen übersendet hat; einen grossen Theil der von genanntem Herrn gesammelten Moose hat bereits Lindberg bestimmt, so dass ihm nur die Nachlese geblieben ist, die aber doch vier neue Bryum-Arten ergeben hat: 1) ein als Bryum archicum gesandtes, diesem allerdings nächstverwandtes Moos, von Lim- pricht Bryum arcualum genannt; 2) eine dem Bryum arclicum ebenfalls nahestehende Art, von ihm als Bryum micans bezeichnet; 3) eine neue Art wird als Bryum purpurascens bezeichnet; eine vierte nennt Limpricht Bryum opdalense. | Hieran schliesst Herr Limpricht noch die Beschreibung einer fünften neuen Bryum-Art aus den deutschen Alpen, Bryum Tauriscorum genannt. Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter sprach über einige von R. Fritze auf Madeira und Teneriffa gesammelte Pilze. Herr Apotbeker R. Fritze (Rybnik) verbrachte im Winter 1880 einige Monate auf Madeira und den Kanarischen Inseln. Eine kleine Anzahl von Pilzen, die er theils dort selbst sammelte, die ich anderen- theils bei Durchsicht auf den dort von ihm eingesammelten phanero- samischen Pflanzen fand, mögen hier als kleiner Beitrag zur Pilzver- breitung mitgetheilt werden. Die Nährpflanzen sind von Herrn R. von Uechtritz bestimmt. ' 1) Peronospora Fritzii n. sp. Auf Comvolwulus althaeoides L. (var. glabrior). Aecker am Camincho nuovo, Madeira. 3. 80. Der Pilz durchsetzt viele Centimeter lange Strecken des Stengels der 176 2) B) De 4) 9) D 5) Jahres - Bericht Nährpflanze, die federkielartis verdickt und bogig verkrümmt werden. Zwischen den Parenchymzellen finden sich zahlreiche Öosporen mit noch anhaftenden Antheridien. Die Oosporen haben ein diekes, mit starken, labyrinthförmig gewundenen, zu Maschen verbundenen Leisten besetztes gelbbraunes Epispor; zwischen den Maschen befinden sich rundliche vertiefte Stellen. Dicke des Epi- spors 6—8 mm, Durchmesser der Sporen mit Hülle 44—50, ohne dieselbe 30—35 mm, Antheridien 20 mm lang, 13 mm breit. — Vereinzelt finden sich auf der Oberfläche Conidien, die, eiförmig, 22 mm lang, 15 mm breit sind. Mucor stolonifer Ehrenb. Auf der Spatha von Dracunculus canariensis Kunth. Orotava auf Teneriffa April 1880. Unterscheidet sich von der gewöhnlichen Form durch etwas grössere, 2—4 mm hohe, dichtstehende Fruchtträger. Die Sporen sind etwa 153 mm lang, 7—9 mm breit. Jedenfalls hat sich der Pilz während des Trocknens der Pflanze an Ort und Stelle entwickelt. Protomyces macrosporus Unger. Auf Anthriscus vulgaris Pers. Icod el alto auf Teneriffa. April 1880. Entyloma Fumariae n. sp. Auf Fumaria muralis Sond. Madeira, Sa6 Martinho, 30. 1. 80. Bildet bräunliche oder fast schwärz- liche, 1—2 mm breite flache Flecken, die im Umfange nicht scharf begrenzt sind. Sporen kugelig oder elliptisch, 11—1i4 mm lang, 9—11 mm breit; Membran mehrschichtig, von etwas ungleich- mässiger Dicke (bis 5 mm), kastanienbraun. — Von dem ähnlichen E. Corydalis DBy. vorläufig durch die dunklere Farbe der Flecke an der Nährpflanze und das dunkle Epispor zu unterscheiden. Uromyces Polygoni avicularis (Persoon). Auf Rumex madei- rensis Lowe. Madeira am Camincho nuovo. 3. 80. Es finden sich Uredo- und Teleutosporen_ erstere durch das mit diehtstehenden punktförmigen Eindrücken, letztere durch die kappenförmige Ver- dickung des Epispors und die langen Stiele charakterisirt. Es ist dies die vierte Nährpflanze dieses Pilzes (ausser ihr noch: Poly- gonum aviculare, P. puschellum, Rumex Acetosella), des von Lappland bis Griechenland und Nord-Afrika sehr verbreiteten Pilzes. Uromyces Viciae Fabae (Persoon). Auf Ervum parviflorum Bert. (Vicia disperma DC.) Madeira, Ribeiro Joao Gonez. Reichliche Teleutosporen. Uromyces proeminens (DC.) Auf Euphorbia Chamaesyce. Ma- deira, zwischen dem Strassenpflaster in Funchal. 22. 2. 80. Aceidium und Uredo reichlich. Puceinia Violae (Schum.). Auf Viola Riviniana Reichend. Ma- deira, Sa6 Vicente. 5. 2. 80. Uredo- und Teleutosporen. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. E47 9) Exobasidium Lauri Geyler. Madeira. Januar 80. Auf Laurus canariensis L., die bekannten Luftwurzeln an dieser Pflanze her- vorrufend. (S. H. Th. Geyler, Bot. Ztg. 1874, 8. 321.) 10) Stereum hirsutum Pers. An Baumrinde. Madeira, Montada des Percegeiras. Winter 1880. 11) Hexagona pallida n. sp. Auf Baumrinde. Madeira. Winter 1880. Hut halbirt oder ganz umgewendet aufsitzend, überall hell ocherfarben oder fast weisslich, oben grubig, zottigstriegelhaarig, nicht gezont, Hutsubstanz korkartigs, Hymenium mit 2—3 mm breitem sterilem, glänzendem, glattem Rande. Poren bis 1,5 mm weit, eckig, glatt, Ecken nicht vorgezogen; Röhren bis 4 mm lang. Von H. Mori Poll. und H. nitida Mont. (wenigstens nach der Be- schreibung bei Fries, Hymenom.), wie mir scheint, hinreichend durch die Farbe und den Mangel der Zonen unterschieden. Die zahlreichen tropischen Arten sind mir noch nicht genügend genau bekannt, um sie gegeneinander abgrenzen zu können. 12) Boleiinus cavipes (Klotzsch). Madeira. Winter 1880. Poren langgezogen mit zalınförmig vorgezogenen Ecken, Sporen elliptisch, spindelförmigs, 8—10 mik. lang, 3 mik. breit; Membran hell- gelblich. Ü 13) Schizophyllum alneum (L.). Auf Rinde von Oreodoxa. Ma- deira.. Winter 1880. 14) Geaster hygrometricus Pers. Madeira, Riveiro frio. Winter 1880, 15) Geaster saccatus Fries. Madeira. Winter 1880. Capillitium unverzweigt, 5 mik. dick, gelblich. Sporen 3 mik. breit. 16) Ailographum vagum Desmaz. An alten Blättern von Saxifraga madeirensis. Madeira, Serra d’Agoa de Ribeiro da Merode. 5. März 1880. 17) Melanomma Minervae H. Fabre. Auf Pfirsichkernen. Madeira, Winter .1880. Die Diagnose und Abbildung von B. stimmt ganz mit der überein, welche ich 1881 (Abhandl. der Schles. Gesellsch. 1881, 8. 288), von M. Fritzii gegeben habe. Der F.’sche Name hat die Priorität. 18) Hysterium pulicare Pers. Auf Baumrinde, wohl Castanea vesca. Madeira, Funchal. Winter 1880. 19) Septoria Lavandulae n. sp.? Auf Lavandula Stoechas L. Palheiro. 1. 80. Flecke auf der Blattoberseite, rundlich, 1—2 mm breit, braun, am Rande verwaschen, in der Mitte heller. Peritheeien in geringer Zahl (1—6) in der Mitte des Fleckes, klein, schwarz. Sporen nadelförmig, gekrümmt, 25—35 mik. lang, 1—2 mik. breit, an den Enden spitz. 1883. 12 178 Jahres- Bericht 20) Polythrincium Trifolii (Sowerby). a. Auf Medicago sp. Oro- tava auf Teneriffa. A. 80. b. Auf Trifokum stellatum L. Madeira, am grossen Curral. 4. 80. c. Auf Trifolium scabrum L. Madeira, Praya formosa. 3. 3. 80. 21) Acrostalagmus cinnabarinus Corda. 22) Trichothecium roseum Link. Die beiden letztgenannten Schimmel überzogen in diehtem Rasen einige Exemplare von Echium planta- gineum L. Es hat den Anschein, als ob sie während des Trocknens sich auf den Pflanzen entwickelt hätten. Sodann trug Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter vor neue Beiträge zur Algenkunde Schlesiens. Gestützt auf die Darstellung, welche OÖ. Kirchner über die Ver- breitung der Algen in Schlesien 1878 gegeben hat, habe ich mich in den letzten Jahren bemüht, mir über dieses Gebiet ein möglichst voll- ständiges selbstständiges Bild zu verschaffen, und auch meinerseits zur Vervollständigung unserer Kenntniss darüber etwas beizutragen. Zunächst beschäftigten mich die in der Umgebung von Breslau vor- kommenden Algen. Dieselben sind schon durch die Untersuchungen von Göppert, Cohn, Hilse, Kirchner u. A. sehr genau bekannt. In der Kirchner’schen Flora werden etwa von 400 Algen Standorte aus dem Kreise Breslau aufgeführt und durch meine Befunde stellt sich die Zahl der Arten im Kreise auf etwa 500. Es ist eine Eigenthümlichkeit einer grossen, aufblühenden Stadt, dass ihre Umgebung wie der Körper eines lebenden Wesens in steter Entwickelung und Veränderung begriffen ist. Für die Floristik ist dies kein Vortheil; dies hat sich auch in Bezug auf die bevorzusten Alsen- standorte bei Breslau erwiesen. Zu diesen gehörten die Wasserlachen von der Margarethenmühle bis zu den Morgenauer Dämmen, die durch Eindämmung der Ohle in neuerer Zeit mehr und mehr verschwinden, hierher auch die Sümpfe auf dem früheren Carlowitzer Schiessplatze, die jetzt durch Trockenlegungen nur noch als kleine Gräben vor dem Artillerie-Laboratorium erhalten sind, in denen die früher verbreitetere Drosera rotundifoia und ein Rest der früher sehr reichen Desmidiaceen nur noch auf sehr beschränkten Standpunkten vorkommen. Den immer weiter vorschreitenden Culturanlagen wird vielleicht auch bald eine kleine Stätte von interessanter Wildniss weichen müssen, welche an der Landstrasse nach Hundsfeld, 5 km von Breslau, gegen- über Friedewalde gelegen ist. Zur Seite der Rechte-Oder-Ufer-Eisen- bahn findet sich hier ein flacher Ausstich im Kiesboden, der mit lockerem Weidengebüsch bewachsen ist und einen Theil des Sommers hindurch stellenweise flach mit Wasser bedeckt ist. Hier findet sich eine Reihe interessanter Phanerogamenformen, zusammen mit Lycopodium der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 179 inundatum, vielen Leber- und Laubmoosen; hier lebt aber auch eine reiche Vegetation von Algen und Pilzen'!), die dieses kleine, kaum 1 Hektar grosse Plätzchen zu einem wahren botanischen Garten für !) Von interessanten Pilzen, die ich hier gefunden, führe ich an: Chytridium endogenum in vielen Desmidiaceen, Peronospora grisea auf Veronica scutellata, Puczinia Avenariae auf Stellaria palustris, Entyloma Sagittariae, Tilletia sphaerococca auf Agrostis vulgaris in Menge, Ramularia sphaeroidea auf Lotus corniculatus, viele Hutpilze, Sphae- riaceen. Von, wie ich glaube, noch nicht publieirten Arten fand ich hier folgende, deren Diagnose mir hier mitzutheilen erlaubt sein möge: 1) Peziza calospora n. sp. Zerstreut oder in kleinen Gruppen auf feuchtem Sumpfboden aufsitzend, ungestielt. Becher flach, später convex, bis 3 mm breit, dickfleischig, weiss, aussen glatt, schmutzigweiss, ganzrandig. Schläuche ceylindrisch, kurgestielt, am Scheitel abgerundet, 230—330 mik. lang, 30—35 breit, achtsporig. Sporen einreihig, kugelig, 20—22 mik. Durchmesser; Membran farblos, mit einem weiten Maschennetze und mit 6—7 mik. langen spitzen Stacheln besetzt. Paraphysen keulenförmig, oben bis 20 mik. breit. — Juli. 2) Rosellinia palustris n. sp. In kleinen Gruppen zerstreut auf schlammigem mit gallertartigen Algen überzogenem Boden, Perithecien kugelig, etwa 0,5 mm breit, mit schwach kegelförmigem Halse und flacher durchbohrter Mündung, am Grunde von losem, der Unterlage eingewachsenem schwarzem. Filze umgeben; Wandung schwarz, gebrechlich, dicht bedeckt von schwarz- braunen, steifen, 50—60 mik. langen, 5—7 mik. breiten, am Scheitel meist pfriemartig zugespitzten Haaren. Schläuche cylindrisch, langgestielt, 260 bis 300 (sporenführender Theil 200-230) mik. lang, 10—11 breit, am Scheitel abgestutzt, achtsporig, Sporen schief einreihig, elliptisch-spindelförmig, etwas einseitig abgeflacht, 27—835 mik. lang, 10—12 breit; Membran schwarzbraun. 3) Leptospora palusiris n. sp. Zerstreut mit dem Grunde der Unterlage (gallertartigen angetrockneten Alsen) eingesenkt, kugelig, mit fast flacher, durchbohrter Mündung, 0,6 mik. breit, Wandung kahl und glatt, schwarz, gebrechlich. Schläuche breit eylindrisch, lang gestielt, 220—260 mik. lang (sporenführender Theil 120—130), 16—20 breit, achtsporig. Sporen zwei- reihig, lang cylindrisch, erst unregelmässig gekrümmt, mit abgerundeten Enden, 60—70 mik. lang, 8—10 breit; ungetheilt; Membran farblos, Inhalt hell fleischfarbig, gleichmässig körnig. — August. 4) Fusarium deformans n. sp. Mycel in den Spindeln der Kätzchen weib- licher Weidenblüthen schmarotzend und diese zu federkieldicken Wülsten auftreibend. Sporen in dicken, wachsartigen, rosenrothen Polstern vor- brechend, oft in langen Ranken austretend, elliptisch oder eiförmig, oft auch sichelförmig gekrümmt, unten etwas zugespitzt, 16—19 :6—-9 mik., unge- theilt, Inhalt gleichmässig, Membran farblos, glatt. Der Pilz findet sich im Mai an den blühenden Kätzchen von Salix cinerea und $. caprea und auch an den Früchten Anfang Juni. Die von ihm be- fallenen Kätzchen bleiben fest anhaftend, während die anderen abfallen. — Er ist in Schlesien auch anderwärts sehr häufig. Ich habe ihn bei Dyhren- furth und Obernigk gefunden und ihn durch Lehrer Gerhardt von Panthen bei Liegnitz erhalten, 12° 180 Jahres - Bericht mikroskopische Organismen machen. Von Algen habe ich schon mehr als 150 Arten, also etwa ein Drittel der im ganzen Kreise vorkommenden Arten, hier eonstatiren können. Sehr reich sind besonders die Desmidiaceen vertreten, die in grosser Reinheit in den flachen Tümpeln leben und beim Eintrocknen derselben auf den Moosen festhaften. Es finden sich hier die von Kirchner für Carlowitz aufgeführten, aber auch manche für den Kreis neue Formen, z. B. Staurastrum vestitum Ralfs., Cosmarium pachydermum Lund., ferner das für Schlesien neue Cosmarium compressum Ralfs. und Stau- rastrum pileolatum Breb., letzteres vielleicht von Stiaurasirum Capi- tulum Breb. (bei Kirchner) und dem mir sonst nicht bekannten St. amoenum Hilse nicht verschieden. Es ist interessant zu bemerken, wie sich selbst an diesem kleinen Platze noch für bestimmte Algen specielle Standorte ausgebildet haben. So findet sich an einer Stelle weithin verbreitet der gallertartige Ueberzug von Mesoiaenium micrococcum, an einer anderen Stelle, zwischen Lycopodium sehr verbreitet Mierasterias truncata, Teimemorus minutus, Cosmarium calatum, während in anderen Lachen Evuastrum ansatum, Micrasterias rolata und imbriata, Tetmemorus granulatus und verschiedene andere in grosser Menge vorkommen. Interessant ist hier auch das reichliche Vorkommen einer para- sitischen Alge auf Landpflanzen. Sie gehört in die kleine Abtheilung der chlorochytriumartigen Palmellaceen, die erst seit kurzer Zeit durch die Untersuchung von G. Klebs näher bekannt geworden ist (Botanische Zeitung 1881, Nr. 16—21). Der kleine Organismus lebt in den Blättern und Stengeln von Mentha aquatica und Peplis Portula in den Lufthöhlen gelagert. Er bildet etwas unregelmässige kugelige oder ovale Knötchen, die schon bei Lupenbetrachtung als lebhaft granatrothe dichtstehende Pünktchen deutlich werden. Die Kugeln liegen einzeln oder zu zwei bis vier in einer Lufthöhle, werden im ersteren Falle bis 90 mik. lang, bis 60 mik. breit und dick, während sie anderenfalls viel kleiner bleiben. Sie sind von einem sehr dicken (bis 7—10 mik.), aber unregelmässig starken, oft stellenweise eingeschnürten, deutlich geschichteten gallert- artigen, farblosen Episporium umgeben, das sich am Scheitel als breiter und dicker, oben abgerundeter hyaliner flaschenförmiger Hals zwischen die Spaltzellen eindrängt. Der Inhalt ist lebhaft scharlachroth und ent- hält eine grössere Anzahl stark liehtbrechender farbloser Körner, die, nachdem durch Zersprengen der Zellen der Inhalt ausgetreten ist, durch Jod tiefblau gefärbt werden, also Stärkereaction zeigen. Ich will diesen Parasiten als Chlorochytirium (Endosphaera) rubrum bezeichnen. Ueber seine Entwickelung kann ich nur, nicht auf Grund speecieller eingehender Untersuchung sondern mehr gelegentlicher Beobachtung, anführen, dass die Sporen Dauerzellen darstellen, welche der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 181 mit der Nährpflanze den Sommer über ausdauern. Im Frühjahr" werden sie aus den abgestorbenen Blättern frei, werfen das Epispor ab und der Inhalt nimmt jetzt grüne Farbe an. Er theilt sich hierauf durch fort- gesetzte Zweitheilung in runde Sporen. Jedenfalls dringen diese zur Zeit, wo die jungen Triebe noch unter Wasser und im feuchten Moose lagern, in die Nährpflanze ein. Ganz ähnliche Organismen sind auch auf anderen Landpflanzen nicht selten. Hierher gehört ein Parasit, den ich in Blättern von Rumex ob- tusifolius bei Oswitz bei Breslau häufig gefunden habe. Ich will ihn als Chlorochytrium viride bezeichnen. Er lebt ebenfalls in den Lufthöhlen und veranlasst, wie andere Parasiten auf Rumex, rothe Verfärbung der Epidermiszellen in seiner Umgebung. Er ist unregelmässig kugelig, ge- wöhnlich in einen kurzen Hals ausgezogen. Das Epispor ist ziemlich gleichmässig diek, gallertartig, wird durch Jod lebhaft violett gefärbt. Der Inhalt ist lebhaft chlorophyligrün und gewöhnlich findet sieh in ihm ein rother kugeliger Punkt. | | Chlorochytrium rubrum habe ich schon vor 10 Jahren sehr häufig bei Rastatt auf Mentha aquatica gefunden. Dort fand ich auch im Frühjahr einen ähnlichen Parasiten in alten Blättern von Lychnis flos cuculi. Er ist kugelig, seine Membran gleichmässig dick, ohne Verlängerung, der Inhalt lebhaft gelb. Dieser Parasit ähnelt sehr einem Synchytrium, er unterscheidet sich aber sogleich dadurch, dass er nur in den Lufträumen, nicht im Innern einer Zelle lagert. Wurde er einige Zeit in Wasser gehalten, so färbte sich der Inhalt grün und zerfiel durch fortgesetzte Zweitheilung in eine grosse Zahl kugeliger Sporen. Ich will diesen Parasiten Chlorochytrium laetum nennen. Das von Klebs entdeckte, ebenfalls in die Verwandtschaft von Chlorochytrium gehörige Phyliobium dimorphum findet sich in der Um- segend von Breslau sehr häufig in den Sumpfstellen nahe der Oder bei Bischofswalde auf Lysimachia Nummularia. : Als ein neuer Standort bei Breslau für interessante Algen hat sich einer der am Ende des Lehmdamms gelegenen Waschteiche gezeigt. Bisher wurde von diesen Teichen nur der tiefere, der Stadt zu gelegene beachtet, doch ist dieser gerade arm an Algenvegetation. Der zweite, vielfach als Schwämmteich benützte Teich ist auf seinem Grunde mit Steinen und Ziegelstücken bedeckt. An diesen fand Dr. phil. Haase in Menge Alcyonella stagnorum aufsitzend. Als er die Bryozoenstöcke in frisches Wasser brachte, bemerkte er, dass sich an ihrer Oberfläche grüne wurstartige Fäden bildeten, die er Prof. F. Cohn zeigte. Dieser fand, dass die Fäden ganz aus einem Gemisch von wohlerhaltenen mikro- skopischen Algen, meist Palmellaeeen und Protococcaceen, Desmidieen und Diatomeen bestanden, welche von uns bestimmt wurden, 182 Jahres-Bericht Es liessen sich leicht gegen 60 verschiedene Aloenarten constatiren. Besonders bemerkenswerth ist die schöne Fülle von zum Theil seltenen Palmellaceen und Protococcaceen. Für Schlesien neu war Pediasirum simplex (Meyen), welches in zwei scharf getrennten Formen vorkommt, die man ganz gut als Arten trennen könnte. a. Forma simplex. Familie aus 8 oder 16 Zellen gebildet, die lückenlos aneinandergefüst sind. Mittelzelle polyedrisch, Randzellen dreieckig mit etwas convexer Seite und aufgesetzter hyaliner Spitze etwa von der Länge der Zelle. b. Forma clathrata. Familien aus 8 bis 16 oder 24 Zellen gebildet, alle Zellen dreieckig mit concaven Seiten, die Mittelzellen von einander und von den Randzellen durch weite Lücken getrennt, die Randzellen fast bandförmig, in der Mitte zu einer langen Spitze ausgezogen. Ferner sind für Schlesien neu einige der mannigfachen von G. Lagerhein (Ofversist af Kongl. Vitinsk. Akad. Förhandl. 1882 Nr. 2 Taf. II. III.) neuerdings genauer untersuchten Arten: Oocystis ciliata Lagerh., Scenedesmus denticulatus Lagerh. und Staurogenia quadrata Morr. Von anderen Palmellaceen und Protococeaceen mögen genannt sein: Pedi- asirum pertusum, P. Ehrenbergü, P. Boryanum, Coelastrum cubicum, Scene- desmus obtusus, Sc. aculus, Sec. dimorphus, Sc. caudatus, Polyedrium tetra- gonum, P. enorme, Dictyosphaerium Ehrenbergü, D. reniforme, Ophiocylium cochleare, Rhaphidium convolutum, Rh. minutum, Staurogenia reclangularis, Boiryococeus Braunü. — Von Desmidiaceen sind zu nennen: Closterium gracile, welches sich sehr häufig und in verschiedenen Formen findet, Cl. parvulum, Cosmarium Meneghinü, Cosm. ornatum, Staurasirum paradoxum Meyen in einer sehr kleinen Form, die ich als Var. St. parvulum be- zeichnen will (Zellen nur 17—22 mm lang), nur mit zwei Fortsätzen, dadurch der Form St. tetracerum Ralfs. nahestehend, aber am Ende der Fortsätze mit deutlichen Stacheln. — Von Diatomeen seien erwähnt als häufige Formen: Navicula Amphiobaena, N. Peisonis, Cymbella naviculaeformis, C. Ehrenbergii, Pleurosigma altenuatum, Encyonema prostralum, Surirella splendida, Cymatopleura Solea, Nitschia sigmoidea, N. linearis, N. thermalis, Oyclotella Kützingiana. — Von Schizosporeen: Ooelosphaerium Kützingianum, Oscillaria tenuis, O. Froehlichii, O. chalybaea, Aphanocapsa pulchra. Die Flora des Riesengebirges hat von jeher die schlesischen Bota- niker lebhaft beschäftigt und es hat sich ihr Interesse auch den Algen dieses Gebiets zugewendet, doch waren immerhin aus dem eigentlichen Hochgebirge, den über 1100 m hoch oberhalb der oberen Waldgrenze gelegenen Kämmen und Gründen, verhältnissmässig wenige Formen be- kannt. Kirchner führt aus diesem Gebiete 71 Arten auf. In dem von mir selbst auf einigen kurzen Excursionen gesammelten Material und einer Anzahl von Professor Kirchner, Lehrer Limpricht, Dr. Paul Schumann auf verschiedenen Stellen des Kammes gesammelten und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 183 mir freundlichst mitgetheilten Proben habe ich bis jetzt noch weitere 61 Arten, für die meisten aber ihre Verbreitung über ein etwas weiteres Gebiet constatiren können. Als Grundlage für eine genauere Kenntniss dieses interessanten Ge- bietes gebe ich hier das vollständige Verzeichniss dieser 132 Arten mit den mir bekannt gewordenen Standorten: Confervoideae, Bolbochaete setigera Ag. Koppenplan, nach der weissen Wiese zu, reichlich, aber ohne Fructification, daher die Species zweifelhaft. Oedogonium Rothii Pringsh. Mädelwiese. Draparnaldia glomerata Ag. Im grossen Teiche, Graben ober- halb der alten schlesischen Baude. Chroolepus aureum Kg. Grosse Schneegrube. Ch. Jolithus Ag. Kamm von der Schneekoppe bis zum Reifträger. Riesengsrund. | Ulothrix zonata Kg. Grosser Teich, Weisse Wiese. Kleine Sturmhaube. Schizogonium murale (Kg.). An der Schneegrubenbaude, weit- verbreitete Ueberzüge bildend. Conferva bombycina Ag. Am Mittagstein, | Protococcoideae, Hydrurus foetidus (Vauch.). Elbwiese. Aupagrund. Botryococcus Braunii Kg. Elbquellen. Palmodactylon simplex Naeg. Mädelwiese, Teiraspora gelatinosa Desw. Koppenplan, Graben oberhalb der alten schlesischen Baude. Gloeocystis ampla Rabh. Koppenplan. Elbquellen. Rhaphidium convolutium Rabh. Koppenplan. Pleurococcus miniatus Naeg. Auf dem Kamme von der Peters- baude bis zum Reifträger auf altem Kuhdünger, welcher mit einer mennigrothen Schicht überzogen wird, die sich bei feuchter Luft grün färbt. | Zygosporeae., Spirogyra quinina Kg. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Ohne Sporen, daher die Species zweifelhaft. Mesocarpus parvulus Hass. Mädelwiese. Elbwiese (mit Sporen). Im kleinen Teiche. Hyalotheca dissiliens Breb. Elbquellen. Im grossen Teiche. Bambusina Brebissonii Kg. Koppenplan. Weisse Wiese. Elb- wiese. Ueberall sehr häufig. 184 Jahres-Bericht Spondylosium depressum Breb. Am grossen Teiche. Spond. pulchellum Arch. Koppenplan. Weisse Wiese. Mesoiaenium Braunii DBy. Koppenplan. Penium digitus Breb. Elbquelle. Im grossen Teiche. Oberhalb des kleinen Teiches. Koppenplan. Mädelwiese. P, oblongum DBy. Elbquellen. Koppenplan. Weisse Wiese. Mädelwiese. P. interruptum Breb. Weisse Wiese. P. Navicula Breb. Mädelwiese. P. Brebissonii Ralfs. Ueber den ganzen Kamm verbreitet. Elb- quelle. Am grossen Teiche. Oberhalb des kleinen Teiches. Koppen- plan. Kleine Sturmhaube. Mittagsteine. Weisse Wiese, P, iruncatum Ralfs. Elbquellen, Spirotaenia condensata Breb. Elbquellen. Mädelwiese. Closterium obiusum Breb. Mädelwiese bei der Petersbaude (etwas abweichende Form mit gerade abgestülpten Enden und ganz fehlenden Endbläschen). Mittagsteine. Cl. didymotocum Corda. Elbquellen. Cl. gracile Breb. Elbwiese. Cl. parvulum Naeg. Quelle oberhalb des kleinen Teiches.. Am grossen Teich. Cl. Venus Kg. Elbquellen. Cl. moniliferum Ehrb. An der alten schlesischen Baude. Ol. striolatum Ehrb. Elbquellen. Mädelwiese. An der alten schlesischen Baude. | Calocylindrus Palangula (Breb.). Elbquellen. Koppenplan. Cal. eweurbita (Breb.). Elbquellen. Mädelwiese. Koppenplan. Weisse Wiese. | Cal. annulatus Naeg. Elbquellen. Cal. minutus (Ralfs.).. Weisse Wiese. Teimemorus Brebissonii Ralfs. Elbquellen. Tetm. laevis Ralfs. Elbquellen. Grosser Teich. Mädelwiese. Tetm. granulatus Ralfs.. Klbquellen. Mädelwiese. Koppenplan. Cosmarium punctulatum Breb. Kleine Sturmhaube. Quelle ober- halb des kleinen Teiches. Koppenplan. C. crenatum KRalfs. Neue schlesische Baude. Elbquellen. Mädel- wiese, ©. venustum Rabh. Elbquellen. Mädelwiese. Koppenplan. Weisse Wiese. | | C©. Ralfsii Breb. Mädelwiese. Zellen 110 mik.- lang, 94 breit, Hälfte fast halbkreisförmig, Enden schwach abgeflacht. Scheitelansicht elliptisch. C. smolandicum Lundell. b. angulosum Kirchn. Elbquellen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 185 €. margaritiferum Menegh. b. incisum. Elbquellen. Mädelwiese, Quelle am grossen Teiche. Oberhalb des kleinen Teiches. Koppenplan. C. Botrytis Menegh. Im kleinen Teiche. Weisse Wiese, C. notabile Breb. Grosser Teich. ©. quadratum Breb. Elbquellen. Koppenplan. C. Meneghinii Breb. Elbwiese. Kleine Sturmhaube. Mädelwiese. Mittagsteine. Weisse Wiese. C. caelatum Ralfs. Elbquellen. Teich der grossen Schneegruben. Am kleinen Teiche. Koppenplan. C. pusillum Breb. Mädelwiese. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Weissbrunnen bei der Wiesenbaude. Xanthidium aculeatum Ehrb. Elbquellen. Euastrum Didelta Ralfs. Elbquellen. Mädelwiese. Eu. insigne Hass. Elbquellen. Eu. elegans Kg. KElbquellen. Mädelwiese. Im grossen Teiche. Weisse Wiese. Eu. binale Ralfs. Elbquellen. Mädelwiese. Am grossen Teiche. Koppenplan. Weisse Wiese. Micrasterias Jenneri Ralfs. Mädelwiese. Zellen 190 mik. lang, 110 breit. Mittellappen nach oben auf das Doppelte verbreitert, mit stumpfem Ende und seichter Mitteleinschnürung. Seitenlappen tief zwei- theilis, Theile noch 1—2 Mal eingeschnitten, dicht aneinander und am Mittellappen anliegend, Enden abgerundet. Staurastirum muticum Breb. Elbquellen. Koppenplan. St. punctulatum Breb. HElbquellen. Neue schlesische Baude. Kleine Sturmhaube. Mädelwiese. Mittagsteine. Grosser Teich, Ober- halb des kleinen Teiches. Koppenplan. St. muricatum Breb. Elbwiese. Mädelwiese, St. pileolatum Breb. Elbquellen. Mädelwiese. St. margaritaceum Menegh. Elbquellen. Mädelwiese. Koppen- plan. Weisse Wiese, St. echinatum Breb. Elbquellen. Mädelwiese. St. polymorphum Breb. Weisse Wiese. St. dejectum Breb. c. sudelicum Kirchn. Elbquellen. Im grossen - Teiche. St. furcatum Breb. Koppenplan. Baecillariaceae. Pinnularia major Sm. Neue schlesische Baude. Alte schlesische Baude. P. gibba Ehrb. Elbwiese. Alte schlesische Baude. Mädelwiese. Im srossen Teiche. 186 Jahres-Bericht P. viridis Sm. Elbquellen. Neue schlesische Baude. Teich in der grossen Schneegrube. Mittagsteine. Oberhalb des kleinen Teiches. Mädelwiese. Alte schlesische Baude. Koppenplan. P. Tata Sm. Mädelwiese. Teich in der grossen Schneegrube. P. borealis Ehrb. Teich in der grossen Schneegrube. Stauropiera Brebissonii (Kg.). Neue schlesische Baude. Teich in der grossen Schneegrube. Im grossen Teiche. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Navicula eryptocephala Kg. Im grossen Teiche, N. dicephala Kg. Neue schlesische Baude. N. erassinervia breb. Elbquellen. Mädelwiese. Im grossen Teiche. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Weisse Wiese. Weiss- brunnen bei der Wiesenbaude. N. Bacillum Ehrendb. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Elb- quellen. Mittagsteine. Koppenplan. Weissbrunnen bei der Wiesen- baude. Stauroneis anceps Ehrb. Neue schlesische Baude. Mädelwiese. Am grossen Teiche. Cymbella parva (Sm.). Neue schlesische Baude. Mädelwiese, Mittagsteine. ©. maculata Kg. Koppenplan. C. naviculaeformis Auersw. An der alten schlesischen Baude. Gomphonema cristatum Ralfs. Im grossen Teiche. G. intricatum Kg. An der alten und der neuen schlesischen Baude. | | Achnanthidium lanceolatum Breb. An der neuen schlesischen Baude. Be | Niizschia sigmoidea Sm. Im grossen Teiche. N. vermicularis Hantzsch. Mädelwiese. N. amphioxys Kg. An der alten schlesischen Baude. Surirella splendida Kg. Mädelwiese. Im grossen Teiche. S. pinnata Sm. Im grossen Teiche. 8. ovata Kg. Mädelwiese. Diatoma hiemale (Kg.). An der neuen schlesischen Baude. Ober- halb der alten schlesischen Baude. Am kleinen Teiche. Meridion consiricium Ralfs. Neue schlesische Baude. Alte schle- sische Baude. Fragilaria virescens Ralfs. Neue schlesische Baude. Elbwiese. Alte schlesische Baude. Teich der grossen Schneegrube. Mittagsteine. Im grossen Teiche. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Weissbrunnen bei der Wiesenbaude. Fr. construens Grun. Am grossen Teiche. Koppenplan. der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur. 187 Tabellaria flocculosa Kg. Elbwiese,. Neue schlesische Baude. Mädelwiese. Im grossen und kleinen Teiche. Mittagsteine, T. fenestrata Kg. Elbquellen. Eunotia Arcus (Ehrb) Teich der grossen Schneegrube. Alte schlesische Baude. Koppenplan. Weisse Wiese. Eun. pectinalis Dillw. Neue schlesische Baude. Elbquelle Eilb- wiese. Kleiner und grosser Teich. Mittagsteine. Koppenplan, Eun. exigua Rabh. Elbquelle Kleine Sturmhaube. Neue schle- sische Baude. Grosser Teich. Oberhalb des kleinen Teiches. Mittag- steine. Koppenplan. Eun. Soleirolii (Kg.). Ränder des grossen und kleinen Teiches. Eun. Diodon Ehrb. Teich in der grossen Schneegrube. Eun. tetraodon Ehrb. An der Petersbaude zwischen Jungermannien. Am grossen Teiche. Mittagsteine. Ceratoneis Arcus Kg. Elbquellen. Melosira disians Kg. Mädelwiese. Am srossen Teiche. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. M. tenuis Kg. Mädelwiese. Im grossen Teiche. Quelle oberhalb des kleinen Teiches. Koppenplan. Weisse Wiese. Im Weissbrunnen. Cyelotella dubia Hilse. Neue schlesische Baude, Schizosporeae. Calothrix Orsiniana Thur. Im oberen Theile des Aupagrundes. Cal. intertexta (Hilse). Aupagrund. Scitonema turfosum Kg. Mädelwiese. Aupagrund. Tolypothrixv Aegagropila Kg. Elbfall. Mädelwiese. Stigonema mamillosum Ag. Aupagrund. St. ocellatum Thur. Elbquellen. Mädelwiese. Aupagrund. Hapalosiphon hormoides Rabh. Melzergrund. Nostoc swdeticum Kg. Teufelsgärtchen. N. lichenoides Vauch. Mädelwiese. Coleospermum Goeppertianum Kirchn. Koppenplan. Lingbya lateritia (Kg.) Melzergrund. L. fusca Kg. Teich in der grossen Schneegrube. Oscillaria tenuis Ag. Mädelwiese. | Osc. brevis n. f. Mädelwiese. Fäden stets sehr kurz bleibend, nur 60—80 mik. lang, 10 mik. diek, Glieder '/, oder '/), Mal so lang als breit. Scheidenwände sehr zart, Enden abgerundet. Inhalt lebhaft blaugrün. ) Aphanoihece pallida Rabh. Aupagrund. Glaucocystis Nostochinearum Itzigs. Mädelwiese. 188 Jahres- Bericht Synechococcus major n. f. Mädelwiese. Zellen vor der Theilung breit eylindrisch-elliptisch, bis 35 mik. lang, 20 mik. breit, Inhalt lebhaft blaugrün, Membran dünn. Einzeln oder zu zweien zusammenhängend. Gloecocapsa Magma Kg. Am kleinen Teiche. Gl. sanguinea Kg. Felsen im Riesengebirge (Kirchner, Flora). Gl. purpurea Kg. Am kleinen Teiche. | Gl. Shuttlewortiana Kg. Felsen im Riesengebirge (Kirchner, Fl.). Chroococcus turgidus Naeg. Elbquellen. Koppenplan. Weisse Wiese. | Chr. macrococcus Rabh. Mädelwiese. Koppenplan. Von diesen Formen sind für Schlesien neu: Cosmarium Ralfsii, Mi- crasterias Jenneri, Synechococcus major, Oscillaria brevis. -—— Cosmarium Ralfsiı habe ich auch bei Rybnik in der Ebene gefunden. Die anderen drei und eine kleine Anzahl der oben aufgeführten Formen, nämlich Calocylindrus annulatus, Tetmemorus Brebissonii, Cosmarium venustum, C. smolandicum, Pinnularia lata, Melosira tenuis, Cyclotella dubia, Hapalosiphon hormoides, Coleospermum Goeppertianum, Gloecocapsa purpurea sind in Schlesien noch nicht in einer tieferen Region gefunden worden. — Euastrum insigne, von Kirchner als ausschliesslich im Hochgebirge vorkommend bezeichnet, habe ich auf den Seefeldern bei Reinerz gefunden. Charakteristischer als das Auftreten dieser wenigen eigenen ist für das Gebiet das Fehlen einer grossen Zahl in der Ebene und im Hügel- lande sehr häufiger Arten, von denen man jetzt, wo doch etwas zahl- reichere Standorte ntoreucht worden sind, nicht annehmen kann, dass sie nur übersehen sein sollten. Die Region des Gebirges, welehe dem Hochgebirge zunächst liest, zwischen 500 und 1000 m, zeichnet sich durch eine Anzahl charakte- ristischer Arten aus, welche schon ziemlich vollständig in der Kirchner- schen Flora aufgeführt sind. Ich erwähne Chaniransia chalybea, Ch, Herrmanni, Ch. violacea, Lemanea fluviatilis, L. torulosa, L. sudelica, Hy- drurus foelidus. In diesem Theile des Gebietes findet sich für den Freund der schlesischen Algenforschung noch ein weites Feld der Thätiekeit. Ich will hier nur erwähnen, dass ich am Zackenfall zwischen ‘ Moosen die nicht ganz häufige Orihosira Roeseana und in dichten Krusten auf Fontinalis sguamosa Chamaesiphon incrustans Grun. in einer röthlichen, fast an die Farbe der Florideen erinnernden Form fand. Von meinen Beobachtungen aus anderen Theilen der Provinz will ich hier nur einige kleinere Mittheilungen machen, indem ich das Weitere einer vollständigeren Bekanntschaft mit den einzelnen Gebieten vor- behalte. Im Kreise Liegnitz fand ich bei einem Graben der Peist bei Panthen sehr reichlich Campylodiscus noricus Ehrb. und C. spiralis Sm., ferner die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 189 für Schlesien noch nicht sicher nachgewiesene Cymbella cuspidata Kg. Bei Hummel in Sümpfen neben anderen Desmidiaceen: Spondylosium de- pressum, Staurasirum vestitum, St. cuspidatum, St. teliferum, St. dilatatum, Cosmarium depressum, C. moniliforme, Euastrum elegans, Xanthidium eristatum Breb., Eunotia tridentala. Viel Aussicht auf neue und interessante Befunde liefern die Teiche Oberschlesiens. Bei Rybnik im Paruschowitzer Teiche findet sich an der Abfluss- Schleuse in Menge Chantransia chalybea, an Wasserpflanzen unter zahl- reichen anderen Desmidiaceen Staurastrum brevispina, St. dilatatum, Euasirum _ gemmatum, Micrasterias americana. — Cosmarium Ralfsi fand ich in einem Sumpfe bei Ochojetz. Zwischen Aldrovandia vesiculosa aus dem Ruda-Teiche bei Ratibor fand sich unter anderem: Palmodactylon simplex, Seiadium Arbuseula, Dietyosphaerium reniforme und das für Schlesien neue Cosmarium Brebissonii Menegh. | Ich schliesse diese Mittheilung, indem ich die im Vorstehenden für Schlesien neuen Alsen hier systematisch zusammenstelle: I. Palmellaceae et Protococcaceae. 1) Pediastrum simplex Meyen: a. f. simplex, b. f. clathrata. 2) Ooeystis cihata Lagerh. 3) Scenedesmus denticulatus Lagerh. 4) Chlorochytrium (Endosphaera) rubrum n. sp. 5) Chlorochytrium viride n. sp. 6) Phyllobium dimorphum Klebs. 7) Staurogenia quadrata Morr. II, Desmidiacae. 8) Cosmarium Ralfsü Dreb. 9) Cosmgrium conspersum Ralfs. 10) Cosmarium Brebissoni Menegh. 11) Micrasterias Jenneri Ralfs. 12) Staurastrum paradoxum Meyen var. parvulum. 13) Staurasirum pileolatum Breb. IH. Bacillariaceae. 14) Cymbella cuspidata Kg. IV. Schizosporeae. 15) Oscillaria brevis n. f. 16) Synechococcus major n. f. Vortragender erläutert seine Mittheilungen durch Vorlage einer grossen Anzahl von ihm selbst angefertigter Abbildungen schlesischer Algen. 190 Jahres - Bericht Professor Ferdinand Cohn berichtete über ein merkwürdiges Vorkommen von Algen in den Breslauer Waschteichen. Dr. Haase brachte von hier im Juli 1833 auf Ziegelbrocken fest- sitzende Polypenstöcke der Süsswasserbryozoe Alcyonella stagnorum; in Glasschalen mit Wasser eingesetzt, gaben dieselben wurstförmige Ex- cremente von grüner Farbe von sich, die sich massenhaft am Boden absetzten. Die grüne Färbung rührte von Desmidieen und Palmellaceen her, die offenbar von den Thierchen mit der Nahrung eingeschlürft waren, aber unbeschädigt wieder mit den Fäces ausgeworfen wurden; sie vermehrten sich am Boden der Glasschalen so massenhaft, dass diese in kurzer Zeit mit einem grünen Ueberzuge sich bedeckten. Es waren viele interessante Arten, die in dieser Gruppirung bisher nur selten be- obaehtet wurden; ein Verzeichniss derselben enthält die vorstehende Abhandlung von Dr. Schröter. Ganz besonders reichlich und prächtig entwickelt waren die Pediastra, P. pertusum Meyen, P. Rotula Ehr., und vor allem das sehr seltene Pediastrum simplee. Meyen hatte diese Art 1829 bei Potsdam und zwar ebenfalls in den Excerementen der Alcyonella stagnosum entdeckt; seitdem war dieselbe so gut wie ver- schollen, denn der von Corda angeführte Fundort bei Carlsbad ist zweifelhaft, und die von Ehrenberg und A. Braun erwähnten Sy- nonyme: Micrasterias Napoleonis, Helierella Napoleonis Turpin gehören höchst wahrscheinlich zu anderen Arten. A. Braun, der Monograph der Gattung Pediastrum, bemerkt, er habe Pediastrum simplex überhaupt noch nicht zu Gesicht bekommen. Nur Thuret hat 1848 eine dem Pediastrum simplex sehr ähnliche Form bei Paris wieder entdeckt und in den Algae aquae duleis exsiecatae, praeeipue Scandinaviae, von Witt- rock und Nordstedt, Fasc. 5 Nr. 235 ausgegeben; doch unterscheidet diese sich nach der Mittheilung von Veit Wittrock von der unserigen durch das nicht oder nur wenig durchbrochene Coenobium und die stachlig körnige Zellhaut, weshalb sie von diesem Forscher als P. sım- plex ß echinospermum unterschieden wird. Unsere Breslauer Form da- gegen entspricht ganz der Meyen’schen Diagnose und Abbildung (Nov. Act. Ac. C. Car. Leop. Nat. cur. XIV 2, tab. 43) und ist von mir in den Wittrock-Nordstedt’schen Alsgen-Sammlungen Fase. 11 Nr. 524 aus- gegeben worden, In der zweiten Sitzung vom 1. Februar 1883 verlas Professor F. Cohn ein Schreiben von Dr. Schuchardt in Görlitz an Herrn Ge- heimrath Göppert, worin mitgetheilt wird, dass Herr Dr. Peck, der verdiente Conservator des naturhistorischen Museums und der Gründer des botanischen Gartens zu Görlitz, am 3. Februar in seine 7. Lebens- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 191 dekade eintrete. Ein ven der botanischen Section ausgehendes Gratu- lationsschreiben wird von den anwesenden Mitgliedern unterzeichnet. Professor Cohn legt Herba Homeriana vor, ein Thee, der nament- lich gegen Bronchial- und Lungenkatarrhe, sowie beginnende Tubereulose in den Zeitungen angepriesen und zu übertriebenen Preisen (60 gr zu 2 Mark) verkauft wird. Das Kraut soll angeblich von einem Kaufmann in Triest, Namens Paul Homero, im inneren Russland entdeckt und in den Handel gebracht worden sein. Dieser Thee besteht nur aus Poly- gonum aviculare. Richtig ist, dass dem Polygorum aviculare in früheren Jahrhunderten bedeutende Heilkräfte nachgerühmt worden sind. Nach mündlicher Mittheilung hat der jetzige Geheimrath im Reichsgesund- heitsamt Robert Koch in seiner früheren Wirksamkeit als Kreisphysieus in Wollstein mit diesem Kraut auffallend günstige Erfolge bei Wasser- sucht und Diabetes erzielt. Die altgriechischen Aerzte rühmten bereits die Heilkraft des roAuyovov; Dioscorides unterscheidet ein männliches und ein weibliches; von ersterem giebt er an, dass der getrunkene Saft kühlt, zusammenzieht, Blut still und den Urin treibt; deshalb würden die Blätter u. a. bei Blutauswurf, kriechenden Geschwüren, frischen Wunden erfolgreich angewendet; Galen schreibt ihm ähnliche Wirkungen zu. Die Beschreibung der Pflanze bei Dioscorides ist nicht klar, doch wird sie von jeher auf Polygonum aviculare bezogen (cfr. Matthiolus Comment. 1557 p. 485, wo das Polygonum aviculare zweifel- los als Polygonum masc. abgebildet ist; Polygonum femina dagegen ist Hippuris vulgaris.) Der officinelle Name Üentumnodia entspricht unserem Knöterich, der Name Sanguinaria deutet auf die blutstillende Kraft. Ganz besonders rühmt Tragus die wunderbaren Heilkräfte (virus mirificas) unseres Polygonum aviculare (De stirpium — nomenclatura — interprete Kybero 1552). In seiner von einer guten Abbildung des Poly- gonum aviculare begleiteten Schilderung des Polygonum masculum (l. e. p- 390) nennt er als deutsche Namen Weggras, Wegtritt, Blutkraut, als offieinelle Centumnodia und Corrigiola, empfiehlt seine innerliche und äusserliche Verwendung und giebt an: sanguinis et utri fluxiones sistit, calculum per urinem propellit u. s. w. Hierauf zeigt Professor Cohn neue, aus Nordamerika eingeführte Dilatoren, die wie früher die Stiele von Laminaria Clousioni verwendet werden, unter dem Namen Sussdorff’s Tupelo (Nyssa) Dilators, for dila- ting the os and cervix uteri. Sie sind aus dem stark comprimirten "Wurzelholz der nordamerikanischen Nyssa aquatica dargestellt und be- stehen aus regelmässigen Reihen von, ziemlich weiten, im Querschnitt fast quadratischen, mit Hoftüpfeln, Spiral- und Netzfasern versehenen stärkeführenden Tracheiden; die Dilatoren vergrössern sich durch Wasser- 192 Jahres - Bericht aufsausung in der Länge nur sale dagesen im Radius um mehr als das Doppelte, im Umfang um mehr als das Vierfache. Professor Cohn legt vor und bespricht das Buch von Professor J. Partsch: ,,Die Gletscher der Vorzeit in den Karpathen und den Mittelgebirgen Deutschlands. Mit A Karten. Breslau 1882. Das Buch behandelt mit ausserordentlicher Gründlichkeit die Frage von den ehe- maligen Vergletscherungen der deutschen Mittelgebirge und namentlich die Aufsuchung von Gletscherspuren im Riesengebirge, besonders an den Abstürzen nach Norden. Verfasser hat eigene Special-Aufnahmen des Terrains gemacht und kartographisch dargestellt. Im Altvater und Glatzer Schneeberge konnte Partsch keine Spur von Vergletscherung nachweisen, ebenso fehlten Gletscherspuren im Elbgrunde. Dagegen fand Partsch deutliche Gletscherspuren in der oberen Region der Kochel- und Lomnitz- quellen, der Teiche, des Weisswasser und des Riesengrundes; doch steigen die Gletscher nicht bis ins Hirschberger Thal hinab. Der Mangel der Gletscherspuren im Elbgrund ist insofern über- raschend, als die steil gegen Schlesien abfallende Wand des Riesen- kammes zugleich die höchste Scheitelkante des ganzen Gebirges dar- stellt, das sich von hier allmählich gegen Böhmen absenkt; man sollte erwarten, dass, wenn die grosse Mulde der Elbwiese zwischen Schnee- grube und Krokonosch einst mit Firn ausgefüllt war, der Gletscher- abfluss gegen den Elbgrund, nicht nach den Schneegruben hätte statt- finden müssen. Das rechte Ufer des Elbgrundes zeigt allerdings nackte, abgerundete und zerkratzte Granitfelsen, im Gegensatz zum linken, wo die Felsen, wie in den Schneegruben, in prismatische Pfeiler zerklüftet sind: doch scheinen dieselben eher durch fliessendes als durch gefrorenes Wasser abgeschliffen. Ä Professor Cohn demonstrirt darauf ein Taschen-Aneroid-Barometer, nach dem System Goldschmid für Luftdruck- und Höhenmessungen ein- gerichtet. Das Instrument ist von der Firma Hottinger & Co. in Zürich angefertigt, der Preis beträgt 100 Frances. Hierauf bringt derselbe einen Brief des Professor Ratzel in München zur Kenntniss, den derselbe als Dankschreiben an ihn gerichtet hat und als Antwort auf die dem Centralausschuss für die deutsche Landeskunde ausgedrückte Bereitwilligkeit der schlesischen Gesellschaft, dessen Unternehmen dem Beschluss der letzten Sectionssitzung gemäss unterstützen zu wollen. Professor Ratzel betont, dass die Unterstützung gleichstrebender Vereine sehr erwünscht sei. weshalb auch Professor Cohn die Sache nochmals zur Sprache bringt unter Vorlage des von Dr. R. Lehmann auf dem 2. Deutschen Geographentage zu Halle ge- haltenen Vortrages: Ueber systematische Förderung wissenschaftlicher Landeskunde von Deutschland. Berlin 1882. Professor Cohn hat dem Centralausschuss die Jahresberichte, die Personen- und Sachregister der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 193 Schlesischen Gesellschaft zur Disposition gestellt und um Speeialisirung fernerer Wünsche gebeten. Herr Professor Stenzel hält zur Erforschung speeiell der schle- sischen Landeskunde vor Allem eine Neubearbeitung der jetzigen un- vollständigen, schwer benutzbaren Sachregister zu den Jahresberichten der Schlesischen Gesellschaft für geboten. Ausserdem seien auszuziehen die Berichte der Görlitzer naturforschenden Gesellschaft, des botanischen Vereins für die Provinz Brandenburg, der Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, der Oesterreichischen botanischen Zeitschrift, der Flora, der Botanischen Zeitung u. s. w., ferner der Monographien z. B. von Prudlo über schlesische Bergaussichten, oder der Speecialfloren, wie von Kabath, Sadebeck u. A. Von manchen Culturpflanzen kennt man in Schlesien die Verbreitung weniger genau als z. B. von den Hieraeien. So ist auch vom Knieholz, welches oft noch sehr tief vorkommt, noch durchaus nicht genau festgestellt, welches seine tiefste Verbreitungs- grenze sei. In der dritten Sitzung vom 15. Februar verlas Professor Cohn ein Dankschreiben des Herrn Dr. Peck in Görlitz auf die Gratulations- zuschrift der botanischen Section. Herr K. Garten-Inspector Stein zeigte blühende Orchideen aus den Gewächshäusern des botanischen Gartens: Coelogyne cristata und Chysis Lemminghi, letztere aus Eckersdorf bezogen. Derselbe legt einige ihm aus dem altserbischen Balkan zu- geschickte Flechten vor, worunter sich zwei hervorragende Seltenheiten befinden: Ramalina carpathica und Evernia divaricata, von Glowatz als Evernia illyrica bereits. publieirt. Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter machte hierauf Bemerkungen über Keller- und Grubenpilze. I. Flora subterranea. Der Schluss des 18. und der Anfang dss. 19. Jahrhunderts bildet für die moderne Naturwissenschaft eine schöne Frühlingszeit, wo ein reicher Strom neuer Ideen befruchtend auf die sich in nie geahnter Weise schnell mehrenden Naturanschauungen enllz und eine Fülle frischer Keime aufblühen liess. Manche dieser Keime sind zu stattlichen Bäumen herangewachsen, andere hingegen hat die Wissenschaft aufgegeben, nur dann und wann tauchen sie, fast wie eine phantastische Märchenblume, in einem em- pfänglichen Gemüthe wieder auf. | Zu den letzteren gehört die Idee einer tief unter der Erdoberfläche, von Licht und freier Luft abgeschlossenen eigenthümlichen Pilzvegetation, 1883. 13 194 Jahres-Bericht die Flora subterranea. Es sind damit nicht sowohl die in der Erde lebenden Pilze, wie Tuberaceen und Hymenogastreen, verstanden, sondern die anscheinend so abweichend und seltsam geformten Gebilde, welche in Bergwerken, Kellern, unterirdischen Höhlen, in fodinis, cellis, antris et speluneis u. s. w. vorkommen. Sceopoli war es wohl, welcher zuerst (1772) die Aufmerksamkeit hierauf lenkte. Die nicht zu bezweifelnde Thatsache, dass die tiefen Höhlen des Karst eine der Oberwelt ganz fremde Thierwelt beherbergen, musste den Verfasser der Flora carneolica auf die Vermuthung bringen, dass sich bei der Pflanzenwelt ähnliche Verhältnisse finden würden. Die Idee einer Flora der Unterwelt wurde schnell von verdienstvollen Forschern ergriffen und weiter ausgebaut. Von den resultirenden Ar- beiten seien hier nur die Schriften eines Alexander von Humboldt über die Flora der Bergwerke 1793 (florae Friburgensis specimen plantae suterraneae), in denen uns z. B. der Agaricus acherunticus als Bote aus dem Schattenreiche entgegentritt, und die kostbaren Tafeln G. Hoff- mann’s (1811), welche die Pilze der Gruben im Harze darstellen, hervor- gehoben. In neuerer Zeit hat man die Annahme einer specifischen Pilzflora dieser unterirdischen Räume fallen lassen. Man hat in vielen dieser seltsamen Formen monströse Bildungen von bekannten Pilzen erkannt, deren Mycelien zufällig an diese Stellen geführt wurden, an denen sie sich unter abnormen Bedingungen zu abnormen Gestaltungen ent- wickelten. | Diese Anschauungsweise gestattet, die fraglichen Formen von dem Standpunkt eines neuen Interesses aufzufassen und weiter zu studiren. Es wird sich jetzt für uns nicht mehr allein darum handeln dürfen, die- selben aufzusuchen, in ihrer Mannigfaltiskeit zu beschreiben und dar- zustellen, wir werden jetzt zu ergründen versuchen, zu welchen ent- wickelten Lichtformen die abenteuerlichen Schattengebilde gehören, welche abnormen Bedingungen und in welcher Weise dieselben die ab- norme Gestaltung veranlasst haben, wir werden uns besonders auch be- mühen zu erkennen, wie solche gehemmte oder gestörte Entwicklungs- zustände wieder zu einer vollständigen und regelmässigen Entwicklungs- ‘form zurückgeführt werden können, oder auch von selbst in dieselbe zurückkehren. In den folgenden Bemerkungen habe ich keineswegs den Zweck, die angeführten Fragen erschöpfend zu behandeln; ich habe vielmehr nur die Absicht, eine kleine Reihe von Beobachtungen an Pilzen in Kellern und Bergwerken, die ich in letzter Zeit machen konnte, mitzu- theilen und daran dasjenige anzuknüpfen, was mir über die regelmässige und abnorme Entwickelungsweise dieser Organismen aufgefallen ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 195 II. Kellerbacterien. Der ganze Untergrund des alten Breslau ist durchwühlt von einem Labyrinth tiefer Keller, die sich nicht immer an die Grundmauern der Häuser halten, oft auf Höfe und Nachbarhöfe reichen, selbst sich unter Strassen und Plätze erstrecken. An den höchsten Theilen Alt-Breslaus, dem Ringe, der Albrechts-, Junkern-, Ohlauerstrasse und ihren Quer- strassen, erreichen diese Keller meist beträchtliche Tiefe und manchmal liegen zwei Keller übereinander. Diese Räume sind grösstentheils als Lagerkeller benützt, und es concentriren sich namentlich in dieser Gegend die bedeutenden Weinlager grosser Breslauer Firmen. An diesen Orten vereinigten sich mehrere Momente, welche die Pilzvegetation theils fördern, theils wesentlich beeinflussen müssen. Zunächst herrscht in ihnen eine fast constante Temperatur, die wenig um die mittlere Jahrestemperatur schwankt; das zweite ist die grosse Dunkelheit, in den tiefer gelegenen Kellern fast bis zur bergwerksartigen Finsterniss gesteigert; das dritte ist der hohe Feuchtigkeitsgehalt, zum Theil durch die tiefe Lage und das Eindringen der Bodenfeuchtigkeit in die Mauern, zum Theil durch das Verdunsten des gelagerten Materials bedingt. Die chemischen Verhältnisse des Baustoffes, aus denen die Keller gebaut sind, und der von der Feuchtigkeit ausgelaugt wird, vielleicht auch die Zusammensetzung der Luft, können ebenfalls von bestim- mendem Einflusse sein. Zunächst fiel mir in diesen Kellern auf, dass ihre Wände stellen- weise mit einem dicken gallertartigen Schleime überzogen sind. Der- selbe erstreckt sich oft über eine ganze Wandfläche, nimmt aber unter verschiedenen Einflüssen eine etwas verschiedene Erscheinung an. In seiner einfachsten Form erscheint er als schmutzig-hellbraune, ziemlich gleichmässig ausgebreitete, etwa 1—1'/), em dicke schmierige Schicht; sie lässt sich leicht mit den Fingern abstreifen. In einem gewölbten, einem Eiskeller naheliegenden Raum sah ich eine solche, fast hell fleischrothe, '1'/, em dieke Schleimschicht die obere Wölbung überziehen und sich in zahlreichen tropfsteinähnlichen Zapfen, die fast die Dicke und Länge eines kleinen Fingers erreichten, herabsenken. An anderen Stellen ist die Masse fast rein weiss, opalisirend, gallertartig zitternd, beim Schneiden mit dem Messer ihre Gestalt behaltend. Bei etwas srösserer Trockenheit oder nachlassender Fortentwickelung nimmt sie dann eine noch festere Beschaffenheit an, wird halb durchscheinend, wie Kandiszucker, körnig und an der Oberfläche höckerig. An der Luft vertrocknet die Masse zu einer bräunlichen, dünnen, hornartigen Kruste, in Alcohol erhärtet sie zu festen, milchweissen Klumpen. Der bräunliche Schleim wird durch gelbes Blutlaugensalz blau gefärbt, ein Zeichen, dass er reichliches Eisenoxyd enthält. 13* 196 Jahres-Bericht Bei mikroskopischer Betrachtung findet man in die Schleimmassen eingebettet eine ausserordentliche Menge von Schizomyceten, zwischen _ denen sich in wechselnder Menge Hyphen von verschiedener Dieke und Länge hinziehen. Letztere sind am reichlichsten in der bräunlich gefärbten Masse, sie sind zumeist selbst braun gefärbt und zeigen die Eisenoxydreaction, sie bilden also die Hauptträger der Färbung. Gewöhnlich sind sie 6 bis 10 mik. dick, diekwandig, verschiedentlich verzweigt, mit unregel- mässig gestellten Scheidewänden. Andere Male sind sie dünn mit unregelmässig gestellten Auftreibungen versehen. Diese Fäden sind wohl nichts anderes als Mycelstücke von Schimmelpilzen, deren Sporen in der Schleimmasse ausgekeimt, aber, da ihnen dieselbe keine genügende Nahrung bot, zu Grunde gegangen sind. Bei den selbst wochenlang feuchtgehaltenen Proben entwickelten sie sich nicht weiter. Aus mangeln- der Bekanntschaft mit der Fructification kann man daher nicht bestim- men, zu welcher Species sie gehören, sie sehen meist den verkommenden Mycelien von Mucor und Penicillium ähnlich. Die Hauptmasse des Schleimes wird gebildet durch zahllose Schizo- myceten, die verschiedenen Gattungen angehören. Die häufigste und zwar überall mit Regelmässigkeit vorkommende Form ist ein eigen- thümlicher Mierococeus, den ich als Leucocystis cellaris beschreiben will. Er bildet kugelige oder kurz elliptische Körper von 1,5—2 mik. Länge und etwa 1—1,5 mik. Breite, die farblos, stark lichtbrechend sind. Sie werden von einer weiten Gallerthülle umgeben, die den Durchmesser des Coceus um das Mehrfache übertrifft, und dadurch eine Weite von 5 bis 8 mik. erreichen kann, Die Coccen mit ihren Hüllen liegen dicht an einander, grosse Klumpen bildend, die Hüllen fliessen aber nicht zu- sammen, sondern zeigen sich bei Zerdrücken der Ballen immer ge- sondert. Man findet in den verschiedenen Ballen Coccen in den ver- schiedenen Entwickelungszuständen, aus denen man erkennt, dass sich die Coccen durch fortgesetzte Zweitheilung in allen drei Richtungen des Raumes vermehren. Bis zu einer gewissen Grenze bleiben sie dabei in der Mutterhülle eingeschlossen; man findet daher Hüllen, welche einen, andere, welche zwei, vier und selbst acht Coccen enthalten. Die ‘Hüllen, die mit zahlreichen Coccen gefüllt sind, sind etwas weiter als die, welche nur wenige enthalten, aber im Verhältniss nicht so diek. — Durch Anilin-Farbstoffe wurden die Coccen stark tingirt, aber auch die Hüllen färben sich durch dieselben kräftig. Wendet man starke Farb- stofflösungen an, so sieht man dann nur die stark gefärbten Hüllen, die selbst das Bild riesiger Coccen vortäuschen. Bei vorsichtiger Färbung, indem man sich durch scharfes Aufpressen und Abziehen des Deck- glases eine sehr dünne Schicht darstellt, diese über der Flamme mässig der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 197 erwärmt, dann mit nicht zu stark eoncentrirter Farbstofflösung allmählich färbt, erhält man sehr schöne Bilder, in welchen sich die Coccen leb- haft, die Hüllen schwach gefärbt zeigen. Bei Betrachtung unter Oel- immersion und mit Beleuchtungsapparat sieht man nun, dass häufig die einzelnen Coccen in der Mutterhülle besondere Hüllen umgeben, oft auch ist die Mutterhülle aus mehreren, bis zu 5, verschiedenen Schichten ge- bildet, so dass das Ganze im optischen Durchschnitt fast das Aussehen eines Kartoffelstärkekornes erhält. Wurden die Coccen mit alkalischen Farbstofflösungen gefärbt, so wurden sie durch Zusatz von Säuren wieder vollständig entfärbt. Diese Coccen haben in ihren einfachsten Entwickelungszuständen eine gewisse Aehnlichkeit mit denen, welche von C. Friedländer bei den an croupöser Pneumonie leidenden Kranken in den Lungen mit Constanz gefunden worden sind. Bekanntlich sind auch diese Coccen mit einer starken Schleimhülle um geben, und auch bei ihnen sind die ersten Theilungszustände meist noch in dieselbe Hülle eingeschlossen. Weiter reicht indess die Aehnlichkeit nicht. Die vielkernigen Cysten von Leucoceystis sind bei dem Pneumonie-Coceus (Leucocystis Pneumoniae) nicht gefunden, auch ist bei ihm eine Schichtung der Hülle nicht nach- gewiesen. Ich habe den Coccenschleim wochenlang im feuchten Raume unver- ändert gehalten, eine wirkliche Züchtung der Coccen, eine Vermehrung derselben habe ich aber bis jetzt nicht erzielen können. In Alcohol lassen sie sich sehr gut conserviren, sie nehmen auf Zusatz von Am- moniak nach langer Conservirung ihre ursprüngliche Gestalt wieder an, zeigen auch die Hülle wieder unverändert. Ausser diesen charakteristischen Coccen finden sich noch viele andere Spaltpilze in den Schleim eingebettet, manchmal in grösseren Massen zu Klumpen vereinigt, manchmal in kleineren Mengen zwischen den Coccen verstreut. Man kann unter ihnen typische Formen unter- scheiden, die zum Theil von bisher beschriebenen Schizomyceten ver- schieden zu sein scheinen. Hierher gehören grosse Bacillen, die eben- falls in starke Schleimhüllen eingeschlossen sind und in verschiedenen Theilungszuständen gefunden werden, ferner ein langgestrecktes Faden- baeterium, welches mehr oder weniger starke Windungen zeigt und in kleinen Häufchen in Schleim eingebettet zusammenliegt, ein Myconostoc, ferner ein Schizomycet, der rosenkranzförmige Ketten aus stark licht- breehenden Coccen bildet. Diese Formen bedürfen noch genauerer Untersuchung, vielleicht wird sich eine und die andere Form in einen semeinschaftlichen Entwickelungskreis ziehen lassen. Für die Gesundheitspflege haben die Kellerbaeterien wohl schon dadurch ein Interesse, dass die Kellerwände als guter Nährboden für 198 Jahres - Bericht Bacterien erscheinen. Pathogene Bacterien finden vielleicht hier ebenfalls günstige Verhältnisse für ihre Entwiekelung und Vermehrung. Der ge- sundheitsschädigende Einfluss der Kellerwohnungen kann auch hierauf zurückgeführt werden. Ich will dieses Thema nicht verlassen, ohne darauf aufmerksam zu machen, dass in Bergwerken ähnliche, vielleicht ganz gleichartige Bacterien- überzüge vorkommen. Römer (Deutschlands Algen $. 70) hat in den tiefen Gruben bei Clausthal im Harz Schleimüberzüge gefunden, die von locker verwebten, gegliederten, farblosen Fäden durchzogen waren. Er beschrieb sie unter dem Namen Erebonema und unterschied nach der Dieke und Gruppirung der Fäden zwei Arten, E. hercynicum und E. di- varicatum. F. T. Kützing, welcher Römer’sche Exemplare untersuchte, hat (Species Algarum 1849 $. 157) die Gattung dahin charakterisirt: deutlich gegliederte, sehr locker verwebte, farblose, verzweigte Fäden, zwischen einer schleimig - gallertartigen, aus sehr kleinen schleimigen Kügelchen zusammengesetzter Grundmasse nistend; Glieder hohl, schlaff, letzte Verzweigungen erweitert. Kützing hat also die Fäden in der Gallert für die Hauptsache, die Coccen, die er gleichwohl schon auf- fand und in seinen Tabulae phycologicae abbildete, für nebensächlich gehalten. Professor Ferdinand Cohn untersuchte im Jahre 1857 eine röth- lichgelbe Gallert, welche in einer 60 Lachter tiefen Grube bei Volpers- dorf gefunden worden war. Ihr Aussehen war ganz so, wie ich es bei dem Kellerschleim gefunden, sie hing auch hier von dem Gestein als Zapfen herab. Professor Cohn erklärte den Schleim für identisch mit Erebonema hercynicum Kg. und fand in ihm Fäden, ähnlich wie sie Kützing beschreibt, nur waren sie nicht, wie dieser angiebt, an den Enden angeschwollen, sie stimmten also mit den Fäden des Keller- schleims überein. Zwischen den Fäden, welche Cohn für eine Lepto- mitusartige Alge erklärte, lagerten in structurloser Gallert zahllose oval- stäbchenförmige, farblose Körperchen dicht nebeneinander, so dass sie den Bau einer Palmella darboten. Er stellte es bereits als zweifelhaft hin, ob die Fäden wirklich zum Begriff der Species gehörten oder nur zufällig in der Palmella als Parasiten existiren, und neigte sich der letzteren Ansicht zu. (Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur 1857 8. 104.)') ») Vielleicht gehört zu Leucoeystis Schröt. auch Kützing’s Gloeocapsa eryptococca (Tab. phye. I. 15. 9) aus Höhlen im Harz; doch soll sie grünliehe Gallert bilden. In einer der von Schröter aus einem Breslauer Keller gesammelten Gallertmassen fand ich eine Spirochaete, der des Zahnschleims oder Recurrens ähnlich, doch unbeweglich im Schleim eingebettet, die ich Spirochaete Schroeterii nennen will. F. Cohn. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 199 III. Rhacodium cellare., In allen den erwähnten alten Kellern, welche jetzt als Wein- oder Bierlager benutzt werden, fand ich den unter dem Namen Keller- oder Zunderschimmel, Rhacodium cellare Pers., bekannten Schimmel ausser- ordentlich verbreitet. Ganze Wände und Gewölbedecken waren von ihm überzogen, ebenso die Holzregale und Lagerbalken, sowie Filter, Fässer und Flaschen. Meterlange Fetzen, die bis 2 cm Dicke hatten, liessen sich leicht ablösen. Von den Gewölben hängen oft guirlanden- artige, mehrere Meter lange und mehrere Centimeter dicke Stränge des Pilzes in losen Bogen herab. Es erwies sich, dass ihre Grundlage aus alten Spinngeweben bestand, an denen der Schimmel zu seiner üppigen Entwickelung gekommen war. Häufig waren diese Kränze nicht ge- schlossen, sondern grosse Ballen des Pilzes hingen wie aufgereihte Kugeln ‘ getrennt von einander an den Fäden. An den lagernden Flaschen überzog er sowohl das ganze Glas als den Lack des Korkes, auf dem letzteren gelangte er aber zu besonders starker Entwickelung; er bildete hier Kappen, die bis zu S cm Durchmesser zeigten; die Hyphen des Pilzes traten dabei in feinsten Strahlen nach allen Richtungen hervor und bildeten eine zarte, zierliche Hülle, doch sind diese grossen strahligen Kappen nur bei der ruhigen Lagerung im Keller sichtlich. An der Luft fallen die Hyphen zusammen und es bilden sich die bekannten, wie aus Wolle gewebten Mützchen, welche erfahrene Weintrinker an den alten Flaschen : so sern sehen, die sich leicht und vollständig von der glatten Flaschen- mündung abheben lassen. Ebenso fallen die strahlenden Ballen an den Spinnwebguirlanden an der Luft zu dichteren Massen zusammen. Dieses üppige Gedeihen des Pilzes auf so zarter Unterlage und auf einem Grunde, der ihm nicht den geringsten Nährboden oder einen nennens- werthen Anheftungsgrund giebt, zeichnet das Rhacodium vor fast allen bekannteren Pilzen aus und deutet darauf hin, dass er seine Nahrung fast nur aus den in der Kellerluft enthaltenen resp. suspendirten Bestand- theilen zieht. Die äussere Beschaffenheit des Pilzes ist ja so allgemein bekannt, dass hier wenig darüber zu sagen ist. Er bildet im trockenen alten Zustande schwärzliche, sehr weiche, schwammige Massen, die im Innern einen Stich ins Schmutzigbraune, an der Oberfläche ins Olivengrüne haben, letzterer um so lebhafter, je frischer der Pilz noch vegetirt. Er ist sehr leicht und weich, und wurde letzterer Eigenschaft wegen schon in älteren Werken zum Verpacken feiner Gegenstände, namentlich Goldsachen, empfohlen. Wenn er entzündet wird, glimmt er von selbst schnell weiter und es können von einer Stelle aus weite Strecken in Gluth gesetzt werden. Diese Eigenschaft machte ihn in der ja noch nicht allzuweit zurück- 200 Jahres-Bericht liegenden Zeit der Zunder-Feuerzeuge zu einem ausserordentlich guten Zunder, der nicht wie der Feuerschwamm einer Präparirung und Im- prägnirung bedurfte. Diesem Verhalten verdankt auch der Pilz seinen Namen: Zunderschimmel, Rhacodium (von daxos, Lumpen, die auch zu Zunder benutzt wurden). In unserer Zeit bedingt diese Eigenschaft nur noch eine Gefahr für die Keller, weil leicht durch Unvorsichtiskeit in Handhabung der Kellerlichte der Schimmel in Gluth kommen kann. Dr. M. Traube theilte einen Fall mit, wo ein Küfer im Keller er- stickte, dadurch, dass das Licht der Kellerwand zu nahe gekommen und schnell der ganze Rhacodium - Ueberzug verglimmt war, der Luft den Sauerstoff entziehend und .mit Kohlensäure erfüllend.. — Auch eine andere Verwendung, zu welcher Rhacodium früher ebenso wie Feuer- schwamm gedient haben soll, das Stillen von Blutungen aus Wunden, wird wohl jetzt nicht mehr in Betracht gezogen werden, namentlich auch in Rücksicht auf die naheliegende Möglichkeit einer Verunreinigung der Wunde durch Pilzsporen und Bacterien. Die mikroskopische Structur des Pilzes ist ausserordentlich einfach. Er besteht aus einem losen Gewirr zwischen einander gewachsener, vielfach spitzwinkelig bis beinahe rechtwinkelig verzweigter Hyphen, ge- wöhnlich von 2,5—3 mik. Derchmesser, an den Spitzen dünnerwerdend, in der Continuität dann und wann unregelmässig angeschwollen. Sie haben unregelmässig gestellte und undeutliche Querscheidenwände, eine olivenbraune, dieke Membran, welche meist mit höckerigen oder ring- förmigen Unebenheiten besetzt, wie incrustirt ist, und einem stark licht- brechenden Inhalt, der beim Zerbrechen der trockenen Fäden oft wie ein Achsencylinder vorrasgt. Die meisten Mykologen beschreiben Rhacodium als steriles Mycel, bei welchem keinerlei Sporenbildung vorkommt. Als vollwichtige Auto- rität führe ich hier z. B. Saccardo (Michelia II. 1882 $. 369) an. Nur E. Fries hat (Systema mycologieum III. 1829 S. 229) angegeben, dass er bei dem Pilze kleine Perithecien gefunden habe, die mit Sporen und Flocken erfüllt waren. Den so beschaffenen Pilz stellte er in die Gattung Antennaria Link., gründete aber später auf ihn die Gattung Zasmidium‘) (Summa vegetab. Scandinaviae ennumat. 1846 $. 407). Ich selbst habe diese Fruchtform nie gesehen, wiewohl ich zu allen Jahreszeiten und an vielen Orten nach ihr gesucht habe, auch Andere, wie Fuckel, Saccardo, haben sie nicht gefunden. ') Die Ableitung des Namens ist mir unbekannt. In Leunis Botanik wird die Vermuthung ausgesprochen, sie sei von &yrnpa, das Gesuchte, hergenommen, weil Fries so lange darnach gesucht und es endlich gefunden habe. Das ist wohl nicht wahrscheinlich. Eher wird ihm vielleicht eine Herleitung von Gew, ich glühe, vorgeschwebt haben, mit Hinsicht auf den Gebrauch als Zunder. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 Sehr häufig fand ich dagegen zwischen den Hyphen reichliche Massen von isolirten Sporen. Dieselben waren länglich-elliptisch oder fast stäbehen- oder keulenförmig, meist 6—13 mik. lang, 3—3,5 breit, einfach oder durch eine Querscheidewand zweitheilig, mit glatter, oliven- brauner, dicker Membran; sie ähnelten sehr den Sporen von Cladosporium herbarum. Brachte ich die frisch dem Keller entnommenen Rhacodium- rasen auf feuchte Unterlage und in feuchte Luft, so konnte ich sie sich noch längere Zeit fortentwickeln sehen. Die noch farblosen Astspitzen wuchsen weiter fort, aber auch an den tieferen Theilen bildeten sich neue Zweige, indem die Scheiden der Fäden durchbrochen wurden und farblose zartere Nebenäste hervorsprossten. An der Spitze der jungen Aeste bildeten sich die Sporen aus, zuerst eine einzelne an einer kleinen zugespitzten Erhabenheit, darauf dicht daneben eine zweite und noch einige weitere, indem die Fruchthyphe nur sehr wenig weiterwuchs, so dass die Sporen fast wie in einem Köpfchen zu stehen kamen, was aber nur scheinbar der Fall war, indem die kleinen Stangen in ungleicher, wenn auch sehr wenig verschiedener Höhe standen. Aus der Spitze der farbigen Sporen sah ich nicht selten eine zweite und aus dieser manch- mal eine dritte auskeimen, so dass kurze Sporenketten entstanden, in denen die obersten Glieder die jüngsten waren. Diese Art der Bildung von Conidienketten ist umgekehrt der bei Penicillium und Aspergillus, wo bekanntlich die tiefsten Glieder die jüngsten sind, und die neuen Glieder die älteren vor sich herschieben. Diese Conidienbildung bietet gewissermassen den Uebergang zu der Hefesprossung. Sie findet sich noch viel stärker ausgesprochen bei Cladosporium, wo die Ketten oft noch länger werden, und wo oft aus einer Spore zwei junge Sporen aussprossen, so dass eine bäumchenartige Verzweigung der Sporenkette eintritt, | Die Conidiensporen von Rhacodium keimten mir im Wasser und in Zuckerlösung leicht und trieben einen oder mehrere Keimschläuche aus den Enden aus. Auf feuchtgehaltenem, mit Zuckerlösung getränktem Papier konnte ich aus den Sporen ausgebildete, wenn auch etwas kümmerliche Rha- codium-Rasen ziehen, die nur einige Millimeter Höhe erreichten, aber dabei die charakteristische Ausbildung der Rhacodium-Hyphen zeigten; zur Fruchtentwickelung gelangten sie nicht. In den Kellern sah ich, dass schon an Flaschen, die erst wenige Monate hier lagerten, deutliche junge Rhacodiumansätze begannen, ebenso bildete sich der Filzüberzug an den gereinigten Wänden und Lager- hölzern in wenigen Monaten wieder aus. Der Glaube Derjenigen, welche in einem Rhacodium-Ueberzuge einer Flasche den sicheren Beweis sehen, dass dieselbe langjährig auf Lager gelegen, erscheint demnach wohl als trügerisch. 202 Jahres-Bericht Aus dem Gesagten geht hervor, dass Rhacodium cellare eine Conidien- pilzform ist, welche die nächste Verwandtschaft mit Cladosporium zeigt. Höchst wahrscheinlich gehört er in den Entwickelungskreis eines Asco- myceten, doch ist die abschliessende Schlauchfruchtform noch nicht auf- gefunden. Auch die Perithecien des Fries’schen Zasmidium können nicht dafür gelten, sie würden höchstens für eine Pyknidenform angesehen werden können. Das Vorkommen des Pilzes ist ein ganz eigenthümliches, auf welches ich hier schliesslich noch kurz aufmerksam machen möchte. Schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, in den Schriften eines Ray und Pluckenet, wird er in unzweifelhafter Weise erwähnt. Dass frühere Autoren ihn nicht besprechen, findet wohl darin seinen Grund, dass ältere Schriftsteller fast ausschliesslich nur die grossen fleischigen Pilze beachteten. Diese ältesten Autoren über den Pilz geben ausdrücklich an, dass er in Kellern auf Weinfässern vorkomme, und auch alle späteren Schriftsteller, die aus eigener Wahrnehmung berichten, sprechen nur von seinem Vorkommen in Kellern auf Fässern, Holzwerk und Mauern. Ich selbst habe ihn nie im Freien und nie anderswo als in Kellern, son- dern nur in solchen, die längere Zeit hindurch als Weinkeller gedient hatten, gefunden. Auch in Bergwerken und unterirdischen Höhlen scheint er nie vorzukommen. Etwaige gegentheilise Annahmen sind wohl darauf zurückzuführen, dass Byssus cellaris Scopoli und Byssus cellaris Weiss, welche nach den Beschreibungen der Autoren ganz andere Gebilde sind, als Synonymen zu Rhacodium cellare herangezogen worden sind. Wir sehen also in diesem Schimmel einen ausgesprochenen Begleiter der Cultur, einen der wenigen Pilze, welche, wenigstens für das mittlere und nördliche Europa, ihre Existenzbedingungen nur im Bereich einer bestimmten menschlichen Thätigkeit zu finden wissen. Vielleicht ist er neben Merulius lacrimans der einzige derartige Pilz, doch theilt er zum Glück nicht dessen verderbliche Eigenschaften, immerhin dürfte er jetzt wohl nur noch als harmloser, aber lästiger und kaum ausrottbarer Ein- dringling zu betrachten sein. Seine Verbreitung scheint eine sehr weitreichende zu sein und sich wenigstens über ganz Europa zu erstrecken. Für die nördlichen Länder liegen ausser den der schon genannten Autoren die Angaben von Fries, Sowerby, Grewille u. A. vor, aus dem Süden bringen uns die mit dicken Filzen von Rhacodium überzogenen Fässer von Ungarwein und Weinen aus Spanien, wie sie im Original zu uns gelangen, sprechende Belege über das Vorkommen des Pilzes in diesen Ländern. Eine nicht schwer zusammenzustellende Combination aus den angeführten Thatsachen und Traditionen lässt es als sehr wahrscheinlich annehmen, dass der Wein- kellerschimmel bei uns ein mit den südlicheren kräftigeren Weinen ein- geführter Fremdling ist, von dem es erklärlich ist, dass er sich nur an der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 303 Orten hält, wo die Quelle, aus der er herstammt, gehegt wird, und wo er den Einflüssen einer strengen Winterkälte entzogen ist. Dass der Pilz unter den fremden Bedingungen nicht zur vollen Entwickelung ge- langt, sondern sich nur in Mycel- und Conidienfruchtform fortpflanzt, ist nichts ungewöhnliches. Ob der Abschluss vom Licht die einzige Be- dinsung ist, welche weitere Fruchtbildungen veranlasst, ist vorläufig nicht festzustellen. In den Culturen, die ich vornahm, entwickelte sich der Pilz am Licht nur sehr wenig weiter und kam bald zu vollständigem Stillstande. Aufschlüsse über den weiteren, eventuell vollständigen Entwicke- lungsgang des Pilzes dürften wir, meiner Ansicht nach, vorzüglich da- durch erhoffen, dass über das Vorkommen und die Vegetationsweise des Pilzes in südlicheren Ländern genauere Beobachtungen angestellt würden. (Fortsetzung folgt im nächsten Jahresbericht.) In der vierten Sitzung am 1. März demonstrirt Herr Garten- Inspector B. Stein blühende Pflanzen aus dem botanischen Garten und bespricht die eben vor sich gehende Keimung der Samen von Victoria regia, 45 Tage nach der Aussaat. Der Secretair erläutert einige von Herrn Shinkitse Nagai aus Japan mitgebrachte Holzschnitte, welche durch Abbildungen ver- schiedene japanische Nutzpflanzen und ihre technische Verwerthung ver- anschaulichen. Herr Nagai, welcher unter der wissenschaftlichen und praktischen Leitung des Herrn Rittergutsbesitzers Frank, früher auf Wikoline, jetzt auf Stradam, die deutsche Landwirthschaft studirt hat, hielt sich im Winter 1883 an der Breslauer Universität auf und arbeitete im pflanzenphysiologischen Institut mit rühmlichstem Eifer und grosser Intelligenz. Unter den vorgelegten Bildern ist zu erwähnen die Dar- stellung des japanischen Indigos aus Polygonum tinctorium, das von den Herren Frank und Nagai in Wikoline mit Erfolg angebaut worden ist; Tabak; Gewebsstoffe: Corchorus, Pueraria Thunbergiana, Gossypium, Binsenmatten; endlich die Cultur eines essbaren Pilzes (nach Dr. Schröter eines der Collybia fusipes nahestehenden Agaricus, Chi take) auf einer immergrünen Eiche, durch Einreiben der Sporen in die modernden Eichen- pflöcke. Vorgezeigt werden auch die aus Rinde und Blättern von Illicium religiosum dargestellten japanischen Räucherstangen, welche nicht blos zur Räucherung, sondern auch wegen ihres langsamen Verbrennens als Zeitmesser verwendet werden, sowie verschiedene landwirthschaft- liche Sämereien aus Japan. Herr Dr. Max Franke hielt einen Vortrag "über die Entwickelungsgeschichte von Phyllosiphon Arisari, welche er im Winter 1831/82 zu Messina studirte; derselbe ist bereits im Bericht der botanischen Section für 1882 Seite 195 abgedruckt. 204 Jahres - Bericht Herr Limpricht sprach über die Moose im Sorbusgürtel des Riesengebirges, welchen er als charakteristische Gebirgsregion, insbesondere auf der Nordseite, zwischen der oberen Wald- und der unteren Knieholzgrenze unterscheidet; die Stämme sind in diesem Gürtel über und über mit Laubmoosen, namentlich Orthotricheen, bedeckt. Im Anschluss an diesen Vortrag bespricht der Secretair die wissenschaftlichen, insbesondere botanischen Aufgaben, welche mit Unter- stützung des Riesengebirgsvereins angestrebt werden könnten. Hierauf hielt Herr K. G. Limpricht einen Vortrag!) über einige neue Arten und Formen bei den Laub- und Lebermoosen. Jungermannia (Lophozia) Kaurini nov. sp. Jg. Hornschuchiana paroica Ekstrand, Bot. Notis. 1879 p. 36 et Lindb. Museci Scand. p. 41, sed non N. v. E. Nat. II p. 153 et Rabenh. Hep. eur. exs.n. 128. ? Jg. sp. ? Massalongo et Carestia, Epat. d. alpi pennine p. 231 t. 14 (1882). Paröcisch.’) Antheridien häufig bis an das Perianthium. — In grossen, flachen, meist lockeren Rasen, frisch von stark pfefferähnlichem Geruche, grün oder gelbgrün. Stengel schlaff, zwischen anderen Moosen aufrecht, 2—3 em lang und länger, 0,5 unterm Perianth bis 1 mm dick (mit ausgebreiteten Blättern bis 3 mm), im Querschnitt oval, mit ziemlich gleichartigen Zellen, die peripherischen kleiner (0,16 I) Jungermannia Kaurini, Jg. Rutheana, Jg. Rutheana, Jg. subcompressa, Cephalozia “ Ekhstrandü, Bryum pycnodermum und Bryum campylocarpum wurden in der Sitzung der botanischen Section vom 8. November 1883 vorgelegt und ist darüber bereits im Bot. Centralblatt 1883 referirt worden. 2) Nach Ekstrand (Just, bot. Jahresbericht für 1880) würde ein solcher Blüthenstand synoeeisch genannt werden müssen; allein bei allen beblätterten Jungermanniaceen, welche Antheridien unterhalb der @ Blüthe an derselben Sprossachse führen, gehen bei ein und derselben Species die Antheridien häufig bis an das Perianthium, und es lässt sich diesbezüglich eine Grenze zwischen paröcischem und synöcischem Blüthenstande nicht ziehen. Die Bezeichnung „synöcisch“ wurde zuerst auf Laubmoosblüthenstände angewendet, dieSchimper als flores bisexuales bezeichnete, z. B. auf Bryum bimum. Ein analoges Bei- spiel unter den Lebermoosen ist mir nicht bekannt, denn auch bei den als synöcisch bezeichneten Gymnomitrium-Arten, bei denen die inneren Hüllblätter häufig (nicht immer) noch Antheridien führen, sind letztere — da hier das Perianth fehlt — zwar nicht durch ein Zwischengebilde, doch räumlich von dem Archegon- stande getrennt; es sind auch dies: flores monoica, antheridia hypogyna, axillaria, und in diesem Sinne habe ich den Ausdruck „paröeisch“ hier ge- braucht. der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur. 205 mm 1. + 0,023 mm br.); längs lang und dicht weisslich - wurzelhaarig; meist einfach, mit 1 oder 2 Innovationen und einigen schlaffen, locker beblätterten Sprossen aus den Winkeln der ventralständigen Blatt- hälften. — Blätter schlaff und wellig verbogen, die der sterilen Stengel- theile sehr schräg inserirt, flach ausgebreitet, am Dorsalrande wenig herablaufend, fast quadratisch mit gerundeten Seiten, oben durch eine bis zu '/, eindringende, weite, gerundete Bucht ausgerandet, mit abge- rundeten oder doch stumpflichen, nur bei var. B spitzen Lappen, von denen der ventrale in der Regel grösser ist. Blattzellen nur an der Insertion zweischichtig, alle dünnwandig, stark kollenchymatisch, rund- lich-hexagonal (0,04—0,055 mm), gegen den Blattgrund oval (0,066 bis 0,1 mm), am Blattrande kleiner (0,025—0,033 mm); Chlorophyll gross- körnig, spärlich, ältere Blätter leer, Oelkörper fehlen; Cuticula (auch die des Perianths) stark warzig, ausgezeichnet gestrichelt. Brutzellen nieht beobachtet. Amphigastrien verhältnissmässig klein, pfriemen- förmig bis lanzettlich, ganz, selten bis unter die Mitte ungleich zwei- schenkelig. Perigonialblätter grösser, meist 4—6, selten mehr Paare, mit der oberen Hälfte zurückgebogen und häufig durch die zurückgebogene Einbuchtung gefaltet, quer inserirt, am Grunde des Dorsalrandes auf- seschürzt und sackig und hier mit einer kleinen Tasche, die durch einen kleinen, abgerundeten oder doch stumpflichen (bei var. B pfriemenförmigen) dritten Lappen gebildet wird. Bei lockerer Beblätterung sind die oberen (1—4) Perigonialblätter und das untere Perichätialblatt sehr schräg inserirt; es fehlt ihnen die schützende Decke, und die nackten Antheridien gelangen hier nicht mehr zur normalen Entwickelung.') Antheridien zu 1 oder 2, Träger kurz, in 6 und 7 Stockwerken zweizellreihig; Antheridie 0,16 mm, kugelig bis oval; Paraphysen fehlen in der Regel, zuweilen finden sich hier lanzettlich-pfriemliche Haargebilde. Die beiden Perichätialblätter, von denen das untere in der Regel, das obere häufig noch Antheridien produeirt, meist verkehrt-eirund, nicht grösser als die angrenzenden Blätter, aus angedrückter Basis abstehend bis zurückgebogen, am oberen Rande wellig-quergestutzt oder abgerundet, faltig und wellig-ausgeschweift, doch wiederum auch zweilappige mit zurückgebogener Bucht, endlich auch den Perigonialblättern gleich mit sackigem Grunde und einem kleinen dritten Lappen. Hüllunterblatt schmal lanzettlich, an der Basis meist jederseits mit einem langen, pfriemenförmigen Zahne. | 1) Diese abnorm entwickelten Antheridien gleichen den Mittelbildungen zwischen Antheridien und Archegonien, welche Lindberg an Brachythecium erythrorrhizon Br. eur. beobachtete (Öfersigt af Kongl. Vetenskaps Akademiens För- handlinsar 1879 Nr. 5 tab. 11). 206 Jahres - Bericht Perianthium endständig, eylindrisch bis eylindrisch-keulig, 2'/, bis 3, mm l. + 0,86—1,2 mm br., in der Jugend am Grunde seitlich schwach zusammengedrückt und auf der Ventralseite meist mit zwei stumpfen Falten, gegen die Kapselreife drehrund, oben plötzlich zu einer langen (0,36 mm 1. + 0,24—0,3 mm br.) röhrenförmigen Spitze zu- sammengezogen, die aus 8 bis 10 Stockwerken langgestreckter, meist hyaliner Zellen gebildet wird und am Saume durch lang vorspringende Zellen (36) fransig gezähnt erscheint. Perianthium im unteren Drittel zwei-, an der Basis dreischichtig; Zellen oval und gestreckt. Arche- gonien 7—9 (0,2 mm ].), von wenigen Keulenhaaren begleitet, die ver- ödeten im unteren Drittel der Haube hinaufgerückt; Haube oben 2—3-, gegen die Basis 5—8schichtig. Bulbus verkehrt-kegelförmig, im Niveau der Hüllblätter eingefügt, Involucellum mit kerbigem Rande. Kapsel- stiel 0,53 mm diam., Zellen gleichartig, 23—25 peripherische, 8—9 im Durchmesser. Kapsel klein, oval, Klappen 1,2 mm l., trüb purpurn, 2—-3schichtig, innere mit Halbringen, Klappenränder zurückgerollt. Sporen 0,016 mm, braun, bei starker Vergrösserung sehr fein gekörnelt; Schleudern halb so breit, mit 2 purpurnen Schraubenbändern, Schlauch schwach röthlich. Sporenreife: Herbst. | Aendert ab: ar. ß acutifolia. Schlaffe, locker beblätterte Form. Blattlappen durch zwei einzelne Zellen gespitzt. Perigonialblätter am Grunde des Dorsallappens mit einem langen Pfriemenzahne. var. y densifolia. In allen Theilen kleiner. Tracht von Jg. Mülleri. Stengel niederliegend und dicht wurzelhaarig. Blätter dicht dachziegelig, minder schräg inserirt, aufgerichtet, mit schwacher Neigung, die obere Blatthälfte rückwärts zu biegen. Perianthium schief bis rechtwinkelig aufsteigend, verkehrt kegelförmig, mit kürzerem Apex. No Pfarrer Christian Kaurin in Opdal (Norwegen) in verschie- denen Formen im Dovrefjeld entdeckt und mir gütigst als Jg. ban- iryensis Hook. mitgetheilt. Die Pflanze wurde am Fusse schattiger Felsen in breiten, flachen Rasen gesammelt; die hier als typische Form be- schriebene bei Luengen im September 1882, var. ß bei Skjörstadlien im August 1883 und var. y bei Kongsvold am 24. August 1883. Diese Art ist charakterisirt durch die hypogynen Antheridien und das eylindrische Perianthium mit langem, tubularem Apex. Die warzig gestrichelte Cuticula besitzen alle Verwandte der Jg. Mülleri. Jungermannia Hornschuchiana N. v. E. Nat. II. p. 153 ist nach dem Originale „Radstadter Tauern leg. Funck“ wie nach dem Originale der später in der Synopsis p. 101 hierher gezogenen Pflanze vom „Mont Cenis leg. Bonjean‘‘ in Rabenh. Hep. eur. exs. n. 128 (mein Exemplar ist @ mit Perianthien) diöcisch (im Funck’schen Originale sah ich die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 207 g' Pflanze) und gehört nach meiner Auffassung in den Formenkreis der Jg. Mülleri N. v. E. — Nees’ Beschreibung der völlig sterilen Pflanze passt gut auf eine sterile Jg. Müllerı von nassen Standorten und giebt nicht den geringsten Anhalt, dass Jg. Kaurini hiermit zu identifieiren wäre. — Meiner Art am nächsten verwandt ist die Pflanze aus den penninischen Alpen, welche Massalongo l. c. ohne Speciesnamen be- schreibt und abbildet, und von der ich nachträglich Proben vom Ori- ginale vergleichen konnte. Obgleich diese Art paröcisch ist, zeigt sie doch keine befruchteten Archegonien. Die ausgebildeten Perianthien stehen in Folge Weitersprossung nackt auf dem Rücken der Stämmchen; es fehlt ihnen jedoch der tubulare Apex vollständig. Ich habe an dem Kaurin’schen, mir reichlich überlassenen Materiale vergeblich nach der- artigen Bildungen gesucht. Da das Perianth stets vor der Befruchtung angelegt wird, so kann die Bildung des tubularen Apex wohl nicht eine Folge eingetretener Befruchtung sein, und deshalb ist, so lange hierüber keine ergänzende Beobachtung vorliegt, die Massalongo’sche Art nicht mit Jg. Kaurimi zu vereinigen. Jungermannia (Lophozia) Rutiheana nov. sp. Jg. baniryensis G. & Rabenh. Hep. eur. exs. No. 583. Diöcisch; 3 und 2 Pflanzen vergesellschaftet. In tiefen, schwammigen Rasen, fettglänzend, gelbgrün, stellenweise röthlich angehaucht. Stengel schlaff, aufrecht, bis gegen 5 cm lang und mit ausgebreiteten Blättern 3 mm br., einfach, mit 1, seltener 2 Innovationen, noch seltener mit einzelnen seitlich abstehenden und ventral angelegten Sprossen aus den sterilen Theilen des Stengels; Stengel bis zur Spitze wurzelhaarig, im Querschnitt 0,36 mm diam., vielgestaltig, lockerzellig, peripherische Zellen kleiner. Blätter gross und schlaff, schräg inserirt, aus sehr breiter Basis schief breit-eiförmig, durch den weit sich herüberziehenden, doch nur kurz herablaufenden Dorsalrand stark unsymmetrisch, am Ventralrande oft zurückgeschlagen; die unteren Blätter flach ausgebreitet, so lang als breit (1,8 mm), die oberen, be- sonders gegen die Fruchtstellen stets aufgerichtet, daher hier der Stengel seitlich zusammengedrückt; alle Blätter mit einer flach mondförmigen Bucht, die bei den unteren zu '/, bis '/,, bei den übrigen zu '/, bis '% ins Blatt eindringt, in zwei kurze, breite, meist sumpfliche und an den oberen Blättern eingeschlagene Lappen getheilt. Blattzellen nur an der Insertion zweischichtig, alle stark kollenchymatisch, am Rande 0,027 mm, in der Mitte der Lappen 0,036 mm, die ovalen des Blatt- grundes bis 0,08 mm, alle mit zahlreichen, runden, zuletzt randständigen Oelkörpern; Cuticula stark warzig-gestrichelt. Brutzellen nicht beobachtet. Amphigastrien gross, 1—1,7 mm lang, vieltheilig, mit 2 und 3 (mitt- lere am grössten) langen, schmalen Lacinien, die beiderseits wie die 208 Jahres-Bericht Basis mit wimperartigen, eingekrümmten Zähnen besetzt sind. Ausser- dem finden sich am Stengel unregelmässig verstreut einzellreihige Haar- bildungen; ähnliche lanzettliche Blattflächen auch aus den Blattwinkeln auf der Dorsalseite der Stämmchen; zuweilen hat das Blatt am Grunde des Dorsalrandes einen grossen lanzettlichen Blattanhang, der manchmal nicht am Blattrande selbst, sondern in dessen Nähe aus der Blattfläche entspringt. . Die S Pflanze von der @ wenig verschieden. Die Perigonial- blätter aufgerichtet, fast kreisrund; am Dorsalgrunde bildet ein kleiner, meist abgerundeter, selten scharf zugespitzter Lappen eine kleine Tasche, in deren Winkel die Antheridien, gemischt mit einigen pfriemenförmigen Pharaphysen stehen; Antheridie hyalin, kugelig und oval 0,16—0,13 mm, Stiel kurz, zweizellreihig. Die beiden Perichätialblätter angedrückt, breitrund (3—4 mm breit und 2—3 mm hoch), wellig verbogen, mit spitzen Lappen, an der Basis beider Blattränder oder nur am Ventral- rande mit 2—4 einzellreihigen, (meist rückwärts) gekrümmten, langen (5 —15 Zellen) wimperartigen Zähnen. Das Hüllunterblatt von den übrigen nichi verschieden. Das Perianthium endständig, 4—4'/, mm lang, 2—2'/), mm breit, seitlich zusammengedrückt, so dass die eine Schneide dem Rücken, die andere der Bauchseite entspricht. Die Spitze des Perianths ist eingedrückt, so dass die Zähne ganz hineingebogen sind und nur ein Theil derselben sich an der Spitze zeigt. Häufig findet sich an der einen Seite am Perianth eine stumpfe Längsfalte, welche auf der anderen einer stumpfen Längsrippe entspricht, auch finden sich Perianthien auf beiden Seiten mit je einer Längsfalte bis zum Grunde, selten auch dreikantige, die dritte Falte dann auf der Dorsalkante des Perianths. Wird kein Archegonium befruchtet, so rücken die Perianthien infolge neuer Sprossbildung auf den Rücken des Stämmchens, sie werden dann in ihrer Weiterentwickelung gehemmt, sind eiförmig, nicht höher als die Blätter, besitzen auf der einen Seite 2, auf der anderen 1 tiefe stumpfe Falte bis zur Basis; sie sind an der zusammenneigenden Mün- dung schräg (nach hinten) gestutzt und fransig gezähnt (Zähne ein- zellreihig, 2-—4 Zellen hoch). Die ausgebildeten Perianthien sind gegen die Basis zwei- und drei-, stellenweise auch vier- und fünfschichtig, die Zellen in der mittleren Partie des Perianths sind rundlich, die "unteren und oberen gestreckt. — Archegonien wenige, 0,25 mm hoch. Haube zwei- und dreischichtig, an der Basis mehrschichtig, die ver- ödeten Archegonien und Archegonanlagen im unteren Drittel hinauf- gerückt, der die Haube krönende Griffel 18 Stockwerke hoch. Kapsel oval; Kapselwand (0,055 mm dick) 4schichtig, Aussenschicht doppelt so gross. Kapselstiel 0,33 mm dick, 26—28 peripherische Zellen, 10 Zellen im Durchmesser. Bulbus stumpf und kurz kreiselförmig, am Rande erenulirt. Reife Sporen und Schleudern nicht bekannt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 909 Wurde in einem Sumpfe unter Aypnum scorpioides u. s. w. bei Neue Welt unweit Bärwalde in der Neumark im Herbste mit Perianthien und nicht ausgereiften Kapseln vom Thierarzt R. Ruthe entdeckt und in Rabenh. Hep. eur. ausgegeben. Hierher gehört wahr- scheinlich auch Nr. 246 in G. & Rabenh. Hep. eur. Jg. Hornschuchiana var. B aculifolia G@., major, foliorum lobis acutis, amphigastriis magnis plurifides, wovon ich nur einige sterile Stengel besitze. Jg. Rutheana gleicht in vielen Stücken luxuriösen Formen der Jg. Mülleri N. v. E., allein die Bildung des Perianths, der Perichätialblätter, der Kapselwandung und des Kapselstiels unterscheiden es sicher, und auch die sterile Pflanze dürfte sich an den eigenthümlich gebildeten Amphigastrien erkennen lassen. Jg. Müllerı N. v. E. zeigt an Exemplaren von den verschiedensten Standorten eine 2- (streckenweise 3-) schichtige Kapselwand, und. der 0,25—0,27 mm dicke Kapselstiel im Mittel 16 peripherische Zellen, im Durchmesser 7 und 8. Jg. turbinata Raddi (Jg. acuta Lindenb. et Kryptfl. v. Schl. I. p. 274) zeist der Kapselstiel 9—11 Zellen um das Grundquadrat; auch bei Jg. badensis G. ist der Kapselstiel 0,17 mm dick mit 13 und 14 Zellen um das Grundquadrat, beide Arten besitzen eine 2schichtige Kapselwand. Bei der Beurtheilung der Jg. Rutheana kommen drei kritische Arten in Betracht: Jg. Hornschuchiana N. v. E., Jg. bantryensis N. v. E. und Jg. Schultzii N. v. E. In der Kryptfl. v. Schl. I. p. 276 vereinigte ich alle drei zu einer Colleetivspecies. Damit hatte ich der Natur Zwang angethan und die Kenntniss der Formen nicht gefördert. Später glaubte ich auf die Ruthe’sche Pflanze den alten Namen Jg. Schultzü N. v. E. übertragen zu können, allein dann müsste die Nees’sche Beschreibung in einigen wesentlichen Punkten geändert werden, wozu ich kein Recht habe. Jg. Schultzü N. v. E. Nat. II. p. 20 ist auf wenige Exemplare (der Autor sagt 1. c., dass er nur zwei Stengelchen besitze) und die falsche Voraussetzung gegründet, dass die Amphigastrien fehlen. Bie sind jedoch im dichten Wurzelfilze deutlich vorhanden und gleichen im Bau genau denen der Hauptform von Jg. Mülleri, wie sie Nees |. ce. p. 14 ausführlich beschrieben hat. Damit ist nach meiner Auffassung auch Jg. Schultzii zu vereinigen, in deren Beschreibung kein Merkmal dagegen spricht. Jungermannia (Lophozia) subcompressa Nov. SP. 2 Jg. baniryensis G. & Rabenh. Hep. eur. exs. n. 577 (3 Ex.). Diöcisch! Habitus und Grösse von Alicularia compressa, doch in allen ihren Merkmalen innig an die beiden vorigen Arten sich an- schliessend. 1883. 14 210 Jahres-Bericht Rasen locker, freudig bis gelblich grün, meist fluthend. Stengel 5—8 em lang, schmutzig grün, kräftig und saftig, wenig beästet, unten nackt, dann durch die Beblätterung seitlich zusammengedrückt, gegen das Ende oft verdünnt und locker beblättert, nur absatzweise mit weiss- lichen Rhizoidenbüscheln; im Querschnitt oval 0,5 mm Längsdurchmesser, mit lockeren, dünnwandigen Zellen, an der Peripherie warzig-gestrichelt. Blätter sehr schräg inserirt und ventralseits herablaufend, mit den Rändern sich deckend, dabei so stark aufgerichtet, dass beide Blattreihen an der Dorsalseite aufeinanderliegen und über die Ventralseite hinaus- ragen, alle Blätter gross und schlaff, breiter als hoch, die mittleren 1,6 mm breit und 1,5 mm hoch, schief eirandlich, oben durch eine breite, flache Ausrandung gestutzt, mit 2 kleinen stumpfen Lappen, die oberen (gegen die 2 Blüthen) 2,7 mm br. und 2,4 m h., mit einer zu /,— '/), eindringenden gerundeten Bucht und eingeschlagenen breiten spitzen Lappen. Blattzellen dünnwandig, nicht oder wenig kollenchy- matisch, am Blattgrunde in 1—4 Reihen doppelschichtig; Zellen des Randes wenig kleiner (0,026—0,04) als in der Mitte (0,04—0,05); Chlorophyll spärlich, grosskörnig, Oelkörper spärlich, klein, bald ver- schwindend; Cuticula stark warzig. Amphigastrien unter den übergreifenden Ventralrändern der Blätter versteckt, im Bogen anliegend, klein, pfriemlich, hie und da durch einzelne Zellen gewimpert, seltener 2theilig, in der Nähe der 2 Blüthen lanzettlich, beiderseits in der Mitte mit einem grösseren Zahne. Die 2 Blüthenstände mit den 7—9 abortirten, kleinen Archegonien durch Weitersprossung auf dem Rücken der Stämmchen in der nächsten Nähe einer Gabelung; das nackte Perianthium meist nach dem Sprossende zu durch ein grösseres Unterblatt gestützt, aufgerichtet, kaum so hoch als die benachbarten Blätter, birnförmig oder länglich, ohne jede Falte, um die ziemlich weite Mündung mit gezähnten, aufrechten Lappen. [Perigonialblätter mit kleiner Dorsaltasche, die von einem kleinen eingeschlagenen dritten Lappen gebildet wird, am Grunde desselben be- findet sich nahe der Insertion ein langer, mehrzelliger Pfriemenzahn. Antheridien 2, Träger sehr kurz, zwei- (auch vier-) zellreihig in 5—6 Stockwerken; Antheridie 0,15 mm diam.] Die hier beschriebene % Pflanze sammelte Pfarrer Christian Kaurin im August 1883 in Bächen dei Skjörstadlien (Opdal in Nor- wegen, Dovre), wo sie an Steinen grossen Rasen bildet. — Die als ? hierher gezogene oben eitirte 3 Pflanze sammelte Apotheker J. Jack am 29. August 1572 am Ufer eines Gebirgsbaches bei Fontana nächst Tarasp im Engadin. — Hierher gehört ferner eine 2 Pflanze mit nackten Perianthien, die Professor F. Hegelmaier am 14. September 1872 im Katarakte „Schwarzbach“ bei Golling in Salzburg sam- melte und als Jg. Hornschuchiana bestimmte. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 211 Jg. bantryensis Hook. ist eine vielgedeutete Art und in G. &R. Hep. eur. sind verschiedene Formen unter diesem Namen ausgegeben. Be- kanntlich erwähnt Hooker in seinen British Hep. bei Jg. stipulacea t. 41 eine Jg. bantryensis, welche Miss Hutschins bei Bantry ent- deckt habe; er bildet sie auf seiner 3. Supplementtafel ab, bringt sie aber im Text p. 16 n. 53 zu Jg. bidentata und nennt sie auch auf seiner Tafel so. N. v. E. hat diese Species, welche Hooker in der Fort- setzung der British Flora ganz übergangen hat, in Nat. I. p. 24 (1836) nach dem Hooker’schen Bilde als Jg. baniryensis Hook. beschrieben; später zieht er eine Pflanze ‚iin Sümpfen bei Zell am See leg. Sauter“ (diese habe ich gesehen) hierher und giebt nun auf Grund dieser Exem- plare in Nat. III. p. 540 die ausführliche Beschreibung seiner Jg. ban- iryensis N. v. E.E — Ist nun die Nees’sche Art auch wirklich die Hooker'sche? G. & R. Hep. eur. geben darüber keinen Aufschluss; es wird zwar bei Nr. 577 ein Bild des Hooker’schey Originals versprochen, aber dasselbe ist nicht erschienen. Weil neuerdings nun auch Oar- rington & Pearson, Hep. Brit. exs. fasc. II. Nr. 105 als Jg. bantryensis var. major Hook. eine von der oben beschriebenen Art ganz verschiedene Pflanze ausgegeben haben, deshalb habe ich einen neuen Namen vor- gezogen. | Cephalozia Ekstrandii nov. sp. Cephalozia bicuspidata forma capitata Ekstrand. Bot. Not. 1879 p. 34. Diöcisch; Z und 2 Pflanzen gesellig. — Steht in Wuchs, Fär- bung und Blattform den kleinsten Formen der Cephalozia connivens Dicks. nahe. Räschen verwebt und mit anderen kleinen Lebermoosen vermischt, freudig grün. Stengel bleichgrün, verhältnissmässig diek (0,18—0,2 mm diam.), fleischig, vielfach verbogen, brüchig, im Querschnitt alle Zellen gleichartig (24 peripherische Zellen und 8 Zellen im Durchmesser), mit wenigen weissen Wurzelhaaren, doch reichlich mit ventraler Sprossbildung und in den unteren Partieen mit absteigenden Stolonen, letztere mit Blattschuppen und Wurzelhaaren. Sprossen endogen an- gelegt, selten bis 4 mm lang und in der Mitte mit den blättern 0,6 mm breit, die sterilen Blätter schräg inserirt und aufgerichtet, kreisrund, am häufigsten breitrund (0,3 mm 1. und 0,36 mm br.; oder 0,4 und 0,5; die grössten 0,6 mm diam.), zu '/, durch eine enge, am Grunde ge- rundete Bucht in 2 kurz-dreieckige, spitze oder stumpfe, schwach gegen- einander geneigte Lappen getheilt. Blattzellen auch am Grunde ein- schichtig, äusserst dünnwandig, ziemlich gleichgross (0,026 —0,035 mm), 4—6eckig, ohne Oelkörper, Outiewla glatt. Amphigastrien überall anwesend, angedrückt, klein (0,15 mm), dreieckig bis lanzettlich, spitz oder stumpflich. 14# 372 Jahres - Bericht An der 3 und an der 2 Pflanze finden sich zahlreiche endogen angelegte Ventralsprossen, die mit einem Brutbecher enden. Sie sind verhältnissmässig kurz (bis zu 0,6 und 1 mm), bleich und mit wenigen schuppenförmigen Blättern bekleidet. Gegen das Sprossende verdickt sich die Achse, die Blätter drängen sich zusammen und umgeben als becherartige Hülle den mit einer breiten, grünen Keimkörnerscheibe ab- schliessenden Achsenscheitel. Die einzelnen Brutzellen sind grün, schmal- elliptisch (0,002 und 0,006 mm) und nicht quergetheilt. — Zuweilen unterhalb der Hülle ein neuer Spross. Die $ Sprossen sind ventralen Ursprungs und verhältnissmässig lang, die Perigonialblätter breiter als hoch, hohl, Einschnitt zu /,—'/,; Antheridien einzeln, hyalin, kugelig; Träger 0,03 mm, 2zellreihig in 5 Stockwerken. 2 Sprossen ventral angelegt, ziemlich lang, am Ende plötzlich verdickt und niedergebogen, mit 4 Archegonien von 0,14 mm Länge. Vom Pfarrer Christian Kaurin am 98. August 1883 am Sne- hätten im Dovrefjeld (Norwegen) vom Erdboden in einem Misch- rasen aufgenommen, der ausserdem noch Jungermannia bicuspidata und Alicularia minor (N. v. E.) mit Pseudoperianthien enthielt. Ich konnte bei der Untersuchung dieser höchst interessanten Pflanze nur ein sehr spärliches Material benützen, doch zweifle ich, obgleich ich Ekstrand’s Form nicht gesehen, keinen Augenblick an der Identität beider. — An den ausgebildeten Perianthien dürfte sich hier dieselbe Erscheinung wie bei Alicularia minor forma, A. Breidleri und Cephalozia Jackii wiederholen, dass der Stengel unterhalb des Perianths durch nach- trägliches stärkeres Wachsthum der Ventralseite sich bauchig nieder- biegt. | Anmerkung. Das Pseudoperianthium bei Sarcoscyphus, Al- cularia, Gymnomitrium, Eucalyx entsteht nicht, wie es den Anschein hat, durch Hinabwachsen des befruchteten Archegons in den Achsenscheitel, denn es findet sich völlig ausgebildet auch gelegentlich, wenn kein Arche- gonium befruchtet wird (z. B. bei Alicularia und den diöcischen Sarco- scyphus-Arten), oder wenn das Archegon bald nach der Befruchtung aus nicht bekannter Ursache sein Wachsthum einstellt; die Gruppe der verödeten Archegonien steht dann an der tiefsten Stelle der krugförmigen Höhlung, dem Scheitelpunkt der Blüthenachse, und wird z. B. bei Ali- cularıa scalaris quer überdacht von dem in der Mitte durchbohrten Perianthium. Die fleischige, untere Partie des Pseudoperianths gehört dem peripherischen Gewebe der Blüthenachse an, das sich nach Anlage der Archegonien als ringartiger Wall erhebt, wodurch die hier inserirten Blattgebilde über das ursprüngliche Niveau des Blüthenbodens hinauf- gerückt werden. Bildet sich, wie z. B. bei Sarcoscyphus, die Haube aus dem Archegonbauche allein, so bleibt die Lage des Blüthenbodens un- verändert. Betheiligt sich jedoch an der Bildung derselben auch das der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 913 angrenzende Gewebe des Blüthenbodens (z. B. bei Gymnomitrium, Ali- cularia), so erscheinen die verödeten Archegsonien an der Aussenwand der vielschichtigen Haube mehr oder minder hoch hinaufgerückt. Die Ansicht, dass die obere Partie der fleischigen Becherform durch Ver- wachsung des Kelchrückens mit den Perichätialblättern entstanden sei, war schon Hooker seinerzeit bedenklich. Sie fand später in Du- mortier einen Vertreter und wird neuerdings durch Ekstrand (Just, Bot. Jahresbericht für 1830) wieder zu beleben gesucht. Dagegen spricht die Thatsache, dass bei den hierher gehörenden paröcischen Arten schon im Winkel zwischen den Perichätialblättern und dem Perianthium häufig Antheridien angelegt werden. Die Bildung dieser Pseudoperianthien ist analog dem Hypanthium gewisser Phanerogamen; dieses hat man früher auch als einen meta- morphosirten Theil des Kelches gedeutet, während es gegenwärtig als ein metamorphosirter Theil der fleischig gewordenen Blüthenachse auf- gefasst wird. Cephalozia bicuspidata (L.) var. aqualtica. Gleicht habituell der Wasserform von Cephalozia fluitans (Nees). Völlig untergetaucht in fusslangen Fladen, grün bis trüb purpurn ange- haucht. Stengel sehr verlängert, mit langen, entfernt kammartig be- blätterten Sprossen; einzelne ventrale Aeste kleinblätterig und flagellen- artig. Stengel im Querschnitt mit 9—12 grossen peripherischen Zellen. Blattlappen oft in drei einzelne rectanguläre Zellen auslaufend. Amphi- gastrien nur in den Blüthenständen. g' Blüthen an Hauptsprossen oder an kurzen ährenförmigen Ventralästen, meist nur 3 Paar Perigonialblätter, worauf sich der Ast verdünnt. Antheridien einzeln auf kurzem (4 Zellen hohem) Stiele. — Perichätial - Unterblatt dreilappig. Perianthium am Grunde zweischichtis. Kapselstiel 3 Zellen um das Grundquadrat. Kapselwand zweischichtig, beide ziemlich gleichdick. Sporen ungleich gross, 0,013—0,02 mm, dunkelbraun, warzig. Riesengebirge: in den Moortümpeln der weissen Wiese (1400 m) völlig untergetaucht und in diesem Zustande von mir im Juli 1883 reich- lich fruchtend gesammelt. — Der Blüthenstand täuscht; zahlreiche fuss- lange Sprosssysteme erscheinen rein 2 und nur selten finden sich beiderlei Geschlechtsäste an derselben Hauptachse. Jungermannia dovrensis nov. sp. Völlig steril, doch mit Brutzellen. Polster schwammig, dunkel- grün, dicht verfilzt. Stengel 2'/, cm lang, einfach, im Schlusse der Räschen aufrecht, doch verbogen, saftig, schmutzig grün, an der Ventral- seite schmutzig violett-röthlich und hier längs dicht mit langen, schmutzig röthlichen Wurzelhaaren. Im Querschnitt 0,27—0,45 mm dick, meist 214 Jahres-Bericht oval oder dorsalseits plan und ventralseits convex; Innenzellen grösser, die peripherischen 0,015—0,016 mm breit und 0,066 mm lang. — Schlanke, schlaffe, mit kleinen Blättern besetzte Sprossen aus den unteren Theilen des Räschens. — Blätter schlaff, schmutzig dunkelgrün, oben zuweilen violett angehaucht, sehr schief angeheftet und dorsalseits etwas herablaufend, stets viel breiter als hoch (1,2—1,5 mm breit und 0,86 bis 1,1 mm hoch), breitrund, oben ausgeschweift oder bis zu '/), breit und seicht ausgerandet, mit gerundeten, meist eingeschlagenen Lappen. — Blattzellen am Grunde zweischichtig, an der Insertion auch vier- und fünfschichtig; dünnwandig, schwach kollenchymatisch, nach den Blatt- rändern immer kleiner werdend, hier quadratisch, 0,016—0,018 mm, in der Blattmitte 5—6eckig bis 0,036 mm, meist 0,027—0,03 mm, die grössten ovalen des Grundes 0,05 mm Längsdurchmesser; Chlorophyll reichlich, hie und da 2 brotförmige, früh zerfallende Oelkörper; Cuticula glatt. — Nur am Sprossende wurde unter der Gipfelknospe regelmässig ein kleines, anliegendes, lanzett-pfriemliches Amphigastrium beobachtet. Keimkörner in grünen Häufchen in der Gipfelknospe eingeschlossen, die blassgrünen Brutzellen oval, 0,017 mm lang. Vom Pfarrer Christian Kaurin am Snehätten im Dovrefjeld (Norwegen) am 14. September 1832 gesammelt. Sie erinnert in der Rasenbildung an Jg. tersa und Alicularia scalarıs var. rivularis und dürfte an ähnlichen Standorten oder vielleicht auf nassem Moorboden gewachsen sein. — Ihre Stelle im System lässt sich nicht sicher bestimmen, vorläufig mag sie in der Jg. intermedia - Gruppe ihrer Platz haben, wo sie vielleicht neben Jg. marchica sich einreihen lässt. Orthotrichum perforatum nov. sp. Monöcisceh; die 3 Blüthen gipfelständig, zuletzt grundständig am Fruchtaste. In compaeten, kleinen, braun-grünen Räschen. Stengel '/, bis 1 cm lang, aufrecht, dick, am Grunde rothwurzelhaarig; im Quer- schnitt grosszellig, Centralstrang fehlend. Blätter gedrängt, starr, an- liegend, feucht aufrecht-abstehend, beim Anfeuchten sich nicht zurück- krümmend, lanzettlich, kurz und stumpflich zugespitzt, schwach kielig, am Rande stark umgerollt, beiderseits dicht mit zwei- und einspitzigen Papillen; Blattzellen oben rundlich sechseckig, chlorophyllreich, mit wenig verdickten Wänden, im Mittel 0,01 mm (0,007—0,012 mm), im unteren (oft bis '/,) Blatttheile in der ganzen Breite dünnwandig, durch- scheinend bis röthlich, quadratisch bis verlängert rectangulär. Blatt- rippe kräftig; breiter als diek, röthlich, vor der Spitze verschwindend. & Blüthenstände mit 2-5 Laubblättern und 5 röthlich-gelben Peri- gonialblättern, die inneren breit eiförmig, stumpf oder stumpflich zuge- spitzt, ohne Rippe, mit einigen gelblichen Paraphysen. — Perichätial- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 915 blätter 2,5—2,7 mm lang und 0,6—0,75 mm br. — Kapsel einge- senkt. Scheidehen kurz und dick, nackt oder mit vereinzelten Haaren; Ochrea 0,35—0,45 mm hoch; Stiel so lang als die Ochrea. Kapsel oval, mit deutlichem Halse (Urne 1 mm lang und 0,75 mm breit; Hals 0,75 mm), letzterer bis zur Ochrea verschmälert, längs mit 16 gleichlangen, rothgelben, vierzelligen Streifen, auch frisch 16rippig; entdeckelt unter der Mündung verengt. Stomata eryptopor, sehr eng; Ring aus 2 (3) sehr zartwandigen, bleibenden Zellreihen gebildet. Haube gelblich, weitglockig, fast halbkugelig, 1,695 mm hoch (11—13- faltig), mässig mit verbogenen, gelben, papillösen Haaren besetzt. Deckel flach-gewölbt, gelb, am Rande intensiver (0,48—0,57 mm diam.), der gelbe Schnabel kürzer als der Radius. Die 16 Paarzähne des röth- lichgelben Peristoms trocken abstehend und zurückgebogen, 0,24—0,28 mm lang, dolchförmig, in der Mittellinie durcehlöchert, nicht gesäumt, dicht mit mittelgrossen Papillen besetzt, oben mit undeutlichen Längs- linien. Inneres Peristom besteht aus 16 röthlichgelben, sehr feinen, fädlichen Cilien von gleicher Länge, ohne Mittellinie, ohne Papillen, doch mit seitlichen, feinen Anhängen. Sporen 0,01—0,014, braungrün, in Masse rothbraun, grosswarzig. Sporenreife Ende August. Am Kalkfelsen bei Innervillgraten in Tirol vom dortigen Pfarrer Hieronymus Gander am 30. August 1880 gesammelt und mir als ? O. cupulatum mitgetheilt. Hierher gehört nach Vergleichung des Originals auch das O. cupulatum 16 dentatum, Jur. Laubm. fl. von Oest.- Ung. p. 212, welches Dr. A. Reyer am 28. September 1875 ebenfalls in Tirol im Anstieg zur Kerschbaumer Alpe bei Lienz auf Kalk bei 6000 Fuss sammelte. Die Kapseln desselben sind längst entdeckelt, das Peristom defect, daher sah Juratzka nur 8, Breidler aber 16 Cilien! Diese Art verbindet das O. cupulatum mit dem O. urnigerum; von ersterem ist es schon durch die zweispitzigen Blattpapillen zu unterscheiden. Grimmia (Eugrimmia) Ganderi nov. sp. Momöcisch. In compacten, 1—1'/, em hohen, greisgrauen Räschen. Stengel röthlich, im Querschnitt mit weiten, gelben Parenchymzellen und ziemlich entwickeltem Centralstrange. Blätter schmal lanzettlich- linealisch, lang zugespitzt, kielig, mit einem breiten, wie glatten Haare von Blattlänge, das beiderseits an der Blattspitze herabläuft; Blatt- rand flach und von der Mitte aufwärts in 1—3 Reihen doppelschichtig, hoch oben wohl auch dreischichtis; Blattrippe gelb, unten schwach, aufwärts 0,05—0,075 mm breit, mit Mittelstreif (d. h. concav-convex), im Querschnitt oval, mit 2 basalen Deutern und einer kleinen Begleiter- gruppe, die übrigen Zellen sehr verdickt. — Blattzellen diekwandig und buchtig, oben länglich und oval (0,017 mm), mit rundlichen (0,012 mm) gemischt Blattmitte länglich, mit stark verdiekten Längs- 216 Jahres- Bericht wänden, Blattgrund gelb, verlängert reetangulär, mit schwach buchtigen Wänden, an der Insertion röthlich. 9 Blüthen gipfelständig, einzeln oder zu zwei an demselben Aestehen am Grunde des Fruchtastes, mit viel Laubblättern, die 2 und 3 breit eiförmigen, haarlosen Perigonialblätter mit sehr schwacher, vor der stumpfen Spitze verschwindender Rippe; entleerte Antheridien röth- lich; Paraphysen fehlen. — Perichätialblätter (ohne Haar) 2,4 mm lang und 0,75 mm breit, meist nach innen schmäler und kleiner, das innerste dann mit schwacher Rippe, oft am Grunde querrunzelig. Kapsel eingesenkt, ei-urnenförmig, am Grunde nicht genau sym- metrisch, blassbräunlich, etwa 1 mm lang und 0,7 mm breit; Zellen des Hröthebiums Tänelich, diekwandig. Scheidchen kegelförmig, röthlich, Ochrea Kar (0,5—0,24 mm h.), Stiel noch einmal so lang, gelb, oben links gedreht, und hier zuweilen sekrümmt, so dass die Kapsel seitlich heraustritt. Haube 1,1 mm lang, 3—5lappig, mützenförmig (einmal capuzen- förmig), Deckel fast orange (0,57 mm diam. und 0,4 mm hoch), kurz kegelig, meist mit scharfer, seltener mit stumpflicher Spitze. — Ring durch 2 Zellreihen angedeutet, von der die eine sich in einzelnen Zellen ablöst. (Auf Längsschnitten erblickt man 2 schwächer verdickte Zellen, von denen die eine bei Druck sich mit dem Deckel ablöst, während die andere am Mündungsrande verbleibt und die Basis der Zähne verdeckt.) Peristomzähne trübroth, fast purpurn, dolchförmig, 0,52—0,35 mm h., schmal, papillös, schwach ritzig oder gar nicht durchbrochen, an der Spitze hier und da 2 mit einander kreuzförmig verbunden; Querleisten innen nicht vorspringend. Sporen 0,007—0,085 mm, sattgelb, glatt. Reife im März. Wurde in Tirol bei Innervillgraten an glatten Schieferwänden am Wege nach „Kalchstein‘“ bei 4000 Fuss vom Pfarrer Hierony- mus Gander am 15. März 1884 gesammelt und als Grimmia triformis De Not. bestimmt, womit sie in der That am nächsten verwandt ist. — Grimmia triformis De Not. ist sicher kein Schistidium, denn es löst sich z. B. die Columella nicht mit dem Deckel ab; charakteristisch sind für diese Art die stark durchbrochenen, breiten und stumpfen Peristom- zähne. Das Subg. Schistidium Sch. ist in seiner Zusammensetzung unklar. | Grimmia (Eugrimmia?) teretinervis nov. sp. Diöcisch, nur steril 2 bekannt. Vielleicht neben Gr. commutata oder Gr. ovala einzureihen! Polster schwächlich, seltener dunkelgrün, bis zu 4 cm Durchmesser, leicht zerfallend, gleicht sie im Wuchs etwa der Grimmia commutata. Stengel 1—2, selten bis 3 cm lang, dünn, einfach, im Querschnitt mit weiten, dünnwandigen Parenchymzellen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 217 kleinen, verdiekten Mantelzellen und einem wenig entwickelten Central- strange. Blätter derb, die unteren aufrecht-abstehend, die oberen an- gedrückt, angefeuchtet etwas sich zurückkrümmend, dann auch aufrecht abstehend, aus herablaufend ovalem Grunde lanzettlich-lineal, hohl (1,2 bis 1,55 mm lang und 0,4 bis 0,45 mm breit), mit einem dünnen, kurzen, gezähnten Haare von etwa 0,45 mm Länge, untere Blätter haar- los oder mit sehr kurzer Haarspitze. Blattrand flach, nur am Grunde schwach zurückgeschlagen; Lamina unten einschichtig, in der Mitte spo- radisch zweischichtig, oben mit vielzellreihigem, doppelschichtigem Rande, daher die einschichtigen Partieen nächst der Rippe als 2 helle Längs- streifen durchleuchten. Blattrippe kräftig, bräunlich; beiderseits convex, mit 4—6 Bauchzellen, Innenzellen gleichartig, klein. Blatt- zellen gleichartig, ziemlich derb, doch nicht buchtig, bis gegen die Basis sehr klein, rundlich quadratisch, 0,007—0,009 mm, nur am Grunde nächst der Rippe einige Reihen kurz-rectangulär. © Blüthen gipfel- ständig, mit 5 und 6 verödeten Archegonien (0,54 mm lang) und wenigen wasserhellen Paraphysen. — In den Achseln der Gipfelblätter finden sich (ähnlich wie bei Zygodon viridissimus und dessen Formen) gestielte zwei- und mehrzellige, runde oder ovale Brutkörper von goldgelber Farbe. — £ Blüthen und Früchte unbekannt. Steril an trockenen, sonnigen Kalkfelsen im „Kalchstein“ bei Innervillgraten in Tirol vom Pfarrer Hieronymus Gander am 27. Juli 1882 gesammelt. — J. Breidler sammelte diese Art, welche von Juratzka als Gr. conferta bestimmt wurde, bereits am 25. Juli 1874 auf Kalkfelsen am Gaistrumer Ofen bei Oberwölz (1000 m) in Ober - Steiermark; ferner an Kalkfelsen in Steiermark, am Hum- berg bei Tüffer (ca. 550 m) am 30. Mai 1879; am Jauerberg bei Weitenstein (6—700 m) am 25. Mai 1879 und bei Nikolaiberg bei Cilli (8&—400 m) am 27. Mai 1879. Diese, wie es scheint, echte Kalkpflanze erinnert nur im Zellnetz an Gr. conferta; unter den europäischen Grimmien besitzt nur noch Gr. marilima eine biconvexe Blattrippe, aber mit grossen, medianen Deutern. Bryum (Eubryum) pyenodermum nov. sp. Zwitterblüthen und rein Z Blüthen gemischt. Heerdenweise; Färbung schmutzig gelbgrün, junge Sprossen wein- röthlich. Steugel bis 1', cm hoch, gabelig getheilt, dicht braun wurzelfilzig, 1 oder 2 dünne Innovationen von 1 cm Länge. — Blätter lanzettlich, lang zugespitzt und an der Spitze schwach gezähnt; Blatt- rand flach, nur am Grunde schwach- zurückgebogen, rings durch 3 und 4 enge, diekwandige, 2- und 3schichtige Zellreihen schmutzig bräunlich gesäumt, nur am Blattgrunde ist der Saum einschichtig; Blattrippe 218 Jahres-Bericht kräftig, schwärzlich-rothbraun, in den Schopfblättern mehr oder minder lang austretend, im Querschnitt stielrund, mit 2—4 Bauch- und 7—12 Rückenzellen. Blätter der Sprossen gesäumt, Blattspitze gezähnt, Rippe bis zur Spitze oder kurz austretend.. Zellen im unteren Theile des Blattes parenehymatisch, oben rhombisch - hexagonal, 0,05 mm lang und 0,016 mm breit. Die rein 3 Blüthenknospen dick, die inneren Perigonialblätter breit eiförmig, plötzlich kurz zugespitzt, mit vor der Spitze verschwin- dender Rippe, nicht gesäumt, zahlreiche rothe Antheridien und schmutzig gelbe Paraphysen. — Perichätialblätter lanzettlich, innerstes un- sesäumt, doch mit austretender Rippe. Kapselstiel 4 em hoch, braunroth, dünn, oben verbogen. Vagi- nula schwärzlich, kurz, eiförmig. Kapsel gross (fast 4 mm lang und 1,3 mm breit), keulenförmis, Hals ”/, der Urne, letztere unter der Mündung nicht eingeschnürt, sehr derbhäutig, zur Reife schwärzlich, Deckel flach-gewölbt, gleichfarbig, mit purpurner Warze, 0,93—0,95 mm diam., glänzend, lange bleibend. Ring breit, spiralig von der Urne. Aeusseres Peristom röthlich-gelb, 0,43—0,45 mm hoch, breit, über der Mitte rasch verschmälert, papillös, Querleisten eng. Inneres Pe- ristom gelb, basiläre Membran von ', Zahnhöhe, kielfaltig, Fortsätze seschlitzt, Wimpern mit langen Anhängseln, beide papillös. Sporen 0,026—0,033 mm, rostfarben, bei durchfallendem Lichte gelbgrün, warzig. Sporenreife: September und October. Vom Pfarrer Christian Kaurin (Opdal) im Sande der Driva nahe bei Stordal in Norwegen (Dovre) am 11. September 1883 gesammelt und mir als Bryum bimum 2 mitgetheilt. — Vergesellschaftet damit wachsen: Bryum calophyllum, Br. Brownit, Br. uliginosum var. rivale, dicht dabei Bryum Blindii und Angstroemia longipes in grosser Menge. — Cha- rakteristisch sind ausser dem monöcischen Blüthenstande die lanzettlichen Blätter mit breitem, doppelschichtigem Saume und kräftiger, auslaufender Rippe; die grosse, derbhäutige Kapsel mit flachem Deckel und die grossen, rostfarbenen, warzigen Sporen, Bryum (Cladodium) campylocarpum nov. sp. Monöcisch; 3 und 2 Blüthen knospenförmig am Achsenscheitel. Lockerrasig, unten schmutzig grün und röthlich, Sprossen gelbgrün. Stengel 11,—2 cm hoch, locker beblättert, bis zum Schopfe dicht rothfilzig, mit 4—5 dünnen, locker beblätterten Innovationen. Untere Stengelblätter aus verengter und herablaufender Basis eiförmig, zu- gespitzt; Schopfblätter elliptisch, lang zugespitzt; die grössten Blätter 2‘), mm lang und 1‘, mm breit; Blattrand entweder durchaus flach oder gegen den Blattsrund schmal umgebogen, herablaufend; Blatt- saum schmal, aus 2 und 3 verdiekten Zellreihen gebildet, die Randzelle der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 919 oder alle 3 Zellen doppelschichtig. Blattrippe weit herablaufend, stielrund, unten 0,1 mm breit, mit 3 und 4 Bauch- und 8 und 9 Rücken- zellen, gelbgrün bis bräunlich, in oder vor der gezähnten Spitze ver- schwindend, niemals austretend. Blattzellen rhombisch - hexagonal, 0,066 mm lang und länger und 0,016-—-0,02 mm breit. — Blätter der Sprossen lanzettlich, zugespitzt, schmal gesäumt, flachrandig. Gewöhn- lich 2 & und 1 2 Blüthe am Achsenscheitel geselligs. Die knospen- förmig, vierblätterig; das innerste Perigonialblatt ungesäumt mit vor der sezähnten Spitze verschwindender Rippe, mit Paraphysen. Die 2 Blüthe mit 4 lang zugespitzten Perichätialblättern, die gezähnte Spitze um die Längsachse gedreht und zurückgekrümmt; Rippe kräftig, vor der Spitze endend. Kapselstiel 2—3 cm hoch, purpurn, oben bleicher, dünn uud verbogen: Scheidchen schmal, länglich, schwärzlich. Kapsel nieder- sebogen bis hängend, 2—3 mm lang, eilänglich, unsymmetrisch, mit hohem Rücken und gekrümmtem Halse von !/, bis kaum '/, Urnenlänge, gselbgrün, matt, dünnhäutig; Zellwände des Exotheciums verbogen. Deckel flach-gewölbt, gelbglänzend, purpurn gewarzt, 0,7 mm im Durch- messer. Ring breit, stückweise vom Deckel sich lösend. — Zähne des äusseren Peristoms 0,3 mm hoch, allmählich verschmälert, gelb, oben hyalin, sehr schwach papillös, mit 22—24 Querbalken. Inneres Pe- ristom schwach anhängend (lässt sich leicht frei präpariren), gelb, mit niedriger (0,08—0,1 mm hoch), kielfaltiger, basilärer Membran; die schmalen Fortsätze eng geschlitzt, die Wimpern unvollständig. Sporen im Mittel 0,03 mm, grüngelb, papillös. Sporenreife: August. Vom Pfarrer Christian Kaurin am 24. August 1883 bei Bläse- bäkken nahe Kongsvold im Dovrefjeld (Norwegen) gesammelt. Diese Art verbindet das Bryum Brownii mit dem Bryum uliginosum. — Br. Browmi Bryol. eur. ist in allen Theilen kräftiger und besitzt eine hängende, regelmässige Kapsel und häufig rankenförmige Sprossen. Der zweizellreihige Blattsaum ist ebenfalls doppelschichtig, die Blattzellen fast durchweg parenchymatisch. Die Zähne des äusseren Peristoms sind länger, 0,5—0,6 mm, oben glatt; die rothgelbe, kielfaltige, basiläre Membran ist 0,26 mm hoch, die sehr schmalen, glatten Fortsätze ritzen- förmig durchbrochen; die Wimpern vollständig, ohne Knoten. Sporen messen 0,035—0,038 mm und sind dunkel olivengrün. Die vier Peri- sonialblätter verengen sich plötzlich zu einer kurzen Spitze. - Bryum (Cladodium 2) stenocarpum nov. sp. Bryum Brownü forma minor? Kaurin in litt. Monöcisch. Grösse und Habitus von Br. Sauteri In schmutzig braungrünen Räschen. Stengel bis 5 mm lang, braunfilzig, Blätter der Sprossen eiförmig bis eilanzettlich, um die Spitze gezähnt, nicht oder undeutlich gesäumt, flachrandig oder bis gegen die Spitze schwach 220 Jahres-Bericht umgebogen; Rippe als Endstachel austretend, bei den untersten vor der Spitze verschwindend. — Die unteren Stengelbätter klein, eiförmig, ungesäumt, flachrandig, Rippe vor der Spitze verschwindend. Schopf- blätter eilanzettlich, die grössten 1,5—1,3 mm lang und 0,75—0,8 mm breit, hohl, gekielt, nicht oder durch 1 und 2 engere Zellreihen undeut- lich gesäumt, bis gegen die Spitze schmal umgebogen, Rippe kräftig, im Alter schwärzlich, als gezähnter Endstachel oder lang austretend. Blattzellen dickwandig, weit, oben rhombisch-hexagonal (0,05 bis 0,066 mm lang und 0,02 bis 0,025 mm breit); Blattrippe mit 2 und 3 Bauchzellen, 3 und 4 Deutern und 7—9 Rückenzellen. g' Blüthen auf eigenen Innovationen oder 1 und 2 dicke 3 Blüthen- stände an der Basis des Perichätiums; die (3 und 4) Perigonial- blätter breit verkehrt-eiförmig, plötzlich zugespitzt, mit schwacher, unter der aufgesetzten Spitze verschwindender Rippe, innerstes rippen- los; zahlreiche röthliche Antheridien und gelbe, längere Paraphysen. Die innersten Perichätialblätter sehr klein, dreieckig, flach- randig, Rippe vor der Spitze verschwindend. Scheidehen eiförmig. Kapselstiel 1, cm hoch, dünn, oben hakenförmig., Kapsel über- hängend (inclinat) oder hängend, regelmässig, schmal keulig-birnförmig, klein (mit Hals 1,8 mm, Hals die Hälfte des Sporangiums), kleinmündis, entdeckelt unter der Mündung nicht eingeschnürt. Zellen des Exotheciums dickwandig, um die Mündung mehrere (5—8) Reihen quer-rectangulär und quadratisch-hexagonal. Deckel convex-kegelig mit Spitzchen (0,6 mm diam.), lange bleibend. Ring von der Urne und vom Deckel stückweise. Zähne des äusseren Peristoms trocken eingekrümmt und die Fort- sätze des inneren dazwischen durchtretend, 0,58—0,43 mm hoch, schmal, sattgelb, oben papillös; Querbalken hoch, daher im Bilde wie verfliessend. Inneres Peristom anhängend (doch lässt es sich, ohne zu verletzen, frei präpariren), ;basiläre Membran intensiv gelb, schwach kielfaltig, 0,2 mm hoch, die schmalen Fortsätze frei und geschlitzt, die (2 und 3) Wimpern fragil, den Zähnen anliegend, davon 1 oder 2 völlig ausgebildet, mit kurzen Anhängen. Sporen in Masse rostfarben, 0,053—0,055 mm, warzig. Reife im September. Norwegen: Dovre: Foldalen bei Ryhaugen im September 1883 von Chr. Kaurin gesammelt und mir als Nr. 49 Bryum Brownü forma minor ? mitgetheilt. Gleicht dem viel grösseren Bryum Browniü in seinen mikroskopischen Merkmalen, stellt sich jedoch durch die Bildung des inneren Peristoms als ein Mittelglied zwischen Cladodium und Eubryum. — Bryum Brown hat verlängert lanzettliche Blätter mit deutlich verdicktem (oft doppel- schichtigem), gelbem Saume, glatte Peristomzähne, noch schmälere Fort- " sätze, glatte Wimpern, eine höhere, orangefarbene, in den Kielfalten rissige Basilarmembran und olivengrüne Sporen, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39] Andreaea commutata nov. sp. Syn. Andreaea falcata Rabenh., Bryoth. eur. Nr. 1301a et b; sed non A. falcata Schimp., Bryol. eur. tab. 634. Monöcisch. Im Habitus der A. crassinervia nahestehend. Rasen schwarz, matt bis schwach glänzend. Stengel 1',—2'/, cm lang, meist ziemlich locker beblättert. Blätter stark sichelförmig - einseitswendig, lang (1,5—1,38 mm), aus kurz-eiförmiger und einschichtiger Basis (0,3 bis 0,36 mm breit), allmählich zu einer Pfriemenspitze verschmälert, deren unterer Theil von einer mehrzellreihigen und doppelschichtigen Lamina, der obere von der Rippe allein gebildet wird. Rippe sehr kräftig, unten verflacht, 2- und 3schichtig, etwa '/, der Blattspreite einnehmend, aufwärts bis 7schichtis und am Rücken stark convex, im Endstachel: biconvex, 4- und 5schichtis, Blattzellen auch im unteren Blattheile klein (0,007 und 0,006 mm), rundlich-quadratischh & Blüthen klein, zuletzt pseudolateral, zu vielen hintereinander an schlaifen, lax be- blätterten Aesten; innere Perigonialblätter rippenlos,am Rande erenulirt und am Rücken stark papillös; Antheridienschlauch gross, 0,55—0,45 mm lang, Stiel kurz (0,035 mm); Paraphysen von derselben Länge, gelb, fadenförmig (nicht bandförmig), bisweilen ver- zweigt. Innere Perichätialblätter zusammengewickelt, grösser, verkehrt eilänglich, oben abgerundet, mit aufgesetzter, winziger oder zungen- förmiger Spitze, einschichtig, rippenlos, nur am Grunde eine verflachte zweischichtige Rippe angedeutet, mit erenulirten Rändern und am Rücken mit grossen Papillen. Kapsel gross, die geschlossene 1,05 mm lang und 0,5 mm breit; Hals (0,5 mm lang) dick. Sporen gross (0,052—35, auch bis 0,04 mm), in Masse ockerfarben, bei durch- fallendem Lichte grünlich-braun, sehr fein gekörnelt. Reife im April. An Felsen des Ockerthales im Harz im April 1876 vom Pastor W. Bertram gesammelt und in Rab. Bryoth. eur. Nr. 1301b aus- segeben. (Die Exemplare, welche derselbe im Schlesischen botanischen Tauschverein von demselben Standorte vertheilte, sind stark mit Andr. petrophila gemengt und gehören zu A. Rothü var.) Bei Willerzie in Belgien an Quarzfelsen leg. F. Gravet (Rabenh. Bryoth. Nr. 1301a). England: Rocks, Loch Kandor, Braemar leg. G. E. Hunt Juli 1871; Borrowdale, Cumberland, leg. G. E. Hunt, Mai 1871, und Rocks near Buttermere leg. G. E. Hunt und von letzterem Standorte als A. rupestris versendet. Mit Andreaea falcata Sch. stimmen nach Text und tab. 634 der Bryol. eur. die Exemplare von der Bernina leg. Schimper und aus dem Harze (Herbar Hampe) überein; ihre 1-—1,2 mm langen Blätter ver- engen sich über der umgekehrt-eirunden (0,24—0,27 mm breiten) Basis 9933 Jahres - Bericht Be plötzlich in eine lanzettliche Pfriemenspitze mit schmaler, einschichtiger Lamina bis zur Spitze, mit oder vor der die röthlich durchscheinende Rippe erlischt. Bei den inneren Perichätialblättern wird die Spitze fast ganz von der Rippe eingenommen. Die Perigonial- und Perichätial- blätter sind am Rande nicht crenulirt und zeigen keine Papillen; auch sind die Antheridienschläuche kürzer (0,23 mm), die Paraphysen jedoch länger und nach oben meist bandförmig. — Den oben erwähnten Stand- ort „Loch Kandor“ eitirt Sch..Syn. ev. 2 p. 821 zu seiner A jalcata,; allein mein Exemplar trägt den handschriftlichen Zusatz von G. E. Hunt: „intermediate between falcata and cerassinervia!“ Bei A, falcata Sch. ist die Rippe am Grunde 2schichtig, aufwärts 4schichtig, plan-convex, am Rücken wenig vortretend, oben 3- und 2schichtig. Die nach Sch. und C. Müller an der Pfriemenspitze auf- tretenden Papillen sind schwach mamillenartig vortretende Zellwände, ganz ähnlich wie bei A. crassinervia und A. frigida. Andreaea frigida Hueben. Hep. germ. p. 305 (1834). Var. sudetica. (A. rupestris # grimsulana Bryol. eur. tab. 632 Fig. $ 1—7.) Monöcisch! Eine sehr stattliche Form in tiefschwarzen, glänzen- den Rasen. Stengel bis 3 cm lang und 0,24—0,28 mm dick, im Quer- schnitte alle Zellen gleichgross, mit goldgelben, dicken Wänden. — Blätter locker anliegend, feucht aufrecht - abstehend, nicht einseits- wendig oder sichelförmig, 1,5—1,3 mm lang und unten 0,4—0,5 mm breit, vom Grunde bis zur stumpfen Spitze gleichmässig verschmälert, Lamina nur am Grunde einschichtig, in den oberen ?°, des Blattes doppelschichtig; Blattrippe röthlich, kräftig, am Grunde sehr breit (vierschichtig), aufwärts allmählich schmäler, aber dieker (5—7 Lagen) und biconvex, kurz vor der Spitze aufgelöst. Blattzellen gelb- wandig, 0,009 und 0,01 mm, rundlich-quadratisch, am Rücken schwach mamillenartig, am Grunde nur wenige Randreihen querrundlich. — Die g Blüthenstände bilden eigene Sprosssysteme, Blüthenknospen gross, vielblätterig, die inneren Perigonialblätter breit verkehrt-eiförmig, mit kurzem und stumpfem Spitzchen, rippenlos, am Rande erenulirt; Anthe- ridien zahlreich, die grünen, gekrümmten Schläuche bis 0,45 mm lang, Paraphysen sehr lang, fadenförmig, zahlreich, die oberen Zellen auch reetangulär. — Die beiden inneren Perichätialbätter zarter, lanzett- lich, spitz, ohne Rippe, das innerste oft schmal lanzettlich und gegen die Spitze am Rande erenulirt. Die geschlossene Kapsel bis 1,5 mm lang und 0,6 mm breit, Hals 0,3 mm; Sporen trübbraun, nieht durch- scheinend, 0,032—0,035 mm, wie rissig-gekörnelt; Reife nach dem Schmelzen des Schnees. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 3933 In der subalpinen Region des Riesengebirges (Südseite) an periodisch überflutheten Glimmerschieferblöcken im Wasser des Löwengrabens von seinem Ursprunge an der Schneekoppe bis hinab zur Wassabaude (1000 m). Hier wurde sie am 11. Juli 1852 von Kern entdeckt und von mir im 60. Jahresbericht als A. crassinervia bezeichnet. A. cerassinervia vera liest im Herbar der Schlesischen Gesell- schaft, von Sendtner am kleinen Teiche im Riesengebirge gesammelt, unter dem Namen A. rupestris. A. frigida Hueb. findet in den deutschen Alpen die weiteste Ver- breitung in verschiedenen Formen, in denen jedoch die Hübener’sche Art leicht zu erkennen ist. — Die Bryol. eur. beschreibt eine Form davon als A. rupestris ß grimsulana. — Die Pflanze wächst jedoch an der Grimsel vergesellschaftet mit A. crassinervia, und daher zeigen von Sch. hier gesammelte und als letztere Art ausgegebene Exemplare sich stark durehmischt mit A. frigida. — [Die in Breutel, Musei frond. exs. Nr. 84 von Schimper ausgegebenen Exemplare von A. crassinervia sind rein.] Daher erklärt es sich, dass P. G. Lorentz, Juratzka u. A. die A. frigida für die A. crassinervia hielten, ja auch der Passus in Schim- per’s Synops. ed. 2 p. 820 zu A. crassinervia: „pulcherrime pluribus locis in alpibus styriaeis (Breidler)‘“ — bezieht sich auf A. frigida. Was ich durch Chr. Kaurin von Bryaceen aus dem Dovre- fjed gesehen habe, enthält eine ungeahnte Mannisfaltigkeit an Formen, die sich in den mitteldeutschen Gebirgen und in den deutschen Alpen nicht wiederholt. Zwischen die bekannten Arten drängen sich neue Gestalten, die sich mit Sicherheit weder hier noch da einreihen lassen. Es fehlt mir der Muth, auf kleine Proben hin, die mir als Briefeinlagen zugingen, neue Species zu gründen, und doch ist einiges Material so interessant, dass ich es nicht unterlassen kann, nachstehende Formen zu fixiren, von denen vielleicht der einen oder anderen Artrecht inne- wohnt. Bryum (Cladodium) lacustre Bland. var. norvegicum. Unterscheidet sich von der typischen Form der norddeutschen Ebene durch zahlreiche, schlanke, sterile Sprossen, etwas längere, doch minder weite Blattzellen. Die purpurnen Kapselstiele sind gleich lang, alle mit Kapseln in gleichem Reifezustande; Scheidehen schlank. Kapsel hängend, grösser, 2 mm lang, nicht gekrümmt, meist länglich, entdeekelt unter der Mündung nicht verengt. Die Peristomzähne sind breiter und ver- schmälern sich über der Mitte rasch; die basiläre Membran des inneren Peristoms ist sehr niedrig (0,07 mm) und orange gefärbt. Die grün- gelben Sporen sind grösser (0,03-— 0,033 mm) und warzig. 224 Jahres - Bericht Norwegen: Dovre: Kongsvold im Juni 1833 vom Pfarrer Chr. Kaurin mit reifen Früchten gesammelt. — Beim normalen Br. lacustre messen die Sporen nur 0,016—0,023 mm! Bryum (Cladodium) uliginosum Br. eur. var. rivale. Kapsel 1',—2', em hoch, gestielt, bei der Reife wie pruinos- röthlich angehaucht, mit blutrothem, faltigem Halse. Blattsaum ein- schichtigs, schmal (2 und 3 Zellreihen); Blattzellen kürzer und weiter. Zähne des äusseren Peristoms über die Mitte rasch verschmälert, oben papillos. Basiläre Membran des inneren sattgelb, bis 0,3 mm hoch, mit geschlitzten Fortsätzen und Wimpern von '/, Länge. Sporen reingelb und durchscheinend, warzig. Norwegen: Bei Opdal im Sande des Flusses Driva nahe Stordal am 11. September 1883 vom Pfarrer Chr. Kaurin mit reifen Kapseln gesammelt. Bryum (Eubryum) pallens Sw. var. oenodes. Aehnelt habituell dem Br. oeneum Bilytt. und besitzt wie dieses Wurzelfilz in den Blattwinkeln. Blattrand bis zur Spitze stark zurück- gerollt, durch 2 und 3 diekwandige, sporadisch zweischichtige Zellreihen gelb gesäumt. Deckel schön orangeroth. Zähne des äusseren Peristoms mit groben Papillen, auch die Fortsätze und Wimpern papillös. Sporen in derselben Kapsel von 0,013—0,026 mm. Norwegen: Dovre: Kongsvold am 24. August 18383 vom Pfarrer Chr. Kaurin mit reifen Kapseln gesammelt. Bryum (Eubryum) pallescens Schleich. var. flexisetum. Synöcisch. Vereinzelt zwischen Bryum opdalense. Blätter lang zu- sespitzt, Rippe lang austretend und gezähnt; Blattzellen oben länger und weiter (0,044—0,055 mm lang und 0,017 mm breit), rhombisch-hexa- gonal. Kapselstiel vielfach verbogen (ähnlich wie bei Webera polymorpha var. curvisela), Kapsel hängend, der verengte Hals halb so lang als das eiförmige Sporangium; Deckel hochgewölbt mit langer Spitze. Norwegen: Im Thale Skaret bei Opdal eingemischt zwischen Bryum opdalense. Chr. Kaurin am 7. August 1882. Die Verkrümmung (des Kapselstiels ist wahrscheinlich nur Folge localer Einflüsse. Nachtrag. Schliesslich sei noch eine Pleuroweissia Schliephackei nov. gen. et nov. sp. [eine pleurocarpe Gyroweissia] erwähnt, worüber Dr. Schliep- hacke nächstens Weiteres veröffentlichen wird. Die Exemplare sammelte Dr. Gräf im vorigen Jahre an nassen Felsen am Roseggletscher im Engadin. Auf eine Probe davon, die mir der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3235 als Gymnostomum obtusifolium nov. sp. Schlieph. in litt. zuging, gründete ich das nov. gen. Pleuroweissia, und im Einverständniss mit Herrn Dr. Schliephacke änderte ich auch den Speciesnamen. In der fünften Sitzung vom 15. März hält Herr Geheimrath Professor Dr. Göppert einen Vortrag über die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart, unter Vorlage des soeben erschienenen, mit Unterstützung des west- preussischen Provinzial-Landtages von der naturforschenden Gesellschaft in Danzig herausgegebenen und mit 16 lithographischen Tafeln gezierten ersten Bandes seiner Monographie der Bernsteinflora, welcher die Be- arbeitung der Bernstein - Coniferen, auf Grundlage der gegenwärtig im Danziger Provinzialmuseum aufbewahrten Sammlungen des Professor Menge, enthält. Der Secretair spricht hierauf im Namen der Section dem ver- ehrten Vortragenden die Glückwünsche aus zu der Auszeichnung, die ihm vor Kurzem von Seiten der ersten geologischen Gesellschaft der Welt, der Geological Society in London, in Anerkennung seiner fast ein halbes Jahrhundert umfassenden Verdienste um die Phytopaläontologie durch Ueber- reichung der goldenen Murchison-Medaille zu Theil geworden; er knüpft daran die Bitte, dass der Präses der Gesellschaft die Seetion noch oft durch seine anregenden und inhaltsreichen Vorträge erfreuen möge. Die anwesenden Mitglieder drücken durch Erhebung von den Sitzen ihre Zustimmung aus. Herr Apotheker Werner demonstrirt ein von ihm gezüchtetes blühendes Exemplar des japanischen Arisaemum ringens, Herr Garten- Inspector Stein blühende Pflanzen aus dem botanischen Garten und eine neue schlesische, nach dem Bearbeiter der Flora Cervimontana, Dr. Moritz Elsner, benannte Gebirgsflechte, Pterocarpa Elsneri. Der Secretair legt vor einige von Herrn Consul Eduard Haber aus dem tropischen Centralamerika mitgebrachte Gegenstände, insbe- sondere einen Baumast mit rosettenähnlichem Auswuchs von Salvador und ein Paar einfache, sowie eine Querpfeife (Syrinx) von den Indianern des Distriets La Paz in Bolivien, aus Bambus zugeschnitten; bei einem Paar eben daher stammender Guitarren sind die Panzer von Gürtelthieren als Resonnanzböden verwendet, in ähnlicher Weise, wie bei der dem Hermes zugeschriebenen Erfindung der antiken Lyra die Schildkrötenschale.. Schliesslich hält Herr R. v. Vechtritz einen Vortrag über die neuen Funde im Gebiete der schlesischen Phanerogamenflora aus den Jahren 1881/82 und lest die bezüglichen Exemplare vor; der Vortrag ist in dem Be- richt der botanischen Seetion für 1882 Seite 243 aufgenommen worden. 1883. 15 2326 Jahres - Bericht In der sechsten Sitzung vom 31. Mai hält Professor Dr. Ferd. Cohn einen Vortrag über Schimmelpilze als Gährungserreger. Wir sind gewöhnt, alle Gährungen als Arbeitsleistungen zweier Pilz- klassen zu betrachten, der Schizomyceten und Saccharomyceten, der Spalt- und Sprosspilze, der Bacterien und der Hefepilze. Aber Gährungen sind nur chemische Veränderungen, Spaltungen und Umlagerungen in orga- nischen Nährstoffen, welche mit der saprophytischen oder parasitischen Ernährung der Pilze im Allgemeinen zusammenhängen und daher offen- bar auch von Pilzen aus anderen Klassen veranlasst werden können. Aller- | dings muss die ausserordentliche Kleinheit der Zellen jener niedersten ein- zelligen Pilze in Verbindung mit ihrer ebenso ausserordentlichen Ver- mehrung und ihrer gleichmässigen Vertheilung in der Nährsubstanz die Gährungsleistungen derselben in ausserordentlichem Masse fördern; letztere ist selbst wieder die Folge eigener spontaner Bewegungen (Bacterien) oder einer in der Nährflüssigkeit von den Gährungszellen . erregten Bewegung (Hefepilze). Indessen fehlt es nicht an Thatsachen, welche beweisen, dass auch andere Pilze, insbesondere die byssomorphen spinnwebenartigen Mycelien, die wir gewöhnlich als Schimmel bezeichnen, ebenfalls Gährungen erregen können. Die erste hierher gehörige That- sache wurde, so viel ich glaube, durch van Tieghem festgestellt, welcher nachwies, dass eine Gerbsäurelösung, in welcher sich untergetauchtes Mycel des Aspergillus niger entwickelt, durch diesen Pilz in Glycose und Gallussäure zerlegt wird, während das an der Oberfläche der Tannin- lösung schwimmende Mycel die letztere zu Kohlensäure verbrennt. Eine oxydirende Einwirkung scheinen auch die byssomorphen Mycelien vieler Basidiomyceten auf Holz zu äussern, das sie in eine braune, leicht zerbröckelnde, braunkohlenartige Masse umwandeln, und zwar ebensowohl die parasitischen Baumpilze, welche R. Hartig als Erreger der gefähr- lichsten Waldbaumkrankheiten, insbesondere der Rothfäule, nachwies, als die saprophytischen Verderber des Bauholzes, in erster Reihe der Hausschwamm. Inwieweit im Allgemeinen die pathogenen Wirkungen vieler parasitischer Mycelien, welche lebende Pflanzen durchwuchern und Erkrankung, Bräunung, selbst Tod ihrer Gewebe herbeiführen, sich als Fermentthätigkeiten auffassen lassen, will ich hier nicht erörtern und nur darauf hinweisen, dass, wie die letzten Monate herausgestellt, viele Schimmelpilze sich auch in den Organen warmblütiger Thiere ent- wickeln und in diesen schwere, meist tödtliche Erkrankungen hervor- rufen können, während man früher nur in kaltblütigen Thieren pathogene Schimmelentwickelung gekannt hatte (Saprolegnien der Fische und Krebse; Isarien, Empusen, Chytridieen u. s. w. der Inseeten und Würmer). Es hat sich durch die Forschungen von Koch, Eidam und Lichtheim der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 21 herausgestellt, dass namentlich in den Gattungen Mucor und Aspersgillus es eine Anzahl Arten giebt, die das Optimum ihrer Entwiekelung in der hohen Temperatur der Blutwärme finden, und in dieser Temperatur alle gleichzeitig etwa vorhandenen Pilze zu unterdrücken vermögen, während sie bei niederer Temperatur von den letzteren verdrängt werden; solehe wärmeliebende Arten, vermuthlich aus tropischer Heimath, sind es, die, wenn ihre Sporen in die Blutbahn gelangen und durch diese in gewissen Organen, insbesondere den Nieren, abgeschieden sind, in letzteren aus- keimen und deren Gewebe mit ihrem Mycel durchwuchern und zer- stören; zur Fructification gelangen sie aber nur, wenn die betreffenden Organe an die Luft gebracht werden. Dass die in einer Zuckerlösung untergetauchten Mycelien von Mucor racemosus sich abnorm in perl- schnurartigen Gonidienketten entwickeln und in dieser Gestaltung Aleoholgährung erregen, ist schon vor Jahren von Bail nachgewiesen und seitdem durch zahlreiche Forscher bestätigt worden. Dagegen ist von keiner anderen Schimmelart, insbesondere nicht von Penicillium, eine Aleoholgährung erregende Kraft bekannt. Einen bisher von den Botanikern wenig beachteten Fall von Gährungsthätigkeit bietet eine Aspergillusart, *welche bisher nur aus Ostasien bekannt und zuerst von Ahlburg als Aspergillus (Eurotium) Oryzae bezeichnet worden ist. Während in Europa bei den verschiedenen, auf Gährung beruhenden Industrien einzig und allein Hefe- und Spaltpilze gezüchtet und zur Arbeit verwendet werden, haben seit Jahrhunderten die Völker Ostasiens zu ähnlichen Zwecken sich auch Schimmelpilze dienstbar gemacht. Ich erhielt im Winter 1883 durch den damals in Breslau sich aufhaltenden Stud. der Landwirthschaft, Herrn Shinkizi Nagai aus Tokio einige Körner Tane Kosi, die sogenannte Mutterhefe des japanischen Reisweins (Sak€), und veranlasste diesen ebenso intelligenten als strebsamen jungen Mann, unter meiner Leitung das Tane Kosi zur Be- reitung des Sak& nach der ihm von Japan bekannten Methode zu ver- wenden, was auch nach einigen verunglückten Versuchen mit bestem Erfolge gelang; die japanischen Methoden sind, obschon seit Jahrhunderten in Gebrauch, so rationell, dass sie durch das wissenschaftliche Ver- ständniss der Vorgänge kaum verbessert werden können. Tane Kosi sind Reiskörner, welche mit dem Mycel und den Fruchtträgern des durch grünlich- selbe Conidienketten ausgezeichneten Reis-Schimmelpilzes, Asper- gillus Oryzae, überzogen sind; die Conidien des Pilzes erwiesen sich als vollkommen keimfähig und lieferten das Material zur Züchtung desselben in grossem Massstabe; die Fermentation des Reis wird durch das Mycel des Aspergillus Oryzae eingeleitet, bevor dasselbe fructifieirt. Der Reis wird zuerst gedämpft, wodurch däs Stärkemehl verkleistert und von Fermenten leichter angreifbar wird; gleichzeitig wird der Reis sterilisirt, da alle fremden Pilzkeime durch den strömenden Wasserdampf getödtet 15* 2328 Jahres - Bericht werden, welcher nach den Untersuchungen des Kaiserlichen Gesundheits- amtes sich als das wirksamste Desinfectionsmittel erwiesen hat. Der gedämpfte Reis wird mit den verschimmelten Körnern des Tane Kosi vermengt; die gelben Conidien des Aspergillus Oryzae keimen und über- ziehen die Reiskörner mit einem weissen, sammetartigen Mycel, welches bald die ganze Reismasse durchwuchert und zu grösseren Klumpen zu- sammenspinnt. Diese Masse, jetzt Kosi genannt, nimmt dabei einen angenehmen Geruch (an Apfel und Ananas erinnernd) an. Ueberlässt man das Mycel sich selbst, so beginnt dasselbe etwa vom 4. Tage ab zu fructifieiren, wobei der weisse sammetähnliche Schimmel eine chrom- gelbe Farbe annimmt, die bei der Ausstreuung der Conidienkettenbüschel mehr gelbbräunlich wird. Bei der Sak&gährung lässt man es jedoch nicht zur Fructifiecation kommen, sondern vermischt die vom sterilen Mycel durchwucherte Reismasse mit frischem gedämpften Reis, der in 2—3 Tagen wiederum von Mycel übersponnen ist; dieser Masse wird nun noch mehrere Male in grösseren Mengen gedämpfter Reis zugefügt, und das Ganze dann unter stetem Umrühren im Holz- bottich mit Wasser zu steifem Brei zerrührt und bei einer Temperatur von 20 Grad der beginnenden Alcoholgährung überlassem Sobald diese nach 8 bis 9 Tagen eintritt, steigt der Reisbrei, Moto genannt, in die Höhe, indem sich stürmisch Kohlensäureblasen entwickeln; der Reisbrei wird von Tag zu Tag süsser und dünnflüssiger, nach einigen (2—3) Wochen ist die Gährung vollendet; der unvergährbare Rückstand des Reisbrei trennt sich von selbst von einer schön goldgelben, wie Sherry riechenden und schmeckenden, vollkommen klaren Flüssigkeit, dem Reiswein oder Sak&; durch Auspressen des Reisbrei im Leinentuche wird die Scheidung des Weines vom Rückstand beschleunigt. Der Sake nimmt durch Lagern an Wohlgeschmack zu; der in dem Laboratorium des pfilanzenphysiologischen Instituts bereitete Sak& enthielt nach der Bestimmung des Herrn Prof. S. Friedländer 13,9 pCt. Alcohol. Bei der genaueren Erforschung dieser Vorgänge ergab sich, dass das Mycel des Reisschimmelpilzes die Umwandlung des Stärkekleisters in Glyeose bewirkt, also die Diastase des Gerstenmalzes vertritt, welche anscheinend im Reis nicht in genügender Menge vorhanden ist, um eine rasche Verzuckerung herbeizuführen, und ausserdem in der Siedehitze ihre Wirksamkeit verloren hat. Und zwar ist es nicht sowohl das lebendige Mycel, welches als Ferment wirkt, sondern ein Ferment im Protoplasma der getödteten Aspergillusschläuche; denn auch der Auszug der zer- riebenen Aspergillusmasse veranlasst die Verzuckerung und Verflüssigung des Reis. Bei der Gährung wird der Reisschimmelpilz durch den sich bildenden Alcohol bald getödtet, während die Verzuckerung auch nach dem Absterben des Aspergillus fortschreitet. Die Aleoholgährung der Glycose selbst wird durch Hefepilze (Saecharomyces) herbeigeführt, deren Keime der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3939 bei den ersten Versuchen aus der Luft stammten, und sich nur langsam vermehrten, bei der Sak6fabrication jedoch bereits in dem als Mutter- hefe verwendeten Reisbrei enthalten sind, mit dem Aspergillus aber nicht zusammenhängen. Die Hefe des Reisweines verträgt einen höheren Procentsatz von Alcohol als die gewöhnliche Weinhefe; der japanische Sake& soll bis 20 pCt. Alcohol enthalten. Ein anderes durch Aspergillus Oryzae erzeugtes Gährungsproduct ist die bekannte Sojasauce. Auch diese wurde in unserem Institut durch Herrn Shinkizi Nagai nach japanischer Methode dargestellt. Sie wird aus der neuerdings auch bei uns ceultivirten Sojabohne (Dolichos Soja) bereitet, die sich von unseren Bohnen durch einen sehr geringen Gehalt von Stärkemehl bei sehr reichlichem Fett und Käsestoff (Legumin, Pflanzen- kasein) unterscheidet; in der That liefert die Sojabohne den Japanern ihren Käse. Bei der Bereitung der Sojasauce wurden die weichgekochten Sojabohnen mit gerösteten Gerstenkörnern (Graupen) gemengt, dann mit Mehl von gerösteter Gerste bestreut und schliesslich mit dem gelben Sporenstaube des Reisschimmelpilzes in dicker Wolke besät. Das bei 30 Grad sich entwickelnde Mycel spinnt auch hier die Soja und die Gerste zu einer weissfilzigen Masse zusammen und fructifieirt nach 4 Tagen, alsdann wird die ganze Masse in eine 16procentise Koch- salzlösung gebracht und mit dem Quirl zu einem dicken Brei zerrieben. In der concentrirten Salzlösung stirbt der Reisschimmelpilz sofort ab; dafür entwickelt sich bei 22 Grad in dem Brei ein Pilz, der, bisher nur aus der Sauerkrautgährung bekannt, als COhalara bezeichnet wird; es sind lang gegliederte, dichotom verzweigte Hyphen, die an den Scheide- wänden hefeartige Sprossen hervortreiben. Unter dem Einflusse der Chalara tritt eine Fermentation ein, über die nichts weiteres bekannt ist, wenn diese vorüber, trennt sich eine dunkelbraune, im Geschmack an ceoncentrirte Fleischbrühe erinnernde Flüssigkeit von dem Rück- stande, welcher die Chalara und die Reste der Soja und der Gerste enthält. Ausführliche Darstellung der Gährungsvorgänge soll anderswo erfolgen. Prof. F. Cohn demonstrirt neue Modelle, zu der von R. Brendel- Berlin, Kurfürstendamm Nr. 101, herausgegebenen Sammlung botanischer Modelle gehörig. Sie stellen die Entwickelung der Bacterien und Hefe- pilze dar; ein in sehr grossem Massstabe hergestelltes zerlegbares Modell veranschaulicht den Bau des Roggenkorns in überaus instructiver Weise. Diese Modelle sind nach den Angaben des Herrn Dr. Eidam an- gefertigt. Herr Kgl. Garten-Inspeetor Berthold Stein zeigt Sedum rubens, das Mattuschka 1776 an der Lehne der Riesenkoppe, Mitternachtsseite, unter dem Namen Klein-Immergrün erwähnt, Hänke 1796 am Altvater- und Riesengebirge an mehreren Orten fand; Wimmer bezeichnet es als 230 Jahres - Bericht S. rubens Hänke, Koch als 8. repens Schleich., Fick als 8. alpestre Villars, von dem es jedoch verschieden ist; es möchte als selbstständige Art, Sedum Mattuschkae Stein, zu bezeichnen sein. Bei der darauf stattfindenden Berathung über den Ort der nächsten Wanderversammlung wurde Fürstenstein-Salzbrunn gewählt. Dreizehnte Wanderversammlung der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Noch niemals hatte eine Wanderversammlung der schlesischen Botaniker unter so ungünstigen Auspicien ihren Anfang genommen, als diese, welche am Sonntag, den 17. Juni, in Fürstenstein ihre wissen- schaftliche Sitzung abhielt und in Salzbrunn mit einem gemeinschaft- lichen Diner schloss. Nicht genug, dass Geheimrath Göppert und Professor Ferd. Cohn von vornherein erklärt hatten, an der Versamm- lung diesmal nicht theilnehmen zu können, war dem lang anhaltenden guten Wetter seit Sonnabend Nachmittag ein Landregen gefolgt, der einen total verregneten Sonntag in sichere Aussicht stellte. Dass trotz dessen ein ansehnliches Gefolge Breslauer Botaniker und Pflanzenfreunde sich um den diesmaligen Führer, Professor Dr. Körber, schaarte und auf allen Stationen Zuwachs erhielt, beweist am besten, auf welcher glücklichen Idee die Veranstaltung dieser halb der ernsten Wissenschaft, halb den geselligen Freuden geweihten Wanderfahrten beruht. Die Direction der Freiburger Eisenbahn hatte den Breslauer Bota- nikern einen Salonwagen zur Disposition gestellt und in diesem trafen die Mitglieder um 8 Uhr in Sorgau ein. Nach kurzer Rast wurde bei schönstem Regenwetter zu Fuss der Weg nach der neuen Burg in Fürstenstein angetreten, woselbst Se, Durchlaucht der Fürst von Pless den Botanikern den grossen Gartensaal der Restauration zur Verfügung gestellt hatte, | Hier begann um 10 Uhr die wissenschaftliche Sitzung, indem Pro- fessor Körber den zahlreich Erschienenen Worte des Dankes zurief und bedauernd ausführte, dass sowohl Geheimrath Göppert wie Prof. Ferd. Cohn durch Trauerfälle in ihren Familien gezwungen seien, der ‚Sitzung fern zu bleiben, dass der Fürst von Pless .in Oberschlesien weile und der fürstliche Generaldireetor Ritter dienstlich in Posen be- schäftigt sei. Zur Verlesung gelangte ein die Versammlung begrüssender Brief Göppert’s und ein Begrüssungstelesramm Ferd. Cohn’s. Zum Tagespräsidenten wurde Herr Ober-Regierungsrath Schmidt aus Breslau gewählt und zu Beisitzern die Herren: Professor Förster, Professor Stenzel, Professor Hieronymus, Kgl. Garten-Inspector Stein, Ober- lehrer Limpricht und Apotheker Sonntag. Der Tagespräsident dankt für die ihm erwiesene Ehre und eröffnet die Sitzung, indem er ausführt, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 dass, wenn auch Goethe sage, ‚ins Innere der Natur dringt kein er- schaffener Geist“, die Namen der anwesenden Forscher dafür bürgen, dass den trotz aller Ungunst der Witterung zahlreich erschienenen Hörern viel Belehrendes und Interessantes geboten werden würde, Nachdem die inzwischen festgestellte Liste der Anwesenden ver- lesen, ergreift Professor Stenzel das Wort zu einem Vortrage über die Bedeutung der Bildungsabweichungen. Redner führt eingehend aus, dass die Geschichte des Studiums dieser Abweichungen mit der Geschichte der Morphologie zusammenfalle. Immer wieder werde bezweifelt, was man unumstösslich sicher glaubte; nur in Wellenlinien bewege sich die Erkenntniss vorwärts, mitunter so- gar einmal rückwärts, Noch lange nach Linns& wurden Missbildungen nur als Curiositäten betrachtet; je seltener sie waren, um so freudiger waren die Sammler, von denen die meisten nie zugaben, dass ihre Schätze für Untersuchungen zerschnitten würden. Erst Goethe zeigte den Werth der Monstrositäten für die Erkenntniss der normalen Ent- wickelung, ein nach ihm viel betretener Weg. Schleiden’s Auftreten bezeichnet den Wendepunkt dieser Richtung, da er mit Hilfe der Ent- wickelungsgeschichte allein glaubte, die Organe scharf umgrenzen zu können. Trotz vielfacher Irrthümer hat er Bedeutendes in dieser Rich- tung geleistet, aber seine Nachfolger geriethen auf den Irrweg, indem sie annahmen, dass Organe, die man nicht mehr unterscheiden könne, auch nicht vorhanden seien. Der bedeutendste gegenwärtige Erforscher der pflanzlichen Missbildungen ist Prof. Peyritsch in Innsbruck, dessen Untersnchungen besonders eine Erkenntniss der Ursachen der Umbildungen anstreben. Ein Theil der Organe bildet sich um, ohne nachweisbaren Grund; es ist das die von Darwin hervorgehobene Neigung zur Variation, deren Produete meist gesund aussehen und relativ geringe Aenderungen zeigen. Die aus nachweisbaren Einflüssen hervorgegangenen Umbildungen sehen meist krankhaft aus, z. B. die durch Pilze hervorgerufenen Hexenbesen, die durch Inseeten bewirkten Vergrünungen, die aus so geringen Stö- rungen entstehen, dass, nachdem die anreizenden Thiere fort sind, äussere Verletzungen der Pflanze meist nicht nachweisbar sind. Peyritsch hat künstlich Umbildungen hervorgerufen durch Milben, durch Ver- änderungen der Licht- und Feuchtigkeitsverhältnisse u. s. w. Doch tritt auffallenderweise Peyritsch jetzt dafür ein, dass sich aus Abnormitäten normale Bildungen nicht erklären lassen. Oft aber sind gerade die Ab- normitäten das allein Aufschlussgebende; sie allein zeigen, dass Blatt- organe Blätter, Stengelorgane Stengel bleiben auch unter ganz ver- änderten Formen. Vom Fruchtzapfen der Nadelhölzer wies zuerst A. Braun nach, dass die Schuppen umgewandelte Blätter seien, auf deren Rückseite, wie Redner zu zeigen versuchte, die Samenknospen sitzen. 232 Jahres-Bericht Eichler hat sich gegen diese Auffassung erklärt, doch wird dieselbe durch die Umbildungen an monströsen Fichtenzapfen ausser Zweifel gestellt. Dr. Eidam demonstrirt durch Handmikroskope die Zygosporen von Rhizopus nigricans in allen ihren Entwickelungszuständen, die bisher nur einmal von de Bary gesehen, in diesem Winter auf Erdnusskuchen in Breslau wieder aufgefunden wurden. Ferner zeigt derselbe einen neuen von ihm auf keimenden Bohnen entdeckten und mit dem Namen Rhizopus elegans bezeichneten Schimmel- pilz mit sehr kleinen stachlichen Sporangien, kuglicher Columella, farb- losen runden Sporen und septirtem Sporangiumträger. Der Pilz hat sehr lange Stolonen; die gruppenweise strahlig beisammen stehenden Spo- rangienträger sind oft verzweigt und tragen an den horizontal abgehenden kurzen Zweigen kleine secundäre Sporangien. Hierauf spricht Dr. Eidam über den Einfluss wechselnder Feuchtigkeit und Temperatur auf die Keimung der Grassamen und der Runkelknäuel. In einer Publication vom Jahre 1877') habe ich die bedeutend schädigende Wirkung nachgewiesen, welche ein zu grosser Ueberschuss von Feuchtigkeit in Bezug auf Verzögerung oder Nichtzustandekommen der Keimung bei den Samen hervorbringt, die mit Spelzen oder anderen Umhüllungen, z. B. Grassamen und Runkelknäuel, versehen sind. Als Ursache gab ich den gehemmten Zutritt des Sauerstoffs zum Samenkorn an und stützte diese Ansicht durch vergleichende Untersuchungen und entsprechend modifieirte Regulirung der Wasserzufuhr zu den keimenden Samen. Wie bekannt, sind aber ausser dem freien Luftzutritt für das Ein- treten normaler Keimung noch eine Menge anderer chemischer, physi- kalischer und mechanischer Momente in Betracht zu ziehen. Dahin gehört neben dem Wasser die Temperatur, welche zur Zeit des Kei- mungsprocesses herrscht und während man bisher in den Samencontrol- stationen die Keimprüfungen bei möglichst gleichmässig feuchter und gleichmässig warmer Umgebung der Samen vornahm (vergl. Nobbe, Handbuch der Samenkunde, p. 603), habe ich auf Grund umfangreicher Untersuchungen landwirthschaftlicher Sämereien in einem Aufsatz vom Jahre 1881?) darauf aufmerksam gemacht, dass gerade öftere Schwan- kungen in der Temperatur sowie im Wassergehalt für die Keimung resp. für die Erzielung der höchsten Keimprocente bei gewissen Samenarten bedeutungsvoll sind. Wir nähern uns, wenn wir im Versuch auf diese Eigenthümlichkeiten Rücksicht nehmen, den in der Natur obwaltenden !) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, Bot. Section, lozzep 119: ?2) Der Landwirth. Breslau. 17. Jahrg. Nr. 58 u. 59. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 933 Verhältnissen, und die günstigen Erfolge solcher zum Theil recht beträcht- licher Schwankungen habe ich zunächst bei einigen Grassämereien (Anthoxanthum, Alopecurus, Cynosurus, Dactylis, Festuca und Poaarten) oftmals beobachtet. Meine Versuche waren derart angestellt, dass je 2 >< 300 Körner abgezählt, auf die Oberfläche zweier mit Gartenerde gefüllter Blumen- töpfe gleichmässig ausgestreut, mit der Spritzflasche befeuchtet und mit einer Glasplatte bedeckt, zuvörderst in constante Wärme von 20 bis 21 Grad C. gebracht wurden. Innerhalb 10—14 Tagen keimten dann die am besten entwickelten Samen und wurden entfernt, unter den meist zahlreich zurückbleibenden noch ungekeimten befindet sich aber je nach der Güte der Samenprobe noch ein grösserer oder kleinerer Theil keim- fähiger Körner, die bei gleich bleibender Feuchtigkeit und bei der an- gegebenen Temperatur auch nach Wochen noch sämmtlich oder nahezu sämmtlich in Ruhe verharrten. Sobald ich aber das weitere Bespritzen der Erde mit Wasser unterliess, so dass dieselbe gleichzeitig mit den Samen trockener wurde, dabei die Töpfe zur Winterszeit in ungeheizte Räume setzte und nach Verlauf einer Woche unter erneuter Befeuchtung in die höhere Temperatur zurückbrachte, so keimte ein bestimmter Procentsatz der Samen binnen kurzer Zeit nach, während die unaus- gesetzt gleichmässig warmen und feuchten Controltöpfe ohne Keimlinge geblieben waren. Und ebenso fördernd wie zeitweilige niedere Tem- peratur wirkte auch eine solche über 21 Grad C., welche ich dadurch erzielte, dass die Keimtöpfe in einen öfters regulirten Wärmkasten plaeirt oder den direceten Sonnenstrahlen kürzere Zeit ausgesetzt wurden. Den günstigsten Einfluss auf rasche Entwickelung sämmtlicher keim- fähiger Grassamen hatte aber immer die combinirte Anwendung des temporären Eintrocknens sowohl als von Temperaturen 10—15 Grad unter und 8—12 Grad über die am längsten während des Keimversuchs herrschende Norm von 20—21 Grad C. Durch Anwendung des mitgetheilten Verfahrens habe ich bei den obengenannten Grassämereien je nach der relativen Keimkraft der unter- suchten Proben Nachernten von 5—20 pCt. erzielt und wenn auch diese Nachzügler im Gegensatz zu den früher gekeimten Samen bei der Aus- saat ins freie Feld und bei der Concurrenz mit den schon heran- gewachsenen Pflanzen sich nicht im Vortheil befinden und nicht sehr kräftig sich entwickeln dürften, so ist es doch einleuchtend, dass die Technik der Samenprüfung den Einfluss intermittirender Temperatur und Feuchtigkeit auf die Keimung wohl zu berücksichtigen hat. Zum Glück tritt dieser Einfluss unter den Cultursämereien nach meiner Erfahrung nur bei der Gras- und Runkelsaat in Geltung, sowie bei den Samen, welche in besonders derbe Fruchtschalen eingeschlossen sind, z. B. Orni- ihopus salivus, Daucus Carota und bei den Coniferensamen; für letztere 234 Jahres - Bericht aber scheint mir ein fördernder Einfluss auch des Lichtes auf die Keimung nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Es frägt sich nun, auf welche Ursachen dieses eisenthümliche Ver- halten zurückzuführen ist. Ich finde die Erklärung in rein mechanischen Vorgängen und werde darin unterstützt durch die Resultate, welche meine Keimversuche mit Runkelknäueln ergeben haben. Die Gattung Beta nimmt eine Ausnahmestellung insofern ein, als bei ihr nicht wie bei den meisten übrigen Pflanzen die Samen bei der Reife einzeln sich isoliren oder nur locker von dünnen, leicht zer- reissenden oder verwesenden Hüllen umgeben sind, sondern innerhalb der stark verdickten und verhärteten Perigone knäuelartig eingeschlossen bleiben; die Knäuel enthalten 1—5 Höhlungen, in denen je ein Same sich befindet, der von der Aussenwelt durch einen fest ansitzenden, sehr derben und verholzten Deckel abgeschlossen wird. Für die Betaknäuel ist zur Keimung nur ein geringes Wasserquantum erforderlich und bei Keimversuchen mit dieser Samenart muss ganz besondere Rücksicht auf den vorhandenen Feuchtigkeitsgrad, sowie auf die Temperatur genommen werden. Wenn man Runkelknäuel 24 Stunden hindurch in Wasser ein- quillt und sie darauf in Keimapparate bringt, so keimt bei einer Tem- peratur von 20 Grad C. innerhalb drei Tagen je nach der Güte der Knäuel ein mehr oder minder grosser Theil derselben aus, ein anderer Theil aber bleibt ungekeimt, denn er ist nun zu stark mit Wasser durch- tränkt, so dass, wenn man die Knäuel in diesem Zustande lässt, weiter- hin nur wenige keimen, trotz noch vorhandener zahlreicher lebensfähiger Samen. Wohl aber ändert sich die Sache, wenn man für theilweise Entfernung des Wassers aus den Knäueln Sorge trägt. Und die bereits gequollenen wasserhaltigen Knäuel können auf Fliesspapier stundenlang an der Luft getrocknet werden, ohne dass ihre Keimfähigkeit Schaden erleidet; dieselben keimen in Gegentheil, wieder in den feuchten Raum nach dem Trocknen zurückgebracht, dann bei gutem Samen ausser- ordentlich reichlich aus, während die Knäuel des Gegenversuchs der- selben Probe, welche nicht getrocknet wurden, sondern feucht gelassen waren, ganz auffallend viel weniger Keimlinge entwickeln. Die auf dem Trocknen basirte Methode der Keimprüfung des Runkelrübensamens ist also für die Praxis in den Samencontrolstationen sehr wichtig, denn sie giebt rasch erreichbare, zuverlässige und übereinstimmende Resultate, entspricht auch am besten den auf dem Felde stattfindenden natürlichen Verhältnissen, wo einerseits in trockenen Tagen, in der heissen Mittag- sonne und andererseits bei Regenwetter und in der kühlen Nachttempe- ratur die ausgesäten Knäuel fortdauernden Veränderungen in Bezug auf Feuchtigkeit und Temperatur unterworfen sind. In manchen Jahrgängen, wie es z. B. 18382 der Fall gewesen ist, reifen die Runkelknäuel in Folge vielen Regens, ungenügender Temperatur u. s. w. nur sehr mangel- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 335 haft aus, sie bleiben auch nach dem Einweichen in Wasser hart und der Deckel oberhalb der Samen liegt dem verholzten Perigson ganz besonders fest an. Meine zahlreichen Versuche mit solchen nicht völlig ausge- reiften Knäueln haben mir bewiesen, dass dieselben aber doch oft sehr sut keimfähig sind und zahlreiche Keimlinge lieferten, wenn sie nur dem Trocknungsverfahren ausgesetzt wurden, während sie, zu nass gehalten, immer nur geringe Keimprocente ergaben, Zur Veranschaulichung des Einflusses, welchen das Trockenverfahren, womit gleichzeitig eine Veränderung in der Temperatur etwa innerhalb der Grenze von 21—15 Grad C. verbunden ist, sowohl auf raschere Er- ledisung der Keimprüfung als auf Erhöhung des Keimprocentes hervor- bringt, wähle ich unter der grossen Menge angestellter Versuche das Resultat aus, welches eine gut keimfähise Zuckerrübensamenprobe er- geben hat. Die Tabelle macht neben der Differenz im Procentsatz der gekeimten Knäuel auch ersichtlich, dass die getrockneten bereits nach 12 Tagen sämmtlich auskeimten, während die nicht getrockneten noch am 14. Tage Keimlinge entwickelten. Bei schlecht keimfähigem Futter- und Zuckerrübensamen werden die Unterschiede übrigens oft noch viel auffallender, Zuckerrübensamen. A. Die Knäule nieht getrocknet, sondern gleichmässig feucht und warm gehalten. 1. Keimfähigkeit der Knäuel. Anzahl der 5 . AO Keimfähigkeit untersuchten Gekeimt in Tagen: der Knäuel in Pure 4,5056 8 1012,18, 1A,;.8a.,: 3 Procenten 2005 7206,.600,.20512 2 22.,6, 2%, 0,5 Lu 3 lt 79.5 2007 27 13.314 1210 .,0 5. 1-.12..2..0 .2.-153 ? 2. Zahl der gelieferten Keimlinge, 605.125152,.15:..4.1845 “0:1 1440 2112 58715 302 9, 165 .30..29.25.,0.153,..1 ,>,4..0...371,834 pro 100 Knäuel: 159 Keimpflanzen. B. Dieselbe Probe; die Knäuel getrocknet. 1. Keimfähigkeit der Knäuel. Anzahl der Gekeimt in Tagen: Keimfähigkeit unt ht ä i a a ee ee 500 3 BED ee ee 200. 31 19 eg ggg vg 011 2. Zahl der gelieferten Keimlinge. 095.194.,.0,19,13950..14% 24,:569.5.0 5 Os 0:12..88% 66,1125.0 218) 15210 2.17 283::.80,. 350° 05550 5381 pro 100 Knäuel: 192 Keimpflanzen. ®= Die ungekeimten Knäuel 5 St. getrocknet, — + Die ungekeimten Knäuel 3 St, getrocknet, 236 Jahres - Bericht Dem unstreitig höchst sorgfältigen, aber sehr zeitraubenden und com- plieirten Verfahren gegenüber, welches Professor Nobbe') für Unter- suchung der Runkelknäuel empfohlen hat, möchte ich nun auf Grund meiner Ergebnisse folgende Methode für die Praxis vorschlagen. Die- selbe bezieht sich, dem Bedürfniss des Landwirthes vollkommen ge- nügend und unter Berücksichtigung des eigenthümlichen Verhaltens der Runkeln die Keimfähigkeit derselben in sicherer Weise als bisher er- mittelnd, nur auf die procentische Keimkraft der Knäuel, sowie auf die Anzahl der pro 100 Knäuel entwickelten Keimpflanzen. Die Nobbe’sche Bestimmung der überhaupt vorhandenen Samen in einem Kilo Knäuel, die Separirung und Speeification der Knäuel mit je 1, 2, 3, 4 oder 5 Keimlingen, das künstliche Abschneiden der Perigonlappen beim Zählen der Keimlinge, ferner die Bestimmung des Wassergehaltes und die Be- rechnung der gelieferten Keimpflanzen auf ein Kilo Knäuel werden dabei ausser Acht gelassen, alle diese umständlichen Operationen vielmehr der besonderen Bestellung des Einsenders anheimgegeben. Von der Mittelprobe zählt man für jeden Versuch zweimal 200 Knäuel ab, quillt dieselben 24 Stunden hindurch bei gewöhnlicher Tem- peratur in Wasser ein, worauf sie nach dem Absgiessen des Wassers in zwei gleichmässig gebrannte, gewöhnliche Blumentopfuntersätze gebracht werden. Die letzteren stellt man in den von Prof. Cohn angegebenen, für die Keimungen der meisten Sämereien äusserst zweckmässig, zuverlässig und compendiös befundenen Keimapparat?) bei durchschnittlich 20—21 Grad Celsius. Nach Verlauf von etwa vier Tagen ist ein bestimmter grösserer oder geringerer Theil der Knäuel, je nach dem Werth der Waare, aus- sekeimt und es werden nun diese sämmtlichen gekeimten, wie später auch alle noch nachkeimenden Knäuel in zwei neue Keimnäpfchen behufs Zählung der Keimlinge übertragen und neben die Näpfchen mit den un- gekeimten Knäueln unter der nämlichen Bezeichnung wie diese in den Keimapparat eingestellt. Die nach erfolster erster Trennung der ge- keimten Knäuel meist zahlreich zurückgebliebenen ungekeimten Knäuel aber werden auf Fliesspapier bei Zimmertemperatur gleichmässig und jedes für sich isolirt ausgebreitet und so etwa 4—6 Stunden hindurch bei zerstreutem Tageslicht liegen gelassen. Dadurch verlieren sie ihren Ueberschuss an Feuchtigkeit, wobei sie von dunkelbrauner in hellgelb- liche Färbung übergehen. Man bringt sie zurück in den Keimapparat ) F. Nobbe, Die Werthbestimmung des Saatgutes von Runkel- und /uckerrüben. Landwirthschaftl. Versuchs-Stationen, XXVII. *) Landwirthschaftl. Vers.-Stat., Bd. XIX., 1876. In dem Keimapparat befinden sich drei aufeinander zu stellende, durch Zwischenräume getrennte blechene Ein- sätze mit ebenem Boden, der von einer 1 cm hohen Wasserschicht bedeckt ist. Die porösen Näpfchen können so, in den Einsatz gesetzt, die genügende Wasser- menge leicht einsaugen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 937 und sie nehmen daselbst theils von den Wänden der Näpfchen, theils direct aus der dunstgesättigten Luft wieder so viel Wasser auf, dass nach zwei bis drei Tagen eine Menge dieser vorher getrockneten Knäuel aufs schönste ausgekeimt ist. Es erfolgt neues Separiren der gekeimten von den ungekeimten Knäueln, neues Trocknen der letzteren etwa 2—3 Stunden lang, worauf in den Näpfehen wiederum nach 2—3 Tagen neue Keimlinge sich entwickeln. Innerhalb 10—12 Tagen ist so der Keimversuch ohne grosse Mühe beendet und der schliesslich ungekeimt zurückbleibende Rest der Knäuel ist überhaupt ganz unfähig zur Keimunsg. Ich komme schliesslich zurück auf die nähere Erklärung der kei- mungsfördernden Wirkung, welche durch ungleichmässige Feuchtigkeit und Temperatur auf Gras- und Runkelsamen hervorgerufen wird, eine Erklärung, die sich durch das Verhalten der Runkeln wesentlich er- leiehtert. Bei diesen bemerkt man nämlich, wie die verschiedene Wärme, das wiederholte Trocknen und die darauf neu erfolgende Wasserauf- nahme eine Lockerung und Lossprengsung der harten Deckel in Folge Ausdehnung und Zusammenziehung des Knäuels zu Wege bringen, so dass theilweise das gänzliche Abwerfen der Deckel erfolst. Durch diesen Vorgang aber wird dem Wasser freier Zutritt zu den Samen verschafft und so deren Quellung und Keimung ermöglicht. Es ist dies demnach eine rein mechanische Leistung, die sich wiederholt bei Kei- mung der Grassamen und der sonstigen hartschaligen Samenkörner, wo ebenfalls die intermittirende Wärme und-Feuchtigkeit auf dem Zell- verband der Frucht- und Samenschale lösend und lockernd einwirkt. Nicht anders wird wohl die endliche Quellung und Keimung der bei den Papilionaceen stets vorhandenen harten Samenkörner sich vollziehen, wenn sie lange Zeit den Wettereinflüssen auf freiem Feld ausgesetzt waren. Auch hier geschieht durch zwar minimale aber oftmalige Zer- rungen das allmähliche Auseinandertreten der Elemente der Samenschale, ebenso auf den Lagerböden bei einige Jahre alten Kleesämereien, wo die harten Körner zuletzt gänzlich verschwinden, wie ich dies sehr häufig zu beobachten Gelegenheit hatte. Kgl. Garten-Inspector Stein erinnert daran, dass er bisher auf jeder Wanderversammlung den Gästen frische Blüthen seltener Pflanzen gezeigt habe. Diesmal bringt Redner keine lebende Seltenheiten, son- dern künstliche Blüthen, welche jedoch so naturgetreu gearbeitet sind, dass die Anwesenden sie im ersten Augenblick für natürliche Blumen halten. Zur Vorlage kowmen Blüthen des Birnbaumes, der japanischen Quitte, der Feuerlilie, gelbe Seerose, Reseda, blaue Schwertlilie, Königin der Nacht (Cereus grandiflorus) u. s. w., durchweg in natürlicher Grösse. Der Sprecher weist darauf hin, dass bei dem oft so ausserordentlich schwer zu beschaffenden frischen Material für den botanischen Unter- 238 Jahres-Bericht richt die künstlichen Blumen ein werthvolles Lehrmittel seien, ganz be- sonders zu Repetitionen. Die Anfertigung der speciell zu Lehrzwecken bestimmten Blüthen in dieser Vollendung geschieht unter wissenschaft- licher Controle des Redners nach wildgesammelten Exemplaren durch die altbekannte Firma Christine Jauch in Breslau und ist Aussicht vor- handen, dass zum Herbst die erste vollständige Collection unter dem Titel Flora artefacta für den Schulgebrauch fertiggestellt sein wird. Dr. Lakowitz zeigt Stämme mit Blättern sowie Blüthen von Welwitschia mirabilis Hook, jenes wunderbaren Gewächses von Angola, von welchem seit seiner Entdeckung angenommen wurde, dass die beiden einzigen von dieser Pflanze produeirten Blätter in Laubblätter umge- wandelte Cotyledonen wären. Durch gelungene Keimversuche von Orpen Bower und solche, die im botanischen Garten zu Breslau ausgeführt wurden, ist indessen mit Evidenz erwiesen, dass die aus den Samen austretenden Cotyledonen wie bei anderen Gewächsen hinfällig sind, dass sich nach ihnen ein Paar von Laubblättern entwickelt, welehe die ein- zigen zu bleiben scheinen und den ganzen oberirdischen vegetativen Körper dieser interessanten Pflanze ausmachen. Absterben der eultivirten Exemplare verhinderten leider weitere genauere Beobachtungen. Die Speeimina gelangten als Geschenk des Herrn Professor Henriques in Coimbra durch Vermittelung des Herrn Garten-Inspectors Stein in den Besitz des hiesigen botanischen Museums. "Dann legte er die von Dr. Schadenberg von Mindanao mitgebrachte Riesenblüthe von Rafflesia Schadenbergiana Goepp. in trockenen Exem- plaren und in einer verkleinerten colorirten Abbildung vor. Eine ver- gleichende Beschreibung dieser neuen Art soll demnächst veröffentlicht werden. Ferner gelangte zur Demonstration eine Farbenzeichnung der im botanischem Garten eultivirten 3 Fuss Durchmesser haltenden Testudinaria elephantipes Salisb., des wunderbaren Knollenstammes, der durch seinen Amylumreichthum eine werthvolle Nährpflanze der Eingeborenen Süd- afrikas ist. Endlich wurden von demselben zahlreiche lebende Exemplare von Azolla caroliniana W. vertheilt, die im Teiche des botanischen Gartens bereits drei Winter überstanden, sich demnach soweit acclimatisirt hat, um ein Bürger der Flora auch des östlichen Deutschlands zu werden. Im südwestlichen Theile unseres Vaterlandes ist diese interessante Pflanze schon seit mehreren Jahren im Freien überwintert. Professor Körber überbringt der Versammlung des Altmeister Göppert’s Grüsse und lest die neueste Arbeit von Professor Penzig in Modena vor, in welcher Penzig eingehend den Hanbury’schen Garten in Mortola an der Riviera schildert. Hierauf hält derselbe einen Vor- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 939 trag über Molecularbewegung, in welchem er seine Deutung dieser merkwürdigen von R. Brown entdeckten Bewegungserscheinung aus- einandersetzt. Bergverwalter Schneider- Schmiedeberg zeigt Lampenschirme vor, in welchen getrocknete Pflanzen unter voller Erhaltung ihrer Farben zierlich in Medaillons gruppirt sind. Auf Einladung des fürstlichen Hofgärtners Kuhnts begiebt sich nun die Versammlung unter seiner Führung trotz anhaltendem leichten Sprüh- regen auf die Terrassen der neuen Burg, welche auf Anordnung des Fürsten von Pless der Wanderversammlung zugänglich ist. Es war ein prachtvolles Bild, von oben herab die leichten Nebelschleier im frisch- srünen Grunde herumwallen zu sehen und aus der Tiefe den hellen Ruf des Kukuks, die Töne unverdrossener Sänger heraufschallen zu hören. Nach 12 Uhr erfolgte in langer Wagenreihe der Aufbruch nach Salzbrunn, wo um 3 Uhr im Saale zur preussischen Krone ein Diner eingenommen wurde. Den Reigen der Toaste eröffnete Professor Körber mit dem Vorschlag, das von ihm auf Göppert und Ferd. Cohn ausgebrachte Hoch den diesmal Fernen als einen telegraphischen Gruss zu senden. Ober-Regierungsrath Schmidt bringt Körber als würdigem Vicepräsidenten ein Hoch aus. Garten-Inspector Stein toastet auf den nach zehnjährigem Dociren aus Argentinien nach Schlesien zurück- gekehrten Professor Hieronymus. Sanitätsrath Dr. Valentiner bringt der botanischen Section ein Hoch und Professor Stenzel erwidert mit einem Hoch auf die Gäste. Ober-Regierungsrath Schmidt, anknüpfend an einen Vers des Tafelliedes, begrüsst in Oberlehrer Limpricht das Urbild eines echten Volkslehrers, der neben seiner Berufsarbeit un- ermüdlich wissenschaftlich thätig ist. Fröhliche Tafellieder erhöhten die allgemein gehobene Stimmung und nur ungern verliessen die Bres- lauer Mitglieder das gastliche Local, um die Heimfahrt anzutreten. Der Salonwagen war dem Zuge angehängt und gab den Theilnehmern Ge- legenheit, das herrliche Gebirgspanorama zu geniessen. Nachmittag hatte der Regen aufgehört und zur Heimfahrt strahlte die Sonne am blauen Himmel, dabei das schöne Vorgebirge in immer wechselnder Beleuchtung zeigend. » In der siebenten Sitzung vom 25. October hält Oberstabs- arzt Schröter einen Vortrag über Demonstration der Pilze, einer Pflanzenklasse, deren ausserordentlicher Nutzen und Schaden immer mehr das allgemeine Interesse auch des grösseren Publikums beansprucht. Nachdem derselbe die besten Methoden zur Conservirung der Pilze ge- schildert, gab er einen speciellen Bericht über die Pilz - Ausstellung, 240 Jahres-Bericht welche zu Liegnitz vom 5. August bis 9. September d. J. in Verbindung mit der Schlesischen Gartenbau - Ausstellung unter seiner Leitung ver- anstaltet wurde. Im Breslauer botanischen Garten ist seit Jahren von Herrn Geheimrath Göppert eine permanente Pilzausstellung eingerichtet; in England und Frankreich, sowie in Deutschland zu München, Frank- furt und in der Rheinpfalz haben ebenfalls Pilzausstellungen stattgefunden, welche jedoch nur wenige Tage dauerten. Dank der sachkundigen und aufopfernden Thätigkeit des Vortragenden, sowie der Unterstützung mehrerer Gönner und Freunde und ganz besonders des Herrn Erich von Thielau auf Lampersdorf, welcher mit grösster Liberalität und Hingebung zweimal wöchentlich durch drei seiner Förster neue Sen- dungen machte, konnte die Liegnitzer Ausstellung wochenlang erhalten werden. Ein grosser Theil der Pilze wurde lebend auf Moos in Körbchen ausgestellt, das übrige Material aus den Sammlungen des pflanzenphysio- logischen Instituts in Breslau hergegeben. Da es darauf ankam, dem Publikum die Bedeutung der Pilze möglichst anschaulich vor Augen zu stellen, so geschah die Ausstellung nicht nach wissenschaftlichen Systemen, sondern die Pilze wurden in essbare, giftige, der Land- und Forstwirth- schaft schädliche, technisch indifferente Arten geordnet und durch ver- schiedenfarbige Etiquetten unterschieden. Um die Art und Weise einer Pilzausstellung zu veranschaulichen, hatte Vortragender der Section eine sehr grosse Anzahl theils lebender, theils conservirter Pilze zur Demon- stration gebracht, von denen die meisten ein hohes praktisches oder wissenschaftliches Interesse besitzen. Im Anschluss an diesen Vortrag bespricht Geheimrath Göppert die furchtbaren Verwüstungen, welche der Hausschwamm, Merulius lacrymans, in den neuen Bauten in Breslau, z. B. im Provinzial-Museum, anrichtet. Er legst mehrere Abbildungen vor, unter anderem von einem Haus- schwamm, welcher sich in einem Wasserbehälter des botanischen Gartens derart entwickelt hatte, dass das lederartige Mycel, frei auf dem Wasser schwimmend, auf der Oberseite fructifieirte. — Ferner zeigt derselbe ein Wurzelgeflecht, welches durch den Schädel einer Krähe hindurch- sewachsen war, eingesendet durch Herrn Erich v. Thielau. Herr Gohn zeigt vor: 1. eine bunte Schimmelvegetation, welche die Gelatinplatte eines verschlossenen Hectographen übersponnen, mit- getheilt von Herrn Simson, sie stellte sich heraus als das Mycel von. Aspergillus glaucus; 2. ein wurzelartiges Geflecht, welches eine Wasser- leitungsröhre (5 Fuss tief unter der Erde) bei Parchwitz verstopfte, mit- getheilt von Herrn Dr. Standfuss daselbst. Auseinandergewirrt erwies sich dasselbe als der verzweigte Wurzelstock eines einzigen Equisetum, von dem ein 12 m langes Stück freigelest werden konnte. Dasselbe dient zur Erläuterung der Gefährlichkeit der Schachtelhalme (E. arvense, pa- lustre), welche als unrottbares Unkraut feuchte Felder durchwuchern, da der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 341] sie aus den weithin kriechenden Wurzelstöcken ununterbrochen neue Halme über die Erde treiben. In der achten Sitzung vom 8. November spricht Herr Lim- pricht über einige neue Laub- und Lebermoose. Dieser Bericht ist mit dem von der Sitzung des 1. März (siehe oben) zusammengefasst worden. Herr Schröter berichtet über eine von ihm in Gemeinschaft: mit Herrn Eidam am 4. November d. J. in die Forsten des Herrn Erich v. Thielau auf Lampersdorf unternommene Excursion. Diese Forsten erstrecken sich am Abhang der Eulengebirges zwischen Silberberg und Sonnenkoppe und bestehen aus sehr alten Beständen von Laub- und Nadelwald. Auch grössere Anpflanzungen der sehr harten und rasch wachsenden Douglastanne (Tsuga Douglasü) sind dort mit bestem Erfolg vorgenommen worden. Unter den reichen Pilzfunden, welche der Section demonstrirt wurden, sind besonders hervorzuheben: Strobilomyces sirobi- laceus, der vielleicht in Schlesien seine Nordgrenze findet; junge Hut- anlagen von Armillaria mellea im Zusammenhang mit Rhisomorpha; Hyd. nogloea gelatinosa, eine Hydnumähnliche farblose Tremelline von Zungen- form; Brefeldia maxima, ein Myxomycet von 300 qem Oberfläche. Ein Exemplar von Hydnum coralloides wog 2670 gr und hatte 60 cm Länge, 40 cm Breite. Bei einer Exeursion auf den Warthaberg sammelte Vor- tragender Tags darauf eine grosse Menge Geaster fornicatus; Marasmius ramealis auf Tannenästen; Hypoxylon coceineum. Bin aus einer Ameise hervorgesprosster Keulenpilz wurde anfangs für identisch mit Torrubia myrmecophila gehalten, erwies sich aber als neue Species Torrubia formieiwvora. Herr Körber legt sechs Cartons aus seinem Typenherbarium der Flechten vor, von denen eine Anzahl, aus Patagonien stammend, ihm von Herın Cisneros in Buenos-Ayres übersandt worden ist. In der neunten Sitzung vom 22. November spricht Herr Berthold Stein über seine Versuchseulturen von Orobanchen auf Pelargonium zonale.. Von 32 ausgesäten Arten haben in diesem Sommer 5 sich bis zur Blüthe entwickelt. Eine Aenderung der Art- merkmale hat sich vorläufig nicht ergeben, dagegen liefern die Culturen den Nachweis, dass die Orobanchen nicht streng an eine Nährpflanze gebunden sind und dass eine grosse Anzahl Arten auf einer und derselben Mutterpflanze gedeihen können. Die Versuche werden fortgesetzt. Die für den Schulunterricht bestimmten künstlichen Pflanzen, welche Redner .dann vorlegte, sind aus der Fabrik von Christine Jauch hier- selbst, unter wissenschaftlicher Controle, hervorgegangen. Die erste ‚Serie enthält u. a. Tollkirsche, Stechapfel, Feuerlilie, Seerose. Von der 1883. 16 242 Jahres- Bericht Versammlung wurde einstimmig die vorzügliche Naturtreue der Blumen anerkannt und die ganze Collection für ein werthvolles Lehrmittel beim botanischen Unterricht erklärt. Der Preis ist ein so mässiger, dass selbst gering dotirte Schulen die Anschaffung ermöglichen können. Hierauf lest derselbe blühende Pflanzen aus dem botanischen Garten vor: Delphinium Uechtritzianum Pauc. aus Serbien, Impatiens Sul- tani Hook. von Zanzibar (aus der Eichborn’schen Gärtnerei, Obergärtner Schütze), eine der dankbarst blühenden, eben erst eingeführten Zimmer- pflanzen, und Trixis discolor, deren Samen Professor Hieronymus aus Argentinien mitbrachte, sowie ausgezeichnete alpine Primeln, von Obrist im Engadin gesammelt. Der Secretair begrüsst als neues Mitglied der Section Herrn Professor Hieronymus, der, nachdem er ein Jahrzehnt als Professor der Botanik an der Universität Cordova in Argentinien gewirkt und das Gebiet der Republik botanisch erforscht, soeben in die Heimath zurück- gekehrt ist, um die Flora Argentina im Auftrage der Regierung in einem grossen Tafelwerk zu bearbeiten. Hierauf erinnert er daran, dass in diesen Tagen zwei Jahrhunderte verflossen sind, seit eine der einflussreichsten Entdeckungen in Holland gemacht wurde. In einem vom 14. September 1683 aus Delft an Franeis Aston, Mitglied der Königlichen Gesellschaft zu London, gerichteten Briefe berichtet Antony van Leeuwenhoek, er habe mit seinem Mikro- skop in der zwischen seinen Zähnen haftenden weissen Materie lebendige Thierchen von anmuthigster Bewegung entdeckt (,‚animalcula admodum exigua jucundissimo modo sese moventia.“ Arcana naturae detecta, Delft 1685: „Experimenta et Contemplationes p. 42). Dies waren die ersten Bacterien, die ein menschliches Auge er- blickt hat. Leeuwenhoek unterscheidet mehrere Arten, die er so correct beschreibt und abbildet, dass sie ohne Schwierigkeit wieder erkannt werden können. Die stabförmige Art, die sich oft nur spärlich vorfand, aber mit lebhaftester Bewegung wie ein Fisch das Wasser durchschneidet, ist ein Bacillus; die kleinere, kreiselförmig sich drehend, ein Bacterium; eine dritte Art, die sich schlingelt, ist Vibrio Rugula; die kleinsten, oblong oder kuglich, die in ungeheurer Menge wie ein Mückenschwarm durcheinander wimmeln, müssen wir für Mierococeus und ihre nur un- klar gesehene Bewegung für eine Täuschung halten. Die Hauptmasse besteht aus parallelen, ungleich langen, aber gleich dicken Fäden; ob- wohl unbeweglich, stehen sie mit den Bacillen in Zusammenhang; es ist ohne Zweifel Lepiothrie buccalis. Mit naiver Ausführlichkeit spricht Leeuwenhoek seine Verwunderung darüber aus, dass trotz der peniblen Reinlichkeit, womit er seine Zähne pflege, doch in seinem Munde ver- muthlich mehr Thierchen leben, als in allen niederländischen Provinzen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 943 Menschen; dieselbe Menge nimmt er im Munde von Frauen, Kindern, Greisen wahr. Äls er einige Jahre später die beweglichen Bacterien des Zahnschleims nicht wieder auffindet, vermuthet er, dieselben seien durch den heissen Kaffee, dessen Genuss er sich angewöhnt, getödtet worden; doch bald entdeckt er wieder die alten Formen. Die neuen Abbildungen der Bacillen und der Leptothrix, die er seinem Bericht an die Königliche Gesellschaft zu London von Mitte September 1692 (l. ce. p. 336) beifügt, sind zum Theil noch genauer als 9 Jahre vorher; bis vor einem Jahrzehnt gab es keine besseren Beobachtungen und Ab- bildungen der Bacterien. So hatte wunderbarerweise derselbe Mann, der vor 200 Jahren die unsichtbare Welt den Menschen erschloss, alsbald in der Entdeckung der Bacterien auch deren alleräusserste, bisher nicht überschrittene Grenzen erreicht, wenn er auch schwerlich ahnen konnte, dass er durch diese Entdeckung der Wissenschaft eine neue Bahn er- öffnet habe, die erst in unseren Tagen zu den bedeutungsvollsten Anf- schlüssen über Fermentationen und Krankheiten geführt hat. Hierauf hält derselbe einen Vortrag über Untersuchung der schlesischen Moore. Die wissenschaftliche Untersuchung der Moore beginnt mit dem Genfer Geologen de Luc, der, 1798 als Professor nach Göttingen be- rufen, zuerst die merkwürdigen Hochmoore zwischen Elbe und Weser kennen lehrte, die, hügelartig gewölbt, in der Mitte kleine Seen (in Nordwestdeutschland Meere genannt) einschliessen; baumlos, nur mit Heidekraut und Riedgräsern bewachsen, gleichen sie in feuchter Jahres- zeit einer halbflüssigen plastischen Masse und hüllen die unterliegenden Formationen in ähnlicher Weise ein, wie die Gletscher das Felsgestein. Grisebach hat in seiner elassischen Abhandlung über die Emsmoore 1845 die ungeheuere Ausdehnung der Hochmoore bis nach Holland hinein verfolst und ihre gesammten botanischen und physicalischen Verhältnisse tief eingehend behandelt, auch das Mikroskop zuerst zur Unterscheidung der im Moore enthaltenen Pflanzenreste angewendet; die Entstehung dieser Moore brachte er mit der Senkung der Nordseeküste von Flandern bis Jütland in Zusammenhang. Dagegen haben skandinavische Forscher nach dem Vorgange des dänischen Zoologen Steenstrup seit 1841 in ihren Waldmooren den Wechsel verschiedener Waldgenerationen nach- gewiesen; denn diese Moore, die heut nur Buchenwald tragen, enthalten in den tieferen Schichten die Ueberreste von Eichenwald, dann von Kiefern, dann von Espen und Birken; in neuester Zeit hat Nathorst, der verdienstvolle Begleiter von Nordenskjöld in seiner Bereisung der grön- ländischen Binnenlandgletscher, im Grunde skandinavischer und selbst schweizer Moore Lager von Polarweiden, Alpendryas und anderen Gletscherpflanzen nachgewiesen. Wenn diese Aufeinanderfolge auf eine 16* 944 Jahres - Bericht seit der Eiszeit zunehmende Milderung des Klimas hinzudeuten scheint, so hat Blytt in Christiania in norwegischen Mooren vielmehr einen Wechsel trockenerer und feuchterer Perioden nachzuweisen versucht, der sich durch den Wechsel von holzführenden Waldschichten und holz- freiem Moostorf kennzeichnet. Hiernach haben die Moore über die klimatische und floristische Urgeschichte Skandinaviens in ähnlicher Weise Kunde gegeben, wie die aus den Mooren ausgegrabenen wohl- erhaltenen Kleidungsstücke, Waffen, Nahrungsmittel, Boote und Geräth- schaften die Cultur der Bronce- und frühen Eisenperiode des Nordens aufgeschlossen, oder wie durch die Moorfunde der niederen Schweiz die Ueberbleibsel der primitiven Civilisationen der Pfahlbauten für die For- schung zugänglich geworden sind. Die neueste Zeit hat den Unter- suchungen der Moore noch ein besonderes Interesse zugewendet, indem es sich um die Bedingungen ihrer Culturfähigkeit handelt; von den deutschen Regierungen und Parlamenten sind unter Verwendung erheb- licher Mittel Commissionen ernannt, Versuchsstationen und Publicationen zu Stande gekommen, welche über die geographischen, botanischen, chemischen und landwirthschaftlichen Verhältnisse der Moore in Nord- westdeutschland Licht verbreiten; wir verdanken dies den Forschungen von Lesquereux, Sendtner, Buchenau, Senft, Saalfeld, Virchow jun., Fleischer, Früh u. a. Für Schlesien sind bisher Untersuchungen über Moore nur beiläufis, im Allgemeinen nur mit Rücksicht auf ihre gegen- wärtige Flora gemacht worden; um so dringender erscheint eine syste- matische Erforschung dieser Bildungen, welche zunächst deren statistische Verbreitung, ihre orographischen, chemischen und agriculturellen Be- ziehungen, dann insbesondere auch die Veränderungen festzustellen hätte, welche im Laufe der Jahrtausende, während deren die Moore sich aus- bilden, in Bezug auf die Vegetation und das Klima nachweisbar sind. Zu diesem Zwecke ist erforderlich, durch Bohrungen die verschiedenen Schichten der Moore von der Oberfläche bis zum Saalband aufzunehmen und mikroskopisch zu untersuchen. Professor Blytt hat dem Vortragen- den auf seine Bitte einen Plan für Erforschung der schlesischen Moore mitgetheilt und eine Zeichnung des von ihm benutzten Torfbohrers bei- gefügt. Die Section beschliesst, eine Commission zu ernennen, welche eine wissenschaftliche Erforschung der schlesischen Moore sich zur Aufgabe stellen soll; es werden zu derselben die Herren Göppert, Schröter, Lim- pricht, Körber, Stein, v. Uechtritz und Cohn erwählt, welche sich mit Naturforschern aus anderen Gebieten, insbesondere Geologen,: Zoologen, Chemikern und Landwirthen, in Verbindung setzen sollen. Der hohe schlesische Provinzial-Landtag soll zur Unterstützung des für schlesische Landeskunde-Geschichte bedeutungsvollen Unternehmens um einen Beitrag zu den Kosten angegangen werden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 945 Auf Grund dieses Beschlusses richtete die botanische Section unter dem 1. December 1883 eine Petition an den schlesischen Pro- vinzial-Landtag, worin sie die Bitte motivirte, dass der Commission zur Erforschung der schlesischen Moore zur Bestreitung der Kosten eine Subvention von 1000 Mark bewilligt werden möge. In der Sitzung des Provinzial-Landtages vom 7. December referirte Oberbürgermeister Martin im Namen des Finanzausschusses über den Antrag; auf Antrag der Herren Dr. Moritz Elsner und Max von Yssel- stein und unter warmer Befürwortung des ersteren Herrn wurde derselbe dem Provinzialausschuss zur Erwägung und Berücksichtigung empfohlen. In Folge dessen sind der Commission am 9. Februar 1884 die erbetenen 1000 Mark zur Verfügung gestellt worden. Herr Knebel legt einen Himbeerzweig mit zahlreichen unreifen und reifen Früchten vor, Ende November im Freien gewachsen. In der zehnten Sitzung vom 6. December spricht Herr Pro- fessor Dr. Stenzel über fossile Farnstämme der Gattung Tubicaulis Cotta. Wie von anderen fossilen Pflanzen sind uns auch von den Farnen nur einzelne Theile, bald Blätter, bald Stämme, bald Blattstiele oder Wurzelgeflechte erhalten, und es ist meist schwer, oft unmöglich, zu entscheiden, ob dieselben einer und derselben Art, ja zuweilen viel- leicht einer und derselben Pflanze angehört haben oder ob wir Theile verschiedener Arten vor uns haben. Bei den Stämmen kommt noch der Umstand dazu, dass von den verkieselten meist nur der innere Bau, selten zugleich die Aussenflläche des Stammes, bei den in Sandstein oder Schieferthon eingeschlossenen nur diese und wenig oder nichts von den inneren Theilen erhalten ist. Bei fortschreitender Kenntniss der vor- weltlichen Reste werden daher manche als zusammengehörig erkannt werden und aus der Reihe selbstständiger Gattungen und Arten ver- schwinden. So können wir schon jetzt mit grosser Wahrscheinlichkeit aussprechen, dass die Megaphytum-Arten mit breiter, bandförmiger Ge- fässbündelnarbe Psaronien mit zweizeiliger blattstellung angehören. Wie diese letzteren fast ausschliesslich nach ihrem inneren Bau be- kannt, sind sie die Reste krautartiger Farnstämme, wie sie Cotta 1832 in seinem für das ganze Gebiet der verkieselten Stämme grund- legenden Werke ,‚Die Dendrolithen‘ in der Gattung Tubicaulis zu- sammengestellt hat. Wie bei fast allen lebenden Farnkräutern — bei allen schlesischen z. B., mit alleiniger Ausnahme von Polypodium vulgare — blieben schon zur Steinkohlenzeit die Grundtheile der Blattstiele am Stämmchen stehen, bis sie mit diesem endlich verwesten. So zeigt ein Querschnitt in der 946 Jahres-Bericht Mitte das rundliche Stämmchen umgeben, je nach der entfernteren oder sedrängteren Stellung der Blätter, von wenigen oder zahlreichen Blatt- stielresten, welche ebenfalls rund oder von aussen nach innen breit- gedrückt sind; zwischen ihnen oft zahlreiche dünne Wurzeln in den Boden herabsteigend. Unterschieden sind die Gattungen und Arten sowohl durch den Bau der Stämmehen wie der Blattstiele. Der erstere giebt die wichtigeren Merkmale zur Begründung verschiedener Gattungen, wie solche Corda 1845 in seinen „Beiträgen zur Flora der Vorwelt‘‘ aufgestellt hat, wenn auch mit willkürlicher Aenderung selbst der Artnamen, deren Wieder- herstellung nicht nur eine Pflicht der Pietät gegen Cotta ist, sondern auch den allgemein anerkannten Gesetzen der botanischen Namengebung entspricht. Den ersten Tubicaulis beschrieb Breithaupt in Oken’s „Isis“ 1820 als „‚Röhrenstein“. Es ist der T. solenites Cotta, welcher Gattungs- und Artennamen beibehalten werden muss, nicht Corda’s Selenochlaena Reichi. Das Stämmchen ist, wie ein prachtvoller Querschnitt im Berliner Museum und ein ähnlicher im städtischen Museum zu Chemnitz zeigt, fingerdick, rundlich, mit einfachem, drehrunden, mittelständigen Gefäss- bündel und dieker Rinde, durch welche die Blattgefässbündel schräg nach oben und aussen verlaufen. Diese bilden sich im Blattstiele zu einem tief rinnenförmigen Bande aus, das, abweichend von allen lebenden Farnen, seine hohle Fläche vom Stamme ab nach aussen kehrt. Die zweite Art, Tubicaulis dubius Cotta (Selenochlaena microrhiza Corda) ist der ersten sehr ähnlich. Das Original im Berliner Museum zeigt, wie die Abbildung bei Cotta, keinen deutlichen Stamm. Die Gattung Zygopteris Corda hat Stämmehen mit einem mittleren, längsgefurchten, im Querschnitte fünfstrahligen Gefässbündel, dessen Strahlen am Ende verbreitert, ja zuweilen kurz gegabelt sind. Im Innern des Sterns ist ein wahrscheinlich dem Mark entsprechendes Zell- gewebe, das in dünner Platte auch die Strahlen durchzieht. Der Holz- körper ist von einer dicken Rinde umgeben, in welcher die nach den Blättern gehenden Gefässbündel, meist in grosser Zahl, nach aussen laufen, um sich in den Blattstielen in ein ganz merkwürdiges H-förmiges Gefässbündel umzubilden. Bei Zygopteris primaria Cotta sp. (Z. primaeva Corda), welche nur in einem Stücke bei Chemnitz gefunden worden ist, waren die daumendicken Blattstiele diehtgedrängt um den leider nicht erhaltenen Stamm; bei den übrigen, durch Renault bekannt gemachten, viel kleineren Arten von Anteen, Z. Bronyniartü, Z. elhplica, Z. Lacatti und Z. bibractensis, waren sie an dem schlankeren Stengel zerstreut, so dass man im Querschnitt neben demselben keinen oder nur 1—2 Blattstielreste trifft. Aehnlich war der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 947 Wuchs der von Stur bei Neu-Pako entdeckten Z. scandens n. sp., welche in diehten Geflechten von Psaroniuswurzeln emporgeklettert ist. Die letzte Gattung, Asterochlaena Corda, wird von halbbaumartigen, aufrechten Farnstämmen gebildet, in deren Mitte ein tief längsgefaltetes, im Querschnitte sternförmiges Gefässbündel liest, dessen weit nach aussen vorspringende Falten selten einfach, meist gabelartig in zwei oder drei kleinere Falten tief getheilt sind, von deren Aussenrande die Blattgefässbündel entspringen, um durch die dicke Rinde nach aussen zu laufen. Diese ist bisher ganz übersehen und das Gefässbündel für den ganzen Stamm gehalten worden. Die Blattstiele, welche den Stamm bald dicht gedrängt, A. ramosa Cotta sp. (A. Cottai Corda), bald lockerer gestellt, A. laxa n. sp., umgeben, enthalten ein mittleres, ganz unten rundliches, im mittleren Blattstielgsrunde plattes Gefässbündel, weiter oben wird es bei diesen beiden Arten flach rinnenförmig, mit der hohlen Fläche, wie bei den lebenden Farnen, dem Stamme zugekehrt, während bei der aus der Kirgisensteppe bei Semipolatinsk stammenden A. kürgisica n. sp. auch die oberen Theile der Blattstielreste ein ganz plattes, im Querschnitt gerades Gefässbündel haben. Als eine allen diesen Formen gemeinsame Bildung ist die auffallende Dicke der Rinde um das mittelständige Gefässbündel bemerkenswerth, welche der bei vielen Psaronien vorkommenden zwar nachsteht, aber die der jetzt lebenden Farne weit übertrifft und auf eigenartige Wachs- thumsbedingungen schliessen lässt. | Herr K. G. Limpricht berichtet über fortgesetzte Beobachtungen von Quellentemperaturen im Riesen- gebirge. In der zweiten Woche des Juli 1883 zeigte eine Quelle beim Wirths- hause in Forst Langwasser + 5 Grad R,, eine dicht bei der Wasser- bude und eine zweite bei der Bergschmiede 4 Grad R.; die Quelle am Ursprunge des Löwengrabens, eine neben der Riesenbaude und eine an der Südseite des Brunnenberges je 3 Grad. Professor Cohn legt eine Anzahl Monstrositäten und Gallen vor, welche Herr E. Hippe bei Pirna gesammelt und Herr E. v. Thielau für ‚das pathologische Herbar des pflanzenphysiologischen Instituts übersendet hatte, sowie eine junge Fichte, welche seit einer Reihe von Jahren lauter faseinirte Aeste entwickelt, während sie in der Jugend normal gebaute Stammbildung zeigte, Geschenk des Herrn Generaldireetor Ge- heimrath Dr. Krätzig zu Hermsdorf u. K. Herr Dr. E. Eidam zeigt Kaninchennieren, in Spiritus conservirt; sie stammen von Thieren her, die in Folge Einspritzung mit Conidien- sporen der Sterigmatocystis nidulans innerhalb drei Tagen zu Grunde ge- 248 Jahres - Bericht gangen waren. Die Nieren zeigen massenhafte Erhabenheiten, welche aus kleinen weissen Pilzheerden bestehen, die durch Keimung der Sporen im Thierkörper entstanden sind. Des Näheren vergleiche meine Arbeit in Cohn’s Beiträgen z. Biologie d. Pflanzen, Band III Heft 3 p. 397. Daran werden Bemerkungen über die wenig constante Farbe jener Schimmelrasen geknüpft, welche die Conidienfructification vieler Asco- myceten darstellen. Die gelben, grünen und blauen Schimmel sind in dieser Hinsicht besonders wandelbar, während die rothen, schwarzen, braunen ihre Farbe viel mehr unverändert beibehalten. Dieser Farben- wechsel hängt mit dem Alter der Schimmelrasen zusammen, sowie mit dem Standort derselben, wobei auch nach meinen Erfahrungen die dem Pilz beim Wachsthum zu Gebote stehende grössere oder geringere Licht- menge und die Temperatur wesentlichen Einfluss ausüben. Sehr häufig begegnet man Farbenänderungen bei den Aspergilleen, ebenso bei dem semeinsten aller Schimmelpilze, dem Penicillium glaucum Lk. Für die Rasen dieses Pilzes ist die hellblaue Farbe durchaus nicht so charakte- ristisch, wie Brefeld ') angiebt, denn sie erscheint auch bei anderen Schimmelpilzen, z. B. bei dem übrigens ebenfalls recht farbunbeständigen Aspergillus fumigatus, den Grawitz sogar, wie Koch und Gaffky es bewiesen, eben wegen seiner ungleichen Farbe direct mit dem nicht pathogenen Pinselschimmel verwechselt hat. Nur am jungen Penieillium ist die himmelblaue Farbe stets vorhanden, später erscheinen die Rasen srün und dies ist ihre gewöhnlichste Färbung, doch sind auch Ver- änderungen und Uebergänge derselben zu schmutzig grau, gelb und bräun- lich keine Seltenheit. Sehr häufig hat man die Schimmelpilze nach der Farbe ihrer Co- nidienrasen benannt, ein Verfahren, welches nach dem Gesagten als nicht besonders glücklich gewählt zu bezeichnen ist. Wenn nun aber auch die Farbe der Conidien inconstant sich verhält, so bieten dieselben doch, wie es scheint, ein anderes sehr zuverlässiges Mittel und Merk- mal für Erkennung der Arten: es ist dies ihre Grösse, welche innerhalb der Species sich constant erhält. Um genaue Vergleiche über die Grössenverhältnisse der Schimmelsporen unter einander anstellen zu können, dürfte sich als gutes Hilfsmittel anstatt des Zeichnens das Photographiren der völlig ausgereiften Sporen empfehlen, wie es ja in letzter Zeit bereits des Oefteren versucht und schon länger bei Dia- tomeen, Bacterien u. s. w. mit bestem Erfolg angewendet worden ist. Y) Schimmelpilze, 2. Heft p. 2. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 949 Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 1883 zusammengestellt von R. von Vechtritz. A. Für das Gebiet neue Species und Varietäten. + Koniga (Lobularia Desvx.) maritima R. Br. Nicht selten als Gartenzierpflanze gebaut, verwildert um Grünberg, z. B. bei Appelt’s -Mühle, noch am 25. November 1883! (Hellwig); ebenso um Breslau auf Schutt zwischen der Lohestrasse und Kleinburg, gleichfalls im November! (Frau Dr. Friedrich.) Raphanus sativus L. forma micrantha. Petalen mehr als doppelt kleiner als beim Typus, weiss oder bleich lila, mit etwas dunkleren Adern; längere Staubgefässe ungefähr so lang, kürzere merklich kürzer als der Griffel, zugleich kürzer oder höchstens so lang als der Nagel. Antheren meist geschrumpft. Frucht wie bei R. sativus, seltener bei einzelnen übrigens conformen Exemplaren perlschnurförmig gegliederte Schoten eingemengt, was indessen auch beim typischen R. sativus bis- . weilen vorkommt. Breslau: auf Feldern bei Dürrgoy da, wo 1881 der gelbblühende Bastard R. Raphanistrum >< sativus beobachtet wurde, von dem sich 1883 wiederum einzelne Individuen vorfanden. Von abge- schnittenen, in einem Wasserglase weiter ceultivirten Zwei- sen des Bastardes von 1881 erzielte Junger einige reife Samen, welche in Blüthenfarbe und Frucht in keinem Stücke von typischem R. sativus abweichende Pflanzen lieferten. Polygala comosa Schk. var. micrantha Uechtr. Stengel auf- steigend oder aufrecht, ziemlich niedrig, 0,15—0,20 m hoch; Blumen kleiner, blass lilafarben, nicht rosa oder tiefblau, Flügel schmäler, zu- letzt ungefähr so lang als die kleinere (ca. 3,5—4,0 mm) vorn breiter und zugleich seichter ausgerandete Kapsel. — Breslau: an feuchteren Stellen der Sumpfwiesen zwischen Schmolz und Reibnitz zahlreich, während an den trockeneren Rändern derselben sowie am benachbarten Eisenbahndamme die typische Form gemein ist. — Mit der gleichfalls kleinblüthigen P. podolica DC., zu der wahrscheinlich P. transsilvanica 250 Jahres-Bericht Schur nach diesem selbst gehört, ist diese Varietät der P. comosa nicht leicht zu verwechseln, da erstere weisse (Besser) oder grüne, weissgrüne oder bläuliche Blumen (Sehur.) besitzt und der letztere Autor ihr ausser- dem die tief ausgerandeten Kapseln fast um das Doppelte überragende Kelchflügel zuschreibt. — P. Lensei Boreau (Pröcis des prineipales her- borisations 1862 p. 20 et 21!) = P. vulgaris var. parviflora Coss. et Germ. Fl. par. Ed. I.) unterscheidet sich nach vom Autor vom Original- standorte (Bois de Herivaux pres Luzarches, Seine-et-Oise) mitgetheilten Exemplaren durch noch niedrigeren Wuchs, armblüthige, minder dichte Trauben, röthliche Blumen, breitere, sehr stumpfe, deutlicher netzaderige Kelchilügel, welche an meinem Materiale im Gegensatz zu der Be- schreibung Boreau’s zuletzt noch deutlich länger als die tiefer und zu- sleich schmäler ausgebuchtete Kapsel sind. Die französische Pflanze verhält sich im Uebrigen wegen der Kleinheit der Blumen und Früchte ähnlich zu P. vulgaris, wie die Breslauer zur P. comosa. Nyman (Consp.) zieht sie als Varietät zu P. Lejeunei Boreau, welche er als Unterart von P. comosa betrachtet, mit der sie allerdings schon Boreau vergleicht (Fl. de Centre &d. II et II). Wegen der Gestalt und Aderung der Flügel dürfte indessen die P. Lejeunei passender dem Formenkreise der P. vulgaris anzureihen sein. — Die P. Michaletii Grenier (Revue de la Flora des monts Jura 1875) = P. oxyptera Gren. (Flore du la chaine jurass. 1865 nec Rchb., welche der Autor selbst für näher verwandt mit P. comosa als mit P. vulgaris erklärt, ist mir leider nur aus der Be- schreibung bekannt, aber nach dieser ebenfalls von der Pflanze von Schmolz verschieden, welche ohne jede Frage zu P. comosa Schk. zu ziehen ist. | Loihyrus latifolius L. verus! Lüben: in lichtem Gebüsch des Waldes bei Gross-Kriechen! (Pharmaceut C. Scholz.) — Obwohl mir nur Blüthenexemplare vorliegen, so trage ich nicht das mindeste . Be- denken, die Pflanze, deren Standort allem Anschein nach ein ursprüng- licher ist, für den echten L. latifolius anzusehen, da sie sich von der im Zobtengebirge vorkommenden Form des verwandten L. heterophyllus L. mit durchweg einpaarig - gefiederten Blättern durch noch robusteren Wuchs, freudiger grünes, nicht blaugrünes, zugleich starreres Laub, durch die stärker hervortretende Nervatur der Blätter und Nebenblätter, welche letztere ausserdem zahlreichere Nerven zeigen, ferner durch die noch stärker verlängerten, dickeren und steiferen Traubenstiele und die sehr ansehnlichen und intensiver gefärbten Blumen unterscheidet. — Uebrigens giebt schon Krocker L. heterophyllus L. aus der Lübener Gegend an (,,im Walde nach Raudten zu, mehr hinter Mallmitz‘); vielleicht ist die dortige Pflanze mit der von Gr.-Kriechen identisch gewesen, wofern nicht etwa eine naheliegende Verwechslung mit breitblätterigen Exemplaren des L. silvestris vorgelegen hat. Krocker’s Notiz ‚inter dumeta post Perschen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 951 (Pirscham bei Breslau) semel inveni“ bezieht sich dagegen sicher auf L. intermedius Wallr. (L. sylvestris var. platyphyllos Reiz), da sich diese Art noch gegenwärtig dort findet und zwar ohne alle Verwandte. — Vielleicht ist das Vorkommen des L. latifolius bei Lüben auf eine Ver- schleppung von Samen der Gartenpflanze durch Vögel zurückzuführen, da diese Art zunächst erst nach Wallroth in den südlichen Vorbergen des Harzes, dann wieder im südlichen Mähren, in Niederösterreich und und im südlichen Trentschiner Comitat spontan auftritt. Andererseits wäre es indessen nicht unmöglich, dass die älteren Angaben für L. lati- folius im südlichen Theile unserer Provinz (Fritzenwald bei Gr.-Herrlitz unweit Troppau: A. Mayer, und besonders die von den Gipshügeln bei Dirschel: Schramm) der echten Pflanze dieses Namens galten. Crataegus monogyna >< Oxyacantha Lasch. Da die zur Unter- scheidung beider Crataegus-Arten benutzten Charaktere auch in unserem Gebiete vielfach variiren, so habe ich sie früher ebenso wie viele Andere nicht speeifisch unterschieden. Nachdem ich indessen in neuerer Zeit Gelegenheit gefunden, die bei uns vorkommenden Formen im Freien ge- nauer zu beobachten, bin ich anderer Meinung geworden und halte nun- mehr C, monogyna Jacg. und C. Oxyacantha L. (C. oxyacanthoides Thuill.) für verschiedene, allerdings polymorphe Species, zwischen denen Mittel- glieder hybriden Ursprungs existiren, die sich wenigstens in gewissen Fällen mit einiger Sicherheit von den scheinbare Uebergänge darstellen- den Formen der echten Arten unterscheiden lassen; vergl. auch Focke, Pflanzenmischlinge S. 146.) — In der Breslauer Gegend, zumal in der Oderniederung, herrscht für gewöhnlich ©. monogyna Jacg. vor und zwar in der Abart mit kahlen oder nur schwach bekleideten Blüthenstielen und Kelchen (var. denudata Schumach. Enum. pl. Saelland p. 155 = ver. glabra Peterm. et var. glabrata Sond. fl. hamburg.), €. intermedia Fuss’), welche Fingerhuth (Linnaea IV, 3. Heft) für die echte C, monogyna an- sah. Die vorherrschend für die typische C. monogyna Jacq. genommene Form (C. kyrtostyla Fingerh. 1. e. p. 3721) mit stärker bekleideten, bis- weilen selbst zottigen Blüthenstielen und Kelchen findet sich in hiesiger Gegend meist nur vereinzelt unter der anderen; übrigens sind Ueber- gänge, wie auch anderwärts in Mitteleuropa, nicht eben selten. So zeigte z. B. ein bei Carlowitz beobachteter Strauch, der in der Haupt- sache zur typischen ©. monogyna Jg. gehörte, nicht selten sogar in der ) Die erste Andeutung des Vorkommens hybrider Zwischenformen findet sich wohl bei Wallroth (Sched. erit. p. 219); auch Reichenbach (Fl. germ. exc. und Fl. saxon.) vermuthet in der Crat. apüfolia (Med. sub Mespilo) eine Hybride; ebenso glaubt u. a. Wirtgen an ihr Vorhandensein und auch O. Kuntze (Taschen- flora von Leipzig) beschreibt eine Mesp. monogyna > Oxyacantha. ?2) Aber kaum C. intermedia Schur, dessen Pflanze vielleicht zu den hybriden Mittelformen gehört. an Jahres-Bericht nämlichen Inflorescenz einzelne Blüthen mit kahlen Stielen und Kelchen. Dass die Zahl der Griffel und Steinkerne bei beiden Arten variirt, darf als hinreichend bekannt gelten: auch die Richtung der Griffel ist nicht constant. Ebenso sind die Blumenblätter der ©. monogyna wenigstens bei uns durchaus nicht immer kleiner, sondern gewöhnlich eben so gross wie bei C. Oxyacantha und an den spontanen Exemplaren auch oft genug sogar grösser. Ueber die Fruchtform finden sich bei den Autoren Widersprüche. Viele, zumal frühere Beobachter, schreiben der C©. mono- gyna kugelige, der ©. Oxyacaniha dagegen elliptisch-eiförmige oder ovale Früchte zu. Nach Patze und Klinggräff sollen dagegen in Preussen beide Arten in Bezug auf die Gestalt der Früchte in gleicher Weise variiren, eine Angabe, die sich vielleicht darauf zurückführen lässt, dass den ge- nannten Autoren die Existenz hybrider Zwischenformen, bei denen dieser Charakter allerdings wechselt, unbekannt geblieben ist. Th. Wenzig (Pomariae) sagt bei C. monogyna: Pomum ovale aut subglobosum 1py- renum pauce carnosum, bei C. Oyyacantha: Pomum . .. . subglobosum carnosum 2pyrenum; in seinen „Pomaceen‘ bezeichnet er die Früchte der ersteren dagegen als verkehrt-eiförmig, die der anderen als fast kugelrund. Nach Fingerhuth sollen sie bei C. kyrtostyla (CO. monogyna typica) länglich, bei seiner C. monogyna (O. monogyna v. denudata) kugelig oder etwas länglich, bei C. Oxyacantha rundlich, fast kugelförmig, zu- weilen etwas länglich-rund, also ebenfalls veränderlich sein. In der Breslauer Gegend zeigen wenigstens nach meinen bisherigen Beob- achtungen die typisch ausgeprägten Individuen beider Formen der C. monogyna stets schmälere und längere, längliche oder eiförmig-längliche Früchte, die der C. Oxyacantha dagegen mehr oder weniger kugelige, was mit den Angaben von Sonder und Celakovsky übereinstimmt. Als einigermassen sichere Unterschiede bleiben also nur die übrigens bis zu einem gewissen Grade ebenfalls variable Blattform, die Farbe des Laubes, die um 6—10 Tage spätere Blüthezeit der C. monogyna am gleichen Standorte und besonders die Gestalt und Richtung der Kelchzipfel übrig. Unter den mehrfach beobachteten, muthmasslich hybriden Mittelformen möchte ich namentlich eine aus den Gebüschen der Oderniederung zwischen Rosenthal und Carlowitz mit Gewissheit für einen Bastard ansehen. Da der betreffende Strauch, dessen sehr reichblüthige Inflorescenzen meist nur einzelne oder seltener zwei Früchte produeirten, also eine offenbare Neigung zum Fehlschlagen zeigten, mitten zwischen je einem der Stammarten in ihrer ausgeprägtesten Gestalt stand und in den Cha- rakteren fast genau das Mittel hielt, so erschien derselbe zum Vergleich besonders geeignet und wurde daher während des Sommers in ver- schiedenen Stadien controlirt. Nur die völlig reifen Früchte konnten nicht gesammelt werden, weshalb ich eine ausführlichere Beschreibung erst später liefern werde. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 953 Epilobium parviflorum Schreb. var. canescens Haussknecht (ap. Borbäs, a hazai Epilobiumok p. 8)'). — Breslau: selten in Feldgräben hinter Gross-Bischwitz gegen Pawelwitz; auch von Schäfer um Ochel- hermsdorf bei Grünberg! gesammelt. Unsere Exemplare kräftig, bis 1 m hoch; Bekleidung des Stengels und der stark verlängerten, zugleich relativ schmalen (0,07—0,10 : 0,010—0,015 m) Blätter sehr dicht, auch die Blattoberseite weissgrau schimmernd. E. trigonum >< virgatum Pax (H. Uechiritzianum ej.) im Bot. Centralbl. 1883 Nr. 54. Unter den Eltern am Rehhorn bei Schatzlar 1879 (Pax). + Sasxifraga Geum L. (typica). Ziegenhals: Nordostabhang des Golzberges oberhalb des „‚Waldteiches‘ am rechten Ufer des Ahlbaches, etwa 5 Minuten vom Kurhaus Juppe im Nadelwalde an einer etwas sumpfigen, mit Alnus glutinosa bewachsenen Stelle mit Rubus Bellardi, Crepis paludosa, Phyteuma spicatum! (Richter). Vielleicht ursprünglich angepflanzt, da nach dem Finder eine unbeabsichtigte Einbürgerung dem Standorte nach ausgeschlossen scheint. Spontan in Nordspanien, den Pyrenäen und im südwestlichen Irland. Pimpinella SaxifragaL. f.rosea OÖ. Kuntze. Mit rosa-purpurnen Blumenblättern in einem Exemplare unter der gewöhnlichen weiss- blühenden Form an trockenen Wegrändern um die Oelmühle hinter Höfchen bei Breslau. Centaurea rhenana Boreau f. bicolor. Hüllblätter bleichgrün, mit kurzen lichtbraunen oder fast ungefärbten Anhängseln, Randblüthen weiss, Scheibenblüthen licht purpurn. — Grünberg: Droschkau! (Hellwig). Cirsium palustire >< acaule Hampe. Lüben: Gross -Kriechen (Fiegert nach Gerh.). -— Nicht gesehen. Hieracium subhyperboreum A. Peter (in „Flora“ 1883). Vom Autor aus im August 1879 bei den Grenzbauden im Riesengebirge ge- sammelten Früchten im Münchener botanischen Garten erzogen. Peter betrachtet die nach ihm sehr nahe mit dem nordischen H. hyperboreum Fr. verwandte Pflanze nur als Subspecies dieser dem südlichen H. floren- tinum All. näher als dem H. praealtum Vill. stehenden Art. Da ich selbst eine dem H. hyperboreum Fr. ähnliche Form weder von den erst neuer- dings wieder durch G. Schneider auf Hieracien sehr genau durchforschten Wiesen um die Grenzbauden, noch von anderen Standorten der Sudeten gesehen habe, so gebe ich die kurze, im Vergleich zu H. hyperboreum Fr. gehaltene Charakteristik des Autors zur Erleichterung der erneuten Auf- D) In Haussknecht’s inzwischen erschienener Monographie der Gattung wird indessen keine Form dieses Namens erwähnt; allem Anscheine nach ist unsere schlesische Pflanze identisch mit E. parvifolium b tomentosum Hsskn. „caule foliisque utrinque dense albido-tomentosis“, welches nach dem Autor vorzugsweise in süd- lichen Gegenden vorkommt. 254 Jahres - Bericht suchung hier wieder. „Blätter lanzettlich, spitzliich bis spitz, etwas glauceseirend, weich. Hülle 5,5—6,5 mm lang. Haare an Hülle und Kopfstielen mangelnd, am Stengel vereinzelt, hell, I mm aut den Blättern oberseits zerstreut, weich, 1—2 mm lang. Flocken auf der Hülle zerstreut, an den Kopfstielen reichlich, auf dem Blattrücken spär- lich. Blüthen dunkelgelb.“ H. iseranum >< Pilosella Uechir. Iserwiese 1855! (Wichura, als H. floribundum >< Pilosella); um die Grenzbauden! (Pax). — Von H. iseranum Uechtr. durch die reichlichere Sternhaarbekleidung der Blatt- unterseite und den aufgelösten, 2—3 Mal gegabelten Blüthenstand, sowie durch gewöhnlich etwas grössere Köpfe leicht zu unterscheiden. Vergl. auch Jahresbericht 1875 p. 62. H. alpinum L. var. holosericeum Backh. (als Art). Stengel einblätterig oder unbeblättert, einköpfig, von verlängerten weissen, am Grunde schwärzlichen Haaren seidig-zottig. Unterste Blätter schmal- spatelförmig, stumpf, mit aufgesetztem Spitzchen, seltener lineal-lanzett- lich, kurz zugespitzt; langgestielt, namentlich die inneren, ganzrandig oder schwach gezähnelt, beiderseits langhaarig, seltener oberseits Tast kahl. Köpfe anfangs etwas nickend, später aufrecht, ziemlich klein; Hüllen am Grunde fast kreiselförmig, nicht bauchig, von am Grunde schwärzlichen langen Seidenhaaren dicht zottig; äussere Hüllblätter meist locker abstehend, stumpf, ziemlich breit, die äussersten nicht selten blattig, die inneren lineal, zugespitzt. Ligularsaum und Zähne stark be- haart; Griffel stets gelb. Achänen (wenigstens nach Fruchtexemplaren vom Altvater) merklich kürzer als bei H. alpinum. Diese durch die kleinen, sehr lang und dicht seidig-zottigen, anfangs etwas nickenden Köpfe leicht kenntliche Form, welche ich schon seit Jahren unterschieden habe, gehört in den Formenkreis des H. alpinum a genwinum Wimmer. Im Hoch-Gesenke ist sie verbreitet: Köpernik, Altvater, Peterstein, Janowitzer Haide, gr. Kessel; viel seltener dagegen im Riesengebirge: mit Gewissheit bisher nur in der kleinen Schneegrube zahlreich!! am Eingange in die grosse Schneegrube! (G. Schneider); Agnetendorfer Schneegrube! (Speer). — Ausserdem in den nordenglischen und schot- tischen Hochgebirgen und nach Fries auch in Scandinavien, den Vogesen (H. alpinum var. albovillosum Froel. t. Fr.) und in Sibirien. H. nivale Velenovsky (Oest. bot. Z. 1883, 388) non Froel. An wüsten steinigen Orten bei der Schneegrubenbaude und unter dem Gipfel des hohen Rades im Riesengebirge in Gesellschaft von H. alpinum L. und „einköpfigem‘‘') H. nigrescens W., für deren Bastard der Autor diese ) Dieses betrachtet Velenovsky für den Typus der Art, doch ist dabei zu be- merken, dass H. nigrescens W. im Riesengebirge wohl ebenso häufig zweiköpfig vorkommt und dass die von V. beschriebene Pflanze nach der Diagnose und der Verbreitungsangabe überhaupt nicht dem echten H. nigrescens W. entspricht, wie der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 355 Form hält. Zwei durch die gütige Vermittelung Celakovsky’s erhaltene Originalexemplare stellen indessen zweierlei Pflanzen dar; die eine isü eine kleinköpfige, im Riesengebirge auch anderwärts (z. B. Forstberg! [Pax], kl. Schneegrube) vorkommende Form des H. alpinum a genuinum, speciell des H. alpinum sensw Tauschiano, mit zugleich minder starker weisser Zottenbekleidung der Hüllen; das andere grossköpfige gleicht aufs Haar einem H. alpinum var. melanocephalum Tausch., von welchem es nur durch das gänzliche Fehlen der langen weissen Zotten der Hüllen zu unterscheiden ist; statt ihrer sind, wie bei H. nigrescens und H. de- cipiens, nur kürzere, an der Spitze weissgraue oder graue Zotten vor- handen. Der Beschreibung nach entspricht die letztere Form dem H. nivale, welches weiterer Beobachtung anzuempfehlen ist. H. crepidiflorum Poläk! (in litt. et Oest. bot. Z. 1884) = H. murorum var. crepidiflorum Celak., Resultate der bot. Durchf. Böhmens im Jahre 1883 (1884). Stengel blattlos oder einblätterig; gegen die Spitze wie die Verzweigungen der Inflorescenz oft flexuos, fast bis zum Beginn der letzteren ziemlich kahl oder sehr kurz pubescirend. Blätter grau- grün, getrocknet gelblichgrün, schwach behaart oder verkahlend, auch am Rande nur kurzgewimpert oder fast kahl, von der Mitte bis zum Grunde zunehmend gezähnelt bis geschweift-gezähnt oder am Grunde gsrobgezähnt, seltener fast ganzrandig, eiförmig bis eilanzettlich, in den meist kurz- und schwächerzottigen Stiel halb- oder gleichmässig beider- seitig kurz verlaufend. Köpfe ziemlich klein; am Grunde verschmälert; 5—12, selten weniger, bisweilen aber zahlreich. Hüllen schwarz, kaum oder nur am Grunde grauflockig, wie die Kopfstiele mit mehr oder weniger zahlreichen schwarzen Drüsenhaaren, Hüllblätter schmal-lineal, lang gespitzt, vor dem Aufblühen die schmalen Köpfchen merklich über- ragend. Kopfstiele meist bogis aufsteigend oder fast schlängelig, doch bisweilen auch aufrecht. Ligularsaum kahl. — Riesengebirge: am west- lichen Ufer des kleinen Teiches ungefähr der Teichbaude gegenüber mit H. Wimmeri (Poläk, auch G. Schneider!), am Kiesberge (Dr. H. Krause 1879, hier ein sehr kräftiges, bis /, m hohes Exemplar mit 17 ent- _ wiekelten Köpfen! Velenovsky 1883), in der Melzergrube (Dr. H. Krause) und spärlich in der kleinen Schneegrube auf Basaltgeröll, ebenfalls mit H. Wimmeri (G. Schneider 1883), hier mit fast ganzrandigen Blättern. Nach Celakovsky auch am Krkono$ und an der Kesselkoppe, doch ge- hören nach brieflicher Mittheilung Poläk’s seiner Ansicht nach die von ihm daselbst gesammelten Exemplare zu anderen Gebirgsformen des H. murorum. Aus dem Gesenke, wo H. murorum übrigens minder formen- schon aus der Beschreibung der Blätter hervorgeht, welche offenbar auf das im Riesengebirge viel gemeinere und oft mit H. nigrescens verwechselte H. decipiens Tsch. hindeutet. | 256 Jahres- Bericht reich als in den West-Sudeten auftritt, sah ich bisher noch keine Exem- plare, doch bemerkt Poläk, dass er in Freyn’s Sammlung eine vielleicht hierher gehörige Form gefunden. — Nach P. stände seine Art in der Mitte zwischen H. murorum und H. Wimmeri, und auch C. vermuthet möglicherweise in ihr eine Hybride beider, doch scheint mir nach dem verglichenen getrockneten Materiale die Verwandtschaft mit H. Wimmeri nur gering und mehr habitueller Natur, so dass ich jetzt lieber mit C. die Pflanze als eine bemerkenswerthe Varietät des H. murorum auffassen möchte, obwohl ich selbst anfangs Hybridität vermuthete, und zwar wegen der auffallend kleinen Köpfchen mit H. vulgatum var. alpesire. Mit H. murorum var, microcephalum ist diese Form nicht zu verwechseln, ebensowenig, wie schon Poläk mit Recht bemerkt, mit H. murorum var. alpestre Griseb. Jedenfalls ist sie früher noch nicht unterschieden worden; die von Dr. Krause gesammelten Exemplare fand ich erst nachträglich bei einer Durchsicht des Sudetenmaterials von H. murorum meiner eigenen Sammlung, H. atratum Fr. var. polycephalum Öelak. (Resultate u. s. w. 1884) = H. polycephalum Velenovsky (Oest. bot. Z. 1883). — Zu den formenreichsten und daher durch eine prägnante Diagnose nur schwer zu fixirenden Hochgebirgsarten gehört unbedingt das H. atratum Fries, welches einerseits an H. murorum, IH. caesium, ja selbst an H. vulgatum, andererseits aber auch an H. nigrescens W. und H. glandulosodentatum Anschlüsse zeigt, deren Deutung theoretisch mitunter bequem durch die Annahme von Kreuzung, in Wirklichkeit aber selbst am Standorte häufig schwer oder unmöglich fällt. Die Behandlung der einzelnen Formen einer so polymorphen und wenigstens im Riesengebirge verbreiteten Species erfordert daber grosse Vorsicht und wiederholte Beobachtung in loco, aber zugleich auch in der Cultur'), um so mehr, als es an Ueber- ») Diese ist bei den Hieracien überhaupt nicht allein zur genaueren Controle in den verschiedenen Entwickelungsphasen, sondern auch behufs sicherer Fest- stellung der wesentlichen Charaktere von besonderem Werthe, da oft einzelne der am Standort zunächst in die Augen fallenden Differenzen keineswegs beständig sind, während die ersteren durch Generationen selbst bei sehr nahe verwandten Typen grosse Beharrlichkeit zeigen. Die Anzucht aus Samen beweist in vielen Fällen u. a. zur Evidenz, welch’ geringer Werth der Farbe und Bekleidung sowie der Zahnung und selbst auch der Gestalt der Blätter, überhaupt den ober- irdischen vegetativen Organen beizumessen ist. So zeigte schon in erster Gene- ration ein Theil der aus thüringischen Samen erzogenen Specimina der Form des H. bifidum Kit. (H. Retzü Gris.) mit im Umriss fast ganzrandigen, nur gezähnelten oder höchstens kleingezähnten Blättern (diese nach den Exemplaren des Herb. Kitaibel die Originalform!) fast durchweg von der Mitte bis zur Basis tiefbuchtig oder eingeschnitten-gezähnte Grundblätter, bei denen die oft bis zum Mittelnerv reichenden Einsehnitte vielfach von der Spreite getrennt waren und so den Blatt- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2357 sängen untereinander resp. zum Typus keineswegs fehlt. Ich habe bis- her von den zahlreichen Formen der H. atratum nur das sich dem H. murorum nähernde H. atratum Fr. var. subnigrescens Fr.! (H. sub- murorum Lindebg.!) unterschieden, weil es in seiner extremsten Gestalt allerdings von der Hauptart, namentlich in der Blattform, erheblich ab- weicht, aber auch dieses ist durch so viele Uebergänge mit ihr ver- bunden, dass man sich vielfach mit der richtigen Placirung derselben keinen Rath weiss. — Das H. polycephalum Velen., welches ich nach Einsicht vom Autor bestimmter Exemplare des Herbars Poläk’s und denen des böhmischen Museums mit Celakovsky auch nur als Varietät des H. atratum betrachte, war mir lange bekannt, ohne dass ich darin etwas anderes als ein in vieler Hinsicht dem H. stygium elatius der Ost- Sudeten analoges, sehr üppiges, feist- und hochstengliges, ästiges und reichköpfigeres H. atratum mit grösseren am Grunde grobgezähnten Stengelblättern erblickt habe, da sich Uebergänge zu H. atralum, vorzüglich zur Var. subnigrescens Fr. finden, dessen Verwandtschaft der Autor selbst betont. Der Grad der Drüsigkeit der Hüllen und Köpfchenstiele wechselt bei H. airatum ungemein und es hält oft schwer, kleinere Exemplare des typischen H. atratum mit nur einem Stengelblatte und schwach- drüsigen Inflorescenzen von H. caesium Fr. var. alpestre Lindebg. zu unter- scheiden, weil sich bei ersterer Art mitunter ebenfalls ein schwacher grauer Sternfilz an den Kopfstielen und am Grunde der Hüllen findet. Uebrigens verdient die Pflanze ohne Frage eine besondere Bezeichnung. Im Riesengebirge ist sie nicht eben selten; Velenovsky fand sie an der Kesselkoppe, am Kiesberge!, Ziegenrücken und in der kleinen Schneegrube; hier und am Gehänge unter der kleinen Koppe auch G. Schneider. Ich selbst sammelte sie auf dem Koppenplan und besitze ausserdem noch Exemplare von der Elbwiese, hier auch mit Uebergängen zu H. atratum v. subnigrescens Fr., vom Krkonos (M. Winkler) und aus der Melzergrube. Ein extremes, durch die langen und schmalen, be- sonders zahlreich und tief gezähnten Blätter ausgezeichnetes, 1876 am Rehhorn bei Schatzlar bei 1000 m. von Pax gesammeltes Exemplar stiel mehr oder minder geöhrt erscheinen liessen. Sie glichen alsdann sehr gut dem von Paneid von Kalkfelsen des Rtanj in Serbien 1870 als „H. bifidum Pant. Verz. vix Kit.‘ mitgetheilten Hieracium bis auf das schwächer blaugrüne Colorit des Laubes in allen wesentlichen Stücken und lieferten so den Beweis der von mir ursprünglich ebenfalls angezweifelten Zugehörigkeit der serbischen zu der Kitaibel’schen Form. Die Anzucht der ersteren aus Samen erzielte dagegen der Mutterpflanze in der Blattform und Zahnung ziemlich nahe kommende Indi- viduen. Uebrigens sei noch hervorgehoben, dass bei der Prüfung in der Cultur ein Generalisiren keineswegs am Platze ist, sondern von Fall zu Fall beobachtet werden muss und dass, wie dies schon Nägeli hervorgehoben hat, durch die Con- stanz bei der Anzucht an und für sich noch nicht der systematische Werth einer Form entschieden wird. 1883. 17 258 Jahres-Bericht rechne ich ebenfalls hierher; auch Celakovsky bemerkt zu einer eben- dort von Cyr. Purkyhe gefundenen, der meinigen ähnlichen, aber minder ausgeprägten Pflanze im Herbar des böhmischen Museums: „Aehnelt dem H. polycephalum Vel.“? — Endlich sei noch bemerkt, dass Fiek 1855 am Ostabhange des Brunnberges unterhalb des Steinbodens eine zumal in der Blattform der Rehhorn - Pflanze fast analoge, meist fünf- köpfige Form des H. caesium Fr. var. alpesire Lindebg. in drei Exem- plaren gesammelt hat. H. integrifolium J. Lange! var. alpestre Uechtr. So bezeichne ich gegenwärtig nach Prüfung eines ansehnlichen getrockneten Materials und nach egleichzeitig erfolgtem Vergleich mit den zunächst ver- wandten Formen in der Cultur das Hieracium des grossen Kessels im Gesenke, welches ich ehedem wegen vielfacher Uebereinstimmung seiner Charaktere zu H. albinum Fr. gezogen habe. Das Vorhandensein einiger Differenzen entging mir schon damals nicht, doch vermochte ich nach den mir zu Gebote stehenden wenigen unter sich zudem nicht ganz con- formen Herbarsexemplaren nicht, ihren Werth richtig zu beurtheilen. Das Verdienst der sicheren Unterscheidung der Pflanze des Gesenkes von der des Riesengebirges gebührt Freyn, der im Spätsommer 1883 Gelegenheit hatte, sie an ihren Standorten im Hochgebirge selbst genauer zu beobachten und namentlich auch den Mangel der etwas an H. pre- nanthoides erinnernden Form der Stengelblätter hervorhob. Derselbe bezeichnete sie brieflieh als H. moravicum n. sp., und ich würde nicht anstehen, diesen Namen zu adoptiren, wenn ich nicht inzwischen zu der Ueberzeugung gelangt wäre, dass unsere Pflanze trotz habitueller Ver- schiedenheit zu dem bisher mit Sicherheit nur in Jütland (wahrschein- lich aber auch in Norwegen) gefundenem H. integrifolium Lange in ganz nahen Beziehungen stehe.!) Die meist unwesentlichen Differenzen der Gesenkepflanze von dieser guten, bisher irrig zu den Vulgatis gebrachten Art haben sich in der Cultur als unbeständig ergeben; Ausführlicheres soll darüber bald an einer anderen Stelle mitgetheilt werden. — Ausser im grossen Kessel, wo übrigens schon Grabowski die Pflanze gefunden hat, natürlich ohne sie zu erkennen, findet sie sich noch im Mentschik- graben! (Freyn), im Schlösselgraben häufig! (Fieinus), am Franzens- Jagdhaus, am Peterstein! und zwischen dem Altvater und der Schweizerei! (derselbe), dann auch im westlichen Hochgesenke am Hockschar! unter H. vulgatum alpesire, aber wie es scheint sehr selten (Bubela). — Das echte H. albinum Fr. ist allein auf das Riesengebirge beschränkt und ist auch dort selten. Ich besitze es nur aus der grossen und kleinen !) Die Verwandtschaft hatte ich schon früher erkannt, aber ich hielt sie schon der verschiedenen Verbreitung halber für eine entferntere; die Var. alpesire bildet gewissermassen eine Art Uebergangsform zwischen H. integrifolium und H. albinum. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 359 Schneegrube (diese der Originalstandort), dem Melzergrunde, Elbgrunde und vom Krkonos, H. Freynianum Velen.! (in Oest. bot. Z. 1883 p. 389). Nachdem Celakovsky der von den schlesischen und böhmischen Hieraciumkennern früher für H. juranum Fr. genommene Art des Riesengebirges in der Oest. bot. Zeitschrift 1883 (p. 79 -82)') die Bezeichnung H. corconticum K. Knaf vindieirt hat, hätte man meinen sollen, dass die Frage definitiv erledigt sei. Gleichwohl hat Velenovsky (l. e. p. 399) die Ansicht aus- gesprochen, dass das ehemalige H. juranum fl. sudet. nicht aus zwei, sondern aus drei Arten zusammengesetzt ist, nämlich aus H. corconticum Knaf, H. asperulum Freyn und der obenerwähnten neuen Art. Celakovsky hat in seinen „Resultaten der botanischen Durchforschung Böhmens“ (1883) die Velenovky’sche Art nicht anerkannt, sondern sie einfach als Synonym zu H. corconticum gezogen. Ich habe, obwohl ich schon früher die Anschauung Celakovsky’s theilte, nichtsdestoweniger eine erneute Untersuchung für nöthig gehalten, da V. von seiner Pflanze (H. tenue Freyn in sched. nee alior.)?) ausdrücklich bemerkt: ,,‚Sie ist von dem H. juranum, wie es in Fiek’s Flora von Schlesien sehr schön diagnostieirt ist, ganz verschieden.“ Ich wählte zum Vergleich Freyn’sche Originale seines H. tenue, also das H. Freynianum von der Südseite des Krkonos, andererseits die Pflanze der Kesselgrube, zu der meiner Erinnerung nach auch die von dort durch Tausch als H. prenanthoides d paucifolium in den Pl. sel. edirte gehört, da diese allerdings auf den ersten Blick verschieden aussehen. Velenovsky schreibt seiner Art nur bis in die Hälfte oder wenig höher beblätterte Stengel zu und sagt dann später: „Auffallend ist sie durch .... den Blüthenstand, welcher von den obersten Blättern weit entfernt ist, während bei H. bohemicum die untersten Köpfe immer’) aus der Achsel eines breiten Hochblattes entspringen.“ Die Freyn’schen Exemplare haben vorherrschend fast bis zur Spitze beblätterte Stengel, wie das „echte H. juranum‘ des Riesengebirges, nur einzelne anomal gewachsene verhalten sich anders und bei den beiden kräftigsten wird der unterste Zweig der Inflorescenz durch ein völlig verlaubtes Hoch- blatt gestützt, was ich dagegen bei einem viel reichlicheren Material der zweiten Form von der Kesselkoppe nur in einem Falle bemerkte; ebenso an Individuen des H. juranum fl. sud. vom Krkono$ nur in zwei Fällen. Bei beiden Pflanzen ist der Stengel schärflich. Bei H. Freynianum sollen 2) Vergl. auch Jahresbericht der Schles. Gesellsch. 1882. 2) Nach dessen brieflicher Mittheilung ist dies die Pflanze, welche er bei der Besprechung seines H. asperulum in „Flora“ 1881 (Nr. 14) für H. alblinum Fr. ge- halten hat. 3) Nicht immer, zumal bei den kleineren wenigköpfigen Exemplaren, aller- dings aber in den meisten Fällen. 17* 2360 Jahres - Bericht die grundständigen Blätter zur Blüthezeit meist vorhanden sein, aber schon Freyn bemerkt (,,Flora“ 1. e.): ‚Die grundständigen Blätter fehlen dem H. albinum (@. e. Freynianum) zur Blüthezeit wohl auch, doch finden sich häufig Individuen mit frischer Blattrosette“ und dementsprechend finde ich unter 9 Exemplaren nur 3 mit zur Zeit der Anthese erhaltenen Grundblättern. Bei H. juranum der Fl. v. Schlesien sind allerdings die untersten Blätter alsdann vorherrschend vertrocknet, aber es finden sich öfter auch 1—2, seltener 3 noch frische. Die Blattform variirt bei beiden immerhin, obwohl innerhalb bestimmter Grenzen, doch der- art, dass manche Exemplare in der Gestalt der Blätter nicht zu unter- scheiden sind, obschon bei unserem H. juranum häufiger geigenförmige Stengelblätter vorkommen. Die feine und scharfe Spitze der letzteren ist beiden Formen gemeinsam. In der Zahl der Köpfe ist kein Unter- schied, da die grösseren Individuen des H. Freynianum auch bis 3 zeigen; ebenso ist die Grösse derselben nicht constant verschieden, da wenigstens bei meinem Material des H. Freynianum nur die armköpfigen Specimina etwas ansehnlichere Köpfe zeigen. In der Bekleidung der Kopfstiele und Hüllen finde ich keinen Unterschied. So kommt demnach ein guter Theil der angeblichen Differenzen in Fortfall und man könnte meinen, dass die besprochenen Pflanzen voll- ständig identisch wären, was wie gesagt ursprünglich auch meine An- sicht war. Ich weiss nicht, ob Velenovsky die Pflanze der Kesselgrube selbst lebend beobachtet hat, resp. ausreichend nach getrocknetem Ma- terial studiren konnte, aus seinem eigenen Bericht geht dies wenigstens nicht deutlich hervor. Hat er, wie ich vermuthe, hauptsächlich nur die Diagnose der Flora von Schlesien ins Auge gefasst, so war ihm die Aufstellung der dritten Juranum-Form der Sudeten keineswegs zu ver- denken, denn jene ist wie seine eigene des H. Freynianum ebenfalls nicht ohne Mängel, zumal sie einige beiden Formen gemeinsame Cha- raktere nicht enthält, deren Erwähnung Velenovsky wohl überzeugt haben würden, dass die besprochenen Pflanzen nicht „ganz verschieden“, sondern vielmehr einander ganz nahe verwandt sind. Von den brauch- bareren Unterschieden hebt schon V. selbst bei seiner Art die scharf gezähnten Blätter im Gegensatz zu den entfernt-drüsig gezähnelten oder entfernt-klein und regelmässig gezähnten des H. juranum typieum Fl. Sl. hervor. Die Pflanze der Kesselkoppe wenigstens zeigt sich in der Zahnung im Ganzen sehr constant. Bei H. Freynianum ist die Zahnung vorherrschend schärfer,') nach dem Grunde zu zahlreicher und grösser; die Drüsenzähne der Stengelblätter sind oft einwärts gekrümmt und als- !) Direct „scharf“ gezähnt möchte ich sie nicht nennen, da dies nur in ein- zelnen Fällen vorkommt und mitunter an demselben Exemplar auch schwächer gezähnte Blätter vorhanden sind. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 261 dann erinnert die Pflanze einigermassen an H. bohemicum Fr. Schon Freyn (‚Flora‘) betrachtet das H. Freyrianum als nahe mit H. bohemicum verwandt und Velenovsky hat ganz Recht, wenn er es für eine Mittel- form zwischen H. bohemicum Fr. und H,. juranum der Flora von Schlesien erklärt. Nur ist zu bemerken, dass die Affinität mit jenem eine mehr äusserliche ist, während das sudetische H. juranum sich unmittelbar an- schliesst. Unter 20 von der Kesselkoppe stammenden Exemplaren zeigt nur ein einziges die Zahnung des H. Freynianum. Die von Fiek am Südabhange des Krkonos gesammelten Specimina unseres H. juranum halten insofern die Mitte, als sie wohl die schärfere Zahnung des H. Freynmianum besitzen, wogegen die grössten Zähne nicht wie bei diesem gegen den Blattgrund, sondern in die Mitte fallen. Die ebenerwähnte Fiek’sche Pflanze des KrkonoS ist übrigens auch in der Färbung des Laubes intermediär zwischen H. Freynianum, welehes getrocknet gelb- grün (nach Freyn im Leben stark blaugrün)') wird und dem H. juranum der Kesselgrube, welches beim Auflegen die ebenfalls ins Seegrüne spie- lende grüne Färbung bewahrt. Den Stiel der grundständigen Blätter ist bei Velenovsky’s Art kürzer als bei unserem H. juranum. Bei diesem ist die Granulation und Rauhigkeit der Blätter wohl mitunter etwas geringer, aber dieser Charakter ist durchaus nicht constant. Auffälliger sind jeden- falls die längeren, noch stärker flexuösen Kopfstiele bei H. Freynianum, in Folge derer besonders an kräftigen Exemplaren die Köpfe entfernter stehen und die ganze Inflorescenz mehr gelockert erscheint, was bei der Form der Kesselkoppe nur ausnahmsweise vorkommt. — Aus dem zu- letzt Gesagten wird ersichtlich, dass die beiden besprochenen Formen keineswegs genau zusammenfallen, ja dass, wenn man sie nur in ihren extremen Gliedern vergleicht, der Gedanke an specifische Verschieden- heit naheliegt. Aber einmal sind die Differenzen doch nur relative und, wie bemerkt, vielfach nicht constant, dann aber ist das Fiek’sche 2. juranum vom Kıkonos gewissermassen selbst wieder eine Zwischenform, die freilich in der Hauptsache der der Kesselgrube näher steht. — UVebrigens gehört das mir von K. Knaf mitgetheilte Exemplar seines H. corconlicum, welches ich früher, abgesehen von der habituellen Aehn- lichkeit, wegen der Uebereinstimmung in den wichtigeren Charakteren für völlig identisch mit dem H. juranum der Kesselkoppe hielt, ent- 2) Diesem Charakter möchte ich in dieser Gruppe keinen besonders hohen Werth zuschreiben. Denn wenigstens bei noch ganz jugendlichen von Junger aus Samen der Freyn’schen Originale erzogenen Individuen des H. Freynianum sind die Blätter auch frisch bereits blassgrün mit einem Stich ins Gelbliche und zeigen keine Spur von Glaucescenz. Ferner wurde schon früher aus noch heute ge- trocknet intensiv blaugrünen Exemplaren einer ebenfalls in die Juranum-Gruppe gehörigen Form von Söller im Allgau (Caflisch, als H. murorum > prenanthoides) durch Aussaat eine Pflanze mit frisch ausgeprägt gelbgrünem Laube erzielt. 262 Jahres-Bericht schieden zu H. Freynianum, was somit allerdings Velenovsky’s Ver- muthung bestätigt, andererseits aber auch für die Zugehörigkeit beider Formen zu einer Art spricht, für welche der Priorität der Publication gemäss der Name H. corconticum K. Knaf voranzustellen wäre, zumal derselbe ursprünglich schon vom Jahre 1872 herrührt, aber in Folge meiner Bestimmung als H. juranum Fr. damals unterdrückt wurde. Man könnte alsdann die beiden Formen als & Freynianum (Velen.) und ß Trautimanni Uechtr. unterscheiden, zumal erstere die häufigere zu sein scheint; zu derselben gehört auch ein von Dr. H. Krause am Kies- berge gesammeltes Exemplar. In der Pflanze der Kesselgrube, also in dem H. prenanthoides d paucifolium Tausch, vermuthete der erste schle- sische Wiederentdecker 'Trautmann, nach dessen Angabe dieselbe dort nur sehr spärlich vorkommt, seinerzeit ein H. bohemicum >< prenanthoides, in der ersteren Freyn (in „Flora“ 1. e.) eine Hybride von H. bohemicum und einer anderen Art, vielleicht mit H. asperulum Freyn. Ich enthalte mich in dieser Hinsicht jedes definitiven Urtheils, bemerke aber dazu, dass sich die intermediäre Stellung so mancher unserer kritischen Hieracien des Hochgebirges eben so gut, wenn nicht besser, auf phylo- genetischem Wege erklären lässt und dass es vorläufig wohl passender sein dürfte, solche Formen als Arten zweiten Ranges zu unterscheiden. Dass ich übrigens die Riesengebirgspflanze zuerst als IH. juranum Fr. (im Sinne der Epierisis) bestimmt habe, hatte seinen guten Grund. Auf eisenhändige Bestimmungen des Autors in meiner Sammlung, sowie durch Material aus verschiedenen Gegenden der Alpen und anderer mittel- europäischen Hochgebirge ist mir schon früher klar geworden, dass das H. juranum der Epicrisis einen polymorphen Typus darstellt, dessen einzelne Glieder vielfach als Hybride zwischen H. prenanthoides Vill. und der Vulgatis, speciell des H. murorum gedeutet worden sind. Bei der Schwierigkeit der Begrenzung resp. Deutung der einzelnen Formen nach Herbarsmaterial begnügte ich mich nach dem Auffinden der in diesen Kreis gehörigen Sudetenpflanze, dieselbe einfach als H. juranum zu be- stimmen, um so mehr, als mir ganz nahe kommende Formen auch aus der Schweiz vorlagen. Das H. jurassicum Gris. (H. juranum Fr. Epier. ex p.) kommt hier nicht in Betracht, da es sich, wie Celakovsky bereits richtig bemerkt, von dem H. corconticum am meisten entfernt, auch das H. Froelichiüi Buek in seiner ausgeprägten Gestalt meine ich ebenfalls v nicht, obwohl zu erinnern ist, dass die von Freyn und Celakovsky er-. wähnten Differenzen, weil nicht immer constant, nur zum Theil aus- reichen, wie denn überhaupt der Formenkreis dieser auch im Allgau vorkommenden Art noch genauer zu studiren sein wird.‘) Dagegen ») Die von Arvet-Touvet von H. juranum Fr. abgezweigten Arten sind mir leider nur nach den Beschreibungen bekannt. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 263 scheint mir mit H. corconticum bereits weit näher verwandt eine von meinem verstorbenen Freunde Christener als „H. albinum Fr.? = H. ju- ranum olim“ vom Eisboden im Grindelwald 1865 mitgetheilte Pflanze, die ich für Varietät des H. juranum bestimmte und die später Fries in meiner Sammlung selbst als solches bezeichnet hat. Die nämliche ist später von ihm selbst im Supplement seiner Hieraeia europ. exseic. von gleichem Standort („ad pedes montis Wetterhorn‘) und Sammler als H. juranum ausgegeben worden und auch sonst in den Herbarien ver- breitet. Manche Individuen derselben sehen dem H. corconticum, speciell dessen Var. £, dem die Form des Berner Oberlandes überhaupt näher kommt, schon sehr ähnlich, doch ist diese grossköpfiger; die Hüllblätter, deren Bekleidung wie die der Kopfstiele in der Stärke etwas wechselt, aber meist auch aus schwarzen Drüsenhaaren mit eingemischten längeren dunklen Borsten zusammengesetzt ist, sind weniger schmal und die Stiele der grundständigen mitunter etwas an die des H. albinum Fr. er- innernden, wie die übrigen deutlich netzaderigen Blätter sind meist, aber nicht immer, breiter. Der Blüthenstand dieser beim Trocknen gelb- werdenden Pflanze ist bei meinen Exemplaren von der Laubblattzone meist gesondert, an dem stärksten ist der unterste Zweig jedoch durch ein breites Hochblatt gestützt, ein neuer Beweis für die schon oben be- sprochene Inconstanz dieses Charakters. — Im Wesentlichen ganz und sar nicht wüsste ich dagegen ein durch Fehlschlagen zweiköpfiges, aber im Uebrigen keineswegs verkümmertes von Dr. Lagger im Eginenthale des Ober -Wallis gesammeltes und als H. prenanthoides bezeichnetes Speeimen von H. corconticum $ zu unterscheiden, welches nur durch die geringere Drüsigkeit und die noch spärlicheren Borsten von diesem ver- schieden ist, welches somit auch ein Bürger der Schweizer Flora zu sein scheint. Prunella grandiflora > offieinalis? Wahrscheinlich ent- sprechen drei im August 1883 auf den Wiesen vor Lissa bei Breslau sesammelte Exemplare dieser auch von Irmisch und Hausknecht in Thüringen beobachteten Combination, zu welcher nach G. Beck (Verh. z. b. G. in Wien 1883) auch P. intermedia Lk. und P. alpina Timbal ge- hören. Die Deutung dieser Form schien mir am Standorte selbst nicht ganz sicher, da sie wegen völliger Uebereinstimmung in den vegetativen Organen in der Tracht einer kleinblumigen P. grandiflora durchaus glich vV und das Vorkommen einer solchen auch von Uelakovsky erwähnt wird.!) Allein der genauere Vergleich ergab eine nicht unwesentliche Differenz ») Prodr. II, 364: „Kronen gewöhnlich sehr gross, auf feuchtem Standorte aber auch kleiner, nur so gross wie bei P. laciniata‘“ Zur Einsammlungszeit standen allerdings die sonst trockenen vorderen Lissaer Wiesen in Folge anhalten- der Regengüsse stellenweise längere Zeit unter Wasser. 264 Jahres - Bericht in den Blumen, deren Oberlippe nur allmählich gewölbt ist, wobei zu- gleich der Rücken durch einen nur schwach hervortretenden Kiel markirt erscheint; sie sind mehr als doppelt kleiner und matter violett gefärbt. Wie bei P. grandiflora ist dagegen die Oberlippe des Kelches an der frischen Pflanze gleich nach dem Verblühen vorn mehr in die Höhe ge- richtet und der Kelch somit offen, während bei P. vulgaris alsdann auch die Oberlippe ziemlich gerade vorgestreckt ist und der Kelch fast ge- schlossen bleibt. Indessen ist dieses Merkmal keineswegs constant, bei einer grossen Anzahl daraufhin geprüfter Exemplare traf es aber in den meisten Fällen zu, so dass es wenigstens secundäre Berücksichtigung verdienen mag. Plantago lanceolata L. var. nigricans Link. (als Art) nach Rehb, fl. exc. Trocekenhäutiger Rand der Deckblätter, Kelchzipfel und Mittellinie der Blumenkronzipfel mehr oder weniger intensiv schwarz- braun bis schwarz. '8So um Reinerz! (1817 Ueehtt. pat.);' ım Schlesierthale (1863); Breslau: Kleinburg und Kleefelder bei Carlowitz! (Kabath); Bahnhof Sibyllenort und wahrscheinlich noch an vielen an- deren Orten. Rumex erispus >< sanguineus Hausskn. Unter den muthmass- lichen Eltern in einem erst blühenden Exemplare auf Grasplätzen der Gebüsche unweit des Bahnhofes Canth in der Nähe der Polsnitz,. Von R. erispus durch die zartere Textur und lichtere Färbung der am Rande etwas weniger krausen Blätter, sowie durch den bis gegen die Spitze beblätterten Blüthenstand, von R. sanguineus durch schmälere, am Grunde nicht herzförmige, am Rande zum Theil krause Blätter, durch die sehr kurzen Verzweigungen der minder lockeren Scheintrauben und demzufolge durch eine abweichende Tracht verschieden. Sonst gefunden am Eitters- berge bei Weimar, am Süd-Harze, bei Lorch am Rh. und im Süntel (Haussknecht); nach H. Trimen auch in England. R. conglomeratus >= crispus. ? Ein reichlich 1 m hohes Exem- plar an überschwemmt gewesenen Sumpfstellen der Weidengebüsche des Oderufers vor Marienau hinter dem Wasserhebewerke unmittelbar unter R. erispus und R. Hydrolapathum, an welchen die Pflanze wegen ihrer Höhe und der Dimensionen des Stengels und der Blätter habituell er- innert, doch sprechen die Charaktere durchaus gegen eine Mitbetheiligung dieser Art. An R. crispus mahnen die am Rande etwas gewellten Blätter, die Beblätterung der Zweige der Inflorescenz und die rundlich- herzförmigen inneren Perigonabschnitte, von denen einzelne am Grunde mit kurzen Zähnen versehen sind, was bei der erwähnten Art mitunter ebenfalls vorkommt. In der Nähe des Standortes fanden sich ausserdem noch häufig R. obtusifolius (R.. silvestris Wallr) und R. conglomeratus ; gegen eine Beeinflussung durch ersteren spricht ausser dem total ver- schiedenen Habitus u. a. auch die reichliche Beblätterung der Blüthen- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 365 stands-Verzweigungen, die schmalen Blätter u. s. w., Merkmale, die auf R. conglomeratus hinweisen, der auch eine ähnliche Färbung des Laubes besitzt. Die unteren Blätter des Stengels sind bei ca. 30 cm Länge nur etwa 8 cm breit; im Umriss lanzettlich, mit unregelmässig gestutztem Grunde, nicht abgerundet oder herzförmig, was wiederum an R. crispus erinnert. Somit wäre die obige Deutung der jedenfalls hybriden Pflanze wohl die natürlichste. Bisher von Haussknecht bei Pyrmont, Nordhausen, Weimar und sonst in Thüringen beobachtet. Saliz silesiaca — bicolor Pax. Schon früher an dem einzig möglichen Standorte, dem Schneegraben des Riesengrundes, in Gesell- schaft der Eltern, zuerst von Freyn und Fiek, dann von Pax! (1881) steril aufgefunden. — Eine sehr deutliche Mittelform zwischen beiden Eltern; da am Standort die 8. bicolor nur in Q Sträuchern vorkommt, offenbar durch Pollen von $. silesiaca 3 entstanden. Carex pilulifera 8. var. longebracteata J. Lange. (/) Meist höher und oft auch robuster; unterstes Tragblatt das 5 Aehrchen mehr oder weniger überragend, 4—10 em lang, nicht selten verlaubt und bogig nach aufwärts gekrümmt, auch die nächstfolgenden länger wie gewöhnlich und oft sämmtlich länger als die Spitze des Halmes. Das unterste, bis- weilen auch das zweite 2 Aehrchen von den übrigen getrennt, ausnahms- weise (an einem von Lange aus Dänemark erhaltenen Exemplar) am Grunde zusammengesetzt; bei gleicher Breite gewöhnlich länger. Deck- blätter meist blasser.') — Lublinitz: Trift Sumpisko bei Sumpen (1863); ferner von Hellwig um Grünberg im Rohrbusch! und von L. Becker zw. N.-Leschen uud Sprottischwalde! gesammelt. Jedenfalls wohl häufiger im Gebiete; ich besitze die nämliche, übrigens in die gewöhnliche über- gehende Form auch von Berlin (J. F. Ruthe) und aus Frankreich (Dep. Nord, sommet du Mont-Noir pres St. Jean-Cappel, leg. Vereier). — Die englische (. pilulifera var. Leesiü H. N. Ridley (C. saxumbra Lees) schliesst sich nach der Beschreibung und Abbildung des Autors (Journ. of Bot. 1881 Nr. 220) der var. longebracteaia nahe an, sie weicht aber noch durch die Gestalt der Schläuche ab. ,‚The nut differs from that of typical pilulifera in its longer beak, larger size and longer, almost fusiform shape, the down with wich it is covered is also shorter and scantier.‘ Exemplare von Grünberg, Lublinitz und Berlin gleichen aber auch in dieser Hinsicht der englischen Pflanze in den meisten Stücken und selbst bei typischer C. pilulifera mit kurzen Trageblättern ist die Gestalt, Grösse und Bekleidung der Schläuche etwas veränderlich, indem länger geschnäbelte und deutlicher gestielte nicht zu den Seltenheiten gehören. !) Das erwähnte Original-Exemplar von Seeland zeigt indessen sogar dunkler gefärbte als die typische Form; ein von H. Mortensen gesammeltes von ebenda dagegen auffallend bleiche. 266 Jahres-Bericht Auch die andere für die var. Leesii von Ridley angeführten Differenzen, wie Farbe und Länge der Deckblätter, finde ich nicht constant. + Polypogon monspeliensis Desf. Gleiwitz: ziemlich zahlreich an einer ausgetrockneten Sumpfstelle der Kloppotwiese 1883! (Ober- realschullehrer Jungck.) B. Neue Fundorte. Thalictrum flavum L. Trachenberg: an einer Stelle der Orlawiesen bei Corsenz! (Schwarz). Hepatica triloba @il. Grünberg: Schlossberg bei Bobernig! (Hell- wig); in dortiger Gegend sehr selten. Ohlau: Bischwitz hinter Stein- dorf! (Kionka). Weissblühend im Moisdorfer Grunde bei Jauer (Ger- hardt) und im Labander Walde bei Gleiwitz! (Junsck). Anemone silvestris L. Liegnitz: verwildert am Zaune des alten Pfarrgartens in Rüstern (Gerh.). A. ranunculoides L. Um Breslau noch bei Sibyllenort und Do- matschine, zw. Nimkau und Gäbel, sowie häufig um Canth. Adonis aestivalis L. var. citrina (Hoffm.). Liegnitz: drei Exemplare auf Aeckern südöstlich von Weissenrode (Gerh.). — Bisher nur in Oberschlesien beobachtet. Ranunculus aquatilis L. var. submersus G. G. Lüben: Alt- stadt! (C. Scholz); Trachenberg: Grenzvorwerk! (Schwarz). R. trichophylius Chais. Grünberg: Ochelshermsdorf! (Lehrer Schäfer). — Var. Drouetü (F. Schultz): Lüben: Brauchitschdorf! (C. Scholz); Trachenberg: Glaserlache bei Corsenz! (Schwarz). R.sceleratus L. Die Form mit langgestielten, denen der Batrachien ähnlichen Grundblättern in den Teichen bei Rosenthal nächst Breslau. R. cassubicus L. Ober-Glogau: mit Hacquetia Epipactis bei Leschnig (Wetschky). R. auricomus L. Noch im Riesengrunde unter der Bergschenke! (G. Schneider); Var. fallax W. et Gr. sehr ausgeprägt im Walde bei Ober-Stradam, Kreis Poln.-Wartenberg! (Oberstabsarzt Dr. Schröter). Trollius europaeus L. Breslau: Bischwitz am Berge (Kionka). Isopyrum thalictroides L. Breslau: in einem kleinem Laub- gehölze dicht beim Dorfe Jäkel unweit Obernigk (C. Scholz). Aquilegia vulgaris L. Wölfelsgrund (Schöpke). Arabis arenosa Scop. Breslau: Lohewiesen bei Hartlieb rechts der Strasse an einer Stelle ziemlich zahlreich! (Kionka). A. hirsuta Scop. Grünberg: Barnd’sche Mühle! (Hellwig); Trachen- berg: Rossgarten bei Corsenz! (Schwarz). Barbarea siricta Andrz. Trachenberg: an der Orla bei Corsenz! (Schwarz). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 367 Cardamine Impatiens L. Klessengrund am Schneeberge (Schöpke); Ziegenhals: hinter dem Kurhause Juppe (Richter). C. silvatica Lk. Klessengrund (Schöpke). Dentaria enneaphylla L. Wölfelsgrund (Schöpke). Sisymbrium officinale Scop. var. leiocarpum DOC. Ist nach Gerhardt die vorherrschende Form in den Dörfern am Fusse des Riesen- sebirges von Seidorf bis Dittersbach. + 8. Sinapistrum Craniz. An dem Grünberger Standorte (Walters Berg) sich haltend, noch 1883 (Hellw.). + Diplotaxis musalis DC. Um Breslau, wo sie früher noch nicht beobachtet wurde, auf Schutt bei Dürrgoy in geringer Anzahl von Dr. Schröter gefunden, in Menge dagegen um Trachenberg an einer Stelle der Chausseeböschung bei Corsenz! (Cantor Schwarz); war nach dem Finder 1832 dort noch nicht vorhanden. — Neusalz: am Zaune eines Holzhofes beim Bahnhofe! (Hellw.). Lunaria rediviva L. Schmiedeberg: hinter dem Erdmannsdorfer Friedhofe (G. Schneider), unterhalb Forst Langwasser am Langwasser (Gerh.). Klessengrund am Schneeberge (Uechtr. 1853, Schöpke 1883). Erophila vulgaris DC. Noch bei Brückenberg im Riesengebirge! (G. Schneider). Die Varietät sienocarpa (Jord.) auf den Feldern im Breslauer botanischen Garten häufig und vorherrschend auf sandigen Feldern und Brachen zwischen Lissa und Klein-Haidau, im Leuthener Walde u. s. w., unter der gewöhnlichen Form bei Sibyllenort. + Cochlearia Armoracia L. Breslau: in einem Sumpfe an der Eisenbahn hinter Canth und zwar eine sehr üppige und hohe Form mit im Umriss ungetheilten, nur unregelmässig eingeschnitten - gezähnten unteren Stengelblättern, die sich in dieser Hinsicht der südosteuropäischen C. macrocarpa W. et K. nähert, welche von Manchen für die wilde Stammform des Meerrettigs betrachtet wird, aber durch längere und schlankere Fruchtstiele, sowie durch die grösseren Schötehen unter- schieden ist. Blühende Exemplare wurden am Standorte nicht mehr vorgefunden; die C. macrocarpa ist meist erheblich grossblüthiger als C. Armoracia, dürfte aber trotzdem nur als Varietät der letzteren anzu- sehen sein, zumal mir selbst ein ungarisches Exemplar vorliegt, welches den übrigen Charakteren nach unzweifelhaft zu Ü. macrocarpa gehört, dessen untere Stengelblätter indessen bis zur Spindel eingeschnittene lineale Zipfel zeigen. — Auch die bei Kasan und Sarepta beobachtete, übrigens von Nyman weder in der Sylloge noch im Conspectus erwähnte C. Wunderlichii C. A. Meyer (in Claus’ Localtlora der Wolgagegenden S. 203 und 204) wird trotz der länglichen Früchte nicht als Art von C©. Armoracia zu trennen sein, da letztere in dieser Hinsicht, wie um Breslau und Brünn gesammelte Exemplare beweisen, entschieden variirt. Auch an der Canther Pflanze, die habituell und in den Grössendimen- 268 Jahres - Bericht sionen mit einem von Sarepta stammenden von Fiek mitgetheilten Exemplare der €. Wunderlich grosse Uebereinstimmung zeigt, finden sich bisweilen oblonge Schötchen, doch sind die Fruchtstiele der Meyer’schen Art entschieden länger und schlanker, ähnlich wie bei der durch die Fruchtform sehr abweichenden ©. macrocarpa. Thlaspi alpestre L. Hirschberg: Wiesen im Boberthale gleich unterhalb von Boberröhrsdorf! (Fiek sen.). — Ausserdem im März 18834 von Adolf Braun auf Uferwiesen der Glatzer Neisse bei Camenz! ent- deckt, also in einem neuen Flussgebiete der Provinz; dort stellenweise häufig und daher wohl noch an anderen Orken des Neissethales aufzu- finden. Lepidium Draba L. Grünberg: an einem Hofe der Breitestrasse! (Hellwig); Liegnitz: südlich der „Freiheit“ bei Kunitz (Gerh.). Coronopus Ruelli All. Ausladestelle an der alten Oder bei Neu- salz! (Hellw.). + Bunias orientalis L. Breslau: Nimkau, an Wegrändern bei der Oberförsterei an wüsten Stellen!! (Oberförster v. Lüttwitz). Viola palustris L. Breslau: Sumpfwiesen am Wege von Klein- Haidau nach dem Leuthener Walde mit Pedieularis silvalica und Carex canescens. V. hirta > odorata Rchb. Jauer: zwischen Bremberg und Hen- nersdorf (Gerh.). V. pumila Chaix. Breslau: Lohewiesen westlich von Rothsürben! (Dr. Hager). n V. stagnina Kit. Liegnitz: Grossteich bei Kuchelberg (Gerh.); Trachenberg: Corsenz! (Schwarz). V. mirabilis L. Breslau: Gebüsche in Sibyllenorter Park!! 1884. (Fiek.) PolygalaamaraL. var. austriaca (Crntz). Trachenberg: Wiesen um Corsenz häufig, z. B. im Rossgarten! (Schwarz). Tunica prolifera Scop. Liegnitz: Eisenbahndamm bei Station Vorderheide (Gerh.); Schönau: Gipfel des Geiersberges bei Neukirch auf Basalt (Fiek); Gleiwitz: Eisenbahndämme bei Laband! (Junsck). Dianthus superbus L. Lüben: Kiefernwald bei Brauchitschdorf! (C. Scholz); Jauer: Bremberg (Major Elbrand nach Gerh.); Breslau: Sauerbrunnenwiese bei Gabitz sparsam, häufiger im Laubwalde westlich vom Erlkretscham bei Domatschine. Gypsophila muralis L. Vereinzelt noch blühend im Januar und Februar 1884 auf Brachen hinter Lehmgruben bei Breslau. Vaccaria parviflora Mnch. Breslau: eingeschleppt in einigen Exemplaren auf Schutt an der Strasse vor Rosenthal! (Dr. Friedrich). Um Breslau früher nicht beobachtet. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 369 Cucubalus baccifer L. Um Breslau noch bei Bischwitz am Berge (Kionka) und bei Krietern (längst bekannter, in Fiek’s Flora aber nicht erwähnter Fundort). | Silene gallica L. Landeck: Rosenkranz, Ebersdorf (Schöpke); Ziegenhals: auf Haferfeldern (Richter); Buchbergsthal im Gesenke, auf Kartoffeläckern bei 650 m! (Freyn). + 8. Armeria L. Cudowa: Weg zum Teiche! (Kionka). + 8. dichotoma Ehrh. Gleiwitz: in zwei Exemplaren am Eisen- bahndamme unweit des Bahnhofes! (Jungck). Melandryum noctiflorum Fries. Gleiwitz, auf Aeckern (Junsck.); dort früher nicht beobachtet. M. album Grke. f. rosea. Gesenke: Waldränder an der Strasse zwischen Buchbergsthal und Gabel bei 750 m! (Freyn). Spergula Morisonii Boreau. Friedewalde bei Breslau, ein älterer, in Fiek’s Flora ausgelassener Standort, an welchem die Pflanze noch jetzt vorhanden ist. Sagina apetala L. Liegnitz: gemein zwischen Weissenrode und Barschdorf (Gerh.). Alsine viscosa Schreb. Freistadt: Herzogswalde (Schöpke); Lüben: häufig auf Aeckern am Wege zwischen Heinzendorf und Gläsers- dorf, auch die Var. glabra Marsson (Gerh.). Arenaria leptoclados Guss. Um Breslau noch bei Bettlern und Grünhübel. In dem milden und schneearmen Winter 1883 zu 1884 um Breslau mit A. serpyllifoia ohne Unterbrechungen reichlich blühend und fruchtend, resp. neue Generationen erzeugend; die Blüthen bei beiden jedoch seit Ende November durchweg cleistogam und apetal! Namentlich sehr üppig und wohlerhalten auf Feldern um die Kirchhöfe hinter Lehmgruben im Januar und Februar mit dem die nämliche Er- scheinung zeigenden Polycarpum tetraphyllum und bereits blühender Veronica hederifolia. Holosieum umbellatum L. var. Heuffelii (Wierzb.) = var. viscosissimum Celak. Breslau: Carlowitz auf den Sandhügeln in der Nähe der Eisenbahn. Stellaria nemorum L. Breslau: Domatschine. St. pallida Pire. Trachenberg: Corsenz! (Schwarz); Wohlau: Gr.-Schmograu! (C. Scholz). Cerastium semidecandrum L. var. aborlivum Coss. et Germ. Breslau: Birkenhügel an der Eisenbahn bei Carlowitz und auf einer san- digen Trift am Nordost-Abhange der Flugsandhügel zwischen Carlowitz und Rosenthal, hier auch im Uebergange zur Grundform. Uebrigens zeigt auch die letztere bisweilen vorherrschend oder durchweg steif auf- 2370 Jahres-Bericht rechte Fruchtstiele (f. strietopedunculata m.); so z. B. auf mageren Triften an der alten Oder vor Rosenthal bei Breslau. ©. triviale Lk. var. nemorale Uechtr. Liegnitz: Weasserforst bei Kaltwasser häufig (Gerh.). Elatine hexandra DC. Hirschberg: am Teiche in der Lomnitzer Haide zahlreich (Gerh.). Radiola linoides Gm. Breslau: Brachen hinter Sackerau, S$i- byllenort. + Malva moschata L. An einem Fusswege der Lohewiesen von Opperau ziemlich zahlreich! (Kionka), — Neu für die Breslauer Flora. M. neglecta Wallr. var. brachypetala Uechtr. Breslau: auf Schutt an der Ohlau gleich hinter der Mauritiusbrücke sehr häufig ohne die gewöhnliche Form; mit derselben minder häufig in Klettendorf und Bettlern. M. pusilla Wilh. Breslau: Huben am Wege nach Dürrgoy in der Nähe des Schlachtviehmarktes spärlich, häufig dagegen in Bettlern. M. neglecta > pusilla Uechtr. Breslau: spärlich unter den Eltern in Klettendorf und Bettlern. + Hibiscus Trionum L. Grünberg! (Hellwig); Liegnitz: sehr sparsam auf Kartoffelfeldern bei Weissenrode (Gerh.); Breslau: auf Schutt hinter dem zoologischen Garten! (Dr. Friedrich). Tilia platyphylla Scop. Breslau: feuchte Gebüsche am Ende des Brockauer Parkes mit Ribes rubrum, Rhamnus cathartica u. Ss. w. Hypericum humifusum L. Breslau: häufig auf Brachen hinter Sackerau. H. montanum L. Grünberg: Krampe! (Hellwig). H. hirsutum L. Grünberg: Schlossberg bei Bobernig! (Hellwig). Geranium phaeum L. Ziegenhals: im „Bielawinkel“ (Richter); Gleiwitz: auf und am alten Kirchhofe zahlreich, hier aber nicht ur- sprünglich einheimisch (Jungck.); ebenso in Menge im Parke von Brockau bei Breslau 1884, G. pratense L. Gleiwitz: Chausseeränder vor dem Labander Walde, neu für die dortige Flora (Jungck.). Eine Form mit sehr bleich- blauen, ins Weissliche spielenden Petalen an der Kaiser Wilhelmstrasse in Breslau in kräftigen Exemplaren unter der gewöhnlichen. G. molle L. Trachenberg: Lauskowe auf Dorfangern in einer Form mit kleineren, anfangs weissen, beim Trocknen blassrosa gefärbten Pe- talen! (Schwarz). | G. columbinum L. Grünberg: Lättnitz! Droschkau! (Hellwig). G. Robertianum L. forma albiflora. Reinerz (Callier nach Gerhardt). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 971 Impatiens noli tangere L. f. apetala. Trachenberg: häufig um das Nesigoder Jagdschloss (1830). —+ I. parviflora DC. Schmiedeberg: Gärten und Zäune um die Fabrik in Mittel-Zillerthal (Fiek). + Ulex europaeus L. Zobten bei Löwenberg! (Dresler). Genista germanica L. Grünberg: Krampe! (Hellwie.) Cysisus nigricans L. Desgleichen. Anthyllis Vulneraria L. Grünberg: zwischen Droschkau und Loos! (Hellwig); ob spontan? Medicago falcata >< sativa Rchb. Grünberg: Ziegelberg! (Hellwig). Melilotus altissimus Thuill. Breslau: sparsam an Grabenrändern ‘ der Lissaer Wiesen links vor Altenhayn. Trifolium pratense L. forma T. brachystiylum Knaf. Grün- berg: Droschkau! (Lehrer Kleiber); Breslau: sehr selten auf den Wiesen an der Strasse nach Lissa. T. medium L. var. bicolor m. (Blumenblätter hellrosa, Schiffehen purpurn; den analogen Formen von T. alpestre L. und T. rubens L. ent- sprechend.) Breslau: Wiesengebüsche bei Althofnass. + T.incarnatum L. In Menge verwildert in Ausschachtungen um Grünhübel bei Breslau; am 23. November 1883 noch in sehr üppigen Exemplaren in voller Blüthe. Mit rein weissen Blumen um Grünberg von einem Schüler gesammelt! (Hellwig); diese Farbenvarietät scheint von der südeuropäischen spontanen Stammform des T. incarnatum, der var. Molinerii (Balbis) Seringe, dessen röthlich-weisse Blumen sich zuletzt bleichrosa färben, noch verschieden. Lotus corniculatus L. var. hirsutus Koch. Grünberg: zwischen Buchelsdorf und Lättnitz! (Hellw.). Zugleich mit sehr kleinen Blättchen, wie bei der übrigens fast kahlen Varietät mierophylla J. Lange! Tetiragonolobus siligquosus Roth. Breslau: zwischen Polnisch- Peterwitz und Bischwitz am Berge! (Kionka). Ornithopus perpusillus L. Naumburg a. B.: zwischen Kottwitz und Langhermsdorf! (Hellwig). Vicia pisiformis L. Schönau: Höllenberge bei Rosenau! (Fiek). V. lathyroides L. Um Breslau noch an Dämmen nördlich von Domatsehine!! (Fiek) und am Bahnhofe Sibyllenort. V. cassubica L. Schweidnitz: Nitschendorf (Schöpke). Latihyrus silvester L. Um Grünberg selten: Kaiserberg bei Loos! (Hellwig), und zwar die var. ensifolius Buek. L. niger Wimm. var. heierophyllus Uechtr. Grünberg: Schloss- berg bei Bobernig! (Hellwig); Breslau: Buchenwald bei Skarsine! (H. Schulze). 272 Jahres-Bericht L. montanus Bernh. Grünberg: unter dem Kaiserberge bei Loos in der var. linifolius Reichard = Orobus tenuifolus Roth! (Hellwig). — Blätter an diesen Exemplaren bisweilen 4 paarig. + Spiraea salicifolia L. Breslau: völlig verwildert in einem feuchten Gehölze zwischen Domatschine und Klein-Bruschewitz. Aruncus silvester Kosteletzky. DBreslau: sparsam im Forste zwischen Obernigk und Riemberg rechts vom Wege (©. Scholz). Neu für das engere Breslauer Florengebiet und für ganz Mittel- und Nieder- schlesien rechts der Oder. Ausserdem Lähn: Aufstieg nach Lähnhaus! (E. Nagel, Fiek); Heuscheuer an der Chaussee, Klessengrund am Schnee- berge (Schöpke). Geum rivale L. var. pallidum A. Blytt. Breslau: in Gebüschen bei Kottwitz vor Auras und Hennigsdorf! (H. Schulze). An beiden Orten sowohl ausgeprägt als in Uebergängen zum Typus, bei denen die Petalen und der Kelch zuletzt wenigstens schwach röthlich über- laufen sind. G. urbanum >< rivale Schiede. Breslau: Panwitz! (H. Schulze). Rubus suberectus Anders. Breslau: Wald hinter Lissa, zwischen dem Erlkretscham und Gross -Bruschewitz, zwischen Domatschine und Klein-Bruschewitz, überall mit R. Idaeus. R. Bellardii W. et N. Jauer: Bremberger Höhen (Gerh.). R. eaesius > Idaeus G. F. W. Meyer. Löwenberg: Plagwitzer Torfstiche (Dresler). R. Idaeus L. var. denudatus Schimp. et Spenn. fl. friburg. (= var. viridis A. Braun). Breslau: im Walde hinter Lissa an feuchten schattigen Stellen in der Nähe eines Baches (8. August 1883). — Neu für die Breslauer Flora; zugleich zweiter Standort im Gebiete überhaupt. — Eine Form des R. Idaeus mit schwächerem, im Alter sehr lockerem, bisweilen fast schwindendem Filze der Unterseite der Blättchen, also eine Art Uebergang zur var. viridis A. Br. mit dieser in den Erlen bei Ober-Glogau! (1882, Richter) und ohne dieselbe in feuchten Gebüschen links vom Wege von Domatschine nach Klein-Bruschewitz (18833). Rubus saxatilis L. Breslau: in einem Walde nordwestlich von Sibyllenort! (Dr. Hager). Fragaria collina Ehrh. var. subpinnata Celak. Breslau: Dämme um Zedlitz! (Fieinus), Wilhelmshafen! (Kionka) und nördlich von Domatschine. F. moschata Duchesne. Breslau: Brockauer Park. Comarum palustre L. Breslau: Moorwiesen im Walde hinter Lissa gegen Stabelwitz (Dr. Schröter). Potentilla supina L. Grünberg: Kunzendorf! (Hellwig.) — Diese Art ist nach meinen Beobachtungen bisweilen perennirend. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 273 P. norvegica L. Grünberg: Ochelhermsdorf! (Schäfer); Landeck: Alt-Mohrau (Schöpke). Selten in der Grafschaft Glatz. P. recta L. Breslau: spärlich im Oswitzer Walde (Stud. F. Hell- wig); Wartha: Wachsgraben! (Dr. Hager); Fürstenstein: Felsen unter der alten Burg (Schöpke). P. Wiemanniana Günth. et Schumm. Grünberg: Boberniger Schlossberg! (Hellwig); Lüben: Gross-Krichen! (C. Scholz). P. arenaria Borkh. Grünberg: Dammerauer Berge!, zw. Pirmig und Kontopp! (Hellwig). P. verna auct. (non L.) Grünberg: zwischen Deutsch-Kessel und Droschkau! (Hellwig). P. aurea L. Riesengebirge: mit gefüllten Blüthen im Löbengrund unterhalb der Wassabaude! (H. Schulze). P. Fragariasitrum Ehrh. Löwenberg: Hagendorf! (Max Fiek). Vierter Standort im Gebiete. Alchemilla vulgaris L. var. glabrata Wimm. Grünberg: Barnd’sche Mühle! (Hellwis). Sanguisorba officinalis L. Gleiwitz: ein Exemplar an der Chaussee nach Laband, offenbar eingeschleppt (Jungek.). Weder von Kabath noch neuerdings von J. anderwärts um Gleiwitz beobachtet. Rosapomifera Herrm. Löwenberg: Sirgwitz. (Dresler). Ob wild- wachsend? R. umbelliflora Sw. Gesenke: Wegränder um die Nesselkoppe bei Gräfenberg (Bubela). R. tomentosa Sm. @ genuina Fiek Flora von Schlesien. Parch- witz: zwischen Spittelndorf und Heidau (Gerh.). Nicht gesehen. — Die Var. cinerascens (Dumort.), zu der die drei von Fiek erwähnten Standorte seiner Var. & gehören, welche aber keineswegs die typische AR. tomentosa Sm. repräsentirt, in einer Form mit fast vollkommen glatten Schein- früchten um Loos bei Grünberg! (Hellwig). R. irachyphylia Rau. Am rechten Oderufer Maltsch gegenüber - nicht selten (Gerh.). R. glauca Vill. Einsiedel im Gesenke! (Freyn). Die Var. com- plicata (Gren.) an der Eisenbahn hinter dem Bahnhofe Canth; ebendort eine kleinblätterige, der Var. Sandbergeri Christ. nahestehende Form; Blättchen im Durchschnitt bei 10°—15 mm Länge 7—10 mm breit, R. coriifolia Fr. Grünberg: tolles Feld, Rohrbusch, Buchelsdorf! (Hellwig); Breslau: vereinzelt an der Eisenbahn hinter Canth; Gesenke: buschige Raine und Kalkbrüche um Einsiedel bei 680 m! (Freyn). RR. dumetorum Thuill. var. urbica Leman. Grünberg: Lättnitz! (Hellwig); Breslau: Wald zwischen Sackerau und dem Erlkretscham rechts der Strasse; daselbst auch eine zur forma hemitricha (Rip.) 1883. 18 274 Jahres-Bericht neigende Modifieation mit nur theilweise gedoppelter Serratur, aber mit deutlich drüsigen Blattstielen. — Var. uncinella (Besser) bei Lüben! (C. Scholz). | R. rubiginosa Z. var. comosa (KRip.) Grünberg: Breslauer Chaussee! (Hellwig). R. sepium Thuill. var. inodora (F'r.). Grünberg: Strausburg bei Loos in einer auffallend kleinfrüchtigen Form! (Hellwig, als R. sepium). R. alpina L. var. atrichophylla Borbas. Gesenke: gr. Kessel! (Freyn); Var. lagenaria (Vill.) bei Einsiedel! (Derselbe). | Epilobium collinum Gm. Kleine Schneegrube im Riesengebirge! (C. Scholz). E. Lamyi F. Schultz. Schönau: steinige Lehnen der Höllenberge bei Rosenau! (Fiek). E. nutans Tausch. Um die Schweizerei am Glatzer Schneeberge (Schöpke). E. montanum >= roseum Lasch (E. glanduligerum Knaf. f.) Gesenke: in Fichtenwäldern des Seifenthales bei Buchbergsthal bei 800 m! (Freyn). Das mitgetheilte Exemplar vom Habitus eines ver- zweisten E. montanum, mit welchem es auch in der Färbung des Laubes sowie in der Gestalt und scharfen Zahnung der oberen Blätter, in der Grösse und Farbe der Blumen, dann in den getrennten Narben über- einstimmt. Blätter indessen deutlich, die oberen sogar ziemlich lang gestielt, die mittleren länger, aus schmäler eiförmigem Grunde länglich- lanzettlich und die Kapseln mit allerdings nur sparsam eingestreuten Drüsenhaaren. Stengel mit schwachen, wenig tief herablaufenden Blatt- spuren. Hierher scheinen auch zwei von Freyn in Gräben im Dorfe Buchbergsthal selbst gesammelte, fraglich als E. obscurum >< roseum be- zeichnete kleinere und unverzweigte Exemplare zu gehören. E. monianum > virgatum Krause. Gesenke: Sumpfige Ufer der Waldbächlein am Brandberge über Ludwigsthal bei 950 m! (Freyn). Circaea iniermedia Ehrh. Ziegenhals: Fussweg nach Niklas- dorf (Richter). C. alpina L. Gleiwitz: Labander Wald! (Jungcek.). Hippuris vulgaris L. f. fluviatilis Roth. Breslau: vereinzelt in dem Sackarm der Ohlau zwischen Spitzer’s Badeanstalt und der Haase’schen Brauerei!! (Dr. G. Tiselius- Stockholm). Callitriche vernalis Kizg. Um die Schweizerei am Glatzer Schneeberge (Schöpke). Lytrum Hyssopifolia Z. Breslau: zwischen Raake und Langen- wiese! (Kionka). Montia minor Gmel. Wohlau: in Menge auf Aeckern in der Nähe der Schindelmühle! (Dr. Schröter 1884). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 375 Scleranthus annuus >< perennis Lasch. Freistadt: Herzogs- waldau sparsam (Schöpke nach Fiek, der Exemplare sah); Breslau: in ziemlicher Anzahl auf sandigen Wegrändern um das Schwarze Vorwerk hinter Lissa, da wo Ornithopus, unter den Eltern. Sedum villosum L. Sagan: Torfwiesen bei Pause (Schöpke). S. reflexum L. Freistadt: Herzogswaldau (Schöpke),; Neusalz: Liebschütz (id.). Sempervivumsoboliferum Sims. Freistadt: Nieder-Herzogswaldau am Waldsaume (Schöpke). Ribes rubrum L. Breslau: verbreitet in feuchten Wäldern und an Ufern um Sibyllenort und Domatschine; Wald vor Leuthen. R. peiraeum Wulfen. Glatzer Schneeberg, am Abstiege nach Wölfelsgrund (Schöpke). R. nigrum L. Breslau: am Schwarzwasser zwischen dem Fuchs- berge und Schwoitsch! (Kionka), am Juliusburger Wasser bei Sibyllen- ort mit R. rubrum; Trachenberg: Kodliewe (Schwarz). Chrysosplenium alternifolium L. Breslau: nicht selten um $i- byllenort und Domatschine. Chr. oppositifolium L. (ueisthal um die Försterei Flinsberg (Schöpke). Hydrocotyle vulgaris Z. Lüben: Ossig (C. Scholz); Breslau: Sumpfwiesen links der Eisenbahn hinter Schmolz gegen Reibnitz zwischen Rasen von Carex Oederi; neu für die Flora des Kreises Breslau. Hacquetia Epipactis DC. Ratibor: Kreuzenort (Krzyzanowitz) nach Gerh., der die Pflanze lebend von dort erhielt. Aegaopodium Podagraria L. In einer Form mit schmutzig rosa- farbenen Blumen auf Wiesen zwischen Bahnhof Canth und Polsnitz mit der gewöhnlichen in zwei Exemplaren. Pimpinella magna L. Breslau: im Dorfe Bettlern, noch am 23. November 1883 blühend und fruchtend. P. Saxifraga L. Gesenke: Gr. Kessel! (Ficinus). Berula angustifolia Koch. Breslau: in einer niedrigen, nur 0,10 bis 0,20 m. hohen kleiublätterigen Form auf Sumpfwiesen am Julias- burger Wasser gegenüber der Gross-Bischwitzer Mühle mit Cicuta; die- selbe zeigt habituell einige Aehnlichkeit mit Helosciadium repens Koch und wird anderwärts bisweilen mit diesem verwechselt. Bupleurum rotundifolium L. Gleiwitz: auf einem Kartofielfelde ein Exemplar, hier nur eingeschleppt (Jungcek.). Oenanthe fisiulosa L. Ohlau: Bischwitz hinter Steindorf! (Kionka). Aethusa Cynapium L. var. cynapioides (M. B.). Typisch aus- geprägt spärlich in Gebüschen des Breslauer bot. Gartens, allem Anschein nach spontan; dann in einem feuchten schattigen Gebüsche am Teichrande 15* 276 Jahres - Bericht dicht beim Erlkretscham am Wege nach Domatschine in zum Theil meter- hohen Exemplaren; hier eine Form mit minder fein getheilten Blattzipfeln, ungleicheren Doldenstrahlen und grösseren Theilfrüchtehen. Die äusseren Strahlen der Döldchen sind bei dieser nicht selten 1Y/,—2 Mal länger, mitunter aber auch wie bei der ausgeprägten Ae. cynapioides nur so lang als die Frucht. Wahrscheinlich Ae. Cynapium L. var. elata (Friedländer), doch fehlt die Hülle, die bei der letzteren meist einblätterig sein soll. Hüllchen wie bei Ae. cynapioides kürzer oder nur so lang als die Döldchen, Petalen sehr klein. Striemen der Fugenseite bald am Grunde sich berührend, bald nicht, aber vorherrschend convergirend. Dieses Merkmal ist überhaupt für die Unterscheidung der Ae. eynapioides nur von geringem Werthe, da auch die ausgeprägtesten Formen derselben in dieser Hinsicht keine Constanz zeigen. Auch sonst sind Schwankungen in den Charakteren vorhanden, weshalb die Mehrzahl der neueren Autoren die Ae. cynapioides wohl mit Recht als Varietät der Ae. Cynapium be- trachtet. — Ae. Cynapium L. var. agresiis Wallr. (Ae. segetalis Bönningh.) geht nach den Beobachtungen Junger’s in der Cultur schon in erster Generation in die gewöhnliche Form über, ist also nur als Standorts- modification zu betrachten. Meum athamanticum Jacg. Landeshut: am Wege. von Ditters- bach nach Petzelsdorf (Gerh.) Laserpitium prutenicum L. var. glabrum Wallr. Breslau: Wiesen vor Lissa sparsam unter der dort gemeinen typischen Form. Caucalis daucoides L. Liesnitz: in einigen Gruppen um die Ziegelei am Nordfuss der Lindenbuscher Höhe (Gerh.). Der mittel- und niederschlesischen Tiefebene sonst fehlend, daher vermuthlich nur eingeschleppt. Anthriscus alpesiris W. et Gr. Ober-Glogau (Richter); Gesenke: Fiehtenwälder bei den Hubertusbauden auf deu amsannnen östlich von Waldenburg bei 1130 m! (Freyn). Daucus Carota L. Eine Bildungsabweichung in ungemein kräftigen Exemplaren (terminale Dolden nicht selten 2 Dem. im Durchmesser) bei Breslau nicht selten an trockenen, etwas hochgelegenen Abhängen (Di- luvium) links vom Wege von Huben nach Dürrgoy unter der normalen Pflanze. Hüllen, zumal die allgemeine, für Daucus auffallend wenig ent- wickelt, ausserdem schnell vertrocknend. Theilfrüchte auch bei den Individuen mit nicht proliferirenden Dolden meist verwachsen bleibend, eiförmig-länglich, länglich bis lineal, mehr oder weniger stark verlängert, meist vorherrschend oder durchweg stachellos, daher denen von Chaero- pbyllum und mancher Anthriseus-Arten in der Gestalt nicht unähnlich. Griffel oft stark verlängert und blattig. Bei den Exemplaren mit wieder- holt proliferirenden Inflorescenzen, welche sehr verschiedene Abstufungen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, DR, der Umbildung zeigen (bisweilen sind ziemlich typische Döldchen ein- semengst), tritt an den obersten Döldchen das Bestreben zur Bildung normaler Früchte zumeist deutlich hervor. Adoxa Moschaiellina L. Breslau: zahlreich noch um $Sibyllenort, Domatschine, Schosnitz. Lonicera Xylosteum L. Goldberg: Geiersberg vor Neukirch; Hirschberg: Bernskenstein (Fiek). Sherardia arvensis L. var. hirta Uechtr. Grünberg! (Hellwig). Galium vernum Scop. Ohlau: zwischen Bischwitz und Baruthe! (Kionka); Breslau: Tinzer Busch zwischen Bischwitz a. B. und Klein- Tinz! (Derselbe); ein isolirtes, von der Oder weit entferntes Vor- kommen. G. rotundifolium L. Trachenbergs: Corsenz! (Schwarz). G. boreale L. var. latifolium W. et Gr. Liesnitz: Briese (Gerhardt). | G. palustre L. var. caespitosum G. F. W. Meyer. Liesnitz: Bruch, Obergraben bei Barschdorf (Gerhardt). G. elongatum Presli. Liegnitz: an Gräben nicht selten (Gerhardt). G. saxatile Z. Riesengebirge: Südseite des Krkonos sehr zahl- reich (Fiek), übrigens schon von Celakovsky in der Waldregion des Krkonos angegeben; Agnetendorfer Schneegrube (Schöpke). G. Wirtgeni F. Schultz. Landeck: Seitenberg, Alt- Mohrau (Schöpke). Neu für die Grafschaft Glatz und überhaupt in Gebirgs- segenden, wie es scheint, selten. G. Schuliesii Vest. Breslau: Sibyllenort. Valeriana officinalis L. var. angustifolia (Tsch.). Lüben: Kirchhofmauer in Heinzendorf (Gerh.). V. polygama Bess. Cosel: Wiesen bei Dembowa (Wetschky). Dipsacus silvester Mill. Grünberg: an einem Bache bei Drosch- kau!, also nicht ausschliesslich im Oderthale (Hellwig). Knautia arvensis Coult. var. campestris (Bess.) Nicht selten _ um Gräfenberg (Bubela). Scabiosa ochroleuca L. Breslau: an Wegrändern dicht hinter dem Erlkretscham gegen Domatschine eine hohe kleinköpfige Form ohne oder nur mit einzelnen grösseren Randblüthen und grossen minder fiedertheiligen, bisweilen vollkommen ganzrandigen mittleren und oberen Blättern. Fiederabschnitte sämmtlich ungetheilt, von einander entfernt, weniger zahlreich, meist nur 4—8, öfter nur 1—5 am Grunde des Blattes, daher der terminale meist sehr gross, 0,5—1 Dem. lang, 1,5 bis 2 cm breit. — Eine ausgezeichnetere Varietät (var. microcephala Uechtr.) im Walde zwischen Sackerau und dem Erlkretscham auf Lichtungen. Stengel steif, bis 1 m hoch, ziemlich kahl oder nur schwach 278 Jahres - Bericht kurzhaarig, vom untersten Dritttheil an mit langen ruthenförmigen Zweigen, die mittleren und oberen Internodien stark verlängert (0,18 bis 0,24 m), Stengelblätter durchweg mit schmal linealen oder höchstens schmal lineal-lanzettlichen Abschnitten. Hüllblätter kurz, nur !/, oder höchstens halb so lang, als die auch zuletzt merklich kleineren Köpfe; Fruchtkelch um ', kleiner, mit etwas kürzeren Borsten. — Aehnliche kleinköpfige Formen finden sich um Breslau auf Sandtriften und Dämmen im Gebiete der alten Oder, so z. B. im Kratzbusch und in dessen Um- gebungen, sowie bei Carlowitz. Dieselben sind jedoch bei gleichfalls steiferem Wuchse meist niedriger, minder verzweigt, nicht selten ein- bis wenigköpfig. Internodien erheblich kürzer; Hüllblätter bald ebenso klein, bald aber fast ”/,, selten ebenso lang als die Köpfe, deren Rand- blüthen nicht selten weniger deutlich strahlend sind. Fruchtkelche etwas grösser, öfter so gross wie beim Typus. — Am Eisenbahndamme bei Canth fanden sich abnorme Exemplare der typischen 8. ochroleuca mit nur 1—2blüthigen, in den Aestchen der obersten Laubblätter sitzenden oder sehr kurzgestielten Inflorescenzen. Eupatorium cannabinum L. Breslau: häufig in Wäldern um den Erlkretscham, bei Domatschine und Bruschewitz. Petasites officinalis Mnch. Grünberg: Blümelfeld, hier nur die Zwitterpflanze! (Hellwig). Erigeron acer L, var. droebachiensis (0. F. Müll.). Breslau: auf hochgelegenen dürren Feldern um Dürrgoy!! Gesenke: Steilgerinne unterhalb der Salzsteine im Thale der Mitteloppa bei Buchbergsthal! und am Brandberge unterhalb des Raubschützenfelsens (Freyn). + Solidago serotina Ait. Hirschberg: Cunnersdorf (Max Fiek); Ziegenhals: Biele-Ufer im „Bielewinkel‘“ (Richter nach Fiek). Inula Conyza DC. Schönau: Höllenberge bei Rosenau, Geiers- berg bei Neukirch (Fiek). + Ambrosia artemisiaefolia L. In Fiek’s Flora von Schlesien ausgelassen, obwohl schon früher im Gebiete beobachtet, z. B. Oppeln: Szezepanowitz! (J. Plosel); 1883 in zwei Exemplaren auf Schutt im Merkel’schen Sandsteinbruche bei Löwenberg! (Dresler). + Galinsoga parviflora Cav. Trachenberg: Corsenz (Schwarz); Breslau: in Sackerau und am Erlkretscham vor Domatschine; Gleiwitz: seit 1880 auf Aeckern in Petersdorf als gemeines Unkraut! (Jungcek.). Helichrysum arenarium DC. Grünberg: mit aufgelösten rispigen, am Grunde traubigen Inflorescenzen auf dem Marschfelde! (Hellw.) Gnaphalium dioecum Z. In den näheren Umgebungen von Breslau nicht gemein, u. a. bei Oswitz, Carlowitz, Friedewalde, Mirkau, vor dem Erlkretscham, Paschkerwitz, Mahlen, Hennigsdorf, vor und hinter Lissa, Arnoldsmühl, Schmolz, Kottwitz, gegen Süden und Südosten auf weite Strecken ganz fehlend. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 379 G. norvegicum Gunner. Gesenke: Nesselkoppe bei Gräfenberg von der Finnisch-Quelle bis zum Gipfel (Bubela). Artemisia campestris L. Im Vorgebirge noch bei Schönau: Gipfel des Geiersberges bei Neukirch. Achillea Millefolium L. var. lanata Koch. Breslau: vor Olta- schin! und am Josephinenberge! (Kabath), Kapsdorf! (Preiser), Eisen- bahndämme bei Schmolz. A. Millefolium L. var. alpesiris W.etGr. Gesenke: Grasplätze im Thale der Mitteloppa oberhalb Buchbergsthal bis 650 m. herab- steigend! (Freyn). Anthemis tinctoria L. Schönau: Höllenbergse bei Rosenau! (Fiek). + Matricania discoidea DC. Schmiedeberg: in Steinseiffen (Gerhardt); Breslau: sehr häufig in Perschütz bei Lossen (Ansorge). Chrysanihemum Leucanthemum L. var. discoideum Koch. Liegnitz: an der Bahn südlich von Station Vorderheide (Gerhardt). Senecio vulgaris >< vernalis Ritschl.e Grünberg: Lansitz! (Hellwig); Lüben! (C. Scholz). S. vernalis W. et K. wurde laut einer handschriftlichen Notiz Albertini’s von demselben zuerst für das Gebiet am 28. April 1820 auf einem Brachfelde bei Gnadenfrei in wenigen Exemplaren entdeckt. Carlina vulgaris L. Breslau: Strachate, zwischen dem Erl- kretscham und Sackerau, Sibyllenort. Cirsium acaule All. Freistadt: Hütewiesen bei Herzogswaldau (Schöpke). Die Form caulescens Pers. um Grünberg: zwischen Droschkau und Loos! (Kleiber) und um Lüben: Gr.-Kriechen (Lehrer Figert). C. rivulare Lk. Grünberg: Barnd’sche Mühle! (Hellw.). O0. canum Mnch. Gleiwitz: jetzt häufig am Rande der Chaussee nach Kieferstädtel (Jungck.). C. palustre Scop. var. seminudum Neilr. Grünberg: Bergwerk! (Hellwig). C. arvense Scop. Riesengebirge: noch im Riesengrunde halbwegs zwischen der Koppenbach-Brücke und der Bergschmiede an einer Stelle zahlreich! (G. Schneider). C. oleraceum >< acaule Schiede. Lüben: Gr.-Kriechen (Fiegert nach Gerhardt). C. palusire > heterophyllum Wimm. Landeshut: am Wege und auf Wiesen zwischen Dittersbach und Petzelsdorf (Gerhardt). Carduus nutans L. var. microcephalus Wallr. Grünberg: Schweinitz! (Hellwig). Der Typus nach Bachmann noch im höheren Gesenke auf Viehtriften am Waldrande oberhalb Winkelsdorf am Wege nach der Schweizerei; ein ungewöhnlich hochgelegener Standort. 280 Jahres-Bericht C. erispus Z. Breslau: sparsam in Hecken in Kleinburg. Eine Form mit fast doppelt kleineren Köpfen (v. microcephala Uechtr.) um Breslau in einem Gebüsche nordwestlich von Schlanz! (Kionka). C. Personata Jacg. Landeck: Bachufer in Schönau, Altmohrau (Schöpke), Klessengrund und Wölfelsgrund (Uechtr., Schöpke). Weiss- blühend um Löwenberg im Siebeneichener Weinbergsreviere (Dresler). Lappa officinalis > minor. Breslau: am Zaune des Wasser- hebewerkes vor Marienau unter den Eltern. L. minor >< tomentosa Ritschl. Grünberg: Buchelsdorf! (Hell- wig). Zweiter Standort im Gehiete. Blätter unterseits graufilzig, Hüll- blätter ebenso stark spinnwebig filzigs, wie bei L. tomentosa, aber die Köpfe kleiner und sämmtliche Hüllblätter fein pfriemlich, mit haken- förmiger Spitze. Schon vom Finder richtig gedeutet. Serratula tinctoria L. y dissecta Wallr. (8. germanica Wies- baur!). Breslau: an Dämmen südlich von Schwoitsch gegen die Strachate! (Kionka). Cichorium Jutybus L. v. subspicatum Uechtr. Lüben! (C. Scholz). Leontodon autumnalis L. v. pratensis Koch. Breslau: Schmolz. Scorzonera humilis L. Grünberg: Krampe! (Hellwig.) Tragopogon orientalis L. Habelschwerdt: Wiesen an der Plom- nitz (Fiek). Neu für die Grafschaft Glatz. Breslau: Bischwitz am Berge mit Colehieum! (Kionka). T. offieinale Web. var. glaucescens (M. B.). Breslau: an trockenen Dämmen nördlich von Domatschine. T. palustre DO. Breslau: vereinzelt zwischen dem Wolfskretscham und dem Sibyllenorter Park! (Dr. Friedrich), nicht selten auf Sumpf- wiesen des letzteren selbst mit T. officinale genuinum und var. Scorzonera (Roth), zugleich mit evidenten Hybriden von T. officinale (Uechtr. und Fiek 1884). Chondrilla juncea L. Breslau: Friedewalde, Wald vor dem Erlkretscham hinter Sackerau. + Mulgedium macrophylium DC. Breslau: Brockauer Park. Hieracium cernuum Fr. Riesengebirge: Grenzbauden! (G. Schnei- der). — A. Peter (in Engler’s bot. Jahrb. V (3) p. 270 u. 271) hält die Pflanze des Riesengebirges, die auch er dort bei S00—1160 m be- obachtet hat, der Beskiden (auch auf der Babia Göra) und Tatra für von der scandinavischen verschieden und betrachtet sie für eine zu H. stoloniflorum auet. siles. gehörige Unterart: H. tatrense Peter. H. floribundum Wimm. et Gr. Riesengrund! (Sitensky); Nessel- koppe bei Gräfenberg (Bubela). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 381 H. aurantiacum L. Gesenke: sumpfige Stellen der Hirschwiesen bei den Hubertusbaudeu bei 1150 m! (Freyn) und Schmeisse bei den Hirschwiesen! (Fieinus). H. aurantiacum L. var. bicolor Koch. Gesenke: Schmeisse bei den Hirschwiesen! (Fieinus). Die Pflanze von diesem Standort ist der Vermuthung des Finders entsprechend wohl ein H. aurantiacum >< pra- tense, also eine für das Gebiet neue Hybride, da das früher einmal von H. Schulze im Kessel beobachtete Exemplar verschieden ist und in der That wohl nur ein zweifarbiges H. aurantiacum darstellt. H. cymosum L. a pubescens W. ei Gr. Gipfel des Geierberges (Wichura!, Schumann!); Gesenke: im Hochwalde am Wege von Fitzen- hau nach dem Moosebruche (Bubela). H. cymosum L. b poliotrichum Wimm. (H. cymosum L. ex Fr.). Fuss des Geiersberges bei Klein-Silsterwitz! (Wichura). H. floribundum >< Pilosella Uechir. (non Krause). In einer forma virescens mit dünnen, oberseits nur sehr schwach oder kaum borstigen, unterseits fast nur am Mittelnerven sternhaarigen Blättern im Elbgrund des Riesengebirges! (K. Poläk). H. praealtum >< Pilosella Wimmer. Breslau: hinter Roth- sürben am Wege nach Bohrau! (Schummel im Herb. der vaterl. Ge- sellschaft, als H. floribundum) und zwar in der f. flagellifera astolona, welche auch hinter Kleinburg an Feldgräben vorkommt; der Standort östlich von Rosenthal ist gegenwärtig durch Urbarmachung verloren. H. Bauhini >< Pilosella (Rehmann) A. Peter. Breslau: vor Oltaschin auf einem Sandhügel; auch um Ustron am Wege nach Teschen (Wichura). | H. pratense >< Pilosella Wimm. Um Flinsberg schon 1855 von Wichura gefunden und richtig erkannt. H. alpinum L. var. tubulosum Tausch. Riesengebirge: bis zu den Grenzbauden herabsteigend und zwar an grasigen Lehnen am schwarzen Graben und auf uneultivirten, zur Goder’schen Baude gehörigen Wiesen! (G. Schneider); sogar an grasigen Wegrändern im Dorfe ' Brüekenberg mit H. pratense (Derselbe). | H. Fritzei F. Schultz var. plejocephalum Uechtr. Kl. Schnee- srube! (K. Poläk); Geröll des Sonnenplans zwischen der Schneekoppe und der schwarzen Koppe! (G. Schneider). H. eximium Backh. var. chrysosiylum Uechtr. Gesenke: häufig am Peterstein! (Fieinus, Freyn); kl. Haide und am Wiesenberge! 1878 (Freyn). Die Form tenellum Backh. sehr ausgeprägt am Altvater! (Fieinus); eine den Gegensatz zu dieser bildende mit hohem vom Grunde an verzweistem Stengel und meist zweiköpfigen verlängerten Aesten (f. ramosissima Uechtr.) am Gl. Schneeberge mit H. calenduliflorum ! (Preiser). 282 Jahres - Bericht H. nigrescens W. Riesengebirge: Weisswassergrund! (Fiek). H. decipiens Tausch. Der Standort „Glatzer Schneeberg‘ wird für diese mit Sicherheit nur im Riesengebirge vorkommende Pflanze zu streichen sein; wenigstens beziehen sich die von mir von dort gesehenen Exemplare sämmtlich auf kleinere Individuen des H. eximium Backh., resp. des H. calenduliflorum e. H. glandulosodeniatum DVechtr. Im westlichen Flügel des Riesen- gebirges am Krkonos! (G. Schneider); im östlichen ausnahmsweise bis zu den Grenzbauden herabsteigend und zwar auf uneultivirten, zur Goder’schen Baude gehörigen Wiesen mit H. iubulosum Tsch.! (G. Schnei- der.) — Eine schmalblätterige, einigermassen an H. decipiens Tsch. er- innernde, vielleicht hybride Form ist von Tausch von der Schneekoppe als H. nigresceens W. var. incisum ausgegeben worden. Ueberhaupt scheint diese Art mit anderen bisweilen Kreuzungen einzugehen, so namentlich mit 4. vulgatum Fr. var. alpestre Uechtr. am Kiesberge!, im Melzergrunde!, auch am grossen Teiche! (G. Schneider). H. pedunculare Tausch. Hierzu als Synonyma H. villosum Krocker Fl. siles. nach den Originalen seiner Sammlung und H. amplexicaule ß hirsutum Tausch von der Bo des hiesengebirges gleichfalls nach authentischen Exemplaren. JH. chlorocephalum Wimm. (H, pallidifokum Knaf. sen. nec Jord.). Elbwiese im Riesengebirge! (J. Kablik im herb. musei boh.!) — Vele- novsky (Oest. bot. Z. 1533 p. 389) sagt: „AH. chlorocephalum Wimm. und H. nigritum Uechtr. scheinen dem H. glandulosodentatum Uechir. und dem- nach dem H. nigrescens sehr nahe verwandt. Die Verwandtschaft dieser Arten müsste noch auf lebenden Pflanzen verfolgt werden.‘ — Ersteres dürfte wohl Niemand, der jene Arten genauer kennt, unterschreiben, und dass der anderen Forderung längst Genüge geschehen, kann ich zugleich im Namen Anderer mit gutem Gewissen versichern. H. chlorocephalum und A. nigritum sind unter sich allerdings nahe verwandt und kleinere Exemplare des ersteren sehen dem letzteren nicht unähnlich, aber die Beobachtung speciell der lebenden Pflanzen, welche ich während des Niederschreibens dieser Zeilen in Töpfen unmittelbar vor Augen habe, beseitigt jeden Zweifel in Bezug auf ihre specifische Verschiedenheit. Man vergleiche auch die Auseinandersetzung der früher in den Sudeten mit H. nigrescens W. confundirten Formen im Jahresber. der bot. Section 1875 (p. 62—68). H. nigritum Uechtir. Gesenke: am Leiterberge (kl. Vaterbers) auf den höchsten Triften bei 1357 m. und von dort abwärts vereinzelt bis in die Waldresion der Königskoppe, wo es in Holzschlägen bei Gabelkreuz bei etwa 1000 m. den absolut tiefsten Standort erreicht (Freyn in litt.); Fichtenregion der Schottersteine über Carlsbrunn gegen das Thal der weissen Oppa bei 1100 m! (Derselbe). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9383 H. stygium Uechtr. Wird von Celakovsky jedenfalls irrthümlich als eine Varietät des H. chlorocephalum Wimm. aufgefasst und ist viel- mehr einer der am meisten charakteristischen und häufigsten Grundtypen der Ost-Sudeten, der sich in den Nord- und Ost-Carpathen, obwohl allem Anschein nach weit seltener, wiederfindet (Babiagöra, Tatra'), Czarna Hora!, hier von Dr. H. Zapalowiez beobachtet), Ausser den schon früher erwähnten Merkmalen, unter denen sich auch die stark con- trastirende Laubfärbung in der Cultur durchaus constant zeigt, ergab die Untersuchung zahlreichen frischen, sowohl spontanen als cultivirten Materials noch als weitere Differenzen die abweichende Beblätterung und Nervatur sowie die Gestalt der Ligulae. Bei H. chlorocephalum sind die Internodien erheblich kürzer und gleichmässiger; die Nerven zweiter Ordnung sind zahlreicher, deutlicher parallel und einander mehr genähert, daher das Blattnetz engmaschiger, in frischem Zustande auch deutlicher hervortretend. Die Blumen sind wie bei H. nigritum intensiv goldgelb, bei H. stygium dagegen blass goldgelb, bei ungefähr gleicher Länge !/, bis /, schmäler als bei den beiden anderen Arten und mehr oder weniger rinnig, nicht flach. Auf den Werth des letzteren Charakters machte mich zuerst Freyn aufmerksam; an den von mir untersuchten frischen Exemplaren aus dem Gesenke, die fast durchweg erst im Be- sinn der Anthese standen, waren mir die rinnigen Ligulae wohl auch schon aufgefallen, aber ich schrieb sie auf Rechnung des jugendlichen Zu- standes. Nachträgliche Beobachtungen an cultivirten Exemplaren des Breslauer botanischen Gartens überzeugten mich noch neuerdings von der fast durchgreifenden Beständigkeit des erwähnten Merkmales; nur in seltenen Ausnahmefällen fand sich an einem oder dem anderen Kopfe gelegentlich eine flache Blumenkrone. Der Schmalheit derselben ent- sprechend sind die vorherrschend kahlen Zähne des Saumes im Gegen- satz zu den anderen Arten sehr schmal. Griffel schon beim Aufblühen trüb olivenfarben, später schwärzlich. Neue Standorte des H. stygium: Mooslehne bei 1100 m (Ficinus!, Freyn!), am Wege von Carlsbruunn zur Schäferei!, Schottersteine, am Grützberge, Hasensprung und rothen Berge (Fieinus) ; überhaupt nach Freyn tiefer herabsteigend als voriges, so in Holzschlägen bei Gabelkreuz bis 900 m; ganz vereinzelt sogar noch an der Strasse von Buchbergsthal nach Freiwaldau tief unter Gabel bei etwa 700 m. Bubela sammelte es auf der Hockschar! zahlreich in einer bis über '/, m hohen feiststengeligen grossblätterigen Form mit deutlicher gezähnten Blättern und reich- (bis 10-) köpfigen, nicht selten schon von der Mitte des Stengels an beginnenden Inflorescenzen (f. elatius Uechtr.), die in mancher Hinsicht dem H. atralum Fr. var. polycephalum (Vel.) entspricht und sich auch am Glatzer Schneeberge findet. %), Im kleinen Kohlbachthale schon vor Pax von M. Winkler gefunden. 2854 Jahres-Bericht H. Wimmeri Uechtr. Kräftigere Exemplare bisweilen mehr- (bis 12-) köpfis; an einem allerdings ausnahmsweise üppigen von der Kessel- koppe (Sitensky in herb. mus. boh.!) waren sogar 23 Köpfe vorhanden. Auch am Pantschefalle! (C. Scholz). H, eryihropodum Uechitr. (H. albinum ß dentatum Freyn! in Öel. Prodr. IV). Auch am kleinen Teiche! (Trautmann 1872, unter H. chloro- cephalum, Velenovsky 1883). Von den drei am Kiesberge von V. ge- sammelten Exemplaren des Herb. mus. boh., die ich, wie eine Anzahl anderer kritischer Gebirgshieracien, durch die gütige Vermittelung Öela- kovsky’s zur Ansicht erhielt, gehörte nur eins zu dieser in zwei ver- schiedenen Formen auftretenden Art und zwar zu der mit schwach ge- zähnelten Blättern, die beiden anderen dagegen zu H. vulgatum Fr.,') wie schon Celakovsky richtig erkannt hatte. Velenovsky’s Beschreibung des H. eryihropodum ist demgemäss nicht ganz zutreffend und der Ver- gleich mit H. chlorocephalum, welches mit H. erythropodum keine Aehn- lichkeit hat, nicht statthaft. Nur die Form, welche dem H. albinum etwas zuneist, fällt mit H. erythropodum zusammen und auf die lang- und schmalblätterigen Individuen derselben bezieht sich vermuthlich die von V. hervorgehobene Aehnlichkeit mit H. rupicolum Fr., von welchem in- dessen diese Art fast in allen übrigen Stücken, namentlich auch in den Köpfen, verschieden ist; beide Pflanzen sind zudem, als zwei heterogenen Reihen angehörig, gar nicht miteinander verwandt. H, bifidum W. K.! (H. Retzü Gris. non Fr.) Kessel im Gesenke, in der Form mit zum Theil am Grunde tief eingeschnittenen Blättern und öfter von der Spreite gesonderten Blattzähnen! (1882 Stein). H.murorum (L.) Fr. var. microcephalum Uechtr. (wohl identisch mit H. murorum A micranthemum Froel. in DC. Prodr.). Riesengebirge: steinige Stellen beim kleinen Teiche! (G. Schneider); Gesenke: Nessel- koppe bei Gräfenberg (Bubela). Eine f. siylosa in Holzschlägen bei Gabelkreuz bei 1040 m mit H. stygium! (Freyn). H.murorum (L.) Fr. var. alpestre Gris. Riesengebirge: Melzer- srube! (G. Schneider) und in einer durch die dichtere graue Flocken- bekleidung der Hüllen den Uebergang zu H. caesium var. alpestre Lindebg. vermittelnden Modifieation im Schneegraben des Riesengrundes! (Der- selbe). — Eine der kleinköpfisen Form des Typus entsprechende Ab- weichung (f. microcephala Freyn in sched.!) im Gesenke: Fichtenwälder des Oppathales bei Carlsbrunn auf Schiefer bei 1000 m! (Freyn). H. caesium Fr. var. alpesire Lindebg. Riesengebirge: Teufels- gärtehen! (Herb. soc. siles.). Im grossen Kessel des Gesenkes (Oborny! ") In einer die Var. irrigum Fr. mit der Var. alpestre Uechtr. verbindenden, doch ersterer näherstehenden Form mit so scharf und regelmässig gezähnten Blättern, wie sie H, erythropodum nie zeigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 385 Fieinus!) findet sich ein weiterer Beobachtung besonders anzuempfehlen- des, mir noch räthselhaft gebliebenes, weil zugleich Anschlüsse an andere Arten zeigendes Habichtskraut mit 1—3blätterigem, öfter hin- und hergebogenem Stengel, dessen armblätterige Formen sich wegen der stark grauflockisen Kopfstiele und Hüllblätter, der langen Ligulae u. s. w. dem typischen H. caesium Fr. nähern, wie es z. B. in Skandi- navien auch in ebenen Gegenden vorkommt. Gleichzeitig sind indessen Kopfstiele und Hüllen ziemlich reich mit feinen schwarzen Drüsenhaaren bekleidet und auch sonst zeigt diese Form so manches Eigenartige, dass erst die Beobachtung der lebenden Pflanze, namentlich am Standorte selbst, ein richtiges Urtheil ermöglichen wird. H. atratum Fr. Auch im westlichen Theile des Gesenkes und zwar am Köpernikstein! (1879) in einer atypischen niedrigen, wenig- und kleinköpfigen Form (zum Theil auch f. sitylosa) mit minder behaarten, feindrüsigen Hüllen; sie stimmt bis auf den einblätterigen Stengel mit dem nur Grundblätter besitzenden Hieracium der Veigelkoppe auf der Elbwiese gut überein, welches Velenovsky und Poläk! 1883 sammelten und ersterer in der Oest. bot. Z. 1883 (p. 387) als ein kleinköpfiges, in den Blättern dem H. airatum nahekommendes H. decipiens deutete, eine Anschauung, die ich nicht theile. H. atratum Fr. var. subnigrescens Fr. Ebenfalls im westlichen Gesenke und zwar häufig unter H. alpinum am Köpernikstein! (Bubela) in einer niedrigen, oft stylösen, 1—3köpfisen Form mit kurzen Ligulis, daher von den Riesengebirgspflanzen etwas abweichend, aber gewiss hierher zu rechnen. H. medium fere inter H. atratum Fr. et H.plumbeum Fr. Ge- senke: alpine Triften der hohen Haide gegen die Auerhahnbaude (Sehottersteine) zu bei 1550 m! (Freyn, als H. atratum Fr. v. moravi- cum n. var. in sched). Eine merkwürdige, weiter zu beobachtende Pflanze, H. vulgatum Fr. var. latifolium W. et Gr. Gräfenberg: Nessel- koppe! (Bubela). H. vulgatum Fr. var. alpestire Uechtr. Riesengebirge: schon oberhalb der Kirche Wang! (G. Schneider) und in der Form medianum Griseb. am Kıkonos! (Poläk); Beskiden: Lissa Hora! 1881 (Oborny), zugleich mit Uebergängen zur var. irriguum Fr.! Diese auch am Kies- berge des Riesengebirges! (Velenovsky) ') und im Gesenke: zwischen Franzens-Jagdhaus und dem Peterstein! und verlorene Steine! (Oborny). Uebergänge der Var. alpesire zum typischen H. vulgatum, die im Riesen- berge keineswegs selten sind; im Gesenke: Weg von Fitzenhau nach dem Moosebruche im Hochwalde! (Bubela). ») Vergl. H. erythropodum Uechtr, 986 Jahres - Bericht H. vulgatum Fr. var. calcigenum (Rehm.). Gesenke: Hockschar! (Bubela), ein drüsenloses, zumal an den Kopfstielen stark grauflockiges Exemplar, aber mit kaum blaugrünen Blättern, in gewisser Hinsicht eigentlich eine Uebergangsform zu H. vulgatum var. anfractum (Fr.). H. silesiacum Krause. Gesenke: Rücken der hohen Haide gegen den Schwarzhübel zu (Freyn). H. laevigatum W. var. coronopifolium Koch. Grünberg: Rogsche Haide!, Lansitzer Berge!, vorherrschend in der f. angustissima Uechtr. (Hellwig). H. Tauschianum Uechtr. b. pachycephalum Uechtr. Die von mir in Fiek’s Flora von Sehlesien ausgesprochene Vermuthung, dass Tausch unter seinem AH. striatum nicht nur die Varietät B der Rasse a inuloides verstanden, sondern, wie ich ursprünglich angenommen, sogar vorherrschend die Rasse 5b, wird durch eine briefliche Mittheilung Freyn’s bestätigt, nach welcher alle vier im Tausch’schen Herbar aufbewahrten Originalexemplare vom Glatzer Schneeberge zu letzterer gehören. Für diese wird daher nach dem Vorschlage Freyn’s, welcher sie als eigene Art betrachtet, der Name H. striatum Tausch wiederherzustellen sein; für die Var. 5 des H. inuloides wähle ich jetzt die Bezeichnung intermedium. Das H. striatum findet sich nach Freyn im Gesenke in der Höhenzone von 1200—1400 m; ausser an den in der Flora von Schlesien ange- führten Standorten noch im oberen Thale der weissen Oppa auf der Seite gegen den Altvater, zahlreich im Vatergraben! einzeln auch am Peterstein und im Mentschikgraben. Campanula rapunculoides L. Riesengebirge: Wolfshau bei Krummhübel (G. Schneider). | ©. latifolia L. Landeck: Ebersdorf (Schöpke). C. patula L. var. flaccida Wallr. Breslau: sehr ausgeprägt an trockenen schattigen Stellen im Mahlener Walde! (Preiser), Obernigk. C. Cervicaria L. Liegnitz: nördlicher Theil des Peist (Gerhardt), wohl der nordwestlichste Standort im Gebiete. C. Scheuchzeri Vill. f. albiflora. Aupagrund im Riesengebirge! (G. Schneider). Vaccinium Myrtillus L. Breslau: in einem feuchten sandigen Haideausstiche links vor Friedewalde unter Weidengesträuch sehr spär- lich. In früheren Zeiten von Krause einmal bei Carlowitz beobachtet. ‚Pirola rotundifolia L. Eine auffällig kleinblätterige Form steril in Gesellschaft des vorigen und ebenfalls sparsam; Blätter nur etwa so gross wie bei P. chlorantha und selbst kleiner; sehr ähnlich der var. arenaria Koch, aber die Blätter stumpflicher. Weiterer Beobachtung an- zuempfehlen. Die gewöhnliche Form um Breslau noch im Leuthener Walde, bei Sibyllenort! (Fiek) und an der Eisenbahn hinter Canth. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 387 P. minor L. Breslau: Ausstich links vor Friedewalde! (Dr. Schröter 1884); der weitaus nächste Standort. Chimophila umbellata Nutt. Gleiwitz: Labander Wald sparsam (Junsck.). Gentiana asclepiadea L. Riesengebirge: weissblühend in grosser Menge in den Siebengründen beim Forsthause, ebenso am Waldrande des Ziegenrückens gegen St. Peter (V. v. Cypers). G. Pneumonanthe L. Freistadt: Herzogswaldau (Schöpke); Breslau: im Prausebusch zwischen Klein-Tinz und Bischwitz!, früher häufig, jetzt sehr sparsam (Kionka). G. eiliata L. Löwenberg: sehr sparsam im Zwiceker und auf den Kalkhügeln bei Mois! (Dresler); Wartha: Chaussee nach Nieder-Eichau! (Dr. Hager). G. Amarella L. var. uliginosa (W.). Lüben: Grenzwiese zw. Gross-Kriechen und Brauchitschdorf (Callier t. Gerh.). G. germanica W. Wartha: Lehnen hinter Nieder - Eichau (Dr. Hager)! Lappula Myosotis Mnch. Breslau: spärlich eingeschleppt auf Schutt bei Dürrgoy mit Diploiaxis muralis (Dr. Schröter). Pulmonaria obscura Dumort. Weissblühend bei Hirschberg: vereinzelt im Sattler (M. Fiek); Ziegenhals: Klettnig (Richter); Gleiwitz: Labander Wald ziemlich zahlreich! (Jungek.); Breslau: Leuthener Wald vereinzelt. Mit rosafarbenen Blumen bei Lieenitz: Berghäuser (Major Elbrand nach Gerhardt). m. Soyyenmalıs L. sp. pl. (ex p.), Dum.,'Kerner: Schönau: Höllenberge (Fiek). P. angustifolia L. Breslau: zwischen Bischwitz am Berge und Polnisch-Peterwitz auf den Wiesen am Stenzelbusche! (Kionka). Myosotis sparsiflora Mik. Breslau: an der Lohe hinter Krietern! (Kionka), Domatschine häufig; dann bei Panwitz! (H. Schulze). Solanum Dulcamara L. var. assimile (Gris. et Friv.). Breslau: Pirscham gegenüber. Verbascum Thapsus L. Ohlau: Bischwitz hinter Steindorf! (Kionka). Scrophularia Ehrharti Stevens. Trachenberg: Corsenz (Schwarz). + Linaria Cymbalaria Mill. Hirschberg: Grabenmauern in Grunau an einer Stelle zahlreich (Fiek). L. Elatine Mill. Grünberg: Ochelhermsdorf! (Schäfer); Freistadt: Herzogswaldau (Schöpke). Exemplare mit meterlangen Stengeln Ende October 1833 auf Aeckern vor Gräbschen bei Breslau. L. arvensis Desf. Lüben: Vorderheide! (C. Scholz); Breslau: Grünhübel, am 23. November 1883 mit L. minor in kräftigen Exem- plaren noch in schönster Blüthe. 288 Jahres - Bericht Gratiola officinalis L. Breslau: häufig an einem Feldsraben hinter Kleinburg zwischen der Schweidnitzer Chaussee und der Strasse nach Lohe auf Diluvium, ein schon lange bekannter, in Fiek’s Flora von Schlesien ausgelassener Fundort; spärlich auch in einem Ausstiche bei Hartlieb! (Dr. Hager). Digitalis ambigua Murr. Breslau: Fasanerie bei Schlanz, ein schop von Mattuschka 1776, später auch von Krocker erwähnter, aber in diesem Jahrhundert verschollener, 1855 von Kionka zufällig wieder aufgefundener völlig isolirter Standort. Veronica montana L. Tarnowitz: Carlshof (Fieinus). Melampyrum cristatum L. var. pallidum Tausch (= var. pallens Hartm.) Liegnitz: Verlorenes Wasser bei Panthen (Gerh.). — Diese Farbenvarietät ist übrigens schon Linne bekannt gewesen; vergl. L.’s Reisen durch Westgothland und Spec. pl. II. M. arvense L. Selten um Grünberg: Loos!, Lättnitz! (Hellwig). Pedicularis silvatica L. Breslau: zwischen Klein - Haidau und dem Leuthener Walde. | Euphrasia gracilis Fr. Grünberg: bei Holzmann’s Ziegelei! (Hellwig). E. pieta Wimmer. Gesenke: Hirschwiesen bei Waldenburg um die Hubertusbauden auf offenen Waldstellen bei nur 1130 m! (Freyn). Mentha silvestris L. Breslau: Domatschine, Sibyllenort. M. acutifolia Sm. Grünberg: Seiffersholz! (Hellwig), Ochelsherms- dorf! (Schäfer); Trachenberg: Dorfanger in Corsenz spärlich! (Schwarz). Origanum vulgare L. Schönau: Höllenberge bei Rosenau, Geier- berg bei Neukirch (Fiek). Thymus alpesiris Tsch. Riesengebirge: Blaugrund (Fiek). Th. angustifolius Schreb. Eine der var, pyenotrichus Uechtr. nahe- stehende, aber schmalblätterigere Form, bei welcher die starke Be- kleidung mehr gleichmässig auf die Oberfläche der Blätter vertheilt ist, um Grünberg: Droschkau! (Hellwig). Calamintha Clinopodium Spenn. f. albiflora. Striegau: breiter Berg! (C. Scholz). Salvia verticillata L. Breslau: eingeschleppt an einem Damme zwischen Schwoitsch und der Strachate! (Kionka). Lamium purpureum L. f. albiflora. Breslau: Scheitnig. L. maculatum L. f. rosea. Canth, an Mauern gegen den Schos- nitzer Wald! (Dr. Hager). L. Galeobdolon Crantz. Breslau: Sibyllenort, Domatschine. Stachys germanica L. Breslau: Schlanz! (Kionka). St. alpina L. Wölfelsgrund (Schöpke). St. annua L. Trachenberg: Corsenz! (Cantor Schwarz). Nach demselben in dieser Gegend überall als Gartenkraut vorkommend (aber der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 389 auch auf Aeckern im nördlichen Theile Mittelschlesiens ziemlich ver- breitet) und bei der dortigen Landbevölkerung als vorzügliches Mittel gegen Kopfschmerz geltend, was übrigens schon von Mattuschka in seiner Flora silesiaca erwähnt wird. Chaeturus Marrubiastrum Rchb. Freistadt: Langhermsdorf! (Hellwig). Utricularia neglecta Lehm. Liegnitz: Schwarzwasserbruch (Gerhardt). U. minor L. Gleiwitz: auf einer Moorwiese im Labander Walde schon vor etwa 20 Jahren von E. Nagel gefunden. Lysimachia thyrsiflora L. Canth: in Sümpfen an der Eisenbahn gegen Neudorf. Primula offieinalis Jg. Breslau: Bischwitz am Berge (Kionka); Gleiwitz: auf Kalkboden bei Laband! (Jungcek.). Anagallis arvensis L. f. carnea Schrk. Schmiedeberg: auf Aeckern am Wege nach den Grenzbauden in Menge! (G. Schneider). Oentunculus minimus L. Breslau: Sackerau, Schimmelwitz. Plantago arenaria W. et Kit. Gesenke: an der Eisenbahnlinie Eckersdorf-Würbenthal am Bahnhofe Breitenau auf Schotter bei 400 m zahlreich! (Freyn).. Dem Gesenke sonst fehlend und daher wohl durch die Eisenbahn eingeschleppt. Polycnemum arvense L. Namslau (Dr. Schröter). Chenopodium opulifolium Schrad. Grünberg: Ochelhermsdorf! (Schäfer). + Kochia scoparia Schrad. Löwenberg: zahlreich auf Schutt im Stadtgraben vor dem Burgthore! (Dresler). Rumex obtiusifolius L. var. agrestis Fr. Nov. Breslau: Gras- plätze im hinteren Theile des botanischen Gartens, anscheinend voll- kommen wildwachsend! (Kabath). Zweiter Standort für die Breslauer Flora. R. alpinus L. Grafschaft Glatz: im Klessengrunde (Uechtr. 1853, Schöpke 1883), aber hier wohl nicht ursprünglich einheimisch. Polygonum mite Schrk. Breslau: häufig im Gebiete des Julius- burger Wassers in Sackerau, beim Erlkretscham, Domatschine. P. aviculare L. var. neglecium (Besser ex p.) = var. angu- stissimum Meissner = var. nervosum (Wallr. herb.) Celak. Die im Spätherbst 1881 auf Brachen bei Pilsnitz gesammelten Exemplaren ent- nommenen Früchte lieferten im Gegensatz zu der von demselben Stand- punkt herrührenden Aethusa Cynapium L. var. agrestis Wallr. (vergleiche oben) bei der Anzucht im Topfe den spontanen völlig eonforme Indi- viduen; diese behielten ausser den übrigen Charakteren sogar vor- 1883. 19 390 Jahres-Bericht herrschend die Neigung der Stengel zum Niederstrecken trotz der dafür wenig günstigen Culturmethode bei und nur die schwächlichsten Exem- plare blieben aufrecht. Asarum europaeum L. Breslau: zahlreich im Brockauer Parke, zugleich das nächste Vorkommen. Daphne Mezereum L. Ohlau: Bischwitz hinter Steindorf! (Kionka). Euphorbia plaiyphyllos L. Breslau: in Bettlern sehr häufig noch am 23. November in ungemein kräftigen, zum Theil erst blühenden und vollständig frisch beblätterten, bis 1 m hohen Exemplaren. E. Esula L. var. salicetorum (Jord.). Maltsch: an der Oder- fähre (Gerhardt). E. lueida >< Cyparissias Wimm. Breslau: zwischen Rosenthal und Carlowitz. Mercurialis perennis L. Breslau: Sibyllenorter Park. Betula pubescens Ehrh. Breslau: Leuthener Wald. Alnus glutinosa >< incana Krause. Breslau: Nordrand des Leutbener Waldes an der Strasse am Eingange von Klein-Haidau aus in Menge gepflanzt. Eine in der Gestalt der Blätter der A. incana nahe- stehende, aber zuletzt mit Ausnahme der Nerven kahlblätterige Form vereinzelt im feuchten Laubwalde westlich vom Erlkretscham; eine der A. glutinosa im Ganzen näherstehende, mit im Jugendzustande beiderseits stark bekleideten, zuletzt fast verkahlenden, unterseits jedoch blaugrün- lichen Blättern sparsam in feuchten Gebüschen hinter dem Bahnhofe Canth. Ä Salix pentandra L. Breslau: an der Eisenbahn bei Zechelwitz vor Obernigk, hier auch die seltene Varietät polyandra Bray! (H. Schulze). | 8. Lapponum L. Riesengebirge: Weisswassergrund in mehreren Formen (Fiek). S. dasyclados Wimm. Breslau: ein 2 Stecklingsstrauch am Oder- ufer am Weidendamme unter zahlreicher $. caprea >< viminalis 2. S. aurita >< viminalis Wimm. 2. Mit voriger mehrfach. S. viminalis > repens Lasch. Der um Carlowitz bei Breslau von mir 1877 aufgefundene einzige 2 Strauch ist gegenwärtig nicht mehr vorhanden, daher diese schöne in der norddeutschen Ebene sonst mehrfach beobachtete Hybride für das Gebiet vorläufig verloren. S. caprea >= silesiaca Wimm. Gesenke: Oppaufer oberhalb Carlsbrunn! (Ficinus). 8. cinerea > repens Wimm. f. subargeniea 2. Breslau: in vorherrschend von $. repens, $. aurita und $. cinerea gebildeten Haide- Ericetis bei Carlowitz als über mannshoher Strauch, der starken weissen seidigfilzigen Bekleidung der jüngeren Blätter und Zweigspitzen naeh der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 291 offenbar aus S. repens L. var. argentea Sm. und $. cinerea entstanden und daher von den beiden bisher in Schlesien beobachteten Sträuchern dieses sehr seltenen Bestandes abweichend, namentlich der zuerst von Wimmer zwischen Herrnprotsch und Gross-Masselwitz bei Breslau ent- deckten, der S. cinerea weit näheren Form sehr unähnlich. In der Blatt- form gleicht die Carlowitzer Hybride weit mehr der bei Janowitz von Langner aufgefundenen, im Ganzen sehr schön in der Mitte zwischen den Eltern stehenden, doch sind die Zweige meist schlanker und die Blätter fast durchweg ganzrandig, dabei oberseits freudiger grün; Neben- blätter kleiner, Fruchtknoten bei Weitem nicht so stark anliegend grau- filzig, daher blasser, zugleich mit längeren Seidenhaaren bekleidet, die der anderen meist ganz fehlen. Jedenfalls die der S. repens näher- stehende Form der erwähnten Combination; sie nähert sich in mancher Hinsicht gewissen Modificationen der S. aurita >< repens, die sich am gleichen Standorte mehrfach findet, ist aber sofort durch den viel höheren Wuchs, die elliptisch- bis länglich-lanzettlichen, niemals verkehrt ei- förmigen, zugleich gewöhnlich grösseren!) und nicht oder höchstens ganz schwachrunzeligen, in eine stets gerade Spitze endenden Blätter, sowie durch die Farbe des Filzes der Rinde der Zweigspitzen zu unter- scheiden. Populus tremula L. var. villosa (Läng). Breslau: nicht selten um Rathen und im Leuthener Walde. + Elodea canadensis Casp. Liegnitz: im Schwarzwasser und seinen Aussumpfungen (Gerhardt); Gleiwitz: 1879 an einer Stelle des Canals, 1830 schon häufiger, durchzieht seit 1881 denselben bereits in lästiger Weise! (Jungek.). Potamogeton semipellucidus Koch et Ziz. Liegnitz: Schwarz- wasser (Gerhardt). P. praelongus Wulfen. Gleiwitz: Teich vor der Herminenhütte in Laband, seltener im Klodnitzeanal gegen die Stadt! (Jungek). Für Oberschlesien neu. P. zosterifolius Schumach. Gleiwitz! (Jungck). Ä P. Friesii Ruprecht (P. pusillus major Fr. Nov., P. mucronatus Schrader nach Rehb., aber vom Autor selbst wie es scheint nirgends beschrieben, vergl. Rupr. Diatrib.). Breslau: in dem Wasserloche bei den Waschteichen, wo diese Art früher zeitweise häufig vorkam, ver- muthlich ausgestorben, wenigstens seit 1877 alljährlich vergeblich ge- sucht; dagegen fand ich sie in dem Sackarme der Ohlau hinter Spitzer’s Badeanstalt gegen die Haase’sche Brauerei mit P. decipiens Nolte im Juli 1883 in Gesellschaft des Dr. Tiselius aus Stockholm. !) Die ausgewachsenen Blätter öfter bei 1,8--2,2 cm Breite 5—6,5 cm lang, doch häufig auch kleiner. 192 292 Jahres - Bericht Wolffia Michelii Horkel. Prausnitz: in einem Dorfteiche in Gross-Krutschen (Schwarz). Calla palustris L! Namslau: Sümpfe bei der Stadt (Dr. Schröter). Platanthera bifolia Rchb. (non Rich.) Breslau: ganz vereinzelt auf den Sumpfwiesen hinter Schmolz rechts der Eisenbahn. Epipogon aphyllus Sw. Gesenke: in einigen Gruppen rechts vom Wege von Lindewiese über den Urlich zur Hockschar (Bubela). Cephalanthera ensifolia Rich. Breslau: ein Exemplar im Riem- berger Forst bei Obernigk rechts vom Wege unfern des Eingangs! (Dr. Hager). Epipactis palustris Crantiz. Freistadt: Herzogswaldau (Schöpke). Helleborine spiralis Bernh. Grünberg! (Hellwig). Ornithogalum umbellatum L. Breslau: Aecker um Hasenau! (H. Schulze). Allium fallax Don. In Fiek’s Flora von Schlesien ist der längst bekannte Standort: Probsthainer Spitzberg offenbar aus Versehen nicht erwähnt und fehlt deshalb wahrscheinlich auch in Dresler’s Flora von Löwenberg (1883), obwohl dort sowohl diese Art als A. strictum Schrad. vorkommen. Anthericum ramosum L. var. fallax Zabel. Trachenberg: Kieferwälder um Neudorf und Kodlewe! (Schwarz). Polygonatum officinale All. Breslau: im Walde hinter Lissa auch am Damme nach dem Kirschberge zu sparsam. P. multiflorum All. Breslau: im Walde westlich vom Erl- kretscham gegen Gross-Bruschewitz. Colchicum autumnale L. Breslau: Wiesen zwischen Bischwitz am Berge und Polnisch-Peterwitz hinter dem Stenzelbusche! (Kionka); dagegen ist der Standort zwischen Rosenthal und Carlowitz durch voll- ständige Urbarmachung der betreffenden Wiese, auf welcher auch Galium vernum Scop. vorkam, verloren. — Die Frühjahrsform nach dem milden Winter 1883/84 zahlreich um Reichenbach Ende Februar nicht selten! (M. Greif), ebenso um Gnadenfeld, seltener auf Wiesen des Oderthales um Dembowa bei Cosel (Wetschky). Juncus trifidus L. Am Glatzer Schneeberge auch in neuester Zeit von Schöpke beobachtet und zwar an Felsen am Aufstieg von der Schweizerei aus. Im Jahre 1853 von mir ebenfalls auf dem Schnee- berge gesammelt, doch ist mir der specielle Standort nicht mehr genau erinnerlich. J. capitatus Weig. Freistadt: Herzogswaldau häufig (Schöpke); Löwenberg: Gähnsdorf (Dresler). J. tenuss W. Löwenberg: Görisseiffen, Braunau (Dresler). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 393 Luzula pilosa W. Breslau: zwischen dem Wolfskretscham und Sibyllenort! (Fiek). Auch noch in der tieferen Hochgebirgsregion: Süd- seite des Krkonos bei 1200 m (Derselbe). L. pallescens Besser. Breslau: Kapsdorfer Goi! 1881 (Preiser), häufig im Leuthener Walde; Freistadt: vor Herzogswaldau (Schöpke); Liegnitz: Wasserforst bei Kaltwasser (Gerhardt); Trachenberg: Corsenz! (Schwarz); Gesenke: Nesselkoppe bei Gräfenberg und im Hochwalde zwischen Fitzenhau und dem Moosebruche (Bubela). Heleocharis orata R. Br. Hirschberg: am Teiche in der Lom- nitzer Haide häufig (Gerhardt). Scirpus maritimus L. Liegnitz: Siegeshöhe (Gerh.); Breslau: Teichränder zwischen Domatschine und Klein-Bruschewitz. Die Form monostachys Sond. um Lüben (Gerhardt). S. silvaticus L. Auch im Riesengebirge in der alpinen Region: im obersten Theile des Aupagrundes bei 1410 m (Fiek). Eriophorum latifolium Hoppe. Rehhorn unfern des Gipfels (Cela- kovsky). Carex dioeca L. Freistadt: Sumpfwiesen an der Ziegelei bei Herzogswaldau (Schöpke); Lüben! (C. Scholz). Die f. isogyna Fr. um Grünberg: Barnd’sche Mühle! (Hellwig). C. Davalliana Sm. Gleiwitz: Labander Wald! (Jungck). C. cyperoides L. Hirschberg: Teich in der Lomnitzer Haide bei Hirschberg (Gerhardt). C. arenaria L. Freistadt: zwischen Steinborn und Niebusch! (Hellwis). C. paradoxa W. Grünberg: Saabor an Grabenrändern am See!, Barnd’sche Mühle mit C, paniculata! (Hellwig). C. elongata L. var. heterostachya Wimm. Liegnitz: Wasser- forst bei Kaltwasser (Gerhardt). C. remota >< vulpina Crepin (C. axillaris Good.). Liegnitz: eben- daselbst (Gerhardt). C. remota >< paniculata Schwarzer (C. Boenninghauseniana Whe.). Grünberg: Droschkau! (Lehrer Kleiber, als ,,C. elongata“ ?). Dritter Standort im Gebiete. Auch unfern der Gebietsgrenze im Züllichauer Buchenwalde! (H. Schmidt 1880). C, stricta Good. Breslau: Sibyllenort!! (Dr. Hager), Domatschine, Eine f. humalis mit niedrigen, nur 0,25—0,30 m hohen, die Blätter nur wenig überragenden steifen Stengeln um Liegnitz: gr. Grundsee bei Arnsdorf! (Gerhardt). Die var. gracilis (Wimm.) —= C. macra Steud. um Lüben: Schwarzau! (C. Scholz); Liegnitz: gr. Grundsee bei Arnsdorf! (Gerhardt). C©. Buekii Wimmer, Breslau: Oderdämme bei Peiskerwitz! (Lehrer Hübner). 394 Jahres - Bericht C. acuta (L. ex p.) Fr. Die Form mit durchweg 43 Aehrchen bei Löwenberg: Langenvorwerk, Höfel (nach Dresler's Flora von Löwenberg), eine solche mit an der Spitze durchgehends 3‘ unteren Aehrchen um Schmiedeberg: Buchwald! (G. Schneider). Canth: Neu- dorfer Wiesen. C©. acuta (L.) var. sphaerocarpa Uechtr. Mit verschmälerten, dabei oft stärker verlängerten und meist länger gestielten, an die von C©. Buekü etwas erinnernden © Aehrchen und kleineren freudig grün ge- färbten Schläuchen, sowie mit öfter vor der Spitze verschwindenden Nerven der Deckblätter (f. mierocarpa m.) um die Rosenthaler Teiche bei Breslau. C. acuta (L.) var. chlorostachya Rchb. Breslau: Wiesengräben der Neudorfer Wiesen bei Canth. C. acuta (L.) var. tricostata (Fr.). Trachenberg: an der Orla bei Lauskowe und Üorsenz! (Schwarz). C. acuta (L.) var. strictifolia (Opiz). Grünberg: unter dem weissen Berge bei Bobernig! (Heilwig); Liegnitz: Tzschocke in einer niedrigen steifstengeligen Form mit 7—8 an der Spitze stets | weib- lichen Aehrehen, von denen die oberen stark zusammengedrängt sind! (Gerhardt); Trachenberg: Corsenz! (Schwarz). | C. Goodenoughii Gay var. melaena Wimm. Gesenke: Hochtrift der hohen Haide! (Freyn); Riesengebirge: Weg zum grossen Teiche! (Gerh.), hier eine höhere Form mit Deckblättern von ungefährer Länge des Schlauches (Hellwig). C. Goodenoughii Gay var. chlorostachya Rchb. Grünberg: Hiller's Seechen mit der var. ae Fr.; Trachenberg: Lauskowe! (Schwarz). | ©. Goodenoughii Gay var. turfosa (Fr.). Liegnitz: grosser Grundsee bei Arnsdorf! (Gerhardt); Trachenberg: südlich von Deutsch- Damno unweit der Pfefferberge! (Schwarz). ©. hyperborea Drejer. An feuchten Bee im gr. Kessel! (Fieinus). Für das Gesenke neu. ©. Buxbaumii Whbg. Neudorfer Wiesen bei Canth, schon seit Jahren beobachtet; Prausnitz: Altteichwiesen bei Wilkawe! (Schwarz); Liegnitz: Brüche südöstlich der Station Neuhof (Gerhardt). C. atrata Z. var. aterrima (Hoppe). Gesenke: Petersstein! (Fieinus). C. tomentosa L. Grünberg: in lichtem Eschengebüsch unterhalb des weissen Berges bei Bobernig gegen den Schlossberg! (Hellwig), neu für die dortige Flora; Lüben: Schwarzau! (C. Scholz). C. verna Vill. var. umbrosa aut. nec Host. Breslau: an einem Waldsaume nördlich von Domatschine gegen Bunkay selten. Die dortige Pflanze rasenbildend, aber wie die typische zugleich mit Ausläufern. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 395 C. polyrrhiza Wallr. Breslau: Sumpfwiesen im Sibyllenorter Parke sparsam unter C. verna!! (Fiek). C. pilulifera L. Riesengebirge: Grasplätze im Aupagrunde! (G. Schneider). C. moniana L. Breslau: Sibyllenort! (Dr. Hager); Teschen: Nord- seite des Tul bei Ustron! (Stud. rer. nat. Forkert-Berlin),; neu für die Flora des Teschener Gebietes. Der Finder glaubt sie auch oberhalb des Blogotitzer Wehres bemerkt zu haben, doch wurden von dort keine Exemplare aufgenommen. C. Oederi Ehrh. var. elatior Andersson. Grünberg: Hiller’s Seechen! (Hellwig). C. digitata L. Trachenberg: am Wallberge bei Corsenz! (Schwarz). C. silvatica Huds. var. pumila Fiek. Diese ausgezeichnete Varietät wurde von Wetschky auch ausserhalb unseres Gebietes an sonnigen Stellen bewaldeter Bergabhänge am Fusse des Chot bei Lucky und Kralovan im oheren Wasthale beobachtet; sie scheint somit im nordwestlichen Carpathenzuge ziemlich verbreitet oder vielleicht diesem überhaupt eigenthümlich; die oberungarischen Exemplare sind im Ganzen etwas kräftiger, die Rasen reichstengeliger, aber sonst mit denen der schlesischen Beskiden in Habitus und Merkmalen vollkommen conform. C. ampullacea Good. var. brunnescens Anderss. Grünberg: Droschkau! (Kleiber). — Exemplare des Typus mit an der Spitze S un- teren Aehrchen um Breslau in dem kleinen Torfmoor an der Eisenbahn hinter Hennigsdorf. C. vesicaria L. Breslau: Gräben der Neudorfer Wiesen bei Canth unter der typischen ein Exemplar mit vier normalen und einem einzigen kurzgestielten, aufrechten, dicken, breiteylindrischen 2 Aehrchen; dieses bei 6,7 cm Länge 1,8 cm breit. C. hirta L. var. hirtaeformis Pers. Bei hierher gehörigen kräf- tigen Exemplaren aus einer Lache unweit Grenzvorwerk bei Trachen- berg (Schwarz!) sind die untersten 2 Aehrchen öfter stark zusammen- gesetzt, bei anderen der Grund des untersten 3 Aehrchens von dem des untersten 2 bis 1,5 dem. entfernt. | C. Siegertiana Uechtr. An dem von Siegert zuerst entdeckten Originalstandorte bei Canth trotz mehrfacher Localitätsveränderungen noch jetzt vorhanden und 1883 sogar in ungewöhnlicher Menge fruch- tend; C. hirta wurde auch diesmal in den näheren Umgebungen des Standortes nicht beobachtet. Dagegen ist das pflanzenreiche trockene Laubgehölz der Neudorfer Wiesen, in welchem sich Potentilla rupestris, Cerinithe, Chrysanthemum corymbosum u. s. w. fanden, schon seit mehreren Jahren der Cultur zum Opfer gefallen. — Es ist schwer zu begreifen, 296 Jahres-Bericht wie Nyman noch neuerdings wieder in seinem Conspectus fl. europ. die Breslauer Pflanze als Subspecies bei €. hirta unter den Lasiocarpis unter- bringen konnte, während er die mit ihr vollkommen identische von E, Fries im Herb. norm. von Petersburg ausgegebene') als ©. orthostachys C. A. Mey. bei den Vesicariis, noch dazu nicht bei C. vericaria selbst, sondern hinter der ganz fernstehenden C. rotundata Whbg. aufführt, zumal ihm nach dem Citat von F. Schultz’s Herb. normale auch die unserige nicht unbekannt gewesen ist. — Uebrigens muss ich Schmalhausen bei- pflichten, wenn er nach dem von ihm bei Petersburg beobachteten Material dieser Art eine etwas grössere Variationsfähigkeit zuschreibt, als dies von meiner Seite l. c. geschehen ist. Die Stellung der Aehrchen ist auch bei der hiesigen Pflanze wie bei vielen anderen Arten der Gattung etwas veränderlich und die mageren Individuen, welche sich namentlich in trockenen Jahrgängen öfter finden, zeigen lockerer und in minder zahlreichen Reihen angeordnete Schläuche, weil alsdann die Blüthen zum Theil vertrocknen und keine Früchte ansetzen, was unter gleichen Verhältnissen auch bei vielen unzweifelhaft nicht hybriden Carices der Fall zu sein pflegt. In Bezug auf die Länge des Schnabels zeigt die hiesige Ü. Siegertiana im Gegensatz zu der in dieser Hin- sicht oft recht stark variirenden C. vesicaria keine wesentlichen Ab- weichungen. Panicum sanguinale L. Grünberg: selten, z. B. Lansitzer Strasse (Hellwig). Setaria verticillata P. B. Liegnitz: Goldberger Vorstadt, hier auch die var. breviseta Godr. (Gerhardt). Anthoxanthum odoratum L. var. villosum Lois. Zugleich mit zottigen Scheiden um Breslau im Skarsiner Buchenwalde! (H. Schulze) und bei Carlowitz. Phleum Boehmeri Wibel. Breslau: rechtes Ufer der alten Oder unterhalb der Eisenbahnbrücke der Rechte-Oder-Ufer-Bahn, Wald zwischen Sackerau und dem Erlkretscham. Phragmites communis Trin. var. flavescens Custer. Breslau: vorherrschend um Domatschine und Bruschewitz. Koeleria cristata Pers. (vera). Jetzt für die Breslauer Flora völlig gesichert: Eisenbahndamm beim Bahnhofe Schmolz sparsam unter K. gracilis Pers. Die Varietät mit zottig behaarten Blattscheiden und Blättern (K. pyramidata Lam. sub Poa) sogar im nordwestlichsten Landes- !) Vergleiche meine Abhandlung über C. aristata Siegert und die damit ver- wandten Arten in Verh. des bot. Vereins für die Provinz Brandenburg u. S. w. VIII (1866) p. 83—105 und J. Schmalhausen’s Aufzählung der im Gouvernement St. Petersburg vorkommenden Bastard- und Zwischenformen in „‚Bot. Zeitung“ (1875, p. 975— 176). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 997 theile am Schlossberge bei Bobernig, Kreis Grünberg! (Hellwig), mit K. glauca DC. K. glauca DC. Grünberg: eine kleinere Form am Telegraphen- berge und am Kaiserberge bei Loos! (Hellwig); Breslau: auf einem sonnigen Sandhügel an der Strasse von Nimkau nach Gäbel zahlreich (1884). Aira praecox Z. Grünberg: Neue Maugscht!, zwischen Cosel und Kunzendorf! (Hellwig); Freistadt: zwischen Niebusch und Kottwitz ! (Derselbe). Avena faiua Z. var. glabraia Peterm. Ziegenhals: bei Arnolds- dorf und am Fusswege nach Zuckmantel (Richter t. Fiek). Die var. subsecunda Uechtr. um Breslau mit der Grundart auf Gerstenfeldern hinter Kleinburs. A. flavescens L. Breslau: Strassengräben um Lossen bei Skarsine ! (H. Schulze), ob wildwachsend?, nicht häufig auf den Neudorfer Sumpf- wiesen bei Canth, hier allem Anscheine nach spontan. Melica uniflora Retz. Schönau: Geiersberg bei Neukirch (Fiek). M. iranssilvanica Schur (M. ciliata aut. siles.). Bei der Be- sprechung dieser Art im Jahresberichte für 1882 bezeichnete ich die M. nebrodensis Guss. Hackel’s Vorgange gemäss als die wahre M. ciliata L., um so mehr, als ich damals nur Exemplare von den Linne’schen Originalstandorten Oeland und Gothland kannte. Nachdem ich aber nun- mehr auch solche von verschiedenen Localitäten des schwedischen Fest- landes gesehen habe, erscheint es mir nicht mehr unmöglich, dass Linne auch schon die M. transsilvanica von dort gekannt und wenigstens in späterer Zeit auch diese mit unter seiner M. ciliata verstanden hat. Auf den erwähnten baltischen Inseln scheint allerdings ausschliesslich die M. nebrodensis Guss. vorzukommen, die ich auch von Stockholm und aus Smäland als M. ciliata besitze, aber die M. transsilvanica fehlt in Schweden keineswegs, wie man nach Hackel’s Darstellung glauben könnte, denn hierher und zwar zu der auch in Mitteleuropa vorkommen- den Form mit kahlen unteren Blattscheiden gehören zwei mir vorliegende _ von N. A. Ahlström am Slottsbacken bei Upsala 1876 gesammelte Exemplare. Möglicherweise ist dieser Standort allerdings kein ursprüng- licher, weil M. ciliata wenigstens in früheren Zeiten der Umgebung von Upsala fremd gewesen scheint, da weder Linn& noch Wahlenberg (fl. upsal, et fl. suec.) die Pflanze von dort kannten. Aber auch Godron muss die M. transsilvanica vom schwedischen Festlande gesehen haben, da er in der Flore de France ausdrücklich sagt: nous la possedons .. de la Suede meridionale. Aus diesem Grunde hat er offenbar in dieser Form die echte M. ciliata suchen zu müssen geglaubt, zumal zur Zeit des Erscheinens des dritten Bandes jenes Meisterwerkes die M. nebrodensis noch fast ausschliesslich für eine süd- und westeuropäische Art galt und 298 Jahres-Bericht das Vorkommen beider Typen in Schweden somit mindestens sehr un- wahrscheinlich war. Unter diesen Umständen dürfte der von Hackel dem berühmten französischen Beobachter gemachte Vorwurf wohl nur in geringem Grade gerechtfertigt sein. — Linne giebt übrigens selbst schon 1746 in seiner Reise durch Westgothland (Uebersetzung von Schreber $. 38) die M. ciliata aus den Umgebungen des Berges Kinne- kulle am Wenernsee an, wobei allerdings vielleicht ein lapsus calami vorgefallen sein könnte, da sie nach Hartmann nur in den östlichen Pro- vinzen Schwedens vorkommt; auch Wahlenberg (fl. suec.) sagt bereits ausdrücklich: nee versus mare occidentale ungquam. — Ich habe Ge- legenheit gehabt, beide Arten oft und gewöhnlich in grosser Menge im Freien zu beobachten, bin aber nie in Zweifel gerathen, zu welcher ich die betreffenden Exemplare rechnen sollte, was bei getrockneten bis- weilen allerdings mitunter vorkommen kann. Mir scheint danach das Auseinanderhalten naturgemässer, als ein Zusammenziehen und zugleich das Aufgeben der Bezeichnung M. ciliata L. für die M. nebrodensis Guss. wie in so manchen ähnlichen Fällen das Gerathenste. — Zu M. trans- silvanica, und zwar zu der typischen Form mit bekleideten Blattscheiden, gehört übrigens nach von Boreau aus dem botanischen Garten zu Angers mitgetheilten Exemplaren auch die M, pubescens Desvaus; schon B. selbst bemerkte auf der zugehörigen Etiquette: „forte non differt a vera M. ciliata L.?“ [reetius Godron]. + Eragrostis minor Host. Neusalz: Brüdergemeinde, an der Strasse nicht selten! (Hellwig). Im nordwestlichen Gebietstheile bisher noch nicht beobachtet. Giyceria fluitans R. Br. 1883 um Breslau stellenweise massen- haft bis Ende November in voller Anthese. G. plicata Fr. Grünberg: alte Maugscht!, Schloin! (Hellwig). G. distans Whbg. var. tenuis Uechtr. Breslau: an dem Original- standort durch Häuserbauten längst vernichtet, aber 1883 um die Oel- mühle bei Höfchen. Dactylis glomerata L. var. nemorosa Klett et Richt. Grün- berg: Schlossberg bei Bobernig! (Hellwige); Canth: zwischen dem Bahn- hofe und Polsnitz. Festura heterophylla Lam. Liegnitz: Dohnaer Berge (Gerhardt). F. rubra Z. Im westlichen Hochgebirge noch am Südabhange des Krkonos bei 12380 m!, dann auch im oberen Theile des langen Grundes (Fiek); in den Beskiden am Gipfel der Lissa-Hora (Oborny). F. gigantea Vill. var. triflora Godr. Breslau: wildwachsend im botanischen Garten! (Kabath). F. arundinacea Schreb. Breslau: Wiesengräben bei Klein- Bruschewitz. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 399 Bromus mollis L. var. liostachys Tausch (= var. glabratus Döll). Grünberg: Schlossberg bei Bobernig! (Hellwig); die var. hor- daceus L., Whbg. auf sterilen Triften um die Rosenthaler Teiche, sowohl mit kahlen als mit bekleideten Aehrchen. B. erectus Huds. Breslau: spontan noch an grasigen trockenen Hügelabhängen dicht vor Grünhübel, am 23. November 1883 noch in voller Blüthe. B. tectorum L. var. glabratus Sond. Grünberg: Blümelfeld!, Rohrbusch! (Hellwig). Elymuseuropaeus L. Heuscheuer: Felspartie des „Bürgermeister“ unterhalb Carlsberg (Schöpke); Gesenke: Nesselkoppe bei Gräfenberg (Bubela). Juniperus communis L. Breslau: nicht selten im nördlichen san- digen Theile des Leuthener Waldes. Lycopodium Selago L. Gleiwitz: Labander Wald und zwar die var. recurvum (Kit)! (Jungek); ebendort L. annotinum L. Z.inundatum Z. Gleiwitz: Sümpfe am Labander Walde! (Jungcek). L. clavatum L. Breslau: zwischen Klein-Haidau und Leuthen im Walde nicht häufig. L. complanatum L. Breslau: steril zwischen Jäkel und Hauffen! (H. Schulze). Equisetum silvaticum L. Breslau: Leuthener Wald. E. arvense L. var. campestre (C. F. Schultz, nicht wie Fiek schreibt, F. Schultz). Liegnitz: auf einer Brache südöstlich von Weissen- rode (Gerhardt). E. pratense Ehrh. Gleiwitz: an zwei Stellen im Labander Walde in Menge, doch nur steril! (Jungck); Ziegenhals: Bielethal gegen Niclas- . dorf (Richter). Ophioglossum vulgatum L. Gleiwitz: Labander Wald, nur zwei Exemplare (Jungck). Osmunda regulis L. Gleiwitz: sehr spärlich im Labander Walde! (Jungek); die var. interrupta Milde bei Nappatsch in der Muskauer Haide (Cantor Kahle nach Fiek). Polypodium vulgare L. Gleiwitz: Labander Wald (Jungck). Gogolin: am ,„Kanape‘“ in der Nähe der Wolfsschlucht im Gr.- Steiner Forste am Fusse alter Buchen, Phegopteris polypodioides Fee. Gleiwitz: mit Ph. Dryopteris im Labander Walde und im Stadtwald (Jungck). Polystichum spinulosum DC. var. dilatatum (Hoffm.) f. erosa. Gesenke: Nesselkoppe bei Gräfenberg mehrfach! (Bubela). P. Filix mas. Roth var. deorsolobatum Moore. Jauer: Hess- berge, Bremberger Höhen sehr selten (Gerhardt). — Gesenke: Nessel- 300 Jahres - Bericht koppe bei Gräfenberg (Bubela). — Var. Helopteris (Borkh.). Hirschberg: Sattler (Fiek); zwischen Arnsdorf und der Annakapelle (Gerhardt). P. Oreopieris DO. Riesengebirge: in dem kleinen Kessel der Kesselkoppe an steinigen Stellen! (G. Schneider). Asplenium Trichomanes L. Häufig an Muschelkalkfelsen der Wolfsschlucht im Gross-Steiner Forste bei Gogolin mit A. Ruta muraria L. und Cystopteris fragilis Bernh. 1882; Gleiwitz: Labander Wald nicht selten an den Mauern der Strassendurchlässe mit A. Ruta muraria (Junsck). A. viride Huds. MReichenstein: sehr häufig im Schlackenthale (Schöpke); Gesenke: spärlich in Felsspalten des Köperniksteins (Bubela). Cystopteris sudetica A. Br. et Milde. Gesenke: im Hochwalde am Wege von Fitzenhau nach dem Moosebruche (Bubela). Berichtigung zu Seite 207. Jungermannia Rutheana ist paröcisch! Diese Thatsache erkannte ich an Exemplaren aus dem Torfmoore im Grunewald bei Berlin, leg. Prof. Al. Braun am 27. Juli 1864, welche mir inzwischen durch C. Warnstorf und J. Jack gütigst mitgetheilt wurden. — Nr. 583 in G. & Rabenh., Hep. eur., ist im Herbste gesammelt, die Antheridien sind zerstört und nur selten gelingt es, am fruchtenden Stämmcehen noch die Rudimente der Stiele zu sehen. Die Braun’sche Pflanze zeigt das Sporogon im Jugendzustande, deshalb hat das Perianthium eine andere Form: es ist im Umriss verlängert elliptisch bis lanzettlich (3!/, bis 5, selten bis 6 mm 1. + 1,3 mm br.) und durch 3 Längsfalten ausgezeichnet prismatisch. G. Limpricht. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 IV; Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1833, erstattet von K. Letzner, Zzeitigem Secretair der Section. Die entomologische Section hat sich im Jahre 1883 zu 11 Sitzungen versammelt, welche regelmässig von mehreren Gästen besucht waren. Vorträge wurden gehalten von Herrn Baumeister Fein und dem Secretair der Section. Herr Gutsbesitzer Naacke und Herr Dr. med. Wocke waren leider auch dieses Jahr durch Krankheit an dem Besuche der Versammlungen verhindert. Herr Baumeister Fein hielt einen Vortrag über die Tachyporus- Arten mit rothgelbem Thorax, nämlich: T. chrysomelinus L., solutus Er., humerosus Er. und ruficollis Grav., und erläuterte ihre Unterschiede, namentlich die Behaarung der Decken bei den beiden letzten, durch Hilfe des Mikroskops. Der zeitige Secretair hat folgende Vorträge gehalten: 1. Ueber Hydrophilus aterrimus Esch., Var. barbatus. Durch die Freundlichkeit des Herrn Raths-Seeretairs Wilke erhielt ich ein Exemplar des Hydrophilus aterrimus Esch., welches mit mehreren anderen Stücken derselben Art in Gemeinschaft mit einer Anzahl von Exemplaren des H. piceus L. in den Fischteichen bei Trachenberg im October dieses Jahres gefangen worden war. Es ist ein mittelgrosses von 3,5 em Länge und unterscheidet sich von anderen Männchen dieser Art allein durch den abnormen, auffallend dichten und starken, roth- bräunlichen Haarwuchs an manchen Stellen des Körpers. Diese Stellen sind: 1. Am Kopfe der Eindruck, welcher sich von dem Kinn bis an die Basis des Kopfes hinzieht, und (durch die erhöhten, glatten Seiten 302 J ahres-Bericht dieser Vertiefung davon getrennt) jederseits desselben ein kleiner Fleck zwischen dem Hinterrande der Unterseite des Auges und der Basis des Kopfes. — 2. Am Thorax die nächste Umgebung des als stumpfe Spitze nach unten vorspringenden Prosternums und ganz besonders die langen Hüften und die Trochanter der Vorderbeine. Auf diesen eben genannten Stellen sind die Haare am dichtesten und längsten und stehen nach unten ab, so dass namentlich die Hüften und Trochanter gänzlich unter ihnen verborgen sind. Das zwischen die Hüften der Vorderbeine hineinragende Mesosternum erscheint daher am Vorderrande und zu beiden Seiten seines vorderen Theiles wie in einen rothbräunlichen, langhaarigen Pelz gebettet. — 3. Die Hüften der Mittel- und Hinter- beine, auf denen diese langen Haare viel kürzer und sparsamer sind und nach hinten niederliegen. — 4. An dem Vorderrande des 1. Gliedes der rechten Fühlerkeule (die linke fehlt), an dem die Haare bedeutend länger, wenn auch nicht zahlreicher als an normalen Individuen sind. Die vorstehend erwähnten Stellen sind bei normal gebildeten Indi- viduen dieser Art mit meist anliegenden, allmählich dünner und spitzer werdenden, rothen Haaren besetzt, welche zuweilen (z. B. auf den Hüften) ganz kurz und fein sind, bei ihrer grössten Länge aber immer erst den 4. bis 5. Theil der Länge der oben beschriebenen Behaarung haben. Diese letzte unterscheidet sich auch noch dadurch, dass die ein- zelnen Haargebilde gleich dick bis an das Ende und dann schnell zu- gespitzt sind. 2. Ueber Cistela (Cytilus) varia F. und auricoma Duft. Von dem Cytilus varius Fabr., sericeus Forster giebt Herr E. Reitter in seinen Bestimmungstabellen IV, 14 folgende Diagnose: „Kurz oval, fast eiförmig, Flügeldecken dieht unter den Schultern am breitesten, oben grün erzfarbig, Halsschild gewöhnlich dunkler, kupferglänzend, die ab- wechselnden Zwischenräume der Streifen auf den Flügeldecken grün und schwarz gegitter. Bauch ziemlich glänzend, sehr fein, spärlich, die matten Spitzenränder des 2., 3. und 4. Ringes sehr dicht weiss börstchenartig behaart.‘ Dazu erlaube ich mir zu bemerken, dass auch theilweise das erste Bauchsegment und die Afterdecke an der matten Beschaffenheit theil- nehmen. Unter starker Vergrösserung bemerkt man, dass diese matte Beschaffenheit daher kommt, dass die Oberfläche zwischen den ein- gestochenen Punkten fein chagrinirt ist. Die Breite dieses chagrinirten und darum matten Hinterrandes beträgt auf dem 2. bis 4. Bauchsegment ‘sa bis '/, des sichtbaren Ringes, verbreitert sich aber nach den Seiten des Abdomens hin so, dass sie daselbst die ganze Breite des Ringes einnimmt. Der 1. Hinterleibsring ist auf der Mitte seines Hinterrandes nur sehr schmal (selten gar nicht) ehagrinirt, der schmale, matte Rand der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 303 verbreitert sich aber nach den Seiten des Abdomens hin ebenfalls, so dass er am Seitenrande selbst fast meist immer die ganze Breite des- selben einnimmt. Es finden sich übrigens auch Exemplare, bei welchen der 2., 3. und 4. Hinterleibsring wie die Afterdecke auf ihrer ganzen Oberfläche matt und gleichmässig mit kurzen, angedrückten, silberweiss glänzenden, schuppenartigen Härchen besetzt sind. In meiner Sammlung befinden sich 9 solcher Stücke, welche den nachstehend aufgeführten Var. fuscus, rufescens, stoicus und defritus angehören. Das Thier variirt bedeutend und man kann etwa folgende Formen markiren: a. viridis; Decken schön hellsrün, der 2., 4., 6. und 8. Zwischen- raum mit schwarzen quadratischen Flecken versehen. — b. genuinus; die geraden Zwischenräume der Decken schön hellgrün, schwarz ge- würfelt, die ungeraden (der an der Naht als der erste betrachtet) schwärz- lich, matt. — ce. albo-iesselatus; der 2., 4. und 6. Zwischenraum wie bei der vorstehenden Form, aber auf der hinteren Hälfte, wie die Zwischen- räume an den Seiten der Decken, silberweiss und schwarz gewürfelt. — d. nigro-viridis; der 2., 4. und 6. Zwischenraum trüb dunkelgrün, wenig glänzend, schwarz gewürfelt, die ungeraden Zwischenräume schwarz. — e. fusco-tesselatus; wie Var. a, aber die geraden Zwischenräume mit braunrothem Toment gewürfelt. — f. fuscus Steph.; Decken schwärzlich erzfarben, die geraden Zwischenräume durch goldgelbe und schwarze Haarflecken würfelartig gezeichnet, an der Basis zuweilen mit einem srünen Fleckchen. Steht der Var. albo-iesselatus am nächsten, auch darin, dass die Decken hinten und an den Seiten (6. bis 8. Zwischen- raum) schwarz und silberweiss gewürfelt sind. — 9. tessellatus Reitt.; srünschwarz, die abwechselnden Zwischenräume ‘der Decken durch braune und schwarze Haarflecken gescheckt. — h. rufescens; Oberseite überall braunröthlich behaart, mit Ausnahme des silberweissen Schildchens. Auf den geraden Zwischenräumen ist die Behaarung stellenweise etwas länger und ein wenig dunkler braun, und deutet die dunklen Würfel der vorstehenden Formen an. Diese Form steht in der Mitte zwischen Var. fuscus Steph. und auricomus Dufi. — i. stoicus Kug.; Unterseite und Beine roth. — k. detritus; Decken ganz ohne Behaarung. Zuweilen sind die ganzen Decken mehr oder weniger metallglänzend, zuweilen nur die seraden Zwischenräume; zuweilen sind jedoch auch diese schwarz wie die ungeraden, zeigen aber meist immer noch einen etwas stärkeren Glanz als diese. | Die von Erichson (Ins. Deutschl. IH, 490) sub e aufgeführte Var. auricomus Duft. (Oberseite mit einer fast gleichmässigen röthlich-goldigen Behaarung bekleidet) hat Herr Reitter nach dem Vorgange Czwalina’s als eigene Art aufgeführt, und charakterisirt dieselbe folgendermassen: „Oval, verkehrt eiförmig, Flügeldecken unter der Mitte am breitesten, oben dicht goldbraun gleichartig behaart, die abwechselnden Zwischen- 304 Jahres - Bericht räume der Streifen auf den Flügeldecken von gesättigterer, sonst aber gleicher Färbung. Häufig erscheinen einzelne weisse Härchen auf der Oberseite eingesprengt. Bauchringe, mit Ausnahme des ersten glänzenden und spärlicher behaarten, matt, äusserst kurz und dicht schüppchenartig behaart.‘ Die eingesprengten weissen Härchen sind nicht charakteristisch und finden sich auch bei C. varius. Der erste Hinterleibsring zeigt ebenfalls an seinem Hinterrande auf der Mitte die matte Oberfläche, welche sich nach den Seiten hin verbreitert, und auch hier entsteht die matte Ober- fläche der Hinterleibsringe dadurch, dass die Oberfläche sehr fein chagrinirt ist. Um dies jedoch bemerken zu können, muss man manche Exemplare auf dem Bauche erst einer Waschung unterziehen, um die Schmutzlage zu entfernen, welche bei der Lebensweise dieser Thiere im feuchten Moose sich zwischen den Schuppenhärchen so leicht ansetzt und so fest haftet. Da die Körperform bei Cytilus varius (wie bei den meisten Byrrhus- Arten) bald kürzer, bald mehr in die Länge gestreckt ist, die schwarze Bekleidung auf den Decken aber sich ebenso oft in Braun bis Gelbroth verwandelt, das Haupt - Kennzeichen des C. auricomus aber (der matte Hinterleib) sich, wie oben erwähnt, auch öfter bei C. varius findet, so scheint mir die Selbstständigkeit des C. auricomus als eigene Art doch noch zweifelhaft. 3. Ueber Cryptohypnus riparius Fab. Im Juni dieses Jahres theilte mir Herr Major Gabriel in Neisse für meine Sammlung freundlichst ein Stück des Crypiohypnus frigidus Kiesw. mit, welches Thier derselbe im August vorigen Jahres auf dem Aus- läufer des Brunnenberges in drei Exemplaren erbeutet hatte. Da dieses Thier bis jetzt noch nicht in Schlesien beobachtet worden (als Vater- land ist nur Steiermark bekannt), also für unsere Provinz neu ist, so machte ich Anfang August dieses Jahres eine vom Wetter leider nur theilweise begünstigte zwölftägige Excursion nach der Wiesenbaude und durchsuchte die Umgebung derselben fleissig nach diesem Thiere, jedoch ohne Erfolg. Dagegen fand sich unter Steinen in der Nähe des Weiss- wassers, namentlich aber der Rinnsale, welche vom Brunnenberge der Aupe zueilen, der Crypiohypnus riparius F. sehr zahlreich, so dass ich über 100 Stück davon sammeln konnte. Die darunter vorhanden ge- wesenen Varietäten sind folgende: a. genuimus. Schwarz, grünerzfarben glänzend, Basis der Fühler roth, Schenkel bräunlich oder schwärzlich, der umgeschlagene Rand der gelb behaarten Flügeldecken schwarz. — b. Erstes Fühlerglied ganz oder theilweise schwarz. — c. Fühler ganz roth, an der Spitze kaum ge- bräunt. — d. Hinterecken des Thorax dunkel röthlich. — e. Der ganze der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 305 Thorax matt, ohne Glanz. — f. Der äusserste Seitenrand der Decken röthlich durchscheinend, der umgeschlagene Seitenrand vorn schwarz, auf der hinteren Hälfte bräunlich. — g. Der umgeschlagene Rand der Decken röthlich. — h. Oberseite der Decken matt, Thorax bald glänzend, bald matt wie bei Var. ee — i. Decken braun oder röthlich, zuweilen eine Flügeldecke heller als die andere. — k. Behaarung der Oberseite theilweise abgerieben. — 1. Behaarung der Oberseite ganz abgerieben, Oberseite grün-erzfarben, glänzend. — m. Behaarung der Oberseite ganz abgerieben, Oberseite schwarz, glänzend. — n. Schenkel röthlichgelb. Sämmtliche Formen wurden zur Ansicht vorgelegt, ebenso mehrere Exemplare des Cryptohypnus rivularius Gyl. und Or. frigidus Kiesw. 4. Ueber die Puppe des Elater (Ampedes) aethiops Lac., scrofa Germ. Gegen Ende des Monats Juli im Jahre 1857 fand ich im Altvater- Gebirge (Thal des Steinseifen), etwa 3000 Fuss über dem Meere, in einem der zahlreichen, seit mehr als einem Jahrhundert von Alter oder Sturm in dem Urwalde niedergebrochenen und faulenden, jetzt dem Zer- fallen nahen Fichtenstämme, in denen unter Anderen auch Ceruchus iarandus Pz. seine Wohnstätte hat, die Puppe von Elater (Ampedes) nigrinus Payk., aus welcher im August in Breslau der Käfer schlüpfte, und von der ich in dem Jahresberichte der Schles. Ges. 1857 8. 138 eine kurze Beschreibung gegeben habe. Im Juli (am 16.) d. J. fand Herr v. Hahn anf einer in meiner Gesellschaft gemachten Exeursion nach dem obengenannten Thale in einem der erwähnten Baumstämme zwei ähnliche Puppen, von denen er die eine, ich die andere mit nach Breslau nahm. Aus der letzteren kroch Anfang August ein grosses Exemplar des Elater aelhiops Lac., scrofa Germ. hervor und ich erlaube mir, da noch keine Beobachtung über die Verwandlung des genannten Käfers gemacht worden, eine kurze Beschreibung derselben zu geben. Die Puppe ist weiss, gestreckt, 14 mm lang, in der Mitte des Ab- domens (wo sie die grösste Breite besitzt) 4'/), mm breit und liegt frei in einer kleinen Höhlung des Baumstammes. Die Scheiden der Fress- ' werkzeuge ragen frei hervor und sind etwas nach unten geneigt. Der Kopf besitzt vor jedem Auge einen starken, ziemlich langen, nach oben gerichteten Dorn. — Die Fühler liegen wie bei anderen Arten unter dem Seitenrande des Thorax und reichen bis nahe zur Spitze der Hinter- ecken desselben. — Der Thorax ist ein wenig schmäler als die Mitte des Abdomens, auf der hinteren Hälfte schmäler und einwärtsgeschwungen, die Hinterecken als ziemlich lange, scharfe Spitzen schräg nach hinten . und aussen vorragend, seine Oberseite ohne besondere Auszeichnung. — Mesothorax sehr kurz und viel schmaler als der Thorax, Metathorax viel länger und kaum breiter als der Mesothorax. — Das Abdomen ist anfangs so breit als der Metathorax, verbreitert sich aber allmählich 1883. 20 306 Jahres-Bericht auffallend und erreicht in seiner Mitte die grösste Breitenausdehnung, worauf sich dasselbe allmählich wieder verschmälert und in das Anal- segment zuspitzt. Dieses letztere ist am Ende mit zwei langen, schräg nach oben gerichteten, weisslichen Dornen besetzt. Am Seitenrande des Abdomens tritt jedes Segment als eine starke Tuberkel seitlich nach aussen vor. — Auf der Unterseite ragen der Anus und die vier letzten Bauchsegmente über die Spitze der Hintertarsen hinaus; das Ende der Decken lässt die fünf letzten Abdominal-Segmente frei und die Scheiden der Flügel sind noch ein wenig kürzer. — Während also die Puppe des E. nigrinus auf dem Thorax an jeder Vorderecke einen und am Hinter- rande vier lange, röthliche Dornen hat, besitzt E. aethiops auf demselben gar keine Auszeichnung. 5. Ueber Otiorhynchus alpinus Richter, monticola Germ. und Otiorhynchus maurus Gyl., dubius St. Dr. Stierlin (Revis. der europ. Otiorhynchus-Arten p. 172) sagt von Otiorhynchus monticola Germ. sehr richtig, dass er eine sehr veränderliche Art und darum oft nicht leicht zu erkennen sei. Er findet sich nach dem genannten Autor hauptsächlich in den Pyrenäen, aber auch in Ungarn, Island, Schweden und Lappland. Es war demselben demnach bis zum Jahre 1861 noch unbekannt, dass das genannte Thier auf den höchsten Theilen der ganzen Sudeten zu den gemeinsten Käfern gehört. Die wichtigsten der in Schlesien heimischen Formen sind folgende: a. Rüssel mit Längsrunzeln versehen. Var. d bei Stierlin. — b. Rüssel nicht gekielt, sondern eben. — c. Thorax jederseits mit einem sehr flachen, undeutlichen Grübehen. — d. Thorax auf jeder Seite, gegen den stark nach aussen gebogenen Seitenrand hin, mit einem runden, tief und bestimmt eingedrückten kleinen Grübehen. Dasselbe zeigt zuweilen auf einer Seite die Neigung, sich nach der Aussenseite hin etwas zu ver- flachen. — e. Thorax jederseits mit einem tiefen, seitlich mehr oder weniger in die Quere gezogenen und flach verlaufenden grossen Grübchen. Var. & Stierlin. — f. Thorax am Hinterrande vor dem Schildehen mit einem kurzen, erhabenen, nach vorn erlöschenden Längsfältchen. Das- selbe findet sich bei der Mehrzahl der schlesischen Exemplare. — 8. Thorax mit glatter, hinten meist sanft erhabener Mittellinie — h. Thorax auf der Mitte nicht feiner und weitläufiger, als mehr gegen die Seiten hin punktirt, zuweilen mit sanft erhabener Mittellinie, wie die vorstehenden Form. — i. Punktirung der Oberseite feiner, als gewöhn- lich, die Streifen der Decken nach hinten zu oft undeutlich. Var. ß Stierlin. — k. Decken stark gerunzelt und punktirt, matt, Punktreihen öfters undeutlich, namentlich auf der hinteren Hälfte. Var. y Stierlin. — l. Punktreihen der Decken vertieft, also in seichten Furchen liegend. — m. Decken an der Naht einwärts gekrümmt, so dass an derselben eine der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 307 tiefe Längsfurche entsteht. — n. Beine röthlich-braun. — Stücke mit rothen Beinen scheinen in Schlesien nicht vorzukommen, sondern nur dem Süden anzugehören. Zugleich wurden als nahe verwandt und in dieselbe (17.) Rotte ge- hörend unter Hinweisung auf ihre Unterschiede vorgezeigt: Otiorhynchus denigrator Boh., O. glabratus Stierl., O. lithanthracius Schönh., ©. Noui Fairm. und ©. jugicola Stierl. —— Ebenso wurde der dem O. alpinus Richter auf den ersten Anblick sehr ähnliche und von schlesischen Entomologen öfters mit ihm verwechselte, in Schlesien ziemlich seltene O. laevigatus F. vorgezeigt und seine Unterschiede besprochen. Eine ebenso häufige und ebenso veränderliche Species (als O. al- pinus) und im Gebirge oft mit ihr in Gesellschaft lebend, ist Otio- rhynchus maurus Gyl., dubius Sturm. Derselbe gehört in die 16. Rotte Stierlin’s, steht also mit O. alpinus (17. Rotte) in naher Verwandtschaft. Der Unterschied liegt im Ganzen nur in der mehr oder weniger dichten Behaarung der 16. Rotte. — Die wichtigsten, in Schlesien vorkommenden Formen des O. maurus sind: 1. maurus Gyl. Punktreihen mässig stark punktirt, Beine pech- schwarz. — b. Punktreihen etwas stärker, ihre Punkte tiefer. — c. Punkt- reihen feiner. — d. Zwischenräume zwischen den einzelnen Punkten der Punktstreifen (wie Redtenbacher sagt) etwas erhaben, so dass sie, unter sewissem Winkel gesehen, wie eine Reihe von erhabenen Körnern er- scheinen. Auch bei den folgenden drei Hauptformen kommen solche Stücke vor. — e, Der ganze Körper rothbraun. — f. duplo minor, pedibus nigropiceis. Var. 8 Stierlin. 2. comosellus Schönh. Punktreihen fein, Decken mit grau-grünlichen Haarflecken; Beine pechschwarz. Var. y Stierlin. — b. Haarflecken soldglänzend. — c. deiritus, Haarflecken abgerieben. — d. aurosus Muls. Beine pechbraun oder röthlich. 3. demotus Schönh., Bructeri Germ. Punktreihen tief, Zwischenräume mehr oder weniger sewölbt, Beine bräunlich oder röthlich. Var. d Stierlin. — b. Der ganze Körper rothbraun. — c. Beine pechschwarz. O. Wiesurii Dahl. — d. multo minor, ped. nigropiceis. — e. Schuppen grün- lich oder goldglänzend. 4. pauper Schönh. Halsschild schmaler, etwas weniger stark ge- körnt. Auch von O. maurus kommen Individuen mit rothen Beinen (pedibus rufo-ferrugineis) gar nicht oder doch nur äusserst selten in Schlesien vor. 6. Ueber Coptocephala rubicunda Laich. Bisher wurde Coptocephala (Clytra) scopolina L. als ein schlesisches, und zwar im Ganzen häufig vorkommendes Thier betrachtet. Dr. Kraatz hat in einem in der Berliner ent. Z. 1872 p. 219 u. f. enthaltenen, aus- 20* 308 Jahres-Bericht gezeichneten Aufsatze nachgewiesen, dass dieses Thier in Süddeutsch- land und Südeuropa häufig ist, dass aber das bei uns in Schlesien vor- kommende einer anderen Species, nämlich der Coptocephala rubicunda Laich., tetradyma Küst. angehört. Diese letztere ist leicht kenntlich an dem dunklen, länglichen Schulterflecke, welcher nach hinten gerichtet (also nicht quer nach dem Schildchen zu sich erstreckt) und an seinem Hinterrande wie ausgerandet ist. — An Varietäten habe ich bis jetzt in Schlesien gefangen: a. Die hintere Quermakel ist bis an die Naht vergrössert. — b. Die hintere Quermakel ist bedeutend verkleinert und mehr oder weniger punktförmig, — c. Die hintere Quermakel fehlt sanz. Von dieser seltenen Form fing ich ein S in Begattung mit einem 2, bei welchem die hintere Quermakel vergrössert ist und sich nach innen bis nahe an die Naht erstreckt. — In der Breslauer Zeitschrift für Entomol. 1855 S. 78 habe ich eine Beschreibung des Larvensackes der Coptocephala scopolina L. von Oswitz bei Breslau gegeben; nach dem vorstehend Gesagten gehört dieselbe dem der Coptocephala rubicunda Laich. an. 7. Ueber Timarcha metallica Laichh. Bisher wurde Timarcha globosa Herr.-Sch.; jetzt T. gibba Hoppe, als eine schlesische Art betrachtet. Dieselbe hat den Entomologen Schlesiens (und jedenfalls auch denen anderer Länder) hinsichtlich ihres Bestimmens viel Kopfzerbrechen bereitet, weil sie nie zu der Gewissheit gelangen konnten, dass sie richtig bestimmt hatten, und ob das Thier, welches sie dafür hielten, nicht etwa blos T. metallica Laich. sei. Nach Redten- bacher und anderen Werken war über diese Unsicherheit sicher nicht ins Klare zu kommen. Durch die neueste Arbeit über die Chrysomelinen von J. Weise (Naturgesch. der Ins. Deutschl. Bd. 6 p. 339) sind diese Zweifel nun gehoben. Alles, was man bisher für T. globosa gehalten, ist nur Var. von T. metallica; erstere kommt in Schlesien nicht vor. Die wahre T. globosa Herr.-Sch., gibba Hoppe, unterscheidet sich auf- fallend durch plumperen, breiteren Körper und das hinten bedeutend breitere, vorn stark verengte Halsschild. Das Thier ist nach Weise nur in Krain zu Hause und muss sehr selten sein. Unter meinen Vorräthen fand sich nur ein einziges Stück vor. — Die bisher für T. globosa ge- haltenen schlesischen Stücke gehören zu Weise’s Var. a der T. metallica: Prothorace minus transverso. 8. Ueber Larve und Puppe der Phytodecta (Gonioctena) rufipes Deg. Zwar hat Chapuis in seinem Kataloge der Coleoptern-Larven (M&m. de la Soc. des sciences de Liege VIII, 1855, p. 613) bereits eine kurze Beschreibung der Larve dieses Thieres geliefert, da ich jedoch glaube, dass dieselbe einige Ergänzungen nicht unnöthig macht, von der Puppe der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 309 noch gar keine Beschreibung vorhanden ist, und mir die Möglichkeit ‘einer Vergleichung mit der Larve und Puppe der Ph. viminalis L. ge- geben ist, so erlaube ich mir Folgendes mitzutheilen, Die Larve der Phytodecta rufipes Deg. ist ausgewachsen an 10 mm lang (bei gestrecktem Leibe während des Kriechens bedeutend länger), langgestreckt, in der Mitte des Körpers (4..bis 6. Abdominal-Segment) etwas verbreitert, nach hinten (7. und 8. Bauchsegment und Anus) ver- schmälert und zugespitzt. Sie gleicht darin ganz der von mir (33. Jahres- bericht der Schles. Ges. 1855 8. 110) beschriebenen Larve der Ph. vimi- nalis. Ihre Grundfarbe ist gelb oder bräunlichgelb, der Kopf, das 7. und 8. Abdominal-Segment, der Anus, die Stigmata und die Beine schwarz. Kopf schwarz, glänzend, mit zerstreuten, ziemlich langen, gekrümmten, bräunlichen Haaren besetzt und einer tiefen, vom Scheitel bis zu dem tief abgegrenzten Kopfschilde gehenden Längslinie versehen. Zu beiden Seiten derselben befindet sich auf der Stirn ein nach unten tiefer und breiter werdender Eindruck, welcher das Kopfschild jedoch nicht erreicht, sondern von demselben durch eine schmale Erhöhung getrennt bleibt. — Oberlippe ebenfalls deutlich abgesetzt. — Taster, Fühler und Ocellen wie bei Ph. viminalis (l. e.) angegeben. —- Prothorax ganz gelblich, so breit wie der Meso-, der Metathorax und die ersten drei Bauch- segmente, fein gerunzelt, glanzlos, mit unregelmässigen, flachen Ver- tiefungen versehen, unfern des Vorder- und Hinterrandes (hier und da auch in der Mitte) mit ziemlich langen, gekrümmten, gelblichen Borsten- haaren besetzt. An der abgestutzten Hinterecke liegt etwas tiefer als die Oberseite das schwarze Stigma des Mesothorax. — Mesothorax (wie der Metathorax und die Bauchsegmente) durch eine sehr deutliche Querfurche in zwei Hälften getheilt. Auf der vorderen Hälfte liegen unfern der Mittellinie zwei (jederseits eine) kleine, bräunliche oder schwärzliche, in die Quere gezogene, nur durch eine vertiefte Längslinie von einander getrennt, daher scheinbar mit einander zusammenfliessende, niedrige Tuberkeln, deren jede ein Haar trägt, und nahe der Aussenseite einer jeden eine kleine, rundliche, bräunliche Tuberkel. Auf der hinteren Hälfte steht auf jeder Seite der Mittellinie (jedoch ein wenig mehr nach aussen gerückt als auf der vorderen Hälfte) ebenfalls ein in die Quere gedehntes, schwärzliches Tuberkelehen und von demselben nach aussen jederseits nahe bei einander ein zweites und drittes von weisslicher Färbung. — Metathorax wie der Mesothorax. — Abdomen wie bei Ph. viminalis aus 8 Segmenten und Anus bestehend. Auf der vorderen Hälfte der ersteren befindet sich unfern der Mittellinie eine schwärzliche, in die Quere gezogene Tuberkel, welche mit der der anderen Seite zu- sammenstösst, weiter nach aussen eine rundliche, schwärzliche (vom 4, Segmente an ist dieselbe auch gelblich!), und noch weiter nach aussen eine rundliche weissliche Tuberkel. Auf der hinteren Hälfte jedes Bauch- 310 Jahres-Bericht segmentes liegt unfern der Mittellinie ein schwärzliches, quergezogenes Tuberkelchen, welches von dem der anderen Seite durch eine schmale Vertiefung getrennt ist, und von demselben weiter nach aussen zwei sehr niedrige, rundliche und weissliche. Ein jedes der erwähnten Tuberkelchen ist mit einem gelblichen, schräg nach hinten gerichteten Borstenhaare besetzt. — Am Ende der Querfurche und zwar auf der Mitte jedes Segmentes liegt eine etwas höhere, mit einem Borstenhaare gekrönte Tuberkel, und an der Aussenseite derselben (von ihr schräg nach vorn) in einer Längsvertiefung, welche über alle Segmente des Abdomens hin- läuft und die Rücken- von der Bauchseite des Thieres scheidet, das schwarze Stigma. Von dieser vertieften Längslinie nach aussen liegt, der erwähnten grossen Tuberkel gegenüber, eine noch höhere, welche seitlich nach aussen vorspringt und mit mehreren Haaren besetzt ist. — Auf den letzten Segmenten des Hinterleibes werden die Tuberkeln auf der Oberseite undeutlich und fliessen mehr oder weniger zusammen, Vom Mesothorax an zieht sich über die Mitte des Rückens der Larve ein hellerer oder dunklerer, nach aussen verwaschener bräunlicher Streif, welcher sich etwa über die vier mittelsten Tuberkeln (zwei zu jeder Seite der Mittellinie) erstreckt. Auf dem 7. und 8. Segmente dehnt sich die dunkle Färbung bis in die Nähe des Stigma’s aus, so dass nicht selten dieselben, wie das Analsegment, fast schwarz erscheinen. Diese Färbung, der dunkle Rückenstreif, der gelbliche Thorax, die be- deutend niedrigeren Tuberkeln und die im Ganzen hellere Färbung unterscheiden die Larve der Ph. rufipes von der der Ph. viminalis. Die erstere lebt nach meiner Beobachtung vorzüglich in der Ebene auf den Blättern der Espe (Populus tremula), die letztere besonders im niederen Gebirge auf den Blättern von Weidenarten (Salix caprea, cinerea, aurila und selesiaca). — Wenn Redtenbacher in seiner Fn. austr. II, 480, von der Ph. rufipes sagt, dass sie „wohl sicher nur Abart“ der Ph. viminalıs sei, so dürfte diese Ansicht nach dem Vorstehenden wohl sicher als irr- thümlich anzusehen sein. Von den in meiner Wohnung vom 11. bis 17. Juni ausgewachsenen und sich zur Verpuppung anschieckenden Larven leimten sich zwei an das sie beherbergende Gefäss, starben aber, ohne die Larvenhaut abzu- streifen. Alle anderen thaten das letztere, ohne sich sehr fest anzuheften, _ und die gelbe Puppe lag frei, ohne alle Befestigung, auf der Unterlage. Die Puppenzeit dauerte im Allgemeinen 7—11 Tage. Bei der einen Larve, welche ihrer Verpuppung sehr nahe gestanden haben muss, als ich sie tödtete, und welche ich vorzulegen mir erlaube, bemerkt man an den Seiten des Meso- und Metathorax die nach dem Bauche ge- neigten, sehr deutlich hervorragenden Scheidchen der Deckschilde und Flügel. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 311 Die Puppe ist wenig über 6 mm lang, hellgelb, nicht von satt- rother Farbe, wie die von Ph. viminalis. Der Kopf zeigt auf dem Scheitel eine vertiefte Längslinie, über dem Munde ein breites, unregel- mässiges, flaches Grübchen, jederseits ein vor der Basis der Fühler ein- zeln stehendes, langes, gekrümmtes, blassgelbliches Härchen und zwei ebensolehe auf der Stirn oberhalb der Augen. — Der Thorax ist am Hinterrande in der Nähe der nicht abgerundeten Hinterecken sanft aus- geschweift, auf der Oberseite mit mehreren unregelmässig vertheilten, verhältnissmässig langen, gekrümmten, blassgelblichen Härchen besetzt, deren jedes auf einer kleinen, weisslichen Tuberkel steht. Nur am Hinterrande in der Nähe der Hinterecken bilden diese Härchen eine mit demselben parallel laufende, regelmässige Reihe. — Ueber die beiden hinteren Brustsegmente und den Hinterleib läuft auf der Rücken- seite eine sanft vertiefte Mittellinie. Am Seitenrande in der Mitte der sechs ersten Segmente (wenn man dieselben von vorn nach hinten be- trachtet) steht eine mit 2—3 der oben erwähnten blonden Härchen besetzte, grössere Tuberkel und etwas weiter nach innen, durch eine Längsvertiefung davon getrennt, eine zweite kaum niedrigere, vor welcher, unfern des Vorderrandes jedes Segmentes, das mit dem Körper gleichgefärbte Stigma steht. Auf dem 7. und 8. Segmente ist keine der beiden erwähnten Tuberkeln vorhanden. Bei jedem der sechs ersten Abdominal-Segmente kann man, wie bei der Larve, eine durch eine sanft vertiefte Querlinie markirte vordere und hintere Hälfte unter- scheiden. Auf der letzteren steht unfern des Hinterrandes eine ziemlich dichte Querreihe der oben erwähnten gelblichen Borstenhaare, welche schräg nach hinten gerichtet sind. Das Analsegment ist blasser, weiss- lich und endet in zwei kurze, an einander stehende, nach hinten ge- richtete Spitzen, welche an ihrem Ende einander fast berühren, also keine Gabel bilden. — Unterseite wie bei Ph. viminalis, nur reichen die ebenfalls an einander liegenden Hintertarsen nicht über die Spitze der Flügelscheiden hinaus. — Die Knie der Hinterbeine treten. an dem 2. und 3. Abdominal-Segmente auf der Rückenseite der Puppe unter den Flügelscheiden hervor. Jedes Knie trägt ein Borstenhaar. 9. Veber Phaedon Cochleariae F. Nachdem in neuester Zeit von Herrn Weise aus der früheren Gat- tung Phaedon Latr. die Gattung Sclerophaedon (Vorderhüften ebensoweit von einander entfernt als die Mittelhüften) ausgesondert worden, bleiben für die Gattung Phaedon nur noch die Thiere übrig, bei denen die Vorder- hüften einander näher stehen als die Mittelhüften. Man kann dieselben in folgender Weise übersichtlich zusammen- stellen: 312 Jahres - Bericht A. Thorax weitläufig fein punktirt, Zwischenräume der Punkte sehr fein chagrinirt: pyritosus Rossi, graminicola Duft. B. Thorax dicht punktirt (wenigstens an den Seiten), Zwischenräume der Punkte mit äusserst feinen Pünktchen bestreut. I. Mittelbrustbein vorn bogenförmig ausgerandet: 1. Körperumriss kurz, rundlich, Punktirung des Thorax tief, der Decken fein: Galeopsis Letzn. 2. Körperumriss länglich, Punktirung des Thorax auf der Mitte fein und weitläufig, der Decken ziemlich stark: salicinus Heer. II. Mittelbrustbein vorn scharfwinkelig ausgeschnitten: 1. Thorax spiegelglatt: tumidulus Germ. 2. Thorax deutlich punktirt: a. Schultereindruck stark: Armoraciae L. b. Schultereindruck schwach: &. Thorax und Zwischenräume der Decken stark punktirt: concinnus Steph. ß. Thorax und Zwischenräume der Decken fein punktirt: Cochleariae F. Von diesen Arten fehlen in Schlesien Ph. salicinus Heer, concinnus Steph. und tumidulus Germ. — Die häufigste und veränderlichste Art ist Phaedon Cochleariae Fab. Ihre Neigung zur Veränderlichkeit erstreckt sich nicht blos auf die Färbung, sondern ebenso sehr auch auf die Grösse, den Umriss und die Stärke und Dichtiskeit der Punktirung. Man kann etwa folgende Formen unterscheiden: a. Oberseite dunkelgrün. — b. Hellgrün; smaragdinus Walt. — c. Decken bläulich-grün, Kopf und Thorax mit Messinsglanz. — d. Oberseite grünlich-blau. — e. Oberseite schön dunkel- blau. — f. Oberseite violett; sabulicola Heer. — g. Oberseite schwärz- lich-erzfarben. — h. Oberseite tief schwarz, das 1. und 2. Fühlerglied braun, zuweilen roth, Schienen pechschwarz, an der Spitze bräunlich oder röthlich. Ph. Hederae Suffr. In meiner Sammlung befinden sich nur zwei Exemplare. — i. Oberseite mehrfarbig. — k. Umriss mehr kreis- förmig, Oberseite stärker gewölbt. — 1. Seitenrand des Thorax fast ganz gerade, dieser vorn schmaler, und darum etwas länger erscheinend. — m. Thorax stärker und tiefer punktirt, auch auf der Mitte. — n. Decken sehr fein punktirt-gestreift, Zwischenräume deutlich punktirt. — o. Punkt- reihen der Decken vertieft, fast in Furchen liegend. — p. Punktreihen der Decken unregelmässig, theilweise verworren. — q. Zwischenräume der Decken sehr fein, zuweilen auch unter starker Vergrösserung undeutlich, fast runzelig - punktirt; neglectus Sahlb. Bei manchen Stücken ist das 2. und 3. Fühlerglied, wie die Spitze der Schienen, röthlich. — r. Vorder- rand der Mittelbrust nicht scharf winkelförmig ausgeschnitten, der Hinter- der Schles. Gesellschaft für vaierl. Cultur. 313 rand derselben in der Mitte den Vorderrand fast berührend; Ph. gramicus Duft. Suffr. — s. Die äusserste Punktreihe der Deeken an deren Basis aus dieht gedrängten Punkten bestehend, welche sich erst weiter gegen die Mitte hin vereinzeln.. — t. Die eine Decke zeigt unfern der Naht und ‘der Basis einen kreisrunden, vollkommen ebenen (also nicht gewölbten) Fleck. Wahrscheinlich ist derselbe dadurch entstanden, dass das von mir aus der Larve erzogene Thier nach seinem Auskriechen aus der Puppenhülle mit der einen Flügeldecke an dem dasselbe beherbergenden Gläschen gelesen hat, wodurch die Entwickelung der gleichmässigen Wölbung an dieser Stelle verhindert worden ist. 10. Ueber den Status der Coleoptern-Arten Schlesiens am Ende des Jahres 1883. In dem abgelaufenen Jahre 1883 sind zur schlesischen Käferfauna zugetreten: 1. Homalota angusticollis Thoms., ravilla Kraatz. In der Ebene und im Gebirge an faulenden Pflanzen- und thierischen Stoffen, ziemlich selten. Breslau (an Misthaufen Januar bis Juli), Altvater - Gebirge (Mai). 2. Homalota arcana Er. Zwei Stück vom Altvater im Juli. 3. Stenus solutus Er. Ein mir freundlichst überlassenes Stück er- beutete Herr Lehrer Weise auf den Torflagern bei Bahnhof Kohlfurt im Juli d. J. 4. Homalium pygmaeum Payk., Ulmi Motsch. Im Gebirge, sehr selten. Altvater (Juni), Glatzer Schneeberg (Juli). Zuerst von Zebe in der Grafschaft Glatz gefangen. 9. Anthobium rectangulum Fauv., Sorbi Letzn. In der Ebene und im Gebirge in Blühten ziemlich häufig. Breslau (Juni), Altvater (Juni und Juli), Glatzer Schneeberg, Görbersdorf, Heidelberg (Juni), Minzethal bel Janowitz (Mai, Juni), Riesengebirge (Johannisbad, Juni). 6. Anthobium torguatum Marsh., scutellare Er., mucronatum Steph. Im niederen Gebirge ziemlich selten. Bögenberge bei Schweidnitz (Juni), Katzbach-Gebirge (Ketschdorf), Wölfelsfall (Juni), Riesengebirge. 7. Anthobium Lapponicum Mannh., flavipenne Er. Im höheren Gebirge ziemlich selten. Riesengebirge, Grafschaft Glatz. Anthobium puncticolle Gredl., welcher in der Ebene (Breslau, Wohlau, Liegnitz) und im Gebirge (Glatzer Schneeberg, Altvater - Gebirge) in Blühten häufig vorkommt, ist in dem neuesten Cat. Col. Eur. mit Recht als Var. zu Anthobium minutum F. gezogen worden. 8. Calypiomerus alpestris Red. Von Herrn Lehrer Weise im Juli d. J. an der hohen Mense gefangen. 9. »Scaphisoma subalpinum Reit. Nach Reitter auf der Lissahora. 314 Jahres - Bericht 10. Curimus Erichsoni Reit. Im Gebirge in den Bäume und Felsen bekleidenden Hypnum - Polstern, ziemlich häufig. Barania, Lissahora (Reitter), Altvater-Gebirge (Juni bis August), Glatzer Schneeberg (Juni bis August). Das Thier wurde in Schlesien im Jahre 1857 zuerst von mir aufgefunden und bisher für Curimus erinaceus gehalten. 11. Cytilus auricomus Duft. In der Ebene und im Gebirge, selten. Breslau, Waldenburger Gebirge, Grafschaft Glatz. — Bisher für Var. des C. varius F. (sericeus Forster) gehalten, was er sehr wahrscheinlich auch nur sein dürfte. 12. Crypiohypnus frigidus Kiew. Drei Exemplare (deren eines meiner Sammlung freundlichst überlassen wurde) sammelte Herr Major Gabriel auf dem Kamme des Riesengebirges (Brunnenberg) im August vorigen Jahres unter Steinen. 13. Hiypebaeus flavipes F. Unter den unbestimmten Thieren der Rottenberg’schen Sammlung fanden sich zwei Exemplare dieser Art mit der Bezeichnung: Heinersdorf bei Frankenstein, Mai. 14. Dorcatoma punctulata Muls. Meine Sammlung enthält nur zwei Stücke, das eine von Münsterberg, das andere von Volpersdorf, welche sich beide schon durch ihre bedeutendere Grösse von D. Dresdensis unterscheiden. 15. Pissodes scabricollis Mill. Ein vor Jahren gefangenes Stück aus dem Riesengebirge und ein im laufenden Jahre bei Breslau (August) erbeutetes. 16. Scleropterus offensus Boh., carpathicus Brancs. Im niederen Ge- birge, selten. Altvater (Juni, Juli), Glatzer Schneeberg, Hohe Mense (Weise, Juli). 17. Clytus lama Muls. Im Gebirge auf Blühten (Dolden), ziemlich selten. Altvater-Gebirge (Juni, Juli), Wölfelsgrund (Juli, Weise), Reinerz. 18. Ciytus antilope Zett., arielis F., arvicola Red. In der Ebene in Kieferwäldern, selten. Wohlau (im Juni). 19. Clythra (Lachnaea) 6 punctata Scop., longipes F., glabricollis Suffr. Ein mir freundlichst überlassenes Stück fing Herr Kaufmann Georg Wocke vor mehreren Jahren bei Troppau. Anfang Juni d. J. erbeutete Herr Major Gabriel auf Eichengesträuch bei Neisse 10 Exemplare (ein Paar in copula), von denen er mehrere meiner Sammlung zu überlassen die Freundlichkeit hatte. Nördlichstes Vorkommen des Thieres. 20. Orina decora Richter. Im Gebirge (3—4000 F.) an kräuter- reichen Stellen in der Nähe von Bächen auf Dolden (Heracleum, Chaero- phillum) und anderen Pflanzen bis über die Baumgrenze, öfters mit Orina speciosa Panz. in Gesellschaft, ziemlich häufig. Altvater-Gebirge (Juni bis August), Glatzer Schneeberg, Hohe Mense, Riesengebirge. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 315 21. Orina virgulata Germ., aleyonea Suffr. Im höheren Gebirge bis 4400 Fuss ziemlich selten. Altvater-Gebirge (Juni, Juli), Glatzer Schnee- berg (Juli). Dagegen sind in Abgang zu bringen: 1. Homalota orbata Er. = Q von H. fungi Grav. — 2. Homalota clientula Er. = H. fungi Grav. — 3. Timarcha globosa H.-Schaeff., die schlesischen Stücke nur Var. von T. metallic. — 4. Chrysomela hemisphaerica Duft. = Chr. purpurascens Germ. — 5. Phaedon orbicularis Suffr. = Ph. carniolicus Germ. Am Ende des Jahres 1882 zählte Schlesien 4314 Käfer-Species. Nach vorstehendem Verzeichnisse traten im Jahre 1883 hinzu 21 Arten, so dass die Zahl der einheimischen Species auf 4335 steigen würde. Reehnet man von dieser Zahl die in Abgang zu bringenden 5 Species ab, so beläuft sich die Zahl der in Schlesien heimischen Coleoptern am Ende des Jahres 1883 auf 4330 Arten. 11. Ueber Eumenes pomiformis Spin. (Vespa coarctata Panz.) Das eben genannte Thier kroch in meinem Zimmer im Frühlinge dieses Jahres aus etwa 1,3 cm im Durchmesser haltenden, kugelförmigen Gehäusen hervor, welche Herr v. Hahn im September vorigen Jahres in meinem Beisein unter der losen Rinde einer alten, anbrüchigen Kiefer in einem Kieferwalde bei Wohlau aufgefunden hatte. Diese Gehäuse, 6 an der Zahl, waren an der Innenseite der Rinde neben und an ein- ander befestigt, aus Sandkörnern und staubartigen Erdtheilen zusammen- geklebt und von ziemlich grosser Festigkeit. Ihre Aussenseite ist wegen der einzelnen, hervorstehenden Sandkörner rauh und uneben, ihr Inneres mehr geglättet und mit einer dünnen, festen, gelblichen, glänzenden, papier- artigen Masse überzogen. — Drei von diesen 6 Gehäusen haben jedes ein Exemplar des vollkommenen Insectes geliefert, welches durch eine von ibm gemachte rundliche Oeffnung ausgeschlüpft war. Eines der Gehäuse enthielt eine graubräunliche, 1 cm lange, nicht zum Auskriechen gelangte Ichneumoniden-Puppe, zwei andere waren anscheinend leer. Leunis sagt in seiner Synopsis von der in Rede stehenden Art: „Baut an Pflanzenstengeln ein kugelförmiges Nest.“ Dies würde nach dem oben Gesagten wenigstens nicht immer richtig sein, 316 Jahres- Bericht Wi: Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1883 von Stadtrath E..H. Miülier, zeitigem Secretair der Section. In dem Jahre 1883 hielt die Seetion für Obst- und Gartenbau der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau neun Sitzungen. Die erste Sitzung am 21. Januar wurde eröffnet durch Bekannt- gebung des von dem Secretair dem Präsidium der Schlesischen Gesell- schaft erstatteten Generalberichtes über die Thätigkeit der Section in dem letzt abgelaufenen Jahre und forderte derselbe zu nicht ermüden- wollender Wirksamkeit auf. Hierauf legte Herr Königl. Garten-Inspector Stein das auf Kosten des Kaisers von Oesterreich herausgegebene Prachtwerk „Aroideae Maximilianae‘“ vor, knüpfte hieran eine Besprechung der Familie der Aroideen und präsentirte hierauf noch das bereits früher er- schienene grosse Prachtwerk ‚Plantae Tinneanae‘“, welches in vollendet schönen und guten Abbildungen die werthvollsten Pflanzen wiedergiebt, welche von dem durch Araber ermordeten Fräulein Tinne um Bahr el Ghasal — Gazellenfluss — gesammelt wurden. Die am 7. Februar abgehaltene zweite Sitzung war einem längeren Vortrage des Landes-Bau-Inspecetor Herrn Sutter über dessen „Erfahrungen bezüglich der Pflanzung und Erziehung von Obst- und Schattenbäumen an Chausseen“ gewidmet. Noch gelangte zur Mittheilung ein Schreiben des Obergärtners Herrn O0. Lorenz in Bunzlau, in welchem derselbe darüber Klage führt, dass während der letzten drei Sommer seine Astern dicht unter den Blüthen- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 317 knospen von einem Insect befallen wurden; die vollständige Ausbildung und Entfaltung der Blüthen sei hierdurch verhindert und deshalb kaum ein Samenerträgniss erlangt worden. Herr Lorenz hatte zugleich Proben dieses Befallenseins eingesendet, dieselben wurden hiesigen entomolo- gischen Autoritäten zur Beurtheilung und Aeusserung zugestellt und von denselben der Schädiger als die orangefarbene Larve einer zu der Gat- tung Trypeta gehörigen kleinen Fliege erkannt. Dieser Fliegengattung gehören zahlreiche Arten (in Europa etwa 70) an, ihre Larven leben zumeist in den Blüthenköpfehen der Compositen und richten hier mannig- fach Gallen und Zerstörungen an. Diesen Aeusserungen wurde noch hinzugefügt, dass auf Aster Amellus und Tripolina Trypeta argyrocephala und Tr. stellata gefunden werden, von Aster chinensis in der zugänglichen Literatur aber nur zu finden war, dass ihre Scheibenblümchen resp. Samen von kleinen Motten, Coleoptera Asteris und Homeosema nebosella, ange- sriffen werden. Die Schädigung durch die Fliege dürfte demnach eine neue Calamität sein, welche weiter zu verfolgen ganz interessant sein möchte. Als einziges und wirksames Mittel gegen jenen Astern-Zer- störer wurde angegeben sofortiges Abschneiden oder Ausreissen der be- fallenen Pflanze, ehe sie vertrocknet, und ihre Vernichtung durch Ver- brennen oder tiefes Vergraben, weil das Verwesen der Pflanze auf dem Moderhaufen das schädliche Thier nicht vernichten würde. Anlässlich der dritten, am 25. April stattgehabten Sitzung gab der Secretair bekannt, dass die für den 17. Mai d. J. durch die Societe imperial d’horticulture de Russie zu Petersburg in Aussicht genommene internationale Pflanzen- Ausstellung und Congress von Botanikern, Gärtnern und Gartenfreunden wegen der um diese Zeit stattfindenden Kaiser- krönung auf das nächste Jahr verschoben worden sei. Vorgelest wurden ein vorläufiges Programm für eine im September d. J. zu Hamburg abzuhalten beabsichtigende Gartenbau-Ausstellung, so- wie eine Empfehlung des chemischen Blumendüngers der Fabrik von Ed. Naumann in Cöthen, eine ebensolche eines Mittels gegen die Blut- laus (Schizoneura lanigera) von Carl Gaute in Darmstadt und wurde unter Mittheilung des Programms und des empfangenen Anmelde-For- mulars zur Betheiligung an der auf Veranlassung des Liegnitzer Garten- bau-Vereins für die Zeit vom 5. August bis 10. September d. J. zu Liesnitz statthabenden Schlesischen Gartenbau-Ausstellung aufgefordert. Auch wurden noch vorgelegt die Nachweisungen der in dem Obst- Baumschulgarten der Section im Jahre 1882 vorgenommenen Ver- edelungen, Vermehrungen und stattgefundenen Verkäufe, sowie derjenigen der am Ende desselben Jahres verbliebenen Bestände von Edel-Obst- bäumen, Beerenobst, Weinfechsern, Rosen und einigen Zierbäumen und Sträuchern. 313 Jahres-Bericht In einem Schreiben des Gutsbesitzers Herrn Seyler in Öber- Weistritz wurde erwähnt, dass der Brumataleim des Lehrers Becker in Jüterbogk sich schon während mehreren Jahren wie in seinen eigenen so auch in den dortigen herrschaftlichen Baumschulen und grösseren Obstplantagen gegen den Frostschmetterling (Geometra brumata) ganz vor- trefflich bewährt habe; ebenso auch gegen andere die Obstbäume und deren Erträge schädigende Insecten. Brieflich berichtigte Herr Hauptlehrer Oppler in Plania eine seiner früheren Angaben dahin, dass nur Apfel- und Birn-, nicht aber auch Kirschen-Edelreiser, welche während zweier Jahre in Erde vergraben verwahrt wurden, bei ihrer Verwendung noch recht günstige Erfolge ergeben haben und dass ein Gleiches der Fall sei, wenn mit im December gebrochenen Kirschenreisern zu dieser Zeit an frostfreien Tagen Ver edelungen vorgenommen würden. Noch machte der Secretair Mittheilung davon, dass durch die wohl- wollende Vermittelung des Oekonomie - Directors a. D. Herrn Körte hierselbst die Section für ihre Obstbaumschule aus Ungarn in den Besitz von Edelreisern des in Deutschland noch kaum oder doch sehr wenig bekannten Jonathan-Apfel gelangt sei und dieselben zu sofortiger Ver- edelung Verwendung finden konnten, so dass gehofft werden darf, in nicht allzulanger Zeit schon kräftige junge Stämmchen dieses vorzüglichen Apfels aus dem Obstbaumschulgarten der Section zur Anpflanzung offeriren zu können. Nachweislich stammt dieser Apfel aus England und wurde im Anfange dieses Jahrhunderts von Holland aus nach Ungarn eingeführt, wo er mit bestem Erfolge vielfach eultivirt wird. Der Baum ist ziemlich schnellwüchsig, bildet eine schöne runde Krone, trägt alljährlich reich und hält die härtesten Fröste aus; seine schönen, mittel- grossen, rothwangigen Früchte, welche leider dessen Anpflanzung an Strassen hindern dürften, sind vorzügliches Tafel- und Wirthschaftsobst mit mässig knackendem, saftigem Fleisch von angenehm würzigsüssem Geschmack und sehr langer Dauer. Hoffentlich wird derselbe diese Vor- züge auch in unserer Provinz bewahren und sich als eine recht er- wünschte neue Einführung bewähren. In der vierten Sitzung am 13. Juni wurde u. a. zur Kenntniss- nahme vorgelegt ein zweites Programm für die durch den Gartenbau- Verein für Hamburg, Altona und Umgegend im September ce. an ersterem Orte in Verbindung mit dem 10. deutschen Pomologen-Congress zu ver- anstaltende grosse allgemeine Gartenbau - Ausstellung mit dem Ersuchen um Betheiligung an denselben und Stiftung einer Prämie für erstere; ferner das Reglement des landwirthschaftlichen Centralvereins für Schlesien für die Prüfung von Landwirthschafts-Lehrlingen;, eine Anregung zur Versicherung landwirthschaftlicher Arbeiter bei der „Friedrich Wilhelm, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 319 Preussische Lebens- und Garantie -Versicherungs - Actien - Gesellschaft zu Berlin“; Vortrag des Cataster-Controleurs Beyer über Zweck, Ziele und Umfang der im August ce. zu Liegnitz stattfindenden Gartenbau- u. s. w. Ausstellung und das Programm für die vom 21. bis 24. September c. in Veranlassung der zu dieser Zeit in Brünn tagenden Wanderversamm- lung des österreichischen Pomologenvereins durch die Obst-, Wein- und Gartenbau-Seetion der dortigen k. k. mährisch -schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde zu ver- anstaltenden Obstausstellung sämmtlicher österreichischen Kronländer. Auch wurde bekannt gegeben der erste Jahresbericht des im Jahre 1881 begründeten Versuchsgarten-Vereins zu Sachsenhausen (Frankfurt a. M.) und eine Empfehlung der von Carl Brandes in Hannover angefertigten, chemisch präparirten Pflanzen-Etiquetten von Zink. Nach Berathung und Beschliessung über verschiedene innere Ange- legenheiten der Section gelangte noch zur Vorlesung ein von dem Lehrer Herrn Hiller in Brieg verfasster und eingesendeter Artikel „Ueber Weigelien“. | Am 8. August fünfte Sitzung. Zunächst benachrichtigte der Secretair, dass Se. Excellenz der Herr Oberpräsident der Provinz und der landwirthschaftliche Centralverein für Schlesien an die Section die übereinstimmende Aufforderung gelangen liessen, nach Anhörung von Vertrauenspersonen, welche dazu geeignet und in den in Betracht kom- menden Verhältnissen erfahren oder damit vertraut sind, sich in thun- lichster Beschleunigung unter Beantwortung vorgelester fünf Fragen gutachtlich darüber zu äussern, ob und in wie weit die von einer be- trächtlichen Anzahl von Personen gärtnerischen Gewerbes an die obersten Reichsbehörden gerichteten Petitionen, in denen die Einführung von Zöllen auf verschiedene, über die deutsche Grenze aus dem Auslande eingehende Garten- und Obstbauerzeugnisse in Antrag gebracht wird, vorgeschlagenen Zollbeträge für angemessen zu erachten sein möchten? Er, der Secretair, habe, um diesen Anforderungen zu genügen, alsbald acht den gestellten Anforderungen entsprechende hiesige und auswärtige Mitglieder der Section zur Berathung über den fraglichen Gegenstand eingeladen. Nach Vortrag der Vorlage des Herrn Oberpräsidenten Excellenz war das Resultat dieser eingehenden Berathung mit voller Einstimmig- keit die Erklärung, dass ad Frage I. in den letzten 10 Jahren eine er- hebliche Zunahme von Handelsgärtnereien stattgefunden habe, trotzdem aber die Lage der Besitzer eine bessere geworden und hiernach auch die Frage II. als erledigt zu erachten sei; ad Frage IIl., dass Mangels irgend welchen brauchbaren Materials man sich nicht in der Lage be- finde, auf dieselbe irgendwie eingehen zu können, dass jedoch die Ein- 320 Jahres-Bericht führung gärtnerischer Handelsartikel keine erhebliche sei; Frage IV, musste dahin erwidert werden, dass ein Einfuhrzoll irgend welcher Art und Höhe eine wesentliche Schädigung der Binderei und der mit der- selben zusammenhängenden Gewerbe herbeiführen würde, ohne den Blumenzüchtern zum Vortheile zu gereichen. Hierdurch hielt man auch die Frage V. für durchaus erledigt. Zugleich wurde noch betont, dass jeder Einfuhrzoll auf Baumschulartikel absolut zu verwerfen sei, weil über- haupt sehr wenige dergleichen und zwar nur solche importirt würden, welche hier nicht gezogen werden können, oder momentan missrathen oder Neuheiten sind, Schlesien dagegen eine starke Ausführung von dergleichen nach Oesterreich und Russland habe. Dem Herrn Oberpräsidenten der Provinz und dem landwirthschaft- lichen Centralverein wurde von diesen Erklärungen Kenntniss gegeben und erhielten dieselben, sowie die nach der gegebenen Veranlassung vor- genommenen Massnahmen auch durch die in dieser Sitzung anwesenden Mitglieder vollste Zustimmung. Im weiteren wurde auf Antrag beschlossen, für den Lesezirkel das in Lieferungen erscheinende Werkchen: „Sommerblumen von Carus Sterne‘ anzuschaffen und nachträglich genehmigt die Sendung eines Sortiments hochstämmiger Obstbäumchen aus dem Obst-Baumschulgarten der Section zu der Gartenbau- u. s. w. Ausstellung in Liegnitz, worauf über die Eröffnung derselben und über diese Ausstellung selbst der Sectionsgärtner, Herr Jettinger, Mittheilungen machte. Vorgelegt wurde das neue Statut der Königl. Landes - Baumschule und Gärtner-Lehranstalt zu Potsdam, das Programm zu der am 4. bis 7. October e. zu Stettin stattfindenden Ausstellung von Obst, Obstbäumen und Gemüsen, sowie eine Offerte optischer Instrumente von Richard Treuer in Berlin, | Ausgelest waren von Herrn Obergärtner Zahradnick in Kamienietz eingesendete Früchte der dunkelgrünen, mit grossen glatten Warzen ver- sehenen Gurke „‚Telephon“, 49 cm lang und 27 cm mittleren Umfanges, und der hellgrünen, gelbgrün gestreiften „virginischen“ Treibgurke, 46 cm lang und 21 em mittleren Umfanges. Beiden Sorten spendete Herr Zahradnick dabei bestes Lob als Treibgurken und empfahl dazu noch die „‚kleinlaubige hellgrüne Gurke“, welche er mit Vorliebe zum Treiben, ebenso aber auch im freien Lande anbaue, da sie ihn noch nie im Stiche liess. Herr Garten-Direetor Gireoud in Sagan berichtete brieflich, dass er in diesem Jahre einen vielleicht unübertroffenen Flor hybrider Knollen- begonien besitze, Blumen in Grösse und Form gefüllter Balsaminen; die erste Aussaat habe er im Januar und die zweite später gemacht, beide Aussaaten blühen reichlich. Derselbe schreibt weiter: Die grössten Züchter von Knollenbegonien sind jetzt wohl Paul Hirt in Uelzen in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3931 Hannover und Ernst Benary in Erfurt, welche beide durch ihre Züch- tungen die Engländer, Belgier und Franzosen übertreffen; bekannt dürfte es sein, dass bei den Knollenbegonien die weiblichen Blumen einfach und nur die männlichen gefüllt sind. In einem Briefe des Kunstgärtners Herrn Nitsche in Laband vom Anfang December v. J. wird u. a. die Rose ‚Mar&chal Niel“ wie nach» folgend erwähnt: „Ein Erdkasten, in welchen ich zwei Stämmehen dieser Rose gepflanzt habe, macht viel Freude, er lieferte dieses Jahr fast zu jeder Zeit Blumen und noch jetzt zähle ich mehr als 30 mehr oder weniger vorgeschrittene Knospen, welche sich bei etwas sonnigen Tagen wohl noch schön entwickeln dürften. Im Februar habe ich diesen Stämmchen etwas trockenen, fein gestossenen Hühner- und Tauben- mist unter den aufgelockerten Boden gegeben und sodann mit warmem Wasser gegossen, sie fingen schon im März zu treiben an und setzten eine Menge Knospen an, welche im April zur Blüthe kamen. Nur ein Uebelstand macht mir bei dieser Cultur viel Verdruss und Mühe, es ist der, dass sich fast alle Mittel erfolglos zeigen, die grünen Blattläuse nicht aufkommen zu lassen, welche während des Winters bei ge- schlossenen Fenstern sich immer wieder einfinden und sich nur verlieren, wenn die Temperatur die Entfernung der Fenster gestattet.“ Die sechste Sitzung fand am 26. September statt. Nach Mittheilung eines Dankschreibens der Königlichen Regierung zu Liegnitz für Wohlderselben übersendeten Jahresbericht der Section pro 1882 ver- las der Secretair ein Schreiben des Ober-Präsidenten der Provinz, Herrn v. Seydewitz, Excellenz, mit welchem derselbe der Section über- sendet hatte eine auf Veranlassung des Herrn Ministers für die Land- wirthschaft u. s. w. durch den Direetor der Königlichen Lehranstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim a. Rh., Herrn Goethe, verfasste Denkschrift über erfolgreiche Mittel gegen Weiterverbreitung der in einzelnen Provinzen des Staates sich in einer für den Obstbau namhaften Schaden befürchten lassenden Weise vermehrt habenden Blutlaus, Schizo- neura (Aphis) lanigera Hausm. Diese Denkschrift wurde ebenfalls vor- gelesen, sodann in dem Lesezirkel der Section in Umlauf gesetzt und ist jedem Obstbaumbesitzer die Anschaffung dieser kleinen belehrenden Broschüre auf das Dringendste zu empfehlen. Bekannt gegeben wurden ferner: die Bestimmungen für die 10. Ver- sammlung deutscher Pomologen und Obstzüchter, welche vom 26. bis 30. September in Verbindung mit der grossen Herbst- Ausstellung zu Hamburg stattfindet, und eine Aufforderung zu Beiträgen für Errichtung eines Denkmals für den vor Jahresfrist zu Reutlingen heimgegangenen, sich um die deutsche Obsteultur hochverdient gemacht gehabten Dr. Eduard Lucas, welche entgegenzunehmen der Secretair sich bereit erklärt. 1883. 21 / 322 Jahres -Bericht Noch wurden zur Mittheilung gebracht briefliche Aeusserungen des Kunstgärtners Herrn Friekinger in Laasan über die Liegnitzer Garten- bau-Ausstellung, sowie ein Schreiben des Kunstgärtners Herrn $Stie- beiner in Tost, in welchem sich derselbe „über Ueberwinterung der Silene pendula“ wie folgend äusserte: Diese durch ihren Wuchs und den Reichthum ihres Flors geschätzte Pflanze ist seit langer Zeit eine Frühjahrszierde unserer Gärten. Sie ist ebenso vortheilhaft ver- wendbar zu Einfassungen wie zur Gruppenpflanzung, zu regelmässigen wie in landschaftlichen Anlagen, und nimmt sich als Massenpflanzung im Rasen besonders gut aus. Leider hört man bei uns jedoch öfter Klage darüber führen, dass der Winter die Pflanzen gänzlich zerstöre. Ich kann hierüber nicht klagen und verfahre mit der Anzucht der Pflanzen in folgender Weise: Die Aussaat der Silene pendula nehme ich etwa Mitte August in Reihen auf abgetragene Gemüsebeete vor, nach dem Aufgehen derselben werden die Pflanzen bis zu einem Abstand von 15 bis 20 cm von einander gelichtet, bleiben nun so bis zum Frühjahr auf dem Beete stehen und erst zu dieser Zeit werden sie auf die bleibenden Stellen verpflanzt. Auf diese Weise habe ich diese Silene immer gut erhalten. Ich erkläre mir das häufige Misslingen der Ueberwinterung der Silenen dahin, dass sie oft zu dicht ausgesät, als Pflänzchen lange stehen bleiben und dann im Herbst, bei ungünstigem Wetter verpflanzt, nicht genügend anwachsen und erstarken können, daher bei zeitigen Frösten, als zu zart geblieben, den Winter nicht aushalten. Herr Kunstgärtner Gildner in Schottwitz berichtete: Unerachtet eines nur sehr einfach eingerichteten Treibhauses von ca. 9'/, m Länge, 3 m Höhe und eben solcher Tiefe, dessen 2’, m lange Dachfenster in einem Winkel von etwa 40 Grad auf 1‘), m hohe aufrechtstehende Fenster treffen, an dessen Hinterwand der nur aus Kacheln erbaute Heiz- canal hinläuft, und in welchem nur bis auf 10 Grad R. geheizt wird, daher auch nur zwei Pfirsichbäume beherbergen kann, welche auf dem sogenannten Brustbeet stehen und deren Kronen spalierartig unter den Dachfenstern an Latten ausgebreitet und angeheftet sind, habe ich doch in den letzten Jahren gute Erfolge erzielt. Diese beiden Bäume sind die „Madelaine blanche“ und die ein weniges spätere „de Malte‘, Um sicher Früchte zu erzielen, lasse ich mich die freilich etwas zeitraubende Mühe nicht verdriessen, jede einzelne Blüthe im Januar bei Sonnenschein mit dem Pinsel zu befruchten, finde dies aber auch recht lohnend, denn z. B. hatte ich von dem erstgenannten Baume in den letzten drei Jahren Erträge von nicht unter, wohl aber von reichlich über 200 Mark. Nach der Fruchtreife, welche in diesem Jahre um Pfingsten traf, nehme ich die oberen Fenster ab, damit das junge Holz an freier Luft besser ausreifen kann. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3233 Vorgelesen wurde ein von dem Handelsgärtnereibesitzer Herrn Riedel in Löwenberg eingesendeter, von demselben verfasster Aufsatz „über Einrichtung und Haltung von Compoststätten und Erdmagazine““, Für die siebente Sitzung, welche am 24. October gehalten wurde, lagen vor: 1) der Bericht des Freiburger Gartenbau-Vereins über die am 19. bis 21. desselben Monats durch denselben zu Schweidnitz veranstaltete Obst-Ausstellung, zu welcher einige 40 Obstzüchter der nächsten und entfernteren Umgegend reiche Sortimente grösstentheils pomologisch richtig benannter, schöner und werthvoller Tafel- und Wirth- schafts - Obstfrüchte eingesendet hatten, unter denen sich, namentlich unter den Winterfrüchten, freilich eine nicht unerhebliche Anzahl soleher erkennen liess, welche Angriffe der in diesem Jahre besonders häufig vorgekommenen Raupe des Frostschmetterlings (Geometra brumata) zeigten. Sehr erfreulich war es, zu vernehmen, dass diese Ausstellung recht zahl- reich besucht wurde. 2) Ferner die Benachrichtigung, dass der König- liche Hof-Gartendireetor, Herr Jühlke zu Sanssouci am 1. April 1884 das seltene Fest seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums feiern dürfte und wurde in Anbetracht der geachteten, bevorzugten Stellung, welche Herr Jühlke einnimmt, und der hohen Verehrung, welche ihm von der gesammten Gärtnerwelt zu Theil wird, der Secretair beauftragt, seiner Zeit dem Jubilar seitens der Section eine Beglückwünschungs-Adresse zu übersenden. 3) Mittheilungen des Hauptlehrers Herrn Oppler in Plania über den reichen Obstsegen, dessen in diesem Jahre auch der grösste Theil Ober- schlesiens sich zu erfreuen hatte; es seien jedoch, mit Ausnahme weniger, die Früchte der meisten Sorten kleiner als in anderen Jahren geblieben. Zugleich giebt derselbe an, dass schon im Anfange des October in dortiser Gegend wieder der gefürchtete Obstfeind, der Frostschmetter- ling (Frostspanner, Reifmotte, Spilling, Obstverderber, Geometra brumata), in ungewöhnlich grossen Mengen sich zeigte, und versicherte dabei, wie auch er mit bestem Erfolge um die Obstbäume gebundene breite, mit dem Brumataleim des Lehrers C. Becker in Jüterbogk bestrichene Papier- streifen anwende. Zugleich nannte derselbe als sich weitaus in Ober- schlesien durch alljährlich reiche Tragbarkeit, Grösse und Güte aus- zeichnend die Citronenbirne, echte Weinbirne, schöne Bergamotte, Prin- zessin Marianne, graue lange Bergamotte, rothe Herbst - Zueker- oder Laurentiusbirne mit ihrem Melonengeschmack, die Jungfernbirne, Mal- vasierbirne und als ausgezeichnetes Dürrobst die Troppauer Musecateller- birne, sowie den Sommer-Zuckerapfel, Sommer-Tafelapfel, Flandrischen Rambur, calvilleartige Reinette, grünen Winter - Rambur, böhmischen rothen Borsdorfer, Scharlachparmäne, Dietzer Mandelreinette und Winter- Goldparmäne, welche wegen ihres Wohlgeschmackes, Schönheit, alljähr- 21* 324 Jahres-Bericht lichen Rentabilität und Haltbarkeit in keinem Garten fehlen sollten. Den beiden letzteren kann noch der grosse böhmische Jungfernapfel zur Seite gestellt werden. Nach diesem erstattete der Gärtner der Section, Herr Jettinger, welcher von derselben zu der in den letzten Tagen des September zu Hamburg stattgehabten grossen Allgemeinen Gartenbau -Ausstellung und dem zu gleicher Zeit daselbst abgehaltenen 10. deutschen Pomologen- Congress entsendet worden war, eingehenden Bericht über dieselben. In Bezug auf letzteren möge hier angeführt sein, dass dessen Versamm- lungen jeder Zeit sehr zahlreich besucht und ein äusserst reges Interesse der Anwesenden an den gehaltenen Vorträgen und den folgenden Dis- eussionen über diese zu bemerken waren, so zwar, dass von den hier gepflogenen Verhandlungen sich ebenso segensreiche Erfolge für den deutschen Obstbau erhoffen lassen, als wie: von den in früheren Jahren vorangegangenen. Zur Vorlesung und Besprechung gelangten die eingesendet erhaltenen Mittheilungen der Herren: Apotheker Scholtz in Jutroschin, „Eine neue Methode wurzelechter Vermehrung der Remontant- Rosen“; Kunst- und Handelsgärtner Gürich in Steinau a. O., „Zur Pflege des Orangenbaumes im Kübel‘ und Kunstgärtner Kühnau in Damsdorf, „Vom Zwerg-Jasmin ee coronarius nanus) als Brutstatte für Nachtigallen“. Zu der am 21. November stattgehabten achten Sitzung hatte Herr Handelsgärtnereibesitzer Riedel in Löwenberg Bericht eingesendet über eine im letztabgelaufenen October stattgefundene Sitzung des dortigen Vereins für Gärtner und Gartenfreunde, verbunden mit einer Local-Obstausstellung. Aus demselben wurde entnommen, dass in dieser Sitzung u. a. Herr Lehrer Rothe eine Abhandlung verlas „über die wirk- samste Verbreitung pomologischer Kenntnisse und richtige Bestimmung der Obstsorten durch Local-Obstausstellungen“, da durch dieselben der Bevölkerung die pomologisch richtigen Benennungen der Obstsorten weit zugänglicher gemacht würden, als bei grossartigen Ausstellungen, welche dem Laien wohl durch ihre Reichhaltiskeit imponiren, aber in Betreff der Classificirung und richtigen Sortenbenennung oft viel zu wünschen übrig lassen, und dass Herr Riedel selbst „über den Obstbau im Kreise Löwenberg unter Erwähnung der in demselben am häufigsten angebauten und tragbarsten Sorten‘ sprach. Bei der im Anschluss an diese Sitzung veranstalteten Ausstellung hatte sich etwa der vierte Theil der Vereins- mitglieder durch verhältnissmässig reiche Einsendung schöner, meist richtig benannter Früchte bethetlist und blieb dieselbe während zwei Tagen dem ziemlich zahlreichen Besuch des Publikums eintrittsfrei zu- gänglich. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3935 Hierauf hielt der Gärtner der Section, Herr Jettinger, Vortrag „Ueber die Cultur der Theerose Mare&chal Niel“ und wurden noch vorgelesen die eingesendet erhaltenen Artikel des Hofgärtners Herrn Schütz in Margarethen a. Moos in Nieder-Oesterreich, „Ueber Acer Ginale, Ceanothus und Clematis und deren Verwendung bei Gruppenpflanzungen in Gärten“, „Betrachtungen über die Ursachen des langsamen Fortschrittes des Obstbaues in Schlesien‘ von Herrn Kunstgärtner Stiebeiner in Tost und „Ueber einen Versuchsanbau mit dem allerfrühesten Mais von Bo- ronco“ von Gutsbesitzer F. Müller in Domslau. Die für den 12. December anberaumte neunte und resp. dies- jährige Schlussssitzung eröffnete der Secretair mit dem motivirten Antrage auf Bewilligung des gleichen Betrages wie in den beiden letzt- vergangenen Jahren für Anschaffung von Sämereien empfehlenswerther Gemüse- und Zierpflanzen zur Gratis-Vertheilung an Mitglieder bei Annäherung des folgenden Frühjahres behufs Versuchsanbau und späterer Berichterstattung über den Erfolg desselben; der Antrag wurde ange- nommen. Vorgelesen wurden die eingegangenen Abhandlungen „Ueber Oxalis carnosa, der fleischige Sauerklee, und einiges über OÖxalis überhaupt“, verfasst von dem Apotheker Herrn Scholtz in Jutroschin; „Ueber Catulpa speciosa Werder des Corvetten-Capitains Hofmarschalls z. D. Herrn von St. Paul zu Erdmannsdorf“ und „Welche Behandlung verlangen die Formbäume, um reich- lich Früchte zu tragen?“ von Herrn Hofsärtner Schütz in Marga- rethen a. Moos in Nieder-Oesterreich. Es folgte hierauf die Wahl der Functionäre der Section für die nächste Etatszeit 1884/85. Einstimmig wurden wiedergewählt: Stadt- rath E. H. Müller als erster Secretair; zum Mitgliede der städtischen Promenaden-Deputation Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn; zu Mit- gliedern der Garten-Commission die Herren Landes-Bauinspeetor Sutter und Kaufmann und Fabrikbesitzer Julius Kramer. An Stelle des Herrn Juwelier Herrmann, welcher wegen anderweiter überhäufter Ge- schäfte eine Wiederwahl abgelehnt hatte, als zweiter resp. stellver- tretender Secretair ebenfalls Herr Kaufmann und Fabrikbesitzer Julius Kramer. Wiederholt sei nun noch an dieser Stelle den geehrten Mitgliedern, welche durch ihre schätzbaren Vorträge, Abhandlungen, Berichte und Mittheilungen, die hier nachfolgend zu weiterer Kenntniss gebracht werden, dem verbindlichsten Danke für solche erfreuliche Beweise ihrer 326 Jahres-Bericht wohlwollenden Thätigkeit für die gemeinnützlichen Zwecke der Section mit der recht freundlichen .Bitte Ausdruck gegeben, solche dieser auch fernerhin geneigtest angedeihen zu lassen. Möchte aber auch seitens der neueren und neuesten Sectionsmitglieder der lebhafte Wunsch und Bitte reichliche Erfüllung finden, in gleicher nutzbringender Weise die Be- strebungen der Section für Förderung und Verbreitung der Obst- und Garteneultur freundlichst zu unterstützen. Wurde nun schon durch jene Vorträge, Mittheilungen u. s. w. reicher Stoff zu weiter belehrenden Discussionen über dieselben in den abge- haltenen Sitzungen geboten, so beschäftigten während derselben auch noch in ausgiebigster Weise Besprechungen und Berathungen über alljährlich wiederkehrende und sonstige innere Angelegenheiten der Section, über die empfangenen Ausstellungs-Programme und Novitäten in den einge- gangenen Preisverzeichnissen, sowie der neuest erschienenen Lieferungen des Obsteabinets von H. Arnoldi in Gotha. Die erforderlichen Verrech- nungen über die Einnahmen und Ausgaben des Vorjahres, sowie der Etat für dieses Jahr wurden wiederum durch den Secretair gelegt, auf- gestellt, vorgelegt und nach erfolgter Prüfung dechargirt und resp. ge- nehmigt. Die Aroideen des Kaisers Maximilian von Brasilien. Von Königl. Garten-Inspector B. Stein. Indem ich das auf Kosten des Kaisers von Oesterreich unlängst herausgegebene Prachtwerk: „Aroideae Maximilianae“ vorlege, möchte ich hieran eine kurze Besprechung der für die Gärtnerei so viel- fach werthvollen Familie der Aroideen knüpfen. Das vorgelegte Werk basirt auf den Aroideen, welche Kaiser Maximilian auf seiner Reise durch Brasilien von dem ihn begleitenden Hofeärtner Maly sammeln und nach Schönbrunn senden liess. Dort wurden sie unter Schott’s Meisterhand eultivirt, jede blühende Art von Liepold in unübertroffener Weise gezeichnet und von Schott der An- fangstext dazu geschrieben. Nach Schott’s Tode führte das werthvolle Manuscript ein irres Wanderleben; Reissek, Kotschy und schliesslich Fenzl versuchten sich mit der Herausgabe, aber alle drei Bearbeiter starben, ehe der Druck beginnen konnte, und erst 1880 konnte Professor Peyritsch in Innsbruck die letzte Hand an das Werk legen, dessen Aus- stattung eine wahrhaft kaiserliche ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 327 Seit 1856, wo Schott seine „Synopsis Aroidearum“ schrieb, hat sich die Zahl der bekannten Aroideen fast verdoppelt. Schott, der sehr scharf trennte, beschrieb in 49 Gattungen 370 Arten, davon umfasste die Gattung Philodendron allein 99 Arten. Engler behandelt in seiner 1879 erschienenen ,‚Monographia Aroidearum“ 97 Gattungen mit 716 Arten, worunter Philodendron mit 111 Arten. Die zahllosen bunten Caladien bringt Engler zu zwei Arten, Caladium bicolor Vent. aus der brasilianischen Provinz Para und (. picturatum C. Koch aus Peru. Das aroideenreichste Land ist Ostindien mit 226 Arten in 44 Gat- tungen, wovon 32 Gattungen und 217 Arten in Östindien einheimisch vorkommen. Dann folgen Süd-Brasilien, woselbst unter 19 Gattungen mit 92 Arten 75 Arten und 4 Gattungen dem Gebiet allein angehören, und Mexico, wo von 15 Gattungen und 89 Arten 74 Arten und 1 Gat- tung ausschliesslich dort wachsen. Am ärmsten an Aroideen ist unser Deutschland, wo nur drei Arten in drei Gattungen (Acorus, Calla, Arum) wild vorkommen. Das Engler’sche Aroideen-System zerfällt in folgende 10 Ab- theilungen; als bekannte Vertreter zu nennen sind: Pothoideae. Dahin u. a. Fothos, Calla, Acorus, Anthurium. Monsteroideae. Scindapus, Monstera. Lasioideae. Amorphophallus, Hydrosme. Philodendreae. Philodendron, Richardia. Aglaonemeae. Dieffenbachia, Aglaonema. Colocasieae. Caladium, Colocasia. Staurostigmeae. Staurostigma. Aroideae. Arum, Arisaema, Ariopsis. Pistioideae. Pistia. Lemnoideae. Lemna. DIE ® ® nm er — Cultur und Vermehrung der Aroideen sind fast durchweg leicht und einfach, und auch aus diesem Grunde sind die meist langlebigen Ge- wächse gern gesehene Gäste unserer Gärten. Speciell während der Vegetations-Periode lieben fast alle Wärme, Wasser und nur weniges Licht. 328 Jahres-Bericht Ueber Pflanzung und Erziehung von Obst- und Schatten- bäumen an Chausseen. Von Landes - Bauinspector Sutter. Motto: Nicht die Menge der Kenntnisse, sondern die gewissenhafte Anwendung der- selben erheben den Mann! Einleitung und Beweggrund zu dem nachfolgenden Vortrage. Indem ich wohl weiss, dass in dieser meiner Heimathsstadt und der Provinz viele mit wohlerworbenen Kenntnissen ausgestattete Männer von Beruf vorhanden sind, welche den von mir zum Vortrage gewählten Gegenstand voll und ganz beherrschen und aus dem reichen Schatze ihres Wissens und ihrer Erfahrungen mich sehr wohl zu belehren im Stande sind, darum bitte ich sehr, es nicht als Anmassung anzusehen, dass ich mich an die Besprechung einer Sache wage, in welcher ich nur Empyriker bin. Es ist nur meine Absicht, die gesammelten Erfahrungen und Resultate in meiner 32jährigen praktischen Berufsthätigkeit zu besprechen, um dadurch auch meinerseits zur Unterstützung und Beförderung eines Cultur- zweiges beizutragen, dessen hohe Bedeutung in national-ökonomischer Beziehung leider selbst noch von hochgebildeten Personen immer noch nicht genügend erkannt und gewürdigt wird. Nach meiner Auffassung sind gerade die gebildeteren Menschen dazu berufen und verpflichtet, den ärmeren und unverständigeren Mit- menschen diese edle Himmelsgabe, das köstliche Obst, an welchem sich Jung und Alt erfreut und erfrischt, und welches jede Mahlzeit würzt, immer zugänglicher zu machen. Nach Ausweis der Bildungsgeschichte der Menschheit ist der Oultur- grad jedes Volkes stets mit dem Garten- und Obstbau gestiegen oder gefallen. Meine Herren, lassen Sie uns daher auch von unserer Seite darauf hinwirken, dass wir, soweit unsere Kräfte und unser Einfluss reichen, das Pflanzen von Bäumen überhaupt und besonders das Pflanzen von Obstbäumen in jeder Weise zu fördern suchen, weil nach meiner Ueber- zeugung dadurch auch die Moral und Veredelung unserer Mitmenschen gehoben wird. Nur nachdem der hochverdiente Secretair unserer Section, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 329 der Herr Stadtrath E. H. Müller von hier, schon im vorigen und wiederum in diesem Jahre in so überaus liebenswürdiger Weise mich zur Haltung eines Vortrages gedrängt hat, halte ich es für meine Pflicht, Ihnen, meine werthen Vereinsgenossen, meine Erfahrungen und Resultate im Obstanbau an Chausseen mitzutheilen. Ich bitte, dass Sie meine nachfolgenden, in den wichtigsten Punkten etwas sehr detaillirten Be- schreibungen, welche aber auf diese Weise der guten Sache am besten dienen können, nur als Worte eines Laien zu Laien und nicht als ein Lehrmittel für Fachleute ansehen wollen. Mein Wunsch geht hauptsächlich dahin, dass meine Aufzeichnungen, wie sie von dem Triebe, etwas Gutes und Nützliches zu schaffen, dietirt sind, auch Männer von Beruf und grösserem Einfluss entzünden mögen, durch Förderung des Obstbaues die Glückseligkeit unserer Mitmenschen weiter begründen zu helfen. 1. Zweck der Pflanzung von Bäumen an Chausseen. Der Chausseebaum soll die Kante der Strasse so markiren, dass er für die Passanten zunächst einen Schutz gegen das Hineinfahren in die Gräben, tiefe Gerinne, angrenzende Teiche oder das Hinabstürzen über hohe Böschungen gewährt. | Derselbe soll aber auch eine Zierde und bei geeigneten Boden- und klimatischen Verhältnissen einen Ertrag abgeben, für die Umgebungen unschädlich sein und den Verkehr nicht beengen. 2. Wo sind Okst-, wo Schattenbäume zu pflanzen? Es empfiehlt sich, nur überall da, wo die örtliche Lage und guter Boden dies gestatten, und zwar im freien Felde nur Obstbäume, dagegen in enggebauten Dorflagen, bei sterilem Boden, in kalten rauhen Gegenden, an östlichen und nördlichen Gebirgsabhängen aber nur Schattenbäume zu pflanzen. Ueberall da, wo der Getreideanbau noch lohnende Erträge giebt und der Untergrund nicht zu felsig ist, werden auch noch Obst- bäume mit Vortheil gebaut werden. | Im Allgemeinen ist trockener, humusreicher, dabei warmer, mässig feuchter und tiefgründiger Boden für ein gedeihliches Fortkommen von Obstbäumen nothwendig, wogegen der sehr nasse, tief und anhaltenden Ueberschwemmungen ausgesetzte Boden wegen der stagnirenden Nässe und zu magerer Sandboden für Obstpflanzungen nicht zu empfehlen ist. Weil nun auch in den enggebauten Ortslagen wegen des durch die Gebäude hervorgerufenen Schattens und wegen des festen Zusammen- tretens der Erde um die Bäume die Obstbäume nicht sehr gut gedeihen, dieselben auch der Beschädigung durch Menschen und Vieh und Wirth- schaftsfuhrwerk viel mehr ausgesetzt sind, so ist es zweckmässiger, hier 350 Jahres - Bericht nur Schattenbäume an die Chausseen zu pflanzen, deren Kronen auch höher gezogen werden können. Kein öffentlicher Platz aber und keine Dorfstrasse sollte ohne Baum- pfllanzung geduldet werden, weil Bäume in sanitärer Beziehung so über- aus wohlthätig auf die Gesundheit der Menschen wirken. 3. Grundsätze bei Auswahl der Obstarten. Im Allgemeinen habe ich bei der Wahl der zu pflanzenden Obstart folgende Richtschnur als zweckmässig beobachtet und befolgt. Auf Strassen mit freier, trockener Lage wählte ich Bäume, die süsse Früchte tragen, und für tief- und feuchtliegende Strecken, wegen der im Boden vorhandenen Säure, nur Bäume, welche säuerliche Früchte tragen. Wegen der leichteren Bewachung und um lohnendere Pachterträge zu erzielen, empfiehlt es sich jedoch, möglichst lange Strecken von wenigstens 2 Kilometer mit ein und derselben und möglichst gleichzeitig reifenden Obstart zu bepflanzen. Für freie, trockene und hohe Lagen habe ich daher im Allgemeinen Kirschen und Birnen, dagegen für tiefe, geschützte und feuchtere Lagen Aepfel und Pflaumen mit gutem Erfolg gepflanzt. An besonders geschützten, trockenen Wegestrecken mit leichterem Boden sind auch Nussbäume vorzüglich gediehen. In den 10 Kreisen der Provinz, in welchen mir früher das Glück zu Theil wurde, beim Neubau von Chausseen mitzuwirken, habe ich die grössten und frühesten Erträge von Kirschbaum-Pilanzungen gehabt. a. Diese Baumart hat den für Chausseen sehr grossen Vorzug, dass sie hoch, gerade und ziemlich rasch wächst, dass die Bäume nicht viel Schatten werfen, die Früchte nur eine kurze Bewachungszeit er- fordern und die Verpachtung und Aberntung gerade in eine Jahreszeit fällt, wo die Feldarbeit noch nicht so viel Menschenkräfte in Anspruch nimmt. Die Kirschen sind vorzüglich gediehen auf lockerem, trockenen Lehmboden; aber auch selbst bei schlechterem, sandigen Boden, wenn recht grosse Löcher mit besserem Boden ausgeschüttet wurden. Auf hochgelegenen und dem Winde stark ausgesetzten Strassen eignen sich am ehesten Kirschen. Dagegen konnte ich auf tief und feucht liegenden Streeken mit Moor- oder Letteboden, selbst schon mit strammem Lehm oder nassem Sande oder in der Nähe von grossen Wasserspiegeln oder Flüssen die Kirsche trotz der grössten Sorgfalt beim Pflanzen und bei bester Pflege nur wenige Jahre erhalten. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 Auf humusreichem, warmen Lehmboden und auf die Berge habe ich nun die edle Süsskirsche, für weniger guten, sandigen oder feuchten Thalboden die Weichsel- und $Sauerkirsche am zweckmässigsten ge- funden. Ä b. Nur da, wo die örtliche Lage und der Boden für Kirschen offen- bar nicht geeignet war, wählte ich andere Obstbäume. Wenn die Be- dingungen für das Gedeihen des Kirschbaums noch allenfalls vorhanden waren und die zu bepflanzende Strecke etwas geschützt im Thale oder in der Ebene lag, sowie zur "Abwechselung der Früchte habe ich zu- nächst Birnbäume gepflanzt, welche bekanntlich tiefgehende Wurzeln haben und in Folge dessen mehr gerade wachsen und durch die Winde weniger schief gedrückt werden als Aepfelbäume. Der Birnbaum begnügt sich noch mit leichterem Boden, welcher aber tiefgründig sein muss, jedoch nicht nass und kalt oder lettig sein darf. Am Besten eignen sich frühreifende Sorten, weil die Obstpächter die spätreifenden wegen Kostspieligkeit der Bewachung niemals ganz ausreifen lassen. c. AÄepfelbäume habe ich nur in Thälern oder in der Ebene mit kräftigem, schwererem, mässig feuchtem, bündigem Boden mit Vortheil sepflanzt. Da die Wurzeln dieser Baumart nur in geringer Tiefe unter der Oberfläche sich hinziehen, so leisten die Bäume in schwerem Boden mehr Widerstand gegen die Stürme- Es ist immer schwierig, an frei- liegenden Strassen die Aepfelbäume gerade wachsend zu erhalten und muss den Bäumen durch das Abschneiden der zu tief auf die Strasse herabwachsenden und deshalb den Verkehr beengenden Aeste oft zum Schaden der Ertragsfähigkeit Gewalt angethan werden. Deshalb empfiehlt es sich, zur Chaussee-Bepflanzung nur Arten mit aufstrebendem Wuchse zu wählen. d. Die Pflaumen habe ich nur in Thälern und weitläufig gebauten Dorflagen ohne andere Baumart, im Uebrigen aber wegen ihrer kleineren Kronen meistens als Zwischenpflanzung zwischen Aepfel- und Birnen- strecken verwendet, wo es mir darauf ankam, wegen höherer Damm- oder Grabenböschungen die Bäume zum Schutz dichter zu pflanzen. Bis vor wenigen Jahren wurde die gewöhnliche blaue Hauspflaume, welche ich wegen ihrer gleichzeitigen Reife und Genügsamkeit mit dem mageren Strassenboden ausschliesslich gepflanzt hatte, in den Handelsgärtnereien für Chausseezwecke nicht gezogen und musste ich nur kräftige Wurzel- ausläufer ankaufen. Durch alljährliehes mühsames Verschneiden der Kronen habe ich jedoch auch schöne Bäume erzielt, so dass die Pflaume in den ersten sechs Jahren im Wachsthum selbst hinter den Kirschen nicht zurück- geblieben ist. Jahres - Bericht ©» ©» SS) In neuerer Zeit befassen sich die Herren Handelsgärtner auch theil- weise mit dem Verschulen von Pflaumen-Auslänfern und werden kräftige Pflanzen aber immer noch mit Vortheil aus Böhmen bezogen. Von Pflaumen habe ich allerdings nicht so regelmässige, aber dafür um so reichere Ernten gehabt, so dass ich zu der Ueberzeusung ge- kommen bin, dass diese Bäume in geschützter Lage und für tiefgründigen, sogar feuchten und nicht einmal kräftigen, sondern sandigen Boden für Wege-Bepflanzungen sich sehr wohl eignen und nächst der Kirsche am besten rentiren. e. Nussbäume habe ich nur da mit Erfolg gepflanzt, wo sie mehr Schutz gegen starke Luftströmungen hatten, der Untergrund leicht und trocken war und ich neben dem Schatten noch auf einigen Ertrag rechnete. Auf einer hoch- und freigelegenen Strecke mit schwererem, fetten Lehmboden wachsen diese Bäume sehr langsam. 4. Zeit des Pflanzens. Nach den von mir gemachten Erfahrungen ist die zeitige Herbst- pflanzung einer Frühjahrspflanzung schon deshalb vorzuziehen, weil die Bäume bei noch warmem Herbstwetter noch Faserwurzeln treiben. Da sich der Boden um die Wurzeln den Winter über setzt, so sind die Bäume im Frühjahr schon halb angewurzelt und man riskirt nicht das Vertrocknen der Bäume, wenn sich zuweilen im Frühjahr langanhaltende, austrocknende Winde einstellen. Die Gefahr, dass ein Theil der im Herbst gepflanzten Bäume den Winter über wieder gestohlen, abgebrochen oder von Hasen benagt werden könnten, ist allerdings nicht zu unterschätzen. Auf sehr verkehrsreichen Strassen oder in der Nähe grosser Städte habe ich daher die Obstbäume erst im Frühjahr gepflanzt, mir jedoch schon im Herbst die Bäume aus den Baumschulen angekauft, liefern und an der Baulinie einschlagen lassen, weil im Frühjahr nur noch schwache und deshalb für Wege-Bepflanzung nicht geeignete Pflanzen zu haben sind. Die rechtzeitige Fertigstellung der Baumlöcher und Vorbereitung des zur Pflanzung nöthigen guten gemischten Bodens ist jedoch auch zu- weilen entscheidend, ob im Herbst oder Frühjahr gepflanzt werden kann, Das Pflanzen der Bäume muss jedenfalls im Herbst vor Eintritt von Frösten und im Frühjahr, sobald der Boden abgetrocknet ist, auch mög- lichst zeitig geschehen, 5. Vorbereitung des Pfianzens und der Baumlöcher. Da es für die Passanten einer Strasse gefährlich ist, wenn die Baum- löcher lange Zeit offen stehen bleiben, so dürfen die Baumlöcher nur kurze Zeit vor der Pfilanzung ausgehoben werden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 333 Um jedoch den Vortheil nicht ganz einzubüssen, dass der Boden zur Pflanzung recht trocken und von der Luft zersetzt ist, habe ich bei Nachpflanzungen auf schon alten Strassen zu dem Baumloch, wo nicht durchweg fruchtbarer Boden vorhanden war, '/, Kubikmeter anderen verrotteten Humus oder Lehmboden anfahren, solchen Boden das ganze Jahr über auch schon aufsparen lassen. Auf neugeschütteten Chausseedämmen, wo ohnedies fruchtbare Erde vorhanden war, habe ich das Heranschaffen besserer Erde unterlassen und dies nur für die Abtragsstrecken mit todtem, festen Boden für nötig befunden. Vor dem Pflanzen lasse ich auf den alten Chausseen die beschaffte fruchtbare Erde abwechselnd mit der besten Erde aus dem gefertigten Baumloche durch ein Steinsieb werfen, damit die bessere Erde recht gleichmässig zwischen die schlechtere, von dem abgestorbenen Baume ausgesauste Erde gemischt und von Steinen, Unkraut und Quecken ganz gereinigt werde. Bei ganz magerem, sandigem oder lettigem Unter- grunde lasse ich natürlich die ganze Erde aus dem Baumloche mit neuer fruchtbarer Erde umtauschen. Etwas Sand zwischen die neue Erde zu mischen ist sehr zweckmässig zur Lockerung derselben. Die Bäume werden auf Chausseen je nach der zu pflanzenden Obst- art in der Ebene in der Regel in Entfernung von 8—10 Meter von einander gepflanzt. An hohen Böschungen dagegen bin ich bis auf 4 Meter Entfernung zurückgegangen. Die Baumlöcher lasse ich in der Regel 1,25 Meter im Geviert und 70 Centimeter tief anfertigen. Bei schlechtem Boden oder auf alten Strassen empfiehlt es sich, die Löcher dagegen noch grösser zu fertigen, bis 1,60 Meter im Geviert und 1 Meter tief. Bei dem Graben der Pflanzlöcher ist besonders darauf zu sehen, dass die bessere Erde von der schlechten sortirt wird, um die bessere beim Pflanzen wieder mit verwenden zu können, 6. Entfernung der verschiedenen Baumarten unter sich und deren Stellung auf der Strasse. Wenn der Boden auf der zu bepflanzenden Chaussee sehr gut war und die klimatischen Verhältnisse die Obstbaumpflanzung anzeigten, so suchte ich natürlich auch die Bäume möglichst dicht zu pflanzen, um einen möglichst hohen Ertrag aus der Verpachtung zu erzielen. Die Kirschen pflanzte ich in Entfernung von 8 Meter. Die Birnen und Aepfel dagegen in 10 bis 12 Meter Entfernung. Bei 12 Meter setzte ich noch je einen Pflaumenbaum dazwischen. Reine Pflaumen-Alleen habe ich in 5—6 Meter Entfernung gepflanzt, an hohen Böschungen sogar zu 4 Meter. Die Pflanzung geschah immer im Wechselverbande. 334 Jahres - Bericht 7. Das Pflanzen selbst und die dabei vorzunehmenden Arbeiten. a. Beschaffung und Vorbereitung der Bäume und deren Qualität. Für Chaussee-Bepflanzung habe ich nur gleich hohe Bäumchen von mindestens 2,10 bis höchstens 2,30 Meter Stammlänge bis zur Krone und in einer Stärke von wenigstens 2 Centimeter in Brusthöhe als am zweckmässigsten vorgeschrieben, weil zu niedrig gezogene Kronen den Verkehr auf der Strasse beengen und höhere Bäume später schwer ab- zuernten sind, auch weniger Obst tragen. Ausserdem macht es einen unschönen Eindruck, an Chausseen Bäume von ungleicher Höhe zu pflanzen. Laubholz-Bäumehen pflanzte ich mit 2,50 Meter Stammlänge und wenigstens 5 Centimeter mittlerer Stammstärke. Wenn die Bäume nicht die vorbeschriebene Stammlänge hatten, so suchte ich dieselbe durch den künftigen Baumschnitt zu erreichen. Jeder Baum muss mit guten Saugwurzeln versehen sein. Die angekauften Bäumchen wurden vor dem Pflanzen bei frostfreiem Wetter in der Nähe der Pflanzstrecke in vorher aufgeworfene Gräbchen, um die Wurzeln vor der Austrocknung und die Kronen vor Beschädigung zu sichern, senkrecht stehend eingeschlagen. Wenn die Wurzeln auf dem Transport sehr ausgetrocknet waren, so wurden dieselben vor dem Einschlagen stark angefeuchtet. Zur Pflanzung habe ich dann nur jedes Mal den Bedarf für kurze Zeit oder einen halben Tag mit auf die Strecke nehmen lassen. Vor dem Pflanzen wurden die Wurzeln jedes Baumes sorgfältig besichtigt, die beim Ausgraben oder auf dem Transport verletzten oder angebrochenen mit einem scharfen Messer so weit glatt weggeschnitten, als die Wurzel verletzt war. Der Schnitt wurde so ausgeführt, dass die Schnittstelle immer nach unten auf den Boden aufzuliegen kam. Auch die feineren Haarwurzeln wurden in gleicher Weise wenig verschnitten. Verdorbene oder brandige Wurzeln wurden ganz weg- geschnitten. Alle unbeschädisten Wurzeln sind sorgfältig geschont worden. Bei einer Herbstpflanzung lasse ich nun gar keine Zweige an der Krone verschneiden, sondern erst im folgenden Frühjahr. Nur der Stamm wird glatt ausgeputzt. b. Zweek und Beschaffenheit der Pfähle. Jeder Baum muss so lange einen Pfahl erhalten, bis der Stamm mindestens ebenso stark ist als der Pfahl und bis der Baum allein so fest steht, dass er vom Winde nicht mehr umgedrückt wird. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 335 Die Pfähle lasse ich von trockenem Fichten- oder Kieferholz, 3,20 Meter lang, 7—8 Centimeter am Zopf stark, gerade gewachsen, von der Rinde und von Aststummeln entblösst, gespitzt und die Spitze 1 Meter hoch angebrannt liefern. c. Pflanzungsweise. Die zur Pflanzung zu verwendende alte und neu angefahrene Erde muss vor der Pflanzung sorgfältig gemischt, durch eine Steinhorde ge- worfen und ganz klar sein. Vor der Pflanzung der Bäume werden nun die Pfähle 40 Centimeter von der Chausseekante ab und parallel zur Kante mitten in das Baumloch und gleich hoch nach Mass eingesetzt, mit vorbereiteter Erde umgeben und fest angetreten. Darauf wird das Baumloch so weit mit der gemischten Erde angefüllt, dass nur noch Raum für die Wurzeln des Baumes verbleibt. Damit die Bäumchen nun mindestens 5 Centimeter seichter gepflanzt werden, als sie in der Baum- schule gestanden haben, lasse ich eine um 30 Centimeter längere Latte, als das Loch breit ist, über das Baumloch legen und den Wurzelhals entsprechend hoch darüber halten, bis die Wurzeln in der Erde nach allen Seiten gleichmässig vertheilt und gehörig mit der vorbereiteten Erde vollgefuttert sind. Die Bäumchen lasse ich stets auf die Südost-Seite des Pfahles pflanzen, damit der Baum gegen die Nordwestwinde durch den Pfahl geschützt ist. Wenn die Pflanzerde sehr trocken ist, oder die Pflanzung im Früh- jahr ausgeführt wird, lasse ich nun jeden Baum, ehe die Erde vollends auf die Wurzeln aufgeworfen ist, mit wenigstens einer Kanne Wasser einschlämmen, damit sich die Erde recht gut an die Wurzeln anlegt. Die Bäume müssen auf beiden Seiten der Strasse je 40 Centimeter inner- halb der Kante gepflanzt werden. Zum Schluss ist die Erde zu einem 20 Oentimeter erhöhten Beetchen in der Form des Baumloches aufzudämmen, damit hinreichend Boden für das Setzen und die spätere Bildung des Wasserkranzes vorhanden ist. Alsdann lasse ich die Bäumchen ner lose mit einem kleinen gedrehten Strohseile an den Pfahl dieht unter der Krone anhängen. Erst wenn sich der Boden genügend gesetzt hat, zeitigstens nach 14 Tagen, lasse ich die Bäume mit zwei Strohseilen, in welchen eine kräftige Weiden- ruthe eingeflochten ist, fester anbinden. Im Herbst lasse ich zu beiden Seiten des Beetchens Rinnen zur Abführung des Wassers von der Chaussee bis durch die Chausseekante fertigen, damit im Winter kein Wasser am Baume stehen bleibt und die Wurzeln nicht durch den Frost Schaden leiden. Jahres - Bericht © © (or) d. Die beste Methode des Anbindens. Das vorgeschriebene Strohseil verhindert das Einschneiden der Ruthe in den Baum, während die Weidenruthe die genügende Steifigkeit giebt dafür, dass der Baum sich auch nicht am Pfahle reiben kann. Zu dem Zweck muss durch ein viermaliges Drehen des Seiles mit der Ruthe zwischen Baum und Pfahl ein etwa 8 Centimeter langer Steg oder Arm gebildet werden und dann erst wird das Seil um den Pfahl geschlungen. Das schwache Ende der Weidenruthe muss noch 15 Centimeter länger als das Strohseil sein und mit dieser Ruthe werden die Enden des Strohseiles alsdann umwunden und dann die Ruthe unter das Seil unter- geschoben. Derartige Bänder sind sehr dauerhaft, halten den Baum von dem so häufigen Bereiben am Pfahle ab und der lange Steg gestattet ein genügendes Sichsetzen des Baumes mit der lockeren Erde. 8. Pflege der Bäume nach dem Pflanzen. a, Im herbst. Damit die Bäumchen einigermassen gegen Diebstahl gesichert sind, lasse ich je zwei Ringe von bunter Oelfarbe dieht unter der Krone und am mittleren Stamme anbringen. Darnach lasse ich die Bäumchen, um sie vor Hasenfrass zu schützen, mit einer Mischung am ganzen Stämmchen anstreichen, welche zu gleichen Theilen gefertigt ist aus gelöschtem Kalk, fettem Thon, frischem Kuh- mist und Menschenkoth. Diese Stoffe werden mit Mistjauche soweit ver- rührt, dass eine diekflüssige, dunkelgrüne oder bräunliche Masse entsteht, welche mit Maurerpinseln an langen Stäben recht fett an die Stämmchen bis in die Krone aufgetragen werden muss. Nach dem festeren Anbinden und dem vollkommenen Sitzen der Bäumehen lasse ich dieselben ausserdem noch mit Pappel-Aesten, Ruthen oder Dornen bis in die Kronen umbinden. In der Nähe von Städten sind diese Ruthen oder Dornen am zweckmässissten mit geglühtem Draht zu befestigen. | Dieser Schutz der jungen Stämmchen ist unbedingt nöthig gegen alle zufälligen und böswilligen Beschädigungen, verursacht zwar einige Kosten, aber sichert den Baum doch wenigstens so lange, bis er im Stamme stark genug ist. Wenn der Baum keinen Pfahl mehr braucht, ist das Umbinden auch nicht mehr nöthig. b. Im Brühjahr. Sofort nach Eintritt wärmerer Witterung im März und April wird um jeden frisch gepflanzten Baum eine nach der Strasse hin um 2 Meter geöffnete halbkreisförmige Schüssel von Erde gebildet, damit das Regen- wasser darin aufgefangen wird. Sollte indess bald im Frühjahre lang anhaltende Trockenheit eintreten, so müssen die neugepflanzten Bäumehen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 337 einmal stark angegossen werden und empfiehlt es sich zu dem Zweck, die Erde um das Stämmchen etwas aufzudämmen, damit die Feuchtigkeit besser an die Wurzeln treten kann. 9. Pflege der älteren Bäume. Diese sogenannten Baum- oder Wasserkränze lasse ich bei allen unter 8 Jahre alten Bäumen im Herbst wieder umgraben und aufdämmen, so dass das Wasser im Winter seitwärts in Rinnen abfliessen kann. Aber auch an allen älteren Bäumen habe ich sofort nach Ueber- nahme einer Chaussee die Wasserkränze anfertigen und die Erde inner- halb derselben alljährlich im Frühjahr und Herbst aufgraben lassen. Den auf den Chausseen abfallenden kurzen Dünger lasse ich in die Baumkränze vertheilen, um den Baumwurzeln dadurch mehr Nahrung zuzuführen. So lange der Baum noch einen Pfahl braucht, also bis etwa zum 8. Jahre, lasse ich die Baumkränze in jedem Herbst ganz umgraben, später lasse ich den Baumkranz im Herbste stehen und nur in der Mitte so durchstechen, dass das Regenwasser durch eine kleine Rinne ab- fliessen kann. Die sämmtlichen Obstbäume, welche nicht mehr mit Dornen umbunden sind, lasse ich mit der oben beschriebenen Lehm-, Kalk- und Düngermischung immer 2 Jahre hintereinander anstreichen und pausire damit im 3. Jahre. Bei alljährlichem Anstrich wird die Rinde zu weich und verliert den schützenden harten Schorf. Der Anstrich muss aber stets bis in die Krone hinein erfolgen und wird durch denselben alles Ungeziefer, Raupeneier und Käferlarven ge- tödtet, das Moos und die Flechten fallen ganz allein ab und wenn der Regen den Anstrich nach und nach abwäscht, so kommt dieser Dünger auch noch den Wurzeln zu Gute und zerstört am Fusse der Bäume die Inseetenlarven oder Puppen. Ferner heilten sehr viele Schäden im Stamme durch den Anstrich vollkommen aus. Das kostspielige Abkratzen der Baumstämme und Aeste wird durch diesen Anstrich auch ganz erspart und eine Verwunduns der Stämme und Aeste vermieden. 10. Das Beschneiden. a. Allgemeine Gesichtspunkte. Selbst wenn der Obstbaum mit noch so viel Sorgfalt gepflanzt ist, so ist ein gedeihliches Fortwachsen und Früchtetragen nur dann möglich, wenn derselbe innerhalb der ersten 4—5 Jahre zweckentsprechend ver- schnitten wird. b. Zeit desselben. Den Baumschnitt lasse ich bei älteren Bäumen bei mildem Winter schon im Januar beginnen, bei neugepflanzten und unter 2 Jahre alten 1883. 22 338 Jahres-Bericht Bäumen dagegen wegen der nachtheiligen Einwirkung des Frostes auf die schwachen Zweige erst im März ausführen. c. Zweekmässigste Form der Krone. Für Landstrassen habe ich es am zweckmässigsten gefunden, die Kronen sämmtlicher Bäume möglichst gleichmässig zu ziehen, und zwar habe ich die Keleh- oder Kesselform als die geeignetste erprobt und durchzuführen gesucht, weil die Kronen grösser werden, mehr Obst pro- dueiren, das Obst besser reif wird und von den Pächtern bequemer ab- geerntet werden kann. d. Zweck des Besehneidens. Da indess auch der Verkehr auf der Chaussee nicht beengt werden darf, noch die angrenzenden Grundstücke in schädlicher Weise beschattet werden sollen, so müssen die Aeste möglichst in die Höhe gezogen und schon in den ersten 4—5 Jahren so stark zurückgeschnitten werden, dass der Stamm und die Aeste baldmöglichst genügende Stärke erreichen und die Aeste sich beim vollen Tragen nicht herabsenken, | Auf die richtige Bildung einer gleichmässig gebauten vollen Krone muss daher grosse Sorgfalt verwendet werden. e. Auf welehe Weise erzielt man die Kelehform? Ehe ich einen Gärtner mit dem Ausschneiden der Bäume betraute, habe ich ihm durch Zeichnung und an verschiedenen Bäumen die Form der zu bildenden Krone genau erläutert und den Schnitt mit ihm an mehreren Bäumen wiederholt praktisch durchgeführt. Den ersten Schnitt bei neugepflanzten Bäumen im Frühjahr liess ich stets sehr kurz ausführen, um sogenannte Doppelkronen zu vermeiden und den Baum zu zwingen, dass er bei einer Stammhöhe von 6'/, bis 7 Fuss oder 2,10 bis 2,20 Meter die Krone möglichst an einem Punkte um den Stamm herum ansetzte und seine Aeste nach Aussen werfen musste. Durch diesen kurzen Schnitt suchte ich ferner zu vermeiden, dass die untersten Aeste zu schwach bleiben und dass etwa 1 Fuss höher sich an jedem Zweige eine neue Krone bildete. In dem zweiten Jahre war es schon möglich, aus dem reichlich ge- triebenen Holze die nöthigen Haupt- oder Leitzweige, welche später zu Aesten heranwachsen sollten, auszusuchen, In der Regel liess ich drei bis höchstens sechs Leitzweige gehen, je nach ihrer gleichmässigen Stellung, doch so, dass die nach der Fahr- bahn zu gerichteten Aeste möglichst entfernt wurden. Diese Leitzweige sollen die festen Rippen der Baumkrone bilden, missen in möglichst gleicher Entfernung von einander um den Stamm der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 gewählt werden, und sind nun beim Schnitt mehr zu begünstigen und stets etwas länger zu lassen, als die Nebenzweige, welche später, wenn die Krone fertig ist, nur zum Früchtetragen bestimmt sind, oder bei dem höheren Wuchse der Leitzweige ganz wegzuschneiden sind. Durch die von mir entworfenen, Seite 340 und 341 abgedruckten Zeichnungen habe ich meine Idee über die schon in 4 Jahren im Kelchschnitt normalmässig auszubildende Krone wiederzugeben versucht. Die Zweige am neu- sepflanzten Baume liess ich schon im ersten Jahre meistens auf 3 bis 4 Augen zurückschneiden, doch so, dass das letzte oberste Auge nach Aussen zugewendet stand. Im 2. bis 5. Jahre liess ich bei Aepfel- und Birnbäumen die ausgewählten Leitzweige auf 6 bis 7 Augen zurück- schneiden, während die Seitenästehen meistens bis zur Hälfte, und wo sie nach Innen zu wuchsen oder sich mit anderen zu reiben drohten, ganz weggeschnitten wurden. Bei Kirschen und Pflaumen, welche viel rascher wachsen, lasse ich die zu Hauptästen bestimmten Zweige nur die ersten drei Jahre lang etwas zurückschneiden, während die Seitenzweige eben so kurz ge- schnitten wurden, wie bei den Aepfeln und Birnen. Alle nach der Strasse zu auswachsenden oder zu tief herunter- hängenden Seitentriebe lasse ich lieber ganz glatt wegschneiden, weil die Früchte meistens abgerissen oder mit den Aestehen abgebrochen werden und dadurch Differenzen wegen des Abreissens der Früchte zwischen den Obstpächtern und den Reisenden entstehen. Ehe der Gärtner schneidet, muss er sorgfältig prüfen, welche Zweige sich am besten für das Leitholz eignen, und wird dazu stets ein ge- sunder, kräftiger Zweig ausgesucht und genau geprüft, nach welcher Richtung das oberste Auge stehen zu lassen ist, um darnach die Leit- zweige wie die Neben- oder Fruchtzweige in eine Lücke der Krone zu führen. Bei jedem Schnitt soll der Gärtner deshalb überlegen, in welcher Richtung die Augen im nächsten Jahre austreiben müssen. Durch den Schnitt muss auch das schiefe Wachsthum einer Baum- krone derartig ausgeglichen werden, dass man nach der kahlen Seite der Krone hin mehr Holz stehen lässt. So lange die Bäume noch stark zurückgeschnitten werden müssen, können und sollen sie auch keine Früchte tragen, sondern sind die Blüthen spätestens beim Fruchtansatze zu entfernen. Nach Ausbildung einer regelmässigen, vollen Krone ist der reguläre vorbeschriebene Schnitt einzustellen und sind nur einzelne zu eng ge- wachsene, sich reibende, unfruchtbare, abgestorbene oder zu tief herab- hängende Seitenzweige alljährlich zu entfernen. Hauptbedingung zur Erzielung von viel und gutgereiftem Obste ist es, dass die Krone im Innern stets frei und luftig sei. Das Ausschneiden der älteren Bäume 29* —_ rZ [3) u ee ® 5 un o u rS S ler) 340 ererET Tu er BE UE re I AUAS) u ag Im Herbst gepflanzt. Im Frühjahr beschnitten. Im 2. Jahre mit voller Im Frühjahr beschnitten. Die richtige Kronenhöhe von 2,10 bis 2,20 Meter } Krone. ] U Es werden 4 bis 6 Leittriebe ausgewählt un länger geschnitten. wird durch den ersten Schnitt hergestellt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. S4l N £ Het i y h H N # R | N 2 N u [\ Lin $. A N % | N | N a Kr Y “ % 2 ” £ a £;: h U 08 | EP „= 1 X: 2 a ar) Un R. eg Has: (/ } - D N 4 Sr wm ab m einn er ASS Im 3. Jahre mit voller Krone im Herbst. Im Frühjahr beschnitten. Die dunklen Zweige sind die hintenstehenden Leittriebe. Wegen besserer Veranschaulichung ist ein kräftiges Wachsthum angenommen und sind die Zweige kräftig gezeichnet. In der angedeuteten Weise werden die Kronen bei Aepfel- und Birnbäumen noch 2 Jahre länger so gezogen. Bei Kirschen und Pilaumen sind die Kronen mit 4 Jahren 'meistens voll- ständig fertiggesteilt. 342 Jahres-Bericht kann schon im Spätherbst und Winter, der ganz vertrockneten Aeste sogar schon im Spätsommer, wo die Bäume noch Laub tragen, geschehen, weil dann die dürren Aeste besser zu erkennen sind. Jeder Ast muss aber glatt am Stamme weggeschnitten werden, da- mit keine Stumpfe stehen bleiben und die Wunden besser verheilen können. Um das Bluten der Wunden zu verhindern und das Vernarben zu begünstigen, muss jeder Sägeschnitt an der Rinde mit einem scharfen Baummesser glatt geschnitten werden. Auch habe ich grössere Wunden mit Steinkohlentheer bestreichen lassen. Es ist auch ein Zusatz von Lehm oder Torfasche zu dem Theer empfohlen, oder eine Mischung von 1 Theil Lehm, 1 Theil Kuhmist und /, Theil Asche. 11. Welche Obstsorten empfehlen sich für Chausseen. Der Obstbau an Chausseen giebt neben dem das Herz erfreuenden Anblick der schönen Baumblüthe im gemässigten Klima bei sorgfältiger Pflanzung und Pflege der Bäume auch sehr lohnende Erträge. In rauheren Gegenden wird der Ertrag leichter durch Frühjahrsfröste ge- schmälert, welche die Blüthen zerstören. Es ist daher für rauhe Gegenden von der grössten Wichtigkeit, diejenigen Obstsorten kennen zu lernen, welche den Schädigungen der Frühjahrs- und Herbstfröste widerstehen. Bei Auswahl der Baumsorten für Bepflanzung der Chausseen ist auf folgende Eigenschaften der Bäume und Früchte Rücksicht zu nehmen: a. Die Bäume sollen rasch starke Stämme bekommen, um den Baum- pfahl möglichst bald zu entbehren und den Stürmen besseren Widerstand zu leisten, auch müssen sie für rauhere, dem Frost stärker ausgesetzte Lagen passen; b. die Sorten sollen spät blühen, um möglichst sichere Erträge zu geben; . die Früchte sollen wegen der Winde am Baume festhängen; . die Früchte sollen kein lockendes Ansehen haben; . die Sorten sollen für alle Bodenarten passen; . ein reichliches Tafel- und Wirthschaftsobst abgeben und . in der Reifezeit gut aufeinander folgen. Q no no Nach Auswahl aus Lehrbüchern, Zeitschriften und nach gütiger Be- richtigung durch den Herrn Sectionsgärtner Jettinger und andere er- fahrene Pomologen sind für Strassenbepflanzung in Schlesien folgende Obstsorten als diejenigen zn empfehlen, welche die vorstehenden Eigen- schaften am Besten erfüllen. Dem hochgeehrten Vorstande unseres Vereins würde ich sehr dank- bar dafür sein, wenn er durch Veröffentlichung oder direete Zuschriften an Baumschnlen-Besitzer, oder durch Aussetzung von Prämien darauf hinwirken wollte, dass Edelreiser aus der Seetion von den allein ge- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 545 eigneten nachfolgenden Obstsorten an die Herren Baumschulenbesitzer unentgeltlich abgegeben und sie zur hauptsächlichsten Vermehrung dieser Sorten veranlasst werden möchten. L. Aepfel. 1. Bohnapfel, grosser; 15. Pärmäne, Winter-Gold-; 2. Boikenapfel; 16. Pepping, Parkers; 3. Champagner- Reinette; 17. Rambour, Lütticher; 4. Cousinot, purpurrother; 18, Reinette, Baumanns; 5. Edelapfel, gelber; 19: z Carmeliter-; 6. Eiserapfel, rother; 20. = Carpentin-; 7. Echter Winterstreifling; 2Y. - Crede’s Quitten- ; 8. Fürstenapfel, grüner; 22. = soldgelbe Sommer-; 9. Jungfernapfel, rother; 23. - sraue französische; 10. Kurzstiel, königlicher; 24. - grosse Kasseler; 11. Langstiel, kleiner(Blauschwanz); 25. - Harberts; 12. Luikenapfel; 26. - Landsberger; 13. Luxemburger Reinette; 27. Taffetapfel, weisser (Winter- 14. Matapfel, brauner; Wachsapfel). II. Birnen. 1. Apothekenbirne, Nikitaer; 12. Katzenkopf, kleiner deutscher; 2. Baronsbirne; 13. Kampervenus; 3. Bergamotte, rothe; 14. Kuhfuss; 4. Betzelsbirne; 15. Liebesbirne, rothpunktirte; 5. Bose’s Flaschenbirne; 16. Prinzessin Marianne; 6. Butterbirne, Coloma’s Herbst-;, 17. Queenbirne; % - Liegel’s Winter-, 18. Rettigbirne, Leipziger; 8. Dechantsbirne, rothe; 19. Salzburger Birne; 9. Gute graue; 20. Sommerdorn, punktirter; 10. Hoyerswerder, grüne; 21. Volkmarserbirne. 11. Katzenkopf, grosser; IH. Kirschen. a. Süsskirschen. 1. Brautkirsche; 9. Hedelfinger Riesenkirsche; 2. Coburger Mai-Herzkirsche; 10. Grosse schwarze Knorpel- 3. Werder’sche frühe Herzkirsche; kirsche; 4. Knisht’s frühe Herzkirsche; 11. Grosse Germersdorfer; 5. Büttner’s schwarze Herzkirsche; 12. Schneider’s späte Knorpel- 6. Fromm’s Herzkirsche; kirsche; 7. Krüger’s schwarze Herzkirsche; 13. Schwarze spanische Knorpel- 8. Ochsenherzkirsche; kirsche; 344 Jahres - Bericht 14. Früheste bunte Herzkirsche; 19. Büttner’s späte rothe Knorpel- 15. Eltonkirsche; kirsche; 16. Englische weisse Frühkirsche; 20. Donissen’s gelbe Knorpel- 17. Schöne von Rocmont; kirsche. 18. Grosse Prinzessinkirsche; b. Weichsel- und Sauerkirschen. 21. Rothe Maikirsche; 30. Spanische Frühweichsel; 22. Folgerkirsche; 31. Süsse Frühweichsel; 23. Rothe Muskateller; 32. Kirsche von der Natte; 24. Prager Muskateller; 33. Ostheimer Weichsel; 25. Spanische Glaskirsche; 34. Grosse lange Lothkirsche; 26. Doppelte Glaskirsche; 385. Königliche Amarelle; 27. Grosser Gobet; 36. Späte Amarelle; 28. Grosse Glaskirsche von Mont- 37. Schöne von Chatenay; morency; 388. Schöne von Choissy. 29. Kaiserin Eugenie; IV. Pflaumen. Bisher habe ich nur die gewöhnliche blaue Hauspflaume an Chausseen gepflanzt, weil die Früchte fast gleichzeitig reifen und den Transport gut vertragen, doch empfiehlt Herr Jettinger noch folgende veredelte Sorten: 1. Dollaner Zweischke; 6. Lukas’ Frühzwetschke; 2. Englische Zwetschke; 7. Merold’s Reine Claude; 3. Grosse Zuckerzwetschke; 8. Nienburger Eier - Pflaume; 4. Hartwiss’ gelbe Zwetschke; 9. Violette Jerusalems-Pflaume; 5. Kirke’s Pflaume; 10. Violette Diapree, 12. Ueber Obsterträge an Chausseen. Wenn die Pflanzung der Obstbäume an Chausseen und Wegen nach vorstehend beschriebenen Grundsätzen ausgeführt wird und eine Er- neuerung alter Obstbaum-Anlagen rechtzeitig und sorgfältig geschieht, so werden die Erträge die aufgewendete Mühe in den meisten Fällen so reichlich verzinsen, wie selten eine Anlage, und es werden die Kosten der Wege-Instandhaltung davon zum Theil mit bestritten werden können. Um einen Beweis von der Richtigkeit meiner Schlussbehauptung zu liefern, habe ich die Obsterträge der von mir gepflanzten und gepflegten Bäume in den zwei Kreisen Münsterberg und Grottkau in den Jahren 1878—1882 zusammengestellt und lege dieselben (S. 346 u. 347) vor. Die Obsterträge an den Provinzial-Chausseen meines Bezirks sind allerdings noch bei Weitem geringer, weil hier einmal die Bäume sehr weitläufig stehen und ich fast die Hälfte der Bäume erst nachpflanzen musste. Der Obstertrag auf den Provinzial-Chausseen in den von mir ver- walteten Kreisen geht aus anliegendem Nachweise (8. 348 u. 349) hervor. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 345 Nachweisung der an den Münsterberger und Grottkauer Kreis- Chausseen sepflanzten Obstbäume und deren Erträge. 346 Jahres-Bericht a. Münsterbent jül — — - | N =1 Obstart und Zahl \ a ee hin! =) S der vorhandenen Bäume ; ©) & A N = Chaussee 2 = = S pro 1878 pro 181 ® SS a {eb} = | S E 2 lee | E im S Ö 5) Bao ae | = a „|I=2ı: 2/8825 & | Kreise Münsterberg © ie = = Sl ee ce = a 8 2 | = 5 5 Ze ln © 2 @ = © S 5 ee = =) e=| B |: E el = ı8S A|I< Aazıs 2 n a IM: ®S Bas} a =) mi Ei = | 5 = SS ® Se) 8“ E Se) | us = ms N N Stuck NM Kimi 1% Al, m. 06.00 22 an] 1. |Münsterberg-Frankenstein| 8,156) 1854 | 1702)—[1059| 643] — | — | — | 1702[1297| —| 131,— 11178, —| & A) 2 |Strehlen-Frankenstein ...|13,443[1855/56] 2705|—11591! 172| 848] 92) — | 270311867|—| 247|—12695\-— | hi 5. [Münsterberg-Grottkau ...|11,210]1857/58| 2624/40[2005| 131) 566214 — | 2916| 513]—| 507)—| 426 WW 4. |Münsterberg-Nimptsch. ..| 9,497|1860/61; 1339/80; 213) 94, 586] 59/266, 1218| 401—i 48 86 — | 5. |Neuhaus-Camenz........ 5,874] 1862 | 1559)—| 420) 469| 1951275) — | 1359] 127/—| 108) —| 176 6. [Münsterberg-Neisse ..... 9,397] 1866 1 1764|401 946| 248| 185| 711 24] 14741 182—] 483I—1 250) i » Se 53, By 11492 6016234 175712380|711|290111372 10261524 — 4811 ur | m men ee a1 5550 M. 5197" Die 11372 Obstbäume an den 6 Kreis-Chausseen des Kreises Münsterberg brachten in einem DI hillr 5 Jahren durchschnittlich jähle " b. Grottka ir a an = -Obstart und Zahl | a S der vorhandenen Bäume l [eb) = & I. as E 2) = A al) 2 Chaussee E = 8 : 5 e pro 18'8 " B im el eo | 2 222012 j a Kreise Grottkau 5 = S | 8 7 | 2 a EB: E£ 5 e © (aus [er =) \ „ E ae 5 aaa E il = = = © Baia alas 2 E E =, E = Se = ie Kim Me Bulk KM | Mi = nl Mas ei ie ae | S Grottkau-Münsterberg ... |12,055| 1865 | 3584901320] 3861075) 312) 76| 3169| 623] —| rd Neisse-Münsterberg ..... 18,111| 1866 | 5817| 803082) 4541105) 99] — | 4740| 2215| —| 344E ı Grottkau-Falkenberg .... | 9,576] 1867/68| 2273| 93 |1335) — | 78| 336| — | 1749) 187) —| 2dE 4. | Strehlen-Neisse ......... 5,969| 1868/69] 2013! 61 s 586| 168| 204 — | 1470| 10) —| Fa; 5. | Münsterberg-Ottmachau.. | 4,705 1870 | 1580,60] 663| 251] 90) 134| 110] 1158 — Bi- Summa.. |[50,.16| — | 15270! 84 |ssı2]1677J2426 1085| ı86| 12286] 3005! —| 7002»; EN 3711 M | je‘ Die 12 286 Bielbanrie an den Kreis-Chausseen des Kreises GrOMEaN brachten in einem D| 5 Jahren durchschnittlich jan I tert I der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. "is -Chausseen. 347 ü Einnahmen Es betrugen die Einnahmen = & w- von 1878—1882 52 | 0 1880 | pro 1881 pro 1882 : Ss 2 EM . 4 % 2 E- : | = 3 < 5 < Kochen ae 3 5 2 E | 3 3 2 E E obst Summa ® E ı Bee a Wal u al Alk Al hal a Al a aM Al“ | 28l5o| 8771 —| 220/—| 575 — 191|—| 4001 Ir 602 150] 4603 | 26 1 145. —12552)—| 666|—1351)—-| 4881| 11375 |— | 1638 |—| 13013 |—| 25/24 el 39 | 2831| 2661| 122] | 150|/—| 1452 || 1002 || 2454 |—| 23/22 we 550 51218) 8-1 101 195 |—-| 303 1501 498 |50| 20/19 u 3-| & : Aa | 15 1263 |. 382 || :084 - 1366| | 18 1a 32211 27111 32111 319 —1 1353 |— I 1258 1 3611 |—| 14 BE] 64! Ik147| - [2093| 2352| |1421' | 18758 " 5788 - 24546 0a Tau | @0Mm | 3813 M Durchsehnittlicher Ertrag der Obst- bäume in d. Jahren 1878 — 1882 Durchschnitt- & = lich jährlich | &’* ee enie! ap SIORS Ssle2ıceze Sei: > B Yo ws or: oo ar = - ° A» Aa os 2 ; A lie 75,31! 18,74| 54,09 142.99) 29,46) 96,22 14,48| 22,00] 18,70 18,311 6,04| 7,15 18,20| 20,96] 20,10 28.60] 47,64| 29,09 60,181 22,53| 42,12 ‚itsalter von 20 Jahren auf einer Chausseelänge von 53,577 Kilometer in einem Zeitraume von ‘ Öbstertrag von 4909,20 Mark. = "tugen die Einnahmen „iais-Chausseen. Es betrugen die Einnahmen von 1878— 1882 «Bo 1879 pro 1880 pro 1881 pro 1882 | = 7 % 2 jr e > ee ee | ® = © a © = D = Ö = u} = > = = = n E = = S BA HA MAMA MAL HM A HM A MA MA MA MA “Bl 3751 —1 588 | 10-1 4511| 8341| 412) —| 162)—| 2386|] 1157)—| 3543| — 1 30129711] 11)--13241\—| 130) —128941—| 248|—115580|—| 768|—|16348|— Me 5 140 1-1 124-1 90—| 1471 1 391-1 8211—} 210)—| 1031)— 1750| 87 | 31] 152]—] 82!-| 1121] 911—| 482]—| 244/50] 726,50 n I 21-1 241-1 — |—1 2522—1 2501 341-1 13-1 1120—1 1850| 1135[50 "| 475|50 We 35|_42201 | 638!50[3906|—| 55311203891] 2398| [22787 — 216,5 ML. 1052 M. | 2585 Mm | 49m n - | von 4557,40 Mark. Mn Durehsehnittl. Ö Ertrag d. Obst- == bäume i. d.J. X 1878— 1882 rg —i ap ® a Io = esda|sz 85 Sa ı Sol Se ss |28 58 asläg |" Bee = R=0.-) a2 sales 2a Ele (eb) 1 &) Fe N z = Ole) =) & 15 21,74 | 19,77 14 68,95 | 56,20 13412, 1,022 090%4 1211| 9,74. 721 10 18,11 | 14,40 36,63 | 29,84 i tsalter von 12 Jahren bei einer Chausseelänge \ von 50,416 Kilometer in einem Zeitraume von 348 Jahres-Bericht Nachweisung der auf den Provinzial-Chausseen im Kreise Breslau, Ohlau, Jahren 1878 bis 1882 1881 360 | — 91 3 MS Pachtbeträge = {eb} ® ren) - E|®; z Kreis N ern im ng ' für das e = = = | Kirschen- E 2 s 3 Jahre nutzung Winterobst = = Sg =) - - 8 = MER Mi ER, Breslau. ae 106 6615 1878 3967 — 1299 — 1879 4066 — 4626 — 1880 4510 _ 3452 —_ 1881 2726 — 6357 — 1882 Slzfl — 9697 — 221. Ohlaumelo ser me 39 | 2950 1878 go 733 | — 1879 1903 = 1556 -— 1880 719 a 496 — 1881 1563 _— 636 —_ 1882 1944 — 720 En 321 Neumarkt aa 2.0 43 2422 1878 218 _ 32 | — 1879 279 —_ 796 = 1880 445 — 702 — 1881 230 u 551 _ 1882 251 — 1738 — 421. 0elsı.. a 36 879 1878 336 — 18 1879 242 — 82 — 1880 182 — — — 1881 98 50 68 — 1882 107 —_ 106 — 5satlrebnitz er. 2.0.02. 23 1865 1878 1805 — 1328 — 1879 1938 _ 1848 — 1880 2172 —_ 2895 — 1881 2759 an 1612 — 1882 2961 — 2671 — 6eleniilitsch. 22.2 0 26 1368 1878 1311 — 145 — 1879 1901 — 238 — 1880 216 — 32 — 1881 1853 —_ 23 -— 1882 660 == 10 — 7. | Polnisch-Wartenberg . 12 922 1878 609 | — 7 | — 1879 488 20 77. — 1880 354 — 50 — der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 349 Neumarkt, Oels, Trebnitz, Militsch und Polnisch- Wartenberg in den erzielten Obstpachterträge. sind eingekommen daher im fünfjährigen mithin ] f Durchschnitt Bemerkungen. zusammen in 5 Jahren D wa pro Jahr | pro Baum NR 4 ATI AM % S & min 43871 | — | 8774 | 20 7733 > 89) — a | 11261 | — | 2252 1201 — | 7 — @) ) Die Weigelia. Von Lehrer Hiller in Brieg, Als ich zur Zeit der Einführung der Weigelia die ersten Berichte über dieselbe las, erging es mir wie wahrscheinlich manchem anderen Pflanzenfreunde: ich schüttelte über die grossen Lobeserhebungen den Kopf und meinte, wenn nur die Hälfte davon zutreffend ist, so muss die _ Weigelia ein ganz prächtiger Strauch sein. Hat aber je eine Neu- einführung ihren vorausgehenden guten Ruf bewahrheitet und weit über- troffen, so ist sie es. Alles, was einen Strauch werthvoll macht, ver- einigt sich hier: eleganter Wuchs, schöne Blüthe, zierliches Blatt und Widerstandsfähigkeit gegen die Kälte. Nicht genug damit aber, sie hat sich sogar dem herrschenden Geschmack anbequemt und sich zu den buntblätterigen Pflanzen gesellt. Ein ausschliesslich aus Weigelien zu- sammengestelltes Bouquet vereinigt demnach alles das, was man nur von einem solchen beanspruchen kann. Wenn Blüthezeit und andere Gesichtspunkte nicht in Betracht kämen, so würde ich keinen Augenblick in Zweifel sein, alle anderen Ziersträucher zu entfernen und Weigelien an deren Stelle zu setzen. Wer nur über geringen Raum und nicht recht guten Boden und Lage zu verfügen hat, der wähle die Weigelia doch ja, denn sie ist ebenso schön als Einzel- wie als Gruppenpflanze. Schliesslich ist sie noch grün und frisch, ‚wenn alle anderen Sträucher bereits kahl stehen und erst harter Frost zwinst sie, ihren Blätterschmuck fallen zu lassen, Nun vermehrt sich die Weigelia durch Stecklinge so leicht, dass ich darüber wohl nichts zu sagen brauche; da die Aussaat aber eine Menge Varietäten giebt, so dürften meine Versuche, sie aus Samen zu erziehen, vielleicht nicht ohne alles Interesse sein. Alljährlich hatten meine Weigelien Massen von Samen gezeitigt, aber die Aussaat des- selben lieferte so gut wie gar keine Pflanzen, denn auf 1000 Korn Samen kam etwa ein Pflänzchen. Die Saat hatte ich, wie bei allen Gehölzsamen, in Rinnen gemacht und die Körner 1—5 cm tief verdeckt. Es ging aber weder die Herbst- noch die Frühjahrssaat, und eben so wenig die seicht- wie die tiefgelegten Samen auf. Wie der Zufall so oft zu Hilfe kommt, wenn ausgedehnte Versuche fehlschlagen, so auch hier. Die Selbstsaat zeigte mir, wie der Same behandelt sein will, wenn er reichlich und gut aufgehen soll. Nach so vielen missglückten Saatversuchen erntete ich keinen Samen mehr ein, sondern überliess ihn seinem Schicksal. Sollten die Sträucher durch die dürren Samenkapseln jedoch nicht ein hässliches der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 351 Aussehen bekommen, so mussten diese doch weggeschnitten werden. Weil nun bei dem Abschneiden durchaus nicht darauf geachtet wurde, den Samen zu bergen, so fiel er aus und ging an verschiedenen Stellen auf. Nun war er aber um die ganze Gruppe herum ausgefallen, und es ergab sich daher die natürliche Frage: Warum ging er an mancher Stelle in Menge und an anderer gar nicht auf? Eine etwas eingehende Betrachtung der Oertlichkeit liess die Ursache unschwer erkennen. Zu- nächst zeigte es sich, dass bei allen freistehenden Sträuchern sich kein Pflänzchen von Selbstsaat fand, ferner, dass bei jenen Gruppen, um welche locker gegraben war, das Gleiche stattfand, und dass endlich auch dort nichts aufging, wo Sonne und Licht freien Zutritt hatten, Das Resume ergab also folgende Bedingungen: ‚festgesetztes Erdreich, viel Feuchtigkeit und Schatten.“ Dementsprechend bereitete ich denn im Herbst 1881 ein Beet, stampfte den Boden fest, säete den Samen oben auf, streute nur wenige sandige Erde darüber und überdeckte das Ganze dann mit Reisig. Der Erfolg übertraf meine Erwartung, denn im ” Frühjahr bedeckte sich das Beet über und über dieht mit Pflanzen. Auf dem harten Erdreich konnten sie natürlich nur kümmerlich wachsen, so dass im vergangenen Herbst nur etwa ein Zehntheil verpflanzbar wurden. Den Rest habe ich leicht mit Laub bedeckt und das kommende Früh- jahr wird zeigen, was von dem Rest noch lebendig geblieben ist. Hätte mir ein kaltes Frühbeet und die erforderliche Zeit zu Gebote gestanden, so würde ich die Pflänzchen pikirt und dann jedenfalls schon im Herbst kräftige Stöckchen erhalten haben. Vielleicht versucht ein Gartenfreund, der über vorgedachte Dinge verfügt, diese wohl lohnende Manipulation. Unerwähnt kann ich nicht lassen, dass es mir scheinen will, als sei es nothwendig, recht verschiedene Sorten Weigelien zu- sammen zu pflanzen,: um reichlich Samen zu erzielen, denn obgleich bei den isolirt stehenden Sträuchern dieselben Verhältnisse obwalteten, so fand sich dort nur wenig und flacher Samen. Den reichlichsten Samen- ertrag gaben W. Verschaffeliüi und von Huttii, geringeren W. amabilis und den geringsten W. horiensifolia. Die buntblätterigen Arten brachten gar keinen Samen. Bei dem ausserordentlichen Wachsthum mancher Arten (einige er- reichten in meinem Garten eine Höhe von 3 m) ist es jedenfalls ein leichtes, die Weigelia auch baumartig zu ziehen, und dürften solche Bäumchen wohl keine geringe Zierde des Gartens sein. Ueber die Ver- edelung verschiedener Sorten aufeinander bin ich noch zu keinem halb- wegs sicheren Resultat gelangt; so viel scheint mir sicher, dass die Oculation bei der Weigelia erfolglos ist, wenigstens ist mir bisher kein Auge angewachsen. 392 Jahres - Bericht Compoststätte und Erdmagazin. Von Handelsgärtnereibesitzer R. Riedel in Löwenberg. Guter Vorrath ist kein Unrath. Dieses alte bewährte Sprichwort findet auch seine vollste Bedeutung in Bezug auf Compoststätte und Erd- magazine in den Gärtnereien und ist dies ein Thema, welches sonst wohl nicht öfter berührt wird. Nur wenige Gärtner und noch weniger Laien richten ihre Aufmerk- samkeit auch auf die Wichtigkeit der verschiedenen Erdarten, welche für das Gedeihen verschiedener Pflanzenarten von besonderer Wichtig- keit sind; auch viel zu wenig wird die grosse Bedeutung guter Boden- vorräthe erkannt und Arbeitskraft darauf verwendet, um gute, brauch- bare Erdarten zu erhalten. Wie viele kranke oder kümmerlich vege- tirende Pflanzen sind nicht selten in Gärtnereien zu finden und in den meisten solchen Fällen ist bald ersichtlich, dass nur schlechte, unge- lagerte, auch wohl überhaupt ungeeignete Erde, in welche dieselben ge- pflanzt sind, die Schuld hieran trägt. Fälschlicherweise werden leider meistens die Composthaufen unter srossen Bäumen, hinter hohen Gehölzen, stockigen Mauerwinkeln u. s. w. angelest, damit solche recht versteckt liegen; in den meisten Fällen wird auch nur dann, wenn der Abfälle zu viele geworden und kein Platz mehr da ist, zum Umsetzen der Haufen geschritten. Niemand in der sanzen Gärtnerei weiss auch zuletzt, wie alt der oder jener Haufen ist; ebenso grundfalsch ist es, wie es nur allzu häufig geschieht, wenn alle Abfälle über einen Haufen geworfen werden. In erster Reihe gehört zur Ansammlung von Abfällen und Ueber- resten in jeder geordneten Gärtnerei ein Platz, welcher frei und eben liegen muss, damit die atmosphärische Luft von allen Seiten ungehinderten Zutritt hat; die Abfälle u. s. w. müssen gesondert in Haufen ge- sammelt werden, also: Unkraut (Jäte), Topfpflanzen - Abfälle, alter Dünger, Holzschutt, Sägespähne, Rasen und alter Lehm, Waldstreu, Dammerde, Schlamm u. s. w., jedes allein für sich. Jeder Haufen er- hält sodann an einem Pfahle, welcher in denseiben zu schlagen ist, die betreffende Jahreszahl, in welchem der Haufen angesetzt wurde. Diese Haufen müssen alljährlich wenigstens dreimal umgestochen und am besten nicht allzu hoch wieder aufgesetzt werden. Bei dem Umarbeiten solcher Composthaufen kann denselben Dung beigegeben werden, z. B. Horn- spähne, Geflügeldünger, Knochenmehl, Guano, Kloakendünger. Auch empfiehlt es sich, bei dem Umsetzen dieser Haufen auf jede Schicht etwas ungelöschten Kalk zu geben, es wird dadurch der Verwesungs- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cuitur. 353 process erheblich gefördert, die Erde bedeutend verbessert und auch viele Eier und Larven schädlicher Insecten vernichtet. Wird auf solchen Compoststätten die nothwendige strengste Ordnung gehalten, so hat man auch nicht nöthig, dieselben an versteckten Stellen anzulegen, sie werden kein Auge beleidigen, und Jeder, der Interesse für Garten- und Feldbau hat, wird sicher nur Freude über solche Lager- plätze zeigen. So gepflegte, mit Dung durchsetzte Haufen geben dann die für die Gärtnerei benöthigten verschiedenen Erdarten, sie werden, wenn sie einige Jahre fortgesetzt genügend bearbeitet wurden, sodann durch einen Durchwurf geworfen, resp. grob gesiebt und nochmals in viereckige, flache Haufen gesetzt; soll die Erde sehr kräftig werden, so begiesse man die Haufen mit frischem Blut, Hornspähnewasser, Gülle, oder mische nochmals Hornspähne, Knochenmehl, Malzkeime u. dgl. darunter. Diese fertigen Erdarten bringt man dann nach Bedarf und Reihen- folge ihres Alters möglichst nahe der Umpflanzungsstätte resp. der Glas- häuser auf Lagerstätte, welche sehr vortheilhaft und dauerhaft in Art ‘der gemauerten Kästen mit Scheidewänden für jede Erdart einzurichten ist; auch kann man jede Rückmauer eines Gebäudes, Gewächshauses, Stalles und dergleichen dabei benutzen. Die nöthigen Abtheilungen (Gefache) einer solchen Stätte sind mit Etiquetten zu versehen, auf welchen die in denselben enthaltenen Erdarten angegeben sind, können zum Schutz gegen Frost und Nässe mit einer Laub- oder Bretterdecke versehen werden, so dass man auch während des Winters jederzeit jede Erdart bequem in benöthigte Verwendung nehmen kann. Werden die kleinen Kosten einer solchen Einrichtung nicht gescheut, so wird man dieselbe und die damit geschaffene Bequemlichkeit bald schätzen lernen, auch stets Lust haben, sein Erdmagazin in Ordnung und im Stande zu erhalten. Der Nutzen, richtig abgelagerte und gemischte Erdarten jeder Zeit verarbeiten zu können, wird bestimmt nicht ausbleiben. Einen Platz für jede Sache und jede Sache an ihren Platz! Eine neue Methode, Remontant-Rosen wurzelecht zu vermehren. Von Apotheker Mortimer Scholtz in Jutroschin. Es ist vielleicht nieht allgemein bekannt, dass jene Triebe, welche unter der als Wurzeldeckung benutzten Erde aus den Augen der Remontant-Rosen im Frühling entstanden sind, wenn sie eine gewisse 1883. 23 354 Jahres-Bericht Länge von mindestens 4—5 cm erreicht haben, sehr leicht geneigt sind, Wurzel zu schlagen, obgleich sie sehr zart und farblos erscheinen. Solch ein vom Aste abgelöster Trieb fault weniger leicht, als man bei seinem Mangel an Reife glauben sollte, und wurzelt, an der Basis vom Stamme abgelöst und vor der Sonne geschützt, in vielen Fällen leicht an. Als ich eine derartige Probe gemacht hatte, lag der Gedanke nahe, die Bewurzelung der Triebe direet im freien Lande vor sich gehen zu lassen, noch ehe dieselben abgelöst sind, auf welche Weise ein Ver- faulen ja ganz ausgeschlossen ist, Es wurden zu dem nun anzustellenden Versuche einige Rosen-Hochstämme herangezogen, wie sie mir gerade zur Hand waren, und zwar die Remontanten: Prince Camille de Rohan, La Reine, Mad. Wilfrid und Abel Carriere. Die Kronen derselben wurden im Spätherbst mit Hilfe zweier Stäbe flachgedrückt und diese an beiden Enden mit etwas Draht verbunden, um ein Auseinandergehen zu verhindern. Bindfaden ist seines leichten Verfaulens halber ausge- schlossen. Nun wurden die Rosenbäumchen derartig umgelegt, dass die flachgedrückten Kronen auf die Erde zu liegen kamen, 15—20 cm hoch guter Boden darüber gehäuft und eine ',, m hohe Decke von Nadelstreu gegeben, um die Winterkälte gehörig abzuhalten. Bald im März des nächsten Frühjahres wurde die Nadelstreu ent- fernt, jedoch die Erdbedeckung der Kronen belassen und nun die wärmere Zeit des Frühlings erwartet. Etwa gegen Ende April hob ich die Rosen empor und fand in der That den allergrössten Theil der ausgetriebenen Augen bewurzelt und zwar stets an der Basis. Die so erzeugten Wurzeln sind kräftig und steif und können nach Ablösung des Triebes sofort in Erde kommen, gleichviel, ob in ein warmes Local oder in einen kalten Kasten des freien Landes, wenn sie nur gegen Sonne und Nachtfröste geschützt sind; sie entfalten in den meisten Fällen bald die ersten Blätter. Zu hüten hat man sich bei dieser Manipulation vor der Einwirkung der Sonne und muss auch das Auspacken der Rosenkronen an einem trüben Tage vornehmen; denn die Spenderin alles Lichtes ist keine Freundin dieser jungen Wurzeln und ihrer Träger und tödtet beide leicht und sicher. Zu bestreiten möchte es wohl nicht sein, dass die hier vorgeführte Methode sich sehr wohl zur Massenproduction junger, wurzelechter Rosen eignen dürfte, und würden weitere Versuche und deren Veröftfent- lichung sicherlich für manchen Fachmann von Interesse sein. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 355 Einiges über die Pflege des Orangenbaumes im Kübel. Von Kunst- und Handelsgärtner J. Gürich in Steinau a. O, Wie selten noch trifft man heute in Luxusgärten Orangenbäume an, und noch seltener solche, welche ein gesundes Aussehen haben und ein wirklicher Schmuck für den Garten wie für das Gewächshaus sind. Der Grund hierfür mag wohl zum Theil darin liegen, dass nur noch wenigen Gärtnern während ihrer Ausbildung Gelegenheit geboten ist, mit der Behandlung des Orangenbaumes vertraut zu werden, obgleich es einem wirklich denkenden und praktisch gebildeten Gärtner wohl nicht schwer werden dürfte, einen gesunden Orangenbaum auch gesund und üppig zu erhalten, oder auch einen wurzelkranken, leidenden Baum zu gutem Wurzelvermögen und gesundem Aussehen zu verhelfen, selbst wenn er auch früher Orangenbäume nicht zu seinen Pflegebefohlenen zählen konnte. In verschiedenen Gärtnereien, denen ich seiner Zeit vorstand, lag mir die Pflege zum Theil bedeutender Orangerien ob und will ich ver- suchen, hier Einiges aus meinen gemachten Erfahrungen wiederzugeben. Das Verpflanzen und die Behandlung eines kranken OÖrangenbaumes. Die Erde für einen solchen wird zusammensetzt aus einem Dritt- theil gut abgelagerter Holzerde, einem Dritttheil Haideerde, einem Sechs- theil altem zersetztem Baulehm, oder in Ermangelung dessen fetter Rasen- erde, und einem Sechstheil Flusssand. Es ist zu empfehlen, dass die Mischung der Erde schon im Herbst geschieht, wenn dieselbe im Früh- jahr zum Verbrauch kommen soll, besser noch ein Jahr vorher. Bietet das Orangenhaus genügenden Raum zum Verpflanzen des Baumes, so ist die beste Zeit dafür in den Monaten Februar bis März, im anderen Falle gleich nach dem Ausräumen im Freien. Der Kübel für den zu verpflanzenden Baum darf durchaus nicht zu weit sein, zu hoch schadet nichts, weil man den übrigen unteren Raum des Kübels mit grobem Material zur Drainage ausfüllen kann, welche sogar unbedingt erforderlich ist, jedoch ist ein höherer Raum als 26 bis 32 cm nicht nöthig. In der Weite darf der Kübel nicht mehr als 5 bis 5%, em für die neu anzufüllende Erde haben. Hat der Baum über- haupt nicht mehr festen Ballen, so dass man die frische Erde durch die Wurzeln bringen kann, so dürfen diese bei dem Verpflanzen den Kübel- rand berühren, denn je enger der Kübel ist, desto eher wird der Baum die in den Kübel gegebene frische Erde durchwurzeln und wieder einen 23* 356 Jahres-Bericht festen Ballen erhalten, auch nicht so leicht vergossen werden können. Die Abschrägung am äusseren Rande des Kübelbodens darf nicht nach Innen, sondern muss nach Aussen gekehrt sein. Als Bodenträger haben Eisenschienen den Vorzug. Im Boden sind so viel als möglich nicht unter 4 em weite Abzuglöcher anzubringen und auszubrennen. Das Ausheben des kranken Baumes aus dem alten Kübel muss mit srosser Vorsicht geschehen, damit die noch vorhandenen gesunden Wur- zeln nicht abgerissen werden. Ich habe den Baum an die wohl in jeder Gärtnerei, wo eine grössere Anzahl Orangenbäume gehalten werden, vor- handene Verpflanzmaschine gebunden, den Baum auf der Erde stehen lassen und die Reifen des Kübels abgetrieben, um dessen Dauben ent- fernen zu können. Der Augenschein lehrt dann, ob der Ballen noch so fest ist, dass man den Baum anheben kann. Ist der Ballen lose, so ent- feınt man die alte Erde, welche bei kranken Bäumen oft klotzig und sauer ist, so viel, dass ein Abreissen der Wurzeln beim Anheben des Baumes nicht mehr vorkommen kann. Ist der Baum hochgehoben, so sind die Wurzeln besonders an dem unteren Theile des Baumes genau zu untersuchen, denn meist sind dieselben dort angefault, alle faulen Wurzeln sind dann bis auf das Gesunde zu entfernen und die gesunde Stelle so zu schneiden, dass die Schnittfläche nach unten steht (ich habe Bäume verpflanzt, wo ich das Stemmeisen zum Entfernen der kranken Wurzeln zu Hilfe nehmen musste), auch alle alte Erde, welche nicht von Saugwurzeln zusammengehalten wird, ist zu entfernen. Nach Be- arbeitung der Wurzeln ist diejenige der Krone vorzunehmen und habe ich mit gutem Erfolge kranke Bäume beim Verpflanzen total ins alte Holz zurückgeschnitten und zwar so, dass auch nicht ein Blatt blieb. An solchen Bäumen erhielt ich wiederholt binnen drei Jahren eine runde, diehte Blätterkrone. Die Schnittflächen an den Aesten werden mit Baumwachs bestrichen. Ein Abwaschen des Stammes und der Aeste ist sehr zu empfehlen. Hiernach ist der Baum so weit behandelt, dass er wieder in den Kübel gebracht werden kann und zu diesem Zwecke so hoch gehoben, dass für den auf Ziegeln wagerecht unter ihn zu stellenden Kübel Raum genug ist. Demnächst werden die Abzuglöcher des Kübels mit Scherben bedeckt und die Unterlage eingebracht; zu dieser verwendete ich Koaks, Holzkohle, auch gut ausgedorrte starke Stücke von Kiefernrinde; Koaks hat jedenfalls den Vorzug. Auf diese Unterlage brachte ich eine Decke von grobemAbfall der Haideerde und auf diese eine 5 cm hohe Schicht der oben beschriebenen Erde. Die Höhe dieser ganzen Unterbettung richtet sich nach der Höhe des Wurzelballens, und zwar derart, dass als Raum zum Begiessen nicht ein Theil des Kübelrandes frei bleibt, sondern ein Erdrand aufgesetzt werden muss. Wird der Baum jetzt in den Kübel gesenkt, so müssen die Wurzeln oder der noch vorhandene Ballen . der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 357 die untere Erdschieht berühren; der vorhandene leere Raum wird nun mit der bezeichneten Erdmischung in der Weise ausgefüllt, dass grosse wurzelfreie Stellen im Ballen, welche bei kranken Bäumen ja meist vor- kommen, nicht mit Erde allein, sondern mit Holzkohlenstücken und Erde gemischt ausgefüllt werden. Die Erde wird nur mässig angedrückt, nicht festgestampft. Man achte auch darauf, dass, nachdem der Baum fertig verpflanzt ist, die starken Wurzeln an der Basis des Stammes sichtbar sind; ein zu tiefes Einpflanzen des Baumes würde nur nach- theilig sein. Geschieht das Verpflanzen im Winter, so ist ein baldiges Angiessen nicht nöthig und kann erst dann, wenn die Erde trocken wird, mässig gegossen werden; dagegen mögen im Sommer nach dem Aus- räumen verpflanzte Bäume bald etwas Wasser erhalten. Ein so ver- pflanzter Baum ist in Drähte zu stellen, damit dessen Stamm, selbst bei stärkeren Winden, im Kübel seine perpenticuläre Stellung behalte, und wird hierbei der Art verfahren, dass um die stärkeren Aeste, da, wo die erforderlichen vier Drähte befestigt werden sollen, doppelt und mehr alte Tuchstreifen gewunden werden; dann ziehe man die Drähte straff nach dem äusseren Kübelrande und befestige sie dort wieder. Jetzt die weitere Behandlung des verpflanzten Baumes. Wenn die Bäume Mitte Mai ins Freie gebracht werden, so ist für dieselben ein warmes Lager von Pferdedünger zu bereiten; für dieses wird eine etwa 80 em tiefe, doppelt so breite und so lange Grube, wie man für die darauf zu stellenden Bäume Platz braucht, ausgeschachtet und dieselbe ganz in der Weise, wie man einen Treibkasten anlegt, mit Dünger, vielleicht bis 40 cm über die Erdoberfläche, gefüllt. Hat sich der Dünger erwärmt, so wird derselbe gleichmässig zusammengetreten, quer über die Grube Lagerhölzer und über dieselben 2 auch 3 Hölzer lang gelest. Die kranken Bäume werden nun so aufgestellt, dass die Kübel wage- recht stehen, damit das Wasser beim Giessen gleichmässig in den Ballen einziehen kann, und wird dann noch um die Kübel ein starker Umschlag von Pferdedünger gemacht. In diesen Umschlag stecke man dicht am Kübel Stäbe, um, sobald derselbe sich erwärmt, untersuchen zu können, ob es nicht etwa zu heiss im Beet wird, was man durch schnelles An- fühlen des Stabes bei dessen Herausziehen leicht gewahren wird. Hält man das Beet für zu warm, so ziehe man den Umschlag mittelst eines Pfahles, den man am Kübelrande eintreibt, etwas ab, lässt die Hitze im Dünger aber nach, so bringt man alsbald den Umschlag wieder dicht an den Kübel, und ist das Beet ganz erkaltet, so ist der Umschlag von frischem Dünger zu erneuern. Das Begiessen der Bäume muss hier mit grosser Vorsicht geschehen, die Erde darf nie zu nass gehalten werden, der Ballen darf auch nie vollständig austrocknen. Sollte anhaltendes Regenwetter eintreten, so streicht man den Erdrand, welcher beim Begiessen das Wasser hält, 358 Jahres - Bericht nach dem Stamme zu, damit das Regenwasser über den Kübelrand freien Abzug erhält. Bei heissem, trockenen Wetter ist ein häufiges Bespritzen der Bäume erforderlich. Sobald der Baum zu treiben anfängt und Laub entwickelt, verträgt er wieder mehr Wasser. — Man lasse solche neu versetzte kranke Bäume nicht bis Ende September, wie gesunde Bäume, im Freien stehen, sondern stelle dieselben bei Eintritt kühler Nächte wieder in das Gewächshaus. War der Kübel, in welchen der Baum gepflanzt wurde, ein neuer, so kann derselbe immerhin so lange darin stehen bleiben, bis man die gegebene Erde für zu ausgemagert hält und der Ballen wieder ein haltbarer geworden ist, vor 4—6 Jahren wird dies nicht der Fall sein. Wird aber ein alter Kübel für den Baum passend befunden oder passend gemacht, so wird sich das nächste Ver- pflanzen nach der Dauer des Kübels richten, doch muss ein solcher noch so standhaft sein, dass der Baum mindestens 4 Jahre darin stehen kann, weil bei einem früheren Zerfallen desselben und dadurch nöthig werdendem Verpflanzen des Baumes dieser wohl noch keinen festen Ballen halten würde und eine bedeutende Störung in seinem weiteren Gedeihen zur Folge hätte. Nun noch Einiges über die Behandlung gesunder Orangenbäume. Dieselben verlangen beim Verpflanzen eine kräftigere Erde als die für kranke Bäume angeführte Mischung, und zwar ein Dritttheil Holzerde, ein Dritttheil Composterde, ein Sechstheil Rasenerde, ein Sechstheil alten gelagerten Baulehm, oder in dessen Ermangelung Rasenerde, einen ent- sprechenden Theil Flusssand und etwas Hornspähne Die Erde wird mit Vortheil vor dem Winter, noch besser aber schon ein Jahr vor ihrem Gebrauch gemischt. Die Verpflanzzeit, auch gesunder Bäume, ist die schon vorher angegebene. | Der Orangenbaum kann, wenn der alte Kübel noch gut, was jedoch selten der Fall ist, mit dem Kübel in der Maschine gehoben werden. Soll der Kübel anderweite Verwendung finden, so wird dessen oberer Reifen etwas abgetrieben und der Kübel durch gleichmässig in der Runde seines Randes zu geschehendes Aufschlagen vom Ballen heruntergetrieben; immer ist es jedoch besser, sämmtliche Reifen zu lösen, weil durch das Abtreiben des ganzen Kübels selbst der festeste Ballen leicht Brüche erhalten kann. Ist der Kübel entfernt und der Ballen gesund und fest befunden worden, so wird er mit geeignetem Messer etwa 3 cm dick in der Runde beschnitten, sodann etwas Erde, vielleicht auch 3 em tief, mit einem Holz ausgeschabt und die etwa gequetschten Wurzeln mit scharfem Messer glatt abgeschnitten. Die neuen Kübel lässt man selten mehr als 7—8 cm lichter Weite wie die alten anfertigen; bei sehr starken Bäumen, welche vielleicht schon einen oberen Kübeldurchmesser von 1,25 m haben, ist es besser, den neuen Kübel nur 5—6 em weiter machen zu lassen und den Ballen etwas schärfer zu beschneiden, weil der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 359 ein Baum in einem allzugrossen Kübel gar zu schwer von einem Platze zum anderen zu transportiren ist. Die Höhe der neuen Kübel wird nur etwa 3 cm mehr als die des alten betragen dürfen. Die Neueinpflanzung des gesunden Baumes in den Kübel geschieht ganz so, wie schon vorher bei der Verpflanzung kranker Bäume an- gegeben wurde, auch behufs schnellen Wasserabzuges mit entsprechender Unterlage, jedoch ist ein Aufbringen von Haideerde-Abfall nicht nöthig, schadet aber auch nicht, dagegen wird das Aufbringen einer Schicht von höchstens 8 em der zuletzt angegebenen Erdmischung auf dieselbe er- fordert. Auch hier stellt man den Baum so in den Kübel, dass die Oberfläche des Ballens 3 em unter dem Kübelrande bleibt, und drückt in den zwischen Kübel und Ballen verbliebenen leeren Raum die be- schriebene Erdmischung mit einem Holz sanft hinunter. Da der Baum nach und nach im Kübel sich etwas setzt, so wird Platz genug für das Giesswasser bleiben. War, wenn der Baum im Hause verpflanzt wurde, sein Ballen ziemlich trocken, so kann bald etwas Wasser gegeben werden, geschah das Verpflanzen im Freien, dann immer. Ein gesunder Baum kann vor oder nach dem Verpflanzen geschnitten werden, da dem- selben ja nur die äusseren Spitzen zu nehmen sind, was am besten mit der Scheere geschieht, damit eine Erschütterung des frisch eingesetzten Ballens nicht stattfinden kann. Während des Sommers in der Zeit der Entwickelung des neuen Triebes verträgt der Orangenbaum viel Wasser; ein gesunder Baum von 90 cm bis 1,20 m Ballenbreite bedarf bei trockenem Wetter, wenn er einen sonnigen freien Standort hat, jeden Tag 5—10 Kannen Wasser, auch kann man gesunden, durchgewurzelten Bäumen in den Monaten Juni und Juli jede Woche ein- auch zweimal eine Kanne Dungwasser geben, welches auf folgende Weise zubereitet wird: in eine grosse Tonne, die etwa 50 Kannen aufnehmen kann, schüttet man 55 Liter grobe Hornspähne, eben so viel Kuhfladen, setzt dann einige Kannen Blut hinzu und füllt die Tonne mit Wasser. Das Ganze muss dann erst gegohren haben, bevor es gebraucht werden kann. Bei der Verwendung setzt man dem Dungwasser erst zwei Dritttheile reines Wasser zu. Das Dungwasser darf nie auf den trockenen Ballen gegossen, sondern es inüssen stets erst einige Kannen reines Wasser vorher gegeben werden und der Rest des Wassers, welches der Baum erhalten soll, nachdem das Dungwasser eingezogen ist. Bei dem Begiessen grosser Örangenbäume empfiehlt es sich, vorher so viele Kreidestriche an den Kübel zu machen, als der Baum Kannen mit Wasser erhalten soll, und nach jeder gegebenen Kanne Wasser wieder einen Strich wegzulöschen. Auch giesse man immer erst die folgende Kanne Wasser auf, wenn die vorher gegebene in den Ballen eingezogen ist. 360 Jahres - Bericht Im Winter, im Gewächshause, bedürfen die Bäume seltener Wasser, oft erst in 4—6 Wochen, jedoch müssen die Bäume alle Wochen min- destens einmal untersucht werden, um diejenigen herauszufinden, welche gegossen werden müssen. Man lasse die Ballen bis zu einem gewissen Grade trocken werden, giesse dann aber gehörig durch. Das sicherste Zeichen, ob der Baum Wasser braucht, ist, wenn man ein Blatt des- selben zusammenbiegt und es knickt nicht mehr; in diesem Falle ist der Ballen bestimmt trocken. Auch durch Klopfen an die Kübelwand lässt es sich meist erkennen, klingt es hohl, so braucht der Baum Wasser, bei dumpfem Klange nicht, doch ist dies nicht immer ein sicheres Zeichen. Im Sommer oder das Jahr vorher verpflanzte Bäume müssen im Gewächshause besonders vorsichtig gegossen werden. Auch hier sowie im Freien müssen die Kübel der Orangenbäume auf Ziegeln wagerecht aufgestellt werden, damit das Wasser nach allen Seiten hin gleichmässig in den Ballen einziehen kann. Nun noch etwas über den Ueberwinterungsraum für die Orangen- bäume. In Häusern mit senkrecht stehenden Fenstern überwintern sich dieselben wohl am besten. Eine Hauptsache ist recht reichliche Vor- richtung zum Luftwechsel und fleissiges Lüften, so oft es das Wetter gestattet. Eine Temperatur von 2—6 Grad R. genügt im Hause, höhere Temperatur, durch die Sonne erzeugt, ist den Orangenbäumen bei ge- höriger Lüftung nur von Vortheil. Die geeignete Zeit zum Beschneiden ist der Monat Februar; gesunde Bäume bedürfen wohl keines zu scharfen Schnittes, das Schneiden der Orangenbäume geschieht hier nur mehr zur Herstellung und Erhaltung einer hübschen Krone. Vom Zwergjasmin (Philadelphus coronarius nanus) als Brutstätte für Nachtigallen. Von Kunstgärtner W. Kühnau in Damsdorf. Wer einen Garten zu seinem Vergnügen besitzt, wird gewiss auch wünschen, eine oder mehrere Nachtigallen darin zu haben. Es wird sich derselbe auch bemühen, das zu thun, was zur Erfüllung seines Wunsches dienen kann; er wird aber auch selbst in Gegenden, wo sich sonst wohl Nachtigallen aufhalten, nur dann Erfolg haben, wenn er ihnen bieten kann und will, was sie brauchen, um sich wohl und sicher zu fühlen. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 361 Nach meiner Erfahrung ist für die Wahl des Sommer - Aufenthaltes von Nachtigallen das Vorhandensein passender Brutplätze für dieselben ein wichtiges Bedürfniss. In dem hiesigen Garten, wo seit vielen Jahren 3—4 Nachtigallenpärchen einkehren, suchen sie sich für die Anlage ihrer Nester ganz niedrige, diekbuschige Sträucher aus, in denen sie 30 bis 90 em über der Erde dieselben so anlegen, dass sie ringsum dicht ver- steckt und von oben durch überhängende Zweige gegen Nässe geschützt sind. Nur wenige Straucharten entsprechen diesen Bedingungen. Der Zufall muss günstig sein, wenn die Aeste der Sträucher in der den Nachtigallen genehmen Weise in einander geschlungen sein sollen. Keine von unseren Straucharten genügt den erwähnten Anforderungen in ihrem Wuchse mehr, als der bekannte Zwerg-Jasmin, Philadelphus coronarius nanus, besonders wenn er frei auf dem Rasen steht, und in der That ziehen nun nach meinen Wahrnehmungen die Nachtigallen diese freien Zwerg-Jasmin-Sträucher jedem anderen Strauche als Brutplätze vor. Ein solcher Strauch stellt ein von der Erde an dicht nach allen Seiten geschlossenes Blätterdach dar, so fest gefügt, dass das brütende Weibchen sich. einen förmlichen gewölbten Gang durch das Laub bis zum Neste machen muss, welchen es noch äusserst geschickt zu ver- stecken weiss. Die Bruten in diesen Nestern sind hier in Damsdorf in der Regel glücklich zu Ende gegangen, Die Feinde der Vögel, unter denen vor Allen die Katzen zu nennen sind, gehen mehr den geschlossenen Gehölzbeständen nach und achten weniger auf die einzeln stehenden Büsche, auch müssen sie, um dieselben zu erreichen, die deckende Strauchpflanzung verlassen und heraustreten auf die freie Wiese, was sie nieht gern thun. Von einem nahen Baume aus kann das Nachti- gallen-Männchen leicht den Busch mit dem Neste im Auge behalten und hält sich immer in der Nähe auf. So erklärt es sich auch, dass die schlagenden Nachtigallen bestimmte, engbegrenzte Plätze innebehalten. Im schlimmsten Falle weiss die brütende Nachtigall den nahenden Räuber geschickt irrezuführen, indem sie, sich vorsichtig vom Neste entfernend, in einiger Entfernung davon sich den Anschein giebt, als könne sie nicht fliegen, und wenn sie nun den Feind vom Neste hinweggelocki hat, davonfliegt. Alljährlich werden hier diese Zwerg-Jasmin-Sträucher von den ersten ankommenden Nachtigallenpärchen in Beschlag genommen, und da be- kanntlich jedes solches Pärchen sich einen bestimmten Bezirk wahrt und vertheidigt, so müssen die später ankommenden Nachtigallen in den entfernteren Theilen des Gartens mit Spiräen, Liguster, Schneebeeren- sträuchern zum Brüten fürlieb nehmen. In solchen Fällen ist die Klug- heit bewunderungswerth, mit welcher sie passende Brüteplätze zu finden wissen. 362 Jahres-Bericht Die Nachtigallen sind dankbare Vöglein, die den schützenden Zu- fluchtsort, den sie im Sommer gefunden haben, nicht vergessen und im folgenden Frühlinge wieder aufsuchen. Machen wir es ihnen bequem, | so werden sie zu uns kommen und sich einbürgern. Ueber Acer Ginale, Ceanothus und Clematis und deren Verwendung bei Gruppenpflanzungen in Gärten. Von August Schütz, Fürstlicher Hofgärtner in Margarethen a. Moos. Wie bekanntlich viele Baumarten und Gehölze ihre Schönheit erst dann zu vollkommener Geltung bringen, wenn dieselben in Verbindung mit contrastirenden Pflanzungen eine Gesammtgruppe bilden, so kann man dieses besonders bei Acer Ginale und Ceanoihus behaupten. Die Schönheit des Ersteren tritt besonders hervor, wenn derselbe in kleineren Partien von Mahonien, die stellenweise unterbrochen sind von Coniferen, wie Retinospora u. s. w., in gelockerter Form umpflanzt sind, oder wenn dieselben die Seitenvorsprünge einer nicht allzu hoch wachsenden Nadel- holzgruppe bilden. Durch die elegante, glänzende, lichtgrüne Belaubung bildet dieser Acer zu seiner dunkelgrünen Umgebung schon im Sommer einen ange- nehmen Contrast, der sich aber bei der früh eintretenden schönen licht- rothen Herbstfärbung zu einem farbenprächtigen Bilde gestaltet. Selbst im Winter ist die Wirkung solcher Ahorn-Gruppen eine vortheilhafte, des contrastirenden, interessanten Astbaues wegen. Pflanzt man nun zerstreut in kleineren oder grösseren Gruppen zwischen die Ahorn noch einige Zwerg - Kiefern, Taxus, Biota u. s. w., selbstverständlich von Rasenflächen angenehm durchbrochen, so kann man, theils als Vor- pflanzung, oder an geeigneten Stellen mehr nach dem Hintergrunde ver- theilt, Gruppen von Ceanothus vortheilhaft in Anwendung bringen, jedoch ebenfalls in grösseren, dicht zusammengepflanzten Partien, weil dieselben in ihrer Blüthezeit das Auge schon von Weitem fesseln, was bei ver- einzelter Pflanzung nicht der Fall ist, weil diese so zu sagen mehr vom Auge gesucht werden muss. Die Flor der meisten Ceanothus, und be- sonders von azureus, welchen ich zu derartigen Gruppen angelegentlichst empfehlen möchte, dauert bis in den Spätherbst, und wenn dann die Herbstfärbung des Acer Ginale eingetreten ist, so bildet eine derartige Gruppenzusammenstellung ein so stimmungsvolles Ganzes, dass sich das für Naturschönheit empfängliche Auge immer mit Vergnügen dem farben- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 363 prächtigen Bilde zuwendet. Lässt das Terrain wellenförmige Gestaltung zu, so sollte man nicht versäumen, dieselbe anzuwenden, da sich dann beide erwähnte Gehölzarten noch ungleich vortheilhafter plaeiren lassen. Im Weiteren möchte ich die Aufmerksamkeit der Pflanzenfreunde noch auf eine Clematis-Staude hinlenken, welche meines Wissens äusserst selten in Gärten zu finden ist, und welche sich nicht nur ebenfalls ausser- ordentlich gut zur Vor- und Zwischenpflanzung obiger besprochenen Gruppen eignet, sondern auch von vorzüglicher Wirkung ist, wenn die- selbe in für sich bestehenden kleinen Gruppen, nicht allzu weit vom Rande einer Gehölzgruppe und in der Nähe des Weges, sich aus dem Rasen erhebt. Es ist dies der im Muskauer Baumschulen-Kataloge unter Clematis stans angeführte Clematis. Derselbe erreicht eine Höhe von 45 bis 50 em, treibt viele Triebe aus einem Wurzelstocke, blüht lichtblau in Rispen und ausserordentlich reichlich. Die Blüthen sind röhrenförmig und die Flor dauert mehrere Wochen; selbst nach derselben ist die Pflanze fast noch ebenso zierend durch ihre Samenbildung, zu jedem Bouquet und anderen Blumenzusammenstellungen ist diese Pflanze von nicht zu unterschätzendem Werthe. Es würde mich freuen, wenn diese Zeilen dazu beitragen möchten, die Gartenfreunde zu einer allgemeineren Anpflanzung dieser wirklich schönen Gehölze und Stauden zu veranlassen. Betrachtungen über die Ursachen des langsamen Fortschritts des Obstbaues in Schlesien. Von Kunstgärtner A. Stiebeiner in Tost. Wenn Jemand Betrachtungen über den geringen Fortschritt des Obstbaues in unserer Provinz anstellen will, so wird er sich zu fragen haben, wo wird der Obstbau und warum am meisten betrieben und worin ist die Ursache zu suchen und vielleicht zu finden, dass in dieser Provinz der Obstbau nicht in gleichem Umfange betrieben wird? Es lassen sich diese Fragen wohl am sichersten dahin beantworten, dass in solchen Theilen Deutschlands, wo, auch durch klimatische Ver- hältnisse mehr begünstigt, der Obstbau überall und am häufigsten be- trieben, auch der Segen desselben am meisten erkannt wird, weil jeder einzelne Landbewohner schon von Jugend auf den Obstbaum zu pflanzen und zu pflegen verstehen gelernt hat. Ferner da, wo das ländliche Be- sitzihum zumeist ein kleines ist, ein jeder Besitzer es sich mithin selbst 364 | Jahres - Bericht bewirthschaften kann, und da, wo es ein grosses ist, dessen Verwalter auch ein solcher sein wird, welcher neben dem Ackerbau auch den Obstbau von Jugend auf praktisch kennen lernte. Dort versteht auch die Bevölkerung das Obst in ökonomisch bester Weise zu benutzen; man hat gelernt und versteht ausser Backobst und Obstmus auch Wein, Essig, Branntwein, aus Kernen Oel zu bereiten, sowie die Trester zu Viehfutter und Feuerungsmaterial zu verwenden; dort liefert es Speise und Trank, macht das Mahl des Wohlhabenden köstlicher und das des Armen angenehmer, bietet dem Arbeiter sein wichtigstes Getränk zur Stärkung und Labung bei der Arbeit und Hitze des Tages, und Jung und Alt, Reich und Arm ist gewöhnt, im Haushalt Produete des Obst- baues zu finden. Hier, mit geringer Ausnahme weniger Theile unserer Provinz, liegen alle diese Verhältnisse nicht so. Sind auch schon von langen Zeiten her durch die Staatsregierung Anordnungen getroffen und von unzähligen privaten Seiten her die möglichsten Anstrengungen gemacht worden, den Obstbau zu heben und zu fördern, so sind doch alle diese Bestrebungen seither ohne wesentliche Wirkung geblieben, wenngleich an einzelnen Orten einiger Fortschritt bemerkbar ist. Die Ursache der Verschiedenheit der dortigen und der hiesigen Verhältnisse in Bezug auf Obstbau glaube ich um so mehr und haupt- sächlich deshalb, weil auch hier Klima und Bodenbeschaffenheit weitaus recht erhebliche Vermehrung des Obstbaues gestattet, in folgenden Um- ständen annehmen zu dürfen. In unserer Provinz sind grosse und hier- gegen verhältnissmässig recht sehr kleine ländliche Besitzthümer vor- herrschend. Eignet sich nun auch solch kleines Besitzthum zum Obstbau und hat auch sein Besitzer Neigung und Verständniss für ihn, so kann er es auf demselben doch nicht wagen, selbst nur eine kleine Obst- pflanzung anzulegen, er würde seinen ohnehin geringen Feldbau redueiren müssen, würde voraussichtlich neben seiner Ausgabe für die Anlage während einiger Jahre das Erträgniss seines kleinen Feldes schmälern, was er auszuhalten ausser Stande ist, und damit dem Ruin entgegen- gehen. Anders verhält es sich bei grösserem und grossem Grundbesitz, wo es an Geldmitteln zur Anlage von Obstbaumpflanzungen weniger oder überhaupt nicht fehlt. Aber auch selbst hier stösst man, so oft dies auch schon von durchaus sachverständigen Seiten gerügt worden ist, nur allzu oft auf das Uebel stiefmütterlicher Behandlung etwa vorhandener Obstanlagen; selten nur finden sich, selbst in sonst wohlgehaltenen herr- schaftlichen Gärten, auch wohlgepflegte Obstbäume, noch seltener aber auf dergleichen Besitzungen rationell bepflanzte und wohlgehaltene Obst- alleen, am allerseltensten jedoch dergleichen Obstgärten und Plantagen, und zwar auch dort, wo selbst mit augenscheinlichem Vortheile der Werth des Obstbaues in ausgiebigster Weise zu würdigen wäre. Da der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 365 giebt es Höhenlehnen, Trifte, Gründe, Raine und Wege, welche entweder gar keinen Ertrag bringen oder doch mit nur recht geringem Nachtheile für die Feldwirthschaft mit Obstbäumen bepflanzt werden könnten, welche in wenigen Jahren die veranlassenden geringen Schäden reichlich ersetzen und eine neue oder doch bessere Einnahmequelle erschliessen würden. Was nun im Weiteren die kleinen ländlichen Grundbesitzer betrifft, so könnten diese von berufener, ihnen wohlwollender Seite nicht oft genug dahin belehrt werden, in ihren kleinen Gehöften und Gärten an Stellen, wo es irgend angänglich ist und kein nutzbringenderes Gehölz wächst, wenigstens ein Paar reichlich und gute Früchte tragende Obst- bäume zu pflanzen, wozu ihnen wohl, wie zu der Beschaffung, Pflanzung und Pflege der jungen Bäumchen, der Geistliche oder Schullehrer des eigenen oder eines benachbarten Ortes nach eigenem Wissen gern zu Rathe stehen wird, und bei dessen Befolgung sie selbst und die Ihrigen dann schon nach wenigen Jahren die erste Freude und.den ersten Nutzen von denselben geniessen würden. Aber auch der kleinere Landwirth ist selten geneigt, etwas auf seinem Grund und Boden zu beginnen, von dem er sich nicht vorher ganz bestimmt überzeugt hat, dass es Einem, der es schon vor ihm unternahm, von bleibendem Nutzen ist, so dass er bis dahin, wo er das Gleiche thut, erst mit einem gewissen Neide auf die günstigen Folgen dessen Unternehmens blickte. Dies ist aber auch bei dem Obstbau er- wiesenermassen der Fall. Sieht der Nachbar, dass sein Nebenbesitzer wenige Jahre nach der Pflanzung seiner Obstbäume von diesen schon einigen, von Jahr zu Jahr aber wachsenden Gewinn, sei es an Geld oder durch eigene Verwendung erzielt, so wird er sicher, wenn sonst von einiger Intelligenz, darnach streben, sich baldmöglichst den gleichen Gewinn zu verschaffen. Es ist dies das ihm durch seinen Nachbar ge- gebene gute Beispiel, und der Drang, es eben so gut wie dieser haben zu wollen, welcher ihn antreibt, sich nach Massgabe seines Besitzthums ebenfalls Obstbäume zu pflanzen. Vorzüglich aber dürfte es Pflicht der Landschullehrer sein, welche ja in den Seminarien den hierfür nöthigen Unterricht erhielten und denen meistens ein Stück Gartenland zu Gebote steht, den Schulkindern, viel- leicht auch noch einigen der Schule bereits entwachsenen Personen, welche früher Interesse für dergleichen Belehrung zeigten, in der Pflan- zung und Pflege des Obstbaumes und der mannigfachen Benutzung der Früchte desselben zu unterrichten, sie wohl auch unter seiner Aufsicht in ihrem Heim, vielleicht an ihrem Geburts-, Confirmations- oder Trauungs- tage einen Obstbaum pflanzen und weiterhin pflegen zu lassen. In den- jenigen, verhältnissmässig nicht allzu wenigen Orten, wo solches ge- schehen oder noch geschieht, und wo der Ortsgeistliche mit gutem Bei- spiele und richtigem Verständniss der Sache dem Schullehrer auch noch 366 Jahres-Bericht persönlich zur Seite steht, wurde solches Verfahren von erwünschtestem und oft dauerndem Erfolge gekrönt, mit ihm nahm ein besserer Wohl- stand der kleinen Leute des Ortes zu und nicht selten hört man dort mit Stolz aussprechen: ,„O, diesen Baum habe ich selbst, oder mein Vater, an dem oder jenem wichtigen Familientage gepflanzt und jetzt ernten wir jährlich schon so und so viel davon!“ Geht man nun mit seinen obstbaulichen Betrachtungen wieder auf den grösseren und grossen Grundbesitz zurück, so findet man, dass eben so wie für jede und alle Oulturen, auch für den Obstbau ein richtiges Erkennen dessen Werthes, Verständniss für denselben und Liebe zur Sache gehört. Doch vielleicht hatte der Besitzer niemals Gelegenheit, jene beiden und dabei auch die letztere zu gewinnen, beabsichtigt es auch wohl überhaupt nicht, und so bleibt der Obstbau fort und fort auch da hinten angesetzt, wo er offenbar vermehrten Nutzen schaffen könnte. Aller Schwächen, Irrthimer und Fehler, welche hier einer ergiebigen Ausdehnung des Obstbaues entgegenstehen, nur erwähnen zu wollen, kann nicht meine Sache sein, und mag es mir nur noch vergönnt sein, wieder einmal auf dessen Werth aufmerksam gemacht zu haben. Be- merken will ich hierbei jedoch noch, dass dort, wo Obstbau am um- fassendsten betrieben wird, auch nachweislich der Obstdiebstahl und der Baumfrevel am seltensten vorkommt, und dass bei der Niederlegung von Wäldern es sicher gar manchen Feldern zur Erhöhung des Körner- ertrages recht dienlich werden würde, sie zur Regelung der Atmosphäre, Heranziehung von Nebeln und Abhaltung schädlicher Winde in geeigneter Weise mit Obstbäumen zu umgeben. Zur Cultur der Theerose „Marechal Niel“, Von J. Jettinger, Sectionsgärtner. Wohl keine Pflanze erfreut sich einer so allgemeinen Verehrung, keine Blume steht seit undenklichen Zeiten bei allen Nationen der Erde in so hoher Achtung als die Rose, und dies mit Recht. Denn eine Blume, welcher die Natur neben der reizenden Form einen solchen an- senehmen Wohlgeruch verlieh, welche durch williges Blühen die leichte Pflege, die man ihr angedeihen lässt, hundertfach lohnt, hat den ersten Anspruch auf die Zuneigung und Liebe aller Menschen, deren Gefühl für die vegetabilische Welt noch empfänglich ist. Wenn auch unsere Gärten mit den herrlichsten Zierpflanzen ge- schmückt sind, so wird die Rose doch den Rang als ‚Königin der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 367 Blumen‘ behaupten. Wenn Hunderte von Pflanzen nach kurzem Auf- treten der tyrannischen Mode weichen mussten und in den Hintergrund gedrängt wurden, so ist die Rose allein im Stande gewesen, der launischen Gunst der Mode Trotz zu bieten und ihren Rang zu behaupten, denn nach wie vor nimmt sie sowohl im Garten des Begüterten, als im ein- fachen Gärtehen des Arbeiters den Ehrenplatz ein. Und sie lohnt diese Anerkennung; denn selbst im Herbst noch, wenn der letzte Schmuck der Pflanzenwelt geschieden und das Laub gefallen ist, erfreuen unser Auge Rosen in vollkommener Form und Farbe wie in den heissen Tagen des Sommers, und oft bedecken noch viele Blüthenknospen die Rosensträucher oder Kronen der Rosenbäumchen, wenn man sie zum Winterschlafe eindeckt. Neben dem Schatz von Schönheit und blumistischer Mannigfaltigkeit zeichnet sich die Rose aber auch noch durch gärtnerische Nutzbarkeit insofern aus, dass sie sich allen Verhältnissen und Formen anpasst. Die Rose „Mar£chal Niel“, in den sechziger Jahren in den Handel gebracht, nimmt nun zur Zeit wohl die höchste Stufe unter den Garten- rosen ein. Neben ihrer schön frischgrünen, glänzenden Belaubung er- freuen ihre Blumen unser Auge durch auffallende Grösse, tadellosen Bau, rein dunkelgselbe Färbung und ihren herrlichen Theegeruch. Ohnerachtet dieser guten Bigenschaften hörte man aber doch schon bald nach ihrem Erscheinen Klagen über zu geringes Blühen oder schlechtes Aufblühen. Diese Klagen waren wohl gerechtfertigt; als ein Kind des Südens wollte sich unser „Mare&chal Niel“ nicht so leicht mit unseren klimatischen und Bodenverhältnissen zurechtfinden.. Auch der bei anderen Rosen üblich angewendete Schnitt sagte dieser Rose nicht zu. Kurz, diese Rose fiel in der Gunst des Publikums. Als man aber begann, dieselbe in den Gewächshäusern auszupflanzen, wo sie so zu sagen zum immergrünen Strauch wurde, lernte man ihren wahren Werth erst vollkommen schätzen. Liefert sie doch bei dieser Culturweise die prächtigsten Blumen in Form und Grösse, welche das schätzbarste Material für Bin- dereien abgeben. Diese Cultur ist namentlich bei uns im nördlichen Deutschland all- gemein verbreitet. Weniger findet man diese Rose als Topfpflanze eultivirt, obschon sie sich hierzu in Folge ihrer immergrünen Belaubung, wenn man diese den Winter über beibehalten will, wie jede bessere Kalthauspflanze zur Decoration eignet. Ueber die Methode, solche Pflanzen heranzuziehen, will ich in Nach- stehendem mich näher auslassen. Vorausgesetzt, dass diese Pflanzen nur als Hochstamm gezogen werden, wähle ich kräftige einjährige Ver- edelungen auf Rosa canina in der Höhe von 1,75—2 m. Es ist dabei gleichgiltis, ob man Veredelungen aus dem freien Lande, also Oculanten, oder solche aus dem Hause, sogenannte Winterveredelungen wählt. 368 Jahres - Bericht Hauptsächlich sehe man auf reichliche Bewurzelung. Die ausgewählten Stämmehen pflanze man in 12 cm weite Töpfe in leichte, recht nahr- hafte Erde und sorge für guten Abzug des Wassers. Gewöhnlich haben solche Pflanzen nicht mehr als zwei bis drei Triebe, welche man, um eine reichverzweigte Krone zu bilden, an ihrer Basis, also am Astringe, wegschneidet und die Wunden mit Baumwachs verklebt. Den so her- gerichteten Pflanzen giebt man im Kalthause einen derartigen Standort, dass die Krone möglichst nahe ans Licht kommt. Da die Pflanzen fast aller Organe beraubt sind, muss anfänglich mit dem Giessen recht vor- sichtig verfahren werden. Nicht lange wird es dauern und man wird zu seiner Freude bemerken, dass sich aus dem Astringe 5—6 kräftige Triebe entwickeln. Sollten sich Triebe in ihrem Wachsthum kreuzen, so ist es nöthig, um Reibungen zu verhüten, denselben durch irgend ein Hilfsmittel die gewünschte Richtung zu geben. Die Pflanzen können den ersten Sommer in denselben Töpfen verbleiben und kann das Fehlende an Raum mit Vortheil durch einen Dungguss, von welchem weiter unten die Rede sein soll, ersetzt werden. Ich bemerke hierbei, dass die Pflanzen den ganzen Sommer über im Kalthause bei reichlicher Lüftung unter leichter Beschattung verbleiben. So behandelt, wird man im ersten Jahre Triebe von 1—1'/, m Länge erzielen. In dem darauffolgenden Frühjahr verpflanzt man die Stämmchen ohne Verletzung des Wurzelballens in 20—22 cm weite Töpfe und be- obachtet, bis die Pflanzen in Trieb kommen, bei dem Giessen die nöthige Vorsicht. Der Schnitt an den vorhandenen Trieben beschränkt sich darauf, dass man dieselben auf ein Dritttheil ihrer Länge verkürzt und nun durch Biegen derselben in bogenförmige Linien, oder wie es sonst gerade geht, jedenfalls aber unter die Horizontale, der Krone eine ge- fällige Form giebt. Bei aufmerksamer Pflege wird man bald wahrnehmen, dass sich sämmtliche Augen an den Trieben kräftig entwickeln, auch einige Blumen werden schon zum Vorschein kommen. Bis Ende des Sommers werden die Pflanzen nahezu 2 m lange neue Triebe von ent- sprechender Stärke gemacht haben, welche man in ihrer natürlichen Haltung wachsen lässt, um mit ihnen im nächsten Frühjahr in der bereits angegebenen Weise zu verfahren. Im Laufe des Winters untersucht man die Wurzelballen der Pflanzen, sind diese nicht zu stark verwurzelt, so können die Pflanzen unter An- wendung von Dungguss noch ein Jahr in denselben Töpfen verbleiben; sollten aber die Wurzeln zu reichlich, der Ballen, wie man sagt, „ver- filzt‘“ sein, so ist es nöthig, die Pflanzen nun in 30—35 cm weite Töpfe umzupflanzen, natürlich wieder mit Schonung des Wurzelballens. Die grössten Töpfe, welche ich bis jetzt verwendete, massen 40 cm. Nun haben wir es mit vierjährigen Pflanzen zu thun. Will man dieselben als immergrüne Pflanzen behandeln, so verbleiben sie auch das der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 369 sanze Jahr im Hause, im anderen Falle bringe man sie Ende October ins Freie, und nachdem sie einige Kältegrade durchgemacht haben, in den Keller oder in einen sonstigen frostfreien Raum, wo dieselben gegen den Januar hin das Laub verlieren. In diesem Zustande werden die Pflanzen nur so viel begossen, dass sie vor dem gänzlichen Vertrocknen geschützt sind. Ein Verpflanzen solcher grossen Pflanzen wird alle zwei Jahre nöthig sein. Man nimmt dieses zur Zeit der Ruhe vor und verringert dabei den Ballen um einige Centimeter, worauf die Pflanzen wieder in gleich grosse Töpfe kommen. Es ist rathsam, neue oder wenigstens rein gewaschene Töpfe zu wählen, weil die früheren grösstentheils ver- sauert sind, 1 Beginnt im Januar die Sonne höher zu steigen, so bringt man die Pflanzen an einen passenden Platz im Kalthause, so dass die Kronen recht nahe unter das Glas kommen. Nach ungefähr 6 Wochen wird man die Freude haben, die Blüthenknospen in grosser Zahl hervorbrechen und sich dann mit zunehmender Wärme rasch entwickeln zu sehen. Will man sich von der Zahl der vorhandenen Blumen überzeugen, so ist dies sehr leicht, weil es sicher ist, dass jeder Trieb, welcher bei dem Erscheinen des fünften Blattes keine Blüthe zeist, in demselben Jahre auch nicht mehr blüht. Sind die Blumen nun so weit vorge- schritten, dass dieselben verwerihet werden können, was Ende März der Fall sein wird, so ist bei deren Abschneiden darauf Bedacht zu nehmen, dass auf ein kräftiges Auge geschnitten wird, denn aus diesem Auge soll sich wieder Holz für den nächstjährigen Flor entwickeln. Im Uebrigen beschränkt sich der Schnitt auf Entfernung des ganz schwachen Holzes; frechwachsende Triebe lässt man ungestört, um dieselben im folgenden Jahre nach deren geringer Verkürzung und Umbiegen der Krone in passender Form anzufügen. Bei dieser Behandlungsweise wird man nach dem vierten Jahre Kronen haben, welche 80—100 und mehr ausgebildete Blumen hervorbringen. Wenn im Allgemeinen die Rosen schwere Erde lieben, so ist bei dieser Culturmethode das Umgekehrte der Fall. Am besten nimmt man vier Theile Mistbeeterde mit etwas Sand und einen Theil Rasen- oder Composterde, oder aber auch alten Lehm. Dieser Mischung kann man etwas feine Hornspähne beigeben. Das Giessen, welches anfänglich und an frisch verpflanzten Exem- plaren viele Aufmerksamkeit erfordert, kann bei vorgeschrittener Vege- tation reichlich geschehen, wird sogar an wärmeren Tagen mehrmals nothwendig werden. Eine Beimischung von Dungguss, bestehend in einem Dritttheile Latrine mit zwei Dritttheilen Wasser vermengt, in vierzehntägigen Zwischenräumen gegeben, fördert das Wachsthum un- gemein. Bei hellem Wetter ist ein mehrmaliges Spritzen nothwendig, 1883. 24 370 Jahres- Bericht doch muss dieses, während die Blumen aufblühen, unterbleiben, weil dieselben dadurch fleckig werden. Im Monat September stellt man das Spritzen ein und beginnt auch mit der reichlichen Zufuhr von Wasser nachzulassen, um vor Eintritt des Winters recht reifes Holz zu erzielen. Werden die Pflanzen trotz aller Sorgfalt dennoch von Blattläusen be- fallen, so ist Sorge dafür zu tragen, dass dieselben nicht überhand nehmen. Ueberstäuben mit Inseetenpulver schadet den Pflanzen gar nicht und tödtet das Ungeziefer in kürzester Zeit. NB. Pflanzen der Rose ,Mar6chal Niel‘‘ in verschiedenen Grössen sind in dem Garten der Section zu Preisen von 2—-30 Mark stets ab- sebbar vorräthig. Oxzalis carnosa, der fleischige Sauerklee, und überhaupt Einiges über Oxalis. Von Mortimer Scholtz, Apotheker in Jutroschin, Der Titel klingt sonderbar — ein fleischiger Sauerklee! aber sonder- bar, oder wohl mehr noch interessant, ist in der That diese Oxalıs carnosa. Lassen Sie mich Ihnen davon erzählen; aber gestatten sie mir vorher, Einiges über das Wesen der Oxalis- Arten im Allgemeinen zu sagen. Wir wissen sehr wohl die zarten, schlanken Gestaltehen unserer einheimischen Oxalis-Arten zu schätzen und Jedermann freut sich sicher- lich über die niedliche Acetosella, welche uns im Frühlinge aus ihren schattigen Standorten mit ihren grossen, weissen Blüthen so freundlich zulächelt. Auch die stricta ist zart und schlank, obwohl schon ein Goliath gegen die vorige; um so niedlicher ist die corniculata, welche in einer braunblätterigen Varietät unter dem Namen Osxals tropaeoloides zum Gartenbau, vornehmlich zur Teppichgärtnerei, herangezogen worden ist. Wir lieben sie Alle, unsere kleinen Oxalideen, wenn wir auch ge- zwungen sind, ihren exotischen Schwestern den Vorzug zu geben. Die hier genannten ersten zwei Oxalisarten sind perennirend und haben die Eigenthümlichkeit, dass der Wurzelstock Ausläufer treibt, während die letztgenannte Art, die corniculata, einjährig ist und sich nur durch Samen fortpflanzt. Von einjährigen exotischen Arten, welche Eingang in unsere Gärten gefunden haben, sind zwei aus Chili stammende zu nennen, und zwar zunächst die ganz aparte Valdiviana mit goldgelben Blüthen und grossem Reichthum an solchen, eine sehr zu empfehlende Einfassungs- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 371 pflanze, sodann die rosea mit einigen Varietäten, ebenfalls recht nett und niedrig, aber nicht so anhaltend blühend als erstere. Wir verlassen nun diese beiden Gruppen und ich bemerke dabei nur noch, dass bei Aufstellung derselben deshalb nicht die annuellen Arten zuerst und die perennirenden zuletzt genannt worden sind, weil von den letzteren die obenerwähnte Acetosella zur Einführung in das Kapitel allein geeignet schien, da sie als allgemein bekannt gelten kann. Die nächste Gruppe umfasst ÖOxalisarten, welche sich aus Zwiebeln entwickeln und rübenartige Wurzeln ansetzen. Man muss es eine eigen- thümliche Erscheinung nennen, dass so zarte Pflanzen — denn auch in dieser Gruppe bewahren sie diesen Charakter ihres oberirdischen Habitus — im Verhältniss zu ihrer Grösse eine absonderliche Rübe unterhalb der Zwiebel, aus welcher Blätter und Blüthen treiben, an- setzen, eine Rübe, fleischig, saftig und wässerig durchschimmernd. Man sagt einigen Sorten nach, dass ihre Rüben essbar seien, ein angenehmes Wurzelgemüse gäben; nun ich bitte, es nicht erst zu versuchen! Man muss ganz sonderbare Geschmacksorgane haben, um dieses Wurzel- gemüse wohlschmeckend zu finden; denn die Rüben hauchen, gekocht, einen fatalen Geruch aus, welchen selbst das beste dazu gereichte und duftigste Fleischgericht nicht zu verdecken vermag. Die Zwiebeln dieser Gruppe setzen um sich herum eine Menge junger Zwiebelchen an, welche zur Vermehrung dienen; bei einer sehr netten, weiss- oder auch hell- rosafarbenen Art, welche niedrige und verzweigte Blätterstengel treibt, nämlich Ox. grandiflora alba) scheint auch unter dem Namen floribunda hier und da geführt zu werden), bilden sich auch Brutzwiebeln in den Astwinkeln. Ich habe über diese Art schon früher einmal eingehend geschrieben. Einige andere Arten dieser Gruppe, z. B. Ox. tetraphylia und lasiandra, halten unter guter Bedeckung im Freien aus; es ist jedoch sicherer, die ganzen Pflanzen im Herbst herauszunehmen, die Rüben und Zwiebeln abzulösen, erstere als werthlos wegzuwerfen und letztere mit ihrer Brut, nachdem sie getrocknet und gereinigt sind, frostfrei und trocken bis zum nächsten Frühjahr aufzubewahren. Zu erwähnen sind noch die folgenden Arten: Zunächst Oxalıs Deppei, eine recht schöne Pflanze mit bis einen Fuss hohem, nicht ästigem Blüthentriebe und schön kupferrothen Blumen, sie hat einen grossen Werth dadurch, dass sie ohne Unterbrechung neue Blüthenstengel mit je 10—15 Knospen treibt — aber auch einen grossen Fehler; denn die langen, theils halb, theils ganz abgeblühten Blüthenstengel legen sich gern und nicht gerade symmetrisch um die Pflanze herum auf die Erde, was, kurz gesagt, lüderlich aussieht. Wer es nicht scheut, die liegenden Stengel täglich abzulösen, dem sei die Deppei dennoch angelegentlichst empfohlen, jedoch scheint sie mir für kleine Hausgärten nicht passend und ich habe sie schon längst daraus verbannt, Eine andere Sorte 24% a2 | Jahres-Bericht dieser Gruppe ist Ox. violacea. Ob diese Pflanze in den Gärten noch einen anderen Namen führt, ist mir nicht bekannt; ich empfing sie unter dem hier angeführten Namen vor etwa 10 Jahren aus einer der bestrenommirtesten Gärtnereien Erfurts, suche aber heute dieselbe Art, resp. denselben Namen vergeblich in den verschiedensten Pflanzen- und Zwiebelverzeichnissen dortiger Etablissements. Die Violacea eignet sich ganz vorzüglich zu Einfassungen, ist sehr niedrig, dicht beblättert und blüht mit grossen, violetten Blumen, bis die Fröste eintreten, denen sie mit Ausnahme des unterirdischen Theiles sofort unterliegt. Eine be- merkenswerthe Eigenthümlichkeit dieser Pflanze ist ihr spätes Aus- treiben. Eine andere Angehörige dieser Gruppe ist Ox. tetraphylla, un- bedingt zur Verwendung als Einfassungspflanze eine der besten. Sie wird nicht so hoch als Deppei, aber höher als Violacea, erreicht also die Höhe von 8—10 Zoll.) Die Blumen der Ox. teiraphylia stehen auf geraden, steifen Stielen, welche die reichlich und üppig erscheinenden Blätter in richtigem Verhältnisse überragen und sind von hellpurpurner Farbe mit einem Stich ins Violette. Ganz originell ist bei diesem Sauerklee die Vierzahl der einzelnen Blättchen, welche übrigens mit einem dunkleren Fleck in der Mitte verziert sind; jede andere Oxalis hat dreitheilige, kleeähnliche, diese jedoch viertheilige Blätter, und irren wird sich diese Pflanze bei der Production derselben nicht. Ist es bei Trifolium pratense wohl möglich, ein vier- oder fünftheiliges Blatt zu finden, so dürfte es umgekehrt sehr schwer, ja fast unmöglich sein, ein dreitheiliges Blatt bei Ox. tetraphyllus zu entdecken. Zu dieser Gruppe gehören noch manche andere Arten, z. B. die sehr schöne, aber heikle Boviei vom Cap, welche jedoch unter guter Deckung unsere Winter im freien Lande verträgt und dann riesige Dimensionen erreicht. Ich fand ‘) Ich bitte den verehrlichen Setzer, das mir durch den langen Gebrauch liebgewordene Längenmass nicht nach eigenem Ermessen in Centimeter umzu- wandeln! Es weiss sicherlich jeder meiner geehrten Leser, wie gross ein Zoll ist und war — und polizeilich verboten ist es ja nicht, von Zoll zu sprechen oder zu schreiben. Mir ist eine derartige Correetur einmal nicht gerade angenehm ge- wesen. Vor Jahren nämlich schrieb ich einen Artikel über Porree als Gemüse, welcher damals Aufnahme in den Bericht des vaterländischen Vereins zu Breslau und seitdem vielfachen Abdruck in Journalen und Zeitungen fand. Die Angabe dabei, wie dick und lang der essbare Theil des Porrdes werden könne, war von mir in Zollmass gemacht worden, Jeder spricht ja am Ende, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Nun hatte Jemand, und ich glaube nicht fehl zu schiessen, wenn ich annehme, es sei der gute Setzer gewesen, die Angabe verbessert und das Wort Zoll in Centimeter umgewandelt. Da sich der Zoll zum Centimeter etwa wie 2'/, zu 1 verhält, so kann man sich denken, wie sehr die von mir gemachte Grössenangabe geschmälert wurde, geschmälert bis zur Lächerlichkeit, und ich erzähle dies hier gern, um vielleicht bei Einem oder dem Anderen meine Ehre betrefis jenes Artikels zu retten. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 373 daran Blätter bis zu 4 Zoll Durchmesser, Die Blumen sind gross und prachtvoll rosenroth. Ausserdem sind noch zu nennen: Ox. lasiandra, hlacina, umbrosa, purpurea, Vespertilio u. a. m. Letztere dadurch ausge- zeichnet, dass die Blättcheu einen Ausschnitt haben; leider ist die Blüthe dieser übrigens recht seltenen Art so unbedeutend, dass sie eine dank- bare Verwendung im Garten nicht -gut finden kann. Wir bilden nun eine neue und letzte Gruppe, und zwar von solchen Oxalis-Arten, welche keine Zwiebeln bilden, ausdauernd und immer vegetirend sind und einen Stamm produciren. Da ist zunächst Oxalis arborea zu nennen, eine zeitige und dankbare Blüherin für Topf und freies Land. Die junge Pflanze bildet zuerst oberhalb der Wurzel ein knollenähnliches Stückchen Stamm und es tritt sodann in jedem Jahre von oben herab ein neues derartiges Stück hinzu, wodurch nach und nach ein wirklicher Stamm entsteht, welcher Einschnürungen zeigt, welche immer der Stammbildung eines jeden Jahres entsprechen. Ich besitze ein Topfexemplar von 6 Zoll Höhe, dessen Stamm 8 Einschnü- rungen zeigt, mithin 9 Jahre alt ist. Die Blüthen, rosa oder weiss, sind weniger schön als bei den vorher genannten Arten, immerhin aber recht nett. Die Pflanze ist sehr geduldig, nimmt mit jedem Boden vorlieb, wenn er nur nicht allzu streng ist, verträgt den Wurzelschnitt und ist im Winter, zur Asservation in kleine Töpfe gepflanzt, bei wenig Pflege zufrieden; freilich darf ihr das Licht nicht allzu sehr entzogen werden. Bine Ueberwinterung im finsteren Keller, welche sonst bei so vielen Knollen üblich ist, ist daher bei ihr ganz unanwendbar und hätte den Tod zur Folge. Im Freien hält sie in keinem Falle aus. Vermehrt wird die Pflanze durch Triebe, welche aus dem unteren Stammende kommen und als Stecklinge dienen. Ich komme nun zu dem Titel, mit welchem dieser Aufsatz begonnen und mit welchem ich den Rundlauf meiner Plauderei beschliessen will — zu Oxalis carnosa, dem fleischigen Sauerklee. Diese Pflanze bildet in der That einen richtigen Stamm, welcher im ersten Jahre grün bleibt, sich später jedoch graubräunlich färbt und endlich holzig wird; er ist für die Höhe der Pflanze verhältnissmässig dick und verliert alljährlich einen Theil der unteren dreitheiligen Blätter, so dass nur das obere, grüne Stammende mehr oder weniger beblättert bleibt. Da die Blatt- stiele ziemlich lang sind und sich graciös nach unten neigen, so macht dies Oxalis-Bäumehen den Eindruck einer kleinen Palme mit Kleeblättern, Die eitronengelben Blüthen sind mässig gross und stehen zu Dreien auf eben so langen Stielen als die Blätter. Die Pflanze blüht, mit Ausnahme des Winters, welchen sie im Freien nicht verträgt, das ganze Jahr hin- durch. Die Wurzel besteht aus einem Haufen kurzer und dicker Knollen, von welchen die Saugwurzelchen ausgehen. Man braucht der Pflanze nur kleine Töpfe zu geben, aber öfters Wasser, selbst im Winter, in 374 | Jahres-Bericht welchem sie im Zimmer und an das Fenster gestellt, ohne Unterlass im Wachsthum bleibt; indessen geduldet sie sich auch ohne Feuchtigkeit der Erde eine ganze Zeit, ohne Schaden zu nehmen. Die Vermehrung ist leicht durch Seitentriebe zu erzielen, welche aber nur spärlich er- scheinen, oder durch Abnahme des Endtriebes, welchen man als Steck- ling behandelt und der wie jeder andere dieser Pflanze ohne Umstände und zu jeder Zeit sich bewurzelt. Ob hingegen die Knollen zur Ver- mehrung geeignet sind, ist mir bis jetzt nicht bekannt. Warum aber, höre ich fragen, wird die Pflanze fleischig genannt? und ich beeile mich denn nur auch das Kunterbunt ihrer Beschreibung dahin zu vervoll- ständigen, dass ich nochmals der Blätter gedenke, welche ganz im Gegen- satz zu allen übrigen Oxalis-Arten diek und fleischig sind, daher der Name. Betrachtet man die Unterseite eines solchen Blattes, so glitzert sie wie Tausende kleiner Krystalle, namentlich in der Sonne, und noch deutlicher ist diese Erscheinung bei Zuhilfenahme einer Loupe. Greift man aber zum Mikroskop, so sieht man auf der Oberhaut Massen von kleinen, wasserhellen Halbkügelchen oder Bläschen, welche im Lichte funkeln und glänzen, Damit schliesse ich meine Plauderei, welche ich aber nur als solche zu betrachten und aufzunehmen bitte. Catalpa speciosa (Warder). Von v. St. Paul, Corvetten - Capitain z. D. und Hofmarschall weiland Sr. Königliehen Hoheit des Prinzen Adalbert von Preussen in Fischbach, Kreis Hirschberg. Sowohl für den Gärtner als den Forstmann ist die Catalpa speciosa ein höchst interessanter Baum. Wir drucken den Beinamen der Art „,speciosa‘ gesperrt, weil es nur diese Art ist, welche wir der Auf- merksamkeit in Deutschland empfehlen wollen. Es ist keineswegs Catalpa bignonioides (Walter), welche ihrerseits synonym mit C. cordifolia (Jaum.), ©. syringaefolia (Sims.) und Bignonia catalpa (L.) ist, sondern ein erst in neuester Zeit in Nordamerika entdeckter Baum. Hiermit soll nicht ausgedrückt sein, dass man ihn in seinem Vaterlande nicht schon länger genau gekannt habe, das wäre ein Irrthum, denn man schätzt seine vorzüglichen Eigenschaften daselbst seit einem Jahrhundert. Die europäischen Botaniker sind aber erst vor ganz kurzer Zeit auf denselben aufmerksam und sich selbst darüber klar geworden, dass der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 375 es in den nördlichen vereinigten Staaten eine wildwachsende Catalpa mit vorzüglichem Holze giebt. Noch im Jahre 1869 kannte Koch, als er seine Dendrologie heraus- gab, nur drei Trompetenbäume, Catalpa bignonioides, C. Kampferi und C. Bungei, den amerikanischen, den japanischen und den chinesischen Trompetenbaum. | Der von Walter 1788 zuerst beschriebene amerikanische Trom- petenbaum kommt wild nur in den südlichen vereinigten Staaten in Georgia und Florida vor, in den nördlichen aber vielfach eultivirt (man vergl. Koch, Dendrologie Il, S. 302); es ist daher erklärlich, dass die bei uns bisher gezogenen Trompetenbäume zart sind, da sie aus süd- licheren Breiten. stammen, und ebenso erklärlich, dass man auf die in den nördlichen Staaten wild wachsende Species erst verhältnissmässig spät aufmerksam wurde, weil neben ihr die Species der Südstaaten in eultivirter Form vorhanden war. Dass wir heut eine vierte Art Trompetenbaum, und zwar von ganz vorzüglichen Eigenschaften kennen, verdanken wir hauptsächlich Herrn Dr. J. Haines zu Dayton in Ohio; derselbe wurde schon vor langen Jahren auf zwei Bäume aufmerksam, welche dort sehr viel schöner und wesentlich früher blühten, als andere Trompetenbäume, sich auch durch kräftigeren Wuchs vortheilhaft auszeichneten. Der Same dieser Bäume wurde gesammelt, die Art vermehrt und bald wurden dieselben der Stolz und der Sommerschmuck der Strassen von Dayton. Im Jahre 1853, nachdem man ausgefunden hatte, dass dieser Trom- petenbaum wild in den dortigen Wäldern wächst, nannte Mr. Warder ihn Catalpa speciosa. Der erste Samen davon kam 1879 nach Europa. Professor 8. U. Sargent, der Director des botanischen Gartens der Cambridge-Universität in Massachusetts sendete ihn sowohl an Herın Dr. Bolle in Berlin, als an den Einsender dieses, auf dessen Besitzung zu Fischbach im Riesen- sebirge seitdem Pflanzen davon existiren. Schon im Jahre 1825 lobte der General Harrison, welcher Gou- verneur der nordwestlichen Distriete der Vereinigten Staaten von Amerika gewesen war, bei Gelegenheit einer landwirthschaftlichen Ausstellung zu Cartago die vorzüglichen Eigenschaften einer Catalpa in einer beredten Ansprache. Besonders hob er die Dauerhaftigkeit des Holzes in der Erde hervor, wodurch dieser Baum von höchster Wichtigkeit für die Erziehung von Eisenbahnschwellen und Zaunpfählen sein würde. Wir haben heute vollen Grund anzunehmen, dass dieser Herr den Baum meinte, welcher uns heute beschäftigt, ja sogar, dass ihm damals nur die Form bekannt war, welche heute speciosa genannt wird. Dieselbe ist heimisch in den Stromgebieten des Wabash, White River, Ohio, Cumberland und Tenessee River; man findet sie auch in 376 Jahres - Bericht den weiten Sümpfen des oberen Mississippi in der Gegend von Neu- Madrid, im südöstlichen Theile von Missouri, in Arkansas, Kentucky und Tenessee. Die sorgfältigste Durchforschung dieser Gegend hat er- wiesen, dass die „speciosa‘“ hier wild im Naturzustande lebt, während die Form „bignonioides“, welche, wie gesagt, aus Georgia stammt, und von Walter bestimmt wurde, in diesen nördlicheren Staaten nur von Menschenhand gepflanzt vorkommt. Catalpa speciosa ist in ihren heimischen Wäldern ein hoher majestätischer Baum mit schönem Stamm, starken und breiten Aesten, während die südlichere Form „‚bignonioides‘‘ oft krumme, schiefe Stämme sowie verwachsene Aeste hat, sich auch ähnlich wie die Platane schält, was die nördlichere Art nicht that. Die Blüthen der speciosa erscheinen etwa 14 Tage früher, sind weisser, klarer gezeichnet und grösser als die anderen; die Samenschoten sind bis zu 50 cm lang, die Samen grösser und schwerer als von Catalpa bignonioides. | Die Mittheilungen über die auffallende Dauerhaftigkeit des Holzes, welche von den verschiedensten Seiten einliefen, hielt man lange für Fabeln unzuverlässiger Reisender, bis Professor Sargent aus Cambridge Mass., Mr. C. E. Barney aus Dayton O., Dr. J. A. Warder, Mr. Rob. Douglas und Andere es sich angelegen sein liessen, Facta zu sammeln und festzustellen, dass die Dauerhaftigkeit der Catalpa speciosa wirklich alles bisher Gekannte übertrifit. Es ist festgestellt, dass Blöcke, welche über hundert Jahre gefällt auf dem Erdboden gelegen hatten, gesund waren. Nachdem man sie zersägt hatte, zeigte das Holz keine Fäulniss und nahm noch einigermassen gute Politur an, trotzdem es jeder Ein- wirkung der Elemente ausgesetzt war. Zaunpfähle, welche 50 Jahre Dienste gethan hatten, und in einem Falle sogar 75, wurden aufgenommen und gut befunden. Man zerschnitt sie und machte sie zu Musterstückchen zurecht, welche Mr. C. E. Barney vertheilt hat. In der Gegend von Neu-Madrid wurde 1811 ein bewaldeter Land- strich durch ein Erdbeben derart zerstört, dass er in seinen Niveau- verhältnissen verändert und seitdem dauernd überschwemmt ist. Alle Bäume daselbst sind längst ein Raub der Verwitterung geworden, nur die Catalpen ragen aus der öden Wasserfläche als Wahrzeichen früherer Herrlichkeit und haben noch eine gewisse Festigkeit bewahrt. Von zu- verlässiger Seite ist mir mitgetheilt worden, dass durch eine Sumpf- gegend eine Eisenbahn gebaut worden ist, bei welcher die Hälfte der Schwellen von Eichenholz, die andere Hälfte von Coialpa speciosa ge- fertigt waren. Man war genöthigt, dieselben direct auf Moorboden zu legen, welcher der Ueberschwemmung ausgesetzt ist, ohne Kies, Grand oder dergleichen, so dass das Holz fast nie ganz trocken wird. Die Folge davon ist, dass die eichenen Schwellen im Laufe von 11 Jahren der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 377 bereits zwei Mal gewechselt werden mussten, während die Catalpen noch gesund sind. General Harrison fand in Vincennes, Ind., alte Verpallisadirungen und Verhaue von Catalpen aus der Zeit der Franzosen; sie waren noch tadellos. Vincennes war 1702 eine Handelsstation und 1735 eine An- siedelung der Franzosen. Bei Gelegenheit der Besitzergreifung des Terrains für einen Eisenbahnbau in einem der Indianergebiete fiel dem leitenden Ingenieur ein Baumstamm auf, welcher als Steg über ein Flüsschen lag. Der Häuptling des Stammes, ein Greis, theilte mit, dass er von seinem Grossvater wisse, wie dieser bereits als Kind diesen Baumstamm als Brücke benützt habe. Eine Gebrauchszeit von über 100 Jahren ist daher nicht zu hoch veranschlagt und doch war der Baum noch so gesund, dass er mit vollster Ruhe zum Hauptträger einer neuen Brücke verwendet werden konnte. Die ersten, 1879 bei uns erzogenen Pflanzen, sowie die späteren Jahrgänge haben der Winterkälte widerstanden, obgleich die bösen Winter 1879/30 und 1880/31 sie sofort auf eine harte Probe stellten. Es wird nun unsere Sache sein, zu prüfen, welche Localitäten und welche Bodenverhältnisse ihnen am meisten zusagen, Von gutem Auenboden, wie man ihn in den Elb-, Weichsel- und Oder-Niederungen findet, kann man dies wohl ohne Weiteres annehmen. Weniger gedeihen wird die Catalpa speciosa voraussichtlich in Böhmen, Ungarn und dem südlichen Russland. Hauptsache wird immer für uns bleıben, festzustellen, wie der Baum sich den klimatischen Verhältnissen gegenüber zeigen wird, ob sein Holz genügend ausreift, um im Winter durch Zurückfrieren nicht wesent- lich im Wachsthum beeinträchtigt zu werden, denn der mehr oder minder gute Boden würde nur Einfluss auf einen schnelleren oder langsameren Holzzuwachs haben. Eine Vergleichung der europäischen Temperatur- verhältnisse mit denen von Ohio u. s. w. kann uns Anhalt zu Versuchen an geeigneten Orten geben. Mr. Rob. Douglas aus Illinois, einer der bedeutendsten Baumzüchter Amerikas, versichert uns in einem Schreiben neuesten Datums, dass die Catalpa speciosa dort 20 Grad unter Null (Fahrenheit) aushalte, das ist, da der Gefrierpunkt bei + 32 Grad F. liest, — — 28 Grad C. oder — 22 Grad R. Erweist sich dies für die alte Welt stichhaltig, so dürfen wir in ganz Mitteleuropa diese Catalpa zu unseren Bäumen zählen. Vergleichen wir aufmerksam die mittleren Jahrestemperaturen der amerikanischen Distriete, in welchen dieselbe wild wächst, mit den unserigen, so finden wir, dass die Linie von 10 Grad C. mittlerer Tem- peratur mitten durch ihr Gebiet hindurchläuft, und dass sie auf der Linie von 9 Grad noch wild gefunden wird (Wabash, Chicago, Ohio). 378 Jahres - Bericht Mittlere Jahrestemperaturen haaen bei uns (nach Hann, Hochstetter und Pokorny) Hermannstadt 8,8, Berlin 8,9, Graz 9,2, Prag 9,4, Astrachan 9,5, London 9,4, Wien 9,7, Köln 10,1, Dublin 10,1, Strass- burg 10,4, Paris 10,8, Budapest 10,9 Grad C. Zieht man ausserdem in Betracht, dass in Europa unter dem Ein- flusse des Golfstromes die Abweichungen von der mittleren Jahres- temperatur und besonders die hohen Kältegrade geringer sind, als in den östlichen Staaten von Nordamerika, so dürfen wir annehmen, dass die dort gedeihenden Bäume auch bei uns aushalten werden, was uns ja auch durch viele Beispiele bewiesen wird. Wir führen nur an: Quercus rubra, palusiris, coceinea, Juglans nigra und cinerea, Acer dasy- carpum, die Akazie und die canadische Pappel, welche wir alle von dort erhielten. Das Holz der Catalpa speciosa sieht unserem Nussbaumholze am ähnlichsten, jedoch ist es wohl etwas leichter, etwa dem Kiefernholze gleichstehend, doch wage ich hierüber keine bestimmte Angabe zu machen, da ich das specifische Gewicht noch nicht prüfte. Es ist keineswegs schwammig oder grobfaserig, sondern scheint sich zur Politur etwa ebenso zu eignen als Eichenholz. In Anbetracht nun seiner vorzüglichen Widerstandskraft gegen Fäulniss und Zersetzung überhaupt, wäre es von höchster Wichtigkeit, wenn recht weite Kreise von Gutsbesitzern, Gärtnern und Förstern sich der Aufgabe mit unterziehen wollten, den Baum zu prüfen. Zur Abgabe junger Pflanzen bin ich gern bereit. Welche Behandlung verlangen die Form -Obstbäume, um reichlich Früchte zu tragen? Von August Schütz, Fürstl. Hofgärtner in Margarethen a. Moos. Wohl viele Gärtner und Obstfreunde haben mit mir die Erfahrung gemacht, dass die Cultur der Spalier- und sonstigen Form-Obstbäume in Bezug des Fruchttragens eine unlohnende sei, und dass sich die Fruchtbarkeit derselben erst im späteren Alter einstellt. Viel ist über diesen Gegenstand geschrieben worden, und wenn damit auch viel Rath ertheilt wurde, wie die Unfruchtbarkeit dieser Bäume behoben werden kann, so ist damit die Klage über nieht lohnende Erträge dieser Cultur nicht aus der Welt geschafft. Selbst in diesem Jahre, wo alle obstbautreibenden Länder sehr reiche Ernten hatten, sah es mit der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 379 Fruchtbarkeit der Spaliere, sogar in solchen Gärten, welche zum Unter- rieht dienten, sehr traurig aus. Man hat bisher die Ursache der geringen Tragbarkeit lediglich auf die unrichtige Wahl der Unterlage und Sorte geschoben und ist stets bemüht, das kleine Sortiment, welches bei der bisher gelehrten und aus- geführten Schnittmethode sich als ziemlich günstig für die Tragbarkeit erwies, zu vermehren, doch, wenngleich unbestritten sei, dass Unterlage und Sorte grosse Berücksichtigung verdienen, so liest doch der Erfolgs grosser Fruchtbarkeit bei weitem nicht hierin, sondern grösstentheils im Schnitt, oder richtiger gesagt im Nichtschnitt dieser Bäume. Pfirsich und auch noch Aprikosen sind von dem nachstehend Gesagten ausge- schlossen. Als Grundsatz kann aufgestellt werden, dass sich durch den Schnitt nur Formen, aber keine Früchte erzielen lassen, deshalb soll der Schnitt auch nur zur Erreichung der Form angewendet werden. Ausnahmen machen diejenigen Leittriebe, welche weniger entwickelte Augen haben und wo zu befürchten wäre, dass lange kahle Stellen entstehen könnten, doch lässt sich häufig diesem Uebelstande dadurch abhelfen, dass man den Leittrieb in eine ganz wagerechte Lage heftet oder etwas nach ab- wärts biegt, wodurch die schlafenden Augen schon allein zur Entwicke- lung gebracht werden. Ist dennoch ein Zurückschneiden der Leittriebe nöthig, so muss ein möglichst langer Schnitt ausgeführt werden, welcher das üppige Austreiben von Holztrieben nicht zulässt. Da dürfte nun wohl eingewendet werden, dass durch eine solche Behandlung die Leittriebe zu schwach bleiben, und dass man durch stetes Einbrechen der Holztriebe im Sommer dieselben zu Fruchtholz umwandelt, doch ist dies in den meisten Fällen eine Täuschung, der man sich hingiebt, denn je mehr eingebrochen wird, desto mehr treiben diese Triebe, und wenn sich nach oft mehrjährigem Einbrechen Blüthen- holz bildet, so ist es in der Regel hübsch weit vom Leittriebe entfernt, und man ist genöthigt, um nicht ganz aus der Form zu kommen, die Triebe sammt dem Blüthenholz wieder stark zurückzuschneiden und die vergeblich gewesene Arbeit nochmals aufs Neue und nicht selten ebenso vergeblich und ohne Erfolg ein zweites Mal auszuführen. Bei lang oder gar nieht zurückgeschnittenen Leittrieben bilden sich häufig die Augen bald zu Blüthenholz, kommt indessen ein Holztrieb vor, so lässt sich durch Einbreechen der Sommertriebe derselbe leicht zur Blüthenholzbildung bringen. Es ist wohl selbstverständlich, dass sich das Gesagte nur auf die Seitenäste, bei Spalierbäumen auf die Etagen bezieht, und dass die ganze Kunst, um Formenbäume zum Frucht- tragen zu veranlassen, darauf beruht, ein sehr sparsames Austreiben zu Wege zu bringen. 380 Jahres - Bericht Bisher wurde jedoch fast auf den meisten Arten ein kurzer Schnitt ausgeführt und fleissig im Sommer eingebrochen, und der Erfolg davon waren Holztriebe. Gerade das Gegentheil geschieht oft bei der Bildung neuer Etagen, dabei wird wenig Rücksicht auf die Bildung des Mittel- triebes genommen, und wenn der Trieb nur irgend die Länge erreicht hat, welche die Etagenentfernung beansprucht, so wird derselbe in der erforderlichen Höhe abgeschnitten, und das Resultat davon sind zwei kümmerliche Seitentriebe und ein eben solcher Mitteltrieb, oder man ist genöthigt, die Etage tiefer unten zu bilden, wodurch der Baum aber den Anspruch auf regelmässige Form und Schönheit verliert. Tritt der Fall ein, dass der Mitteltrieb schwach blieb, so muss man lieber ein Jahr auf die Bildung einer neuen Etage Verzicht leisten und den Trieb kurz, d. h. auf wenige Augen zurückschneiden, oder wenn derselbe sehr schwach sein sollte, gar kein Zurückschneiden vornehmen, sondern sich selbst erstarken lassen. Nur von starken Mitteltrieben lassen sich regelmässige und starke Etagenäste erzielen. Bei auf solche Weise behandelten Bäumen wird sich immer reich- lich Blüthenholz, und zwar dicht am Hauptaste, befinden; viele Sorten treiben fast nur solches und ersparen die Arbeit des Einbrechens. Muss dennoch bei sehr stark treibenden Bäumen ein Einbrechen angewendet werden, so ist das Eindrehen der Zweige dem Einbrechen bei weitem vorzuziehen. Diese Arbeit verrichtet man am vortheilhaftesten, wenn man den jungen Trieb von der Mitte bis zu seiner Basis zurückdreht und die Drehung durch einen Druck veranlasst, in dieser Stellung zu verbleiben, etwa nach der Art, wie man Weidenruthen anbindet (zwei- maliges strickförmiges Drehen). Dass von dieser Methode Steinobst, und besonders der Pfirsich- baum ausgeschlossen ist, wurde schon anfangs erwähnt, denn bei diesem beruht die Fruchtbarkeit gerade auf der Erzeugung reicher Sommer- triebe, weil derselbe nur an diesen Blüthen ansetzt, weshalb der Schnitt zur Erzeugung deren angewendet werden muss. Bei Pfirsichbäumen tritt jedoch häufig der Fall ein, dass Triebe entstehen, welche von ihrem Ursprung bis einige Centimeter (etwa 4 bis 5) aufwärts keine Augen haben, wohl aber sind an der Basis immer eine oder einige Blüthen; solche Triebe müssen sehr zeitig bis auf diese Blätter ausgebrochen werden, es bildet sich in der Regel dann bald ein Auge, welches einen Trieb mit dichter Augenstellung giebt. Der Zweck ist, um mit dem Blüthenholz immer nahe am Aste zu bleiben. Wenn sich durch Anwendung dieser Methode Viele wieder eifriger mit der Form- und Spalierzucht beschäftigen, so hoffe ich, dass die- selben auch befriedigende Resultate erzielen werden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 381 Ueber einen Versuchsanbau mit dem allerfrühesten Mais von Boronco. Von Gutsbesitzer F. Müller in Domslau. Die durch die Section aus Teneriffa bezogene Saat wurde hier in den ersten Tagen des Mai nach Pferdezahn in frischen Dünger in der- selben Weise, wie dieser nach dem Marqueur, gelegt. Derselbe während des Wachsthums zweimal behackt, entwickelte sich sehr rasch zu mäch- tigen, bis 3,75 m hohen Stauden, welche reichen Kolbenansatz zeigten. Die Reife der Kolben trat Mitte September ein. Der Mais blieb, je- doch ohne dass er durch Witterung oder Vogelfrass Schaden gelitten hätte, bis Anfang November stehen. Die ausgebrochenen schön ent- wickelten Kolben wurden zum völligen Abtrocknen auf einen luftigen Boden geschüttet und im Laufe des Winters entkörnert. Ernte-Re- sultat an Körnern von dem , Morgen grossen Versuchsfelde zwölf Centner. Die Körner wurden hier mit Vortheil bei der Federviehmast, die leeren Kolben und Hülsen als gutes Brennmaterial, und das Stroh mit Stroh vom Pferdenzahn zu Siede geschnitten und mit Rübenschnitzeln eingesäuert als Viehfutter verwerthet. Weitere Versuche sollen zeigen, ob dieser Mais unter ungünstigeren Witterungsverhältnissen, als jenen des vergangenen Herbstes, sichere und gleich hohe Erträge giebt, und sich so den Culturgewächsen anreiht, welche mit Vortheil in unserem Klima gebaut werden hönnen. — Die Behandlung des Saatgutes mit aufgelöstem Kupfervitriol wird demselben sicheren Schutz gegen den hin und wieder aufgetretenen schädlichen Kolbenbrand gewähren. Statistische Notizen von dem derzeitigen Secretair der Section. Zu allernächst sei in vollster Dankbarkeit anerkannt, dass zur Unterhaltung des Obst-Baumschul- una Versuchsgartens hohe Provinzial-Vertretung auch für dieses Jahr die seit längerer Zeit der Section angedeihen gelassene Subvention wiederum in gleichem Betrage wohlgeneigtest gewährte. Diese ansehnliche Unterstützung und gütige Extrabeiträge einer grösseren Anzahl geschätzter Mitglieder gestatteten 382 Jahres - Bericht denn auch die vollständige Herstellung der schadhaft gewordenen Um- friedung dieses Gartens, wie die im Verlauf der Jahre ebenfalls dringend nothwendig gewordene Neubedachung des älteren Theiles des Gärtner- Wohnhauses und gründliche Reparatur der Bedachung des Geräthe- und resp. Packschuppens. Eine Aenderung in der Bewirthschaftung des Gartens hat nicht stattgefunden, weil sich dieselbe andauernd in jeder Beziehung be- währt. Auch wurde in diesem Jahre ausnahmsweise kein neues Ver- zeichniss der Producte der Obst-Baumschule herausgegeben, da weder in den Sorten noch in den Preisen des vorjährigen Verzeichnisses eine Aenderung eintreten zu lassen für erforderlich befunden worden war. Zum Verkauf resp. Abgabe gelangten: 2856 Wildlinge (Quitten), 160 Edelreiser, 2847 Edel-, Kern- und Steinobst-Bäumchen, 3508 Beeren- obststräucher und Weinsetzlinge, 700 Weallnuss- und Zierbäume und Sträucher nebst 3350 Stück Spargelpflanzen. War hiernach der Ueber- gang dieser Erzeugnisse in die Verwendung um Einiges geringer als früher, so kann der Ertrag dafür doch als befriedigend bezeichnet werden. | Die auch für dieses Jahr beschlossene Gratis-Vertheilung von Sämereien, empfehlenswerther Gemüse und Zierpflanzen zum Ver- suchsanbau und späteren Berichterstattung über die gewonnenen QOultur- erfolge wurde gegen Ende März durch den Secretair mit 1860 Portionen Gemüsesamen und 2627 Portionen Zierpflanzensamen an 148 Mitglieder zur Ausführung gebracht. In anerkennenstwerthester Liberalität hatten für diesen Zweck zu denen aus besten, zuverlässigen Quellen bezogenen und aus dem Garten der Section entnommenen Sämereien meist be- deutende und werthvolle Sortimente von dergleichen auch freundlichst übersendet: Frau Gräfin v. d. Goltz, und die Herren Beschorner, Bragulla, Bürgel, Drazny, Frickinger, Friebe, Frühbuss, Gildner, Gireoud, Himmelstoss, Katzke, Klose-Mittel- Steine, Kühnau, v. Minutoli, Nitsche-Laband, Oppler, Peiker, Pfeiffer, Riedel, Scholtz, Seyler, Siegsert, Sybel, L. und P. Teieher- Striegau (in Firma G. Teicher), Weiss und Zahradnick, denen der Secretair noch einige Sorten ergänzend hinzufügte. Jene schätzbaren Zuwendungen waren zugleich Veranlassung, dass der für diese unentgelt- liche Vertheilung zur Verwendung bestimmte Geldbetrag nur sehr unerheblich überschritten werden durfte. Dieser erfreulichen Thatsache ‚gegenüber muss jedoch leider constatirt werden, dass unerachtet der schon öfter dringendst wiederholten Gesuche um möglichst genaue Be- richte über die vorgenommenen Culturen der gratis übersendeten Sämereien und deren Erfolge, namentlich in Bezug auf diejenigen der Gemüse, denselben von deren Herren Empfängern wiederum nur in so geringer Anzahl und dabei zumeist ungenau und mangelhaft Folge ge- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 333 seben wurde, dass es dieses Mal geradezu unmöglich ist, einen für weitere Kreise nützlichen Gesammtbericht darüber erstatten zu können. Möchten die geehrten Empfänger solcher Gratissendungen doch wenigstens freundliche Rücksicht darauf nehmen, dass die grösste Mehrzahl dieser von ihnen gewünschten Sendungen in der Regel einen doppelt und drei- fachen, ja oft einen noch mehrfach höheren Kaufswerth haben, als der an die Section zu leistende Beitrag beträgt, ausserdem aber auch einen häufig nicht erkannten, sehr wesentlichen, unvergüteten Aufwand von Zeit und recht mühsamer Arbeit neben den Beschaffungskosten erfordern, insbesondere jedoch in Betracht ziehen wollen, dass diese Sendungen nicht blos deshalb erfolgen, um ihre Gärten zu schmücken oder in haus- wirthschaftlicher Beziehung auszustatten, sondern vielmehr in der Ab- sicht, auf allerbilligste Weise Vorlagen zur Prüfung zu übermitteln, ob solche ihnen selbst und Andern angenehmer, werthvoller und nutzbrin- gender seien, als früher gekanntes Aehnliche, daher auch in weiteren Kreisen oder zu ferneren Oultivirung zu empfehlen sind. Sollte jedoch die wohlberechtigte Erwartung auf künftige Erfüllung des hiermit er- neuenden Gesuches um die so sehr wünschenswerthen, wirklich in- struetiven Culturberichte auch fernerhin so geringe Berücksichtigung finden, so würden wir uns freilich, wenngleich zu unserem lebhaftesten Bedauern, veranlasst finden müssen, diese unentgeltlichen Sämereien- sendungen bedeutend einzuschränken oder auch ganz aufzugeben, weil ohne solche Berichte der Hauptzweck dieser Sendungen, schnellere Ver- breitung vorzüglicher Gemüse und schönerer Blumenpflanzen, kaum oder doch nur zu oft unverhältnissmässig hohen und mit Risiko der den ein- zelnen Züchter belastenden Kosten erreichbar sein würde. An dem für hiesige Mitglieder gegen einen Extrabeitrag von 3 M. bestehenden Lesezirkel von Schriften gärtnerischen Inter- esses betheilisten sich 41 Mitglieder; im Umlauf in demselben be- fanden sich: 1A Berichte von Vereinen, mit denen die Section durch Schriften- austausch in Verbindung steht; 23 der angesehensten deutschen und fremdländischen gärtnerischen Zeitschriften, zum Theil auch durch Austausch erworben, theils mit vorzüglichen Pflanzen und auf solche bezüglichen Abbildun- sen versehen, und 6 neuestens erschienene Bücher und Broschüren aus verschiede- nen Fächern der Gartenbau-Literatur. Den geehrten Autoren, Vereinen, Herausgebern und Redactionen für die von denselben geschenks- und tauschweise empfangenen Schrif- ten verbindlichst dankend, sprechen wir zugleich die Bitte um fernere freundliche Zuwendungen aus; gern werden wir unsern Dank durch 384 Jahres-Bericht regelmässige, prompte Zusendung unserer Jahresberichte auch ferner be- thätigen. Der Bibliothek der Schlesichen Gesellschaft, Abtheilung für Obst- und Gartenbau, wurden die in dem Lesezirkel cursirten Schriften einverleibt; dieselben stehen dort nach einem, jedem Mitgliede zu- sekommenen Bibliothek-Cataloge beigegebenem besonderen Reglement durch den Custos, Herrn Pastor em. Dr. Schimmelpfennig, auch den aus- wärtigen Mitgliedern zu weiterer recht häufiger Benutzung gerne bereit; es sind dies die hier näher bezeichneten: Belgique horticole.. Annales de botanique et horticole. Red. par Ed. Morren. Tom XXXI et XXXII. Liege 1881 et 1882. Bericht über die Gesammtausschuss-Sitzung des Gartenbau-Vereins für das Grossherzogthum Baden in Schwetzingen am 11. Februar 1883. Nebst Vortrag des Obstbaulehrers Bach über: Welche Mittel sind zu ergreifen, um den Gemüsebau in dem Grossherzogthum zu heben? und: Von dem Anbau welcher Gemüse kann ein besonderer Erfolg erwartet werden? — über die Thätigkeit des Erfurter Gartenbau - Vereins vom Mai 1874 bis dahin 1883. Erfurt 1883. — über die Thätigkeit des Fränkischen Gartenbau-Vereins im Jahre 1882. Nebst Mittheilungen aus den Verhandlungen in den Vereins- Versammlungen. Würzburg 1883. — über die Thätigkeit des Freiburger Gartenbau-Vereins in den Jahren 1880/81 und 1881/82, erstattet von C. Friekinger in Laasan. — über die Thätigkeit des Vereins für Gärtner und Gartenfreunde für die Jerichow’schen Kreise zu Burg und Genthin im Jahre 1879 von OÖ. R. F. Dierich. Genthin 1880. | Cohn, Ferdinand, Professor Dr. Die Frühlingsblumen. Separat-Abdruck aus dem Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1882. Engelbrecht, Th., Auswahl der im Leitfaden aufzunehmenden Apfelsorten. Braunschweig 1883. Garten - Zeitung, Kärntener. Herausgegeben vom Kärtener Gartenbau- Verein. 13. Heft. Klagenfurt 1382. Garten- und Blumen-Zeitung, Hamburger. Herausgegeben und redigirt von Ed. Otto. 38. Jahrg. Hamburg 1882. Garten-Flora. Monatsschrift für deutsche und schweizerische (vom Jahre 1858 an auch für russische) Garten- und Blumenkunde. Heraus- gegeben von Dr. E. Regel. 30. Jahrg. Stuttgart 1882. Gartenschrift, Rheinische. Hauptorgan des Verbandes rheinischer Garten- bau-Vereine. Herausgegeben von dem Gartenbau-Verein für das Grossherzogthum Baden. 16. Jahrg. Karlsruhe 1882. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 385 General - Anzeiger für Gartenbau, Landwirthschaft und Forstwesen. Herausgegeben von Bernhard Freyer. 6. u. 7. Jahrg. Leipzig 1882 u. 1883. Goethe, R., Die Frostschäden der Obstbäume und ihre Verhütung. Nach den Erfahrungen des Winters 1879/80 dargestellt. Berlin 1883. Haupt, Carl Ed., in Brieg. Die Gewächshausbauten der Neuzeit. Separat- Abdruck. Berlin 1883. Jahresbericht des Schlesischen Central-Vereins für Gärtner und Garten- freunde zu Breslau für die Jahre 1881 und 1882. — des Erzgebirgischen Gartenbau-Vereins in Chemnitz. 21. von 1879 bis 1882. Chemnitz 1883. — des Gewerbe- und Gartenbau - Vereins zu Grünberg in Schlesien, 45. u. 47. für die Jahre 1881—1883. Grünberg. — des Kärnthener Gartenbau-Vereins zu Klagenfurt. 9., 10., 11. pro 1880, 1881, 1882. Klagenfurt. — und Programm der K. K. önologischen und pomologischen Lehr- anstalt in Klosterneuburg. 9. pro 1883. Mit Bericht über die in Nieder - Oesterreich als Sechsgabler oder Zweiwipfler bekannten Reben von Professor Emerich Räthey. — des Oberschlesischen Gartenbau-Vereins in Oppeln. 17. pro 1883. — über die Thätigkeit des Gartenbau-Vereins zu Potsdam pro 1881 und 1882, — des Gartenbau-Vereins zu Ratibor pro 1882. —- über die Thätigkeit des Obst- und Gartenbau-Vereins im Kreise Neumarkt. 2. pro 1879, 1880 und 1881. Von A. Töpler. — über die landwirthschaftliche Schule, einschliesslich der Obst- und Gartenbauschule für das Königlich sächsische Markgrafenthum Ober- lausitz in Bautzen. — des Stettiner Gartenbau-Vereins im Jahre 1882. Stettin. Illustration horticole, L’, Revue horticole des serres et de Jardins ete., publie sur la Direetion de J. Linden. Tom XXVIIl. Gand 1881, und Tom XXXIX. Gand 1882. Journal de la societe d’hortieulture de la Bas-Rhin. Tom X Nr. 7 u. 8. Strassburg 1882. — de la societ& nationale et centrale d’hortieulture de France. III. Serie. Tom IV. Paris 1882. Katalog der Bibliothek des Vereins für Pomologie nnd Gartenbau in Meiningen. Meiningen 18383. Lauche, W., Deutsche Pomologie. Chromolithographische Abbildungen. Beschreibung und Cultur-Anweisung der empfehlenswerthesten Kern- und Steinobst- und Weinsorten. Nach den Ermittelungen des deutschen Pomologen-Vereins. Lieferung 40—50. Berlin 1880/81. 1883. 25 386 Jahres-Bericht Lauche, W., Erster Ergänzungsband zu Lucas’ und Oberdieck’s Illustrirtes Handbuch der Obstkunde. Herausgegeben im Auftrage des Deutschen Pomologen-Vereins. Berlin 1883. — Handbuch des Obstbaues auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Ergänzungsband zur Deutschen Pomologie von dem- selben. Berlin 1882. Lucas, Ed., Dr., und Selig, W., Dr., Frostschäden an Obstbäumen. Reut- lingen und Kiel 1880. Mittheilunsen des K. K. Steiermärkischen Gartenbau-Vereins an seine Mitglieder. Neue Folge. Bd. 1. Graz 1832. Monatsberichte der Obst-, Wein- und Gartenbau-Seetion der K. K. Mäh- risch-Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues und der Natur- und Landeskunde. 15. Jahrg. Brünn 1882. Monatsblatt für Gartenbau in Schleswig-Holstein. Neue Folge. 17. Jahr- gang. Kiel 1882, Monatsschrift für Obst- und Weinbau. Organ des schweizerischen Obst- und Weinbau-Vereins. Bedacteur A. Bosshard. 18. Jahrg. Frauen- felde 1832. Obstgarten, Der. Wochenschrift für Obstbau, Sortenkunde und Obst- benutzung. Herausgegeben von August Freiherr von Babo, redigirt von Dr. Rudolph Stoll. 4. Jahrg. Klosterneuburg bei Wien 1882. Orchideen, Die, des kalten und temperirten Hauses; ihre Cultur und Be- schreibung u. s. w. Nebst einer Synopsis aller bisher bekannten Cypripedien. Von F. W. Burbidge. Aus dem Französischen über- setzt von M. Lebl. 2. Auflage. Stuttgart 1832. Schröter, Dr., Ober - Stabsarzt. Ueber die Beziehungen der Pilze zum Obst- und Gartenbau. Separat-Abdruck aus dem Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1832. St. Paul, Vergleichungen der Temperatur-Verhältnisse von Europa und Nordamerika mit Bezug auf den forstmässigen Anbau der Dousglas- Fichte und der Catalpa speciosa. Separat-Abdruck. Berlin 18831. Statut der Königl. Lehranstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim am Rhein, Provinz Hessen-Nassau. Metz. | Statuten der Königl. Landesbaumschule und der Gärtner-Lehransalt in Potsdam. Berlin 1883. | Statut des Gartenbau - Vereins für Sprottau und Umgegend. Sprottau 1882. Vereinsblatt für die Mitglieder des Deutschen Pomologen-Vereins. Her- ausgegeben von dem Vorstande. 3. Jahrg. 1880/81 und 4. Jahrg. 1882. Verhandlungen und Mittheilungen der K. K. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1882 und 1883. Wien. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 387 Verhandlungen der 9. Allgemeinen Versammlung Deutscher Pomologen und Obstzüchter in Würzburg vom 7. bis 10. Oetober 1880. Braun- schweig 1882. — des Gartenbau-Vereins zu Lübeck. Lübeck 1882. Winkler, Geh. Kriegsrath a. D. Bemerkungen über die Keimfähiskeit des Samens der Phanerogamen. Extra-Abdruck. Zeitschrift für Obst- und Gartenbau. Organ des Landesobstbauvereins für das Königreich Sachsen. Herausgegeben von J.B. Brugger und OÖ. Lämmerhirt. 8. Jahrg. Bautzen 1882. Zeitung, Braunschweigische landwirthschaftliche. Mittheilungen des Landwirthschaftlichen Central- Vereins des Herzosthums Braun- schweig. Herausgegeben von dessen Vorstand, redigirt vom General- Seeretair, Oekonomie -Rath Dr. Bürstenbinder, 2. Jahrg. Braun- schweig 1883. Ausser diesen noch: Das Obsteabinet von H. Arnoldi in Gotha. Herausgegeben unter Controle des Thüringischen Gartenbau-Vereins. 58. Lieferung. Hiesige. Auswärtige. Summa. Primo Januar 1883 zählte die Section für Obst- und Gartenbau Mitglieder... .- 85 249 334 Es schieden im Jahre 1883 wegen Verzuges, anderer Veranlassungen wegen une dureh »Dod aus... .......2.\. 5 17 22 | 80 232 312 Dagegen traten in demselben Jahre ein 3 12 15 Mithin blieben Ende December 1883 Seglandın „ee 83 244 327 von denen als Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft beitragsfrei sind... ...... 30 11 41 und zur Unterhaltung des pomologischen und resp. Obst-Baumschul- und Versuchs- gartens gütige Extrabeiträge leisten... . 32° 139 171 25* Jahres - Bericht © [0 2) 00) V1l. Bericht über die Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1885, erstattet von Direetor Dr. Reimann, zZzeitisem Secretair der Section. Am 25. Januar hielt Herr Generalmajor z. D. Köhler einen Vortrag über den Conflict der Stadt Danzig mit der Krone Polen in den Jahren 1576 und 1577. Dieser Conflict bezeichnet den Höhepunkt der Frietion zwischen dem polnischen Adel und dem deutschen !Element in Westpreussen. Nach mancherlei anderen Versuchen hatte ersterer es durch das Lubliner Decret vom Jahre 1569 durchgesetzt, die Personalunion, in der sich Westpreussen seit 1454 zu Polen befand, in eine Einverleibung dieser Landschaft in den polnischen Staat zu verwandeln, . und als Vorwand hierzu die Weigerung der Stadt Danzig genommen, die polnische Com- mission, welche das Danziger Gebiet als Tafelgelder des Königs ein- ziehen sollte, in ihre Mauern aufzunehmen. Die drei grossen Städte Westpreussens, Danzig, Elbing und Thorn, hatten allein einen erheb- lichen Widerstand gegen diese Anmassung erhoben, schliesslich standen die Danziger jedoch in dieser Angelegenheit isolirt da. Zwar söhnten sie sich noch bei Lebzeiten des Königs Sigismund August mit diesem aus, aber mit dem Vorsatze, nach seinem Ableben die Huldigung des neuen Königs von der Anerkennung ihrer Rechte und Privilegien ab- hängig zu machen. Während der kurzen Regierung Heinrichs von Anjou kam es zu keiner Huldigung. Mit dem Regierungsantritt Stephan Ba- toris (1576) war jedoch der Conflict da, zumal sich Danzig der Partei angeschlossen hatte, welche den Kaiser Maximilian von Deutschland zum der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 389 König von Polen gewählt hatte. Danzig stand wiederum bald allein da, da Thorn und Elbing trotz des eingegangenen Versprechens, mit Danzig in Verweigerung der Huldigung zusammenzustehen, dem Könige die Thore öffneten und sich mit dem allgemeinen mündlichen Versprechen desselben begnüsten, die Rechte Westpreussens in demselben Masse an- erkennen zu wollen, wie er es den übrigen Ständen des Reiches eidlich zugesagt habe. Danzig hatte vor diesen Städten den Vorzug, dass es durch Aufwendung bedeutender Mittel sich eine Befestigung geschaffen hatte, welche den Fortschritten der Artillerie, wie sie seit Ende des 15. Jahrhunderts eingetreten, gewachsen war. Der Geist seiner Be- völkerung war ausserdem durch den patriotischen Sinn ihres Bürger- meisters Georg Klefelt geweckt worden. Die Stadt nahm Söldner an und stellte ihre Forderungen, wurde dafür aber am 24. September 1576 in die Acht erklärt. Ein Corps von 3000 Mann unter dem Castellan von Gnesen, Johann von Zborowski, besetzte den Danziger Werder. Der nach Thorn berufene polnische Reichstag sollte über die Mass- nahmen gegen Danzig Beschluss fassen. Danzig wäre zum Frieden ge- neigt gewesen, da Kaiser Maximilian am 12, October gestorben war. Es bat um freies Geleit für seine Abgesandten nach Thorä, das ihm auch mit einigen Einschränkungen zugesichert wurde. Die Bedingungen aber, die der Stadt in Thorn gestellt wurden, waren so masslos, dass sie nicht darauf eingehen konnte. Auch die Fortsetzung der Unter- handlungen im neuen Jahre (1577) in Bromberg, wohin die Abge- sandten dem Könige gefolgt waren, führten zu keinem Resultat. Der König liess sie daher nach Lancie abführen und gefangen setzen. Der Stadt Danzig nahm er das Stapelrecht und verlieh es an Elbing und Thorn. Es wurde ein Reichstag nach Jung-Leslau zusammenberufen, um die Mittel zu der Unterhaltung eines Söldnerheeres zum Kriege gegen Danzig zu bewilligen. | Die Stadt war durch die Internirung ihrer Abgesandten gereizt und liess ihren Zorn zunächst an dem Abt von Oliva, dem erbittertsten Feinde Danzigs, aus, indem sie das Kloster von Grund aus zerstören liess. (Februar.) Im Monat April erfolgte sodann ein Auszug der Dan- ziger gegen das polnische Corps unter Zborowski, das in und um Dirschau eantonirte. Die Danziger erlitten indessen am 17. April 1577 bei Liebschau eine schmähliche Niederlage. Jedoch weit entfernt, dass dies ihren Widerstand gebrochen hätte, ermannten sie sich zu neuer Energie, nahmen zahlreiche Söldner an und wandten sich an mehrere Höfe um Hilfe. Sie wurden namentlich vom Könige von Dänemark unterstützt, der ihnen tüchtige Kriegsobersten, später auch Geld, Kriegs- schiffe und schwere Artillerie übersendete. Der König von Polen erschien am 12. Juni mit einem nur mässigen Heere von 12,000 bis 14,000 Mann vor Danzig und hoffte durch seine 390 Jahres - Bericht Gegenwart und indem er auf die Uneinigkeit der Bürger rechnete, die er durch eine Gesandschaft bearbeiten liess, die Stadt zur Unterwerfung zu bringen. Als er sich darin getäuscht sah, liess er Weichselmünde durch ein besonderes Corps unter dem Starosten von Putzig, Ernst von Weier, angreifen, welcher auch in sofern Erfolg hatte, als es ihm gelang, die Mauerbefestigung des Forts vom linken Weichselufer aus in Bresche zu legen. Da wurde er am 3. Juli durch einen nächtlichen Ueberfall der Danziger Besatzung aufgerieben und seiner Geschütze be- raubt. Der König sah sich in Folge dessen genöthigt, die Belagerung der Stadt am 15. Juli aufzuheben. Er beschloss, sich selbst vor Weichsel- münde zu legen. Die verloren gegangenen Geschütze, für welche das Königreich Polen keinen Ersatz bieten konnte (es waren 14), wurden durch andere, welche Königsberg dem Könige lieh, ersetzt. Dieser be- absichtigte diesmal dem auf dem rechten Weichselufer gelegenen, sehr mangelhaft befestigten Weichselmünde von der Nehrung aus beizukommen und marschirte daher nach dem Weichselhaupt, dem späteren sogenann- ten Danziger Haupt, wo sich der Elbinger Arm abzweigt. Der Ueber- gang erfolgte auf einer Schiffbrücke bei Schmerblock. Der König hielt sich hier längere Zeit auf, um den Danziger Weichselarm abzudämmen, was indessen nicht gelang. Ein Vorschlag der Elbinger, die Weichsel hier nach der Ostsee abzuleiten, hätte zu viel Zeit weggenommen. Da eine Recognoscirung ergab, dass die Nehrung zu versumpit war, um mit schweren Geschützen durchzukommen, musste der König sich ent- schliessen, wieder umzukehren und Weichselmünde vom linken Ufer her anzugreifen. Er marschirte zu diesem Zweck am 7. August bei Danzig vorbei nach der unteren Weichsel gegenüber der Münde, wo am 8. die Belagerungsarbeiten begannen. Die Befestigung derselben bestand aus dem 1482 erbauten Leuchtthurme und einem 1563 darum gelegten Mantel von Mauerwerk, der Kranz genannt, dazwischen war ein Hotf- raum. Bei der Armirung 1576 hatte man zum Schutz des Mauerwerks ein aus Holz und Erde bestehendes Werk herumgelegt, viereckig mit Bastionen in den Ecken. Es gelang bald, das Werk abzukämmen und das Holzwerk durch glühende Kugeln in Brand zu stecken, so dass das Mauerwerk des Kranzes freigelegt und mit Leichtigkeit in Bresche ge- legt wurde. Die Schwierigkeit bestand nur darin, über die Weichsel zu gelangen. Zu diesem Zweck wurde an der Mündung der Weichsel, die damals unmittelbar unterhalb des Forts war (der Grund, wo heut Neufahrwasser liegt, und die ganze Westerplatte war noch See), ein, Seil hinübergespannt und einige Tausend Landsknechte durch Fähren übergesetzt. Unbegreiflicherweise war das von der Besatzung nicht ver- hindert worden. Die Gefahr war daher gross. Zum Glück kamen je- doch zeitgerecht Verstärkungen aus Danzig, darunter auch drei Bürger- fahnen, an. Es gelang, die Landsknechte zurückzuwerfen und auf die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 391 Mole zu beschränken, die von ihnen durch eine steinerne Brustwehr ab- geschlossen wurde. Die Danziger schlossen sie durch eine Brustwehr ein. Dennoch gelang es den Polen, unter dem Feuer des Forts eine Schwimmbrücke herzustellen. Die Gefahr war wiederum eminent, als es einem niederländischen Schiffer, der sich erboten hatte, mit seinem Hooker (Schiff) die Brücke zu sprengen, was dankbar angenommen wurde, gelang, sein Vorhaben auszuführen. Die jetzt auf dem rechten Ufer isolirten Landsknechte in polnischen Diensten meldeten sich als Ueberläufer an, wurden aber bis auf wenige, die sich durch Schwimmen retteten, von ihren Landsleuten im Dienste Danzigs niedergemacht. Der König war in Folge dessen am 3. September zur Aufhebung der Be- lagerung gezwungen und begab sich für seine Person nach Marienburg, wo nach langen Verhandlungen am 12. December der Friede zu Stande kam. Danzig verpflichtete sich, innerhalb fünf Jahren 200,000 Fl. an die Krone zu zahlen und in derselben Zeit das Kloster Oliva durch 20,000 Fl. zu entschädigen, erhielt dafür freie Religionsübung und die Zusicherung seiner Privilegien, die endgiltis erst auf dem nächsten Reichstage bestätigt werden konnten, was auch nach langen Debatten im Jahre 1585 erfolgte. Das Lubliner Decret wurde durch den con- ventus post-comitialis wesentlich gemildert. Am 15. Februar trug Herr Dr. Schroller Culturhistorische Bilder aus Oesterreich - Schlesien vor. Am 1. März las Herr Prof. Dr. Grün hagen über das Ende des Hussitenkrieges und die Zeit nach dem Tode Kaiser Sigismunds, eine Arbeit, die nun in der 4. Lieferung seiner Schlesischen Geschichte abgedruckt ist. Am 15. März las Herr Pastor Dr. Schimmelpfennig über Herzog Karls I. von Münsterberg-Oels und seiner Schwester Margaretha von Anhalt Stellung zur Reformation aus ungedruckten Briefen Herzog Karls. Der Aufsatz ist abgedruckt im 18. Bande der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens, p. 117 — 161. Im Juni besuchten die drei historischen Vereine Bunzlau, wo sie aufs herzlichste aufgenommen wurden, die Sehenswürdigkeiten in Augen- schein nahmen und einen sehr angenehmen Tag verlebten. Sie sind den 392 Jahres - Bericht Bunzlauern dankbar, besonders dem Dr. Wernicke, welcher sowohl einen lehrreichen Vortrag über Keramik mit besonderer Beziehung auf Bunzlau gehalten, als auch eine Menge von interessanten Gegenständen zusammengebracht und im Gymnasium zur Besichtigung aufgestellt hatte, Am 20. September hielt Professor Dr. Grünhagen einen Vor- trag: Culturgeschichtliches aus Schlesien am Ausgange des Mittelalters, und der Secretair las über die Wahl des Erzherzogs Maximilian zum Coadjutor in Köln und Münster 1780. Jener Vortrag bildet den Schluss des ersten Bandes der Schlesi- schen Geschichte, dieser wird in dem zweiten Bande der neueren Ge- schichte des preussischen Staates seine Stelle finden, ebenso wie der Aufsatz, welchen der Secretair am 183. October über das Thema Friedrich II. und Joseph II. in den Jahren 1779/81 vorlas. Am 1. November hielt Herr Prof. Dr. Caro einen Vortrag über den Krieg um die böhmische Krone im Jahre 1474, Am 15. November hielt Herr Dr. Markgraf einen Vortrag zur Geschichte des Gewerbe- und Handelsbetriebes in Breslau, abgedruckt im 18. Bande der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens, p. 171 f. Am 27. November hielt Prof. Dr. Fechner einen Vortrag über die handelspolitischen Beziehungen Schlesiens zu Oesterreich von 1740 bis zum zweiten schlesischen Kriege. Da die Lage des schlesichen Handels vor der preussischen Oceu- pation eine sehr günstige war, obgleich die üblen Folgen der Reduetio- nen noch nicht verwunden waren, hatte der schlesische Handelsstand kein Interesse daran, etwas Wesentliches in seinen Verhältnissen zu Oesterreich geändert zu sehen, es wäre denn die von den Kaufleuten allezeit gewünschte weitere Herabsetzung der an sich schon nicht hohen Zölle oder völlige Handelsfreiheit gewesen, und auch Friedrich der Grosse trat ohne jede Voreingenommenheit für ein handelspolitisches System an die Frage von der Regelung des Handels mit Oesterreich heran. Er liess sich demgemäss im Breslau-Berliner Frieden den Status der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 393 quo des Handels verbürgen, mit der Massgabe, dass unverzüglich Com- missare zur Vereinbarung eines Handelstractats ernannt werden sollten, bis zu dessen Abschluss es beim Status quo verbleiben sollte. Indess geschah von beiden Seiten nichts zur Erfüllung jener Clausel. Schlesien fühlte sich durch den Status quo völlig befriedigt. Jedoch hatte Friedrich der Grosse einige Anordnungen getroffen, die Oesterreich später mit srossem Geschick als Aenderungen im Status quo zu deuten wusste. Er hatte während des ersten schlesischen Krieges die Aceise auf preussi- schen Fuss eingerichtet, d. h. die Landaceise abgeschafft, die städtische dagegen mehrfach erhöht. Davon war besonders der ungarische und österreichische Wein betroffen worden, der vom Berliner Eimer 3 Thlr. geben musste. Ferner war böhmisches Glas viel höher angesetzt, als einheimisches und märkisches. Hingegen wurden Zucker, Fett und Fisch- waaren im Zoll erniedrigt, damit ihr Absatz ins Oesterreichische erleich- tert würde. In der Grafschaft Glatz, die früher zu Böhmen gehört hatte, liess Friedrich d. Gr. eine Zollgrenze, wie sie vor 1737 bestanden hatte, gegen Böhmen aufrichten. Oesterreich seinerseits verletzte viel- fach den Status quo, und obgleich es sich, noch von Feinden bedrängt, gegen Recriminationen mehrfach nachgiebig bewies, war die Redressur immer nicht von langer Dauer, und die Ungleichmässigkeit des von den Beamten eingeschlagenen Verfahrens übte auf den Handel eine störende Wirkung aus. Die unter der bayerischen Verwaltung in Böhmen auf Leinwand und Tuch aufgelegten Zollaufschläge wurden zwar von der österreichischen Regierung zeitweise abgeschafit, lebten aber später, zum Theil wenigstens, in aller Stille wieder auf. Landeshuter Krämer wurden auf dem Markt in Trautenau hoch besteuert, Hirschberger Tuchmacher am Verkauf gehindert. In Oesterreich - Schlesien wurde ein unrecht- mässiger Garnausfuhrzoll gegen Preussisch-Schlesien erhoben, ebendort wurde Transitzoll von Waaren genommen, die durch beide Schlesien singen, in Mähren wurden die schlesischen Waaren über ihren Werth taxirt, und die Schocke Leinwand anders gerechnet, so dass das Resultat einer sehr bedeutenden Zollerhöhung gleichkam. Friedrich der Grosse liess durch seinen Gesandten, den Generallieutenant Grafen Dohna, Be- schwerde beim Wiener Hofe erheben, dieser aber benutzte einen kleinen Irrthum der preussischen Behörden, um in sehr empfindlicher Weise die Beschwerde zurückzuweisen, so dass der König sogar den betheiligten Beamten eine Rüge zukommen liess. Liebauer Strumpfwirker waren in Trautenau nicht zum Markt zugelassen worden; die Beschwerde, die von Landeshut ihren Ursprung nahm, bezeichnete sie als dieser Stadt angehörig. Da brachte die österreichische Regierung Atteste herbei, dass Landeshuter Strumpfwirker seit Menschengedenken den Markt in Trautenau nicht besucht hätten. Damit brachte sie geschickt auch andere Klagen einstweilen zum Schweigen. Eben fing der Handel mit Oester- 394 Jahres - Bericht reich an, sich wieder aufzunehmen, als der zweite schlesische Krieg ausbrach. Die Versuche Oesterreichs, in Troppau eine Coneurrentin Breslaus zu erschaffen, den Handelsverkehr von Galizien nach Sachsen über Oesterreich-Schlesien zu Jenken und schlesische Kaufleute und Fabrikanten zur Auswanderung nach Oesterreich zu verlocken, hatten nur geringen Erfolg. Friedrich der Grosse hatte jedoch seinerseits die grossen Handelshäuser in Neustadt von Einquartierung befreien müssen, um ihre Uebersiedelung nach Oesterreich zu verhüten. Am 13. December hielt Herr Generalmajor z. D. Köhler einen Vortrag über die Schlacht bei Tagliacozzo, der dann im Verlag von Wilh. Köbner gedruckt erschien mit einer Fluss- und Wegekarte von Mittel-Italien und einem Croquis des Schlacht- feldes von Tagliacozzo. Be ne u ai 4 Si ner Dada. SE aan ul. Du 0 a iu a ae der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 395 NZELT, Bericht über die Thätigkeit der geographischen Section im Jahre 18833, abgestattet von Dr..J. G. Galle, zeitisem Secretair der Section. In der Sitzung vom 9. Mai sprach Herr Dr. Hermann Kunisch über das schlesisch-böhmische Erdbeben vom 31. Januar 1883, welcher Vortrag, um die Veröffentlichung desselben nicht zu sehr zu verspäten, bereits in den Jahresbericht von 1882 (8. 318—344) aufge- nommen ist. | In einer zweiten Sitzung am 5. December trug Herr Prof. Ferd. Cohn einen Bericht | über die in Folge der Eruption des Krakatau vom 26. bis 28. August c. in der Sundastrasse eingetretenen Erscheinungen vor, welchen unser correspondirendes Mitglied, der Oberstabsarzt in der niederländisch-indischen Armee, Dr. Fritz Schneider, von Soerabaya am 10. October c. abgeschickt hatte. Krakatau ist ein 800 m hoher vulca- nischer Pik, an dessen Nordseite ein zweiter niedrigerer Krater sich befand, in der Mitte der Meerenge zwischen Sumatra und Java gelegen; seit 1680 hatte keine Eruption stattgefunden; Ende Mai dieses Jahres erwachte die Thätigkeit wieder; am 26. August wurde kanonenähnlicher Donner mit Erd- und Seebeben bis in 130 Meilen Entfernung verspürt, in der Nacht gerieth die See in der Sundastrasse in heftige Bewegung; in West-Sumatra fiel vuleanische Asche; am 27. August zwischen 4 und 6 Uhr des Morgens wälzten sich mehrere Fluthwellen, mit ungewöhn- 396 Jahres- Bericht lichen Ebben abwechselnd, über die flachen Küsten von Süd-Sumatra und Nord-Java; die Fluth staute sich in dem engen Canal bis zu 34 m Höhe und rasirte alles, was sich auf ihrem Wege befand, erst die 1 bis 4 englische Meilen von der Küste entfernten Hügelketten setzten ihrer Verheerung Schranken; eine Menge Küstenstädte mit allen ihren Be- wohnern wurden ins Meer gespült; die entfernteren Orte erreichte die Fluth erst ein Paar Stunden später, Batavia bis 10 m Höhe um 10 Uhr. Von 9 Uhr Morgens ab wurde der Aschen-, Schlamm- und Steinregen so dicht, dass der Himmel wie in tiefer Nacht verfinstert wurde; der Wind trieb Bimssteinlapilli in nördlicher Richtung fort, wo sie das Meer mit einer 2'/, Fuss dicken Schicht bedeckten und tief ins Innere von Sumatra hineinfielen. Vulcanasche fiel in einem Umkreis von 60 Meilen, bedeckte die Nordküste von Java mit 2'/, Fuss dieker Schicht, 4 Meilen landeinwärts nur in dünner Lage. Was während dieser Zeit eigentlich im Krakatau vorging, scheint kein menschliches Auge beobachtet zu haben; als am 28. die Atmosphäre wieder klar wurde, zeigte sich der nördliche Krater des Piks eingesunken, zwischen ihm und der Südspitze von Sumatra ein Riff gehoben, auf dem zahlreiche .rauchende Krater über das Meer gestiegen sind. Die ungewöhnliche Fluthwelle wurde am 27. August an den Küsten des indischen Oceans bis zu den Maskarenen, am 28. und 29. August an denen des stillen Oceans bis Südamerika verspürt. Eine von Herrn Fritz Schneider entworfene Kartenskizze der Sundastrasse erläuterte den Bericht. Herr Professor Arzruni berichtete über einen Ausfiug, den er, bei Gelegenheit eines mehrwöchentlichen Aufenthalts in Kaukasien während der letzten Herbstferien, von Tiflis aus in die Provinz Gandsak (Elisabethpol) unternahm. Unter Vorlage topographischer Karten der kaukasischen Abtheilung des russischen Generalstabes wurde das Kur-Thal und ein Theil des Gebietes am Nordabhange des kleinen Kaukasus geschildert und u. a. hervorgehoben, wie irrthümlich die Vorstellung, dass diese alten armeni- schen Provinzen jetzt nicht mehr vorwiegend von Armeniern bevölkert seien. Blos auf dem flachen Lande ist die Bevölkerung theilweise eine tatarische (richtiger gesagt muselmanische — denn welchem Stamme sie angehört, dürfte wohl noch festzustellen sein); neben derselben kommt aber auch eine aus Armeniern, deutschen Colonisten und russischen Sectirern (Duchobören und Molakänen) bestehende in Betracht. Das Gebirgsland ist dagegen fast ausschliesslich von armenischen Ackerbauern bewohnt, die sogar noch die bei den armenischen Geschichtsschreibern (z. B. von Kirakös von Gandsak, um 1260) erwähnten Ortsnamen in ihrer Reinheit bewahrt haben, während die Tataren diese Namen ent- weder corrumpirt oder in ihre Sprache übersetzt haben. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 397 Die ganze Gegend ist nicht nur für den Naturforscher, sondern auch für den Archäologen und Ethnographen von hohem Interesse, denn sie ist ausserordentlich reich an alten (historischen wie prähistorischen) Ueberresten, welche sämmtlich noch nicht erforscht, ja zum kleinsten Theile bekannt sind. Herr Dr. Kunisch theilte unter Vorlegung der bezüglichen Abhand- lung mit, dass Herr Professor Laube in Prag, welcher das schlesisch- böhmische Erdbeben vom 51. Januar c. von österreichischer Seite be- arbeitete, im wesentlichen zu denselben Resultaten gelangt ist, wie der Referent. Die genaue Bestimmung des ÖOberflächenmittelpunktes und Tiefenausgangspunktes ist Herrn Laube ebenfalls nicht gelungen. Trotz- dem ist er auf die Ursache des Erdbebens eingegangen und schliesslich zu der Meinung gelangt, dass die erstere in einer horizontalen Ver- schiebung der Erdschichten im Aupathale (NNW—SSO) gelegen ist. Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1883. Höhe des Barometers über dem ÖOstseespiegel bei Swinemünde = 147,35 m. 1. Barometerstand, li. Temperatur 1883. redueirt auf 0° Celsius, der Luft in Graden nach in Millimetern. . . Celsius. a P : Ö ! = © : n e) oe | ee er aa |. 2 a = mm mm mm | o (0) 0 | 6 zT 26 59% 508 |2 50: 95 12 110 - 1% Dh ız ck, ı 201) 5451| 3 \2100 >20 | 85 07 März ....... 3 can a 53 A 95 55 | 105.090 April... Zols s00 52ıı 0850| > © ıos 6 | 18. 505 Me. Bess za ao Te 555 + 10: 19,0 m... 29 5541 19 | 365 | Azen|ı 8 2.979 94 |1 80.1 1713 Aula..." 1 54.9 114 18) 40,8 | 46,31 | 13 |+ 322] 19 + 10,1|-+ 18,60 Aususeı...| 19 | 56,6 | 10. 40,8 | as10| 15 |+ 271) 14 |+ 9,8|+ 16,69 September.! 14 | 550 |228| 355 | 4721| 1 |+ 284 25 |+ 3,2) + 14,32 Oxoben ...| a als. ara Sa oe November.| 28 | 68| 6 | 3237 | Asaı| 8 \+125| 25 |- 14+ 458 Deeember | 31, 647 | 4 | >51| 4809| 14 4 83. 7 -108+ 05 Jahr le | an. ee Me. 3,04 398 Jahres - Bericht II. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken- 1883. a. absolute, b. relative, bildung und in Millimetern. in Procenten, Niederschläge. = PR=E- m > a = S o |A 2 ® Hort ana] als ee eu ara nz. a NanıkanuEalE Tage Se mm mm mm : mm Januar ...| 2 7.016 7| 1,3 | 3,32 J|öfter|]100|) 20 |38| 76,5] 5 | 14] 12| 25,13 Februar ..| 22 | 6,9 öfter! 1,9| 3,94 4 5100 19 \49|79,8| 4 | 15] 9| 18,39 März ..... 18 | 53| 21 | 1.0 | 2,96 löfter|100| 31 |34|74,1| 4 | 17| 10) 16,16 April..... 25 | 85! 19 | 2,8! 4,77 |löfterı100| 19 |2774,5| 4 | 11! 15| 15,69 Mi... 27 | 11,8) 7|38| 718) 21 100) 8 129166,5| 5 | 19 7| 33,92 ar are: 8 | 132| 6 | 48| 9,35] 19 |100jöfter| 2567,51 9 | 10) ı1| 92,45 13 14 15.9 | 19 | 6.6 110,66 öfter 1002 3/32] 8.e| 3 | 19) 9 141.91 August 22 | 14,9| 8 | 5,8 10,06|| 2 |100l12 18] 40 72.4| 6 | 19) 6| 92,29 September} 2 | 13,3) 25 | 5,3| 8.83 || 23 1100| 7 138 74,11 418 78| 50/25 October..| 18 | 102) 7 | 4,2| 6,9621 27!100| 18 144 78.4| 0 | 21) 10| 25,52 November| 8 | 7,9| 30 | 3.1 5,10öfter]100| 50 |49|80,3| 3 | 151 12| 17,33 December | 27 62| 7 | 1,5| 4,04 jöfter|1O0| 15 |551 84,2] 2 | 9) 29| 38,53 Jahr | = | 15,9] u | 10/68 1100 2 13 74,7 49 187, 129 |567,55 V. Herrschende Winde. Januar. Die häufigste Windrichtung war SO. Februar. Der dritte Theil der beobachteten Winde war südöstlich, nächstdem kam die ea Richtung (NW) am häu- figsten vor. März. Der Wind wehte während dieses Monats vorherrschend aus NO, doch kamen O-, W- und NW-Winde nahe in gleicher An- zahl vor. April. NW-Winde waren vorherrschend, doch waren N- und NO-Winde annähernd ebenso häufig. Mai. Die am häufigsten beobachteten Windrichtungen waren NW und W, hiernächst SO und ©. | Juni. Mehr als der vierte Theil der beobachteten Winde war nord- westlich, nächstdem kamen SO, NO, Nordwinde und Windstillen fast in derselben Anzahl vor. | Juli. Südwest- und Westwinde kamen in gleicher Anzahl am häu- figsten vor, weniger oft SO und NW. August. Der Wind wehte überwiegend aus dem westlichen Theile der Windrose, und zwar waren NW- und W-Winde am häufigsten, weniger oft SW. September. Von den Windrichtungen dieses Monats waren NW, SW, S etwas überwiegend über SO und ©. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 399 October. Es waren unter den Windrichtungen in ungewöhnlichem Masse die südlichen Richtungen S, SW und SO vorherrschend, demnächst folgten W und NW. November. Wie im vorigen herrschten auch in diesem Monate die südlichen Windriehtungen SW, SO und S in ungewöhnlichem Grade vor. December. Von den Windrichtungen waren NW und demnächst SW und W weit überwiegend. VI. Witterungs- Charakter. Januar, Wärme und Luftdruck überstiegen in diesem Monat beide den Mittelwerth. Die Feuchtigkeit war bei den vorherrschenden Südostwinden durchschnittlich ausserordentlich gering, ebenso vom 5. ab das Quantum der Niederschläge, das nur dadurch seinen normalen Werth erreicht hat, dass sehr starke Regen in den ersten 4 Tagen des Monates stattfanden. Schnee kam nur spärlich vor; überhaupt war heiteres und trockenes Wetter in einem grossen Theile des Monates, besonders in der Zeit vom 9. bis 15., überwiegend. Februar. Der Luftdruck war in diesem Monate bei den vorherrschen- den südöstlichen Winden ausser an den beiden ersten und dem letzten Tage ununterbrochen hoch und über dem Mittel. Ebenso war die Wärme um 2 Grad höher als sonst in diesem Monate und sank nur in der dritten Woche einige Tage hindurch unter den Mittelwerth. Die Feuchtigkeit der Luft war nahe normal, das Quantum der Niederschläge dagegen betrug kaum die Hälfte des Durchschnittswerthes und eine länger andauernde Schnee- decke bildete sich ebenso wenig wie in den vorhergehenden Monaten dieses Winters, März. Der diesjährige März war im Mittel um 2',65 kälter als der Februar und selbst um 0,63 kälter als der Januar, überhaupt der kälteste Monat des ganzen Winters, wie letzteres bisher nur in den Jahren 1796, 1808, 1825 und 1853 hier vorgekommen ist. Eine gleich niedrige mittlere März-Temperatur hat hier seit 30 Jahren (1853) nicht stattgefunden. Auch jeder einzelne Tag blieb erheblich unter dem Normalwerthe, der 17. März um 12°; nur am 1. u. 26. erhob sich die Wärme um ein weniges über denselben. Luftdruck und Feuchtigkeit waren ebenfalls unter ihrem Durchschnittswerthe. Das Quantum der Niederschläge be- trug weniger als die Hälfte des Mittelwerthes; im übrigen waren dieselben häufig und bestanden vorzugsweise aus Schnee, jedoch meist auch nur in geringen Quantitäten. 400 April. Mai. Juni. ul Jahres-Bericht Auch die Temperaturen des April blieben wie die des März stetig unter ihrem normalen Werthe, nur am 24. und 25. sich ein weniges darüber erhebend; im Mittel war die Wärme um 2°,6 tiefer als gewöhnlich. Der Luftdruck war in den ersten 3 Wochen meist über, dann unter dem Mittel. Das Wetter war viel wechselnd, oft neblis, ganz klare Tage fehlten ganz. Niederschläge waren häufig, auch an 4 Tagen noch Schnee; das Quantum derselben erreichte jedoch nicht die Hälfte des Durch- schnittswerthes. Die Wärme erreichte in diesem Monate unter mehrfachen Schwankungen nahezu ihren normalen Werth, auch der Luft- druck blieb nicht viel unter demselben, war jedoch in den ersten 11 Tagen vorwiegend tief und erst in den folgenden 20 Tagen meist über dem Mittel. Die Feuchtigkeit der Luft war normal. Niederschläge waren der Zahl nach häufig, eine stärkere Regen- menge (16 mm) fiel jedoch nur am 21., so dass die gesammte Menge gegen den Durchschnittswerth sehr zurückblieb. Ganz heiteres Wetter trat bei Südostwinden vom 13. bis 15. (den Pfingsttagen) und gleichfalls ziemlich heiteres und warmes Wetter vom 26. bis 31. ein. Das Wetter war in diesem Monate vorwiegend schön, warm und sommerlich, nur in den 9 Tagen vom 17. bis 25. fand bei nord- westlichen und nördlichen Winden und unter anhaltendem Regen ein sehr bedeutender Rückschlag der Wärme statt, so dass der monatliche Durchschnitt den normalen Werth nur um 0°,6 über- stieg. Das Tagesmittel sank am 20. bis auf 10 Gr. C. herab und es fiel an diesem Tage in Breslau und besonders im schle- sischen Gebirge unter heftigem Sturme eine so ungewöhnliche Regenmenge, dass in ganz Schlesien grosse Ueberschwemmungen und Wasserschäden eintraten. Die gesammte vom 11. bis 25. gefallene Regenmenge übertraf den normalen Werth dieses Monates fast um die Hälfte. Der Luftdruck war vom 5. bis 11. und in der kalten Regenzeit vom 16. bis 24. unter, sonst über dem Mittel, die Feuchtigkeit der Luft war im Durchschnitt normal. Die Wärme war in der ersten Hälfte des Monates über, in der zweiten unter dem Mittel, der Barometerstand ausser in den ersten 4 Tagen durchgängig ein niedriger. Unter vorherrschen- den westlichen Winden war der ganze Monat sehr regenreich mit zahlreichen Gewittern, so dass die Regenmenge das Doppelte des Durchschnittswerthes betrug und nur 9 Tage regenfrei waren. Es fanden daher auch in diesem Monate wiederum mehr- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 401 fach ein Austreten der Flüsse und Ueberschwemmungen, sowie verschiedene Gewitterschäden statt. August. Die Wärme dieses Monates war, mit sehr geringen Aus- nahmen, während der ersten 20 Tage stets unter ihrem Durch- schnittswerth und nur die gegen das Ende des Monates ein- tretende grössere Erwärmung war die Ursache, dass das Monats- mittel gegen den normalen Werth nur um 1 Grad zurückblieb. Der Luftdruck stellte sich im Mittel als ein fast ganz normaler dar, jedoch unter mehrfachen, oft recht bedeutenden Schwan- kungen, dem entsprechend auch das Wetter im Allgemeinen sich als ein veränderliches kennzeichnete. Die Luftfeuchtigkeit und der Dunstdruck waren normal. Die Regenmenge überstieg den Durchschnittswerth um beinahe 10 mm, doch nur die äusserst ergiebigen Regenfälle an den drei ersten Tagen des Monates — an denen 85 mm Regen fielen, welcher Betrag den Durchschnittswerth schon um 3 mm überstieg — konnten diesen Ueberschuss hervorbringen, da während des ganzen übrigen Monates die Niederschläge nur höchst spärliche, von Gewitter- regen herrührende, waren. September. Der Luftdruck war vorwiegend unter und nur an zehn Tagen, vom 10. bis 19., über seinem Mittelwerthe. Die Wärme, öfter wechselnd, war durchschnittlich über dem Mittel; eine Anzahl schöner, trockener und wärmerer Tage fand besonders in der Mitte des Monates bei östlichen Winden statt. Völlig klare Tage kamen im ganzen Monate nicht vor, vielmehr waren Wetter und Himmelsbedeckung vielfachem Wechsel unterworfen ; zeitweise war das Wetter auch regnicht. Die stärksten Regen- mengen fielen am 22. (bei östlichem Winde) und am 23. (bei westlichem Winde); die Monatssumme des Regens überstieg etwas den Mittelwerth. October. Der Luftdruck war im Anfange des Monates niedrig, dann veränderlich und zu Ende des Monates hoch, im Mittel nahe normal. Die Wärme erhob sich unter geringen Schwankungen ebenfalls nur wenig über den Mittelwerth; etwas unter den Ge- frierpunkt sank das Thermometer nur am 24. einmal. Auch die Feuchtigkeit der Luft war normal. Das Wetter war vor- herrschend trübe, mit häufigem, zuweilen starkem Nebel. Auch Niederschläge waren häufig, jedoch erreichte ihre Summe nicht sanz den Mittelwerth. November. Die Temperatur des November war eine sehr gleich- mässige, wenig schwankende und hielt sich fast 2 Gr. über dem Mittelwerthe; etwas Nachtfrost kam nur an 3 Tagen vor. In grösseren Schwankungen bewegte sich der Luftdruck. Die mitt- 1883. 26 402 Jahres-Bericht lere Feuchtigkeit der Luft war erheblich unter dem Durch- schnittswerthe des Monates; auch die Niederschläge erreichten nur die Hälfte ihres Normalwerthes und bestanden wie im October nur aus Regen, der an 16 Tagen, aber immer nur in geringeren Quantitäten, vorkam. Das Wetter war vorwiegend gemischt und trübe, theilweise mild, an ungewöhnlich vielen Tagen mehr oder minder neblig. December. Die mittlere Wärme des December war höher als im Durchschnitt; an 16 Tagen kam gelinder Frost vor, aber nur an 9 Tagen während des ganzen Tages andauernd. Der Luft- druck war mehreren starken Schwankungen unterworfen, nament- lich vor dem Schneefall am 5., und blieb im Durchschnitt unter dem Mittel. Die Feuchtigkeit und das Quantum der Nieder- schläge waren normal; aus Schnee bestanden letztere nur zum kleineren Theile. Das Wetter war vorherrschend trübe, regnicht und neblig. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 403 Nekrologe. | Nach nur viertägigem Krankenlager endete am 5. Januar 1883 ein sanfter Tod die jahrelangen Leiden des hiesigen Kaufmanns Heinrich Rudolph Tietze, seit 1858 Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. Bin Sohn des in der hiesigen Kaufmannswelt hochgeschätzten und unver- sessenen Oolonialwaarenhändlers Heinrich Wilhelm Tietze und 1819 am 22. März geboren, verdankt er seine Gymnasialbildung dem hiesigen BWlisabethan, welches er nach Absolvirung der Secunda mit dem Zeug- niss der Reife für Prima verliess, um sich unter der Leitung seines Vaters zum Kaufmann auszubilden. Bei zunehmender Altersschwäche des Vaters trat er mit seinen beiden älteren Brüdern als Mitinhaber in die Handlung ein, die nach dem Tode des Vaters und dem Ableben des ältesten Bruders von ihm und seinem noch lebenden Bruder ge- meinschaftlich fortgeführt und umsichtig geleitet zu einer der ange- sehensten Firmen des hiesigen Platzes aufblühte. Doch nicht allein als Kaufmann erfreute sich der Verstorbene allgemeiner Achtung, auch auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft hat sein Name einen guten Klang. Sein reges Interesse für beide bethätigte er nicht nur durch seinen Eintritt in die Schlesische Gesellschaft, sondern auch durch ernste wissenschaftliche Arbeit. Die Astronomie hatte es ihm angethan. Be- obachtungen am gestirnten Himmel anzustellen, war ihm Freude und Erholung, und seine Mittel erlaubten ihm, sich die besten Instrumente dazu anzuschaffen; er überwies sie, als körperliche Leiden ihm nächt- liches Beobachten nicht mehr gestatteten, der hiesigen Universitäts- Sternwarte. Der grosse Refractor auf derselben ist sein Geschenk. Auch gehörte der Verstorbene zu den Begründern des hiesigen Alter- thumsmuseums, und wo es galt, demselben seltene, werthvolle Gegen- stände zuzuführen, scheute er keinerlei persönliche Opfer. Ein gleich reges Interesse widmete er den schönen Künsten, und unsere Gemälde- Galerie verdankt ihm mehrere werthvolle Zuwendungen. Wenig glück- lich war er dagegen als Mitactionär des hiesigen Stadttheaters. Sieben Jahre an der Pacht desselben betheilist, blieben Geldopfer, die er brachte, um es auf die einer Stadt von der Grösse und Bedeutung 26* 404 Jahres-Bericht Breslaus entsprechende Höhe zu heben, völlig erfolglos. Doch damit war der Kreis seiner Thätigkeit nicht beschlossen. Als Stadtverordneter und namentlich als Mitglied der Einschätzungs-Commission hat er mit seiner Personen- und Geschäftskenntniss dem Gemeinwohl nicht zu unterschätzende Dienste geleistet und als Mitglied des Verwaltungs- rathes der Freiburger Eisenbahn zu dem Gedeihen dieses für die Pro- vinz so wichtigen Schienenweges redlich das Seine beigetragen. Als Besitzer des Gutes Hertwigswaldau bei Jauer und der dortigen Zucker- ‚fabrik beschäftigte er Hunderte von Arbeitern, für deren Wohl gewissen- hafte Sorge zu tragen ihm Herzensbedürfniss war. Christliche Wohl- thätigkeit zu üben, bildete einen Grundzug seines Charakters, doch durfte die linke Hand nicht wissen, was die rechte that. Für die wohl- thätigen Anstalten Breslaus, die er reichlich und freigebig unterstützte, war sein Tod ein herber Verlust. So bleibt ihm in weiten Kreisen für immer ein ehrenvolles Gedächt- niss gesichert. Ueber den Lebensgang des am 14. Januar 1885 verstorbenen schlesischen Literaturhistorikers Nowack brachte die Nr. 33 der Schle- sischen Zeitung folgende Notizen: „Karl Gabriel Nowack wurde den 8. Januar 1807 in der Stadt Brieg geboren, zu deren Garnison sein Vater gehörte. Den ersten Schulunterricht erhielt er in Leobschütz, wohin sein Vater, der bei der Belagerung von Brieg eine schwere Ver- letzung erlitten hatte, versetzt worden war. Auf den Gymnasien zu Leobschütz und Gleiwitz erlangte Nowack, der mit angestrengtestem Fleisse den Studien oblag, die Vorbildung für die Universität. Nach- dem er die Abiturientenprüfung mit Auszeichnung -bestanden, bezog er die Universität Breslau, um Philologie zu studiren. Auf Passows Em- pfehlung wurde ihm bald die Stelle eines Amanuensis an der König- lichen und Universitätsbibliothek übertragen. Seine Studien setzte er länger als ein Triennium fort; vom Jahre 1828 bis 1831 war er Mit- glied des philologischen Seminars. Im letzten Halbjahr seiner Studien- zeit wirkte er als Lehrer an dem technischen Institut des Dr. Jahn, und in den Jahren 1834/35 als interimistischer Lehrer an der Königlichen Divisionsschule. Nachdem er zu jener Zeit bereits als Mitarbeiter für die schlesischen Provinzialblätter und das Literaturblatt von und für Schlesien thätig gewesen, führte ihn 1836 das Vertrauen des Ober- Regierungsrath Sohr zu einem näheren Verhältniss zu diesen Blättern, In demselben Jahre gab er das erste Heft seines Schlesischen Schriftsteller-Lexikons heraus, von welchem im Ganzen sechs Hefte erschienen sind; er bot in ihnen „ein bio-bibliographisches Ver- zeichniss aller Schriftsteller der Gegenwart, welche entweder in Schle- sien lebten oder geboren waren, um so zur Begründung eines allge- meinen, die ganze Literaturgeschichte Schlesiens umfassenden Werkes der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 405 beizutragen.“ Vom Jahre 1845 bis 1849 leitete er, sich lebhaft für die damaligen 'Theaterverhältnisse interessirend und mit den hervor- ragendsten Künstlern in Verbindung stehend, selbstständig die Heraus- ausgabe der Schlesichen Provinzialblätter, nach deren durch die ungünsti- sen Zeitverhältnisse des Jahres 1849 veranlasstem Eingehen er in die Redaction der Schlesischen Zeitung eintrat, in welcher er beinahe ein Vierteljahrhundert hindurch mit rühmenswerther Gewissenhaftigkeit seinen Pfliehten als Mitarbeiter an der Zeitung treulichst nachgekommen ist. Als die Beschwerden des Alters und. ein Augenleiden ihn nöthigten, von jeder literarischen Thätigkeit Abstand zu nehmen und in den wohlver- dienten Ruhestand zu treten, führte ihn der Wunsch, mit der Redaction in Verbindung zu bleiben, doch noch täglich nach der bisherigen Stätte seines Wirkens, die ihm so zu sagen ein zweites Heim geworden war. Im October 1882 liessen seine Kräfte jedoch so bedeutend nach, dass er sich nach einem ruhigen, eine geordnete Pflege bietenden Asyl sehnte, und so zog er, wie es sein Freund Holtei einige Jahre zuvor gethan, in das Kloster der Barmherzigen Brüder, wo er, bis zum letzten Augenblicke sich der sorgsamsten Obhut erfreuend, in der Frühe des 13. Januars 1883 sanft ins bessere Leben entschlafen ist.“ Der Schle- sischen Gesellschaft gehörte Nowack seit 1836 an. Es wäre zu be- dauern, wenn sein literarischer Nachlass, der viel werthvolles, bisher noch nicht veröffentlichtes Material für sein Schriftsteller-Lexikon ent- hält, in Verlust gerathen sein sollte. Bis in das letzte Jahrzehnt für dasselbe sammelnd, ist seiner Hoffnung, das in der Jugend begonnene Werk im Alter weiter fortzusetzen, die Erfüllung versagt geblieben. Am 5. April 1883 versarb im 71. Lebensjahre an einem schweren Magenleiden der praktische Zahnarzt Dr. med. Jonas Bruck, über dessen Lebenslauf wir der Deutschen Monatschrift für Zahnheilkunde, 1883, Heft 12, Nachstehendes entnehmen: Geboren 1813 am 5. März zu Ratibor als Sohn eines Kaufmanns, besuchte er das Gymnasium seiner Vaterstadt und studirte alsdann in Berlin Mediein und Zahnheilkunde, bestand 1838 im December die zahnärztliche Staatsprüfung und liess sich im Jahre 1840 in Breslau als Zahnarzt nieder. Im August 1850 wurde er in Giessen zum Doctor der Medicin promovirt. In der zahn- ärztlichen Literatur hat sich Bruck durch eine Reihe werthvoller Ar- beiten, die sich durch strengwissenschaftliche Haltung auszeichnen und überall das Bestreben erkennen lassen, den Zusammenhang der Zahn- heilkunde mit dem Gebiete der Gesammtmediein nachzuweisen, vortheil- haft bekannt gemacht. Wir nennen hier seine Abhandlungen ‚Ueber Zahnkrankheiten‘“ (1841) und sein „Lehrbuch der Zahnheilkunde“ (1856, zweite Auflage 1861). Durch seinen persönlichen Verkehr mit Middel- dorpff, dem wissenschaftlichen Begründer der Galvanokaustik im Ge- biete der Chirurgie, angeregt, suchte er diese bis dahin in der Zahn- 406 Jahres- Bericht heilkunde noch wenig verwerthete Methode in ausgedehntester Weise anzuwenden, und ihr durch seine Schrift „Die Galvanokaustik in der zahnärztlichen Praxis‘ (1864) den Weg zu allgemeiner Anwendung zu bahnen. Nachdem Bruck 1843 der Schlesischen Gesellschaft als Mitglied beigetreten, wurde er in Anbetracht seiner wissenschaftlichen Leistungen 1856 im März zum Mitgliede der K. K. Leopoldinisch - Carolinischen Akademie mit dem Zunamen „Carabelli“ aufgenommen und 1857 im Januar Allerhöchst durch Verleihung des Königlichen Kronenordens aus- gezeichnet. Am Tage darauf, am 6. April 1883, verschied nach längerer Krank- heit der Königl. Oberstlieutenant a. D. Karl Nowag. Ein Sohn des Königlichen Justizraths Nowag und 1816 am 12. October in Breslau ge- boren, empfing er seine Schulbildung auf dem Matthias-Gymnasium. Mit dem Zeugniss der Reife für die Universität 1854 von demselben ent- lassen, trat er bei der 6. Pionnier-Abtheilung in Neisse als Avantageur ein, wurde 1837 zum Lieutenant im Ingenieur-Corps befördert und nach mehrjährigem praktischen Dienst in Mainz, Erfurt, Magdeburg und Glatz, nachdem er inzwischen Premier-Lieutenant geworden, 1845 zur Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin commandirt, an welcher er bis 1852 als Lehrer gewirkt hat. Von dort wurde er nach Danzig versetzt, worauf er von 1857—1860 die Bauten in Posen als Garnison-Baudireetor und, zum Major avancirt, von 1860—1863 als Festungs-Baudireetor den Bau der wichtigen Feste Boyen bei Lötzen leitete. Eine durch angestrengte Nachtarbeiten hervorgerufene Augenschwäche, welche sich als unheilbar herausstellte, nöthigte ihn, seiner glänzenden Laufbahn zu entsagen und 1863 im kräftigsten Mannesalter um seinen Abschied zu bitten, der ihm mit dem Charakter als Oberstlieutenant ertheilt wurde. Den Rest seines Lebens hat er in seiner Vaterstadt verlebt. Wegen seines geschwächten Sehvermögens zum Verzicht auf eigenes Lesen gezwungen, betheiligte er sich um so eifriger an allen Kunst- und Wissenschaft fördernden Ver- einen, in deren Versammlungen und Vorträgen er niemals fehlte. Der Schlesischen Gesellschaft trat er noch im Jahre 1865 bei; die Vereine für Geschichte und Alterthum Schlesiens und für das Museum schlesischer Alterthümer beriefen ihn in ihren Vorstand; dem Verein für bildende Künste widmete er die regste Theilnahme; dabei hat er nicht unter- lassen, im Vorstande der Jany’schen Augenklinik und des Stadtbezirks- Commissariats des Nationaldanks für Veteranen, wo er nur konnte, Thränen zu trocknen und unverschuldetes Leiden zu mildern. Der wich- tigsten europäischen Sprachen vollkommen mächtig, verbrachte er die Sommermonate jeden Jahres auf Reisen, so dass er fast alle Länder Europas aus eigener Anschauung kannte. Italien hat er dreimal besucht. Sein vielseitiges Wissen, seine persönliche Liebenswürdigkeit und seltene Herzensgüte machen ihn Allen, die ihm nahegetreten sind, unvergesslich. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 407 Ueber den Lebensgang des am 9. April verstorbenen Königlichen Geheimen Commissions - Raths Dr. Isaak Cohn ist mir von seinem Sohne, Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn, der nachfolgende Necrolog gütigst mitgetheilt worden: ‚Der Verewigte gehörte zu den Männern, welche ihre Erfolge einzig und allein der strengen Rechtschaffenheit ihres Charakters und ihrem energischen Streben verdanken. Am 23. August 1804 in Dyhrenfurth in Schl. im Hause der ehemaligen hebräischen Druckerei, bei welcher sein Vater als Factor angestellt war, seboren, liess er sich, nachdem er in Rawitsch die jüdische Rabbinats- schule absolvirt hatte, 1826 in Breslau als Kaufmann nieder und brachte, unterstützt von seiner Gattin, welche seltene Intelligenz, unermüdliche Arbeitskraft und anspruchslose Einfachheit mit seltener Herzensgüte ver- band, die von ihm begründete Handlung J. Cohn & Comp. bald zu hoher Blüthe. Dabei blieb er fortgesetzt bemüht, seine Bildung nach allen Richtungen hin zu erweitern. In seinem Nachlasse fand sich eine Ueber- setzung des Livius aus dem Lateinischen ins Deutsche, die er noch als gereifter Mann in Angriff genommen, unvollendet vor. Mit offenem Sinn für alle geistigen Interessen begabt, betheiligte er sich lebhaft an den Verhandlungen des Gewerbe-Vereins und der Schlesischen Gesell- schaft, der er im Jahre 1846 als Mitglied beigetreten war. In der technischen Section hat er wiederholt Vorträge gehalten, auch mehrere Schriften commereiellen und technischen Inhalts herausgegeben. Diese gemeinnützigen Bestrebungen erwarben ihm die Achtung und das Ver- trauen seiner Mitbürger in so hohem Masse, dass er zum Vorsitzenden . der Fabrik-Abtheilung des früheren Gewerberaths der Stadt Breslau und zum Mitglied der Jury bei der ersten schlesischen Gewerbe- Ausstellung im Jahre 1852 erwählt wurde, auch war er Mitbegründer der Breslauer Waarenbörse und jahrelang Mitglied der Breslauer Handelskammer. Eine überaus erspriessliche Thätigkeit für die Förderung der com- mereiellen und industriellen Interessen Breslaus und Schlesiens entwickelte er im Kaufmännischen Verein, den er im Jahre 1850 mitbegründete und von 1859—1875 mit grösster Hingebung zuerst als Schriftführer, nach- her als Präsident leitete. Indem er den Verhandlungen und Beschlüssen des Vereins bei den hohen und höchsten Behörden Anerkennung zu ver- schaffen wusste, hat er für die Entwickelung des schlesischen Handels ‘und der schlesischen Industrie sehr erfolgreich gewirkt, wie denn auch die Begründung der Breslauer Handelsschule sein Werk ist. Als im Jahre 1867 die K. K. Oesterreichisch-Ungarische Regierung in richtiger Würdigung der Bedeutung Breslaus als Handelsplatz das erste Consulat hierselbst errichtete, konnte sie für dieses Amt einen besseren Reprä- sentanten nicht finden, als den Mann, der als Vorsitzender des Kauf- männischen Vereins die bedeutungsvollen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten auf das eingehendste studirt hatte. Wer in 408 Jahres - Bericht Schlesien mit einem Anliegen, einer Anfrage in Bezug auf den Verkehr mit Oesterreich-Ungarn sich an den Consul J. Cohn wendete, fand jedes- mal die bereitwilligste Auskunft; den in Breslau verweilenden Oester- reichern war er allezeit ein freundlicher Berather und der Oesterreichisch- Ungarische Hilfsverein Austria in Breslau bewies ihm seine Dankbarkeit dafür dadurch, dass er ihn zu seinem Ehrenpräsidenten ernannte. Die K. K. österreichisch-ungarische Regierung verlieh ihm als Anerkennung „der treuen und erspriesslichen Dienste, welche er durch eine lange Reihe von Jahren dem Staate geleistet“, den Franz Josephs-Orden und das Ritterkreuz der eisernen Krone; die Königlich preussische Regierung den Kronen-Orden. Im Jahre 1876 feierte er unter allgemeiner Sym- pathie sein fünfzigjähriges Bürgerjubiläum; das Jahr darauf hatte er das Glück, seine goldene Hochzeit an dem nämlichen Tage zu feiern, an welchem sein jüngster Sohn,: Professor des römischen Rechts an der Universität in Amsterdam, sich vermählte. Im Jahre 1882 wurde ihm die treue Lebensgefährtin, mit welcher er in fünfundfünfzigjähriger glücklichster Ehe einzig und allein für das Wohl der Seinen und für gemeinnützige Interessen gewirkt hatte, durch den Tod entrissen. Mit diesem Verlust war seine Lebenskraft gebrochen und ein Jahr später, am 9. April 1883, folgte er der vorangegangenen Gattin in die Ewig- keit nach,“ Auf seinem Gute Rückers bei Glatz entschlief am 25. Mai 1883 ins bessere Leben Rittergutsbesitzer Wilhelm von Löbbecke, seit 1861 Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. In Breslau 1826 ‘am 20. März geboren, empfing er den ersten Unterricht durch Hauslehrer. Seine Gymnasialbildung verdankt er dem Carolinum in Braunschweig, aus dessen Prima er in die Prima der polytechnischen Schule in Zittau über- trat, um sich in derselben für einen praktischen Beruf vorzubereiten. Er wählte als solehen die Landwirthsehaft und hat in der Bewirth- schaftung seines schönen Rückers, einst das Besitzthum Crato’s, procul negotiis in reichstem Masse jenes idyllische Glück genossen, welches Horaz im zweiten Gedichte seiner Exoden uns so reizend ausmalt. Die Armen seiner Besitzung verloren in ihm einen freigebigen Wohl- thäter. Am 4. Juli 1883 starb in Franzensbad, wo er seine geschwächte Gesundheit zu kräftigen gehofft hatte, ganz unvermuthet an einem Herz- schlage der Königl. Sanitätsrath Dr. Joseph Eger. Sohn eines ange- sehenen Kaufmanns in Königsberg in Pr. und 1813 am 13. December geboren, verlor er in früher Jugend seinen Vater, Von seiner geist- vollen Mutter sorgfältig erzogen und vom Gymnasium seiner Vaterstadt 1833 mit einer gründlichen Kenntniss des Alterthums zur Universität entlassen, widmete er sich dem Studium der Medicin, welches in Königs- berg begonnen, in Berlin fortgesetzt und in Breslau mit der Erwerbung der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 409 des Doctordiploms beschlossen wurde. Nach bestandener Staatsprüfung liess sich Eger 1838 in Rosenberg in Oberschlesien als Arzt nieder, verlegte aber 1843 sein Domieil nach Hainau, wo er sich binnen Kurzem eine einträgliche Praxis erwarb, die sich weit in die Nachbarkreise ausdehnte. Das Heranwachsen seiner Söhne, die aus dem Hause zu geben und fremder Aufsicht anzuvertrauen er Bedenken trug, bestimmte ihn, 1854 nach Breslau überzusiedeln. In Oberschlesien war damals der Hungertyphus ausgebrochen, der die Bevölkerung deeimirte. Mit den dortigen Zuständen und Verhältnissen vertraut, besann Eger sich nicht . einen Augenblick, sich der Regierung als freiwilliger Arzt für das schwer heimgesuchte Oberschlesien zur Verfügung zu stellen. Eine gleich hin- gebende und aufopfernde Thätigkeit wie in Oberschlesien entwickelte er 1866 in den hier etablirten Kriegslazarethen, so dass die Allerhöchste Anerkennung, die ihm in seiner Ernennung zum Sanitätsrathe 1872 zu Theil wurde, eine in jeder Beziehung wohlverdiente war. Aber Eger war nicht blos ein tüchtiger Arzt, er war ein ebenso tüchtiger Bürger. In Hainau hatte er als Stadtverordneten-Vorsteher längere Jahre an der Spitze der Bürgerschaft gestanden; in Breslau wurde er 1861 durch das Vertrauen seiner Bezirksgenossen in die Stadtverordneten -Versammlung berufen und zu diesem Ehrenamte bis zu seinem Tode immer wieder aufs neue gewählt. In dieser langen Zeit hat er als Mitglied der Hospital-, der Armen- und der Schulen-Commission unserem Gemein- wesen die erspriesslichsten Dienste geleistet. Volksmann im besten inne des Wortes, hat Eger du rch zahlreiche Vorträge im hiesigen Hand- werker- und im Bezirksverein für den nordöstlichen Theil der inneren Stadt, zu deren Gründern er gehörte, redlich dazu beigetragen, Kennt- nisse zu verbreiten, Bildung zu fördern und den Gemeinsinn zu wecken. Für die Armuth hatte er stets eine offene Hand; oft gewährte er seinen. Kranken freie Arznei und Stärkungsmittel, und es dürfte wohl kaum einen Wohlthätigkeitsverein in Stadt und Provinz geben, zu dem er nicht freudig und willig beigesteuert hätte. In dem grossen Kreise seiner Freunde und Verehrer bleibt ihm ein dankbares und dauerndes Andenken gesichert. In noch nicht vollendetem 49. Lebensjahre starb am 20. August 1883 Dr. Max Süskind, seit 1873 Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. Am 30. August 1834 zu Glogau geboren, widmete er sich nach Absol- virung eines der hiesigen Gymnasien dem Studium der Mediein, welches er 1864 in Wien mit seiner Doctorpromotion beschloss, worauf er sich hier in Breslau als praktischer Arzt niederliess. Die Kriege von 1866 und 1870 entführten ihn seinen Patienten. Als Assistenzarzt einberufen, hat er in beiden Feldzügen auf Schlachtfeldern und in Lazarethen seine schwere, so viel Muth und Aufopferung erfordernde Pflicht mit jener Gewissenhaftigkeit und Hingebung erfüllt, welche unsere Aerzte aus- 410 Jahres-Bericht zeichnet. Diese Gewissenhaftigkeit und Hingebung machen ihn seinen Patienten und Allen, die ihn kannten, unvergesslich. Kaufmann Carl Theodor Bur eat, unser langjähriges, um das Communalleben Breslaus und namentlich um dessen Wohlthätigkeits-An- stalten wohlverdientes Mitglied, beschloss sein gemeinnütziges Leben 1885 am 22. November. Ein Sohn des Besitzers des Hotels zur goldenen Gans und 1800 am 3. August geboren, erhielt er seine Schulbildung auf dem Magdalenäum, von welchem er mit dem Zeugniss der Reife für Prima abging, um sich der Handlung zu widmen. Nachdem er in dem Hause des Commerzienraths Ertel, bei welchem er in die Lehre getreten war, nach beendeter Lehrzeit noch mehrere Jahre als Commis thätig sewesen, gründete er 1829 seine durch solide, umsichtige Geschäfts- führung raschen Aufschwung nehmende Weinhandlung, deren Blüthe der Lohn und die Freude seines Alters war. Als Bürger hat Burghart seiner Vaterstadt in den verschiedensten Ehrenämtern belangreiche Dienste geleistet. Er war Mitglied des Vorstandes des Hospitals für alte hilf- lose Dienstboten, des Claassen’schen Siechenhauses und des Wenzel- Hanke’schen Krankenhauses, insbesondere aber von 1849—1880 in der Armendirection in hervorragender Weise unermüdlich thätig und jeder- zeit mit Freuden bereit, Armuth zu lindern und Thränen zu trocknen. Auch war er Mitglied des Gemeinde-Kirchenraths von Maria-Magdalena. 1880 zog sich Burghart ganz vom Geschäftsleben zurück, legte gleich- zeitig alle seine Ehrenämter nieder und verlebte die letzten Jahre seines Lebens in stiller Zurückgezogenheit. Das Gedächtniss des Gerechten aber bleibet im Segen. Am 5. December 1883 endete eine oe Lungen-Entzündung das Leben des im kräftigsten Mannesalter stehenden Stadtraths Her- mann Severin, seit 1867 Mitglied der Schlesischen Gesellschaft. Sohn des hiesigen Rathszimmermeisters Severin und 1830 am 29. April ge- boren, hatte er sich der Landwirthschaft gewidmet, die jedoch nicht im Stande war, ihn auf die Dauer zu befriedigen. Er kehrte deshalb 1863 nach Verkauf seines Gutes in die Vaterstadt zurück, wurde 1872 von der Bürgerschaft in die Stadtverordneten - Versammlung und von dieser 1875 in das Masgistrats-Collesium gewählt. 1875 übertrug ihm das Ver- trauen seiner Mitbürger ein Mandat ins Abgeordnetenhaus. Als Stadt- rath hat er der Commune durch seine Fachkenntnisse in der Landwirth- schaft und im Forstwesen, wegen deren ihm auch das Decernat über das Kämmereigut Oswitz übertragen wurde, dankenswerthe Dienste ge- leistet, so dass er nach Ablauf seiner Wahlperiode 1881 von dem Stadt- verordneten aufs neue gewählt wurde. Drei Tage später folgte ihm in die Ewigkeit nach der Königliche Medieinal -Assessor Franz Julius Kretschmer, geboren 1823 am 24. April in Kottwitz, Kreis Sagan. Einziger Sohn des dortigen Brauerei- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 411 besitzers, empfing er den ersten Unterricht in der Schule seines Geburts- ortes. Nachdem er sich auf den Gymnasien in Sagan und Gross-Glogau die erforderliche gelehrte Vorbildung erworben, widmete er sich der Pharmacie und trat 1841 am 1. Mai in der Hof- und Stadtapotheke zu Sagan als Lehrling ein. Im October 1844 bestand er das Gehilfen- Examen, conditionirte alsdann in den Apotheken zu Jauer und Ohlau und leistete vom 1. April 1847 bis zum 31. März 1848 im Garnison- Lazareth zu Breslau als Pharmaceut seiner Militairpflicht Genüge. Nach- dem er das vorgeschriebene Studienjahr in Berlin absolvirt und 1849 im April sich in der Staatsprüfung das Prädicat „vorzüglich gut“ erworben hatte, übernahm er die Administration der Bando’schen Apotheke in Schweidnitz, welche Stellung er bald mit der gleichen in der Universitäts- Apotheke zu Breslau unter Professor Duflos vertauschte. 1853 am 1. April kaufte er die hiesige Pelikan- Apotheke und trat 1855 der Schlesischen Gesellschaft als Mitglied bei. Durch praktische Leistungen wie durch gründliche wissenschaftliche Bildung den Behörden längst auf das vortheilhafteste bekannt, wurde er 1872 im August zum pharma- ceutischen Assessor des Königlichen Medieinal-Colleginms der Provinz Schlesien ernannt und 1882 im Herbste durch Verleihung des Rothen Adler-Ordens ausgezeichnet. Bei seinen Mitbürgern erfreute er sich all- gemeinen Vertrauens und der höchsten Achtung, so dass sie ihn 1880 zum Stadtverordneten wählten. Leider war es ihm nicht vergönnt, seine seltenen Gaben und reichen Erfahrungen in diesem ihm übertragenen Ehrenamte für das Gemeinwohl lange nutzbar zu machen; 1885 am 8. December entriss ihn der Tod seinen zahlreichen Freunden und seiner tieftrauernden Familie. Von den Ehren- und correspondirenden Mitgliedern der Schlesischen Gesellschaft sind im Laufe des Jahres gestorben: 1) Johann Spatzier, Magister der Pharmacie und Apotheker in Jägerndorf und ebendaselbst 1806 am 16. Mai geboren, erlernte nach Erwerbung der wissenschaftlichen Vorkenntnisse die Pharmaeie in der dortigen Apotheke zum weissen Engel, welche er, nach Vollendung seiner pharmaceutischen Studien auf der Universität in Wien und mehrjähriger Verwaltung der Apotheke zum schwarzen Adler in Jägerndorf, 18355 am 1. Januar als Eigenthum übernahm. Begeisterter Freund der vater- ländischen Naturkunde, hat er im Laufe der Zeit eine ganz respectable Sammlung von schlesischen Petrefacten, Mineralien, Pflanzen, Insecten, Amphibien und Vögeln zusammengebracht. Seine literarischen Arbeiten auf dem Gebiete der Naturkunde befinden sich in den „Mittheilungen der K. K. Mährischen Gesellschaft‘ in Brünn, welche ihm auch 1829 für seine Abhandlung über künstlichen Futterbau ihre goldene Medaille zuerkannte. Ausserdem war Spatzier noch Mitglied der naturforschenden Gesellschaft in Görlitz und der praktischen Gartenbau - Gesellschaft in 412 Jahres - Bericht Frauendorf. Bis in die letzten Lebensjahre literarisch thätig, veröffent- lichte er 1830 noch „Beiträge für die alte Geschichte des Burgberges, der Umgebung und der Stadt Jägerndorf““ und beschloss sein der Wissen- schaft und dem Gemeinwohl gewidmetes Leben 1883 am 31. Januar. 2) Joachim Leopold Haupt, 1797 am 1. August in Baudach in der Niederlausitz geboren und von seinem Vater, der dort Pfarrer war, für das Gymnasium vorbereitet, welches er in Sorau von 1812—1816 frequentirte, widmete sich in Leipzig dem Studium der Theologie. Wegen seiner Theilnahme an der Gründung der Burschenschaft in die damaligen demagogischen Untersuchungen verwickelt, wurde er durch Verfügung des Ministers vom zweiten Examen, zu welchem er bereits eitirt war, zurückgewiesen, doch gelang es ihm durch persönliche Vorstellung beim Minister, diese Abweisung rückgängig zu machen und 1825 zum Examen pro ministerio zugelassen zu werden. Nach Ablegung desselben erhielt er 1826 die Pfarrstelle in Kottwitz bei Sagan, welche er 1830 mit der etwas besser dotirten in Freiwaldau bei Sagan vertauschte. Von hier wurde er 1832 als Ordinarius an die Dreifaltiskeitskirche in Görlitz be- rufen. Die Remuneration für die Ertheilung des Religions-Unterrichts in den oberen Klassen der Realschule, Honorare für wissenschaftliche Arbeiten und der kleine Gehalt, den er als Secretair der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (1835—1845) bezog, halfen die schmalen Einkünfte verbessern. 1848 zum zweiten Prediger an die Peterskirche und 1867 zum Pastor primarius an derselben befördert, war es ihm ver- gönnt, 1876 am 3. April sein goldenes Amts-, und drei Wochen später sein goldenes Ehejubiläum zu feiern. Das Jahr darauf wurde ihm die erbetene Emeritirung ehrenvoll gewährt. Bis in die letzten Lebenstage unausgesetzt literarisch thätig, bezahlte er nach kurzer Krankheit 1833 am 9. Februar der Natur seine Schuld. Ein Verzeichniss seiner Schriften befindet sich im Neuen Lausitzer Magazin Band 59, Heft 2, S. 385. Hier seien genannt die „Görlitzer Rathsannalen“ in den Seript. rer. Lusat., 2 Bände, 18535—1841; „Wendische Volkslieder‘ mit Abbildungen, 1843 mit Schmaler zusammen herausgegeben; „Geschichte der evange- lischen Hauptpfarrkirche zu St. Peter und Paul in Görlitz‘ 1857. Was er über die ,‚Singweise der alttestamentlichen Psalmen‘ 1854 und über die „Metrik der Gesänge des A. T.‘“ (Band 54 des Neuen Lausitzer Magazins) entdeckt zu haben glaubte, ist wohl mehr Einbildung als Wirk- lichkeit. Haupt war auch Dichter. Das Görlitzer Gesangbuch enthält von ihm mehrere Kirchenlieder. 3) Carl August Alfred Freiherr von Wolzogen, den schön- wissenschaftlichen und künstlerischen Kreisen Breslaus, deren Zierde er länger als ein Decennium gewesen ist, unvergesslich, war der älteste Sohn des bekannten preussischen Generals Ludwig v. Wolzogen und Neffe der Schwägerin Schillers, Caroline v. Wolzogen. In Frankfurt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 413 a. M., wo sein Vater von 1818—1836 als Königlich Preussischer Bevoll- mächtigter bei der Militair-Commission des Deutschen Bundes lebte, 1823 am 27. Mai geboren, erhielt er seine Gymnasialbildung auf den Gymnasien zu Halle und Rossleben. Nachdem er von 1841—1844 in Berlin und Heidelberg Jura und Cameralia studirt und die vorbereitenden Stadien im Staatsdienst durchlaufen hatte, ging er 1852 auf Reisen und lernte Italien, die Schweiz, Frankreich, Spanien, Belgien, Holland, Eng- land und Schottland aus eigener Anschauung kennen. Nach seiner Rückkehr 1854 arbeitete er kurze Zeit als Regierungs - Assessor im Ministerium des Innern, wurde noch im Laufe desselben Jahres nach Breslau versetzt und 1863 zum Regierungsrath ernannt, Durch die Herausgabe der Memoiren seines Vaters 1851 bereits vortheilhaft bekannt geworden, machten ihn seine eigenen, in rascher Aufeinanderfolge er- scheinenden Schriften, „Preussens Staatsverwaltung mit Rücksicht auf seine Verfassung‘, Berlin 1854, „Reise nach Spanien“, 1857, „Friedrich v. Schiller’s Beziehungen zu Eltern, Geschwistern und der Familie von Wolzogen“, Stuttgart 1859, „Geschichte des Reichsfreiherrlich v. Wol- zogen’schen Geschlechts“, 2 Bände, Leipzig 1859, rasch berühmt. Seine Schriften über Kunst, Musik, Malerei, Theater, die wir nicht einzeln aufzählen, veranlassten 1867 seine Berufung zum Hoftheater-Intendanten nach Schwerin. Das Jahr darauf wurde er zum Grossherzoglichen Kammerherrn ernannt. War Wolzogen schon früher nicht ohne Glück als dramatischer Schriftsteller aufgetreten, so wendete sich jetzt seine literarische Thätigkeit ausschliesslich dem Theater zu, welches ihm eine Reihe von Bearbeitungen bekannter Stücke verdankt, die er bühnen- gerecht herstellte. Von Allen, die ihn kannten, geliebt und verehrt, ist er 1883 am 7. März gestorben. 4) Dr. Gabriel Gustav Valentin, Professor in Bern, 1810 am 8. Juli in Breslau geboren und von 1322 bis 1828 Schüler unseres Magdalenäums, studirte, mit Nr. 1 von der Schule entlassen, auf unserer Universität von 1828 bis 1832 Mediein und liess sich nach abgelegter Staatsprüfung hier in seiner Vaterstadt als Arzt nieder. Eine Reihe gediegener physiologischer Arbeiten hatte den jungen Arzt bereits vor- theilhaft bekannt gemacht; der von der Pariser Akademie der Wissen- schaften seiner Coneurrenzschrift „histiogenia comparata“ (1050 Quart- seiten im Manuscript und 42 Tafeln gezeichnete Abbildungen mit noch 50 Seiten erklärendem Text) ertheilte grosse Preis der physischen Wissenschaften machte ihn mit einem Schlage berühmt, so dass er wenige Monate darauf einen Ruf als Professor der Physiologie an die 1834 neu gegründete Universität in Bern erhielt, welchen er bei der damals gänzlichen Aussichtslosigkeit für ihn auf eine Professur an einer preussischen oder deutschen Universität mit Freuden annahm. In dieser Stellung hat er seinem neuen Vaterlande durch Heranbildung tüchtiger 414 Jahres-Bericht Aerzte und seiner Wissenschaft durch unermüdliches, glückliches Forschen die ausgezeichnetsten Dienste geleistet. Von seinen überaus zahlreichen Schriften sei hier nur seines trefflichen Lehrbuchs der „Physiologie des Menschen“ in 2 Bänden (Braunschweig 1845, zweite Auflage 1847 bis 1850) und seines Grundrisses der „Physiologie des Menschen‘ (Braun- schweig 1846, vierte Auflage 1855) gedacht. Sein goldenes Doetor- Jubiläum, zu welchem ihm die Schlesische Gesellschaft ihre wärmsten Glückwünsche sendete, feierte er 1882 unter wenig erfreulichen Auspieien, da Krankheit ihn genöthigt hatte, seine Vorlesungen einzustellen. Die Hoffnung, sie wieder aufzunehmen, ist ihm versagt geblieben. Ein Ge- hirnschlag endete sein der Wissenschaft geweihtes Leben in der Nacht vom 23. zum 24. Mai 1883. 5) Sir Edward Sabine, geboren 1788 am 14. October in Dublin, trat 1805 als Lieutenant in die britische Artillerie und wurde 1813 zum Capitain befördert. Die vom Dienst bei Weitem nicht voll in Anspruch genommene Zeit widmete er mathematischen und physikalischen Studien, denen zu Liebe er an der von Ross und Parry 1818 bis 1819 unter- nommenen arktischen Entdeckungsreise theilnahm. Die Beobachtung der Pendelschwingungen, die ihn während derselben vornehmlich beschäftigt hatte, vervollständigte er auf neuen Reisen an der afrikanischen West- und der Ostküste Amerikas und 1823 auf der Polar-Expedition unter Clavering nach dem Norden von Spitzbergen. Die Resultate dieser Be- obachtungen veröffentlichte er in seinem berühmten Werke „A pendulum expedition“, London 1825. Hierauf sich dem Studium des Erdmagnetismus zuwendend, stellte er seine eigenen und die von Ermann und Hansteen auf ihrer Reise durch Sibirien und Kamtschatka gemachten magnetischen Beobachtungen in seinem „Report on the variations of the magnetie in- tensity“, London 1838, graphisch dar, wodurch die Begründung der Gauss’schen Theorie wesentlich gefördert wurde, wie denn auch vor- nehmlich seinen Bemühungen die Errichtung des grossartigen Netzes meteorologisch-magnetischer Observatorien in den englischen Colonien zu danken ist, die unter seiner Öberleitung für die Erforschung des Erd- magnetismus epochemachend geworden sind, indem er die auf den Obser- vatorien von Toronto in Canada, Hobarttown in Vandiemensland und auf dem Cap der guten Hoffnung gemachten Beobachtungen in einer Reihe von Bänden veröffentlichte. Unsere Bibliothek erfreut sich des Besitzes der- selben. Von Seiten des Staates bjieben Sabine’s eminente Verdienste um die Wissenschaft nicht ohne die gebührende Anerkennung. Vom praktischen Dienste in der Armee dispensirt, stieg er von Stufe zu Stufe bis zum General-Lieutenant und wurde 1869 in den Ritterstand erhoben. Noch grösser war die Ehre, welche ihm die Royal Society 1850 durch die Wahl zu ihrem Vicepräsidenten und 1861 zu ihrem Präsidenten er- wies, von welcher Würde er 1871 zurücktrat. Unter den Begründern 0) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 415 der „British association for the advancement of sciences‘ steht sein Name oben an. Er hatte das Glück, in seiner edlen Gemahlin, die das Deutsche und Französische gleich vollkommen beherrschte, nicht blos eine um- sichtige Hausfrau, sondern zugleich eine unermüdliche Gehilfin bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten gefunden zu haben. Die englische Ueber- setzung der „Ansichten der Natur“ und des „Kosmos“ von Alexander v. Humboldt, sowie der meteorologischen Schriften Arago’s ist die ge- meinsame Arbeit der durch innigste Liebe mit einander verbundenen Ehegatten. Sabine erreichte das seltene Alter von fast 95 Jahren. Er starb zu Richmond 1883 am 26. Juni, unter den Physikern und Meteoro- logen seines Jahrhunderts einer der ersten, 6) Ueber den in Lausanne, wohin er sich zur Kräftigung seiner Gesundheit zurückgezogen hatte, am 27. September 1833 nach kurzer Krankheit verstorbenen Züricher Professor Oswald Heer, beschränken wir uns darauf, den von der Zeitschrift „Die Natur‘ in Nr. 45 Jahr- sang 1883 gebrachten kurzen Necrolog hier abzudrucken. „Zu Nieder- Utzwyl bei St. Gallen 1809 am 31. August geboren, widmete sich Oswald Heer anfangs der Theologie in Halle, habilitirte sich aber 1834 an der Universität in Zürich als Privatdocent für Botanik und Ento- mologie und wurde 1836 Professor und Direetor des botanischen Gartens. Sein Weltruf liest auf dem Gebiete der Paläontologie, der er seit 1853 den erössten Theil seiner Zeit widmete. Namentlich war es die vor- weltlich arktische Flora, deren Erforschung er ganz besonders oblag, da ihm von den betreffenden Reisenden die Materialien dazu fast allein zur Verfügung gestellt wurden. In sechs von 1868 — 1880 erschienenen Qnartbänden sind diese Untersuchungen veröffentlicht. Als populärer Schriftsteller gab er 1864 sein classisches Werk „Die Urwelt der Schweiz‘ heraus, von welchem 1879 eine zweite umgearbeitete Auflage erschien. Nicht minder war der Verstorbene ein bedeutender Ento- mologe, doch trat diese Seite seiner Thätigkeit gegenüber seinen paläo- phytologischen Studien immerhin in den Hintergrund. Mit ihm ging einer unserer berühmtesten und fleissigsten ältesten Naturforscher zu Grabe.“ Heer’s zahlreiche paläontologischen Schriften befinden sich fast sämmtlich in unserer Bibliothek. 7) An demselben Tage mit Heer starb in Schwerin der Gross- herzoglich Mecklenburgische Geh. Archivrath Dr. Georg Christian Friedrich Lisch, einer der verdientesten deutschen Geschichts- und Alterthumsforscher. Als ein Sohn recht armer Eltern 15801 am 29. März in Altstrelitz geboren und auf dem Gymnasium in Güstrow vorgebildet, studirte er 1822 bis 1824 in Rostock Theologie, Mathematik und Ge- schichte und noch weitere zwei Jahre in Berlin Philologie und Geo- sraphie. Nach siebenjähriger praktischer Lehrthätigkeit am Gymnasium zu Schwerin 1834 zum ersten Archivar am Schweriner Archiv befördert, 416 Jahres - Bericht widmete er sich mit einer Hingebung ohne Gleichen der heimathlichen Geschichtsforschung. Der 1835 von ihm gestiftete Verein für mecklen- burgische Geschichte und Alterthumskunde wurde von ihm bis zu seinem Tode geleitet und die Sammlungen desselben verdanken ihm ihre Ent- stehung. Aber nicht blos um die mecklenburgische Geschichtsforschung hat sich Lisch verdient gemacht. Das Zusammentreten der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine zu einem Gesammtverein, welcher 1852 seine erste Versammlung in Dresden hielt und zur Gründung des Germanischen Musenms führte, ist sein Werk. Von seinen zahlreichen schrifistellerischen Arbeiten nennen wir hier nur die Geschichte der Familien von Malzan, von Hahn, von Oertzen und von Behr, die er in je 4 Bänden, ein Denkmal deutschen Fleisses und deutscher Gründlich- keit, herausgegeben hat. 8) Joachim Barrande, geboren 1799 am 11. Ausust auf dem väterlichen Gute bei Sangues, Departement Haute-Loire, erhielt seine Bildung auf der polytechnischen Schule in Paris und wurde, nachdem er mehrere Jahre als Ingenieur praktisch thätig gewesen, von Carl X. zum Lehrer seines Enkels, des Grafen Chambord, berufen. In dieser Stellung begleitete er die 1830 vertriebene Könissfamilie ins Exil und kam mit ihr 1851 nach Prag, wo er, seinem früheren Berufe sich wieder zu- wendend, die Tracirung der Pferdebahn längs der Beraun in das Rad- nitzer Steinkohlenbeeken und bis nach Pilsen übernahm, ohne dass da- durch in dem Verhältnisse zu seinem erlauchten Zöglinge etwas geändert wurde, Die der Schlesischen Gesellschaft von der Familie zugegangene Todesanzeige nennt ihn ,‚pr&cepteur du comte de Chambord, son fonde de pouvoir durant pres d’un demi sieele et son ex&cuteur testamentaire‘‘. Diese Bahntraeirung wurde für Barrande der Anlass zur eingehendsten paläontologisch - geologischen Erforschung des von der Bahnlinie durch- schnittenen böhmischen grossen Silurbeekens und der in ihm vorhandenen Ueberbleibsel des ältesten organischen Lebens. Schaaren von Sammlern wurden von ihm aus eigenen Mitteln besoldet, Steinbrüche lediglich zu dem Zwecke von ihm betrieben, um sich die Versteinerungen zu sichern, die sich in denselben vorfanden. Die von ihm zusammen- gebrachte, gegen 5000 Arten umfassende Sammlung hat nirgends ihres- gleichen. Nach zwanzigjährigem Forschen und Sammeln erschien mit Unterstützung der Wiener Akademie der Wissenschaften 1852 endlich der erste Theil seines „Systeme Silurien du centre de la Boh&me“, ein mächtiger Quartband von 935 Seiten Text mit einem Atlas von 49 Tafeln, dem bis 1881 noch 21 Bände gleichen Umfangs folgten, so dass das ganze Werk, so weit es bis jetzt erschienen, an 6000 Seiten Text und 1160 Tafeln enthält. Vollendet ist es noch nieht; noch fehlt die Beschreibung der Gasteropoden, der Crinoiden, der Bryozoen und der Korallen, doch sind die Tafeln zu den letzten Bänden, deren Bearbeitung nee der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. AT, Barrande den Herren Professor Waagen und Dr. Novak vermacht hat, schon zum grössten Theil fertiggestellt. Graf Chambord, welcher den Haupttheil der Kosten für die bis jetzt erschienenen Bände getragen, hat in seinem Testamente dafür gesorgt, dass das Lebenswerk seines srossen Lehrers nicht als Torso auf die Nachwelt komme, und dadurch ihm und sich ein bleibendes, Erz nnd Stein überdauerndes Denkmal gesetzt. Das von Barrande seinem Werke vorgesetzte Motto: ,C’est ce que j’ai vu“, charakterisirt den Verfasser und seine Arbeiten, deren Be- deutung kaum hoch genug angeschlagen werden kann, „Mit staunender Bewunderung“, rühmt von ihnen Geh. Rath Römer in seinem im Neuen Jahrbuche für Mineralogie 1884 Band I dem Freunde gewidmeten Nach- rufe, „wurde das Erscheinen des ersten Bandes des Systeme Silurien von den Fachgenossen begrüsst. Man wusste nicht, was man mehr be- wundern sollte, die Fülle des neuen Materials, die Schärfe der Beob- achtung, die Sorgfalt der Beschreibung, die umfassende Kenntniss der einschlagenden Literatur, oder endlich die unübertroffene Naturwahrheit und Deutlichkeit der Zeichnungen. Der erste Band liefert durchaus nicht eine blosse Beschreibung der böhmischen Trilobiten, sondern indem Alles, was aus anderen Ländern über diese merkwürdigen Thiere bekannt seworden, zur Vergleichung herangezogen wird, gestaltet sich die Be- schreibung zu einer grossartigen Monographie der Trilobiten“, und am Schlusse charakterisirt er das ganze Werk als .‚vollständigste Darstellung eines silurischen Gebietes und als eins der Fundamentalwerke für die Kenntniss des ältesten organischen Lebens und seiner allmählichen Ent- wickelung“. Barrande, von dem 1883 am 24. August verstorbenen Grafen Chambord zum Testamentsvollstrecker erwählt, hat seinen er- lauchten Zögling nur wenige Wochen überlebt. Am 5. October des- selben Jahres folgte er ihm im Schlosse zu Frohsdorf in die Ewig- keit nach. Dr. Schimmelpfennig. 27 Druck von Grass, Barth = & Comp. (W. Friedrich) in Dana SR SER N RR A BESTEN: VAR 2 N 2 N. ’ hen Verzaichniss 0. Smtce u de a, sel rote, an eg Shi. SL, Einzelne Schriften. Zwei Reden, gehalten von dem Reg. -Quartiermstr. Müller und Prof. Reiche bei der ersten Feier des Stiftungstages der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde EN Industrie Schlesiens, am 17. December 1804. 8°. 48 Seiten. An die Mitglieder der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens und an sämmtliche Schlesier, von Rector Reiche, 1809. 8%. 328. - Oeffentlicher Actus der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur, gehalten am 19. Deebr. 1810 zur Feier ihres Stiftungsfestes. 8°. 40 S. Joh. George Thomas, Handb. d. Literaturgeschichte v. PEN 1824. 8°. 3728, gekrönte Preisschrift. Beiträge zur Entomologie verfasst von den Mitgliedern der entom. Section, mit 17 Kpft. 1899. 80, Die schles. Bibliothek der Schles. Gesellschaft v.K.G.Nowack. 8°. 1835 oder später erschienen. Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend die Geschichte der Schles. Gesellschaft und Beiträge zur Natur- und Geschichtskunde Schlesiens, 1852: Mit 10 lithogr. Tafeln. 4°. 282 8. Dr. d. A. Hoennicke, Die Mineralquellen der Provinz Schlesien, 1857. 8°. 166 8., gekr. Preisschr. Dr. J. G. Galle, Grundzüge der schles. Klimatologie, 1857. 4°. 127 8. Dr. J. Kühn, Die zweckmässigste Ernährung des Rindviehs, 1859..8°. 242 Sen gekr. Preisschr. Dr. H. Lebert, Klinik des akuten Gelenkrheumatismus, Gratulationsschrift zum 60jähr. Doctor- abilam des Geh. San.-Raths Dr. Ant. Krocker. Erlangen 1860. 8°; 149 S. Dr. Ferd. Römer, Die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz bei Oels in Schlesien, mit 6 lithogr. u. 2 Kupfer-Tafeln. 1861. 4°. 70 8.. Lieder zum Stiftungsfeste der entomologischen und botanischen Section der Schles. Gesellschaft, als Manusecript gedruckt. 1867. 8% 92 8. : Verzeichniss der in den Schriften der ‚Schles. Gesellschaft von 1804—1863 incl. enthaltenen en Aufsätze in alphab. Ordnung von Letzner. 1868. 8°. Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. -Cultur von 1864 bis 1876. inel. enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphab. Ordn. von Dr. S ehneider. General- -Sachregister der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur von 1804 bis 1876 incl. au) Aufsätze, geordnet in alphab. Folge von Dr. Schneider. z 2. Periodische Schriften. Yollandinngen der Gesellschaft f. Naturkunde u. Industrie Schlesiens 8, Bd. I, Hft. 1, 218 S. Hft. 2, 1128. 1806. Desgl. Bd. II, 1. Hft. 1807. _Correspondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft für Faterländische Cultur, 49. ‚Jahrg. I, 1810, 96 8. - |Jahrg. III, 1812, 96 8. Jahrg. V,1814,Hft.1u. en ze nam. „ MWısı3,Hft.iu2jedes.| „ VI 1815, Hft.ı, 968, Correspondenz der Schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur 8°. Bd. I, 362 S mit Abbild, 1819 u. 1820. Desgl. Bd. I, (Hft. 1), 80 S. mit Abbild., 1820. Bulletin der naturwissenschaftl. Section der Schles. Gesch. chatt 1—11l, 1822, 8, do. do. do. = 1-10; 1824. 8°, L Uebersicht der Arbeiten. (Berichte sämmtl. Sectionen) und Veränderungen der Schles. Gesellschaft = für vaterl. Cultur: Jahrg. 1824. 55 Seiten. 4°, Fahre, 1847. 404 Seit. 4°. nebst | Jahrg. 1866, 267 Seit, Ss. nebst »..:182%5. 64. , A, 44 S. meteorol. Beob. 'Abhandl. 90 S. Se 1826.63 2, A » .... 1848. 248 Seiten. 4°. 9 1867.:278 Seit. 8°, 21821. 19 25, 4°, „1849, Abth.1I, 1808. 11,39. I Abhandl, 191 S. 22, 271809.2.97 5, 4°, u.448. met. Beobacht. ». . 1868. 300 Seit, 8°, A822). 2 =, 4°, ». . 1850. un L 204 $., Abhandl. 447 S. .4880...95° , 4°, Abth. I „36° S. 2: ,.1869.787E Seit, 8°, = ..1831...00°8° 4°, „...1851. 194 Seiten, A - Abhandl. 236 S. » .. 1832. 103, 4°, = 1852.22, en 9» ...1870. 318 Seit. 8°, „1833. 106 An „ ..18583.35 2 Abhandl, 85 S. „BA HI 2 A er „=... 1854,.288% 4°, : „»... 1871. 357 Seit. 8°. „ .. 1835. 166 4°, „.. 1855. 2856 „ 4°, ; Abhandl, 252 S 55. .::1898..19928 5,.,.:4% ’ »„...1856. 2422 4°, „» 1872. 350 Seit. 8°. ı 2 1882,10, 52, 4°, „...1897. 347, 4°, "Abhandl. I1S. S „1838. 184 „ 4°, il a 5 1808, 2247, 10, »... 1875..287 Seit. 8%, nebst „1880. 226°, 40; Be u 4°, Abhandl. 114 S. SS „...1840, 151 35, 4°, ‘„... 1860, rn 4 4°, = 5.1874, 294 Seiten. 8°. 2.3841. 188: =, Au „1861. 1 a 8°. nebst ER Rev 0 en HERE 82 206 a ER Ablian dl. 492 S. TS Se ER » . 1843.269 „ 4°, „ . 1862. 162 Seit. 8°. nebst I ee »... 1844. 380 „ 4°, - Abhandl. 4168. . „ ‚1878. 331 -80, rs ». 1845. 165 ,„ 4°. nebst „1863. 156 Seiten. 8°. IR TI.RX ”413 Seit. 80, u „Besult, der meteor. „1864. 266 Seiten. 8°. nebst’ ».. 1880. XVIu.291 nr Beobacht.“ 52 S. umf. De ' »Abhandl. 266 S. » .,1881. XVI u. 424 « 8, 47 S. meteorol. Beob. - . Abhandl, 6 S. Mitglieder-Verzeichniss in 8° von 1805 und seit 1810 alle zwei Jahre erschienen. „1846, 320 Seit. 4°. nebst „ 1865. 218 Seit. 8°. nebst | — „ I1SS.xXIVu432 » 8 AR KT Er una, a uk DE , TE ae aesten, FE