LET Librarp of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, The gift o de Shllapada 2 1 - | AL 4 NL Ge Pr Pe Pr } 1; er | j a y @ | i u pe R N ® ER m T ’‚ “ ; I N zu Dreiundsechzigster Jahres-Bericht der | Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur. Enth lt den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 18835. Nebst einem Ergänzungsheft: Rhizodendron Oppoliense Göpp., beschrieben von Dr. K. Gustav Stenzel. ED — - _ _— Breslau. G. P. Aderholz’ Buchhandlung. "1886, sorenindo a VEREIN Be; uoatus ana, Be JEREN [50,18 07, FRSESDIFUNE: nodaniee / ‚N . j Sodapaasndyrd ICH ER:) todal | un Ansnotd vatandd „U nor nodloinlsesd „ggöwrsansHogge ” = P + ‚velarstl anulbusdıo u lade FE Bar { Inhalt des 63. Jahres-Berichtes. Seite Allgemeiner Bericht über die Wirksamkeit und die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahre 1885, abgestattet vom General-Secretair, Staats- EN a ee ie. 2) MAR re ee A 5 A I Bericht des CGonservators der naturhistorischen Sammlungen ............... VII Bericht über die Bibliotheken der Gesellschaft. .........-...---..-......- IX Bericht des Schatzmeisters über den Kassenabschluss pro 1885 ...... Ra EN Mitglieder-Verzeichniss.........-.. ......- ROY. OR. EDRRBRRDINDND 728 re XV Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Sectionen. I. Medicinische Section. Buchwald: Ueber Cannabis - Präparate nebst Bemerkungen über Ganna- | tue artnet sorafı era mtan of eier Ahnen ah © ee, 51 Be rieber Pemphirus der Augen..............---.-prienkharrmit - 13 Fritsch: Ueber Exstirpation einer Niere wegen Ureterenfistel .......... hi Heidenhain: Ueber pseudomotorische Einwirkung der Ansa Vieussenii reichtenuskeln .!. 2.42 A 2 nu = uralarrkaan 2% = nahe saurfald- » rare 30 eohbildune: 2. .%.....0..200>-SekokemdaBntellianunite: 36 Hirt: Ueber die Differential - Diagnose zwischen Hysterie und multipler er ie an ie ER Mn ER a A 3 12 remiatrophie. der..Zunge ..: ...- «Ian al summer» » sie rear 42 Kolaczek: Ueber einen seltenen Fall einer zum Theil intrathoralen Struma 62 Magnus: Ueber die Blinden der Stadt Breslau im Jahre 1884 ............ 1 Partsch: Ueber einen Fall von Doppelbildung der Zunge ............... 47 Ponfick: Zum Gedächtniss des Geheimen Medicinalraths Professor Dr. Häser En EROrE Die, REREAE m nern X anerreeerik sah siert ir lad T- 58 — Nachruf an den Sanitätsrath Dr. Reinhardt ..:..-......»-sr22rc000. 61 A SEO: . ehe singen » manerd D erininneryie pen es ngt ine 56 Senger: Untersuchungen über die Pneumonie und die bei dieser Krankheit acut auftretenden Complicationen.-...:-...% Jen sides en nen 4.3 Inhalts -Verzeichniss. Voltolini: Ueber ein besonderes Erkennungszeichen der Tuberkelbacillen. Wernicke: Zwei aphasische Kranke 1 za az 2, 22 2 a Wiener: Ueber Gravidität im rudimentären Uterus-Horne................. II. Section für öffentliche Gesundheitspflege. Gohn, H.: Ueber die Tages- und Gasbeleuchtung in den Auditorien der Breslauer Uniwerstat: .: 03h 0a Re an a ee a ee Jacobi: Ueber Erfolge der puerperalen Prophylaxe............e.czercan. Poleck: Ueber die sanitäre Bedeutung des Hausschwammes.............. III. Naturwissenschaftliche Section. Althans: Ueber die Arbeiten der preussischen Commission zur Auffindung von Sicherheitsmassregeln gegen schlagende Wetter .................. v. Ghrustschoff: Ueber das Vorkommen des Zircons in eruptiven und sedimentären Gesteinen ...............»- Dh 1, dar 0 nn > fe — Ueber die Regeneration der Kieselsäure zu Quarz..... ».....22u2r0: — Ueber die Eruption des Vulkans von Colima in Mexiko im Jahre 1872 Gohn, F.: Demonstration der von Pilzmycelien überzogenen Wurzelfasern der Gupuhlferen. .:»..:.:3...;. BE N DEE 147. — Goethe’s botanisches Säcularjubiläum............ A 148. Goht, H.: Ueber die Augen der Uhrmacher>.. .2..%. 2222.00. 2 2 ee Galle: Die am 27. November beobachtete grosse Sternschnuppen-Erschei- nung, eine Wiederholung der Erscheinung vom 27. November 1872... Gürich: Ueber einige Bohrungen in der Nähe von Breslau .............. — Ueber den anfänglichen Verlauf der Expedition Flegels in das Niger- Betue-Gebiet.rr 2: wa... 2 u N EEE REREITI I RE Heidenhain: In welcher Art erfolgt die Oeffnung der Schalen bei den MuSeBein PR. AD. BEBAHMONA AIG RM RREMIRE NL. ION? 0 Kassner: Ueber den Nachweis von Amylalcohol und Solanin in einer giftigen "Kartoffelschlempe 1. 2. .NS sa Re en — Ueber den Kautschukgehalt von Sonchus oleraceus und Lactuca TmoBRt Een a Dr ER Et 128. Kossmann: Beschreibung der seit wenigen Jahren erschlossenen Kaolinit- Formation auf der Steinkohlengrube Ruben bei Neurode............. — Ueber den Goldbergbau an der Goldkoppe bei Freiwaldau ........... Kunisch: Ueber zwei paläontologische Novitäten aus dem schlesischen MuscheiklE 7!) > RER BANN N SE — Ueber das Bohrloch der Provinzial-Irrenanstalt in Leubus ........... — Ueber die neuesten Tiefbohrungen im Weichbilde von Breslau ........ Lehmann: Ueber pyrogene Quarze aus dem Basalt des Breitenberges bei Sirlagauı 1779,24 ED. BRD IP DR Dr — Ueber die Mikroklin- und Perthitstructur der Kalifeldspathe.......... Seite 36 61. 77 32 73 Inhalts-Verzeichniss. - Lehmann: Demonstration einer prachtvollen Erzstufe aus der Mug-Grube 5 2 Me N ea Er na) Nr Pe — Demonstration einer prachtvollen Stufe von Feldspathporphyr aus der Gegend von Christiania ...-..----»...----o-nenunnreneannnnnannnnnee — Demonstration einer Stufe des sogenannten Dattelquarzes von Krum- Ber bei Strahlen ee nn He nn ar ae RER. ms We — Demonstration einer Sammlung von Gesteinsdünnschliffen.........--- Meyer: Ueber ein von Weinhold und zwei von ihm construirte Modelle zur Erläuterung der Lichtbrechung ......---------=--rr0s cu erensen anne — Demonstration einer magneto-elektrischen Maschine. ...............-. Poleck: Ueber gelungene Culturversuche des Hausschwamms aus seinen a EEE REIT TNENE 2 san au a ua 100. — Demonstration von durch Elektrolyse dargestelltem Magnesium in Barren und Magnesiumpulver, von Zibeth und CGurare in Original- ER EN. 2. 25 BERNEERRFE a a en 146. v. Richter: Ueber den sogenannten kritischen Druck fester Körper....... Römer: Ueber das Vorkommen des Ozokerits oder Erdwachs und beglei- tende Fossilien in der Sobieski-Grube bei Truskawiec in Ostgalizien ... — Ueber einige neue Arten von Versteinerungen im Steinkohlengebirge eens 272 ..: ENT OR Wen BEREIT RE — Ueber einen bei Perschau, Kreis Polnisch-Wartenberg, gefundenen Be von, Iihinoceras ächarkinus. ). 1." 1%. ur 2a era ep Dappns en — Ueber die nordischen Diluvialgeschiebe von versteinerungsführenden Sedimentär-Gesteinen in der norddeutschen Ebene .................- Rose: Demonstration schlesischen aus dem goldhaltigen Quarz der Gold- koppe bei Freiwaldau gewonnenen Goldes............2.22220u2r0nn. Schmidt Hartmann: Ueber die Fixirung von physikalischen Figuren.... Schröter: Ueber die Cultur essbarer Pilze, insbesondere des Austern- a ERBE EECKE STE SCHUTE PERELR N 145. — Demonstration der seltenen Flechte Cora pavonia und von Photo- a BEE ae ETIBE - eeat S en e e ee weie Staats: Ueber die Resultate der Untersuchung des Asarons.............. Thümmel: Untersuchung der Oxychloride des Quecksilbers.............. Traube, H.: Ueber das Vorkommen von anstehendem Nephrit bei Jordans- Ele a ae a az Traube, M.: Ueber die langsame Verbrennung des Zinks, Bleis, Eisens und des Palladiumwasserstoffs unter Mitwirkung des Wassers...........-. — Ueber die Bildung des Wasserstoffhyperoxyds bei der Verbrennung des Bemmmmade und Wasserslofls -- ..........-- 2-0 0n2 0040 fee he Weber: Ueber die Zunahme der Blitzschläge unter Vorlegung von photo- graphischen Aufnahmen von Blitzen... .....--.........00r0cuchmasi- Seite 121 141 144 172 123 161 149 Inhalts-Verzeichniss. Weber: Demonstration dreier zur Herstellung von Lichteinheiten bestimmter 80,70 ee We nenne we ae RE N Ce Pe — Ueber monochrome Mischungen pulverisirter Körper mit Flüssigkeiten — Ueber Messung der magnetischen Inclination.................e...... Zacharias: Ueber die Ergebnisse einer zweiten faunistischen Excursion an den grossen und kleinen Koppenieich ...... - .. rpm... IV. Botanische Section. Cohn, F.: Worte der Erinnerung an Körber und Knebel................. Eidam: Demonstration neuer unter seiner Leitung angefertigter Pflanzen- ale... LE SE EEE EICH EREINEN SER EIER, ar “ — Ueber eine von ihm auf Exerementen von Fröschen gefundene Ento- mophihsräcee .;;. wis re re Engler: Ueber die Vegetationsverhältnisse in den neuen deutsch-afrikanischen Schutzgebieten und deren Nachbarländern......................... — Ueber die Familie der Typhaceen........ ee. Limpricht: Ueber die Porenbildung in der Stengelrinde der Sphagnen... — Ueber neue Bürger der schlesischen Moosflora.......-»........22..» Pax: Ueber die systematischen und pflanzengeographischen Verhältnisse der re — Ueber die Morphologie und Systematik der Cyperaceen.............. Schröter: Ueber die mycologischen Ergebnisse einer Reise nach Norwegen Stenzel: Ueber Baumfarne aus der Oppelner Kreide.................... v. Uechtritz: Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamen- Chara’eotonata in. Schlesien ‚gefnnden.£.- ..- -map-uea sd eat ns huge me = a Hyperica japonicum und mutilum im Grossherzogthum Posen gefunden...... Bianderversamielung, in; Hefariehäu... ara ae ih entelt- ser BE A V. Entomologische Section. Letzner: Nachtrag zum Jahresbericht pro 188&............ur2cnscoenune — Ueber einige schlesische Wasserkäfer ...... ..-...-222222200n 20000. — Ueber Larve und Puppe des Enicemus rugosus ........2222222enee0n. — Status der Goleopteren-Fauna am Ende des Jahres 1885............- VI. Geographische Section. Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der Königl. Universitäts-Sternwarte im Jahre 1885. .......----..rcrc00 00: Partsch: Ueber den gegenwärtigen Stand der Kenntniss der Insel Corfu.. Schneider in Surabaya: Ueber die Katastrophe des Vulkans Semru am Ne RETTET KERN T- N a RAN Weber: Ueber die wiederholten Blitzschläge in das Universitätsgebäude zu ER ER ER RRELUTE ) 1.27, 2 ri MR De U EBENE = Den ee N Seite 127 143 162 187 204 200 206 193 214 199 214. 196 213 208 215 216 Inhalts-Verzeichniss. Seite VII. Historische Section. Reimann: Ueber den Pädagogen Friedrich Eberhard von Rochow........ 315 Schimmelpfennig: Ueber die Huterischen Wiedertäufer in Mähren und Ber Fuedemann, ihren Vorsteher . u... 00.00 aan . :° VIII. Section für Obst- und Gartenbau. ee Bericht despeerurs.. enie aenane an e e e 336 Cohn, F.: Ueber künstlerische Verwendung der Pflanzen................. 352 Gireoud: Notizen über einige neuere oder bemerkenswerth erschienene ME o 1 A ae: Ara SEELEN a En a ee de; 377 Be der Sperling-ein mützlieher Vogel? ...7......2.-20.-..r... 418 Kühnau: Vom Waldvergissmeinnicht als Ergänzung für unsere Vergiss- ee ed 1 9 7 ar 402 Peicker: Einige Bemerkungen über das Rasenlegen................. RR generell: Ein Privatgarten vor 55 Jahren.........-..:.....-.uaenecanen 372 Scholtz: Ueber Vertilgung der Flechten auf Fruchtsträuchern und Obst- bäumen und eine neue Methode dazu ......-.. EUER UN DELER 387 — Wie vertreibt man die weisse Schildlaus der Rose?................. 391 — . Der Quintscherich. Eine botanisch-gärtnerische Plauderei .. .......- 398 Beier Kriechel als eingelegte Frucht .- :......-.:...3..u.0. cruneaaeena 401 Schröter: Essbare Pilze und Pilzeulturen in Japan .............z2r22... 360 Stein: Des Reichskanzlers Palme Bismarckia nobilis..................... 404. — Die Pilzwurzel unserer Bäume.................... EEE EN REN 409 Benene Bhododendron.. ...: Ja sub 42.020 ran 412 Zimmermann: Ein gutes Wort für unsere einheimischen Orchideen ..... 381 Nekrologe der im Jahre 1885 verstorbenen Mitglieder der Gesellschaft.... 491 Kuss ee A? it ve ir a \ EREAT ERS j 4 2 a Aa | ee I IT TEE 272; s an - em, ‚sg ee anaero a LE lien ur ie zen u s r | re rg bc Sur: | > King‘ DE 99 Nahe sd hosi uualılden dhtawanslramal a A mer RE REN EEE R ven er Abb E, £ aa) rosa u) en R Ein. g BIER, Eu TER | zo FREE De busse audoinhdelahunn‘ al, il fe fan". Domı PETE u, 2. % ron 1alr Sr RE ir, 5 I PORMEE orlasinaydh iqslor UN F 2 Ban: | 4 % E +oN Oak u We WERTE ER: | | un TEE = ea ErTn Pr he. rs vor ka Sarg ach MW sioH ra sıunaa? % Org, - AT . .. N von‘ > 175 Nanbellssnn ot YORE ee rat Dee all vuolat MR w KR In) r Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 18835, abgestattet in der allgemeinen Versammlung am 28. December 1885 von Staatsanwalt von Vechtritz, z. Z. General-Secretair. Im Laufe des nun zu Ende gehenden Jahres hat die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur unter der Leitung ihres neu er- wählten Präses, Herrn Geh. Medicinal-Rath Professor Dr. Heidenhain, in altgewohnter Weise auf dem Gebiete der Wissenschaft ihre Thätig- keit entfaltet. Zu ihrem Bedauern sah sie jedoch aus dem Präsidium ein hochverehrtes Mitglied, Herrn Stadtrath Müller, scheiden, den Kränk- lichkeit und vorgeschrittenes Alter veranlassten, seinen Austritt aus dem Präsidium zu erklären und sein langjähriges Amt als Secretair der Section für Obst- und Gartenbau niederzulegen. Ihm und dem unvergesslichen heimgegangenen Präses verdankt diese Seetion ihren Aufschwung und ihre Bedeutung, die sich weithin über die ganze Provinz erstreckt. Das Präsidium erfüllt daher nur die Pflicht des Dankes, indem sie Herrn Stadtrath Müller bei seinem Scheiden für seine Verdienste um den Obstbau die silberne Medaille der Gesellschaft verlieh. Leider ist der Gesellschaft der bewährte Custos der naturwissen- schaftlichen Sammlungen, Herr Professor Dr. Körber, durch den Tod entrissen worden. Die Gesellschaft verlor in ihm ein thätiges Mitglied und einen hochgeschätzten Beamten, die Wissenschaft einen hervor- ragenden Gelehrten. An seiner Stelle wurde der Privatgelehrte, Herr Rudolf v. Uechtritz zum Custos der naturwissenschaftlichen Samm- lungen erwählt und in dieses Amt eingeführt. Die Gesellschaft verlor ferner durch den Tod den hochverdienten Seeretair der medicinischen Section, Herrn Professor Dr. Berger, und 1885. a II Jahres - Bericht des weiteren die wirklichen Mitglieder: Apotheker Büchler, Kauf. mann Bunke, Kgl. Wirkl. Geh. Rath und Ehren-Generallandschafts- Direetor Graf Burghauss, Regierungsrath Frantz, Geh. Medieinal- Rath Professor Dr. Haeser, Wundarzt 1. Klasse Knebel, Professor Dr. Palm, Sanitätsrath Dr. Reinhardt, Geh. Regierungsrath Professor Dr. Sadebeck, General- und Corps-Arzt Dr. v. Scholz, Banquier Schreiber, Rittergutsbesitzer v. Thielau und ÖOberforstmeister a. D. Dr. Tramnitz. Sie betrauerte ferner den im Laufe des Jahres erfolgten Tod ihrer Ehrenmitglieder: Kgl. Generallieutenant, Präsident des Kgl. geo- dätischen Instituts, Excellenz Baeyer, K.K. Hofrath Freiherr v. Burg, Geh. Ober-Medicinal-Rath Professor Dr. v. Frerichs und Geh. Rath Professor Dr. v. Siebold, und ihrer correspondirenden Mitglieder: Pro- fessor Dr. phil. Andrae, Öberstabsarzt Dr. med. Börner und Ober- Postseeretaäir R. Schück hier. Ausgeschieden, zumeist wegen Ver- änderung des Wohnsitzes, sind 14 Mitglieder, dagegen sind folgende Herren als wirkliche Mitglieder der Gesellschaft neu aufgenommen worden: Dr. med. Alexander, Öber-Bergrath v. Ammon, Dr. med. Büchler, Dr. med. Felsmann, Rittergutsbesitzer Frank, Geheimer Commerzienrath Heimann, Oberstlieutenant Kirsch, Fabrikbesitzer Körner, Apotheker Niche, Lieutenant a, D, Rittergutsbesitzer Nissen, Dr. phil. Pax, Professor Dr. Schmarsow, Ober - Regierungsrath Schmidt, Dr. med. Schönlein, Dr. phil. Schube, Dr. med. Simon, Regierungs-Baumeister Storck, General-Arzt Dr. med. Strube, Pro- fessor Dr. med. Wernicke und Professor Dr. L. Weber. Am 8. December d. J., bei der Feier seines siebenzigsten Geburts- tages, ist der Geschichtsmaler, Senats-Mitglied der Akademie der Künste, Vice-Canzler des Ordens Pour le m£rite, Professor Adolf Menzel zum Ehren-Mitglied der Gesellschaft ernannt worden. Das Diplom als corre- spondirendes Mitglied der Gesellschaft erhielten die Herren: Professor der Botanik in Paris Briosi, Professor der Botanik in Warschau Dr. Fischer von Waldheim, Professor Dr. Leimbach in Sonders- hausen, Dr. Wittrock, Direetor des Reichsmuseums in Stockholm, und Wirkl. Staatsrath und Professor Dr. Heyer in Warschau. Gegenwärtig zählt die Gesellschaft 388 wirkliche Mitglieder, 36 Ehrenmitglieder, 173 correspondirende Mitglieder. Die Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 223 Mit- gliedern, Dieser unserer Section ist auch im Jahre 1885 Seitens des Pro- vinzial-Landtages der Provinz Schlesien eine Unterstützung von 1680 Mark gewährt worden, wofür wir wieder unseren Dank auch an dieser Stelle abstatten, In diesem Jahre ist Seitens der Gesellschaft nur der 62. Jahres- bericht über das Jahr 1884 veröffentlicht worden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. III Allgemeine Versammlungen sind in diesem Jahre 3 abgehalten worden, in welchen über folgende Gegenstände gesprochen wurde: am 25. Januar e. von Herrn Professor Dr. Neisser „über Bacterien im Allgemeinen und im Besonderen, über ihre Bedeutung für die Pathologie mit Demonstrationen‘ ; am 6. Februar c. setzte Herr Professor Dr. Neisser seinen Vor- trag „über die pathologisch wichtigen Bacterien‘“ fort; am 20. Februar ec. von Herrn Professor Dr. Röpell „über die politischen Verhältnisse Europas zur Zeit der Mitte des 18. Jahr- hunderts“, Das Stiftungsfest wurde von der Gesellschaft am 12. December c. unter lebhafter Betheiligung der Mitglieder abgehalten. Der langjährige Castellan der Gesellschaft, Reisler, ist wegen Kränklichkeit aus seiner Stellung am 1. Oetober d. J. geschieden. Das Präsidium hat demselben in Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste eine lebenslängliche Pension gewährt. Die Rechnung der Allgemeinen Kasse und über den besonderen Fonds der Section für Obst- und Gartenbau ist durch den Schatzmeister Herrn Kaufmann Paul Bülow gelegt und nach erfolgter Revision dem Herrn Rechnungsleger dechargirt worden. Ueber die Vermehrung und Vervollständigung der Gesellschafts- Bibliothek und der naturwissenschaftlichen Sammlungen giebt der Bericht des Bibliothekars, Herrn Pastor em. Dr. Schimmelpfennig, und des Custos der Sammlungen, Herrn Rudolf v. Uechtritz, Auskunft. Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren Sections-Secretaire folgendes berichtet: Die medicinische Section . (Seeretaire: Medieinal-Rath Prof. Dr. Fritsch und Mediecinal-Rath Prof. Dr. Ponfick) hat 11 Sitzungen gehalten, und zwar am 16. Januar, 30. Januar, 13. Fe- bruar, 20. März, 24. April, 8. Mai, 18. Juni, 25. Juni, 17, Juli, 13. November, 27. November. Öriginalvorträge haben gehalten die Herren: Magnus, Wiener, Hirt, Hermann Cohn, Heidenhain, Voltolini, Hirt, Ponfick, Senger, Partsch, Buchwald, Rosenfeld, Wernicke, Ko- laczek, Fritsch. Am 19. Juli verlor die Seetion in dem Professor Oscar Berger zugleich ein langjähriges Mitglied und ihren Secretair. Am 13. September verlor sie den Geh. Rath Haeser und am 22. November den Sanitätsrath Dr. Reinhardt. a* IV Jahres-Bericht Am 23. Juni betheiligte sich die Seetion im Verein mit der natur- wissenschaftlichen und botanischen an einem Ausflug nach Heinrichau. In der dort abgehaltenen wissenschaftlichen Sitzung sprachen von ihren Mitgliedern die Herren Heidenhain und Hermann Cohn. Am 27. November wurden für die Etatsperiode 1886/88 die Herren Fritsch und Ponfick zu Secretairen gewählt. Die Section für öffentliche Gesundheitspflege (Secretaire: Geh. Medicinalrath Professor Dr. Biermer, Professor Dr. Förster und Bezirks-Physicus Dr. Jacobi) hatte im Jahre 1885 fünf Sitzungen. In der ersten Sitzung am 1. Mai sprach Herr Professor Dr. Poleck „über die sanitäre Bedeutung des Hausschwammes“. In der zweiten Sitzung am 6. November hielt Herr Professor Dr. H. Cohn einen Vortrag ‚über die Beleuchtung in den Auditorien der Breslauer Universität“. In der dritten Sitzung am 20. November sprach Herr Bezirks- Physieus Dr. Jacobi „über Erfolge der puerperalen Prophylaxe“. — Es fand sodann die Wahl der Secretaire für die Etatsperiode 1886/87 statt und wurden die bisherigen Secretaire wiedergewählt, In der vierten Sitzung am 4. December sprach Herr Professor Dr. Gscheidlen „über den gegenwärtigen Stand der Prüfung der Kuh- milch“. Naturwissenschaftliche Section." (Seceretaire: Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Prof. Dr. Poleck.) Die Section hat sich im Jahre 1885 neun Mal versammelt und wurden nachstehende Vorträge gehalten: 1) Sitzung am 21. Januar: Geh. Bergrath Althans über schla- gende Wetter; — Dr. v. Chroustschoff über das Vorkommen von Zir- konen in mikroskopisch kleinen Krystallen in verschiedenen Gesteinen; — Professor Dr. O. E. Meyer über einen neuen optischen Apparat; — Dr. Kunisch über neue Saurier und Fische aus dem Muschelkalk Ober- schlesiens. 2) Sitzung am 11. Februar: Dr. Traube über Nephrit; — Prof. Dr. Lehmann über schlesische Mineralien; — Professor Dr. Poleck über die Analyse der Quellen von Warmbrunn und über den Haus- schwamm und seine gelungene Cultur aus Sporen. 3) Sitzung am 4. März: Geh. Bergrath Professor Dr. Römer: mineralogische und paläontologische Mittheilungen; Bergmeister Dr. Kos- ') In dem auf 5. 84£—192 erstatteten Bericht dieser Section ist irrthümlicher- weise auf S. 8% gedruckt worden: Bericht über das Jahr 1884; es soll heissen: 1885. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. V mann und Professor Dr. Lehmann: mineralogische Mittheilungen, — Dr. Gürieh und Dr. Kunisch über Bohrlöcher in der Gegend von Neumarkt und Leubus. 4) Sitzung am 6. Mai: Professor Dr. OÖ. E. Meyer über neue optische Modelle und Crook’sche Röhren; — Professor Dr. Weber über die Zunahme der Blitzschläge und über photometrische Einheiten und Lampen; — Dr. Kassner über den Solanidingehalt einer Schlempe und über Kautschuk in einheimischen Pflanzen; — Professor Dr. von Richter über den kritischen Druck. 5) Sitzung am 10. Juni: Dr. phil. u. med. M. Traube: chemische Mittheilungen über Wasserstoffsuperoxyd, seine Entstehung und Rolle bei Verbrennungsprocessen; — Professor Dr. Lehmann über Fluidal- Struetur; — Dr. v. Chroustschoff: mineralogische Mittheilungen. 6) Sitzung am 21. October: Dr. Kunisch über zwei Bohrlöcher in Breslau; — Professor Dr. Poleck über die neuesten Resultäte der Untersuchung des Hausschwammes; — Bergmeister Dr. Kosmann über den Goldbergbau bei Freiwaldau; — Dr. Gürich über seine Reise nach dem Niger und Beno&£. 7) Sitzung am 28. October: Dr. phil. u. med. M. Traube über die Kohlenoxydflamme, die Constitution der Hyperoxyde und Sauerstofi- Molekul-Verbindungen; — Professor Dr. O. E. Meyer über die Bre- guet’sche magneto-elektrische Maschine; — Professor Dr. Weber über seinen neuen Apparat zur Messung der magnetischen Inclination. 8) Sitzung am 18. November: Dr. Staats über Asaron; — Prof. Dr. Lehmann über Gesteins - Dünnschliffe und deren Darstellung in srossen Dimensionen; — Professor Dr. Hartmann-Schmidt über die Fixirung von physikalischen Figuren. 9) Sitzung am 4. December: Geh. Rath Professor Dr. Galle über den Sternschnuppenfall am 27. November d. J.; — Apotheker Thüm- mel über Quecksilberoxydcehloride; — Dr. Kassner über kautschuk- haltige Pflanzen; — Dr. v. Chroustschoff über den Ausbruch des Vulcans Colima; — Herr Langenhan über Bernstein. Die botanische Section (Seeretair: Professor Dr. Ferdinand Cohn) hat im Jahre 1885 neun Sitzungen gehalten; es trugen vor die Herren: Prof, Dr. Engler über die Vegetation der neuen deutsch-afrika- nischen Schutzgebiete und deren Nachbarländer — über Lebermoose der Magelhanstrasse und von Neu-Hannover — über die Morphologie der Typhaceen; Dr. Eidam über neue Brendel’sche Modelle — über die neue Entomophthoree: Basidiobolus Ranarum; VI Jahres - Bericht Bürgerschullehrer Limpricht über Porenbildung bei Sphagnaceen — über neue schlesische Laubmoose; Dr. Pax über die systematischen und pflanzengeographischen Ver- hältnisse der Gattung Acer — über die Blüthen der Cyperaceen; Oberstabsarzt Dr. Schröter über die Uredineen — Mycologische Beobachtungen auf einer Reise nach Norwegen bis zum Nordcap; Prof. Dr. Stenzel: was für Pflanzen waren die Sigillarien? — über einen Baumfarn aus der Oppelner Kreide; Herr R. v. Uechtritz über neue schlesische Pflanzen — über Hypericum japonicum und mutilum; der Secretair der Section über die Pilze der Trink- und Ab- wässer — verschiedene Mittheilungen. Die Wanderversammlung wurde in diesem Jahre im Verein mit der naturwissenschaftlichen und medieinischen Section am 238. Juni in Heinrichau abgehalten, in welcher Dr. Schröter einen Vortrag über Cultur des Austerpilzes (Agaricus ostreatus) und über die Flechte Cora hielt und der Secretair über die Mycorrhiza und über Goethe’s bota- nisches Jubiläum sprach. In der Sitzung vom 17. December wurde für die Etatszeit 1886/87 der bisherige Secretair wiedergewählt. Die entomologische Section (Secretair: Reetor emer. K. Letzner) hat im Jahre 1885 7 Versammlungen gehalten, welche im Ganzen von Gästen zahlreich besucht waren. Vorträge wurden nur von dem $Seecretair der Section gehalten, worüber der ausführliche Bericht das Nähere ent- halten wird, Zum Secretair für die neue Etatszeit wurde der Rector emer. K. Letzner wiedergewählt. Die Section für Obst- und Gartenbau (Seeretair: Königl. Garten-Inspector B. Stein) hielt im Jahre 13885 von Januar bis Mai in Folge dauernder Unpässlich- keit des Secretairs, Stadtrath E.H. Müller, keine Sitzungen ab. Nach- dem Herr Stadtrath Müller am 15. Mai das Secretariat niedergelegt hatte, wurde in der am 22. Mai unter Vorsitz von Professor F. Cohn abgehaltenen Sitzung der Kgl. Garten-Inspeetor des botanischen Gartens, B. Stein, zum Seeretair gewählt und übernahm am 1. Juni die Ge- schäfte der Section und des Sectionsgartens, während der Lesezirkel nach wie vor unter Leitung des Herrn Stadtrath Müller verblieb. Bis zum Jahresschluss wurden dann noch 5 Sitzungen abgehalten und in der Sitzung vom 16. December gewählt als Secretair für 1886: der. Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. VII Garten-Inspector B. Stein, als Stellvertreter: Obergärtner Richter in Hartlieb, als Mitglieder der Sectionsgarten - Commission: Oberstabsarzt Dr. Schröter, Landes-Bauinspector Sutter und Particulier Riemann, als Mitglied der Promenaden-Deputation: Professor Dr. F. Cohn. Ferner wurde von Seiten der Section in der Sitzung vom 26. No- vember beschlossen, sich an einer für 1886 in Breslau abzuhaltenden Gartenbau-Ausstellung zu betheiligen und hierfür ein Comite gewählt, bestehend aus den Herren: Prof. Dr. F, Cohn, Prof. Dr. Engler, Ober - Stabsarzt Dr. Schröter, Stadtrath Müller, Garten - Inspector Lösener und dem Secretair. Die geographische Section (Secretair: Geh. Reg.-Rath Professor Dr. Galle) hat im Jahre 1885 eine Sitzung am 25. November gehalten. In der- selben theilte Herr Professor Dr. F. Cohn einen Bericht des Dr. Fritz Schneider aus Niederländisch-Indien über den Ausbruch des Vulcans Semeru im April 1885 mit, dem ein Vortrag des Herrn Professor Dr. Partsch über die Insel Corfu folgte, Für die neue Etatszeit wurde der bisherige Seeretair wieder- gewählt, Die historische Section (Seeretair: Director Professor Dr. Reimann) - hat im Jahre 1885 folgende Sitzungen abgehalten: 1) Prof. Dr. Grünhagen: Schlesien zur Zeit Kaiser Maxi- milians II. 2) Prof. Dr. Caro: Ueber den ermländischen Pfaffenkrieg (1470 bis 1480). 3) Postkassirer Schück: Die Breslauer Postverwalter und die schlesische Postverwaltung bis 1740. 4) Pastor em. Dr. Schimmelpfennig: Die Huterischen Wieder- täufer in Mähren und Peter Riedemann, ihr Vorsteher. 5) Der Secretair: Ueber den Pädagogen Fr. Eberh. v. Rochow. 6) Der Seceretair: Ueber die Reform des Breslauer Matthias- Gymnasiums unter Friedrich dem Grossen. 7) Prof. Dr. Grünhagen: Schlesien unter Kaiser Matthias. 8) Prof. Dr. Schäfer: Ueber die mittelalterlichen deutschen Nie- derlassungen auf Schonen. 9) Postkassirer Schück: Die Erbeutung des Kaiserwagens Na- poleons bei Genappe. 10) Der Seeretair: Ueber eine wichtige Unterredung Friedrichs des Grossen mit dem Unterrichtsminister v. Zedlitz und deren Folgen. VIII Jahres - Ber cht Die philologische Section (Seeretair: Oberlehrer Dr. Peiper) hatte im Jahre 1885 drei Sitzungen anberaumt. 1) Montag, den 11. Mai. Vortrag des Herrn Director Dr. Ober- dick. Nach einer Einleitung über den Entwickelungsgang der Poesie der Griechen bis zum Tode des Perikles behandelte derselbe die home- rische Frage auf Grund der neuesten, noch nicht abgeschlossenen For- schungen, die die uns vorliegende Recension der Gesänge Homers in die Blüthezeit der griechischen Poesie verlegen. 2) Montag, den 8. Juni. Gymnasiallehrer Dr. Körber trug vor über die Hochzeitslieder des Catullus, _ 3) Mittwoch, den 23. December. Der Vortrag, den der Secretair (Dr. Peiper) angekündigt hatte, über das mittelalterliche Gedicht Ruod- lieb und die neueste Ausgabe desselben, musste wegen Mangel an Zu- hörern ausfallen. Aus demselben Grunde unterblieb die Wahl des Secre- tairs, die für eben diesen Termin angesetzt war; der Secretair erklärte sich bereit, bis auf Weiteres dies Amt zu übernehmen, Die musikalische Section (Secretair: Professor Dr. Schäffer) hat in diesem Jahre eine Sitzung — am 22. December — abgehalten, in welcher der Secretair einen Vortrag „über die Stimmung als Gegen- stand der Musik“ hielt und in der darauf folgenden Wahl für die nächste Etatsperiode wiedergewählt wurde. Bericht über die naturhistorischen Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Gultur für das Jahr 1885. Da dem Unterzeichneten die durch den Tod des Herrn Professor Körber erledigte Custodie der Sammlungen seitens ‚des Präsidiums der Gesellschaft erst seit Ende October a. ec. anvertraut werden konnte, so ist es ihm noch nicht möglich gewesen, eine erfolgreichere Thätigkeit zu entwickeln. Es erschien zunächst erforderlich, eine sorgfältigere Durehmusterung der schlesischen Phanerogamen -Sammlung in Angriff zu nehmen und demgemäss die zahlreichen, derselben noch nicht einverleibten Einzel- Collectionen resp. die neueren Zugänge zur Einrangirung vorzubereiten, Unter Anderem wurde speciell das umfangreiche, aber zerstreut auf- bewahrte Material des Genus Hieracium fast vollständig geordnet und zugleich kritisch gesichtet. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. IX Die Sammlungen sind nur durch den Fasc, XVII des von Dr. Schneider herausgegebenen Herbars schlesischer Pilze bereichert worden. Breslau, den 28. December 1885. R. v. Uechtritz. Bericht über die Bibliotheken der Schlesischen Gesellschaft für das Jahr 1885. Im verflossenen Jahre ist die Schlesische Gesellschaft mit zwei ge- lehrten Gesellschaften auf der pyrenäischen Halbinsel, mit der Sociedade Broteriana in Coimbra und mit der Section des travaux geologiques in Lissabon in Schriftentausch getreten, der unserer Bibliothek für die Fächer der Botanik und Geologie neue werthvolle Bereicherungen in Aussicht stellt. Verliehen wurden im Laufe des verflossenen Jahres 330 Bücher, 81 mehr als 1884. Der Zuwachs der Bibliothek beziffert sich auf 1284 Bände resp. Hefte, darunter 504 Universitäts- und Promotions- schriften. Er setzt sich zusammen: 1. aus Neuanschaffungen. . . . . 15 2. aus antiquarischen Erwerbungen ee Bin Can nischer Lesecirkel) . . . ; 36 3. aus Ueberweisungen der Obst- er antenne Br Fachjournale und kleinere Schriften . . . Kerl. 95 4. aus den im Tauschverbande eingegangenen Schriften: a. aus dem aussereuropäischen Auslande . . . . 54 b. aus dem europäischen Auslande . . ....... 344 2 aus.dem; Deutschen Reiche ;=i. ohnillı.C. se. 971 d. aus Schlesien von Vereinen, Behörden, Schulen RE PR LERRN ARD REBLTDBE NN BI OO UPERDDDDEERPEIERER 1 Ren an 2 REED AT. TE Summa des Zugangs 1284 Davon wurden der allgemeinen Bibliothek 1165, der schlesischen 119 einverleibt. Unter den geschenkten Werken befinden sich die Annales d’Hygiene, Band 1—76, welche der Herr Geh, Regierungs-Rath Prof. Dr. Duflos in Annaberg, Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, der Bibliothek derselben übersendet hat. Es gereicht mir zu besonderer Befriedigung, demselben sowie den Herren Dr. Ameke in Leipzig, Dr. Beck in Bern, Freiherrn v. Borch in Innsbruck, Bürgermeister Dengler in Reinerz, Geh. Sani- tätsrath Dr. Grätzer hier, Gühmann in Zobten, Professor Dr. Hoff- mann in Giessen, Pfarrer Dr. theol. Klein in Gläsendorf, Rector Letzner hier, Dr. Suen Lowen in Stockholm, Realgymnasiallehrer u Jahres - Bericht Merkel hier, Stadtrath Müller hier, Dr. Müller-Strübing in Lon- don, Baron Ferdinand v. Müller in Melbourne, Prof. Dr. Oelsner in Frankfurt a. M., Professor Dr. Penzig in Padua, Lehrer Rolle in Sibyllenort, Inspector Rud. Temple in Pest, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Waldeyer in Berlin und Dr. Zacharias in Hirschberg, sowie den Verlagsbuchhandlungen Aderholz und Max Müller für ihre sütigen Zuwendungen den wärmsten Dank Namens der Schlesischen Gesellschaft aussprechen und allen unseren Mitgliedern unsere Bibliothek zu freundlicher Berücksichtigung empfehlen zu dürfen. Im Laufe des Jahres gingen von folgenden gelehrten Gesellschaften und Vereinen bei unserer Bibliothek Schriften ein: a. Aus dem aussereuropäischen Auslande und zwar: aus Amerika von der American Academy of Arts and Sciences in Boston 1, von der Society of Natural history daselbst 5 und von dem dortigen Harvard College, Museum of comparative Zoology 13, von der Medical- Association in Chicago das Journal, Band 4 u. 5, von der Connecticut Academy of Arts and Sciences 2, von dem Jowa Weather Service 7, von dem Surgeon general of the U. St. Army in Washington 1 und von dem dortigen Smithsonian Institution 2, endlich vom National-Museum in Rio de Janeiro 5 aus Asien von der Geological Survey of India in Caleutta 16; aus Australien vom botanischen Garten in Adelaide 1, von der Royal Sociely of Victoria in Melbourne 3, zusammen 54 Stück. b. Aus dem europäischen Auslande und zwar: aus Spanien von der Sociedade Broteriana in Coimbra 1; aus Portugal von der Section des travaux geologiques in Lissabon 1; aus Italien von der Accademia delle science dell’ istituio di Bologna 1, von der Königl. Ackerbau-Akademie in Florenz 3, von der Socielü di letture in Genua 2 Bände des von ihr herausgegebenen Giornale, Jahrgang 1885, von dem Istituto Lombardo in Mailand 1, von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft daselbst 1 und von der erypto- gamologischen 1, von der Societü dei naturalisti in Modena 4, von der zoologischen Station in Neapel 2, von der Societü Toscana. di scienze nq- turali in Pisa 3, von der Accademia dei Lyncei in Rom 6 (26 Hefte der Rendiconti als ein Band gerechnet) und von der Societü geo- grafica daselbst das Bolletino für 1885 — 25; aus Frankreich von der SocietE des sciences physicales et naturelles in Bordeaux 1, von der SocielE nationale des sciences naturelles et malhe- matiques in Cherbourg 2, von der Acadedmie des sciences in Montpellier 1, von der SocieteE des sciences in Nancy 2, von der französischen geo- logischen Gesellschaft in Paris 14 Hefte des Bulletins — 20; aus Grossbritannien und Irland von der Royal Society in Dublin 5, von der Philosophical Society in Cambridge 5, von der Royal N in London 8 und von der Mikroskopischen Gesellschaft daselbst 7 ri aus ehren von der Academie royale de medecine in Brüssel 11, von der SocidtieE de Botanique daselbst 2, von der malacologischen Gesell- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, x1 schaft 5, von der dortigen Akademie der Wissenschaften 10, von der geologischen Gesellschaft in Lüttich 2 und von der dortigen Gesell- schaft der Wissenschaften 1 = 31; aus Holland von der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Amster- dam 5, von der holländischen Gesellschaft der Wissenschaften in Haarlem 4, von der Maatschappy der Neederlandsche Letterkunde in Ley- den 4, von der Neederland. deerkundige Vereeniging ebendaselbst 3, von der botanischen Gesellschaft in Luxemburg 2 = 18; aus Dänemark von der Academie royale in Kopenhagen 4, von der dortigen Universität 18, von der botanischen Gesellschaft 4, von der Nordiske Oldskrift Selskab 6 — 32; aus Schweden von der Akademie der Wissenschaften in Stockholm 18, von der Vitierhets historie och antiquitets Academie ebendaselbst 1, von der Gesellschaft der Wissenschaften in Upsala 1, von der dortigen Universität 3 = 23; aus Norwegen von der Videnskabs Selskabet in Christiania 1, von der Norske Nordhavs expedition 4 — 5; aus Russland von der esthnischen gelehrten Gesellschaft in Dorpat 2, von der Societas pro Fauna et Flora Fennica in Helsingfors 1, von der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst in Mitau 1, von der SocietE des naturalistes in Moskau 2, von der Akademie der Wissen- schaften in Petersburg 3, von der geographischen Gesellschaft 7, vom botanischen Garten 3, vom naturforschenden Verein in Riga 1, von der dortigen Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ostsee- provinzen 3 = 23; aus der Schweiz von der naturforschenden Gesellschaft in Basel 1, von der historischen und antiquarischen Gesellschaft daselbst 1, aus Bern von der naturforschenden Gesellschaft 6 und von der Schweize- rischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften 1, von der naturforschenden Gesellschaft in Chur 2, von der naturforschenden Gesellschaft in St. Gallen 1, vom historischen Verein daselbst 3, von der Societe de physique et d’histoire naturelle in Genf 1, von der natur- forschenden Gesellschaft in Zürich 5 und von der Universität 41 ı— 63; | aus Oesterreich-Ungarn von der Gewerbeschule in Bistriz 1, von der Mährisch-schlesischen Gesellschaft in Brünn 3, von der Kel. ungarischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Buda-Pest 4, vom Deutschen Böhmerwaldbunde in Budweis 1, von der Redaction der Zeitschrift „Das Riesengebirge‘“ in Freiheit 2, vom historischen Ver- ein in Graz 2, vom naturwissenschaftlichen Verein für Steiermark daselbst 1, vom Verein für Naturwissenschaften in Hermannstadt 1, vom dortigen Verein für siebenbürgische Landeskunde 2, vom Fer- dinandeum in Innsbruck 1, vom naturwissenschaftlich - medieinischen Verein daselbst 1, vom Karpathenverein in Kesmark 2, vom natfur- historischen Landesmuseum in Klagenfurt 3, von der ungarischen bota- ‚nischen Gesellschaft in Klausenburg 1, von der Academya umiejetnosci in Krakau 3, vom nordböhmischen Exeursionsclub in Böhmisch-Leipa 7, vom Verein für Naturkunde in Linz 1 und vom Museum Franeisco- Carolinum daselbst 1, von der Königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag 10, vom Landesculturrath daselbst 3, vom xl ir Jahres - Bericht Verein Lotos 1, vom Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen 5, von der. Lesehalle der deutschen Studenten 1, von der Ge- ‘ sellschaft für Landeskunde in Salzburg 1, von der Societüa agraria in Triest 1, von dem R. Istituto tecnico Ant. Zanon in Udine 1, und end- lich aus Wien von der geologischen Reichsanstalt 6, von der öster- reichischen Gesellschaft für Meteorologie die Zeitschrift, Band 20, von der Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus die Jahr- bücher, von der Universität 3, von der anthropologischen Gesell- schaft 2, von der geographischen Gesellschaft 1, von der zoologisch- botanischen Gesellschaft 3 — 77; mithin aus dem europäischen Aus- lande zusammen 344 Stück. ec. Aus dem Deutschen Reiche, nämlich: von dem historischen Verein für Mittelfranken in Ansbach 1, vom histo- rischen Verein für Unterfranken in Aschaffenburg 2, vom historischen Verein für Schwaben und Neuburg in Augsburg 2, vom historischen Verein in Bamberg 1, von der naturforschenden Gesellschaft daselbst 1, vom dortigen Gewerbeverein die Wochenschrift, vom historischen Ver- ein für Oberfranken in Bayreuth 1, aus Berlin von der Akademie der Wissenschaften die Sitzungsberichte pro 1885 und 1 Band Ab- handlungen, von der Kaiserlichen Admiralität die Nachrichten für See- fahrer und die Annalen der Hydrographie, vom Königl. statistischen Bureau 3, vom Königlichen geodätischen Institut 2, von der Uni- versität 8, vom Verein zur Beförderung des Gewerbefleisses die Ver- handlungen des Jahres 1885, von der deutschen geologischen Gesell- schaft 4, von der afrikanischen Gesellschaft 3, von der Gesellschaft naturforschender Freunde 1, vom Verein Herold Jahrgang XV seiner Zeitschrift, von der medieinischen Gesellschaft 1, vom Verein für die Geschichte der Stadt Berlin 7, vom botanischen Verein der Mark Brandenburg 2; von der Universität in Bonn 66, vom naturhistorischen Verein daselbst 3, vom landwirthschaftlichen Centralverein für Rhein- preussen 1, vom landwirthschaftlichen Verein in Brandenburg a. H.], vom landwirthschaftlichen Verein in Bremen 1, vom naturwissenschaft- lichen Verein daselbst 1, von dem Provinzial-Landwirthschafts-Ver- ein in Bremervörde die Zeitung pro 1885, vom Centralausschuss der Kgl. Landwirthschaftlichen Gesellschaft in Celle 3, von der natur- forschenden Gesellschaft in Danzig 1, vom historischen Verein in Darmstadt 5, vom Verein für Erdkunde daselbst 1, aus Dresden vom Königl. statistischen Bureau 3, vom naturwissenschaftlichen Verein Isis 2, von der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde 1, von der ökonomischen Gesellschaft 2; von der naturforschenden Gesellschaft in Emden 1, von der Universität in Erlangen 46, von der physikalisch- medieinischen Societät daselbst 1, von der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt 1, von der Senekenberg’schen Gesellschaft in Frankfurt a. M. 1, vom physikalischen Verein daselbst 1, vom Alterthumsverein in Freiberg i. $S. 1, von der Universität in Frei- burg i. Br. 48, von der naturforschenden Gesellschaft daselbst 1, von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 1, von der Oberlausitz’schen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz 2, von der geographischen Gesellschaft in Greifswald 1, vom Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg zu Güstrow 1, von der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XI Kaiserl. Leopoldinischen Akademie in Halle a. S. die Leopoldina pro 1885, vom naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen daselbst 6, vom naturwissenschaftlichen Verein in Hamburg 1, von der Königl. technischen Hochschule in Hannover 1, vom historischen Ver- ein für Niedersachsen daselbst 5, von der naturhistorischen Gesellschaft daselbst 1, vom naturhistorisch-mediceinischen Verein in Heidelberg 1, von der Universität in Jena 69, von der medicinisch-naturwissenschaft- lichen Gesellschaft 4, vom Verein für Thüringen’sche Geschichte da- selbst 2, von der Gesellschaft für Schleswig-Holstein’sche Geschichte in Kiel 2, vom naturwissenschaftlichen Verein für Schleswig-Holstein daselbst 1, von der Universität in Königsberg 41, vom Alterthums- Verein in Lahnstein 2 Nummern des „Rhenus‘“, aus Leipzig von der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 11, von der Jablo- nowski’schen Gesellschaft 1, von der Redaction des Naturforschers die Zeitschrift, von der naturforschenden Gesellschaft 1, von der poly- technischen Gesellschaft 1, vom Verein für Geschichte des Bodensees in Lindau 1, vom naturhistorischen Museum der Stadt Lübeck 1, vom naturwissenschaftlichen Verein in Lüneburg 1, vom historischen Ver- ein in Marienwerder 3, vom naturwissenschaftlichen Verein in Magde- burg 1, von der Universität in Marburg 66, von der Königlichen Bayrischen Akademie der Wissenschaften in München 5, vom historischen Verein für Ober-Bayern daselbst 3, vom landwirth- schaftlichen Verein daselbst die Zeitschrift desselben, vom Ver- ein für Naturkunde in Mannheim 1, vom Westfälischen Verein für Wissenschaft und Kunst in Münster 1, vom Verein für Geschichte und Alterthum Westfalens 1, vom Verein für die Geschichte der Stadt Meissen 2, vom Germanischen Museum in Nürnberg den An- zeiger, von der naturhistorischen Gesellschaft daselbst 1, vom Verein für Naturkunde in Offenbach 1, vom naturwissenschaftlichen Verein in Osnabrück 1, von der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen in Posen 3, vom naturwissenschaftlichen Verein in Regensburg 1, vom historischen Verein für die Oberpfalz daselbst 1, von der Universität in Rostock 26, vom Verein für Henneberg’sche Geschichte in Schmal- kalden 2, vom Grossherzogl. statistischen Bureau in Schwerin 1, vom Verein für Mecklenburgische Geschichte daselbst 2, aus Sondershausen die Irmischia, 2 Jahrgänge der Deutschen botanischen Monatsschrift von der Redaction derselben und vom Verein zur Beförderung der Land- wirthschaft 1; vom entomologischen Verein in Stettin 2, von der poly- technischen Gesellschaft daselbst 1, von der dortigen Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde 4, aus Stuttgart vom Königl. statistisch-topographischen Bureau 8, vom dortigen Verein für vaterländische Naturkunde 1, vom Polytechnicum daselbst 2, vom Harzverein in Wernigerode 3, vom Nassauischen Verein für Natur- kunde in Wiesbaden 1, vom Verein für Nassauische Alterthümer da- selbst 2, von der Universität in Würzburg 20, von der physikalisch- medicinischen Gesellschaft daselbst 3; zusammen aus dem Deutschen Reiche 571 Stück. d. Aus Schlesien sind eingegangen: vom Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens 2, vom Verein für das Museum Schlesischer Alterthimer 3 Nummern von Schlesiens XIV Jahres - Bericht Vorzeit in Bild und Schrift, von der Universität 61, vom hiesigen statistischen Bureau 5, vom Königlichen Oberbergamt 1, vom Verein für schlesische Inseetenkunde 1, vom Schlesischen Forst- Verein das Jahrbuch, von der hiesigen Handelskammer, vom landwirthschaftlichen Centralverein, vom Handwerkerverein, vom kaufmännischen Verein, vom älteren Turnverein, vom Humboldtverein, vom jüdisch - theolo- gischen Seminar und: von 7 hiesigen Schulen Jahresberichte, von der Philomathie in Neisse 2, vom Vorschuss - Verein in Zobten sein Ge- nossenschaftsblatt und von 13 Schulen und Vereinen in der Provinz Programme resp. Jahresberichte, zusammen 104 Stück. Dr. Schimmelpfennig. Bericht über den Kassen-Abschluss pro 1885. Der Kassen-Abschluss über die gesammte Verwaltung ergiebt einen Bestand: a. für die allgemeine Kasse von 39400 Mark in Effecten (im Raths- Depositorium lagernd) und 367 Mark 80 Pf. baar; b. für die Special-Kasse der Section für Obst- und Gartenbau von 20 900 Mark in Effeeten (17 900 Mark bei der städtischen Bank, 3000 Mark bei Herrn Garten-Inspector Stein) und 664 Mark 58 Pr. baar bei Herrn Garten-Inspector Stein. Im Laufe des Jahres hat sich somit der Vermögens-Bestand ver- bessert: a. bei der allgemeinen Kasse um 400 Mark in Effeeten und 699 Mark 84 Pf. baar (31. December 1884 war mit einem Vorschuss von 331 Mark 98 Pf. abgeschlossen), 1099 Mark 84 Pf. zusammen; b. bei der Section für Obst- und Gartenbau um 5500 Mark in Effeeten und 329 Mark 47 Pf. baar, 5829 Mark 47 Pf. zu- sammen. Breslau, den 27. April 1886. Paul Bülow, z, Z. Schatzmeister. Kassen-Abschluss für das Jahr 1SSS. Allgemeine Kasse. Einnahme, An Bestand aus dem vorigen Jahre . An Zinsen von HEffecten . An Beiträgen einheimischer Mitglieder: Pro I. Semester von 295 Mitglieden a9 M....25M — dl, 55 m ale) 55 a a hir An Beiträgen auswärtiger Mitglieder: Pro I. Semester von 64 Miteliedem a6 M.... 334 M — % og al n „ 64 " en ee Miethsbeitrag vom Schlesischen Gewerbe-Verein. " »„ klassischen Musik-Verein R von verschiedenen Vereinen . Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat . Aussergewöhnliche Einnahmen: Für Gasbenutzung .. . s ERS IOIDNEBEN BEBIE-SENIBN N RR SR Zinsen von zeitweise ankelesieh ak Un Ba. le. 260, Verkaufte Drucksachenn. 8. we 0... nn. m ne HS 2, Valuta für zur Rückzahlung gelooste Niederschlesisch -Märkische Priori- täts-Obligationen . Erkaufte Effeeten: Preuss. cons. 4proc. Anleihe . Ist eingekommen Effecten M 38600 2500 41000 Baar 2 1640 9472 768 640 168 156 300 11437 AN 50 05 Für nn Allgemeine Kasse, Effeeten Baar Ist verausgabt Ausgabe. M ER Mieihe einschliesslich Wassereeld 00.000 a 1860 | — Honorare und Remunerationen Ee ee I 1725| — Gehallsylem2 Castellannund Dension nee 1225 | — Neujahrsgeschenk demselben . Er En 45 | — n U ms Haus alten es I — Heizung. DR: De Sean nee nier ae ee Eee 247 | 38 Beleuchtung . . . ee Al 196 | 53 Unterhaltung der Monaten und Near | 5| 55 Keuerverstcherun gs: Prämie ee EB ee 120, — Selreilihaterfalien er a Zeitung Nnnoncenn| ee 209 | 60 Druckkösten.. I... ... ..... 2a eb gumiskrsin ns oalmates 2345 | 97 Buchbinger-Arbeiten. ..% ... ce M.Mah, EODSIEREIR an ER 230 | 78 Loriormer 2: ee ee 1.7, ae EEE 2 109 | 05 Kleine Bssnc RER Y a NEE EN nen A es | > Naturwissenschaftliche Sitiann a | 85 | 40 Eintomoloesisehefseetion 2... aa ee Sea 18. — Mechnische:Sechon) Era. Ser a Aare Denen = —e Botanische: Bechiom Eee wa. mie ea 61 | 70 Medteinische: Saelıon:_ ya... a a A ee rn 16 | 55 Bibliothek. „=, EWR ERNEST Nr EL a | 201 80 Unvorhergesehene Aussallen Een RN 389 | 85 Erkaufte Effeeten, 2500 Mark Prötes‘ cons. side, Role. a 2592 | 55 Zur Rückzahlung gezogene Niederschlesisch - Märkische Prioritäts- Oblieationedee 5 2 a ae ZOO Biesittanid amasichhl uweisexdlesidlahmesı 158802 = Mr re 427 | 86 12000 AM 4% cons. Preuss. Anleihe. 5100 4 4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen. 3000 Al 4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Prior.-Oblig, 3600 HM 41% „ „ ” „ „ „ 2700 M 31,% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. E. 2700 AM 41,% ee en a, so Ent. 9000 MH 41,% A en E animal 600 AM 315% Prämien-Anleihe. 300 #M Schlesische Bankvereins-Antheile. ae 39000) — | — 41100 | 11437 | 55 Bülow, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft. Kassen-Abschluss für das Jahr 1885. Ist eingenommen Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. |n.cıen Einnahme. 2 An Bestand aus dem Jahre 1884 . Mitglieder-Beiträgen: ” ' von 50 einheimischen Mitgliedern & 3 MM 150 M — % „ 228 auswörtigen 55 alla Mr, „ „ Beiträgen für den Lesezirkel: von 41 Mitgliedern & 3 M. „ Einnahme für den Garten und Erträgnisse desselben: Extra-Beiträge zur Unterhaltung des Gartens: von 31 hiesigen Mitgliedern 120 M — % „ 123 auswärtigen „, 478 2) ”) 59938 M — % Erträgnisse des Gartens: für Edelobstbäume, Sträucher, Weinreben 3114 M 60 9 „ verschiedene Garten- Producte 4343 vb} ” » NBubventionen: von dem Schlesischen Provinzial-Landtage . „ Zinsen von Effeeten und div. Zins-Eingänge. „ Valuta für verkaufte 1000 Mark Rechte-Oder-Ufer-Eisenbahn-Priori- täts-Obligationen „ erstattet erhaltene Auslagen auf Garten-Unterhaltung . „ erkauften Effeeten: cons, 4% Staats-Anleihe . i 4% Rechte-Oder-Ufer-Eisenbahn- Prioritäts- ER 2 15400 Baar NM u 335| 11 Sl — 123 | — 8055 1650 61 15 87 Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau. |, iffecten Baar M M Ausgabe. a Für den Lesezirkel: Journale und Bücher. 35 M 50 % Colportage . : 12 0 Buchbinderarbeit und Hellordiharia 3 20..M 9205; T — | — 128 | 42 „„ Sämereien zur Gratis-Vertheilung: Sämereien, Empfangs- und Versendungs-Spesen. —_ 201 | 59 „ Insgemein: Porto . 3 63 AM 20 % Insertions- und Den 38 „rm Angeschaffte Werke . 60.2, Kleine Ausgaben N Extraordinari 330 — xtraordinaria es r en | 588 | — „ den Garten: Gärtnergehalte, Heizung und Beleuchtung . . 1657 M 52 % Arbeitslöhne . 5 LET N 155 Dunsstoffe incl. Rührlohn DA Sämereien, Obst-Wildlinge, Müdlteiser, Bälme und Pflanzen ; 312, Baulichkeiten und iteneiitss 408, or, Insertions- und Druckkosten Abe Sb Porto und Extraordinaria. 20, Shen 5 — 4943 | 94 „ verkaufte Rechte-Oder-Ufer-Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen 1000| — | — „ erkaufte Effeeten: 3000 Al 4% Rechte - Oder - Ufer - Eisenbahn - Prioritäts - Obli- gationen . . 3057 M— % 3500 M 4% cons. Pienssisehe Antenne onl2rn 34, 6769 | 34 Kassen-Bestand für das Jahr 1886 20900] 664 | 58 21900 18295. 87 Ist verausgabt Bülow, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft, Etat der Rinnahmen und Ausgaben der Allgemeinen Kasse für die Jahre 1886 und 1887. LEE nn Einnahmen. Mark. I. ko Zinsen von Eifeeten .....n.nneuner nennen 1600 II. | Beiträge von einheimischen Miteliedern en den. ern 5328 * 1Il. | Beiträge von auswärtigen Miteltedenn 2. 0. are ee 780 IV. | Miethsbeitrag vom Schlesischen Gewerbeverein ........... 640 V. | Miethsbeitrag vom Klassischen Musikverein .............- 160 VI. | Miethsbeitrag von div. Vereinen.........eeeeeeereneeene 140 VII. | Jahresbeitrag des hiesigen Magistrats ..........-ecr ern. 300 VII. | Aussergewöhnliche Emnahmen Ber RER IA 2 35 Summa der Einnahme | 8983 DIE XVl. XV. XVII. Ausgaben. Neujahrgeeschenke internet 2 19 20 Ela A Nee De a ee ee vons Mobilianıundt Rieparatuını. 2 Nee Hewer-Versicherunes Frame me an Insertionskosten.. 24 ai OS ra UNE KlemerAuslaeen ne Natumwissenschatliche Section... 2... ea. EintomologischenDeetiong.th. Irre Ser sus hacn Botanische ’Dechtom rn I ET SE Boch Summa der Ausgabe Breslau, den 3. Juli 1886, Das Präsidium der Schlesischen 6eellschaft für vaterlindische Cultur. Heidenhain, Biermer, v. Veehtritz, Präses, Vice-Präses. Geatal-Seer, Witte, Bülow, zweiter Gen.-Seer. Schatzmeister, 150 8059 ie Aa 2 | ‚VOOR bir 3091. sl onar. IE: FOR, a Pa Magpörea 7 ieh 4 ti)d Hoya Da Ar 2 EN AT, ' zyK, I u. LT DZENDE 3 bi i = 2 ei SR. = — - + < e 2 ® er; nd * = ” ‚ sh re ve a f g ur aha EEE (hasy gebe x ofen win u. ee u. . u%# % gen Y. | Mieikebsttrug vum Vlerfecheh Mrsiisarai ne BIT } Late arytlrag v4 a: 5; au . 7% Ric: 08 TREU ER Or Dr DL zeeES, 00% RE en EM EAN 0% > URIORR ae 2.2 narlasd aaa Gl ul Ps >22 BO EIEN a 06] i 5 200r odusauA 0b wurmnd ve der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XV Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Für die Etatszeit von 1886 und 1887. Die römischen Ziffern hinter den Namen bezeichnen die Sectionen (I. die medi- einische, II. die hygienische, III. die naturwissenschaftliche, IV. die botanische, V. die entomologische VI. die geographische, VII. die historische, VII. die philo- logische, IX. die musikalische, X. die juristisch-staatswissenschaftliche), denen die betreffenden Herren beigetreten sind. Die Sitzungen der einzelnen Sectionen werden jedesmal durch die Zeitungen bekannt gemacht; übrigens haben nach $ 5 der Statuten alle Mitglieder der Gesellschaft das Recht, an denselben theilzunehmen. Präsidium der Gesellschaft. A. Vollziehender Ausschuss. Herr Geheimer Medicinal-Rath, Professor, Direetor des physiologischen Instituts, Dr. med. Heidenhain, Präses. — Geheimer Medicinalrath, Direetor der medieinischen Klinik und Poli- klinik, Professor Dr. med. Biermer, Vice-Präses, — Staats-Anwalt v. Uechtritz, General-Secretair. — Landgerichts-Direetor E. Witte, zweiter General-Secretair. — Stadtrath und Kaufmann Paul Bülow, Schatzmeister. B. Directoren. Herr Cohn, Ferdinand, Dr. phil., Professor. — Förster, Dr. med., Professor, Direetor der ophthalmiatrischen Klinik. — Grünhagen, Dr. phil,, Geheimer Archiv-Rath und Professor. — v. Korn, H., Stadtrath und Buchhändler. — Löwig, Dr. phil, Geheimer Regierungs-Rath, Professor, Director des chemischen Laboratoriums. — Luchs, Dr. phil., Direetor der städtischen höheren Töchterschule. — Poleck, Dr. phil., Professor, Direetor des pharmaceutischen In- stituts, — Schmidt, Ober-Regierungs-Rath. XVI Jahres - Bericht Herr Traube, Moritz, Dr. phil. et med., Kaufmann. — Weber, General-Major z. D. C. Secretaire der Sectionen. Herr Biermer, Dr. med., Geh. Medieinalrath und Professor, I, Seeretair der hygienischen Section, — Cohn, Ferd., Dr. phil., Professor, Secretair der botanischen Section. — Förster, Dr. med., Professor, Direetor der ophthalmiatrischen Klinik, II. Secretair der hygienischen Section. — Fritsch, Dr. med., Medicinalrath und Professor, Secretair der medicinischen Section. r — Galle, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath, Professor, Direetor der Sternwarte, Secretair der geographischen Section. — Jacobi, Dr. med., Privat-Docent und Königl. Bezirks-Physikus von Breslau, III. Secretair der hygienischen Section. — Letzner, K., Rector, Secretair der entomologischen Section. — Peiper, Dr., Gymnasial-Oberlehrer, Secretair der philologischen Section. — Poleck, Dr., Professor, Director des pharmaceutischen Instituts, II. Secretair der naturwissenschaftlichen Section. — Ponfick, Dr. med., Medieinalrath und Professor, Director des patho- logischen Instituts, Seeretair der mediceinischen Section. — Reimann, Dr. phil., Professor, Director des Realgymnasiums zum heiligen Geist, Secretair der historischen Section. — Römer, Dr. phil., Geheimer Bergrath, Professor, Direetor des mineralogischen Museums der Universität, I. Seeretair der natur- wissenschaftlichen Section. — Schäffer, Julius, Dr. phil., Königl. Professor und Musikdireetor, Secretair der musikalischen Section, — Schmarsow, Dr. phil., Professor, Seeretair der archäologischen Section. — »tein, B., Inspeetor des Königl. botanischen Gartens, Secretair der Section für Obst- und Gartenbau. | — Witte, Landgerichts-Direcetor, Secretair der juristisch-staatswissen- schaftlichen Section. D. Für die Bibliothek und die Museen. Herr Galle, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath, Professor, Bibliothekar. — Schimmelpfennig, Dr., Pastor emer., Custos der Bibliothek, — v. Uechtritz, Rud., Custos der Herbarien und der naturwissen- schaftlichen Sammlungen. Die Bibliothek und die Museen sind jeden Mittwoch und Sonnabend von 2 bis 4 Uhr Nachmittags geöffnet. »* 1885. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XVII A. Wirkliche einheimische Mitglieder. . Herr Alexander, Dr. med. I. II. 1885. Althans, Geh. Ober-Bergrath. U. III. 1874. v. Ammon, Öber-Bergrath. II. III. 1885. Arent, Oberst a. D. III. VII. 1866. Asch, Dr.’med. I. IE. 1897. Auerbach, L., Dr. med., Professor. I. II. 1856. Baer, Oswald, Dr. med. I. 1881. Baron, Dr. med. I. II. 1870. Bartsch, Max, Fabrikant und Kaufmann. II. IV. 1883. Bauch, G., Dr. phil, Lehrer der höheren Bürgerschule 1. VEL Yin. 1883. Beblo, Carl, Stadtrath und Fabrikbesitzer. III. 1872, Beblo, Dr. phil., Gymnasiallehrer. III. 1873. Beck, Otto, Kaufmann. 1880. Bellier de Launay, Friedrich, Rechtsanwalt und Notar. X. 1884. Biermer, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director der medicinischen Klinik und Poliklinik. I. 1874. Blümner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. II. 1835. Bluhm, W., Apotkeker. II. IV. 1875. Bobertag, Dr. phil., Privatdocent, Oberlehrer am Realgym- nasium zum heiligen Geist. VII. 1872. Bock, Joh. Andr., Fabrikbesitzer und Apotheker. III. 1853. Bock, Gustav, Kaufmann, 1883. Böttner, F., Dr. phil., Gymnasiallehrer. VIII. 1883. Born, Dr. med., Professor und Prosector. I. II. 1875. Bröer, Max, Dr. med. T. II. 1874. Bruck, Julius, Dr. med., Privatdocent. I. I. 1871. Bruck, Leonh., Banquier. VII. 1880. Büchler, Dr. phil. U. III. 1385. Bülow, Paul, Stadtrath und Kaufmann. 1866. Buchwald, Dr. med., Privatdocent, dirigirender Arzt des Wenzel Hancke’schen Krankenhauses. I. II. 1878. Burchardt, Dr. med., dirigirender Arzt der Schlesischen Augen-Heilanstalt. I. I. 1873. Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann. VII. 1877. Caro, Siegmund, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1868. Carstädt, Dr. phil, Reetor an der höheren Bürgerschule 1. MERHFTIE N. 1870, Freiherr v. Chrustschoff, Constantin, Dr. phil. III. 1834. Cohn, Ferdinand, Dr. phil. et med., Professor, Director des pflanzenphysiologischen Instituts. II. IV. 1852, b XVII Jahres - Bericht 35. Herr Cohn, Hermann, Dr. med. et phil., Professor. I. II. 1864. 86. a7. 38. 39. 40. 41. Cohn, Max, Kaufmann. U. 1868. Diekhuth, Gustav, Bürgermeister. X. 1884. Dieck, Dr. phil, Hauptmann, Oberlehrer an der städtischen höheren Töchterschule am Ritterplatz. III. 1875. Dittmar, Albert, Dr. med. I. Il. 1869. Dittrich, Fürstbischöfl. Ober-Consistorial-Rath. X. 1863. Dyhrenfurth, Dr, .med;, I. H. 1879, Eckhardt, Wilhelm, Kaufmann, IV. 1879. Eger,;Dr: med,; L,.IL 1873, , Ehrlich, Eugen, Kaufmann und Fabrikant. 1879. Eicke, Dr. med., Besitzer der Irren - Anstalt in Pöpelwitz. 1..1I:, 1881. Eidam, Eduard, Dr. phil., Assistent am pflanzenphysiologischen Institut. IV. 1875, Elias, Dr. med., Sanitätsrath. I. Il. 1875. Elsner, Dr. phil., Redacteur. III. VII. 1840. Engler, Dr. phil., Professor, Director des Königl. botanischen Gartens. IV. VI. 1870. Freiherr von Falkenhausen, Rittmeister a. D. auf Wallis- furth bei Glatz, VI. 1877. Fechner, Dr. phil., Professor und Gymnasial-Oberlehrer. VI. Fellinger, M., General-Güter-Direcetor. 1881. Fendler, Rechtsanwalt und Notar. X. 18831. Fiedler, Dr. phil., Direetor des Königl. Ober-Realschule. III. 1859. Finger, Dr., Regierungs- und Schulrath. II. 1882. Fischer, Dr. med., Mediecinal-Rath, Professor, Director der chirurg. Klinik. I. 1870. Förster, Dr. med., Professor, Director der ophthalmiatrischen Klinik. I. I. 1855. Fränkel, Ernst, Dr. med., Privatdocent. I. II. 1871. Fränkel, Gustav, Dr. med. I. II. 1874. Fränkel, 8., Dr. med. I, 1881. Fraustädter, Justizrath und Rechtsanwalt. X. 1879, Freund, Justizrath und Rechtsanwalt. X. 1865. Freund, M. B., Dr. med., Privatdocent. I. II. 1884. Friedensburg, Ferd., Oberbürgermeister. X. 1880. Friedenthal, J., Geh. Commerzienrath und Stadtrath. II. 1853. Friedländer, Dr. med., Sanitätsrath, Primär-Arzt am Aller- heiligen-Hospital. I. II. 1862. Friedländer, $ieg., Dr. phil., Professor, II. IV. 1881. 69. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XIX . Herr Friedländer, Joseph, Königl. dänischer Consul und Banquier. 1869. Friedländer, Julius, Stadtrichter a. D., Direetor der Bres- lauer Wechslerbank. X. 1879. Friedlieb, Dr. theol., Professor. VII. 1847. Friedrich, C., Partieulier. 1874. Frief, Alfred, Königl. Gewerbe-Rath, Eichungs- und Fabrik- Inspector. II. 1875. Fritsch, Dr. med., Mediecinal-Rath, Professor, Director der geburtshilflichen Klinik. I. II. 1882. Fuhrmann, Wilhelm, Dr. med., Sanitätsrath, Director der Provinzial-Hebammen-Lehranstalt. I. I. 1879. . Funke, Walter, Dr., Professor, Director des landwirthschaft- liehen Instituts. IL. III. 1881. Galle, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor, Director der Sternwarte. VI. 1852, Gerike, Otto, Forstmeister und Hauptmann a. D. II. IV. 1884, Gierke, Dr. med., Professor. I. 1881. Gissmann, Dr., Administrator der Hospital-Apotheke. II. II. 1882. Goldschmidt, Heimann, Dr. med. I, Il. 1874. Goldschmidt, Michael, Kaufmann. 1870. Gomille, Amtsgerichts-Rath. VII. X. 1869. Gottschalk, Jacob, Dr. med. I. II. 1874. Gottstein, Dr. med., Privat-Docent. I. II. 1866. Grätzer, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. Il. 1839. Grempler, Dr. med., Sanitätsrath. I. U. 1854. Grünhagen, Dr. phil., Geheimer Archiv-Rath und Professor. VII. 1851. Grüttner, Oscar, Kaufmann. IV. 1883, Grund, Max, Kaufmann. 1880. Gscheidlen, Richard, Dr. med., Professor. I. II. 1868. Härtel, H., Fabrikant chirurgischer Instrumente. I. Il. 1873. Hainauer, Hermann, Kaufmann. II. Ill. 1866. Hainauer, Julius, Commissionsrath, Buchhändler. II. 1871. Hannes, Dr. med. I. II. 1873, Hasse, Dr. med., Medieinal-Rath und Professor, Director der Anatomie. I. 1873. Hecke, Oscar, Dr. med,, Arzt am Barmherz. Brüderhospital. I. II. 1880, ' Hedemann, Apotheker. III. IV. 1835. h* xXX Jahres-Bericht © 98, Herr Heidenhain, Dr. med., Geh. Mediecinalrath, Professor, Di- rector des physiologischen Instituts. I. II. 1859. 99. — Heilborn, Max, Dr. med. I. DH. 1876. 100. — Heimann, Dr. med. I. II, 1877, 101. — Heimann, Geh. Commerzienrath. II. 1885. ‘102. — Heller, Dr. med." I. HI. ..1853. 103. —- Hensel, Paul, Stadtgerichtsrath a. D. IIL VII. 1877. 104. — Hepner, Dr. med. I. II. 1873. 105. — Herrmann, Moritz, Juwelier. IV. VII. 1873. 106. — Herzog, Robert, Dr., Fürstbischof von Breslau. 1882, 107”. — Hieronymus, Dr., Professor. IV. 1884. 108. — Hiller, Dr. med., Stabsarzt. I. II. 1883. 109. — Hirschfeld, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1872. 110. — Hirt, Ludwig, Dr. med., Professor. I. II. 1871. 11ll. — Prinz Carl zu Hohenlohe-Ingelfingen, Durchlaucht, Königl. Landrath a. D. auf Klein-Droniowitz bei Lublinitz. 1366. 112. — Holdefleiss, Dr. phil., Professor, Dirigent der Versuchs- station des landwirthschaftl. Central-Vereins für Schlesien. IE IV 77679; 113. — Hübner, Geh. Regierungs-Rath und General-Landschafts- Syndieus. X. 1854. 114. — Hübner, A., Stadtrath und Kaufmann. 1856. 115. — Hulwa, Franz, Dr, phil. U. 1871. 116. — Jacobi, J., Dr. med., Privatdocent, Bezirks-Physikus von Breslau. I. II. 1874. 117. — Jänicke, Arthur, Dr. med. I. II. 1880. 118. — Jänsch, Rudolf, Dr. med. I. 1873. 119. — Jäschke, R., Kaufmann. IV. 1831. 120. — Janicke, Otto, Dr. med. I. II. 1880. 121. — Jany, Dr. med. I. II. 1862. 122. — Immerwahr, Emil, Kaufmann. 1865. 123. — Joseph, Gustav, Dr. med. et phil., Privatdocent. I. I. 1862. 124. — Jünger, A., Buchhändler. III. VII. 1884. 125. — Juliusberg, Isidor, Dr. med. I. I. 1870, 126. — Juliusburger, Eduard, Dr. med, I. I. 1874. 127. — Junger, Ernst, Kunstgärtner. IV. 1872. 128. — Junkmann, Dr, phil., Professor. VII. 1856. 129. — Kabierske, Dr. med. I, I. 1859. 150. — Kästner, R., Rentier. VI. 1865. 131. — Kambly, Dr. phil., Proreetor und Professor, III. 1863. 132. — Kaumann, Stadt-Baurath. II. 1875. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. KA 133. Herr Kayser, Dr. med. I. II. 1884. 134. — Kayser, Johann, Dr., Dompropst. 1884. 135. — Kemna, Julius, Fabrikbesitzer. 1880. 156. — Kempner, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1873. 137. — Kletke, Dr, phil., Director der Realschule am Zwinger a. D. III. VI. 1832, 138. — Klopsch, Dr. med., Geh. Medicinal-Rath, Professor, Director der orthopädischen Heilanstalt. I. II. 1860. 139. — Köbner, Hugo, Dr. med, I. II. 1880, 140. — Köhler, General-Major z, D. VI. VII. 1874, 141. — Körber, W., Dr. phil., Gymnasiallehrer. VI. VIII. 1883. 142. — Körner, Theodor, Dr. med. I. II, 1875. 145. — Körner, Paul, Fabrikbesitzer. 1885. 144, — Kohn, Richard, Dr. med. I. II. 1884. 145. — Kolaczek, Dr. med., Privatdocent. I. 1875. 146. — Korb, Justizrath und Rechtsanwalt. III. X. 1854. 147. — Korn, Königl. Oekonomie-Rath und General-Secretair des Landwirthschaftlichen Central -Vereins für Schlesien, X. 1866. 148. — v. Korn, H., Stadtrath, Kaufmann und Buchhändler. II. VII. 1853. 149, — Kosmann, Dr., Königl. Bergmeister a. D., Privat-Docent. III. 1882. 150. — v. Kramsta, Georg, Rittergutsbesitzer. VII. 1880, 151. — Krauskopf, Dr. med. I. 1872. 152. — Krebs, Dr. phil., ordentlicher Lehrer an dem Realgymnasium am Zwinger. VI. 1873. 153. — Krocker, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. IL. II. 1835. 154. — Krocker, Dr. phil., Professor. IH. IX, 1831. 155. — Kroner, Traugott, Dr. med., Privatdocent. I. II. 1879. 156. — Kunisch, H., Dr. phil., Lehrer an der katholischen höheren Bürgerschule. III. VI. 1883. 157. — Lange, Dr. med., Sanitätsrath., I. II. 1853. 1585. — Langendorf, Dr. med. I. 1876. 159. — Langenhan, A., Bezirks-Bevollmächtigter und Vertreter der Lebens-Versicherungsbank für Deutschland in Gotha. III. IV, 1881, 160. — Langer, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1868. 161. — Lasinski, Dr. med. I, 1874. 162. — Lebek, Th., Apotheker. II. III. 1884. 163. — Ledermann, Wilh., Geh. Commerzienrath und Banquier, 1879. 164. — Lehmann, Johannes, Dr. phil., Professor. III, 1884. XXuU 165. 166, 167. 168. ' 169. 170. 171. 172. 173. 174, 175. 176. 177, 178. 179. 180. 131. 132. 183. 184. 185. 186, 187. 188. 189. 190. 191. 192. 193. 194. 195. 196. Jahres - Bericht Leppmann, Arthur, Dr. med., Assistenzarzt am Allerheiligen- Hospital. I. II. 1882. Letzner, K., Rector. II. IV. 1835. Levy, Naumann, Kaufmann. 1869. Limpricht, G., Lehrer an der höheren Bürgerschule II. IV. 1877. Lindig, Geh, Bergrath. III. 1866. 1100, Dimed.? 77 1869. Löwig, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor, Director des chemischen Laboratoriums. III. 1853. Lorinser, Dr., Canonicus und Ober-Consistorialrath. IV. 1859. Luchs, Dr. phil., Direetor der städtischen höheren Töchter- schule am Ritterplatz. VI. 1861. Lühe, W., Amtsgerichts - Rath und Hauptmann. VII. X. 1884, Lunge, Carl, Dr. jur., Amtsgerichts-Rath. X. 1880. Magnus, Hugo, Dr. med., Professor. I. I. 1832. Markgraf, Dr. phil., Professor, Stadt - Bibliothekar und Archivar. VII. VIII. 1865. Markusy, H. Dr. med. I. I. 1876. Martini, Dr. med. et phil. I. 1871. Martins, Königl. Reichs-Bank-Director. II. 1873. Maschke, Medieinal-Assessor und Apotheker. II. III. 1855. Graf v. Matuschka, Königl. Forstmeister a. D. IV. V. 1872. Merkel, E., Lehrer am Realgymnasium zum heiligen Geist. II. IV. 1884. Methner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. II. 1867. Metzdorf, Dr., Professor. II. II. 18831. Meyer, Dr. phil, Professor. III. 1878, Mileh, Benno, Commissionsrath und Director der Breslauer Baubank, II. IV, 1863, Morgenstern, Buchhändler. 1861. Müller, E. H., Stadtrath und Kaufmann. IV. 1853. Müller, Max, Verlagsbuchhändler. III. IV. 1869. Müller, Julius, Apotheker. U. II. 1873. Mugdan, Joachim, Kaufmann. 1877. Naacke, Rittergutsbesitzer. III. V. 1864. Neisser, Albert, Dr. med., Professor. I. II. 1882. Neumeister, Dr. med. I. Il. 1873. Niche, Edmund, Apotheker. IV. 1885. 197. 198. 199. 200. 201. 202, 203. 204, 205. 206, 207, 208. 209. 210. 211. 212, 213. 214, 215. 216. 217. 218. 219. 220. 221. 222, 223. 224. 225. 226. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXIHI Herr Freiherr Juncker von Ober-Conreut, Regierungs-Prä- sident. VII. 1877. Oberdick, Dr. phil., Direetor des Königl. Matthias-Gym- nasiums. VII. VIII. 1883. Oginski, Dr. phil., Professor. VII. 1855. Oppenheim, Edmund, Banquier. 1866. Pannes, Dr. phil., Apothexer. II. III. 1874, Partsch, Joseph, Dr. phil., Professor. VI. 1878, Partsch, Carl, Dr. med., Privatdocent. I. 1880. Patzky, J. G., Kaufmann. 1866. Pax, Ferdinand, Dr. phil., Assistent am Königl. botanischen Garten. IV. 1885. Peiper, R., Dr. phil., Gymnasial-Oberlehrer. VII. VII. 1867. Pfeiffer, Richard Albert, Kaufmann. III. VII. 1880, Poleck, Dr. phil., Professor, Direetor des pharmaceutischen Instituts. II. III. 1868. Ponfick, Dr. med., Medicinalrath, Professor, Director des pathologischen Instituts. I. I. 1878, Potocky-Nelken, Moritz, Banquier. 1879. v. Prittwitz und Gaffron, Regierungs-Referendar a. D. VII. 1873. Graf v. Pückler, Königl. Wirkl. Geheimer Rath, Excellenz, Vice-Ober-Schlosshauptmann, General-Landschafts-Director und Königl. Kammerherr. 1875. Graf v. d. Reeke-Volmerstein, General-Landschafts-Re- präsentant und Königl. Kammerherr. II. VII. 1863. Reich, Carl, Dr. med. I. II. 1875. Reichelt, Const., Dr. med. I. I. 1880. Reimann, Dr. phil., Director des Realgymnasiums zum heiligen Geist und Professor. VII. IX. 1847. Reinbach, Dr. med. I. II. 1874. Reymann, Theob., Dr. med., Sanitätsrath. I. 1853. Richter, Albrecht, Dr. med. I. II. 1875. Richter, Dr. med., Stabsarzt a. D., Professor. I. II. 1872. v. Richter, V., Dr. phil., Professor der Chemie. III. 1883. Riegner, Oscar, Dr. med., Primär-Arzt am Allerheiligen- Hospital, I. II. 1874. Riemann, Paul, Kaufmann. 1880, Riesenfeld, B., Dr. med. I. 1874, Graf v. Rödern, Gerichts-Assessor a. D. X. 1861, Römer, Dr. phil., Geh. Bergrath und Professor, Director des mineralogischen Museums. Ill. 1855. XXIV Jahres- Bericht 227. Herr Röpell, Dr. phil., Professor. VII. 1843. 228. 229. 230. 231. 232. 233. 234, 235. 236. 237. 238. 239. 240, 241. 242. 243. 244, 245. 246. 247, 248, 249. 250, 251. 252. 253. 254. 255. 256. 257, 258. 259. —— Rosemann, Dr. med. I. 1877, Rosenbach, Dr. med., Privatdocent. I. 1878, Rosenbaum, F. W., Commerzienrath, Handelsrichter und Kaufmann. Il. 1880. Roux, W., Dr. med., Professor, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut. I. 1884, Rügner, Dr. med. IH. 1870. Sachs, Siegmund, Kaufmann. 1866, Sack, Ober-Regierungsrath a. D. X. ‚1866. Sandberg, Ernst, Dr. med, I. II. 1876. Sander, Ferd., Regierungs- und Schulrath. X. 1879. Schäfer,;#riedrieh, Dr. med, IL;ıll, «1881, Schäffer, Julius, Dr. phil, Professor und Musik -Director. IX. 11861, Scherner, Dr. phil., Privatdocent. III. 1859. Schiewek, Dr. phil., Lehrer der höheren Bürgerschule I. IV. ..1875. Schimmelpfennig, Dr.. Pastor emer. VII. VII. Schlesinger, Dr. med. I. IL. 1881. Schlockow, J., Dr. med., Sanitätsrath und Kreis-W undarzt. I. II. 1884. Schmarsow, Dr. phil., Professor. 1885. Schmeidler, Dr. med..;,,1.. II) „1320, Schmidt, Carl, Baurath. 1877. Schmidt, H., Ober-Regierungs-Rath. VII. X. 1885. Schmidt, Hartmann, Dr. phil., Professor und Proreetor am Realgymnasium am Zwinger. III. 1884. Schmiedel, Dr. med., Bezirks-Physikus der Stadt Breslau. I 11. 1882 Schmook, Stadtrath und Kaufmann. 1877, Schnabel, Dr. med,, Sanitätsrath, dirigender Arzt des Barm- rn Brüder- ee 1. Ilm: 2874, Schneider, Dr. phil., Professor, Direetor des zoologischen Museums. III V. 18831. Schneider, W, G., Dr. phil. IV. V. 1844. Schöller, Leopold, Commerzienrath und Kaufmann. 1874, Schönborn, Dr. phil., Oberiehrer an dem Realgymnasium zum heiligen Geist. VI. 1875. Schönlein, Dr. med., Assistent. I. 1886. Schott, M. G., Kaufmann und Fabrikbesitzer. 1879, Schottländer, Julius, Banquier und Rittergutsbesitzer. 1874. Schröter, Dr. med., Ober-Stabsarzt. I. IV. 1880, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. KEY 260. Herr Schube, Theodor, Dr. phil. IV. 1886. 261. 262. 263. 264. 265. 266. 267. 268. 269. 270. 271. 272. 273. 274. 275. 276. 277. 278. 279. 280. 281. 282. 283. 284, 285. 256, 287. 288. 289. 290. 291. 292. Schück, Dr. phil., Professor und Proreetor a. D. VII. 1847. Schulze, E., Dr. med. I. II. 1879. Schwahn, Dr. med., Ober-Stabsarzt und Stadt- Physikus. I. I. 1883. Schwarz, Frank, Dr. phil., Privatdocent. III. IV. 1883. Schweitzer, Hermann, Banquier. 1863. Seidel, Hermann, Fabrikbesitzer und Kaufmann. 1872, Senftleben, Dr. med., Stabsarzt im Schles. Grenadier-Re- giment Nr. 10, I. II. 1876. von Seydewitz, Dr., Königl. Wirklicher Geheimer Rath, ÖOber-Präsident der Provinz Schlesien und Curator der Kgl. Universität, Excellenz. 1880. 'Silbermann, Dr. med. I. 1877. Simm, Felix, Dr. med. I. II. 1876. Simon, Königl. Hauptmann a. D. und Gymnasial-Oberlehrer. VI. 1864. Simon, Hermann, Dr. med. I. II. 1885. Skene, Carl, Fabrikdireetor. 1880. Skutsch, Dr. med., Sanitätsrath, I. II. 1870. Soltmann, Dr. med., Professor. I. II. 1873. Sommerbrodt, Dr. med., Professor. I. II. 1865. Spiegel, Steindruckereibesitzer. II. IH. 1868. Stein, Berthold, Inspector des botanischen Gartens. II. IV. 1880. Steinitz,,8., Dr. med. I. II. 1877. Stenzel, Dr. phil., Professor und Oberlehrer an dem Real- Gymnasium am Zwinger. IV. VI. 1858. Stern, Emil, Dr. med., Kreis-Wundarzt. I. I. 1873. Steuer, Philipp, Dr med. I. II. 1873, Storck, Fr., Regierungs-Baumeister. 1885. Strube, Dr. med., Generalarzt des VI. Armee-Corps. I. II. 1885, Thümmel, K., Apotheker. U. IV. 1830, Tietze, Moritz, Kaufmann. 1867. Töplitz, Th., Dr. med. I. II. 1875. Traube, Moritz, Dr. phil. et med., Kaufmann. II. III. 1866. Treu, Dr. phil., Professor, Direetor des Königl. Friedrich- Gymnasiums. VII. 1884. Trewendt, Ernst, Verlagsbuchhändler, III. IV. 1880. Tschackert, Dr., Provinzial-Schulrath. VII. 1883. v. Tschepe, Ober-Bergrath. II. 1864. XXVl Jahres - Bericht 293. Herr Tülff, Amtsgerichtsrath. X. 1864, 294, 295. 296. 297. 298. 299. 300. 501, 502. 303. 304, 305. 306, 307, 308. 309, 510, 311. 312. 313. 314, 315. 316. 317, 318, 319. 320, 321. 322. v. Uechtritz, Kgl. Staatsanwalt. VII. X. 1865. v. Uechtritz, Rud., Privatgelehrter. IV. 1875, Ulrich, Dr., Medieinal-Assessor und Departements-Thierarzt. H. TV, E88 Unverricht, H., Dr. med., Privatdocent. I. 1881. Viertel,'Dr.'med.' IL IL -'1875. Völker, Hermann, Fabrik-Director. 1881. Volkmann, W., Dr, phil., Gymnasiallehrer. VIII. 1883. Voltolini, Dr. med., Professor. I. II. 1861. Walter, Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg. III. 1855. Weber, Generalmajor z. D. IH. VI. 1868, Weber, L., Dr.;Profess#r? "TE." 1885: Weigert, Dri’med. I. PU 35T. Weiske, Dr. phil., Professor. II. II. 1881. Weissstein, A., Dr., Apothekenbesitzer. I. II. 1878. Werner, Hermann, Apotheker. II. III. IV. 1868. Wernicke, C., Dr. med., Medieinalrath, Professor. I. 1885. Werther, Adolf, Commerzienrath. 1866. Wiener, Max, Dr. med., Privatdocent. I. 1879, Wiskott, Theodor, Fabrikbesitzer und Kaufmann. 1872. Wiskott, Max, Fabrikbesitzer und Kaufmann. 1872. Witte, Ernst, Landgerichts-Director. V. X. 1874, Wocke, Dr, med. 1. V. 1847. Wolff, Paul, Kaufmann. IV. 1870. Wolff, Dr. med., Geh. Regierungs- und Medicinalrath. I. II. 1865. Wolff, Dr. med., Assistenz- Arzt am Allerheiligen - Hospital. 1. H. 1883. Wollner, Dr. med,, Sanitätsrath., I. 1876. Wüstefeld, Apotheker, III. IV. 1882. | Graf York v. Wartenburg, Paul, Majoratsbesitzer auf Klein-Oels. 1866. Zopf, ordentl. Lehrer an dem Real-Gymnasium zum heiligen Geist. II. IV 1877. B. Wirkliche auswärtige Mitglieder. 1. Herr Braune, Ferd., Oekonomie-Rath und Rittergutsbesitzer auf 2. — 3... — Krickau bei Namslau. 1854. Felsmann, Dr. med. in Dittmannsdorf, Kr. Waldenburg. 1885. v. Forekenbeck, Max, Dr. jur., Oberbürgermeister in Berlin. 1874. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ZEV 4. Herr Frank, Erich, Rittergutsbesitzer auf Mittel-Stradam bei Stra- dam. 1885. 5. — v. Frankenberg-Ludwigsdorf, General-Major z. D. auf Nieder-Schüttlau. 1870. 6. — Frerichs, Dr. med., Assistent an der medicinischen Klinik in Marburg. 1878. 7. — Gierschner, Dr. med., Sanitätsrath und Kreis-Wundarzt in Grottkau,. 1877, 8. — Elsner v. Gronow, Landes-Aeltester, Landes - Dekonomie- Rath auf Kalinowitz bei Gogolin. 1854. 9. Gewerbe-Verein für Gleiwitz und Umgegend in Gleiwitz. 1872. 10. Herr Grossmann, Dr. phil., Archivrath und Archivar des Königl. Haus-Archivs in Berlin. 1870. 11. — Grotefend, Dr. phil., Stadt-Archivar in Frankfurt a. M. 1872. 12. — Grünhagen, Wilh., Apotheker in Trebnitz i. Schl. 1881. 13. — Heimann, Max, Dr., Rittergutsbesitzer auf Wiegschütz bei Cosel OS. 1865. 14. — v. Hellmann, Dr. jur, Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf Schloss Dalkau bei Quaritz. 1854. 15. — Hennet, Dr. med,, Ober-Stabsarzt in Görlitz. 1869. 16. — Hirche, Apotheker in Landeck. 1881. 17. — Hirsch, Landgerichtsrath in Oels. 1885. 18. — Hoffmann, Otto, Apotheker in Zabrze, 1881. 19. — Freiherr v. Huene, Hauptmann a. D. auf Mahlendorf bei Grüben. 1865. 20. — Kahlbaum, Dr. med., Director der Heilanstalt in Görlitz. 1882, 21. — Kiesling, Joh. Ed., Gutsbesitzer in Hirschberg i. Schl. 1833. 22. — Kirsch, Oberst-Lieutenant in Neisse. 1885. 23. — Kleudgen, Dr. med., Direetor der Irren-Anstalt in Obernigk. II. 1881. 24. — Knauer, A., Pfarrer in Grunwald bei Reinerz. 1881. 25. — Kny, Dr. phil., Professor, Director des physiologischen Instituts der landwirthschaftlichen Akademie in Berlin. 1869. 26. — Kölling, Heinrich, Dr., Superintendent und Pastor in Roschko- witz bei Pitschen. 1872. | 27. — Koffmane, Gustav, Lie. theol., Pastor in Kunitz. 1881. 28. — Krieg, Otto, Fabrik-Direetor in Eichberg bei Schildau,. 1874. 29. — Kühn, Julius, Dr. phil., Geh, Regierungs-Rath und Professor in Halle. 1858, 30. — v. Kulmiz, Paul, Dr. phil. und Rittergutsbesitzer auf Conrads- waldau bei Saarau,. 1864. XXVIU Jahres - Bericht 31. 32. 33. 34. 3). 36. 31, 38. 39. 40. 41. 42, 43. 44, 45. Herr Kuschbert, Dr. med., Leibarzt des Herrn Fürsten von Pless in Pless. 1878, | — Langner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath und Brunnenarzt in Landeck. 1864. — Latzel, J., Fabrikbesitzer in Barzdorf bei Schwammelwitz. 1859. — Löschke, Pastor emer. 1842. — Mücke, J., Pfarrer und Kreis-Schulen-Inspector a. D. in Gross- Strehlitz. 1874, — Müller, Ernst, Gutsbesitzer in Pappelhof bei Hünern. 1866. — Müncke, Dr. phil., Apotheker in Berlin NW. 1866. — Nissen, Leo, Dr., Lieutenant und Rittergutsbesitzer auf Neu- kirch, Kreis Breslau. 1885. — 0Oelsner, Ludwig, Dr. phil.,, Professor in Frankfurt a. M. 1853. — Pfeiffer, Dr. phil., Apotheker in Liebau i. Schl. 1879. Philomathische Gesellschaft in Glatz. 1856. Philomathie in Reichenbach i. Schl. Se. Durchlaucht der Herzog von Ratibor, Fürst von Corvey, Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in Rauden. 1856. Herr Richters, Dr. phil., Direetor der chemischen Fabrik in Saarau. 1874, — Röder, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Deutsch-Lissa bei Breslau. 1872, — Baron v. Rottenberg, Geh. Regierungsrath auf Mühlgast bei Raudten NS. 1866. — Schirmer, Dr. med., Sanitätsrath und Kreis-Physikus in Grün- berg. 1862. — Scholz, Constantin, Apotheker in Peiskretscham. 1876. — $Sehumann, Carl, Dr. phil., Custos des Herbariums am Kgl. botanischen Garten in Berlin. 1875. | — Schwarz, Reichsgerichts-Rath in Leipzig. 1865. — Bcupin, Paul, Königl. Lieutenant und Rittergutsbesitzer auf Simsdorf bei Hünern. 1873. — Sondhauss, Dr. phil., Realschul-Direetor a. D. in Neisse. 1846, — Späth, Pfarrer in Költschen bei Schweidnitz. 1871. — Stahr, Dr. med., praktischer Arzt und Rittergutsbesitzer auf Wilxen bei Obernigk. 1881. — Stoll, G., Kgl. Oekonomierath, Director des pomologischen Instituts in Proskau, 1866. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. KITK 56. Herr Graf v. Stosch, Georg, Kreisrichter a. D. auf Hartau bei 97. 98. 99. 60. 61, 62. 63. 64. 65. 12. 13. . Herr Langheinersdorf. 1871, v. Tempsky, Hermann, Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz. 1872. v. Tiele-Winckler, Oberst und Herrschafts-Besitzer auf Miechowitz bei Beuthen OS. 1856. v. Treutler, Oswald, Kreisgerichts-Rath a. D. und Ritterguts- besitzer auf Neu-Weissstein bei Waldenburg i. Schl. 1875, Troska, Albrecht, Dr. jur., Gerichts-Assessor a. D. in Leob- schütz. 1832. Völkel, Betriebsführer und Obersteiger in Kohlendorf bei Neurode. 1860. Websky, Dr. phil., Professor, Direetor des mineralogischen Museums, Geh. Bergrath a. D. in Berlin. 1862. Websky, Egmond, Dr., Commerzienrath in Wüstewaltersdorf. 1882. Weltzel, Augustin, Geistlicher Rath und Pfarrer in Tworkau bei Kreuzenort. 1860. Winkler, Fabrikdireetor a. D. in Giessmannsdorf bei Neisse, 1867. C. Ehren-Mitglieder. Airy, G. B., Königl. Astronom und Director der Sternwarte in Greenwich. Aubert, Dr. med., Professor in Rostock. ‘ de Bary, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in Strassburg i. E, Beyrich, Dr. phil,, Professor, Geheimer Bergrath, Director der geologischen Landesanstalt in Berlin. Bunsen, Dr. phil, Professor, Grossherzogl. Wirkl. Geheim- rath, Excellenz, in Heidelberg. de Candolle, Alphons, Dr., Professor in Genf. Dudik, Dr., mährischer Landeshistoriograph in Brünn. Duflos, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor in Anna- berg im Königreich Sachsen. Duncker, Dr., Geh. Ober-Regierungsrath in Berlin, Freund, W. A., Dr. med., Professor in Strassburg i. E. Geinitz, Dr. phil., Geh. Hofrath, Director des Königl. Mine- ralien-Cabinets in Dresden. Grützner, Dr. med., Professor in Tübingen. v. Hauer, Franz, Dr., K.K. Hofrath und Intendant des K.K. naturhistorischen Hof-Museums in Wien, XXX ‚Jahres - Bericht 14. Herr Heine, Dr., Director der Ritter- Akademie und Domherr in 15. — ih, = 17. — 18. — Brandenburg a. H. Heyder, Geh. Ober-Regierungsrath und vortragender Rath im Ministerium der landwirthschaftlichen Angelegenheiten in Berlin. Hooker, Sir J. D., Director des Kgl. botanischen Gartens in Kew bei London. Le Jolis, Aug., Dr., Direetor der Societ& nationale des sciences naturelles in Cherbourg. Knoblauch, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor, Präsi- dent der Kaiserlich Carolinisch - Leopoldinisch Deutschen Akademie der Naturforscher in Halle. Lister, Sir, Dr., Professor in London. Lov&n, Dr., Professor der Zoologie in Stockholm. Menzel, Professor, Mitglied des Senates der Kgl. Akademie der Künste in Berlin. Müller, Carl, Dr. phil. in Halle a. S. Baron von Müller, Ferdinand, Dr., Professor, Direetor der naturhistorischen Erforschungs-Commission für Australien in Melbourne. Freiherr von Nordenflycht, Königl. Ober-Präsident der Provinz Schlesien a. D. v. Regel, Dr., Kaiserlich russischer Wirkl. Staatsrath, Direetor des botanischen Gartens, Excellenz, in St. Petersburg. Renard, Dr., Kaiserlich russischer Wirkl. Staatsrath, Excellenz, Vice-Präsident der Kaiserlichen Gesellschaft für Naturforscher in Moskau. Baron v. Richthofen, Ferdinand, Dr., Professor in Leipzig. Roth, Dr. med., General - Arzt der sächsischen Armee in Dresden. Rotter, Dr., Landes-Prälat und Abt der Benedictiner-Abtei in Braunau. Schlegel, Dr., Conservator des Reichs-Museums in Leyden. Schönwälder, Dr. phil., Professor in Görlitz. v. Staff, genannt v. Reitzenstein, Kgl. General-Lieutenant a. D., Excellenz, auf Conradsreuth bei Hof in Bayern. Virchow, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor in Berlin. Waldeyer, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director der Anatomie in Berlin. Wattenbach, Dr. phil., Professor in Berlin. Willkomm, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens in Prag. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXI D. Correspondirende Mitglieder. 1. Herr Abegg, Dr., Geheimer Sanitätsrath, Director des Kgl. Heb- 2. 3. a ammen-Lehrinstituts in Danzig, Amo y Mora, Don Marianna del, Dr., Professor in Granada. Ardissone, Francesco, Professor der Botanik an der land- wirthschaftlichen Akademie und Direetor des botanischen Gartens an der Brera in Mailand. Arzruni, A., Dr. phil., Professor in Aachen. Ascherson, P., Dr. phil., Professor der Botanik in Berlin. Augustin, Wirklicher Geh. Ober-Finanzrath in Karlsruhe. Freiherr v. Babo, A. W., Director der k. k. önologischen und pomologischen Lehranstalt in Klosterneuburg bei Wien. Bachmann, Dr., Privatdocent in Prag. Bail, Dr., Professor an der Realschule und Directer der natur- forschenden Gesellschaft in Danzig. Bleisch, Dr. med., Kreis - Physikus und Sanitätsrath in Strehlen. Blümner, Dr. phil., Professor in Zürich. Böttiger, Dr. phil., Professor und Hofrath in Erlangen, Borzi, A., Dr., Professor der Botanik in Messina. Bosshard, Adolf, Präses des Schweizerischen Obst- und Wein- bau-Vereins in Pfäffiken bei Zürich. Briosi, Dr. (o. et Professor der Botanik) in Pavia. Broca, Dr., Chirurgien des Höpitaux, Professeur agrege in Paris. Budge, Dr., Professor in Greifswald. Bürkli-Ziegler, Stadt-Ingenieur in Zürich. Buhse, F., Dr. med., Secretair des naturhistorischen Vereins in Riga. Caspari, Dr. phil., Professor, Director des botanischen Gartens in Königsberg. Celakovsky, Ladislav, Dr., Professor der Botanik in Prag. Claus, Dr., Professor der Zoologie in Wien, Director der zoologischen Station in Triest. Conwentz, Dr., Director des Westpreussischen Provinzial- Museums in Danzig. Costa, C. H., Dr. phil. et jur. in Laibach. Cred&, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Leipzig. Danielssen, Dr., Chef-Arzt am Lungegaards-Hospital in Bergen (Norwegen), Daubr&e, Dr., Mitglied des Instituts in Paris. Debey, Dr. med. in’Aachen, XXXI Jahres-Bericht 29. Herr v. Döller, Major, Vice-Präses des Karpathen-Vereins in Kes- 30. 31. 32. 33. 34, 35. 36. 37. 38. 39. mark (Ungarn). Dohrn, Anton, Professor Dr., Director der zoologischen Ver- suchsstation in Neapel. Dunker, Dr. phil., Professor, Geh, Bergrath in Marburg. Dzierzon, Pfarrer in Karlsmarkt bei Stoberau. Effner, M., Curatus in Leubus. Ehrlich, Dr., Kaiserlicher Rath, Custos des K. K. Museums in Linz. Eichler, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in Berlin. Eitner, Robert, Redacteur der Monatshefte für Musikgeschichte in Berlin. d’Elvert, k. k. Finanzrath in Brünn. Freiherr v. Ettingshausen, Const., Dr., Professor in Graz. Eulenberg, Dr., Geh. Ober-Medieinalrath und vortragender Rath im Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medi- cinal-Angelegenheiten in Berlin. Favre, Alphonse, Dr., Professor in Genf. Faye, F. C., Dr. med., Professor, Director der geburtshilf- lichen Klinik, Leibarzt Sr. Majestät des Königs von Nor- wegen, Präsident der Societe de Medecine in Christiania. Feldhoff, Conreetor in Osnabrück. Feldt, Dr. phil., Professor in Braunsberg. F&tu, Anastasius, Dr. med., Medicinalrath in Jassy. Fiek, E., Apotheker in Hirschberg i, Schl. Freiherr v. Fircks, Königl. Hauptmann in Berlin, Fischer v. Waldheim, Dr. (o. et Professor der Botanik) und Director des botanischen Gartens in Warschau. Flechsig, Dr. med., Hofrath zu Bad Elster. Förster, Richard, Dr. phil., Professor in Kiel. Friedländer, Carl, Dr. med., Privatdocent in Berlin, Fristedt, Dr., Professor in Upsala. Freiherr v. Friesen, Präses des Landes-Obstbau-Vereins für das Königreich Sachsen auf Rötha bei Leipzig. Fritze, R., Gutsbesitzer auf Rydultau bei Czernitz OS. Gaerdt, Garten-Direetor in Berlin (Moabit). Gerhardt, Lehrer in Liegnitz. Freiherr v. Gildenfeld, Präses des Vereins für Gartenbau für die Herzogthümer Schleswig-Holstein in Kiel. Görlich, Pfarrer in Liebenthal. Gottsche, C. W., Dr. med, et chir., praktischer Arzt in Altona. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, XXXILI 59. Herr Griepenkerl, Oekonomie-Rath in Braunschweig. 60, 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69, 70. Tl, 12. 73. 74. 75. 76. ni. 78. 19. 80, 81. 82. 83. 54. 85. 86. 87, nn Z 1885. . Günther, Siegmund, Dr., Professor, Custos am naturwissen- schaftlichen Museum, South Kensington, London. Guhrauer, Dr. phil., Gymnasial-Direetor in Lauban. Hagen, Dr. phil., Professor in Königsberg. Hagen, Dr., Professor in Berlin. Hartig, Robert, Dr., Ober-Forstrath, Professor in München. Haszlinsky, Dr., Professor in Eperies (Ungarn). Henneberg, Dr., Professor, Direetor der landwirthschaftl. Versuchs-Station in Göttingen. Hering, E., Dr. med., Professor in Prag. HernandoyEspinosa, Don Benito, Dr., Professor in Granada, Herzog, Dr. phil., Medieinal-Assessor, Apotheker in Braun- schweig. Hoffmann, Dr. phil., Director des botanischen Gartens, Ge- heimer Hofrath, Professor in Giessen, | Hoyer, Dr., Wirklicher Staatsrath, Professor, Excellenz in Warschau. Huyssen, Dr., Berghauptmann und Geheimer Ober-Bergrath in Halle a. 8. Jühlke, Hofgarten-Direetor der Königl. preussischen Gärten in Potsdam. Just, Dr., Professor in Carlsruh in Baden. Kanitz, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in Klausenburg. Kenngott, Dr. phil., Professor in Zürich. Kerner v. Marilaun, Anton, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens in Wien. Kirchhoff, Dr. phil., Geheimer Regierungsrath, Professor in Berlin. Kirchner, Dr. phil., Professor in Hohenheim, Kleefeld, Dr. med., Sanitätsrath in Görlitz. Klein, Dr. theol., Pfarrer in Gläsendorf bei Schreibendorf. Knothe, Dr., Professor am Kadettenhause in Dresden. Koch, R., Dr. med., Geh. Regierungsrath am Kaiserl. Ge- sundheits-Amt in Berlin. Köbner, Dr. med., Professor in Berlin. Kosteletzky, Dr. med., Professor des botanischen Gartens a. D. in Prag. Kraatz, G., Dr. phil. in Berlin. Kraus, J. B., k. k. Münz- und Bergwesens - Hofbuchhaltungs- Official in Wien. XXXIV Jahres- Bericht 88. Herr Krauss, Dr., Professor, Ober-Studienrath in Stuttgart. 89, 0. 1. 92. 93. 94. 95. 96. 97, 93. 99. 100. 101. 102. 103. 104, 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112, 113. 114, 115. 116, 177, 118. 119. 120. 121. 122. 123. Krone, Hermann, Privatdocent der Photographie am König]. sächsischen Polytechnikum in Dresden. Küchenmeister, Dr. med,, Medieinalrath in Dresden. Kühne, Dr. med., Professor in Heidelberg. Kützing, Dr. phil., Professor in Nordhausen. Kummer, Dr. phil., Professor, Geheimer Regierungsrath in Berlin. v. Lasaulx, Dr. phil., Professor in Bonn. Lehmann, Apotheker in Bunzlau i. Schl, Leimbach, Dr., Professor, Präses der botanischen Gesell- schaft Irmischia in Sondershausen. Lesquereux, Leo, in Columbus (Ohio). - Lichtheim, Dr. med., Professor in Bern. Lindner, Dr. phil., Professor in Münster. Litten, Dr. med., Professor, in Berlin. Luther, Dr., Astronom in Bilk bei Düsseldorf. Maas, Dr., Professor in Würzburg. Meyer, Alexander, Dr. jur. in Berlin. Baron v. Müller, J. W., Dr., Director des zoologischen Gartens in Brüssel. Müller-Strübing in London. Nawrocki, Dr., Professor in Warschau. Neubert, Wilh,, Dr. phil. in Stuttgart. Neugebauer, Dr. med., Professor in Warschau. Neuland, Kgl. preuss. Oberst a. D. in Berlin. Neumann, Dr. med., Kreis-Physikus in Berlin. Nothnagel, Dr., Professor in Wien. Orth, A., Dr. phil., Professor in Berlin. Paur, Dr. phil. in Görlitz. Peck, Dr. phil., Conservator der Museen, Inspector des bota- nischen Gartens in Görlitz. | Peek, Landgerichts-Präsident a. D. in Görlitz. Penzig, Dr. phil., Professor in Modena. Petzold, Dr. med., Wirklicher Staatsrath und Professor, Excellenz in Dorpat. Pinzger, Dr., Gymnasial-Direetor in Saalfeld. Pistor, Dr., Regierungs- und Medieinalrath in Frankfurt a. O. Prange, Seminar-Oberlehrer in Bunzlau. Pringsheim, Dr. phil., Professor in Berlin. Radius, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Leipzig. Rayer, Dr. med., Membre de l’Institut et de l’Acad&mie de Medecine, President de la Soci6et& de biologie in Paris. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. xXXXV 124. Herr Rühle, Dr. med., Professor und Geheimer Mediecinalrath in 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 153. 134. 159. 156. 157. 138. 139. 140, 141. 142. 143. 144, 145. 146. 147, 148, 149. 150. 151. Bonn. Runge, Dr. phil., Geh. Bergrath in Dortmund. Saccardo, P. A., Professor der Botanik in Padua. v. Sachs, J., Dr., Hofrath, Professor, Direetor des bota- nischen Gartens in Würzburg. Sadebeck, R., Dr., Professor in Hamburg. Sandberger, Fridolin, Dr., Professor in Würzburg. Saussure, Henri, Dr., Professor in Genf. Schmidt, J. F., Dr., Proreetor des Gymnasiums in Schweidnitz. Schneider, Fritz, Dr. med., Stabsarzt der Niederländisch- Indischen Armee a. D. in Surabaya (Java). Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin. Schomburg, R., Professor, Director des botanischen Gartens in Adelaide (West-Australien). Schuchardt, Dr. phil., Fabrikbesitzer in Görlitz. Schultz, Alwin, Dr. phil., Professor in Prag. Schwendener, Dr., Professor in Berlin. Senoner, Dr., Bibliothekar der k. k. geologischen Reichs- Anstalt in Wien. Sonderegger, Dr., Sanitätsrath in St. Gallen. Sorauer, Dr. phil., Dirigent des pflanzenphysiologischen Instituts in Proskau. Stache, Dr., k. k. Bergrath und Reichsgeologe in Wien. Strähler, Fürstlicher Oberförster in Theerkeute bei Wronke (Posen). Stur, k. k. Ober-Bergrath und Vice-Director der k. k. geo- logischen Reichsanstalt in Wien. v. Tichatscheff, Kaiserl. russischer Kammerherr in Paris. Temple, Rudolf, Bureau-Chef der General- Assecuranz in Pest. Tietze, Dr. phil., Reichsgeologe in Wien, Todaro, Augustin, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens in Palermo. Tsehackert, Dr., Professor in Halle. Verneuil, Chirurgien des Hospitaux, Professeur agrege in Paris. Wartmann, Dr., Reetor in St. Gallen. Weeber, k. k. Landes-Forstinspeetor und Forsttaxator in Brünn. c* XXXVI Jahres-Bericht 152. Herr Wegehaupt, Gymnasial-Oberlehrer in Gladbach. 153. 154. 159. 156. 157. 158. 159. 160, 161. 162. 165. 164, 169. 166. Weigert, Dr. med., Professor in Frankfurt a. M. Wenck, Eduard, emerit. Pfarrer in Herrnhut, Sachsen. Weniger, Dr., Gymnasial-Direetor in Weimar, Wetschky, Apotheker in Gnadenfeld OS. Wilekens, Dr. med., Professor an der Hochschule für Boden- cultur zu Wien. v. Wilmowsky, Geh. Justizrath in Berlin. Wiesner, Dr., k. k. Professor und Director des pflanzen- physiologischen Instituts der Universität in Wien. Winkler, Geh. Kriegsrath in Berlin W. Wittiber, Dr., Professor, Secretair der Philomathie in Glatz. Wittmack, Dr., Professor, Custos des landwirthschaftlichen Museums in Berlin. Wittrock, Dr., Director des Reichsmuseums in Stockholm. Wood, Dr., Professor, Präsident der Philosophical Society in Philadelphia. Freiherr v. Zigno, Achilles, Podesta von Padua. Zimmermann, Lehrer in Striegau. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. XXXNVII Verzeichniss der Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau. Secretair: Herr B. Stein, Inspector des botanischen Gartens. 8; 2. 3. 4. BE 6. 7, 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. EP. 18. 19. 20, 21. 22. 23. 24. 29. 26. 27. Stellvertreter: Herr H. Richter, Obergärtner. A. Einheimische. Herr Beblo, C., Stadtrath, Kaufmann und Fabrikbesitzer. Blottner, Königl. Polizei-Secretair. Bock, J. A., Fabrikbesitzer und Apotheker. Brieger, Kunst- und Handelssärtner. Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann. . Cohn, F,, Dr. phil., Professor. Cohn, Max, Blumen-Bazar. v. Drabizius, Baumschulenbesitzer. Eckhardt, W., Kaufmann. Engler, Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens, Erekel, Kunst- und Handelsgärtner. Flatau, Sigismund, Kaufmann. Gosse, L., Todtengräbermeister. Grüttner, O., Kaufmann. Guillemain, F., Kunst- und Handelsgärtner. Haase, A., Kaufmann, Haase, E,, Brauereibesitzer. Hainauer, Hermann, Kaufmann. Heinze, städtischer Parkgärtner in Scheitnig. Herrmann, M., Juwelier. Hofmann, E., Maschinenfabrik-Besitzer. Hulwa, F., Dr. phil. | Jäschke, R., Kaufmann. Junger, H., Kunst- und Handelsgärtner. Kärger, ©. H., Kaufmann. Kaiser, Handelsgärtnereibesitzer. Kipke, P., Brauereibesitzer. XXXVII Jahres - Bericht 28. Herr v. Korn, H., Stadtrath und Buchhändler. 29.. — v. Korn, P., Rittergutsbesitzer. 30. — Krocker, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. . 3l. — Landsberg, L., Gerichts-Assessor a. D. und Banquier. 32. — Lauterbach, H., Kaufmann. 35. — Ledermann, L., Kaufmann und Fabrikbesitzer. 34. — Levy, N., Kaufmann. 35. -— Lion, Dr. med. 36. — Lösener, städtischer Garten-Inspector. 87%. — Marck, B. M., Banquier. 38. — Graf Matuschka, Königlicher Forstmeister a..D. 39. — Milch, B., Commissionsrath und Kaufmann. 40. — Möslinger, O., Particulier. 41. — Mohr, Gymnasiallehrer. 42. — Moriz-Eichborn, Stadtrath. 43. — Mrosowsky, C., Kunstgärtner. 44, — Mrosowsky, J., Kunstgärtner. 45. — Müller, C., Partieulier. 46. — Müller, E. H., Stadtrath. 47. — Müller, G., Königl. Eisenbahn-Hauptkassen-Buchhalter. 48. — Naacke, Rittergutsbesitzer. 49. — Neddermann, C., Kaufmann und Fabrikant. 90. — Graf von Pückler, Wirklicher Geheimer Rath, Excellenz, Viee-Ober-Schlosshauptmann, General-Landschafts-Direetor und Königlicher Kammerherr. 51. — Rhau, O., Rechtsanwalt und Notar. 52. — Reder, R., Fabrikdirector. 53. — Riemann, Paul, Kaufmann. 54. — Schäfer, Th., Kaufmann. 55. — Schmidt, A., Kaufmann. 56. — Schröter, Ober-Stabsarzt, Dr. med. 57. — Schütze, $., Obergärtner. 58. — Seidel, H., Kaufmann und Fabrikbesitzer. 99. — Senzky, Kunst- und Handelsgärtner. 60. — Stein, B., Königlicher Garten-Inspector. 61. — Sutter, Landes-Bau-Inspeetor, Hauptmann a. D. 62. — Techell, B., Kaufmann. 63. — Tripke-Ellsnig, Rittergutsbesitzer. 64. — v. Uechtritz, Königl. Staatsanwalt. 65. — v. Wallenberg-Pachaly, G., Kaufmann, 66. — Weber, Generalmajor z. D. 67. — Freiherr von Wilcke, A. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. KEXIIX 69. Herr Winkler, F., Maurermeister. 70, al; 72. 73. u Wiskott, M., Kaufmann und Fabrikbesitzer. Wiskott, Th., Kaufmann und Fabrikbesitzer. Wloezick, H., Kaufmann. | Zwiklitz, V., Kaufmann und Fabrikdireetor. B. Auswärtige. Achilles, W., Kaufmann und Fabrikbesitzer, in Firma C. G. Kallert in Sprottau. Antast, E., Rentier in Ober-Poppschütz bei Neustädtel. Arnold, G., Lehrer in Grüneiche bei Breslau. Baudiss, P., Kunstgärtner in Luttroetha bei Sagan. Behnsch, R., Baumschulen-Besitzer in Dürrgoy bei Breslau. Blümel, W., Kunst- und Handelsgärtner in Tschansch bei Breslau. Bombik, M., Obersteiger in Ferdinandgrube bei Kattowitz. v. Boemken, Hauptmann a. D., Strafanstalts - Director in Jauer. Boring, J..G., Partieulier in Poischwitz bei Jauer. Bragulla, Lehrer und Organist in Bischdorf bei Pitschen. Braun, C., Hofgärtner in Camenz bei Frankenstein. Brettschneider, Dr. phil., Director in Tarnau bei Ingrams- dorf, Brieger, Hauptmann a. D., Schloss Schüsselndorf bei Brieg. Bromme, H., Vereinsgärtner in Grünberg i. Schl. Bruck, H., Dampfmühlenbesitzer in Leobschütz. Bürgel, Fürstlicher Garten-Direetor in Schloss Wittgenstein bei Bacau in Rumänien. Büsing, ©., Director der Breslauer Strassen-Eisenbahn-Actien- Gesellschaft zu Breslau in Kleinburg bei Breslau. Cochlovius, Pastor in Schönwald bei Kreuzburg OS. Freiherr v. Czettritz- Neuhaus, Landesältester, Land- schafts-Direetor auf Kolbnitz bei Jauer. Dalibor, H., Vorwerksbesitzer in Pitschen. v. Debschütz, Rittergutsbesitzer auf Pirschen bei Trebnitz. Dosterschill, C., Hauptlehrer in Alt- Tarnowitz bei Tarno- witz, Drazny, Amtmann in Schoppinitz OS. Dubiel, E,, Färber und Baumschulenbesitzer in Ohlau. Duttenhofer, K., Lieutenant u. Rittergutsbesitzer in Berthels- dorf bei Alt-Kemnitz. Duttenhofer, O, F,, Rittergutsbesitzer in Stasin bei Dubin. KIXXX Jahres- Bericht 27. 28. 29, 30. 45. Herr v. Eek, Major a. D., Rittergutsbesitzer auf Kahlau bei Guhrau. — Kuchlen, Ö., Königl, Garten - Inspector, Stadtrath a. D. in Grünberg i. Schl. — Endelt, Rittmeister, Rittergutsbesitzer in Kiekrz bei Ro- kietniea (Posen). — Fengler, F,, Kunstgärtner in Hausdorf, Kreis Waldenburg i. Schl. — Fitzner, W., Fabrikbesitzer in Laurahütte O8. — Fölckel, E,, Hauptmann und Oberförster a. D. in Polnisch- dorf bei Wohlau. — Forehmann, A., Culturtechniker in Brieg. — Fox, J., Garten-Inspeetor in Neudeck OS. . Frau v. Frankenberg-Ludwigsdorf, H,, geb. v. Frankenberg- Ludwigsdorf, auf Nieder-Schüttlau bei Schüttlau. . Herr Frenz, C., Lehrer in Ober-Stradam bei Stradam. — Freitag, W., Gutsbesitzer in Schönwald bei Kreuzburg OS. — Friekinger, C., Kunstgärtner in Laasan bei Saarau. — Friedel, H., Ingenieur in Saarau. — Frost, L., Lehrer in Hermannsdorf bei Lissa i. Schl. — Gäbel, C., Particeulier in Brieg. — Gärtner, G., Pastor in Seifersdorf bei Spittelndorf. — Galinski, W., Kunst- und Handelsgärtner in Herdain bei Breslau. — Galle, C., Kunst- und Handelsgärtner in Trebnitz. — Ganzel, H., Berg-Inspector in Georggrube bei Rosdzin. — Garbe, A., Lehrer und Cantor in Ober-Bielau. . Gartenbau-Verein in Ratibor. . Frau Geisler, L., Commerzienräthin in Peterswaldau. . Herr Gireoud, H., Garten-Director in Sagan. — Gössel, W., Superintendent in Günthersdorf, Kreis Grünberg in Schlesien. . Frau A. Gräfin von der Goltz, geb. v. Usedom, auf Melochwitz bei Militsch. Herr v. Gossler, Landrath, auf Klein-Kloden bei Guhrau. — Goy, C. $., Kaufmann in Pitschen. — Grossmann, O., Obergärtner in Warmbrunn. — Grüger, A., Kunstgärtner in Prieborn bei Strehlen. — Grünhagen, W., Apotheker in Trebnitz. — Hachmeister, C., Schlossgärtner in Rohnstock. — Grafv. Harrach, E., auf Klein-Krichen bei Lüben. — Haupt, C., Ingenieur und Lehrer an der Königlichen Gewerbe- schule in Brieg, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. ZIXKL 60. Herr Heer, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath und Kreis- Physikus 61. 62. 63. 88. in Beuthen OS. Heimann, M., Dr., Rittergutsbesitzer in Wiegschütz bei Cosel OS. Hempel, Baumeister in Pitschen. Reichsgraf zu Herberstein, $., Freiherr v. Neuberg und Guttenhaag, K. K. Kämmerer u. s. w. zu Gratz, auf Grafen- ort bei Habelschwerdt. Herold, C., Justizrath und Notar in Schweidnitz. Hicketier, ©., Herzoglicher Domainenrath und Generalpächter in Leopoldowitz bei Wäldchen. Hildebrand, J., Königl. Amtsrath und Generalpächter in Skorischau bei Reichthal. Hiller, F. H., Lehrer in Brieg. Himmelstoss, H., Kunstgärtner in Lortzendorf bei Mettkau. Graf v. Hochberg, B., auf Rohnstock. v. Hönika, 0©., Rittergutsbesitzer auf Herzogswaldau bei Böhmischdorf. Hofmann, E., Fabrikbesitzer in Protschkenhain bei Mettkau. . Se. Durchlaucht Hugo Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog von Ujest auf Slawentzitz. . Herr Freiherr von Humbracht, auf Rengersdorf. Jänisch, H., Dr. med. in Jauer. Kabelitz, C., Schlossgärtner in Radenz bei Koschmin. Kambach, Rechnungsrath in Görlitz. Katzke, W., Kunstgärtner in Bolkenhain. v. Kessel, Rittergutsbesitzer auf Ober-Glauche bei Trebnitz. Kiefert, Lehrer in Floriansdorf bei Mettkau. Kittel, J., Obergärtner in Eckersdorf. Kleemann, A., Kunst- und Handelsgärtner in Ober-Eulau bei Sprottau. Klimm, Rentmeister in Ober-Stradam bei Stradam. Klings, P., Hoflieferant in Berlin, Unter den Linden 19. Klose, F., Baumschulenbesitzer in Spalitz bei Oels. Klose, C., Kaufmann in Mittelsteine, Grafschaft Glatz. Kluge, Pfarrer in Nieder-Schönfeld, Reg.-Bez. Liegnitz. Kölling, H., Dr., Superintendent in Roschkowitz bei Pitschen. Koschinsky, C. F., Kaufmann in Jaschkowitz bei Pitschen. 89. Fräulein v. Kramsta, M., Rittergutsbesitzerin auf Muhrau bei bei Striegau. 90. Herr Kramsta, R., Rittergutsbesitzer in Paulinum bei Hirsch- berg. XXXXI Jahres-Bericht 91. Herr Krocker, P., Dampfmühlenbesitzer in Krichen bei Gross- 92. 93. 94. 99. I6. BT: 98. 9% 100. 101. 102. 105. 104, 105. 106. OT; 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116, 117, 118. 119, 120. 121. Nädlitz. Krügell, H., Pastor in Thiemendorf bei Steinau a. ©. Kühnau, W., Kunstgärtner in Damsdorf bei Kuhnern. Laser, 'Th., Architekt und Maurermeister in Krotoschin. Lenze, J., Maschinenfabrik-Besitzer in Rawitsch. Leschick, F., Fabrikbesitzer in Schoppinitz. v. Lieres, Königl. Landrath, Landesältester und Landschafts- "Director, auf Gallowitz bei Rothsürben. v. Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Pasterwitz bei Wangern. - v. Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Gnichwitz bei Canth. Löw, G., Apotheker in Stroppen bei Gellendorf. Lorenz, O., Obergärtner in Bunzlau in Schl. Mache, P., Kunstgärtner in Költschen bei Schweidnitz. v. Machni, Rittergutsbesitzer in Hirschberg in Schl. Graf Magnis auf Eckersdorf. | Marx, H., Fürstbischöflicher Commissarius und Erzpriester in Miechowitz, Mazurke, Chemiker und Chef des chemischen Laboratoriums in Borsigwerk OS. Methner, P., Kaufmann und Fabrikbesitzer in Landeshut in Schl. Meyen, Rittergutsbesitzer in Brodek bei Sohrau O8. v. Meyer zu Knonow, C,, Rittmeister a. D, und Ritter- gutsbesitzer auf Reichen bei Guhrau. Freiherr v. Minutoli-Woldeck, Geh. Regierungsrath, auf Friedersdorf bei Lauban. Müller, Ernst, Gutsbesitzer in Papelhof bei Hünern. Müller, O., Superintendent in Michelau bei Böhmischdorf. Nitsche, M., Gutsbesitzer in Neu-Altmannsdorf bei Münster- berg. Nitsche, Ed., Schlossgärtner in Laband O8. Nitschke, A., Brauerei-Direetor in Koppen bei Lossen. Nitschke, Rittergutsbesitzer in Girlachsdorf bei Nimptsch. v. Obernitz, J., Major a. D., Rittergutsbesitzer auf Machnitz bei Wiese, v. St. Paul, Corvetten-Capitain z. D., Hofmarschall in Fisch- bach in Schl. Pavel, Pastor in Gränowitz bei Mertschütz. Peieker, W., Hofgärtner in Rauden OS. Petrick, O., in Ober-Weistritz. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. RK 122. Herr Perschke, städtischer Kirchhof-Inspeetor in Gräbschen bei 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. Frau 153 154. 155. 156. Breslau. Pfeifer, Cantor und Lehrer in Ober-Pritschen bei Fraustädt in Schl. Pfeiffer, C., Kunst- und Handelsgärtner in Sprottau. Pflaume, F., Kunstgärtner in Ober-Weistritz. Pförtner v. d. Hölle, Rittergutsbesitzer und Landesältester auf Schmarker-Ellguth bei Stroppen. Graf Pilati, ©., Major auf Schlegel. Plosel, J., Obergärtner in Falkenberg OS. Pollak, Revierförster in Brzenskowitz bei Brzezinka, Kreis Beuthen OS. Graf v. Praschma auf Schloss Falkenberg OS, v. Prittwitz und Gaffron, Königl. Kammerherr, Major a. D., Landesältester auf Moisdorf bei Jauer. Gräfin Pückler, A., Ehren-Stiftsdame zum Heiligen Grabe, auf Frankenthal bei Militsch. Pulst, C., Rittergutsbesitzer in Twardawa OS. Radler, Landesältester und Kreisdeputirter in Polnisch-Jägel bei Schreibendorf. | Graf v. d. Recke-Volmerstein, Rittmeister, Landes- ältester und Generallandschafts-Repräsentant auf Kraschnitz. Graf v. d. Recke-Volmerstein auf Louisdorf bei Olben- dorf. Gräfin Reichenbach, geb. Gräfin Bethusy-Huc, zu Festen- bersg. Reil, Rittergutspächter in Chorulla bei Gogolin. Reimann, Th., Gerbermeister in Brieg. v. Reinersdorf-Paczensky, Rittmeister a. D., Majorats- herr auf Ober-Stradam bei Stradam. Retter, H., Premier - Lieutenant und Rittergutspächter in Schloss Guttentag bei Guttentag OS. Reuning, H., Rittergutsbesitzer in Dippelsdorf bei Zobten, Kreis Löwenberg. Richter, H., Obergärtner in Hartlieb bei Breslau. Freiherr v. Richthofen auf Carlowitz bei Breslau. Ritter, J., Pastor in Friedersdorf a. Qu. bei Langenöls, Kr. Lauban. Ritthausen, Pastor in Lampersdorf bei Steinau a. O. Rother, Garten-Direetor in Reisen, Posen. Rothmann, Knappschafts-Director in Tarnowitz. Rudolph, G., Kunstgärtner in Frankenthal bei Neumarkt. Sachs, P., Rittergutsbesitzer in Wiltschau bei Rothsürben. XXXXIV 151. 152. 153. 154. 155. 156. 157. 158. 9, 160. 191, 162. 163. 164. 165. 166. 167. 168. 169. 170, LI 3; 172, 172. 174. 175. 176. 23, 178. 179, 180. 181. Jahres-Bericht Herr v. Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch. Sauer, J., Apotheker in Cudowa. Graf Schack von Wittenau, A. gen. Graf v. Dankel- mann, in Beuthen a. O. Graf Schaffgotsch, H. U., Königlicher Kammerherr auf Koppitz. Graf Schaffgotsch, L., Freier Standesherr auf Kynast ete. zu Warmbrunn. v. Scheliha, Rittergutsbesitzer, Landesältester auf Perschütz. Graf v. Schlabrendorf und Seppau, Erb-Ober-Landbau- meister, Majoratsherr auf Seppau bei Quaritz. Schlegel, F. W., Kunstgärtner in Grafenort bei Habel- schwerdt. Schlieben, J. T., Kunst- und Handelsgärtner in Ratibor. Schmeiss, G., Kunst- und Handelsgärtner in Freistadt i. Schl. Schmidt, P., Kunstgärtner in Ober-Stephansdorf. Schmidt, H., Maurermeister, Stadtrath in Oppeln. Schmula, A., Hüttenbesitzer in Waltershütte bei Nicolai OS. Schnabel, R., Baumschulenbesitzer in Ohlgut bei Münster- berg. Schneider, Dr. med., in Carmine bei Militsch. Schönfelder, A., Wirthschafts-Inspector in Alt-Schliesa bei Wangern, Scholtysek, J., Pfarrer in Grossstein bei Gogolin. Scholtz, M., Apotheker in Jutroschin. Scholz, H,, Pfarrer in Schwedeldorf. LA H, Hütten-Inspeetor in Kattowitz. Frau Schröter, B. Be auf Wättrisch bei Heidersdorf. Herr Schütz, an Fürst]. Hofsärtner in Margarethen am Moos bei Trautmannsdorf, Nieder-Oesterreich. Schwürz, Fr., Gutsbesitzer in Herischdorf bei Warmbrunn. Freiherr von Seherr-Thoss, E., Rittmeister a. D. auf Schollwitz bei Hohenfriedeberg. Siebenhaar, F., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg. Stahr, Rittergutsbesitzer, prakt. Arzt, Dr. med. in Wilxen bei Obernigk. Stanke, W., Obergärtner in Gräbschen bei Breslau. Stefke, E., Apotheker in Lissa bei Breslau. Stephan, J., Vorsteher der Provinzial-Gärtner-Lehranstalt in Koschmin, Posen. Stiebeiner, A., Kunstgärtner in Planowitz bei Rudzinitz. Stittner, H., Kunstgärtner in Cammerau bei Schweidnitz. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. xXXXXV 182. Herr Stittner, J., Kunst- und Handelsgärtner in Raczkow bei 183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190, 191. 192. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202. 203. 204. 209. 206. 207. 208. 209. Zduny. Stoll, G., Oekonomierath, Direetor des Königlichen pomo- logischen Instituts in Proskau. Graf Strachwitz, A., auf Bertelsdorf bei Lauban. Strauss, H., Cantor und Lehrer in Conradsthal bei Salz- brunn- Streicher, R., Obergärtner des Gartenbau-Vereins in Gnesen. Streubel, W., Kunst- und Handelsgärtner in Hassitz bei Glatz. Strzebin, A., Obersteiger in Miechowitz. Teicher, L., Kunst- und Handelsgärtner (in Firma G. Teicher) in Striegau. Teicher, P., Kunst- und Handelsgärtner (in Firma G. Teicher) in Striegau, v. Tempski, H., Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz. v. Tieschowitz, R., in Jauer. v. Tieschowitz, geb. v. Randow, auf Jacobsdorf bei Con- stadt, Timmler, C. F., Brauereibesitzer in Liegnitz. Titze, B., Lehrer in Nieder-Stradam bei Stradam. Töpffer, C., Kaufmann in Maltsch a. O. v. Treutler, O., Kreisgerichtsrath a. D. in Neu-Weissstein bei Waldenbure. Verwaltung des v. Lestwitz’schen Fräulein - Stiftes in Tschirnau bei Bojanowo. Vogel, W., Kunst- und Handelsgärtner in Carlowitz bei Breslau. Wagner, Dr. med. in Stadt Königshütte. v. Wallenberg-Pachaly, C., Rittergutsbesitzer auf Schmolz. Walter, Stadtrath a. D. und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg bei Strehlen. Walter, R., Hausbesitzer und Stadtkoch in Scheitnig bei Breslau. Weber, A., Chaussee-Direcetor, Cataster-Controleur in Fran- kenstein i, Schl. Websky, E., Dr. phil., Commerzienrath in Wüstewalters- dorf. Weikert, Pastor in Gross-Wandriss bei Mertschütz, Weinhold, E., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg. Weiss, F. W., Banquier in Reichenbach i. Schl. Freiherr v. Welezeck, B., Kaiserl. Legations- Seeretair a. D., Majoratsherr auf Laband OS. XXXXVI Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2f0. Herr Wentzel, Hauptmann a. D., Landesältester in Klein-Nims- dorf bei Cosel OS. 2ll. — Wenzel, J., Steiger in Myslowitzgrube bei Myslowitz. 212. — Werner, F., Bergverwalter in Myslowitz. 213. — Wiessner, Pastor in Gross-Wilkau bei Nimptsch. 214. — Winter, C., Obergärtner in Heinrichau bei Münsterberg. 215. — Wothe, C., Pastor in Obernigk. 216. — v. Wrochem, E., Landesältester auf Koppinitz bei Peis- kretscham. 217. — v. Zaluskowski, Major a. D., Land- und Armenhaus- Director in Schweidnitz. 218. — v. Zawadzky, F., Landesältester auf Jürtsch bei Canth. 219. — Zimmermann, O., Stadtverordneten-Vorsteher in Nimptsch. Sections-Versammlung von Zeit zu Zeit Mittwoch Abends um 7 Uhr. Die resp. Mitglieder dieser Section ersucht der Seeretair dringend, ihm etwaige Veränderungen ihres Wohnortes anzuzeigen. PEN .. Ih 4 ei r ickeoit disr ur em D Mi .:% 1% w vu MT “r) ir Pi ur > i . } | ! ‘ 14 j } I EL’ fh N re } x Bit ’ h or BKalr (N 1 i L r s { i A Y s tı% m er i ‘ I Ä ö [* L-) i ee re re her} IE AFTTT > eu wir), Kain BEN. ar a gewiss 10 dan Ne 3. Eu neh! \afes Yo P irn | v» En Harei!r En wre T si el Tem N > Al Ak sin Hliodon Kor Atilt: Brauian Fu SA any r ar >.“ fa %- Bericht über die Thätigkeit der medieceinischen Section im Jahre 1885, erstattet von dem zeitisen Secretär der Section E. Ponfick. Sitzung vom 16. Januar 1885. Herr Magnus hält einen Vortrag Ueber die Blinden der Stadt Breslau im Jahre 1884. Das Blindenmaterial der Stadt Breslau wurde in der Weise be- schafft, dass die durch die letzte Volkszählung vom 1. December 1880 in Breslau ermittelten Blindenadressen benutzt wurden und dass ferner vom Breslauer Polizei-Präsidium aufs Neue eine Aufnahme der Blinden unserer Stadt veranstaltet wurde. Auf diese Weise gelang es nicht allein, die augenblickliche Zahl unserer städtischen Blinden annähernd vollständig zu finden, sondern man vermochte auch ein ziemlich klares Bild der Blindenbewegung der letzten vier Jahre überhaupt zu gewinnen. Bei der Controlle der durch die letzte Volkszählung festgestellten Blinden ergab es sich nun, dass dieses officielle Resultat erhebliche Irrthümer aufzuweisen hatte. Von den 200 im Jahre 1880 als blind gezählten Individuen ergaben nämlich meine Untersuchungen 34, d.h. 17 pCt. als nicht blind. Die Diagnose der Blindheit war bei diesen 34 Personen fälschlich gestellt worden. Dieses Ergebniss wirft nun aber auf die officielle Blindenzählung, wie sie gegenwärtig noch in Deutschland geübt wird, keineswegs ein glänzendes Licht und es be- rechtigt uns ganz gewiss zu dem Wunsche, dass die Blindenzählung von Aerzten und nicht von Laien fernerhin ausgeführt werden möge. An einem anderen Orte habe ich bereits den Nachweis geführt, dass eine solche durch ophthalmologisch gebildete Aerzte auszuführende all- gemeine Blindenzählung sehr wohl zu ermöglichen sei. Die Kosten, 1885. 1 2, Jahres - Bericht welche ein derartiges Unternehmen machen dürfte, würden durch die grossen wissenschaftlichen wie praktischen Vortheile, welche eine rationell geübte und darum verlässliche Blindenstatistik bieten müsste, mehr wie reichlich aufgewogen werden. Man sollte sich doch allgemein mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine offieielle Blindenstatistik, die so bedeutende Fehlerquellen beherbergt, wie die unserige, gegenwärtig sowohl für praktische wie wissenschaftliche Zwecke einen nur recht untergeordneten Nutzen beanspruchen darf. Darum ist auch der Schweizer Regierung in gewissem Sinne beizustimmen, wenn dieselbe erklärt: die bisherigen Ergebnisse der offieiellen Blindenzählungen seien so unzu- verlässig, dass für die Zukunft eine Blindenaufnahme staatlicherseits in der Schweiz nicht mehr erfolgen werde. Dass aber eine wissenschaft- lich wie praktisch brauchbare officielle Blindenstatistik geschaffen werden könne, das dürften die in den letzten Jahren in Frankreich vorgenommenen allgemeinen Blindenzählungen ziemlich zweifellos ergeben haben. Wir glauben desshalb auch an dieser Stelle mit einer gewissen Berechtigung den Wunsch aussprechen zu dürfen: Deutschland möge so bald als möglich die erforderlichen Schritte thun, um eine verlässliche Blinden- statistik zu gewinnen. Uebrigens gilt das, was ich soeben von der Blindheit gesagt habe, mutatis mutandis auch von der Zählung sämmt- licher anderer Körpergebrechen. Im Jahre 1884 beherbergte Breslau 200 Blinde und, da die Ein- wohnerzahl 292173 am 1. Juli betrug, so würden auf 10000 Ein- wohner 6,84 Blinde entfallen. Der letzte officielle Bericht zählt auf 10 000 Bewohner Schlesiens 8,4 Blinde; dürfen wir diese beiden Zahlen, von denen die erstere eine genaue, die letztere eine sehr zweifelhafte ist, mit einander vergleichen, so würde Breslau gegenüber der hinter ihm stehenden Provinz eine nicht unerheblich geringere Blindenquote aufzuweisen haben. Es vertheilen sich die Blinden Breslaus in der Weise, wenigstens gegenwärtig, über beide Geschlechter, dass 8,09 auf 10 000 männliche und 6,80 auf 10 000 weibliche Bewohner entfallen. Betrachten wir nun die Erblindungsursachen, welche wir bei den 200 Blinden unserer Stadt gefunden haben, so ergiebt sich folgendes Resultat: Amaurosis congenita.....2...... 6,0 plt. Blennorrhoea neonatorum ....... 14,5 = Teaehom ..;. a: raue 1,0 = Atrophia nervi optiei genuina.... 9,9 = Blawom... re ae 14,0 - Retinitis pigmentosa acquisita.... 10 - lie nich ae a ae 2,0 = Iridoekorioiditigr 4. - + slim 2,9 = Ohprieiditig una © un + komme Aula - 2,0 = der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3 Chorioiditis myopiea ........... 1,5 pCt. Sublatio retinae wur... ...8. 15 > Verletzungen Wlan. RAT 70 = Bypkilis ‘u... 2 HI EAN. 2,0. = Berofülöse 7 EDEBLUN Re. 1,0% Cerebrum mit seinen Häuten..... 3,06 - Tabdkk HR UBUEt D. Er 1,0: = Mebili east ner oe 3,0 = Seazlaissel. vll yon. 0,5 = Basislaıı nova. null... 1,0 = Exanthem unbekannter Natur.... 10 - pi. ai amdent „ran. 1, 5m« Biatonge, tdi nen Ob lhres Schwangerschaft ............... 0,5 = Unbekannte Ursachen........... AO Ira Was nun die einzelnen Positionen dieser Zusammenstellung an- langt, so ist bemerkenswerth, dass die Blennorrhoea neonatorum, wenn sie auch den ersten Platz einnimmt, doch immerhin sich in mässigem Procentsatz bewegt. Der Grund liegt wohl darin, dass in Breslau augen- ärztliche Hilfe schnell zur Hand ist. Uebrigens entfallen keineswegs die 14,5 pCt., mit denen die Blennorrhoea in unserer Tabelle figurirt, auf solche Blinde, welche in unserer Stadt selbst erblindet sind. Wie wir nachher noch sehen werden, sind nur 9,21 pCt. durch Blennorrhoea neonatorum in Breslau selbst erblindet. Uebrigens steht zu hoffen, dass die Zahl der Blennorrhoeblinden nicht blos in Breslau, sondern in Schlesien überhaupt in den nächsten Jahren einen erheblichen Rückgang aufzu- weisen haben werde, da auf meinen Antrag für die Provinz Schlesien den Hebammen officiell die Anzeigepflicht eines jeden Falles von Blennorrhoea neonatorum vorgeschrieben worden ist. Es wäre dringend zu wünschen, dass die gleiche Massnahme auch in den übrigen Pro- vinzen unseres Vaterlandes getroffen würde. Bei der Atrophia optiea genuina macht sich eine auffallende Ver- schiedenheit in der Vertheilung über beide Geschlechter bemerkbar, denn während auf die Männer 12,74 pCt. Atrophieblinde kommen, zählen die Frauen nur 6,12 pCt., es ist dies ein Verhältniss, welches nicht blos für Breslau allein Geltung haben, sondern in grösserem Umfange massgebend sein dürfte. So kommen z. B. nach meiner Untersuchung in Schlesien auf 10000 Männer etwa 2,281 Atrophieblinde und auf 10000 Frauen nur 1,521 pCt. Diese schwere Belastung des männlichen Geschlechtes dürfte in erster Linie auf den Beruf, sowie auf den Aleohol- und Tabakconsum zu beziehen sein. Die verschiedenen Formen der Atrophie des Sehnerven zeigen in dem Breslauer Blindenmaterial folgendes Verhältniss: 1* 4 Jahres - Bericht Atrophia nervi optiei congenita... 8,33 pCt. - - -. : genuinaw:30;58 (= - - - cerebralis .. 10,41 - - - =. . tabetica ..... 83533. ,- - z =. „luetieiicin) ik 208, .,= - = - e morbillis . 2,08 - - - =.,x:&typho .... rsskadet Bemerkenswerth ist in dieser Zusammenstellung der hohe Procent- satz, welchen die Tabes zur Sehnervenatrophie beisteuert. In einzelnen der beobachteten Fälle bildete die Atrophie jahrelang das einzige Symptom der Rückenmarkerkrankung; die Zeichen der Tabes ent- wickelten sich erst nach jahrelangem Bestand der Atrophieblindheit. Glaucomblindheit konnte bei dem weiblichen Theil unserer Einwohner- schaft in grösserem Umfang nachgewiesen werden, als wie bei den Männern, insofern auf das weibliche Geschlecht 17,34 pCt., auf das männliche 10,78 pCt. entfielen, eine Thatsache, welche nach meinen Untersuchungen für Schlesien überhaupt Geltung zu haben scheint. Ueber die einzelnen Altersklassen vertheilt sich die Neigung zur Er- werbung der Glaucomblindheit in folgender Weise: Von 10000 Breslauer Einwohnern erblinden zwischen 15—30 Jahr an Glaucom... 0,00 pCt., le Re rt Bere te = 45—60 = = - re ir Alta GOES "ie 2 lee EEE Aa SEIT RR RN LE WAL Wir sehen hieraus, dass die Disposition für das Glaucom vom 30. Lebensjahr an ganz constant wächst und zwar in der Weise, dass dieses Wachsthum nach dem 60. Jahr ein ganz besonders rasches zu sein pflegt. | Bei den durch Sublatio retinae erblindeten Individuen ergab sich zwar, dass Myopie eine ganz besondere Disposition für die Entstehung dieser Erblindungsform abgiebt, insofern von 18 durch Netzhautablösung erblindeten Personen 16 früher kurzsichtig waren, es bestätigt sich aber nicht, dass die gelehrten Berufsarten eine ganz besondere Neigung zur Erwerbung der Sublatio retinae besitzen, wie dies verschiedene Autoren annehmen. Es hat sich vielmehr herausgestellt, dass kurzsichtige Per- sonen, welche körperlich viel und schwer arbeiten, ganz besonders häufig von Sublatio retinae heimgesucht werden; jedenfalls ist der ‘ Unterschied zwischen dem Auftreten der Sublatio bei gelehrten Berufs- arten und bei den arbeitenden Klassen kein so charakteristischer, wie dies von gewisser Seite bis jetzt behauptet worden ist. Die Verletzungsblindheit bietet zu besonderen Bemerkungen keine nennenswerthe Veranlassung. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 5 Syphilis figurirt in unserem Material nur mit 2 pÜt., doch liegt diese geringe Ziffer offenbar nur an der Thatsache, dass die Ermittelung, der sichere Nachweis der Syphilis als Erblindungsursache bei abgelaufenen Fällen ein sehr schwerer ist. Von anderen Autoren sind für die Syphilis viel höhere Werthe gefunden worden; so hat z. B. van Mil- lingen in Constantinopel 14,7 pCt. der Blindheitsfälle durch Syphilis genetisch erklären können. Variola hat in Breslau nur i pCt. der Blinden geliefert; es ist dies Verhalten von besonderem Interesse, wenn man die durch Variola erzeugte Blindenquote in solchen Ländern vergleicht, denen der Impf- zwang entweder fehlt, oder wo die Impfgesetzgebung sich in laxeren Grenzen bewegt. Eine umfassende Untersuchung der Jugendblindheit, die mich im Augenblick beschäftigt, hat mir gezeigt, dass in Ländern, denen die obligatorische Impfung mangelt, z. B. Oesterreich - Ungarn, eine Variola-Blindquote von über 20 pCt. die durchschnittliche zu sein pflegt. Ich will auf diesen Punkt hier nur flüchtig hingewiesen haben, da ich denselben später an der Hand eines grossen Materials ganz aus- führlich behandeln werde. Serofulose konnte allerdings bei dem Breslauer Blindenmaterial nur selten mit Sicherheit als Ursache der Erblindung nachgewiesen werden, doch dürften in Wahrheit die Verhältnisse wohl anders liegen. Grade in einer Grossstadt wie Breslau mit umfangreichem Proletariat ist die Serofulose in erschreckender Weise verbreitet und die Augenkliniken unserer Stadt könnten von den Verwüstungen, welche die Scrofulose unter den Breslauer Augen anrichtet, manch’ instructiven Bericht ab- statten; so fallen allein in der von mir geleiteten Klinik 16,79 pCt. aller Fälle der Scrofulose zur Last. Wenn trotzdem die Serofulose den nur geringen Satz von 1,0 pCt. zur Blindheitsziffer beisteuert, so liegt dies wohl eben daran, dass nach eingetretener Amaurose für den Arzt nur mit Schwierigkeit die Scrofulose als ursächliches Moment erkannt werden dürfte. Schliesslich will ich auch noch darauf aufmerk- sam machen, dass die Verwüstungen der Serofulose durchaus nicht blos nach dem augenblicklichen Verlust des Sehvermögens beurtheilt werden dürfen, sondern dass eine grosse Reihe von Augen durch die Serofulose den Keim einer später sich herausbildenden Blindheit eingeimpft erhalten; es ist besonders Horner, welcher grade diesen Punkt vornehmlich betont. Es tritt nun noch die Frage an uns heran, ob und welchen Ein- fluss die Verhältnisse unserer Stadt auf die Entwickelung der Blindheit auszuüben im Stande sein mögen. Zur Beantwortung dieser wichtigen Frage habe ich eine Zusammen- stellung der nur in Breslau selbst erblindeten Personen gemacht, denn nur von diesen kann man doch mit Sicherheit behaupten, dass die 6 Jahres - Bericht srossstädtischen Verhältnisse bei dem Verlust ihres Sehvermögens sich wirksam erwiesen haben. Es sind nun in Breslau selbst 151 Individuen erblindet. Wollen wir aber aus dieser Thatsache einen Rückschluss auf die ophthalmo-sanitären Verhältnisse unserer Stadt gewinnen, so wird es sich empfehlen zu berechnen: wieviel von 10 000 Einwohnern der verschiedenen Altersgruppen den einzelnen Erblindungsformen zum Opfer gefallen sind? Ueber diese Verhältnisse geben nun die folgenden Zusammenstellungen ein anschauliches Bild. Es erblindeten in Breslau von 10000 Personen der I. Altersklasse von 0—15 Jahr an: Blennorrhoea neonatorum...... ge Atrophia optica cerebralis..... 0,48, E23) er VA eig gr 0,12, ae a Line eh 0,24, Bublatie TeRenu e 0,36, A re ee ge 0,24, ERASET IE. NN. AR. 0,75, La JE ac a ee ee Beharlsch FT 0,12, Exanthem unbekannter Natur... 0,36, ET SEEN RE EUR 1,34. In der II. Altersklasse von 15—30 Jahr erblindeten von 10 000 Per- sonen an: Atrophia optica cerebralis..... 0,24, Atrophia optica genuina....... 0,24, Sublalap zeimae. 7 0...00% 0,36, Bo 1 TA 0,24, Bu en u ee. SR re 0,12, Te ee 0,12, Ophthalmia sympathica........ 0,12, Unbekannter Ursache......... 0,24. In der III. Altersklasse von 30—45 Jahr erblindeten von 10 000 Per- sonen an: Atrophia optica spinalis....... 0,82, - in ERDE ii ati a Sublatio :relänae... » .nieiinemgine 0,82, Erkrankungen des Uvealtractus. 0,64, eachom. „us... 2 0,16, lanedin 15 42:60:02 re 0,32, WER. nu vn ac 0,49, Unbekannter Ursache......... 0,49 In der IV. Altersklasse von 45—60 Jahr erblindeten von 10 000 Per- sonen an: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7 Atrophia optica spinalis....... 2,17, z la 12,175: ABER. 0,65, Bablatio: retinae a LU 1,58, Eliten 422, 2 AR, BPHBER, 1,24, Retinitis pigmentosa.......... 0,31, Erkrankungen des Uvealtractus. 0,62, Sypbii A N UIENT 0,31, Unbekannter Ursache......... 1,58. In der V. Altersklasse von 60—70 Jahr erblindeten von 10 000 Per- sonen an: Gain. dukte een 9,84, Suhlatio ‚veiinaß,... m. daise keine 0,90, Erkrankungen des Uvealtraetus. 3,58, Retinitis pigmentosa.......... 0,90, Üiperationenna:uin- wid Ash. 0,90, Unbekannter Ursache ......... 1,80. In der VI. Altersklasse von 70—-90 Jahr erblindeten von 10 000 Per- sonen an: Blanca 4 u. Au ksdsether he LZstH, Üptzafionen ;; Tata 10,12, Bublalıo zokinae ins ine 2,93, Unbekannter Ursache......... 5,06. Einen genauen Einblick in die genetischen Beziehungen, in welchen die Berufsarten zur Erblindung stehen, geben uns die Breslauer Blinden- Verhältnisse nicht. Um diese so überaus wichtigen Beziehungen er- schöpfend studiren zu können, bedarf man eines sehr grossen Materials, eines Materials, wie es eine Stadt von dem Umfange Breslaus keines- wegs zu liefern im Stande ist. Wir können deshalb über diesen Punkt, so wichtig er im Uebrigen auch sein mag, ohne Weiteres hinweggehen. Von Interesse ist aber das Verhältniss, in welchem die Christen und Juden zur Erblindung stehen. Nach den neuesten Veröffentlichungen des Königlichen preussischen statistischen Bureaus ist für die jüdische Bevölkerung des preussischen Staates im Allgemeinen eine grössere Blindenquote vorhanden, als wie für die christliche Bevölkerung. Genau die nämliche Erfahrung habe ich in Breslau auch gemacht, denn hier erblinden von 10 000 jüdischen Einwohnern 10,31 und von 10 000 christ- liehen nur 7,16. Es muss natürlich von grösster Wichtigkeit sein, für diese statistische Erscheinung den pathologischen Grund zu ermitteln; für Breslau habe ich Folgendes nachweisen können. Der bedeutend höhere Procentsatz, welchen die Breslauer Juden zur Blindenquote unserer Stadt beisteuern, erklärt sich dadurch, dass die Sehnerven- atrophie und das Glaucom bei den Juden in bedeutenderem Umfang Blindheit erzeugen, als bei den Breslauer Christen; es erblinden nämlich 3 Jahres - Bericht von 10000 Breslauer Juden 2,87 an Glaucom und 2,87 an Atrophia nervi optiei, während von 10 000 Breslauer Christen nur 0,90 an Glaucom und 1,41 an Sehnervenatrophie erblinden. Auch für die Sublatio retinae liegen die Verhältnisse ähnlich, insofern nämlich von 10 000 Breslauer Juden 1,14 an Sublatio und von 10000 Christen 0,62 erblinden. Dagegen scheint bezüglich der Blennorrhoeblindheit das Verhältniss für die Christen ungünstiger zu liegen, da von 10000 Christen 1,10 und von 10000 Juden nur 0,57 an Blennorrhoea neonatorum erblinden. Es wäre dringend zu wünschen, dass eine Controlle dieser meiner Befunde durch analoge Untersuchungen an anderen Orten geübt werde. Zum Schluss möge noch darauf hingewiesen werden, dass, nach dem Breslauer Blindenmaterial zu schliessen, der Verlust des Seh- vermögens an sich eine irgendwie erhebliche Abkürzung der durch- schnittlichen Lebensdauer nicht im Gefolge zu haben scheint. Dagegen scheint die Sterblichkeit der Blinden überhaupt eine grössere, wie die der Sehenden zu sein. Der Grund für diese letztere Erscheinung dürfte darin zu suchen sein, dass eine Reihe sehr ergiebiger Erblindungs- formen sich auf Grund solcher pathologischer Vorgänge vollzieht, welche die Existenz des Organismus überhaupt gefährden, so z. B. die verschie- denen Formen der Sehnervenatrophie u. s. w. Es ist also hier nicht die Amaurose an und für sich, welche das Leben kürzt, sondern es sind die pathologischen Grundlagen der Erblindung, welche die Existenz des Körpers überhaupt in Frage stellen. Hierauf spricht Herr Wiener Ueber Gravidität im rudimentären Uterus -Horne. Nachdem der Vortr. die geburtshilfliche Bedeutung der Doppel- bildungen des Uterus, und das gewöhnliche Schicksal der Schwanger- schaften im rudimentären Uterus-Horn — fast immer Ruptur des schwangeren Hornes innerhalb des dritten bis sechsten Monats — erörtert hatte, theilt er die Kranken- und Öperationsgeschichte einer Frau mit, die ihm von Herrn Dr. Kuschbert in Pless mit der Diagnose „Ex- trauterin-Schwangerschaft“ zugeschickt worden war. — 29jährige Ar- beitersfrau, früher gesund, im 16. Jahre zuerst menstuirt. Vor 7 Jahren spontan ein lebendes Kind geboren, normales Wochenbett, späteres Befinden gut. Letzte Menstruation Ende December 1883. In der folgenden Zeit unangenehme Empfindungen und Spannung im Leibe, kein Uebel- ‚sein oder Erbrechen. Erstes Auftreten der Kindesbewegungen nicht genau anzugeben; dieselben zuletzt Mitte September gefühlt. Von nun an häufiges Frösteln, weinerliche Stimmung, Appetitslosigkeit etc. Die Brüste, die deutlich angeschwollen waren, nahmen wieder ab. Ende October heftige Schmerzen im linken Mesogastrium, an 2 Tagen auch ee der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9 Kreuzschmerzen von halbstündiger Dauer. Dr. Kuschbert fand am 29. October den Unterleib äusserst empfindlich, von einem grossen Tumor eingenommen und auf der linken Seite deutliches peritonitisches Reiben. Kindestheile fühlte er nicht, nur glaubte er über dem rechten Scheiden- gewölbe den Kindeskopf zu palpiren und diagnostieirte mit Rücksicht auf die Anamnese eine Extrauterin-Schwangerschaft. Am 7. December erhob Vortr. in der hiesigen Frauenklinik, woselbst Pat. mit freund- licher Erlaubniss des Herrn Prof. Fritsch aufgenommen worden war, in Narcose folgenden Befund: Gracile, anämische Frau von schlechtem Ernährungszustand und leidendem Gesichtsausdruck, kleiner, etwas frequenter Puls, normale Temperatur. Brüste schlaff, ohne Secret, Bauchdecken dünn, Abdomen kugelig vorgetrieben durch einen aus dem Becken aufsteigenden, nicht ganz median, sondern mehr nach rechts von der Mittellinie gelagerten, nach rechts oben sich etwas verjüngenden, gleichmässig gewölbten, brettharten, mässig beweglichen Tumor, der bis fast einen Querfinger unter den Rippenrand reicht. Nirgends Fluctuation, an einzelnen Stellen peritonitisches Reiben. Linea alba pigmentirt, Nabel verstrichen, alte und frische Striae. Nirgends Kindestheile zu fühlen, nirgends Fötalpuls oder Gefässgeräusche zu hören. Schleimhaut der Vulva und Scheide sehr anämisch, Scheide weit, lang, Portio vagin. klein, median nach vorn stehend, Muttermund ein Querspalt, Corpus uteri links vom Tumor, etwas vergrössert, sinistrovertirt. Uterushöhle 9 em lang, die Sonde geht nach einigem Widerstande in der Gegend des inneren Muttermundes nach links hinüber. Versuche, sie auch nach rechts vorwärts zu bewegen, misslingen. Vorn im rechten Scheiden- sewölbe ein Segment des Tumor zu fühlen, hart und gewölbt, vielleicht der Kopf eines Fötus, jedoch als solcher nicht mit Bestimmtheit zu erkennen. Der Tumor geht etwas über der Gegend des inneren Mutter- mundes mit einem dicken, kurzen, etwas nach rechts gekehrten Stiel vom Uterus ab; von rechts unten und aussen über dem Beckeneingange verläuft schräg nach oben und innen zum Tumor eine gespannte Falte, vermuthlich der obere Rand des rechten Ligam. lat. Bei Bewegungen des Tumor bewegt sich die Portio mit, doch nicht so frei und ausgiebig, als es bei im Uterus selbst gelegenen Geschwülsten zu geschehen pflegt. Untersuchung p. rectum ergiebt nichts wesentlich Neues. Welcher Art war nun der Tumor? Die Anamnese sprach entschieden für Schwangerschaft, die objeetive Untersuchung aber nicht. Um eine gewöhnliche uterine Schwanger- schaft konnte es sich nicht handeln, da der Uterus leer gefunden wurde, Eine extrauterine Gravidität war auch nicht wahrscheinlich, da man in diesem Falle gewiss Theile der Frucht gefühlt, und andererseits der Fruchtsack so kurze Zeit nach Ablauf der Schwangerschaft sich wohl kaum als so glatte, brettharte Geschwulst präsentirt haben würde; 10 Jahres-Bericht auch der Ursprung des Tumor vom Uterus in der Gegend des inneren Muttermundes sprach dagegen. Für ein gestieltes Uterusfibroid konnte der Tumor wegen seines Ausganges vom Uterus und seiner Consistenz gehalten werden. Doch sprachen gegen diese Annahme mancherlei Be- denken: zunächst das Ausbleiben der Menses, ein bei Fibroiden ent- schieden ungewöhnliches Vorkommniss; ferner das rasche Wachsthum der Geschwulst, das bei einem so festen und offenbar gefässarmen — wie erwähnt, waren keinerlei Gefässgeräusche zu hören — Gebilde gleichfalls ungewöhnlich gewesen wäre; endlich der leidende Zustand und die Schwäche der Patientin, die bei dem Fehlen jeglicher Blutung durch ein Fibroid allein nicht gut erklärt werden konnten. Nach alledem blieb die Diagnose dunkel, und es musste unent- schieden bleiben, ob in der That .eine abnorme, längst abgelaufene Schwangerschaft oder ein Tumor vorlag. Aufschluss konnte nur die Laparotomie geben, und da durch den zweifelhaften Tumor die Gesund- heit der Frau ohne Frage erheblich beeinträchtigt wurde, eine Wieder- herstellung derselben aber nur durch dessen Entfernung möglich schien, schritt ich am 9. December unter Assistenz der klinischen Aerzte DDr. Toporski und Heilbrunn zur Operation. Nach Eröffnung des Peritoneum präsentirt sich ein blaurother, myomähnlicher Tumor, der, vor die Bauchdecken gebracht, sich als das rechte, schwangere Horn eines Uterus bicornis erweist; an demselben (i. e. dem Horne) inserirt sich nur das breit entfaltete, gespannte Ligam. latum dextrum. Beim Eingehen mit der Hand zeigt sich, dass das Horn mit ziemlich kurzem und dickem Stumpf etwas oberhalb des inneren Muttermundes vom Uterus abgeht, und dass das linke Uterushorn in deutlichem Bogen nach der linken Beckenseite zu verläuft. Es wird nun um Ligam, latum sammt Ovarium und den Stumpf des schwangeren Hornes eine elastische Ligatur gelegt, mit Seidenfaden fixirt und die Uterushöhle durch einen breiten Querschnitt mehrere Querfinger breit über der Ligatur eröffnet, wobei zwei bis drei Esslöffel trüben, aber geruchlosen Fruchtwassers abflossen. Der in Schädellage befindliche Fötus wurde mit Leichtigkeit am Arme extrahirt und zeigte sich bereits in beginnender Maceration. Das Uterushorn wird darauf vollends durch einen Cireulärschnitt abgetragen, wobei nicht die geringste Menge Blut abfloss. Im Stumpfe konnte man keinen Canal erkennen, auch nicht als die Muskulatur bis unter die elastische Ligatur trichterförmig exeidirt worden war; er schien also solide zu sein. Nachdem der Stumpf möglichst verkleinert und die Wundflächen jodoformirt worden waren, wurden dieselben durch zahlreiche tiefe und oberflächliche Nähte fest vereinigt, die Bauchhöhle mit Salieyllösung ausgespült, darauf der Stumpf noch besonders jodoformirt und sammt elastischer Ligatur versenkt. - der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 11 Schluss der Bauchwunde in gewohnter Weise, Druckverband. Dauer der Operation 1'/, Stunden. Der weitere Verlauf war, abgesehen von den Tagen des 11. bis 13. December, an denen bedeutender Collaps, Erbrechen, Beschleunigung des Pulses über 140 ete. aufgetreten waren, sehr günstig, so dass Pat. am 20. December zum ersten Male das Bett verlassen konnte, nachdem am 18. und 19. die Nähte entfernt worden waren. Pat. verbleibt, da sie noch ziemlich schwach ist und zu Hause keine genügende Pflege hat, bis zum 10. Januar 1885 in der Klinik und wird dann mit der Weisung, sich später wieder vorzustellen, entlassen. Das exstirpirte Horn stellte einen mannskopfgrossen Sack dar, der in seiner Form nur wenig von einem normalen schwangeren Uterus abwich und dessen Innenfläche fast ganz von der sehr grossen, platt- gedrückten und ziemlich matschen Placenta besetzt war. Die Wand- stärke des Sackes zeigte sehr charakteristische Verschiedenheit in den oberen und untereren Partien, insofern die ersteren knapp 4 mm, die letzteren — 1,8 em dick waren. In der Wand des Sackes, besonders im unteren Abschnitte, sind zahlreiche grosse Gefässlumina, ebenso im Ligam. lat., und es ist in dieser Beziehung ebenfalls kein erheblicher Unterschied von einem normalen schwangeren Uterus. Das Ovarium enthielt in der Tiefe ein deutliches Corpus luteum verum von etwa 1'/), em Länge und '„ cm Breite. Der Fötus (Mädchen) war vollkommen reif und in beginnender Maceration. Vortr. erörtert hierauf unter Erwähnung der in der Literatur be- kannten einschlägigen Beobachtungen die Frage, ob man in diesen Fällen in der That eine Schwangerschaft in einem rudimentären Horne oder eine solche in einem normalen Uterus bicornis vor sich habe, und glaubt, dass es sich, wenn man das Horn wirklich für rudi- mentär halten wolle, nur um den niedersten Grad unvollkommener Entwickelung handeln könne, weil das Horn in Bezug auf Muskulatur, Blutgefässe u. s. w. sich ganz ähnlich einem normalen Uterus verhalte; man dürfe daher mit Recht diese Fälle von jenen scheiden, welche sensu strietiori Schwangerschaften im rudimentären Horne genannt werden, weil bei letzteren das Horn gewöhnlich untauglich ist, die Frucht auszutragen, während bei ersteren die Schwangerschaft, wie die Be- obachtungen der letzten Jahre zeigen, ihren ungestörten Fortgang nimmt. Vortr, bespricht des Weiteren die Diagnostik der Hornschwanger- schaft, den Modus der Conception, endlich noch die Ursachen, Prognose und Therapie der Fruchtretention. (Die ausführlichere Besprechung des Falles erfolgt im Arch. für Gynäkologie Bd. XXVI.) 13 Jahres - Bericht Sitzung vom 30. Januar 1885. Herr Hirt spricht Veber die Differential-Diagnose zwischen Hysterie und multipler Sclerose. Die Verwechselung beider Krankheiten sei mitunter naheliegend, was sich aus pathologisch-anatomischen Ursachen erklären lasse; die Loca- lisation der Plaques sei eine in Betreff der Lage, Zahl und Ausdehnung so variable, dass sehr verschiedene Krankheitsbilder vorgetäuscht werden können — andererseits verlaufe die Hysterie bisweilen so eigenthümlich, dass man auch an multiple Sclerose denken könne. Nach Ansicht des Vortr. wird es in der grossen Mehrzahl der Fälle möglich sein, eine sichere Diagnose zu stellen, wenn man folgende Punkte berücksichtigt: 1) Was die Hirnerscheinungen betrifft, so kämen apoplectiforme und epileptiforme Anfälle bei beiden Affectionen vor; dagegen fänden sich in der multiplen Scelerose sehr häufig hochgradiges und andauerndes Schwindelgefühl, welches bei der Hysterie zu der Ausnahme gehöre. 2) Störungen von Seiten der Augenmuskeln (Nystagmus, Doppeltsehen, ,„Augenblicks-Strabismus“) seien ebenfalls bei Hysterie selten, bei Selerose sehr häufig. 3) Erkrankungen des Opticus gehören nicht zur Regel; vorübergehende Sehstörungen, Amaurosis, bis- weilen auf einem, manchmal auch auf beiden Augen, plötzlich ein- tretend, ebenso verschwindend, ohne Spiegelbefund spreche stets eher für Hysterie. 4) Motilitätsstörungen. a. Paresen und Lähmungen bei Hysterie häufig, schnell einsetzend, schnell verschwindend, oft halb- seitig; bei Sclerose im Ganzen selten, allmählich entstehend, lange persistirend. b. Zittern bei Hysterischen selten und vorübergehend, bei Sclerose häufig, besonders deutlich bei intendirten Bewegungen; in letzterem Falle bisweilen halbseitig. Schüttelnde, wackelnde Bewegungen des Kopfes bei Beginn einer Unterhaltung, beim Anblick eines Fremden, überhaupt bei jeder gemüthlichen Erregung beobachtete der Vortr. wiederholt bei multipler Sclerose. 5) Sensibilitätsstörungen bei Hysterie sehr häufig, bei Sclerose entschieden weit seltener; Hemi- anästhesie für Hysterie charakteristisch; bei Scelerose bisweilen um- schriebene anästhetische Stellen. 6) Blasenstörungen bei Hysterie häufig (Ischurie, Anurie, Polyurie), bei Sclerose nicht zur Regel gehörig. Der Vortr, berichtet dann 1) über einen noch in Behandlung be- findlichen Fall aus der Clientel des Herrn Dr. Caro; hier wurde die Differential-Diagnose unter Berücksichtigung der angeführten Punkte auf ‘ multiple Selerose gestellt; 2) werden Präparate vorgelegt, die einem Fall angehören, der intra vitam für Hysterie gehalten wurde; der Vortr. stellte im Sommer 1884 die Diagnose auf Scelerose, welche durch die Section bestätigt wurde; an den theils mit Nigrosin, theils mit Säure- fuchsin gefärbten Schnitten sind die unregelmässigen Degenerationen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 13 deutlich nachzuweisen; 5) stellte der Vortr. eine Patientin vor, welche für alle Empfindungsqualitäten total anästhetisch ist; auch die Functionen der Sinnesnerven, mit Ausnahme des Opticus, sind wesentlich herab- gesetzt, besonders ist Geruchs- und Geschmacksvermögen so gut wie nicht vorhanden. Der Vortr. hält den Fall für eine Hysterie, obgleich deutlich Intensionszittern vorhanden ist. An der Discussion betheiligt sich Herr Magnus, der die Mit- theilungen des Vortragenden betreffs der Augen- und Augenmuskel- störungen und der daraus herzuleitenden Differential-Diagnose bestätigt. Sitzung vom 13. Februar 1885. Herr Hermann Cohn hält einen Vortrag Ueber Pemphigus der Augen. M. H.! In 20jähriger literarischer Thätigkeit habe ich es mir zum Gesetze gemacht, niemals einen einzelnen Krankheitsfall zu publieiren. Die grosse Ueberschwemmung der Literatur mit solcher Casuistik ein- zelner Fälle, die dem Autor oft interessanter scheinen, als dem Leser, und die, mitunter mehr unklar als interessant, die Wissenschaft oft wenig fördern, war mir stets eine Warnung. Erst wenn aus einer Anzahl von Fällen sich gewisse Schlüsse über eine Krankheit ziehen lassen, soll man sie publieiren! Wenn ich nun heut von meinen Gepflogenheiten eine Ausnahme mache, so geschieht es wegen der grossen Seltenheit des Falles, und weil nach Ansicht der grössten Autoritäten die Diagnose eine oft recht schwere ist. Es dürfte also bei der geringen Casuistik dieser Krankheit auch eine einzelne Krankengeschichte vielleicht nicht ganz werthlos sein. Es handelt sich um einen Fall von Pemphigus am Auge. M. H.! Der Pemphigus ist an sich eine seltene Hautkrankheit; nach Kaposi kommt er nur 1 Mal unter 300 Hautkranken, nach Neu- mann nur 1 Mal unter 500 Hautkranken vor. Am Auge ist der Pemphigus ganz besonders selten; unter 50 000 Augenkranken, die ich überhaupt gesehen, habe ich ihn bisher noch nie beobachtet. Förster sagte 1877: „Als Unica zu betrachten sind die Mittheilungen von Cooper und Wecker über das Auftreten von Pemphigusblasen auf der Conjunctiva bei Personen, die an chro- nischem Pemphigus litten.“ v. Arlt erklärt 1879 wörtlich: „Ich bin jetzt 40 Jahre bei der Augenheilkunde; ich habe ein einziges Mal einen Pemphigus conjunctivae zu sehen bekommen, und den habe ich nicht erkannt, wie ich ihn das erste Mal gesehen habe; aber ich darf mich darüber trösten, es haben ihn andere Spe- eialisten auch nicht erkannt.“ 14 Jahres - Bericht Hebra hat unter 200 Fällen von Pemphigus keinen einzigen am Auge gesehen. Auch Steffan hat unter 34000 Augenkranken nur einen Fall beobachtet. Diese enorme Seltenheit des Falles möge es also entschuldigen, m. H., wenn ich denselben hier vorstelle. Krankengeschichte. Franz Metzner, 4 Jahre, Bauersohn aus Komeise, Kreis Leobschütz, kam am 15. Januar d. J. in meine Anstalt. Im ersten Moment, als ich die Augen öffnete, glaubte ich eine Kalkverbrennung oder eine croupöse Conjunetivitis vor mir zu sehen; denn die unteren Lider zeigten auf der Conjunctiva einen feinen weissen, abziehbaren Belag, dabei aber eine ausserordentliche Schrumpfung des Binde- hautsackes; hierzu kam eine wallartig über die Cornea gehende pannöse Schicht, wie man sie bei alten Trachomen findet, die aber nicht wie gewöhnlich von oben, sondern hauptsächlich von den Seiten und von unten kam. Dieses mir ganz neue Bild wurde etwas auf- sehellt durch die Betrachtung des Kranken selbst. Ueber den ganzen Körper war ein Ausschlag ausgebreitet, der viel Jucken verursachte und mit Blasen auf der Brust im Juni vorigen Jahres begonnen hatte. Man sah auf der feingefältelten Haut des Körpers vielfach grössere und kleinere kreisförmige Linien, aber keine Blasen; wohl aber waren im Munde und auf der Zunge kleine Bläschen vorhanden; das Kind hatte Salivation. Der Knabe selbst war durchaus nicht schlecht genährt, aber blass und apathisch. Die Eltern sind, wie ich mich überzeugte, jung, vollkommen gesund, kräftig und blühend; weder Vater noch Mutter waren je syphilitisch. Der Patient ist das einzige Kind aus ihrer Ehe und war bis Juni 1884 völlig gesund. Um über das Exanthem Sicherheit zu erhalten, schickte ich das Kind sofort zu Herrn Professor Neisser, der mir gleich schrieb, ‚,‚es scheint Pemphigus zu sein“ und der eine Beziehung zu Lues und jede Ansteckungsfähigkeit negirte. Das Kind war bisher von Herrn Dr. Illing in Troppau behandelt worden; auf spätere briefliche Anfrage hatte dieser geehrte Herr College die Güte, mir seine genauen Beobachtungen gefälligst zur Verfügung zu stellen, die ich, da sie meiner Untersuchung ja vorangegangen waren, hier mit seiner Erlaubniss einschalte. „Der kleine Metzner‘‘, schreibt Dr. Illing, ‚war, als er am 20. No- vember 1834 in meine Behandlung kam, ein sehr herabgekommenes, elendes Kind, das schlecht gehen und sich mit Mühe auf den Füssen halten konnte, Die ganze Haut des Körpers war mit fein gefalteten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 15 rundlichen oder aus solchen hervorgegangenen ausgebreiteten gerötheten Narben, die Kopfhaut mit dichten Schuppen bedeckt, an manchen Stellen sah man überdies Kratzefflorescenzen; ausserdem fiel auf, dass der Junge, zumal bei allen Manipulationen, die man an seinen Augen vornahm, stark speichelte,. Die oberen Lider derselben zeigten den früher beschriebenen ähnliche Narben und waren von dem Knaben schwer zu heben, ausserdem bestand intensive Lichtscheu, Thränen und starke Absonderung eines die Cilien verklebenden und die inneren Lid- winkel erfüllenden eitergelben Schleimes. Am rechten Auge zeigte die Conjunetiva palp. inf. nahe dem Uebergangstheile einen unregel- mässig wunden, der Bindehaut auflagernden Plaque, der sich unter leichter Blutung abstreifen liess; ein ähnlicher Plaque befand sich an der Conjunetiva des äusseren Canthus, daselbst bis an den Lidrand heran- tretend. Bei Abziehen des unteren Lides zeigte sich eine deutliche, zarte, zum Lidrand senkrecht stehende Fältelung der zum Bulbus ziehenden Bindehaut, ohne dass gerade eine auffallende Schrumpfung des Conjunetivalsackes bemerkbar geworden wäre, „Am linken Auge waren deutliche Symblephara posteriora beider Lider vorhanden, und der Bindehautsack dabei so verkürzt, dass das obere Lid kaum aufzustülpen war. Neben kleinen Plaques der Lid- bindehaut bestand ein grosser Exsudatfleck an der Conjunetiva bulbi, der nahebei das mittlere Drittel der unteren Bulbushälfte einnahm und auf ungefähr 2—3 mm über den Limbus auf die Cornea übergriff, „Ich fasste diesen Zustand gleichfalls als Pemphigus eonjunctivae et corneae auf, sagte auch den Eltern des Knaben davon und machte auf die den Augen drohende Gefahren aufmerksam, als welche ich lange Dauer, die häufigen Recidive, das Fortschreiten des Processes links über die ganze Cornea, die dem Symblepharen folgende Xerose, den Syncanthus rechts etc. hinstellte. „Die Therapie bestand in Vollbädern, Oeleinreibungen auf den Kopf, kräftiger Diät, links Umschläge mit Aqua Goulardi, Atropin, beiderseits Pinselungen mit 1 °%, Lapislösung. „Der Verlauf rechtfertigte meine Vorhersage. Rechts wurden nach Lapis die Plaques immer kleiner, die Secretion liess nach, der vorausgesehene Syncanthus aber liess sich trotz wiederholt versuchter Durehtrennung der frisch verwachsenen Stellen nicht aufhalten; endlich schwanden die Plaques, worauf nur weisse Präeipitatsalbe 0,1 auf 10 Vaseline eingestrichen wurde. Nach Abstossung der Plaques war die Conjunctiva wohl injieirt, aber glatt, die Reizerscheinungen schwanden, doch nur um bei neuem Auftreten die Wiederkehr der Plaques anzu- kündigen. Mittlerweile wurde auch zeitweise Calomel inspergirt. „Links zog sich die grosse Plaque allmählich bis nahe zur Mitte der Cornea, vaskularisirte und liess schliesslich nur mehr bei starkem 16 Jahres - Bericht Blicke nach abwärts etwas freie Pupille erkennen. Während dieser Zeit wurde Atropinsalbe (Vaseline) eingestriehen und nach Bedarf mit Lapis (1 °,) touchirt; auch hier stellte sich Syneanthus ein und trat nebstbei wiederholt die Bildung kleinerer Plaques an der Conjunetiva palpebr. auf, welche die früher angedeuteten Metamorphosen durch- machten. Jede Reeidive trat nebst der Recrudescenz der von den Augen ausgehenden Symptome mit Zunahme der Salivation auf. „Nachdem die oben genannten Mittel nicht den gewünschten Effect gaben, versuchte ich Inspersion von Jodoform; nach der zweiten Ein- stäubung entzog sich Patient meiner Behandlung. Wenn ich noch bei- füge, dass alle mit dem höchst empfindlichen und elenden Kranken vor- genommenen Manipulationen nur unter lautem Wehklagen vor sich gehen konnten und auch an der äusseren Haut beider oberen Lider wiederholt frische Pemphigusblasen auftraten, so glaube ich, das Prägnanteste über den Fall mitgetheilt zu haben.“ Dies die Notizen von Herrn Dr, Illing. Ich selbst nahm am 16. Januar 1884 folgenden Status auf: Das rechte Auge (welches später als das linke erkrankt war) zeigt nur wenig geschwollene Lider, deren Haut aber blauroth erscheint. Zieht man das untere Lid ab, so zeigt es sich auf die Hälfte seiner normalen Breite verkürzt und bedeckt mit einer leicht bläulichen, äusserst durchscheinenden Haut, von welcher Fetzen losziehbar sind. Der ganze Conjunetivalsack ist geschrumpft und der Raum vom unteren Ende der Conjunetiva bulbi bis zum unteren Rande der Cornea misst höchstens 2—3 mm. Kleine Gefässe laufen über den unteren Cornealrand, der von einer grauen Partie bedeckt ist, oberhalb deren aber die Cornea durchsichtig und die Pupille schön rund und gross erscheint. Bei An- spannung der lateralen Enden der Lider steigt eine Brücke von reichlich 3 mm Breite und 2 mm Höhe direct von der Schleimhaut des unteren zur Schleimhaut des oberen Lides empor. Sieht das Kind möglichst nach unten, was demselben allerdings sehr schwer wird, so sieht man die bläuliche Trübung der Cornea doch fast bis zur Hälfte derselben heraufsteigen. Lidspalte höchstens 2 cm lang. Finger werden zweifellos mit dem Auge erkannt. Das linke Auge zeigt ähnliche, aber viel ausgedehntere und schwerere Veränderungen. Die Lidspalte ist bei stärkster Auseinanderziehung der Lider höchstens 18 mm lang. Diese Verengerung wird hervorgerufen durch Schrumpfung des Bindehautsackes von unten und von den Seiten ‘ her. Das untere Lid umgestülpt hat höchstens eine Breite von knapp 4 mm und sieht aus, als wäre es stark verbrannt worden. Die ganze Conjunctiva des unteren Lides und des kleinen Stückchens, welches überhaupt bis zum unteren Cornealrand existirt, hat etwas cadaverartiges, mattes und dabei bläuliches. Die Cornea erscheint ganz anders als der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 27 rechts. Der unterste innerste Rand derselben ist noch wenig verändert, dagegen wölbt sich über den grössten Theil derselben eine bläulich graue, etwa 1 mm dicke membranöse Auflagerung, welche in eine mehr weissliche übergeht, die den ganzen lateralen Theil der Conjunetiva bulbi einnimmt. Sieht das Kind so tief als möglich, so entdeckt man am oberen Theil der Cornea eine ziemlich dreieckige Figur, welche durchscheinende Hornhaut enthält. Die untere Seite dieses Dreiecks ist ungefähr 3 mm lang. Oberhalb dieser Stelle zeigt sich wiederum eine Ueberwallung der Cornea von rosenrother, stellenweise grauer Farbe, so dass die kleine normale Stelle der Cornea etwa wie ein Dachfenster zwischen der wulstigen Auflagerung durchschimmert. Die Plica und die Carunkel sind sehr geschrumpft, die hintere Lidkante etwas ab- gerundet, an den Wimpern nichts Krankes,. Spannt man die Lider aus- einander, so zeigt sich der Syncanthus aussen sehr mächtig, so dass die Lider etwa bis 4 mm vom äusseren Winkel mit einander verwachsen sind. Eine wirkliche Blase existirt nirgends, weder auf der Cornea, noch auf der Conjunctiva, noch auf der Lidhaut. Etwas faden- ziehender Schleim wird in geringer Menge secernirt. Ob das Kind mit dem Auge sieht, lässt sich schwer entscheiden, vermuthlich nicht. Obere Uebergangsfalte in beiden Augen nicht zu untersuchen möglich, die oberen Lider lassen sich nicht mehr umdrehen. Zunächst wurde Atropin, Zinklösung und Milch eingegossen. 26. Januar. Seit einigen Tagen verringern sich die abziehbaren Häutchen der Conjunctiva, unter denen die Bindehaut leicht blutet. Es treten jetzt Blasen von Linsen- bis Markgrösse hinter dem Ohre und am Gesäss, aber nicht am Auge auf. 6. Februar. Neue Eruptionen von Blasen auf allen möglichen Körperstellen trotz Arsen, Einwiekelungen, Bädern; die Haut ist so empfindlich, dass jedes Zwicken derselben auch auf den Augenlidern sofort die Entstehung einer Blase verursacht. — Am linken Auge mässige Schleimabsonderung. Verkürzung der Tarsalconjunetiva auf nur 3 mm; Breite des unteren Lides innerlich nur noch 15 mm. Von der Conjunetiva bulbi unterhalb der Cornea kaum mehr 2 mm zu sehen. Cornea selbst unten mit einem sehr diehten Walle, der von der Conjunetiva herkommt, überzogen; die diekste Ueberwallung kommt aber von aussen her und bedeckt °/, der Cornea wie ein Pannus crassus. Senkung der Bliekebene ausserordentlich erschwert. Nur wenn das Kind auf dem Tische steht und man von unten in sein Auge bliekt, bemerkt man noch jene dachfensterartige freie Stelle der Cornea. Von Carunkel und Plica ist nicht viel zu sehen. Das untere Lid fängt an, sich etwas zu invertiren. Obere Uebergangs- falte lässt sich nieht umstülpen. Die Augenwinkel noch mehr ver- wachsen. Das kleine Stückchen der Conjunctiva des unteren Lides, das 1885. 2 18 Jahres - Bericht überhaupt noch zu sehen ist, erscheint rosenroth; Häute schieben sich nicht mehr von demselben los; es hat einen Wachsglanz, — Rechts fängt das untere Lid auch an sich zu invertiren; doch wischen die Wimpern noch nicht auf ihm. Lidspalte nur noch 16 mm lang. Höhe der Conjunctiva palp. infer. etwa 4 mm. Conjunctiva bulbi tief rosen- roth. Auch hier beginnen jetzt Ueberwallungen derselben über den unteren Cornealrand. Vor einigen Tagen sahen wir ein kleines Bläschen von Hirsekorngrösse am inneren unteren Cornealrande, zu welchem Gefässe zogen. Von diesem geplatzten Bläschen sieht man noch einen kleinen Rest, der über den Cornealrand geht. Von oben kommen ebenso wie von innen breite Ueberwallungszüge, so dass auch auf diesem Auge nunmehr nur noch eine centrale Stelle der Cornea von etwa 5 mm Durchmesser von Auflagerung frei ist; doch auch diese ist nicht glänzend, sondern leicht trübe. Bei seitlicher Beleuchtung schimmert allenfalls die Pupille noch durch die matte Cornea hindurch. — Am Halse sind die Lymphdrüsen bedeutend geschwollen. Neue Blasen auf der Zunge und im Munde sind aufgetaucht; dabei starke Salivation. Appetit und Stuhl gut; manchen Tag etwas Fieber. Kind sehr apathisch und leicht müde. Scheint jetzt noch schlechter zu sehen. Hat noch nicht Finger zählen lernen, ist daher kaum zu prüfen. 9. Februar. In langen Fetzen stossen sich jetzt blätterartig sehr grosse Hautstücke am ganzen Körper ab. Es bilden sich und ver- schwinden viele grössere, fast handtellergrosse Blasen am Kopfe, Rücken, Brust und Gesäss, die stark jucken. Bäder vertrug Patient nicht; wir versuchten Talcum mit Borsäure aufzupulvern. — Am unteren und inneren Rande der rechten Cornea sind eine Anzahl kleiner Bläs- chen vorhanden, zum Theil geplatzt, ganz ähnlich denen auf der Zunge. 13. Februar. Infiltrat in der rechten Cornea oberhalb der von unten kommenden Ueberwallung. Heut übergebe ich das Kind der Klinik des Herrn Professor Neisser zur weiteren Behanalung des Hautleidens, da ich jede Hoffnung auf Besserung des Auges aufgebe. Herr College Neisser wird dann die Güte haben, betreffs der Hautkrankheit als solcher einige Mittheilungen zu machen, Literatur. Es existiren bis jetzt meines Wissens nur 12 Krankengeschichten in der Literatur; die Lehrbücher enthalten nichts oder nur wenige Zeilen über diese schwere Krankheit. Die 12 ausführlichen Schilderungen sind: l. von Withe Cooper in London 1858. (Ophth. Hosp. Rep. Nr. IV, p- 155. Dort zugleich die einzige Abbildung, die wir überhaupt besitzen, und zwar in bunten Farben.) 2. von v. Wecker in Paris 1869. (Klin. Monatsbl. f. Augenh. 1869, p. 232.) | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 19 3. von Lasegue-Mahmud in Paris 1869. 4, von Hardy-Mahmud in Paris 1869. (Ebenso wie der vorige Fall eitirt in der Monographie du Pemphigus par Hassan Effendi Mahmoud. These. Paris 1869.) 5. von Kunkel (Homöopath) in Kiel 1875. (Internationale homöo- pathische Presse V, 6. — Citirt nach Pflüger, siehe folgenden Fall.) 6. von Pflüger in Luzern 1878. Patient wurde auch von Biermer untersucht. (Monatsbl. für Augenh. 1878, Januar.) 7. von Sattler in Erlangen 1879. Die einzige anatomische Unter- suchung. (Bericht des ophth. Congresses in Heidelberg p. 217. Daselbst auch eine höchst interessante Discussion über Pemphigus.) 8. von Borysiekiewiez in Wien 1879. Aus v. Stellwag’s Klinik. (Monatsbl. f. Augenh. 1879, Augustheft.) 9. von v. Arlt in Wien 1881. (Klin. Darstellung der Krankheiten des Auges, p. 84.) 10. von Reich in Tiflis 1882. (Centralbl. f. Augenh., p. 145.) 11. von Schöler in Berlin 1882. (Berl. klin. Wochenschr. Nr. 48.) 12. von Steffan in Frankfurt a. M. 1884. (Monatsbl. f. Augenh., Augustheft.) Diesen schliesst sich als 13. Fall der soeben von mir beschriebene an. Beiläufig erwähnt hat Meyer in Paris (Bericht des Heidelberger Congresses 1879, p. 232) einen Fall von Hardy, wahrscheinlich den- selben, der in Mahmud’s Dissertation beschrieben, ferner Klemm in Leipzig 3 Fälle bei Kindern, bei denen die Conjunctiva schmutzig graue Beläge zeigte, die das Bild der Diphtherie boten, und Samelsohn in Köln einen sehr eigenthümlichen Fall (Discussion in Heidelberg 1. e.). Ob der von Fuchs (Monatsbl. f. Augenh. 1876, p. 333) mitgetheilte Fall von ‚Herpes iris conjunctivae‘“ hierher zu rechnen, bleibt dahin- gestellt. Schweigger (Archiv f. Augenh. Bd. 13, p. 247) eitirt 1884 einen Fall von „‚seltener Conjunctival-Erkrankung, der wahrscheinlich auch als Pemphigus aufzufassen sein dürfte, da auf der Conjunctiva und in der Mundhöhle Blasenbildung beobachtet worden. Endlich habe ich noch gefällige briefliche Mittheilung zweier Fälle, welche Professor H. Köbner in Berlin behandelte, Vielleicht sind auch die Fälle, welche A. Gräfe als essentielle Schrumpfung der Conjunctiva beschrieben, nur abgelaufener Pemphigus. Pathologische Anatomie. Chiari untersuchte in dem Wiener Falle ein Stück Membran, die vom unteren Lide abgelöst worden war, und zwar 4 Wochen nach Beginn des Augenleidens, und fand sie eroupös. Borysikiewiez fügt hinzu: ‚Früher hätten die Dermatologen nur eroupöse Membranen nach vorausgegangener Berstung der Blase an den excoriirten Flächen 2x 30 Jahres - Bericht der äusseren Haut gesehen; hier aber war an dem Auge keine Spur von Bläschen; auch hier kam Verwachsung der Lider mit einander und mit dem Bulbus durch Verklebung der Exsudat-Membranen zu Stande, ohne dass sie abgestossen und die Wundflächen der Lider mit einander zusammengekommen wären, wie dies auch Stellwag angiebt.‘“ Sattler hat die erste und einzige anatomische Untersuchung ge- liefert, aber freilich beweist sie, wie er selbst sagt, über das Wesen des Pemphigus nichts, da es sich nicht um frische Blasenbildung, sondern um die Resultate handelte, die der Process gesetzt hatte. Herr Professor Sattler hat mir auf meine Bitte seine Präparate geschickt und mir gestattet, sie Ihnen, m. H:;, zu demonstriren. Er wünscht aber ausdrücklich, dass ich Sie darauf aufmerksam mache, „dass sie aus der vormikrotomischen Zeit stammen und daher in Bezug auf Feinheit und Vollständigkeit den Anforderungen, die man heut an solche Prä- parate zu stellen gewöhnt und berechtigt ist, keineswegs entsprechen; namentlich gilt dies auch in Bezug auf die Frage, ob etwa Mikro- Organismen hierbei irgendwie im Spiele wären. Für schwächere Ver- grösserungen reichen sie wohl aus und bieten immerhin manches Lehr- reiche.“ (Demonstration der Präparate.) Der mikroscopische Befund Sattlers war ganz interessant. „Eine starke Schwellung der Conjunctiva bulbi war sehr gut zu sehen, aber es war nicht eine Infiltration der Bindehaut mit Iymphoiden Zellen, sondern die Wanderzellen waren sogar sehr spärlich, nur 2—3 ge- legentlich in den Safträumen; die Schwellung war einzig hervorgerufen durch enorme Quellung der Bindegewebsbündel und durch Er- weiterung der Spalträume, die mit Flüssigkeit gefüllt waren, wenigstens in der grossen Masse der Conjunctiva bulbi. Die Sub- epithelialschicht war stellenweise viel trüber, fast undurchsichtig und lief ziemlich parallel mit der Oberfläche über die Bindehaut und noch über einen grossen Theil der Cornea hin. Wenn man das Präparat ansieht, möchte man vielleicht denken, sagt Sattler sehr richtig, dass diese trübe Schicht das Epithel selbst wäre. Es ist nämlich durch Parallellinien begrenzt, enthält einzelne Kerne, sieht aus, wie das Epithel manchmal an einem nicht ganz feinen Schnitte bei schwacher Ver- srösserung; aber mit starker Vergrösserung sieht man deutlich, dass es nur das Stroma der Conjunctiva ist, das aber nicht mehr das homogene Aussehen der gequollenen Bündel der übrigen Conjunetiva bulbi darbietet, sondern das ganze Stroma ist durchsetzt von einer körnigen Masse, die die Trübung im Präparat hervorbringt, ‘die jedoch nicht stark lichtbrechend ist und weder durch Hämatoxylin noch durch Bismarckbraun sich färbt. Daher sieht man diese Schicht auch im Präparat von eiuem blassen schmutzigen Gelbbraun, das von der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 21 Einwirkung der Müller’schen Flüssigkeit herrührt; darüber liegt erst das Epithel.‘ Aus dieser trüben Schicht erklärt Sattler das eigenthümliche wachsartige Aussehen der Oberfläche und das Verdecktsein der Blutgefässe in der Conjunctiva, die sehr stark gefüllt waren. Die ganze Epithelschicht, die 30 Mikromillimeter dick war, zeigte nicht mehr unten Cylinder, weiter oben polygonale und oben platte Zellen, sondern bestand ganz aus hornartigen Zellen, dünnen Plättehen, die nur an der Stelle, wo der Kern liegt, eine Verdickung zeigten und einen ziem- lich schmalen Kern erkennen lassen. Das Epithel löste sich überaus leicht ab, so auch im Präparate; auf der Cornea fehlte es und jene trübe Schicht erstreckte sich auch auf die Cornea, und über einen grossen Theil derselben hatte sich die Conjunetiva hinübergezogen. Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit Ihnen, m. H., die Zeichnung vorzulegen, welche ich meiner Habilitationsschrift ‚Ueber Xerosis con- junctivae“ (Breslau 1868) beigegeben habe, in welcher Sie ebenfalls die Verhornung des Epithels, ganz ähnlich wie in dem Sattler’schen Pemphigusfalle, finden werden. Die Schwierigkeit der Diagnose. Sie wird von vielen Autoren zugegeben. Für Cooper war die Diagnose leicht, da er den Pemphigus auf dem Körper sah; er fügt aber ausdrücklich hinzu: ,„A person not acquainted with the history would have pronomened that some powerful escharotic, as lime, as been applied to them, for a series of froenae or adhesions existed as represented in the sketch.“ — v. Wecker glaubte zuerst, dass man die Augen oft und sehr heftig geätzt hätte, dann sah er auch Pem- phigusblasen auf dem Gesicht seines Kranken und fand die grösste Aehnlichkeit seines Falles mit der Zeichnung von Cooper, so dass er diese Zeichnung an Hardy mitschickte, nachdem Hardy den Fall als Unicum und ohne Beispiel in der Literatur bezeichnet hatte, — Lasegue sah am Nasenflügel zugleich Pemphigus. — In Hardy’s Falle war schon Pemphigus foliaceus am ganzen Körper einen Monat lang behandelt worden, als die Krankheit am Auge ausbrach. — Auch Kunkel hatte bereits ein halbes Jahr lang den Pemphigus seines Patienten behandelt, als das Auge befallen wurde, — In dem Falle von Pflüger waren schon 7 Jahre lang an anderen Körperstellen Pem- phigusblasen beobachtet worden. — Sattler’s Patient litt auch schon seit einem Jahre an Pemphigus und die Blasenbildung war direet von der Umgebung des Kranken auf dem linken Auge gesehen worden, und doch sagt Sattler, „dass es nicht ganz leicht gewesen wäre, die richtige Diagnose zu stellen, wenn nicht die Hauterkrankung so deutlich ausgesprochen gewesen wäre; es giebt Perioden, wo die 22 Jahres - Bericht Haut eine Zeit lang theils nässende, theils schuppende Flächen, theils Borken darbietet und man über die Natur der Hautkrankheit im Zweifel sein kann.“ — Borysikiewiez betrachtete das Leiden zuerst als „‚eroupös- diphtheritische Conjunetivitis bei einem cachectischen syphilitischen Manne“, da der Pemphigus an der Glans penis zuerst aufgetreten war, und zwar als eine Form von ganz ungewöhnlichem Verlaufe, ohne acut entzündliche Symptome. v. Arlt sah nach 40jähriger augen- ärztlicher Wirksamkeit denselben Fall und bekannte (s. oben), dass er ihn auch verkannt habe; „der Fall sei mehreren Specialisten in Wien vorgestellt worden, man habe aber nicht recht gewusst, was man daraus machen solle, bis endlich Kaposi kam und sagte: Das ist Pemphigus cachecticorum.‘“ Sehr lehrreich ist die Schilderung von v. Arlt. „Wie ich ihn gesehen habe (sagt er bei der Discussion in Heidelberg), waren die Lider sehr wenig geschwellt, die Lidspalte etwas enger; ich ziehe die Lider auseinander, ich kann das untere Lid noch abziehen bis zur Uebergangsfalte, der Kranke kann das Auge noch in die Höhe heben, die Conjunctiva erscheint durchaus mit einem cohärenten und adhärenten membranösen Belage überzogen. Ist das eine Art von Croup? Die Cornea gut, kaum eine Spur von Schleimseeretion. (Nür in 2—3 Wochen sah ich ihn durch die Güte des Dr. Borysikiewiez). Die Diagnose ist etwas schwer. In Wien sind tüchtige Derma- tologen und Syphiliologen; aber nur der eine hat gesagt: das ist Pemphigus cachecticorum. Seit ich diesen Fall von Pemphigus gesehen, weiss ich erst, was Pemphigus ist.“ Als E. Meyer (aus Paris) in der Discussion v. Arlt fragte, ob er selbst in Abwesenheit eines Pemphigus acutus daran denken würde, diese Xerophthalmie einem Pemphigus der Schleimhaut zuzuschreiben, antwortete v. Arlt: „Möglicherweise haben wir solche Fälle gesehen, aber wir haben die Hautkrankheit nicht gekannt oder übersehen.“ Alfred Gräfe meinte, dass man die Fälle übersehen habe, weil sie in einem so späten Stadium in Behandlung gekommen seien; Meyer aber erwiederte: „Dass der Pemphigus auf der Haut vorhanden war, kann man doch stets noch später erkennen, da die Gesichtshaut so überaus seidendünn und perlmutterglänzend wird.“ Gräfe hat 4 Fälle von sogen. essentieller Schrumpfung der Conjunetiva beschrieben, bei denen er einen primären Schrumpfungs- process der Schleimhaut ohne hypertrophisches Primärstadium vor seinen Augen entstehen und mit totaler Verwachsung der Lider endigen sah. Es muss dahingestellt bleiben, ob diese Fälle auch früher Pemphigus hatten. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 23 v. Arlt hat später einen anderen Fall bei einem 4jährigen Kinde beobachtet, wo die Diagnose leicht war, da bei jedem Ausbruch von allgemeinem Pemphigus auch das Auge befallen wurde, einmal das rechte, das andere Mal das linke Auge. Reich in Tiflis glaubt, bei der Prüfung der Conjunctiva grosser Truppenmengen ähnliche Vernarbungen und Verkürzungen der Con- juncetiva der Lider gesehen zu haben, wie bei Pemphigus und zwar ohne jedes Trachom und ohne jede Formveränderung der Lider, giebt aber zu, damals auf die Haut nicht geachtet zu haben. Er eitirt einen Fall, welcher vermutblich vor 6 Jahren Pemphigus gehabt. Schöler sah einen Pemphigus des Auges bei einem $jährigen Mädchen, das an universellem Pemphigus der Haut und aller Schleim- häute gelitten hatte. Steffan stellte im Beginn seiner Beobachtung zuerst die Diagnose auf essentielle Schrumpfung der Bindehaut, ‚‚erst nach Beginn des Con- junctivalleidens fand dasselbe seine richtige Aufklärung, weil jetzt der Ausbruch exquisiter Pemphigusblasen auf der äusseren Lidhaut stattfand.“ Professor Köbner schreibt mir, dass er bei dem Vater eines Collegen Pemphigus constatirt habe, „der von einem der beschäftiststen Chirurgen wegen seiner seit 5 Monaten vorhandenen flachen Excoriationen der ganzen Mund- und Rachenhöhle und verkrusteten flachen Excoria- tionen am Körper (deren eine, unglücklicherweise für den 60 jährigen Patienten gerade nahe dem Anus gelegen, etwas hoch granulirte und daher als breites Condylom imponirt hatte) als syphilitisch be- handelt und drei Wochen geschmiert worden war.‘ Einen zweiten Fall von Pemphigus beobachtete Köbner, der von anderen Aerzten vorher als Herpes betrachtet worden war. * Man sieht hieraus, wie schwierig die Diagnose namentlich des Augenleidens ist, wenn man zu einer Zeit gefragt wird, wo keine Blasen vorhanden sind. Auch in meinem Falle waren, als ich ihn kennen lernte, auf der Haut und am Auge keine Blasen vorhanden, — und lediglich die Bläschen im Munde veranlassten Herrn Collegen Neisser zur Diagnose des Pempbigus. Geschlecht und Alter der Kranken. Die Krankheit scheint mehr das männliche als das weibliche Ge- schlecht zu treffen (8:5) und jedes Lebensalter heimzusuchen, Kinder von 4 Jahren und Greise von 73 Jahren wurden befallen. Die 12 oben in der Literatur eitirten Fälle trafen Patienten von 24, 68, 60, 71, 26, 53, 38, 76, 4, 19, 8, 4 und 73 Jahren, Sehr wichtig und noch nicht betont ist, dass in allen Fällen stets beide Augen nach einander befallen wurden, meist das zweite nur kurze Zeit (1—6 Wochen) nach dem ersten. 24 Jahres- Bericht Die Dauer des Allgemeinleidens vor Ausbruch der Augen- krankheit. Sie war in den 13 Fällen sehr verschieden. Cooper fand mehrere Wochen vorher chronischen Pemphigus an den unteren Extremitäten. v. Wecker’s Patient hatte bereits seit 12 Jahren Pemphigus aus- schliesslich im Munde und Gesichte, allerdings in dieser Zeit mitunter auch schon leichten Augencatarrh. Lasegue sagt: „Bald nach einer Gingivitis, die auf die Schneidezähne des Unterkiefers beschränkt blieb _ und nicht wich, trat Pemphigus an der Nase und bald darauf am linken Auge auf.“ Hardy beobachtete schon 11 Jahre vorher Pemphigus, der heilte; dann trat von Neuem universeller Pemphigus auf, zu dem nach einem Monate sich Pemphigus des Auges gesellte.e Kunkel sah das Augenleiden zugleich mit dem Allgemeinleiden auftreten. Sattler und Borysikiewiez behandelten Fälle, in denen das Auge ein Jahr nach dem Beginn der Hautaffecetion erkrankte. v. Arlt sah ein Kind, bei dem das erste Auge gleich beim ersten Anfall, das andere beim zweiten Anfall der Hautkrankheit in Mitleidenschaft gezogen wurde. Bei Reich's Fall erkrankte das Auge auch zugleich mit der Haut, bei Schölers Fall „schon frühzeitig“, in meinem Falle 4 Monate nach dem Beginn der Hautkrankheit. Ganz isolirt steht der Fall von Steffan da; hier begann das Leiden an der Conjunetiva und „erst Monate nachher“ bildeten sich Blasen auf der Lidhaut, die niemals über den Orbitalrand hinweggingen; erst später kam Rachenpemphigus hinzu. Es kann also das Auge gleich im Beginn oder einige Wochen, ein Jahr, selbst 12 Jahre später befallen werden, als die Haut. Die Veränderungen und Blasen der Oonjunctiva. Die Bindehaut zeigte in den verschiedenen Fällen recht verschiedene Veränderungen, je nachdem die Kranken früher oder später zur Be- obachtung kamen. Im Cooper’schen Falle war eine breite Blase eine Woche vor der Schilderung theils auf der inneren Fläche, des unteren Lides, theils auf der Conjunctiva bulbi erschienen; sie war geborsten und der Sitz der Blase war nur durch eine rauhe, eiter- absondernde Fläche angegeben. Nach einer Woche zeigte sich im inneren Winkel des anderen Auges eine Blase, die angestochen wurde und trübes Serum enthielt. v. Wecker fand die Lider bis zur Mitte der linken Lidspalte nach innen vollständig mit dem Bulbus ver- wachsen; an der äusseren Hälfte des oberen Lides existirte noch ein kleiner Conjunetivalsack, 8 mm lang und 4 mm tief. Längs der ganzen Ausdehnung des unteren Lidcanals existirt noch ein kleiner Zwischen- raum zwischen Augapfel und Lid, der etwa 3 mm breit und kaum l mm tief ist. Lidspalte 6 mm hoch und 10 mm lang. Auf dem rechten Auge waren auch die Lider von der Carunkel bis zum inneren der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 25 Drittel mit dem Bulbus verwachsen; Conjunctivalsack oben und unten 8—10 mm tief. Die Conjunctiva leicht hyperämisch, aber ohne Papillar- schwellung und mit glattem Epithelüberzuge. Bei Exacerbationen sah v. Wecker alle 3—4 Wochen an der Uebergangsstelle eine stark linsengrosse grauliche, blasenförmige Erhebung der Conjunetiva, der trübe Inhalt der Blase liess sich bei Druck verschieben; 24 Stunden später entstand eine leichte Erosion der Stelle, die sich mit einer graulichen Secretschicht bedeckte und zwei Tage später geheilt war; darauf trat Verkürzung des Conjunctivalsackes ein. Las&gue sah keine Blasen, sondern Xerose der Conjunetiva und Symblepharon, Hardy jedoch fand im inneren Winkel des linken Bulbus auf der glanzlosen Conjunctiva drei kleine Blasen bei intacter Carunkel. Eine Blase platzte und hinterliess eine Erosion; später traten wieder Bläschen im linken Conjunctivalsack auf; die Lid- spalte verkürzte sich und die Adhärenzen der Lider verhinderten dann die Umstülpung. Kunkel sah Blasen auf der Conjunctiva bulbi et palpebrarum mit grosser Photophobie, so dass zur Untersuchung jedesmal Chloro- form nöthig war (!), dann Wucherung der Schleimhaut und Verwachsung der Lidspalte, die trotz operativer Erweiterung immer kleiner wurde. Pflüger fand das obere Lid ganz, das untere zum Theil ectropionirt, aber die äussere Hälfte des unteren Lides mit der Sclera verwachsen, die freiliegende Schleimhaut stark geröthet und hypertrophisch. Vom Rande des unteren Lides kamen schleimhautähnliche gefaltete Wucherungen, nach oben spitzbogenförmig gegen den oberen Cornealrand ziehend, pterygiumartig. Vom unteren Cornealrande zogen einzelne gestreckte Schleimhautfalten gegen den inneren Augenwinkel; Bewegungen des Auges nur ganz gering. Auf dem ectropionirten Theile der unteren Lider zeigten sich escharaartige Residuen einer kürzlich geborstenen Blase, linsenförmig, etwa 7 mm lang. Auf dem linken Auge eben- falls Falten von den Lidern nach der Cornea’und über dieselbe hinweg. Wie bei Pterygien bewirkten geschwürige Randprocesse der Cornea und narbige Schrumpfung der Conjunetiva die stetige Verkleinerung und endliche Aufhebung des Bindehautsackes, Sattler sah keine Blasen, aber er fand die Lidspalte auffallend eng, den Fornix am unteren Lid fast aufgehoben, Plica und Carunkel kaum mehr erkennbar, Entropium des oberen Lides und Distichiasis. Die Conjunctiva des unteren Lides hatte ein mehr rosenrothes Aus- sehen, war wie mit Milch übergossen; eigentliche Gefässe waren nicht mehr zu sehen. Conjunetiva bulbi auffallend stark verdickt und ebenfalls blassroth, mit wachsartigem Glanze. Borysikiewiez zog von der Uebergangsfalte graugelbliche Exsudatmembranen mit der Pincette ab; die Unterlage blutete wenig 36 Jahres - Bericht und zeigte keinen sichtbaren Substanzverlust; auch die Conjunetiva bulbi war mit einer ähnlichen Membran überzogen, die sich nur in schmalen Streifen von dem Grunde abziehen liess, wobei eine starke Blutung des unterliegenden Gewebes eintrat. v. Arlt fand bei einem Kinde die graurothe und verdickte Con- junetiva von den Lidrändern fast direct auf den Bulbus ziehend, so dass statt des Bindehautsackes nur eine seichte Rinne bestand, welche überdies in dem temporalen Drittel durch ein Ankyloblepharon beschränkt war; ob Blasen auf Conjunctiva oder Lid je aufgetreten waren, liess sich nicht eruiren. Reich erschien die Conj. palpebr. beiderseits weisslich trübe, wie mit einer dünnen Milchschieht übergossen, wie nach ober- flächlicher Aetzung, Brandschorf oder Diphtherie. Die Lider waren aber nicht verdickt und der Tarsus normal. Die Conjunctiva tarsi zeigte in verschiedenen Richtungen gelagerte feine weissliche Narben- streifehen. Es bestand nur eine geringe Verkürzung des Conjunctival- sackes und an den Lideommissuren eine weisslich trübe Brücke, welche die innere Fläche der Lider auf etwa 1 mm mit einander ver- band (6 Jahre nach der Entzündung). Schöler beobachtete, dass die Lidspalte am äusseren Winkel durch eine dünne, grauweisse Membran, welche ihre Insertionsfläche intermarginal hatte, 1 cın weit geschlossen war. Umstülpung der Lider daher nicht vollständig möglich. Conjunctiva stark geschrumpft und trocken, zeigt im oberen Lide prominente weisse Narbenzüge, von welchen die Schleimhaut stellenweise eingeschlossen erscheint. Aehn- liche Lidverwachsung und Bindehautschrumpfung fand Steffan; Blasen traten nur auf der Oberhaut der Lider auf; nur einmal sah er eine Blase auf dem schon mit verdickter Epithelschicht verdeckten Theil des geschrumpften unteren Conjunctivalsackes. In meinem Falle war anfangs die Bindehaut der Lider mit eroupösen Häutchen bedeckt, die leicht abziehbar waren; später erschienen die Lider wie mit Milch übergossen und wachsglänzend. Der Bindehaut- sack schrumpfte von Tag zu Tag und Ankyloblepharon bildete sich, Nur ganz kleine phlyctänenartige Bläschen erschienen nach einigen Wochen am unteren und inneren Rande der rechten Cornea, welche bald platzten, ähnlich denen am Zungenrande. Samelsohn fand in seinem ganz aussergewöhnlich verlaufenen Falle die Pemphiguseruptionen nur auf der Conjunctiva palpebr., niemals - auf der Scelera, und der Process verlief einer vernarbenden Granulose so ähnlich, dass verschiedene Fachgenossen, welche Patient allerdings stets in der eruptionsfreien Periode consultirte, fest behaupteten, Pat. müsse früher an Granulose gelitten haben. Der Knorpel hat sich aber nicht verbildet, die Narben sind nicht in die Tiefe gegangen. der Schles. Gesellschaft für vater]. Cultur. 27 Der rothe Faden, der sich also durch alle 13 Krankengeschichten zieht, ist die grössere oder geringere Conjunctivalschrumpfung., Die Veränderungen der Cornea. Der Process ging in den meisten Fällen auf die Hornhaut über. Cooper zeichnete nur einige Pterygien; Wecker fand links ausge- sprochene Xerosis und nur noch quantitative Lichtempfindung, rechts normale Hornhaut; Las&gue sah auch Xerosis einer Hornhaut; Hardy beobachtete, dass links auf dem unteren Theile der Cornea eine Blase entstand und dass nach zwei Wochen Perforation mit Irisvorfall ein- trat. Kunkel konnte schliesslich wegen Ueberwucherung keine Spur von Hornhaut mehr sehen, der Bulbus war ganz unbeweglich und dabei die grösste Lichtscheu vorhanden. Pflüger fand die rechte Cornea ohne jede Lidbedeckung, völlig leucomatös; nur die obere Randzone liess noch etwas Iris durchschimmern; wahrscheinlich hatte früher centrale Perforation stattgefunden; das Auge hatte nur noch Licht- schein. Links sah er anfangs mehrere centrale Maculae, es entstanden aber häufig Keratitiden. Blasen auf der Cornea niemals, später rund- liches Geschwür. —- Sattler fand den oberen und äusseren Rand der Cornea bereits von der Conjunctiva überschritten, so dass das Bild eines recht dieken Pannus entstand; im unteren Theil der Hornhaut ein tiefes Geschwür, das perforirte. — Borysikiewiez sah die Cornea in der unteren Hälfte rauh und matt; es entstand ein seichtes, nicht pro- gressives Geschwür. — v. Arlt sah nur noch ein kleines Stückchen Hornhaut nächst dem inneren Rande; der grösste Theil war von Con- junetiva überwallt. — In dem Falle von Reich war vermuthlich die Cornea gesund geblieben, da nur von der Conjunetiva gesprochen wird; in dem Falle von Schöler waren beide Corneae von einem getrübten, gerontoxonartigen, schmalen Ringe begrenzt; in dem Falle von Steffan war die Cornea nur durch einzelne invertirte Cilien vorübergehend gereizt, ebenso in dem Falle von Samelsohn. In meinem Falle trat Ueberwallung beider Corneae vom Rande her ein, die anfangs in der Mitte noch etwas normales Gewebe frei liess, schliesslich aber (nach brieflicher Mittheilung des Vaters des Knaben) auch dieses occupirte, Ausgang der Krankheit. Derselbe hängt natürlich hauptsächlich von der Betheiligung der “Cornea ab. Cooper’s Kranke behielt ihr Sehvermögen und acquirirte nur Pterygien. Bei v. Wecker’s Pat. traten mit dem Ausbruche der Pemphigusblasen zusammenhängend alle 3—4 Wochen Exacerbationen am Auge auf; in Folge von Xerose behielt ein Auge nur noch Licht- schein und wegen Schrumpfung der Conjunctiva wurden die Bewegungen erschwert. Lasegue’s Kranker erblindete links durch Xerophthalmus. 38 Jahres - Bericht Bei Hardy’s 71jährigem Pat. trat Irisvorfall, Cachexie, Bronchitis und Tod ein. Kunkel’s Kranke soll Pupillarverschluss (?) gezeigt und schliesslich nur noch ÖOrientirungsvermögen gehabt haben. Pflüger schildert die namenlosen Leiden eines 53jährigen Mannes: Die ganze Haut war schliesslich in ein glimmerartig glänzendes, sich leicht ab-- schuppendes, äusserst verwundbares Gewebe verwandelt; der leiseste Druck genügte, um neue Blasen hervorzurufen (wie in meinem Falle), die oft blutigen Inhalt zeigten. Haare und Nägel fielen völlig aus; weder Eiweiss noch Harnstoff konnte von Biermer in dem Blasen- inhalt gefunden werden. Am ganzen Körper schossen Blasen auf, auch auf den Augenlidern, aber nicht am Bulbus. Pat. starb nach 10 '/, jährigen Leiden unter unsäglichen Schmerzen vollkommen blind nach drei Schüttel- frösten an Pyämie. Auch bei Sattler’s Kranken schritt der Process unaufhaltsam weiter, rechts kam es zur Perforation, links zur Pterygium- bildung; der Kranke starb bald an Phthisis pulmonum. Der Patient von Borysikiewicz bekam rechts 3 Monate, links 2 Monate nach Beginn der Erkrankung Symblepharon und Ankyloblepharon. — Bei dem Kinde, welches v. Arlt behandelte, wurde das linke Auge, welches beim ersten Ausbruch des Pemphigus entzündlich erkrankt war, wieder gesund und blieb gesund; am rechten Auge, welches beim zweiten Ausbruch er- krankte, fand sich eine fast ganz überwallte Cornea und Ankylo- blepharon. — Der Fall von Reich zeigte nur kleine Verkürzungen im Bindehautsack und sehr kleines Ankyloblepharon. Schöler sah eben- falls keine Hornhauterkrankung und kein Symblepharon, doch begannen am Schlusse der Beobachtung schon kleine Bläschenbildungen am Horn- hautrande. Steffan konnte ausser Conjunetivalschrumpfung nur auf der Haut der äusseren Lider Blasen auftreten sehen, während die Cornea und der ganze Körper intact blieb, und erklärte seinen Fall für einen benignen. Samelsohn fand selbst nach 7jähriger Be- obachtung nur geringe Schrumpfung der Conjunctiva und Aufhellung kleiner Hornhauttrübungen, die durch Trichiasis hervorgerufen waren. Mein Fall endete mit vollkommiener Ueberwallung beider Corneae, mit Symblepharon und Ankyloblepharon beider Augen. Prognose. Man muss wohl eine leichtere und eine schwerere Form des Augen-Pemphigus unterscheiden. Zu der leichteren gehören die Fälle von Cooper, v. Wecker | (ein Auge), Reich, Samelsohn, v. Arlt (ein Auge), Steffan und von Schöler. Hier kam es nicht zu tieferen Hornhauterkrankungen, allein wer weiss, ob nicht bei längerer Beobachtung auch hier ein schlimmer Ausgang zu Tage getreten wäre! Samelsohn meint, dass nicht unter allen Umständen die Prognose so schlecht sei; er sah stets die Blasen nur auf der Conjunetiva palpe- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 brarum, niemals auf der Sclera. Trotz 7jähriger Beobachtung sei nur geringe narbige Schrumpfung der Lidschleimhaut eingetreten. — In dem Falle von Reich ist zwar der Pemphigus nicht vom Ärzte gesehen worden, aber vermuthlich 6 Jahre vor der Besichtigung des Auges vorhanden gewesen; auch hier gab es nur leichte Conjunctival- schrumpfung ohne Complicationen, In der Mehrzahl der Fälle aber ist die Prognose schlecht, um so schlechter, je häufiger die Recidive des universellen Pemphigus und je eachectischer überhaupt das Individuum. Wir werden also gut thun, die Prognose stets dubia, ad malam vergens zu stellen, sobald wir die Krankheit am Auge auftreten sehen; denn die grosse Mehrheit der erkrankten Augen ging zu Grunde. Therapie. M. H.! Was ist nicht Alles versucht worden? v. Wecker epilirte sorgsam, machte Waschungen mit Bleilösung und Milch, gab viel Glycerin auf die Lider und innerlich Arsen, alles ohne Erfolgs. — Kunkel, der Homöopath, meint, dass Opium und Thuja das Allgemeinbefinden und auch das Sehvermögen bessert. „Gegen Photophobie, gegen welche massenhaft schon Atropin gegeben worden war, gab ich Belladonna 200 unter sofortigem Erfolg‘ (!). Er glaubt, dass die Aetzung an der Trübung der Hornhaut Schuld sei. „Die Bewegungen des Bulbus waren in Folge häufiger Umwachsung ‘der Conjunetiva und Narbenbildung etwas beschränkt, so dass ich die Operation durch einen Augenarzt empfahl; diese, geschickt ausgeführt, stellte die vollkommene Beweglichkeit des Bulbus her“ (??). Patientin sah dann wieder Wagen fahren; aber die Pupille blieb durch eine Membran verschlossen. — Pflüger’s Patient hatte Karlsbad und Electro- therapie ohne Erfolg, Theerseifen mit sehr nachtheiligem Einfluss auf das Auge versucht. Umschläge mit Malven und Kamillen, Einträufelungen von Olivenöl und Atropin, sowie Pagenstecher’s Salbe nützten auch nichts. — Sattler gab Mueilago Cydon, Milcheompressen, Oel- einträufelungen ohne Erfolg; die Conjuncetiva war so geschrumpft, dass an eine operative Behandlung, die Erweiterung der Lidspalte, nicht gedacht werden konnte. — Alfred Gräfe, der mehrere Fälle von sogenannter essentieller Schrumpfung der Conjunetiva beschrieben, die wahrscheinlich auch nur Ausgänge von früherem Pemphigus gewesen sind, meint, dass alle Versuche der Behandlung nutzlos seien; „selbst die Transplantation von Kaninchen-Bindehaut und von Mundschleimhaut des Kranken ergab nichts.“ Borysikiewicz wendete zuerst Atropin und Belladonnasalbe an; da das Leiden für Croup gehalten wurde, touchirte er anfangs mit lprocentiger Lapislösung, worauf sehr heftige Reaction auftrat, massen- haftes Seeret und an mehreren Stellen der Conjunctiva kleine Exsudat- 30 Jahres - Bericht inseln wie diphtheritische Plaques. Trotzdem wurde weiter touchirt und Eis angewendet. Die Entzündung nahm zu, die Lidspalte war kaum mehr zu öffnen; nun wurde nicht mehr geätzt, vielmehr Kali chlorieum und später Carbollösung und Olivenöl und Diachylonsalbe ohne jeden Nutzen gebraucht. — Schöler gab seiner Patientin Fowler’sche Solution und auf die Haut Leinöl mit Kalkwasser und spaltete das Ankylo- blepharon des linken Auges. (Er beobachtete aber das Kind nur 5 Wochen, vielleicht erfahren wir später das Resultat.) — Ich gab auf Rath des Collegen Neisser auch innerlich Arsen; von Dr. Illing in Troppau waren früher schon Bäder, Oeleinreibungen, Bleiwasser, Atropin, 1°, Lapislösung, weisse Präeipitatsalbe 0,1 auf 10 Vaseline, Calomel- Inspersionen und Jodoform angewandt worden; ich machte Einträufelungen von Milch, Zinkwasser, Atropin, Boraxlösung, Oel, Quittenschleim und bestreute, nachdem die Einwickelungen des ganzen Körpers wenig Nutzen gebracht, die Haut mit Taleum und Borsäure — alles voll- kommen vergeblich! Schon Josef Frank hat gesagt, dass ihm bei dieser Krankheit alle Mittel im Stiche gelassen haben. M.H.! Wir wissen ja bis jetzt von der Aetiologie des Pemphigus absolut noch nichts. Vielleicht ist es auch hier der Bacterienforschung vorbehalten, das Wesen dieser deletären Krankheit aufzuklären und die Prophylaxe derselben anzubahnen! Sitzung vom 20. März 1885. Herr Berger giebt eine Demonstration eines Falles von Tetanie. Hierauf theilt Herr Heidenhain Versuche mit, die unter seiner Leitung im physiologischen Institute Herr N. Rogowiez aus Kiew Ueber pseudomotorische Einwirkung der Ansa Vieussenii auf die Gesichtsmuskeln angestellt hat. Vortragender bemerkt, dass er am Schlusse seiner Abhandlung „über pseudomotorische Nervenwirkungen‘ die Vermuthung ausgesprochen habe, dass Bewegungserscheinungen, wie sie einige Zeit nach Durch- schneidung des nv. Hypoglossus bei Reizung der Chorda tympani oder des ramus lingualis Trigemini an der Zunge auftreten, auch an anderen - quergestreiften Muskeln unter ähnlichen Bedingungen herstellbar sein werden, wenn man ihre motorischen Nerven trenne, und nach vollendeter Degeneration derselben die gefässerweiternden Nerven reize. Wenn man bisher angenommen habe, dass eine Nervenfaser erregend auf andere Gebilde nur dann zu wirken vermöge, wenn sie mit den- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 31 selben in unmittelbarem anatomischen Zusammenhange stehe, so zeigt der pseudomotorische Einfluss der Chorda tympani auf die gelähmte Zunge, dass jene Annahme Allgemeinsiltigkeit nicht beanspruchen darf. Denn die Fasern der Chorda stehen weder im Normalzustande mit den Muskelbündeln der Zunge in anatomischer Continuität, noch setzen sich dieselben nach Degeneration der Hypoglossus-Fasern mit den Zungen- muskeln in directe Verbindung. An den Muskelbündeln der Zunge bleibt nach Degeneration des nv. Hypoglossus von dem nervösen Endapparate seiner Fasern Nichts übrig, als die kernhaltige Sohle der motorischen Endplatte, welche ausser aller Beziehung zu den Chorda-Fasern steht. Es kann also nicht eine directe, sondern nur eine indirecte Ein- wirkung sein, welche die. Chorda-Fasern auf die Zungenmuskulatur ge- winnen, wenn sie dieselbe nach ihrer Befreiung von ihrem motorischen Nerven zur Thätigkeit zwingen. Dass es sich hierbei um etwas Anderes, als eine directe motorische Einwirkung gewöhnlicher Art handele, dafür spricht der ganze Charakter der Contraction, welcher nach den ausführ- lichen Darlegungen des V. durchweg verschieden ist von der Natur derjenigen Verkürzung, welche die Hypoglossus-Fasern an der normalen Zunge hervorrufen. Bei der Einleitung der pseudomotorischen Contraction spielt die von der Endverzweigung der Hypoglossus-Fasern befreite Plattensohle eine wesentliche Rolle. Denn nach Curaravergiftung verliert die Chorda ihre durch Degeneration des Hypoglossus erschlichene Einwirkung auf die Zungenmuskeln ebenso schnell, wie im Normalzustande der Zungen- fleischnerv. Von dem Pfeilgifte aber wissen wir so viel mit Bestimmt- heit, dass es seinen Angriffispunkt in dem aus der Nervenendverzweigung und der Plattensohle bestehenden Endapparate der motorischen Nerven- fasern hat. Nur der letztere Bestandtheil dieses Apparates bleibt, wie das Mikroskop lehrt, nach Degeneration des Hypoglossus übrig. Folglich muss es die Plattensohle sein, welche der Curara-Wirkung erliegt. Wenn diese Folgerung unbestreitbar zu Recht besteht, so ergiebt sich der weitere Schluss, dass die Plattensohle die Uebermittlung der Reize an die contractile Substanz übernimmt, sei es, dass sie ihr im Normal- zustande durch die motorischen Nervenfasern zugeleitet werden, sei es, dass sie nach Degeneration der letzteren durch die Chorda tympani ausgelöst werden. Die Annahme, dass die Plattensohle ein nothwendiges, bisher in seiner functionellen Bedeutung verkanntes Mittelglied zwischen Nervenreizung und Muskelcontraction darstelle, fand sehr bald durch die Mittheilung Kühne’s, welcher in der Zungenmusculatur der Eidechse eine colossale Entwickelung der Plattensohle nachwies, thatsächlich Unter- stützung. Herr Rogowiez hat nun die Erscheinung der pseudomotorischen Nervenwirkungen weiter verfolgt, und ist in der Lage, zu den früher 32 Jahres - Bericht besprochenen Unterschieden zwischen der pseudomotorischen und nor- malen Muskeleontraction einen neuen hinzuzufügen. Wenn man nämlich in die Zunge eines gut morphisirten Hundes zwei Insecten-Nadeln senkt, dieselben durch biegsame Zwischendrähte mit zwei Quecksilbernäpfen verbindet und letztere zum Telephon ab- leitet, so hört man bei Reizung des nv. Hypoglossus mittelst der Ströme des (in einem fernen Zimmer aufgestellten) Magneteleetromotors, falls diese hinreichend stark zur Erzeugung eines kräftigen Tetanus sind, mit ausgezeichneter Deutlichkeit den Muskelton der Zunge. Er ent- spricht in seiner Höhe dem Tone der Feder des Inductoriums. Ruft man dagegen an der gelähmten Zunge durch Reizung des nv. lingualis tetanische Zusammenziehung hervor, so wird keine Spur von Muskelton hörbar, auch dann nicht, wenn die Musculatur sich so stark contrahirt, dass die Zunge sich hervorstreekt und mit der Spitze um die Zähne des Unterkiefers krümmt. V. schliesst daraus, dass es einen stummen Tetanus quer- sestreifter Muskeln giebt. Dempächst richtete Herr R. sein Bemühen darauf, zu ermitteln, ob pseudomotorische Nervenwirkungen eine nur an der Zunge auftretende Erscheinung oder eine solche von allgemeiner Verbreitung an der quer- gestreiften Musculatur seien. Von vornherein war hier eine Sicherheit nicht zu geben. Denn die Zunge besitzt bekanntlich in ihrem Parenchym Ganglien, welche den quergestreiften Muskeln des Skelettes fehlen. Indess war es doch wenig wahrscheinlich, dass jene Ganglien eine wesent- liche Rolle bei der merkwürdigen Erscheinung spielen sollten, Bereits Schiff hat beobachtet, was V. ausnahmslos bestätigt fand, dass, wie die Zunge nach Durchschneidung des Hypoglossus, so die Lippenmusculatur nach Trennung des nv. facialis, paralytische Oseilla- tionen zeigt. Weiterhin haben Dastre und Morat die Entdeckung gemacht, dass bei Reizung des Halssympathicus oder der Schenkel der Ansa Vieussenii Gefässerweiterung an der Lippe, der Wange u. s. f. eintritt. Auf diese Thatsachen hin wurde der Versuch gemacht, an den durch Ausreissung des nv. facialis aus dem for. stylomastoideum ge- lähmten Gesichtsmuskeln bei Reizung der Ansa Vieussenii pseudomoto- rische Reactionen zu erlangen. Einem gut anästhesirten Hunde mit möglichst voluminös entwickelten Lippen wurde der rechte nv. facialis unter aseptischen Maassregeln aus dem foramen stylomastoideum ausgerissen. Die Operation ist gelungen, wenn nicht blos die Lippen- und Wangenmuskeln gelähmt sind, sondern auch der Schliessmuskel des Auges seinen Dienst versagt. Nach 6 bis 7 Tagen sieht man, wenn man die Schleimhautflächen der Ober- und Unterlippe betrachtet, lebhafte fibrilläre Muskelzuckungen, welche ein der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 33 ganz ähnliches unruhiges Wogen und Flimmern veranlassen, wie es an der Unterfläche der Zunge nach Trennung des nv. hypoglossus hervor- tritt. Nach der letzteren Operation hat um die gleiche Zeit der nv. lingualis bereits mit Sicherheit seine pseudomotorische Einwirkung auf die Zunge erlangt. Will man an den Gesichtsmuskeln in überzeugender Weise pseudomotorische Erscheinungen beobachten, so ist es rathsam, 12—14 Tage nach der Faeialis-Lähmung zu warten. Zur Erzielung jener Wirkungen wird die Ansa Vieussenii blossgelegt, sowohl der hintere als der vordere Schenkel derselben möglichst tief unter der art. subelavia getrennt, und behufs leichterer Isolirung beider Nervenfäden auch der Stamm des Vagus und der nv. recurrens durch- schnitten. Es wird auf diese Weise möglich, jene beiden sympathischen Zweige in Verbindung mit dem gel. cervicale inferius und dem Vago- Sympathieus soweit aufwärts zu präpariren und loszulösen, dass eine sichere elektrische Reizung herstellbar ist. Als pseudomotorisch wirk- sam erweist sich in der übergrossen Mehrzahl der Fälle der hintere Schlingenschenkel. Bei Reizung desselben mit geeigneten Inductionsströmen beobachtet man am Auge die seit lange als Folgen der Reizung des Halssympathicus bekannten Erscheinungen, eine Erweiterung der Pupille, Hervortreten des Augapfels aus der Augenhöhle, Erweiterung der Lidspalte, Be- wegungserscheinungen an den Gesichtsmuskeln. . Bei mässig starker Reizung hebt sich langsam und träge die herab- hängende Oberlippe, und legt sich an die Zahnreihen des Oberkiefers an. Bei Reizverstärkung verkürzt sich die betreffende Hälfte der Mund- spalte, indem der Mundwinkel stark nach vorne vorrückt, und die Labialfurche der Oberlippe mit dem Septum der Nase nach der gereizten Seite hin verzogen wird. Die Lippenhaut legt sich, am deutlichsten an der Uebergangsregion in die Schleimhaut, in Folge der starken Con- traction der darunter liegenden Muskeln, in Falten. Oft verzieht sich die ganze Wangenhaut nach vorne. In seltenen Fällen verkleinert sich die Augenlidspalte durch Contraction des Orbicularis palpebrarum. Doch wird meistens die Zusammenziehung des letzteren durch die Contraction des glatten Orbitalmuskels, welcher den Bulbus aus der Orbita hervor- drängt, und der Tarsalmuskeln überwunden, so dass die Lidspalte erweitert wird. Genannte Bewegungen treten nach Beginn der Reizung überaus langsam ein, gewinnen bei Fortdauer der Reizung sehr allmählich an _ Energie, und lassen nach Schluss der Reizung ebenso allmählich wieder nach, und gleichen, mit einem Worte, in ihrem Charakter vollständig den vom V. früher geschilderten Lingualis-Bewegungen der Zunge. Vortragender hebt eine Reihe von Momenten hervor, aus denen die Uebereinstimmung des Verhaltens der Gesichtsmuskeln zu dem 1885. 3 34 Jahres-Bericht nv. facialis und den Fasern des Hinterschenkels der Ansa Vieussenii mit dem Verhalten der Zungenmuskeln zu dem nv. hypoglossus und den Fasern der Chorda tympani eine vollständige erhellt, Da nun, sagt V., die Gesichtsmuskeln keine wesentlichen Unter- schiede gegenüber den übrigen quergestreiften Muskeln des Skelettes zeigen — was bei den Zungenmuskeln bezüglich der reichlichen Zungen- ganglien scheinbar der Fall ist — so wird die Annahme nicht voreilig sein, dass alle quergestreiften Muskeln die bisher unbekannte Eigen- thümlichkeit haben, nach. Degeneration ihrer motorischen Nerven auf Reizung der zugehörigen Vasodilatatoren durch eine Zusammenziehung zu antworten, welche in ihrem Charakter freilich sehr verschieden ist von der normalen neuro-musculären Contraetion und offenbar der soge- nannten „Entartungsreaction“ nahe steht, eine Beziehung, welche noch eingängigere Untersuchung verdient. | Zur Lösung der von V. früher aufgeworfenen Frage, ob die Be- wegungen, welche nach kreuzweiser Verheilung des centralen Lingualis- mit dem peripheren Hypoglossus-Ende sich erzielen lassen, den Cha- rakter eigentlich motorischer oder pseudomotorischer Zusammenziehung an sich tragen, — eine Frage, die früherhin nicht zur Erörterung gelangen konnte, weil alle bisherigen Beobachter den grossen Unter- schied der beiderlei Reactionsweisen der quergestreiften Muskeln über- sehen hatten, theilt V. nun zwei Versuche mit, in denen die Verheilung zwischen Lingualis und Hypoglossus in beiden Fällen glücklich erfolgt war. In dem einen Falle waren drei, in dem andern fünf Monate seit der Anlegung der Nervennaht verflossen, als der Reizversuch an dem Lingualis angestellt wurde. Beide Male traten an der betreffenden Zungenhälfte echt motorische, d. h. sofort mit Beginn der Reizung beginnende und präcis mit Schluss der Reizung endigende, „blitzähn- liche“ (um mit den Electrotherapeuten zu reden) Zusammenziehungen der Muskeln ein. Sie ergriffen im ersten Falle (nach 3 Monaten) nur eine Anzahl von Bündeln, zwischen denen andere Partieen der Mus- culatur in Ruhe blieben. Im zweiten Falle (nach 5 Monaten) trat die Contraction an so vielen Bündeln gleichzeitig auf, dass die ganze Zungen- basis gehoben wurde. Es handelt sich hier also ohne Zweifel um mehr oder weniger ausgebreitete Regeneration von Hypoglossus-Fasern und Verknüpfung derselben mit Lingualis- resp. Chordafasern. An den Bündeln hatten sich normale Innervationsverhältnisse wiederhergestellt, denn Nicotin-Injection rief keine Contraetion hervor. Der umgekehrte Versuch, nach Verheilung des centralen Hypo- glossus- mit dem peripherischen Lingualis-Ende von dem ersteren Nerven aus pseudomotorische Wirkungen zu erlangen, ergab ein negatives Ergebniss, V. berichtete nunmehr von mehreren Versuchen, die Herrr R. in der Absicht anstellte, um zu erproben, ob, wie bei Reizung des Lingualis an der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 35 der Zunge, so bei Reizung der Ansa Vieussenii am Gesichte Gefäss- erweiterung und gesteigerte Lymphbildung stattfinde. Die erstere Frage ist bereits von Dastre und Morat im positiven Sinne beantwortet worden. V. kann nur bestätigen, dass man bei günstigen Verhältnissen, wozu namentlich möglichst geringe Pigmentirung der Lippenhaut und des Zahnfleisches gehört, als Folge der Reizung jenes Nerven starke Röthung an der Schleimhaut der Lippen, des Zahn- fleisches und der Wange beobachtet. Allein es kommen hier und da negative Fälle vor, wie V. glaubt dadurch verursacht, dass bei sehr tiefer Narcose durch Morphium und Chloral der Blutdruck stark sinkt, was natürlich eine Hyperämie erheblicheren Grades erschweren muss, Um noch zuverlässigere Kriterien für die Gefässerweiterung zu benutzen, wurden noch einige anderweitige Versuchsweisen angewandt. Von der Oberlippe aus zieht schräg über die Wange nach oben hin eine ziemlich starke, dicht unter der Haut gelegene Vene, welche ihr Blut der Hauptsache nach aus der Lippe bezieht. Wenn man die- selbe unterbindet und öffnet, sieht man bei Reizung des Hinterschenkels der Ansa ähnliche Erscheinungen, wie bei Reizung der Chorda tympani an der Hauptvene der Gld. submaxillaris oder an den Venen an der Unterfläche der Zunge: Der Blutausfluss beschleunigt sich, geschieht oft stark pulsirend, die Farbe wird heller roth —, Veränderungen, welche den Schluss der Reizung eine Zeitlang überdauern. Dabei steigt der Blutdruck während der Reizung erheblich an, um nach Schluss der- selben wieder zu sinken. Verbindet man mit der Vene eine Glascanüle, um das Abtropfen des Venenblutes zu controliren, so verkürzt sich bei Reizung der Ansa Vieussenii in der Regel das Intervall zwischen je zwei ‚Blutstropfen, d. h. der Blutausfluss beschleunigt sich in messbarer Weise. Ab und zu treten diese Folgen der Reizung der Ansa nicht ganz rein und glatt auf: bei Bestimmung der Geschwindigkeit des Abtropfens sah V. nach Beginn der Reizung die ersten Tropfen mitunter langsamer fliessen, als die letzten vor der Reizung, und die Beschleunigung trat erst ein, nachdem die Reizung weiter fortgesetzt worden war. Diese Unregelmässigkeiten waren aber selten, und haben wahrscheinlich ihren Grund darin, dass die als Versuchsobjeet benutzte Vene ihr Blut nicht blos aus Capillarbezirken bezog, deren Zuflussröhren sich bei Reizung der Ansa erweiterten, sondern auch aus solchen, für deren Gebiet der genannte Nerv Verengerungsfasern enthielt. Immerhin waren solche ab- weichenden Ergebnisse so selten, dass sie die Thatsache der Gefäss- erweiterung unter dem Einflusse der Ansa Vieussenii nicht verdecken konnten; der Nerv gleicht also in Bezug auf die Beeinflussung des ört- lichen Blutstromes ganz und gar der Chorda tympani in ihrer Einwirkung auf die Zunge, 36 Jahres - Bericht . Im Anschluss hieran theilt V. Versuche mit, die gleichfalls Dr. Ro- sowicz unter seiner Leitung über die Lymphbildung angestellt hat. Diese Versuche finden sich ausführlich beschrieben in Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 36 $. 252 ff. 1885. Dieselben sind an Hunden angestellt, und beziehen sich auf vergleichende Bestimmungen der Lymphmenge vor und nach der Durchschneidung des N. ischiadicus, Reizung derselben Nerven und reflectorische Erregung der Erweiterungs- nerven vom centralen Ende des N. vagus. Aus diesen Versuchen geht wohl hervor, dass man bisher den Ein- fluss der Gefässnerven auf die Lymphbildung unterschätzt hat. Ganz geleugnet wird derselbe ja nicht. Emminghaus gesteht ihn in geringem Grade nach zweien seiner Beobachtungen zu. Jankowski sah ihn bei künstlich hydrämisch gemachten Thieren sehr erheblich. Aber auch bei normalen Thieren ist er nach V. erheblicher, als bisher vermuthet worden. Denn jede Gefässerweiterung, die bedeutend genug war, um eine Temperaturerhöhung um einige Grade an der Pfote des Versuchsthiers herbeizuführen, war auch von einer zweifellosen Steigerung der Lymphbildung begleitet. Die Steigerung der. Lymphbildung in gelähmten Gefässbezirken ist als eine anhaltende, nicht blos eine schnell vorübergehende anzusehen, wenn schon die Steigerung in der ersten Zeit der Gefässerweiterung bedeutender sein mag, als im späteren Verlaufe, Wenn man die Thatsache, dass Stauung des Venenabflusses bei ungehindertem Zuflusse arteriellen Blutes, wie Vermehrung des arteriellen Zuflusses bei ungehindertem Venenabflusse die Lymphbildung in die Höhe zu treiben im Stande sind, für sich im Auge behält, so dürfte man versucht sein, in der Lymphbildung Nichts als den Vorgang mecha- nischer Filtration durch die Capillarwandungen zu sehen. Allein eine derartige Schlussfolgerung, sagt V., würde weiter gehen, als es die Ge- sammtheit aller bisher bekannten Beobachtungen gestattet. Eine Theorie der Lymphbildung dürfe nicht bloss auf einzelne Bedingungen derselben Rücksicht nehmen, sondern sie müsse mit allen Bedingungen rechnen. Es gebe aber Thatsachen, welche sich aus einer rein mechanischen Theorie nicht ableiten liessen, er halte es daher für nicht gerathen, weitere Vorstellungen über die bei der Lymphbildung wirksamen Kräfte auszu- bilden, bevor das thatsächliche Material vervollständigt worden sei. Sitzung vom 24. April 1885. Herr Voltolini spricht Ueber ein besonderes Erkennungszeichen der Tuberkelbaeillen. Wenn man in einem Präparate unter dem Mikroskope viele Baeillen findet, wird es im Allgemeinen nicht schwer sein, zu entscheiden, ob der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 37 man Tuberkelbaecillen vor sich hat. Anders aber steht die Sache, wenn man nur eine oder einige Bacillen in dem Präparate findet, dann ist es manchmal sehr schwer, wo nicht unmöglich, zu entscheiden, ob dies Tuberkelbaeillen sind. Es ist dies nun aber gar nicht etwa so selten, nur eine oder einige Bacillen zu finden, im Gegentheil, bei Kehlkopf- schwindsucht und tuberkulösem Ohrenfluss ist es fast die Regel. Kinder spucken bekanntlich gar nicht aus und man ist deshalb bei Verdacht der Larynxtuberkulose darauf angewiesen, mit dem Schwamm etwas Secret aus dem Larynx zu holen, um es auf Baecillen zu untersuchen; hier findet man meist nur wenige. Dasselbe findet statt bei Erwachsenen, so lange die Lungen noch nicht tuberkulös ergriffen sind: Die Kranken werfen dann gar nicht aus und man ist ebenfalls darauf angewiesen, aus dem Larynx Secret durch den Schwamm herauszuholen. In Nr. 24, 1884, der Deutschen medieinischen Wochenschrift habe ich den Fall von einem Kinde mitgetheilt (Tuberkulose des Larynx bei einem fünfjährigen Kinde; Tuberkelbaeillen), wo ich durch die Manipulation mit dem Schwamme die zweifelhafte Diagnose sicher stellte. (In Nr. 2 1884 derselben Zeit- schrift habe ich über Tuberkelbaeillen im Ohre gesprochen.) Es giebt verschiedene Dinge und Umstände, welche eine Aehnlich- keit vortäuschen können: Lupusbaeillen sollen ja identisch sein, ebenso färben sich Leprabacillen in ganz gleicher Weise, so dass bei einer Demonstration von Leprabacillen in der medieinischen Gesellschaft in Berlin (Berliner klinische Wochenschrift Nr. 6, 1885) Dr. Paul Gutt- mann Folgendes aussprach: „Die Leprabacillen erscheinen in den ge- färbten Trockenpräparaten auf Deckgläsern den Tuberkelbacillen so ähnlich, dass selbst geübte Kenner dem blossen Ansehen nach diese beiden Bacillenarten wohl nicht von einander würden unterscheiden können.“ Wie Stricker in der Gesellschaft der Aerzte in Wien am 27. Februar 1885 berichtet, will Spina durch Umzüchtung von Fäulniss- baeillen gefunden haben, dass diese sich nach der Methode Ehrlich’s und den Modificationen, die sie erlitten hat, gegen Methylblau ähnlich verhalten, wie die Tuberkelbaeillen. (Allgem. Wiener medieinische Zeitung Nr. 9, 1885.) Ferner alle Horngewebe scheinen die Anilinfarben so fest aufzunehmen, dass sie, wenn sie gleichzeitig in einem Präparate sich befinden, in welchem man nach Tuberkelbaeillen forscht, sich ebensowenig entfärben und überfärben lassen, wie Tuberkelbacillen. Sucht man z. B. nach letzteren in einem Öhrenflusse, so findet man in diesen stets Pflasterepithel-Zellen, also Horngewebe, welche die Farbe wie Tuberkelbacillen festhalten. Ebenso thun dies mikroskopische Partikel von Federn, die aus der Luft oder durch ein Handtuch beim Abwischen auf die Deckgläschen gerathen sind, also Horngebilde. Auf diese Eigenschaft des Horngewebes hat auch Dr. Paul Guttmann in dem oben eitirten Aufsatze aufmerksam gemacht. Ebenso intensiv färben 38 Jahres - Bericht sich manche Pflanzentheile, mikroskopische Stengel, wahrscheinlich von Linum usitatissimum, die ich ungemein häufig in den Präparaten finde, jedenfalls wohl durch die Leinwand beim Abwischen der Gläser dorthin gerathen. Alle diese lassen sich auch nicht überfärben. — In der Bamberger’schen Klinik in Wien hat man vor einiger Zeit in dem Blute eines an acuter Miliartuberkulose Erkrankten Tuberkelbaeillen ge- funden, und Dr. Lustig, der den Fall beschreibt, macht darauf auf- merksam, dass Hämatinkrystalle zur Täuschung von Tuberkelbaeillen Veranlassung geben können. Aus Alledem sehen wir, dass die Färbung, Entfärbung und Ueberfärbung unter Umständen nicht ausreicht, zu ent- scheiden, ob wir Tuberkelbaeillen vor uns haben. Man hat nun gerathen, in zweifelhaften Fällen die Impfung eines Thieres oder eine Cultur von der verdächtigen Substanz vorzunehmen — jedoch das ist ein Vorschlag für Theoretiker, aber nicht für den praktischen Arzt, denn, wenn ein Kranker aus dem Norden z. B. hier durch Breslau kommt, um nach dem Süden zu gehen und mich con- sultirt, kann ich ihn nicht vier Wochen warten lassen, bis ich ein Kaninchen geimpft oder eine Cultur angelegt habe. Nach alledem wäre es wohl nicht unwichtig, wenn man noch andere Hilfsmittel fände, die Tuberkelbacillen sicher als solche zu erkennen und von anderen Bacillen zu unterscheiden. Man hat es nun auch als ein sicheres Erkennungszeichen von wirk- lichen Tuberkelbaeillen angesehen, wenn man bei der Untersuchung der Gebilde sogenannte Sporen fand, d. h. dunkle Punkte in dem Baecillus, die von dem übrigen Inhalte sich getrennt zeigen. Es sind dies keine Sporen, denn wirkliche Sporen erscheinen umgekehrt ganz hell, sondern man hat dies als abgestorbene Bacillen oder als den zusammengezogenen, gleichsam geronnenen Inhalt der Bacillen ange- sehen. Es mag dies nun sein, was es wolle, so bleibt es immerhin ein treffliches Erkennungszeichen wirklicher Tuberkelbacillen. Aber der Uebelstand ist nur der, dass man dieses Zeichen nicht immer findet, sondern unter vielen Bacillen gewöhnlich nur Einige mit solchem Inhalt oder auch gar keine. Ich habe nun ein Verfahren erfunden, mit welchem man dieses Zeichen an allen wirklichen Tuberkelbaeillen her- vorrufen kann. Es besteht dies in Folgendem: Nachdem man das Sputum, den Eiter oder dergl. auf dem Deckgläschen nach gewöhnlicher Weise verrieben hat, lässt man die Masse an der Luft gut trocknen .und zieht das Gläschen dann in bekannter Weise durch die Flamme. Nun ergreift man das Deckgläschen mit einer Messingpincette oder noch besser Glaspincette und taucht ziemlich langsam das Deck- gläschen in die stärkste unverdünnte Salpetersäure, d.i. in Acidum nitricum fumans von 1,45 bis 1,50 specifischem Gewicht, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 39 zieht es ebenso langsam wieder heraus, taucht es sofort in ein neben- stehendes Gefäss mit reinem Wasser und spült es ab. Man trocknet dann das Präparat ab und nun erst legt man esin die färbende Flüssigkeit nach gewöhnlicher Methode, auf welcher man das schwimmende Gläschen 12 bis 24 Stunden liegen lässt; dann entfärbt man wie gewöhnlich durch verdünnte Salpetersäure. Zum Färben bediene ieh mich der Fuchsin-Lösung und zum Nachfärben der Malachit-Lösung. Das Acidum nitricum fumans muss man jedesmal frisch nehmen, weil es sofort beim Gebrauche Wasser aus der Luft anzieht und durch Aus- stossung untersalpetersaurer Dämpfe sich endlich in gewöhnliche Sal- petersäure verwandelt und dann nur unvollkommen die Erscheinung hervorruft, von der ich gleich sprechen werde. Die so behandelten Baeillen haben ihre Gestalt, Form und Farbe vollständig behalten, nur ihr Inhalt hat sich perlschnurartig geordnet; zur Entfärbung und Ueberfärbung verhalten sie sich vollständig so, wie bei gewöhnlicher Methode. Danach scheinen die Tuberkelbaeillen aus einer hyalinen Hülle zu ‘ bestehen mit einem gerinnbaren Inhalte. Denn ich glaube, es ist die Erscheinung gar nicht anders zu erklären, als dass durch Einwirkung der Salpetersäure der Inhalt der Baeille sich zusammenzieht zu ge- sonderten Kügelehen. — Wenn es bei der Bacillenuntersuchung über- haupt schon Regel ist, die zu untersuchende Substanz (Sputum oder dgl.) in möglichst dünnen Schichten oder Schnitten auf das Deckgläschen aufzutragen, so ist es bei meinem hier angegebenen Verfahren erst recht geboten. Der Eiter enthält Albumin, welcher durch die Salpetersäure sofort ceoagulirt und das Eindringen in die Baeillen verhindert; man sieht daher an zu dicken Präparaten die angegebene Einwirkung auf die Bacillen nur unvollkommen; je dünner die zu untersuchende Schicht auf dem Deckgläschen ist, desto schöner beobachtet man die Erscheinung. An den oben angegebenen Horngebilden (Pflasterepithel, Federn) be- obachtet man nun bei der Einwirkung des Acidum nitrie. fumans nichts derartiges; Hämatinkrystalle aber, die zu Täuschungen Veranlassung geben könnten, werden sofort in jener Säure mit brauner Farbe unter Entwickelung von salpetriger Säure aufgelöst. (Lehmann, physiolog, Chemie $. 234.) Es wäre nun wohl nicht unwichtig, ausser dass man an den wirk- lichen Tuberkelbacillen ein neues Erkennungszeichen hätte, auch durch dieses ein Unterscheidungszeichen zu haben von anderen Bacillen, welche bei der Färbung, Entfärbung und Ueberfärbung sich gleich verhalten wie die Tuberkelbacillen. Dies ist z. B. von den Lupus- und Lepra- Baeillen der Fall. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, Lupus- Baeillen zu finden, so viele Durchschnitte ich auch am Hautstücke von Lupus-Kranken gemacht habe, und kann hier nur obige Methode Andern 40 Jahres - Bericht empfehlen, die glücklicher sind im Auffinden von Lupus-Bacillen. Da- gegen habe ich die Methode ausreichend geprüft an Lepra-Baeillen. Dureh die Güte des Herrn Geh. Rath Virchow habe ich ein Stück von jener Milz erhalten, die der Leiche einer Person entnommen ist, die an Lepra laryngis gelitten und über die Virchow berichtete in der Berliner medie. Gesellschaft am 11. Februar 1885 (Deutsch. medie. Wochenschr. Nr. 8, 1885, und Berlin. klin. Wochenschr. Nr. 2, 1885). Auch ich fand in dieser Milz zahlreiche Lepra-Bacillen, die sich ebenso färbten und nicht überfärbten wie die Tuberkelbaeillen, aber sich durch- aus gegen das Acidum nitrieum fumans anders verhielten, als die Tuberkel- baeillen. Diese Säure wirkt nämlich eigentlich gar nicht auf sie, höchstens dass die Baeillen schärfer hervortreten und deutlicher zu erkennen sind, aber ihren Inhalt bringt sie ganz und gar nicht zur Zertheilung resp. Gerinnung wie bei den Tuberkelbaeillen. Herr Sanitätsrath Dr. Paul Guttmann war ebenfalls so freundlich, mir von derselben Patientin ein Präparat aus der Haut zu senden, In zweifelhaften Fällen würde man daher gut thun, zwei Präparate anzufertigen, von denen man das Eine nach gewöhnlicher Methode färbt, das Andere nach meiner Methode; man würde dann aus dem Vergleich Beider die deutlichste Anschauung bekommen. Mit anderen Bacillen habe ich noch keine Versuche angestellt, aber ich zweifle nicht, dass sie sich anders verhalten werden gegen die Säuren wie die Tuberkel- baeillen. In Acidum nitricum purum kann man die Tuberkelbaeillen sogar bis 5 Minuten liegen lassen, ohne dass sie zerstört werden! Es tritt dann an ihnen auch jene Erscheinung der Perlschnur ein, aber nicht so schön, wie bei Acid. nitr. fumans. Man kann übrigens die Methode auch in anderer Weise ausführen: Hat man ein Präparat in gewöhnlicher Weise gefärbt und entfärbt etc. und erscheinen nun unter dem Mikroskope mit Glycerin die fraglichen Bacillen von zweifelhafter Natur, so kann man dasselbe Präparat auch jetzt erst der obigen Methode unterwerfen. Man spült das Deck- släschen in reinem Wasser wieder ab, trocknet es gut mit Fliess- papier und taucht es nunmehr in Acidum nitricum fumans, spült es ab und legst es abermals in die färbende Flüssigkeit, weil durch die Säure alle Farbe sofort verschwunden war. Nachdem man es nun wieder 12—24 Stunden gefärbt hat, behandelt man es dann in gewöhn- licher Weise. Man wird dann auf diese Weise dieselben Bacillen, die man vorher bei gewöhnlicher Färbung sah, jetzt in der durch meine Methode veränderten Erscheinung beobachten können — also gleichsam die Probe auf das Exempel machen. Die Präparate der Tuberkel- baeillen wurden nun in der Gesellschaft demonstrirt. Bei der Discussion wurde von Prof. Dr. Neisser bemerkt, dass diese Präparate der Baeillen von Lepra für die Methode nicht massgebend seien, weil sie der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 41 von Spiritus- Präparaten angefertigt seien. Diesen Einwand kann ich aber nachträglich sogleich widerlegen, indem ich tuberkulöse Sputa ebenfalls in Alkohol legte und dann erst der obigen Methode unter- warf. Der Spiritus hatte aber gar keinen Einfluss auf die Methode, d. h. die Bacillen zeigten ebenfalls die schönen Perlenschnuren. Wenn nun an meinem Spiritus-Präparate von Lepra sich keine Veränderung durch die Salpetersäure zeigt, eine solche aber an Spiritus-Präparaten von Tuberkelbaecillen, so ist hiermit eben ein Unterschied gegeben. Nach dem Ergebniss mit Acidum nitricum fumans wird es mehr als wahrscheinlich, dass die sogenannten Sporen, d. i. jene geschilderten Perlen, wenn sie sich ab und zu auch bei gewöhnlicher Färbung finden, auch nur ein Kunstproduct sind, entstanden beim Entfärben mit der Salpetersäure, indem die eine Bacille empfindlicher für die Säure sein mag, als die andere. Ich habe noch mit anderen Säuren Versuche angestellt: Taucht man die Präparate vor der Färbung statt in Acidum nitrieum fumans in Aqua regia (1 Theil Salpetersäure und 4 Theile Salzsäure), welche sogar Gold und Platina auflöst, so werden die Tuberkelbacillen ebenfalls nicht zerstört, sie erscheinen nach der Färbung aber anders als wie die mit Acid. nitr. fumans behandelten. Nimmt man statt des Acidum nitr. fumans concentrirte englische Schwefelsäure, d. i. Acidum sulphuriecum crudum, so sind alle Tuberkel- baeillen spurlos verschwunden, man sieht absolut nichts mehr von ihnen — oder sie sind nicht mehr fähig, die Anilinfarben aufzunehmen; kurz, man sieht nichts mehr von ihnen. Verdünnt man die Schwefel- säure mit gleichen Theilen Wasser, so sieht man wieder die Tuberkel- bacillen, von denen einige verkrüppelte Gestalt angenommen haben. Nimmt man 1 Theil Schwefelsäure und 3 Theile Wasser, so behalten sie die gewöhnliche Gestalt und Farbe. Mit Acidum muriaticum behandelt, ist ihre Gestalt fast unverändert geblieben und sie sind wohl erhalten; höchstens kann man sagen, sind die Contouren nicht mehr so scharf und sie haben nicht mehr eine so schöne rothe Farbe angenommen; „Perlen‘‘ aber zeigen sie durch- aus nicht. Mit Acidum phosphoricum behandelt, ist gar keine Veränderung an ihnen wahrzunehmen, Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dass die Erscheinung des perlenschnurartigen Inhaltes der Tuberkelbacillen constant nur durch Acidum nitricum fumans erzeugt wird, dass also wahrscheinlich der Inhalt eine albuminartige Substanz ist, die durch die Säure geronnen ist. Bei Acidum muriaticum beobachtet man manchmal auch eine perl- schnurartige Anordnung des Bacilleninhaltes, dagegen bei Acid. nitr. fumans ist dies constant und charakteristisch. 49 Jahres - Bericht Durch alle die angegebenen Säuren werden die Bacillen nicht zer- stört, nur von Acidum sulphuriecum concentratum — dies ist eine fest- stehende Thatsache. Aber man täusche sich hier nieht: ist in dem Präparat eine zu dicke Schicht, im Sputum eine Art Klumpen, so kann man auch hier noch Baeillen beobachten, weil die Säure wohl nicht durchgedrungen ist, dagegen sind die Baeillen an anderen Stellen desselben Präparates spurlos verschwunden. Es versteht sich von selbst, dass man diese Experimente mit den verschiedenen Säuren stets an einem und demselben Patienten vornehmen muss und immer in derselben Weise, d. h. ebenso langsam das Präparat in die eine Säure tauchen wie in die andere u. s. w. Es ist mir nicht bekannt, ob von anderen Autoren in der ange- gebenen Weise Reactionsversuche auf Baeillen unternommen worden sind, obgleich ich in der Literatur danach geforscht habe. Sollte ich dies doch übersehen haben, so will ich Niemand die Priorität streitig machen, Sitzung vom 8. Mai 1885. Herr Hirt spricht Ueber Hemiatrophie der Zunge. Nachdem einiger französischen und englischen Arbeiten über diesen Gegenstand Erwähnung gethan worden war, berichtet der Vortragende über einen von ihm beobachteten Fall. Eine 76jährige Frau erkrankte vor 3 Monaten plötzlich unter apoplectiformen Erscheinungen und sofort darauf folgender veränderter Sprache. Wenige Tage später stellten sich Schlingbeschwerden und reichliche Salivation ein; bald darauf bemerkte man, dass die bis dahin normale Zunge auf der einen (rechten) Hälfte an Volumen abnimmt und beim Herausstrecken nach rechts abweicht. Die laryngoskopische Untersuchung ergiebt das Bild von vollkommener rechtseitiger Recurrenslähmung. Bei der Krankenvorstellung in der medi- cinischen Section der vaterländischen Gesellschaft überzeugten sich die Anwesenden von dem Verhalten der Zunge: die rechte Hälfte fühlt sich schwammig, weich und nachgiebig, die linke fest und derb an — die rechte Hälfte ist wesentlich schmäler und genau halb so dick als die andere. Die Prüfung mittelst des galvanischen Stromes ergiebt das Vorhandensein ausgesprochener EaR. Der Vortragende führte aus, dass man im vorliegenden Falle sich versucht fühlen könnte, an progressive Bulbärparalyse zu denken, dass aber der Beginn der Erkrankung und die weitere schnelle Aufeinander- folge der Symptome auf eine bulbäre Hämorrhagie, eine Blutung, resp. embolische Erweichung im rechten Hypoglossus- und Vaguskerne hin- deute. Völlige Sicherheit lässt sich erst p. mort. gewinnen. Der Fall legt dar, dass Hemiatrophie der Zunge durchaus nicht immer nur im Verlauf der Tabes vorzukommen braucht. | Ze der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 43 Sitzung vom 19. Juni 1885. Nach einleitenden Bemerkungen über das Virus der genuinen Pneu- monie von Seiten des Vorsitzenden theilt Herr Senger die Resultate seiner Untersuchungen über die Pneumonie und die bei dieser Krankheit acut auftretenden Complicationen. mit. Es wurden zunächst die Untersuchungen Friedländers einer Nachprüfung unterzogen, um ein sicheres Urtheil über die noch immer streitige Bedeutung der Pneumoniecoceen zu erlangen und dann die Natur der Complicationen zu untersuchen. Auf Grund von 65 Fällen wurde die Thatsache constatirt, dass die Coccen constant bei jeder fibrinösen Pneumonie in alten und frischen Fällen vorkämen. Die ovalen, oft auch runden Coccen lassen sich gut isoliren, des Oeftern findet man auch Zooglöahaufen. Dies müsse ausdrücklich, eben so wie das Vor- kommen der Coccen in alten Pneum., bemerkt werden, da Fried- länder die Zooglöa, ebenso die Coccen, nicht mehr nach dem 9. Tage einer Pneumonie gesehen zu haben angiebt. 8. hat sie in einem Falle deutlich sogar am 17. Tage gesehen, allerdings seien manche Coccen in späteren Fällen, auch schon im Resolutionsstadium an den Rändern zerklüftet und unregelmässig, so dass sie im Absterben begriffen scheinen, daneben fänden sich aber sehr deutliche Coccen. Am zahlreichsten fänden sich die Coccen beim Uebergange von der rothen zur grauen Hepat. und besonders in allen pneumonischen Exsudaten. Die Coccen wurden ferner gefunden: 1) in den schlaffen Pneumonien alter Leute, 2) in den klinisch sog. terminalen Pneum. bei Carcinose ete,, so dass also die Pneum, in keinem strengen Causalnexus mit den Primärkrankheiten ständen. Vermisst wurden die Coccen in 2 Fällen, von den bei Herz- und Nierenkrankheiten auftretenden sog. serösen Pneum., in einem Falle von hypostat. Pneum. nach Typhus abdom. Die Coccen sind meist mit Hüllen umgeben, welche wegen ihrer Bedeutung ausführlicher besprochen wurden. Nach der Bemerkung, dass die Botaniker ganz allgemein um alle Coccen Gallerthüllen annähmen und dass die Bildung der Zooglöa durch das Aneinanderhaften der Gallerte bei Vermehrung der Coccen bewirkt wird, wurde die Frage präeisirt, was man Hüllen zu nennen habe. Dr. $. unterscheidet: a) Pseudohüllen, d. h. Lücken und Artefacte des Präparates, ferner die durch die verschiedenen Brechungen und die sphärische Aberration im Mikroskop entstandenen Lichtreflexe. b) Wirk- liche Hüllen, von Friedländer Kapseln genannt, ein Ausdruck, der sich von dem eingebürgerten botanischen Namen entfernt und deshalb nicht acceptirt wird. Die Hüllen haben ein im Vergleich zum Wasser stärkeres, aber mit den Oelen etwa ein gleiches Brechungsvermögen. Man thut deshalb gut, im Wasser zu untersuchen. Wegen der glasigen Durchsichtigkeit der Hüllen kann man dieselben schwer ungefärbt sehen. 44 Jahres-Bericht Man muss deshalb durch die Differenz in der Intensität der Färbungen des Coccus, der Hülle und der Grundsubstanz die Hülle dem Auge markant machen. Vor allem sei eine gleichmässig sich färbende, homogene Grundsubstanz nöthig und man bekommt mittelst verschiedener Färbemethoden Bilder der Hüllen, die S. optisch positive nennt; man sieht die Grundsubstanz schwach, den Coccus intensiv, die Hülle gar nicht gefärbt; oder man erhält optisch positive Hüllenbilder, wenn die Hüllen selbst gefärbt werden und zwar stärker als die Grund- substanz. Ailes dies gälte nur für Trockenpräparate, in Schnittpräparaten gelang es mit keiner Methode, ordentliche Hüllen darzustellen, weil die Hauptbedingung, nämlich eine gleichmässig gefärbte Grundsubstanz, wegen des wechselvollen Structurbildes nicht gegeben ist. Hinsichtlich des Wesens der Hüllen glaubt S., dass durch die Präpa- ration, Erhitzen ete. die thatsächlich bestehende, aber sehr schmale Gallerthülle der Coccen ausgedehnt und dadurch die Grundmasse im Kreise herum verdrängt wird. Indem sich nun beim Abkühlen die Hülle mehr oder weniger zusammenzieht, bleibt ein grösserer oder kleinerer Raum um den Coccus zurück, welcher bald leer ist, bald aus Gallerte und der Grundsubstanz besteht und danach bald gefärbt werden kann, bald nicht. Diese Theorie erkläre alle über die Hüllen bekannten Thatsachen, insbesondere, warum Culturcoccen keine Hüllen zeigen, dieselben aber künstlieh dargestellt werden können, wenn man die Coccen in eine eine homogene Grundsubstanz bildende Flüssigkeit (Aseites-Oystenflüssig- keit ete.) bringt. Danach wären die Hüllen nichts für die Pneum.-Coccen Charakteristisches und man könnte bei allen coccenhaltigen Flüssig- keiten auch eonstant solche mit Hüllen darstellen, wenn die obigen Grund- bedingungen erfüllt werden. Culturen wurden von 9 Pneumoniefällen angestellt, einmal vom pneumonischen Saft eines lebenden Pneumonikers. Nach einer kurzen Kritik der früheren und späteren nicht zu verwerthenden Culturen anderer Autoren theilt $. unter Demonstrationen diejenigen Coccen mit, welche er nach Eliminirung der zufälligen, verunreinigenden Coccen aus der Lunge rein gezüchtet hätte. Unter den 5 Coccen hebt er einen grossen, porzellanweissen hervor, der von dem lebenden Pneumoniker erhalten wurde und für das Studium der Entwickelung der Coccen vorzüglich ist, sodann einen grauweissen, auf der Platte halbkugelig wachsenden, von der Form und Grösse der Pneumococcen, Anaerobion. Durch Impfungen kam er zu dem Schluss, dass dieser Coccus der pathogene wäre; denn er erzeugt bei Mäusen und Tauben völlig ausgebildete lobäre Pneumonien, graue und rothe Hepatisationen. Immer waren beide Lungen hepatisirt, trotzdem nur die rechte infieirt wurde, (Friedländer hatte meist Pleuritis und lobuläre Pneumonien bekommen.) Nachdem die künstlich infieirten pneumonischen Lungen demonstrirt waren, ging 8. auf die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 45 Nageleulturen ein. Es sei unrichtig, wenn manche behaupten, jeder Impf- stich gäbe eine Nagelform in der Gelatine. In Wirklichkeit könne von letzterer nur gesprochen werden, wenn der Nagel noch nach Wochen bleibt und in dieser Form weiterwächst. Nun gäben nach der Erfahrung S’s. alle Bacterien, Coccen, Bacillen oder ein Gemisch beider die Nagelform, wenn dieselben Anaörobien sind, d. h. ohne sichtbaren Luftzutritt sich entwickeln; diese wachsen im Impfstich und auf der Oberfläche, aber in ersterer weniger intensiv, sei es, dass die Gelatine durch Gegen- druck die Ausbreitung hindert, sei es, dass eine reichlichere Luftzufuhr doch das Wachsthum befördert, wenn die Pilze auch mit wenig Luft existiren können. So entstände oben ein Knopf, im Impfstich ein Stift. Auf dem halbkugelförmigen Knopf dürfe man kein Gewicht legen, da dieser sich je durch die Impfung und vor allem die Concentration der Gelatine ändert. Aus diesen Versuchen ergäbe sich mit Sicher- heit, dass in jeder Pneumonie Coccen gefunden werden und dass der grauweisse Coccus wahrscheinlich für die Mehrzahl der Fälle, sicher aber für die untersuchten der specifische ist, wenn auch dieser Coccus weder an sich noch in der Cultur ein sich vor andern Coccen völlig auszeichnendes Charakteristicum besässe. Nach diesen Auseinandersetzungen wurden die bei Pneumonie auf- tretenden acuten Krankheiten ätiologisch besprochen, zuerst die Menin- gitis sero-purulenta. S$. zeigte historisch die Wandlungen, welche sich in ätiologischer Beziehung bei dieser Krankheit vollzogen und be- merkte, dass, trotzdem einige Autoren eine richtige Auffassung dieser Krankheit besässen, doch allgemein die Aetiologie unsicher war. Es wurden 5 Fälle von Meningitis bei Pneumonie untersucht und sowohl im Exsudat als in der Pia, dem Ependym, dem Flexus chorioid. ete. zahl- lose Coecen gefunden, die ganz mit den Pneumococcen übereinstimmten. Es wurden dann die Beziehungen zur Cerebrospinalmeningitis epidem. und zur Endocarditis ausführlicher besprochen, auf deren Wiedergabe wir hier verzichten müssen. Indess sei hervorgehoben, dass die An- nahme Heller’s und Immermann’s, diese Meningitis sei die in den meisten Fällen epidemische und zur Pneum. zufällig hinzugekommen, nicht acceptirt wird, sondern die Krankheit sei als eine richtige Metastase aufzufassen, indem von der Lunge aus Coccendepöts in die Gehirnhöhle verschleppt würden. — Als 2. Complication wurde die Endocardits ulcerosa besprochen, wovon 2 Fälle genau untersucht wurden. Auch hier fanden sich die Pneumococcen. Die durch diese Endocarditis ent- stehenden Infarete der Nieren, Milz etc. hätten durch die Pneumococcen auch eine neue ätiologische Bedeutung gewonnen. Jede acute Endo- earditis, wurde hieran angeknüpft, sei eine secundäre Krankheit, da immer erst ein der Aussenwelt freiliegendes Organ infieirt, dann das Blut vergiftet werden müsse, damit ein so innerlich geschütztes Organ 46 Jahres-Bericht erkranke. Bei Endocarditis puerper. konnte $. dieselben Coccen nach- weisen, welche in den Uterinthromben in zahlloser Menge vorhanden waren. Die Coccen waren kleiner als die der Pneumonie. — In der der Pneumonie fast stets complieirenden trüben Schwellung der Nieren konnten Coccen nur so spärlich nachgewiesen werden, dass darauf kein Gewicht gelegt werden kann. Dagegen wurden in 2 Fällen von ausgesprochener Nephritis parenchym. eine ziemlich grosse Menge von Coccen in den Blutgefässen und den gewundenen Canälchen gefunden. Die Coccen würden wahrscheinlich mit dem Urin in die Blase herausgeschwemmt, man müsste daher im Harn. jedes Pneu- monikers Coccen finden. Hierher, wie bei der Endocarditis, gelangen die Coccen auf dem Wege der Blutbahn. Es sei hier nur noch kurz bemerkt, dass bei der Pericarditis und Pleuritis, fibrinosa und exsudativa, welche oft die Pneumonie complieiren, Coccen in ungeheurer Menge gefunden werden, nnd dass der Verbreitungsweg hauptsächlich die Lymphbahn sei, während hier von der Wiedergabe der genaueren pathologisch-anatomischen Details dieser Krankheit Abstand genommen werden muss. Von allen diesen Krankheiten wurden Reinculturen gezüchtet, welche sowohl unter sich als mit dem obigen Coccus völlig in den Culturen, Impfungen, Aussehen der Coccen etc, übereinstimmten. Die Reineulturen wurden demonstrirt. Indem so einerseits die Metastasen eine gute Controle für die pathogene Dignität der Coccen in der Lunge lieferten, ist dadurch nach- gewiesen, dass die Pilze, welche man bei der Meningitis, Endocarditis, Nephritis, Pericarditis und Pleuritis findet, mit den Pneumococcen identisch sind, und dass die Pneumococcen, von der Lunge nach den verschiedensten Organen verschwemmt, dort acute organische Krank- - heiten erregen können. Deshalb nennt S. obige Krankheiten pneumo- nische oder pneumomyeotische. Die relative Seltenheit der pneumonischen Metastasen erkläre sich aus zwei Momenten. a) Aus einem äusseren, den Coecen anhaftenden. Es käme auf die Schwere der Pneum. an, welche in manchen Jahren schwerer, in manchen geringer sei, gerade so wie die Scharlachepidemien. Das liesse sich aus der Statistik be- weisen. b) Aus einem inneren individuellen Moment. Keiner dürfte wohl eine pneum. Metastase bekommen, dessen übrigen Organe völlig intact wären. Wenigstens konnte für alle pneum, Metastasen streng nachgewiesen werden, dass die Organe vorher schon oder kurze Zeit vorher krank gewesen wären. So bekämen fast nur Potatoren pneu- monische Mennigitiden; besonders gefährdet sei ein Organ, welches soeben eine andere Krankheit überstanden und sich so zu sagen im Reconvalescenzstadium befände. Eine Endocarditis, ca. fünf Wochen alt, bei einem 33jährigen Manne, welche im Abheilen begriffen war, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 47 wurde von Neuem zu einer ulcerösen pneumonischen angefacht, als dieser Mann eine schwere Pneumonie bekam. Ganz dasselbe konnte für die Nephritis nachgewiesen werden. Aus alle dem ergebe sich der für den praktischen Arzt nicht unwichtige Schluss: Wenn ein Mensch mit einem Organleiden eine schwere Pneumonie bekommt, so befindet sich dieser Mensch in der Gefahr einer pneumonischen Metastase und die Prognose verschlechert sich in hohem Maasse, nicht wegen des kranken Organs als solchen, sondern weil dasselbe den Coccen eine neue Brut- stätte liefert. Zum Schluss wurde die Stellung des Pneumoeoceus unter seines- gleichen betrachtet. Da weder die Hüllen, noch die Nagelform der Culturen charakteristisch seien, noch der Coccus eine specifische Affinität für die Lungen allein besitze, was die Metastasen unzweifelhaft bewiesen, so könne von einer Speeifität dieses Coceus nicht die Rede sein, sondern man müsse dem Coceus allgemein pathogene Eigenschaften zuschreiben. Nur um einen Namen für diesen Coccus zu haben, sei der Ausdruck Pneumococeus gestattet. Von diesem allgemein pathogenen Gesichts- punkte aus gewinne der Coceus eine grössere Bedeutung für alle Organe, indem kleine Coccendepöts in der Lunge zurückbleiben können und, während die Lunge schon fast gesund wäre, eine Metastase sich bilden könne. In diesen Fällen müsse dann letztere als Primärkrankheit imponiren. Vielleicht gehörten hierher viele sog. Erkältungsnephritiden, Ferner sei die Möglichkeit nicht zu leugnen, dass der Coccus, wenn er direct in ein Organ komme, wie z. B. in die Hirnhöhle nach Fraeturen des Schädels oder Otitis media, dort ebenfalls eine pneu- monische Erkrankung anregen könne. Wenigstens fänden sich in den nach Otitis media entstandenen Meningitiden Coccen, die den Pneumo- eoccen mikroskopisch völlig gleich sind. Weitere Culturen und Impfungen müssten auch über die Beziehung dieser Coccen zu den Pneumococcen Aufschluss geben. An der Discussion betheiligten sich die Herren Rosenfeld, Ponfick, Senger, Neisser. Sitzung vom 25. Juni 1885. Herr Partsch demonstrirt einen Fall von Doppelbildung der Zunge. Durch die Güte des Herrn Dr. Bienstock wurde im Juli d. J. der königl. chirurgischen Klinik das 5 Tage alte Arbeiterkind Paul F. mit einer seltenen Missbildung der Zunge zugeführt. Das sonst wohlgebildete Kind hält den Mund stets leicht geöffnet. Die untere Contour der Mundspalte wird nicht von einem normalen, in der Mitte leicht prominirenden Lippensaum gebildet, sondern die Unter- 48 Jahres - Bericht lippe erscheint aus zwei Hälften zusammengesetzt, deren bogenförmige Lippensäume in der Mitte in einer ziemlich tiefen Einkerbung zusammen- stossen. Jeder dieser beiden Lippenhälften trägt in ihrer Mitte eine leichte Einziehung, ähnlich der, welche der normalen Unterlippe zu- kommt. Ihnen entsprechen auch zwei deutlich entwickelte, kinnartige Vorsprünge, welche durch eine sanft geneigte, der Einkerbung des Lippensaums correspondirende Rinne von einander gesondert sind. Die Haut des Kinns und der Lippe, sowie die Schleimhaut der letzteren haben vollständig normales Aussehen. Die Innenseite der doppelten Unterlippe ist durch zwei, an der Stelle der beschriebenen Einziehungen sich ansetzenden Lippenbändchen mit der Vorderfläche des Alveolar- fortsatzes des Unterkiefers verbunden. Während das der rechten Unter- lippe nur gering entwickelt ist und eine kurze, niedrige Brücke bildet, ist das der linken straffer und dieker, und steigt bis zum obern Rande des Unterkiefers herauf, so dass es ohne Mühe sofort sichtbar ist, Da- durch wird die linke Unterlippe trotz erhaltenem Vestibulum ziemlich straff gegen den Unterkiefer fixirt und in ihren Bewegungen im Gegen- satz zur frei beweglichen rechten beeinträchtigt. Der Unterkiefer zeigt, soweit man sich durch Palpation durch die ziemlich dicken Weichtheile hindurch ein Bild verschaffen kann, auf der sonst glatten vordern Fläche des verbreiterten Körpers zwei rund- liche, den beiden kinnartigen Vorsprüngen entsprechende Erhebungen; er ist sonst glatt, in seiner Mitte fest vereinigt. Ausser der Verbreiterung des Körpers, durch welche der Unterkieferbogen viel grösser als der des Oberkiefers wird, tritt eine deutliche Formabweichung nur noch an seinem in die Mundhöhle ragenden freien Rande hervor. Derselbe läuft in gleicher Höhe vom linken Ast her bis ungefähr in die Mitte, an die Stelle der Einsenkung der beiden Lippenbogen fort, und von hier aus nach rechts hin, um ungefähr einen halben Centimeter abzufallen und erst in der hintern Hälfte des rechten Astes wieder zur selben Höhe als im Bereich des linken Astes aufzusteigen. Es wird dadurch das Vesti- bulum oris im Bereich der rechten Unterlippe viel seichter und durch die geringe Entwickelung des Lippenbändchens aber zugleich breiter, offener, als an der linken Unterlippe. Aus der stets offenen Mundspalte ragen zwei zungenförmige Körper hervor, rechts über den Unterkiefer weg, links bis an ihn heran. Sie sind 1',—2 cm breit und so diek wie eine normale Kinderzunge; der rechte läuft vorn mehr in eine Spitze aus, der linke ist breiter, ab- gerundet. Sie füllen neben einander liegend den grossen Unterkiefer- bogen aus und sind bis zur Mitte des Mundbodens vollständig von ein- ander getrennt. Hier vereinigen sie sich zur gemeinsamen Zungenbasis, die aber auf ihrer Oberfläche noch eine Strecke weit als sichtbares . Zeichen der Verschmelzung aus zwei gesonderten Hälften eine deutlich der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 49 ausgesprochene seichte Furche trägt. Auf der Unterfläche jedes der beiden zungenförmigen Körper zieht ein Zungenbändchen bis an die Innenseite des Mittelstückes des Unterkiefers. Auch von diesen ist wieder das der rechten Zunge zukommende kürzer, zarter, das linke hingegen straffer, stärker entwickelt, bis zum obern Rande des Unter- kiefers heraufreichend, so dass es von oben her, ohne dass die Zunge aufgehoben zu werden braucht, sichtbar ist. Es erscheint deshalb die linke Zunge schwerer beweglich, straffer gegen den Unterkiefer fixirt, dem Unterkiefer nur an-, nicht aufliegend. Jedoch kann man an dieser Zunge ganz dieselben Bewegungen bemerken, wie sie die rechte Zunge frei und unbehindert ausführt. Beide Zungenkörper vollführen, und zwar jeder für sich, aber nicht immer gleichzeitig, einerseits die Orts- bewegungen, Vorstrecken, Seitwärtsbewegen und Rückwärtsbewegen, andererseits in ausgesprochenem Maasse jene Bewegungen, welche die Formveränderungen der Zunge bezwecken. Diese erfolgen links mit ganz demselben Effect als rechts; namentlich bei der Zusammenziehung des m. transversus linguae ist auf jeder Zunge die mittlere Rinne deut- lich sichtbar, da die Raphe auf jedem der Zungenkörper ausgeprägt ist. Die gemeinsame Zungenbasis sitzt an dem einfach vorhandenen Zungenbein, das ebenso wie die übrigen Gebilde des Mundes keinerlei Abnormität aufweist. Insbesondere ist der Oberkiefer, der harte Gaumen, der weiche Gaumen ohne jegliche Abweichung von der normalen Form. Die Missbildung beeinträchtigt die Ernährung des Kindes ziemlich bedeutend. Abgesehen davon, dass nur eine künstliche Ernährung mit dem Löffel stattfinden, das Saugen nicht bewerkstelligt werden kann, erleidet die Ueberführung der Flüssigkeit bis in den Schlund grosse Be- hinderung durch die schwere Beweglichkeit namentlich der linken Zunge, und wesentlich dadurch, dass durch den Spalt ein grosser Theil der Flüssigkeit auf den Mundboden läuft. In den zahlreichen Buchten, aus denen wegen der Fixation der linken Zunge nichts fort- geführt werden kann, stagnirt dann die Milch und zerseizt sich bei der stets offen stehenden Mundspalte rasch. Die Ernährung erfolgte am besten, wenn man die Milch mit dem Löffel bis auf die gemeinsame Zungenbasis brachte. Aber trotzdem trat bald ein umfangreicher, schwer zu be- kämpfender Soor ein, dem ein schwerer Darmceatarrh folgte, so dass zunächst von e einer operativen Beseitigung der Missbildung nicht die Rede sein konnte. — Vorstehende Figur giebt von der Miss- bildung eine annähernd zutreffende Vorstellung. 1885. 4 50 Jahres - Bericht . Man konnte beim ersten Anblick dieser interessanten congenitalen Difformität im Zweifel sein, ob man es mit einer der nicht gar so selten beobachteten Spaltbildung der Zunge und der Mundgebilde zu thun hatte, oder mit einer Doppelbildung. Die nähere Untersuchung bewies jedoch zur Evidenz, dass nur die letztere Auffassung zulässig sei. Die bis zum Zungengrunde reichende Raphe, die vollkommene Aus- bildung der Zungenmuskulatur in jedem der beiden Zungenkörper, die beiden Bändchen an der Unterfläche, die deutliche Raphe auf dem Rücken jedes Zungenkörpers geben dafür den unzweifelhaften Beweis. Nur das Eine könnte gegen diese Annahme ins Feld geführt werden, dass bislang noch keine ähnliche Beobachtung in der Literatur, so weit sie mir zugängig war, verzeichnet ist. Alle einschlägigen Werke (Weber, Ammon, Förster) recurriren immer auf die von Meckel im ersten Theil des zweiten Bandes seines Handbuchs der pathologischen Anatomie, pag. 15, gemachte Bemerkung: „Das Doppeltwerden der Zunge ist insofern interessant, als alle Be- obachtungen davon in dem Umstande übereinkommen, dass die beiden Zungen über, nie neben einander lagen. Diese Missbildung hat verschiedene Grade und ist in dem Maasse dem Sprechen nachtheiliger, als die Trennung beider Zungen vollständiger und die überschüssige grösser ist. Beobachtungen davon haben Doläus, Dillenius, Targioni Tozzetti, Penada und Eschenbach.“ Eine Abbildung einer Doppelzunge findet sich in einem Aufsatze Sangalli’s, I mostri doppi, veröffentlicht in den Memorie del reale istituto lombardo di scienze e lettere, Milano 1872, Vol. XII—III, della serie III, fascicolo IV, pag. 301 ssq. Diese Doppelzunge ent- stammt aber einer mit 2 Köpfen versehenen, als Di-ipogastrico diprosopo bezeichneten Missgeburt, so dass sie kein Analogon für unsern Fall darstellt. Von den Fällen, welche Meckel eitirt, weicht er insofern ab, als erstens die beiden zungenförmigen Körper nicht über einander, sondern ausgesprochen neben einander lagen, zweitens dadurch, dass nicht allein die Zunge, sondern auch das Mittelstück des Unterkiefers wie die Weich- theile auf seiner Aussenfläche sich an der Doppelbildung betheiligten. Hervorzuheben wäre noch, dass der Zungengrund einfach vorhanden war, die Spaltung nur bis in die Mitte des Zungenrückens reichte. Viel- leicht hat diese Thatsache ontogenetische Wichtigkeit. Wenigstens scheint sie für die Annahme Dursy’s zu sprechen, der Reichert gegenüber ‘ die Zunge nicht von den vereinten Enden der Unterkieferfortsätze des ersten Kiemenbogens hervorgehen lässt, sondern behauptet, dass die Zunge sich in der Art entwickele, dass der ursprünglich paarige Körper aus den kolbig verdickten Enden beider Seitenhälften des ersten Schlund- bogens hervorgehe, die unpaare Anlage der Zungenwurzel dagegen eine der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 51 Wucherung der Schlussstücke des zweiten und dritten Bogens darstelle. (Kölliker, Entwickelungsgeschichte pag. 814.) | Erwähnenswerth dünkt mir der Umstand, dass, nach den Bewegungen der Zungen zu schliessen, nicht nur die Muskulatur der Zunge selbst (longitudinalis sup. et inf. und transversus linguae) doppelt angelegt sein muss, sondern auch die ausserhalb des Zungenkörpers gelegenen, zum Theil der Schlund-, zum Theil der Mundbodenmuskulatur angehörenden Muskeln, welche die Ortsbewegungen der Zunge bewirken, doppelt vorhanden sein müssen. Der Bildungsfehler, welcher, wie oben gesagt, schwere Störungen der Ernährung herbeiführte, wäre einer chirurgischen Behandlung nicht unzugängig gewesen. Die Möglichkeit, durch Anfrischen der Ränder der mittleren Spalte der Zungenkörper und durch Lösen des die linke Zunge fixirenden Zungenbändchens eine allerdings breite, aber besser functio- nirende Zunge herzustellen, war nicht ausgeschlossen. Wir wurden an der Ausführung dieses Planes durch den schweren Magendarmkatarrh, der das Kind befiel, behindert. Ueber das Schicksal des nicht in Breslau einheimischen Kindes habe ich bislang nichts mehr erfahren können. Hierauf hält Herr Buchwald einen Vortrag Ueber Cannabis-Präparate nebst Bemerkungen über Cannabinonvergiftungen. Trotzdem der indische Hanf in seinen verschiedenen Handelssorten Bhang, Gunjah, Dacca ete. und die Präparate desselben Churrus, Haschisch, Esrar, Haschisch-Madjum u. A. seit sehr langer Zeit im Oriente allge- mein bekannt gewesen, auch die Europäer schon durch die Napoleonische Expedition mit den Wirkungen dieser Mittel vertraut geworden waren, haben herba cannabis indieae und deren Extractformen doch erst spät Aufnahme in den Arzneischatz gefunden. Von einer allgemeineren An- wendungsweise dieses bei Arabern und Hindus als Berauschungsmittel geltenden Arzneistoffes haben die Aerzte bis in die neueste Zeit wegen der Unsicherheit der Präparate und unangenehmen Nebenwirkung Ab- stand genommen, Trotz zahlreicher Untersuchungen ist es bislang noch nicht festgestellt, welches das wirksame Prineip der Cannabis indica ist. Ausser den offieinellen Präparaten wurden aus der Hanfpflanze folgende Stoffe, denen zum Theil die berauschende, opiumähnliche Wirkung zugesprochen wurde, dargestellt: Cannabin oder Haschischin von T. und H. Smith; Oxycannabin von Martius; Cannaben und Cannaben-Wasserstoff von Personne; Cannabinin von Siebold und Broadbury. (Alecaloid), Ausgedehntere streng wissenschaftliche Untersuchungen, namentlich experimentelle an Menschen, sind mit keinem dieser Mittel angestellt worden und haben sich dieselben auch im Arzneischatz nicht einge- 4er 59 Jahres - Bericht bürgert. Eine neue Aera der Cannabis-Präparate beginnt mit der Her- stellung des Cannabinum tanniecum Merck und den Untersuchungen Fronmüller’s. Letzterer empfahl es als ein Ersatzmittel des Morphium für gewisse Fälle. Das amorphe, gelblich oder bräunlich graue Pulver ist von schwachem Hanfgeruche, etwas bitterem stark zusammenziehendem Geschmacke; in Wasser, Weingeist, Aether löst es sich wenig. Während Fronmüller anfangs kleinere Dosen anwendete, stieg er später zu grösseren; die Pharmacopoe-Commission, welche dieses Präparat eventuell später in den Arzneischatz aufgenommen wissen will, bezeichnet 1 Gramm als Maximalgabe pro Dosi, 2 Gr. pro die. Die gewöhnlichen hypno- tischen Gaben Fronmüller’s schwankten zwischen 0,15 und 0,25 Can- nabinum tannicum. Sie genügten in den meisten Fällen, einen ruhigen Schlaf herbeizuführen, ohne störende Nebenwirkungen erkennen zu lassen; namentlich wird als werthvoll hervorgehoben, dass es im Gegen- satz zu Opium und Morphium die Secretion und Darmthätigkeit nicht hemmt. Intoxicationserscheinungen wurden nur nach grossen Gaben 0,5 . und darüber beobachtet, doch wurden je nach der Natur des Leidens auch Gaben von 0,5—1,5 verabreicht. Gegen mannigfache Angriffe hat Fronmüller später das Mittel in Schutz genommen; während Hiller Cannabinum tannicum schon kühler beurtheilt, Eickholt nur bei grösseren Gaben (0,5 Gramm) Schlaf eintreten sah, hebt Pusinelli auf Grund seiner Untersuchungen hervor, dass es bei rein nervöser, habi- tueller und neurasthenischer Schlaflosigkeit, sowie bei Agrypnie an schmerzlosen Affeetionen leidender Kranker ein brauchbares Mittel sei, obgleich der Erfolg nicht immer ein sicherer zu nennen war. Ein schmerzlinderndes Mittel ist es nicht. Kleine Dosen nützen nichts, es schwankt die Dosis zwischen 0,3 und 1,5. Da jedoch nach seiner Ansicht das Mittel gefahrlos ist, wählt man lieber gleich 0,5—1,0. Angewöhnung ist ebenfalls zu bemerken, auch fehlen nicht die unan- genehmen Nebenwirkungen, wie Schwindel, Eingenommensein des Kopfes, in einzelnen Fällen tritt statt Beruhigung das Gegentheil ein: Erregung, nervöse Unruhe, erhöhte Schlaflosigkeit. Ich habe das früher theuere, gegenwärtig billig gewordene Präparat in zahlreichen Fällen in der Hospital- und Privatpraxis angewandt und kann mich den Auseinander- setzungen der das Mittel kühler beurtheilenden Autoren nur anschliessen. Es steht an Wirksamkeit hinter den gebräuchlichen Hypnotieis, Mor- phium, Chloral, Paraldehyd entschieden zurück. Auch will ich besonders hervorheben, dass die erregende Wirkung bei dazu neigenden Personen ‘häufig so unangenehmer Art ist, dass derartige Kranke den Weitergebrauch entschieden verweigern. In einzelnen Fällen sah ich gar keine Wirkung. Hätte das Cannabinum tannicum allseitig befriedigende Resultate gegeben, würden auch nicht so kurze Zeit darauf wieder neue Prä- parate in den Handel gekommen sein. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 53 Das von Matthew Hay dargestellte Strychnin ähnliche Wirkung entfaltende Tetano-Cannabin kommt für therapeutische Zwecke zunächst nicht in Betracht. Mehr interessiren den practischen Arzt die von Bombelon in Neuenahr dargestellten Präparate: das Cannabinum purum, Cannabinonum und das nicht mit den von früher bekannten Haschisch - Präparaten identische Haschisch, welches nach Bombelon aus Cannabin, a nabinon und Tetanin (Tetano-Cannabin?) bestehen soll. Das grünlich braune, geschmacklose, lufttrockene, nicht klebende, pulverförmige Cannabinum purum stellt Bombelon durch Zerlegung des Cannabinum tannicum mittelst Zinkoxyds her. Es soll in Gaben von 0,05 — 0,1 sicherer wirken, als das gerbsaure Salz und frei von unangenehmen Nebenwirkungen sein, Ausser dem Cannabinum purum kommt nach Bombelon die schlaf- machende Wirkung des indischen Hanfes besonders dem Cannabinon zu; unter diesem Namen kommt ein Präparat in den Handel, welches die Consistenz eines Weichharzes besitzt. In der Kälte ähnelt es einem weichen Extracte, in der Wärme bildet es einen dickflüssigen, braunen, durchsichtigen Balsam von starkem aromatischem Geruch und scharf bitterem, etwas kratzendem Geschmacke. Es ist in Wasser unlöslich, in Aether, Alcohol, Chloroform, Petroleum-Aether, Benzol, Schwefel- kohlenstoff, ätherischen und fetten Oelen löslich. Als Dosis wird 0,1 gegeben; 0,05—0,1 sollen keine unangenehmen Nebenwirkungen besitzen, auch wird 0,1—0,3 als ungefährlich angesehen. Es soll am besten mit Coffea tosta pulv. dispensirt werden, Die Anpreisungen Bombelons hatten zur Folge, dass verschiedene Aerzte mit diesem angeblich so prompt wirkenden Mittel, mit dem man kleine Dosen Morphium eventuell verbinden sollte, Proben anstellten. Von den einschlägigen Arbeiten hebe ich besonders die von Richter, Blumenthal, Gnauck, Mendel hervor. Besonders interessant sind die Angaben Richters, welcher Can- nabinon für ein gutes Mittel hält. In Dosen von 0,1, welche auf 0,2—0,3 erhöht werden konnten, hat er nennenswerthe Misserfolge nicht gesehen. Er unterscheidet, was immer hervorzuheben ist, zwischen der Anwendung solcher Mittel bei Geistesgesunden und Geisteskranken, auch ist die Zeit der Einnahme eines derartigen Beruhigungsmittels in Betracht zu ziehen. Abends wirkt es besser als morgens, auch ist es nicht gleichgültig, ob man nach Einnahme von Cannabinon umher- geht oder lieg. Durch 0,1 Cannabinon sollen nicht geisteskranke Individuen einen ruhigen Schlaf erzielen, der von keinen unangenehmen Nachwirkungen am folgenden Tage begleitet ist. Misserfolge hatte er übrigens auch zu verzeichnen: bei einer Dame, die umhergegangen war, trat ein Cannabinoncollaps ein, 54 Jahres- Bericht Vogelsang, der Cannabinon auf der Frauenabtheilung in Dalldorf gebraucht, es auch subeutan verwandte, fand nur geringe Wirksam- keit; er sah unangenehme Nebenwirkungen; Blumenthal berichtet schon über schwere Störungen nach 0,1 Cannabinon. Es trat Schwere in den Extremitäten, Zuckungen, Schwindel, erschwerte Sprache, starke Unregelmässigkeiten des Pulses, sowie erheblicher Meteorismus auf. Gnauck, der übrigens in einem Falle bis 0,7 Cannabinon gab, hält es für ein beachtenswerthes Mittel, dessen Anwendung zwar nicht ohne Bedenken sei und namentlich hinter dem Chloral zurückstehe; Mendel glaubt, dass Cannabinon bei hysterischen Personen gut verwendbar sei. Dass bei geistesgesunden Personen schon 0,1 g Cannabinon bereits Intoxieation, 0,2 g höchst bedrohliche schwere Vergiftung hervorrufen können, mögen folgende Fälle zeigen. Einem kräftigen, 23jähr. Mädchen, nicht nervös beanlagt, verordnete ich wegen Schlaflosigkeit, hauptsächlich durch Zahnschmerzen veran- lasst, Pulver von Cannabinon mit Coffea tosta in Dosen a 0,1 Canna- binon; da das erste Pulver keine Ruhe schaffte, wurde ein zweites nach einer halben Stunde genommen. Schon nach einer halben Stunde fühlte die Dame, halb im Schlafe, im rechten Arme und linken Beine ein nervöses, schnell zunehmendes schmerzhaftes Zucken und erhebliches Angstgefühl; es traten Herzpalpitationen und das Gefühl, dass sie nicht recht bei Sinnen sei, ein. Der Geruchssinn war so geschwächt, dass die von ihr in der Angst ergriffene Eau de Cologne nicht pereipirt wurde. Würgen und Erbrechen folgte bald darauf; auf Fragen wurden nur höchst knappe Antworten gegeben, Todesgefühl beschlich die Kranke, neben dem Gefühl der höchsten Prostration, dabei waren Hallueinationen vorhanden. Die Kranke selbst schilderte es folgendermassen: Ich streckte mich, liess mich noch einmal etwas aufrichten, sank wieder zurück, rollte die Augen, ich wusste, dass ich nun sterben müsste, Verwesung und Ewigkeit waren mir gleichgültig, aber mit einer gewissen Neugier beobachtete ich, welcher Herzschlag der letzte sein würde und ob, ich die Stockung des Blutes fühlen würde. Ich fühlte das Bedürfniss, dass etwas geschehen müsste, um den verwirrten Kopf in Ordnung zu bringen und forderte Schläge, die ich natürlich nicht erhielt; ich glaubte mit Bestimmtheit tobsüchtig zu werden, in allen Gliedern hatte ich krampf- hafte Empfindungen, glaubte jeden Augenblick an die Decke geschleudert zu werden und um dies zu verhindern, umfasste ich alles krampfhaft, was in meiner Nähe war. Die Kranke machte den Angehörigen den Eindruck einer sterbenden Geistesgestörten. Bei meiner Ankunft hatte der Zustand seinen Höhepunkt erreicht (etwa 2 Stunden nach Einnahme des ersten Pulvers). Die Kranke sah vollkommen verstört aus, sprach theils richtige, theils verkehrte Worte, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 55 klammerte sich wegen ihres Angstgefühls fest an mich an, der Puls war voll, irregulär, die Pupillen weit, starr, die Temperatur nicht erhöht. Wilde Hallucinationen waren vorhanden, abwechselnd Unruhe und Pro- stration. Stuhl und Urin wurden unwillkührlich entleert. Zeitweise war die Besinnung vollkommen verschwunden; lebhaftes Durstgefühl machte sich geltend. Allmählich trat Ruhe ein, welche bis zum Morgen andauerte. Auch der folgende Tag war nicht frei. Ausser erheb- lichem Schwächegefühl war die Angst vorherrschend, dass der Zustand wiederkehren würde. Es bestand Schlaflosigkeit, nebenbei das Gefühl, die Besinnung würde schwinden; auch waren noch Hallucinationen vor- handen, Herz und Kopf schienen zwei getrennte Dinge zu sein, von denen jedes allein einschlafen müsste; die Sprache war wie gelähmt; kurzer Schlaf wechselte mit Unruhe, auch wurde wirres Zeug gesprochen. In den Extremitäten war Kribbelgefühl. Fast 4 Tage dauerte der Zustand in immer schwächer werdender Intensität an. Die Behandlung bestand in warmen Bädern, Kaffee, Excitantien, kalten Begiessungen, Aehnliche Erfahrungen machte College Janicke. Er gab einem 26jährigen Manne (Referendar), der an Schlaflosigkeit in Folge geistiger Ueberanstrengung litt, eine Dosis Cannabinon von 0,1 vor dem Schlafen- gehen. Kurze Zeit darauf trat Benommensein des Kopfes, starke Ex- eitation, die ihn aus dem Bett trieb, auf. Er war so unruhig, hallu- einirte so stark, dass er von 2 Personen kaum gehalten werden konnte, Gleichzeitig klagte er über Schwächung der Sehkraft. Die Störungen dauerten in obiger Intensität 7 Stunden an, dann trat Schlaf ein. Beim Erwachen wurde über Benommensein des Kopfes, sowie Schwachsichtig- keit geklagt. Erst am dritten Tage waren die letzten Spuren der Canna- binonwirkung verschwunden. Erwähnen wollen wir gleich, dass in beiden Fällen Bombelon’sches Cannabinon verwendet worden war. Obige Fälle, welche das ganze Bild eines schweren Hanfrausches, in seiner unangenehmen Seite, erkennen lassen, zeigen recht deutlich, dass man in der Privatpraxis mit der Anwendung vorsichtig sein soll. Von einem unschuldigen Mittel ist keine Rede, und kann ich nach den gemachten Erfahrungen die Collegen nur warnen, mit einem nicht einmal zuverlässigen Mittel weiter zu experimentiren. Ob das neue, von einem zuverlässigen Autor, Herrn Denzel, empfohlene Präparat, der Balsamum cannabis indicae Denzel, sicherer wirkt und namentlich frei von derartigen Erscheinungen ist, weiss ich aus eigener Erfahrung nicht. Denzel behauptet dies in seiner darauf bezüglichen Ankündigung. Bekanntlicherweise wirkt der indische Hanf je nach der Individualität wesentlich verschieden; ob das neue Präparat davon eine Ausnahme machen wird, erscheint mehr denn fragiich. Es soll in Dosen von 0,1—0,3 zur Anwendung kommen, und empfiehlt Denzel folgende Formel: 56 Jahres - Bericht Bals. cannab. indie. Denzel 3,0 Pulv. radieis liquiritiae 5,0 M. fiant pilulae 30. Wer obige Wirkung der Haschisch-Präparate einmal an sich ver- spürt, wird kein Verlangen tragen, die merkwürdigen Wachträume nach Haschisch-Genuss, welchen ein Herr Deegen und ein Arzt dem ge- bildeten Publikum anpreist, noch einmal kennen zu lernen. Genannter Herr verschiekt einen Prospect, in welchem das höchst interessante Genussmittel angepriesen wird. ‚‚Jeder gebildete Mensch soll es wenigstens zur Probe, um darüber sprechen und urtheilen zu können, kennen lernen.“ Für 10 deutsche Reichsmark kann man 12 Mal einige Stunden lang in Mohammed’s Paradies versetzt werden. Hoffentlich wird die Sanitätspolizei diesen paradiesischen EEE ER rechtzeitig ein Ende bereiten. Sitzung vom 17. Juli 1885. Herr Rosenfeld spricht Ueber Acetonurie., Ausgehend von der von Biermer, Jänicke und Ebstein ge- fundenen Thatsache des Auftretens der Eisenchloridreaetion — der Acetessigsäure — bei Eiweissdiät der Diabetiker unter- suchte der Vortragende diesen Punkt an drei Diabetikern, bei welchen diese Beobachtung eine Bestätigung fand. Zugleich wurde bemerkt, dass dabei in noch viel eclatanterer Weise, als Diaceturie hochgradige Acetonurie eintrat. Eine Untersuchung des Harns, welche von 2 Stunden zu 2 Stunden vorgenommen wurde, ergab bei einem der Fälle an einigen Tagen ein Ansteigen der Acetonausscheidung nach dem nur aus Fleisch bestehenden Mittagsmahl und Abendessen, ein Absinken während der nächtlichen Essens- pause, darauf morgendliches Ansteigen und abendliche Acme. Einen viel schärferen Parallelismus zwischen Fleischaufnahme und Acetonurie bietet ein anderer Diabetiker dar, bei welchem Eiweissdiät die Ausscheidung höchster Mengen von Aceton hervorruft, Diese Acetonurie sinkt aber sofort, oder ver- schwindet, wenn Pat. von Kohlehydraten nur 80 gr Semmel oder 20 gr Zucker geniesst. Man kann in einer hergestellten Curve an der ‚Acetonurie geradezu die Diät ablesen. Diese Reaction auf Eiweissdiät wurde auch am gesunden Menschen studirt. Es wurden an 3 Medicinern 5 Versuchsreihen gemacht, welche übereinstimmend das Resultat ergaben, dass nach ca. 48 Stunden höchste Acetonurie eintrat, welche während der Eiweissdiät fort- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 57 bestand, um sogleich mit dem Uebergang zu gemischter Kost aufzuhören. Nachdem diese Coineidenz von Eiweissdiät und Acetonurie festgestellt ist, geht der Vortragende zu der Frage über, auf welchem Wege die Eiweissdiät Acetonurie hervorruft. Es wird die augenblicklich ver- sicherte Möglichkeit herausgewählt, welche in der Annahme sgipfelt, dass die Eiweissdiät durch ihre Säurewirkung Acetonurie hervor- rufe. Der S in den Albuminaten verwandelte sich in H,SO, und wirkt so als Säure alkalientziehend. Diese Alkaliverarmung des Organismus schädigt alle Oxydationen, und als unvollendete Oxydationsstufe erscheint Aceton und ähnliche Körper. Diese Ansicht weist der Vor- tragende zurück, indem er sich auf 2 Experimente stützt: wenn man nämlich gesunde Menschen zu kohlehydratreicher Kost so viel Säure verabreicht, als sie durch die Fleischdiät zu sich nehmen, so zeigen sie keine Acetonurie, zweitens aber kann man die Eiweiss- kost alkalisiren und sie ruft trotzdem Acetonurie hervor. Vortragender schliesst hieraus, dass die Säurewirkung der Fleisch- diät nicht die Ursache der Acetonurie sein kann. Ebenso wurden einer Diabetica mit Acetonurie Alkalien verab- reicht, ohne dass die Acetonausscheidung beeinflusst wurde. Uebergehend zu der Frage, ob sich das Aceton aus den Kohle- hydraten, den Albuminaten des Organismus, oder den Albu- minaten der Nahrung bei der Eiweissdiät bildet, hebt Vortragender hervor, dass die Menge der Kohlehydrate bei Eiweissdiät zu gering sei, um aus ihnen das Aceton herstammen zu lassen, Ausserdem reiche eine Kohlehydratmahlzeit hin, um bestehende Acetonurie verschwinden zu machen. Dazu kommt, dass, wenn man der Menge Fleisch, welche, ausschliesslich genossen, höchste Acetonurie hervorruft, Kohlehydrate hinzusetzt, die Acetonurie nicht eintritt, sodass die Kohlehydrate eher die Bildung des Aceton verhindern, als hervorrufen. / Zuletzt führt der Vortragende noch alle Bedingungen an, unter welchen sich Aceton im Harn findet und hebt als gemeinsam den Um- stand hervor, dass stets der Eiweisszerfall bei ihnen sehr erhöht ist. 1. Acetonurie tritt beim gesunden Menschen auf, wenn er ausschliesslich mit Eiweiss genährt wird: dabei ist der Eiweiss- zerfall das entschieden hervorstechendste Moment des Stoff- wechsels, da die Kohlehydrate an Menge ganz verschwindend sind. 2. Acetonurie tritt bei vielen Fällen von Diabetes — ohne Eiweiss- diät — auf. Beim Diabetes ist ja aber ebenfalls die Vertheilung des Stoffwechsels so, ‘dass vornehmlich die Eiweisskörper zerfallen — Beweis die hohe Harnstoffziffer — und die Veränderungen an den 58 Jahres - Bericht Kohlehydraten gänzlich zurückstehen, wie die mangelhafte Assimilation und Verbrennung der Kohlehydrate ja ausreichend beweist. 3. Aceton tritt bei jedem Diabetiker im Harn auf, wenn er mit Eiweiss allein genährt wird — also unter Bedingungen, wo der ohnehin geringe Stoffwechsel der Kohlehydrate noch mehr einge- schränkt ist. 4. Aceton tritt beim Fieber auf, wo die erhöhte Harnstoffziffer den erhöhten Eiweisszerfall beweist. 5. Aceton tritt im Hungerzustand auf, wo ja ebenfalls die Organe reichlich Eiweiss in die Circulation eintreten lassen. 6. Die Acetonurie tritt nicht nur auf Einführung der Eiweissdiät überhaupt ein, sondern folgt auch getreu der Curve der Eiweissaufnahmen, d. h. auf jede Fleischmahlzeit folgt — beim Diabetes — nach einigen Stunden Acetonurie, die eine Zeit anhält, alsdann nachlässt und erst durch neue Eiweisseinfuhr ver- stärkt wird. Aus allen diesen Thatsachen schliesst der Vortragende, dass sich das Aceton aus den Eiweisskörpern, sei es denen der Nahrung oder des Körpers, bilde. Sitzung vom 30. October 1885. Der Vorsitzende eröffnet die Versammlung mit nachfolgenden Worten: M. H.! Es ist mir heute die traurige Pflicht geworden, mit Einem Male zweier hervorragender Männer hier zu gedenken, die lange Jahre hindurch unserer Gesellschaft angehört, aufs Wesentliehste zu deren Ansehen und Förderung beigetragen haben, deren Thätigkeit aber weit über die Mauern unserer Stadt hinausgereicht, bis in ferne Lande freudige Anerkennung gefunden hat. Denn nicht auf den engen Kreis ihrer hiesigen Schüler in Stadt und Provinz ist ja ihr Wirken beschränkt geblieben, sondern in unablässig fruchtbarer Forscherarbeit haben sie Werkstein um Werkstein zusammengebracht zu dem Aufbau der modernen Mediein, an deren heiss umstrittener Geburt der verstorbene Senior der hiesigen medieinischen Facultät als noch jugendlicher Docent in bewegtem Kampfe theilgenommen hatte. Bis in die letzten Monate ihres Lebens haben sie ihre Erfahrungen belehrend weiter getragen und Werke ge- schaffen, die Gemeingut aller gebildeten Aerzte geworden sind. Und so grundverschieden die Wissensgebiete auch waren, in denen sie ihre Lebensaufgabe erblickten, so grundverschieden auf den ersten Blick die der Vergangenheit zugewandte Richtung des Einen erscheint gegenüber der mitten im realen Fortschritte der Gegenwart stehenden Weise des Anderen, welcher jede neue Erscheinung seines engeren oA Zn 2 m Zu der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 59 Wissensbereiches stets lebendig erfasste, zu verdoppeltem Nutzen weiter zu führen bereit war, — so schmückt doch Beide in gleichem Maasse die Liebe zu ihrer Wissenschaft, der rastlose Eifer zu forschen und zu beobachten, die nimmer ermattende Lust, die Fülle ihrer Erfahrungen in Wort und Schrift mitzutheilen und zu verwerthen. Gestatten Sie mir, m. H., Ihnen die bedeutsamsten Momente aus dem Lebensgange unserer beiden hochgeschätzten Mitglieder mit kurzen Worten ins Gedächtaiss zurückzurufen. Heinrich Häser, 1811 in Rom geboren, verbrachte seine Jugend theils in Lemgo, wo sein Vater dem städtischen Gymnasium vorstand, theils in Weimar. Seine Studienzeit in Jena im Anfange der dreissiger Jahre fiel noch in die Zeit, wo alle deutschen Universitäten von der naturphilosophischen Schule beherrscht waren. Bereits aber machte sich eine lebhafte Reaction dagegen geltend, um die alten Fesseln abzu- schütteln, der exact-physiologischen Richtung, welche sich in Deutsch- land in Johannes Müller verkörperte, zum Siege zu verhelfen. Als sich Häser nach Beendigung seiner Studien und einer grösseren wissen- schaftlichen Reise, sowie einem kurzen Intermezzo als praktischer Arzt, 1837 in Jena habilitirte, war er bald für die neue Richtung gewonnen und half in seiner „Zeitschrift für wissenschaftliche Mediein“ wacker dabei mit, sie immer mehr zum Durchbruch und zur allgemeinen An- erkennung zu bringen. Zu gleicher Zeit legte er in emsiger Geistesarbeit durch ebenso umfassende, als mühevolle Quellenstudien den Grund zu dem Werke seines Lebens, jener Geschichte der Medicin, welche ihm einen dauernden Ruhmestitel in unserer Wissenschaft gesichert hat. In wiederholten Auflagen erschienen — ein doppeltes Verdienst: bei einem rein theoretisch fesselnden Erzeugnisse gelehrten Sammelns und Schaffens — und in mehrere fremde Sprachen übersetzt, hat es das Interesse für historische Studien neu geweckt und durch die wiedereröffnete Einsicht in die Leistungen und Lehrmeinungen längst vergangener Zeiten auch auf die Entwicklung der modernen Mediein mannigfach befruchtend zurückgewirkt. Schon seine Dissertation „Ueber die Natur der Grippe‘ (Influenza) hatte ihn auf das Gebiet der epidemischen Krankheiten geführt: gerade diesem widmete er nun im weitesten Sinne seine Kraft, unter- stützt von einer gediegenen Kenntniss der alten Sprachen und der Litte- raturen aller civilisirten Völker. Das Ergebniss der in dieser Richtung unternommenen rastlosen Thätigkeit ist die „Geschiehte der epidemischen Krankheiten‘, eine wahre Schatzkammer von Wissen und von Belehrung für den Arzt, aber von nicht minder hohem Interesse für den Cultur- historiker und den Philanthropen. Und in der That, eben diese letzteren Seiten seines inneren Wesens sind die Kraft, durch die er erst befähigt ward, jene krankhaften Geschehnisse am Organismus der Menschheit in 60 Jahres-Bericht einem so universellen Lichte zu schauen und zu schildern; fast aus jedem Blatte des Buches leuchten sie uns denn auch entgegen. Sie waren so innig mit seiner Persönlichkeit verknüpft, dass sie dem ganzen Manne das Gepräge verliehen, welcher ebensosehr die Würde, wie die Urbanität und die Menschenfreundlichkeit jener historischen Musterbilder unseres Standes überkommen zu haben schien. — Sein Name und seine Lebensarbeit wird dauern, so lange eine wissenschaftliche Mediein besteht. Oscar Berger, ein Sohn dieser Provinz und unserer Universität, kam schon in früher Jugend nach Breslau, welches ihm bald eine zweite Heimath werden sollte. So ist er denn unter den Augen einer grossen Zahl der hier Versammelten aufgewachsen, von sehr bescheidenen An- fängen zu immer umfassenderer, immer angesehenerer Wirksamkeit emporgestiegen. Manchem unter Ihnen war es vergönnt, als Lehrer an- regend und fördernd auf seinen Entwicklungsgang einzuwirken, Vielen unter Ihnen, ihn als Collegen schätzen zu lernen und ihm als Freund nahe zu treten. Wie oft hat er diesem Kreise mitgetheilt aus einer Fülle von Erfahrungen, die er der Schärfe seiner Beobachtungsgabe verdankte und einem nicht minder grossen Talente für kritische Be- leuchtung des fremden, wie eigenen Erlebten. Wie viele von uns sind Zeugen seines Strebens gewesen, die Gesammtheit fort und fort Tritt halten zu lassen mit den stürmischen Fortschritten seines Special- faches, bis ihn in der Fülle der Manneskraft ein plötzlicher Tod vorzeitig hinweggerissen hat, Ein grosser Theil dieser Beobachtungen ist, in Fachzeitschriften veröffentlicht, allgemein bekannt und gewürdigt worden. Einem Be- rufeneren, als ich es bin, bleibe es vorbehalten, die stattliche Reihe der Einzelarbeiten zu schildern, welche dem Nichtspecialisten natur- gemäss ferner liegen und die Summe dessen zu ziehen, was Berger zum Ausbaue der Neuropathologie beigetragen hat. Einer Frage nur sei an dieser Stelle von mir gedacht, weil sie, hier gestellt und so weit möglich hier beantwortet, eng mit der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur verbunden ist: ich meine den Hypnotismus, dessen wunderbare Erscheinungen er nicht blos an einer Menge gesunder, wie kranker Personen verfolgte, sondern auch im therapeutischen Interesse zu verwerthen bemüht war. Das grösste Verdienst jedoch, welches sich Berger um unsere Universität und Provinz erworben hat, liegt in der Thatsache, dass er hier als der Erste und mit der vollen jugend- lichen Begeisterung des Neuerers die Nervenkrankheiten als besonderes ‘Fach zu lehren unternommen hat. Fussend auf dem festen Boden der Physiologie und der pathologischen Anatomie trat er an die zu behandeln- den Probleme mit all der Schärfe und zugleich Nüchternheit heran, wodurch auf einem so schwierigen Gebiete allein klare Fragen gestellt und bestimmte Antworten erzielt zu werden vermögen. Dieser Methode der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 61 hauptsächlich ist es denn auch zuzuschreiben, dass er seinem Fache rasch zahlreiche Freunde gewann und dass sich nicht nur unsere Studenten, sondern auch eine stattliche Zahl lernbegieriger Aerzte von Nah und Fern in seinem bescheidenen Hörsaale zusammenfanden, um unter seiner Leitung mit den neuen Errungenschaften sich vertraut zu machen. Ein rascher Tod, dem freilich mehrere vernehmbare Mahnungen voraus- gegangen, hat solch vielseitigem Wirken ein allzu frühes Ziel gesetzt. Ich ersuche Sie, m. H., sich zur ehrenden Erinnerung an unsere beiden dahingeschiedenrn Mitglieder von den Sitzen zu erheben! Hierauf stellt Herr Wernicke zwei aphasische Kranke vor. Die eine war vor mehreren Jahren von einem Schlaganfall be- troffen worden, hatte starke Residuen einer früher totalen rechtsseitigen Hemiplegie und Aphasie zurückbehalten. Wie der Vortragende demon- strirte, handelt es sich um einen reinen Fall motorischer Aphasie, denn die Pat. hatte nur wenige unverständliche Laute zur Verfügung, verstand Alles, was zu ihr gesprochen wurde, und war durchaus intelligent. ' Dennoch konnte man in diesem Falle nicht eine Zerstörung der Broca’schen Windung diagnostieiren, denn die Kranke besass die unter solchen Um- ständen erst selten beobachtete Fähigkeit, spontan richtig zu schreiben, was auf Unversehrtheit der Broca’schen Windung, aber Unterbrechung der von derselben ausgehenden motorischen Sprechbahn schliessen lässt. — Die zweite Kranke war ein Beispiel totaler Aphasie, d. h. zugleich moto- rischer und sensorischer. Dieser Befund lässt sonst den Schluss zu, dass die Broca’sche Windung und die I. Schläfewindung zugleich zer- stört sind. Hier war diese Diagnose deshalb nicht statthaft, weil die betreffenden Symptome bei einer paralytischen Geisteskranken nach einem paralytischen Anfalle zurückgeblieben waren, der Satz aber allgemeine Giltigkeit hat, dass die Herdsymptome der progressiven Paralyse nicht zur Annahme einer groben Herderkrankung berechtigen, sondern auf feineren, makroskopisch nicht nachweisbaren Veränderungen beruhen "können. Natürlich kann aber ein Herd von dem betreffenden Sitze auch nicht ausgeschlossen werden. Nachträglicher Zusatz. In der That ergab später die Section das Vorhandensein einer solchen Complication; denn ausser den ge- wöhnlichen Rindenadhärenzen war ein Erweichungsherd vorhanden, der die Broca’sche Windung und die I. Schläfewindung einnahm, Sitzung vom 27. November 1835. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit nachfolgenden Worten: Meine Herren! Abermals hat unsere Gesellschaft einen beklagens- werthen Verlust erlitten: vor wenigen Tagen starb ganz plötzlich unser 62 Jahres-Bericht langjähriges Mitglied, Herr Sanitätsrath Dr. Reinhardt. Seit geraumer Zeit in unserer Stadt inmitten eines weiten Wirkungskreises erfolgreich thätig, hat er sich ebenso sehr durch die Gediegenheit seines ärztlichen Könnens den Dank zahlreicher Patienten, wie durch seine liebens- würdige, öcht ceollegiale Persönlichkeit die aufrichtige Schätzung seiner Standesgenossen erworben. Ich ersuche Sie, sich zu Ehren seines An- denkens von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Hierauf bespricht und demonstrirt Herr Kolaczek einen seltenen Fall einer zum Theil intrathoracalen Struma, die er fünf Wochen vorher durch Operation mit gutem Erfolge beseitigt hat. Diese Struma hatte sich bei einem jetzt 74 Jahre alten Manne im Laufe der letzten 20 Jahre langsam entwickelt, begann aber erst in den letzten Wochen merkliche Beschwerden und zumal beim Steigen ein geräuschvolles, zeitweise sogar pfeifendes Athmen zu verursachen. Bei Körperruhe war die Athmung kaum alterirt. An der linken Halsseite des P. fand sich ein fast mannsfaustgrosser Tumor, der vom Zungenbein bis hinter das Manubrium sterni und den angrenzenden Schlüsselbeinabschnitt hinabreichte, unter Verdrängung des Kehlkopfs und der Luftröhre etwa 3 cm über die Mittellinie nach rechts hinüber sich ausdehnte und nach aussen die grossen Halsgefässe erheblich ver- schoben hatte. Die Geschwulst machte die aufsteigende Schlingbewegung des Kehlkopfs mit, war von normaler, wenn auch verdünnter Haut be- deckt, zeigte eine elastisch derbe Consistenz, war auf Druck schmerzlos und in ihrem Lager ziemlich leicht beweglich. Mit Rücksicht auf die offenbare Gutartigkeit der Geschwulst und die Rüstigkeit des greisen Patienten entschloss sich K. zur Exstirpation derselben mittels eines die untere Hälfte des Tumors umkreisenden Bogenschnitts. Die Auslösung derselben bot, da er eine derbe Kapsel besass, im Allgemeinen keine Schwierigkeiten und liess sich mit nur geringer Blutung ausführen. Nur mit der Luftröhre war er ziemlich fest verwachsen und musste von ihr langsam mit vorsichtig geführten Schnitten abgelöst werden. Ebenso liess sich der untere substernale Fortsatz des Tumors nicht ohne Weiteres unter Emporziehen seines Körpers aus seiner Versenkung herausheben, so dass er nur ganz all- mählich von seiner Umgebung mit präparirenden Schnitten isolirt werden musste. Je weiter aber dies geschah, desto mehr gewann K. die Ueber- zeugung, dass er es nicht mit der gewöhnlichen Form einer substernalen Struma, sondern mit einem tief ins hintere Mediastinum hinabreichenden Tumor zu thun hatte. So war es in der That. Durch fortgesetztes Präpariren wurde zunächst eine ziemlich tiefe Einschnürungsfurche am Tumor blossgelegt, unterhalb welcher derselbe wieder einen grösseren Umfang annahm. Da ihn glücklicherweise nur lockeres Zellgewebe der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 63 umgab, so liess er sich allmählich ganz entwickeln bis auf eine unnach- giebige Stelle an dem thoracalen Abschnitte der Luftröhre. Hier wurde er unter Zurücklassung eines kleinen Stückes abgeschnitten und so das complieirte Verhältniss in der Tiefe dem Auge besser zugänglich ge- macht. Es präsentirte sich nunmehr eine über ganseigrosse Höhle im hintern Mediastinum unmittelbar zur Seite der Wirbelsäule; ihr Boden war mit der Spitze des Zeigefingers eben noch zu erreichen. Der an der Trachea noch festsitzende Geschwulstrest wurde möglichst ent- fernt. — Die Blutung war während der ganzen Operation gering; von grösseren Gefässen brauchte nur die A. thyreoid sup. unterbunden zu werden; die A. thyreoid inf. kam nicht unter das Messer. Auch die Verletzung des N. recurrens erschien ausgeschlossen. Die Trachea zeigte sich säbelscheidenförmig comprimirt, doch nicht in dem Grade, dass eine Tracheotomie nöthig erschien, da bei der Palpation die Spitze des Zeigefingers zwischen den Enden der Knorpelringe noch Platz hatte. Von einer Ausspülung der Wundhöhle nahm K. Abstand, wie er dies bei reinen Wunden gewöhnlich thut. Nur bezüglich der Versorgung des mediastinalen Abschnitts der Wundhöhle war er anfangs im Zweifel. Da nun die Drainage derselben mit allzu grossen Schwierigkeiten ver- bunden erschien, so entschied er sich, gestützt auf seine Erfahrung, dass Jodoformgaze die Secretion der Wundflächen sehr beschränkt und ausserdem eine gute capillare Drainage unterhält, für eine lockere Ausfüllung der Höhe mit Jodoformgaze, zumal eine rasche Obliteration derselben durch das Andringen der Brusteingeweide erwartet werden konnte. Nachdem der obere Abschnitt der Wundhöhle eine Drainage für sich erhalten, folgte die genaue Naht der äussern Wunde. Der Wundverlauf erfuhr nicht die geringste Störung. Vom fünften Tage ab wurde die aus der Fossa jugul. hervorragende Gaze nach und nach entfernt. Nach Ablauf von 14 Tagen war die Heilung bis auf eine kleine Drainfistel beendet. — Sofort nach der Operation fiel eine vorher nicht bestandene Ver- kleinerung der Lidspalte und Pupille des linken Auges auf, eine Er- scheinung, die ihren Grund in einer Verletzung des Halssympathicus bei der Operation haben musste. Gleichzeitig war nicht zu übersehen, dass die infraorbitale Gesichtspartie frei von Falten war, die rechterseits an entsprechender Stelle deutlich ausgeprägt erschienen. Vom vierten Tage nach der Operation ab stellte sich eine leichte Heiserkeit ein, die zu- nächst für accidentell gehalten wurde, späterhin aber als Folge einer Parese des linken Stimmbandes sich herausstellte. K, demonstrirte darauf den exstirpirten Tumor, der aus einem fast mannsfaustgrossen, ovalen oberen, der äusseren Struma entsprechenden und einen etwas kleineren, mehr rundlichen und mit dem vorigen durch eine ziemlich derbe Bindegewebsbrücke verbundenen untern Abschnitte 64 Jahres - Bericht bestand. Der obere, allseitig von einer derben Kapsel eingeschlossen, stellte eine blutreiche, von einzelnen hämorrhagischen Herden und Kalk- plättehen durchsetzte hypertrophische Kropfform dar; der untere dagegen entbehrte nur an der der Verwachsung mit der Trachea entsprechenden Stelle einer capsulären Abgrenzung, war zum grösseren Theil von einer mit halbflüssigen Zerfallsproducten angefüllten Cyste eingenommen, wäh- rend der Rest aus einer derben, homogen weissen Gewebsmasse bestand, die mikroskopisch als in careinöser Entartung begriffenes Schilddrüsen- gewebe sich erwies. K. scheidet seinen Fall aus der Kategorie der substernalen Strumen, zu welchen nur der obere Abschnitt der Geschwulst gehört, ab und giebt der ganzen den Namen einer zum Theil intrathoracalen Struma, wie eine solche in reiner Form bisher nur Krönlein (Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. 20, S. 93 u. ff.) beschrieben zu haben scheint. Die äussere Kropf- geschwulst hat sich wohl nur aus einem Theil des linken Schilddrüsenlappens entwickelt, da, sie in keinem organischen Zusammenhange mit dem Isthmus stand und die Unterbindung einer A. thyreoid. inf. nicht nöthig wurde. Die pectorale Geschwulst ist dagegen unzweifelhaft aus einer Nebenschilddrüse entstanden. Durch die merkwürdige Coincidenz einer einfach hypertrophischen und einer carcinös degenerirten Struma wird die genugsam bekannte Eigenthümlichkeit der Schilddrüsengeschwälste nur noch weiter illustrirt. Zum Schluss stellte K. den operirten Kranken selbst vor. Die der Heiserkeit zu Grunde liegende Lähmung des linken Stimmbandes führte er, da sie erst einige Tage nach der Operation sich bemerklich ge- macht hat, auf irgend eine während der Heilung der Wunde aufge- tretene Alteration des Recurrens, etwa auf den Narbendruck, zurück. — Die Folgen der Lähmung des Halssympathicus (Verengerung der Lid- spalte, Myosis, Zurücktreten und geringere Resistenz des Augapfels, Ver- strichensein der infraorbitalen Gesichtsfalten) waren noch unverändert vorhanden. Anderweitige Störungen im Sympathicusgebiete konnte K. nicht feststellen. Das bisher nicht beobachtete Verstrichensein der erwähnten Gesichtsfalten kann K. nicht auf vasomotorische Störungen zurückführen, da in solchem Falle die ganze Gesichtshälfte die erwähnte Veränderung zeigen müsste, atrophirt ja bekanntlich nach langer Dauer der Sympathieusläihmung die ganze Gesichtshälfte in leichtem Grade. Er möchte vielmehr einen beschränkten, bisher noch nicht bekannten Einfluss des Sympathieus auf die erwähnte Gesichtspartie annehmen. Schliesslich stellt Herr Fritsch eine Kranke vor, bei welcher wegen Ureterenfistel eine Niere exstirpirt ist und knüpft daran folgende Bemerkungen: Die Exstirpation einer Niere ist seit Simon’s Vorgang aus den verschiedensten Indieationen gemacht. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 65 Gross giebt eine Zusammenstellung der Nephrektomien. Danach ist die Casuistik auf 233 Fälle angewachsen. Die Mortalität beträgt 44,63 pCt., also fast dieselbe wie die von Czerny’auf 44,4 pCt. angegebene. Unter diesen 233 Fällen ist die Nephrektomie 12 Mal wegen Ureterenfistel gemacht. Die 2 hiesigen Fälle folgen: 1. Frau H. O., 41 Jahre alt, am 4. April 1885 in die Frauen- klinik zu Breslau aufgenommen, hat 6 Mal entbunden, 5 Mal spontan, die 6. durch Perforation und Kranioklasie beendet 19. Februar 1885. Im letzten Wochenbett lange Zeit krank. Bald nach der Geburt trat Urinträufeln ein; der Urin läuft in allen Körperpositionen unwillkürlich ab, besonders aber im Liegen. Einen Theil Urin kann Pat. auch spontan lassen. Befund. Mittelgrosse, gracil gebaute, etwas anämische Frau. Herz und Lungen gesund. Scheide weit, glatt, lang, Scheidenwände leicht descendirt, Portio ein kleiner, narbiger, harter Stumpf, auf der linken Seite ein Defeet, Muttermund Querspalte, setzt sich nach links in einen tiefen Einriss fort. Von einer Harnröhren- oder Blasenscheidenfistel nichts zu fühlen. Corpus uteri klein, wenig beweglich. Im Speculum sieht man den kleinen Portiorest, links fehlt die Portio völlig; eine lange Narbe setzt sich triehterförmig ins Parametrium fort. Um genaueren Aufschluss zu erhalten, wurde die Blase mit einer lauwarmen Saliceyllösung ausgespült, aber weder aus der Blase, noch aus dem Uterus sah man die Flüssigkeit abfliessen. Dagegen träufelte aus der trichterförmigen Vertiefung links der Urin langsam ab. Es wurde also die Diagnose auf Ureterscheidenfistel gestellt. Bei einer nochmaligen Untersuchung wurde die linksseitige Narbe durchschnitten, so dass man durch Auseinanderhalten der Wundränder weit in die Tiefe sehen konnte. Nach vielfachen Sondirungsversuchen gelang es uns endlich, die Pawlik’schen Uretersonden in den Ureter einzu- führen; es entleerte sich langsam tropfenweise klarer Urin durch die Sonde. Es wurde der Pat. die Exstirpation der Niere vorgeschlagen, worauf sie bereitwilligst einging. Nach den üblichen Vorbereitungen wurde die Nephrektomie am 2. Juli 1885 ausgeführt. Nach Cred&’s Vorgang wurde, um den Zwischenraum zwischen 12. Rippe und Crista ilei zu ' vergrössern, ein Rollkissen untergeschoben. Operation nach Simon. Die Losschälung der Niere aus ihrer Kapsel war nicht sehr schwer. Die Niere wurde mit zwei Fingern umgriffen, gegen die hintere Bauchwand gedrückt und so weit hervor- gezogen, dass sie in der Wunde lag und man unter sie mit dem Ligatur- faden kommen konnte. Um Ureter und Gefässe wurde eine doppelte seidene Gesammtligatur gelegt und die Enden zur Wunde herausgeleitet. Um das Abgleiten der Ligatur zu vermeiden, wurde zunächst beim Ab- trennen der Niere das ganze Nierenbecken nebst einigen Partikelchen der Niere am Stumpf gelassen, sodann mit der Cooper’schen Scheere 1885. ) 66 Jahres - Bericht der Stumpf zurechtgeschoitten, jodoformirt und versenkt. Nachdem die Wundhöhle mit leichter Carbollösung ausgespült und rein getupft war, wurde der obere und untere Wundwinkel durch die Naht geschlossen; in die Mitte wurde ein mächtiger Jodoformgazebausch eingelegt. Drains wurden nicht gebraucht. V. wendet dieselben überhaupt nicht mehr an, sondern ersetzt sie durch lange Streifen Jodoformgaze, welche in die Höhlenwunde, tampo- nirend, vorsichtig eingeführt werden. Dauer der Operation 20 Minuten. Nach der Operation etwas Er- brechen, Urin per Katheter entleert, 350 cem, blutig- gefärbt, etwas Eiweiss. Temp. 37,4, Puls 100. 3. Juli. Temp. 37,5, Puls 100. Urin spontan, klar, 320 cem, kein Eiweiss. Verbandwechsel, Wunde secernirt stark blutig, sieht gut aus. Neuer Jodoformstreifen eingelegt. Der ganze weitere Verlauf war vollständig fieberfrei. Erscheinungen, wie sie Simon beschreibt, wie Erbrechen, kalter Schweiss, Exaltationen sind nie beobachtet worden. Jeden zweiten Tag wurde der Verband gewechselt. Als die Secretion geringer geworden war, wurden, um die Granulationen anzuregen, Kampherweineinlagen gemacht. Am 26. Tage konnte die lockere Ligatur leicht herausgezogen werden. Von da ab ging die Heilung rasch von statten. Pat. befindet sich vollkommen wohl. Eiweis im Urin ist vom 2. Tage an nicht bemerkt worden. Ueber Temperatur, Harnmenge und Puls giebt nachfolgende Tabelle Aufschluss: E Temperatur und Puls Harnmenge a on; er ‚Morgens ).5 jisaia,c Abends... ln Ze 2. 36,8 — 84 38,0 — 100 350 ccm 3. 37,5 — 100 37,5 — 108 320 „, 4. 37,5 — 96 37,6 — 96 ZEHFL.;; 5. 37,8 — 104 37,6 — 108 450 „, 6. 37,9 — 104 37,5 — 100 550 „ dr. 36,9 — 100 37,4 — 104 550 ,„ 8. 37,2 — 9% 37,6 — 100 ARD 9. 37,1 — 88 37,3 — 92 700. „ 10. 38,2 — 96 37,0 — 100 1500 ,„, 11 37,4 — 92 37,7 — 104 2000 „, 12 37,0 37,3 1330 „, 13 37,4 37,0 1510 „, 14 36,7 37,2 840 „, 15 36,9 37,4 1600 „, 16 36,9 37,1 1770 17 37,1 37,0 17809, 18 36,8 37,2 2400 ,„, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 67 Die makroskopische und mikroskopische Untersuchung ergab eine frische Nephritis, welche V. auf die vielen Sondirungen des Ureters bezog. Jedenfalls war, da bei diesen Versuchen eine strenge Anti- sepsis, wie bei Laparotomien, nicht für nöthig gehalten, eine Infection und Verletzung des Ureters eingetreten. Der Umstand, dass die Ver- änderung in der Niere ganz frisch und dass dem Urin post operationem keine pathologischen Substrate beigemengt waren, beweisen diesen Zusammenhang. Pat. ist jetzt circa 6 Monate nach dem Eingriff völlig gesund. 2. Bertha Wolf, 25 Jahre alt, wurde am 17. April 1882 in die Klinik aufgenommen. Pat. befindet sich also 3'/, Jahre in Behandlung. Dieselbe hat 1 Mal entbunden am 2. Februar 1880, Forceps, Knabe todt, Geburtsdauer 24 Stunden. Im Wochenbett schwer erkrankt, oft Schüttelfrost und hohes Fieber. Erst 8 Wochen post partum war Pat. im Stande, sich zu setzen, nach 3 Monaten zu gehen. Menstruirt war sie stets regelmässig; 19 Wochen nach der Entbindung trat die Periode wieder ein, regelmässig, aber schwach, einen Tag anhaltend. Bald nach der Entbindung trat unwillkürlicher Urinabgang ein; daneben aber konnte auch Urin spontan gelassen werden. Befund: Kleine, kräftig gebaute, gesunde Person. Ganz geringes Erythem in der Umgebung der Genitalien. Dist. spin. il. 25 cm THar. erst. il... 208 ,, Baudeloque N Machine Conj. diag. 10. ,, Conj. vera 8.5. „taxizt. Scheide sehr lang, glattwandig, ohne Narben. Ein eigentliches Scheidengewölbe ist nicht vorhanden, sondern das obere Ende der trichter- förmig sich verengenden Scheide ist rechts an die Linea innominata eirca am Ende des queren Durchmessers angewachsen. Dort fehlt eine Portio, nur fühlt man ganz hoch oben eine Härte, welche wohl als Portiostumpf zu deuten ist. Von der Scheide und den Bauchdecken aus ist ein Uterus nicht zu fühlen, wohl aber fühlt man ein Rudiment desselben ganz rechts vom Mastdarm aus. Im Speculum wird Milch in die Harnblase injieirt; dieselbe bleibt zurück und kann spontan entleert werden, nichts tritt in die Vagina über. Dagegen tropft aus dem rechtsseitigen Trichter eine geringe Urinmenge ab. Dieser Trichter, welcher zur vaginalen Quelle des Urins führt, ist sehr lang und ganz schlaffwandig, so dass man wohl mit dem Finger eindringen, aber das Ende durch das Speeulum nicht zu Gesicht bringen kann. Sondirungsversuche, die wiederholt gemacht wurden, liessen die Oeffnung des Ureters nicht auffinden. Vielleicht öffnete sich der Ureter in das Uterussegment. Pat. menstruirt regelmässig. Fr 68 Jahres-Bericht Diagnose: Uterus-Ureterfistel. Um die Pat. von ihrem Leiden zu befreien, wurde beschlossen, zuerst eine künstliche Blasenscheidenfistel anzulegen und dann dicht darunter die Kolpokleisis zu machen. Zwar musste man sich sagen, dass der Urin beim Pressen leichter in die Scheide als in die Harn- röhre laufen würde, weil an der Fistel kein Hinderniss, an der Urethra ein Sphincter vorhanden war. Indessen kam es auf einen Versuch an. Möglich war es ja auch, dass bei starkem abdominellen Druck der vaginale und vesikale Urin als eine, gemeinsam unter dem durch Pressen verstärkten abdominellen Druck stehende, Flüssigkeit aus der Harnröhre ausgepresst werden würde. Es würde zu weit führen, hier sämmtliche Operationen, um den genannten Zweck zu erreichen, zu beschreiben. 16 Mal wurde es versucht, die in der Kolpokleisis restirenden kleinen Oeffnungen zu schliessen, aber es gelang nicht auf die Dauer. Mehrmals war die Heilung gelungen. Der Urin träufelte durch ein Drainrohr ab, welches durch die Harnröhre und Fistel in die Vagina ging. Sobald der Drain am 6. oder 7. Tage bei völlig geheilter Kolpokleisis entfernt wurde, bekam Pat. heftige Schmerzen und Drängen, die Wunde wurde von ein- ander getrennt und der Urin kam wieder aus einer kleinen Fistel in der Kolpokleisis heraus. Da somit keine Heilung zu erzielen war, wurde die Niere zu exstirpiren beschlossen. | Die Kolpokleisis wurde wieder eröffnet und die künstliche Blasen- scheidenfistel geschlossen. Beides machte natürlich keine Schwierig- keiten. Der Zustand war nun derselbe, wie vor der ersten Operation. Es kam jetzt darauf an, festzustellen, welcher Ureter der verletzte sei, um nicht etwa die falsche Niere zu exstirpiren. Im Speculum sah man die verheilte Blasenfistel fest geschlossen, auf der linken Seite war Alles normal, dagegen führte rechts ein langer Schlitz in die Tiefe. Die Portio war nach dieser Seite hin verzogen. Mit Sonden kam man wohl in die Tiefe, aber den Ureter zu katheterisiren gelang nicht. Da jedoch es nicht leicht möglich war, dass der linke Ureter so weit nach rechts verzogen sein sollte und da rechts der tiefe Trichter bestand, so musste man auf eine rechtsseitige Ureterfistel schliessen. Am 31. October 1885 wurde die Nephrektomie ausgeführt» Die Operation geschah in gleicher Weise wie bei dem ersten Fall. Unglück- licherweise war trotz des untergelegten Rollkissens der Zwischenraum zwischen 12. Rippe und Crista ilei so klein, dass der Schnitt nur 8 em lang in der Haut gemacht werden konnte. Es war also unmöglich, mehr als 2 Finger mühsam in die Tiefe zu führen. Von dieser kleinen Oeffnung aus konnte ein völliges Ausschälen der Niere aus dem Nieren-. fette nicht bewirkt werden. Deshalb wurde die Niere auf die hohe der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 69 Kante gestellt und mit der unteren, von Fett befreiten Spitze voran aus der Wunde herausgedrückt. Die obere Hälfte war in Fett eingehüllt. Das Fett wurde an der Niere belassen, so dass die Ligatur nicht nur Ureter und Gefässe, sondern auch einen Theil des Nierenfettes ligirte. Die Wundhöhle wurde mit Jodoformgaze drainirt resp. ausgestopft, der obere und untere Wundwinkel geschlossen. Der Verlauf war in den ersten zwei Tagen ein guter. Pat. hatte keine Schmerzen, Urin spontan, 320—590 ecem; sie lag vollkommen trocken. Der Verband wurde zunächst wegen der Durchblutung täglich gewechselt. Da die Temperatur stieg, so wurde die Wundhöhle mit 2), procentiger Carbollösung ausgespült. Am 3. Tage klagte Pat. während der Irrigation plötzlich über heftige Schmerzen in der rechten Lumbar- gegend. Die Ausspülung wurde sofort sistirt und Opium verabreicht. Abends hatte sich auf beiden oberen Extremitäten und an einzelnen Stellen des Gesichts ein Exanthem gebildet, welches, da Pat. schon früher öfters an Erysipel gelitten, zunächst als ein solches angesprochen werden musste. Temperatur 38,5—39,1. Die Wunde blieb jetzt unbe- rührt. Am folgenden Tage war das Erythem vollkommen verschwunden, Temperatur 58,4, Urinmenge 660 cem. Die Schmerzen rechts bestanden noch, namentlich gegen Druck. Von da ab war der Verlauf ein guter. Am 16. Tage löste sich die Ligatur, so dass sie sich leicht entfernen liess, die Höhle schloss sich nun schnell, Die exstirpirte Niere erwies sich als vollkommen gesund. Temperatur, Puls und Harnmenge ist aus nachfolgender Tabelle zu erkennen: E Temperatur und Puls Harn- & o = Morgens | Abends Br 1.| 37,7 — 88| 38,2 — 100 320 cem| Reaction sauer, kein Albumen 2.1 38,5 — 104 | 39,1 — 108] 590 „ |] Urinflockig,starkesSediment, kein Eiweiss, keine Cylinder 3.1 38,9 — 104| 385 — 120! 690 „ I Reaction sauer, kein Albumen 4.1 38,4% — 100 | 38,5 — 116| 660 ,‚ } Urin trüb, kein Albumen 9.1 37,8 — 96 | 38,1 — 100| 550 „, “ ® 4 Mn 6.1 37,8 — 104| 37,8 — 841 620 er ; = * 7.1 371 — 9%| 38,5 — 9| 570 „ N x 5 n 8.1 37,4% — 104| 38,0 — 96| 770 ,„ | Urin hell, „, & 9.1 3835 — 8384| 37,8 — 841 650 „, .i .. Fr ı 10.1 37,9 — 76| 38,5 — 116| 550 „, = " „ „ 11.| 36,9 — 8384| 371 — 84| 490 „, is ” 5 „ a 76 | 37,7.— 991 350. 41 f Ben 77 arg) pP ul Auler. 2 DE TR 37:6: 76 I da, i 308 Tan 3 7 a il r Bu 36,7 — MT Egg rl x 17:1 86,9. #737 5, 7a, br, de sd 18.| 37,2 — 72| 375 — 761190 „I. un x 1 36,0 UFER I Saar PD AT b 20.| 36,9 —ı 88| 372 — 92] 0, |. un N 21.| 36,7 SEHE SS... 3 70 Jahres - Bericht Was zunächst die Entstehung der Ureterfisteln betrifft, so hat W. A. Freund früher die Angabe gemacht, dass dieselben wohl dann entstehen würden, wenn durch frühere Parametritis der Ureter an den Cervix herangezogen sei. Dann könne ein seitlicher Riss leicht den Ureter verletzen. Ein derartiger Fall scheint der erste zu sein. Wenigstens ist es doch ohne diese Annahme kaum verständlich, wie bei einer Multipara mit normalem Becken, ohne besondere, begünstigende, occasionelle Momente eine Ureterfistel hätte entstehen sollen. Im zweiten Falle muss man gewiss die Kunsthilfe beschuldigen. Der Uterus war so fest an die rechte Beckenwand angewachsen, und so hoch nach oben disloeirt, dass jedenfalls hier eine ganz kolossale, bis an die Knochen reichende Verletzung stattgefunden hatte. Dann aber kann auch ohne vorhergehende Entzündung eine Fistel entstehen. Es sind nun die verschiedensten Vorschläge zur Heilung solcher Fisteln gemacht worden. Landau hat folgendes Verfahren bei Ureterscheidenfistel empfohlen: in das obere Ende des Ureters wird von der Vagina aus ein langer, dünner, elastischer Katheter eingeführt, dessen unteres Ende in die Blase und von da durch die Urethra nach aussen geführt wird. Dann sollte um den Katheter herum die Vaginalschleimhaut und die untere Harnleiterwand angefrischt und über dem Katheter vereinigt werden. Der Katheter bleibt einige Zeit liegen. Bandl hat wieder auf andere Weise operirt. Er schiebt einen Katheter in die Blase, legt eine künstliche Blasenfistel an und führt dann durch diese Fistel den Katheter in den Ureter ein. Dann wird über dem Katheter vereinigt. Das untere Ureterende bleibt unberück- sichtigt. Auf diese Weise gelang es ihm, eine vollkommene Heilung zu erzielen. Nach einer Mittheilung an den V. ist die Pat. noch gesund. Auf ähnliche Weise hat auch Schede eine Heilung erzielt. Auch seine Pat. ist gesund geblieben. Indessen giebt es Fälle, wie die vorliegenden, wo man auf diese Weise nicht verfahren kann. Dies würden namentlich solche Fälle sein, bei denen das obere Stück des Ureters weit nach oben in einen Trichter eingezogen ist. Kann man, wie im Fall Wolf, überhaupt nicht den Ureter sondiren, so ist die Methode der Plastik unmöglich. Und ist wie im ersten Fall das obere Ende so hoch gezogen, dass der künstliche Ureter ca. 8— 9 cm hätte lang sein müssen, so wird die künstliche Bildung des Ureters nicht zu machen sein. In den Fällen aber, wo der Ureter sich tief unten öffnet, z. B. in der Nähe des Cervix, und wo der Ureter zu sondiren ist, muss man die ungefährliche Plastik jedenfalls zunächst ausführen. Nament- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 7 lich auch deshalb, weil Schede’s und Bandl’s Fälle dauernd ge- heilt sind. Kann man aber nicht die Fistel in der ungefährlichen Weise schliessen, so bleibt der Weg offen, den V. im zweiten Falle mehrfach versuchte. Dieser Weg ist jedenfalls nach so dauernden Misserfolgen nicht wieder zu betreten. Es bleibt also nichts übrig als die Nephrektomie. Wie schon oben bemerkt, ist die Nephrektomie wegen Harnleiter- fisteln erst 12 Mal ausgeführt worden. Dies ist natürlich. Denn einer- seits sind Ureterfisteln selten, andererseits wird man sich erst dann zur Entfernung eines gesunden Organs entschliessen, wenn andere Methoden fehlgeschlagen. Was nun die Methode anbetrifit, ob Lumbarschnitt oder Laparo- tomie, so wird man in solchen Fällen, wie die besprochenen, stets den Lumbarschnitt vorziehen. Das Herausholen der Niere ist nicht so schwierig und gefährlich, wie es Simon beschrieb. Namentlich ist das Einführen der ganzen Hand und das Umfassen der Niere, wie es Hüter verlangt, eben so überflüssig wie gefährlich. Simon warnte ausdrücklich, die Niere mit scharfen Instrumenten zu fassen, aus Furcht vor der starken Blutung. Auch V. wagte es nicht, Instrumente anzuwenden, Jedoch hat Berg- mann eine Niere stückweise ohne schlimme Ereignisse entfernt. Jeden- falls genügen zwei Finger, um die Niere mobil zu machen; ein ganz absolutes Freimachen ist, namentlich aber bei Raumbeschränkung, gar nicht nöthig. V. hält es im Gegentheil für ganz vortheilhaft, eventuell das anhaftende Nierenfett mit abzubinden. Durch Zug am Fett wird keine Verletzung entstehen können. Eher reisst das Fett ein. Am besten schält man die Niere unten langsam heraus und zieht sie sodann vorsichtig hervor. Die untere Spitze der Niere gelangt zuerst in die Hautwunde. Durch Compression von den Bauchdecken aus gegen die Nierengegend wird bei mageren Personen die Niere fast ohne Beihilfe hervorgleiten. Eine zufällige Breehbewegung im zweiten Falle schien günstig zu wirken. Um den Ureter und die Gefässe abzubinden, genügt eine starke Ligatur, die nicht einmal eine elastische zu sein braucht. Die Enden der Seidenligatur lässt man lang heraushängen, um controliren zu können, wann dieselbe sich gelockert hat. Die Nachbehandlung sei so negativ wie möglich. Grosse Blutung kann nicht entstehen; sie würde sich auch schnell im Verband mani- festiren. Da die Wundhöhle unter dem intra-abdominellen Druck steht, so wird — besonders bei Rückenlage — die Höhle durch den Druck zusammengepresst. Liegt noch ein Jodoformgazestreifen in der Höhle, so wird von Retention nicht die Rede sein können, 12 Jahres - Bericht Nach 24 Stunden muss man den ersten Verband entfernen. Sodann aber kann der Verband, wenn kein Fieber vorhanden, 5—6 Tage liegen bleiben. Ein Ausspülen der Wunde ist zwecklos, ja vielleicht gefährlich und schädlich. Eine grosse, starre Höhle ist nicht vorhanden. Der Wasserdruck könnte erst eine Höhle schaffen und Blutung herbeiführen, ja zur Loslösung des Peritoneum führen. Bei der grossen Ungefährlichkeit der Operation der Entfernung der Niere möchte V. deshalb rathen, bei Ureterfisteln, wenn ein directer Schluss nicht zu erzielen ist, sich bald zur Nephrektomie zu ent- schliessen. Zu Secretären für die neue Etatsperiode wurde Herr Ponfick wieder- und an Stelle des verstorbenen Prof. Dr. Berger Herr Fritsch gewählt. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 73 23; Bericht über die Thätigkeit Ä der Section für öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1885, erstattet von den Herren Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Prof. Dr. Förster und Königl. Bezirks-Physieus Privat-Docent Dr, Jacobi zeitigen Secretairen der Section. In der ersten Sitzung am 1. Mai sprach Herr Professor Dr. Poleck Ueber die sanitäre Bedeutung des Hausschwammes. An die früheren Vorträge über diesen Gegenstand und namentlich an den von ihm gehaltenen Vortrag am 11. Februar d. J. „über ge- lungene Cultur-Versuche des Hausschwammes aus seinen Sporen‘ an- knüpfend, reprodueirte Prof. Dr. Poleck kurz die bisher erhaltenen Resultate über die Entwickelung und Verbreitung des Hausschwammes (Merulius lacrimans). Zu seiner Entwickelung gehören 1) seine Sporen (Samen) oder sein lebensfähiges Mycel (Pilzfäden oder Gewebe), 2) der geeignete Nährboden, 3) genügende Feuchtigkeit, 4) Mangel an Luft- wechsel und Ausschluss des Lichtes. Die Entwickelung des Hausschwammes und seine Verbreitung aus lebensfähigem Mycel muss scharf getrennt werden von seiner Entstehung aus Sporen. In welcher Weise diese Momente in einandergreifen, das war in den früheren Vorträgen bereits genügend erörtert, dagegen die sanitäre Bedeutung des Hausschwammes stets nur leicht gestreift worden, Die Praxis der Sanitäts-Beamten, Wohnungen mit starker Entwicke- lung von Hausschwamm für gesundheitsschädlich zu erklären, muss als vollberechtigt erscheinen, gegenüber den ärztlichen Erfahrungen über Massenerkrankungen in derartigen Räumen, welche durch die gleich- 74 Jahres- Bericht zeitig in reichlichem Maasse vorhandene Feuchtigkeit, sowie durch den in Kellerwohnungen oft hinzutretenden Mangel an Reinlichkeit noch ge- fördert werden. In allen Räumen, welche vom Pilz befallen sind, namentlich in solchen, worin derselbe sich bereits in einem vorge- schrittenen Stadium seiner Entwickelung befindet, macht sich ein eigen- thümlicher, dumpfiger Geruch bemerkbar. Die chemische Natur dieser flüchtigen Stoffe ist noch nicht festgestellt, ebensowenig, ob sie das ge- sundheitsschädliche Agens darstellen. Dagegen liegen Beobachtungen vor, in denen die Sporen des Hausschwammes als Krankheitsursache angesehen werden müssen. e In jeder Beziehung sehr lehrreich ist ein in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Mediein und öffentliches Sanitätswesen von Dr. H, Eulen- burg, Band 27, 1877 von dem Kreis-Physikus Dr. Ungefug in Darkehmen mitgetheilter Fall der Erkrankung einer ganzen Lehrerfamilie, sowie die gleichzeitige Besprechung analoger Erkrankungen aus früherer Zeit. Am 26. Juli 1877 suchte der Lehrer B. aus Wikischken in Ost- preussen ärztliche Hilfe für seinen neun Jahr alten Sohn, am 5. August meldete er die Erkrankung seines zweiten, 16 Jahre alten Sohnes an und von diesem Tage bis zum 15. August erkrankten noch ein 14 und ein 7 Jahre alter Sohn und endlich seine Frau unter ganz analogen Krankheitserscheinungen, welche bei dem zuerst erkrankten Kinde einen bedenklichen typhösen Charakter annahmen. Das Erkranken hatte bei allen Patienten mit Mangel an Esslust, Durst, Hitze, trägem Stuhlgang, Husten begonnen und sich bei dem ersten Kranken bis zu heftigen Fieberphantasieen gesteigert, wobei auch Schwerhörigkeit eingetreten war. Bei der Aufsuchung der Krankheitsursache ergab sich zunächst, dass die Erkrankten weder im Dorfe, noch in der Nachbarschaft mit con- tagiösen Kranken zusammen gekommen waren und dass contagiöse Krankheiten zur Zeit im Kreise überhaupt nicht vorhanden waren. Ebenso wenig bot das Trinkwasser oder die Ernährung der Erkrankten Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Krankheitsursache. Dagegen fiel dem Arzt sofort ein widrig stockiger und modriger Geruch auf sowohl in der Schulstube, in welcher die drei älteren Knaben während der Ferien schliefen, wie auch in der Wohnstube und der Hinterstube des Lehrers. Ueberall fanden sich ausgebreitete üppige Wucherungen des Hausschwamms an den Wänden hinter den Möbeln und unter der Dielung vor. Auf allen Schulutensilien, namentlich in dem Schrank der Schul- stube, an dessen Rückwand der Hausschwamm 60 em hohe Wucherungen getrieben hatte, auf den Schulvorschriften, den Büchern, den Schul- heften ete, lag ein röthlich gelber Staub in dieker Lage, dessen Identität mit den Sporen des Merulius durch das Mikroskop zweifellos festgestellt wurde. Ebenso zweifellos und in reichlicher Menge wurde die Anwesen- heit dieser Sporen in dem Schleim und in dem ausgehusteten Auswurf der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 75 aus den Lungen der am 5. August erkrankten Kinder noch am 22. August nachgewiesen. Bei der Entfernung der Dielung dieser Räume kamen ' massenhafte Vegetationen des Hausschwamms zum Vorschein, wobei ein Arbeiter leicht erkrankte. Dr. Ungefug reprodueirt gleichzeitig eine Mittheilung aus Hufelands Journal der practischen Heilkunde (Juniheft 1826) über einen von Jahn in Güstrow beobachteten Fall, in welchem eine Frau mit ihren drei Kindern unter ganz analogen Erscheinungen erkrankte und später noch zwei Tischlerlehrlinge, welche die Dielung der betreffenden Wohnung aufgerissen und den massenhaft vorhandenen und stark staubenden Schwamm beseitigt hatten, Die Frau mit den Kindern wurde nach mehrmonatlichem Krankenlager wieder hergestellt. Die beiden Lehrlinge dagegen, welche unter ganz gleichartigen Erscheinungen, Eingenommen- heit des Kopfes, Schlaflosigkeit, erschwertes Schlucken, Schwerhörigkeit, erkrankt waren, starben nach vier und acht Monaten, nachdem schliess- lich lange nach der Intoxikation heftiges Fieber, massenhafte Aphthen (Schwämmehen im Munde und Halse, Anschwellung des letzteren bis zur Grösse des Kopfes und Furunkel auf der ganzen Oberfläche des Körpers zum Ausbruch gekommen waren. Der Verlauf dieser beiden letzten, notorisch durch fructifieirenden Hausschwamm veranlassten und zum Tode führenden Erkrankungen zeigen eine so überraschende Aehnlichkeit mit dem Symptomen-Complex der von Dr. James Israel in seinen „klinischen Beiträgen zur Actinomy- cose des Menschen“ beschriebenen Krankengeschichten, dass der Vor- tragende sich sofort veranlasst fühlte, die weitere Literatur über diesen Gegenstand und namentlich die erste Mittheilung von James Israel in Virchows Archiv 1878 S. 74 und das Werk des Herrn Professor Dr. Ponfick „über die Actinomycose des Menschen, eine neue Infeetions- Krankheit‘ (Berlin 1882 bei Hirschwald) einzusehen und zu vergleichen. Diese Vergleichung konnte die Ueberraschung bezüglich der möglichen, um nicht zu sagen, wahrscheinlichen Beziehungen zwischen dem Haus- schwamm und dem Strahlenpils, Actinomyces, nur steigern. Obwohl dieser Gegenstand dem Arbeitsgebiet des Vortragenden ferner liegt, so glaubte er doch sein Urtheil darüber nicht zurückhalten zu dürfen, Thatsächlich steht fest, dass wir über die Aetiologie der Actino- mycose, welche durch die Entwickelung des Strahlenpilzes den mensch- liehen und thierischen Organismus in derselben Weise zu verheeren ver- mag, wie dies im Holz durch den Merulius geschieht, noch gar nichts wissen. Ihre Identität mit der entsprechenden Krankheit der Rinder und Schweine scheint festgestellt, ebenso, dass sie durch eine von aussen in den Organismus eindringende Schädlichkeit, also zweifellos durch Sporen veranlasst wird, obwohl man bis jetzt den betreffenden Pilz ausserhalb 76 Jahres - Bericht des Organismus noch nie angetroffen hat. Bei der grossen Analogie der Bedingungen, unter denen der Strahlpilz vorkommt und jenen, unter denen der Hausschwamm aus Sporen sich entwickelt, bei dem bedeuten- den Bedarf des letzteren an Phosphorsäure und Kalium, welche er überall in genügender Menge im thierischen Organismus vorfindet. er- seheint es als keine zu kühne Conjeetur, die Entstehung der Strahlpilz- erkrankung auf die Sporen des Merulius zurückzuführen, welche bei der Reife ihrer Sporenlager in Milliarden vorhanden sind und durch die Athmungswege und den Magen in alle jene Organtheile des thierischen und menschlichen Organismus gelangen können, in denen bis jetzt das Auftreten der Actinomycose beobachtet worden ist. Der dem Haus- schwamm analoge grosse Bedarf von Phosphaten für die Entwickelung des Strahlpilzes — der Vortragende fand in 2 Gr. des von Herrn Ponfick ihm zur Verfügung gestellten Actinomyces nicht weniger als 67,9 Procent Caleiumphosphat — spricht sich vor Allem darin aus, dass der letztere die Knochensubstanz in excessiver Weise angreift. Die durch ihn be- wirkte Zerstörung der Kiefer unserer Hausthiere hatte dieser Krankheit schon längst den Namen „Knochenwurm“ oder schlechthin „Wurm“ ver- schafft, ehe Bollinger im Jahre 1877 sich als neue Pilzkrankheit des Rindviehs beschrieb. Ihre Häufigkeit bei demselben, sowie die, seit der Entdeckung ihrer wahren Natur sich mehrenden Krankheitsfälle beim Menschen veranlasste Ponfick zu dem Schluss, dass „der Actinomyces einer in der Natur recht verbreiteten Pilzform entsprechen müsse“, und er fügt hinzu: „Das Epitheton eines tückischen verdient er darum, weil wir ihn lange unvermerkt mit uns herumtragen, während er nur auf den Augenblick zu harren scheint, wo sich an irgend einer Stelle ein Pförtehen öffnet, um in das Gewebe einzudringen und in schleichendem Vorwärts- wühlen die weitesten Strecken zu verheeren.““ Dieser langsame chronische Verlauf ist für alle, namentlich aber für die tödtlich verlaufenden Fälle von Actinomycose characteristisch, er entspricht dem langsamen Keimungs- process der Sporen des Hausschwamms, von denen wir in unseren, Ver- suchen noch nach neun Monaten Sporen in den ersten Stadien ihrer Keimung vorfanden. Wenn man den Hausschwamm in seiner vollen, mächtigen Entwicke- lung, in welcher er in mehrere Meter langen Mycelfäden das Holz- und Mauerwerk unserer Häuser überzieht, mit den winzigen, kaum einen Millimeter im Durchmesser haltenden, aber in zahlloser Menge vor- handenen Rosetten des Strahlpilzes vergleicht, so erscheint dieser Ver- gleich, insofern er eine Identität beider Pilzformen voraussetzt, auf den ersten Blick als etwas Ungeheuerliches. Wenn man aber die Struktur des Strahlpilzes unter dem Mikroskop entwirrt, so tritt in ihm das Bild der Hymenialschicht des Merulius lacrimans, wie es Hartig in seinem neuesten Werke abbildet, hier in seinem dichten, reich verzweigten, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 27 wirren Gesicht zarte Hyphen und den kolbenförmigen Basidien in schlagendster Aehnlichkeit hervor. Dies hebt auch De Bary in seinem neuesten Werke ,„‚Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze ete.“ 18584, $. 406, hervor, wenn er den Actinomyces-Stock in seinem Aus- sehen mit ‚‚einem dichten Hymenomyceten- oder Discomyceten-Hymenium mit sehr dünnen Elementen‘ vergleicht und die in einzelnen Exemplaren angehäuften, rundlichen oder länglichen, den Fäden etwa gleich dieken Körner „kleinen Sporen nicht nur ähnlich‘ findet, im Uebrigen aber der Ansicht ist, dass die Bedeutung aller dieser Verhöltnisse erst durch fernere Untersuchung aufgeklärt werden müsste. Unter solchen Umständen würde in dem Actinomyces eine Ent- wickelung des Merulius aus Sporen im kleinsten Maassstabe und auf einem Nährboden von wesentlich verschiedener Structur vorliegen, welcher ihm jedoch die Bedingungen seiner Existenz, Phosphorsäure, Calium und stickstoffhaltige Substanzen in concentrirtester Form bietet, dadurch aber den ganzen Verlauf seiner Entwiekelung wesentlich beeinflusst und anders gestaltet, wie auf dem vegetabilischen Nährboden. Wie dem nun auch sei, diese Conjeetur wird erst Fleisch und Blut gewinnen, wenn durch das Experiment an Thieren, sei es durch Ein- athmung oder anderweitige Incorporation von Sporen des Merulius die Entstehung von Actinomycose experimentell nachgewiesen sein wird. Sollte in der That die weitere Untersuchung die Identität dieser beiden Pilze, oder, wenn nicht, eine andere gesundheitsschädliche Wirkung der Sporen des Merulius ergeben, dann werden die Bau- und Sanitätsbehörden ein gleich grosses Interesse an der Vernichtung und völligen Ausrottung dieses gefährlichen Parasiten haben. Der Vortragende behielt sich die weitere Verfolgung dieses Gegen- standes im Verein mit einem befreundeten medieinischen Collegen vor. In der Diskussion weist Herr Prof. Ponfiek darauf hin, dass das dem Vortragenden von ihm zugestellte Material seinen Kalkreich- thum dem so häufigen Processe secundärer Verkalkung, wobei sich nicht nur kohlensaurer, sondern auch häufig phosphorsaurer Kalk bilde, ver- danke. In der zweiten Sitzung am 6. November hielt Herr Prof. Dr Hermann Cohn einen Vortrag Ueber die Tages- und Gasbeleuchtung in den Auditorien der Breslauer Universität. Durch ein einfaches Instrument, welches nach Angaben von Pro fessor Leonhard Weber hergestellt ist, sind wir in den Stand ge- setzt, dasjenige Stück Himmel zu messen, von welchem Licht auf einen Platz im Zimmer fällt. Denkt man sich von einem Punkte des Schreib- tisches Strahlen gezogen, die alle Kanten der Fenster, event. der gegen- 78 Jahres - Bericht überliegenden Dächer streifend, gerade auf freien Himmel, so begrenzen diese Strahlen in ihrer Gesammtheit eine körperliche Ecke; den Inhalt dieser Ecke nennt Weber den Raumwinkel; wie man den ebenen Winkel in Grade getheilt hat, wird der Raumwinkel in Quadratgrade getheilt. Die Anzahl dieser Quadratgrade kann an jedem Platze mittelst des Weber- schen „Raum winkelmessers“ leicht gefunden werden. (Das Instrument wird von Optieus Heidrich in Breslau für 30 Mark angefertigt). Die Helligkeit eines Platzes hängt hauptsächlich von der Grösse des Himmelstückes ab, welches ihn beleuchtet, d. h. von der Grösse des Raumwinkels. Die Beleuchtung des Himmels selbst ist aber eine überaus wechselnde; der Vortragende fand sie schwankend zwischen 305 und 11430 Meterkerzen. Dementsprechend ist natürlich auch die Be- leuchtung der Arbeitsplätze eine sehr variable; so fand z. B. der Vor- tragende an hellen Schülerplätzen 61—1410 Kerzen an hellen Tagen, 3— 1050 Kerzen an trüben Tagen; an dunklen Schülerplätzen 2—32 Kerzen an hellen, 1—10 Kerzen an trüben Tagen. Es handelte sich nun vornehmlich darum, die Beziehung zwischen Helligkeit an trüben Tagen und Grösse des Raumwinkels zu suchen. In 70 Schulzimmern wurden daher an dunklen und hellen Plätzen bei hellem und trübem Wetter vom Vortragenden photometrische und zu- gleich Raumwinkel-Messungen vorgenommen, welche folgende Resultate ergaben. An Plätzen, auf welche gar kein Himmelslicht fällt, deren Raum- winkel also O° ist, beträgt die Helligkeit an trüben Tagen 1—3 Meter- kerzen (Mk), die mithin nur von den reflectirenden Wänden des Zim- mers herrühren. Ist der Raumwinkel kleiner als 50 Quadrat- grade (Q°), so ist die Helligkeit an trüben Tagen kleiner als 10 Mk; ist der Raumwinkel aber grösser als 50 Q°, so hat der Platz selbst an trüben Tagen mehr als 10 Mk. Der Vortragende hat nun ferner gefunden, dass ein Mensch mit ge- sunden Augen im Stande ist, bei hellem Tageslicht am Fenster, von Zeitungsschrift (sogenannter Bourgeois-Fractur) in einer Minute 16 Zeilen auf einen Meter Entfernung laut vorzulesen; dasselbe wird erreicht, wenn eine Helligkeit von 50 Kerzen vorhanden ist; beträgt die Hellig- keit nur zwei Kerzen, so werden nur sechs Zeilen mühsam, bei zehn Kerzen nur zwölf Zeilen gelesen. Das Minimum der Beleuchtung eines Schreibtisches müssen also zehn Kerzen sein. Das ist keine grosse Helligkeit. Man kann sich von derselben eine Vorstellung ‘ machen, wenn man ein Blatt Papier horizontal einer Stearinkerze nähert; der Punkt des Papieres, welcher sich 15 em unter und 20 cm seitlich von der Flamme befindet, hat eine Helligkeit von etwa 10 Mk, d. h. ist so hell beleuchtet, als würden 10 Normalkerzen ihm in einem Meter Entfernung senkrecht gegenüber gestellt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 79 Da nun erst, wenn der Raumwinkel mehr als 5 Q° beträgt, an trüben Tagen der Schreibtisch mehr als 10 Mk hat, hält der Vortragende jeden Platz zum Schreiben für ungeeignet, der weniger als 50Q°’ Raumwinkel aufweist. Mit Erlaubniss Sr. Magnificenz des Rector der königl. Universität zu Breslau hat der Vortragende in den letzten Wochen der grossen Ferien alle Auditorien der königl. Universität mit dem Raumwinkelmesser untersucht und legt nun die in die Grundrisse eingezeichneten Befunde der hygienischen Section vor. Die grosse Aula und der Musiksaal haben glänzendes Tages- licht; im ersteren zeigt der von den Fenstern entfernteste Platz im Mittel- gange noch immer 114 Q° und der Platz, auf welchem der Doctorandus bei der Promotion steht, noch 126 Q°. Die Plätze des Musiksaales, welche 9 Mtr. vom Fenster entfernt sind, haben 63—70 Q° (selbst der dunkelste Platz auf dem Podium hinter der Orgel zeigt 42 Q°). Auch im Auditorium XIV. (maximum) im Parterre ist mit Ausnahme der süd- lichen Eckplätze der Raumwinkel für alle Tische ausreichend. Dagegen haben sämmtliche Auditorien im 1. und 2. Stock, No. I bis XII. und No. XV. im Parterre nur in ihrer nörd- lichen Hälfte ausreichend Tageslicht. Diese Zimmer, 10 bis 11 Meter tief, zeigen nur 5,5 oder 6 Meter vom Fenster noch 50 Q°. Wenn statt der Pfeiler zwischen je 2 Fenstern Glas vorhanden wäre, würden auch die südlichen Hälften dieser Auditorien brauchbar sein. Man kann daher den Studenten, welche nachschreiben wollen, nur rathen, die Plätze, welche weiter als 6 Meter vom Fenster entfernt sind, zu vermeiden! Die direete Lichtmessung im Auditorium XV. an dem trüben 19. October, Vormittags 11 Uhr, ergab auch, dass 9,75 Meter vom Fenster die Helligkeit 8 Kerzen, 7 Meter vom Fenster 10 Kerzen und am Fensterplatz 53 Kerzen betrug. Viel dunkler als die genannten Hörsäle ist aber das zoologische Auditorium (XIIl.) im dritten Stock. Die drei Fenster sind viel kleiner und die Tische steigen theatralisch in die Höhe, sodass die letzte Tischplatte 1,5 Meter hoch liegt. Im vorderen Theile haben die Plätze nur bis vier Meter, im mittleren bis drei Meter und im hinteren Theile nur bis 2,5 Meter vom Fenster 50 Q°., während die vom Fenster entferntesten Plätze in den drei Theilen 24,8 resp. 1 Q° zeigen. Am finstersten ist das botanische Auditorium des Profes- sors Ferdinand Cohn im zweiten Stock des Convietgebäudes. Nur zwei Fenster, die nach Westen gehen, spenden Licht; den drei nörd- lichen wird von der dicht vorstehenden Kirche das Licht vollkommen entzogen. Das Zimmer ist 11 Meter tief. Bei 2,6 Meter von den Westfenstern ist der Raumwinkel schon 50 Q°; in 5 Meter ist er bereits 4° und von 6,6 bis 11 Meter ist er vollkommen null, d,. h, 30 Jahres-Bericht kein Strahl des Himmels fällt in die östliche Hälfte des Auditoriums. (Noch grössere Finsterniss herrscht im Zeichensaal (1b) des Magda- lenen-Gymnasiums, in welchem schon 1,3 Meter vom Fenster der wünschenswerthe Raumwinkel von 50° aufhört, sodass nur die Hälfte des ersten Platzes jeder Bank hinreichend Licht hat, während von 3,5 Meter ab bereits gar kein Himmelslicht auf die Zeichenplätze fällt.) Erfreulicherweise sollen ja das zoologische und botanische Auditorium auch nach dem Maxgarten verlegt werden. Die Gasbeleuchtung in den Hörsälen wurde mit Webers Photo- meter durch 140 Messungen geprüft, welche der Vortragende gemeinsam mit Herrn cand. Michalke vornahm. Es wurde bestimmt, wie viel Mk Helligkeit ein Blatt Papier auf den verschiedenen Tischen hatte, nach- dem alle vorhandenen Gasflammen angezündet worden. So trefflich die Tagesbeleuchtung des Musiksales, so ungenügend ist die Gasbeleuchtung. Im ganzen brennen 59 offene Schmetterlings- flammen, davon acht Gruppen zu drei Flammen an den acht Pfeilern im Zuhörerraum. Auf einem Tische, der gegenüber der Thür 1,7 Meter vom zweiten Nordpfeiler stand, wurde eine Helligkeit von 4, in 3,7 Meter von demselben im Mittelgange zwei Kerzen gefunden. Drei Meter von der Mitte der fünfzehnarmigen Kronleuchters auf dem Podium war eine Helligkeit von 6, in zwei Meter vom Kronleuchter eine Helligkeite von acht Kerzen auf dem Clavier zu constatiren, Allerdings wird Abends in diesem Saale nicht nachgeschrieben, allein auch im Auditorium maximum, in welchem jeden Abend Vorlesungen gehalten werden, sind leider noch offene Flammen, und zwar nur 16 für 19 Bänke von 6 Meter Länge. Sie sind in vier Gruppen zu vier Flammen über der Mitte der zweiten, siebenten, zwölften und sechszehnten Bank angebracht. Da das Licht nicht durch Schirme auf die Tische concentrirt wird, haben kaum 4 Plätze 10 Kerzen; die Mittel- plätze 5-8, die -Eckplätze nur 2—4 Kerzen. Die hinteren Flammen werfen nun aber noch den Schatten des Kopfes des Schreibenden auf die Schrift; dadurch wird selbst auf den hellsten Plätzen die Beleuch- tung fast auf die Hälfte dieses Wenigen noch redueirt, z. B. von 7 auf 3 oder von 4 auf 2 Kerzen. Im Jahre 1867 trat der Vortragende in einem Aufsatze „über die Augen der Breslauer Studenten“ (Berl. Klin. Wochenschr. No. 50) für Be- seitigung der offenen Flammen ein, die damals noch in allen Auditorien existirten; erfreulicherweise wurden auch in fast alle Hörsäle damals Glimmercylinder und Blechschirme eingeführt. Allein in den meisten Auditorien sind nur 6 Flammen und 1 Kathederlampe angebracht; nur in Auditorium I. ist die Zahl auf 10, in Auditorium V. auf 3 gestiegen. In keinem einzigen Auditorium erhält bei dieser Flammen-. zahl auch nur die Hälfte der Zuhörerplätze die nöthigen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 81 10 Kerzen. Dicht unter den Flammen werden wohl 10—12 erreicht, der hellste Platz hatte einmal 15 Kerzen (die hellen Inseln wurden an Grundrissen der Hörsäle demonstrirt); an den Enden der Bänke findet man aber nur 1—2 Kerzen. Die Hefte der Professoren erhalten durch die Kathederlampen, welche Milchglasglocken mit mattem Glasteller tragen, eine Helligkeit von 13 Kerzen. Dagegen verdecken sie die hölzernen Wandtafeln, die leider glänzen, wenn sie polirt und ungenügend schwarz sind, wenn sie einige Zeit gebraucht werden (Schiefertafeln oder Glastafeln wären wün- schenswerth). Die Helligkeit eines dicken Kreidestriches auf einer Tafel war 2, wenn die Glocke auf der Lampe blieb, und 6 Kerzen, wenn sie abgenommen wurde. Es fehlen ausser im mathematischen Audi- torium X. Reflectoren für Wandzeichnungen. An der Hinterwand sind in den meisten Hörsälen 2 Flammen angebracht, die aber kaum einen Platz der letzten Bank mit 10 Kerzen erleuchten. Sie sind, wie fast alle Flammen, zu hoch befestigt, 1,20, 1,30, 1,36, selbst 1,65 Mk über. dem Tische. Der Vortragende hat in seiner Schrift „über den Beleuchtungswerth der Lampenglocken“ die Helligkeiten berechnet für den Fall, dass der Rundbrenner 1 Meter über dem Tische steht. Dann giebt bei 0,5 Meter seitlicher Entfernung die Gasflamme ohne Glocke 5, mit polirtem Blechschirm 13, mit lackirtem 8 Kerzen; bei 1 Meter seitlicher Entfernung jedoch ohne Glocke 4, mit polirtem Schirm 7, mit lackirtem 5 Kerzen. Man sieht also, dass selbst bei bestem Schirme und niedrigerer Stellung des Brenners die Gasflamme nicht weiter als auf 0,5 Meter seitlich ausreicht. Der Vortragende fasst schliesslich seine Wünsche für die hygienische Verbesserung der künstlicheu Beleuchtung in folgende Sätze zusammen: 1. Alle Brenner sind bald zu revidiren und zu putzen. 2. Alle offenen Flammen sind wegen des Zuckens und da sie die Tische nicht genügend beleuchten, zu beseitigen und dafür Rundbrenner mit Cylindern und Schirmen anzubringen. 3. An Stelle der lackirten Schirme sind polirte anzuschaffen, die mehr Licht geben und billiger sind. 4. Alle Flammen sind tiefer zu stellen und zwar einen Meter über die Tisch- fläche. 5. An Stelle der schmalen spitzen sind flachere und breitere Blechschirme zu setzen, die unten 46, oben 8 Centimeter Durchmesser und 9 Centimeter Höhe haben, da solche das Licht weiter reflectiren. 6. Die meist sehr schmutzigen Wände sind zu weissen, damit sie die Erhellung des Raumes vermehren helfen. 7. Die Anzahl der Flammen ist in allen Auditorien mindestens um das Doppelte zu vermehren. Freilich würde dadurch die Temperatur noch bedeutend erhöht werden, während sie jetzt schon hoch ist. Im Auditorium I. fand der Vor- tragende nach seiner Vorlesung, in der 8 Flammen brannten und etwa 40 Studenten anwesend waren, am 4. November, Abends 7 Uhr, 25,8 1885. 6 83 Jahres- Bericht Grad Celsius, eine Wärme, die für Lehrer und Hörer gleich ermat- tend ist. Somit bleibt, wenn genug Licht geschafft werden soll, nur .die baldige electrische Beleuchtung zu wünschen, die halb so viel Wärme giebt als das Gaslicht und neuerdings von einer Gesellschaft zu gleichem Preise wie das Gas angeboten wird. In der Discussion führte zuerst Herr Prof. L. Weber aus, dass seine eigenen, durch zwei Winter- und zwei Sommermonate fortgeführten Messungen der Tageshelligkeit Mittags 12 Uhr die von Prof. H. Cohn bemerkten starken Schwankungen bestätigten, von dem vollständigen Werthe der Helligkeit jedoch nur ein annäherndes Bild geben könnten, da sich ein genauer Ausdruck für die Insensität des diffusen Lichtes überhaupt nur durch den Werth der Beleuchtung einer Reihe (eigentlich unendlich vieler) von Flächenelementen bestimmen lasse und seine Mes- sungen sich nur auf eine horizontal aufgestellte, freilich von dem ganzen Himmelsgewölbe beleuchtete Platte bezögen. Die electrische Beleuchtung der Universität würde auch in anderer Beziehnng für die Laboratorien nützlich sein. Herr Prof. Förster machte seinerseits noch geltend, dass der Raum- winkelmesser nur in bereits fertigen Gebäuden seine Verwendung finden könne und dem Architeeten bei dem Entwurf von Plänen für Schulhäuser ete. keinen Anhalt biete zur Herstellung genügend beleuchteter Klassenräume. In der dritten Sitzung am 20. November sprach Herr Bezirks- Physikus und Privatdocent Dr. Jacobi Ueber Erfolge der puerperalen Prophylaxe. Der Vortragende weist zuerst darauf hin, dass der Nutzen der anti- septischen Methode für die Gebäranstalten bereits feststehe und von Niemandem mehr bestritten werde, Schon Semmelweiss hat dadurch von 1847 an auf der klinischen Abtheilung des Wiener Gebärhauses die Sterbeziffer des Wochenbettfiebers von 97 auf 33%,, herabgedrückt, und während bis in die sechziger Jahre dieses Jahrhunderts, in welcher Zeit die Antiseptik mehr und mehr Verbreitung zu finden begann, die Gebär- anstalten durchschnittlich noch eine Puerperal-Fieber-Mortalität von 30%, , zeigten, starben in sämmtlichen Entbindungsanstalten des Königreichs Preussen in den 5 Jahren 1877—81 von 31551 Entbundenen 7,8%, 0; und in den Bayrischen Entbindungsanstalten in den 5 Jahren 1876—80 von 8355 Entbundenen nur 6,5°%,, am Wochenbettfieber. Sämmtliche Gebäranstalten in Breslau hatten in den 15 Jahren 1859—1873 bei 6499 Entbundenen eine Gesammtsterblichkeit von 23,2%,,, in den 11 Jahren 1874—1884 bei 5 448 Entbundenen eine Gesammtsterblichkeit von 12,1%, ,- | | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 83 Dem gegenüber wird aber immer noch bestritten, dass auch ausser- halb der Gebäranstalt bereits ein erheblicher Einfluss der modernen Erkenntniss über das Wesen und die Verhütung des Puerperalfiebers sich geltend gemacht habe. Der Vortragende hat nun aus amtlichen Quellen statistische Zusammenstellungen gemacht,- welche beweisen, dass auch ausserhalb der Anstalten seit dem Beginn der siebenziger Jahre die Puerperal-Sterblichkeit erheblich abgenommen hat. In Breslau star- ben „im Wochenbett‘‘ ausserhalb der Anstalten 1859—73: 4,4°,, der Geburten und 1874— 83: 2,0°,,. Ebenso zeigt sich die Abnahme, wenn auch nicht in gleichem Grade, seit 1873 für das ganze Königreich Preussen (7,9%,, resp. 6,1°%,,) und im Einzelnen für die Regierungs- bezirke Liegnitz (8,2 resp. 6,7°/,,), Oppeln (6,5 resp. 5,0%,,) und Breslau (6,8 resp. 5,0°%,,), endlich für die Stadt Berlin (6,7 resp. 4,5°%,,). Aus den Tabellen, welche der Vortragende vorlegt, geht gleichzeitig hervor, dass von allen Grossstädten die Stadt Breslau seit 1873 überhaupt die kleinste Puerperal-Sterblichkeit besitzt. Der Vortragende beleuchtet so- dann die Fehlerquellen dieser Statistik und behält sich vor, eine Kon- trolle der Breslauer Zahlen in der Weise vorzunehmen, dass er aus einem Jahre sämmtliche Geburtsmeldungen mit den Todesmeldungen der weiblichen Personen im Alter von 15—50 Jahren vergleicht. In der Discussion, welche sich an den Vortrag anschliesst, führt Herr Medieinalrath Prof. Dr. Fritsch aus, dass der Hauptwerth der antiseptischen Methode für die Gebäranstalten in der ausserordentlichen Verminderung der leichteren Puerperal-Erkrankungen liege, welche in früheren Zeiten in Unzahl vorkamen, während gegenwärtig fast nur tödtliche Infecetionen eintreten. Sodann wird die Wahl der Secretaire für die nächste Etatsperiode 1886/87 vorgenommen und werden durch Acclamation die bisherigen Secretaire wiedergewählt. In der vierten Sitzung am 4, December sprach Herr Professor Dr. Gscheidlen Ueber die gegenwärtige Methodik der Prüfung der Kuhmilch. 6* 84 Jahres-Bericht III. Bericht über die Thätigkeit der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1884 erstattet von Herrn Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer und Herrn Prof. Dr. Poleck, zeitigen Secretairen der Section. In der Sitzung am 21. Januar d. J. berichtete Herr Geheimer Bergrath Althans über die Arbeiten der Preussischen Commission zur Auffindung von Sicherheits- Massregeln gegen schlagende Wetter. Ausgehend von statistischen Zahlen über tödtliche Verunglückungen beim Preussischen Steinkohlenbergbau, von denen ein ElIftel durch schlagende Wetter, das „Gruben- oder Sumpfgas“, herbeigeführt werden, führte Referent aus, dass bei den unheilvollsten Katastrophen die Ent- zündung von Kohlenstaub mitgewirkt habe. In den Jahren 1881 und 1832 wurden durchschnittlich an einer mit Kohlenstaub behafteten Ex- plosionsstätte 5, an den übrigen Explosionsherden nur 1,4 Bergleute ge- tödtet. Der Gefahr des explosiven Grubengases tritt also und ziemlich potenzirt die des Kohlenstaubes in den Gruben hinzu, indem letzterer sich ähnlich verhält, wie der Mehlstaub der Mahlmülhlen. Ebenso wie das in Schlesien ziemlich seltene Auftreten der schlagenden Wetter an gewisse örtliche Kohlenablagerungen geknüpft ist, findet sich auch der Kohlenstaub nur in gewissen gasreichen Kohlenflötzen in gefährlicher Beschaffenheit, Der zuerst in England vor 40 Jahren erkannte Einfluss des Kohlenstaubes war dort Gegenstand vieler Untersuchungen, besonders von Galloway und Abel, doch gelang es nicht, denselben vollständig aufzuklären, so dass die Ansichten darüber streitig blieben, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 85 Nachdem in Belgien und Westfalen angesichts der dort sehr zahl- reichen Wetter-Explosionen amtliche Untersuchungen der gefährlichen Gruben durch besondere Commissionen schon vor etwa 15 Jahren statt- gefunden hatten, wurde vor 7 Jahren in Frankreich eine Schlagwetter- Commission zur Untersuchung des Gegenstandes nach allgemeineren Ge- sichtspunkten berufen. England und Belgien, sowie die beim Stein- kohlenbergbau betheiligten deutschen Staaten Sachsen und Preussen folgten diesem Beispiel. Für Preussen berief der Minister der öffentlichen Arbeiten auf Vor- schlag und unter dem Vorsitze des Oberberghauptmanns Dr. Serlo im April 1881 25 Bergtechniker, theils Staatsbeamte, theils Leiter von Privat- bergwerken, zu einer solehen Commission, Am 11., 12. und 13. December v. J. hat in Berlin eine Plans Versammlung der Commission stattgefunden, bei welcher die fast vier- jährigen Arbeiten in ihren zahlreichen, theils örtlich, theils sachlich gebildeten Abtheilungen und Unter-Commissionen nach den darüber ver- fassten umfangreichen Special-Berichten erörtert und zu einem gewissen Abschlusse gebracht wurden. Referent, welcher bei der Localabtheilung für die Oberbergamts- bezirke Breslau, Halle und Clausthal und bei der Ventilator-Unter-Com- mission als Vorsitzender, sowie bei der wissenschaftlich - technischen Abtheilung als Mitglied betheiligt ist, wies unter Bezugnahme auf die Berliner Verhandlungen nach, dass die Ergebnisse über Erwarten werth- voll und erfreulich seien. Ueber die Umstände und Ursachen der Gruben-Unfälle durch Ex- plosion und Erstickung in schlagenden Wettern seit 1861 sind in der Preussischen amtlichen Zeitschrift für Bergwesen die umfassendsten statistischen Erhebungen bereits veröffentlicht. Ebenso liegt in der Brassert’schen Zeitschrift für Bergrecht das von der Commission aus allen Bergbaubezirken des In- und Auslandes gesammelte Material an gesetz- lichen, polizeilichen und betrieblichen Sicherheits-Vorschriften systematisch geordnet vor. Ueber die Verhältnisse von mehr als 100 schlagwetterführenden Gruben, welche seitens der Localabtheilungen der Commission untersucht worden sind, ist in den Einzel-Beschreibungen von jeder Grube und in den umfassenden Schluss-Berichten ein umfassendes Material autographirt und gedruckt bei den Behörden und Gruben-Verwaltungen gesammelt. Der westfälische Schlussbericht umfasst allein gegen 200 Druckseiten in Folio. In Bochum ist eine chemisch-physikalische Versuchsstation zur Unter- suchung der Grubengase und Sicherheitslampen voraussichtlich dauernd seit 2'/, Jahren eingerichtet. Die chemische Zusammensetzung der Luft- ströme, die der Bergmann Wetter nennt, in den Grubenräumen und in 36 Jahres - Bericht den ausziehenden Schächten ist dort von sämmtlichen gefährlichen Gruben bereits untersucht, zunächst hauptsächlich auf den Gehalt an Grubengas und Kohlensäure, Wir wissen daraus, dass jährlich den Schächten der sehr gefähr- lichen Grube Neu-Iserlohn I über 9 Millionen und der 7 gefährlichsten Gruben Westfalens 39 Millionen Kubikmeter Grubengas entströmen. Man könnte mit den Kohlenwasserstofi-Exhalationen der Kohlenwerke Preussens wohl sämmtliche Städte des Staates beleuchten. Die Lampen-Commission hat uns die Anforderungen an eine nicht nur sichere, sondern auch gut leuchtende Sicherheitslampe gelehrt und durch ihre Untersuchungen erreicht, dass die auf der Mehrzahl der Gruben bis dahin benutzten, höchst mangelhaften und gefährlichen Lampen durch bessere Systeme ersetzt worden sind. In der Alkohol-Lampe von Pieler und in der Benzin-Lampe von Wolf besitzen wir unter dem Einflusse der Thätigkeit der Commission heute die vorzüglichsten Mittel zur praktischen Prüfung des Vorhanden- seins von schlagenden Wettern in der Grubenluft. Erstere lässt schon '/, pCt., letztere 2 pCt. Grubengasbeimischung in der Luft deutlich erkennen. Die Bildung explosiver Gemische, welche bei mehr als 6 pCt. Gehalt entstehen, lässt sich dabei durch rechtzeitige Zuführung von Luft, dem einzigen Radicalschutzmittel, verhüten. Zur Vermeidung der unheilvollen Katastrophen durch den Kohlenstaub sind von der allergrössten Bedeutung die Versuche auf der Versuchsstation, welche mit grossen Kosten auf der Grube König zu Neunkirchen bei Saarbrücken seit etwa einem halben Jahre ausgeführt worden sind. Dort ist über Tage ein kurzer Stollen, mit zahlreichen Fenstern versehen, hergestellt, in welchem die Zündungs-Erscheinungen mehr oder weniger explosiver Gemische von Grubengas und Luft mit oder ohne Anwesenheit von Kohlenstaub von den verschiedensten Kohlen- sorten beobachtet worden sind und noch weiter untersucht werden. Dort ist endlich völlige Aufklärung über die Entstehung und Wirkung von Explosionen von schlagenden Wettern und von Kohlenstaub erlangt worden. Alle Zweifel über die fraglichen Ursachen sind dadurch heute beseitigt. Wir können jetzt gefährlichen von ungefährlichem Kohlen- staub unterscheiden. Wir wissen heute, wo Sprengarbeit mit feuer- gebenden Sprengstoffen unbedingt zu untersagen und durch Einführung nicht zündender Sprengmittel, Kalkpatronen ete. zu ersetzen sein wird. Redner gedachte hierbei der neuesien Erfindung Edisons, durch elek- trische Zersetzung von Wasser in einer Glasröhre ohne Zündung zu sprengen, deren Anwendbarkeit auf preussischen Gruben demnächst ver- sucht werden solle. Auf der technischen Hochschule zu Aachen ist kürzlich eine weitere Versuchsanstalt für elektrische Zündungserscheinungen eingerichtet. Die der Schles. Gesellsehaft für vaterl. Cultur. 87 Ventilator-Unter-Commission hat die wichtigsten Ventilationseinrichtungen untersucht. — Alle diese Arbeiten sollen im Sommer d. J. zum Ab- schlusse gebracht werden. Die Verarbeitung und Veröffentlichung der Ergebnisse wird freilich noch längere Frist beanspruchen. Schon jetzt ist überall beim Betriebe der Gruben der belehrende und anregende Einfluss der Erfahrungen und Untersuchungen zu erkennen. Wenn jetzt ‚schon zahlreiche Techniker reiche Erfahrungen gesammelt haben, so bleibt noch die Belehrung der Arbeiter zur Abwendung der Gefahren durch Unkenntniss und Leichtsinn ein weiteres Ziel. Den Dank für die segensreichen Früchte schuldet der Bergmann vor Allem dem Arbeitsminister Maybach und seinem bisherigen Ober- Berghauptmann Dr. Serlo als Leiter der Arbeiten, Hierauf machte Herr Dr. K. von Chrustschoff eine Mittheilung über das Vorkommen des Zirkons in eruptiven und sedimentären Gesteinen. Das Vorkommen des Zirkons als selbstständiger accessorischer Gemengtheil in Gesteinen wurde zuerst von Sandberger in dem Eklogit und dem eng damit verbundenen Karinthin Diorit des Schaum- berges bei Eppenreuth im Fichtelgebirge und später von demselben Forscher und von Ferd. Zirkel in Graniten, Porphyren, Gneisen, sowie in krystallinischen Schiefern, Sandsteinen, Quarziten und noch vielen anderen Sedimentargesteinen in mikroskopischen Krystallen nachgewiesen. Im -Anfang wurde die Natur der als Zirkon gedeuteten gelben, grauen, sogar farblosen Kryställchen vielfach in Zweifel gezogen und als Rutil angesprochen. (Dr. Sauer, Neues Jahrbuch, 1879, S. 569.) Ferd. Zirkel (Neues Jahrbuch, 1880 I., p. 89) legte jedoch dagegen eine energische Verwahrung ein, wies darauf hin, dass Törnebohm in vielen Gesteinen Schwedens, der Schweiz und Tirols ebenfalls mikroskopische Zirkone gefunden habe, und dass endlich Rosenbusch die ihm von Törnebohm zugesandten Proben krystallographisch und optisch als unzweifelhafte Zirkone erkannt habe. Gesteine aus Amerika, in denen Zirkel Zirkone fand, wurden auch chemisch von Woodward geprüft und darin die An- wesenheit der Zirkonerde auf analytischem Wege festgestellt. Seither hat v. Chrustschoff eine Reihe anderer Gesteine auf Zirkon untersucht und eine überraschende Verbreitung desselben gefunden. Er zeigte: 1) Präparate von mit Flusssäure aus dem Zirkongranitporphyr von Beucha bei Leipzig isolirten Kryställchen; dieselben sind gelb bis farb- los von ausserordentlicher Schärfe und zeigen die Proto- und Deutero- pyramide, das Proto- und Deuteroprisma, die ditetragonale Pyramide und seltener die doppelt zugeschärfte Pyramide. 88 Jahres - Bericht 2) Präparate des Zirkons aus dem Quarzporphyr desselben Fund- ortes, der eine gleiche Krystallform zeigt. Der Granitporphyr ist be- sonders reich an diesem Minerale; v. Chrustschoff will daher denselben als einen Zirkongranitporphyr bezeichnet wissen. Fouqu& und Bourgois in Paris haben die Meinung ausgesprochen (Bourgeois, r&production artificielle des mineraux, l’appendice der Encycelopedie chimique von Fremy, p. 111), dass der Zirkon in eruptiven Gesteinen kein ursprüng- licher Gemengtheil sei, sondern dass er aus etwa eingeschmolzenen Fels- arten stammen möchte, Dagegen sprechen jedoch erstens die ausser- gewöhnliche Schärfe der Kryställchen, zweitens die darin enthaltenen, sehr deutlichen, unzweifelhaften Glaseinschlüsse, die in diesem Falle kaum als secundär betrachtet werden dürften. 3) Zirkonpräparate aus dem Trachyt von Drachenfels; diese sind ebenfalls äusserst scharf ausgebildet und zeigen das Protoprisma, die Pyramide und ditetragonale Pyramide, welche letztere bei Weitem vor- herrscht. Sie enthalten ebenfalls sehr deutliche Glaseinschlüsse, sowie andere, die er für Flüssigkeitssporen anzusehen geneigt ist. Hingegen besitzen die Zirkone aus einem Gneise, den er im Ogden Canon Wahsatsch Range in Utah gesammelt hat, ganz abgerundete Formen und nur hier und da schlecht entwickelte Krystallflächen. Ebenso verhalten sich viele Zirkone aus Sedimentärgesteinen, Sandsteinen, Quarziten etc. und erscheinen daher wie abgerollt oder abgenützt. Auch diejenigen aus dem Basalt von Unkel am Rhein sind abgerundet, in Körnerform; sie sind auch speciell in diesem Falle allgemein als Fremd- linge, d. h. nicht als ursprüngliche Ausscheidungen aus dem basaltischen Magma, sondern als Ueberbleibsel fremder, vom Basalt mitgerissener und resorbirter Gesteine angesehen worden. Es scheint also gerade das Gegentheil von Bourgeois’ Vermuthung das Richtige zu sein, denn es haben die auf secundärer Lagerstätte sich befindenden Zirkonkrystalle so vielerlei durchmachen müssen, dass eine Abnützung ihrer Kanten und Ecken wohl als erklärlich, ja sogar als nothwendige Folge angesehen werden darf, während die endogenen im Gesteinsmagma sich nach allen Richtungen entwickeln konnten, weil sie zu einer Zeit, wo die übrigen Gemengtheile sich noch nicht individualisirt hatten und folglich das Gestein sich noch in magmatischem Zustande befand, zur Ausbildung kamen. — Alle diese Zirkone zeigen einen eigenthümlich schaaligen Bau, in ein grösseres Individuum sind immer wieder kleinere eingekapselt, Bei denjenigen aus dem Beuchaer Gestein befindet sich zwischen den - einzelnen Schaalen oft noch glasige Substanz eingeschaltet, wie das so häufig bei den Feldspäthen der trachytischen Gesteine vorkommt. Bei der Behandlung des Beuchaer Gesteins mit Flusssäure bleiben zugleich mit Zirkonen tafelförmige, farblos bis gelbliche Krystalle ungelöst; er hält dieselben auf Grund einer mikrochemischen R£action der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 89 für ein Titanmineral. Wären dieselben etwa Anatas, d. h. quadratisch, mit vorherrschender Basis und sehr untergeordneten Pyramiden, so müssten sie sich im polarisirten Licht, durch die Endfläche betrachtet, vollkommen isotrop verhalten, dies ist aber nicht der Fall, denn sie zeigen schwache aber mitunter deutliche Interferenzerscheinungen, so dass er sie für Brookit, d. h. für rhombisch (100. 110. 001,) halten möchte. Da dieselben aber im convergent polarisirten Lichte die für den Brookit äusserst charakteristische Figur nicht zeigen, so muss ihre Natur vorerst unentschieden bleiben. Ein Fall wäre noch möglich, dass sie nämlich einem optisch anormalen Anatas angehörten, denn die optische Anormalität ist bei vielen Mineralien eine sehr häufige Erscheinung. Er demonstrirte ferner einen Apparat, der ihm zur Erkennung von minimalen Mengen von Zirkon, Titan und anderen seltenen Mineralien gedient hat. Das fragliche Mineral wird fein gepulvert und mit Zucker- kohle vermischt und in dem retortenartigen Platingefäss bei hoher Tem- peratur mit trockenem Chlorgas behandelt; die im Rohre befindlichen Konuse aus chemisch reiner Kohle absorbiren das flüchtige Chlorid oder bekleiden sich damit und werden dann in einer Wasserstoffatmosphäre auf das Funkenspecetrum geprüft. Enthält das Mineral kein flüchtiges Chlorid, so wird dasselbe, auf eine eigenthümliche Weise vorbereitet, im Platingefässe in Chlorid verwandelt und ebenso durch den Inductions- funken spectralanalytisch untersucht. Bei der spectralanalytischen Untersuchung von Zirkonen fand er ferner gewisse Linien, die er zuerst als dem Zinn zugehörig ansah, da der Cassiterit (Zinnstein) mit Zirkon isomorph ist; es stellte sich aber heraus, dass diese Linien weder dem Zinn, noch einem anderen ihm bekannten Element angehören dürften. Um diesen Umstand näher zu prüfen, hat er grosse Quantitäten von Zirkon, die ihm von Herrn Geh. Rath Prof, Dr. F. Römer und von Herrn Dr. Schuchardt in Görlitz gütigst zur Verfügung gestellt wurden, aufgeschlossen und chemisch be- arbeitet; da seine Untersuchungen noch nicht zum Abschluss gekommen sind, so behält er sich vor, darüber später eine Mittheilung zu machen. Zum Schluss demonstrirte er Proben des neu entdeckten Metalls Gallium, einiger Salze desselben, wie Oxyd, Chlorid, Alaun nebst einer Alluminium Gallium-Legirung, die er von dem Entdecker selbst zum Geschenk erhalten hat. Lecoq de Bois-Baudran in Paris entdeckte das- selbe auf spectralanalytischem Wege in den Zinkblenden von Pierrefitte, worin es aber in ganz minimalen Mengen vorkommt; ferner enthalten etwas mehr Gallium die Blenden von Bensberg am Rhein, von Asturien und anderen Fundorten. 430 Kilo Blende von Pierrefitte enthielten 0,65—1 Gramm Gallium. Die Extraetion desselben ist eine sehr zeit- raubende und schwierige. Das Rohmaterial wird in Königswasser, welches viel überschüssige Salzsäure hält, zersetzt und in die saure 90 1 Jahres-Bericht Lösung Zinkbleche eingelegt, wodurch Kupfer, Arsen, Blei, Cadmium, Indium, Thallium, Quecksilber, Silber, Gold, Wismuth, Antimon und Zinn als Metallschwamm gefällt werden. Man filtrirt, wenn die Wasser- stoffentwickelung zwar sehr nachgelassen, die Flüssigkeit jedoch noch ganz sauer und klar ist. In das Filtrat werden wieder andere Zink- bleche hineingebracht, die darin bis zur Bildung eines weissen Nieder- schlages, welcher das Gallium enthält, bleiben müssen. Dieser Nieder- schlag wird in Salzsäure gelöst und man wiederholt die Fällung mit Zink; der jetzt entstehende Niederschlag ist weniger voluminös und ent- hält neben Gallium besonders Zinn und Silber, Das Silber wird aus dem an Zinn reichen Gemenge durch Schwefelwasserstoff bei Gegenwart von essigsaurem Ammon und überschüssiger Essigsäure entfernt; die Trennung von Zinn geschieht vermittelst fractionirter Fällungen mit Ammoniak. Um reine Galliumsalze zu gewinnen, muss das Verfahren mehrere Male wiederholt werden. Das Galliumoxyd wird in Kali gelöst und heiss der Elektrolyse unterworfen, wobei die positive Elektrode eine zehnmal grössere Oberfläche haben muss als die negative. Das Gallium ist grau bis silberweiss, hart bei gewöhnlicher Temperatur, bei 30,15 Gr. C. schmilzt es zu einer schönen silberweissen Flüssigkeit. Ist ein un- geschmolzener Rest geblieben, so erstarrt es bei 30 Gr. langsam, in anderem Falle bleibt es bis zu 0 Gr. C. ziemlich lange noch flüssig, wird es aber mit einer Spur festen Galliums berührt, so erstarrt es augenblicklich, zuweilen prachtvolle Octaeder und breite Tafeln bildend. Herr Dr. Kunisch legte schliesslich zwei paläontologische Novitäten aus dem schlesischen Muschelkalk von Sacrau bei Gogolin OS. vor, welche er dem naturwissenschaftlichen Scharfblick und der Güte des Herrn Rittergutsbesitzers Madelung zu Gogolin verdankt: 1) Eine mit zahlreichen Backenzahnresten und dem Fangzahne ver- sehene Unterkieferhälfte von Mastodonsaurus Silesiacus n. spec., auf Grund deren das bis jetzt bezweifelte Vorkommen riesenhafter Panzer- lurchen (Mastodonsauri, Labyrinthodontia) im oberschlesischen Muschel- kalke nunmehr als unzweifelhaft nachgewiesen worden ist. Auf den Resten der Backenzähne und des Fangzahnes sind die mäandrischen Windungen der Schmelzfalten mit unbewaffnetem Auge deutlich erkenn- bar. (Ausführlich beschrieben in der Zeitschrift der deutschen geologi- schen Gesellschaft, Jahrg. 1855 Seite 528 ff.) 2) Den ersten aus dem oberschlesischen Muschelkalk bis jetzt bekannt gewordenen Fischrest, bei welchem der Schuppenpanzer im Zusammen- hange mit dem zugehörigen und mit Zähnen versehenen Schädel beob- achtet worden ist. Derselbe ist für den gesammten Muschelkalk und auch für die Paläontologie neu, gehört der Abtheilung der Glanzschupper der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9] (Ganoidei) an und wurde vorläufig als Daetylolepis Gogolinensis n. g., n. sp. bezeichnet. Da das hintere Ende fehlt, konnte nicht angegeben werden, ob der Fisch gleichschwänzig (homocerk). oder ungleichschwänzig (heterocerk) ist. (Genaueres ebendaselbst Seite 588 ff. u. Tafel XXIV.) In der Sitzung am 11. Februar d. J. hielt Herr Dr. phil. Hermann Traube einen Vortrag über das Vorkommen von anstehendem Nephrit bei Jordansmühl in Schlesien. Die Annahme, dass die in Europa, besonders in den Alpen so zahl- reich gefundenen Nephritartefacte exotischen (asiatischen) Ursprungs seien, stüzte sich besonders auf den Umstand, dass anstehender Nephrit nur von aussereuropäischen Fundstellen (Küen-lün-Gebirge in Asien, Neu- seeland, Neucaledonien) bekannt war. Der Vortragende fand neuerdings, bei Gelegenheit einer geognostischen Untersuchung des Zobtengebirges, denselben anstehend bei Jordansmühl, an einem Punkte, der wegen seines Reichthums an interessanten Mineralien immer vielfach besucht wurde, wo aber der Nephrit auffälliger Weise unbeachtet geblieben war. Es liegt hiernach die Vermuthung nahe, dass der Nephrit, wenn er an dieser viel besuchten Stelle nieht bemerkt wurde, auch in andern Gebieten, beispielsweise in den zum Theil so schwer zugänglichen Alpen, leicht übersehen worden sein kann. Allem Anschein nach kommt ihm eine recht weite Verbreitung zu. Dass er nur so selten gefunden wird, findet Erklärung in seiner grossen Aehnlichkeit mit Serpentin, mit dem er, so weit bekannt, stets zusammen auftritt. Nephrit unterscheidet sich allerdings vom Serpentin durch grössere Härte, höheres specifisches Ge- wicht, lebhaftere Farben und grössere Durchscheinenheit, allein im an- stehenden treten diese Merkmale zurück, da er stets von einer unschein- baren, aus seiner Zersetzung hervorgegangenen Rinde bedeckt wird; überdies erlangt er seine lebhaften Farben und die grössere Durchsichtig- keit erst zum Theil später durch seine Eigenschaft, Feuchtigkeit begierig aufzusaugen und festzuhalten. Bei Jordansmühl findet sich der Nephrit, der hier meist dunkel- grüne Färbung besitzt und ziemlich grobfaserig ist, in bis fussmächtigen Lagen zwischen Serpentin und Granulit oft in enger Verbindung mit einem Pyroxen-Amphibolgestein, aus dem er sich durch Uralitisirung des Pyroxens gebildet hat. Völlig dichter Nephrit, der eine schön oliven- grüne Farbe aufweist und dann gewissen neuseeländischen Vorkomm- nissen ähnlich ist, wird viel seltener angetroffen. Ausserdem kommt noch ein hellfarbiger Nephrit im Serpentin selbst in kleinen Knollen und bandförmigen Einlagerungen vor. Obwohl das Gebiet des Zobtengebirges eine reiche Fundstelle prä- historischer Steinwaffen ist, konnte bis jetzt nicht ein einziges Beil ge- funden werden, welches aus Nephrit bestanden hätte, Es steht dies “99 Jahres-Bericht auch nicht zu erwarten, da der Nephrit früher nie zu Tage getreten, sondern erst durch die Steinbrucharbeiten blosgelest worden ist. Nur ein einziges von Herrn Prof. Virchow bei Gnichwitz aufgenommenes, von Herrn Professor Arzruni untersuchtes Beil enthielt eine Parthie mikroskopischeu Nephrits, besteht aber doch der Hauptsache nach nur aus Serpentin. Nephritartefaete sind überhaupt nie in Schlesien gefunden worden. Herr Professor Dr. J. Lehmann berichtet über pyrogene Quarze aus dem Basalt des Breitenberges bei Striegau, welche in veränderten granitischen Einschlüssen jenes Basalts von dem der Wissenschaft leider zu früh durch den Tod entrissenen Dr. Paul Trippke vor einigen Jahren aufgefunden, aber nicht beschrieben wurden. Dieselben gleichen in ihrer ganzen Ausbildung durchaus den vom Vor- tragenden im Jahre 1875 beschriebenen pyrogenen Quarzen aus den niederrheinischen Laven und Basalten. Derselbe Redner sprach hierauf unter Vorlage von Präparaten und einiger Feldspathstufen, welche namentlich in den granitischen Gängen von Striegau und des Riesengebirges in prächtigen Exemplaren vorkommen, über die Mikroklin- und Perthitstructur der Kalifeldspathe und deren Abhängigkeit von äusseren, z. Th. mechanischen Einflüssen. Die Beschäftigung mit den mechanischen und stofflichen Verände- rungen, welche alle dem Gebirgsdrucke unterworfenen Gesteine in mehr oder minder hohem Grade aufweisen, hat schon lange meine Aufmerk- samkeit auf die unregelmässige Flächenausbildung vieler Feldspathe und besonders schlesischer Vorkommnisse gelenkt. Das Bonner Universitäts- Mineraliencabinet in Poppelsdorf besitzt eine recht ansehnliche Suite von Feldspathstufen aus der Gegend von Hirschberg, Lomnitz, Fischbach u.a. O., an welchen ich recht auffällige Störungen in der Flächenausbildung, Knickungen, Riefungen und merkwürdige Verwachsungen wahrnahm, Das hier im mineralogischen Museum der Breslauer Universität vorge- fundene Material enthält nun noch manche Erscheinungen schöner und deutlicher ausgebildet, so dass ich hier zu ganz bestimmten Schlüssen gelangen konnte. Von allen Feldspathen verdienen wohl die Kalifeldspathe unser grösstes Interesse, weil sie nicht nur in den grössten Krystallen und mannigfachsten Formen vorkommen, sondern auch in geologischer Be- ziehung die anderen an Bedeutung weit überragen. Der Kalifeldspath ist in seiner gewöhnlichen Erscheinungsweise der einzige Feldspath, dessen Formen dem monosymmetrischen Krystallsystem angehören, während alle übrigen Feldspathe in asymmetrischen Formen krystallisiren., Zwei voll- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 93 xommene aber unter sich nicht gleiche Spaltungsrichtungen stehen senk- _ recht auf einander und eine davon entspricht der Symmetrieebene. Bei den asymmetrischen Feldspathen haben die Spaltrichtungen zwar eine ganz analoge Lage, stehen jedoch nicht senkrecht aufeinander, sondern der Winkel weicht davon um 3 bis 4 Grade ab; sie spalten also schief und können deshalb als Plagioklase dem rechtwinklig spaltenden Kali- feldspath oder Orthoklas gegenüber gestellt werden. Es ist nun sehr beachtenswerth, dass viele durch ihre monosymmetrische Krystallform als Orthoklas erscheinende Kalifeldspathe eine merkliche Abweichung von der rechtwinkligen Spaltbarkeit und zwar bis 20 Minuten erkennen lassen, weshalb dieselben von Breithaupt mit dem Namen Mikroklin belegt wurden. Gleichzeitig zeigt sich an diesen Feldspathen bei optischer Prüfung im polarisirten Licht eine Zusammengesetztheit, die einer Zwillingsbildung entspricht, wie sie nur bei plagioklastischen Feldspathen vorkommen kann und bei diesen auch so gewöhnlich vorhanden ist, dass sie ein charakteristisches Merkmal derselben bildet. Descloizeaux hat die Mikroklin-Feldspathe zuerst eingehend unter- sucht und dahin eine ganze Reihe von Vorkommnissen gestellt, welche man als Orthoklas zu betrachten gewöhnt war. Untersuchungen anderer Forscher haben für den Mikroklin eine noch weitere Verbreitung kennen gelehrt und in demselben Maasse das Verbreitungsgebiet des Orthoklases, soweit Gang- und Drusenbildungen in Betracht kommen, beschränkt. Mallard und Levy stellten sogar die Vermuthung auf, dass sämmtliche Orthoklase Mikrokline seien und dass dort, wo von dem charakteristischen Zwillingsaufbau der Mikrokline nichts wahrzunehmen ist, dies durch eine submikroskopische Zusammensetzung aus kleinsten Mikroklinlamellen zu erklären sei. Eine solche Annahme würde allerdings das physikalische und namentlich optische Verhalten der eigentlichen Orthoklase erklären, behält aber immerhin nur den Werth einer Hypothese, für die ein Be- weis nicht zu erbringen ist. Die ausgedehnte Verbreitung des Mikroklins unter den schlesischen Feldspathvorkommnissen ist durch die Arbeiten von Woitschach, Klocekmann und Beutell nachgewiesen und namentlich letzterer neigt dahin, alle aufgewachsenen Kalifeldspathe als Mikrokline zu betrachten. Es muss dazu bemerkt werden, dass nicht bei allen diesen Feldspathen die charakteristische Doppelstreifung, wie sie sich beispielsweise am sogen. Amazonit von Miask und vom Pikes Peak in Colorado zeigt, beobachtet wurde. Eine durchsichtig geschliffene, parallel der basischen Endfläche des Mikroklin-Feldspathes geschnittene Platte zeigt nämlich ein unter rechtem Winkel sich kreuzendes Gitterwerk von breiteren und feineren Lamellen, welche wohl auf kurze Strecken parallellinig begrenzt sein können, allermeist jedoch spindelförmig auszulaufen und sich innig zu verflechten scheinen. Während nun beim Orthoklas die Auslöschungs- 94 Jahres-Bericht richtung für polarisirtes Licht parallel zu der Kante, in welcher die beiden Spaltflächen zusammentreffen, liegt, so weicht diese Richtung beim Mikroklin 15 bis 16 Grade davon ab, und da diese Abweichung in be- nachbarten Lamellen eine verschiedensinnige ist, so erkennt man darin eine gesetzmässige Zwillingsbildung. — Platten, welche nach der zweiten, der Symmetrieebene des Orthoklases entsprechenden Spaltungsebene ge- fertigt werden, haben mit dem ÖOrthoklas übereinstimmend eine Aus- löschungsschiefe gegen die vorhin erwähnte Kante von 5 bis 6 Grad. Solche typischen Mikrokline zeigen dann auch das Maximum in der Ab- weichung von rechtwinkliger Spaltbarkeit, nämlich 89° 40, Bei den verschiedenen Vorkommnissen erhält man keineswegs überall die gleichen Werthe, vielmehr variiren dieselben recht beträchtlich, und dies ist auch selbst bei ein- und demselben Vorkommen und sogar an ein und derselben Platte der Fall. Zwischen dem angegebenen Maximum und den für Orthoklas bekannten Werthen lassen sich alle Zwischen- werthe aufführen. Es sind sehr zahlreiche Messungen ausgeführt worden, welche dies leicht beweisen. Man scheint jedoch stets die gefundenen Zahlen zu Gunsten des Mikroklins verwerthet zu haben. Klockmann hat nun wohl erkannt, dass der Mikroklin sich zuweilen aus Orthoklas heraus- gebildet zu haben scheine, und Beutell denkt sich die Sache ähnlich, beide glauben jedoch als Ursache eine chemische Zersetzung und Ver- änderung annehmen zu können, die gleichzeitig zu einer Albitextraetion führte. Die für die Feldspathe der granitischen Gänge des sächsischen Granulitgebirges von Credner aufgestellte Theorie hat ihnen offenbar als Vorbild gedient. Geht man möglichst objeetiv vom geologischen Standpunkt aus an die Lösung der Frage und beschränkt sich nicht auf die Untersuchung einzelner gut ausgebildeten Krystallen entnommenen Platten, sondern be- rücksichtigt auch die mit Störungen behafteten Theile, wobei weniger das beschränkte Gesichtsfeld des Mikroskops als vielmehr die gleich- zeitige Betrachtung grösserer Flächen ohne oder bei geringer Vergrösse- rung von grossem Nutzen ist, so gelangt man zu wesentlich verschiedenen Resultaten. Mikroklin ist in jüngeren Eruptivgesteinen nicht bekannt: auch die durchsichtigen Adulare in den Klüften alpiner Schiefer scheinen niemals als Mikroklin vorzukommen, sondern stets die für einen Orthoklas sprechenden Eigenschaften zu besitzen. Wir finden Mikroklin aber ledig- lich unter den derb und getrübt aussehenden älteren Feldspathen, und stimmt hierin sein Vorkommen ganz mit demjenigen des Perthits überein, In kleinkörnigen oder mittelkörnigen Gesteinen pflegt ein Feldspath- individuum entweder Mikroklin oder Orthoklas zu sein, bei grosskörnigen Gesteinen ist das schon anders und namentlich bei pegmatitischen Ge- steinen, — Mikroklin und Orthoklas schliessen einander in den pluto- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 95 nischen Gesteinen, der eigentlichen Heimath der derben Feldspathe, nicht aus, sondern kommen nebeneinander vor, ja verwachsen angeblich sogar miteinander, wie die meisten Beobachter angeben. Ich möchte dagegen ihre Verbindung nicht als eine Verwachsung bezeichnen, da ich niemals eine Verbindung zwichen Orthoklas und Mikroklin gesehen habe, welche als Verwachsung bezeichnet werden könnte, Die darüber ge- machten Angaben anderer Beobachter scheinen mir kein ganz genauer Ausdruck des wirklichen Sachverhalts zu sein. Jene Bezeichnung führt aber irre, denn eine Verwachsung, wie sie zwischen anderen Mineralien vorkommt, wie z. B. zwischen Kalifeldspath und einem Kalknatronfeld- spath mit erkennbarer Abgrenzung, findet sich hier nicht, vielmehr ist ein einheitliches Individuum an einer Stelle Orthoklas, an einer anderen Mikroklin ohne bestimmte Abgrenzung. Das führt zu dem Gedanken, dass die Ausbildung als Mikroklin keine ursprüngliche sei, sondern auf nachträglich eingetretene Veränderungen zurückgeführt werden müsse. Lässt das auffällige Fehlen des Mikroklins unter den jüngeren frischen Feldspathen, den vulcanischen Sanidinen und den klaren Adularen, welche als Gangmineralien frei aufsitzend gebildet wurden, dies schon vermuthen, so glaube ich, dass auch die weiteren Beobachtungen dafür sprechen werden, Der Cordierit- und Granat-führende Gneiss von Silberberg bei Boden- mais im Bairischen Waldgebirge kann der Grösse und Ausbildung seiner Gemengtheile gemäss wohl als Pegmatitgneiss bezeichnet werden und besitzt, wie ich das an anderer Stelle auszuführen versucht habe, einen zwieschlächtigen Charakter, der ihn zu den metamorphischen von Granit imprägnirten Schiefern stellt. Der Feldspath, welcher eine grüne oder graue Farbe zeigt, ist zum Theil Orthoklas und Mikroklin, zum Theil Oligoklas (mit dunklerer Färbung) und beide sind in eigenthümlicher Weise mit Quarz, Magnetkies, Eisenkies, Magnetit und anderen Mineralien verwachsen. Die Feldspathe erscheinen in mehr oder weniger vollkommenen z. Th. flächenreichen Krystallen, während die Kiese theils in unregelmässigen Putzen gleichsam als Füllmasse von Lücken oder auf feinen Sprüngen also offenbar als spätere Ausscheidung vorkommen. Dabei sind die Orthoklase und Mikrokline an manchen Stellen des Gesteins vielfach zerstückt und die einzelnen Theile etwas gegen einander verschoben und gedreht, so dass ein grösseres Individuum aus mehreren zu bestehen scheint. Längere Betrachtung lehrt jedoch, dass die etwas verschieden orientirten Spaltflächen ehemals im Zusammenhang gestanden haben müssen. Mehr- fach gehen die mit Erz gefüllten Sprünge auch parallel den Spaltflächen und wiederholen sich in kurzen Abständen. Fertigt man Dünnschliff- präparate und werden diese nicht gar zu grossen und einheitlich ent- wickelten Stellen entnommen, so giebt sich aber bald zu erkennen, dass 96 Jahres - Bericht die innere Structur nicht in allen Theilen gleichartig ist. Grosse Stellen löschen bei polarisirtem Licht und bei gekreuzten Nicols einheitlich wie Orthoklas aus; aber gegen den Rand des Korns und gegen das auf Sprüngen oder in Körnchen eingelagerte Erz hin verliert sich diese Ein- heitlichkeit; verschwommene Lichtstreifen bleiben bestehen, grenzen all- mälig immer schärfer gegen einander ab und gehen in die zierliche ge- kreuzte Streifung des Mikroklins über. Die Mikroklinstructur entwickelt sich in diesen Feldspathen ganz ersichtlich an solchen Stellen, wo in- folge ungleichen mineralischen Bestandes und ungleicher Dichtigkeit Spannungen bei irgendwelchen mechanischen Veränderungen im Gesteins- körper entstehen mussten. Dort, wo die Spannungen eine genügende Höhe erreichten, bildete sich durch Uebergang in eine andere Molecular- lage und Gruppirung feiner Lamellen in Zwillingsstellung typischer Mikroklin, an anderen Stellen verblieb die Feldspathsubstanz in einem Zwischenstadium. Da in diesem Falle der typische und stabile Zustand des Mikroklins nicht erreicht worden ist, wird man naturgemäss von einem Orthoklas sprechen müssen, dessen anormale optische Erscheinungen durch Spannungen zu erklären sind. Solche Partieen dürften bei ge- eigneter Behandlung wie etwa starke Erhitzung wiederum in den früheren Zustand zurückkehren und einheitlich auslöschen. Die Mikroklinstructur erscheint hier ganz zweifellos als eine secundäre, und auch selbst solche Platten, welche anscheinend in ihrer ganzen Ausdehnung die Mikroklin- structur in der schönsten Weise entwickelt haben, lassen hier und da eine Stelle auffinden, welche optisch sich wie Orthoklas verhält und parallel der Symmetrieebene auslöscht und um welche herum dann alle möglichen Auslöschungsrichtungen bis zu dem am Mikroklin beobachteten Werthe von ungefähr 16 Grad gemessen werden können. Der Feldspath des Gneisses von Silberberg bei Bodenmais ist in dieser Beziehung besonders lehrreich, und diese Erscheinungen treten oftmals ganz besonders deutlich dann hervor, wenn man nicht aus einem Feldspathindividuum das Präparat fertigt, sondern es einem mittelkörnigen Aggregat entnimmt, also ein eigentliches Gesteinspräparat untersucht. Die Veranlassung zu derartigen molecularen Umlagerungen der dimorphen chemischen Verbindung des Kalifeldspathes kann zweifellos eine sehr verschiedene gewesen sein, wie mechanische Bewegungen des ganzen Gesteinskörpers, Ausdehnung oder Zusammenziehung desselben oder einzelner Gemengtheile bei Temperaturveränderungen oder bei der Verfestigung und Auskrystallisation und dürfte eine bestimmte Ursache nieht so leieht mit Sicherheit angegeben werden können. Klockmann und Beutell nehmen für die schlesischen Vorkommnisse eine Durch- feuchtung und partielle chemische Veränderung an. Bei sehr trüben Feldspathen könnte man an derartige Vorgänge denken, allein für die doch noch recht frischen Feldspathe des Gneisses von Silberberg möchte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 97 ich eine solche Erklärung als gänzlich unzulässig halten. — Man wird offenbar überall dort Hinweise auf den Entwickelungsmodus der Mikroklin- structur erhalten, wo die Mikroklinstruetur nicht gleiehmässig entwickelt erscheint, und das ist bei vielen sogenannten Perthiten der Fall. Die Perthite, unter welcher Bezeichnung man bis vor kurzer Zeit allein innige Verwachsungen von Albit mit Kalifeldspath, welcher sowohl Orthoklas als Mikroklin sein kann, verstand, theilen mit den Mikroklinen das Schicksal, dass sie mit wenigen Ausnahmen keine urprünglichen Bildungen sind. Ihr Vorkommen verknüpft sich so oft mit demjenigen der Mikrokline, dass wir uns jetzt ihnen "zuwenden müssen, um die weiteren Ausbildungsweisen der besonders aus Pegmatiten stammenden Feldspathe zu verstehen. Die amerikanischen Vorkommnisse von Perth, Middletown u. a., sowie [überhaupt die meisten grösseren Mikroklin- krystalle enthalten Albitbänder in der Art mit sich verwachsen, dass auf Schnitten parallel der basischen Endfläche sich zuspitzende und oft- mals gabelnde Bänder von Albit sich in die Richtung der Querfläche oder des verticalen Prismas legen und gewöhnlich von allen drei ge- nannten Richtungen so begrenzt werden, dass durch Alterniren der Prismenflächen die grösste Ausdehnung der ganzen Einlagerung in die Riehtung der Querfläche des Orthoklases oder Mikroklins fällt. Der in dieser Weise eingelagerte Albit ist wohl stets polysynthetisch und die Richtung seiner Zwillingslamellen entspricht der Lage der zweiten Spalt- fläche. Parallel zu der letzteren Fläche geschnittene Platten lassen die Einlagerungen als im Durchschnitt lanzettliche, in der Richtung der verti- calen Axen langgestreckte und meist dicht gedrängte Körper erkennen. Schnitte dieser Art erscheinen demnach mehr oder weniger fein gefasert, liefern aber für die Herausbildung der Perthitstructur wenig Anhalts- punkte. Es kommen fast ausschliesslich Schnitte erster Art in Betracht. Vorkommnisse wie diejenigen von Perth, Pikes Peak, Miask u. a. lassen schon mikroskopisch die Einlagerungen von Albitbändern erkennen, bei anderen bedient man sich aber doch besser des Mikroskopes, und bei noch anderen ist die Perthitstructur überhaupt allein durch das Mikroskop wahrzunehmen, bleibt aber in ihrem Wesen genau die gleiche. Man hat nun mit Glück die verschiedensten „gefaserten‘‘ Feldspathe als Perthite gedeutet, indem man bei starken Vergrösserungen den Albit als solchen leibhaftig erkannt hat, und man glaubte folgern zu können, dass auch dort, wo das Mikroskop im Stiche lässt, dieselbe Erscheinung vorliege. Becke schlug deshalb vor, die mikroskopisch gefaserten Feld- spathe als Mikroperthite zu bezeichnen. Ich habe Nichts dagegen ein- zuwenden, dass der Begriff der Perthitstruetur in dieser Weise ausge- dehnt werde, nur muss ich ganz entschieden bestreiten, dass überall Albiteinlagerungen die Ursache der Faserung oder mit derselben ver- bunden sind; ich habe mich darüber bereits ausführlicher in meinen 1885. 7 98 Jahres - Bericht Untersuchungen über die Entstehung deraltkrystallinischen Schiefergesteine (Bonn 1884) ausgesprochen und mag hier darauf verwiesen werden. Das Ergebniss meiner dortigen Ausführungen war, dass die Mikroperthitstructur eine secundäre ist und dass die Faserung auf einer. blossen inneren Zerrung, einer factischen Zerspaltung und einer Ausfüllung der Risse mit verschiedenem Material, worunter allerdings der Albit eine sehr hervorragende Rolle spielt, beruhen kann. Von schlesischen Feldspathen aus der Hirschberger Gegend und von Striegau sind gesetzmässige Verwachsungen von Albit und Orthoklas längst bekannt und vielfach beschrieben worden. Aber fast überall, wo Albit und Orthoklas gemeinsam vorkommen, lassen sich derartige Beobachtungen machen und sind solche besonders auch auf Elba und im Granulitgebirge Sachsens gemacht worden. Auch war es nicht unbe- kannt, dass der Albit nicht nur die äusseren Krystallflächen des Ortho- klases als dünnere oder diekere Rinde bekleidet, sondern auch offenbar spätere Bruchflächen überdeckte und auch auf Spalten in das Innere der Orthoklasmasse einzudringen schien (vom Rath); allein eine naturgemässe und zusammenhängende Darstellung fehlt bis jetzt. — HermannCredner, welcher die interessanten pegmatitischen Gänge des sächsischen Granulit- gebirges eingehend schilderte, wandte zwar der Wechselbeziehung zwischen Albit und Orthoklas seine besondere Aufmerksamkeit zu, ver- fiel aber sehr bald in eine irrige Vorstellung und ging in ihrer An- wendung so weit, dass er die ganzen Gangbildungen für Secretionen und als aus Sickerwässern gebildet erklärte. Die Orthoklase der granitischen Gänge sollten Perthite gewesen sein und ihre Zersetzung und Auslaugung das Material der überrindenden Albite geliefert haben. Wir werden sehen, dass gerade das Umgekehrte zutreffend ist, nämlich dass die Albitsubstanz keineswegs aus Perthiten extrahirt wurde, sondern vielmehr in zerspaltene und rissige Orthoklase einwanderte und diese ganz oder theilweise in Perthite verwandelte, Bei einer Verwitterung, welche bei Perthiten oder natronhaltigen Orthoklasen hier und da zu einer Albitneu- bildung an weiter entlegenen Stellen geführt haben mag, kaolinisiren die Feldspathe und zerfallen gänzlich. Die Breslauer Sammlung besitzt eine Reihe recht ausgezeichneter Beweisstücke, an welchen man unschwer erkennt, dass der Albit, der in bekannter und vielfach geschilderter Weise den Orthoklas überrindet, sich auch auf Bruchflächen befindet, und da wir bereits eingangs er- fahren haben, dass die Feldspathe schlesischer Vorkommnisse allermeist starke mechanische Einwirkungen erkennen lassen, so finden wir ihn auch auf feinen Spalten, welche theils noch offen, theils von ihm ganz erfüllt und ausgeheilt sind. Präparate von solchen Feldspathen lassen dann oftmals sehr deutlich erkennen, wie ein grösseres Albittrum gleich- sam einen Zuführungscanal zu den einzelnen Albiteinlagerungen bildet, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 99 was bisher stets übersehen zu sein scheint, Ganz vorzüglich war dies und zwar auch makroskopisch an einem Perthitspaltungsstück von Middle- town in Connecticut zu beobachten, Anfangs hatte für mich die Vorstellung, dass in den Perthiten die Albiteinlagerungen keine primären sein sollten, etwas Befremdliches, und namentlich macht die anscheinend grosse Regelmässigkeit in der Vertheilung der Albitlamellen in vielen Perthiten stutzig; dennoch glaube ich, werden wir uns mit derselben befreunden müssen. Weitere Unter- suchungen werden jedoch allein Aufschluss geben können, welche Ver- wachsungen von Albit und Orthoklas als ursprüngliche anzusehen sind und welche nicht. Es giebt thatsächlich solche primären Verwachsungen, aber diese sind nicht unter den als Perthit bezeichneten Feldspathen zu suchen. Die Art der Verwachsung ist dann eine ganz andere. Tscher- mak giebt in seinem vortrefflichen Lehrbuche der Mineralogie eine skizzen- hafte Abbildung der Gestalt und Einlagerungsweise von Albit in Ortho- klas, welche für Feldspathe mit secundär eingelagertem Albit charakte- ristisch ist. Die Gestalt der eingelagerten Albitbänder ist wohl begreiflich, wenn man bedenkt, dass der Orthoklas eine unvollkommene Spaltbarkeit nach den verticalen Prismenflächen besitzt und dass das gleichzeitige Auftreten von Zerspaltungen in beiden Richtungen zu unregelmässigen Rissen in der Richtung der Querfläche führt. Contractionen mögen die Ursache dieser gleichmässig vertheilten Risse gewesen sein. — Bedeut- sam ist es, dass wir bei älteren Gesteinen als Perthit ausgebildete Feld- spathe, in den jüngeren vulcanischen Gesteinen Sanidine, für welche die — nicht ausgefüllten — Querrisse geradezu charakteristisch sind, finden. Auch die Adulare lassen in diesen Richtungen Riefungen und nach der Verticalaxe orientirte Canäle erkennen. Perthite kommen unter ihnen niemals vor. Die älteren trüb und daher derb aussehenden Feldspathe haben ersichtlich schon vielfache Veränderungen erfahren und verhältniss- mässig selten ist ein grösserer Orthoklas in grösseren Partien durch- siehtig und frisch, Von ungewöhnlicher Frische der Substanz erwies sich ein Feldspatlı aus dem Muldethal bei America in Sachsen, die er unter einer braunen Hülle bewahrt hatte. Derselbe zeigte weder eine Mikroklin- noch eine Perthitstructur, wohl aber in der Nähe seiner Oberfläche tiefe unaus- gefüllte Riefen in der Querrichtung, dennoch erprobte er sich als echter Orthoklas. Grosse Orthoklasspaltungsstücke von Grünbusch bei Hirsch- berg, welche in klaren bis erbsengrossen Partieen einen bläulichen Schimmer besitzen, haben dazwischen eine rothe trübe Färbung, welche sich durch ein Netzwerk von feinen Aederchen ausbreitet. In der That lässt das Mikroskop einen beginnenden Zerzetzungsprocess erkennen. Ueberall sind aber gleichzeitig, wo diese Trübungen sich finden, Albit- lamellen eingelagert und der Feldspath dadurch zu einem Perthit ge- ee" 100 Jahres - Bericht worden. Eine solche Vertheilung der Perthitstructur als ursprünglich anzunehmen, ist unmöglich. Der Albit, welcher in den pegmatitischen Gängen im Wesentlichen etwas später zur Ausscheidung kam als der Orthoklas, wanderte in den bereits einer Zerstörung unterliegenden Ortho- klas ein und wurde nicht aus jenem extrahirt. Daher die gewöhnliche Erscheinung, dass in der Nähe der Albitlamellen der Feldspath getrübt ist, während der Albit vollkommen frisch erscheint. Es ist aber ferner sehr wahrscheinlich, dass die Risse durch ätzende Lösungen erweitert wurden, bevor der Albit die Lücken zuheilte.e Das dürften einige Stufen aus der Hirschberger Gegend beweisen, welche ich sowohl hier wie in der Poppelsdorfer Sammlung fand und welche wahre Ruinen sind, indem zerfressene und völlig deformirt aussehende Feldspathe ringsum von reich- lichem Albit umlagert werden, welcher auch in kleinen zierlichen wasser- hellen Kryställchen in den Furchen zwischen den röthlichen, noch ziem- lich frisch aussehenden Orthoklaslamellen sitzen. Die Form der Furchen entspricht genau der Gestalt, welche die Albiteinlagerungen in den Per- thiten zu besitzen pflegen. Untersucht man eine grössere Suite von Feldspathstufen und Prä- paraten, dann wird man sich den obigen Erwägungen kaum verschliessen können und würden von mir noch mancherlei Einzelheiten berichtet werden können, welche ich jedoch für eine ausführlichere Darstellung mir vorbehalte. Mit der Perthitstruetur geht nun in der Regel eine Ausbildung oder Umbildung des Orthoklases in Mikroklin Hand in Hand, und sind es ganz besonders die Ränder der ehemaligen, jetzt von Albit ausgefüllten Spalten, an welchen die Mikroklinstructur, falls sie sich nicht gleiehmässig aus- breitet, geheftet ist. Auch das ist ein Hinweis auf die secundäre Heraus- bildung des Mikroklins, und müssen wir wohl den Mikroklin als einen Feldspath betrachten, der bei seiner Entstehung monosymmetrisch krystalli- ‘ sirte, was in der äusseren Form unleugbar zum Ausdruck gekommen ist, später jedoch in seiner Masse mehr oder minder vollständig in die Mole- eulargruppirung des Mikroklins unter Entstehung vielfacher Zwillings- lamellen überging. Der Inhalt entspricht aber nicht mehr dem äusseren Kleide. Ein Analogon dazu bietet der bei hoher Temperatur entstandene Leueit, wie dies Klein und Rosenbusch so überzeugend nach- gewiesen haben. Herr Professor Dr. Poleck berichtet über gelungene Cultur-Versuche des Hausschwammes (Merulius lacrimans) aus seinen Sporen. Einleitend bemerkte der Vortragende, dass die interessantesten wissen- schaftlichen Probleme auf den Grenzgebieten der verschiedenen Wissen- schaften zu suchen und es daher nur natürlich sei, dass ihre Lösung je der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 101 nach den verschiedenen Gesichtspunkten und mit den, den betreffenden wissenschaftlichen Disciplinen eigenthümlichen Untersuchungsmethoden in Angriff genommen würde. So gehöre auch die Natur- und Entwickelungs- geschichte des Hausschwammes einem solchen Grenzgebiete an und ihre Klarlegung sei wesentlich durch die gemeinsame Arbeit der hier ein- schlagenden Disciplinen gefördert worden. Die auffallende Thatsache, dass der Hausschwamm in den letzten Decennien durch ganz Deutschland immer grössere Verheerungen in unseren Gebäuden veranlasst, sein Umsichgreifen in Städten, wo man ihn früher kaum kannte, und der Umstand, dass gerade die älteren und ältesten Häuser von ihm verschont bleiben, während viele, kaum fertig gestellte private und öffentliche Bauwerke ihm zum Opfer fallen, forderte zu einer ernsten, eingehenden Untersuchung der Bedingungen auf, an welche seine Entwiekelung und seine Verbreitung geknüpft ist, und ebenso zu einer Kritik der Mittel, durch welche man seiner Verbreitung entgegenzutreten und seine Vernichtung herbeizuführen sucht. Die Lösung dieser Aufgabe liegt in erster Linie auf dem Gebiete der Botanik; da es sich aber hier bei der Zerstörung des Holzes und unter Umständen des Mauerwerks um tief eingreifende chemische Pro- cesse handelt, welche in direeter Beziehung zur Entwickelung und zu den Bestandtheilen des Merulius stehen, und andererseits bisher jede chemische Untersuchung derselben fehlte, so durfte man von einer solchen einigen Aufschluss über die Natur und die Ursachen dieser Verheerungen erwarten. Das Umsichgreifen des Hausschwamms in dem neu erbauten Museum für bildende Künste, sowie sein Vorkommen in anderen öffentlichen Ge- bäuden und in vielen Privathäusern in Breslau gestaltete sich hier zu einer Calamität, welche zunächst den verewigten Geheimen Rath Pro- fessor Göppert veranlasste, der Sache aufs Neue näher zu treten. Da- bei wurde sofort eine chemische Untersuchung des Pilzes und des von ihm zerstörten Holzes mit mir verabredet und diese dann im Verein mit Herrn Apotheker Thümmel im Laboratorium des Pharmaceutischen Institutes der Universität zu Breslau von mir in Angriff genommen. Die bisher gewonnenen Resultate haben bereits wichtige Anhaltspunkte für die Lösung eines Problems gegeben, welches auch für die Hygiene eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat, da die Entwickelung des Haus- schwamms an nassen Untergrund, feuchtes Holz und Mauerwerk geknüpft ist oder trockne Mauern und Wohnräume feucht macht, ganz abgesehen von dem widerlichen Geruch und der möglicherweise gesundheitsschäd- lichen Wirkung der Sporen und Ausdünstungen, welche er verbreitet. Die Resultate der chemischen Untersuchung und ihre Erwägung haben aber auch zu einer vollständig gelungenen Cultur desMerulius lacrimans aus Sporen auf seinem natürlichen Nährboden 102 Jabres-Bericht geführt, welche bis jetzt von anderer Seite zwar wiederholt versucht, aber stets resultatlos verlaufen war. Die Natur- und Entwickelungsgeschichte des Hausschwammes darf zwar im Allgemeinen als bekannt vorausgesetzt werden, immerhin er- scheint es nothwendig, hier an ihre Hauptmomente zu erinnern. Die ursprüngliche Heimath des Hausschwammes ist unbekannt, er hat nach der treffenden Bemerkung von Göppert, wie viele unserer Oultur- pflanzen, |seinen Heimathschein verloren. Er entwickelt sich nicht auf lebendigem Holze und kommt daher nicht im Walde vor, auch nicht auf abgestorbenen Bäumen, er ist daher nicht die Veranlassung der 'Zer- störungen, welche lebende Bäume in ihrem Innern erfahren haben, wenn sie, anscheinend gesund, plötzlich zusammenbrechen. Er vegetirt vor- zugsweise auf Coniferenholz; ob er sich auch auf dem Holz unserer Laubbäume entwickelt, ist noch streitig, Er entwickelt sich wie alle anderen Pilze aus Sporen, welche hier bei einem Durchmesser von nur ein hundertstel Millimeter und von zimmtbrauner Farbe bei der Reife der Sporenlager mit grosser Energie auf weite Entfernungen fort- geschleudert werden. Im Bildhauer- Atelier des Museums waren alle Gypsmodelle von ihnen bedeckt, die Sporen liessen sich geradezu abkehren und waren auch in der Luft der oberen Räume vorhanden, da sie hier auf mit Glycerin bestrichenen Objectgläsern mit Leichtigkeit eingefangen werden konnten. Aus diesen Sporen entwickelt sich bei Ausschluss des Lichtes auf feuchtem Holz zuerst das aus zarten cylindrischen Zellen bestehende Pilzgewebe, das Mycelium. Es wächst rasch, indem es in langen, spionnengewebeartigen Fasern die Holz- und Mauerflächen oft mit fächer- förmiger Ausbreitung überzieht. Ehe aber dasselbe an die Oberfläche tritt, haben seine Fäden bereits ihre Zerstörung im Holze begonnen, wobei sie die Gefässe und Zellen durchbohren und 'hier die chemischen Processe einleiten, durch welche das Holz in eine leichte brüchige Masse verwandelt wird. In rascher Entwickelung klettert dieses Mycel in dem Mauerwerk in die Höhe bis zur nächsten Balkenlage, um hier das Zer- störungswerk oft bis in den Dachstuhl fortzusetzen. In Breslau sind Mycelfäden von 5 bis 6 Meter und darüber beobachtet worden. Das Mycelium des Pilzes entwickelt sich nur im Dunkeln, es bedarf reich- licher Feuchtigkeit, Austrocknen tödtet es, beim Wiederaufweichen hat es seine Fähigkeit, weiter zu wachsen, verloren. Im Stadium der Fruchtbildung sucht das Mycelium das Licht. Es drängt sich zwischen dem Holz- und Mauerwerk durch und bildet anfangs warzenartige, saftige, erbsen- bis markstückgrosse Fruchtlager, welche in Form von netzförmigen Adern sich in der Mitte gelb färben und schon Sporen entleeren. Gewöhnlich aber bilden sich weit dickere, schüsselförmige Fruchtlager, welche mit wulstigen, faltigen Rändern unter der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 103 Andeutung von concentrischen Ringen versehen sind, deren Farbe anfangs rosenroth, durch Weinroth in ein schmutziges Braun übergeht, wobei gleichzeitig Tropfen einer farblosen Flüssigkeit ausgesondert werden, welche die Veranlassung zur Benennung des Pilzes, Merulius lacrimans, gegeben haben. Der Gattungsname bezieht sich auf die amselartige Färbung des Pilzes. Nach dem Ausstreuen der in ausserordentlicher Menge vorhandenen Sporen wird das Fruchtlager schwarz und stirbt ab. Der Hausschwamm ist, wie alle Pilze, sehr wasserreich. In ver- schiedenen Versuchen wurden 48 bis 68,4 Procent Wasser gefunden. Er enthielt nach dem Trocknen bei 100° 4,9 Procent Stickstoff, 13,08 Pro- cent Fett, meist Glyceride, ferner mehrere Säuren, einen Bitterstoff und Spuren eines Alkaloids, welches mit Phosphormolybdänsäure und Jod- lösung Niederschläge giebt. Er gehört mit zu den an Stickstoff und Fett reichsten Pilzen und wird in Beziehung auf das letztere nur von dem unfruchtbaren Stroma des Mutterkorns, Claviceps purpurea Tulasne, über- troffen, welches bis zu 35 Procent Fett enthält. Es ist bis jetzt nicht gelungen, die bei der Assimilation und der dadurch bewirkten Zer- störung des Holzes wirksamen Fermente zu isoliren und eben so wenig die chemische Natur des eigenthümlichen Pilzgeruchs festzustellen. Die chemische Untersuchung dieser näheren Bestandtheile des Pilzes ist noch nicht beendet und wird vorbehalten, ihre definitiven Resultate werden aber für die Erklärung der Wirkung und für die Beseitigung des Haus- schwamms wahrscheinlich weniger bedeutsam sein, als es die zum re- lativen Abschluss gebrachte Kenntniss seiner mineralischen Bestandtheile bereits geworden ist, Wir waren in hohem Grade überrascht, als wir in der Asche des Pilamycels sowohl, wie seiner Sporenlager grosse Quantitäten Phosphor- säure und Kalium, in den letzteren neben geringen Mengen Kalium- sulfat und -chlorid nahezu 75 Procent phosphorsaures Kalium fanden. Bei einem solchen Bedarf an löslichen phosphorsauren Salzen für seine Entwickelung lagen die Beziehungen des Merulius zu seinem Substract auf der Hand. Da er nur aus dem Holz diesen grossen Bedarf an Phos- phaten ziehen konnte und da er gleichzeitig sich nur von bereits assimi- lirten Stoffen ernährt, so stand bei seinem hohen Stickstoffgehalt — 4,9 Procent Stickstoff entsprechen circa 30 Procent Albuminstoffen — damit die Grösse der Zerstörung des Holzes in geradem Verhältniss. ‘Wir erkannten bald, dass die Kenntniss der mineralischen Bestandtheile des Merulius, sowie jener des von ihm zerstörten und andererseits des von ihm noch nicht angegriffenen Holzes Aufschluss geben könne über die günstigsten Bedingungen, unter denen er sich entwickelt und seine Zerstörungszüge antritt. Wir nahmen daher sofort die Analyse der un- verbrennlichen Bestandtheile des Pilzes, sowie des von ihm ergriffenen Holzes in den verschiedenen Stadien seiner Zerstörung in Angriff und 104 Jahres - Bericht dehnten unsere Untersuchung auch auf die Aschenbestandtheile von noto- risch gesundem Coniferenholz aus und zwar auf das Stammholz einer Kiefer, welche im Winter geschlagen, und auf das Holz einer solchen, welche Ende April 1884, also im vollen Safte gefällt worden und un- mittelbar nach ihrer Fällung in unsere Hände gelangt war. | In nachstehender Tabelle lassen wir die Resultate unserer Analysen folgen. Die Untersuchungsobjecte für die Analysen wurden mit be- sonderer Berücksichtigung der Vegetationsverhältnisse des Pilzes ausge- wählt und zwar zunächst faseriges Mycel, welches sich an der Innen-, dem Licht abgewandten Seite starker Holzbohlen entwickelt hatte (No. 1), dann Mycel mit vereinzelten Sporenlagern an der dem Licht zugekehrten Seite (No. 2) und endlich ein Stück von einem, einen halben Quadrat- meter grossem Sporenlager (No. 3). Es versteht sich von selbst, dass sämmtliche Untersuchungsobjeete vorher mit peinlicher Sorgfalt von etwa anhaftendem Mörtel ete. befreit worden waren. Alle Analysen wurden nach denselben bekannten Methoden aus- geführt und alle Bestandtheile der Asche direct bestimmt. In dem in Säuren unlöslichen Theil derselben wurde die Kieselsäure stets durch Auflösen in kohlensaurer Natronlösung gereinigt und der darin unlösliche Antheil von der Gesammtmenge der Asche in Abzug gebracht. Es be- ziehen sich also alle Zahlen auf diese Reinasche. Was die Darstellung der Resultate der Analysen anlangt, so zogen wir es vor, hier die einzelnen Bestandtheile in herkömmlicher Weise als Salze zu berechnen, weil nur so die charakteristischen Unterschiede in der Zusammensetzung der Aschen der verschiedenen Untersuchungs- objeete klar hervortreten. Die wässerigen Lösungen der Aschen reagirten sämmtlich alkalisch. Der kleine Verlust in der Analyse No. 3 erklärt sich daraus, dass die etwas hygroskopische Asche Wasser aufgenommen hatte, was sich erst später herausstellte. Die Analysen lassen bezüglich der mineralischen Bestandtheile des Hausschwammes und der Beziehungen zu seinem Substrat interessante Verhältnisse erkennen. Es ist jedenfalls sehr bemerkenswerth, dass in dem unfruchtbaren Mycel (No. 1) fast ausschliesslich nur unlösliche Eisen- und Caleium- Phosphate aufgespeichert sind, während diese in den Sporenlagern fehlen, dafür aber hier die enormen Quantitäten von Kalium-Phosphaten auf- treten. In seinem Kaliumgehalt, 46,5 Procent, übertrifft der Hausschwamm alle anderen Pilze, selbst die Trüffel, und bezüglich seines Phosphor- | säuregehalts, 48,5 Procent, überragt ihn nur die Morchel mit 50,5 Pro- cent, während die Gesammtmenge seiner mineralischen Bestandtheile jener der Trüffel und Morchel gleichkommt. Was die übrigen Bestand- theile seiner Asche anlangt, so fällt noch der relativ hohe Gehalt von Kaliumsulfat im unfruchtbaren und bereits im Anfang der Sporenbildung der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 105 In 100 Theilen Reinasche sind enthalten Aschenprocente der bei 100° getrock- neten Substanz. In Wasser lösliche Bestandtheile der Asche. Chlorkalium KÜl. Chlornatrium NaCl. Kaliumsulfat K,SO, Natriumsulfatt Na,SO, Kalium-Carbonat K,C0,. Natrium-Carbonat Na,C0,. Kalium-Silicat K,SiO,. Kalium-Phosphat K,PO,. Caleium-Phosphat Ca,P,0,. Eisen-Phosphat Fe,P,O;- Galeium-Carbonat CacO,. Magnesium-Garbo- nat MgCO,. Eisenoxyd Fe,O,. Manganoxyduloxyd Mn,O,. Kieselsäure. Summe der Bestandtheile. Gehalt an Kalium K. Gehaltan Phosphor- säure PO,. Asche von gesundem und vom Haus- Asche von Merulius 1% : | schwamm inficirten, sowie von zerstörtem lacrimans. Stammholz ohneRinde von Pinus silvestris, 1 9. 3 4. 5. 6. Boihe 8: 9. = 3 = - ’ - > m = =) 2 5 On. (22 | Sg 5 og 1598| ®5 us | e2 Fon = = rg © = pe => N.H se: [538 | 85 | a [858 255 | es a5 |HS83Elsa | As | sa |säs|e&% | © 1353 2sAslsasdl aa. | se Sa | 535 | 5388| 82 |$r2 S9z5s5°H2l"28| 28 | Fa | 29 |<... | 52 | rn „naalr2a8| ee] ©. | 32 | Was He83| SE |2%8 oo 498 SH =) 8 BE3 2” iS gra® E22 |B3ealtın | 253 | 5= |e2°E|382| Sn |a28 53 18.3 | .£ se | 85 | 834 a’u| 55 |e28 San 252 | 38 os IS | | 89 |535° “rk WE) > a K |Ag an = BIN Na %o % ho %o lo %o % 6,33) 8321 9,66| 0,19] 0,22 024 1,19] 1,48] 1,56 17,40 79,40| 88,60] 7,89| 24,08! 38,92| 34,04! 28,87| 14,94 1,97) 9361| 3271 — | — bh. ja “ de, 0451| 2,39] 3,03] 014 0,11/ 1,001 1,28| 1,91] 0,48 1047| 17,85) 572| 5,97| 6,07) 692 621 7,981 4,77 Au 059 — 55 — | — 3,61 159 1,89| — | 1556| 25,451 20,47| 10,58 — —- | -|- | - 2,34 — 6,081 8,401 6,06 - 2358| — in Ed “x 1 PR Pure 4,51 45,65| 7469| — 2 Zi a. 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Aber weit auffallender gestalten sich diese Unterschiede, wenn wir die beiden wichtigsten hier in Betracht kommenden Bestandtheile, die Phosphorsäure und das Kalium, mit einander vergleichen. Bei gleichen Gewichten des Merulius und des gesunden Holzes enthält der erstere 3200 mal mehr Phosphorsäure als das Winterholz und nur 248 mal mehr als das Sommerholz, während der Kaliumgehalt in beiden Fällen sich wie 900 : 180 verhält. Der Phosphorsäure- und Kaliumgehalt des schein- bar gesunden Holzes (No. 6) unterscheidet sich kaum von jenem des zum Theil zerstörten Holzes desselben Stückes (No. 7), doch ist dabei nicht zu übersehen, dass bei der mikroskopischen Untersuchung dieses anscheinend gesunde Holz von Pilzhyphen sich durchzogen zeigte, welche nicht an die Oberfläche traten, aber nach allen Richtungen hin zwischen den Gefässen sich verzweigten und dieselben an vielen Stellen, nament- lich an den Tüpfeln durchbohrten. Ihre Anwesenheit sprach sich auch darin aus, dass analog der Analyse des Mycels (No. 1) die Phosphor- säure hier ausschliesslich als unlösliches Kalisalz vorhanden war. Auch in dem scheinbar völlig zerstörten Holz (No. 8) befanden sich noch Hyphen, während in dem völlig zerstörten Holz (No. 9) sich Hyphen nicht mehr nachweisen liessen, sie waren bei dem Weiterwandern des Pilzes wieder resorbirt worden, hatten aber ihre mineralischen Bestand- theile zum Theil zurückgelassen, wie aus der Vermehrung des in Wasser unlöslichen Theils der betreffenden Asche hervorgeht. ‘ Es wurde der Versuch gemacht, auf zwei verschiedenen Wegen an- nähernd den Substanzverlust zu bestimmen, welchen das Holz durch die Einwirkung des Hausschwamms erfährt. Es wurden aus der Holzbohle (No. 6), deren Mitte vom Schwamm stark angegriffen, deren Enden aber unversehrt geblieben waren, zwei Stücke von völlig gleicher Länge, Breite und Dicke, das eine aus dem zerstörten, das andere aus dem scheinbar gesunden Theile des Holzes herausgeschnitten. Beide Stücke wurden bei 100° durch 30 Stunden getrocknet und nach dem Erkalten gewogen. Das gesunde Stück wog 57,35 g, das kranke 45,54 g. Der durch den Merulius zerstörte Theil des letzteren wurde durch Abschaben sorgfältig entfernt, und nun wog der noch fest gebliebene Theil 36,27 g, der zerstörte daher 9,07 g. Da angenommen werden konnte, dass das Holz vor seiner Veränderung durch den Hausschwamm an den Stellen, von denen beide Stücke genommen worden waren, eine gleiche Dichtig- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 107 keit besessen hatte, so berechnete sich aus den vorstehenden Daten der Substanzverlust des infieirten Holzes auf 57 Procent. Diese Berechnung wurde controlirt durch die Bestimmung des speci- fischen Gewichtes des gesunden Stückes und jenes, von welchem der vom Schwamm zerstörte, bezw. veränderte Theil des Holzes entfernt worden war. Das vom gesunden Stück verdrängte Wasser wog 125,48 g, das vom kranken Stück verdrängte 82,99 g. Daraus berechnet sich ein Substanzverlust von 53,27 Procent. In «ger Differenz der beiden auf ver- schiedenen Wegen gefundenen Zahlen für den Substanzverlust spricht sich deutlich aus, dass auch der Rest des scheinbar gesunden Holzes, in welchem sich schon Hyphen befanden, ohne Aenderung seines Volumens einen Verlust von 3,75 Procent erfahren hat. Selbstverständlich wird dieser Substanzverlust geringer oder grösser sein, je nach der Dauer der Einwirkung des Schwammes. Wenn der Merulius in derselben Weise auf Kosten der Holzsubstanz lebt, wie alle Parasiten sich von ihrem Substrat ernähren, so kann man unter Erwägung der, durch die gegenwärtige Untersuchung bisher ge- wonnenen Resultate zu der Vorstellung kommen, dass die Wirkung des Merulius lacrimans auf das Holz in erster Linie darin bestehe, dass er diesem die, zu seinem Aufbau nothwendigen, mineralischen Bestandtheile entzieht, dadurch seine Structur auflockert und der weiteren Zersetzung zugänglich macht. Bei seinem Reichthum an Stickstoff, Fett und anderen kohlenstoffreichen Verbindungen, sowie an Phosphorsäure und Kalium und seinem rapiden Wachsthum einerseits und andererseits bei der Armuth des Coniferenholzes an diesen Substanzen bedarf der Pilz zu seiner Ernährung verhältnissmässig grosser Quantitäten Holzsubstanz, welche er in noch nicht gekannter Weise verändert und dann jedenfalls direct assimilirt. Der Pilz wandert weiter, wenn er die im Holz vor- handenen Mineralsubstanzen verbraucht hat. Je reicher das Holz an Phosphorsäure und Kalium, sowie an Stickstoff ist, um so rascher wird die Entwickelung des Pilzes stattfinden, es ist mehr als wahrscheinlich, dass ein solches Holz bei Gegenwart von Feuchtigkeit und Ausschluss des Lichts der geeignetste Nährboden für die Keimung der Sporen und ihrer weiteren Entwickelung sein wird. Das Holz der im Saft gefällten Bäume enthält aber nach unseren Versuchen 5 mal mehr Kalium und 8 mal mehr Phosphorsäure und ist reicher an Stickstoff, wie das im Winter gefällte Holz, seine Verwendung zu Bauten wird daher verhäng- nissvoll, wenn bei vorhandener Feuchtigkeit gleichzeitig Sporen des Hausschwamms in den Neubau gelangen. Nach Mittheilungen von gut informirter Seite wird aber thatsächlich in grossen Forstgebieten Bau- holz im späten Frühjahr und Sommer gefällt. Rechnet man hinzu, dass die in der Vegetations-Periode durch Windbruch gefällten Bäume nicht selten ebenfalls zu Bauholz verarbeitet werden und das von Osten her 108 Jahres - Bericht nach Deutschland eingeführte Bauholz bezüglich seiner Fällungszeit kaum eine Controle gestattet, so müssen wir hierin fast zweifellos eine der Ursachen der rapiden Ausbreitung des Hausschwamms sehen, welche sich jetzt geradezu zu einer Öffentlichen Calamität gesteigert hat. Die Annahme erschien nicht zu gewagt, dass in normaler Winterzeit gefälltes Holz unter gleichen Bedingungen der Infeetion durch die Sporen des Hausschwamms kaum zugänglich sein werde, weil es ihnen einen ungleich weniger günstigen Keim- und Nährboden bietet. Hieraus würde sich auch erklären, warum der Pilz in alten Häusern verhältnissmässig seltener vorkommt, weil deren Bauholz nicht unter dem Einfluss der gegenwärtigen Praxis gefällt ist. Es ist nun gelungen, durch einen experimentellen Beweis diese An- nahme zu unterstützen. Unmittelbar nach dem Zeitpunkt, in welchem wir durch die in der vorstehenden Tabelle enthaltenen Aschenanalysen die Zusammensetzung der mineralischen Bestandtheile des Pilzes, sowie jene der Asche des Winter- und Sommerholzes kennen gelernt hatten, versuchten wir die Cultur des Hausschwamms durch Sporen. Ein Querschnitt des im Winter gefällten Holzes von bekannten Ge- halt an mineralischen Bestandtheilen (Analyse No. 4) wurde in ein Ge- fäss gebracht, auf dessen Boden sich eine Wasserschicht von einigen Millimeter Höhe befand. Auf die obere mit Wasser angefeuchtete Seite dieses Querschnitts wurden Sporen des Hausschwamms in reichlicher Menge ausgesät und dann das Gefäss wohl bedeckt in einem vollständig dunklen Raum, dessen Temperatur Sommer und Winter gleichmässig war, aufbewahrt. In derselben Weise wurde ein ca. 15 cm hoher Quer- schnitt von 21 em Durchmesser des im April gefällten Holzes von eben- falls bekanntem Gehalt seiner mineralischen Bestandtheile (Analyse Nr. 5) in einen Glascylinder gebracht, auf seinen Schnittflächen reichlich mit Sporen besät und mit einer Glasplatte bedeckt an demselben dunklen Orte aufbewahrt. Dies geschah am 25. April 1884. Das Stück vom Winterholz hat sich nun bis heute vollsenädne unverändert erhalten. Es waren keimende Sporen oder Pilzhyphen weder auf, noch in dem Holz nachzuweisen, wohl aber waren erstere, durch ihre Form und Farbe gut erkennbar, noch in unverändertem Zu- stande vorhanden. Ganz anders gestalteten sich dagegen die Verhältnisse auf dem Querschnitt des im April 1884 gefällten Baumstammes. Während bis Ende vorigen Jahres nur vereinzelte Colonien von Schimmelpilzen sicht- bar geworden waren, machte sich im Anfang dieses Jahres stellenweise ein weisslicher Ueberzug bemerkbar, welcher zunächst an einer Stelle deutlich von einem Ausgangspunkt aus das charaeteristische, blendend _ weisse Mycel des Hausschwamms in der bekannten fächerförmigen Aus- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 109 breitung erkennen liess. Gleichzeitig bildete sich am Ursprung desselben eine warzenförmige Erhebung von gelbbräunlicher Färbung, auch waren einzelne Tröpfehen auf dem Mycel vorhanden. Es wurde nun das Holz selbst untersucht und zwar an Stellen, an welchen das Mycel noch nicht auf der Oberfläche des Holzes deutlich sichtbar war. Ueberall fanden wir das Holz von Pilzfäden durchzogen. Jeder Schnitt zeigte bei starker Vergrösserung zahlreiche, oft sich verästelnde Hyphen, welche die Gefässe, namentlich an den Tüpfeln in charakteristischer Weise durchbohrten. An manchen Stellen war das Holz zum Theil gelbbraun und zerreiblich geworden. Es gelang aber auch in Gemeinschaft mit meinem Assistenten, Herrn Dr. Kassner, auf der Oberfläche des Holzes noch keimende Sporen, welche durch ihre eigenthümliche Gestalt, die doppelten Conturen, die schwach gelbliche Färbung wohl charakterisirt waren, in allen Stadien ihrer Entwicklung, im Zusammenhang sowohl mit einfachen, wie auch sich bereits verästelnden Keimschläuchen zu entdecken. Auch unver- änderte Sporen, und dann wieder eine Anzahl Sporenhäute waren noch vorhanden, welche nach Entwickelung ihrer Keimschläuche sich von diesen getrennt hatten und zusammengefallen waren. Das ganze Stück Holz bot das charakteristische Bild einer voll- ständigen Infeetion durch den Hausschwamm in allen Stadien seiner Ent- wicklung, von der keimenden Spore und den das Holz nach allen Rich- tungen hin durchziehenden und seine Gefässe durchbohrenden Hyphen bis zu der charakteristischen fächerförmigen Ausbreitung des zarten, blendend weissen Myceliums, welches auch darin seine Identität mit dem Merulius nicht verläugnete, dass es äusserst empfindlich gegen Luftwechsel und Licht war. Da es bei seiner photographischen Aufnahme und bei seiner Demonstration wiederholt dem Licht und der Luft ausgesetzt werden musste, so hat es seit dieser Zeit seine blendend weisse Farbe in ein schmutziges Weissgelb verändert und ist sichtlich zusammen- geschrumpft. Es sind dies die ersten gelungenen Versuche, die Sporen des Merulius lacrimans auf ihrem natürlichen Nährboden zum Keimen zu bringen und in ihrer weiteren Entwicklung zu verfolgen. Durch diese Parallel-Ver- suche war der strickte Beweis geliefert, dass nur das im Saft gefällte Holz als ein geeigneter Nährboden für die Keimung und weitere Ent- wicklung des Hausschwamms gelten köune. Es waren hier zum ersten- mal Sporen zur vollen Entwicklung gelangt unter Verhältnissen, wie wir sie auch bei der natürlichen Verbreitung des Hausschwamms annehmen müssen. Nicht dem Zufall, sondern der Erwägung, dass nur ein natur- wüchsiger Nährboden mit möglichstem Reichthum an Phosphorsäure und Kalium Aussichten für die künstliche Züchtung des Hausschwammes er- 110 Jahres - Bericht öffne, und den auf diese Erwägung basirten Versuchen verdanken wir diese günstigen Resultate. Der ganze Verlauf dieses Versuchs lehrt, dass die Sporen des Meru- ‚lius eine gewisse Zeit zu ihrer Keimung bedürfen, dann aber auch, wie dies zweifellos zu erwarten war, dass die auf die Oberfläche des Holzes fallenden Sporen zuerst ihre Schläuche in das Holz senden und dass hier schon eine bedeutende Infection stattgefunden hat, das Holz bis in ziem- liche Tiefe von den Hyphen durchzogen und angegriffen ist, ehe das Mycel auf der Oberfläche des Holzes erscheint, wo es dann allerdings rasch fortwächst. = Schon vor 40 Jahren wurde hier in Breslau in einem Vortrage aus- gesprochen, dass im Saft gefälltes Bauholz vorzugsweise zur Schwamm- bildung hinneige, ohne dass diese Ansicht, welche auch jetzt von einer Anzahl von Bau-Sachverständigen getheilt wird, unter Beweis gestellt wurde. Dieser erscheint jetzt in der That geführt. Die Sporen des Hausschwamms gelangen eben nur unter gewissen günstigen Bedingungen zur Keimung, und diese sind in derartigem Holz vorhanden, wenn gleich- zeitig genügende Feuchtigkeit, Wärme und Ausschluss des Luftwechsels und des Lichts mitwirken. Hat sich aber einmal aus den Sporen das Mycel entwickelt, dann ergreift es von diesem natürlichen Nährboden aus auch jedes andere Holzwerk ohne Unterschied an und setzt sein Zerstörungswerk auch an Tapeten, Leinwand, Büchern, Oelgemälden und Mauerwerk fort. Zur Verhinderung der Einschleppung und Entwickelung des Haus schwamms in unseren Häusern würde in erster Linie die richtige Aus- wahl des Bauholzes und die Rückkehr zur früheren Praxis seiner Fällung zu stellen sein, dann Fernhalten von Feuchtigkeit und eine geeignete Lufteireulation, wo sich diese nur irgend anbringen lässt und endlich Vermeidung alles Dessen, wodurch Sporen oder Mycelfäden in die Ge- bäude gelangen können, also durchaus keine Verwendung von altem Holz oder Bauschutt aus vom Schwamm infieirten Häusern. Zur Vertilgung bereits vorhandenen Schwamms steht in erster Linie Beseitigung alles infieirten Holzes und Mauerwerks, sowie des Bauschuttes und der Erde und endlich Einrichtung einer kräftigen Ventilation in geeigneter Weise zwischen Balkenlagen und Dielung. Was die Anwendung der vielge- priesenen chemischen Mittel zu seiner Vertilgung anlangt, so liegen exacte Versuche in dieser Beziehung noch nicht vor. Erst unter Benutzung der hier mitgetheilten, auf die Keimung der Sporen bezüglichen neuen That- sachen wird sich herausstellen, ob diese chemischen Mittel die in allen Fällen wirksame Trockenlegung und Ventilation zu ersetzen im Stande sind. Die in wenigen Wochen in Kern’s Verlag in Breslau erscheinende, von Göppert vorbereitete und von mir ergänzte Schrift „über den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 111 Hausschwamm und seine Bekämpfung‘‘ wird diesen Gegenstand, nament- lich in letzterer Beziehung, in eingehender Weise behandeln. Als die Resultate der vorstehend mitgetheilten Versuche bereits con- statirt waren, gelangten die von Herrn Professor Dr. Hartig mitge- theilten „wichtigsten Ergebnisse seiner seit zwei Jahren durchgeführten und nahezu zum Abschluss gelangten Untersuchungen über den ächten Hausschwamm‘‘ in meine Hände, deren Veröffentlichung er in einer be- sonderen Schrift in nahe Aussicht stellt. | Nach dem Inhalt dieser Mittheilungen zu schliessen, ist die chemische Seite dieses Problems von dem ausgezeichneten Forscher nicht in Angriff genommen worden und dürfen daher die in diesem Artikel mitgetheilten Versuche als eine willkommene Ergänzung anzusehen sein. Es ist Hartic gelungen, die Sporen des Merulius in Fruchtsaft-Gelatine mit Zusatz von Harn zum Keimen zu bringen, wozu der letztere zweifellos die noth- wendige Phosphorsäure geliefert hat, sowie das auch zu diesem Zweck verwandte kohlensaure Kalium das Kalium. Andererseits geht aus unseren Versuchen hervor, dass der von uns zum Versuch verwandte Stamm in allen Theilen, wo sich keimende Sporen und Hyphen befanden, sauer reagirte, eine alkalische Reaction des Nährbodens daher für die Keimung nicht nothwendig erscheint. Die Behauptung von Hartig, dass ‚die weit verbreitete Ansicht, nach welcher das im Sommer gefällte Gebirgshola mehr der Infection unterliege als das Winterholz, hat sich auf Grund eingehender Unter- suchungen als unrichtig erwiesen“, muss jetzt nach unseren Versuchen wohl dahin modifieirt werden, dass Winter- und Sommerholz sich zwar völlig gleich gegen lebendes Pilz-Mycel verhalten, dass aber nur das Sommerholz als der geeignete natürliche Nährboden für die Keimung der Sporen anzusehen ist. Es liegt nicht in unserer Absicht, den botanisch - morphologischen Theil dieser Frage weiter zu verfolgen, wohl aber behalten wir uns die weitere chemische Untersuchung der näheren Bestandtheile des Haus- schwamms vor. Die gelungenen Hausschwamm-Culturen, sowie ihre photographische Aufnahme in natürlicher Grösse wurden der Section vorgelegt. In derselben Sitzung theilte schliesslich Herr Prof. Dr. Poleck die Resultate der chemischen Analyse der Thermen von Warmbrunn in Schlesien mit. Warmbrunn in Schlesien liegt in dem, an Naturschönheiten überaus reichen Hirschberger Thale, es bildet gewissermassen den einen Brenn- punkt des elliptisch gestalteten Thals inmitten einer hochromantischen Umgebung, in welcher der Kamm des Hochgebirges mit den steilen Ab- 112 Jahres - Bericht stürzen der Schneegruben und der Schneekoppe einerseits und anderer- seits die wohlerhaltene Ruine der stattlichen Stammburg der Reichsgrafen Schaffgotsch, der Kynast, auf steilen Granitfelsen eine hervorragende Rolle spielen. Im Süden von dem bier einen vollständig subalpinen Charakter tragenden, bis 5000 Fuss hohen Riesengebirge begrenzt, sind es die Ausläufer desselben, welche im Osten und Westen seine Grenze bilden, während im Norden die Höhenzüge liegen, welche das Thal des Bobers von jenem der Katzbach trennen. Der Zacken, an welchem Warmbrunn 345 Meter hoch liegt, durchströmt das Thal in seiner west- lichen Hälfte von Westen nach Osten und fällt bei Hirschberg in den Bober, welcher hier die nördliche Grenze des Thales bilde. Das Thal selbst ist ein alter Seeboden, welcher ungefähr in der Mitte desselben durch einen von Norden nach Süden laufenden und fast bis an den Hauptstock des Riesengebirges reichenden Höhenzug, in welchem der aus grotesken Granitblöcken bestehende Prudelberg liegt, in zwei nahezu gleiche Theile getheilt wird, von denen der westliche das Warmbrunner, der östliche das Schmiedeberger Thal bildet. Die ziemlich ebene und flache Thalsohle wird von alluvialen Schichten von geringer Mächtigkeit gebildet, welche unmittelbar auf Granit als Grundgestein ruhen. Das nächste Eruptiv-Gestein ist ein den Granit der kleinen Schneegrube durch- setzender Basaltgang. Aus dem Granit der Thalsohle brechen auch die warmen Quellen hervor, welche Warmbrunn den Namen gegeben haben und deren Ruf weit hinein in frühe Jahrhunderte reicht. Es existirt eine ganze Literatur über die Warmbrunner Quellen. Am Ende des 12. Jahrhunderts sollen die Jäger des Herzogs Boles- laus IV., auch Bolco genannt, die warmen Quellen aufgefunden haben. ') Zuerst wird Warmbrunn in einer Urkunde vom Jahre 1283 genannt, locus qui dieitur calidus fons, in welchem Jahre der Herzog Bernhard von Schlesien den Ort mit einem nicht unbedeutenden Areal an Wiesen, Wassern, Fischereien, Jagden und Dörfern mit vollem Eigenthumsrecht an die Johanniter-Ritter abtrat, während im 14. Jahrhundert im Jahre 1377 Kaiser Carl IV. seinem Waffenträger Gotsche Schaff, Burggrafen von Kemnitz, die Ländereien am Riesengebirge, wozu auch Warmbrunn gehörte, auf ewige Zeiten als Eigenthum schenkte. Laut einer Urkunde !) Die nachstehende historische Skizze ist dem Werke des Geheimen Medi- cinalraths Professor Dr. Wendt in Breslau „Die Thermen zu Warmbrunn im Schlesischen Riesengebirge, Breslau, 1840“ entlehnt, in welchem nicht blos die Heilwirkungen der Thermen durch den berühmten Arzt eine eingehende Dar- stellung finden, sondern welches auch durch die Mitwirkung der Professoren Göppert, welcher die mineralogischen und geognostischen Verhältnisse, Nees von Esenbeck, welcher die Flora der Umgebung von Warmbrunn in eigenen und um- fangreichen Abschnitten schilderte, und Fischer, welcher die erste exacte chemische Analyse der Quellen ausführte, zu einer werthvollen Monographie von Warmbrunn sich gestaltete. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 113 vom Jahre 1403 verschenkte wiederum ein Ahnherr der jetzigen Reichs- sräflichen Familie von Schaffgotsch einen Theil von Warmbrunn mit seinen Pertinenzien an das Cistereienser-Stift zu Grüssau, in dessen Besitz dieser Theil von Warmbrunn bis zur Säcularisation der Klostergüter im Jahre 1811 blieb, in welcher Zeit er von der Reichsgräflichen Familie Schaffgotsch wieder zurückgekauft wurde. Waren so durch den Namen fons calidus die Eigenschaften der Warmbrunner Quellen seit dem 13. Jahrhundert bekannt, so enthält ein im Reichsgräflichen Archiv zu Hermsdorf am Kynast befindlicher und in der Sammlung der Briefe des berühmten Arztes Joh. Crato von Kraft- heim abgedruckter Brief des Churfürstlichen Brandenburger Arztes Caspar Hoffmann aus dem Jahre 1569, welcher auch in dem bereits erwähnten Werk von Wendt abgedruckt ist, eine vollständige Geschichte des Bades, der Beschaffenheit seines Wassers, seiner Verwendung zu Heilzwecken etc, Gleich interessant ist die Beschreibung des Bades durch Caspar Schwenkfeldt, auch der schlesische Plinius genannt, welcher 1601 Badearzt in Warm- brunn war und 1607 seine Erfahrungen in einer Schrift niederlegte, welche 1626 und 1708 neue Auflagen erlebte. In diese Zeit, 1627, fälllt auch der Bau des grösseren gräflichen Badehauses durch den Grafen Ulrich von Schaffgotsch. Durch diese Schriften und durch die heilkräftigen Wirkungen seiner Thermen wurde Warmbrunn im Auslande bekannt, und so führte dieser Ruf neben anderen hervorragenden Fremden 1687 auch die Königin von Polen, die Gemahlin des Königs Johann dahin, welche mit einem Gefolge von beinahe tausend Personen die Bäder von Warmbrunn besuchte und mehrere Wochen daselbst verweilte. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts erschienen noch eine Anzahl ärztlicher Schriften über Warmbrunn, im 19. Jahrhundert waren es vorzugsweise die beiden Schriften „Warmbrunn und seine Schwefelquellen von Dr. E. Fr. Hausleutner, Badearzt in Warmbrunn, Breslau 1836“, und die bereits erwähnte Schrift von Wendt, welche die Entwickelung des Bades bis zu dieser Zeit eingehend schilderten. Die ersten chemischen Analysen der beiden älteren Quellen, des grossen und kleinen Bades, wurden von den Medicinal-Assessoren Mogalla und Günther in Breslau ausgeführt, im Jahre 1822 analysirte Apotheker Tschörtner in Hirschherg und 1823 und 1836 der Professor der Chemie Dr. Fischer in Breslau beide Quellen. Im Jahre 1853 wurde durch ein 124 Fuss tiefes Bohrloch im Granit eine neue Quelle entdeckt, welche mit einer höheren Temperatur, 34,5° R, in der Tiefe, einen ungleich grösseren Wasserreichthum verband. Ihre Analyse wurde zunächst von dem Geheimen Rath Professor Dr. Löwig in Breslau ausgeführt, welcher in dem Thermalwasser Brom und Jod auffand, und im Jahre 1876 gleichzeitig mit jener der beiden älteren Quellen durch den Professor Sonnenschein in Berlin wiederholt. 1885. 3 114 Jahres-Bericht Im Jahre 1880 setzte man im sogenannten Klosterhof in Warmbrunn ein neues Bohrloch an. Im Jahre 1832 war dasselbe im Granit bis zu einer Tiefe von 150 Meter gediehen, man hatte dabei aus dieser Tiefe Wasser von 25—26° R, erzielt, und war letztere Temperatur auch wiederholt schon in geringerer Tiefe beobachtet worden. Die von mir ausgeführte Untersuchung des Bohrsandes aus dieser Tiefe ergab, dass er aus den Trümmern eines sehr quarzreichen Granits bestand, möglicher- weise waren es geradezu Quarzite, welche durch ihre Härte den Bohrer in jener Tiefe nur so überaus langsam vordringen liessen. Man erkannte nur wenige Feldspattrümmer und Glimmerblättehen, eine eliemische Unter- suchung desselben erübrigte daher. Die Bohrarbeit wurde fortgesetzt und in einer Tiefe von 167 Meter — 560 Fuss, wo man auf sehr reich- lichen Wasserzufluss von 34° C. stiess, beendet. Bereits in einer Tiefe von ca. 25 m —= 80 Fuss traf man auf eine Quelle von 25,2° C., bei ca. 40 m = 127 Fuss eine zweite von 28,5° C. und endlich in einer Tiefe von 167 m = 560 Fuss auf die dritte Quelle von 34° C. Da wiederholte eingehende Analysen von Wasserproben aus den verschiedenen Tiefen analoge und im grossen Ganzen mit der Zusammen- setzung der drei älteren Quellen übereinstimmende Resultate gegeben hatten, so wurde nun zur Fassung des Bohrlochs und der, in dem 80 Fuss tiefen Schacht, in welchem das Bohrloch angesetzt war, entspringen- den Quelle geschritten und beide besonders gefasst. Die Analyse beider Quellen wurde ebenfalls gesondert ausgeführt, 1. Analyse des Thermalwassers der Quelle aus dem 167 Meter tiefen Bohrloch. Die Wassermenge, welche das Bohrloch liefert, ist eine überaus reichliche, an seiner Mündung beträgt die Temperatur des Wassers 26° C,, sie bleibt nach den mir gemachten Mittheilungen im Laufe des Jahres unverändert, Das frisch geschöpfte Wasser war völlig klar und farblos, es besass einen wenig auffallenden, sehr schwachsalzigen Geschmack, perlte nicht durch Gasentwiekelung und zeigte beim Schütteln mit Luft kaum eine leise Andeutung von 'einem an Schwefelwasserstoff erinnernden Geruch und ebensowenig konnte durch die bekannten Reactionen, namentlich durch alkalische Bleilösung, Schwefelwasserstoff nachgewiesen werden. Auch Kalium-Permanganatlösung war auf das unmittelbar der Quelle entnommene Wasser ohne Wirkung; es waren daher Eisenoxydulsalze nicht vorhanden, Das in Flaschen mit Glasstopfen aufbewahrte Wasser war auch nach Monaten völlig klar, farb- und geruchlos, es hatte sich nicht der geringste Absatz gebildet. Das Wasser für die quantitative Analyse wurde am 22. Mai 1884 in meiner Gegenwart in Flaschen mit Glasstopfen gefüllt. Die Bestim- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 115 mung der Kohlensäure wurde an der Quelle vorbereitet. Die aus dem Wasser sich frei entwickelnden Gase waren durch eine eigenthümliche Vorrichtung in der Tiefe des Bohrlochs aufgefangen worden. Die Analyse sowohl, wie das Eindampfen grösserer Wassermengen wurde in dem chemischen Laboratorium des unter meiner Leitung stehenden pharma- ceutischen Instituts der Universität ausgeführt. Das Wasser färbte geröthetes Lackmuspapier blau und diese alka- lische Reaction nahm’ beim Abdampfen auf ein kleines Volumen zu. Beim Kochen trübte es sich nicht, aber bei der Concentration des Wassers auf ein kleines Volumen gelatinirte schliesslich die Flüssigkeit. Der Abdampfrückstand war farblos und färbte sich kaum beim Glühen, es waren daher organische Substanzen nicht vorhanden. Das specifische Gewicht des Wassers betrug 1,00047, Durch die Analyse wurden nachgewiesen und ihrer Menge nach be- stimmt: Kalium, Natrium, Lithium, Calcium, Magnesium, Chlor, Brom, Jod, Schwefelsäure, Kieselsäure und Kohlensäure. Es waren ferner in unbestimmbaren Mengen vorhanden: Nickel, Antimon, Arsensäure, Phos- phorsäure, Borsäure und Fluor. Es konnten nicht aufgefunden werden: Baryum, Strontium, Eisen, Mangan, Ammoniak, Salpetersäure und Titan- säure. Ebensowenig redueirte das Wasser beim Kochen Kalium-Per- manganat, noch wurde bei seiner Destillation mit Natriumcarbonat und späteren Zusatz einer stark alkalischen Kalium-Permanganat-Lösung ein ammoniakhaltiges Destillat erhalten. Es war daher völlig frei von organischen Substanzen, Fäulniss oder Verwesungsproducten und in dieser Beziehung ein selten reines Wasser. Die bei der quantitativen Analyse des Thermalwassers erhaltenen Originalzahlen sind in einer besonderen Schrift (Breslau, Maruschke u. Berendt 1885) veröffentlicht worden, es erübrigt daher hier ihre Mit- theilung. Aus den analytischen Daten berechnet sich nachstehende Zusammen- setzung des Thermalwassers. Sie wird controlirt durch die Verwandlung sämmtlicher Chlormetalle und Carbonate in Sulfate, und deren Wägung, wie aus der Nebeneinanderstellung der betreffenden Resultate hervor- geht, in welcher die Carbonate als Monocarbonate und sämmtliche Salze ohne Krystallwasser berechnet sind. Das Thermalwasser enthält in 1 Liter: Chlornatrium . . .0,067520 gr, berechnet als Sulfat 0,081947 gr, Kaliumsulfat . . . . 0,010590 - - - z 0,010590 = Natriumsulfat . . . 0,222836 = - - - 0.222836 - Bromnatrium . . .0,000221 - - - - 0,000152 - Jodnatrium . . . .0,000027 = - z - 0,000012 = Natriumcarbonat . . 0,133785 - - - ".. 0179281» Latus . 0,434979 gr, berechnet als Sulfat 0,494758 gr, 8* 116 Jahres- Bericht | Transport . 0,454979 gr, berechnet als Sulfat 0,494758 gr, Lithiumearbonat . . 0,000846 2 s - 0,001256 = \“ \ \ \ Caleiumearbonat . . 0,022571 = z z z 0,050696 = Magnesiumcarbonat . 0,000860 - 2 z - 0,001228 = Kieselsäure . . . . 0,088435 = z z z 0,088434 = Summa 0,547691 gr. 0,616372 gr. Abdampfrückstand Sulfate bei 180° getrocknet . 0,5445 gr. direct gefunden . 0,6139 gr. Die Quellengase bestehen aus reinem Stickstoff, Kohlensäure fehlt vollständig, ebenso brennbare Gase, während der unbedeutende Gehalt an Sauerstoff von 0,98 /, zweifellos einer geringen Menge atmosphärischer Luft angehört, deren Beimischung beim Umfüllen der aufgefangenen Gase kaum zu vermeiden war. 2. Analyse des Thermalwassers der Quelle im Schacht, Das Wasser der Quelle des Schachts zeigt dasselbe physikalische Verhalten wie das Wasser des tiefen Bohrlochs und unterscheidet sich in seinem chemischen Bestande nur durch einen sehr geringen Eisen- gehalt, welcher augenscheinlich von dem eisernen Rohr herrührt, durch welches sie gefasst worden war. Auch hier war Schwefelwasserstoff weder durch Geruch, noch durch chemische Reactionen nachzuweisen. Das specifische Gewicht des Wassers war 1 ‚00047, die Tem- peratur 24,5°. Die besliehhen enthalten auch hier keine Kohlensäure und bestehen nur aus reinem Stickstoff, denn die geringe Menge Sauerstoff gehört zweifellos atmosphärischer Luft an, welche beim Auffansen und Um- füllen der Gase sich beigemischt hat. Aus den analytischen Daten berechnet sich nachstehende Zusammen- setzung des Thermalwassers und wird diese durch die Menge der Sulfate controlirt. In 1 Liter Wasser sind enthalten: Chlornatrium . . . . 0,070877 gr, berechnet als Sulfate 0,086021 sr, Bromnatrium . . . .0,000221 = E - - .. 0,000152 , = Jodnatrium . . ._.0,000027 = > - - 0,000012 - Kaliumsulfat . . . . 0,010529 = - - *. ..,0,010529,,,= Natriumsulfat . . .0,223758 - z = - ..0,223758 = Natriumearbonat . . 0,120600 = - - - _0,161558, 1/2 Lithiumearbonat. . . 0,000872 = 2 = - 0,001178 = _ Caleiumearbonat . . 0,022455 - - - - 0,030538 - Magnesiumcarbonat . 0,000567 = 2 s - 0,000810 = Eisenoxyd . . . .0,000750 - E z - 0,000750,|,- Kieselsäure . . . . 0,086250 - 2 z - .0,086250 = Summa 0,536906 gr. 0,601556 gr. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. #17 Der Abdampfrückstand betrug 0,5337 gr. Die direct gefundenen Sulfate 0,6002 gr. Auch bei diesem 'Thermalwasser reicht die vorhandene Kohlensäure nicht aus, um sämmtliche Carbonate in Bicarbonate überzuführen. Mit diesen Analysen stimmen im Grossen und Ganzen die Analysen der Professoren Fischer aus dem Jahre 1836 und jene der neuen Quelle durch Geheimrath Dr. Löwig aus dem Jahre 1853 überein, so dass da- _ durch die Unveränderlichkeit des chemischen Characters der Quellen gewährleistet erscheint. Die vorstehenden Zahlen lassen zunächst keinen Zweifel an dem gemeinsamen Ursprunge der beiden von mir analysirten Quellen, ihre Zusammensetzung ist bis auf einige ganz unerhebliche Unterschiede fast identisch. Brom und Jod konnten nur in dem Wasser der Quelle des Bohrlochs quantitativ bestimmt werden, doch zeigte das Wasser des Schachtes bei den Versuchen eine gleich starke Reaction auf Brom und Jod, welche beiden Elemente bereits von Löwig in der sogenannten neuen Warmbrunner Quelle aufgefunden worden waren. Warum diese beiden Stoffe in den Analysen von Professor Sonnenschein fehlen, ver- mag ich nicht zu entscheiden, kann mich aber der Ueberzeugung nicht verschliessen, dass Brom und Jod auch in den beiden älteren Warm- brunner Quellen vorhanden sein dürften, Mit diesen drei älteren Quellen stimmt auch die Zusammensetzung der beiden neuen Quellen im Grossen und Ganzen überein, so dass alle Quellenstränge Warmbrunns, analog den Karlsbader Quellen, in der Tiefe auf denselben Quellenherd hin- weisen und die unerheblichen Aenderungen ihrer Zusammensetzung nur auf die durchströmten oberen Gesteins- und Erdschichten zurückzu- führen sind. Dies gilt in erster Linie von dem Gehalt an Schwefelwasserstoff in den älteren Quellen, dessen Anwesenheit sich nur sporadisch durch den mehr oder weniger starken Geruch kundgiebt, in den beiden neuen Quellen sich aber weder durch den Geruch verräth, noch durch chemische Reactionen nachgewiesen werden konnte. In engem Zusammenhang mit dem Auftreten des Schwefelwasserstoffs in den älteren Quellen steht der Nachweis einer nicht unbedeutenden Menge von organischen Substanzen in dem Thermalwasser, wobei nur zu bedauern ist, dass die Methoden, durch welche ihre Menge von den früheren Analytikern bestimmt wurde, nicht angegeben sind. In der sogenannten neuen, im Jahre 1853 erbohrten Quelle treten sie in ihrer Quantität bedeutend zurück und in den beiden von mir analysirten Quellen fehlen sie ganz, so wie auch ihre Zer- setzungs- und Oxydationsproducte, das Ammoniak und die Salpetersäure. Die Wechselwirkung zwischen den organischen Substanzen und den schwefelsauren Salzen des Thermalwassers erklärt nun in befriedigender Weise das zeitweise mehr oder minder starke Auftreten des Schwefel- 118 Jahres - Bericht wasserstoffs in den Bassins. Professor L. Meyer in Tübingen, damals in Breslau, hat diese Wechselwirkung bei seiner Untersuchung der Landecker Thermen in Schlesien im Jahre 1863 überzeugend nachgewiesen. Er füllte je zwei Flaschen mit dem Wasser der dortigen Georgen- und Marienquelle und brachte in je eine die in dem Wasser vegetirenden Algen aus der Gattung der Öseillatorien, verschloss die Flaschen und liess sie im Dunkeln stehen. Als sie nach einigen Monaten geöffnet wurden, war das Wasser der Flaschen, welche keine Algen enthielten, völlig geruchlos, während das von den Algen klar abgegossene Wasser der anderen Flaschen sehr stark nach Schwefelwasserstoff roch und weit srössere Mengen Jod zu seiner quantitativen Bestimmung verbrauchte, als an der Quelle frisch geschöpftes Wasser. Der in den Bassins der beiden älteren Quellen sich absetzende Bade- schlamm, sowie die im Wasser gelösten organischen Substanzen spielen hier den schwefelsauren Salzen gegenüber dieselbe Rolle als Reductions- mittel, wie die Algen in Landeck. Der Schwefelwasserstoff findet sich nicht in den beiden neuen Quellen, weil hier die Bedingungen zu seiner Erzeugung fehlen, welche nicht in der Tiefe zu suchen sind, sondern gerade in den obersten Schichten, welche das Wasser durchströmt und wo es mit reducirenden organischen Substanzen zusammenkommt. Die beiden neu erbohrten Quellen können daher nicht als Schwefel- quellen bezeichnet werden, sie gehören vielmehr in die Kategorie der so überaus heilkräftigen Thermen von Gastein, Pfäffers (Ragaez), Johan- nisbad in Böhmen und wohl auch Landeck in Schlesien. Die genannten 'Thermalwässer haben eine höhere Temperatur ge- meinsam und zeichnen sich dureh ihre relativ geringe Menge von festen Bestandtheilen aus, bei welchen die Salze der alkalischen Erden sehr zurücktreten, bei Gastein und Pfäffers aber auch das kohlensaure Natrium; ferner dadurch, dass sie keine freie Kohlensäure enthalten, sondern die sich frei entwickelnden Quellengase nur aus Stickstoff bestehen, dass daher in den Warmbrunner Thermen wie in Landeck das Wasser mit diesem Gase gesättigt ist. In geognostischer Beziehung wäre noch daran zu erinnern, dass die Warmbrunner Thermen, wie jene von Gastein aus granitischen Gesteinen des Urgebirges entspringen und daher in ihrer Zusammensetzung die Zersetzungs- und Auslaugungsproducte der granitischen Gesteine repräsen- tiren, unter denen Kalk, Magnesiasalze und die Kohlensäure so weit zurücktreten, wie es hier bei den beiden analysirten Quellen von Warm- brunn der Fall ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 119 In der Sitzung am 4. März sprach Herr Geh. Bergrath Professor Dr. Römer über das Vorkommen des Ozokerits oder Erdwachs und begleitende Fossilien in der Sobieski- Grube bei Truskawiece im Kreise Drohobyez in Ost-Galizien. Diese zur Gewinnung von Petroleum abgeteufte Grube steht in bituminösem grauen Thon, welcher den Ozokerit in unregelmässigen, zum Theil bedeutend grossen, unregelmässig begrenzten ganz reinen Massen einschliesst. Der Vortragende legte der Gesellschaft ein solches Stück vor, welches bei völliger Reinheit und Gleichartigkeit 60 cm lang, 50 cm breit und 20 em dick ist und ein Gewicht von 45 kg hat. Derselbe Thon schliesst auch linsenförmige Massen von bituminösem thonigen grauen Kalkstein ein, der in zollgrossen oder grösseren Drusenräumen Schwefel in sehr zierlichen Krystallen einschliesst. Dieselben sind sehr scharf und glattflächig ausgebildet und bis 15 mm lang. Das äussere Ansehen ist ganz ungewöhnlich, denn die Krystalle sind durch- Bitumen dunkelbraun bis schwarz gefärbt, so dass man das Mineral bei dem leb- haften Glanze auf den ersten Blick für Zinkblende halten könnte. Die Krystalle sind übrigens Combinationen von P und s. Die sonst beim Schwefel so häufigen Flächen n und e sind kaum angedeutet oder fehlen ganz. Zwischen den Schwefel-Krystallen sitzen zierliche Aragonit-Kry- stalle von gelblich weisser Farbe und von 5 bis 7 mm Durchmesser, Es sind Drillinge, welche als sechsseitige Tafeln oder niedrige sechsseitige Säulen, ähnlich denjenigen von Molina, erscheinen. Auch handgrosse Tafeln von späthigem Gips, durch Bitumen zum Theil dunkelgrau oder schwarz gefärbt, kommen in dem Thone vor. Bekanntlich wird der Ozokerit zur Darstellung von Paraffin in mehreren Fabriken in Oester- reich verarbeitet und das massenhafte Vorkommen desselben auf der Sobieski-Grube verspricht deshalb eine sehr lohnende Ausbeute, Der Vortragende ist, wie dankbar anerkannt wurde, Herrn Dr. von Chlapowsky in Breslau und Herrn Bergreferendar M. Maryanski, Berg- werksdirector in Truskawiee, für die Mittheilung der vorgelegten Stufen verbunden. Derselbe Vortragende legte einige neue Arten von Versteinerungen aus der bekannten Schicht mit marinen Fossilien in dem Steinkohlen- gebirge Oberschlesiens und zwar von der Lauragrube vor. Dazu ge- hören namentlich Solenomya Puzosiana Deakon, bei welcher die radialen Farbenstreifen der Oberfläche deutlich erkennbar sind, und Serpulites membranaceus Me, Coy. 120 Jahres-Bericht Derselbe berichtete noch über den Fund eines gut erhaltenen Knochens von Rhinoceros tichorhinus bei Perschau unweit Polnisch-Warienberg. Es ist der Beckenknochen der linken Seite. Er wurde beim Graben eines Brunnens im Gesindehause auf dem genannten Gute gefunden. Durch die Güte des Herrn Pächter Chorus ist unter Vermittlung des Herrn Sanitätsrath Thalheim der fragliche Knochen in das Mineralogische Museum gelangt. Herr Bergmeister Dr. Kosmann gab eine Beschreibung . der seit wenigen Jahren erschlossenen Kaolinit-Formation auf der Steinkohlengrube Ruben bei Neurode unter Anfügung einer Characteristik und chemischen Analyse der in dieser Formation brechenden Mineralien. Das im Liegenden der Stein- kohlenflötze der Rubengrube auftretende Lager von feuerfestem Schiefer- thon zeigt sich durchschwärmt von Schnüren und schwachen Bänken eines schön grün gefärbten, wachsartig durchscheinenden bis undurch- siehtigen Minerals, und in Verbindung damit treten feinste Schmitze eines Kupfererzes auf, welche meistens sich auf der Anlagerungsfläche zwischen Kaolinit und Schieferthon einschieben; jedoch treten sie auch für sich einzeln in feinen Adern, nicht über 2 mm stark, wie auch in Hohlräumen des Kaolinits in fein krystallisirten und traubig nieren- förmigen Gruppen auf. Der Kaolinit besteht aus reiner Kaolinsubstanz, gefärbt durch Nickel und Kupfer, das Kupfererz ist ein Kobaltglanz und Antimonickel haltiger Kupferkies. Dieser Kobaltgehalt zeigt sich auch in dem schönen Vorkommen von Kobaltblüthe; auch Haarkies wurde mehrfach beobachtet. — Die weitere Erlängung des tiefen Querschlags der Rubengrube ins Liegende hat noch andere, bis 1 m mächtige Lagen des Kaolinits von mehr grauer Färbung, z. Th. von Spatheisenstein- körpern durchsetzt, durchfahren und ist schliesslich in den Schichten des zersetzten Gabbro angelangt, welches Gestein im Kupferhübel zu Tage ansteht, Auch der graue Kaolinit verdient diesen Namen wegen seiner chemischen Zusammensetzung und ist nur von Nickel gefärbt; der grüne Kaolinit tritt aber weiterhin in gleichen Schnüren wie im schwarzen Schieferthon, so auch im zersetzten Gabbro auf und wird hier der Schlüssel für die Genesis dieses Minerals gefunden, dass er aus der Zer- setzung des Labradors des Gabbro abzuleiten, während die Zersetzung des Diallags Spatheisenstein lieferte; der Kalkgehalt des Labradors findet sich als Faserkalk (Aragonit) wieder. Der gesammte Aufschluss dieser Gebirgslagen und die Auffindung der verschiedenen Mineralien sind das. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 121 ausschliessliche Verdienst des Obersteigers Völkel auf Ruben-Gr. — Der Vortragende leitet schliesslich auf Grund der Analyse des Kupferkieses die Entstehung desselben als ein paralleles Gebilde der Kupfererze des Zechsteins, der bekannten Kupferschiefer her und entwickelte seine An- schauung über die Paragenesis der beschriebenen secundären Producte. Die chemischen Analysen hatte der Vortragende in seinem Privatlabora- torium z. Th. im Auftrage der Gräfl. Magnis’schen Bergverwaltung aus- geführt. Herr Professor Dr. Lehmann legte eine prachtvolle grosse Erzstufe aus der Mug-Grube im Revier Röros des Throndhjem-Stifts in Norwegen vor, welche er nebst zwei anderen der Güte des Directors der norwegischen Landesuntersuchung Herrn Prof. Dr. Theodor Kjerulf in Christiania ver- dankt. Die Erze, Magnetkies, Kupferkies, Eisenkies als die häufigsten, begleiten in auffälliger Weise Eruptivgesteine, insbesondere Gabbros, und müssen, falls sie nicht direct aus diesen hergeleitet werden können, doch mit ihnen aus gleichen Ursachen entstanden sein. Kjerulf sieht die Ursache ihrer Entstehung in grossen Dislocationslinien des Gebirges, welche zunächst als Ausbruchslinien für Eruptivgesteine dienten, aber auch nach deren Injection und Erstarrung durch Stauchung und Faltung der Schichten Hohlräume hervorriefen, welche mit Erzen erfüllt werden konnten. Die Umgrenzung jener Erzvorkommen ist dabei selten deutlich gangförmig, nimmt vielmehr die Gestalt von Lagern und linsen- oder flammenartigen Partien an. Besonders intensiv mit Erzen imprägnirt erwiesen sich die inneren Theile scharf geknickter oder gebogener Schiefer, weil sie durch das Zurückbleiben benachbarter Lagen am stärksten aufgelockert wurden und Raum für den Absatz secundärer Erzausfüllungen boten. Kjerulf’s Auffassung dieser Erzlagerstätten als secundäre Spaltenausfüllungen konnte Redner aus seinen Erfahrungen nur bestätigen, und wies er unter Vorlage instructiver Stufen aus anderen Gebieten auf die Häufigkeit und grosse tektonische Bedeutung dieser Erscheinungen hin, welche sehr oft nicht richtig erkannt worden sind. Herr Dr. Gürich berichtete über einige Bohrungen in der Nähe von Breslau. Durch Herrn v. Lösch auf Ober-Stephansdorf erhielt der Vortragende das Register von 4 Bohrlöchern zwischen Neumarkt und der Oder, von Falkenhain bis 120°, Ober-Stephansdorf 220%, Vogelheerd 240°, Seedorf 260°. Da eben nur die Register vorliegen, Proben aber nicht vorhanden sind, so ist es nicht wohl möglich, die wünschenswerthen Folgerungen daraus zu ziehen. Soviel nur lässt sich ersehen, dass die Schichtenfolge in so nahe gelegenen Orten ausserordentliche Verschiedenheiten aufweist. 122 Jahres-Bericht Die obere Grenze des Tertiär liegt in Falkenhain viel näher der Oberfläche als in Breslau selbst, wahrscheinlich weniger als 50° tief, Bei den übrigen Bohrlöchern lässt es sich nicht angeben. Von einem Bohrloch in der Schöller’schen Zuckerfabrik in Klettendorf hat der Vor- tragende Bohrproben bis zu einer Tiefe von 44 m gesehen, Hier be- ginnt das Tertiär bereits bei 2 m Tiefe. Darunter folgen wie gewöhn- lich zunächst merglige, graue, gelbgeflammte, dann reine fette Thone von verschiedener Farbe mit Einlagerungen von feinem thonigen Sande, der reich an Schwefelkies ist. Die fetten Thone führen oft Mergel- knollen, die Sande Brocken von kiesligen Sandsteinen. - Das Ergebniss dieses Bohrloches ist deswegen interessant, weil es ersehen lässt, wie uneben die Oberfläche des Tertiär, also die Unterlage des Diluviums in unserer Gegend ist, indem dieselbe bei Breslau selbst erst ca. 30 m tief auftritt. Schliesslich sprach Herr Dr. H. Kunisch über das Bohrloch der Provinzial-Irren-Anstalt zu Leubus. Dasselbe ist von der Actien-Gesellschaft ‚Breslauer Metallgiesserei‘‘ zur Beschaffung von Wasser mit günstigem Erfolge angelegt worden. Die das Wasser liefernde Sandschicht wurde in einer Tiefe von 107 m er- reicht. Das geförderte Wasserquantum beträgt gegenwärtig 110 1 pro Minute. Die chemische Untersuchung des Wassers wird durch Herrn Prof. Dr. Poleck ausgeführt. Das dem Vortragenden von dem Director der Actiengesellschaft Herrn Wolff gütigst zur Verfügung gestellte Bohr- register resp. Profil weist im Wesentlichen folgende Schichtenfolge auf: 0—7 m Aufschüttung, 7”—16 m dunkler, thoniger Sand mit zahlreichen Geschiebebrocken, 16—57 m Letten von meist gelber Farbe mit Sand- einlagerungen und mehr oder minder häufigen Geschieben 57—73,5 m wechselnde Lagen von Sand und fettem, blauem Thon zum Theil mit zahlreichen Mergelconceretionen, 73,5—99,5 m wechselnde Schichten von Sand, blauen Thonen und Braunkohle, 99,5—107 m wechselnde Lagen von weisslichen Thonen und Sanden, mitunter spärliche Braunkohlenreste enthaltend. Die Bohrproben entsprechen dem ursprünglichen Schichten- material nicht vollständig, weil sie bei der Anwendung der sogenannten Spritzbohrmethode mechanisch verändert wurden, ehe sie zu Tage ge- bracht werden konnten. Die einzelnen Braunkohlenlagen sind von ge- ringer Mächtigkeit bis auf eine 4 m starke Schicht, welche sich bei 94 bis 98 m Tiefe vorfand. Trotz des Bohrregisters liess sich in Anbe- tracht der Unvollständigkeit der Bohrproben die Grenze zwischen dem Diluvium und dem Tertiär nicht mit Sicherheit feststellen; allem An- scheine nach liegt sie in der Tiefe von ungefähr 60 m. der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur. 123 In der Sitzung am 6. Mai demonstrirte Herr Professor OÖ. E. Meyer ein von Weinhold und zwei von ihm construirte Modelle zur Erläuterung der Lichtbrechung. Brechung ebener Lichtwellen, Eine ebene Lichtwelle AB Fig. 1, welche, in der Richtung BC fortschreitend, auf die Trennungsfläche AC zweier Medien auffällt, be- findet sich nach der Brechung in der Lage DC und schreitet in der Richtung AD fort, wenn die Längen der gegen die Wellen senkrechten Linien BC und AD in dem durch den Brechungsindex n bestimmten Verhältniss der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten stehen. Aus dieser be- kannten Huygens’schen Construction folgt ein einfacher Satz über die Lage des Punktes E, in welchem sich die beiden verlängerten Richtungen AB und DC schneiden. Dieser Punkt bildet die Spitze der beiden Drei- ecke AED und CEB, aus deren Aehnlichkeit das Verhältniss: EC:EA—=BC:AD=—n:l folgt. Beziehen wir nun den mit der Grösse des Einfallswinkels ver- änderlichen Ort des Punktes E durch rechtwinkelige Coordinaten x — AG und y=GE auf den festen Anfangspunkt A, so ist EBA’—=x? + y?, und ebenso, wenn wir die als unveränderlich angenommene Entfernung AC=a setzen: BU—=&+a)?+y N liefert die nn Proportion die Beziehung: + a)? + y?—=n%x?+ny? zwischen den Coordinaten x und y des Punktes E oder: ae 9 na \° Serra) +r=-() a d. h. der Ort des Punktes E ist ein Kreis, welcher mit dem Radius na/(n?— 1) um einen in der Entfernung a/n?— 1) von A gelegenen Punkt F beschrieben ist, Auf diesem Satze beruht die Einrichtung eines beweglichen Mo- delles, welches für die Erläuterung des Brechungsgesetzes der Licht- wellen von demselben Nutzen sein kann, wie das auf der Reusch- schen Construction beruhende Modell von Weinhold!) für die Licht- strahlen. Eine Messingstange FAC Fig. 2 bezeichnet die Grenze zweier Medien, und zwar denke man sich über derselben Luft, unter derselben Glas, sodass n— 1,5 gesetzt werden darf, Dieser Annahme entspricht die Wahl der Entfernungen FA =300 mm, AC=375 mm zwischen den Punkten F, A und C, um welche sich drei Staugen FE, BH und CJ drehen. Von diesen Stangen trägt die 450 mm lange Stange FE an ihrem Ende E zwei Schieber, durch welche die beiden anderen hindurch- ı) Weinhold, phys. Demonstrationen. Leipz. 1881. p. 298. 124 Jahres-Bericht gesteckt sind. Dadurch werden diese gezwungen, sich bei einer Drehung des Punktes E um F so zu bewegen, wie es das Gesetz der Brechung der Wellen verlangt. Die Richtung der zugehörigen Lichtstrahlen wird durch Pfeile an- gedeutet, von welchen drei auf der Schiene AB, drei auf CE angebracht sind. Diese Pfeile sind um ihre Mitte drehbar eingerichtet, damit das Modell auch zur Erläuterung des Ueberganges der Wellen aus einem stärker brechenden Mittel in ein weniger stark brechendes und besonders zur Erklärung der totalen Reflexion benutzt werden könne. Der Punkt, bei welchem die letztere beginnt, wird am Modell dadurch markirt, dass nicht allein AB senkrecht gegen AC, sondern auch EF senkrecht gegen EC steht. (Vgl. die punktirten Linien in Fig. 1.) Weiter nach der rechten Seite darf E nicht verschoben werden. 2. Brechung in Linsen. Die von einem leuchtenden Punkte A Fig. 3 auf eine Convexlinse fallenden Lichtstrahlen vereinigen sich jenseits der Linse in einem Punkte B, dessen Lage durch die Formel: 1 1 1 atp0r bestimmt wird, wenn a die Entfernung von A bis zur Mitte C der Linse, ebenso b die Entfernung CB und endlich F die Brennweite, also eine constante Grösse bedeutet. Nennen wir c die Entfernung eines beliebi- gen Punktes D (oder D’) der Linse, durch welchen die beiden Richtungen eines Lichtstrahles vor und nach der Brechung AD und DC hindurchgehen, von dem Punkte © der Axe, so können wir die Gleichung in der Form: e e c Birne darstellen, wo « den Winkel DAC und ß den Winkel DBC bezeichnet. Nach dieser Formel lässt sich die Lage des von einem leuchtenden Punkte A entstehenden Bildes B mittelst eines beliebig gewählten, aber fest angenommenen Punktes D so construiren, dass die Summe der beiden Tangenten einen constanten Werth bildet. Noch einfacher lässt sich diese Bedingung aussprechen, wenn wir BD über D hinaus verlängern, DF parallel der Axe AB ziehen und durch einen festen Punkt F in unveränderlicher Entfernung von D eine zweite Linie EG senkrecht zur Axe legen. Dann ist, da < FDG=« und <= FDE=B ist, die Be- dingung zu erfüllen, dass: BG = ER + FG=FD(tga + tgß) = 5 FD constant zu erhalten ist. Wir haben also, um je zwei zusammengehörige Punkte A und B zu finden, die Linien AD und DB um den Punkt D so zu drehen, dass das auf der festen Linie FF’ von den Strahlen AD und DB begrenzte Stück EG einen constanten Werth beibehält. > e 3. Jahres-Bericht d. Schles. @es. 1885. Zur Abhandl. von O. E. Meyer. "A 2) Ach der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 125 Für eine Concavlinse gilt, wie ein Blick auf Fig. 4 lehrt, die letzte Form des Satzes genau ebenso, die vorausgegangenen mit den erforder- lichen Aenderungen der Vorzeichen. Hierauf beruht der Gebrauch, welchen man von dem in Fig. 5 und 6 dargestellten Modell für die Theorie sowohl der Convex- als auch der Concavlinsen machen kann. Ein Stativ trägt in D und D’ zwei, nach Bedarf verstellbare Zapfen; um D drehen sich die Stäbe AD und DB, welche die beiden Richtungen eines gebrochenen Lichtstrahles vor- stellen, ebenso AD’ und D’B um D’. An dem Stativ ist in C eine horizontale und an dieser in H eine verticale Stange befestigt, welche letztere, wie die erwähnten Stäbe in ihrer Mitte der Länge nach auf- geschlitzt ist. In den Schlitzen bewegen sich die an zwei Schiebern EG und E’G’ befestigten Stifte E und G, sowie E’ und G'; ebenso be- deutet A einen auf der horizontalen Stange verschiebbaren Stift, welcher durch die Schlitze der Stäbe greift. Eine Verschiebung dieses Stiftes bewirkt eine Veränderung des Ortes des Punktes B nach demselben Gesetze, wie das Bild B mit dem leuchtenden Punkte A seine Lage ändert. Handelt es sich um convergirend oder parallel einfallende Licht- strahlen, so wird der Stift A entfernt, ebenso wenn der Gang der Licht- strahlen, welche ein ausserhalb der optischen Axe liegender Punkt aus- sendet, zur Anschauung gebracht werden soll. Kürzlich ist zu denselben Zwecken von Haycraft!) ‘ein ähnliches Modell angegeben worden, dasselbe giebt aber keine genau richtige Vor- stellung von der Sache. Die beiden beschriebenen Modelle sind vom Mechanikus J. Kleinert in Breslau, Kirchstrasse Nr. 16, ausgeführt worden, Herr Professor Dr. L. Weber sprach über die Zunahme der Blitzschläge unter Vorlegung von photographischen Aufnahmen von Blitzen. Dieselbe wurde zuerst 1869 von v. Bezold für Bayern constatirt, sodann für das Königreich Sachsen 1872 von Gutwasser, ferner für ganz Deutschland 1880 von Holtz und abermals für Bayern in einer 1854 von v, Bezold publieirten umfassenderen Untersuchung. Das Material für diese Statistiken lieferten die Acten der Feuer-Versicherungs- Gesellschaften. Es ergab sich in allen Fällen eine starke, für den 30jährigen Zeitraum 1850—1880 etwa auf das Dreifache zu beziffernde Zunahme der im jährlichen Durchschnitt vom Blitz getroffenen Gebäude. Diese 'Thatsache hat jetzt eine weitere Bestätigung gefunden durch eine vom Vortragenden vorgelegte kartographische Darstellung, welche !) Haycraft, Nature. 30. p. 543. Zeitschr. f, Instrumentenk. 5. p. 97. 1885. Beibl. 9. p. 167. 126 Jahres - Bericht auf zwei grossen lithographirten Blättern von dem Director der Provin- zial-Städte-Feuer-Societät der Provinz Sachsen, Herrn Kassner in Merseburg, veranlasst ist. Die erste Karte zeigt als farbige Punkte ein- getragen alle in dem Decenniam 1864—73 in der Provinz Sachsen und den umgrenzten anhaltischen Distrieten zur Anmeldung gekommenen Blitzschläge in Gebäude. Die zweite Karte bezieht sich in gleicher Weise auf das folgende Decennium 1874—83 und zeigt eine erschreckende Zunahme der Blitzschläge von 753 auf 1441, also um etwa 90 pCt. von einem Decennium zum anderen. Eine besonders starke Vermehrung haben die kalten Blitzschläge erfahren, welche von 477 auf 1026, also um 114,5 pCt. wuchsen, während die zündenden von 276 auf 415, also nur um 51,4 pCt. sich vermehrten. Schon das Jahr 1884 hat für die Provinz Sachsen eine erneute Vermehrung der Blitzschläge gebracht; es lässt sich demnach die Thatsache nicht verkennen, dass sich die meisten, wenn nicht alle Gegenden Deutschlands (ebenso auch Hollands) in einer grösseren Periode beständig zunehmender Blitzgefahr befinden. Eine ausreichende Erklärung dieser beunruhigenden Erscheinungen ist bisher noch nicht gelungen, auch gehen die Versuche dazu ausein- ander, insofern v. Bezold die Ursache wesentlich in einer Zunahme der Gewitterhäufigkeit und Heftigkeit, also in meteorologischen Verhältnissen sucht, während Holtz das letztere bestreitet und die ver- mehrte Anwendung metallischer Constructionstheile der Gebäude als vornehmste Ursache zu erblicken glaubt. Der Vortragende stimmte mit v. Bezold darin überein, dass die Holtz’sche Meinung erst in zweiter Linie in Betracht zu ziehen sei. Ein weiterer Schritt zur Erklärung werde vermuthlich erst von einer die meteorologischen und localen Ver- hältnisse jedes einzelnen Blitzschlages berücksichtigenden Statistik zu erwarten sein. Eine solche zu veranlassen, würde im wohlverstandenen Interesse der einzelnen Provinzen und so auch Schlesiens liegen, welches bisher die Grösse der Gefahr noch nicht einmal kennt, der es durch Blitzschlag ausgesetzt ist. Der Vortragende zeigte hierauf photographische Aufnahmen von Blitzen vor, welche zuerst von Herrn Rob. Hensel (Reichenberg in Böhmen) für die Wiener Ausstellung 1883 hergestellt und in einer Copie an Herrn Professor Dr. O. E, Meyer gesandt waren. Eine Wiederholung im physikalischen Institute zu Berlin, welche Kayser im vorigen Sommer ausführte, hat die Annahme bestätigt, dass Blitze aus _ alternirenden Entladungen zwischen Wolken und Erde bestehen. — Sodann wurden zwei vom Blitz getroffene und angeschmolzene Metallstücke gezeigt, nämlich das Stück eines von Herrn Eugen Meyer in Kiel gesandten, zu schwachen Blitzableiterseiles aus Holstein und derjenige mit Erlaubniss des Magistrates abgenommene Knopf des der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 127 eisernen Geländers an der Wilhelmsbrücke hierselbst, in welchem der heftige Blitzschlag vom 9. April d. J. von der unmittelbar benachbarten, stark zersplitterten Pappel abspringend hineingefahren war, und eine charakteristische Schmelzstelle verursacht hatte. Derselbe demonstrirte hierauf drei zur Herstellung von Lichteinheiten bestimmte Lampen, nämlich 1) der Siemens’schen Platinlampe. In derselben befindet sich hinter einem kreisförmigen Ausschnitt von '/,, Qem Oeffnung ein Streifen aus reinem Platinblech. Bringt man letzteren durch einen gal- vanischen Strom zum Schmelzen, so strahlt aus der Oeffnung im Momente des Schmelzens der zehnte Theil derjenigen Lichtmenge aus, welche als internationale Lichteinheit auf dem Pariser Elektriker-Congresse ange- nommen worden ist; 2) der Gebrauchsnormallampe von von Hefner-Alteneck, einer mit Amylacetat gespeisten, nach Art der Benzinkerzen eingerichteten Lampe, welche bei regulirter Flammenlänge gleich hell mit einer Spermacetikerze brennt und 3) der Elster’schen Normalgaslampe, welche in Folge einer eigenthümlichen Cylinder- construction eine stets gleichbleibende Helligkeit von 10 Kerzen ergiebt. Der Assistent am pharmaceutischen Institut Herr Dr. Kassner sprach über den Nachweis von Amylalkohol und Solanidin in einer giftigen Kartoffelschlempe. Bei der Untersuchung einer Kartoffelschlempe auf ihren Gehalt an Aethyl- und Amylalkohol, von denen der letztere nach der in den Be- richten der deutschen chemischen Gesellschaft, Jahrgang 1882, von Marquardt angegebenen Methode bestimmt wurde, musste diese auch auf den Nachweis anderer giftiger Stoffe ausgedehnt werden, weil Kühe nach dem Genusse dieser Schlempe erkrankt seien und ebenso auch Personen, welche die Kartoffeln desselben Feldes genossen hätten. Dieser Mittheilung war hinzugefügt worden, dass jenes Feld mit Chilisalpeter gedüngt gewesen sei. Wenn nun auch ein Zusammenhang dieses Um- standes mit der giftigen Wirkung der Schlempe nicht denkbar schien, so war andererseits doch der Gehalt an Amylalkohol gleich 0,68 pro Mille zu gering, als dass dieser die Ursache der Intoxikation sein konnte. Es wurde daher, nachdem ein Theil der Schlempe mit chlorsaurem Kali und Salzsäure zerstört worden war, zunächst die Untersuchung auf giftige Metallsalze, welche vielleicht aus dem Material der in der Brennerei benutzten Gefässe und Rohrleitungen hätten stammen können, unter- nommen. Es konnte jedoch nichts anderes als ein geringer Gehalt an Eisen festgestellt werden. Es wurde daher in einer zweiten Portion des Materials der all- gemeine Gang zur Abscheidung der Alkaloide eingeschlagen. In der 128 Jahres- Bericht That gelang es, in der Ausschüttelung der mit Ammoniak versetzten Flüssigkeit durch Amylalkohol deutliche krystallinische Rückstände, so- wie in den mit angesäuertem Wasser aufgenommenen Verdunstungs- rückständen die charakteristischen Alkaloidreactionen zu erhalten. Ueber die Natur des vorhandenen Alkaloids konnten keine grossen . Zweifel obwalten. Das zur Ausschüttelung benutzte Medium, Amyl- alkohol — Petroläther nahm nur ganz geringe Spuren auf — liess kaum einen Zweifel, dass Solanin oder dessen Spaltungsproduet Solanidin hier vorlag. In der That trafen die sowohl dem Solanin, wie dem Solanidin zukommenden charakteristischen Reactionen ein; namentlich prächtig fand das Gelatiniren einer heiss bereiteten Lösung jenes Rückstandes in Amylalkohol beim Erkalten statt, sowie die treffliche Reaction mit con- centrirter Schwefelsäure und doppelt chromsaurem Kali, durch welche nach Verlauf einiger Stunden beim ruhigen Stehen eine intensiv blaue Farbe, welche später einer grünen Platz machte, entstand, Ein Versuch, durch Kochen mit Fehling’scher Lösung nach vorheriger Erwärmung mittelst verdünnter Mineralsäuren eine Abscheidung von Kupferoxydul zu erhalten, gelang nicht, woraus zu schliessen war, dass der grösste Theil des Solanins in dem sauren Maischrückstande schon zu Solanidin gespalten worden war. Somit war die Anwesenheit jenes giftigen Stoffes, des Solanidins, in der Kartoffelschlempe über alle Zweifel gestellt und damit auch die Ursache der Erkrankung gefunden. Der Grund für die Anwesenheit des genannten Alkaloids kann jeden- falls nur in der Beschaffenheit des Maischgutes gesucht werden, welches, wenn es aus keimenden oder nicht völlig gereiften Kartoffeln bestand, stets Solanin enthalten wird. Selbstverständlich tritt mit der bei der Gährung und Destillation erfolgenden Substanzveränderung der Kartoffel eine Concentration jenes Giftes ein, wodurch die Verfütterung des Maischrückstandes an das Vieh um so bedenklicher wird. Es ist nicht denkbar, dass Chilisalpeter-Düngung die Kartoffelpflanze zur Bildung von Solanin und zur Ablagerung desselben in der Knolle in höherem Grade veranlasst. Derselbe hielt dann einen Vortrag über den Kautschukgehalt von Sonchus oleraceus und Lactuca virosa. Es ist zwar seit geraumer Zeit bekannt, dass viele bei uns wachsende Milchsaftpflanzen Kautschuk enthalten, aber eine genaue Bestimmung seiner Menge wurde bisher noch nieht ausgeführt. Ebenso wenig dachte man daran, dass eine Darstellung desselben sich irgend wie lohnen könne. Der Vortragende hat eine unserer häufigsten Milchsaftpflanzen, Sonchus oleraceus, auf ihren Gehalt an Kautschuk und ihre chemische Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 129 Zusammensetzung im Allgemeinen untersucht. Er war der Meinung, dass die Resultate auch für die practische Verarbeitung jener Pflanze von Werth sein könnten. Der leitende Grundgedanke seiner Arbeit war die Führung des Nachweises, dass in allen Milchsaftpflanzen neben Kautschuk noch andere Bestandtheile vorhanden seien, welche bei ihrer Darstellung auch die Gewinnung des Kautschuks rentabel erscheinen lassen. Die Gänsedistel, Sonchus oleraceus, ist ein so allgemein verbreitetes Unkraut, dass ihre Beschreibung hier erübrigt. Nothwendig erscheint es, auf die feinen Wollhaare ihrer kleinen Früchte aufmerksam zu machen, welche diesen als Flugschirm zu rascher Verbreitung dienen. Die Wollhaare dieses Pappus besitzen eine Länge von 6 mm, sie stehen mehrreihig auf der Spitze der Frucht und zeichnen sich vorzüglich dadurch aus, dass sie aus vielen Einzelzellen aufgebaut sind und zahlreiche Aus- wüchse und Häckchen zeigen. Vermöge derselben können sich die einzelnen Haare leicht untereinander verfilzen und da ihre Masse, wie die Blaufärbung durch Jod und Schwefelsäure ergab, vorzugsweise aus Cellulose besteht, so dürften sich dieselben ganz vortrefflich zur Fabrika- tion von Papier eignen, im Fall es gelänge, sie in grösseren Mengen zu gewinnen. Um eine Vorstellung von der in der getrockneten Pflanze enthaltenen Menge dieser Wollhaare zu gewinnen, wurden dieselben durch scharfes Trocknen des Sonchus Heus, durch Pulverisiren und Absieben der zer- brechlichen Theile als filzige Masse erhalten und gewogen. Es wurden einmal 3,7, ein anderes Mal 6,8 pCt. vom trockenen Kraut erhalten, ihre Menge wird jedoch stets nach der Anzahl der Blüthenrispen variiren. Ein anderer wichtiger Theil- der Gänsedistel ist das System der Milchsaftröhren. Diese bilden zahlreiche in der Längsrichtung des Stengels verlaufende und seitlich durch Anastomosen mit einander in Verbindung stehende Stränge, welche auf der äussersten Grenze des Phlo@ms gruppirt sind. Von dem Collenehymgewebe und den äussersten hypodermalen Schichten sind sie durch eine Reihe grosser Zellen ge- trennt; namentlich in den jüngeren Stengeltheilen treten letztere scharf hervor und sind besonders noch dadurch kenntlich, dass sie vor allen anderen Zellen der Rinde die meisten und grössten Stärkekörner führen. Nur selten gelingt es, auch auf der Markseite der Gefässbündel Milchsaftgefässe aufzufinden. Der Inhalt derselben besteht aus einer dichtkörnigen, bräunlichen Masse, welche besonders nach Behandlung der Pflanzenschnitte mit Kali recht deutlich hervortritt. Die Weite der Milehsaftröhren ist verschieden, im Durchschnitt wurden sie zu 0,01—0,015 mm gefunden; ihre Zahl aber betrug im Umfange des Stengels 30 bis 40, 1885. 1) 130 Jahres-Bericht Um den Kautschukgehalt der Pflanze zu ermitteln und zur Isolirung der begleitenden Stoffe wurde das bei 100° getrocknete Pflanzenpulver in dem bekannten Apparate von Soxhlet der Behandlung mit Benzin, in anderen Versuchen auch der mit Schwefelkohlenstoff und Petroläther unterworfen. Die erhaltene Lösung, welche eine schmutzig braungrüne Farbe besass, wurde durch Abdestilliren vom Lösungsmittel befreit und der Rückstand zunächst mit starkem Alkohol ausgekocht. Der abge- gossene Alkohol besass die Farbe des Extractes und enthielt die Haupt- menge der Chlorophylifarbstoffe, sowie des Pflanzenwachses gelöst, welches letztere sich beim Erkalten der kochenden Flüssigkeit in flockigen Massen abschied. Das Auskochen mit Alkohol wurde solange fortge- setzt, als derselbe überhaupt noch lösliche Stoffe dem Rückstande ent- zog, solange er nämlich gefärbt abfloss. Es hinterblieb auf diese Weise eine sehr zähe aber noch nicht ein- heitliche Masse, welche eine dunkele Farbe besass und vom Vortragenden „Rohkautschuk‘“ genannt wurde; in der Regel betrug die Menge der- selben '/, des Extractes. Die weitere Reinigung des Rückstandes er- folgte durch Auskochen mit alkoholischer Kalilauge, durch welche eine Verseifung der übrigen wachs- und fettartigen Körper erzielt wurde und der Rückstand schliesslich noch um mehr als die Hälfte an Gewicht ab- nahm. Derselbe bestand nun aus Kautschuk, welches durch abwechselndes Auswaschen mit Wasser und Weingeist noch von den Resten der Kali- lösung befreit wurde und dann eine graue, schwach grünliche Masse darstellte, die sich leicht durch Druck in Klumpen vereinigen liess. Sie war elastisch und zähe, widerstand chemischen Agentien (Säuren, Alkalien) und löste sich vollkommen nur in Schwefelkohlenstoff und Chloroform, zum grossen Theil auch in Aether. Das nach der beschriebenen Methode behandelte Kraut von Sonchus oleraceus gab im Mittel verschiedener Untersuchungen 4,05 °/,, Extract, 0,44%, Rohkautschuk und 0,18°, Reinkautschuk. Wie man sieht, ist die Ausbeute des letzteren aus der Gänsedistel keine bedeutende, doch glaubt der Vortragende, dass sich noch Pflanzen finden werden, sei es aus der Zahl der Compositen, sei es aus der Familie der Asclepiadeen, welche weit mehr von diesem Stoff enthalten. Es enthält jedoch die Sonchus-Pflanze, überhaupt alle Milchsaftpflanzen, ausser Kautschuk noch andere, bei demselben Processe zu gewinnende Stoffe. Das Extract besteht zum weitaus grössten Theil aus Wachsarten und Farb- stoffen; beide lassen sich aber leicht von einander trennen und kann jede dieser Körper-Gruppen für sich Verwendung finden. Erst in neuerer Zeit hat Tschirch !) auf die Eigenschaften der Chlorophylifarbstoffe besonders auf- merksam gemacht und gezeigt,. dass man aus einem derselben, dem !) Untersuchungen über das Chlorophyll. Berlin, 1884. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 131 Chlorophyllan, leicht durch Reductionsmittel das von ihm benannte „Reinchlorophyli“ darstellen kann. Auch unsere schmutzig gefärbte alkoholische Extractlösung enthält diesen Körper, sie giebt direet mit Zinkstaub gekocht den prächtig grünen und unschädlichen, von Tschirch entdeckten Farbstoff. Neben der Gewinnung dieser Stofie handelt es sich auch darum, die Hauptmenge der Abfallproduete, nämlich das extrahirte Pflanzenheu passend zu verwerthen. Zu diesem Zweck unternahm der Vortragende zunächst eine Bestimmung des Nährwerthes des extrahirten Pulvers der Sonchus-Pflanze; er fand im Mittel mehrerer Analysen einen Gehalt von 15,62 /, Proteinstoffen, 19,54 %/, Rohfaser, 44,91 °/, stickstofffreie Extractivstoffe, darunter Kohle- hydrate u. s. w. Es zeigen diese Resultate im Vergleich mit den Procentgehalten unserer bekanntesten Culturpflanzen, dass die Sonchus-Pflanze hinsichtlich des Nährwerthes viele der gebräuchlichen Futtermittel übertrifft. und einigen der vorzüglichsten nahe kommt. Zu ersteren gehören z. B. Wiesenheu mit 11,43, Rothklee mit 14,79 Procent, zu letzteren Weiss- klee mit 16,52, Luzerne mit 17,00 Procent Proteinstoffen u. s. w. Das extrahirte Pflanzenpulver kann also noch als werthvolles Futter- mittel benutzt werden. Dem oben erwähnten Gedanken folgend, musste auch den Cultur- bedingungen der Gänsedistel Beachtung geschenkt werden; diese finden ihren Ausdruck vorzüglich in der Grösse des Aschengehaltes und in der Zusammensetzung derselben. Der Gehalt an Rohasche wurde in 5 Versuchen bestimmt; es er- gaben sich im Durchschnitt 15,88 Procent, eine im Verhältniss zu anderen Pflanzen sehr hohe Ziffer; jener der Reinasche betrug 10,73 °/,. Die Zu- sammensetzung der Reinasche war folgende: BIO I S8,0| Ca0O | MgsO| Fe,0, | P,O, | SO, |. SiO, .h),C1 52,17 | 6,05 | 12,16 | 4,86 | 3,10 | 4,91 | 12,47 | 6,13 | 4,67 Man sieht bei der Vergleichung mit der Zusammensetzung der Asche unserer Culturpflanzen, dass die Sonchus-Pflanze dem Boden sehr viel Kali entzieht, weit mehr als alle übrigen; sie wird darin nur von ihren nächsten Verwandten, dem Lattich und dem Kopfsalat übertroffen. Um einige Zahlen zu geben: es entzieht Sonchus oleraceus 1,12 mal mehr Kali als Tabak, 129° 2 - - = Brennnessel, 1,69 - - - = italienischer Süssklee, 2,00 - e - = Erbsen, 2,37 2 = = > Wicken, 38,00 = z - = Wiesenheu, 5,86 2 = = z Lupinen; g9* 132 Jahres-Bericht dagegen 1,10 mal weniger als Lattich, 1,21 = = = Kopfsalat. Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass wenn man in die Lage kommen sollte, die Gänsedistel zu dem besprochenen oder anderen Zwecke an- zubauen, man namentlich Kali dem Boden wird zuführen müssen; sollte sie dagegen als Material einer Jndustrie oder als Futtermittel keine Beachtung finden, so wird man darauf halten müssen, sie mit allen Mitteln auszurotten, da sie wegen der Menge der von ihr dem Boden entzogenen Mineralstoffe, vorzugsweise Kali, eins der eulturfeindlichsten Unkräuter ist. Der von ihr verübte Schaden wird nur in dem Falle ausgeglichen, wenn man sie nach Verfütterung an das Vieh wieder in Gestalt von Dünger den Feldern zurückführt. Der eingetrocknete Milchsaft einer anderen dieser Pflanzen, nämlich der Lactuca virosa, bildet dasschon seit geraumer Zeit als Heilmittel gebrauchte Lactucarium. Dieses, eine Mischung der verschiedensten Körper, wird neuerdings von den medicinisch unwirksamen Bestand- theilen durch Extraction mit Benzin befreit, wodurch man ein Abfall- product erhält, welches das Kautschuk in viel concentrirterer Form be- sitzt, als es im Milchsaft von Lactuca virosa selbst zu finden ist. Der Vortragende unternahm es, auf Veranlassung des Herrn Professor Poleck, den Procentgehalt an Kautschuk zu ermitteln; die Menge desselben wurde annähernd gleich 20 pCt. gefunden. Da nun der frische Milchsaft ungefähr 25 pCt. solcher wirkungslosen und harzartigen Stoffe enthält, so beträgt der Kautschukgehalt des frischen Saftes der genannten Pflanze etwa 5 pCt. Eine Probe des aus Lactuca virosa gewonnenen Kautschuks und Lösungen zweier aus Sonchus oleraceus als Nebenproduct erhaltenen Farbstoffe eines grünen und eines gelben wurden der Versammlung mit den Abbildungen der erwähnten Pflanzen und ihrer Milchsaftgefässe vorgelegt. | Dieser Vortrag ist inzwischen in wesentlich vermehrtem Inhalt als besondere Schrift: „Ist in Deutschland eine Production von Kautschuk möglich, gestützt auf den Anbau einheimischer Culturpflanzen?‘“ von Dr. Georg Kassner, Breslau, J. U. Kern’s Verlag, 1885, erschienen. Herr Professor Dr. von Richter sprach schliesslich über den sogenannten kritischen Druck fester Körper. Die Erscheinung, dass feste Körper, wie Arsen, Campher, Jod, beim Erhitzen nicht schmelzen, sondern ohne zuvor flüssig zu werden, direct verdampfen, findet nur unterhalb eines bestimmten Druckes statt. Carnelley, der diese Erscheinung auch beim Eise nachwies, hat die An- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 133 sieht ausgesprochen, dass dieselbe durch ein besonderes Naturgesetz be- dingt ist; er bezeichnete den zur Schmelzung nöthigen Minimaldruck als „kritischen Druck“ und definirte denselben als denjenigen äusseren Druck, unterhalb welchem keine Wärmezufuhr im Stande ist, die feste Substanz zu schmelzen. Der Vortragende führte aus, dass die Erscheinung des sog. kritischen Druckes ihre einfache Erklärung findet in der Betrachtnug, dass eine Flüssigkeit nur bestehen kann, wenn der auf ihr lastende Druck grösser ist als die Spannkraft ihrer Dämpfe bei einer gegebenen Temperatur, dass daher ein schmelzbarer, fester Körper, wenn er sich unter einem geringeren Druck, als dem seiner Dampfspannung bei der Schmelz- temperatur befindet, nicht flüssig werden kann, sondern direct verdampfen muss. Der sog. kritische Druck eines festen Körpers ist daher derjenige äussere Druck, welcher seiner Dampfspannung bei der Schmelztemperatur entspricht. Das Eintreten der Nichtschmelzbarkeit einer Substanz ist mithin durch diese Dampfspannung gegeben. So ist vorauszusehen, dass das feste Benzol, dessen Tension bei dem Schmelzpunkt von -- 6°C, 37,8 mm beträgt, unterhalb dieses Druckes nicht schmelzbar sein kann. Ebenso findet die häufig befremdende Erscheinung, dass flüssige Kohlen- säure beim Ausgiessen aus einem sie unter Druck enthaltenden Gefässe sogleich fest wird, ihre Erklärung in dem Umstande, dass die Tension der Kohlensäure bei ihrer Schmelztemperatur von — 65° C. gegen 3,5 Atmosphären beträgt, flüssige Kohlensäure mithin bei einem niedrigeren Druck nicht bestehen kann. In der Sitzung am 10. Juni sprach Herr Dr. phil, et med. M. Traube über die langsame Verbrennung des Zinks, Bleis, Eisens und des Palladium- Wasserstoffs unter Mitwirkung des Wassers. Dass die Oxydation unedler Metalle bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft durch Anwesenheit von Wasser wesentlich beschleunigt werde, ist eine längst bekannte Thatsache. Gleichwohl hatte man nicht zu ermitteln versucht, welche Rolle das Wasser hierbei spielt, sondern einfach angenommen, dass die unedlen Metalle auf Sauerstoff direct ein- wirken, indem sie Oxyde bilden. In der früher von mir gegebenen Erklärung des Processes der langsamen Verbrennung ist die Mitwirkung des Wassers zum ersten Mal in Betracht gezogen und gezeigt worden, dass die hierbei auftretenden Erscheinungen, insbesondere die Entstehung des Wasserstoffhyperoxyds, sich nur durch die Annahme erklären lassen, dass zunächst nicht die Moleküle des Sauerstoffs, sondern die des Wassers gespalten werden. Ich bringe für diese Annahme weitere directe Beweise, Würde, wie man früher annahm, der Sauerstoff durch unedle Metalle bei gewöhnlicher Temperatur direct aufgenommen, so müssten Oxyde 134 Jahres-Bericht entstehen. Zn 0, =ZnO + O oder Zn, + O0, —2ZnO. Entstehen dagegen Hydroxyde, so wäre schon damit ein Beweis geliefert, dass eine Zersetzung von Wasser stattfindet und die Metalle sich Bestand- theile desselben aneignen. Reines Zink in Stangen (408) wurde, in einer Flasche mit 10 ccm Wasser übergossen, der Einwirkung der eingeschlossenen Luft ausgesetzt. Schon nach 24 Stunden war das Wasser durch einen weissen, flockigen Niederschlag getrübt, der sich weiterhin noch beträchtlich vermehrte. 0,185 g des bei 100° getrockneten Niederschlags erlitten beim Glühen einen Gewichtsverlust von 0,032 g. Ber. für Zn(OH), Gefunden ZuO 81,81 82,70 pCt. H,O 1819 17 30.14; Blei, in derselben Weise behandelt, lieferte ebenfalls einen sich von selbst vom Metall ablösenden weissen Niederschlag, der schon durch seine Farbe und flockige Beschaffenheit als Hydroxyd charakteri- sirt war und eine Analyse als überflüssig erscheinen liess. Eisen (feinster Draht), giebt unter denselben Bedingungen einen sehr voluminösen, flockigen, gelbrothen Niederschlag. 0,080 g desselben über Schwefelsäure getrocknet, verloren bei 100° nichts an Gewicht, beim Glühen 0,012 g. Dies entspricht einem Hydroxyde von der Zu- sammensetzung Fe,0,(OH),. Ginge die langsame Verbrennung dieser Metalle, wie man bisher annahm, ohne chemische Betheiligung von Wasser vor sich, so müsste sie auch bei Anwesenheit jeder anderen Flüssigkeit, z. B. von wasser- freiem Alkohol stattfinden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zink in Stangen (40 g), mit absolutem Alkohol (10 cem) über- gossen und der Einwirkung einer abgeschlossenen Luftmenge ausgesetzt, behielt auch nach mehreren Monaten seinen Metallglanz bei. Der Alkohol blieb völlig ungetrübt. Blei in Stangen oder Eisendraht verhielten sich gegen Luft in Gegenwart von Aikohol in gleicher Weise. In Alkohol, der 10 pCt, Wasser enthielt, oxydirten sich die ge- nannten Metalle, wenn auch nur langsam. In Alkohol von 50 pCt. ging ihre langsame Verbrennung eben so rasch vor sich, als in reinem Wasser. Der an Palladium gebundene Wasserstoff besitzt die Eigenschaft, sich schon bei gewöhnlicher Temperatur zu oxydiren, in hohem Grade. Bringt man ein Stück Palladiumblech, das sich in einer Atmosphäre von Wasserstoff reichlich mit diesem Gase beladen hat, an die Luft, so er- folgt dessen langsame Verbrennung meist so rasch, dass das Metall ins Glühen geräth. Es sollte nun untersucht werden, ob die langsame Ver- brennung auch hier von einer Mitbetheiligung von Wasser abhängig ist, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 135 Die experimentelle Beantwortung dieser Frage bot indess hier grössere Schwierigkeiten, als bei den unedlen Metallen. Diese oxydiren sich bei Gegenwart von Sauerstoff nicht, wenn sie mit absolutem Alkohol bedeckt sind, obgleich derselbe jedenfalls unvermeidliche Spuren von Wasser enthält, weil sie bei Gegenwart von Luft etwa vorhandene Spuren von Wasser bald zerstören, indem sie in Hydroxyde übergehen, worauf dann die weitere Oxydation aufhört. Entgegengesetzt verhält sich Palladiumwasserstoff, welcher bei seiner langsamen Verbrennung Wasser erzeugt, somit, wenn nur die kleinste Menge von Wasser bereits vorhanden ist, dieselbe nicht beseitigt, sondern vermehrt. In der That absorbirt Palladiumwasserstoff, in einer Absorptionsröhre unter Alkohol der Einwirkung von Sauerstoffgas ausgesetzt, dieses Gas, wenn auch langsam. Offenbar konnte der Versuch nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Beseitigung des Wassers bis zum letzten Molekül ge- lang. Folgendes Verfahren führte zum Ziel: Ein Stück Palladiumblech (2,15 g), an das ein langer, ziemlich starker, aber noch leicht biegsamer Platindraht als Handhabe befestigt war, wurde mit ca. 80 ccm Wasserstoff beladen, dann rasch in Schwefelsäure getaucht und, nachdem er einige Stunden darin verweilt hatte, in eine mit 45 cem Luft und 15 cem Schwefelsäure gefüllte und durch Schwefel- säure abgesperrte Absorptionsröhre eingeführt, so zwar, dass es in die eingeschlössene Luft hineinragte. Das Luftvolum blieb während des2 Tage andauernden Versuches unverändert. Palladium- wasserstoff oxydirt sich in Sauerstoff beiAbwesenheit von Wasser nicht. Als nachher, im weiteren Verlauf des Versuchs, die in der Ab- sorptionsröhre enthaltene Schwefelsäure durch Zuführung von Wasser stark verdünnt wurde, trat Absorption des vorhandenen Sauerstoffs durch das Wasserstoffpalladium ein. Um jedoch jedem Einwand vorzubeugen, stellte ich denselben Ver- such in gleicher Weise an unter Anwendung einer anderen wassergierigen Substanz, die Wasserstoffpalladium nicht angreift. Es war dies eine syrupdieke Lösung von Phorphorpentoxyd in Wasser, die noch einen Ueberschuss von ungelöstem Pentoxyd enthielt. Auch hier trat eine Absorption von Sauerstoff nicht ein und erfolgte nur dann, wenn die Säure mit Wasser verdünnt wurde, Gewöhnliche glasige Metaphosphor- säure, die mit wenig Wasser ebenfalls eine syrupdicke Lösung bildet, aber, wie bekannt, nur geringe wasseranziehende Kraft besitzt, vermag die Absorption von Sauerstoff durch Wasserstofipalladium, selbst bei stärkster Concentration, wie Versuche lehrten, nicht zu verhindern, Die langsame Verbrennung des Wasserstofipalladiums ist sonach zweifellos an die Mitwirkung von Wasser geknüpft, und da es wenige Körper giebt, die sich mit gleicher Energie bei gewöhnlicher Temperatur 136 Jahres-Bericht in Sauerstoffgas oxydiren, so darf man wohl annehmen, dass kein Körper bei gewöhnlicher Temperatur auf trocknen Sauer- stoff zu wirken vermag. Ich prüfte in dieser Beziehung auch Natrium und fand, dass es in trockenen Sauerstoff auch in 40 Stunden seinen Metallglanz nicht ein- büsst, während eine Spur hinzutretenden Wasserdampfes genügt, es mit einer Schicht von Hydroxyd zu überziehen. Wenn sich Natrium an der Luft oxydirt, so geschieht dies nicht durch ihren Sauerstoff, sondern ausschliesslich durch ihren Gehalt an Wasserdampf. Es war nun zu ermitteln, in welcher Weise das Wasser die lang- same Verbrennung bewirkt. Man könnte annehmen, es werde zunächst zersetzt unter Entwickelung von Wasserstoff, der dann seinerseits in statu nascendi auf das Sauerstoffgas einwirke. Diese Annahme ist unhaltbar. ReinesZink in Stangen (42,58) wurde in ein kleines, durch einen Glas- stopfen gut verschliessbares Fläschehen gebracht und dasselbe mit 22 ccm kochend heissem (luftfreiem) Wasser voll gefüllt. Man darf nur wenig Wasser im Verhältniss zum Zink nehmen, weil das ausgekochte Wasser immer noch etwas Sauerstoff enthält, der selbstverständlich um so weniger stört, je geringer die angewandte Wassermenge ist. Auch nach 10 Tagen hatte sich noch keine Spur von Gas entwickelt und in dem völlig klaren Wasser waren Flocken von Zinkhydroxyd nicht wahrzunehmen. Zink ist demnach nicht im Stande, Wasser bei gewöhnlicher Temperatur zu zersetzen. Dasselbe Verhalten zeigte Blei. Mit Eisen (feinen Draht), das selbst gegen Spuren von Sauerstoff ausserordentlich empfindlich ist und dieselben durch Trübung des Wassers und Verschwinden seines Metallglanzes verräth, wurde in anderer Weise verfahren: Eine gläserne U-Röhre, deren beide Schenkel geschlossen waren, konnte durch eine an die Biegung angeschmolzene Glasröhre a mit der Luftpumpe in Verbindung gebracht werden. In dem einen Schenkel befand sich Eisendraht, in dem andern Wasser. War die Evacuirung erfolgt, so schmolz man die Glasröhre a zu und liess nun- mehr das Wasser zum Eisendraht hinüberfliessen. Das so bei völligem Ausschluss der Luft auf Wasser einwirkende Eisen hatte auch nach mehreren Monaten seinen Metallglanz behalten und keine Spur von Ferrihydrat gebildet. Dass auch Wasserstoffpalladium unter Wasser kein Gas entwickelt, ist bereits in einer früheren Abhandlung mitgetheilt. Während, wie oben erwiesen wurde, die unedlen Schwermetalle Wasser zu zerlegen nicht im Stande sind, tritt diese Zerlegung ein, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 137 sobald Sauerstofigas zutritt. Dieses Gas ist sonach bei der Zerlegung des Wassers activ betheiligt und es liegt hier eine jener eigenthümlichen Reactionen vor, die sich zwischen drei Körpern abspielt. Wie aber soll man sich eine solche, bisher niemals beobachtete Mitbetheiligung des Sauerstoffgases an der Zerlegung des Wassers vorstellen? Es bleibt, wie ich bereits in einer früheren Abhandlung auf anderem Wege erwiesen habe, keine andere Annahme übrig, als dass die Moleküle des Sauerstoffs Verwandtschaft zum Wasserstoff besitzen und dass die Zerlegung des Wassers durch die gemeinschaft- liche Einwirkung eines unedlen Schwermetalls, z. B. des Zinks und des Sauerstoffs nach folgender Gleichung geschieht: za EROBERN E36, Es entsteht, übereinstimmend mit dieser Erklärung, Zinkhydroxyd und Wasserstoffhyperoxyd. Während Zink allein dem Wasser Hydroxyl nicht zu entziehen vermag, geschieht dies sofort, wenn die unterstützende Affinität des Sauerstoffmoleküls zum Wasserstoff hinzu- tritt. Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie bei Zerlegung der Thon- erde, der Bor- oder Kieselsäure durch den gemeinschaftlichen Angriff von Kohle und Chlor. Kohle ohne Chlor kann diese Zerlegung nicht bewirken. Mit dieser Erklärung ist gleichzeitig die wahre Structur des Wasser- stoffhyperoxyds gegeben, das nunmehr nicht als eine höhere Oxydations- stufe des Wasserstoffs, als ein Oxydationsproduct des Wassers, sondern als eine Sauerstoffmolekülverbindung zu betrachten ist. Auch Blei und Palladiumwasserstoff erzeugen bei ihrer IaBeRaTaEn Verbrennung Wasserstoffhyperoxyd. 2Pd,H + 2H,0 - 0, =Pd, + 2H,0 + H,O, Pb — 2H,0 —- 0, = Pb(OM), — H,0, Das nach diesen Gleichungen entstehende Wasserstoffhyperoxyd kann sich in grösseren Mengen nicht anhäufen, weil es durch die verbrenn- liehen Körper selbst in einem zweiten Process wieder zerstört wird. 2) Zn + H,0, = Zn(OH), Pb + H,0, = Pb(OH), 2Pd,H + H,0, = Pd, + 2H,0. Die Menge des nachweisbaren H,O, hängt demnach von der mehr oder weniger grossen Energie ab, mit welcher der verbrennliche Körper das im ersten Stadium des Processes entstandene Wasserstoffhyperoxyd wieder zerstört. Verhältnissmässig viel Wasserstoffhyperoxyd giebt nach Schönbein Zink oder Blei als Amalgam. Durch Schütteln von Zink- amalgam mit Sauerstoff mit Wasser erlangte dieses einen Gehalt von Wasserstofihyperoxyd bis zu ',so00, bei Zusatz von etwas verdünnter Schwefelsäure bis zu Ygooo- 138 Jahres - Bericht Bei sehr energischer Einwirkung der verbrennlichen Körper kann auch der Fall eintreten, dass das Wasserstoffhyperoxyd vollkommen zer- stört wird, so dass es den Anschein gewinnt, als ob es sich überhaupt nicht bildet. Bei der langsamen Verbrennung des Eisens z. B. ist direet keine Spur von H,O, nachzuweisen, es gelingt dies aber (nach Schön- bein), wenn man das Eisen in Form von Amalgam anwendet, weil dieses auf H,O, langsamer zerstörend einwirkt, als das reine Metall. Eine active Betheiligung des Quecksilbers ist hierbei ausgeschlossen, da es mit Sauerstoff und Wasser Wasserstoffhyperoxyd nicht erzeugt. Wie rasch Eisen die Zerstörung des Wasserstoffhyperoxyds her- beiführt, davon überzeugte ich mich durch folgenden Versuch. Während Wasser mit Zink und Luft geschüttelt, schon nach wenigen Secunden eine für die Reactionen mit Jodzinkstärke oder Indigosulfosäure und Eisenvitriol genügende Menge von Woasserstoffhyperoxyd enthält, tritt keine Spur davon auf, wenn dem Zink Eisenpulver beigemengt ist. Das hier unzweifelhaft entstehende Wasserstoffhyperoxyd wird durch anwesendes Eisen sofort vollständig zersetzt. Im Uebrigen geht Eisen bei seiner langsamen Verbrennung nicht sofort in Ferrihydrat, sondern zunächst in Ferrohydrat über. Setzt man unter Wasser befindliches Eisen einem beschränkten Luftzutritt aus (die langen Eisendrähte befinden sich in einer senkrechten, unten ge- schlossenen, oben offenen, mit Wasser gefüllten Röhre von 30 em Länge und 0,5 em innerem Durchmesser), so scheiden sich nur am Niveau des Wassers röthlich gelbe Flocken von Ferrihydrat aus, während in grösserer Tiefe grünliche Flocken von Ferrohydrat entstehen. Die langsame Ver- brennung des Eisens geht demnach in folgenden Stadien vor sich: Fe + 2H,0 + 0, = Fe(OH), + H,0, 4Fe(OH), + 4H,0 + 20, = Fe, 0,(OH), + 3H,0 + 2H,0,. Das entstandene Wasserstoffhyperoxyd wird dann durch die gleich- zeitige Einwirkung des Eisens, des Ferro- und Ferrihydrats rasch zerstört. Noch möchte ich auf eine bemerkenswerthe Beziehung hinweisen, die in dem Verhalten der Metalle gegen Sauerstoff und Wasser einer- seits und gegen Wasserstoffhyperoxyd andererseits besteht. Die hier untersuchten unedlen Schwermetalle, Zink, Blei, Eisen, die bei Gegen- wart von Sauerstoff das Wasser nach Gleichung 1 zersetzen, besitzen gleichzeitig die Fähigkeit, das Wasserstoffhyperoxyd nach Gleichung 2 in Hydroxyle zu zerlegen, die sie sich aneignen. Dagegen oxydiren sich diejenigen Metalle, denen die erstere Eigenschaft abgeht, auch durch Wasserstoffhyperoxyd nicht, sondern sie zerlegen dasselbe, ohne seine Bestandtheile aufzunehmen, in Sauerstoff und Wasser. Hierzu gehören sämmtliche Edelmetalle. Auch Kupfer, das gegen Sauerstoff und Wasser indifferent ist, zerlegt, wie ich gefunden habe, gleich wie die Edelmetalle, Wasserstoffhyperoxyd (vorausgesetzt, dass dasselbe ganz der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 139 neutral ist), in Wasser und Sauerstoff, ohne sich hierbei zu verändern. Selbst Eisen, das bekanntlich in alkalischen Flüssigkeiten z. B. in einer Lösung von kohlensaurem Natrium nicht rostet, widersteht in derselben Lösung auch der Einwirkung von Wasserstoffhyperoxyd und zersetzt dasselbe in Wasser und Sauerstoff. Nur Zinn zeigt das eigenthümliche Verhalten, dass es, indifferent gegen Sauerstoff und Wasser, allerdings auch durch Wasserstofihyper- oxyd nicht oxydirt wird, dasselbe aber überhaupt nicht zerlegt. Die bisherige Hypothese, nach welcher das Wasserstoffhyperoxyd in den Processen der langsamen Verbrennung durch Oxydation des Wassers mittelst activer Sauerstoffatome entstehen soll, habe ich be- reits in einer früheren Abhandlung widerlegt, gebe jedoch, da inzwischen weitere entscheidende Argumente hinzugetreten sind, hier nochmals einen kurzen Ueberblick über die jener Hypothese widersprechenden That- sachen: | 1. Nach dieser Hypothese müssten zunächst die Sauerstoff- moleküle gespalten und dann erst könnte anwesendes Wasser oxydirt werden. Es müsste demnach die Spaltung der Moleküle der Bildung des Wasserstoffhyperoxyds vorangehen und von der Anwesenheit von Wasser unabhängig sein, was, wie oben nachgewiesen wurde nicht der Fall ist. Nach dieser Hypothese bleibt überhaupt die Mit- wirkung des Wassers bei der langsamen Verbrennung unerklärlich. 2. Wasser ist ein durchaus unoxydirbarer Körper. Eines der kräftigsten Oxydationsmittel, das die Chemie kennt, die Ueber- mangansäure, löst sich in Wasser, ohne Sauerstoff an dasselbe abzu- geben. Ebenso ist Ozon gegen Wasser indifferent. Selbst freie Sauerstoffatome, die an dem positiven Pol des galvanischen Stromes auftreten, sind ausser Stande, Wasser zu Wasserstofihyperoxyd zu oxydiren. Selbst wenn demnach freie Sauerstoffatome bei der langsamen Verbrennung abgespalten würden, würden sie ebenso wenig, wie am positiven Pol der galvanischen Säule, Wasser höher oxydiren können. 3. In den Processen der langsamen Verbrennung aber werden Sauerstoffatome überhaupt nicht frei, denn anwesende, sonst leicht oxydirbare Körper bleiben, wie ich nachgewiesen habe, unver- ändert. Ist bei der langsamen Verbrennung des Zinks Indigosulfosäure zugegen, so wird diese nicht zerstört, anwesendes Ammoniak wird nicht zu Nitrit oxydirt, und wenn man Zink, Wasser und Sauerstoff auf Kohlen- oxyd einwirken lässt, so oxydirt sich, während das Zink in Hydroxyd übergeht, keine Spur des Kohlenoxyds zu Kohlensäure. Auch nascirender Wasserstoff vermag bei Gegenwart von Sauerstoff weder Indigosulfosäure, noch Ammoniak zu oxydiren. 140 Jahres-Bericht Es giebt wenige Körper, die mit gleicher Energie bei gewöhnlicher Temperatur Sauerstoff aufnehmen, wie eine Mischung von Ferrosulfat mit überschüssigem Ammoniak, oder wie Kupfer bei Gegen- wart von kohlensaurem Ammon. Aber das Ammoniak bleibt hier, wie ich gefunden habe, unverändert, und es bildet sich keine Spur von Nitrit, was der Fall sein müsste, wenn in diesen Processen der lang- samen Verbrennung Sauerstoff im nascirenden Zustand (als freies Atom) auftreten würde. Schönbein selbst hatte eine hierher gehörige Thatsache beob- achtet, ohne jedoch den Widerspruch zu erkennen, in welchem sie zu seinen theoretischen Ansichten stand. Als er fein zertheiltes Blei mit Ammoniak und Luft schüttelte, erhielt er Bleihydroxyd und Mennige, aber keine Spur von Nitrit. Eine Ausnahme macht Palladiumwasserstoff, der bei seiner langsamen Verbrennung die Oxydation gleichzeitig anwesenden Jodkaliums oder Kohlenoxyds bewirkt. Aber diese Ausnahme ist, wie ich nach- gewiesen habe, nur scheinbar, denn thatsächlich rührt jene Oxydations- wirkung nicht von der langsamen Verbrennung seines Wasserstoffs, sondern von den katalytischen Eigenschaften des Palladiums her. Palladium- wasserstoff giebt, wenn er mit Sauerstoff zusammentrifft, zunächst wie alle der langsamen Verbrennung fähigen Körper, Wasserstoffhyper- oxyd und dieses erst oxydirt, unter dem (bisher theoretisch noch nicht aufgeklärten) Einfluss des Palladiums, Jodkalium und Kohlenoxyd. Schon (wasserstofffreies) Palladium allein ist, wie ich ebenfalls nachgewiesen habe, im Stande, Kohlenoxyd bei Gegenwart von Sauerstoff zu oxydiren. Dagegen ist, wie bereits erwähnt, die langsame Verbrennung des Zinks, obgleich sich hierbei Wasserstoffhyperoxyd bildet, nicht im Stande, die Oxydation anwesenden Kohlenoxyds herbeizuführen. 4. Während nun nach den oben mitgetheilten Thatsachen oxydir- bare Körper, die bei den Processen der langsamen Verbrennung zugegen sind, keine Veränderung erleiden, geben anwesende, reducirbare Körper sogar Sauerstoff ab. Zink z. B. reducirt während seiner lang- samen Verbrennung Kaliumnitrat zu Nitrit, während sich gleichzeitig Wasserstoffhyperoxyd bildet. Wollte man Angesichts dieser Thatsache noch die Hypothese von der Abspaltung von Sauerstoffatomen in den Processen der langsamen Verbrennung aufrecht erhalten, so käme man zu der sonderbaren Folgerung, dass Sauerstoffatome ausschliesslich nur Wasser oxydiren, leicht oxydirbare Stoffe aber nicht, und dass sie auf desoxydirbare Körper, wie Kaliumnitrat, sogar reducirend wirken. 5. Wasserstoffhyperoxyd wird bekamntlich nicht nur durch den naseirenden Sauerstoff, der sich am positiven Pol der galvanischen Säule entwickelt, sondern überhaupt durch alle kräftig oxydirenden Körper, z. B. Uebermangansäure, unterchlorige Säure u. s. w. rasch bis auf die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 141 letzte Spur zerstört. Die Anwesenheit eines kräftigen Oxydationsmittels schliesst sonach die gleichzeitige Anwesenheit von Wasserstoffhyperoxyd in derselben Flüssigkeit aus und umgekehrt kann in einer Flüssigkeit, die Wasserstoffhyperoxyd enthält, weder Uebermangan- oder unter- ehlorige Säure, noch nascirender Sauerstoff vorhanden sein. Da nun in den Processen der langsamen Verbrennung Wasserstoffhyperoxyd ent- steht, so liegt gerade hierin ein direeter Beweisnicht für, sondern gegen das gleichzeitige Auftreten nascirender Sauerstoffatome. | Diese Untersuchung ist ausführlich in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft Jahrg. XVIII 1885, S. 1878 ff. veröffentlicht. Hierauf legte Herr Professor Dr. Lehmann eine prachtvolle Stufe von Feldspathporphyr mit ausgezeichneter Fluidal- structur aus der Gegend von Christiania vor, welche er der Güte des um die Geologie Norwegens hochverdienten Forschers, Herrn Prof. Dr. Th. Kjerulf in Christiania verdankt. Die Stauung eines Schwarmes parallel geordneter länglicher, 1—3 cm grosser Feldspatkrystalle ist an derselben sofort zu erkennen und beweist den ehemals flüssig-plastischen Zustand des Gesteins, in welchem sich die Krystalle bereits vor seiner gänzlichen Verfestigung ausgeschieden hatten, Mikroskopisch sind solche Erscheinungen nicht selten, wohl aber in diesem Maassstabe. — Redner schilderte dann eingehender das Wesen der Fluidalstruetur und erläuterte an verschiedenen Fällen, dass sehr ähnliche Structuren auf andere Ursachen zurückzuführen seien, wie auf die Einwirkung der Gebirgsfaltung und überhaupt auf orogenetische Pressungen und Zerrungen. Sehr merkwürdig ist das Auftreten einer Art Fluidalstruetur an Porphyrgängen bei Thal unweit Eisenach in Thüringen, über welche kürzlich der Königl. preuss. Landesgeologe Herr Prof. Dr. Ch. E. Weiss in Berlin interessante Mittheilungen gemacht hat (Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1884). Gegen Erwarten ist die Rich- tung, in welcher die Quarze und Feldspathe jener Porphyre gestreckt und auseinander gezerrt erscheinen, nicht parallel den mehr oder weniger senkrechten Gangbegrenzungen, sondern horizontal wie die Lagen der angrenzenden Glimmerschiefer und auch nicht parallel der Längsrichtung der Gänge, sondern quer dagegen, ungefähr parallel der Richtung, in welcher sich die einzelnen kurzen Porphyrgänge staffelförmig aneinander reihen, d. i. in der Richtung von SW. nach NO. Redner weist darauf hin, dass bei flachen Schiehtenwölbungen oftmals Zerreissungen dieser Art in staffelförmig angeordnete Spalten vorkommen, und zwar infolge eines zu beiden Seiten der Faltungslinie parallel aber entgegengesetzt wirkenden Zuges. Da nun dies die Richtung der gestreckten Quarze und Feldspathe in jenen Porphyren ist, die übrigens nur an einzelneu Stellen jene Structur zeigen, so möchte wohl ein solcher 142 Jahres - Bericht Zug und damit verbundener Druck die Ursache der auffallenden That- sache gewesen sein. Herr Dr. von Chrustschoff sprach schliesslich über die Regeneration der Kieselsäure zu Quarz der kieselreichen Einschlüsse in gewissen eruptiven basischen Magmen. Er machte darauf aufmerksam, dass die Bildungsweise des pyrögenen Quarzes nicht in allen Fällen die gleiche sei. Die neueren Funde des Herrn v. Chrustschoff, besonders vom Rossberge, zu einem Haufwerk von Quarzkrystallen umgewandelte Einschlüsse enthalten viel zu wenig glasiges, d. h. magmatisches Residuum, um eine Auflösung (Resorption) des ganzen ursprünglichen Einschlusses annehmen zu können; er versucht demnach, die Entstehung der Krystalle auf einem anderen Wege zu deuten. Eine Reihe begleitender Momente bei gefritteten Quarzen wiesen darauf hin, dass die Kieselsäure bei hoher Temperatur in Magmen von gewisser Beschaffenheit zum Theil erweiche, elastisch werde, d. h. ohne völlig flüssig zu werden, eine gewisse zähe, teigartige Consistenz an- nehmen könne. Verschiedene hier der Kürze wegen nicht näher zu bezeichnende Umstände lassen kaum eine andere Deutung, als die An- nahme eines intermediären, zwischen fest und flüssig liegenden Zustandes beim Quarze zu. In solchen erweichten Partien der quarzigen Einschlüsse kommt beim Erkalten die innere krystallgestaltende Tendenz zur Geltung und es entstehen auf diese Weise Quarzkrystalle von grösseren Dimen- sionen mit sehr wenig eingeklemmtem magmatischen Residuum. Gewisse Magmen scheinen also den Schmelzpunkt der Kieselsäure, der bekannt- lich in unseren Oefen nicht zu erreichen ist, herabzudrücken, so dass die erwähnte Erweichung eintreten kann. Als ein physikalisch analoges ‚Beispiel mag die Erniedrigung des Schmelzpunktes von Stearin in Aether- dämpfen gelten, In der Wanderversammlung der naturwissenschaftlichen und medicinischen Section zu Heinrichau am 28. Juni 1885 wurden . nachstehende Vorträge gehalten. Die Reihe der Vorträge begann Herr Geheimrath Professor Dr. Heidenhain: In welcher Art erfolgt die Oeffnung der Schalen bei den Muscheln? Ueber diese Frage hat im physiologischen Institut Dr. Pawlow aus St. Petersburg eine Untersuchung an der gemeinen Teichmuschel, Anodonta cygnea, angestellt, deren Hauptresultat dahin lautet, dass zu den beiden Schliessmuskeln zwei Klassen von Nervenfasern gehen, von denen die eine die Muskeln in den Zustand der Zusammenziehung, die andere in den Zustand der Erschlaffung versetzt. Die ersteren Nerven ent- springen für den hinteren Schliessmuskel aus dem hinteren, für den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 143 vorderen aus‘den beiden vorderen Ganglien, die letzteren Nerven gehen für beide Muskeln nur aus den vorderen Ganglien hervor. Zur Er- schlaffung der Muskeln genügt es nicht, dass diejenigen Nerven, welche die Contraction der Muskeln veranlassen, ausser Thätigkeit treten. Es bedarf vielmehr dazu direeter Einwirkung der erschlaffenden Nerven auf die Muskelsubstanz. Die Einzelheiten des Vortrages eignen sich nicht zu kurzem Auszuge. Herr Geheimrath Professor Dr. Römer sprach über Nordische Diluvial-Geschiebe von versteinerungsführenden Sedimentär- Gesteinen in der norddeutschen Ebene und legte eine unter dem Titel: Lethaea erratica. Berlin 1885 neuerlichst von ihm über diesen Gegenstand veröffentlichte Schrift vor. Auch in Schlesien sind solche Geschiebe häufig. Schon Anfangs des vorigen Jahrhunderts ist man in Schlesien auf dieselben aufmerksam geworden. Hermann, Pastor in Massel, hat in seiner 1711 erschienenen Maslographia eine Anzahl Versteinerungen aus solchen bei Massel gefundenen Ge- schieben kenntlich beschrieben und abgebildet. Eine grössere Zahl wurde durch den Liegnitzer Arzt Volkmann in der noch heute ergiebigen Sandgrube von Nieder-Kunzendorf bei Freiburg gesammelt und in der 1720 in Leipzig erschienenen „Silesia subterranea“ beschrieben. Die grosse Mehrzahl der sedimentären Diluvial-Geschiebe sind silurische Kalk-Gerölle. Sie stammen alle aus Schweden und aus Estland und sind losgerissene Bruchstücke von dort anstehenden Schichten. Sie sind auf schwimmendem Eise aus jenen nordischen Ursprungsgebieten an ihre gegenwärtigen Fundstellen in der norddeutschen Ebene geführt worden. Zur Erläuterung des Vortrages wurden die erwähnten Schriften und einzelne besonders instructive Geschiebe vorgelegt. Herr Professor Dr. Weber sprach über Monochrome Mischungen pulverisirter Körper mit Flüssigkeiten. Von Christiansen in Kopenhagen sind zuerst Präparate aus festen und flüssigen Körpern, Monochrome genannt, hergestellt worden, welche bei parallelen Lichtstrahlen nur eine Farbe zeigen. Als fester, durch- sichtiger Körper kann fein pulverisirtes Glas dienen, welches mit einer Mischung von Benzol und Schwefelkohlenstoff übergossen wird. Vor- tragender demonstrirt dieses Gemisch, welches beim Durchsehen gegen den hellen Himmel bei parallelen Strahlen rein grün erscheint, während die seitlichen Strahlen violett gefärbt sind. Mit der Temperatur findet ein Wechsel der Farbe, z. B. von grün in gelb, statt. Die Erscheinung kann vielleicht zur Erklärung einer Reihe natürlicher Farben verwendet werden. Derselbe legt ferner einige vom 6. Juni datirende Photographien von Blitzen vor, welche von Hänsel in Reichenberg in Böhmen auf- genommen wurden. 144 Jahres - Bericht Herr Professor Dr. Lehmann legte eine | Stufe des sog. Dattelquarzes von Krummendorf bei Strehlen vor und verglich dieselbe mit metamor- phischen Geröllablagerungen oder Conglomeraten im sächsischen Erz- ‚gebirge und auf Bergens Halbinsel in Norwegen. Eine Erklärung jener merkwürdigen parallel geordneten und dicht aneinander gelagerten dattel- förmigen Quarzitkörper war bisher nicht gefunden worden. Das ganze Gestein macht den Eindruck eines Sandsteins mit lagenweise eingeschal- teten Concretionen oder Geröllen, welche sich meist glatt herauslösen lassen und durch ein krystallinisches sandartiges Bindemittel von der- selben Beschaffenheit verbunden sind. Die Form dieser Quarzkörper ist jedoch eine sowohl für Concretionen wie Gerölle sehr ungewöhnliche. Redner führt dieselbe auf eine Streckung des ganzen Gesteins zurück und erklärt die Quarzdatteln als Gerölle, welche durch mechanische Sireckung sehr verzerrt worden sind. Der Einfluss der Gebirgserhebung auf die Structur der Gesteine ist erst in unserer Zeit mehr gewürdigt worden, nachdem Redner für eine grosse Reihe von Gesteinen in kleineren Mittheilungen und in einem grösseren Werke über die Entstehung der altkrystallinischen Schiefergesteine nachgewiesen, dass ihre schichten- artige und schieferförmige Structur meist lediglich eine Folge der Ge- birgspressungen ist. Die Faltungen der Erdrinde, welche zu Gebirgs- erhebungen führen, ergreifen die verschiedenartigsten Gesteine, aber sowohl Eruptivgesteine als auch durch Absatz im Wasser gebildete Schichtgesteine bewirken nicht nur eine mechanische Veränderung der Gesteinsstructur, sondern geben auch den Anstoss zu einer chemischen und mineralogischen Metamorphose, so zwar, dass sehr oft das ursprüng- liche Substrat gar nicht mehr wiedererkannt werden kann; und der Deutung desselben grosse Hindernisse in den Weg treten. Ganz beson- ders ist dies der Fall bei der Gruppe der altkrystallinischen Schiefer, welche mit granitischen Massiven das sog. Urgebirge zusammensetzen und das Fundament für die ältesten geologischen Sedimentärformationen bilden. Auch die Quarzite der Gegend von Strehlen gehören zu den altkrystallinischen Schiefern und haben ebenso wie die dortigen krystal- linischen Kalke und graphitführenden Schiefer ersichtlich intensive Ver- änderungen erlitten. Ihre Structur zeigt bei mikroskopischer Betrachtung ganz ähnliche Erscheinungen wie diejenigen der metamorphischen durch Gebirgsdruck verzerrten Conglomerate von Obermittweida im sächsischen Erzgebirge. Die Zerdrückung, Verlängerung und der theilweise quarz- artige Inhalt der Gerölle jenes Vorkommens wurde an photographischen Abbildungen und einem besonders instructiven mikroskopischen Präparate demonstrirt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 145 Herr Professor Dr. Hermann Cohn sprach über die Augen der Uhrmacher. Der Vortragende hat schon im Jahre 1869 in Breslau 73 Uhrmacher untersucht und kaum 5 Procent derselben kurzsichtig gefunden. Man nahm allgemein an, dass das Arbeiten mit der Lupe die Uhrmacher vor den Anstrengungen der Accommodation bewahre und daher die Ent- stehung von Myopie verhüte. Der Vortragende hat nun vor Kurzem in _ der Beeker’schen Fabrik in Freiburg gemeinsam mit Dr. Thomas 50 Uhrmacher untersucht, welche gar keine Lupe gebrauchen und schon viele Jahre die feinen Theile der Uhren arbeiten. Er prüfte namentlich die Zapfenandreher und die Triebrichter, welche ihre kleinen Objeete täglich 12 Stunden lang in 15—20 cm Entfernung genau be- trachten müssen. Von den untersuchten 100 Augen waren im Laufe der Arbeitsjahre nur vier kurzsichtig geworden und auch diese zeigten nur die schwäch- sten Grade (0,5 und 0,75) bei sehr guter Sehschärfe. Einen gleich geringen Procentsatz Myopen hatte der Vortragende früher bei den Goldarbeitern gefunden, während er 37 pCt. Lithographen, 51 pCt. Schriftsetzer und 56 pCt. Studenten als kurzsichtig constatirt hatte. Es scheint also die Beschäftigung mit Lesen, Schreiben und Zeichnen schädlicher auf das Auge einzuwirken, als das nahe Betrachten feiner, feststehender Gegenstände. Der Vortragende wird seine Untersuchungen in Freiburg bei noch mehr Uhrmachern fortsetzen, hält sich aber schon jetzt zu dem Ausspruch berechtigt, dass die Uhrmacherei ein den Augen nicht schädliches Gewerbe sei. Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter spricht über die Cultur essbarer Pilze, insbesondere des Austernpilzes, Agaricus (Pleurotus) ostreatus. Letzterer ist bei uns auf Weiden und Pappeln häufig und er wird besonders in Westdeutschland häufig gegessen. Die Japanesen züchten denselben, oder doch einen sehr ähnlichen Pilz schon seit alter Zeit künstlich auf feuchten Holzstücken, welche mit dem Wasser; das vom Abwaschen des Reises stammt, begossen werden, so dass sie Monate lang davon ernten können; sie nennen ihn Chiri-Take, d. i. Fächerpilz. Vortragender hat den Austernpilz in diesem Jahre ebenfalls eultivirt. Aus den von dem Mycel des Pilzes durchwucherten Asttheilen einer Pappel entwickelte sich in den Culturen den ganzen Winter hindurch eine Menge, zum Theil grosser Fruchtkörper, während das Holz von dem Pilzmycel verzehrt und in Weissfäule versetzt wurde. Auch die Sporen des Austernpilzes konnten auf dem Objectträger leicht zur Keimung ge- bracht werden, sie sind sofort nach der Reife keimfähig und bilden reichverzweigte Mycelien. 1885. 10 146 Jahres-Bericht Derselbe legte ferner vor: die merkwürdige und seltene Flechte Cora Pavonia Fr. aus Paramaribo, welche nicht wie die andern Lichenen Askusfrüchte ‚ bildete, sondern ein echter Basidiomycet ist. Trocken hat die Flechte ein weissgraues Aussehen mit concentrischen dunkleren Zonen gezeichnet, auf der Unterseite trägt sie das zahnartige Fruchtlager und erscheint dadurch einem Irpex oder Hydnum ähnlich. Beim Anfeuchten wird sie schön grün und verräth dadurch die Anwesenheit der spangrünen Algen, | welche zwischen den Pilzhyphen lagern. Das Vorkommen -von Flechten, in denen nicht wie bei allen unseren einheimischen Flechten die Sporen in Schläuchen gebildet, sondern, wie bei unseren Hutpilzen an den Enden von Basidien von Sterigmen abgeschnürt worden, ist, wie Johow gezeigt hat, ein neuer Beweis dafür, dass die Flechten keine einheitliche Ab- theilung der Thallophyten, sondern Consortien von Algen und Pilzen vorstellen. “ Endlich zeigte derselbe eine Reihe auf seine Veranlassung angefertigter Photographien essbarer Piize, besonders unserer einheimischen Morcheln, welche sich durch ihre grosse Naturtreue und Plastik auszeichnen. Einige Kiefernäste, welche Oberförster Hauff von Reiwiesen vorgelegt hat, waren völlig überzogen mit einem Rostpilz, dem Peridermium (Aecidium) Pini, dessen andere Fruchtform (Coleosporium Seneecionis) auf Kreuzkrautarten, besonders dem Waldkreuzkraute leben, und von diesem aus verderbenbringend in die Stämme junger Kiefern und die Nadeln einwandern und hier den vorliegenden Rost bilden. Herr Professor Dr. Poleck macht unter eingehender Besprechung folgende Demonstrationen: Durch Elektrolyse dargestelltes Magnesium in grossen Barren und Magnesiumpulver, aus der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin, wozu wahrscheinlich der Magnesit bei Frankenstein als Rohmaterial gedient hat. Zibeth in Original-Verpackung, in dem Hohlraum eines 45 cm langen, unten eirca 13 cm messenden Horns eines afrikanischen Ochsen. Es ist ein Drüsenseeret der Zibethkatze, riecht in geringer Menge stark moschus- artig und wird vielfach als Zusatz zu feinen Parfümerien angewendet. Curare, das südamerikanische Pfeilgift, ebenfalls in Original- Verpackung, in kleinen, mit Palmblättern zugebundenen Thongefässen, welche ganz jenen in unseren einheimischen prähistorischen Funden gleichen. Zu seiner Bereitung, welche ausführlich geschildert wird, dienen hauptsächlich verschiedene Strychnos-Arten. Piperin, und das aus seinem Zersetzungsproduct, der Piperinsäure, durch Oxydation ge- wonnene, Piperonal, das Heliotropin, von dem überaus angenehmen Geruch der Pflanze, deren Namen es trägt. Radix Pereziae, raiz de der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 147 Pipitzahuac, die Wurzel einer Composite in Neu-Mexico. Sie wirkt purgirend und enthält eine schön goldgelbe Säure, die Pipitzahoinsäure, auch Aurum vegetabile genannt. Roh-Kautschuk aus dem tropischen Asien in Form eines Krokodils, wie es früher in den Handel kam, ferner deutsches Kautschuk, aus Lactucarium, dem Milchsaft der Lactuca virosa, sowie aus Sonchus oleraceus, welches von Dr. Kassner im phar- maceutischen Institut der Universität zu Breslau dargestellt worden war. Letztere Pflanze enthält 0,2 pCt., das Lactucarium 8 pCt. an Kautschuk. Das ätherische Oel von Allium ursinum, eine Pflanze, welche ganz besonders reichlich im Rosenthal bei Leipzig vorkommt und während ihrer Blüthezeit die dortigen Spaziergänger zu unfreiwilli- gen Thränenergüssen reizt. Es wurde daher seitens der städtischen Behörden die Ausrottung der Pflanze beschlossen. Aus sehr grossen Quantitäten derselben wurde in der Fabrik von Schimmel u. Co. in Leipzig ein grünlich gelbes, schwefelhaltiges, ätherisches Oel von äusserst widerwärtigem Geruch dargestellt, welches jetzt zum Gegenstand einer chemischen Untersuchung im pharmaceutischen Institut gemacht worden ist. Es ist weder identisch mit Knoblauchöl noch mit Senföl. Endlich wird noch von Herrn Oberlehrer Dr. Rose aus Neisse schlesisches Gold gezeigt, welches im goldhaltigen Quarz der Gold- koppe bei Freiwaldau sich findet und dort ausgebeutet werden soll. Herr Professor Dr. Ferd. Cohn demonstrirt mit Hilfe eines Hand- mikroskops die von Prof. Frank in Berlin kürzlich entdeckte auffallende Thatsache, dass die feinsten Wurzelfasern aller Cupuliferen, die Birke ausgenommen, bis zur Spitze mit Pilzmycelien überzogen sind. Schon seit längerer Zeit weiss man, dass in den Wurzeln der Ophrydeen die Zellen mit Knäueln von Pilzhyphen ausgestopft sind; 1880 fand Reess die Wurzeln der Kiefer von einem Mycel umhüllt, welches er als der Hirschbrunst, Elaphomyces granulatus, zugehörig nachgewiesen hat. 1831 zeigte Kaminski, dass die Wurzeln des Fichtenspargels (Monotropa) mit einer Mycelhülle übersponnen sind. Die Mycelien, welche sämmt- liche Eichen-, Hasel-, Buchenwurzeln mit dichter Filzkappe umspinnen, sind wahrscheinlich diejenigen verschiedener unterirdisch nach Art der Trüffeln wachsender Pilze; es ist jedoch noch nicht gelungen, dies mit Sicherheit nachzuweisen. Frank bezeichnet die verpilzten Wurzeln als Mycorrhiza und findet in der Erscheinung, welche er mit grösster Regel- mässigkeit überall verbreitet fand, ein neues Beispiel von Symbiose, ähnlich wie bei den Flechten, wo der Pilz dem Baum die anorganischen Nährsalze aus dem Boden in stärkerer Concentration zuführt, während er umgekehrt seine organischen Bedürfnisse von den Baumwurzeln bezieht. 10* 148 Jahres - Bericht Im herrlichen Buchenwald von Heinrichau unter dem weiten schat- tigen Geäste der mächtigen und kerzengeraden Königsbuche hielt Pro- fessor Ferd. Cohn einen Vortrag: Goethe’s botanisches Säcularjubiläum. Er knüpfte daran an, dass wir gegenwärtig unter dem Schutze des Hauses von Sachsen- Weimar ?) stehen, und dadurch gewissermaassen dem Strahlenkreis näher gerückt sind, der seit dem Ende des vorigen Jahr- hunderts von Weimar ausging, wo um Karl August die erlesensten Geister deutscher Wissenschaft und Literatur versammelt waren; der grösste unter ihnen Goethe. Selbst das Ausland erblickt in Goethe den ersten Dichter der Neuzeit und gewöhnt sich von einem „Zeitalter Goethe’s“ zu sprechen; die Naturforscher verhielten sich lange spröde gegen seine Anerkennung, und noch in neuester Zeit hat der grosse Berliner Physiologe gegen Goethe’s Ueberschätzung als Naturforscher Protest eingelegt, weil dieser für die, der modernen Experimentalphysio- logie zu Grunde liegende mechanische Auffassung der Lebensprocesse kein Verständniss hatte. Es giebt aber noch eine andere Betrachtungs- weise der lebenden Wesen, die morphologische, welche mit Hilfe der vergleichenden Methode zum Verständniss der äusseren und inneren Gestaltung von Thieren und Pflanzen zu gelangen sucht; dass von Goethe die Wissenschaft der Morphologie ihren Ausgang genommen, wird jetzt allgemein anerkannt. Die Botaniker insbesondere haben Veranlassung, dankbar sich daran zu erinnern, dass in diesem Jahre gerade ein Jahr- hundert vergangen ist, seit Goethe sich seinen botanischen Studien hin- gegeben, die ihn in raschem Fortschritt zu seiner Lehre von der Pflanzen- metamorphose geleitet hatten. Anfang Januar 1785 hatte sich Goethe ein Mikroskop angeschafft und mit ihm das ganze Jahr Beobachtungen angestellt, auch sich mit den exotischen Pflanzen in den Gewächshäusern des Belvedere bei Weimar genauer bekannt gemacht. Am 20. Juni 1785 trat er mit Knebel die Reise nach Karlsbad an, die für seine botanischen Forschungen besonders fruchtbringend wurde. Auf dem Wege dahin hatte er einen jungen Jenenser Studenten Friedrich Gottlieb Dietrich als Reisebegleiter und botanischen Famulus engagirt, um mit dessen Hilfe auch die einheimische Flora kennen zu lernen; dieser, 1857 als Garten- director in Eisenach gestorben, verfasste in hohem Alter ein Manuseript über seine Beziehungen zu Goethe und dessen botanische Studien, welches sich jetzt im Besitz des Vortragenden befindet und von diesem der Ver- ‚sammlung vorgezeigt wurde; es enthält manche interessante bis jetzt. unbekannte Einzelheit aus Goethe’s Leben in dieser Epoche. Aus diesem Manuscript verlas der Vortragende den Bericht über eine heut vor einem Jahrhundert, am 28. Juni 1785, von Goethe mit Knebel und Dietrich !) Heinrichau ist im Besitz der Grossherzogin von Sachsen-Weiıinar. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 149 angestellte botanische Waldexcursion, die von Wunsiedel aus in das Fiehtelgebirge führte; in fesselnder Darstellung wurde der Verlauf des Wandertages geschildert, die gesammelten, von Goethe untersuchten Pflanzen erwähnt, dabei insbesondere das Fangen von Inseeten durch die reizbaren Drüsenhaare des Sonnenthau (Drosera rotundifolia und longifolia), sowie die Befruchtung der Orchideen durch Vermittlung von Inseeten beobachtet, und schliesslich einer Episode gedacht, wo Goethe’s nervöse Natur durch den Geruch der von Dietrich ausgegrabenen Zwiebel des Bärenlauch (Allium ursinum) zu ernstem Unwohlsein erregt wurde, woraus ihn erst der Verkehr mit einer im Gasthof zu Wunsiedel wartenden Damengesellschaft befreite. Die Stimmung der Versammlung, gehoben durch die Erinnerung an die vor 100 Jahren stattgefundene Waldfahrt unseres grossen Dichters, fand Ausdruck im Gesange des herrlichen Liedes von Mendelsohn: „Wer hat dich, du schöner Wald“. In der Sitzung am 22. October berichtete Herr Professor Dr. Poleck über die weitere Fortsetzung der Arbeit über den Hausschwamm. Im Anschluss an seine früheren Mittheilungen kam er zuerst auf die Thatsache zurück, dass die Keimung der Sporen des Merulius lacri- mans, gegenüber den bisherigen fruchtlosen Versuchen, auf Holz, welches in der Vegetationsperiode gefällt war, in befriedigender Weise gelang, während das zur Controle benutzte Winterholz sich indifferent verhielt. In seiner mit Göppert herausgegebenen Schrift über den Hausschwamm hatte er auf Seite 41 die Bemerkung gemacht, ‚inwieweit das längere Lagern und völlige Austrocknen, sowie Auslaugen mit Wasser auch das Sommerholz immun machen werde für die Entwickelung der Sporen des Hausschwamms, das müssen weitere Versuche entscheiden.‘ Diese weiteren Versuche bewegen sich nun in dieser Richtung und waren in erster Linie zur Controle der für die Bautechnik und das Forstwesen schwer in Gewicht fallenden Ansicht bestimmt, ob in der That auf im Winter gefälltem Holze die Sporen des Hausschwamms nicht zur Keimung gelangen, wie dies aus dem früheren Versuch hervorzugehen schien, Durch die freundliche Unterstützung des Herrn Regierungsraths und Forstmeisters Kayser in Breslau und des Königlichen Oberförsters Herrn von Tschirsky in Reinerz erhielt der Vortragende drei im Januar dieses Jahres gefällte Stämme, und zwar eine Tanne, Fichte und Kiefer. Querschnite von ca. 20 Centimeter Durchmesser und 12 Centimeter Höhe wurden am 31. März d. J. mit Sporen des Hausschwamms besäet und wie früher einzeln in runde, mit eingefetteten Glasdeckeln bedeckte Ge- fässe gebracht und in einer völlig dunklen Kammer bei einer mittleren Temperatur von ca. 15 Gr. hingestellt. Mitte Juni konnten noch keine keimenden Sporen entdeckt werden, am 1. Juli dagegen zeigte sich 150 Jahres - Bericht zuerst auf der Tanne, Mitte Juli auf der Fichte und Mitte August auf der Kiefer das charakteristische Myzel des Hausschwamms. Die betreffenden Holzstücke, welche von dem Myzel des Hausschwamms nach allen Richtungen durchzogen waren, wurden der Section vorgelegt. — Somit war die Thatsache festgestellt, dass auch das notorisch im Winter gefällte Holz die Sporen des Hausschwamms zur Entwickelung gebracht hatte. Da gleichzeitig durch Herrn Apotheker Thümmel die Analyse der Asche der drei Stämme gemacht worden war, so war dadurch ein Vergleich mit dem im vorigen Jahre dem Referenten als Winterholz übergebenen Stück möglich. Da stellte sich nun die bemerkenswerthe Thatsache heraus, dass der Kaliumgehalt des entrindeten Holzes der Tanne 3 Mal, jener der Fichte 9 Mal und jener der Kiefern 4 Mal grösser, der Phosphorsäuregehalt der Tanne 4 Mal, jener der Fichte 5,4 Mal und jener der Kiefer 4,2 Mal grösser war, als der Kalium- und Phosphorsäuregehalt des im vorigen Jahre benützten Winterholzes. Der für die Entwicklung des Hausschwamms nothwendige grosse Bedarf an Kalium und Phosphorsäure wurde daher durch das letztere Holz nicht geliefert. Es lag aber nun auch die Vermuthung nahe, dass dieses Holz möglicher Weise Flössholz oder in irgend einer Weise durch Wasser ausgelaugt sein konnte. Dabei war ein neuer Gesichtspunkt gewonnen, welcher durch das Experiment verfolgt werden konnte. Durch die überaus dankenswerthe Liberalität des Herrn Baumeisters Rohleder in Ober-Langenbielau und des Herrn Oberförster Weis- gerber in Lampersdorf erhielt der Vortragende vier am 8. August des Jahres unter ihrer Aufsicht gefällte starke Stämme, und zwar eine Tanne, Fichte, Kiefer und Lärche. Dieses Material soll nun vorzugsweise zur Beantwortung der Fragen dienen, ob das im Sommer gefällte Holz durch Entrinden, durch längeres Trocknen und Einwässern immun für die Ent- wicklung der Sporen des Hausschwamms wird. Es sind zu dem Zwecke nachstehende Versuche eingeleitet. Je ein Querschnitt wurde sofort mit Sporen besäet und in der beschriebenen Weise aufbewahrt. Am l4ten October d.' J. wurden auf der Lärche die ersten keimenden Sporen be- obachtet, während die anderen Querschnitte deren noch nicht zeigten. Ein Theil der Hölzer wurde zum Zweck der Bestimmung der mineralischen Bestandtheile sofort verascht, je ein anderer mit und ohne Rinde soll mindestens 6—8 Monate austrocknen und ein Theil der Stämme soll 5 bis 6 Monate in der Oder liegen bleiben. Erst dann soll die Besäung . mit Sporen stattfinden und bei letzterem, gegenwärtig im Wasser liegen- den Holz auch die Aschen-Analyse gemacht werden. Der Vortragende hielt sich für verpflichtet, diese vorläufige Mit- theilung über den weiteren Verlauf dieser Arbeit zu machen, um so mehr, als die Versuche viel Zeit in Anspruch nehmen und nur durch ihre Vervielfältigung entscheidende Resultate geben können. Dies gilt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 151 in erster Linie auch von den gleichzeitig mit Herrn Professor Ponfick in Angriff genommenen Versuchen über die pathogene Bedeutung der Sporen des Hausschwamms. Dureh die Munificenz der beiden hohen Ministerien des Cultus und der Landwirthschaft ist eine nicht unbedeutende Subvention für die Fort- setzung dieser Arbeit gewährt und diese dadurch wesentlich gesichert worden. Herr Dr. H. Kunisch sprach unter Vorlegung von Bohrproben und Profilen über die neuesten Tiefbohrungen im Weichbilde von Breslau, welche zum Zweck der Förderung unterirdischen Wassers mit gutem Erfolg ausgeführt wurden. 1) Das Bohrloch bei C, Kipkes Brauerei und Malzfabrik (Langegasse 29—33) wurde von dem Bohringenieur Morys aus Landeshut in Schlesien mit Freifallbohrung angelegt und erreichte eine Tiefe von 101 Meter. Bei einem oberen Durchmesser von 47 Centi- meter und einem unteren Durchmesser von 30 Centimeter förderte es 3000 Liter Wasser von 9° R. in der Minute über Tage. Durch Auf- setzen eines engeren, ca. 11 Meter hohen Steigerohres ist das Wasser- quantum in der Minute erheblich vermindert worden. Das Bohrloch durchteufte bis zu 11 Meter abwechselnde Lagen von Sanden und Kiesen, bis zu 33 Meter mageren, dunkelbraunen Thon, bis zu 44 Meter festen, gelben Letten, bis zu 100 Meter neun Lagen meist Braunkohle führende Thone und Mergel von verschiedener Farbe und Mächtigkeit und stiess dann auf die das Wasser führende Schicht weisslichen Sandes, Die untere Grenze des Alluviums liegt in der Tiefe von 11 Meter, die des Diluviums bei ungefähr 45 Meter, die Sohle des Tertiärgebirges wurde nicht erreicht. — 2) Das Bohrloch auf dem Grundstücke der hiesigen Tuchmacherinnung (Seminargasse 3) wurde von der hiesigen Metallgiesserei unter der speciellen Leitung des Ingenieurs Marsch unter abwechselnder Anwendung der Durchbohrung und der Spritzbohrmethode bis zu einer Tiefe von 107 Meter niedergebracht. Es besitzt an der Erdoberfläche einen Durchmesser von 21 Centimeter und liefert in der Minute circa 1000 Liter Wasser von 9° R. 4 Meter über Terrain. Folgende Schichten- folge wurde beobachtet: 0—4 Meter abwechselnde Schichten von Kiesen und Sanden, 14—30 Meter magerer, dunkelbrauner Thon, 30—38 Meter allmäliger Uebergang in fetten gelben Letten, von 38—44 Meter fetter gelber Letten, von 44—103 Meter blaugraue und schliesslich gelbliche, meist mit Braunkohle durchsetzte Thone und Mergel mit Sandeinlage- rungen von geringer Mächtigkeit, von 103—105 Meter weisslicher Sand, von 105—107 Meter gelber Letten mit groben Quarzkörnern und viel Braunkohle, und von 107 Meter an endlich der wasserführende weiss- liche Sand. Die obere Grenze des Diluviums befindet sich in der Tiefe 153 Jahres-Bericht von 14 Meter, die untere ungefähr bei 44 Meter; die untere Grenze der Tertiärformation wurde nicht erreicht. — Aus dem geologischen Befunde der obigen und älterer Tiefbohrungen in Breslau folgerte der Vortragende, dass die unterirdischen Wässer unter Breslau hauptsächlich an zwei Schichten geknüpft sind: die obere besteht aus grauem, sehr sandigem Thon und liegt zwischen 60 und 70 Meter Tiefe; die untere ist eine weisse Sandschicht und liegt zwischen 100 und 120 Meter Tiefe. Die günstigen Erfolge der jüngsten Tiefbohrungen Breslaus haben bereits zu zwei neuen Unternehmungen dieser Art Veranlassung gegeben. Hierauf machte Herr Bergmeister a. D. Dr. Kosmann unter Vor- legung von Gesteinsstufen Mittheilungen über den Goldbergbau an der Goldkoppe bei Freywaldau in Oesterr.-Schlesien. Am nördlichen Ausgange der Stadt an den östlichen Abhängen des Bielethals ist seit diesem Frühjahr von einem Deutsch-Amerikaner, Herrn J. Sältery, ein bergbaulicher Versuch auf goldführende Quarze unternommen worden. Unter der Waldesgrenze nördlich eines von der Goldkoppe herunterkommenden Baches, welcher für die Waschversuche sehr gelegen ist, wurde auf dem Ausgehenden eines Quarzganges ein 6 Meter tiefer Schacht angesetzt, welcher in der Folge mit einem Stollen, der zur Zeit gegen 60 Meter lang ist, unterfahren wurde. Schon in dem Detritus des Mutterbodens wie am Ausgehenden zeigten sich Spuren von Gold. Je mehr man in den Berg eindringt, desto deutlicher zeigt sich das regelmässige Verhalten eines Quarzganges, dessen Gestein von den zersetzten, stark eisenschüssigen Massen der Saalbänder braun ge- färbt ist und bereits 2 Meter Mächtigkeit erreicht hat. Der Gang zeigt mehrfach Gabelungen und schaaren sich demselben zur Seite andere Gänge. Bei diesem Verhalten wurde in einer 12 Meter tieferen Sohle bereits ein zweiter Stollen angesetzt. Die Saalbänder des Ganges be- stehen aus zersetzten Schichten des Muttergesteins, welches das Massiv der Goldkoppe bildet, nämlich einem bläulichen, Granaten führenden Glimmerschiefer; vielfach durchsetzt der durch Verwitterung entstandene Mulm dieses Gesteins den Quarzgang; dieser Mulm wie der feste Quarz sind goldhaltig, wie durch mehrfache Verwaschungen des vor Ort ent- nommenen und in einem Mörser zerstampften Gesteins constatirt wurde, Nach einer Durchschnittsprobe liefert 1 kgr. Haufwerk ein Goldkorn von 2 egr., mithin würden 1000 kgr. oder eine Tonne Erz 20 gr. Gold liefern; da zur Zeit das Gramm Gold 2,78 M. kostet, so würde 1 Tonne Erz 55,60 M. Bruttoertrag geben. Die Kosten der Gewinnung sind nicht hoch, da ein Mann heute schon 1 Tonne Haufwerk herausarbeitet. Das Gold tritt, am deutlichsten in den oxydirten Gesteinspartien, in Funken, Schüppchen und Körnchen auf; vielfach können sie mit blossem Auge wahrgenommen werden; vermöge seiner Aufpochung werden sie vom der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 153 Gestein getrennt und durch Waschen das Gesteinspulver entfernt, so dass die Goldschüppchen auf dem Boden der Pfanne zurückbleiben. — Der ursprüngliche Träger des Goldes ist ein, in dem frischen durchsichtigen bis milchweissen Quarz in nussgrossen Nestern wie auf parallelen Spalten in stärkeren Partien auftretender Schwefelkies und zwar in der Varietät, des Markasits, wie sich schon durch seine leichte Verwitterbar- keit anzeigt; derselbe enthält Gold in Spuren, daneben auch Molybdän. Bei der Verwitterung zeigen sich die Goldschüppchen bereits dem zer- setzten Pyrit aufsitzend, wie auch damit schön krystallisirter Molybdän- glanz. — Dass die Goldkoppe mehrfach von goldführenden Quarzgängen durchsetzt ist, auf welchen ein frühzeitiger ausgedehnter Bergbau be- trieben worden, das beweisen die alten, vom Thale heraufführeuden Pingen, die noch offen stehenden kluftartigen Weitungen, von deren Seitenwänden etliche Stücke der Vortragende entnahm und der Wasch- probe unterwarf. Auch sie zeigten deutlich den Rückstand von Gold- sand, so dass sich die Vermuthung für Gold als Gegenstand des früheren Bergbaues rechtfertigt. Derselbe ermangelt merkwürdiger Weise jedes geschichtlichen Nachweises. Schliesslich berichtete Herr Dr. Gürich über den anfänglichen Verlauf der Expedition Flegel’s in das Niger - Benue-Gebiet, welcher er als Geologe angehört hatte. Flegel hatte drei Jahre hin- durch, 1875—78, im Dienste eines Handelshauses in Lagos stehend, die Gelegenheit wahrgenommen, sich eine gründliche Kenntniss über Land und Leute der Guineaküste zu erwerben; mit geringen Mitteln ausge- rüstet und durch einige günstige Umstände unterstützt, unternahm er darauf Reisen ins Innere des Continents, legte einen Theil der noch un- bekannten Strecke des Nigerlaufes fest und verfolgte den Benue bis zu seinen Quellen. Seine Publikationen brachten ihm die Unterstützung europäischer wissenschaftlicher Gesellschaften ein, und so wurde ihm auch wieder für das Jahr 1885 eine grössere Summe von der afrikanischen Gesellschaft in Deutschland zu der Ausrüstung einer grösseren Expedition, sowie eine kleine Dampfbarkasse ‚Dr. Heinrich Barth“ zur Befahrung des Niger und Benue zur Verfügung gestellt. Am 12, April schiffte sich Flegel mit seinen schwarzen Begleitern, den Karawanenführern Madugu Maigasin baki und Madugu Dantambari, beide Haussa aus Kan6, sowie mit vier weissen Expeditionsmitgliedern Dr. Semon, Arzt und Zoologe, dem Ref. als Geologen und botanischen Sammler, Hartert Ornithologe, und Thiel, dem Maschinisten für die Barkasse, in Hamburg auf der „Coanza“, einem englischen Dampfer, ein. Staudinger, Entomologe, schloss sich der Expedition in Lagos an. Am 21. April Abends er- reichte die „Coanza“ Teneriffa. Am 22. früh konnten die Mitglieder 154 Jahres-Bericht der Expedition einen kurzen Besuch der Stadt Sta. Cruz auf Teneriffa, einen längeren des Nachmittags in Ciudad de las Palmas auf Gran Canaria abstatten. Das grüne Vorgebirge und die kleine französische Inselfestung Gorr&ee wurde am 26. erreicht und die beiden letzten Tage des April brachten die Reisenden als Gäste des Herrn Colin in Bulbine auf der Tumboinsel, zwischen den Losinseln und dem Festlande (Dubrequa- gebiet) zu. Am 4. Mai kam Cap Palmas in Sicht, am 6. Gran Bassam, am 7. ging man in Axim ans Land, ebenso am 10. in Lome, zum deutschen Schutzgebiet gehörig, nachdem man am 8. und 9. Acera und Adda passirt hatte. Am 11. ging es bei Bagida, Little und Gran Popo vorbei und am Abend des Tages ankerte die „Coanza‘“‘ vor Lagos, Das eigentliche Ziel der Seereise, Brass, wurde am 18. erreicht. Hier wurde die Barkasse „Dr. H. Barth“ flott gemacht und am 22. Mai 11 Uhr 30 Min. begann die Expedition, aus 6 Weissen und 16 Schwarzen be- stehend, ihre Fahrt auf dem Niger, die am 1. Juni bei Lokodja an der Mündung des Benue ihr Ende erreichte. Am 2. fuhr man auf dem Benue weiter, aber nur einige Stunden; der Fluss war noch nicht hoch genug gestiegen; die Barkasse blieb stecken und musste umkehren. Flegel fuhr nach Brass zurück, um den Rest des Gepäcks zu holen, während Dr. Semon, Staudinger und der Ref. auf den bis dahin vom Dampfer geschleppten Booten den Fluss aufwärts fuhren. Nach 10tägiger Fahrt erreichten sie das ca. 20 Meilen entfernte Loko. Hier erkrankten nun Dr. Seman und der Ref. so heftig, dass Flegel, der am 13. Juli mit der Barkasse nachgekommen war, sofort zum zweiten Male nach der Küste fuhr, um die Kranken in Sicherheit zu bringen. Am 23. Juli be- stiegen sie die „Opobo‘“ in Akassa, an der Nunmündung. Auf der Rück- reise hatte der Ref. Gelegenheit, in Lagos, Freetown (Sierra Leone), Bathurst und Funchal auf Madeira an Land zu gehen. Am 26. August erreichte die „Opobo‘“ Liverpool und von hier begaben sich die beiden Zurückgekehrten als Reconvalescenten nach der Heimath. Ein weiterer specieller Reisebericht ist in Aussicht gestellt. In der Sitzung vom 28. October sprach Herr Dr. phil. et med. Moritz Traube über die Bildung des Wasserstoffhyperoxyds bei der Verbrennung des Kohlenoxyds und Wasserstoffs. Nach Versuchen von Dixon!) wird eine vollkommen trockene Mischung von Kohlenoxyd und Sauerstoff weder durch glühende Platin- drähte, noch durch andauernd durchschlagende Funken einer Ruhm- korff’schen Spirale zur Explosion gebracht. Diese tritt erst dann ein, wenn eine auch nur geringe Menge Wasserdampf zugeführt wird. !) Chem. News 46, 151; chem. Gentralblatt 1882, 748. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 155 In Bestätigung dieser wichtigen Beobachtung habe ich gefunden, dass bereits brennendes Kohlenoxyd in trockener Atmosphäre sofort erlischt, wie folgender Versuch lehrt: Die für den Versuch bestimmte Luft befand sich in einer durch einen Stopfen geschlossenen Flasche d von 1—2 Liter Inhalt, deren innere Wand behufs Trocknung der Luft mit Schwefelsäure benetzt war. Das vorher sorgfältig getrocknete Kohlenoxyd trat in eine, in wagerechter?) Lage befestigte Röhre ein, an deren Mündung e es entzündet wurde. Diese Röhre steckte in der Bohrung eines Kautschukstopfens e, welcher auf die Mündung der Flasche d passte. War das Kohlenoxyd bei e entzündet, so wurde die Flasche geöffnet, in wagerechter Lage rasch über die Flamme geschoben und ihre Mündung durch den Stopfen e verschlossen. Die Flamme erlischt bald, sogar auch dann, wenn reiner Sauerstoff angewandt wird. Macht man den Gegenversuch mit einer innen mit Wasser benetzten Flasche, so brennt das Kohlenoxyd ruhig weiter. Dixon erklärt den Einfluss des Wassers auf die Verbrennung des Kohlenoxyds durch die Annahme, dass dieses Gas das Wasser in Glüh- hitze zersetze unter Entwickelung von Wasserstoff, der dann mit dem anwesenden Sauerstoff zu Wasser verbrennt. CO -+-H0=6C0, —+H,. 2H, + 0, = 2(H,0). Ich habe mich jedoch überzeugt, dass Kohlenoxyd auch bei hoher Temperatur Wasser nicht zersetzt. Setzt man feuchtes Kohlenoxyd mehrere Stunden lang der Einwirkung von Inductionsfunken aus, so verändert es sein Volumen nicht und es bildet sich keine Spur von Kohlensäure und Wasserstoff. Das Gas wird zu Ende des Versuches durch salzsaures Kupferchlorür vollständig absorbirt. Im Gegensatz zur Annahme von Dixon wirkt umgekehrt Wasserstoff auf Kohlensäure in Glühhitze redueirend, denn lässt man durch eine Mischung von Kohlen- säure und Wasserstoff fortdauernd elektrische Funken durchschlagen, so 2) Eine horizontale Lage der Röhre b und Flasche d ist zweckmässig. Giebt man der Röhre b eine schräg nach unten geneigte Stellung und schiebt die Flasche von unten nach oben über die Flamme, so gelingt der Versuch schwieriger, weil dann die durch die Flamme erwärmte, trockene Luft aus der Flasche nach oben heraus- und kalte feuchte Luft von aussen hineinströmt. 156 Jahres-Bericht bildet sich unter entsprechender Volumverminderung Kohlenoxyd und Wasser. Es musste demnach eine andere Erklärung gesucht werden, und es lag die Vermuthung nahe, dass das Wasser bei der Verbrennung des ‚ Kohlenoxyds in Glühhitze dieselbe Rolle spielt, wie nach meinen Untersuchungen bei der langsamen Verbrennung der unedlen Schwer- metalle in gewöhnlicher Temperatur, dass es hier wie dort unter Bildung von Wasserstoffhyperoxyd zerlegt wird. Kohlenoxyd, das für sich allein, wie oben erwiesen wurde, Wasser nicht zu zerlegen vermag, bewirkt diese Zersetzung unter Mit- wirkung des Sauerstoffes, OHH 1. CO + oHn + 0,!=="60(0H), >. B;0; 2. H,O, + CO = CO(OH),. War diese Erklärung zutreffend, so musste sich das hier intermediär entstehende Wasserstoffhyperoxyd nachweisen lassen, wofern es nicht, wie das bei gewissen Proeessen der langsamen Verbrennung vorkommt, wieder vollständig zerstört wird. In der That ist diese Zerstörung unter gewöhnlichen Umständen eine nahezu vollständige. Stülpt man eine innen mit Wasser benetzte Flasche über eine Kohlenoxydflamme und spült nach deren Erlöschen die Flasche mit wenig Wasser aus, so giebt dieses mit Jodzinkstärke und Eisenvitriol eine nur äusserst schwache Blaufärbung. Bringt man jedoch die Flamme des Kohlenoxyds mit Wasser in Berührung, so giebt sie an dasselbe Wasserstoffhyperoxyd in solcher Menge ab, dass mit angesäuertem Kaliumpermanganat oder mit Jodzink- stärke und Eisenvitriol, oder mit Chromsäure und Aether die intensivsten Reactionen erhalten werden. Man lässt bei Anstellung eines solchen Versuches das Kohlenoxyd aus der Mündung (von etwa 1,2 mm Durch- messer) einer schräg nach unten geneigten Glasröhre ausströmen und nähert die Flamme der Oberfläche einer Wassermenge von 50 ccm bis zur Berührung. Der Druck, unter dem das Gas ausströmt, darf nur sehr gering sein (1 mm Wasserdruck), da die Flamme sonst leicht er- lischt. In einem Versuch betrug die Menge Wasserstoffhyperoxyd, die 1 Liter brennendes Kohlenoxyd an 50 cem Wasser abgab, 0,00075 g. Das hier nachgewiesene Wasserstoffhyperoxyd kann nur durch Ver- bindung von Wasserstoffatomen des Wassers mit Sauerstoffmolekülen entstanden sein. Die Annahme, dass das Kohlenoxyd die Sauerstoffmole- küle spalte, und dass frei werdende Sauerstoffatome Wasser zu H,O, oxydiren, ist völlig ausgeschlossen. Nach dieser Annahme müsste die Spaltung der Sauerstoffmoleküle der Entstehung des Wasserstoffhyper- oxyds vorangehen und von der Anwesenheit von Wasser unabhängig sein. Aber Kohlenoxyd allein (ohne Wasser) ist, wie der Versuch von der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 157 Dixon lehrt, ausser Stande, auf Sauerstoff einzuwirken. Wasser ist überhaupt, wie ich schon in einer vorangehenden Abhandlung nachge- wiesen habe, nicht oxydirbar. Die Verbrennung des Kohlenoxyds kann demnach, analog der an die Gegenwart von Wasser geknüpften, langsamen Verbrennung des Zinkes, Bleies u. s. w., nur nach den oben gegebenen Gleichungen in zwei auf- einander folgenden Processen geschehen, zu denen jedoch im vorliegenden Falle noch ein dritter Process hinzutritt, der Zerfall der in den ersten beiden Stadien entstandenen zwei Moleküle Kohlensäure in Anhydrid und Wasser. 3. 2CO0(0H), = 2C0, + 2H,0, wodurch die in dem ersten Stadium zerlegten zwei Wassermoleküle wieder regenerirt werden. Dadurch ist es erklärlich, dass eine minimale Menge Wasser hinreicht, die Verbrennung un- begrenzter Mengen Kohlenoxyd zu vermitteln. Das Wasser spielt hier in einer ausgezeichneten Weise die Rolle einer sogenannten Contaetsubstanz. Bei der langsamen Verbrennung der Metalle ist dies nicht der Fall, da diese das Wasser zur Bildung von Hydroxyden ver- brauchen und eine Regeneration desselben nicht stattfindet. Während unter gewöhnlichen Umständen das im Verbrennungs- process entstandene Wasserstoffhyperoxyd durch das glühende Kohlen- oxyd wieder zerstört wird, entgeht es zum Theil der Zersetzung, wenn die Flamme von kaltem Wasser berührt wird. Die Ausbeute von Wasserstoffhyperoxyd würde in letzterem Falle noch beträchtlicher sein, wenn nicht eine Eigenschaft des Kohlenoxyds störend entgegenträte, Die Flamme dieses Gases erlischt nämlich sehr leicht. Aus feinen Kapillaren austretend, brennt es überhaupt nicht, so dass man kleine Flammen von brennendem Kohlenoxyd, die dem Wasser eine verhält- nissmässig grosse Berührungsfläche darbieten würden, nicht erzielen kann. Sogar aus Glasröhren mit weiter Oeffnung austretend, brennt es nur dann, wenn es unter schwachem Druck steht. Die Kohlenoxydflamme kann sich deshalb nicht in das vorgelegte Wasser einwühlen, sondern brennt nur an dessen Oberfläche und gerade da, wo sie das Wasser be- rührt, kann der zur Erzeugung des Wasserstoffhyperoxyds nöthige Sauer- stoff nur in sehr beschränktem Maasse zutreten. Man könnte diesen Uebelstand dadurch beseitigen wollen, dass man Sauerstoff central durch die Flamme hindurchtreibt, so dass die Verbrennung auch innerhalb derselben stattfände, aber auch in diesem Falle erlösehen kleine Kohlen- oxydflammen. Man muss demnach auf eine grössere Ausbeute an Wasserstoffhyperoxyd verzichten und sich mit dem Nachweis begnügen, dass es überhaupt entsteht. 158 Jahres - Bericht Kohlenoxyd spaltet die Moleküle des Sauerstoffgases selbst nicht in Glühhitze, und Wasser vermittelt dessen Verbrennung bei hoher Temperatur in derselben Weise (unter Bildung von Wasserstoffhyper- oxyd), wie es die Verbrennung des Zinkes, Bleies, Eisens und Palladium- wasserstoffes bei gewöhnlicher Temperatur bewirkt. Es lag die Frage nahe, ob Wasserstoff, gleich wie Kohlenoxyd, bei Ausschluss von Wasser nicht brenne, und ob seine Flamme, mit kaltem Wasser in Berührung gebracht, Wasserstoffhyperoxyd an das- selbe abgebe. Dass das bei der Verbrennung des Wasserstoffs in Sauerstoff sich niederschlagende Wasser Hyperoxyd enthält, ist bereits von Schuller nachgewiesen worden. Nach dessen Versuchen ist ein wesentliches Moment die Geschwindigkeit, mit der das brennende Gas in das um- gebende eindringt. Ist diese Geschwindigkeit sehr gering, so zeigt das condensirte Wasser nur Spuren von Wasserstoffhyperoxyd, während bei namhaftem Ueberdruck auffallende Reactionen erhalten werden. So schlug sich in einem Falle während der Verbrennung von Wasserstoff in Sauerstoff Wasser nieder, welches in 1 g 0,0008 g Wasserstoffhyperoxyd enthielt. Durch meine vorstehenden Untersuchungen über die Verbren- nung des Kohlenoxyds kam ich auf die Vermuthung, dass Wasserstoff- hyperoxyd nicht ein gelegentlich auftretendes Nebenproduct ist, sondern in allen Fällen von der Flamme reichlich erzeugt wird, dass es unter gewöhnlichen Umständen, hier wie dort, fast vollständige Zerstörung erleidet, dass es aber, wenn die Flamme auf Wasser trifft, der Zer- störung theilweise entgeht. In der That giebt jede, auch unter gewöhn- lichen Umständen brennende Wasserstoffflamme, wenn sie mit Wasser in Berührung kommt, Wasserstoffhyperoxyd. Der von Schuller beob- achtete günstige Einfluss der raschen Einströmung eines Gases in das andere beruht nicht darauf, dass sie die Entstehung von Wasserstoff- hyperoxyd bewirkt, sondern darauf, dass das in allen Fällen in der Flamme vorhandene Wasserstoffhyperoxyd der Zerstörung durch die rasche Entfernung aus dem Bereich der Flamme wenigstens theilweise entgeht. Ich habe Wasser in verschiedener Weise auf brennenden Wasser- stoff einwirken lassen. Ich habe es 1) in Form dünner Strahlen oder 2) als feinen Staub durch die Flamme getrieben, oder 3) eine Mischung von Wasserstoff und Luft in einer horizontalen, zum grösseren Theil mit Wasser gefüllten Glasröhre über dem langgestreckten Niveau ..des Wassers durch elektrische Funken zur Verpuffung gebracht, endlich 4) reinen oder mit Luft oder Sauerstoff gemengten Wasserstoff in eine Glasröhre mit sehr enger Mündung geleitet, an dieser Mündung entzündet und die Flamme einer Wasserfläche soweit genähert, dass sie dieselbe berührte — in allen Fällen nahm das Wasser eine mehr oder minder der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 159 beträchtliche Menge Wasserstoffhyperoxyd auf. Die besten Resultate lieferte das letzte Verfahren, das hier nicht mit den Schwierigkeiten zu kämpfen hat, wie bei dem Kohlenoxyd, da Wasserstoff, selbst wenn er aus sehr feinen Mündungen austritt, sicher fortbrennt, auch dann noch, wenn er mit Sauerstoff oder Luft gemengt ist. Dadurch wird es mög- lich, sehr kleine Flammen anzuwenden, die dem Wasser eine verhältniss- mässig grosse Berührungsfläche bieten, und enthält die Flamme in ihrem Inneren Sauerstoff, so findet die Verbrennung auch an der Stelle statt, wo sich Flamme und Wasser berühren und der Zutritt der äusseren Atmosphäre beschränkt ist. Bei der Enge der capillaren Mündung der Glasröhren kann in allen derartigen Versuchen ein Zurückschlagen der Flamme in die Röhre hinein niemals erfolgen, selbst dann nicht, wenn das Gasgemisch statt Luft reinen Sauerstoff enthält. Zu bemerken ist noch, dass die kleinen Flämmchen des mit Luft gemischten Wasserstofis einen starken Geruch nach Ozon verbreiten. Doch ist Ozon nicht nachzuweisen, denn bedeckt man das flache Glas- gefäss, in welchem ein solches Flämmchen auf Wasser brennt, mit einer Glasplatte, an deren untere Fläche mit Jodzinkstärke- oder mit Mangansulfat-Lösung befeuchtete Papierstreifen befestigt sind, so bleiben dieselben farblos. Dagegen werden mit Jodzinkstärke- und Eisenvitriol- Lösung benetzte Papierstreifen sofort gebläut, was die Anwesenheit von Wasserstoffhyperoxyd auch in der die Flamme umgebenden Atmosphäre beweist. Es bleibt sonach keine andere Annahme übrig, als dass Wasser- stoffhyperoxyd in dampfförmigem Zustande dem Ozon ähnlich riecht. Liess man grössere Quantitäten des brennenden Gasgemisches auf ein und dieselbe Menge Wasser einwirken (unter Anwendung der im vorigen Versuch gebrauchten Glasröhre A), so wurde aus jedem Liter verbrannten Wasserstoffs nicht 0,0113 g Wasserstoffhyperoxyd gewonnen, sondern die Ausbeute wurde um so geringer, je mehr Wasserstoffhyper- oxyd sich im Wasser bereits angehäuft hatte. Wurden z. B. 15 eem Wasser (für dessen genügende Abkühlung selbstverständlich gesorgt war) der Berührung mit der Flamme jenes (unter 12 em Quecksilberdruck ausströmenden) Gasgemisches ausgesetzt, so nahm es aus 1725 cem verbrannten Wasserstoffs 0,016 g Wasserstoff- hyperoxyd auf, d. h. für 1 1 Wasserstoff 0,0092 g. (Hierbei hatte sich die Wassermenge gleichzeitig durch das aus der Verbrennung herrührende Wasser um 1,04 cem vermehrt. Durch weitere 2741 cem brennenden Wasserstoffs stieg die Menge des Wasserstoffhyperoxyds auf 0,0295 g, hatte sich demnach um 0,0135 g vermehrt, was für 1 1 verbrannten Wasserstoff nur 0,0049 g Wasser- stoffihyperoxyd ergiebt. 160 Jahres - Bericht ' Bei weiterer Fortsetzung des Versuchs stieg durch 2518 eem ver- brannten Wasserstoffs die Menge des H,O, auf 0,0395 g, hatte dem- nach um 0,010 g zugenommen, was für 1 l verbrannten Wasserstoffs nur noch 0,004 g H,O, ergiebt. Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass die Flamme des Wasserstoffs an Wasser nicht nur H,O, abgiebt, sondern einen Theil desselben durch weitere Einwirkung wieder zerstört. In Folge dieses Umstandes hat die Anhäufung des Wasserstoffhyper- oxyds eine Grenze. War durch fortgesetzte Einwirkung der Flamme der Gehalt des Wassers an H,O, bis auf ',,, (d. h. bis auf 290 mg in 100 ccm) gestiegen, so war, wenigstens in meinen bisherigen Ver- suchen, das Maximum der Concentration erreicht. Zwar gab die Flamme immer noch mehr H,O, ab, als sie zerstörte, da aber gleichzeitig eine entsprechende Menge des in der Flamme erzeugten Wassers sich nieder- schlug, so erhöhte sich der Procentgehalt nicht mehr. Ich zweifle indess trotz meiner sehr zahlreichen, vergeblichen Versuche nicht, dass es durch verbessertes Verfahren gelingen wird, aus Wasserstoffflammen noch grössere Mengen H,O, und von grösserer Concentration zu erzielen. Im Uebrigen ergiebt sich schon aus den bisherigen Versuchen die über- raschende Thatsache, dass durch eine Verbrennung in Glühhitze eine weit concentrirtere Wasserstoffhyperoxydlösung erhalten werden kann, als durch die langsame Verbrennung irgend eines Körpers bei gewöhn- licher Temperatur. Dabei ist das so gewonnene H,O, chemisch rein. Es lässt beim Verdampfen keinen Rückstand, reagirt neutral und enthält weder Ammoniak noch salpetrige oder Salpetersäure. (Die Lösung mit etwas Kaliumhydrat zur Trockniss verdampft, gab, mit verdünnter Schwefelsäure übersättigt, mit Jodzinkstärke keine Bläuung, auch nicht auf nachherigen Zusatz von Zinkstaub.) Die von Wasserstoffhyperoxydbildung begleitete Verbrennung des Wasserstoffs geht aller Wahrscheinlichkeit nach, wie die des Kohlen- oxyds, unter Mitwirkung von Wasser vor sich und würde hiernach in folgenden zwei Stadien verlaufen: TER? OuR +0, —=2H,0+ Hufe 2. H,O, + H, = 2H,0. Nach dieser Annahme würde sich der inactive, gasförmige Wasser- stoff bei seiner Verbrennung in Glühhitze in gleicher Weise verhalten, wie der an Palladium gebundene active Wasserstoff in gewöhnlicher Temperatur, da sich letzterer, wie ich nachgewiesen habe, nur bei Gegenwart von Wasser oxydirt und hierbei ebenfalls intermediär Wasser- stoffhyperoxyd bildet. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 161 Es wäre aber möglich, dass Wasserstoff in Glühhitze auch ohne Mitwirkung von Wasser direct mit den Molekülen des Sauerstoffs sich vereinigt, dann ginge seine Verbrennung in folgender Weise vor sich: . H+0,=H,0,, 2. H, +H,0, = 2H,0. Mag nun der Process unter Mitwirkung des Wassers stattfinden oder nicht — in jedem Falle verbrennt der Wasserstoff zunächst zu Hyperoxyd und dann erst zu Wasser und seine Verbrennung besteht lediglich aus zwei einander folgenden Reductionsvorgängen, die durch glühenden Wasserstoff bewirkt werden. Dass sich H,O, in der Wasserstoffllamme durch Oxydation von Wasser mittelst aus den Sauerstoffmolekülen abgespaltener Atome bilden könne, diese Annahme ist völlig ausgeschlossen. Ich habe schon früher durch zahlreiche Versuche erwiesen, dass in Verbrennungsprocessen active Sauerstoffatome nicht auftreten und Wasser überhaupt nicht oxyd- bar ist. Auch ist nicht einzusehen, weshalb abgespaltene Sauerstoffatome es vorziehen sollten, sich in Anwesenheit des glühenden, sauerstoffgierigen Wasserstoffs nicht mit diesem, sondern mit indifferentem Wasser zu ver- binden. Gleichwohl habe ich speciell für den vorliegenden Fall noch folgenden Versuch gemacht: Ich liess die Flamme eines Gemisches von Wasserstoff und schwefliger Säure auf Wasser genau in derselben Weise, wie in den oben angeführten Experimenten einwirken. Die vorher farblose Flamme wird bei Berührung mit Wasser intensiv blau und es scheidet sich reichlich freier Schwefel aus, während man gleichzeitig den Geruch von Schwefelwasserstofft bemerkt. Von Wasserstoffhyperoxyd entsteht, da es durch die genannten Producte zerstört wird, keine Spur. Es ist wohl nicht gestattet, anzunehmen, dass in einer Flamme, in der schweflige Säure zu Schwefel und Schwefelwasserstoff redueirt wird, active Sauerstoffatome vorhanden sind. Die Wasserstoffflamme an sich hat immer redueirende Eigenschaften. Nur an ihrem äussersten Saume, wo ihre Verbrennung vollendet ist, kann sie oxydirend wirken, aber nur mittelbar dadurch, dass sie eine Temperatur erzeugt, welche die Verbrennung vieler Körper herbeiführt. Die ausführliche Abhandlung befindet sich in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft Jahrg. XVIII S. 1890 ff. Hierauf zeigte Herr Professor Dr. O. E. Meyer eine vom Hause Breguet in Paris gebaute magneto-electrische Maschine 1 und einige andere für das physikalische Cabinet neu angeschaffte Apparate. In der genannten Maschine wird ein electrischer Strom durch einen starken Stahlmagnet in einer sogenannten Paecinotti’schen oder Gramme- 1885. 11 162 Jahres - Bericht schen Ringspirale erregt, welche zwischen den Magnetpolen mittelst einer Radkurbel rasch gedreht wird. Die Stärke des entstandenen Stromes zur Anschauung zu bringen, diente zunächst der von Waltenhofen’sche Pendelapparat, dessen zwischen den Polen eines Elektromagnets schwingendes Kupferstück durch die Thätigkeit der Maschine rasch zur Ruhe gebracht wurde, ebenso ein vom Mechanikus Köpping in Nürn- berg bezogener Apparat, in welchem eine rotirende und einen Ton er- zeugende Kupferscheibe durch den Strom momentan zum Stillstand ge- langte. Ferner wurde die elektrische Kraft-Transmission dadurch er- läutert, dass mittelst der Breguet’schen Maschine eine Gramme’sche dynamo-elektrische Maschine und ein Modell einer electrischen Eisen- bahn in Umlauf gesetzt wurde. Endlich wurde gezeigt, dass die Breguet’sche Maschine auch zur Elektrolyse sehr wohl geeignet ist, sowie zur Er- regung electrischer Glühlampen, Schliesslich sprach Herr Professor Dr. L. Weber über Messung der magnetischen Inclination und experimentirte mit einem, von ihm für diesen Zweck construirten Apparat. Im Nachfolgenden gestatte ich mir, die Beschreibung eines Apparates zu geben, welcher auf meinen Vorschlag hin von den HH. Hartmann und Braun in Bockenheim bei Frankfort construirt und welcher dazu bestimmt ist, die magnetische Inelination nach einer Modification der W. Weber’schen Inductionsmethode zu messen. Diese Modification hat, insofern sie auf eine sogenannte Nullmethode hinausläuft, wiederum Aehnlichkeit mit derjenigen des Herrn Mascart. Bei beiden wird die Combination zweier der Zeit nach aus einander liegenden Beobachtungs- reihen vermieden und die sonst erforderliche Controle durch ein Variationsinstrument entbehrlich gemacht. Ob die Mascart’sche oder die von mir eingeschlagene Methode die kleineren technischen Schwierig- keiten bietet, vermag ich indessen noch nicht zu übersehen. Das Wesentliche meines Verfahrens besteht "in Folgendem. Eine Induetionsrolle A (s. Fig. 1) ist um einen ihrer Durchmesser in dem horizontalen Axenlager & & drehbar und zwar um 180°, Gleichzeitig wird mittelst Zahnradübertragung y y eine zweite genau gleiche Rolle B in dem verticalen Axenlager # 8 ebenfalls um 180° gedreht. Die Intensitäten der in beiden Rollen bei der Drehung inducirten Ströme entsprechen resp. der Vertical- und der Horizontal-Componente des Erd- magnetismus, so dass in unseren Breiten die Intensität in A die grössere ist. Durch Einschaltung eines an der Drehung nicht theilnehmenden Widerstandes in den Stromkreis von A lassen sich nun beide Ströme gleich machen. Prüft man diese Gleichheit mittelst eines Differential- Galvanometers oder in einer nachher zu beschreibenden Weise mittelst der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 163 eines Galvanoskops, so ist, wenn F, und F, die Windungsflächen von A und B, W, und W, die gesammten Widerstände der beiden Strom- kreise und V und H die Componenten des Erdmagnetismus bedeuten, im Falle der Stromgleichheit ; re | 3 Wer | N oder, wenn FR, = F, ist und i den Inelinationswinkel bezeichnet ER RÜERR AR PRNE an ses: ol Die Inelination ist demnach mittelst einer Nullmethode ausdem Verhältniss zweier mit beliebiger Genauigkeit messbarer Widerstände zu bestimmen. Bis 3, Die Anwendung des Differentialgalvanometers zur Prüfung der Stromgleichheit in beiden Kreisen bietet keine weiteren Schwierig- keiten. Mit ebenso grosser, wenn nicht grösserer Bequemlichkeit lässt sich jedoch zu demselben Zwecke ein gewöhnliches Galvanometer be- nutzen, wenn man die folgende, soweit mir bekannt, bisher noch nicht beschriebene Schaltungsweise anwendet. In beide Strom- kreise wird je einer von zwei gleichen Widerständen w (s. Fig. 2) ein- geschaltet, ausserdem in den zu @ « gehörigen Kreis der einem Wider- standskasten zugehörige Widerstand R. Verbindet man nun die beiden gleichsinnigen Anfangspunkte der Widerstände w durch kurzen Schluss s, und die beiden Endpunkte durch ein Galvanometer, so ist leicht zu 11# 164 Jahres - Bericht zeigen, dass, im Falle der $tromgleichheit in den Stücken w, das Galvanometer keinen Ausschlag giebt. In diesem Falle geht aber auch » durch s kein Strom und die in | | beiden Stromkreisen cursirenden | Ströme verhalten sich genau so, W. als wenn die Verbindung s und | a0 ® L.____, das Galvanometer nicht vorhanden wären. Mithin kann Gleichung 1 unmittelbar Anwendung finden. Be | Darin setzt sich W, zusammen aus dem Widerstande W, der Rolle A sammt ihren Zuleitungsdrähten, dem eingeschalteten Widerstande Fig. 2. R und w; während W, aus dem Widerstande W, der Rolle B sammt ihren Zuleituhprärghken und em Widerstande w besteht. Demnach wird % N .E, NA EL A i W-R-+w W-w oder, falls FR, = F, ist, ; V W, R-+w m en Die diesen einfachen Formeln zu Grunde liegende erste Voraus- setzung, dass nämlich die Axe «@ & horizontal und in der Richtung des magnetischen Meridianes, sowie dass die Axe £ß vertical liege, ist durch vorherige Justirung und Einstellung des ganzen Apparates zu ver- wirklichen. Ebenso ist durch Justirung zu bewirken, dass die beiden Drehungen genau um 180° erfolgen und symmetrisch zur Maximalinduc- tion liegen. Die zweite Voraussetzung der Gleichheit beider Windungs- flächen F, und F, kann vom Mechaniker nur näherungsweise herge- stellt werden. Zur Correction des noch übrig bleibenden übrigens sehr kleinen Fehlers ist die Vorsorge getroffen, dass beide Rollen in ihren Lagern vertauscht werden können. Man erhält dann durch einen zweiten Versuch ein von R wenig verschiedenes R’, für welches nun Strom- gleichheit eintritt. Für diesen Versuch gilt dann 1b Nur; au] B aakjan ü W-+-R tw .W,+w Aus la und 1b folgt ob Kir W+R+WOMW +R-+w ie. (W +w(W-+w) und _ VW FR 2a) (W, + R + w) (W, + w)’ o »— der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 165 Die Inclination kann also entweder auf Grund zweier Versuche mit Vertauschung der Rollen aus 2b berechnet werden, oder, nachdem durch 3. das constante Verhältniss F ein für allemal ermittelt ist,') auf Grund 2 eines einzigen Versuches nach Gleichung 1a, nämlich EB 5 H W,+w Rt Zum Zwecke der vorgedachten Justirung wird der ganze Apparat auf einen in der Zeichnung nicht vorhandenen starken hölzernen Rahmen gesetzt, welcher sich um einen ungefähr unterhalb 8% befindlichen Zapfen auf dem das Ganze tragenden festen Bocke ein Geringes drehen und sodann festsetzen lässt. Auf diesem Rahmen steht der Apparat mit seinen drei Fussschrauben S. Mit Hülfe einer einfachen Deeclinations- nadel wird zunächst der ganze Bock so gesetzt, dass die Axe @« näherungsweise in den Meridian fällt. Hierauf richtet man mit Hülfe einer dem Apparate beigegebenen Reiterlibelle die Axe « «& horizontal und 8 $ vertical. Die letztere Einstellung lässt sich dadurch machen, dass dieselbe Libelle auf zwei seitliche Ansätze der in 8 8 steckenden Rolle gelegt wird. Nun bringt man die Rolle B senkrecht zum Meridian in die (auch in der Figur festgehaltene) Anschlagstellung. Die eine der Anschlagschrauben wird so justirt, dass die Fläche der Rolle B senk- recht zur Axe & « steht, was sich zunächst durch mechanische Aus- messung schon mit einem sehr grossen Genauigkeitsgrade erzielen lässt. Alsdann wird dieselbe Rolle herausgenommen und mit derselben An- schlagschraube in « « zum Anschlag gebracht. Legt man nun die Libelle quer über die Rolle, so sollte dieselbe einspielen, falls die beiden An- schlagplatten bei x« und 8 in derselben relativen Lage gegen die Axen sich befinden. Ist dies nicht der Fall, so muss die Axe $$ in ihren beiden Lagern corrigirt werden. Zu diesem Zweck corrigirt man, während noch B in den Lagern & « liest, den halben Fehler der Libellen- einstellung an der Anschlagschraube von B und die andere Hälfte durch gleichzeitiges entgegengesetztes Drehen der beiden Fussschrauben S$. Nun wird B aus den Lagern &«& gehoben, wieder in 8 gesetzt und mit derselben Anschlagschraube wie vorher zum Anschlag gebracht. Jetzt ist sowohl die verticale Lage von 8 als auch die rechtwinkelige Stellung der Rolle B gegen &« nachzucorrigiren, was dadurch bewirkt wird, dass sowohl das untere wie das obere Lager von ß $ gelöst und mittelst der ausgiebigen Press- und Zugschrauhen, welche dieselben fixiren, justirt wird. Hierauf werden die beiden Anschlagschrauben von A so gestellt, dass in beiden Anschlagstellungen die quer über A gelegte !) Das Verhältniss 2 kann natürlich auch nach anderen bekannten Methoden bestimmt werden. & 166 Jahres-Bericht Libelle einspielt. Nun wird das bis dahin gelöste obere Zahnrad der Axe yy so angezogen, dass der bereits justirte eine Anschlag von B und der entsprechende von A gleichzeitig erfolgen. Nachdem dies ge- schehen, wird der zweite Anschlag von B so justirt, dass er mit dem entsprechenden von A zusammenfällt. Mit diesen Justirungen ist er- reicht, dass & « horizontal, 8 $ vertical liegt; dass ferner die Drehungen beider Rollen von einem Anschlag zum anderen genau um 180° erfolgen und dass in den Anschlagstellungen die Windungsebene der Rolle A horizontal und diejenige von B senkrecht zu «« liegt. Da ausserdem durch verstellbare Flanschenringe auf den Axen der Rollen, sowie auf der Axe yy dafür gesorgt ist, dass die Rolle in ««& und die Achse yy innerhalb ihrer eigenen Richtung etwas verschoben werden können, so lässt sich hierdurch der Eingriff der Zahnräder in einander so voll- ständig reguliren, dass die Drehung, der einen Rolle diejenige der anderen ohne das geringste Wackeln oder todten Gang zur Folge hat. Zeigt sich ferner, dass nach Vertauschung der Rollen in ihren Lagern jetzt nicht mehr gleichzeitiger Anschlag derselben stattfindet, so wird dies durch geringe Drehung des oberen Zahnrades der Axe yy mittelst zweier Zugschrauben leicht bewirkt. Es erübrigt nun noch die bisher nur näherungsweise gemachte Einstellung von «&« in den Meridian mit grösster Schärfe zu be- wirken. Zu diesem Zwecke genügt es, wenn Rolle B (in 8 befindlich) zum Anschlage gebracht und in dieser Stellung senkrecht gegen den Meridian durch Drehen des ganzen Apparates gerichtet wird. Man er- reicht dies durch einen dem Apparate beigegebenen Ringmagnet. mit Spiegelablesung, der innerhalb eines starken kupfernen Dämpfers mittelst Bayonnettverschluss in die Mitte von Rolle B gestellt wird. Lässt man nämlich jetzt einen Strom von passender Stärke so durch B hindurch- gehen, dass für den Mittelpunkt die erdmagnetische Horizontalkraft nahezu compensirt wird, so muss der Magnet unverändert einspielen, falls Rolle B senkrecht zum Meridian stand. | Zur Controle der richtig gemachten Justirungen kann man noch das Magnetometergehäuse in die Mitte der in &« befindlichen, in ihre Mittellage (d. h. mit senkrechter Windungsfläche) gebrachten Rolle ein- hängen. Lässt man sodann einen constanten Strom in entgegengesetzten Richtungen durch A hindurchgehen, so müssen die Ablenkungen gleich gross ausfallen, Man kann sich nun auch noch durch direeten Versuch überzeugen, dass bei der Drehung der Rollen keinerlei Inductionswirkung von der einen zur anderen ausgeübt wird. Zu diesem Zwecke rückt man die in ««& liegende Rolle aus dem Zahnrade aus, schliesst den Kreis einer der Rollen in sich, während die andere mit dem Galvano- meter verbunden wird. Dreht man erstere bei beliebiger Stellung der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 167 zweiten, so darf nicht das geringste Zucken der Galvanometernadel eintreten. Endlich ergiebt sich aus dem Verhalten des Galvanometers bei der Beobachtung selbst eine Controle dafür, ob beide Rollen genau gleich- zeitig durch die Mittellage, d. h. durch die Stelle der maximalen Induetion hindurchgehen. Ist dies nämlich der Fall, so macht die Galvanometernadel bei Drehung und Rückdrehung genau gleiche, nur nach je einer Seite der Nulllage gehende Ausschläge, eventuell bei völliger Gleichheit der Ströme den Ausschlag Null. Andernfalls werden die Ausschläge ungleich und bei Gleichheit der Integralströme macht die Nadel während der ersten Hälfte der Drehung einen kleinen Aus- schlag nach der einen, und während der zweiten Hälfte der Drehung einen solchen nach der anderen Seite. Diese Beobachtung ist indessen nur dann zu machen, wenn das Galvanometer vollkommen aperiodisch ist, wie das bei dem von mir benutzten Siemens’schen Glockengalvano- meter der Fall ist. Die wesentliche Einrichtung des vorzüglich solide und elegant ge- arbeiteten Apparates wird aus Vorstehendem mit Hilfe der Fig. 1 hin- reichend deutlich zu entnehmen sein. Bezüglich der Dimensionen füge ich hinzu, dass die Durchmesser der Rollen 30 cm betragen. Jede Rolle hat 130 Windungen 1 mm dicken Drahtes. Die Zuleitungen ge- schehen mittelst Kupferbandspiralen und starker zu den Klemmschrauben k führender induetionsfrei angebrachter Drähte. Die Widerstände der Rollen betrugen für Rolle A, W, = 2,912 8. E.; für Rolle B, W, — 2,879 $. E. Diese Widerstände sind näherungsweise gleich den Widerständen der beiden Galvanometerrollen gewählt, da es ursprünglich in meiner Absicht lag, das Galvanometer als Differentialgalvanometer zu benutzen. Für die Herstellung der beiden Stromkreise und die darin einzuschaltenden Widerstände war ein Siemens’scher Universal- Widerstandskasten mit Brücke unmittelbar geeignet. Die beiden gleichen Widerstände w wurden zu je 10 $. E, genommen. Zur Beobachtung der Galvanometerausschläge benutzte ich ein stark vergrösserndes Hart- mann’sches Ferurohr und eine Glasscala von Zeiss mit transparenter. Beleuchtung, so dass noch eine Abschätzung bis auf 0,02 mm bei einem Scealenabstand von 1 m möglich war. Als Beispiel der Anwendung des Apparates lasse ich drei Beob- achtungsreihen mit zweimal vertauschten Rollen folgen, wobei zu be- merken ist, dass man, nachdem ein für allemal das Verhältniss der Windungsflächen festgestellt ist, nur die mittlere Reihe gebraucht. Um denjenigen Widerstand R bezw. R’ möglichst genau zu bestimmen, bei welchem der Ausschlag Null ist, wurden nach vorläufiger ungefährer Feststellung desselben die benachbarten Widerstände in fortlaufender Reihe gestöpselt und die jedesmaligen Ausschläge notirt, welche hierbei 168 Jahres - Bericht Ausschläge bei Mittel R —= 14,99 | Ri 19,56 Rechts- Links- Drehung | Drehung 1. Satz. Rolle A in 88; Rolle Bin «ea. 14,7 = O1 N ns 14,8 =0,40°:] P=,15,. | 20,12 14,9 — 0,02 — 0,05 — 0,03 15,0 — 0,02 10,05 + 0,01 en Interpolation 15,1 0,10 10,08 10,09 für Ausschlag Null: 15,2 +0,10 | +0,12 | 10,11 15,3 —- 0,15 —+- 0,15 —- 0,15 15,4 —- 0,15 —- 0,20 —- 0,17 2. Satz. Rolle A in ao; Rolle B in PB. 15,1 "0,5077 E00. ee 15,2 — 0,10 — 0,10 — 0,10 15,3 0050.05 IR etlUn 15,4 10,05 | +0,05 | -+ 0,05 15,5 SU ee 15,6 010, so 2 Das 15,7 10,20 | 10,20 | - 0,20 15,8 1025 | +0,35 |' 0,9 15,9 1035 | +0,35 | 0:35 8. Satz. Rolle A in $ß; Rolle Bin «a. 14,5 — 0,25 — 0,25 — 0,25 14,6 0,15. 34212890580 is Tr 14,7 0, sung, MO 15 14,8 0,08 En x SL, 10 14,9 0,059 ur 00-00 15,0 — 0,02 0,00 | —0,01 15,1 +0,05 | +0,05 || +0,05 15,2 +0,10 | +0,10 | -+0,10 15,3 40,12 0/0 Dhesso 1a 15,4 1020 | +0,15 | +0,17 15,5 —- 0,30 —- 0,20 + 0,31 Mittel aus Satz 1 und 3: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 169 durch Null hindurchgehen mussten. Ausserdem wurden bei jedem Widerstande zwei Beobachtungen gemacht, entsprechend einer Rechts- und einer Linksdrehung des Apparates. Die hierbei eintretenden Aus- schläge waren aus den im Vorstehenden erörterten Gründen bei sich ändernder Declination mitunter etwas verschieden und es wurde des- wegen aus beiden das Mittel genommen. ' Eine Beobachtungsreihe liess sich in etwa 5—10 Minuten machen. Der die Drehung besorgende zweite Beobachter stand auf einer quer über den Fussboden gelegten starken Holzbohle, um möglichst wenig Erschütterung durch seine Be- wegungen zu verursachen. Die Vorzeichen der bei den Rückdrehungen erfolgenden Ausschläge sind in vorstehender Tabelle gleich entgegengesetzt verzeichnet. Hieraus ergiebt sich zufolge Formel 3 das Verhältniss beider Windungsflächen F, = 1,00813 und zufolge 2b der Inclinationswinkel a ie ange Dieser für die Inclination gefundene Werth ist nun kein absoluter für Breslau geltender, da das Beobachtungslocal nicht ganz eisenfrei war. Dagegen lässt sich aus den angeführten Zahlen die Genauigkeit des Verfahrens beurtheilen. Aus einer genaueren Betrachtung derselben, insbesondere aus einer zum Zwecke der Interpolation gemachten gra- phischen Darstellung der Ausschläge als Funetionen der Widerstände geht zwar hervor, dass die zweiten Decimalen der beobachteten Scalen- theile nicht mehr ganz sicher sind und dass in Folge dessen auch eine Unsicherheit der zweiten Deeimale der Widerstände eintritt. Ich glaube indessen nicht zu viel zu behaupten, wenn ich die Unsicherheit in den obigen Beobachtungen für R auf + 0,02 $S. E. abschätze. Dies würde einem Fehler des Inclinationswinkels von + 56” oder rund von einer Bogenminute entsprechen. Die Grösse dieses Fehlers scheint mir inner- halb der Grenze derjenigen Fehler zu liegen, welche für Inductions- inelinatorien überhaupt aus der Aufstellung und Horizontirung entspringen. Bis auf jenen Fehler von + 1 Minute lässt sich also die Inclination nach zuvoriger Justirung und nach Ermittelung des Verhältnisses der Windungsflächen durch eine einzige in etwa fünf Minuten zu machende Beobachtungsreihe bestimmen.) In der Sitzung am 18. November theilte Herr Dr. Staats die Resultate seiner Untersuchung | des Asaron’s mit. Der Vortragende bemerkte, dass seine Arbeit zwar nicht zur Klar- legung der chemischen Struktur des Asaron’s geführt, immerhin aber !) Diese Abhandlung befindet sich in den Sitzungsberichten der Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften XLIV. 1885. 170 Jahres-Bericht doch unsere Kenntnisse dieses interessanten und nur wenig reaktions- fähigen Körpers erweitert habe. Das Asaron, der flüchtige Bestandtheil des Asarum europaeum L., welcher neben ätherischem Oele durch Destillation der Wurzel dieser Pflanze mit Wasserdämpfen erhalten wird, ist mehrfach Gegenstand chemischer Untersuchungen gewesen. Es erübrigt hier die Angabe der betreffenden Literatur und genügt die Bemerkung, dass Graeger’s Asarit jedenfalls mit dem Asaron identisch und keine der früheren Ar- beiten über die Feststellung der empirischen Formel hinausgelangt ist. Das Asaron ist in reinem Zustande ein weisser, geruchloser Körper von schwach brennendem Geschmacke. Es wird aus alkoholischer Lösung oft in grossen, durchsichtigen Krystallen des monoklinen Systems erhalten; in kaltem Wasser ist es unlöslich, von siedendem wird es in geringer Menge gelöst und krystallisirt dann beim Erkalten der Lösung sehr rein in nadelförmigen Krystallen, der Asarit Graeger’s, heraus, Es ist ferner leicht löslich in Aether, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Essigsäure, etwas weniger leicht in Benzol und Petroläther. Beim Zerreiben, Zerbrechen oder Kratzen mit einem festen Gegen- stande phosphoreseirt es weit lebhafter als Zucker mit bläulichem Lichte. Das spec. Gew. ist bei 20° 1,186. Es besitzt einen doppelten Schmelz- punkt bei 43° und 61°. Der letztere tritt auf, wenn der Schmelzpunkt von bereits geschmolzenem und wieder erstarrtem Asaron nach mehreren Stunden aufs Neue bestimmt wird. Die im Handwörterbuche der Chemie von Fehling enthaltene Angabe, dass Asaron in der Hand weich wie Wachs werde, ist nicht richtig. Das Asaron erweicht weder in der Wärme der Hand, noch in höherer Temperatur, es geht direet aus dem festen in den flüssigen Zustand über. Der Siedepunkt des Asarons liegt bei 295°, es destillirt anfangs unverändert über, dann zersetzt es sich. Bei vermindertem Luftdrucke lassen sick kleine Mengen fast unverändert überdestilliren. Die mittlere procentische Zusammensetzung des aus verschiedenen Lösungsmitteln umkrystallisirten Asarons ist 70,33 C, 7,76 H und 21,91 O. Daraus berechnet sich die Formel C,,H,,O,, welche 70,59 C, 7,69 H und 21,72 O verlangt. Die nach der Methode von V. Meyer im Diphenylamindampfe bestimmte Dampfdichte gab die Moleculargewichte 220,23 und 220,02, während obige Formel das Moleculargewicht 221 besitzt. Da es nicht gelang, das Asaron mit alkoholischer Kalilösung zu verseifen und ebensowenig die Radicale der Essigsäure oder Benzoösäure in sein Moleeül einzuführen, so besitzt es weder den Charakter eines zusammengesetzten Aethers, noch sind Hydroxylgruppen in ihm vorhanden. Da ferner das Asaron weder ammoniakalische Silberlösung reducirte, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 171 noch auf primäre Alkalisulfite reagirte und sich gegen Hydroxylamin vollständig passiv verhielt, so ist es weder ein Aldehyd, noch ein Keton. Dagegen gab es mit Brom ein Additionsproduct C,,H,.O,Br, und spaltete mit Jodwasserstoff mehr als zwei Molecüle CH,J ab, es ist daher als ein dreifach methoxylirter Körper anzusehen. Conc. Schwefelsäure zerlegt das Asaron unter Bildung von Aether- schwefelsäuren, und Natrium wirkt auf seine Lösung in Petroläther unter Bildung eines natriumhaltigen Produetes von nicht constanter Zusammen- setzung und eines gelben Oels vom Siedepunkt 272—273° ein. Interessant ist das Verhalten des Asarons bei seiner Reduction durch Zinkstaub, wobei es neben einer geringen Menge eines flüssigen Products fast ganz in ein Gasgemenge zerfällt, welches aus 0,98 pCt. CO,, 2,33 pCt. schweren, durch rauchende Schwefelsäure absorbirten Kohlen- ‘.wasserstoffen, 18,25 pCt. Kohlenoxyd, 44,21 pCt. Methan und 34,23 pCt. Wasserstoff bestand. Die Bildung so bedeutender Mengen von Methan kann als ein weiterer Beweis für das Vorhandensein der Methylgruppen in dem Molecül des Asarons angesehen werden. Bei der Oxydation des Asarons durch Salpetersäure wurden Kohlen- säure, Cyanwasserstoff und Oxalsäure und ein nicht näher untersuchtes, neutrales, in gelblichen Nadeln krystallisirendes Product erhalten. Ein- gehender wurde die Oxydation des Asarons mit Kaliumpermanganat studirt. Die Producte derselben waren Kohlensäure, Ameisensäure, Essigsäure und Oxalsäure, ferner ein neutrales, in farblosen Nadeln krystallisirendes und bei 117° schmelzendes Product, dessen Zusammen- setzung durch die Formel C,H,O, ausgedrückt und auch durch die Be- stimmung der Dampfdichte, gefundenes Moleculargewicht 155,89, berechnet 153, bestätigt wurde, Es bildet mit Hydroxylamin eine krystallisirte Nitrosoverbindung von der Formel C,H,,NO,, welche, da der Körper ammoniakalische Silberlösung nicht reducirt, für den ketonartigen Charakter desselben sprechen würde. Endlich wurde noch eine feste einbasische Säure erhalten, welche bei 144° schmilzt und deren Moleceulargewicht durch die Analyse der freien Säure und ihres krystallisirten Baryumsalzes bestimmt wurde und durch die Formel C,,H,,O, ausgedrückt wird. Diese Thatsachen, welche der Vortragende zum Gegenstand seiner Dissertation gemacht hat, reichen nicht aus, um sichere Schlüsse auf die chemische Constitution des Asarons zu ziehen. Die Arbeit wurde aus Mangel an Zeit und Material hier abgebrochen, um so mehr, als Ben- venuto Rizza und A. Buttlerow gleichzeitig dieselbe Arbeit begon- nen und den Wunsch und die Absicht ausgesprochen hatten, sie weiter fortzusetzen. Unter solchen Umständen dürfen wir bald weitere Auf- klärungen über diesen interessanten Körper von den genannten Gelehr- ten erwarten, 172 Jahres - Bericht Herr Professor Dr. Lehmann legte dann eine Collection von Gesteinsdünnschliffen vor, welche sich durch besondere Grösse (bis zu 8 x 8 em) und Schönheit auszeichneten und knüpfte daran einige Bemerkungen über die von ihm zu ihrer Herstellung’ benutzten Methoden, sowie im Allgemeinen über die verschiedenen Methoden, Gesteine in dünne Platten zu schneiden. Schliesslich sprach Herr Professor Dr. Hartmann Schmidt über die Fixirung von physikalischen Figuren und erläuterte diese durch eine Anzahl von Experimenten. Schon Gilbert (1600) hat auf die Figuren aufmerksam gemacht, welche dadurch entstehen, dass man auf über einen Magneten liegendes Papier Eisenfeile streut. Diese Figuren hat man zuerst dadurch zu fixiren versucht, dass man sie vermittelst einer mit Klebestoff versehenen Platte abdrückte. Professor Mach in Prag hat die Eisenfeile vorher mit Anilin gefärbt und dann die fertige Figur mit Alkoholdämpfen so lange behandelt, bjs die Farbe auf das Papier übertragen war, und nach Entfernung der Eisenfeile haftete. Stellt man die Figur auf einer lackirten Milchglas- tafel dar, und behandelt dieselbe mit einem Alkoholzerstäuber so lange, bis der Lack weich geworden ist, so bleibt die Eisenfeile beim Ver- dunsten des Alkohols haften. Diese Figuren wurden nach den verschie- denen Methoden dargestellt und fertige — auch von Mach dargestellte — vorgezeigt. Die Chladni’schen Klangfiguren hat Savart in Paris in einer eigenthümlichen Weise dargestellt, indem er den dazu verwendeten Sand vorher mit Alcannaroth färbte und feuchtes Fliesspapier darauf drückte, so dass die Sandkörner ihre Farbe abgaben. Auch eine solche von Savart selbst dargestellte Figur konnte vorgezeigt werden. Die Lichtenberg’schen elektrischen Figuren hat bereits im Anfang dieses Jahrhunderts v. Gersdorf in Görlitz (Meffersdorf) auf Papier fixirt und in sehr vielen Exemplaren dargestellt. Auch diese von Gersdorf erzeugten Figuren waren vorhanden. Auch Professor v. Betzold hat sich sehr eingehend mit Lichtenberg’schen Figuren beschäftigt und die- selben dadurch fixirt, dass er sie auf gummirtem schwarzen Seidenpapier abdrückte. Diese Figuren sind sehr diffieil. Sie konnten ebenfalls vorgezeigt werden. Von grossartiger Schönheit sind die durch Professor Dr. Antolik in Arad (Ungarn) auf Glas dargestellten Figuren, welche bereits auf der elektrischen Ausstellung in Wien allseitig bewundert . wurden, mit Villarsy’schem Pulver hergestellt. Drei solcher grosser von Antolik selbst dargestellter Figuren konnten vorgeführt werden und fanden den allgemeinen Beifall. Derselbe Forscher hat auch den Weg des elektrischen Funkens beim Entladen der Leydener Flasche zu be- stimmen gesucht, Es ist ihm dies dadurch gelungen, dass er den elek- trischen Funken über berusste Glasplatten schlagen liess, in denen sich der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 173 dann der Funke seinen Weg einzeichnete, so dass, je nachdem die Ent- ladung in verschiedener Weise bei grösserer oder geringerer Belegung der Flasche, bei verschiedenem Barometerstand etc. vorgenommen wird, auch hier die wunderbarsten Gebilde entstehen, theilweise von hoher Formenschönheit. Solche ebenfalls von Antolik selbst dargestellten Gleitfiguren fanden allseitiges Interesse. Schon längere Zeit hat man auch den Blitz zu photographiren gesucht. Vor 35 Jahren ist dies zum ersten Mal gelungen. Blitzphotographien von dem Photographen Robert Hensel in Reichenberg in Böhmen, wie von dem Professor Kayser in Hannover wurden mit Interesse besichtigt. Schliesslich wurde noch auf die eleetrolytischen Figuren hingewiesen und solche aus Lösung von essigsaurem Kupfer- und Bleioxyd nach dem von Mach angegebenen Verfahren dargestellt. In der Sitzung vom 2. December berichtete Herr Geheimrath Professor Dr. Galle über die am 27. November beobachtete grosse Sternschnuppen-Erscheinung, eine Wiederkehr der Erscheinung vom 27. November 1872. Die grösste Menge der fallenden Sternschnuppen wurde auch dieses mal in den ersten Abendstunden wahrgenommen, während in der späteren Nachtstunde eine rasche Abnahme stattfand. Hier in Breslau war das Wetter sehr ungünstig und nur vorübergehend durch Wolkenlücken konnte die zahlreiche Menge der Meteore wahrgenommen und somit die Wiederkehr constatirt werden. Bereits in den nächsten Tagen gingen indess telegraphisch und brieflich von verschiedenen Orten weitere be- stätigende Nachrichten aus der Nähe und aus der Ferne ein, wonach z. B. in der Schweiz und in Tyrol die Erscheinung eine glänzende war. Schlesische Beobachtungen wurden der Sternwarte mitgetheilt aus Schwieben bei Tost, aus Gnadenfrei, aus Oberweistritz, besonders aber aus Hirschberg, wo Herr Prof. Reimann, unterstützt von mehreren Schülern der oberen Gymnasialklassen, eine Reihe von Zählungen nach verschiedenen Himmelsrichtungen hin vornahm und den Radiationspunkt am Himmel, von welchem die Meteore auszugehen schienen, mit der den astronomischen Zwecken entsprechenden Genauigkeit festzustellen vermochte. Die in den ersten Abendstunden nach 6 Uhr gezählten Mengen nahmen zwar später allmälig ab, aber noch bis gegen 9 Uhr konnten zuweilen mehr als 60 in der Minute gezählt werden; den Zahlen im November 1872 gleichkommend, wenn nicht dieselben übertreffend. Der Strahlungspunkt lag ähnlich wie im Jahre 1872 in der Nähe des Sternes y Andromedae. Die Lage dieses Punktes liess schon damals in einer zweifellosen Weise erkennen, dass diese Sternschnuppen-Erscheinung des 27, November ihren Grund in dem an diesem Tage stattfindenden Durchgange der Erde 174 Jahres - Bericht durch den Schneidungspunkt ihrer Bahn mit der Bahn des Biela’schen Cometen habe, und dass demnach sowohl 1872 als 1885 ansehnliche Massen von Partikeln dieses Cometen auf seiner Bahn verstreut sein mussten, denen die Erde begegnete. Die Richtung, von welcher her diese Partikeln vermöge der bekannten Bewegungsrichtung und Ge- schwindigkeit des Cometen im Raume kommen mussten, stimmt genau mit dem Richtungspunkte, von welchem die Sternschnuppen kamen, überein. Wie alle sonstigen kosmischen Meteore treten diese (festen) Cometen-Partikeln mit einer planetarischen Geschwindigkeit von mehreren Meilen in der Secunde in die Erd-Atmosphäre ein, werden durch die Compression der Luft, welche nicht schnell genug ausweichen kann, elühend und leuchtend, dann aber schon in mehreren Meilen Höhe durch den Luftwiderstand gehemmt, von wo sie demnächst verlöschend ent- weder irgendwie verflüchtigt oder sonst wegen ihrer Kleinheit meist unbemerkt nach den Gesetzen der Schwere niederfallen. Der Biela’sche Comet wurde zuerst 1772 von Montaigne in Frank- reich entdeckt, darnach nochmals 1805 von Pons in Marseille, zum dritten Male 1826 von dem österreischischen Hauptmann v. Biela in Josephstadt in Böhmen, wo dann die Bahnen dieser drei Cometen als zu einem einzigen Himmelskörper, mit 6”, Jahren Umlaufszeit um die Sonne, gehörend erkannt wurden und seine Widerkehr für das Jahr 1832 vorausberechnet werden konnte. Zugleich bemerkte Olbers in Bremen, dass seine Bahn in ihrem niedersteigenden Knoten die Erdbahn schneide, derselbe also mit der Erde nahe zusammentreffen könne, wenn er bei seinen verschiedenen Umläufen durch diesen Punkt gerade einmal gegen Ende des Novembers kommen sollte. Letzteres stand nun für 1852 und auch später für lange Zeit nicht in Aussicht, erregte indess doch damals viele Befürchtungen und veranlasste mehrere darauf bezügliche Publika- tionen. Nach zwei weiteren Umläufen erschien der Comet zum fünften Male 1846, wo sich während der Beobachtungen eine bis dahin unbe- kannte Erscheinung, eine Zertheilung des Cometen in zwei Cometen vollzog, welche, mit zwei Köpfen und zwei Schweifen, neben einander sich bewegten. Beide wurden bei der nächsten Erscheinung 1852 nur mit Mühe wiedergefunden und waren merklich schwächer und noch weiter von einander entfernt. Im Jahre 1859 war der Comet nicht sichtbar und bei der folgenden Wiederkehr 1865 waren alle Bemühungen, denselben wieder aufzufinden, vergeblich, so dass man eine noch weitere . Zertheilung und Schwächung desselben zu vermuthen veranlasst war. Dass indess keine gänzliche Auflösung desselben erfolgt ist, haben nun- mehr die Sternschnuppen-Erscheinungen von 1872 und 1885 bewiesen. Zwar bleibt es vorläufig ungewiss und unwahrscheinlich, dass es Haupt- theile des Cometen gewesen seien, durch welche die Erde bei diesen Erscheinungen hindurchging, da dieselben weder einzeln noch auch ihr der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 175 Zeitunterschied zu den bisherigen Umlaufszeiten genügend stimmen. Es erscheint vielmehr für jetzt wahrscheinlicher, dass die Erde (ähnlich wie bei den Sternschnuppen des 10. August und des 13. November) durch solche Theile der Bahn des Cometen gegangen ist, welche dem Kopfe des Cometen folgen. Dass aber nicht an jedem der Wiederkehr des Cometen folgenden 27. November ähnliche Sternschnuppen-Erscheinungen wie 1872 und 1385 sich gezeigt haben, kann theils durch ein Eintreten derselben in den Tagesstunden, theils durch Aenderungen der Bahn des Cometen in Folge planetarischer Störungen verursacht sein. Herr Apotheker Thümmel theilte hierauf seine Untersuchung der Oxychloride des Quecksilbers mit, welche, veranlasst durch die von der deutschen Pharmakopoe vor- geschriebene Benutzuug des Quecksilberchlorids zur Prüfung der Bicarbo- nate des Kaliums und Natriums, zu neuen und interessanten wissen- schaftlichen Resultaten bezüglich der Bildung, der Metamorphosen und der Constitution dieser Kategorie chemischer Verbindungen geführt und auch dem chemischen Verhalten des Quecksilberchlorids neue Seiten ab- gewonnen hat. Obgleich das Verhalten des Quecksilberchlorids zu den Alkali- biearbonaten schon lange zur Prüfung der letzteren benutzt wird, so war die Wechselwirkung der beiden Substanzen, ausser der Bildung von Quecksilberoxychlorid, so gut wie unbekannt. Biltz, welcher die Prüfungsmethode des Natriumbicarbonats mit Quecksilberchlorid angegeben, hat zwar eine synthetische Erklärung, nach welcher sich ein lösliches Doppelsalz von Quecksilbercarbonat und Alkalibicarbonat bilden soll, versucht, ohne jedoch Beläge für dieselbe zu geben — eine Erklärung, die aber anderseits um so unwahrschein- licher erscheint, als bei der Einwirkung von Alkalicarbonat auf Queck- silberchlorid eine Bildung von Quecksilbercarbonat ausgeschlossen werden muss. Andere Erklärungen des Processes sind nicht bekannt. Um die stattfindenden Erscheinungen zu verfolgen, muss zunächst die Entstehung der Quecksilberoxychloride und ihre Eigenschaften be- trachtet werden. Wir kennen durch Millon, Roucher u. A. sechs Quecksilberoxychlo- ride, welche halb-, zwei-, drei-, vier-, fünf- und sechsfachbasisches Queck- silberchlorid oder einzelne davon Bi-, Ter-, Quateroxychloride genannt werden, Verbindungen von 1 Mol. Quecksilberchlorid mit "/,, 2, 3, 4, 8 und 6 Mol. Quecksilberoxyd. Da man diese Oxychloryde wegen fehlender Hydroxylgruppen nicht als „‚basische‘‘ Verbindungen ansehen kann, so ziehe ich die Benennung: Di-, Tri- und Tetraoxychloride der einheitlichen Sprachabstammung wegen vor. Ob Roucher’s Y,, 5 und 6fachbasisches 129 Quecksilberchlorid feste Verbindungen sind, bleibt noch zu ermitteln, 176 Jahres-Bericht und bemerke ich beiläufig, dass mir die Darstellung des erstgenannten wiederholt nicht geglückt ist, während Roucher bez, des fünffachbasischen Quecksilberchlorids selbst unsicher ist, ob dasselbe eine einheitliche Ver- bindung sei. Da diese drei letztgenannten Oxychloride nicht bei der Wechselwirkung von Alkaliearbonat und Quecksilberchlorid entstehen, so blieben sie unberücksichtigt. Es sind nur die Oxychloride nach- stehender Zusammensetzung untersucht worden: 2HsO0.HgCl, — Dioxycehlorid 8HgO.HgCl, — Trioxychlorid und 4HgO.HgCl, — Tetraoxychlorid. Wenn gefälltes Quecksilberoxyd mit Quecksilberchloridlösung bei gewöhnlicher Temperatur behandelt wird, so nimmt es eine hellere Farbe an, wird lockerer, und die darüber stehende Flüssigkeit ist milchig trübe. Auf diese Weise erhält man gelbes Quecksilber-Trioxy- chlorid, 3 HgO.HgC],, welches zwar von Roucher als amorph beschrieben wird, jedoch bei 250—300facher Vergrösserung in nadelförmigen Krystallen erscheint, welche vielfach zu runden Krystalldrusen vereinigt sind und sich durch diese Krystallform leicht von andern Oxychloriden unter- scheiden lassen. Bleibt dies gelbe Trioxychlorid mehrere Stunden mit Quecksilberchloridlösung in Berührung, so wird der anfangs gelbe Nieder- schlag grau, und bei längerem Stehen schwarz. Das Mikroskop lässt dann neben unzersetztem Trioxychlorid, die klinorhombischen Tafeln des schwarzen Dioxychlorids, 2 HgO.HgCl,, erkennen. Rothes Dioxychlorid scheidet sich aus dem oxydhaltigen Filtrat auf Zusatz von Alkohol in tafelförmigen Krystallen aus. Quecksilbertrioxychlorid ist leicht zersetzbar, wird schon durch zer- streutes Tageslicht grau unter Abscheidung von metall. Quecksilber. Bei 100° trocken erhitzt, färbt es sich anfangs schwarz unter Bildung von schwarzem Dioxychlorid, dann wird es braun und geht dabei in krystallinisches Tetraoxychlorid, 4HgO0.HgCl,, über, beim weiteren Er- hitzen sublimirt Quecksilberchlorid unter Zurücklassen von Quecksilber- oxyd, welches dann bei gesteigerter Temperatur weiter zerfällt. Ebenso geht gelbes Trioxychlorid beim Kochen mit Wasser sogleich in braunes, krystallinisches Tetraoxychlorid in Form von mikroskopischen sechs- seitigen Tafeln über und zwar unter Abspaltung von oxydhaltigem Queck- silberchlorid. Dieselbe Veränderung erleidet es im trockenen Zustande durch Reiben oder Druck. Alkalimono- und -biearbonate, ebenso Alkali- .chloride führen Trioxychlorid ebenfalls in Tetraoxychlorid über. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass bei dem Zusammentreffen von Quecksilberchlorid und Quecksilberoxyd zunächst Quecksilbertri- oxychlorid und durch Addition aus diesem, sobald Quecksilberchlorid im Ueberschuss vorhanden ist, Dioxychlorid entsteht, während Tetra- oxychlorid als Spaltungsproduct des ersteren auftritt. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 177 Ganz dasselbe findet statt bei der Wechselwirkung von Alkalibi- earbonaten und Quecksilberchlorid, welche zuerst von Millon unter Be- nutzung von wechselnden Volummengen gesättigter Lösungen von HgCl, und KHCO, studirt worden ist. Bei Wiederholung und Fortsetzung dieser Versuche stellte sich nämlich heraus, dass auch hier in erster Linie stets gelbes Quecksilbertrioxychlorid, 3HgO.HgCl,, gebildet wird und dass es lediglich von der Anzahl der in Wechselwirkung tretenden Moleküle Quecksilberehlorid und Alkalibicarbonat abhängt, ob dasselbe während oder nach seiner Entstehung in Di- oder Tetraoxychlorid ver- wandelt wird oder endlich, ob gar keine Abscheidung von Oxychlorid stattfindet. Die einzelnen Stadien der Bildung von Trioxychlorid und Ueberführung desselben in Di- und Tetraoxychlorid lassen sich besonders bequem beobachten, wenn zum Lösen des Quecksilberchlorids statt Wasser 50—60 Procent Alkohol genommen wird. Sobald die Lösungen auf 3 Mol. HgCl, 5 Mol. KHCO, enthalten, so entsteht beim Mischen derselben nur vorübergehend ein gelber Nieder- schlag (Trioxychlorid) und dann bleibend ein rother Niederschlag von Dioxychlorid, während Kohlensäure entweicht. Das Filtrat bleibt alka- lisch und enthält erhebliche Mengen von Alkalibicarbonat und oxyd- haltigem Quecksilberchlorid. Bei einem Molekular-Verhältniss der Lösungen von 1 Mol. HgCl, und 11 Mol. KHCO, entsteht ein goldgelber, krystallinischer Nieder- schlag von Trioxychlorid, welcher sich aber nicht unzersetzt von der Flüssigkeit trennen lässt, sondern entweder beim Stehen in derselben, oder beim Auswaschen fast vollständig in die broncefarbenen oder gelb- braunen sechsseitigen Tafeln des Tetraoxychlorids übergeht, was sich namentlich noch durch das Mikroskop verfolgen lässt und durch die Analyse bestätigt wird. Bei der Wechselwirkung von 1 Mol. HgCl, und ca. 30 Mol. KHCO, entsteht ein amorpher, rothbrauner Niederschlag von Tetraoxy- chlorid, bei vorherigem Zusatz von Alkohol allerdings auch hier zu- nächst gelbes Trioxychlorid, welches sich rasch in Tetraoxychlorid umsetzt, Sobald jedoch 1 Mol. HgCl, mit 45 Mol. KHCO, in Lösung zu- sammentreffen, beobachtet man nur eine weissliche Trübung der Flüssig- keit (wie überhaupt anfangs beim Mischen der beiden Lösungen vor jeder Oxychloridabscheidung), es findet eine spärliche Entwickelung von Kohlensäure statt, ohne dass Oxychlorid niederfällt. Bei der alkali- metrischen Untersuchung dieser Quecksilberchlorid-Alkalibicarbonatlösung zeigt sich, dass von 2 Mol. HgCl, 1 Mol. zersetzt ist unter Bildung von 2 Mol. Alkalichlorid und 1 Mol. Quecksilberoxyd; ebenso stellt sich heraus, dass, wenn diese Lösung mit Alkohol zur Abscheidung der 1885. 12 178 Jahres-Bericht Alkalisalze versetzt wird, °/, der angewandten Menge Quecksilberchlorid sich als Trioxychlorid mit in dem Niederschlage befindet, während '/, desselben in Lösung bleibt. Wir sind mithin berechtigt, die Wechselwirkung der beiden Sub- stanzen in den angegebenen Lösungsverhältnissen durch die Formel: 6HgCl, + 27TOKHCO, = 600, + 3H,0O + 6KCI + 264KHCO, + 3Hg0.3 HgCl, auszudrücken, oder einfacher durch: 2HgCl, + 2KHCO, = 2C0, + H,O + 2KCl + Hg0.HgCl,. Mithin entstand neben Kohlensäureentwickelung, Bildung von Wasser und Alkalichlorid, Quecksilbermonoxychlorid — HgO.HgCl,, welches durch überschüssiges Alkalibicarbonat in Lösung gehalten wird. Da alle Alkali- bicarbonat-Quecksilberchloridlösungen dies Monoxychlorid, HgO.HgCl, enthalten, aber nur dann, sobald HgÜl, : KHCO, —= 1:45, oder sobald HsCl, : NaHCO, = 1: 20 stehen, andererseits Monoxychlorid sich in dem Falle, wenn die beiden Bicarbonate in geringerer Menge vorhanden sind, in Trioxychlorid und Quecksilberchlorid spaltet, nach der Gleichung: 3(Hg0O.HgCl,) = 53 HgO.HsCl, + 2HsCl, ; so beruht die Entstehung aller Oxychloride bei der vorliegenden Bildungs- weise auf diesen Vorgängen. Dies Monoxychlorid, HgO.HgCl,, scheint jedoch nur allein in der wässerigen Lösung der Alkalibicarbonate zu bestehen, wenigstens gelang es nicht dasselbe zu isoliren. Sämmtliche Filtrate der vorbezeichneten Versuche, die wir als Lösungen von Quecksilbermonoxychlorid in Alkalibicarbonat mit mehr oder minder Alkalichlorid anzusehen haben, lassen nach wochenlangem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur oder sogleich beim Erhitzen Tetra- oxychlorid fallen, indem in beiden Fällen durch Verlust von Kohlen- säure das Monoxychlorid seines Lösungsmittels beraubt in Trioxychlorid und Quecksilberchlorid zerfällt, und ersteres durch Einwirkung von über- schüssig vorhandenem Alkalicarbonat und auch durch Alkalichlorid in Tetraoxychlorid übergeführt wird. Bei langsamer Zersetzung (in der Kälte) erscheint letzteres schwarz, in dichten, grossen Krystallen, während es beim Kochen sich in braunen, sechsseitigen Krystallen abscheidet, die oft bronceartig gefärbt erscheinen. Ob man nun eine Bicarbonat-Monoxychloridlösung erhitzt, oder aber ‘ zu derselben Alkalimonocarbonat setzt, so tritt stets unter Bildung von Sesquiecarbonat und damit Wegnahme des Lösungsmittels, eine Zersetzung des Monoxychlorids ein, welches sich sodann als Trioxychlorid ab- scheidet und weiter je nach der Menge des vorhandenen Alikalicarbonats in mehr oder weniger chlorhaltiges Tetraoxychlorid zerfällt, dessen Formen oft wesentlich von einander abweichten. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 179 Auf diesen Vorgängen beruht die Prüfung der Alkalibicarbonate nach Biltz, welcher, wohl auf Grund der Bemerkungen von Millon und Otto, zuerst diese Thatsachen praktisch verwerthete. Nach Biltz sollte eine kalt bereitete Lösung von 2 Gr. NaHCO, in 30 Gr. Wasser in 5 Gr. einer Lösung von HgÜCl, (1:20) gegossen und die Mischung bis zum Erscheinen eines rothen Niederschlages eine gewisse Zeit beob- achtet werden. Biltz giebt an, dass bei Anwendung von 7,5 Gr. jener HsCl, -Lösung (= 0,35 Gr. HgCl,) eine röthliche Färbung, event. nach 3 Minuten ein Niederschlag durch NaHCO,, welches '/, °/, oder noch weniger Na,CO, enthält, eintrete, und dass ferner bei noch grösserem Monocarbonatgehalte die Oxychloridniederschläge früher entstehen. Die Erklärung dieser Reactionen basirt theils auf den vorstehend mitgetheilten Thatsachen, theils auf dem Verhalten des Natriumbicarbonats gegen Queck- silberchlorid überhaupt. Wenn es auch selbstverständlich ist, dass das Ver- halten desersteren gegen letzteres dem des Kaliumbicarbonats, welches bisher in Rede stand, völlig analog ist, so sind anderseits wegen der leichteren Zersetzbarkeit des Natriumbicarbonats geringere Mengen zur Bildung der Oxychloride nothwendig als vom Kaliumbicarbonat. Ferner genügen, wie bereits angegeben, zur Lösung resp. Bildung von Monoxychlorid 18—20 Mol. NaHCO, an Stelle von 45 Mol. KHCO,, d. h. 1 Mol. HgCl, giebt mit 20 Mol. NaHCO, in Lösung zusammengebracht keinen Quecksilberoxychloridniederschlag mehr. Dagegen entsteht bei einem Molekularverhältniss von 1 HgCl, und 2NaHCO, rothes Dioxychlorid, 2HgO.HgCl,, bei dem Verhältniss von 1:3 ist der Niederschlag oxyd- haltiger, bei 1: 12 fällt zunächst ein Gemisch von Di- und Tetraoxy- chlorid, welches bei längerem Stehen in Flüssigkeit ganz in letzteres übergeht. Giebt man zu einer Lösung von einem Molekül HgCl, und 20 Molekül NaHCO, etwa '/,—1°/, Natriummonocarbonat, oder enthält bereits das angewandte Bicarbonat die angegebene Menge des letzteren, so ist der Niederschlag anfänglich grösstentheils Dioxychlorid, dagegen Tetraoxychlorid, sobald mehr Monocarbonat vorhanden ist. Ferner stehen, sobald auf 2 Gr. NaHCO, 5 Gr. der Biltz’schen HsCl, -Lösung (— 0,24 Gr. HgCl,) genommen werden, HgCl, : NaACHO, — 1:27, dagegen bei Anwendung von 7,5 Gr. derselben HgCl,-Lösung (= 0,35 Gr. HgCl,) auf dieselbe Menge NaHCO, verhalten sich deren Moleküle — 1:19. Bei dem Molekularverhältniss von 1:27 bringen kleine Mengen von Alkalimonocarbonat keine Fällung von Quecksilber- oxychlorid hervor, weil von diesem zur Bildung von Sesquicarbonat nur wenig Bicarbonat in Anspruch genommen wird. Dagegen werden grössere Mengen Alkalimonocarbonat bei dem letzten Molekularverhältniss, oder aber kleine Mengen bei dem bezeichneten Molekularverhältniss von 1:18—20 (weil hier die Löslichkeitsgrenze des HgO.HgCl, genau er- reicht ist) Fällung von Oxychlorid erzeugen. 12* 180 Jahres - Bericht Was noch das Verhalten der Alkalimonocarbonate gegen Queck- silberchlorid anlangt, so sollte man meinen, dass bei dem Zusammen- treffen beider Alkalichloride und Quecksilbercarbonat entstehen müssten, Dies geschieht bekanntlich nicht, es fällt Quecksilberoxychlorid, während sämmtliche Kohlensäure als Alkalibicarbonat gebunden wird. Ebenso ist es bekannt, dass in Alkalimonocarbonatlösungen auf Zusatz von Queck- silberchlorid anfangs nur gelbes Quecksilberoxyd fällt, so, als ob Aetzal- kali zur Zersetzung genommen worden, oder Alkalimonocarbonat sich in Bicarbonat und Aetzalkali spalte. Es tritt hier HgCl, in seinem Ver- halten gegen Monocarbonate einerseits als Metallsalz auf, welches ein basisches Salz bildet, anderseits aber auch als Säure — Millon nannte deshalb HgCl, Chlorquecksilbersäure —, welche Monocarbonate in Biearbonate zerlegt. Dass letzteres in der That der Fall ist, zeigt sich beim Erhitzen der Filtrate, wobei reichlich Kohlensäure entweicht. Dass das auf diese Weise gebildete Bicarbonat bei der Entstehung der Oxy- chloride dieselbe Rolle spielt wie dort, wo reines Alkalibicarbonat zur Verwendung kam, soll nur angedeutet werden. Je nach den Molekular- verhältnissen von Quecksilberchlorid und Alkalimonocarbonat entstehen Di-, Tri- und Tetraoxychloride und lässt es sich auch hier nachweisen, dass sich dieselben aus dem in der (bicarbonathaltigen) Lösung befind- lichen HgO.HgCl, und zwar in der vorher mehrfach angegebenen Reihen- folge bilden. Dabei ist es gleichgiltig, ob die Fällung heiss oder kalt vorgenommen wird. Ebenso scheiden die Filtrate von den bei gewöhn- licher Temperatur erhaltenen Niederschlägen beim Stehen in der Kälte und auch beim Kochen krystallinisches Tetraoxychlorid ab. Dioxychlorid geht wie angegeben durch Einwirkung von Alkalicarbonat in Tetraoxy- chlorid über, letzteres verwandelt sich im amorphen Zustande bei Gegen- wart einer monoxychloridhaltigen Bicarbonatlösung in Dioxychlorid; allein in keinem Falle setzen sich Di- und Tetraoxychlorid in Trioxy- chlorid, aus dem sie beide hervorgegangen sind, um. Schliesslich dürfte man noch zu nachfolgender Betrachtung veran- lasst werden. Es liegt nämlich die Frage nahe, welche Analogie zeigt die Zusammensetzung des Quecksilbertrioxychlorids mit den sog. basischen Mercurisalzen — also: Mineralturpeth = 2HgO.HgSO,, '), salpetersaures Quecksilberoxyd = 2HgO.Hg(NO,), —+ aq. und (uecksilbertrioxychlorid = 3 HgO.HgÜ],. Eine Uebereinstimmung zwischen dem letzteren und den beiden ersteren lässt sich finden, sobald die Gruppe HgCl, als Säureanhydrid und OHsCl, als Säurerest angesehen wird. Diese Vorstellung dürfte insofern keine rein künstliche sein, wenn man bedenkt, dass in HgCl, (ebenso in Hg(CN),) die Moleküle fester, wie in anderen Quecksilberoxydsalzen gebunden sind, dass Queck- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 181 silberehlorid weder durch Schwefelsäure zersetzt wird, noch sonst dis- sociirende Eigenschaften (im engeren Sinne) besitzt. Es müsste nach dieser Auffassung das in Wasser gelöste HgCl, als Säure = H,(OHgCl,) angesehen werden, deren neutrales Salz das vorher in Alkalibicarbonat- lösungen befindliche Monoxychlorid = Hg(OHgÜl,) wäre. So müssten wir denn weiter die Formel für Quecksilbertrioxychlorid = 2HsO0.Hs(OHgCl,) ausdrücken und hätten damit allerdings die ge- suchte Uebereinstimmung desselben mit den beiden genannten basischen Oxydsalzen gefunden — eine Betrachtung, die sich auf einen binären Character des HgCl, stützt, aber freilich durch die aufgestellten Be- hauptungen nicht endsiltig entschieden ist. Die Arbeit mit den analytischen Belägen und Literatur-Nachweisen ist vollständig gedruckt im Archiv der Pharmacie, 1885, Bd. 23. Eine Suite der analysirten Oxychloride wurde der Section vorgelegt. Der erste Assistent am pharmaceutischen Institut Herr Dr. Kassner berichtete hierauf über die Resultate seiner weiteren Untersuchung von Kautschuk enthaltenden Pflanzen. Als ich im Frühjahr des vergangenen Jahres im Archiv der Phar- macie in einem besonderen Aufsatze auf das Vorkommen und die Ge- winnung von Kautschuk aus einheimischen Pflanzen aufmerksam machte, war es eine sehr häufig bei uns vorkommende Composite, Sonchus oleraceus, welche das Material für die erwähnten Untersuchungen abgegeben hatte. Seitdem wurden nun noch verschiedene andere Pflanzen in das Bereich meiner Arbeiten gezogen, nämlich Laectuca Scariola, Ciechorium Intybus, ebenso Chelidonium majus, ohne aber in diesen Pflanzen einen wesentlich höheren Gehalt als höchstens 0,25 Procent an Kautschuk zu finden; Chelidonium majus liess sogar, trotzdem es an gelbem Milchsaft sehr reich ist, kaum eine Spur kautschukähnlicher Masse zurück, ebenso Euphorbia Lathyris, doch gewann ich aus dieser eine ansehnliche Menge eines weissen, indifferenten, fadenziehenden Harzes. Wesentlich anders aber gestalteten sich die Resultate, als mich Herr Prof. Dr. Poleek auf eine Pflanze aufmerksam machte, welche ihm besonders reich an Milchsaft zu sein schien und mich veranlasste, auch deren procentualen Kautschukgehalt festzustellen. Es war dies die Asclepias Cornuti (Decaisne), syriaca (Linne), welche unter dem Namen „syrische Seidenpflanze“ schon in früheren Zeiten eine gewisse Be- rühmtheit erlangt hatte. Diese Asclepiadee liefert nämlich in ihrer Fruchtkapsel eine Fülle seidenglänzender Haare, welche als Auswuchs der testa zur Verbreitung der flachen braunrothen Samen dienen und so leicht sind, dass der ge- lindeste Windstoss sie schon aus ihrem geborstenen Gehäuse heraus- zuziehen vermag. 182: Jahres-Bericht Diese Haare erregten ihres schönen Glanzes wegen schon seit langem die Aufmerksamkeit Vieler und wurden auch da und dort zu Geweben verarbeitet. 1760 erhielt La Rouvi£re in Frankreich ein Privilegium exclusivum auf Verarbeitung der Samenwolle der Asclepias, welche er theils für sich, mehr aber noch mit anderen Spinnmaterialien vermischt, zu schönen seidenartigen Geweben verspann; diese erfreuten sich ihrer Leichtigkeit und ihres Glanzes wegen grosser Beliebtheit und wurden auch am dortigen königlichen Hofe viel getragen. In Schlesien waren es besonders der Stadtapotheker Friese in Münsterberg und der Rathsdireetor Schnieber zu Liegnitz, welche sich sowohl mit Culturversuchen der Seidenpflanze, wie auch mit Verarbeitungs- versuchen ihrer Produkte beschäftigten. Beide fanden auch, dass neben den Seidenhaaren namentlich auch der Bast der Asclepias besondere Beachtung verdiene, da dieser, auf zweckmässige Weise gewonnen, von rein weisser Farbe, stark glänzend und vorzüglich geeignet zum Verspinnen sei. Doch beobachteten Beide auch, dass die Zubereitung desselben zu geeignetem Spinnmaterial keine leichte sei und hauptsächlich durch das in der Rinde enthaltene ‚„‚harzige Wesen‘ erschwert werde. Auch Meitzen beschäftigte sich in seiner Inaugural-Dissertation ') eingehend mit der Faserproduction der Asclepias, ohne indess zu sehr befriedigendem Resultate zu gelangen. Das harzige Wesen, von dem Schnieber spricht, ist nun der Hauptsache nach nichts anderes als der Inhalt der zahlreich innerhalb der Rindenschichten vorhandenen Milchsaftgefässe, welche in ihrem weissen Milchsaft ausser Harz, Wachs, beträchtliche Mengen Kautschuk enthalten, welche bekanntlich alle schwer lösliche, gegen Chemikalien widerstandsfähige Körper sind. Nach einer älteren Analyse des Prof. Schultze?) enthält der frische Milchsaft der Asclepias Cornuti 6,2 Proc. Elastin, d. i. Kautschuk, neben verschiedenen anderen Bestandtheilen. Es liegt nun auf der Hand, dass, wenn es gelingt, diese Bestand- theile zu entfernen, man auch in der Lage sein wird, die nicht blos durch Schönheit, sondern auch durch Festigkeit ausgezeichnete Bastfaser leichter nach den üblichen Methoden des Röstens u. s. w. zu gewinnen. Der Kautschukgehalt des frischen Milchsaftes der Asclepias beträgt also 6,2 Proc.; es war aber nothwendig, den der gesammten Pflanze, nachdem sie getrocknet wurde, kennen zu lernen, um denselben mit dem anderer Pflanzen vergleichen zu können, Bei der zu diesem Zwecke ‚vorgenommenen Untersuchung zeigte sich nun die interessante That- !) Ueber den Werth der Asclepias Gornuti Decaisne als Gespinnstpflanze, Göttingen 1862. ?) Beiträge zur physiologischen und pathologischen Chemie und Mikroskopie. 1. Band. Berlin 1844. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 183 sache, dass sich eine Steigerung des Kautschukgehaltes mit dem Alter der Pflanze constatiren liess, so dass im Mai die geringste Menge, im September die grösste an diesem Stoffe beobachtet wurde. Zur Unter- suchung dienten im Monat Mai der saftige noch unverholzte Stengel sammt Blättern, in allen späteren Monaten nur allein die Blätter der Asclepias, da, wie wir bald sehen werden, die Verholzung des Stengels von wesentlichem Einfluss auf die Menge der durch Benzin, Schwefel- kohlenstoff u. dgl. extrahirbaren Bestandtheile ist. Die Untersuchungs- methode war dieselbe, wie sie bereits früher in dieser Zeitschrift mit- getheilt wurde und ausführlicher in des Verf. Broschüre !) beschrieben worden ist. Es zeigten nun die im Mai geernteten, noch blättertragenden Sprossen nach sorgfältigem Trocknen bei 100° folgende Zahlen: Gesammtextract . . 2,47 Proc, Rohkautschuk . . . 0,26 - Reinkautschuk . . . 0,15 - Im August wurden gefunden: Versuch I. Versuch I. Versuch II. Im Mittel. Gesammtextraet 5,85 Proc. 5,75 Proc. 5,85 Proc. 5,81 Proc. Rohkautschuk . 1,47 - 1,932, - 2.327. - 1,45 - Reinkautschuk . 0,97 - 1,05 - 1,38 - 113 - Im September: Versuch I. Versuch I. Im Mittel. Gesammtextractt . . 7,55 6,86 7,2 Proc. Rohkautschuk . . . 2,54 2,20 2,57 - Reinkautschuk. . . 1,67 1,55 LEl.. Es war leider aus Mangel an Material nicht möglich, derartige Analysen auch im Juni und Juli auszuführen, die aufsteigende Reihe des Kautschukgehaltes würde dann jedenfalls eine vollständige geworden sein, Es wurden auch die Stengel der Seidenpflanze für sich untersucht, nachdem sie bei 100° C. getrocknet und zerkleinert worden waren; als mittlerer Gehalt wurde in denselben gefunden: Gesammtextractt . . 1,83 Proc. Rohkautschuk . . . 0,54 - Reinkautschuk . . 0,23 - Zu diesen hier angeführten Resultaten ist zu bemerken, dass die Blätter der Asclepias vor der Feststellung ihres Extract- und Kautschuk- gehaltes mit den Stengeln zusammengetrocknet worden waren und dass !) Ist in Deutschland eine Production von Kautschuk möglich, gestützt auf den Anbau einheimischer Gulturpflanzen von Dr. Georg Kassner, Breslau 1885, J. U. Kerns Verlag. 184 Jahres - Bericht erst nach dem Trocknen eine Trennung beider Pflanzentheile erfolgte. Dieser Punkt ist von Wichtigkeit für die Erklärung folgender That- sache. Wenn man nämlich die Extractausbeute aus den Blättern mit der- jenigen aus den Stengeln vergleicht, so muss der geringere Kautschuk- ' gehalt der letzteren auffallen, welchen man deswegen weit höher erwartet hatte, weil gerade die Stengel der Asclepias, sobald man sie anschneidet oder ritzt, am meisten von Milchsaft strotzen und ihn in zahlreichen dicken Tropfen austreten lassen. Ich kam daher auf die Vermuthung, dass beim gemeinschaftlichen Trocknen der noch verbundenen Blätter und Stengel anfänglich zuerst die Blätter einschrumpfen und dass dann ihre, infolge dessen schlaff werdenden Milchsaftschläuche das Bestreben haben, sich immer wieder aus dem Inhalte des viel saftreicheren und wegen seiner Dicke schwerer austrocknenden Stengels anzufüllen. Es würde also auf diese Weise eine Concentration der Bestandtheile des Milchsaftes gerade in den Blättern eintreten und diese daher auch einen verhältnissmässig reicheren Kautschukgehalt zeigen. Um diese Frage zu entscheiden, verfuhr ich in der Weise, dass ich von einer Anzahl an einem schönen Septembertage geernteter Asclepias- Pflanzen einen Theil der Stengel sofort nach der Ernte entblätterte und die Blätter für sich trocknete. Von einem andern Theil der Pflanzen wurden Stengel und Blätter, noch miteinander verbunden, getrocknet und letztere erst nach dem Trocknen abgebrochen und zu Pulver zer- rieben. Nach der nun folgenden Extraction stellte es sich heraus, dass in der That die in saftigem Zustande gepflückten und dann erst ge- trockneten Blätter einen geringeren Gehalt an Extractivstoffen, vor allem aber an Kautschuk aufwiesen, als die erst nach dem Trocknen vom Stengel entfernten. Es zeigten sich folgende Zahlen: Blätter für sich getrocknet: Versuch 1. Versuch II. Im Mittel. Gesammtextract . . 6,41 Proc. 7,08 Proc. 6,74 Proe. Rohkautschuk . . "214 - 2,21047= 2,21 - Reinkautschukk . . 1,31 - 1,8804 2 1,33 - Blätter am Stengel getrocknet: Versuch 1. Versuch II. Im Mittel. Gesammtextract . . 7,55 Proc. 6,56 Proc, 7,20 Proe. Rohkautschuk . . 2,54 - 2,20 - 2,8721 1 Reinkautschuk . . 1,67 - 1,55 - 1,610 au Es ergiebt sich aus diesem Verhalten des Milchsaftes, sich beim Trocknen der Pflanze zum grossen Theile in die Blätter hineinzuziehen, dass es bei einer eventuellen Darstellung von Kautschuk hauptsächlich _ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 185 darauf ankommen wird, ‘die Blätter der Seidenpflanze und ähnlicher Milchsaftpflanzen zu verarbeiten, da sie das werthvolle Kautschuk in eoncentrirter Form enthalten. Der mit der Zahl der Monate steigende Kautschukgehalt der Aselepiasblätter brachte mich auf die Vermuthung, es möchten auch die durch den Herbst schon gelb gefärbten Blätter der Seidenpflanze noch reichlich Kautschuk enthalten, vielleicht noch mehr, als wir bisher fanden. Es schien auch der mikroskopische Befund dieser Ansicht zu entsprechen, denn während die Parenchymzellen der Blätter im October nur geringe Mengen gelben körnigen Inhaltes besassen, so zeigten die Milchsaftgefässe zu dieser Zeit eine reichliche Füllung mit einer dicht- körnigen dunklen Masse, welche unangreifbar durch Alkalien und ver- dünnte Säuren blieb. Bei der nun folgenden Untersuchung zeigte es sich aber, dass zwar der Kautschukgehalt der herbstlich gefärbten Octoberblätter, was die absoluten Zahlen anbelangt, nicht zugenommen, aber auch nicht abge- nommen hat; allein es ist doch indirect eine Abnahme desselben zu eonstatiren. Die Blätter waren nämlich jetzt wegen der zuvor einge- tretenen Abgabe fast sämmtlicher Eiweissstoffe, Kohlehydrate und Salze viel leichter geworden; es gingen somit eine weit grössere Zahl der- selben auf dasselbe zur jedesmaligen Extraction benutzte Trocken- gewicht, als von den grünen Blättern früherer Monate. Wir fanden im October: Gesammtextractt . . . 6,90 Proc., Rohkautschuk . . . . 2,63 - Reinkautschuk . . . . 157 - Das hier gewonnene Kautschuk hatte übrigens schon viel von seinen früheren Eigenschaften eingebüsst, es war bei weitem nicht mehr so elastisch und zeigte sich wenig zäh, eher harzig klebrig. Noch schlechter fand ich es bei einer späteren Untersuchung, zu der ich die grauschwarzen, am Herbststengel vertrockneten Octoberblätter ver- wendete; in diesen hatte seine Menge schon beträchtlich abgenommen, Das sehr leichte dürre Laub enthielt: Gesammtextract . . . 6,29 Proc., Rohkautschuk . . . „. 125 - Reinkautschuk . . . . 1,02 - Es geht also aus diesen letzten Untersuchungen hervor, dass auch der im Uebrigen schwer lösliche Bestandtheil der Milchsaftzellen, das Kautschuk, bei der im Herbst erfolgenden Auflösung der Reservestoffe und ihrer Wanderung in die perennirenden Pflanzentheile nicht unbe- rührt bleibt. Wenn derselbe auch nicht in seiner ganzen Menge den Organen entzogen wird, so zeigt doch der zurückbleibende Rest recht 186 Jahres - Bericht deutlich die Spuren einer Metamorphose, indem seine Beschaffenheit durch die im Herbst erfolgenden chemischen Auflösungsprocesse eine klebrige und schmierige geworden ist. Einige Wochen nach Beendigung dieser Untersuchungen gelangte ich in den Besitz einer Abhandlung‘), welche von zwei englischen Militair-Aerzten Warden und Waddel über zwei sehr nahe Ver- wandte der Asclepias verfasst worden war. Es sind dies die Calo- tropis (Asclepias) gigantea und Calotropis procera s. C. Hamiltonii, welche beide unter dem Namen Mudar oder Madar in Indien verbreitet und bekannt sind und dort theils in der Volksmediein, theils zu tech- nischen Zwecken Verwendung finden; so wird z. B. der Bast jener Asclepiadeen zur Papierfabrikation benutzt, während die Pflanze selbst mancherlei Heilwirkungen besitzen soll und unter anderem auch An- wendung zu Kindesmord erfährt. Die Verfasser führen nicht bloss die Beobachtungen verschiedener Autoren, wie z. B. die des Dr. Watt, Dr. Riddell u. s. w. über den frischen Milchsaft der Mudarpflanze an, sondern sie geben auch die Resultate eigener Untersuchungen der Wurzelrinde, welche in Calcutta begonnen und im Reichsgesundheits- Amte zu Berlin vollendet wurden. Nach ihren Beobachtungen enthält die Rinde der Mudar-Pflanzen 2,471 Proc. Fluavil, 0,640 - Alban, Bestandtheile der Guttapercha, 0,855 - Kautschuk, ausserdem ein gelbes bitteres Harz, welches als das giftige Prineip an- gesehen werden muss, dessen Darstellung aber in grösserer, eine nähere Bestimmung zulassender Menge nicht vorgenommen wurde. Genannte Autoren geben aussserdem an, dass der eingetrocknete Milchsaft der Asclepias als Substitut der Guttapercha diene und dass etwa 10 Pflanzen ein Pfund dieses Stoffes liefern können. Es sei nach ihrer Meinung den indischen Asclepias- Arten alle Beachtung zu schenken und könnten selbige resp. ihre Producte später einen wichtigen Handelsartikel aus- machen, sobald grössere Versuche in dieser Richtung entschieden haben würden. Ich führe die Beobachtungen jener Engländer hier an, weil, wie man sieht, die Untersuchungen über die in unserer Heimath gedeihende Asclepias Cornuti mit denen zusammentreffen, welche über sehr nahe verwandte tropische Asclepiadeen angestellt wurden. Bei weiterer Untersuchung dieser und ähnlicher Milchsaftpflanzen werden sich voraus- sichtlich noch recht interessante Details ergeben und dürften nicht bloss die schliesslich erhaltenen Resultate in wissenschaftlicher Beziehung !) Pharmac. Journal and Transact. 1885. p. 165. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 187 willkommen sein, sondern auch für die Industrie und Technik verwerth- bar erscheinen. Der Vortrag ist abgedruckt im Archiv der Pharmacie 1886, Band 24. Herr Dr. von Chrustschoff erstattete einen Bericht über die Eruption des Vulkans von Colima in Mexico im August 1872. Er gab vorher eine kurze Skizze über den geognostischen Bau dieses wenig bekannten Feuerberges, der besonders dadurch bemerkenswerth erscheint, dass er beinahe keine Lava, sondern vielmehr sehr grosse Mengen Asche und Lapilli auswirft. Ein Theil der Lapilli besitzen eine eigenthümliche wurst- oder walzenartige Form, die sich als losgerissene, ausgezogene und wohl auch gewundene Tropfen einer sehr zähen Lava tief im Schlunde des Vulkans charakterisirt. Sie bestehen aus Glas- masse, Augit, Olivin und Magnetil nebst Feldspath, gehören somit dem basaltischen Typus an. Die Kraterwälle, an denen seltsame Fumarolen beobachtet wurden, sowie Gänge im Innern des Aschenkegels sind bald basaltischer, bald trachytischer Natur. Hierbei legte Herr von Chrust- schoff eine Suite der dortigen Felsarten vor und demonstrirte noch zum Schluss ein neues, von Herrn von Ossowski in Krakau unlängst entdecktes und als Volhynit benanntes Gestein, welches bei Michajlowska im Distriete Owrucz in Oesterreichisch- Volhynien als ein mächtiger Gang auftritt. Dasselbe besteht aus porphyrischen Feldspathkrystallen und einer dunkelgrünen, kryptokrystallinischen Grundmasse, die n.d.M. wesentlich Plagioklas, malitartige Hornblende, Chlorit, sowie Titaneisen nebst accessorischen Glimmer, Orthoklas, Apatit, Magnetit, Quarz, Titanit, Titanomorphit und Zirkon erkennen lässt. Herr Dr. Otto Zacharias zu Anrgehberg in Schlesien hat der naturwissenschaftlichen Section die Ergebnisse einer zweiten faunistischen Excursion an den grossen und kleinen Koppenteich eingesandt. Nachdem ich im Sommer 1884 die beiden genannten Hochseen unseres Gebirges einer erstmaligen zoologischen Durchforschung unter- zogen hatte, wurde ich durch die Munificenz der Schlesischen Gesell- schaft in die Lage versetzt, eine zweite mehrwöchige Untersuchung derselben Wasserbeecken während dieses Sommers (1885) vorzunehmen, Es geschah dies in der Annahme, dass durch eine zweite Exeursion die Ergebnisse der ersten nach irgend einer Richtung hin vervollständigt werden könnten, was denn auch thatsächlich der Fall gewesen ist. Wie im vorigen Sommer, so hat auch jetzt wieder Herr A. Neumeister, der Präparator des Zoologischen Instituts in Leipzig — Dank der 188 Jahres- Bericht Freundlichkeit des Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Leuekart — mir hilf- reiche Hand leisten dürfen. Insbesondere habe ich die Mitwirkung des Herrn Neumeister bei der nochmaligen Untersuchung des grossen Teiches anzuerkennen, die ohne solche Hilfe nicht wohl ausführbar ge- ‚ wesen wäre. Ich begann dieses Mal mit der Durchforschung des kleineren von beiden Seen. Der Wasserstand desselben war zur Zeit der Untersuchung (Juli-August) ein ziemlich niedriger. Beim Fischen mit dem Handnetz constatirte ich wiederum die massenhafte Anwesenheit kleiner Krebs- thiere, unter denen die Species Cyclops rubens Jur. (= strenuus Fischer, brevicaudatus Claus) stark vorherrschend war. Ausserdem zeigten sich zahlreiche Exemplare von Cyelops tenuicornis Cl., Acro- perus leucocephalus Koch, Chydorus sphaerieus O. F. Müller, Alona affinis Leydig, und geringer vertreten Daphnia magna Straus. Es sind dies lauter bekannte und mit Ausnahme der Daphnia magna nicht gerade seltene Formen. Von Wassermilben (Hydrachniden) fand ich in demselben See, dessen Niveau bekanntlich in 1168 m Höhe liegt, hauptsächlich Hygro- bates longipalpis Herm. Es ist dies eine Species, welche auch in den Seen am Faulhorn vorkommt.') An einigen der Hygrobates-Exemplare (3), die ich dem bekannten Hydrachnidologen, Herrn Fr. Könike in Bremen einsandte, constatirte letzterer eine Deformität in der Anordnung der sogenannten „‚Sexualnäpfe‘“, die darin bestand, dass anstatt der regel- mässig vorhandenen 3 Näpfe auf jeder Seite der Geschlechtsöffnung, bei einigen der Exemplare aus dem kleinen Koppenteich deren nur 2 vor- handen waren. Diese Anomalie bezog sich aber immer nur auf die Napfzahl einer einzigen Seite. Dr. Haller (vergl. 1. c.) bezeichnet Fälle dieser Art als „äusserst selten“, und auch Herr Könike, dem Hunderte von Hygrobates-Exemplaren zu Gesicht gekommen sind, schliesst sich dieser Meinung an. Neben Hygrobates longipalpis existirt im kleinen Teich auch noch die rothe Varietät von Pachygaster tau-insignitus Lebert, was um so bemerkenswerther ist, als dieselbe bisher nur für Schweden und die Schweiz (Züricher und Zuger See) nachgewiesen worden ist. Man ist neuerdings darin übereingekommen, diese rothe Varietät als eine be- sondere Art (unter dem Namen Lebertia insignis Neumann) aufzuführen. ‚Es sind Thierchen von prachtvoller rother Farbe mit weisslichem Anflug der Rückendrüse und grünlichen bis blaugrünlichen Extremitäten. Ich kann das Vorkommen dieser Wassermilbe im kleinen Teich als zahlreich bezeichnen. !) Dr. @. Haller: Die Hydrachniden der Schweiz. Bern 1882, p, 67. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 189 Was die Turbellarien derselben Localität anlangt, so sind es Mesostoma rostratum Ehrb. (= montanum v. Graff), Vortex truncatus O. Schm. und Mesostoma viridatum M. Sch., die hier ausser dem neu ent- deekten Süsswasser-Monotus (M, relietus Zach.), in grosser Individuen- zahl vorhanden sind. Was die letztgenannte alloiocöle Turbellarie betrifft, so habe ich selbstverständlich die diesjährige Excursion auch dazu benutzt, um die mikroskopische Anatomie dieses interessanten Thieres genau festzustellen. Es geschah dieses durch Herstellung von Schnittserien mit Hilfe eines Schanze’schen Mikrotoms. Ich kann darnach die schon in meinem ersten Exeursionsbericht gegebene Beschreibung der Organisation vollständig aufrecht erhalten, wenn ich auch dieselbe in vielen Punkten zu vervoll- ständigen in der Lage bin. Dies ist im 43. Bande der Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie (Jahrg. 1836) geschehen. Hier möchte ich nur erwähnen, dass es mir mit Hilfe der Schnittmethode auch glückte, die Anwesenheit eines grossen, ringförmigen Ganglions im Rüssel (Pharynx) der in Rede stehenden Turbellarie nach- zuweisen, wodurch sich die wunderbare Selbstständigkeit und kraft- volle Beweglichkeit jenes zur Nahrungsaufnahme dienenden Organs mit einem Male erklärt. Eine Untersuchung, welche ich betreffs der An- wesenheit eines ähnlichen Nervenringes bei dendrocölen Turbellarien (Planarien) anstellte, ergab ein positives Resultat, nämlich die Anwesen- heit eines nervösen Plexus in der Bindegewebsschicht des Rüsselschlauchs dieser Thiere, In vergleichend-anatomischer Hinsicht sind diese Befunde von un- zweifelhafter Wichtigkeit, denn durch den Nachweis von Pharynxganglien bei Turbellarien werden diese den Trematoden (Saugwürmern) ausser- ordentlich nahe gerückt, Die Saugnäpfe der Trematoden werden be- kanntlich ebenfalls durch besondere Ganglien innervirt, treten somit nun in ein engeres Verhältniss der Homologie zu den Rüsseln der Turbellarien. Inzwischen ist genau derselbe Süsswasser-Monotus, den ich im kleinen Koppenteich auffand, von Herrn Prof. M. Braun (Dorpat) auch für den Peipussee nachgewiesen worden.') Dieser Forscher glaubte zuerst eine besondere Species der Monotiden-Gattung aufgefunden zu haben. Ein Austausch conservirter Exemplare zwischen Herrn Prof. Braun und mir ergab aber, dass der Bewohner des Peipussees mit dem Monotus relietus des Riesengebirges identisch sei. Mit Hilfe desselben Austauschverfahrens stellte ich auch fest, dass der im Genfer See von Herrn Prof. Du Plessis (Lausanne) gefundene Monotus mit dem hiesigen vollständig in der Organisation übereinstimmt, so dass wir jetzt an drei sehr weit von einander entfernten Localitäten das Vorkommen des näm- !) Vergl. M. Braun: Die Turbellarien Livlands. Zoolog. Anz. No. 210. 1885. 190 Jahres-Bericht lichen Strudelwurms, der als ein Fremdling im süssen Wasser bezeichnet werden muss, mit Sicherheit constatirt haben. Zum Schluss meiner Untersuchung des kleinen Koppenteichs fand ich zwischen Büscheln von Fontinalis squamosa 2 Exemplare einer neuen Prorhynchus-Art, die ich zu Ehren des Herrn Geheimrath Leuckart Pr. Leuckarti nenne. Eine Beschreibung derselben ist im 43. Bande der Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie erfolgt. Auch ist dort eine Ab- bildung des Wurmes beigegeben. Was nun die nochmalige Durchforschung des grossen Koppenteichs anlangt, so habe ich vor Allem die geradezu massenhafte Anwesenheit des Monotus relietus in der Tiefe desselben in erster Linie zu erwähnen. Im vorigen Jahre war uns diese interessante Thatsache vollständig ent- gangen, und es schien so, als sei der Wurm auf das kleinere Wasser- becken beschränkt. Dass dies aber keineswegs der Fall ist, sondern dass die genannte Turbellarie beide Seen bewohnt, steht nun ausser allem Zweifel. Von Hydrachniden constatirte ich hier oben ausschliesslich Pachygaster tau-insignitus in 3 grünlichen und 3 rothen Exemplaren (Lebertia). Hygrobates-Exemplare kamen uns nicht in’s Netz, sind aber doch vielleicht vorhanden. Betreffs der Entomostraken ist zu melden, dass — wie dies auch im Vorjahre der Fall war — Daphnia magna die vorherrschende Form im grossen See ist. Im Uebrigen kommen genau dieselben Cyelops- und Lynceus-Species, wiewohl in anderen Zahlenverhältnissen als im kleinen Teich, auch hier vor. Eine nochmalige Untersuchung des Süd- ufers ergab die Anwesenheit zahlreicher Schwärme von Polyphemus pediculus de Geer, also ebenfalls alter Bekannter vom Vorjahre. Wenn ich in dem Bericht, welchen ich am 19. November 1884 zu Breslau in der Sitzung der naturw. Section der Schlesischen Gesellschaft über die damals erhaltenen Ergebnisse gab, sagte: Eine zoologische Untersuchung der beiden Riesengebirgsseen sei bisher niemals vor- genommen worden, so ist dies im Allgemeinen zwar zutreffend, aber ich möchte doch das Faetum nicht unerwähnt lassen, dass der österreichische Crustaceenforscher Bohuslav Hellich aus Prag im Juli 1872 wenig- stens den Versuch gemacht hat, vom Ufer aus sich über die Krebsthiere des grossen und kleinen Teichs zu informiren. Hellich theilte darüber in einer Sitzung der Königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Prag vom 20. November 1874 Folgendes mit: „Eine der ersten Ex- cursionen, die ich in den letzten Jahren vorgenommen habe, war die Reise in’s Riesengebirge. Am meisten interessirten und lockten mich jene zwei grossen Teiche, westlich unter der Schneekoppe, die in der Höhe von etwa 4000 Fuss sich befinden, und von welchen sich ver- muthen liess, dass sie denselben Reichthum an Krebschen enthalten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 191 müssten, wie die Seen des Böhmer Waldes. Mit den besten Hoffnungen ausgerüstet, begab ich mich im Juli 1872 auf den Weg. Angekommen fand ich mich aber bald bitter enttäuscht, denn an den öden, felsigen und schwer zugänglichen Ufern fand ich blos folgende Arten in geringer Menge: Daphnia sp., Alona guttata, Acroperus leucocephalus und Chy- dorus sphaericus. In die Tiefe konnte ich meine Untersuchung nicht verfolgen, da mir kein Fahrzeug zu Gebote stand.“ So erzählt Hellich. Allerdings ist ohne Boot wenig auszurichten; aber auch mit einem solchen ist es nicht möglich, zahlreiche Species von Entomostraken in den Koppenteichen zu constatiren. Erstaunlich gross ist blos die Zahl der Individuen, die von den wenigen Arten anzutreffen sind. Die von Hellich nicht bestimmte Daphnie des grossen Teiches ist Daphnia magna. Das Gros davon hält sich in einem engen Bezirk, nahe der Mitte des grossen Teiches auf. Der Böhmische Forscher kann vom Ufer aus nur einige verirrte Exemplare in’s Netz bekommen haben. Von den verschiedensten Stellen des Gebirgskammes aus sieht man in der Ebene zwischen Bad Warmbrunn und Giersdorf eine grosse An- zahl von Wasserflächen schimmern. Es sind dies die Karpfenteiche des Herrn Reichsgrafen L. v. Schaffgotsch, deren Verwaltung und Bewirth- schaftung einem besonderen Fischmeister übertragen ist. Die grösseren dieser flachen Wasserbecken sind 30—40 preuss. Morgen gross, also weit umfangreicher als der grosse Koppenteich. Nach Beendigung meiner Untersuchung auf dem Gebirge hielt ich es für angebracht, auch diese Teiche einer genaueren Durchforschung zu unterziehen, und selbige habe ich ebenfalls in Gemeinschaft mit dem Präparator Neumeister und mit Unterstützung des reichsgräfl. Fisch- meisters Herrn Glogner zu Giersdorf ausgeführt. Es zeigte sich auf den ersten Netzzug, dass diese künstlich angeleg- ten Teiche (von denen aber manche über 200 Jahr alt sind) einen ziemlich grossen Speciesreichthum an Entomostraken sowohl wie an Hydrachniden beherbergen. Bei Bestimmung der ersteren ist mir der rühmlichst bekannte Crustaceenkenner, Herr $. A. Poppe, behilflich gewesen. Die Hydrachniden dagegen sind von Herrn Fr. Könike einer genaueren Prüfung DRaRERaRE worden. Das Nähere ergiebt sich aus folgender Liste: Entomostraken von Giersdorf: Sida cristallina (0. F. M.). Daphnia longispina (Leydig). Scapholeberis mucronata (0. F. M.). Simocephalus vetulus (0. F. M.). Ceriodaphnia megops (G. O. Sars.) - reticulata (Jurine). 192 Jahres - Bericht Bosmina cornuta (Jurine). Ilyocryptus sordidus (Lievin). Eurycercus lamellatus (O0. F. M.). Alona affınis (Leydig). - tenuicaudis (G. O. Sars.). - testudinaria (Fischer). Pleuroxus truncatus (0. F. M.). Chydorus sphaericus (0. F. M.). Polyphemus pediculus (de Geer). Argulus foliaceus (Jurine). Ferner: Diaptomus graeilis (G. O. Sars.). Cyelops signatus (Koch). - agilis (Koch). Canthocamptus minutus (0. F. M.). Hydrachniden von Giersdorf: Arrenurus emarginator (O. F. M.). Atax spinipes (O0. F. M.). - _erassipes (0. F. M.). Limnesia maculata (0. F. M.). = histrionica (Herm.). Hydrachna globosa (de Geer). Eylais extendens (Latreille). Diplodontus despiciens (0. F. M.). Nesaea coccinea (Bruzelius). Hierzu kommen noch folgende Wasserkäfer: Haliplus immaecu- latus (Gerhardt), Halipl. Heydenii (Wehncke), Halipl. flavicollis (Sturm) und Gyrinus marinus (Gyllenhal). Von besonderem Interesse ist es, dass der Polyphemus pedieculus, jene interessante und bei uns sonst nicht häufig zu findende Daphnide, auch in mehreren Giersdorfer Teichen zahlreich anzutreffen ist. Im Anschluss an diese Arbeit legte Herr Dr. Otto Zacharias der Section die bereits im Druck erschienenen Ergebnisse einer zoologischen Excursion in’s Iser-, Glatzer- und Riesengebirge (Separat-Abdruck aus dem 43. Bande der Zeitschr. für wiss. Zoologie) zur Kenntnissnahme vor. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 193 [ 7A Bericht über die Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1885, erstattet von Professor Dr. Ferdinand Cohn, zeitisem Secretair der Section. Die botanische Section hat im Jahre 1885 neun Sitzungen ge- halten, In der ersten Sitzung vom 15. Januar brachte Professor Ferd. Cohn ein Dankschreiben von Professor Meneghini in Pisa zur Verlesung für die im Namen der Section aus Anlass seines 50jährigen Professoren- jubiläums ihm übersandte Gratulationsadresse. Professor Dr. Engler hielt einen Vortrag über die Vegetationsverhältnisse in den neuen deutsch-afrikanischen Schutzgebieten und deren Nachbarländern. Bei dem Interesse, welches sich gegenwärtig den Schutzgebieten Deutschlands zugewendet hat, ist der Wunsch begreiflich, möglichst voll- ständige Vegetationsbilder von den dortigen Gegenden zu besitzen. In dieser Beziehung sind wir aber noch sehr mangelhaft unterrichtet und daher vorläufig genöthigt, aus den vorhandenen unvollkommenen Samm- lungen, sowie aus den verschiedenen Reiseberiehten ein Bild zu com- biniren, wobei uns allerdings die Einförmigkeit Afrikas in seiner geog- nostischen Unterlage zu Hilfe kommt. Central- und Südafrika ist durch- weg altes Land; während die der Küste parallel streichenden Gebirgs- züge der paläozoischen Formation angehören, bestehen im Innern die sedimentären Bildungen fast durchweg aus Ablagerungen des Perm und der Trias, Die bedeutenden Erhebungen parallel der Süd- und Ostküste beeinflussen wesentlich durch Condensirung der von den Nordost-, Süd- 1885. 13 194 Jahres-Bericht ost- und Südwinden mitgebrachten Wasserdämpfe die Entwickelung der Pflanzenwelt. Das schmale Natal und die Spitze von Südafrika sind reich an Niederschlägen und beherbergen tropische Vegetation; ebenso ist an der Südwestspitze Afrikas die Entwickelung der formenreichen und eigenartigen Capflora durch die dort reichlichen Winterregen be- günstigt. Im Innern werden nur die Westabhänge der Gebirge noch etwas befeuchtet. Das ganze westafrikanische Küstenland vom Olifant River bis über die Walfisch-Bai hinaus ist ungemein trocken und vege- tationsarm. Unter den wenigen dort vorkommenden Pflanzenformen finden sich aber einige, welche durch ihre Anpassung an das trockene Klima oft sehr eigenthümlich gestaltet sind. Hier ist vor allem zu nennen die an der Walfisch-Bai vorkommende, charakteristische Dünen- pflanze Acanthosieyos horrida, eine dornige Kürbispflanze, welche essbare Früchte liefert und zugleich die Dünen befestigt. Ferner gehört hierher die im südlichen Benguela und auch auf deutschem Schutzgebiet vor- kommende Welwitschia mirabilis. In den Tafelländern von Benguela finden sich noch einige Pflanzen mit nur wenig über die Erde hervor- tretendem, aber sehr dickem Stamm, so Vitis macropus und Sesamotamnus benguelensis. Eine andere eigenthümliche Pflanze ist die schönblüthige Apocynee Pachypodium Lealü mit kegelförmigen, blattlosen, aber von Nebenblattdornen besetztem Stamme. Diesem ganz ähnlich sind in Namaqualand Vitis Bainesit und Pachypodium namaquanuım, zu welchen sich andere Fettpflanzen, Stapelien, Candelaber-Euphorbien und die mächtige baumartige Aloe dichotoma gesellen. Schon diese wenigen Daten zeigen, dass allerdings in der Küstenzone des westlichen Südafrika eine Cultur nicht platzgreifen kann, dass der Botaniker von hier aber eine Menge interessanter Funde zu erwarten be- rechtigt ist. Die dahinter liegende zweite Zone des Gebirgslandes wird von zahlreichen Flussläufen durchzogen, an denen sich stellenweise sogar Wälder entwickeln, wie namentlich im nördlichen Damaraland; die Wälder sind schattenlos, vorzugsweise gebildet von dornigen Acaeien. Zwischen solchen Gebüschen und Wäldern finden sich auch grössere Grasplätze, die nicht nur von nomadisirenden Hirten durchzogen werden, sondern sich auch stellenweise zu Ackerbau eignen, wie am grossen Fisch-Fluss und seinen Zuflüssen; einige dieser sesshaften Stämme ge- brauchen schon den Pflug, Ostwärts schliesst sich an diese Gebirgslandschaften die Kalahari, | lange Zeit als Wüste berüchtigt. Durch die Forschungen des englischen Ingenieurs Andersohn aber hat sich herausgestellt, dass sie keineswegs eine Wüste ist; in ihr ist die Entwickelung der Flüsse allerdings eine geringe, sie ist aber reich an Wäldern, Gebüschen und Grassteppen, und stellenweise sogar bewohnt. Die herrschende Baumform bilden auch hier die Acacien, dann baumartige Compositen (Tarchonanthus), Copaifera u. a., der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 195 der Boden selbst ist häufig von Citrullus vulgaris ganz bedeckt, während sich nach befruchtendem Regen in den Grassteppen prächtige Zwiebel- Gewächse entwickeln. Noch reicher wird die Vegetation in der nörd- lichen Kalahari, wo bereits der Affenbrotbaum und Palmen erscheinen. Dort wird neben Viehzucht auch Ackerbau getrieben. Viel besser als über die dürftige Flora der deutschen Schutzländer sind wir über die zunächst angrenzenden portugiesischen Gebiete Benguela und Angola unterrichtet. Die Gliederung, die wir in Damara- und Namaqualand kennen lernten, gilt auch hier; nur ist die Flora wegen der reicheren Niederschläge eine viel üppigere; namentlich besitzen die Gebirgslandschaften, welche auf die Küstenzone folgen, viele interessante Pflanzenformen; auch liefern die zahlreichen Seen der unteren Region, sowie die Flüsse an ihren schlammigen Ufern bei dem regelmässig ein- tretenden niederen Wasserstand einen vorzüglichen Culturboden für Mais, Bohnen, Arachis hypogaea. Die Wälder sind ausgedehnter, dichter und reicher an hohen Bäumen, von Lianen und Kletterpflanzen reichlich be- deckt; auch Palmen (Elaeis, Raphia) treten überall in Menge auf. Ueber 8—900 m erscheinen wiederum üppige Wiesen der Hochplateauregion, die reich an Arten und Familien sind; namentlich herrschen hier Labiati- floren, Liliifloren und Erdorchideen vor. Die Uferlandschaften des Congo, über die wir nur ungenügende Kenn- niss in botanischer Hinsicht besitzen, werden in seinem Ober- und Mittel- lauf von Urwäldern bedeckt, zwischen denen kleinere Savannen Platz ' greifen; südlich vom Aequator wird er eingeschlossen von Hochplateaus, die eine Steppenflora tragen; hin und wieder unterbricht eine Oelpalme oder Affenbrotbaum die Einförmigkeit dieser Landschaft. Nur die Thal- schluchten der südlichen Zuflüsse beherbergen eine tropische Wald- vegetation. Die Mündung des Congo ist genauer erforscht; es erscheinen dort namentlich folgende Vegetationsformationen: Die Strandformation mit reichlichen Schlinggewächsen aus den Familien der Convolvulaceen und Rubiaceen, namentlich auch Phaseoleen. In lockeren Reihen erheben sich an den entfernteren Strandwällen einzelne Stämme der Fächerpalme Hyphaene congensis. Die Savannenformation ist der Ausdruck eines trockenen, durchlässigen Bodens, mit vorherrschenden Gräsern, oft von 3 m Höhe; dazwischen erscheinen Anona senegalensis und die Oelpalme, deren Früchte allgemeine Verwendung finden. In den Sümpfen ist die Papyrusstaude herrschend; die Eingeborenen bezeichnen sie als „Loango“, worauf also die Bezeichnung jener Küstenlandschaften zurückzuführen ist. Die Mangrovewälder, meist aus Rhizophora Mangle gebildet, erstrecken sich an den Flussläufen oft 3 Seemeilen und weiter ins Innere. Ihre Luftwurzeln bilden ein undurchdringliches Dickicht, unter dessen Schutz, so besonders auch am Kamerunflusse, zahllose Krabben einen willkom- 13* 196 Jahres - Bericht menen Aufenthalt finden. Die portugiesischen Sclavenhändler schufen deshalb die Bezeichnung Rio dos camaraos, woraus die Engländer Cameroons machten. Eingestreut in diese Mangrovewälder finden sich einzelne Pandanus und Weinpalmen, auch noch andere Bäume, die in dichteren Beständen den Galerie- oder Uferwald der Flüsse charaecterisiren; in diesen ist auch Bombax ein häufiger Baum. Eine grössere Mannigfaltig- keit an Arten weist erst der Gebirgswald oder Hochwald auf, auch durch reichliches Unterholz und grösseren Blumenflor. Er folgt dem Galerie- wald in den höheren Abhängen an den Ufern der Flüsse. Von Nutz- pflanzen enthält er u. A. den Affenbrotbaum, eine Art Pterocarpus, welcher Rothholz liefert, und die Kautschuk gebende Landolphia. Im Kamerungebiet kommen im Allgemeinen dieselben Vegetations- formationen vor, wie an der Loangoküste, doch treten die Savannen mehr zurück. Die Mangrovewaldungen bilden in der ganzen Bucht von Biafra die Hauptvegetation, erst wo der Fluss sich verengt, tritt Hochwald auf. Am Kamerungebirge herrscht bis etwa 1600 m tropische Vegetation; eine grosse Anzahl Arten hat dasselbe mit Fernando Po gemein, in den höheren Lagen erscheinen sogar Pflanzen, die auch in Europa vorkommen, aber überhaupt eine weite Verbreitung besitzen und die wahrscheinlich durch unsere Zugvögel dahin gelangt sind. Auch ergeben sich Be- ziehungen der Flora des Kamerungebirges zu derjenigen von Abyssinien und dem Himalaya. Schliesslich legte der Vortragende eine Reihe von Früchten und Samen der Nutzpflanzen vor, welche in den besprochenen Gebieten gebaut werden. Es darf wohl erwartet werden, dass sich die Zahl derselben noch erheblich vermehren wird. In der zweiten Sitzung vom 29. Januar sprach Dr. Pax über die systematischen und pflanzengeographischen Verhältnisse der Gattung Acer. Die Gattung Acer wird von allen Autoren entweder in einer be- sonderen, bereits von Jussieu aufgestellten Familie (Aceraceae) in die Nähe der Sapindaceen gestellt, oder mit letzteren vereinigt; in der That sind die durchgreifenden Unterschiede gegen die Sapindaceen nur von untergeordneter Bedeutung, so dass es angemessen erscheint, sie als Unterfamilie (Aceroideae) jener zu betrachten. Die Melianthaceen und .Staphyleaceen, die Bentham-Hooker mit den Sapindaceen vereinigen, entfernen sich durch die eiweisshaltigen Samen, die Malpighiaceen, mit denen sie in der Fruchtbildung einigermaassen übereinstimmen, durch das trimere Carpell, das obdiplostemone Andröceum und die Zygomorphie; noch weiter entfernen sie sich durch die ganz abweichende Lage des Embryos. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 197 Die bekannten 80 Arten gruppiren sich in folgende Sectionen: I. Extrastaminalia. 1. Rubra (4 Arten), 2. Spicata (16 Arten), 3. Palmata (5 Arten), 4. Trifoliata (2 Arten), 5. Integrifolia (5 Arten). II. Adiscantha. 6. Negundo (3 Arten). III. Intrastaminalia. 7. Indivisa (6 Arten). IV. Perigyna. 8. Glabra (2 Arten), 9. Campestria (9 Arten), 10. Platanoidea (7 Arten), 11. Saccharina (3 Arten), 12. Macrantha (8 Arten), 13. Zithocarpa (5 Arten). Es giebt zunächst 4 Gebiete, welche eine grössere Artenzahl be- sitzen, das Mediterrangebiet, der Himalaya, das chinesisch-japanische Gebiet und das atlantische Nordamerika: jedes dieser Florengebiete be- sitzt mehr als 10 Arten, Japan allein schon 20 Species. Während in Mitteleuropa keine der 6 Arten aus den Sectionen der Spicata, Campestria und Platanoidea endemisch ist, enthält das Mediterran- gebiet (im Sinne Engler’s) unter 16 Arten (aus denselben 3 Sectionen) ausser den oben genannten 6 noch 9 endemische Species; hierzu kommt noch eine, welche die Grenzen ostwärts nur wenig überschreitet. Von den 3 Hauptcentren des Endemismus, Balkanhalbinsel, Kaukasus, Persien, ist das erstere das reichste; aus Persien kennen wir bisher von endemischen Arten nur A. cinerascens. Der Reichthum des Kaukasus bezieht sich ebenfalls nur auf den wälderreichen Westkaukasus. Durch die Ergebnisse einer neueren französischen Expedition (Mission Capus) ‚sind durch Franchet aus den Gebirgen von Turkestan 3 Arten bekannt geworden, zu denen noch der schon länger bekannte A. Ginnala subsp. Semenowii hinzukommt; viel reicher entwickelt ist hingegen die Gattung im Himalaya: von den 12 vorkommenden Arten sind alle mit Ausnahme einer characteristischen Form des A. Lobeli endemisch, doch nur 3 sind über das ganze Gebirgssystem verbreitet, die überwiegend grössere Zahl wächst nur im Osthimalaya, nur 4 sind auf den West- himalaya beschränkt. Die Verwandtschaft der Arten lehrt, dass die westlichen Berge im Himalaya noch erkennbare Beziehungen zeigen zum östl. Mediterrangebiet, während der Osten pflanzengeographisch eng mit dem südlichen China verknüpft erscheint. Es existiren ferner Beziehungen zu den Gebirgen der Inseln Sumatra und Java, desgleichen solche zum nördlichen Japan und der Mandschurei; während letztere aber mehr zurücktreten, treten sie deutlich und vielfach hervor in Beziehung zum südlichen Japan. Die Arten des chinesisch- japanischen Gebietes sind nicht nur sämmtlich 198 Jahres-Bericht endemisch, sondern auch 3 Sectionen (Trifoliata, Lithocarpa, Coelocarpa) sind anderwärts überhaupt noch nicht nachgewiesen. Die Beziehungen zwischen Japan und dem Festlande sind sehr enge. Die japanischen Arten, welche 7 Sectionen angehören, bewohnen daselbst vorzugsweise die südlichen Bergwälder: 4 Arten characterisiren den nördlichen, 14 den südlichen Typus, nur 2 kommen im ganzen Gebiet vor. Die Beziehungen, welche sich hieraus zwischen dem extratropischen Ostasien und anderen Gebieten ergeben, sind, soweit sie nicht schon mitgetheilt wurden, also folgende: es existiren Verbindungen mit dem östlichen Mittelmeergebiet, mit Centralasien und namentlich mit dem Himalaya; mit dem pacifischen Nordamerika hat Ostasien zwar keine identische Art gemein, aber 2 Sectionen (Spicata, Palmata). Dagegen ist das Hauptverbreitungscentrum des auch in Ostasien vorkommenden A. spicatum das atlantische Nordamerika. Eine erhebliche Anzahl sog. fossiler Ahorn-Arten ist theils unrichtig bestimmt, theils überhaupt so mangelhaft bekannt, dass eine Bestimmung sehr gewagt erscheinen muss. Mit Ausschluss dieser und einiger wenigen, auf die sich weitere Schlüsse nicht bauen lassen, bleiben immerhin noch solche Funde übrig, welche erweisen, dass die Rubra, Spicata, Palmata, Negundo, Campestria, Platanoidea, Saccharina und vielleicht auch Macrantha schon zur Tertiärzeit existirten: sie beginnen im unteren Tertiär, werden im Miocen häufiger und entwickeln sich im oberen Tertiär in einer Menge Formen, welche schon viele der noch jetzt lebenden Arten er- kennen lassen. Das Studium derselben hat folgende Hauptsätze ergeben: Die paläontogischen Funde erweisen bestimmt den eircumpolaren Ursprung der Gattung Acer, Im Oligocen findet sich auf Grönland, Island und Spitzbergen eine reiche Ahornflora, die im Miocen um viele Breitengrade nach Süden gewandert ist, und im Pliocen erscheint diese südwärts ge- richtete Wanderung noch vollkommener. Auf diese Weise konnten längs der meridional streichenden Gebirge einzelne Arten gelangen bis Java oder Mexico. Während der Tertiärzeit war die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich gleichmässige und bleibt es bis durch das Pliocen; eine weitgehende Störung derselben hat demnach erst nach dieser Periode stattgefunden und die Ursachen jener sind also mit grosser Wahrschein- lichkeit zu suchen mit dem Beginne der Eiszeit. Amerika ist durch seinen ganzen Bau für die Erhaltung tertiärer Arten und Gruppen besser geeignet als die alte Welt mit ihrem quer durchstreichenden Gebirgs- wall, der während der Glacialzeit vergletschert war und nachher die Nordwärtswanderung hinderte. Daher finden wir in der neuen Welt vorzugsweise einen erhaltenden Endemismus ausgeprägt, in der alten Welt einen neue Formen hervorbringenden,. In Uebereinstimmung damit muss auch erkannt werden, wie im Himalaya und Japan tertiäre Arten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 199 Schutz finden konnten. In Betreff der näheren Details muss auf meine oben eitirte Abhandlung in Engler’s Jahrbüchern Bd. VI und VII ver- wiesen werden. Herr Limpricht sprach über die Porenbildung in der Stengelrinde der Sphagnen. Diese geht weiter als bisher bekannt, denn die meisten Arten be- sitzen Poren, bei einigen allerdings nur von der Grösse einfacher Tüpfel. Neben den Arten mit aussen durchbrochenen Oberflächenzellen finden sich andere (z. B. Sph. subsecundum, Caricinum, teres, squarrosulum und compactum), welche hier und da an der Oberfläche verdünnte Membran- stellen zeigen, die sich zuletzt öffnen. Nur bei Cuspidatum-Gruppe ist die Rinde nicht porös und aussen nicht durchbrochen; sie ist auch insoweit von abweichendem Baue, als sie Chlorphyll führt und von den Blattinsertionen nicht durchsetzt wird. Häufig verlängern sich die basalen Zellen in der ganzen Breite des Blattes in weite Aussackungen, die an der Spitze durchbrochen sind; auch sie dürften der Wasserzufuhr dienen, Die Porenbildung in den Blättern ist abhängig von der Form der hyalinen Zellen (im Querschnitt), welche wieder von dem Orte der Ein- lagerung der grünen Zellen bedingt ist. Liegen die grünen Zellen an einer der beiden Blattflächen, dann sind die gegenüberliegenden Wände der Hyalinen stärker convex. In beiden Fällen liegt die Mehrzahl der Perforationen seitlich an den stärker gewölbten Zellwänden, also längs der Commissuren, bei der einen Reihe von Arten folglich an der Aussen-, bei der anderen an der Innen- seite des Blattes. Bei centraler Lage der grünen Zellen zeigen die Hyalinen die Mehr- zahl der Perforationen an der Blattaussenfläche und diese bevorzugen bei vollständigem Einschluss vorzüglich die Zellecken, liegen die Hyalinen beiderseits frei, dann rücken sie an die Commissuren. — Selten finden sich Poren längs der Mitte der Wand. Im Allgemeinen stehen bei dachziegeliger Blattlage die Mehrzahl der Poren an der Aussenfläche, bei abstehender Beblätterung an der Innenfläche. Ausser den scharf umschriebenen Poren finden sich in den Blättern häufig grössere unregelmässige Membranlücken, die durch Resorption entstanden sind, Die Form und Zahl der Poren, wie die Grösse der Membranlücken wird wesentlich durch reichlichere oder spärlichere Faserbildung be- dingt. 200 Jahres - Bericht In der dritten Sitzung vom 12. Februar legte Professor Cohn den in Bronce ausgeführten Abguss der Medaille vor, welche dem Professor Meneghini zu Pisa zu dessen 50jährigen Jubiläum überreicht worden ist. Dr. Eidam demonstrirte neue unt.r seiner Leitung in der Fabrik von R. Brendel zu Berlin, Kurfürstendamm 101, ausgeführte botanische Modelle: 1) von Cuscuta Trifolü, Blüthe und Stengel, letzterer, wie er einen Klee- stengel umschlingt und in denselben seine Haustorien hineintreibt; 2. das Modell einer Mooskapsel und zwar von Brachythecium velutinum, welches alle wesentlichen Theile dieses ziemlich eomplieirten Organes in sich vereinigt; 3. die Holzzelle — Tracheide — der Kiefer, mit Darstellung der Hoftüpfel und der inmitten letzterer befindlichen central etwas ver- diekten Ventilmembran. Sämmtliche Modelle sind höchst elegant in durchsichtiger Gelatine ausgeführt und in sehr vergrössertem Maassstabe zur Darstellung gebracht. Professor Ferdinand Cohn hielt einen Vortrag über die Mikrophyten der Trink- und Abwässer. In der vierten Sitzung am 5. März hielt Oberstabsarzt Dr. Schröter einen Vortrag über Uredineen. Wanderversammlung der naturwissenschaftlichen und medicinischen Sectionen der Schles. Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Heinrichau am 28. Juni 1885. Während bisher von der botanischen Section allein die Veranstal- tung jährlicher Wanderversammlungen ausgegangen war, hatte sich dies- mal ein Comit& gebildet, bestehend aus den Herren Professor Ferd. Cohn, Professor Poleck und Professor Ponfick, welches eine Ver- einigung aller naturwissenschaftlichen und medicinischen Sectionen behufs gemeinsamer Wanderversammlung zu Stande brachte. Es ist damit ein sehr glücklicher Gedanke verwirklicht worden, dessen fruchtbringender Erfolg nicht allein durch zahlreiche Betheiligung sondern auch durch die mannigfache Belehrung und Anregung bei den vielseitigen Vorträgen in der wissenschaftlichen Sitzung sich kundgab. Mit den ersten Morgenzügen langten die 'Theilnehmer aus Breslau sowie aus der Provinz, von der insbesondere Strehlen und Neisse ver- treten waren, in Heinrichau an; Herr Generaldireetor v. Bodemeyer hiess Namens Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Grossherzogin von Sachsen-Weimar die Gesellschaft willkommer; unter seiner Führung wurde eine Wanderung durch den schönen Park, die italienischen Gärten und die prachtvollen Orangerien des Schlosses Heinrichau sowie eine der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 201 Besichtigung des letzteren, besonders des stilvoll restaurirten Refeetoriums, unternommen. Der festlich decorirte Garten des Gasthofs zur Krone war durch Errichtung eines Podiums zum Sitzungssaale unter freiem Himmel her- gerichtet worden; die wissenschaftliche Sitzung wurde um 10 Uhr von Professor Ferd. Cohn Namens des Comites mit einer Ansprache er- öffnet, worin derselbe des verewigten. Geheimraths Professor Göppert, des früheren Mittelpunktes dieser Versammlungen, pietätsvoll gedachte; zum Tagespräsidenten wurde Generaldirector v. Bodemeyer vorge- schlagen, welcher in liebenswürdigster Weise die Vorbereitungen für die Versammlung im Verein mit mehreren Herren in Heinrichau über- nommen hatte. Der Vorsitz wurde sodann von Herrn v. Bodemeyer mit Dankesworten angenommen, die Herren Geheimrath Heidenhain, Geheimrath Römer, Professor Ferd. Cohn, Professor Poleck aus Breslau und der Vorsitzende der Philomathie zu Neisse, Herr Dr. Rose, vervollständigten das Präsidium; Dr. Eidam fungirte als Schriftführer. Auf den Antrag des Professor Poleck wurde die Absendung eines Telesramms mit dem Dank der Versammlung an Ihre Kgl. Hoheit die Frau Grossherzogin von Sachsen-Weimar beschlossen. Die in der nun folgenden wissenschaftlichen Sitzung gehaltenen Vor- träge sind bereits im Bericht der naturwissenschaftlichen Section (S. 142 bis 149) abgedruckt; wir erwähnen daher an dieser Stelle nur von den speeiell botanischen Vorträgen, dass Oberstabsarzt Dr. Schröter einen Vortrag über die von ihm seit Jahren im pflanzenphysiologischen Institut theils aus dem auf Pappelästen wuchernden Mycel, theils aus Sporen ausgeführte Cultur des Agaricus (Pleurotus) ostreatus hielt; hier- nach möchte sich die Züchtung des Austernpilzes als Volksnahrungs- mittel empfehlen, wie sie in Japan mit dem verwandten Chiri Take (Fächerpilz) schon seit alter Zeit geschieht. Derselbe legte auch die Hymenolichene Cora von Paramaribo aus dem Herbar Wenck vor, sowie eine Reihe auf seine Veranlassung ausgeführte Photographien essbarer Pilze, besonders unserer einheimischen Morcheln, von grosser Naturtreue und Plastik, Professor Poleck demonstrirte und besprach eine Anzahl inter- essanter Droguen, darunter aus dem Pflanzenreich stammend Curare in Originalverpackung; Radix Pereziae (Raiz de Pipitzahuai), Wurzel einer neumexicanischen Composite und die aus ihr dargestellte, schön goldgelbe Ripitzahoinsäure (Aurum vegetabile); deutsches Kautschuk, von dem Assistenten des pharmaceutischen Instituts, Dr. Kassner, aus dem Milchsaft von Sonchus oleraceus dargestellt; das ätherische Oel von Allium ursinum u. a. Professor Ferd. Cohn demonstrirte mit dem Handmikroskop die Mycorhiza, die Scheide von Pilzmycel, welche auch in den schlesischen 203 Jahres - Bericht Wäldern die Wurzeln aller Cupuliferen umspinnt und von dem Ent- decker dieser merkwürdigen Thatsache, Professor Frank in Berlin, als Symbiose des Pilzes mit dem Baume aufgefasst wird. An die wissenschaftliche Sitzung schloss sich eine zu Wagen und zu Fuss ausgeführte Exeursion in den zur Herrschaft Heinrichau ge- hörigen Buchenwald (Bukowina). Mitten im Walde war ein freier Platz zur Rast hergerichtet, wo die Theilnehmer durch einen kühlen Trunk erfrischt wurden. Hier unter der mächtigen Krone der kerzengeraden Königsbuche hielt Professor Ferdinand Cohn einen Vortrag über Goethe’s botanisches Säcular-Jubiläum; er erinnerte daran, dass Goethe seit seiner Uebersiedlung nach Weimar (7. November 1775) Interesse für Botanik gewonnen, welches von dem Herzog Karl August und anderen Mitgliedern seines Hofes in vollstem Maasse getheilt wurde. Die Bibliothek zu Weimar bewahrt einen handschriftlichen Katalog in Schmal-Folio mit der von Goethe dietirten Bezeichnung ‚zum Andenken an die Botanische Anstalt in Weimar zwischen 1775—1780 (vid. zur Morphologie Heft 1 8. XXI)“ und dem von Goethe eigenhändig ge- schriebenen Zusatz: ,‚Die noch vorhandenen Kataloge zeigen von dem Eifer, mit dem diese Anstalten geleitet wurden. Weimar, d. 27. Sept. 1817. G.“ Die Liebe Goethe’s zur Botanik wurde besonders lebhaft an- geregt durch die 1782 veröffentlichten Briefe von J. J. Rousseau (Lettres el&mentaires sur la botanique). Doch erst seit 1785 begann sich Goethe systematisch mit botanischen Studien zu beschäftigen; vergl. den Aufsatz des Referenten: ‚Goethe als Botaniker‘, Deutsche Rundschau Bd, 28 S. 26—56 und „Die Pflanze‘ $. 25. Vortragender gedachte eingehender dieser Studien, welche in Weimar und Jena begonnen und während des Aufenthalts in Karlsbad vom 5. Juli bis Ende August 1785 eifrig fort- gesetzt wurden, aus denen sich bei Goethe alsbald die Idee der Pflanzen- metamorphose und die Ableitung aller Pflanzengestalten von einer Ur- pflanze entwickelte und um so klarer ausgearbeitet wurde, je gründ- licheres botanisches Wissen sich Goethe durch seine botanischen Exeur- sionen und durch Studium der Literatur erwarb, Die Morphologie, für welche Wissenschaft Goethe nicht blos den Namen und das Ziel, sondern auch die grundlegende vergleichende Methode schuf, ist aus diesen Forschungen hervorgegangen und beschliesst also in diesem Jahre das erste Jahrhundert ihrer Begründung. Der Vortragende gab an der Hand eines noch ungedruckten, in seinem Besitz befindlichen Manu- . seripts von Goethe’s botanischem Famulus, Friedrich Gottlieb Dittrich, dem Abkömmling einer medieinischen Laborantenfamilie aus Ziegenhain bei Jena — geb. 1768, gest. als grossherzogl. Rath, Professor der Botanik und Garten-Inspector 1850 zu Eisenach — eine ausführliche Schilderung der botanischen Waldexcursionen, welche Goethe mit Knebel und Dittrich gerade vor 100 Jahren, Ende Juni und Anfang Juli 1785, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 203 auf der Reise von Jena nach Karlsbad von Wunsiedel aus ins Fichtel- gebirge ausgeführt hat, wobei er Schneeberg, Fichtelsee, Ochsenkopf, Seeberg besuchte und unter anderem auch das Fangen von Insecten durch die reizbaren Drüsenhaare des Sonnenthau (Drosera rotundifolia und longifolia) sowie die durch Inseeten vermittelte Befruchtung der Orchi- deen beobachtete, und wo Goethe’s reizbare Natur schon durch den Geruch der ausgegrabenen Zwiebel von Allium ursinum zu Unwohlsein aufgeregt wurde. Das Festmahl vereinigte im Gasthof „zur Krone‘ in Heinrichau wiederum alle Wanderer, und das vortreffliche Menu und der perlende Rebensaft lösten bald die Zungen, so dass eine stattliche Reihe von Toasten allgemeinste Festesstimmung hervorrief. Sie wurde eröffnet durch den auf Se. Majestät den Deutschen Kaiser von dem Präses der Gesellschaft, Geheimrath Professor Heidenhain, ausgebrachten Toast; hierauf verlas derselbe folgendes von der Frau Grossherzogin von Sachsen- Weimar aus Dornburg eingetroffenes Telegramm: „Es ist mir sehr erfreulich, die Gesellschaft in Heinrichau zu wissen und derselben meine Theilnahme an Ihrem hohen Ziele durch gastfreundlichen Empfang auf meiner Besitzung in etwas bekunden zu können. Sophie, Grossherzogin von Sachsen.“ Der hohen und hochsinnigen Frau Grossherzogin und ihrem Gemahl galt das Hoch, welches Professor Ferd. Cohn ausbrachte, wobei derselbe zugleich auf die Geschichte von Heinrichau einen Rück- blick warf, das am 18. April 1222 bei einem an hiesigem Orte ge- gebenen Gastmahl durch Heinrich I. den Bärtigen und seinen Sohn Heinrich II., der in der Tartarenschlacht bei Wahlstatt fiel, gegründet wurde. Redner gedachte der vielfachen Verwüstungen und Zerstörungen, die über Kloster Heinrichau im Laufe von mehr als 6 Jahrhunderten in den Kriegen der Tartaren, der Hussiten, in den anarchischen Fehden der ganzen Piastenzeit, endlich im 30- und 7jährigen Kriege ergangen, aus denen dasselbe sich immer prachtvoller und grossartiger erhoben, bis es 1809 den Stürmen der Napoleonischen Kriege erlag. Aber wie die Cisterziensermönche, mit denen einst das Kloster besetzt war, als Ver- treter der mittelalterlichen Cultur gelten können, die hier auf slavischem Boden deutsche Sprache und deutsche Sitte, deutsche Arbeit und deutsches Recht einführen halfen, so könne das Fürstenhaus, in dessen Besitz jetzt Heinrichau sich befindet, als Repräsentant der modernen deutschen Cultur gelten, da unter seinen Auspieien sich die celassische Epoche unserer Literatur entwickelt hat. Hierauf liess General-Direetor v. Bodemeyer die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur, Professor Poleck das Localceomit& und dessen liebenswürdigen Chef, Herrn v. Bodemeyer, leben, dessen wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiete der Ento- mologie und Ornithologie noch von Professor Ponfick besonders hervor- gehoben wurden. Geheimrath Biermer gedachte in humoristischer Rede 204 Jahres-Bericht des Breslauer Comite’s, Ober-Regierungsrath Schmidt und Bergmeister Dr. Kosmann der Herren, welche mit ihren Vorträgen so reichliche Be- lehrung gebracht, und so reihte sich eine Rede an die andere, so dass die Zeit des Aufbruchs allzuschnell herannahte. Allgemeine Heiterkeit ‚erregten die vortrefflichen, vom Oberstabsarzt Dr. Schröter verfassten Tafellieder, von denen das eine die Erlebnisse der Hussiten in Heinrichau 1428 in einer v. Scheffels nicht unwürdigen Ballade verherrlichte. Von Professor Poleck wurde als nächstjähriger Versammlungsort Neisse vor- geschlagen, was von Dr. Rose im Namen der dortigen Philomathie mit Freuden willkommen geheissen wurde. Nachdem noch die reichen und sehenswerthen entomologischen und ornithologischen Sammlungen des General-Directors v. Bodemeyer unter dessen Führung besichtigt worden waren, wurde der Rückweg nach Bahnhof Heinrichau angetreten und um 9 Uhr 30 Minuten gelangten die Theilnehmer reich an angenehmster Erinnerung wieder auf dem Centralbahnhofe zu Breslau an. In der sechsten Sitzung am 5. November eröffnete Professor F. Cohn die Verhandlungen mit Worten der Erinnerung an zwei in den letzten Monaten der Section durch den Tod entrissene Mitglieder. Das erste, Professor Dr. Wilhelm Körber, war zu Hirschberg in Schl. am 10. Januar 1817 geboren als Sohn des als Pädagoge aus- gezeichneten Directors des dortigen Gymnasiums. Schon als Schüler wurde Körber in die Flora des Riesengebirges durch den Major von Flotow (geb. 1788, gest. 1856) eingeführt, welcher in der Schlacht von Grossgörschen verwundet und nach den Freiheitskriegen pensionirt, sich in Hirschberg niedergelassen hatte. Hier trat v. Flotow in nähere Verbindung mit Christian Nees v. Esenbeck, der, seit 1830 Pro- fessor der Botanik zu Breslau, die Sommerferien auf seiner Besitzung bei Hirschberg zu verleben pflegte. v. Flotow unterstützte denselben bei der Bearbeitung seiner elassischen Naturgeschichte der europäischen Lebermoose, während er sich selbst das Reich der Flechten vorbehielt. Körber ging in die Ideen der Flotow’schen Flechtenstudien ein, die während seines ganzen Lebens der Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeiten blieben. 1835 bezog Körber die Universität Breslau, wo Nees ihn nicht blos für die Botanik, sondern auch für die Naturphilo- sophie gewann. 1838 nach Berlin übergesiedelt, schloss er sich an Hegel an, aus dessen philosophischer Schule er dann später in die von Schopenhauer überging. 1839 promovirte Körber als Doctor der Philosophie auf Grund seiner Dissertation ‚De gonidiis liehenum“ in Berlin, die er bald darauf deutsch für die Zeitschrift ‚Flora‘ bearbeitete. Nachdem er 1840 die Staatsprüfung bestanden hatte, trat er 1841 als Lehrer am Breslauer Magdalenaeum, 1842 am Elisabetanum ein, welche der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 205 Stelle er bis zu seinem Tode bekleidete. Sein 40jähriges Lehrer- Jubiläum wurde 1882 von der Schlesischen Gesellschaft durch ein Fest- mahl gefeiert. 1842 wurde in Hirschberg auf einem gemeinsamen Spazier- gang mit v. Flotow der Haematococeus pluvialis entdeckt, dessen von dem Letzteren veröffentlichte Untersuchung einen so bedeutenden Einfluss auf unsere Kenntniss der niederen Organismen hatte. 1846 habilitirte sich Körber als Privatdocent an der Breslauer Universität auf Grund seiner Schrift „Specimen lichenum Silesiae“. 1848 erschien sein Grund- riss der Kryptogamenkunde, die erste selbstständige Bearbeitung dieser wichtigen Pflanzenklasse. 1855 veröffentlichte Körber das „Systema liehenum Germaniae“, in welchem er zuerst das Prineip durchgeführt hat, dass die Begründung der Flechtengenera auf dem mikroskopischen Bau ihrer Sporen beruhen müsse, während für die Hauptabtheilungen die morphologischen und anatomischen Merkmale des Flechtenthallus benutzt wurden. Durch dieses Werk wurde Körber der erste Licheno- loge Deutschlands und im Verein mit seinem gleichstrebenden Freunde Massalongo in Verona der Begründer der italienisch - schlesischen Liehenologenschule.. Trotzdem seine Zeit durch das Lehramt sehr in Anspruch genommen war, fand Körber doch noch Musse, um das von allen Seiten zuströmende Material 1365 in seiner „Parerga lichenologiea“ zu verarbeiten. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde Körber 1862 zum Königlichen Professor, 1373 zum ausser- ordentlichen Professor an der philosophischen Facultät der Universität Breslau ernannt. Die letzten Jahre widmete er vorzugsweise der Be- reicherung und Anordnung seines Herbars, welches er noch bei Lebzeiten an das Staatsherbarium zu Leiden verkaufte. Ein nachher von Neuem angelegtes Herbar in Verbindung mit einer musterhaften Typensammlung aller Lichenenarten ist nach seinem Tode für das Breslauer Universitäts- Herbarium acquirirt worden. Körber war ein unerschütterlicher An- hänger der alten Lehre von der einheitlichen Organisation der Flechten und stand der jetzt herrschenden Auffassung der Symbiose von Pilz und Alge antipathisch gegenüber. Schliesslich gedachte der Vortragende mit warmen Worten des liebenswürdigen Charakters, der philosophischen Bildung, der poetischen Begabung und der selbstlosen Hingabe für seine - Wissenschaft, welche Körber’s Hinscheiden am 27. Juli als einen schmerzlichen Verlust in unserem Kreise empfinden lassen. Hierauf gedachte Professor Cohn des am 21. November 1810 ge- borenen, am 9. September dieses Jahres verstorbenen Wundarztes Carl Gottfried Knebel. Er war ein bescheidenes, treues Mitglied unserer Section, der die Mussestunden. seines ärztlichen Berufes mit der Beob- achtung der heimischen Flora und der Cultur seltener offieineller Pflanzen in seinem Privatgarten ausfüllte. Mit emsigem Sammlerfleiss brachte derselbe Notizen über offieinelle und technische Pflanzen zusammen, 206 Jahres-Bericht welche von Dr. Rosenthal für sein schätzbares Buch „Synopsis plan- tarum diaphoricarum‘‘ 1862 benutzt wurden. Knebel’s Handexemplar enthielt so viele Nachträge, dass dieselben einen zweiten Band der „Plantae diaphoricae abgeben könnten. Sein reichhaltiges Herbar ist auf ‘ Wunsch des Verstorbenen dem Königlichen Universitäts-Herbar über- wiesen worden. Hierauf machte Professor F. Cohn Mittheilung von dem Auffinden einer neuen schlesischen Pflanze. A. Braun hatte 1876 in seiner Bearbeitung der Characeen für die schlesische Kryptogamenflora die Vermuthung ausgesprochen, dass die Auffindung der in Südeuropa verbreiteten Chara coronata im südöstlichen Zipfel von Schlesien in der Gegend des Marsiliavorkommens zu erwarten sei. Hier hat Stud. Migula im September dieses Jahres in der That die Chara coronata zu Pohlom, Kreis Rybnik OS., in einem Teiche in Gesellschaft von Aldrovanda entdeckt. Sie ist durch den Mangel an Berindung und die an der Spitze mit einem dreizelligen Krönchen ver- sehenen Borstenblätter charakterisirt. Lebende fructifieirende Exemplare wurden vorgezeigt. Im pflanzenphysiologischen Institut hat diese als einjährig bezeichnete Chara überwintert. Dr. Eidam sprach über eine von ihm auf Excrementen von Fröschen gefundene Entomophthoracee, welche eine neue und höchst eigenthümliche Gattung dieser Familie repräsentirt und vom Vortragenden den Namen Basidiobolus ranarum er- halten hat. Der Pilz wurde in seiner Entwickelung auf dem natürlichen Nährboden, sowie vermittelst Reinculturen untersucht; er besitzt Conidien und Dauersporen resp. Zygosporen. Die Conidie wird einzeln auf in die Luft ragenden Trägern gebildet; unterhalb der Conidie befindet sich eine angeschwollene Basidie, welche bei der Reife gemeinsam mit der Conidie weggeschleudert wird. Unmittelbar nach dem Abwerfen von Basidie und Conidie erfolgt noch während des Fluges durch die Luft ein zweites Fortschleudern, indem die Conidie von der Basidie ver- mittelst besonderer Organisation abgeschleudert wird. Man findet nach diesem Vorgang die collabirten Reste des Conidienträgers, die Conidie und die ebenfalls collabirte Basidie weit von einander getrennt auf dem 'Objeetträger umherliegen: mit der Basidie ist zugleich eine sehr con- stante und auffallende Gestaltveränderung vor sich gegangen. Die Conidie keimt sofort; in Nährlösung bilden sich am Mycel schon nach Verlauf von 2—3 Tagen neue Conidienträger und ausserordentlich zahlreiche Dauersporen. Bei Mangel an Nahrung erzeugt die Conidie direct eine Secundärconidie. ’ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 907 Die Dauerspore entsteht im Verlauf der Mycelfäden, indem zwei Nachbarzellen eines und des nämlichen Mycelfadens unmittelbar an ihrer trennenden Scheidewand je eine Ausstülpung in Form eines Schnabels hervortreiben und damit zu Gameten sich gestalten. Die eine Gamete schwillt immer zunächst der Scheidewand kugelig auf, während die andere klein bleibt. Nun findet eine echte Copulation, das Zusammen- fliessen des Inhaltes beider Gameten statt, in Folge Resorption der trennenden Scheidewand; niemals erfolgt dagegen die Resorption an der Spitze oder im Verlauf des Schnabels, dessen Spitzen sich bald durch Querwände als kleine Zellen abgliedern. Höchst merkwürdig ist hierbei das Verhältniss der Zellkerne, bei denen auch die Entstehung von Kern- spindeln und Kerntheilung beobachtet wurde. Das gesammte Plasma der Gameten wandert in die kugelige Anschwellung über; letztere separirt sich als runde Zygospore, welche eine dicke geschichtete Mem- bran ausscheidet, die sich weiterhin stark bräunt, sich mit erhabenen Warzen bedeckt und an welcher stets der dann ebenfalls gebräunte charakteristische Schnabel vorhanden ist. Die Keimung der Zygosporen wurde ebenfalls beobachtet, sowie alle hauptsächlichen Details in der Entwickelung des Pilzes festgestellt; unter Anderem wurde die Um- wandlung von Conidien direet in Zygosporen ohne Mycelvermittlung be- obachtet. Vortragender wird im nächsten Hefte der Beiträge zur Biologie der Pflanzen Band IV Heft 2 ausführlich seine Arbeit über Basidiobolus mit Tafeln veröffentlichen. Zum Schluss zeigte Professor Engler noch eine grosse Anzahl mit ausserordentlicher Sorgfalt von Dr. Gottsche in Hamburg her- gestellter Zeichnungen von Lebermoosen vor; letztere sind von Dr. Naumann in der Magelhaensstrasse und in Neu-Hannover gesammelt worden, In der siebenten Sitzung am 19. November machte Professor F. Cohn die Mittheilung, dass das correspondirende Mitglied Herr Ober- förster Strähler in Theerkeute bei Wronke (Provinz Posen) eine grössere Partie Pflanzen aus der Flora seines jetzigen Wohnsitzes ein- geschickt habe und legt als die interessantesten die beiden von dem- selben für Deutschland neu entdeckten Hyperica, H. japonicum Thbg. (H. gymmanthum Engelm. et A. Gr.) und H. mutilum L., vor. Auf sein Ersuchen giebt v. Uechtritz ein kurzes Resum@ über das Vorkommen, die geographische Verbreitung und das gegenseitige Verhalten beider Arten, von denen die zweite von Strähler erst in diesem Jahre, und zwar an zwei Standorten, an beiden in Gesellschaft der anderen auf- gefunden wurde, Die Beobachtungen des Entdeckers am natürlichen Standorte sprechen durchaus für die specifische Verschiedenheit; durch 208 Jahres-Bericht die Auffindung des seit 1834 auch aus Mittel-Italien bekannten H. muti- lum kann der nordamerikanische Ursprung beider Arten nunmehr als gesichert gelten; wahrscheinlich ist die Einschleppung mittels ameri- kanischen Rothklee-Samens erfolgt. Da v. Uechtritz bereits in den Berichten der Deutschen botanischen Gesellschaft von 1885 Heft 2 (in Gemeinschaft mit Prof. Ascherson) und im Bericht über die General- Versammlung in Strassburg ausführlichere Mittheilungen über beide Pflanzen geliefert hat, so kann hier einfach auf diese verwiesen werden. Zum Schluss zeigte Uechtritz noch zwei evident vierkantige Stock- sprosse von Evonymus europaea L. (ex p.) vor, die sich durch das Vor- handensein namentlich gegen den Grund hin stark entwickelter, oft diekkrustiger Korkflügel von der gewöhnlichen Form auszeichnen und somit an die analogen von Ulmus campestris und Acer campestre erinnern. Sie entstammen einem im Spätherbste 1884 um Brockau bei Breslau von Dr. Friedrich in Gegenwart des Referenten aufgefundenen, der sich, wie eine einige Tage vorher erfolgte genauere Besichtigung lehrte, als der Rest eines offenbar sehr alten, weil armstarken Individuums erwies. Auch in diesem Jahre zeigten sämmtliche Triebe die nämliche Eigen- heit, nur dass diesmal die Lenticellenbildung auf den Flächen minder stark entwickelt war. Alle anderen Sträucher des Spindelbaumes in der Nachbarschaft dieser f. suberosa (vergl. Jahresb. der bot. Section 1884) verhalten sich dagegen normal. Uebrigens ist umgekehrt von der ost- asiatischen E. alata Thbg. eine var. aptera Regel bekannt. Derselbe theilt ferner mit, dass Professor Pan&ie, der hochverdiente Florist Serbiens, einem neuerlichst erhaltenen Schreiben nach schon vor zwei Jahren einem spontanen immergrünen Strauche auf die Spur ge- kommen sei, von dem er in diesem Jahre endlich eine Anzahl lebender Stöcke erhalten, welche sich als Prunus Laurocerasus L. oder doch als eine mit dieser zunächst verwandte und in diesem Falle wohl neue Species entpuppten; der Strauch stammt von Rupije in Süd-Serbien und findet sich dort auf Moorboden in Gesellschaft von Salix pentandra L. Diese Entdeckung ist um so mehr interessant, als der in Südeuropa vielfach eultivirte und bisweilen verwilderte Kirschlorbeer in Europa spontan bisher nur aus der Umgebung Konstantinopels bekannt war, wo ihn Grisebach 1839 in den Waldungen von Therapia am Bosporus entdeckte. Seine wahre Heimath ist, das Vorkommen am Fusse des bithynischen Olymps abgerechnet, viel weiter östlich gelegen; sie beginnt ‘bei Trapezunt und reicht bis zur Provinz Ghilan des nordwestlichen Persiens; am verbreitetsten ist P. Laurocerasus in Transkaukasien. Öberstabsarzt Dr. Schröter berichtete über die mykologischen Ergebnisse einer Reise nach Norwegen, welche er in diesem Sommer unternommen hatte. Schon in der Um- gegend von Christiania treten einige Pilzformen auf, welche in Deutsch- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 209 land nicht vorkommen, wiewohl ihre Nährpflanzen dort nicht selten sind, und welche sich erst in der Alpenregion wiederfinden, wie Puccinia Morthieri auf Geranium silvaticum und Pucc. alpina auf Viola biflora. Im botanischen Garten fand ich u. a. sehr reichlich Physoderma Butomi auf Botomus umbellatus, Melampsora betulina auf Betula nana u. Ss. w. Noch weit mehr tritt das Vorherrschen einer alpinen Pilzvegetation in der Region jenseits des Polarkreises hervor. Das Auftreten einer Reihe bestimmter Formen, namentlich aus der Abtheilung der Uredineen und Pyrenomyceten, hingegen das Zurücktreten der für die grosse mittel- und nordeuropäische Waldregion charakteristischen Fülle der Hutpilze, zeichnet das hochnordische Gebiet als eine besondere Vegetationszone auch hinsichtlich der Pilze aus. Auf der Fahrt von Trondhjem nach dem Nordcap wurden an den Orten Mo im Ranenfjord, Bodö, Harstadhavn auf Hindoe, Tromsö, Ham- merfest und am Nordcap selbst bei zum Theil längerem Aufenthalte Exeursionen gemacht und Pilze eingesammelt. Im Ganzen betrug die Zahl der an den Orten jenseits des Polarkreises constatirten Arten etwa 150, wobei zu berücksichtigen ist, dass der verhältnissmässig kurze Aufenthalt an den einzelnen Stationen ein systematisches Suchen und Sammeln nicht gestattete, und dass die Pilzvegetation in der Reisezeit vom 25. Juli bis 1. August noch nicht ihre volle Höhe erreicht hatte. Am reichsten war der Befund bei Tromsö, wo bei einem zweimaligen Aufenthalte über 90 Pilzarten gefunden wurden. Am Nordcap wurden noch bei ziemlich flüchtigem Einsammeln über 30 Arten constatirt. In Bodö fand sich bei dem ersten Aufenthalt am 25. Juli die Pilz- vegetation noch wenig entwickelt, etwa wie in Mitteldeutschland Ende Mai oder Anfang Juni, die Uredineen meist erst im Aecidium-Zustand, so ÜUromyces Aconiti auf Aconitum septentrionale, Uromyces Acetosae, Puceinia Calthae, P. Poarum mit dem Aecidium auf Tussilago Farfara, Gymnosporangium Juniperi Aec. auf Sorbus Aucuparia, Aecidium Somer- feltü auf Thalictrum alpinum, Aecidium Parnassiae und ein Aecidium auf Saussurea. Puceinia Bistortae, P. Fergussonii fanden sich schon in der Teleutosporenform. Von Phycomyceten fanden sich Peronospora Alsi- nearum auf Cerastium triviale und P. densa auf Rinanthus minor. Von Hutpilzen waren Boletus scaber, B. edulis, Russula integra, Galera tenera, Panaeolus foenisecii, Pan. fimicola, Nolanea lampropus und Inocybe lacera vorhanden. Sclerotium rhizodes fand sich auf Gräsern vor. Bei Harstadhavn am 27, Juli wurde Ustilago Parlatorii (oder Ust. Kühniana, denn diese beiden Pilze lassen sich nicht scharf von einander abgrenzen) auf Rumex domesticus gefunden. Der Pilz scheint für das ganze nördliche Norwegen sehr charakteristisch zu sein. Ich fand ihn auch in grosser Menge bei Trondhjem und Tromsö, spärlicher auch bei Bergen auf der genannten Nährpflanze. Ueberall hatte er nicht allein die 1885. 14 210 Jahres- Bericht Stengel, sondern auch die Blüthenteile und die Blätter befallen. Von Phycomyceten erwähne ich Peronospora Vieiae auf Vieia Cracca, von Üre- dineen die für das norwegische Gebiet charakteristische Puceinia Geranü silvatiei auf Geranium silvaticum, welche hier in besonderer Ueppigkeit vorkam und grosse Auftreibungen und Verkrümmungen an Stengeln und Blättern hervorbrachte. Uredo Empetri, Trachyspora Alchemillae, Usti- lago Hydropiperis auf Polygonum viviparum fehlten hier ebensowenig wie an allen anderen besuchten Orten. Bei Tromsö wurde am 28. Juli im Tromsöthale gesammelt. Von den Befunden sind zunächst eine Reihe rein alpiner Uredineen zu er- wähnen: Uromyces Solidaginis, welcher in Deutschland nur auf den höchsten Stellen des Riesengebirges und Mährischen Gesenkes, sodann erst wieder in den Alpenländern vorkommt, Puceinia Fergussomi, P. al- pina, P. Geramiü silvatiei, P. Veronicae auf Veronica alpina, P. Trollü in reichster Menge auf Trollius europaeus, ferner Melampsora salicina auf Salixz reliculata und anderen Weidenarten, Uredo Polypodii auf Polypodium Dryopteris, Melampsora Epiobiü auf Epilobium alpinum. Phragmidium Rubi Idaei (Uredo), Accidium auf Taraxacum offieinale, Uredo Empetri. Auf Taraxacum fand sich der im ganzen nördlichen Norwegen sehr häufige Protomyces pachydermus. Tuburcinia Trientalis war sehr häufig vertreten. Die Hutpilze waren schon zahlreicher vertreten. Ich erwähne Poly- porus brumalis auf Betula, Psalliota campestris, Psilocybe bullacea, Inoloma erusiuliniforme, Pholiota mutabilis, Hygrophorus virgineus, Collybia dryophila, Mycena pura, Omphalia pyswidota u. s. w., von Gasteromyceten: Bo- vista plumbea, Crucibulum vulgare. Von Discomyceten fand ich z. B. reichlich Lachnum bicolor, Mollisia fusca, von Pyrenomyceten: Rosellinia mammaeformis, Melanomma pulvis pyrius, Hypoxylon multiforme Leptosphaeria culmifraga, L. eulmicola, Sordaria coprophila, 8. decipiens, Sporormia inter- media, Bertia moriformis, Gnomonia setacea, Venturia ditricha, Sphaerella maculiformis auf Birkenblättern. Auf Polygonum viviparum fand sich die zierliche Ramularia Polygoni, Ramul. Virganeae auf Solidage, auf Viola bi- Jlora: Gloeosporium violae, auf Cornus suecica eine hübsche Depazea: D. Corni sueeicae a. i., Arcyria incarnata auf Birkenholz. Bei Hammerfest sammelte ich unter anderen Puceinia Saxifragae auf Saxifraga stellaris und P. Veronicarum auf Ver. alpina; Peronospora Alsi- nearum kommt in den Strassen der Stadt sehr reichlich auf Stellaria media, weiter in das Land hinein auf Cerastium trigynum vor. Lycogala .epidendron fand ich auf den Birkendächern der Häuser. Von den Befunden am Nordeap am 30. Juli mögen folgende auf- geführt sein: Physarum cinereum, Peronospora nivea auf Archangelica offi- cinalis, P. pusilla ‚auf Geranium silvaticum, Ustilago Hydropiperis auf Poly- gonum viviparum, ÜU. violacea auf den Blüthen von Silene acaulis bis auf das Plateau des Nordeaps allgemein verbreitet, Ustilago Parlatorii in den der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 311 Blättern von Rumex Acetosa, Puccinia Trollü, Trachyspora Alchemillae auf Alchemilla vulgaris, Melampsora Saxifragae, Aecidium Sommerfeltü, Calloria Jusarioides, Helotium cyathoideum, Heterosphaeria Patella, Leptosphaeria Do- liolum, Selerotium durum mit Botrytis cinerea, Typhula Persoomit, die sechs letzteren auf Archangelica; Hypoderma arundinaceum, Leptosphaeria culmi- Jraga und L. culmorum auf Gräsern, Hypoderma versicolor auf einer kleinen Weidenart, Hypoderma commune und Pleospora vulgaris auf Rhodiola, Lepto- sphaeria Silenes acaulis. Mehrere Discomyceten und Pyrenomyceten bleiben noch für nähere Bestimmung reservirt. Bei dem zweiten Aufenthalt in Tromsö am 31. Juli wurde der liebliche Birkenwald hinter der Stadt besucht. Es fanden sich dort eine Anzahl Pilze, welche ich im Tromsöthale noch nicht gefunden hatte, z. B. Trichia inconspieua, Lycogala epidendron, Ceratium hydnoides, Perono- spora Trifoliorum auf Trifolium repens, P. gangliformis auf Solidago Vir- gaurea, P. Ficariae auf Ranunculus repens, P. parasitica auf Capsella, P. effusa auf Polygonum aviculare, P. Rumicis, P. Viciae auf V. Cracca, P. alta auf Plantago major, Ustilago Bistortarum in den Blättern von Poly- gonum viviparum, Entyloma Calendulae auf Hieracium, Puceinia Epilobir auf Epilobium alpinum, Pucc. Hieracii auf Taraxacum off., Melampsora Pyrolae auf Pyrola minor. Die Hutpilze waren etwas zahlreicher geworden, Ich erwähne davon Stereum purpureum, St. rugosum. Polyporus igniarius auf Birken, Coprinus atramentarius, Nolanea pascua, Orepidotus depluens, Pholiota praecox, Inocybe lacera, Mycena galericulata, Galera tenera, @. Hypnorum. Peziza pustulata fand sich reichlich an den Wegen, Mollisia fusca, M. einerea und Helotium virgultorum auf Birkenzweigen, Peziza equina und Ascobolus furfuracens auf Pferdemist. Nectria episphaeria auf einer kleinen Valsacee, Illosporium carneum auf Peltigera sp. Auf Hasenmist fand sich Sporormia octomera. Ramularia didyma fand ich auf Ranunculus repens. Bei dem zweiten Aufenthalt in Bodö fand ich die Pilzvegetation schon wieder viel weiter vorgeschritten. Ich fand jetzt unter anderen: Peronospora Urticae auf Urtica urens, P. affinis auf Fumaria offieinalis, P. violacea auf Knautia arvensis, P. Alsinearum auf Stellaria media und Empusa Muscae, Physoderma Menyanthidis auf Menyanthes trifohata, Proto- myces macrosporus auf Carum Carvi, Uromyces Phacae,, Urom. Trifoli auf Trif. repens, Puceinia Pimpinellae auf Pimp. Saxifraga (Aee.), Puce. Hieracii auf Carduus erispus, Pucc. Calthae mit ausgebildeten Teleutosporen, Triphragmium Ulmariae, Phragmidium Rosae (Uredo), Olavaria vermicularis, Hygrophorus conicus, Exoascus Pruni auf Prunus Padus, E. Betulae auf Betula alba, Dothidea ribesia auf Ribes rubrum. Auf der Rückreise hatte ich noch Gelegenheit, auf den Bergen um Trondhjem, bei Jerkin auf dem Dovrefjeldl, an mehreren Stellen im Romsdal, bei Veblungnäs, bei Molde auf Varden und Stor-Tuen, bei Gudvangen am Naeröfjord, bei Nystuen auf den Filefjeld u. s. w. zu 14* 212 Jahres - Bericht sammeln und hier viele für die Bergvegetation Norwegens charakte- ristische und höchst interessante Pilzformen kennen zu lernen. Hiervon will ich nur Folgendes anführen: In der Umgegend von Trondhjem fand ich am 3. und 4. August u. A.: Urocystis Agropyri auf Triticum repens, Entyloma macrosporum auf Ranunculus repens, Ustilago Scabiosae auf Knautia arvensis, Protomyces macro- sporus auf Carum Carvi, Prot. pachydermus auf Taraxacum off., Uromyces Valerianae auf Valer. off., Uromyces Aconiti (Aceidium und Teleutosporen auf demselben Blatte) auf Aconitum septentrionale, Puccinia Hieraci auf Cirsium heterophyllum, Exoascus Tormentillae, Crumenula Myricae n. sp. a. i., Coccomyces tumidus auf Blättern und Blattstielen von Sorbus Aucu- paria, Phacidium Vaceinii (Stylosporen und Schlauchfrüchte) auf Vaceinium Vitis Idaea, Sphaerotheca Castagnei auf Geranium silvaticum, Sphaerella innu- merella auf Comarum palustre, Ramularia destructiva auf Myrica Gale. Bei Jerkin auf dem Dovrefjeld am 7. August: Urocystis Anemones auf Thalictrum flavum und Aconitum septentrionale, Uromyces Phacae (Te- leutosporen), Accidium Sommerfelti auf Thalictrum alpinum, Puceinia Mor- thierii auf Geranium silvaticum, Melampsora Betulae auf Betula nana, Mel. Saxifragae auf Saxifraga aizoides, Hypoderma versicolor auf Salix sp., Cenangium Euphrasiae, Sphaerella Tassiana auf alten Stengeln von Lychnis alpina, Thalictrum alpinum, Sagina sp., Draba sp., Leptosphaeria ogilviensis auf Gnaphalium, Phoma auf Pedicularis. Auf einem Fjeld bei Stueflaten in Gudbrandsdalen am 8. August: Puceinia Vaillantii auf Galium boreale (sehr reichlich), Hypoderma zylomoides auf alten Blättern von Prunus Padus, Lachnum clandistinum auf Birkenholz, Lachnum flammeum, Sphaerella Tassiana auf Tofieldia borealis, Venturia auf Blättern von Prunus Padus. Bei Horghejm im Romsdal am 9. August: Cystopus candidus auf Arabis alpina, Ustilago violacea auf Silene rupestris, Melampsora Caryo- phyllearum auf Stellaria graminea. Polystigma Pteridis, Puccinia Morthierü. Bei Veblungsnäs am 11. August: Uromyces Aconiti, Puceinia Fergus- sonii, Melampsora salicina und Rhytisma salicinum auf Salix herbacea, Cenangium Euphrasiae, Hypoderma virgultorum auf Epilobium angustifolium, Ramularia Alchemillae auf Alchemilla alpina, Ramul. Polygoni vivipari. Bei Molde am 12. und 13. August: Urocystis Anemones und Enty- loma microsporum auf Ranunculus repens, Melampsora sparsa auf Arcto- staphylos alpinus (auf dem Stor-Tuen), Phragmidium rubi auf Rubus saxa- 'tilis. Exoascus Tormentillae, Mitrula paludosa (Weg nach dem Stor-Tuen), Lophodermium maculare auf Vaccinium uliginosum, Melanospora chionea auf Nadeln von Pinus silvestris, Fusicladium dendriticum auf Blättern von Sorbus hybridus. Am Näröfjord bei Gudwangen am 16. August: Ustilago violacea und Uromyces Behenis auf Silene inflata, Melanotaenium Linariae (bisher nur der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 213 in Schlesien und auch hier nur einmal gefunden) reichlich auf Stengeln und Blättern von Linaria vulgaris, Puccinia Thlaspeos auf Arabis alpina. Bei Nystuen auf dem Filefjeld am 18. August: Urophlyctis major auf Ranunculus arifolius, Urocystis Anemones auf Aconitum sept., Uromyces Solidaginis, Puccinia Morthierü, Phacidium repandum auf Galium boreale, Rhytisma salicinum auf Salix sp., Ranuncularia auf Bartsia alpina. Bei Oilo im Valders am 18. August: Peronospora calotheca auf Galium boreale, Bei Soeen im Valders am 19, August: Venturia Dickiei auf Linnaea borealıs. In der achten Sitzung am 3. December sprach Dr. Pax über die Morphologie und Systematik der Cyperaceen. Die Resultate seiner morphologischen Studien über die genannte Familie hat der Vortragende in seiner Habilitationsschrift (Separat-Ab- druck aus Engler’s Jahrbüchern VII) niedergelegt, auf welche wegen der Einzelheiten verwiesen werden mag, Es stellte sich heraus, dass die Aehrchen der Cyperaceen bald racemös, bald cymös gebaut sind, und im letzteren Falle ergiebt sich neben complicirten Sporenverhältnissen eine ununterbrochene Reihe, welche die denkbar einfachsten Fälle dieses Typus (Oreobolus) mit den reducirten Achsensystemen der Cariceen verbindet, Bei den Seir- poideen (mit racemös gebauten Aehrchen) tritt die Geschlechter- vertheilung auf verschiedene Blüthen sehr zurück (Scelerieae), während innerhalb der Caricoideen (mit cymös gebauten Aehrchen) nur die Rhynchosporeen, obwohl sie auch zu monoklinischer Ausbildung der Blüthen neigen, noch häufig hermaphrodite Blüthen besitzen. Je nach- dem nun die terminale (Cariceae) resp. laterale (Hoppieae) Blüthe durch Abort männlich wird, schliessen sich an die Rhynchosporeen zwei Reihen an, innerhalb welcher die Trennung der Geschlechter sich immer weiter fixirt. Hinsichtlich der Blüthenhülle hebt der Vortragende her- vor, dass die „Squamae oder setae hypogynae“ ein reducirtes Perigon vorstellen. Mit Berücksichtigung der Sporenverhältnisse und Geschlechterver- theilung ergiebt sich folgendes System der Cyperaceen, das von der Anordnung Böckeler’s und Bentham-Hooker’s erheblich abweicht: I. Seirpoideae (mit racemösen Aehrchen). 1. Hypolytreae, 2. Scirpeae. 3. Sclerieae? 214 Jahres-Bericht - II. Carieoideae (mit eymösen Aehrchen). 1. Rhynchosporeae. 2. Gahnieae., 3. Hoppieae. 4. Cariceae. Professor Dr. Engler sprach sodann über die Familie der Typhaceen. Anknüpfend an die Untersuchungen Rohrbach’s und Eichler’s zeigte derselbe, dass die Trichome am Grunde der männlichen und weib- lichen Blüthen bei Typha entschieden nicht als Perigon gedeutet werden können. Sodann wies Vortragender darauf hin, dass die Gattung Spar- ganium sich von Typha wesentlich unterscheide: 1) durch die auf Achsen II. bis IV. Grades stehenden Inflorescenzen, 2) durch das Vor- handensein eines deutlichen, oft aus zwei Kreisen gebildeten Perigons, 3) durch häufig aus zwei Carpellen gebildete Gynoecien (es ist hierbei keineswegs an Verwachsung zweier Blüthen zu denken), 4) durch das Fehlen eines Samendeckels. Es wurde ferner dargethan, dass Sparga- nium den Pandanaceen näher stehe, als die Gattung Typha, und dass es sich empfehle, Sparganium als Vertreter einer eigenen Familie anzusehen. Eine ausführlichere Abhandlung über diesen Gegenstand wird später in den Botanischen Jahrbüchern erscheinen. In der neunten Sitzung am 17, December sprach Mittelschul- lehrer G. Limpricht über neue Bürger der schlesischen Moosflora. a. Laubmoose. 5l1. Physcomitrella Hampei Limpr. in Rabenh. D. Kryptfl. IV. p. 175. Auf Schlamm an den Oderufern oberhalb Breslau zwischen Physcomitrella patens und Physcomitrium sphaericum (R. v. Uechtritz im November 1884). 912. Bryum subrotundum Brid. Riesengebirge: auf Kalkschutt am alten Bergwerke im Riesengrunde im Juli 1853 vom Vortragenden ge- sammelt, 513. Bryum Warneum Blandow. Bei Breslau in Ausstichen der Eisenbahn hinter den Kirchhöfen bei Rothkretscham am 17. November 1885 von R. v. Uechtritz gesammelt. Die Exemplare zeigen fast sämmtlich noch bedeckelte Kapseln und Zwitterblüthen. 514. Sphagnum platyphyllum Sullivant; Warnst. Massenhaft in der Öhle-Niederung bei Althof-Nass oberhalb Breslau; hier schon vor vielen Jahren durch R, v. Uechtritz gesammelt. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 315 b. Lebermoose. 148. Riccia cilüfera Link. Hierzu gehört die Pflanze von den Muschel- kalkfeldern bei Alt-Warthau, Kreis Bunzlau, die in der Kryptogamenflora von Schlesien I p. 350 als R. ciliata aufgeführt wird. 149. Cephalozia heterostipa Carr. & Spruce wird in der Kryptogamen- flora von Schlesien I p. 277 als Jungermannia inflata b. Hereynica (Hampe) aufgefühtt. Nees von Esenbeck (Nat. p. 42 etc.) bezeichnet die Pflanzen als Jungerm. inflata 8. subaggregata und y. laxa und vermuthet nach p. 5l Anm. 3 bereits, dass diese Formenreihe eine eigene Art darstellen möchte. Professor Dr. Stenzel sprach über Baumfarne aus der Oppelner Kreide. Dieser Vortrag ist in einem besonderen Ergänzungsheft unter dem Titel „Rhizodendron Oppoliense Göpp.“ dem Jahresberichte der Schles. Gesellschaft beigegeben worden. Der Custos des Herbariums der Schles. Gesellschaft, Herr R. von Uecehtritz, machte Mittheilung von den im Jahre 1885 in Schlesien gemachten neuen Phanerogamenfunden. Für die Etatszeit 1886/87 wurde der bisherige Seeretair der bota- nischen Section wiedergewählt. 216 Jahres - Bericht Resultate der Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre 15835 zusammengestellt von R. von Vechtritz. Auch im Jahre 18385 haben die schlesischen Botaniker wieder mit gewohntem Eifer für die Erweiterung unserer gegenwärtigen Kenntniss der heimischen Flora gewirkt, so dass fast aus allen Theilen des Ge- bietes zahlreiche interessante Funde bekannt geworden sind, darunter selbst eine nicht unbeträchtliche Anzahl für dasselbe überhaupt neuer oder doch sehr seltener Arten resp. Varietäten und Bastardformen. Namentlich verdanke ich umfangreichere Mittheilungen, sowohl Pflanzen- sendungen als Manuscripte, unserem Landesfloristen E. Fiek (F.) — Cunnersdorf bei Hirschberg, der mit M. Wetschky (Wy) — Gnaden- feld, die bisher völlig unbekannt gebliebene Umgebung von Woischnik im Lublinitzer Kreise mit bestem Erfolge untersuchte, ferner den Herren J. Gerhardt (Gerh.) und E. Figert (Fig.) — Liegnitz, von denen der erste inzwischen eine Flora von Liegnitz veröffentlicht hat und die Beide ihre Aufmerksamkeit namentlich denFormen und Hybriden kritischer Gattungen gewidmet haben. Weitere Beiträge lieferten die Herren Bodmann, Dr. Friedrich, W. Hübner, Kionka, Migula, Dr. F, Pax, Preiser (Preis.), Dr. W. G. Schneider (Dr. Schnd.), C. Scholz (C. Schz.), Dr. Schröter, Dr. Schube, H. Schulze, sämmtlich zu Breslau, Th. Hellwig (Hellw.) — Grünberg, Jungek — Gleiwitz, E. Müller — Pappelhof, E. Richter (Richt.) — Ziegenhals, Schmidt — Elberfeld, G. Schneider (G. Schnd.) — Schmiedeberg, der einige Mittheilungen über Riesengebirgs-Hieracien publieirte, Schöpke (Schpke.) — Schweidnitz, F. W. Scholz (F. W. Schz.) — Jauer, Schwarz — Korsenz und J. Zimmermann — Striegau, welchen ich allen hierbei der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2317 meinen verbindlichsten Dank abstatte. Ausserdem schien es mir an- gemessen, ausser der erwähnten Gerhardt’schen Flora eine Anzahl wich- tigerer Angaben einigen anderen selbständigen Publikationen zu ent- lehnen, welche wohl nur einem kleineren Kreise unserer heimischen Floristen zugänglich sein dürften. Es sind dies die folgenden: 1) E. Barber (B.) — Görlitz, Nachtrag zur Flora der Ober-Lausitz in den Abhandlungen der Naturf. Gesellschaft zu Görlitz XVII (1884); 2) Dr. E. Formänek (Form.) — Brünn, Beitrag zur Flora des böhmisch-mährischen und des Glatzer Schneegebirges (in Oesterr. Botan. Zeitschrift XXXV (1885) und XXXVI (1886), sowie 3) A. Oborny (Ob.) — Znaim, Flora von Mähren und Oesterr.- Schlesien, H. u. III. Theil (1884 und 1885). Die beiden letzteren Publikationen enthalten unter Anderem zahlreiche Mittheilungen über die verticale Verbreitung der ostsudetischen Pflanzen, Oborny’s treffliche Flora speciell auch solche über die bisher wenig bekannte Vegetation der Gegend von Weidenau und überhaupt des nordwestlichsten Zipfels von Oesterr.-Schlesien, welche einem Manuscripte des Prof. Vierhapper (Vierh.) — Ried entnommen sind, zu dem A. Latzel Beiträge lieferte, Endlich wurde noch Haussknecht’s Monographie der Gattung Epilobium (1884) selbstverständlich benutzt, da dem Autor gerade aus Schlesien reichliches Material zu Gebote gestanden hat. A. Für das Gebiet neue Species und Varietäten. + Corydalis lutea DC. Görlitz: Jauernik, an der Mauer des Schulgartens verwildert (Barber). Viola arenaria X canina (Lasch, Bot. Z. 1857 sub V. Allionii > canina, sine descript.) Uechtr. (Verh. des B. V. f. d. Pr. Brandenb. IX (1867) p. 121). Unter einem grösseren Material der V. arenaria und offenbar hybrider Formen derselben mit den anderen heimischen Arten der Sylvatica-Gruppe, welche mir von C. Scholz aus dem Brauchitschdorfer Forst bei Lüben zum Theil frisch mitgetheilt wurden, fanden sich auch einige Stöcke, die offenbar der erwähnten Combination entsprechen, über die am eingehendsten Bethke in seiner Inaugural-Dissertation über die Bastarde der Veilchen (1882) Bericht erstattet hat; Baenitz hat sie im Herb. europ. sub Nr. 4392 von den Dünen bei Neuhäuser unweit Königsberg, wo sie zahlreich auftritt, ausgegeben und auch Bethke theilte sie von dort in sehr charakteristischen Exemplaren mit, welche theilweise mit zwei früher von Lasch erhaltenen Originalen von Driesen gut übereinstimmen, über die ich schon anderweitig (bei Bethke, p. 8) referirte,. — Unsere Pflanze ist wie die ostpreussische und märkische zweiaxig, wie V. canina, an welche sie auch habituell sowie in der Farbe des Laubes, in der Grösse der blauen Blumen, die kaum oder 218 Jahres - Bericht nur unbedeutend kleiner sind, sowie durch den kürzeren Sporn erinnert, dessen Färbung indessen seltener weisslich, als vielmehr trüb röthlich- blau ist. Fruchtknoten kahl. In der Blattform hält unser Bastard so ziemlich die Mitte zwischen den Eltern; die unteren Blätter kommen denen der arenaria näher und sind bisweilen ausser durch die schwächer vortretende Nervatur niederen Grades kaum von ihnen zu unterscheiden; die oberen dagegen sind wenigstens um die Hälfte länger als breit, ihre Spitze indessen deutlich abgerundet. Auch die Stipularbildung ist inter- mediär und zugleich schwankend, sogar am nämlichen Exemplare. Be- sonders die unteren Nebenblätter sind bisweilen von denen der Y. arenaria kaum verschieden, aber auch die übrigen sind fast durchweg kürzer und breiter als bei V. canina, dabei stärker und länger gefranst; die Fransen am Grunde + verbreitert. — Während die Driesener und Königsberger Hybriden sich durch die dichte, der der V. arenaria durchaus gleiche oder ihr wenigstens sehr nahe kommende Pubescenz auszeichnen, die, wie schon Bethke bemerkt, an den Stengeln, Blatt- und Blüthenstielen weit mehr auffallend ist, als an den im Alter ziemlich verkahlenden Blättern, stellt die unsere eine f. glabrata dar, da bei ihr jene Partien völlig oder fast ganz unbehaart sind. Dagegen zeigt die Oberseite der Blätter, vorzugsweise auf den Nerven und gegen den Rand hin, nicht selten weissliche papillöse Trichombildungen. Eine ganz kahle Form der V. arenaria X canina hat übrigens auch Bethke unter zahlreichen behaarten bei Neuhäuser beobachtet, die im Uebrigen mit den letzteren vollkommen übereinstimmte (l. e. p. 11); auch theilte mir derselbe eine solche aus dem Walde von Bujaken, Kreis Neidenburg (leg. Abromeit), selbst als f. glabra mit. Die letztere ist niedriger, weit reichstengliger und zeist auch merklich längere Sporne, als die unsrige; die oberen Blätter sind weit kleiner und zugleich im Verhältniss zur Länge schmäler, Bei dieser Gelegenheit empfiehlt sich eine eingehendere Besprechung eines schon früher in Schlesien gefundenen, aber nicht genügend unter- suchten Bastardes der V. arenaria, nämlich der V. arenaria X Riviniana (Lasch sub V. Allionii >< Riviniana in sched. spec. exsice.!). Uechtr. I. e. 1867. Von dieser Hybride er- hielt ich ein umfangreicheres Material ebenfalls aus dem Brauchitsch- dorfer Forste bei Lüben; sie findet sich daselbst in zwei typisch leicht unterscheidbaren Formen, welche indessen deutlich in einander übergehen. Die höhere macht zunächst den Eindruck einer mittelgrossen, relativ ‚kleinblättrigen V. Riviniana, an welche sie auch durch die lichtere Fär- bung und die dünnere Textur des Laubes, die Gestalt der Stengelblätter, deren oberste Spitze allerdings vorherrschend abgerundet ist, erinnert; ebenso durch die ansehnlicheren, an Grösse denen der V. silvatica Fr. gleichkommenden oder dieselben noch etwas übertreffenden licht violetten Blumen, die helleren schmutzig röthlich-weissen bis weisslichen, diekeren der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 319 und meist geraderen Sporne sowie durch die kahlen Fruchtknoten wenigstens der Frühjahrsblüthen. Auch die Blattnerven, namentlich die dritter und vierter Ordnung, sind auf der Unterseite nur sehr undeutlich hervortretend. Die Bekleidung dagegen ist fast ganz dieselbe wie bei V. arenaria und tritt namentlich an den mittleren und oberen Theilen der Caulome und den Blattstielen, bisweilen aber auch auf der Oberseite der Spreite ebenso intensiv auf. Doch finden sich auch Individuen der nämlichen Form mit nur schwacher Bekleidung, die den analogen der V. arenaria entsprechen. ') Ueberhaupt sind Stöcke mit durchweg gleich- mässig starker Pubescenz allem Anschein nach selten und diejenigen vorherrschend, an welchem einzelne Stengel die erwähnte starke Be- kleidung sehr ausgesprochen zeigen, während andere fast nur an den Kanten das starke Indument der typischen V. arenaria aufweisen oder selbst, namentlich gegen den Grund, völlig verkahlen. Die Nebenblätter variiren in ihrer Gestalt, kommen aber im Allgemeinen denen der V. arenaria näher; sie sind, wie schon Bethke angiebt, nach der Mitte zu mehr oder weniger verbreitert, aber gewöhnlich länger zugespitzt und schwächer gefranst. Exemplare mit Nebenblättern wie bei V. Ri- viniana sind selten, doch mitunter finden sich ebenso schmale lang aus- gezogene obere Stipulae an vereinzelten Stengeln von Stöcken, bei denen sie sonst mehr denen von V. arenaria gleichen oder wenigstens inter- mediär sind. Für die hybride Natur dieses Veilchens spricht ausserdem die vorherrschend schlechte Beschaffenheit der Pollenkörner (etwa 75 bis 90 pCt.). — Die zweite kleinere Form gleicht habituell so wie in den Charakteren mehr einer kräftigeren V. arenaria, namentlich in der Con- sistenz, der dunkleren Färbung und im Allgemeinen auch in der Gestalt der gewöhnlich nur wenig grösseren, freilich theilweise deutlich zuge- spitzten Blätter, auch treten die Nerven niederer Ordnung schon deut- licher vor, aber die Blumen sind grösser und die Stipulae vorherrschend schmäler, lang-gespitzt, jedoch, wie bei V. arenaria, namentlich in der unteren Hälfte mit reichlicheren, am Grunde ziemlich breiten Fransen versehen, Die Mehrzahl der Lübener Exemplare zeigte schwächere Pubescenz oder selbst Hinneigung zur Verkahlung, doch fanden sich auch solche, die in dieser Hinsicht der typischen V. arenaria ganz nahe kamen, — Bastarde der V. arenaria mit V. Riviniana dürften in den srossen Kieferhaiden der schlesischen Tiefebene namentlich rechts der Oder weit verbreiteter sein, als man bisher annahm. Vorzüglich auf Schlägen finden sich beide Arten vielfach in Gesellschaft, während V. silvatica Fr., die mehr schattenliebend ist, verhältnissmässig seltener mit ) Dass auch dieser Bastard eine geringere Neigung zur Bekleidung der Spreiten als zu der der übrigen Theile zeigt, hängt wohl mit der Thatsache zu- sammen, dass im Allgemeinen von V. arenaria selbst das Gleiche gilt. 220 Jahres-Bericht V. arenaria zusammen auftritt. Um Kottwitz bei Breslau und um Birn- bäumel bei Sulau sind hierher gehörende Exemplare schon früher von Professor Engler resp. von mir beobachtet worden; eine erneute Prü- fung meines Herbars lieferte den Beweis, dass ich dieselbe Combination auch in den Forsten zwischen Lückerwitz und Schlottau (1854), hinter Katholisch-Hammer (1858) und nördlich von Trzenezin bei Oppeln (1856) und zwar überall zahlreich selbst gesammelt, aber sie für eine Varietät der V. arenaria gehalten hatte. Fast alle diese Exemplare nähern sich mehr oder weniger der zweiten von Lüben beschriebenen niedrigen Form; die Nebenblätter durchlaufen alle Mittelstufen zwischen denen der Stammeltern; relativ selten fanden sich Pflanzen mit wenig oder kaum von denen der V. arenaria abweichenden Stipulis, weit häufiger intermediäre oder selbst lanzettliche, wenig gezähnte oder nur schwach gewimperte mit lang ausgezogener Spitze. — Bei Lüben und im Schlottauer Forst scheint auch die diesem Bastarde sehr ähnliche V. arenaria > silvatica Focke (V. arenaria >< silvestris —= V. cinerascens Kerner! in Oest. Bot. Z. XVII (1868) p. 20) vorzu- kommen, die sich vorzugsweise durch länger gespitzte obere Blätter, schmälere Petala und Sporne, welche zugleich dunkler gefärbt sind, unterscheidet, doch verdient wenigstens die schlesische Pflanze noch genauere Beobachtung in lebendem Zustande. Auch Fiek (FI. v. Schl.) glaubt diese Hybride bereits bei Kuhbrück unweit Deutschhammer ge- funden zu haben. Sie wurde ausserhalb Schlesiens zuerst von Kerner in Mittel-Ungarn und bei Innsbruck, später von Anderen in Ingerman- land sowie in Öst- und Westpreussen unterschieden. Von Dr. Sanio erhielt ich sie aus der Dallnitz bei Lyck (1873), von wo sie Bethke nicht angiebt und von dem verstorbenen G. Becker ohne Bezeichnung von Boppard a. Rh. — Uebrigens ist bei der Beurtheilung der Bastarde der arenaria zu erinnern, dass die Bekleidung der Biattoberseite für sich allein von keiner Bedeutung ist, da dieselbe, wenn auch meist nur zer- streut, häufig genug bei zweifellos reiner V. silvatica und V. Riviniana auftritt, selbst in Gebieten, in denen Y. arenaria ganz oder doch auf meilenweite Strecken fehlt. Trifolium pratense L. var. maritimum Marsson. Liegnitz: nicht selten an der Freiburger Bahn beim Kirchhofe!, Bruchmühle (Ger- hardt schon 1884); Lüben: Gr.-Kriechen an Feldwegen und Rainen! (Figert 1884); Gr.-Glogau: Fröbel, Schönau, Seppau an Wegrändern . nicht selten (Ders. 1885). Ausserdem von Gerhardt 1884 häufig bei Sorau (Niederlausitz) beobachtet. Kräftig; Stengel, Blattstiele, Neben- blätter und Kelche von abstehenden Haaren mehr oder weniger dicht rauhhaarig bis zottig. Auch der Rand und die Unterseite der Blätter zeigen eine ähnliche Bekleidung, die jugendlichen Blätter und deren Stiele sind besonders dicht weisszottig. Gerhardt hat 1885 in seiner der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 221 Flora von Liegnitz auf meinen Vorschlag die vorstehende Bezeichnung für diese auffallende Abart gewählt, obschon ich Original-Exemplare nicht gesehen habe und die im Uebrigen zutreffende Beschreibung des Autors in einem Punkte wenigstens auf das von Gerhardt mitgetheilte nicht passt. Die Köpfe stehen bei diesem wohl einzeln, sind aber nicht kurz gestielt, sondern sitzend und von Laubblättern umhüllt. Indessen varlirt auch T. pratense mit wie gewöhnlich angedrückter oder höchstens aufrecht abstehender schwacher Bekleidung in dieser Hinsicht und es finden sich selbst Stöcke, bei denen einzelne Stengel sitzende behüllte Köpfe tragen, andere nackte kurzgestielte oder wo die der Zweige eines und desselben Stengels sich verschieden verhalten. Sehr stark abstehend bekleidete Exemplare von den Salinen bei Greifswald (leg. Professor Dr. Arndt) zeigen ebenfalls durchweg sitzende, aber von vorherrschend kleineren und schmäleren Blättern gestützte Köpfe. — Die älteste Be- zeichnung für diese Form ist vielleicht T. pratense var. villosum Wahlbg. (fl. gothoburg.), dessen Diagnose mir unbekannt geblieben ist; Wahlen- berg führt in seiner Flora suecica nur _den Namen an, ebenso H. Mor- tensen (Nordostsjaellands Flora). Von Letzterem ausgegebene Exem- plare sind indessen mit der schlesischen Pflanze nicht identisch und ent- sprechen wegen der weit schwächeren und kürzeren, zum Theil an- liegenden oder nur aufrecht abstehenden Bekleidung, die an den unteren Stengelpartien sich fast völlig verliert, nicht einmal den Namen; auch die der Blätter weicht nicht wesentlich vom Typus ab, dem sie in der Tracht vollkommen gleichen. — Das T. pratense var. hirsutum Celak. (Re- sultate d. bot. Durchforschung Böhmens 1884) von Chudenitz kommt der kurzen Beschreibung nach mit dem offenbar spontanen niederschlesischen Klee allem Anschein nach überein, doch wurde die Pflanze dort nur eultivirt und angeblich aus amerikanischem Kleesamen erzogen. In der That hat der Autor ein Exemplar des Tr. pratense von Chicago ver- glichen, welches die gleiche Bekleidung zeigte; ebenso besitze ich selbst ein vollständiges von Rahway (New-Jersey) durch meinen Freund Dr. Heuser, welches dem Liegnitzer vollkommen entspricht, nur dass bei ihm die abstehenden oder selbst etwas nach unten gerichteten Haare an allen Theilen, zumal auch an den Blättern, noch stärker und gleich- mässiger vertheilt auftreten. Auch dieses zeigt einen sitzenden, am Grunde belaubten Kopf, während der eines zu derselben Abart gehörenden einzelnen Stengels deutlich gestielt ist; der letzte ist vom Prinzen Paul von Württemberg ebenfalls in Nordamerika gesammelt, doch ohne genauere Standortsangabe. Das gewöhnliche T. pratense erhielt ich von Professor Allen aus Connecticut;. übrigens ist diese Art in Amerika nur durch Cultur naturalisirt, nicht ursprünglich einheimisch. — Eine Form, welche die als var. maritimum angesprochene mit der gewöhnlichen deutlich verbindet, sammelte M. Firle in Olivenhainen bei San Remo 322 - Jahres-Bericht Sie gleicht habituell vollständig einem niedrigen T. pratense; der nur 16 cm hohe Stengel zeigt nebst den Blattstielen mit Ausnahme des untersten vollkommen kahlen Drittels abstehende, stellenweise recht dichte Zottenbekleidung, auch die Blätter sind stärker wie gewöhnlich bald abstehend, bald anliegend behaart; die Stipulae dagegen durchweg kahl mit Ausnahme der langgewimperten grannenartigen Spitze. Rubus nitidus W. et N. Görlitz (Focke in Potonie, Illustr. Flora von N.- und M.-D.). Rosa graveolens Gren. (in G. G. Fl. de Fr. var. « excel. v. v. B et y; Fl. de la chaine jur.). Görlitz: Landskrone! (Dr. A. Schultz 1873, als R. rubiginosa), diese der verkahlten Var. calcarea Christ (var. thuringiaca ej.) entsprechend; ebenso um Landeshut: Reussendorf 1880! (Dr. Pax); diese von Christ selbst anerkannt; Friedland: eine ähnliche, aber minder derbblätterige an Steillehnen der Steine bei Heinzendorf (1876 F., vergl. Jahresb. 1876); Grünberg: Heiders-Berg! (Hellw. 1876 als „R. rubigin.?‘“); diese sich durch dichtere Bekleidung der Unterseite der Blättehen an die var. a typica Christ anschliessend, aber mit nur schwach behaarten, nicht filzigen Blattstielen. Mit R. sepium Th. nahe verwandt und gewissermaassen, wie schon Christ und Keller (bei Haläcsy und H. Braun) andeuteten, mit ihr durch die in Schlesien häufigere R. inodora Fr. verbunden, aber von beiden durch die Hetera- canthie abweichend und auch sonst im Allgemeinen leicht unterscheidbar; sie verhält sich speciell zu R. sepium wegen der kurzen gedrungenen In- florescenz, der zuletzt aufrechten länger bleibenden Kelchzipfel, der gewöhn- lich lebhafter gefärbten Petalen und der wie bei R. inodora Fr. stärker bekleideten kurzen Griffel ähnlich, wie R. glauca Vill. zur R. canina L. Ausserdem werden meisthin die deutlich gestielten, nicht sitzenden sub- foliaren Drüsen als für sie charakteristisch hervorgehoben, doch ist wenigstens für unser Gebiet diesem Merkmale kein besonderes Gewicht beizulegen, da solche auch bei R. inodora nicht gerade selten auftreten und zwar finden sie sich bei dieser nicht etwa nur auf verschiedenen Blättehen, sondern mitunter auf demselben mit sitzenden vermischt. Wenn nun bei R. inodora, wie es namentlich bei dem reichlichen durch Wetschky von Warmuntau bei Gnadenfeld mitgetheilten Material öfter der Fall ist, zugleich die mehr nach Art der R. graveolens geformten Kelchzipfel nach dem Verblühen abstehen oder sich aufrichten, so haben wir es offenbar mit einer entschiedenen Uebergangsform zu letzterer zu ‘ thun, besonders, wenn sie bis zur völligen Reife der Scheinfrucht per- sistiren, so u. a. bei am 25. September 1875 von J. Zimmermann am Breiten Berge bei Striegau gesammelten Exemplaren, zu denen ich schon früher auf der Scheda bemerkte: R. inodora Fr. forma ad R. graveolentem Gren. vergens: sepala diutius persistentia ereeta! Im Uebrigen erinnern weder diese Exemplare, noch die Wetscehky’schen stets weissblüthigen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 333 sowie ähnliche vom Grochberge bei Frankenstein, wo wie an den übrigen Fundorten auch die Normalform vorkommt, habituell an R. graveolens; vielmehr gleichen sie im Wuchse, in der Verzweigung, der Blattform und der gleichförmigen groben Bestachelung ganz dem schwedischen Typus, welchen ich von Fries selbst aus Bohuslän besitze und den ich ausserdem in mehrfachen von Scheutz und Winslow in derselben Provinz bei Orost gesammelten Exemplaren vertreten habe; im Ganzen eonform mit diesen ist ausserdem auch die von J. Lange von Hobro in Jütland mitgetheilte R. imodora, nur dass die mittlere Blüthe des dreiblüthigen Corymbus deutlich aufrecht-abstehende Kelchzipfel zeigt, während die der beiden anderen durchweg zurückgeschlagen sind. Da- gegen weicht ein von Scheutz bei Lyflabro in der Provinz Halland gesammeltes und als R. inodora Fr. bezeichnetes Exemplar von der typischen Form Skandinaviens in ganz ähnlicher Weise ab, wie die schlesischen Zwischenformen"), ja es erinnert auch habituell, sowie durch das Auftreten ungleicher, z. Th. zarterer und fast gerader Stacheln wenigstens an einzelnen Zweigen entschieden noch deutlicher an R. gra- veolens, mit welcher es auch die wenigstens theilweise gestielten sub- foliaren Drüsen gemein hat. Die Inflorescenzen sind einblüthig, zwei Fruchtkelehe sind aufrecht, an dem dritten in gleichem Stadium (Halb- reife) befindlichen Receptakel sind die Sepala zurückgeschlagen. Diese Form nähert sich somit den kahleren der R. graveolens, speeiell der var. calcarea Christ bereits in so hohem Grade, dass sie richtiger wohl schon zu dieser, als zu R. inodora gezogen werden müsste, Sie verdiente um so mehr weitere Beachtung, als die R. graveolens Gren. bisher wohl schon aus Norddeutschland, meines Wissens aber noch nicht aus Skandinavien bekannt ist. Uebrigens ist zu bemerken, dass schon Fries selbst (Summa Veg. I 175) den Fruchtkeleh seiner R. inodora als „‚patens tarde deeiduus“ bezeichnet, allerdings im Gegensatz zu den Caninis, obwohl, wie gesagt, von ihm selbst ausgegebene Exemplare zurückgeschlagene Zipfel zeigen. Vergl. auch Borbäs (Primit. mon. Ros. hung. p. 477), der auch die Scheutz’sche R. inodora aus Halland gekannt zu haben scheint. — Das Vorkommen und die Verbreitung betreffend schliesst sich die R. inodora Fr. der R. graveolens Gr. ebenfalls insofern näher an, als sie fast ausschliesslich auf das südliche Skandinavien und das östlichere Mitteleuropa (südlich bis N.-Oesterreich, hier selten, und N.-Ungarn) be- schränkt scheint”), wo sie fast überall, auch in Schweden (vergl. Fries, ‘) Von Hybridität kann bei dieser nicht die Rede sein, da ausgesprochene R. graveolens an ihren Standorten fehlt. ”) Nach Ghrist allerdings ausnahmsweise auch in England und in der Rhein- pfalz. Dagegen erklärt Crepin (Prim. Mon. fase. VII) ausdrücklich, dass er aus England noch nie die R. inodora gesehen habe. 224 Jahres-Bericht fl. halland. et Novit.) Berggegenden oder Waldgebiete vorzieht. Für Schlesien gilt, wie überhaupt für alle unsere Sepiaceen, das Gleiche, die meisten bisher bekannt gewordenen Standorte vertheilen sich auf das niedere Vorgebirge und die bewaldeten oder felsigen Anhöhen der angrenzenden Theile der Ebene von der Ober-Lausitz bis nach Oesterr.- Schlesien, resp. auf Oberschlesien. In den wärmeren und tieferen Lagen des Gebietes, wie z. B. in der mittelschlesischen Ackerebene und im Oder- thale, speciell in der an Rosen sonst reichen Umgegend von Breslau gehören Sepiaceen überhaupt zu den grössten Seltenheiten oder fehlen auf weite Strecken. Erst im äussersten Nordwesten, in der Gegend von Grünberg, wird die Gruppe wieder durch einige Formen repräsentirt; hier tritt bereits eine mehr dem Typus der R. graveolens entsprechende Sepiacee auf (vergleiche oben!), während die var. calcarea Christ auf das niedere Vorgebirge beschränkt scheint. Die R. graveolens ist im Wesent- lichen auf Centraleuropa beschränkt, dort aber von weiter Verbreitung; am häufigsten in dessen westlicher Hälfte bis nach Central- und Süd- Frankreich, auch noch stellenweise in Norditalien; östlich bis zum westlichen Schlesien, Böhmen, Mähren, N.-Oesterreich (selten), Ungarn (hier verherrschend in schon abweichenderen Formen); eine fraglich unter diesem Namen von Pan&id aus Nord-Serbien (von Klokocevae) erhaltene Sepiacee gehört zu R. sepium. Die R. cheriensis Desegl., die zu den mehr typischen Formen der graveolens gehört, soll nach Borbäs (l. e. p. 484) noch am Athos vorkommen, aber die Bemerkung „vidi e m. Athos incompletam‘‘ gestattet wohl noch Zweifel. — Im Süden ihres Verbreitungsbezirkes ist R. graveolens eine echte Gebirgspflanze, aber auch in Deutschland und Oesterreich-Ungarn zieht sie die Berggebiete vor, im norddeutschen Flachlande ist sie sehr selten und nur an ver- einzelten Standorten beobachtet (Christ, Bot. Centr.-Bl. XVIII 1884). — Dagegen ist R. sepium Th.') vorherrschend auf den Süden und Südwesten Europas und auf wärmere Lagen beschränkt; in ihrer ausgeprägtesten kleinblätterigen Form, die man speciell als R. agrestis Savi zu bezeichnen pflegt, namentlich auf das westliche und mittlere Mediterrangebiet. Von Spanien über Frankreich (verbreitet) bis Belgien (selten) reichend, geht sie über Süddeutschland, Thüringen, Böhmen, Schlesien, Mähren nach Ungarn und dem Banat; von hier zurück durch Serbien, Bosnien, Croatien, Dalmatien u. s. w. Im Orient fehlt sie nach Boissier’s Fl. or. Es ist nun eine auffällige Thatsache, dass, während im westlicheren und süd- licheren Europa, wo R. sepium zu den verbreiteteren Rosen-Typen ge- hört, die kahleren Formen vorherrschen, die somit als die typischen ı) Nach Burnat et Gremli wäre R. agrestis Savi als älterer Name voran- zustellen, weil der Autor nicht allein die kleinere Form darunter verstanden hat. u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 325 gelten müssen'), gegen Osten und gerade da, wo die Art die Grenzen ihres Gesammtareals erreicht, das umgekehrte Verhältniss eintritt, so dass beispielsweise aus Schlesien bisher mit Sicherheit nur behaarte bekannt sind. Gleichzeitig werden in der nämlichen Richtung die macro- phyllen, die im Westen neben den vorzugsweise südlichen mierophyllen Sepium-Racen auftreten, nach und nach dominirend; bei ihnen verliert sich zugleich oft genug die Tendenz zur Keilform der Basis der Blättchen, während die Spitze breiter und stumpfer wird. So kommt es, dass unsere R. sepium im Ganzen habituell den beiden anderen Sepiaceen bei weitem mehr gleicht, als den schmal- und kleinblättrigen Formen des eigenen Typus. Und doch ist gerade in Schlesien die R. sepium jenen gegenüber besser abgegrenzt, als diese unter sich; man erkennt sie leicht - an den nach dem Verblühen stets zurückgeschlagenen, früher abfälligen Kelehzipfeln und den verlängerten, ganz kahlen oder nur mit vereinzel- ten Haaren bekleideten Griffeln. Bestachelung durchweg gleichförmig, grob, im Allgemeinen spärlich; Colorit des Laubes matter; Stiel und Mittelnerv der Unterseite der Blättehen mehr oder weniger dicht behaart, ersterer zumeist filzigs und minder drüsenreich; auch die untere Fläche der Blättchen nicht blos an den Nerven bekleidet, mit sitzenden, meist nur mässig zahlreichen Drüsen, daher nicht rauh, die obere, namentlich an den jüngeren Blättern, mit zerstreuten Haaren; Blumen stets weiss. Griffel kahl. — Dies ist die var. pubescens Rap., Christ, nach dessen eigener Bestimmung; hierzu gehört allem Anschein nach die R, vinodora Kerner, die bereits Christ (Rosen der Schweiz) als Synonym eitirt; sie repräsentirt die stark bekleideten Formen mit in der Mitte am breitesten, steiler gezähnten Blättchen, die dem Sepium-Typus noch am nächsten kommen. Hierzu namentlich die R. sepium von der Steinmühle bei Leob- schütz (Sintenis). Häufiger ist der Typus der von Christ als var. pubescens beschriebenen Race mit minder deutlich verschmälerten Blättern. Von Löwenberg (am Lips bei Siebeneichen, leg. Dresler) besitze ich eine mehr abweichende, der var. robusta Christ nahe kommende Form mit sehr grossen breiteren und relativ kürzeren (ca. 20:30—35 mm), am Grunde noch weniger verschmälerten verkehrt-ovalen bis rundlich elliptischen, unterseits nur schwach drüsigen Blättern, langen, nicht selten schwach behaarten Blüthenstielen, mehr- (bis 5-) blüthigen Corymben und schwach bekleideten Griffeln; indessen sind die Blattstiele und Blätter nicht kahl und namentlich erstere beinahe ebenso stark filzig, wie bei unseren gewöhnlicheren. Zu R. sepium pubescens, nicht zu KR. inodora Fr. gehört auch die R. Kluckii der Günther’schen Centurien von Strehlen. — Eine besonders interessante Sepiacee aus dem Nitmptscher ') „Les variations pubescentes sont beaucoup moins communes et moins repandues que les variations glabrescentes“ (Crepin, l. ec. VII p. 181). 1855. 15 226 Jahres - Bericht Hügellande reiht sich ebenfalls an R. sepium an; sie wurde zuerst von Fiek im Mai 1884 in einer Anzahl Sträucher am Gebüschsaum der Nordlehne der Schlucht der Tartarenschanze bei Priestram in unent- wickeltem Zustande mit z. Th. noch persistenten Scheinfrüchten vom Vor- ‚ jahre gefunden und von mir am 13. Juni 1885 in Gesellschaft der Herren Dr. Friedrich und Dr. Schube wieder aufgesucht. Wir trafen sie grade im Beginn der Anthese und konnten selbst zu dieser Periode eben- falls noch das Vorhandensein ziemlich zahlreicher überwinterter, z. Th, nicht geöffneter Receptakeln mit wohlgebildeten Carpellen constatiren. Sie bildet niedrige Büsche von intricatem sparrigem Wuchse, mit auf- fallend geringer, auf weite Partien namentlich an den älteren Aesten ganz fehlender, übrigens conformer, sehr kräftiger Bestachelung,. Die Färbung des Laubes ist mattgrün, an den blühenden Zweigen bisweilen etwas gelblich-grün, unterseits blasser mit einem Stich ins seegrüne. Blattstiele aschgrau-filzig, relativ schwach drüsig, auf dem Rücken mit zer- streuten gelblichen meist graden Stachelchen. Blättehen und Nebenblätter der jüngsten sterilen Triebe dicht weissgrau-filzig; an den erwachsenen die ersteren am Hauptnerv der Unterseite dieht mit längeren weichen Haaren, auf den seitlichen und auf den Flächen wie die Oberseite mit meist nur spärlicher kurzer, zuweilen sich verlierender Bekleidung. Drüsen der Unterseite sitzend bis fast eingesenkt, mässig, gewöhnlich ungleich vertheilt, an einzelnen Blättehen undeutlich oder fast fehlend, an anderen dagegen deutlich und ziemlich zahlreich, Nebenblätter am Rande und unterseits reichlich drüsig, die mittleren fast gleichbreit, mit kurz gespitzten Oehrehen. Blättchen kurzgestielt oder sitzend, im Um- riss länglich, oval oder oboval, seltener breit elliptisch und dann am Grunde fast abgerundet, sonst allmählich schmäler werdend, nur die der obersten blühenden Zweige bisweilen deutlicher keilig und zugleich spitz, die der sterilen oft stumpf. Zahnung 2—4fach zusammengesetzt, bisweilen fast einfach, offener und breiter als bei den meisten übrigen Sepiaceen, dann etwas an die der R. corüfolia erinnernd, meist nur gegen die Spitze steiler, schärfer und mehr genähert. Gegen die Basis werden zwar die Zähne sehr klein, anliegend, aber sie reichen gewöhnlich bis an den Blattstiel oder sind wenigstens durch Stieldrüsen angedeutet. Blüthenstiele einzeln oder 2—3, kahl, kurz, in den verlaubten Deckblättern mehr oder weniger verborgen. Kelchzipfel drüsentragend, auf der Rück- seite schwach bekleidet oder verkahlt, unterseits und am Rande stärker behaart, bald nach der Anthese zurückgeschlagen, die äusseren mit schmalen verlängerten Anhängseln. Blumen klein, rein weiss. Griffel kahl (ob später verlängert?). Scheinfrucht klein, fast kuglig, so lang oder etwas länger als der kurze Stiel. — Zu derselben Form ge- hört nach einem von Grabowski gesammelten Blüthenzweige die der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2217 R. Kluckii W. et Gr. von Cudowa; ebenso entspricht ihren breitblätterigen Exemplaren eine von Vocke auf Kalkhügeln bei Nordhausen in Thü- ringen gesammelte und als R. canina var. collina ausgegebene Sepiacee ganz gut, abgesehen von den drüsenborstigen Blüthenstielen und den in frischem Zustande allem Anschein nach blassröthlichen Petalen, die offenbar den Anlass zu der unrichtigen Bestimmung gegeben haben. Alle schlesischen Sepiaceen, die ich bisher kennen lernte, besitzen durch- aus glatte Blüthenstiele (vergl. auch W. und Gr. Fl. Sil.) und verhalten sich in dieser Hinsicht ganz so wie unsere Caninae, die behaarten nicht ausgeschlossen. Obwohl ich unzählige Exemplare der verschiedensten Formen auch dieser Gruppe auf diesen Charakter geprüft habe, ist es mir nie gelungen, eine hispide Canina (R. andegavensis Bast. etc.) zu er- mitteln, obschon solche selbst im südlichen Seandinavien noch auftreten; bei uns zeigen nur die Trachyphyllae und die unzweifelhaften Galliea- Bastarde mit den Caninis jenes Merkmal. — Als eine besondere Race oder Varietät der R. sepium möchte ich die eben besprochene Nimptscher Rose, die übrigens einige Aehnlichkeit mit der indessen noch kahleren R. arvalica Pug. besitzt, wenigstens vorläufig nicht gelten lassen, da sie sich variabel verhält und ich sie auch noch nicht in allen Stadien kennen gelernt habe; ich bezeichne sie daher einstweilen als R. sepium Th. var, pubescens Rap. f. intricata. — Erwähnenswerth scheint noch, dass die grossblätterigen stärker bekleideten Sepium-Racen des Ostens im Gegen- satz zu den typischen des Westens und Südens wie R. graveolens und R. inodora vorzugsweise ebenfalls Bergbewohner sind und campestre Gebiete zu meiden scheinen. In Schlesien finden sie sich nur in der Region der sudetischen collinen Vorlagen oder im Vorgebirge selbst, das Gleiche gilt wenigstens annähernd auch für Böhmen, Mähren und Nieder- Oesterreich. So sagt u. a. Velenovsky (Oest. bot. Z. 1884 p. 195): Dagegen (im Gegensatz zu den Rubiginosis) ist Südböhmen die wahre Heimath von R. sepium (besonders R. graveolens), welche kältere und höhere Lagen liebt; sie wächst in Höhen, wo überhaupt die Rosen ihre verticale Grenze erreichen. Wahrscheinlich gehört die von V. als sepium bezeichnete Rose ebenfalls zur var. pubescens, die auch in Mähren bis in die Gesenkethäler (Gr.-Ullersdorf! leg. Oborny) aufsteigt. — Erwägt man das Gesammtverhalten der drei besprochenen Sepiaceen in Schlesien gegen einander, so stände zunächst nichts Wesentliches im Wege, um die R. graveolens als Race event. Varietät zu R. inodora Fr.') zu ziehen, wie dies schon von Burnat und Gremli (Roses des Alpes marit.) ge- schehen ist, im Gegensatze zu Cr£&pin (l. e. p. 87), der letztere in den Y) Oder auch, wenn man starren Prioritätsprineipien huldigt, das Umgekehrte, was aber den Thatsachen gegenüber, dass R. graveolens Gren. die verbreitetere und zugleich die von R. sepium Th. entferntere Form ist, unnatürlich wäre. 15° 3238 Jahres- Bericht Formenkreis der R. sepium verweist und sich auch gegen die Christ’sche Anschauungsweise ausspricht. In anderen Gegenden mag die R. inodora auch engeren Anschluss an R. sepium zeigen, wie denn Cre&pin selbst bemerkt, dass es auch Formen der R. sepium gebe, deren Griffel ebenso stark behaart seien, wie bei der schwedischen R. inodora, die nach Lange und Scheutz in Dänemark variabler zu sein scheint, als in Schweden. Das würde dafür sprechen, dass alle drei Sepiaceen schliess- lich nichts weiter darstellen, als prononcirtere Formen eines einzigen Typus, für den alsdann der Name R. sepium Th. voranzustellen wäre. Epilobium alsinefolium X obscurum Hausskn. (E. obscuro X origanifolium Lamotte, Prodr. de la Flore du plat. centr. Fr., E. riwvuli- colum Hausskn.). Riesengebirge: Zwischen den Schüsselbauden und Spindelmühl am 17. August 1885 von Fiek entdeckt und bereits richtig gedeutet. Eigenthümlicherweise bisher nur aus den Gebirgen Central- Frankreichs, den Pyrenäen und der iberischen Halbinsel bis zur Sierra Nevada bekannt. — In zwei Formen, die aber im Allgemeinen eine so nahe Verwandtschaft zeigen, dass es sich nicht lohnt, sie besonders zu bezeichnen. Die eine grössere ist durch die aufrechteren, meist mehr oder weniger verzweigien, steifen und derberen, 50—55 mm hohen Stengel mit längeren Zweigen, die andere durch die meist aus bogigem Grunde aufsteigenden, schlafferen, einfachen, nur selten mit ein oder dem anderen kurzen Zweige versehenen Stengel und die nur mässig langen Inflorescenzen zu unterscheiden; in den übrigen Charakteren stimmen beide überein. Stengel an der Spitze aufrecht oder nur wenig geneigt, unten kahl, oberwärts namentlich an den herablaufenden Linien oder auch (im obersten Theile stets!) gleichmässig von kurzen, etwas krausen Haaren ziemlich gleichmässig pubescirend, längere drüsentragende Haare fehlend oder höchstens ganz vereinzelt eingemengt. Blätter ei- lanzettlich, namentlich die oberen, oder breit länglich-lanzettlich, in einen kurzen Stiel verschmälert, nur einige wenige im Beginn des zweiten Drittels des Stengels fast sitzend, deutlich buchtig gezähnelt, seltener die obersten fast ganzrandig, verkahlend oder bei der grösseren Form auch schwach und unregelmässig kurzhaarig, zumal am Rande, matt oder mit kaum merklichem Fettglanze; die mittleren und oberen alternirend. Inflorescenz locker, besonders auffällig bei der grösseren Form. Kelche grün, behaart, mit lanzettlichen spitzen Zipfeln; Blüthenknospen ziemlich aufrecht bis etwas nickend, spitz; Blumenblätter /,— '/, länger als der Kelch, 6 -9 mm lang, getrocknet intensiv lila. Kapseln schmal-lineal- vierkantig, wie der Stiel angedrückt grauflaumig und mit vereinzelten längeren abstehenden Drüsenhaaren, bisweilen schon lange vor der Reife von der Spitze aus schrumpfend. Samen fast durchweg abortirend; an dem einzigen Exemplare, welches bereits einige schwach aufspringende Kapseln zeigte, fand sich nur in der einen ein einziger, anscheinend der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 329 entwickelter, in Farbe, Gestalt und Grösse ganz denen des E. obscurum gleicher, aber zugleich wie bei E. alsinefolium völlig papillenloser Same. Was die ungeschlechtliche Vermehrung anbetrifft, so liess sich dieselbe nicht genügend feststellen; an einem Exemplar sind unterirdische kurze mit schmutzig-violett gefärbten Niederblättern versehene Sprosse schon zur Blüthezeit vorhanden, wie bei E. alsinefolium.. Von diesem unter- scheidet sich die sudetische von den von Haussknecht beschriebenen Formen etwas abweichende Hybride leicht ausser durch den Habitus, der namentlich infolge der ausgesprochenen Neigung zu verlängerter Zweigbildung bei der grösseren Form entschieden an E. obscurum Schreb. (E. virgatum Fr.) mahnt, durch die stärkere Bekleidung der mittleren und oberen Stengelpartien, durch minder derbe, mattere, im Verhältniss zur Länge schmälere, in der Zähnelung mehr denen der anderen Art gleichende Blätter, durch lockerere längere Infloreseenzen, ferner durch die grünen, zugleich ziemlich stark bekleideten Kelche sowie durch dünnere und schlankere, dabei aber kürzere, dicht grauflaumige Kapseln und durch die Gestalt des Samens. — Von E. obscurum weicht sie durch die Sprossbildung (ob stets?) durch die fast durchweg in einen deutlichen Blattstiel verschmälerten, relativ kürzeren Blätter, deren srösste Breite in das untere Drittel fällt, durch etwas grössere Blumen und die glatte Testa ab. E. collinum X palustre Hausskn. (E. Krausei Uechtr. f. IL in Öest. Bot. Z. 1874, E. Krause: Hausskn. Monogr. 1884). Hb. Scholtz, als E. scaturiginum Wimm., ohne nähere Standortsangabe, doch allem An- schein nach aus dem Riesengebirge! E. palustre X roseum Lasch (E. purpureum Fr.)). Liegnitz: vor Lindenbusch! (Figert, cfr. Gerh. Fl. v. Liegnitz p. 123). E. collinum X montanum Hausskn. (E. confine ejusd.). Striegau: Georgenberg! (J. Zimmermann); cefr. Hausskn. Monogr. E. obseurum (= virgatum) X parviflorum Michal. (E. dacieum Borb.). Neisse: Neisseufer bei Giessmannsdorf (M. Winkler t. Hauss- knecht |. c.). E. alsinefolium x anagallidifolium Hausskn. (E. Boissieri ejusd,).. Sudeten (Tausch), Kl. Schneegrube! (J. Kablik) t. Hausskn. Monogr. E. alsinefolium X nutans Hausskn. (E. finitimum ej.). Riesen- gebirge (Sendtner); Glatzer Schneeberg! (Hieronymus) t. Hausskn. E. alsinefolium X Irigonum Hausskn. (E. amphibolum ej.) Rie- sengebirge: Elbfall (Baenitz) t. Hausskn, E. anagallidifolium X nutans Hssk. (E. Celakovskianum ej.). Riesengebirge: Schneegruben (J. Kablik) und (als E. nultans var. inter- medium Cel. Prodr.) um die Elbquellen, (t. Hsskn.) 230 Jahres-Bericht + Bifora radians M.B. Gleiwitz: seit einigen Jahren auf urbar gemachten Ruderalstellen an der Eisenbahn bei der kgl. Hütte! (Jungek.) Senecio aquaticus Huds. Hoyerswerda: verbreitet auf den Elster- wiesen nördlich und südöstlich der Stadt, besonders nach Seidewinkel hin! (Sehmidt.) — Wahrscheinlich in der Niederung der schwarzen Elster im ‚ Laufe der Zeit vom Elbthale aufwärts gewandert; fehlt im böhmischen Elbgebiete und im gesammten schlesischen Odergebiete, sowie weiter nach Südosten ganz, wo er überall durch 8. erraticus Bert. ersetzt wird. Carlina vulgaris L. var. nigrescens Formänek (Oest. B. Z. 1834 p. 201). ‚Dornen der oberen Blätter und der Hüllblätter sammt den Spitzen derselben auch beim Trocknen kohlschwarz, mit etwas liehteren Enden.“ Gesenke: Schoberbusch bei Freudenthal (Form.); Jablunkapass (Uechtr.); Lähn: Eichberg! (Nagel); Breslau: Obernigk sparsam (Uechtr.) und wohl noch weiter verbreitet, namentlich im Vor- gebirge; ich besitze diese übrigens durch Uebergänge ') mit dem Typus verbundene Form auch noch mehrfach aus N. Ungarn, Westgalizien (z. B. Zabornia bei Neumark: Fritze), und aus Polen. — Borbäs sagt (Oe. B. Z. 1884 p. 268): „Carlina vulgaris L. var. nigrescens 1. c. 201 = C. inter- media Schur!‘“ Obwohl er, nach dem Signum autopsiae zu schliessen, Originale verglichen zu haben scheint, kann ich mich seiner Ansicht nicht anschliessen. Ich selbst wenigstens habe von Schur als ,„C. vulgaris var. subsimplee = Ü. intermedia Schur (En. p. 413)“ 1870 gesammelte Exemplare von der Mokrahora bei Brünn erhalten, bei denen die schwarze Bedornung sich entweder nur auf einzelne innere Hüllblätter beschränkt oder überhaupt nicht vorhanden ist; auch in der Originalbeschreibung der Enum. wird ihrer nicht gedacht. Die Schur’sche Pflanze entspricht vielmehr der meist höheren und armköpfigeren, minder zahlreich und derbstacheligen Abart mit stark verlängerten lanzettlichen bis lineal- lanzettlichen, nicht selten 1—1,5 dem langen Blättern von dünnerer Consistenz und stark entwickeltem spinnwebigem, dabei sich leicht los- lösendem Filze, die bisweilen irrig für die alpine (©. longifolia Rehb. ge- halten wird und auch in Schlesien hier und da vorkommt, z. B. um Lissa bei Breslau und auf den Oelsener Bergen über Gr. Silsterwitz. Vergl. Ber. der D. B. Ges, III, Heft 11, Referat XI (Mähren). Cirsium canum >< lanceolatum n. hybr. (C. Preiseri Uechtr.). Breslau: Wiesendämme vor Schönellgut ein ansehnliches Exemplar in der Nähe der Eltern! (Preiser, Oct. 1885). Ueber diese ausgezeichneten, in den Köpfen dem CO. canum näherstehenden, im Uebrigen intermediären oder dem Ö, lanceolatum verwandteren Bastard werde ich an anderer Stelle ausführlicheren Bericht erstatten. ) Häufig sind nur die Dornen der Hüllblätter tief schwarz, während die der obersten Blätter noch gelblich oder bräunlich sind. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 MM) Crepis paludosa Mönck var. brachyotus Celak. (D Prodr. IV und „Resultate“ 1884. Breslau: nicht häufig auf den Wiesen der Weide- niederung hinter Weide am Wege nach Protsch. — Stengelblätter gegen die Basis sehr verschmälert, bisweilen gleichbreit, mit kleinen bisweilen fast undeutlichen Oehrchen nur halbumfassend, weniger grob gezähnt, die untersten mit vorherrschend abstehenden, nicht rückwärts gerichteten Zähnen, die mittleren und oberen, selten sämmtliche, gezähnelt bis ganz- randig. Wie schon Celakovsky bemerkt, von der Tracht der C. suecisae- folia Tsch., aber durch die dunklere Färbung des Laubes, die Gestalt und Zahnung der Grundblätter, das Vorhandensein wenn auch kleiner spitzer ÖOehrchen, durch die verlängerten dunklen Drüsenhaare der sonst kahlen Hülle, durch die Achänen und die schmutzigere Färbung der spröden Pappushaare sicher zu unterscheiden. Ausserhalb Böhmens, wie es scheint, noch nirgends beobachtet; in Schlesien wohl häufiger, aber übersehen oder mit ©. suceisaefolia verwechselt. Hieracium montanum G. Schneid. n. sp. in Oest. bot. Z.XXXVI Nr.1 (nec. Näg. Pet.) = H. polymorphum Schnd. nune (in litt.) = H. Fritzei F. Schz. (erweit.) var. spathulifolium Schndr. und var. pseudoper- sonaltum ej. Ersteres im Riesengebirge häufig, letzteres am Gehänge, um die Riesenbaude, am kl. Teiche, über den Teichen, Melzergrube, Kl. Sturmhaube (G. Schnd.). Die Species umfasst die Mehrzahl der Formen der foliosen Alpina des Riesengebirgs mit Ausschluss des H. tubulosum Tausch, des von Schneider, wie mir scheint, mit Unrecht in dieser Gruppe untergebrachten H. decipiens T'sch. und des folgenden. H. Uechtritzianum G. Schnd. |. c. (vn. sp.), nec alior. Riesen- gebirge, selten: Aupagrund, Gr. Teich (hier auch eine f. stylosa), Fuss des Brunnberges, Krkonos (G. Schnd.). Nach dem Autor ein derb- und breitblättriges folioses Alpinum mit halbumfassenden Stengelblättern von allerdings fremdartigem Exterieur. H. Purkyn&i Celak. (Result. der bot. Durchf. Böhmens 1884 p. 8.) Riesengebirge: Kahler Berg nächst der Kesselkoppe in zwei Exemplaren! (Cyr. Purkyne 1884), H. diaphanum Fr.. Riesengebirge: grasige steinige Stellen der grossen Schneegrube! (G. Schnd.); siehe D. B. Monatschr. IV (1886) Nr. 1. Verwandt mit den armblättrigeren Formen des H, vulgatum, aber durch deutlichere Verkahlung, etwas grössere am Grunde mehr abgerundetere oder wenigstens zuletzt fast gestutzte Hüllen, breite stumpfe Hüllblätter, den gelben Griffel ete. verschieden. Schon Schneider, den ich, da ich ähnliche Formen aus dem Riesengebirge früher selbst gesehen, auf die Verwandtschaft mit der scandinavischen, übrigens auch aus Frankreich und wohl auch aus der Schweiz bekannt gewordenen Art, aufmerksam machte, bemerkt |, e. p. 14 richtig, dass wohl die Diagnose des Autors 2323 Jahres-Bericht im Allgemeinen gut passe, dass aber die Drüsenbekleidung der Kopfstiele abweiche, die bei den meisten Individuen seiner Pflanze nicht als „dense glandulosa‘‘ bezeichnet werden könne; ausserdem sind die äusseren Hüll- blätter nicht selten am Grunde etwas grauflockig. Ein Vergleich mit den von Fries und Lindeberg in ihren Exsiccaten vom Originalstand- orte Femsjö in Smoland ausgegebenen Exemplaren beweist aber, dass diese Differenz wenig stichhaltig ist, denn auch bei ihnen ist der Grad der Drüsigkeit ein nur geringer und auch sonst sind die nordischen Pflanzen den unsrigen bis auf die noch etwas dunkler gefärbten Hüll- blätter ganz ähnlich. Uebrigens werden von den scandinavischen Botanikern nicht selten Formen des H. vulgatum als H. diaphanum ausgegeben; auch das H. diaphanum var, stenolepis Lindeb. Exs. no 36 ist von dem sudetischen H. diaphanum erheblicher verschieden. — Polemonium europaeum L. Hier und da in den Thälern des Hochgesenkes verwildert (Bubela), auch im Glasgrund bei Friedberg (Latzel) t. Ob. Fl. Solanum nigrum L. var. villosum (Lam. sp.). Liegnitz: Gasanstalt, Leubus häufig, (Gerh. Fl. v. L., als var. alatum (Mach. sp.), welches jedoch eine andere Race darstellt), Ostseite der alten Kirchhofmauer! (Gerh. exs.); Breslau: schon vor Jahren ohne nähere Standortsangabe gesammelt, 1877 in Weidengebüsch an der Oder bei der Fähre hinter dem Weidendamme und hinter der Schulgasse, später auch anderwärts; Proskau; Dungstätten und Culturland im akademischen Garten! (Stein 1867, der die Pflanze zuerst richtig erkannte). Die Breslauer Pflanze, die mit der Liegnitzer übereinstimmt und vielleicht identisch mit $. nigrum L. var. a. f. d dentata villosa W. et Gr. ist, habe ich bisher nur einmal mit reifen und zwar schwarzen (nicht rothgelben, zuletzt bräunlichen) Früchten beobachtet, was in Verbindung mit dem Umstande, dass die Blätter wohl stärker bekleidet, aber nicht filzig-zottig sind, mich früher abhielt, sie für die Lamarck’sche zu halten. Aber ich habe später ganz ähnliche gelbfrüchtige Exemplare aus Spanien und Südfrankreich ge- sehen, ebenso durch die bewährte Gefälligkeit meines Freundes Öela- kovsky Prager Exemplare einer von ihm selbst beobachteten dem S. nigrum chlorocarpum Sch. et Sp. analogen Form des $,. villosum, so- wie ein Opiz’sches Original seines 8. Schultesü, welches ebenfalls ein schwarzfrüchtiges 8. villosum darstellt; vergl. Öelak. (Prodr. Il, 310), der eine auf unsere Pflanze durchaus zutreffende Beschreibung giebt. Bei der Proskauer Pflanze sind allerdings (zumal in der Jugend) die Blätter oft beinahe filzig, sie ist überhaupt noch stärker und steifer, wiewohl im Ganzen kürzer und mehr angedrückt bekleidet, aber es finden sich auch der Breslauer in der Bekleidung ganz ähnliche oder intermediäre Zweige unter meinem Materiale. Nachträglichen Mittheilungen Gerhardt’s zufolge sind die reifen Früchte des Liegnitzer $. villosum grünlichgelb, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 233 ganz zuletzt mit einem Stich ins Schwarze, nur einmal beobachtete der- selbe ein Exemplar mit röthlich-gelben, Melampyrum nemorosum L. var. subsimplex Uechtr. (nov. var.). Nimptsch: Massenhaft an sonnigen, mit niederem Eichengebüsch be- wachsenen Abhängen der Stehberge nördlich von Kittelau am 13. Juni 1885 mit M. nemorosum typicum und M. pratense aut. (M. commutatum Tsch.); spärlich am 17. Juli am Fusse des Geiersberges westlich von Klein-Silsterwitz und weiterhin am Wege nach Tampadel in gleichem Consortium. — Eine sehr zierliche Pflanze; vom Typus sofort zu unter- scheiden durch die vorherrschend einfachen, zarteren und schlankeren, durchschnittlich nur 15—30 mm hohen, feiner kurzhaarigen, daher auf den ersten Blick scheinbar kahlen Stengel, die schmal lineal-lanzettlichen bis lanzettlichen, allmählich in die Spitze verlaufenden, vielmal länger als breiten (30—50 : 2—6 mm) mittleren Blätter, die diesen vollkommen ähnelnden, am Grunde nur wenig breiteren, ganzrandigen oder spiess- förmig-gezähnelten unteren Deckblätter, durch die geringere Zahl der nur im unteren Drittel oder höchstens bis zur Hälfte, dabei feiner ein- geschnitten gezähnten, blasser violettblau gefärbten oder farblosen oberen Deckblätter, die in eine längere, meist grüne Spitze von der Mitte aus allmählich verschmälert und 1'/,—2'/, Mal so lang als breit sind, durch etwas kleinere (15—18 mm), aber im Verhältniss zu der geringen Grösse der Pflanze immerhin ansehnlichen Blumen, endlich durch ‚die zuletzt die Oberlippe minder stark überragende Unterlippe. Inflorescenz auffällig kurz, durchschnittlich nur 2—4 Paar Hochblätter blüthentragend. Die Kelchröhre zeigt die nämliche zottige Bekleidung, wie beim Typus, namentlich in der Jugend, wodurch sich unsere Form von den in neueren Zeiten in Oesterreich-Ungarn unterschiedenen Gliedern der von M. nemo- rosum gegen M. silvaticum verlaufenden Reihe mit Ausnahme des M. mo- ravicum H. Braun leicht unterscheidet, speciell auch von dem habituell ihr noch am nächsten kommenden M. subalpinum Jur.‘) Das erwähnte M. moravicum ist nach von dem Entdecker Bubela gefälligst mitge- theilten Exemplaren vom Originalstandorte Wsetin im oberen Be£tva- thale, wo die Pflanze auf Bergwiesen häufig vorkommt, ebenfalls vor- herrschend einfach und schmalblätterig, doch steifer, die Blätter sind etwas kürzer, auch ist der Blüthenstand weit zusammengesetzter, ver- längert (6—12 Paare blüthehtragender Hochblätter), sehr gedrungen, die oben intensiver amethystblau gefärbten Deckblätter sind derber, zugleich ') Das nordostböhmische M. bohemieum Kerner (M. stenophyllum- Cel. nom Boiss.), welches vielleicht noch in den wärmeren und tieferen Lagen der Grafschaft Glatz zu finden sein könnte, entfernt sich von M. nemorosum meines Erachtens nach so weit, dass es eher noch mit G. Beck von M. silvaticum abgeleitet werden könnte. 234 Jahres - Bericht breiter, mit kurzer, meist gefärbter und zurückgeschlagener Spitze, bis zur Hälfte oder zu ?/, mit zahlreicheren Zähnen, die Blume ist etwas grösser (16—20 mm) und die Unterlippe überragt die Oberlippe in er- heblicherem Grade.!) Bei beiden ist der Kelehsaum zwischen den Zähnen nach dem Verblühen abgerundet oder zuletzt fast gestutzt, seltener bei var. subsimplex spitzwinklig, aber auch M. nemorosum verhält sich im Gegensatz zu den Angaben mancher Autoren wenigstens in unseren Gegenden in dieser Hinsicht nicht wesentlich anders, wenigstens in späterem Stadium. — Ob die schlesische Pflanze eine eonstante, nicht durch Zwischenformen mit M. nemorosum verbundene Race darstellt, muss eine weitere Beobachtung zeigen, um so mehr, als ich völlig entwickelte Kapseln bisher noch nicht gesehen habe und im Zobtengebirge auch an der einen Stelle kurzverzweigte Individuen angetroffen wurden; jedenfalls macht sie in Gesellschaft der gewöhnlichen Art vorkommend einen ganz anderen Eindruck und ist schwerlich als einfache Standortsabweichung anzusehen. Eine andere Frage ist es, ob sie nicht vielleicht mit den Formen „mit schlanken, wenig ästigen, kaum 15 cm hohen Exemplaren mit langen, schmalen, lineal-lanzettlichen Blättern“ des M. nemorosum aus Ungarn, von denen Kerner (Oest. Bot. Z. XXIV p. 88) spricht, zusammenfällt, doch zeigt, wie aus der obigen Darstellung sich ergiebt, unsere var. subsimplew auch in anderen Stücken Abweichungen von M. nemorosum, von welchem übrigens in Schlesien auch eine Form mit schon zur Blüthezeit kahleren, meist nur auf den Nerven be- haarten Kelchen vorkommt, wie sie Kerner ]. c. ebenfalls aus Ungarn erwähnt, die aber in den kürzeren eilanzettlichen Stengelblättern und den übrigen Charakteren mit der gewöhnlichen übereinstimmt. — Ausser- dem findet sich M. nemorosum auch in einer seltneren Form mit weiss- gelben, nur nach der Röhre hin etwas intensiver gelben Blumen (f. ochro- leuca), so z. B. um Breslau: zwischen Carlowitz und Rosenthal und an Dämmen um die Teiche von Cosel. Stachys silvatica L. f. albiflora. Liegnitz: Lindenbusch in wenigen Exemplaren (Gerh. und Fig.). — Eine schöne Farbenspielart, die jedenfalls selten ist und die ich bisher nur einmal spärlich um Mane- bach bei Ilmenau im Thüringer Walde gesammelt habe. Rumex conglomeratus X maritimus Celak. (R. Knafıi Celak.! R. subspicatus Schur Exsice.!, R. maritimus forma (hybrida?) Warrenü Trimen (Journ. of Bot. 1874 ce. icone! (t. 146), R. conglomeratus X mari- . timus f. Warremü ej. (l. c. 1879 p. 252). Breslau, ein sehr grosser Stock in einem ausgetrockneten kleinen Sumpfe bei Mahlen, am 8. October. !) In der Originalbeschreibung H. Braun’s (Oest. Bot. Z. XXXIV p. 422) heisst es zwar: „labium superius ..... labio inferiore parum longius“, was aber wohl nur auf Rechnung eines Schreibfehlers zu setzen ist. \ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 235 zum Theil noch in schönster Entwiekelung, während der dort häufige R. maritimus überreif und der in der Nähe nur in wenigen Exemplaren vorkommende R. conglomeratus bereits total vertrocknet war‘); andere Arten der Gattung fehlten vollständig. Die Pflanze von Mahlen mit aufrechten stark verlängerten Zweigen zeigt ein rein grünes Colorit des Laubes auch in späterem Stadium, ohne jeden Stieh ins Gelbgrüne; sie repräsentirt eine ausgeprägte Zwischenform der Stammarten und er- innert, abgesehen von der Perigonbildung, habituell an sehr grosse Exemplare des R. ucranicus Bess. Ihre Uebereinstimmung mit von Öela- kovsky erhaltenen Originalen seines R. Knafi von Hrochow-Teinitz und von der Trojainsel bei Prag, sowie mit der Schur’schen Pflanze von Brünn ist frappirend; wie bei der böhmischen sind entweder die Scheinwirtel an manchen Zweigen durchweg bis zur Spitze oder nur theilweise beblättert, zumal die obersten; die Fruchtklappen erinnern in der Gestalt mehr an die des R. conglomeratus, sind aber meist jederseits mit zwei kurzen pfriemlichen’ Zähnen versehen und kommen nur selten zur Ausbildung. — Der von R. Knafii bedeutend abweichende R. limosus Thuill.”) (R. palustris Sm.) wurde schon von G. F. W. Meyer für einen R. conglomeratus X maritimus gehalten und auch Haussknecht schliesst sich dieser Ansicht an. Lasch deutete ihn als eine der Combination R. maritimus — Hydrolapathum entsprechende Hybride. Die in Deutsch- land gewöhnlich dafür gehaltene Pflanze, die dem R,. maritimus viel näher steht, möchte ich mit Ascherson, Öelakovsky und anderen er- fahrenen Floristen nicht für einen Bastard, sondern für eine Varietät oder Race des letzteren resp. für eine eigene Art halten, da das oft massenhafte Auftreten und die reichliche Entwickelung keimfähiger Früchte in zu starkem Gegensatz mit dem Verhalten der übrigen Mari- timus-Hybriden steht. Focke (Pflanzenmischlinge) eitirt zu R. maritimus x conglomeratus den R. Knafii und R. Warreni und sagt dann weiter: „Aehnlich ist R. paluster Sm., der sich aber wie eine selbstständige Art verhält, Der R. paluster vieler Autoren ist jedoch offenbar der Bastard.“ Dies ist gewiss acceptabel; so erwähnt u. a. Celakovsky, dass sein R. Knafii im Herbar Wallroth als R. limosus Th. liege; ebenso ist‘der R. palustris Bönningh. nach aus dessen eigener Sammlung von dem ver- storbenen Professor Nitschke mitgetheilten Exemplaren dieselbe Pflanze. ‘) Eine Bestätigung des von Haussknecht (Schriften des Bot. Vereins für Gesammtthüringen 1884) ausgesprochenen Satzes, dass die Bastarde dieser Gattung sich gewöhnlich länger frisch erhalten, als die Eltern. ?) Uebrigens schreibt Thuillier seinem R. limosus genäherte Scheinwirtel zu, die doch gerade umgekehrt dem R. maritimus für gewöhnlich in höherem Grade eigen zu sein pflegen; andererseits freilich auch kurze Zähne der Perigon- abschnitte. 236 Jahres -Bericht _ , Carexz Buekii Wimm. var. melanostachya (n. var.). Breslau: an trockenen buschigen Dämmen der Öhleniederung vor. Althof-Nass mit Hierochloa odorata zahlreich ohne andere Formen, — Obwohl die Wimmer’sche Art von allen Verwandten so ausgezeichnet verschieden ist, dass sie als ein der Ü. acuta und C. strieta gleichwerthiger Typus betrachtet werden muss, ist sie keineswegs so unveränderlich, wie oft angenommen wird. Sie umfasst vielmehr wie die genannten ähnliche, wenn auch minder zahlreiche Formenkreise, die in mancher Hinsicht namentlich denen der C. acuta analog sind und die sich mit gleichem Rechte wie bei dieser bis auf einen bestimmten Grad fixiren lassen, — Eine besonders auffallende Varietät ist die oben erwähnte, die habituell auf den ersten Blick weit mehr an ©. acuta, speciell an deren Varietät prolixa Fr., erinnert namentlich wegen der dieken 2 Aehrchen, deren Schläuche etwa doppelt so gross als beim Typus und + deut- lich mehrnervig sind, ebenso wegen der mehr oder weniger ver- längerten spitzeren, die Schläuche überragenden, kohlschwarzen Deck- blätter, deren Mittelnerv entweder ebenfalls schwarz oder schmutzig dunkelroth gefärbt ist. Wegen der grösseren Schläuche und der verlängerten, oft sparrig abstehenden Deckblätter sind die ca. 50 bis 110 mm langen 2 Aehrchen viel breiter (5 bis 6 mm), als bei den typischen und den der (‘. acuta var. personata Fr. entsprechenden Formen der Art, bei denen sie bei gleicher Länge nur eine Breite von 3—4 mm erreichen; bei den mageren kurzährigen Formen, die gewöhn- lich durch stark verkürzte Deckblätter ausgezeichnet sind, beträgt diese oft nur 2—5 mm. Die männlichen Aehrehen sind evident verlängert, das oberste bis zu 40 oder 50 mm. Uebrigens sind bei der var. melano- stachya die unteren Q@ Aehrchen länger gestielt, am Grunde locker- blüthig und nicht selten deutlich bogig, aber nicht übergeneigt. Da auch die typische ©. Bueki mit schwarzen oder schwarzbraunen, wiewohl alsdann mit hellem Mittelstreif versehenen und kürzeren Deckblättern vorkommt, so hätte für diese sehr ausgezeichnete Varietät vielleicht passender ein anderer Name gewählt werden können, doch ist er einmal wegen der weit auffälligeren Grösse der dunklen Deckblätter immer- hin besonders zutreffend und dann habe ich die Pflanze unter dieser Be- zeichnung bereits mehrfach ausgegeben. Was die wichtigsten, durch gesperrten Druck gekennzeichneten Charactere anbelangt, so ist zu be- merken, dass der eine, die deutliche Nervatur der Schläuche, bereits in der Originaldiagnose des Carex banatica Heuff. erwähnt wird, welche nach Aschersons Vorgange als ein Synonym unserer C©. Buekiü gilt; auch die Worte: fructibus .. . valva brevioribus passen besser auf die forma melanostachya, als auf die in Schlesien und anderwärts als typische Form auftretende, bei der die Deckblätter meist kürzer oder nur so lang als die Schläuche sind; valvae spicae femineae atropurpurpureae finden sich, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 237 wie gesagt, auch sonst bei ©. Buekü, und der nervus dorsalis latus viridis geht der in Rede stehenden Varietät sogar ganz ab; über die Grössen- verhältnisse des Schlauches finden sich bei Heuffel überhaupt keine positiven Angaben. Deshalb halte es vorläufig noch nicht für angemessen, die var. melanostachya mit der C. banatica zu identifieiren, um so mehr, als ich vor Jahren durch das gütige Entgegenkommen des Besitzers der Heuffel’schen Sammlung, des Cardinal Dr. L. Haynald, ein bei Lugos gesammeltes Originalexemplar zu vergleichen Gelegenheit hatte, welches allerdings in noch zu jungem Entwickelungsstadium war, um über die Grösse resp. die Nervatur der Fruchtschläuche ein Urtheil zu gewinnen, aber in der Hauptsache vollständig zur Identificirung der Heuffel’schen mit der Wimmer’schen Art genügte; vergl. Ascherson, Oest..B. Z. XVII pag. 26. C. silvatica Huds. var. Tommasinii Rehb. Wird von Hauss- knecht (in Schriften des B. V. f. Gesammtthüringen III (1885) H. 4 S. 287) aus Laubwäldern des Ettersberges bei Weimar angegeben; nach ihm wächst diese Varietät auf lehmigem, mehr trocknem, weniger be- schattetem Boden; als Unterschiede werden die niedrigeren Stengel, die schmäleren und namentlich auch kürzeren Blätter, kürzere und meist aufrecht stehende Aehrchen hervorgehoben. „Die Var. pumila Fiek Fl. v. Schl. ist davon in Nichts verschieden.“ Im Jahresber. der schles. Ges. 1879, wo die letztere zuerst publieirt wurde, bemerkte ich schon selbst, dass die von Fiek in den Vorbergen der schlesischen Beskiden (und später von Wetschky bei Lucky im oberen Waggebiete) gefundene Form mit der Reichenbach’schen Varietät nahe verwandt, aber durch zwergigen Wuchs und durch noch erheblich kürzere Blätter, sowie kürzer gestielte Aehrchen abweiche, also eine noch extremere Form der C. sil- vatica darstelle und dies ist noch heute meine Ansicht. Gegenüber den von Dr. A. Schultz (FI. istr. exs. 139) und Freyn ausgegebenen Exem- plaren aus dem Kaiserwalde bei Pola, dem Originalstandorte der var. Tommasini, nehmen sich die der var. pumila mit ihren nur 0,8—1,2 cm hohen Halmen, welche die unteren Tragblätter nicht oder nur unmerklich überragen, den nur 0,4—0,7 cm langen Blättern und gedrängteren, noch weit kürzer und steifer gestielten 2 Aehrchen wie Zwerge aus und gleichen auf den ersten Blick manchen Exemplaren der C. capillarıs L., nur dass die Aehrchen dicker, die Blätter breiter und wie die ganze Pflanze steifer sind. Unter den von Freund Haussknecht reichlich gespendeten Formen vom Ettersberge fand sich kein der var. pumila gleichendes Exemplar vor, dagegen entsprechen in der That eine An- zahl der var. Tommasinü, welche offenbar in den Typus übergeht. Denn auch das Merkmal der an den Seiten runzligen Schläuche, dessen Be- ständigkeit schon Freyn (Fl. v. 8. Istrien) fragweise bezweifelt, findet sich durchaus nicht selten bei den mehr oder weniger typischen eisalpinen 238 Jahres-Bericht Formen, ebenso wie die übrigen Charaetere. Namentlich ist die Breite der Blätter sehr veränderlich und schwankt zwischen 1,5 bis 9 mm. — Völlig der ausgeprägten var. Tommasinii entsprechende Formen scheinen übrigens in unserem Gebiete allerdings nur selten; mit Gewissheit am Grojetzberge bei Woischnik! (F. u. Wy). | — Lagurus ovatus L. Jauer: Moisdorf an Wegen! (F. W. Scholz). Von früher aus dem Gebiete nicht bekannten Culturpflanzen sind erwähnenswerth: Vieia narbonensis L., der neuerdings wieder stark in Aufschwung gekommenen Y. Faba Z. sehr ähnlich, aber durch das Vorhandensein schwacher Behaarung, durch die mit einer Wickelranke endenden Blatt- stiele und’ durch schmutzig-purpurne Blumen leicht zu unterscheiden, um Breslau in Reineultur am Windmühlenberge bei Hühnern! (Preiser), sowie Pinus Taeda L. um Lüben in einer Schonung unweit Bahnhof Vorder- heide (Gerh. und Fisg.). Angebliche Novitäten: Cornus suecica L. Soll von einem aus- wärtigen deutschen Botaniker auf der Elbwiese in der Nähe des Veigel- steines aufgefunden worden sein, wasim vergangenen Sommer durch eine von mehreren politischen Zeitungen reproducirte Correspondenz den Schlesiern verkündet wurde, in welcher u. a. auch Salix bicolor Ehrh. nach dem- selben Gewährsmann vom Ziegenrücken figurirte. Da es weder Fiek noch mir gelungen ist, von dem betreffenden Herrn Exemplare zu er- halten und dieser auch vor Jahren in seiner damaligen Heimath durch Entdeckungen ähnlicher Art excellirte, so ist wenigstens vorläufig diese Angabe nicht ernsthaft zu nehmen. Buphthalmum salieifolium L. Nach Barber 1873 auf den sogen. „Kirchhöfen“ zwischen Ob.-Thiemendorf und Wiesa bei Görliiz vom Revierförster Müller in Wiesa aufgefunden. Nach B., dessen Angaben im Uebrigen durchaus verlässlich scheinen, wurde die Pflanze vor der Fruchtentwicklung abgegrast und ist deshalb nicht wieder erschienen, Da Buphthalmum aber perenn ist, das Abmähen somit keine Ursache für das vollständige Verschwinden sein konnte, so liegt hier vielleicht eine Verwechslung mit einer der schmalblättrigen zweijährigen Rudbeckia- Arten zu Grunde, von denen namentlich die zudem nicht unähnliche R. hirta L. in neueren Zeiten öfter mit Klee oder Grassamen ete. in Deutschland eingeschleppt beobachtet wurde. B. Neue Fundorte. — Clematis Vitalba L. Lieenitz: Zäune in Barschdorf, völlig eingebürgert (Fig.). Thalictrum agquilegifolium L. Schweidnitz: Bräuerbusch bei Würben (Schpk.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 Th. minus L. Görlitz: Anhöhe am Försterhause bei Arnsdorf „jedenfalls verwildert“‘ (B.). Woischnik: Zogelberg! (F. u. Wy.). Th. silvaticum Koch. Lüben: Zwischen Vorderhaide und Neu- rode südlich der Chaussee in drei grossen Gruppen (Gerh.). Nach B. auch um Görlitz an einem Raine zwischen Hermsdorf und Leopoldshain von Dr. v. Rabenau gefunden; ob zur echten Pflanze dieses Namens gehörig, bleibt indessen nach dem Vorkommen noch sehr dahingestellt, Th. flavum L. Trachenberg: der ganzen unteren Orla entlang häufig (Schwarz); Wansen: Knieschwitzer Mergellöcher (Lehrer Kruber t. F.). Hepatica triloba Gil. Breslau: südwestlicher Theil des Mahlener Waldes!! (Preis.) Pulsatilla alpina Delarbre f. sulphurea (L.). Ein Exemplar in der Kleinen Schneegrube (F. W, Schz.). Anemone nemorosa X ranunculoides Kunze. [Nahe der Ge- bietsgrenze auf dem Rothstein bei Sohland OL. 1875 (B.).] A. nareissiflora L. Riesengebirge: Langer Grund (G. Schnd.). Adonis aestivalis L. Nimptsch: Wilkau; var. citrina Hoffm. (spec.). Woischnik: Kalkäcker östlich vom Zogelberge, zum Theil häufiger als der Typus! (F. u. Wy.). Ranunculus triphyllus Wallr. Lomnitz bei Radmeritz OL. (Trautmann t. B.); Hirschberg: im Bache oberhalb der Polnischen Mühle, auch mit gefüllten, übrigens wohlriechenden Blüthen! (F.); Bres- lau: Wiesengräben rechts der Chaussee am Scheitniger Parke gegen Gr.-Grüneiche häufig; hier in einer forma obtusiloba mit zugleich etwas steifhaarigen Carpellen, die nach Freyn (briefl. Mittheilung) eine Mittel- stellung zwischen R. Baudotii Godr. (sensu ampl.) und R. peltatus Schrk. einnimmt. Ob eine in Gesellschaft dieser Pflanze, aber weit spärlicher vorkommende Form ohne Schwimmblätter hierzu oder zu R. peltatus Schrk. var. submersus G. G. gehört, muss weiteren Beobachtungen anheim- gestellt werden. R. paueistamineus Tsch. (R. trichophyllus Chaix ap. Vill.). Bres- lau: Gräben am Kapsdorfer Goi! (Preis.). R. fluitans Lam. Hirschberg: im Bober in der Stadt und unter- halb Boberröhrsdorf (F.). R. Lingua L. var. strigosus Kab. (Fl. v. Gleiwitz). Woischnik: sehr ausgeprägt in einem Tümpel vor dem Stadtforst! (F.). R. cassubieus L. Breslau: sehr spärlich am SW.-Rande des Mahlener Waldes! (Preis.). R. acer L. var. alpestris W. et Gr. Hampelbaude (G. Schnd.). —+ R. Steveni Andrz. Breslau: Grasplätze der Promenade un- weit des Zwingers! (Bodmann). 340 Jahres - Bericht R. nemorosus DC. Im Hochgesenke noch am Drehberge, Grossen Seeberg, Leiterberg, an der Oppa unter der Schäferei, Hohe Haide, Franzensjagdhaus (Form.). R. repens L. var. hirsutus W. et Gr. Liegnitz: spärlich an der Goldberger Bahn (Gerh.). Trollius europaeus L. Seidenberg: Küpper, neu für die schles. Lausitz; auch bei Greiffenstein: Neundorf (B.); Landeshut: östlich vom Bahnhofe Ruhbank (F.); Rodeland bei Königszelt (Schpk.); Strehlen: Kirmesbusch bei Ruppersdorf (Kruber); Breslau; Leiper-Wald bei Ober- nigk! (Kionka); Woischnik: Mühlchen! (F. u. Wy.); Gesenke: Fuhr- mannstein, Gr. Seeberg (Form.). Isopyrum thalictroides L. Schweidnitz; Eichendamm bei Wür- ben (Schpk.); Strehlen: Kirmesbusch bei Ruppersdorf (Kruber); Glatz: Königshainer Spitzberg bei 700 m (F.); Woischnik: Grojetzberg bei Lubschau! (F. u. Wy.). Aquilegia vulgaris L. Seidenberg: Küpper; Tafelfichte (B.); Woischnik: Grojetzberg! (F. u. Wy.). Var. micrantha Uechtr. pat. Ein- mal am Hessberge bei Jauer (Gerh., Fl. v. Liegnitz). Delphinium elatum L. Drehberg, Fuhrmannstein, Gr. Seeberg u. s. w. bis ins obere Tessthal herabsteigend (Form.). Aconitum variegatum L. Woischnik: Nordseite des Grojetzberges spärlich (F. u. Wy.). Eine f. albiflora im Melzergrunde (G. Schnd.). A. Napellus L. Bachufer in Ober-Agnetendorf (Schpk.). A. Lyeoctonum L. Gesenke: bei Franzensjagdhaus bis ins obere Tessthal hinab, doch selten (Form.). Actaea spicata L. Sagan: Clementinenhain bei Freiwaldau (B.): Moschwitzer Buchenwald bei Heinrichau! (Dr. Schnd.); Woischnik: Grojetzberg (F. u. Wy.). Berberis vulgaris L. Schönau: Goldberger Hegewald bei Neu- kirch nicht selten (Fig.). | Corydalis solida Sw. Jägerndorf: im Thale der Öitina! (Dr. Schube). Fumaria Vaillantii Lois. Woischnik! Kalkäcker am Zogelberge und weiter östlich! (F. u. Wy.). Barbarea strieta Andrz. Woischnik: Teich von Zawodzie (F.). Turritis glabra L. Im Gesenke bis ins höhere Vorgebirge, z. B. bei Kl.-Mohrau und in der Gabel (schon Grabowski), dann häufig um Carlsbrunn: weisse Oppa, Donnerslahn, Hin- und Wiederstein (Form.). Arabis hirsuta Scop. Woischnik: Quartberg (F. u, Wy.); Zuck- mantel: Burg Edelstein! (Richt.). A. arenosa Scop. Görlitz: Ufersand des Arnsdorfer Dorfbaches, Klein-Biesnitz (B.); Hirschberg: zahlreich am Reibnitzer Bahnhofe und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 241 am Bahndamme westlich von Alt-Kemnitz, hier vielleicht nur einge- schleppt (F.). 4A. Halleri L. Kr. Lublinitz: sparsam am Teich von Zawodzie und auf der Chaussee von Bahnhof Stahlhammer nach Woischnik (F.); Eisenbahndamm zwischen Beuthen und Morgenroth häufig (Wy.), ebenso um Lipine! (Jungck.). Cardamine Impatiens L. Löwenberg: Stadtwald (Max Fiek); Lüben: torfige Gebüsche westlich Krummlinde (Gerh.). ©. hirsuta L. Gesenke: Reiwiesen! (Richter, als C. Impatiens). Durch diesen Fund wird diese jedenfalls von C., sylvatica Lk. gut ver- schiedene Art für die Ostsudeten neuerdings sicher gestellt. Schon Schauer (,Flora“ XXIII, 1 (1840), p. 36 giebt sie für das Gesenke sogar als „häufig“ an und sagt, dass sie im Gegensatz zu Ü. sylvatica und €. Impatiens mehr lichte Holzschläge, als schattige Wälder liebe. Aber weder Grabowski, der das Gesenke so oft besuchte, noch Andere, unter ihnen auch ich, haben die echte €. hirsuta im Gesenke beobachtet und ich habe mehrfach unter diesem Namen die nach dem Standorte habituell etwas variable €. sylvatica von dort erhalten; Formänek (Oest. Bot. Z. 1884 p. 290), giebt sie von Ludwigsthal an; in seiner Liste fehlt aber die gewöhnliche ©. sylvatica, die häufig genug mehr- stengelig ist, wie umgekehrt C. hirsuta auch einstengelis vorkommt. C. pratensis L. f. acaulis Berg. Breslau: Ohlauwiesen oberhalb der Haase’schen Brauerei mehrfach unter der gewöhnlichen und in diese übergehend. C. amara L. var. Opizii (Presl sp.) f. @ hirsuta Uechtr. Ge-_ senke: Schwarze Grabenlehne, Fuhrmannstein, Brünnelhaide (Form.). — Von Junger von der Wiesenbaude im Riesengebirge mitgebrachte Exemplare der f. 8 glabra gingen in seinem Garten in die f. & über. Dentaria enneaphylia L. Wartha: Wälder gegen den Königs- hainer Spitzberg! (Dr. Schröter) mit folgender. D. bulbifera L. Jablunka: am Stozek im oberen Radwanöw-Thale (Dr. Schube). D. glandulosa W. K. Ebendort! und am grossen Ostry über Koszarzysk! (Schube); Rybnik: Pohlom im Goi! (Migula). — Hesperis matronalis L. Ustron: Gräben im Dorfe! (Schube). Sisymbrium offieinale Scop. var. leiocarpum DC. Breslau: zwischen Protsch und Weide am Wege; Woischnik: in Lubschau (F. u. Wy.). —+ 8. Sinapistrum Crntz. Görlitz: auf Schutt in der Ponte 1883 (B.). Lunaria rediviva Z. Gesenke: Franzensjagdhaus und im oberen Tessthale (Form.). 1885. 16 342 Jahres-Bericht —+ Cochlearia Armoracia L. Riesengebirge: auf einer Wiese bei Forstlangwasser! (Schube); Gesenke: Gräfenberg, Thomasdorf (Form.). Thlaspi arvense L. Schweizerei am Altvater verschleppt (Form.). — Iberis amara L. Görlitz: 1831 massenhaft am Bahndamme beim Brautwiesen-Tunnel, jetzt verschüttet (B.). — Lepidium Draba L. Hirschberg: an der Schwarzbach 1885 (F.); dort schon in früherer Zeit von v. Flotow gefunden; Görlitz: Schuttplatz in der Ponte mit L. campestre R. Br. (B.). ° L. ruderale L. In Görlitz jetzt gemein; Freiwaldau, Kr. Sagan (B.). Coronopus Ruelli All. Breslau: spärlich auf Schutt vor Marienau. — Rapistrum rugosum Bergeret. Grünberg: Klopsch’s Ziegelei, ein grosser Stock! (Hellw.). Viola epipsila Led. Oppeln: an einem zweiten Standort, wahr- scheinlich zwischen Dembio und der Silberquelle gefunden, aber mit V. palustris verwechselt (Schmidt, briefl. Mitth.).. Nach Fiek, der ein Exemplar gesehen, die echte Pflanze. — Nach A. Peter (Oest. Bot. Z. 1886 Nr. 2) auch im Riesengebirge, doch wird kein specieller Fundort angegeben; auch ist diese Art bisher weder aus der niederschlesischen Ebene noch aus den angrenzenden Theilen Böhmens bekannt. V. collina Bess. Woischnik: Grojetzberg! (F. u. Wy.). V. odorata L. Wildwachsend noch bei Schreiberhau, auch weiss- blühend (G. Schnd.). V. stagnina Kit. Liegnitz: Seifersdorf (Fig.); Strehlen: beim Birk- busch, Knieschwitzer Mergellöcher (Kruber t. F.). V. pumila Chaix ap. Vill. Breslau: Lohewiesen hinter Schmiede- feld! (Kionka); Strehlen: Wiesen zwischen dem Kirmes- und Birkbusche nördlich von Ruppersdorf (Kruber t. F.). V. arenaria DC. Rosenberg: Sausenberger Forst, hier auch die fast kahle Form! (Bodmann). V. mirabilis L. Woischnik: Grojetzberg! (F. u. Wy.). V. biflora L. Isergebirge: Dresslerberg bei Schwarzbach an der Quelle (B.); Schneegebirge: [Dürre Koppe (Form.)]. V. tricolor L. var. sawatilis (Schmidt). Rosenberg: in Sausen- berg an Teiehdämmen! (Bodmann). Eine damit verwandte, aber niedrige und kleinblüthige Form mit intensiv gelben Petalen auf Bergwiesen am Gipfel des Jaworowy bei Tyrra unfern Jablunka! (Schube). V. lutea Sm. f. sudetica (W. spec.). Zwischen dem Gl. Schnee- berge und der Dürren Koppe und auf dieser selbst (Form.). Reseda lutea L. Breslau: ein verschleppter Stock am R.-O.-U.- Bahnhof! (Preis.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 243 Drosera anglica Huds. Riesengebirge: Abhänge des Elbgrundes zwischen Elb- und Pantschefall bei 1120 m mit D. rotundifolia (Gym- nasiallehrer Paul, dann F.!). Erster Hochgebirgsstandort im Gebiete. D. anglica X rotundifolia Schiede. Unter den Eltern eben- dort (F.). | D. intermedia Hayne. Mehrfach um Freiwaldau, Kr. Sagan (B.). Aldrovanda vesiculosa L. Rybnik: Pohlom in zwei Teichen mit Salvinia und Riccia natans, doch spärlich (Stud. rer. nat. Migula). Parnassia palustris L. Hochgesenke: Franzensjagdhaus (Form.). Polygala amara L. var. austriaca Crntz. Jauer: Janusberg bei Klonitz! (F. W. Schz.); für die Grafschaft Glatz neu in der f. eya- nella W. et Gr. am Hutberge bei Reinerz! (C. Schz.). P. comosa Schk. fehlt bei Gleiwitz (Kabath), zunächst um Peis- kretscham, aber nur auf Kalk bei Zawada! wie Fragaria collina (Jungck). Vaccaria parviflora Mnch. Grünberg: Weite Mühle, hier nur eingeschleppt! (Hellw.). Tunica prolifera Scop. Jauer: Fuchsberg bei Lobris (F. W. Schz.). — Dianthus barbatus L. Wolfsberg bei Nieda (Hoffmann-Görlitz t:!B.). D. deltoides L. f. albiflora (D. glaucus L.). Schreiberhau (G. Schnd.). D. superbus L. Ziegenhals: Schönwalde! (O. Richt.). Krappitz: Oberwitz gegen Gogolin gemein (Wy.). — Var. alpestris J. Kablik (D. Wimmeri Wichura) im Gesenke noch um Gr. und Kl. Seeberge und auf der Dürren Koppe im Schneegebirge (Form.). Cucubalus baceifer L. Jauer: Bärsdorf! (F. W. Schz.). Silene gallica L. Woischnik: Ellguth gegen die alte Zie- gelei! (F.). 8. chlorantha Ehrh. |Rawitsch: auf Sandhügeln (Dr. Milius t. Schwarz)]. —+ 8. dichotoma Ehrh. Friedland: zwischen Langwaltersdorf und Sehmitzdorf unfern der Eisenbahn! (Fig.). Melandryum album Geke. Mit hellpurpurnen Blumen bei Jauer: alter Kirchhof! (F. W. Schz.). M. rubrum Gcke. f. albiflora. Schneegrubenbaude! (Kionka); Canth: Schosnitzer Wald (R. Pax). Sagina subulata T, et Gr. Rosenberg: Bischdorf (Mus. reg. Berol. t. Ascherson). Spergularia rubra Presl. Im Riesengebirge noch bis St. Peter (G. Sehnd.). 16* I44 Jahres - Bericht Arenaria leptoclados Guss. Breslau: häufig um Kapsdorf, zw. Riesenthal und Schön-Ellguth, vor Mahlen mit A. serpylifolia L.; Zobten: um den Bahnhof ebenfalls mit dieser, aber meist häufiger. Stellaria Friesiana Ser. Woischnik: im Walde zwischen Bahn- hof Stahlhammer und Sosnitza! (F. u. Wy.). S. uliginosa Murr. Breslau: im südwestlichen Theil des Mahlener Waldes an Bächen! (Preis.). Cerastium glomeratum Thuill. Nimptsch: Kittelau sparsam. ©. triviale Lk. var. nemorale Uechtr. Lüben: torfige Gebüsche bei Krummlinde häufig (Gerh.). C. macrocarpum Schur. Dürre Koppe des Schneegebirges und im Gesenke am Gr. und Kl. Seeberg, Heiligenhübel (Form.). Malva Alcea L. var. excisa Rchb. Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram. —+ M. mauritiana L. Zobten: seit Jahren in Floriansdorf (Schpk.) M. silvestris L. f. albiflora. Liegnitz: Eisenbahndamm beim Kirchhofe sparsam (Fig.). —+ M. erispa L. Hirschberg: auf dem Sande, in Cunnersdorf und Herischdorf auf Gartenland und an Zäunen wirklich verwildert (F.); ebenso Jauer: Dorfstrasse in Bremberg (Fig.). M. neglecta X pusilla Uechtr. Jauer: Mertschütz unter den Eltern! (Gerh.); Breslau: desgl. in Protsch a. W. M. pusilla With. (M. borealis Wallm.). Breslau: Gr.-Masselwitz, Weide, Herrnprotsch, auch vereinzelt in den letzten Jahren südlich des Weidendammes. Lavatera thuringiaca L. Breslau: Gebüsche an der Strachate hinter Wilhelmshafen. —- L.trimestris L. Breslau: sehr vereinzelt auf Schutt der Marien- auer Wiesen südlich des Weidendammes mit Nicotiana rustica L. (Dr. Schube und Uechtr.); ebendort auch Hibiscus Trionum L. sparsam (ÜUe.). Hypericum tetrapterum Fr. Breslau: auf einem feuchten Hau im südwestlichen Theile des Mahlener Waldes sehr häufig und üppig, bis reichlich 1 m Höhe erreichend (Preiser, Uechtr.). H. montanum L. Görlitz: Wolfsberg bei Nieda (Hoffmann), Käm- pfenberge bei Königshain (B.). Acer platanoides L. Glatz: Wald am Gipfel des Königshainer Spitzberges (F.). Geranium phaeum L. Jablunka: Oldrzychowitz! (Schube). Ver- wildert im Parke von Reichenbach OL. (B.) G. pratense L. Woischnik: Wiesen bei Solarnia (F. u. Wy.); auch in der OL, bei Görlitz: Laubaner Strasse (Dr. Peck) und im Thal zwischen Schützenhaus und Actienbrauerei (B.), dann Hoyerswerda: Chaussee nach Klein-Neida (derselbe). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 245 G. sanguineum L. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau, hier auch in einer niedrigeren, kleinblätterigeren Form mit schmäleren Zipfeln, die etwas an die var. lancastriense (Wither, spec.) erinnert, aber noch den aufrechten Wuchs und die Blüthenfarbe der typischen Pflanze besitzt. G. pyrenaicum L. Namslau: in Schmograu! (Bodmann). G. divaricatum Ehrh. Trebnitz: Gebüsche an Wegrändern bei Striese! (Preis.). Impatiens noli tangere L. f. apetala. Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Sch.); Nimptsch: Schlucht der Tartarenschanze nur diese, wenigstens 1885. Evonymus verrucosa Scop. Woischnik: Wald der Nordseite des Grojetzberges! (F. et Wy.). Genista pilosa I. Woischnik: Stadtwald, Haide um die Schliwa- mühle (F. und Wy.). G. germanica L. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau. Cytisus capitatus Jacg. Im Thale der Tschirna bei Alt-Halbau in einem Exemplare von B. gefunden. Doch ist das spontane Auftreten im Nordwesten des Gebietes sehr unwahrscheinlich und der Fund eher auf einen Ueberrest früherer Anpflanzung oder auf Verschleppung zurück- zuführen. C. nigricans L. Görlitz: Hochstein, Kämpfenberg (B.). Ratibor: Poln. Krawarner Wald; zw. Rudzinitz und Laband (Wy.). — In der Gegend von Woischnik wurde von F. und Wy. auffallenderweise weder dieser noch eine der beiden andern einheimischen Arten der Gattung bemerkt, während ich im benachbarten mittleren Theile des Lublinitzer Kreises in der Gegend von Koschentin nur (©. capitatus nicht beobachtete, der aber im benachbarten Polen bei Czenstochau wieder sehr häufig auftritt. Ononis spinosaL. Woischnik: Wacholderberg, Weg nach Mühlchen! (F. und Wy.). O. hireina Jacg. Woischnik: Waldrand am Wege nach Mühlchen, Grojetzberg (F. und Wy.). Anthyllis Vulneraria L. Strehlen: Galgenberg an steinigen Stellen spärlich. Medicago falcata X sativa Rehb. KEbendaselbst. Melilotus altissimus Thuill. Jauer: zw. Mertschütz und Gr. Wandris! (Hiller u. Gerh.). Trifolium pratense L. f. pedicellatum Knaf (T. brachystylum Knaf olim.). Grünberg: sehr ausgeprägt und meist mit auffallend lang (40—50 mm) gestielten Köpfen an der Berliner Chaussee! (Hellw.); Trachenberg: Korsenz mehrfach (Schwarz); Breslau: Gr. Grüneiche. Die Exemplare mit deutlich gestielten nackten Köpfen sind übrigens 246 Jahres - Bericht identisch mit T. pratense var. parviflorum Babingt. oder wenigstens J. Lange, denn Babington selbst erwähnt nicht die gestielten Blüthen. T. ochroleucum Z. Woischnik: Waldrand gegen Mühlchen, seltener am Grojetzberge (F. und Wy.). T. medium L. Im Gesenke bei Thomasdorf, noch im Holzschlage unter dem Drehberge (Form.). T. alpestre L. Breslau: trockene Waldstellen zw. Rathen und Leuthen mit Vicia eassubica und Potentilla alba. — Die f. bicolor Rehb. um die Sitten bei Obernigk! (Kionka). T. rubens L. Trachenberg: ein Exemplar in einer Eichenschonung bei Försterei Korsenz (Schwarz). T. fragiferum L. Schweidnitz: Ober-Grunau (Schpk.); dritter Standort der in dieser Gegend seltenen Art. T. hybridum L. var. prostratum Sond. Nimptsch: einzeln am Bahnhofe Wilkau. Lotus corniculatus L. var. hirsutus Koch. Grünberg: Sorauer Chaussee! (Hellw.). Minder ausgeprägt und mit Uebergängen zum Typus um Liegnitz:. Weg östlich vom Frauenstift! und an der Ziegelei nörd- lich der Militär-Schiessstände bei Hummel (Gerh.). — Eine scheinbare Uebergangsform zu L. tenuifolius Rehb. mit auffallend schmalen Blättchen und armblüthiger Inflorescenz, die sich aber von diesem sofort durch die breiten wie beim typischen L. corniculatus geformten Nebenblätter und die abweichende Färbung des Laubes unterscheiden lässt, ebenfalls um Liegnitz: Bahnausstiche bei Arnsdorf! (Gerh.). Astragalus arenarius L. Beuthen a. O.: Forstrevier Landskron! (Hellw.). — Ornithopus sativus Brot. Krappitz: Torfwiesen bei Ottmuth! (H. Schulze). Onobrychis viciaefolia Scop. Weitere spontane Standorte: Woischnik: Floriansberg, Lubschauer Berg in Gebüschen (F. et Wy.), Wachholderberg! (F.); Teschen: Lischna! (Schube). Vicia silvatica L. Woischnik: Grojetzberg! mit folgender. (F. et Wy.). V. dumetorum L. Diese noch um Breslau: in der Strachate hinter Wilhelmshafen! (Preis.), den Breslauer Oderwäldern sonst fehlend; Lorzendorf bei Mettkau! (Schube); Heinrichau: Moschwitzer Buchen- wald! (Dr. Schnd.); Nimptsch: Tartarenschanze. — In der Ebene der Ob.-Lausitz im Revier Eichwalde der Görlitzer Haide (B.). | V. Cracca L. Gesenke: Kaiserbaude (Form.). V. tenuifolia Zk. Breslau: Kleinburger Chaussee! (Bodmann); Nimptsch: Bahnhof Wilkau an Feldrainen, auch in einer lockerblüthigen Form. V. lathyroides L. Trachenberg: Korsenz (Schwarz). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 247 + Pisum arvense L. Breslau: Kapsdorf! (Preis.). Lathyrus NissoliaL. var. gramineus (Kerner sp.) Alef. — var. liocarpus Uechtr. Jahresber. 1384. Auch 1885 an dem Breslauer Standorte bei Gr. Grüneiche und zwar sehr zahlreich, ist aber vor der Anthese leicht zu übersehen und fällt im Beginn der normalen ersten der Sichel zum Opfer. L. paluster L. Wansen: Knieschwitzer Mergellöcher (Kruber t. F.). L. silvester L. Gesenke: noch am Dreistein im Aufstiege zum Fuhrmannstein (Form.). L. latifolius L. (vergl. Jahresb. 1883) wurde von Figert um Gr.-Kriechen bei Lüben wiedergefunden und zwar in einer steinigen ehe- maligen Sandgrube unweit des Dominiums; nach F.’s Ansicht ist die Pflanze dort schwerlich als ursprünglich einheimisch zu betrachten. L. niger Wimm. var. heterophyllus Uechtr. Trebnitz: Mach- nitzer Wald! (Preis.); Wälder am Südostfusse des Zobtenberges zw. Bankwitz und Kl. Silsterwitz nicht selten. — Prunus Cerasus L. Ziegenhals: vollkommen eingebürgert in Gebüschen mit P. avium!, im Gegensatz zu letzterer nur strauchig (Richt.). + Spiraea opulifoliaL. Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram. Ulmaria pentapetala Gil. Hochgesenke: Brünnelhaide, Gr. See- berg, unter der Schweizerei, Oberes Tessthal (Form.). U. Filipendula A. Br. Woischnik: nicht selten (F.). Geum montanum L. Riesengebirge: nicht selten 2—3blüthig im Langen Grunde, ausnahmsweise daselbst auch 6—-7 blüthige, stark ver- zweigte Exemplare mit verlängerten Zweigen und grösseren Stengel- blättern (f. polyantha Ue.)! (Bornmüller). G. urbanum X rivale Schiede. Strehlen: Kirmesbusch und Fasanerie bei Ruppersdorf (Kruber t. F.). Rubus suberectus Anders. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau. R. sulcatus Vest. Seidenberg: [Böhm. Wiesa]; Greiffenberg (B.). (R. affiris W. et N. wird von B. in der Ob.-Lausitz an der Strasse zwischen Radmeritz und Rudelsdorf gegenüber dem Bohrauer Berge an- gegeben und jedenfalls als häufiger im Haidegebiete vermuthet; die dortige Pflanze dürfte aber schwerlich die richtige auf West-Deutschland beschränkte Art sein und vielleicht nur zu der auch früher mehrfach in unserem Gebiete für R. affinis gehaltenen Form des R. plicatus mit stärker zusammengesetzten Infloreseenzen gehören.) R. thyrsoideus Wimm. Reichenbach O.-L.: Paulsdorfer Spitz- berg, hier die im Gebiete seltenere Var. candicans (Whe. sp.) (Dr. A. Schultz als R. Radula t. B.); Jauer: Bremberg, Hessberge (Gerh. Fl. v. Liegn., Fig.); Liegnitz: Vorderhaide (Gerh.); Breslau: Mirkauer Busch! (Dr. Schröter und W. Hübner). 248 Jahres - Bericht ‚R. silesiacus Whe. Görlitz: Kämpfenberge, Landskrone, Geiers- berg bei Kunnersdorf (B.). R. Koehleri W. et N. Nach B. in der O.-Lausitz an vielen Stellen, auch im dQueisthale bei Marklissa, Greiffenberg bis Wiegandthal: Meffersdorf, Strassberg. R. Schleicheri W. et N. Lüben: Brauchitschdorf (Fig.). Nach B. stellenweise und sehr vereinzelt im Oberlande der Ob.-Lausitz. R. hirtus W. et K. Ob.-Lausitz: [Rothstein]), Wald bei Strass- berg (B.); Lüben: Brauchitschdorf, seltener als voriger (Fig... — Die Varietät Guentheri (W. und N. sp.) im oberen Queisgebiete bei Strass- berg, Klingenberg bei Gebhardsdorf, Karlsberg am Queisufer (B.). R. Bellardii W. et N. Im Berglande der Ob.-Lausitz verbreitet, um Görlitz auch auf den Königshainer und Jauernicker Bergen, Lichten- berg, Gruna ete. R. dumetorum Whe. var. montanus Wimm. (R. oreogeton Focke.) Ob.-Lausitz: Heilige Grabstrasse bei Görlitz im Steinbruche; Wald bei Strassberg (B.). R. Idaeus L. var. denudatus Schimp. et Sp. Lüben: Gr. Kriechen im „‚Gänsehals‘ ziemlich häufig, sowohl im Schatten als an sonnigen Stellen!, mit normal entwickelten Früchten (Figert). — Ein Strauch der Normalform mit nur dreizähligen Blättern bei der Brauchitschdorfer Ziegelei! (id.). R. caesius X Idaeus G. F. W. Meyer. Liegnitz: Lindenbusch! (verschiedene Formen) und im Walde zw. Rothkirch und Gassendorf (Fig. und Gerh.); Krummlinde (Fig.); Goldberg! Wolfsberg (Fig.). Früchte nach Figert stets unentwickelt. R. saxatilis L. Görlitz: Ebersbach und Kunnersdorf (Dr. Peck); Priebus: sehr häufig im herzogl. Forst bei Gr, Petersdorf! (Everken); Münsterberg: O.-Kunzendorf! (Kionka); Oppeln: zwischen Kupferberg und Görasdze (Schmidt). Ausserdem giebt Barber noch folgende Bastarde (ohne Deseriptionen) an: R. villicaulis x Koehleri (Wald bei Strassberg und Klingenberg bei Gebhardsdorf), R. Bellardii > Koehleri nebst R. Bellardii > Schleicheri vom Sohlander Rothstein hart an der Gebietsgrenze und beschreibt von ebendort eine Mittelform zw. R. Bellardii und R. Radula, die nach ihm möglicherweise gleichfalls hybrid ist. Wenn übrigens B., dem Focke’s bahnbrechende Synopsis Rub. Germ. völlig unbekannt gewesen zu sein scheint, die Behauptung aufstellt, dass unter den von ihm für die O.-Lausitz aufgeführten Brombeeren, drei in Schlesien noch nicht gefunden, wenigstens in Fiek’s Flora fehlende sich befänden (R. affinis, Guentheri und thyrsiflorus), so ist dieselbe nicht zutreffend, speciell für die beiden erstgenannten Arten. Ueber R. affinis vergl. oben; den R. Guentheri, zu welchem, wie schon Focke angiebt, R. hirtus d Chamaebatos und y pubesceus W. et Gr. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 349 gehören, hat Weihe selbst von Günther aus Schlesien, wo es keines- wegs selten ist, erhalten, doch wurde er gewöhnlich von den schlesischen Floristen nicht von R. hirtus W. et K. als Art getrennt, wie denn auch Focke, der ihn in der Synopsis noch als eine im Allgemeinen gut characterisirte Art erklärt, selbst zugesteht, dass er mit dem oben- erwähnten durch Zwischenformen zusammenhängt. Bei Fiek fehlt R. Guentheri keineswegs, wird aber unter R. hirtus unter den „wenig abweichenden‘ Formen aufgeführt. — R. thyrsiflorus, der allerdings bei Fiek fehlt, dagegen von Wimmer von Schmiedeberg erwähnt wird, ist jedenfalls nicht die auf Westdeutschland beschränkte echte Pflanze dieses Namens. Die von Wimmer (Fl. v. Schles. ed. III 1857) be- schriebene, die ich nicht kenne, soll nach ihm genau mit der von Beteke in Mecklenburg beobachteten und für R. thyrsiflorus W. et N. erklärten übereinstimmen. Marsson, der ebenfalls Betcke’sche Originale ver- gleichen konnte, erklärte sie für verschieden von der Weihe’schen Art und schlägt den auch von Focke adoptirten Namen R. Betckü für die Mecklenburger resp. Schlesische Form vor (Fl. v. Neuvorpommern und Rügen). Ueber die unserige finde ich bei Focke keine sicheren An- gaben und wahrscheinlich hat aus diesem Grunde Fiek, der sich bei der Bearbeitung der Gattung an dessen Synopsis anlehnte, Wimmer’s R. thyrsiflorus ausgelassen. Barber beobachtete von der von ihm dafür gehaltenen Pflanze nur je ein Exemplar auf dem Jauernicker Kreuzberge und dem Rothstein, Fragaria collina Ehrh. var. subpinnata Celak. Breslau: Dämme bei Pirscham; Peiskretscham: Zawada mit der normalen auf Kalk! (Jungck). Potentilla norvegica L. Gr. Glogau: Quaritzer Bruch (Fig.); Lüben: torfige Gebüsche bei Krummlinde (Gerh.); Schweidnitz: in Lehm- sruben bei Königszelt (Schpk.); Reinerz: Ratschenberg an trockenen Stellen mit Gentiana cruciata, Salvia verticillata, Platanthera viridis ete. auf Kalkboden nicht selten! (©. Schz.); Schlawentschitz! (Jungek). P. supina L. Görlitz: in den Teichen an der Strassenschüttung 1883 (B.). P. recta Z. Görlitz: Arnsdorfer Försterhaus (B.); Nimptsch: grasige Lehnen der Tartarenschanze bei Priestram mit P. opaca und Verbascum phoeniceum.!! (Schube). P. reptans L. gehört nach B. zu den Seltenheiten der O.-Lausitz; er giebt einen Standpunkt von Hoyerswerda an. Uebrigens erklärt sie schon Kölbing wenigstens für das Oberland als selten. P, miszta Nolte. Haiderand westlich von Zawodzie, Kr. Lublinitz, zahlreich! (F.); Tarnowitz: häufig gegen Hugohütte! (Wy.). P. procumbens Sibth. Spittelwald bei Gersdorf O.-L. (B.). 250 Jahres - Bericht P. alba L. Breslau: dürre Waldstellen zwischen Rathen und Leuthen, hier auch ein Exemplar mit sämmtlich dreizähligen Blättern. Einzelne eingemengte dreizählige Blätter findet man auch bisweilen an sonst typischen Pflanzen, was vielfach übersehen scheint. Sanguisorba officinalis L., eine sonst bei uns meist gemeine Pflanze, die aber in manchen Gegenden Oberschlesiens rechts der Oder fehlt oder selten ist, findet sich um Woischnik (F.). Auch um Sagan selten, nur Annenhof! (Everken). 8. minor Scop. Jauer: Burgberg bei Mertschütz (Gerh.); Sagan: nicht selten! (Everken); Trebnitz: Wegränder zwischen Striese und Mühnitz! (Preis.) ob wild?; Pitschenberg bei Ingramsdorf (Krause, Uechtr.); Woischnik: Floriansberg!, Grojetzberg (F. und Wy.); Peiskretscham: Kalkfelsen im Dramathale bei Zawada! (Jungck). Rosa alpina L. Gesenke: Raine am Wege von Niedergrund nach Reiwiesen! (Richt.), —+ R. pomifera Herrm. Görlitz: vereinzelt noch an der Strasse nach der Landskrone in Gr. Biesnitz, Arnsdorf gegen Döbschütz, dann sehr häufig am Steinberge bei Königshain. Gebüsch am Mückenhainer Schulhause (B.). R. cinerascens Dum. Görlitz: Landskrone und Kämpfenberge (B.), Paulsdorfer Spitzberg (Dr. A. Schulz t. B.); Grünberg: Mäuseberg! (Hellw.). Die Pflanze von diesem Standort neigt wegen des Vorhanden- seins etlicher Drüsen an den Blattstielen und den nicht immer völlig kahlen, sondern z. Th. spärlich bekleideten Blattstielen etwas zu R. micans Desegl., einer gleichfalls zu den Tomentosa-Racen mit unterseits drüsen- losen, einfach gesägten Blättehen gehörigen, von R. cinerascens wenigstens in manchen Gegenden durchaus nicht scharf geschiedenen Form. Bei der Grünberger Rose finden sich neben beiderseits stark aschgrau be- kleideten Blättehen auch solche, die oberseits nur schwache Behaarung zeigen oder sogar verkahlen und zwar selbst an einem und demselben Blüthenzweige, ein neuer Beweis, wie wenig Gewicht auf diesen Character in der Gattung zu legen ist. — Was Barber unter seiner in der Ob.- Lausitz als verbreitet bezeichneten R. tomentosa f. cristata verstehen mag, ist mir unklar; vermuthlich gehört seine Pflanze wenigstens theilweise zu der in Schlesien gewöhnlichen R. umbelliflora (Sw.) Scheutz, die ich auch aus seinem Gebiete gesehen habe. R. venusta Scheutz „jedenfalls nur Abart von voriger (i. e. tomen- tosa)‘“ bei Görlitz im Biesnitzer Thale, am Geiersberge bei Kunnersdorf und am Bohrauer Berge (B.). R. glauca Vill. In der O.-L. verbreitet im ganzen Berglande bis zum Fusse der niederen Höhen und stellenweise die R. canina L. er- setzend. ,„Zwischenformen finden sich fast überall da, wo beide Arten zusammen vorkommen“ (B.); Goldberg: zahlreich in einem Hohlwege zw. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 351 Prausnitz und Hasel! (Gerh.), S. O. Fuss des Zobtenberges zw. Bank- witz und Kl.-Silsterwitz mit R. galtica, hier vorherrschend die var. com- plicata Chr., ebenso zw. Striegelmühl und Zobten. R. dumetorum Thuill. var. urbica (Lem. sp.), die nach B. in der O.-L. häufiger als der Typus ist, soll dort mit R, canina und R. glauca. Bastarde bilden. R. rubiginosa L. Woischnik: am Wege vor Mühlchen! (F. et Wy.), ziemlich zahlreich östlich von Ellguth (F.). Selten in Oberschlesien. R. sepium Thuill. Ob.-Lausitz: Thielitzer Weinberg häufig, Grell- berg bei Marklissa, Grunaer Berg (B.). R. inodora Fr. Görlitz: Steinberge bei Königshain (B.); Zobten: Weinberg! (Wimmer und Wichura 1841); Deseglise, der die Exemplare, von denen das eine ungewöhnlich reiehblüthige Corymben zeigt, gesehen, bezeichnete sie fragweise als R. virgultorum Rip., die zur vorigen ge- rechnet wird. R. gallica L. f. pumila (Jacg.). Nimptsch: Windmühlenhügel am Wilkauer Bahnhofe, Stehberge; Zobten: $. O. Fuss des Zobtenberges hinter Bankwitz in steiniger Waldung und an Wegen, R. canina X gallica Reut. Breslau: Dämme vor Althof-Nass unter den Eltern. Crataegus monogyna Jacg. var. denudata Schumach. Ziegen- hals: Gebüsche bei Klettnig! (Richt.). Cotoneaster integerrima Med. Görlitz: Landskrone, wo lange vermisst, 1883 in drei Sträuchern wiedergefunden (B.). Pirus Malus L. Schreiberhau: buschige Abhänge des Zackenthales oberhalb des Vitriolwerkes! (G. Schn.); Jauer: Moisdorf (F. W. Schz.); Breslau: Wald zwischen Rathen und Leuthen mit der var. acerba (MEr.). P. torminalis L. Striegau: ein blühender Baum auf der N. O. Lehne des Kreuzbergs! (Dr. Pax). —+ Philadelphus coronarius Z. Nimptsch: völlig verwildert im Gebüsch am oberen Rande der Südlehne der Schlucht der Tartaren- schanze bei Priestram!! (Schube). Epilobium collinum Gmel. Schönau: Neukirch (Fig.); Bischofs- koppe! (Bodmann). E. obscurum X roseum (F, Schz.) Hausskn. (E. brachiatum Celak.). Liegnitz: Siegendorf! (Gerh. u. Fig.). E. palustre X parviflorum (Hampe) Krause (E. rivulare Wahlenb.). Gr. Glogau: in zwei Exemplaren an einem Wiesengraben bei Schönau! (Fig.); Liegnitz: Siegeshöhe (id.). E. parviflorum X roseum (Krause) F, Schz. (E. persicinum » Rehb.). Lüben: Malmitz nicht selten unter den Eltern! (Fig.). Oenothera biennis L. Im Riesengebirge noch über Agnetendorf (G. Schnd.); im Gesenke bis Thomasdorf und Waldenburg (Vierh.). 352 Jahres-Bericht Circaea intermedia Ehrh. Sagan: Clementinenhain bei Frei- waldau mit C. alpina (B.). Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.); Ziegenhals: Vietoriaquelle! (Richt.). C. lutetiana L. Breslau: nördlich Schlanz! (Kionka). Lythrum Hyssopifolia L. Breslau: in Gross-Masselwitz!! (Dr. Friedrich), sehr häufig in Kapsdorf. Portulaca oleracea L. Gr.-Glogau: in Schönau als häufiges Un- kraut (Fig.). Sempervivum soboliferum Sims. Ober-Lausitz:- [Südseite des Rothsteines (B.)]; Trachenberg: auf Sandboden eines Kiefergehölzes bei Korsenz (Schwarz). Sedum Rhodiola DC. Hochgesenke: Saukamm (Form.). S. alpestre Vill, Gesenke: Grosser und Kleiner Seeberg, Uhustein, Schlössel, Leiterberg, Fuhrmannstein (Form.). An letzterem Standorte schon vor Jahren von mir ebenfalls beobachtet. Ribes Grossularia L. Glatz: Königshainer Spitzberg bei 700 m (Fig.); Ziegenhals: Bielewinkel! (R.); Ob.-Lausitz: Landskrone, Kämpfen- berge, Königshainer und Mengelsdorfer Berge an Felsen, Rothstein 1. 8:.30: 1.3, R. nigrum L. Trachenberg: D.-Damnow (Schwarz); Woischnik: Bachrand im Walde westlich des Suchy Las (F. u. Wy.). Sazxifraga Aizoon Jacg. Gesenke; Falkensteine bei Gabel (Ob.). S. decipiens Ehrh. Am Fusse des Königshainer Spitzberges an Abhängen des Weges gegen Wartha am 25. Mai 1885 von Dr. Schröter entdeckt und frisch mitgetheilt. Zweiter Standort im Gebiete. S. granulata L. Um Gleiwitz, wie schon Kabath angiebt, fehlend, findet sich zunächst häufig bei Peiskretscham! und Zawada, dann bei Rudzinitz (Jungck). Chrysoplenium oppositifolium Z. Seidenberg: Katzbachthal am Burgberge (Hoffmann); Tafelfichte (B.). Hydrocotyle vulgaris L. Breslau: feuchte Wiesen nördlich von Altenhayn vor Lissa mit Gentiana Amarella und G. Pneumonanthe an einer Stelle spärlich; zweiter Standort im Breslauer Kreise. Astrantia major L. Woischnik: Wealdränder vor Mühlchen (F., u. Wy.); Teichrand bei Zawodzie (F.); sehr häufig um Oberwitz gegen Gogolin (Wy.). Eryngium planum L. Namslau: ein Exemplar auf einem Stein- haufen der Chaussee bei Simmelwitz (E, Müller); hier nur verschleppt. Eine Uebergangsform zur var. subglobosa Uechtr. mit + kleineren Köpfehen, aber kurzen Hüllblättern um Grünberg: Klopsch’s Ziegelei! (Hellw.). Cicuta virosa L. Schweidnitz: Fuchswinkel (Schpk.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 353 Pimpinella Saxifraga L. f. rosea. Am Nordfusse des Geiers- berges zwischen Klein -Silsterwitz und Tampadel in zwei Exemplaren unter der weissblühenden. Seseli coloratum Ehrh. Trachenberg: sparsam auf einem Raine bei Kodlewe (Schwarz). Oenanthe fistulosa Z. Hoyerswerda: Elsterwiesen, dann am Westegraben bei Freiwaldau, Kr. Sagan (B.). Silaus pratensis Bess. Woischnik: Waldrand gegen Mühlchen (F. u. Wy.). Meum athamanticum Jacg. Isergebirge: zw. Querbach und dem Kalten Berge, dann bei Schwarzbach (F.). —- Levisticum officinale Koch. In Oest.-Schlesien um Sörgsdorf und am Pelzberge bei Weidenau verwildert (Latzel). Peucedanum Cervaria Lap. Südfuss des Zobtenberges zwischen Bankwitz und Klein-Silsterwitz mit Laserpitium prutenicum; Woischnik: Quartberg, Floriansberg, Wiesen westlich von Mühlchen, Grojetzberg (F. u. Wy.), und zwischen diesem und Lubschau (F.). Pastinaca sativa L. Gesenke: Fuss des Altvaters bei Walden- burg (Ob.). Heracleum Sphondylium L. var. conforme Mnch, Gesenke: Gr. Kessel (Ob.). Laserpitium prutenicum L. var. glabrum Wallr. Am Geiers- berge über Klein-Silsterwitz unter der typischen Form; Nimptsch: Steh- berge bei Kittelau, vorherrschend. L. Archangelica Wulf. Gesenke: Kl. Kessel nicht selten (Ob.) Scandix pecten Veneris Z. Jauer: Pohlwitz (Hiller t. Gerh., Fl. v. Liegn.); Woischnik: auf Kalkboden am Zogelberge!, Quartberge und den benachbarten Hügeln zahlreich (F. et Wy.),. Neu für Ober- schlesien! Anthriscus alpestris W. et G. Glatz: Gipfel des Königshainer Spitzberges im Bergwalde! (F.). — 4A. Cerefolium Hoffm. Weidenau: häufig an der Weide (Vierh.) Pleurospermum austriacum Hoffm. Gesenke: Gr. Hirschkamm, Kl. Kessel (Ob.). Der von Latzel aufgefundene Standort liegt nicht bei Jauernik, sondern an der Strasse von Setzdorf nach Lindewiese (vergl. Ob., Flora). Sambucus racemosa L. Clementinenhain bei Freiwaldau, Revier Eichwalde der Görlitzer Haide (B.); Münsterberg: Ober - Kunzendorf! (Kionka); Woischnik: Grojetzberg (F. u. Wy.). S. Ebulus L. Woischnik: bei der alten Ziegelei von Ellgut! (F.); Reichenstein: Maifritzdorf auf Hügeln (Latzel); Weidenau: Felder bei Rothwasser (Vierh.). 354 Jahres-Bericht Lonicera Xylosteum L. Glatz: Königshain und Spitzberg bis zum Gipfel 750 m (F.); Reichenstein: Follmersdorf (Latzel); Gesenke: zwischen Setzdorf und Lindewiese (id.), im Gemärke bei Setzdorf und zwischen Freiwaldau und Reiwiesen (Vierh.), Schlossberg bei Adelsdorf (Form.). L. nigra L. Zuckmantel: Wald bei Mariahilf! (Richt.). — L. Caprifolium L. Um Weidenau wie L. Periclymenum L. ver- wildert (Vierh.). Sherardia arvensis L. var. hirta Uechtr. Grünberg: Weite Mühle! (Hellw.). Asperula odorata L. Im nordwestlichen Gebiete noch im Cle- mentinenhain bei Freiwaldau an einer Stelle (B.). A. galioides M. B. Jägerndorf (Spatzier nach Ob., Flora). Vierter Standort. . Galium Crueiata Scop. Glatz: in und um Königshain (F.); Neisse: Woitz, Briesen, Kalkau (Vierh.), Weidenau (Form.). Jablunka: Oldrzychowitz! (Schube). G. vernum Scop. Woischnik: Grojetzberg, Quartberg (F. et Wy.); Lublinitz: Wiersbie (E. Müller). G. rotundifolium L. Gesenke: noch am Dreistein bis zum Schlägel- brünnel (Form.). G. tricorne With. Liegnitz: Töpferberg, verschleppt! (Gerh.); Woischnik: verbreitet auf Kalkäckern am Zogelberge!, Quartberge und den benachbarten Hügeln, gegen Westen nur vereinzelt bei Mühlchen (F. u. Wy.). G. spurium L. var. a. Nimptsch: unter Getreide bei Wilkau mit var. b; Weidenau: verbreitet (Vierh.). G. palustre L. var. caespitosum G. F. W. Meyer. Breslau: in der Strachate hinter Barteln. G. silvestre Poll. Görlitz: Landskrone, Kämpfenberg (B.), Lieg- nitz: an der Bahn nördlich Vorderhaide spärlich! (Gerh.). Var. scabrum (Jaeg. sp.). Görlitz: Steinbruch in der Heiligengrabstrasse, Landskrone (B.); Liegnitz: mit dem Typus! (Gerh.); ebenso am Geiersberge über Klein-Silsterwitz. G. verum L. Kupferberg: Bleiberge zahlreich mit G. ochroleucum Wolf, 600 m (F.), Schreiberhau, ea, 580 m (G. Schnd.); an Wegen im Dorfe Rehhorn spärlich bei 955 m (F.), also weit höher aufsteigend, - als die Angabe in F.’s Flora von Schlesien erwarten liess. G. Wirtgeni F. Schz. Nimptsch: Wiesen an der Eisenbahn gegen- über Kurtwitz; Woischnik: Wiesen bei Solarnia! (F. u. Wy.). G. silvaticum L. Nimptsch: waldiger Abhang und Holzschlag der Tartarenschanze bei Priestram links vor. dem Eingange in die Schlucht häufig, ohne das sonst in dieser Gegend häufigere G@. Schultesii Vest. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 255 Valeriana sambucifolia Mik. Koschentin: Teichrand bei Za- wodzie (F.).. Weidenau: Arnsdorf, Wiesau, Barzdorf, Saubsdorf, Roth- wasser u. s. w. (Vierh.). V. dioeca L. Ausnahmsweise im Hochgebirge: Gr. Kessel im Ge- senke (Ob.), V. polygama Bess. Woischnik: Solarnia, Stadtforst, Mühlchen, Lubschau, Zawodzie bei Stahlhammer und zwischen hier und Sosnica (F. u. Wy.). V. Tripteris L. var. intermedia Vahl. Gesenke: Brünnelhaide, Altvater (Ob.). Valerianella rimosa Bast. Weidenau: häufig bis ins Gebirge z. B. Zuckmantel, Freiwaldau (Vierh.). Scabiosa lucida Vill. Gesenke: Fuhrmannstein, Sonntagsberg, Hohe Haide, Heiligenhübel, am See bei Franzensjagdhaus (Form.). Eupatorium cannabinum L. f. albiflora. . Lüben: Mallmitz (Figert). Homogyne alpina Cass. f. albiflora. Brunnberg im Riesen- gebirge (F.); die f. multiflora Grab. an der Schwarzen Koppe, Grenz- bauden, Teufelsgärtchen, stets sehr vereinzelt! (Schube). Petasites officinalis Mnch. Breslau: Dockern vor Skarsine auf Sumpfwiesen! (Preis.). — Aster parviflorus N. v. E. Die von Everken am Boberufer bei Sagan als A. salieifolius Scholl. angegebene Pflanze gehört nach Ori- ginalen im Herbar der Schles. Gesellschaft hierher. —+ 4. Novi Belgii L. Schmiedeberg: Birkberg bei Hohenwiese (G. Schnd.); Breslau: häufig an einem buschigen Graben südlich vom Kapsdorfer Goi! (Preis.). —+-Solidago lanceolata L. Falkenberg: zwischen Weiderwitz und Lippen vor letzterem Dorfe massenhaft und spärlich an Gräben durch das ganze Dorf zerstreut! (Eugen Eitner, schon 1882, Bodmann). | Inula saliecina L. var. subhirta C, A. M. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau. I. vulgaris Lam. (I. Conyza DC.). Oppeln: in Hauen um die Wolfsschlucht bei Gr.-Stein häufig! (Schmidt); Johannisberg, Kaltenseiffen (Vierh.), Sörgsdorf, Wildschütz (Latzel). —+ Rudbeckia laciniata L. Hoyerswerda: am äusseren Elster- graben; Freiwaldau, Kreis Sagan (B.). Johannisberg: Krautenwalde, Oberforst (Latzel), Saubsdorf (Vierh.). _ Gnaphalium norvegicum Gunn. Schneegebirge: Saurückenlehne bis gegen Mohrau (Ob.). Filago eanescens Jord. Neisse! (M. Winkler in HarDı soe, siles. sub F. germanica). Neu für Oberschlesien. 256 Jahres-Bericht Helichrysum arenarium DC. Strehlen: Galgenberg. Achillea Ptarmica L. Trachenberg: nur in Eisenbahn-Ausstichen bei Korsenz (Schwarz). Anthemis tinetoria L. Oberhalb Goldberg an der Katzbach (Fig.). Johannisberg: Krebsgrund auf Brachen (Latzel). A. Cotula L. Im Gesenke auch im niederen Vorgebirge: Jungfern- dorf bei Friedberg, Zuckmantel (Vierh.). A. arvensis L. Bei Carlsbrunn noch um 750—850 m (v. Niessl). Chrysanthemum corymbosum L. Oppeln: sehr selten im Walde nördlich von Gogolin (Schmidt). — Ch. suaveolens Karsch. Jauer: an der Bahn zw. Brechelshof ‚und Tribelwitz (Fig.). — Ch. segetum L. Görlitz: Kleebrachen am Zilligsberge bei Arnsdorf spärlich 1869 (B.). Doronicum austriacum Jacgq. Beskiden: am Trawny (Hetschko t. Ob.). Senecio crispatus DC. Woischnik: Stadtforst, Wald zwischen Sosnica und Stahlhammer (F. u. Wy.). S. paluster DC. Lüben: Krummlinde sehr selten (Fig.). S. vernalis W. K. Schurgast: Haidehaus! (Bodmann); Habel- schwerdt! (Richt.). S. erueifolius L. var. tenuifolius (Jacq.). Jauer: Wiesen- sebüsche zw. Mertschütz und Gr.-Wandris! (Hiller). S. erraticus Bert. Weidenau (Vierh.). S. Fuchsii Gm. Ebendaselbst; Hginrichau: Moschwitzer Buchen- wald! (Dr. Schnd.); Breslau: Mahlener Wald gegen Paschkerwitz! (Preis.) S. fluviatilis Wallr. Neisse- und Weide-Auen bei Neisse (Vierh.). — Echinops sphaerocephalus L. Görlitz: Arnsdorfer Förster- haus (B.). Carlina acaulis L. Trachenberg: ganz vereinzelt im Kieferwalde bei Radziunz (Schwarz). Cirsium lanceolatum Scop. f. albiflora. Görlitz: ein Exemplar an der Reichenbacher Eisenbahn (B.). C. heterophyllum All. Reichenbach OL.: [Ostseite des Rothsteins selten], an der Chaussee nach Biesig im Gebüsch (B.); Gesenke: Kö- pernikstein, Schieferhaide (Ob.), Fuhrmannstein, Gr. Seeberg, Franzens- - Jagdhaus (Form.). C. oleraceum Scop. Um Woischnik von F. und Wy. nicht be- merkt; im Hochgesenke noch bei Franzensjagdhaus (Form.). C. canum Mnch. Weidenau (Vierh.); wird auch von Formänek noch bei Lindewiese im Gesenke angegeben; ist dort aber wohl nur verschleppt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 957 C. palustre Scop. Von F. und Wy in der nächsten Umgebung von Woischnik nicht bemerkt, erst bei Sosniea.. — Im Gesenke auch bis in die tiefere Hochgebirgsregion: Kaiserbaude, Schwarze Grabenlehne, Rother Berg und oberes Tessthal (Form.). Mit blassrosafarbenen Blumen um Liegnitz: Neuhof (Fig.). C. oleraceum X acaule (Schiede). Lüben: Altstadt selten (Fig.); Breslau: sehr selten zwischen Kapsdorf und Riesenthal! (Preis.). C. canum X acaule Sieg. Lüben: Altstadt, auch in der höheren, dem C. canuım ähnlicheren Form (Fig.); Breslau: sehr selten mit dem vorigen! (Preis.). C. oleraceum X canum Wimm. Trebnitz: Peterwitz häufig (Schwarz); Striegau: Puschkau (Schpk.). C. oleraceum X palustre Schiede. Trachenberg: Korsenz! (Sehwarz); Breslau: Haue der Westseite des Mahlener Waldes! und zw. Kapsdorf und Riesenthal! (Preis.); Münsterberg: Ober-Kunzendorf (Kionka). C. palustre X canum Wimm. Breslau: Kapsdorf um die „Erlen“ und gegen Riesenthal nicht selten!, auch zwischen Pappelhof und Klein- Raake! (Preis.); nördlich von Altenhayn und nordöstlich von hier gegen die Eisenbahn auf den sog. Gandauer Wiesen. C. palustre X heterophyllum Wimm. Riesengebirge: zwischen der Bismarckhöhe und dem Kochelfall! (Kionka). C. palustre X rivulare Schiede. Gesenke: Parkwiesen bei Carlsbrunn (v. Niessl). Carduus crispus L. Breslau: Zweibrot!, Goi bei Kapsdorf (Preis.). Im nordwestlichen Theile von Oesterr.-Schlesien nicht selten, auch im Vorgebirge (Vierh.), bis Waldenburg im Gesenke (Grab.). C. Personata Jacgq. f. albiflora. Gesenke: Falkensteine unter dem Altvater gegenüber von Gabel (Ob.). Onopordon Acanthium L. Fehlt dem Vorgebirge nicht a im Gesenke bei Carlsbrunn noch bei 750—850 m (v. Niessl nach Ob.). Vielleicht nur verschleppt. Centaurea Scabiosa L. f. albiflora. Reinerz: ein Exemplar! (C. Schz.). C. Jacea L. f. albiflora. Gleiwitz! (Jungck). —+ €. solstitialis L. Teschen: Felder bei Cameral-Ellgot (Hetschko t. Ob.). Lampsana communis L. Im Gesenke noch oberhalb Carlsbrunn (v. Niessl). Arnoseris minima Lk. Weidenau: Schafberg, Jüpelthal (Vierh.). Cichorium Jutybus L. var. subspicatum Uechtr. Trachenberg: Strassengraben im Walde bei Grenzvorwerk (Schwarz). Picris hieracioides L. Woischnik: Quartberg (F. u. Wy). 1885. 17 258 Jahres - Bericht Tragopogon orientalis L. Nimptsch: Wiesen zw. Gr. Wilkau und Priestram; in Oest. Schles. um die Kalkbrüche von Saubsdorf (Vierh.). Scorzonera humilis L. Woischnik: Wiesen bei Mühlchen und westlich vom Floriansberge, Grojetzberg (F. u. Wy). Achyrophorus maculatus Scop. Nimptsch: häufig auf den Steh- bergen bei Kittelau, zwischen hier und der Tartarenschanze auf Feld- rainen, auf dieser selbst seltener; Zobten: zw. Bankwitz und Kl. Silster- witz am SO. Fusse des Zobtenberges häufig mit voriger. A. uniflorus Bl. et Fing. var. crepidifolius Wimm. Gl. Schnee- berg, Abhang gegen Stubenseifen sparsam (Ob. Fl.). Chondrilla juncea L. Hügel bei Königszelt (Schpk.); var. latifolia (M. B. sp.) um Grünberg: Saaborer Gruft! (Hellw.). Prenanthes purpurea L. Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.). Sonchus arvensis L. var. uliginosus (M.B. sp.). Schweidnitz: Weg nach Bunzelwitz (Schpk.). Crepis rhoeadifolia M. B. Oppeln: Tarnau, am Waldrande nach Gr. Stein zu fast überall in verlassenen Kalkgruben zahlreich! (Schmidt). Zweiter Standort im Gebiete! ©. praemorsa Tsch. Breslau: Bischwitz a. Berge! (Kionka); Schweidnitz: vor Arnsdorf (Schpk.). C. sueceisaefolia Tsch. Schweidnitz: mit voriger und im Rodeland bei Königszelt (Schpk.); Woischnik: an der Chaussee nach Solarnia, Urbanka-Weide, Wiesen bei Mühlehen und Lubschau (F. et Wy). Hieracium') iseranum Uechtr. Riesengebirge: nahe Forstlang- wasser gegen Wolfshau! (Schube). H. floribundum W. et Gr. Nimptsch: Kittelau; var. pseudopratense Uechtr. Breslau: an der Chaussee beim Wolfskretscham bei Sibyllenort! (Bodmann). H,. praealtum Vill. Im Riesengebirge noch an Wegrändern über den Korallensteinen, eine Form mit stärker grauflockigen Köpfen! über- haupt mehrfach in der Form obscurum (Rehb. sp.) in der Region zw. 700—800 m (G. Scehnd.); Gesenke: noch am Rothen Berge (Form.) und Fuhrmannstein (Ob.). — Var. fallax (DC. sp.) bei Reinerz: hinter Kohlau am Wege zur hohen Mense! (C. Schz.). H. cymosum L. «. pubescens W. et Gr. (H. eymigerum Rchb.). Nimptsch: sparsam um Kittelau. ) Da es mir diesmal an Zeit gebrach, um das sehr zahlreiche theils selbst gesammelte, theils mitgetheilte Material aus di&ser Gattung kritisch genauer zu durchmustern, so beschränke ich mich hier auf die Aufzählung relativ weniger Arten und Bastarde. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 359 H. Auricula X Pilosella Fr. Liegnitz: vor Schönborn! und Jauer: an der Bahn zw. Brechelshof und Tribelwitz! (Fig.). H. stoloniflorum (flagellare) X Pilosella. Liegnitz: an der Bahn südlich Neudorf! (Fig.). H. aurantiacum X Auricula (H. pyrrhanthes Näg. et Pet. ex 2.). Grenzbauden auf Goders Wiese 1884 wiederum ein Exemplar von G. Schneider gefunden, ebenso um die Schlingelbaude, doch in anderen von der 1883 an ersterem Standort gesammelten und im Jahresb. 1884 ausführlicher beschriebenen Pflanze abweichenden, sich mehr den in den Alpen häufiger beobachteten anschliessenden niedrigeren und kurzblätterigeren Formen. Das 1834 bei den Grenzbauden beobachtete Exemplar ist nur ca 10 cm hoch, der Stengel trägt fast in der Mitte ein einziges, 10 .mm langes, 3 mm breites bracteenartiges breitlanzett- liches kurz gespitztes Laubblatt und ist an der Spitze einfach gabelig. Stolonen minder schlank, denen des H. Auricula ähnlich, 5—6 em lang, meist erst von der Mitte an beblättert. Grundblätter zahlreicher (5), innere schwach verschmälert sitzend, ungefähr in der Mitte am breitesten, deutlich bespitzt, lanzettlich, die äusseren verkehrt spatelförmig, in den nur kurzen Stiel verlaufend, meist über der Mitte am breitesten; alle deutlich gezähnelt; die Blätter der Läufer undeutlich gezähnelt, denen des H. Auricula ähnlich, auch in der Grösse und glanceseirenden Färbung. Kopfhüllen 7—8 mm, also etwas kürzer als bei der Pflanze von 1883, mit gerundeter Basis, Schuppen stumpflich, äussere schwarz mit schmälerem dunkelgrünen Rande, innere breiter, lichter berandet. Blumen dunkler, daher minder auffällig zweifarbig, randständige aussen schmutzig pur- purn, innen nur etwas blasser, an einzelnen Stellen mit helleren Fleeken, nur am Grunde gelblich; innere an der Spitze trüb purpurn, sonst gelblich. Längere Haare weisslich, am Stengel meist mit schwarzen Zwiebelborsten, namentlich gegen den Grund zahlreicher, bis 2, 5 resp. 3 mm; unterhalb der Köpfe und namentlich an den Stielen ziemlich reichlich und hier in der unteren Hälfte (bei der andern nur am Grunde) schwärzlich, an den Hüllen spärlich, die der Läuferblätter und der Spitze der sonst ziemlich kahlen Stolonen rein weiss, ohne dunkle Zwiebeln, borstenartig, die jüngsten Blätter derselben fast seidig-borstig. Schwarze Drüsenhaare der Hüllen mässig, an den Kopfstielen sehr reichlich, ebenso am obersten Viertel des Stengels, bis zum Stengelblatte schnell an Zahl abnehmend, gegen den Grund 0. Sternflocken der Hülle, der Kopfstiele und der Stengelspitze zahlreich, dann sparsam werdend, unten, wie an den Läufern nnd deren Blättern resp. den Grundblättern des Stengels 0; das bracteenartige Stengelblatt dagegen unterseits sternflockig. Habituell einem röthlich blühenden H. Auricula nahe kommend; mit H. pyrrhanthes subsp. II pyrrhanthoides N. et P. kommt es in den gezähnelten Blättern überein, ist aber im Uebrigen sowohl von diesem als von allen anderen 17° 260 Jahres-Bericht von diesen Autoren beschriebenen Formen abweichend. — Die Pflanze von der Schlingelbaude ist mir gegenwärtig nicht zum Vergleiche zu Gebote stehend; sie ist aber wie die beiden andern von Schneider be- obachteten ebenfalls einfach furcat. H. Bauhini X Pilosella P. M. E. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau, in einer dem H. Bauhini namentlich in der Blattform ähnlicheren höheren Form mit kurzen Läufern und wenigen ansehnlicheren entfernteren Köpfen sparsam unter den Eltern. H. praeallum x Pilosella Wimm. Salzbrunn: BahnhofSorgau! (F.). H. pratense X Pilosella Wimm. (H. prussicum Näg. et Pet. maj. ex p.). Liegnitz: vor Lindenbusch! (Fig.); Schweidnitz: N. Bögen- dorf (Schpk.); Breslau: auf einer Wiese rechts der Chaussee zw. dem Scheitniger Parke gegen Gr. Grüneiche ein starker Trupp; Ziegenrhals! (Richt.). H. cymigerum X Pilosella (H. canum Näy. et Pet. ex P.). Jauer: in einer niedrigen breitblätterigen Form an der Bahn zw. Brechels- hof und Tribelwitz! (Fig.). H. aurantiacum X Pilosella Näg. Riesengebirge: ein Exemplar um die Grenzbauden auf Goders Wiese! (G. Schnd.). H. stoloniflorum (flagellare) X pratense Uechtr. (H. prus- sicum Näg. et P. ex p.). Breslau: Oderdamm hinter Barteln! (Kionka). H. alpinum L. var. foliosum Wimm. wird zwar von Formänek von der Dürren Koppe im Schneegebirge angegeben, doch ist zu be- merken, dass die Pflanze der Ostsudeten, wie schon aus der einschränken- den Bemerkung in Fiek’s Flora ersichtlich, nicht dem erst wieder in den Karpathen auftretenden H. Fritzei des Riesengebirges entspricht. H. eximium Backh. Dürre Koppe im Glatzer Schneegebirge (Form.). H. nigritum Uechtr. Schneegebirge: Neuhausberg selten, Schwarze und Dürre Koppe (Form.); an den letzteren Standorten auch H. stygium Uechtr. H. chlorocephalum Wimm. Gesenke: unter dem Fuhrmannstein, aber sehr selten (Ob. Fl.). H. Schmidtii Tausch var. persicifolium Fr. Schneekoppe bei 1550 m (G. Schnd.). H. murorum (L. ex p.) aut. pl. f. mierocephala Uechtr. See- _ felder bei Reinerz! (C. Schz.). H. vulgatum Fr. var. laltifolium W. Gr. Reinerz: Friedrichs- höhe! (C. Schz.). H. tiridentatum Fr. Eine f. tubulosa mit um die Hälfte kleineren Köpfen und schwärzlichen, aber am Rande noch flockigen Hüllblättern um Reinerz: Kohlau! (C. Schz.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 261 H. prenanthoides Vill. Schneegebirge: Dürre und Schwarze Koppe, dort b. angustifolium, hier auch die var. a (Form.). H. striatum Tsch. (H. Tauschianum b pachycephalum Uechtr.). Gesenke: Fuhrmannstein, Kaiserbaude, Schwarze Grabenlehne (Form.). H. barbatum Tausch. Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald mit H. boreale von Dr. W. G. Schneider gesammelt und mir frisch mitge- theilt. Dritter Standort im Gebiete; früher nur von den Nordabhängen des Eulengebirges bekannt, aber nunmehr jedenfalls auch in anderen Gegenden des südlichen Theiles von Mittelschlesien zu erwarten, ebenso in Oesterr. Schlesien, da diese leicht kenntliche Art im angrenzenden nördlichen Mähren mehrfach von Formänek beobachtet worden ist, Campanula latifolia L. Schmiedeberg: hinter dem Erdmanns- dorfer Kirchhofe mit Lunaria (F.); Gesenke: Schwarzegraben-Lehne (Form.); Thomasdorf, Waldenburg, Hockschar, Kl. Kessel, Kriehenlehne, Ameisenhügel (Ob. Fl.). C. patula L. var. flaccida Wallr. Heinrichau: Moschwitzer Buchwald! (Dr. Schnd.). Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram spärlich. C. Rapunculus L. Proskau! (Richt.), ob wild? C. Cervicaria L. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau selten; Woischnik; Schlucht zw. dem Grojetz- und Lubschauer Berge (F.u. Wy). Vaccinium Myrtillus X Vitis idaea Aschs. Niesky: auch auf Särchner Revier an mehreren Stellen (B.). Ledum palustre L. Gesenke: Nesselkoppe (Vierh.). Arctostaphylus offieinalis Spr. Woischnik: sandige Schonung im Forst zwischen der Suchy Los und der Malapane! (F. u. Wy). Erica Tetralix L. Freiwaldau, Kreis Sagan: Wald gegen Wärst- dubesser; Haidehaus Leipa; Holzmühlteich bei Arnsdorf, Kesselgrund bei Wiesa (B.). Pirola media Sw. Gesenke: zwischen Freiwaldau und Reiwiesen (Latzel). Ligustrum vulgare L. Breslau: Bischofswalde, rechts vom Oder- damme in Gesträuch mit Acer campestre, Prunus spinosa ete. vereinzelt, hier wohl nur zufällig. Frazxinus excelsior L. Breslau: nicht selten um Riesenthal und im Mahlener Walde; Gehölze hinter Oldern. Vinca minor L. Görlitz: Königshainer Berge, Posottendorf (Dr. Peck), Kämpfenberge, in Weidengebüsch bei der Arnsdorfer Kirche mit violett- rother Blüthe (B.), ob hier spontan? Glatz: felsige buschige Abhänge in Königshain (F.); Münsterherg: Ob.-Kunzendorf! (Kionka); Oest. Schl.: Waldeck (Form.), Johannisberg (Latzel), Latzdorf (Vierh.). 262 Jahres - Bericht Swertia perennis L. Im Gesenke noch ausserhalb des Gebietes zahlreich an Gräben des Hochmoores am Fichtlich unweit des Berggeist- Wirthshauses (Ob.); zugleich wohl das tiefste Vorkommen in den Sudeten. Menyanthes trifoliata L. Breslau: Weideniederung bei Weide. Limnanthemum nymphaeoides Lk. Breslau: in einem Tümpel der Morgenauer Wiesen südlich des Weidendammes mit Stratiotes und Hydrocharıs. Gentiana punctata L. Gesenke: Enzianwiesen am Fuhrmann- stein, Leiterberg, Weg vom Gr. Kessel zum Ochsenstall (Ob.). G. asclepiadea L. KHRiesengebirge: Korallensteine,; mit weissen, blau gestreiften Blumen (G. Schnd.); Beskiden:- Malenowitz, Lukschinetz (Ob.); Kiezera, Ropieza, Pruszywka, Kotzobendz bei Teschen (Hetschko ex Ob.). G. verna L. Gesenke: Altvater gegen die Schäferei (Bubela); Saugraben, Schlössel (Form.). G. germanica W. Jauersberg im Reichensteiner Gebirge (Latzel). G. Amarella L. a uliginosa W. (sp.). Breslau: nördlich von Altenhayn mit folgender. G. Pneumonanthe L. Hoyerswerda: westlich des Schwarz-Collmer Berges (B.); Breslau: auf den meisten Wiesen zwischen Altenhayn und der Stettiner Bahn; Namslau: Simmelwitz (E. Müller). Woischnik: südlich Mühlchen (F.); Lubno am Fusse der Lissa-Hora (Ob.). G. eiliata L. Gesenke: Domsdorf bei Friedberg (Magerstein ex Ob..Fl.). Convolvulus arvensis L. var. auriculatus Desr. Breslau: zwischen Riesenthal und Schönellgut; Schweidnitz: an Mauern in der Stadt und in Kletschkau! (Schpk.). Cuscuta europaea L. var. Schkuhriana (Pfeiff. sp.). Oppeln: am Himmelwitzer Wasser zw. Wiechulla und Kempa auf Weiden! (Schmidt). Omphalodes scorpioides Schrk. [Paulsdorfer Spitzberg (0. L.) Dr. Peck]. Schweidnitz: Eichdamm bei Würben (Schpk.). Cerinthe minor L. Breslau: Bischwitz a. B.! (Kionka); Woisch- nik: um den Kalkofen am Floriansberg! (F. u. Wy). Nonnea pulla De. Woischnik: häufig am Zogel- und Florians- berge!, selten am Wacholderberge (F. und Wy). Symphitum officinale L. var. bohemicum (Schmidt). Breslau: Weideniederung bei Weide in Gesellschaft der gewöhnlichen Form. S. tuberosum L. Jablunka: Radwanöwthal! (Schube). Pulmonaria officinalis L. var. maculosa Hayne. O.L.: [Pauls- dorfer Spitzberg], nur diese, aber nicht auf der Landskrone, von wo sie Kerner angiebt (B.). Heinrichau: Geppersdorf!, Münsterberg: Ob.-Kunzendorf! (Kionka). In der Strachate bei Breslau fand ich unter R der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 263 zahlreichen Exemplaren der bei uns gewöhnlichen Form (P. obscura Dum.) mit ungefleckten Blättern, ein solches mit grossentheils gefleckten, doch sind die Flecken minder gross als bei der var. maculosa und werden beim Trocknen ziemlich rasch undeutlich. Lithospermum arvenseL. f. caerulea. Steinaua.O, (Fietz t. F.). L. offieinale Z, Weidenau (Form.). Myosotis palustris With. var. laxwiflora (Rchb. sp.). Nimptsch: am S. Fusse der Stehberge nördlich Kittelau in schattigen (nicht feuchten!) Gebüschen mit Luzula albida, Paris ete. Solanum Dulcamara L. var. assimile Friv. et Gris. Liegnitz: Ausstiche an der N. M. Eisenbahn mit Uebergängen zur Grundform (Gerh.). —+ Nicandra physaloides Gtn. Hirschberg: Cunnersdorf (F.); Sehweidnitz (Schpk.). Atropa Belladonna L. Gesenke: Weidenau, Johannisberg, Fried- berg (Vierh.); Teschen: Kotzobendz, Ellgoter Gebirge (Hetschko). Verbascum Thapsus L. Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram. V. Thapsus X nigrum Schiedr. Görlitz: hohes Neisseufer gegen- über der Obermühle 1882 (B.); Liegnitz: an der Bahn bei Fauljoppe ein Exemplar unter den Eltern (Fig.). V. Lychnitis L.var. album (Mill. sp.). Liegnitz: Kirchhof (Fig.). V. Blattaria L. f. albiflora. Breslau: Grabenrand hinter Hünern. Scrophularia Ehrharti Stevens. Nimptsch: Bach westlich der Tartarenschanze gegen Gr. Ellgut mit Berula. —+ Zinaria Cymbalaria Mill. Gr. Glogau: schattige Mauern in Schönau häufig (Fig.). L. Elatine Mill. Prausnitz: Wilkawe (Stud. Jander t. Schwarz). L. spuria Mill. Oppeln: zwischen Kempa und Wiechulla längs des Himmelwitzer Wassers! (Schmidt); der erste Fundort auf der rechten Oderseite in O. Schlesien, überhaupt der zweite für diesen Theil des Gebietes. L. arvensis Derf. Weidenau (Vierh.); Jauernik: Krautenwalde (Latzel). + Mimulus luteus L. Breslau: Rux bei Kapsdorf! (Lehrer Schnee- weiss). Neu für die Breslauer Flora. — Digitalis lutea L. Schmiedeberg: Ruhberg häufig und voll- ständig eingebürgert (F.). Veronica aquatica Bernh. Liegnitz: Arnsdorf (Gerh.). V. montana L. Freiwaldau, Kreis Sagan: Clementinenhain (B.); Gesenke: Zuckmantel: Weg nach Mariahilf! (Richt... Thomasdorf, Drehberg (Form); Beskiden: Radwanöw-Thal! (Schube). V. Chamaedrys L. var. lamiifolia (Hayne, sp.). Reinerz: Hut- berg! (©. Schz.). Der Typus noch bei der Schweizerei am Altvater und an der Oppa unterhalb der Schäferei (Form.). 264 Jahres - Bericht i V. offieinalis L. var. alpestris Öelak. Riesengebirge: Gehänge, Riesengrund (G. Schnd.). V. Teuerium L. Woischnik: Floriansberg, Quartberg (F. u. Wy). V. alpina L. Riesengebirge: Grosse Schneegrube, hier schon von Wimm,. und Grab. (Fl. sil.) angegeben, aber später von W. nicht mehr erwähnt und auch von Anderen nicht beobachtet, von Fiek 1885 in einer schwer zugänglichen, lange mit Schnee erfüllten Felsschlucht wieder- gefunden! V. serpyllifolia L. Auch auf dem Altvater (Ob.). V. triphyllos L. Hirschberg: Grunau (G. Scehnd.). Bartschia alpina L. Gesenke: Hirschkamm (Ob.). Euphrasia pieta Wimm. Schneegebirge: Dürre und mährische Schwarze Koppe, Gesenke: Gr. Seeberg und Schlössel (Form.). Orobanche rubens Wallr. Leubus: zahlreich auf einem Hügel gegen Gleinau! (Dr. Schnd.), hier ausschliesslich eine meist niedrigere Form mit schmutzig violettem Stengel und blassröthlich-amethystfarbenen Blumen und Kelchen; Woischnik: Quartberg! und benachbarte Hügel, einzeln auch am Floriansberge (F. u. Wy). O. elatior Sutt. Weidenau (Form.). OÖ. caryophyllacea Sm. Teschen (Beck in Ob. Fl.; desgl. auch O. ramosa Z. Beide neu für Oesterr.-Schlesien. — Schlosser giebt auch O. alba Steph. (O. Epithymum DC.) von Odrau an, was leicht richtig sein könnte, da diese Art auch im nördlichen Mähren und an vereinzelten Stellen in Nord-Deutschland vorkommt. Mentha silvestris L. f. albiflora. Trebnitz: Teichränder in Klein-Schwundnig einzeln unter der gewöhnlichen! (Preis... Var nemo- rosa (W. sp.) in einer Form mit durchweg deutlich gestielten Blättern am Mühlgraben bei Liegnitz (Fig.). M. silvestris X aquwatica G. F. W. Meyer. Lüben: Malmitz! (Fig... Diese Form entspricht der M. pubescens W. und stimmt mit der Beschreibung der mährischen Pflanze in Oborny’s Flora aufs Genaueste überein, dürfte also wohl auch, wie diese, eine Hybride von M. silvestris v. candicans (Crantz sp.) und aquatica a capitata darstellen. Auch ist die Kronenröhre kahl oder doch nur mit vereinzelten Haaren besetzt. Thymus angustifolius Pers. Zwischen diesem und Th. Chamae- drys Fr. resp. dessen in unserem Gebiete verbreiteten Varietät montanus (W. K., sp.) scheinen auch Bastarde vorzukommen, so z. B. um Breslau bei Obernigk und hinter dem Sauberge bei Ransern, wo die Typen zahl- reich in Gesellschaft wachsen. Salvia pratensis L. Breslau: Lehnen bei Riesenthal!! (Preis.). Woischnik: Zogelberg, Floriansberg und sonst (F. u. Wy); Teschen: Trziniee! (Schube). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 365 S. verticillata L. Woischnik: auf den Kalkbergen verbreitet: Zogelberg! Wacholderberg, Floriansberg, Lubschauer Berg, Grojetzberg (F, u. Wy); Beuthen: Station Scharley! (Techniker O. Gerhardt). Melittis Melissophyllum L. Breslau: nicht selten im südwest- lichen Theile des Mahlener Waldes!! (Preis.); Münsterberg: Ob.-Kunzen- dorf! (Kionka); Woischnik: Grojetzberg! (F. u. Wy). Lamium amplexwicaule L. f. albiflora. Liegnitz: auf Aeckern ein Exemplar (Fig.). L. purpureum L. f. albiflora. Ober-Glogau: Seminargarten ein- zeln! (Richt.). L. Galeobdolon Crntz, Breslau: Mahlener Wald. L. montanum (Pers.) Kabath. Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram mit vorigem. Galeopsis pubescens Bess. f. albiflora Döll. Gleiwitz: Richters- dorf an der Ostroppa! (Jungck). Stachys germanica L. Die Standorte bei Carlsbrunn im Gesenke beruhten, wie zu erwarten stand, auf einer irrthümlichen Notiz des Finders. S. alpina L. Gesenke: Reiwiesen vereinzelt (Wy.), Schwarze Grabenlehne, Rother Berg, von Franzensjagdhaus durch das obere Tess- thal fast bis Winkelsdorf hinab (Form.). S. annua L. Teschen: Punzau häufig (Hetschko t. Ob.). 8. recta L. Woischnik: Quartberg! (F. u. Wy); Gleiwitz auf Kalk bei Laband (Jungck). Prunella grandiflora Jacg. Breslau: Gandauer Wiesen nord- östlich von Altenhayn gegen die Stettiner Bahn; Kl.-Totschen an Weg- rändern gegen Machnitz!, und zw. Mühnitz und Burgwitz! (Preis.). Ajuga genevensis L. Nach B. in der Ob.-Lausitz selten: Oehlisch am hohen Ufer des schwarzen Schöps. Pinguicula vulgaris L. Torfwiesen zwischen Oberwitz und Go- golin (Wy); Woischnik: östlich von Lubschau! (F.). Utricularia minor L. Weidenau: Torfwiesen häufig (Vierh.). Neu für Oesterr.-Schlesien. U. vulgaris L. Johannisberg (Latzel); Weidenau (Vierh.). Trientalis europaea L. Görlitzer Haide: Revier Eichwalde; Freiwaldau: Clementinenhain, Kleins Winkel (B).; Weidenau: Hermsdorf (Magerstein). Androsace septentrionalis L. Raudten: sandige Waldränder un- fern des Bahnhofes zahlreich! (Dr. Schröter). Primula offieinalis Jacq. Trachenberg: Lauskower Kieferwald (Schwarz). 266 Jahres - Bericht Anagallis caerulea Schreb. Am Bahnhofe Stahlhammer, Kreis Lublinitz, ziemlich zahlreieh, hier vielleicht aber nur eingeschleppt! (F.). Weidenau: Butterberg (Vierh.). Armeria vulgaris W. Mit dunkelrothen Blumen um Liegnitz am Kirchhofe vereinzelt (Fig.); ebenso mehrfach um Breslau Schwarz theilte von Korsenz bis Trachenberg eine interessante Bildungsabweichung mit auswachsenden vergrünten Fruchtknoten mit. Polycnemum arvense L. Breslau: Brachen zwischen Riesenthal und Schön-Ellguth. —- Amarantus paniculalus L. var. purpurascens Mog.-Tand. Breslau: Grabenschlamm am Kapsdorfer Goi! (Preis.). + Salsola Kali L. Grünberg: auf Schutt bei Klopsch’s Ziegelei mehrfach! (Hellw.). Zweiter Fundort im Gebiete. Chenopodium ficifolium Sm. Schweidnitz: sehr zahlreich an den Ziegeleiteichen (Schpk.). | Atriplex nitens Schk. Gleiwitz: Ruderalstellen der Sumpfwiesen an der Klodnitz hinter der Hütte mehrfach! (Jungck); erster oberschle- sischer Standort rechts der Oder, übrigens wohl ursprünglich ver- schleppt. Rumex sanguineus L. Am Pratsch in Agnetendorf (Schpke.). R. obtusifolius L. fl. suec. Gesenke: noch am Rothen Berge und im oberen Tessthale (Form.). | R. alpinus L. Gesenke: spärlich auf der Brünnelhaide (Ob.). R. arifolius All. Tafelfichte (B.); Lissahora (Ob.); neu für die schlesischen Beskiden. Daphne Mezereum L. Freiwaldau, Kr. Sagan: Clementinenhain (B.); Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.); Münsterberg: Ober-Kunzendorf! (Kionka); Woischnik: Grojetzberg (F. u. Wy). Thesium pratense Ehrh. „In Schlesien mit Gewissheit nur am Landeshuter Kamme und zwar ausschliesslich auf dessen Ostseite, wo auch alle in der Flora von Schlesien verzeichneten Standorte gelegen sind; ausserdem noch auf trocknen Wiesen oberhalb Wüsteröhrsdorf und ebenso auch au Rainen und grasigen Wegrändern im oberen Theile von Rothenzechau verbreitet, Der Höger’sche Fundort zwischen W. und R. liegt unterhalb der beiden Dörfer und ist mindestens eine halbe Stunde von den genannten Localitäten entfernt. — Der Siegert’sche Standort bei Krummhübel ist entschieden zu streichen, da dort überall von verschiedenen Beobachtern nur Th. alpinum bemerkt wurde“ (Fiek, briefl, Mitth.). Th. alpinum L. Zobten: Klein-Silsterwitz, an grasigen waldigen Stellen westlich vom Dorfe. Euphorbia amygdaloides L. Beskiden: unter dem Gr. Ostry gegen Koszarzysk! (Schube). | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 367 E. falcata L. Oppeln: um Kempa bis zur Grenze des Kalkbodens in der Nähe des Himmelwitzer Wassers und sogar noch über dieselbe hinaus verbreitet (Schmidt). E. virgata W. K. Gleiwitz: Labander Wald unfern des Canals vereinzelt! (Jungek). Hier wohl nur verschleppt. E. Cyparissias L. Jetzt auch um Görlitz: Landskrone (seit 1875, Dr. Peck), an der Bahn nach Charlottenhof (B.); Gesenke: Freiwaldau (Prof. Zelenka t. Form.). E. strieta L. D.-Wartenberg: Cukawe! (Hellw.), erster Standort im Kreise Grünberg. Urtica urens L. Noch auf der Lissa-Hora_um die Schutzhütte 1881 (Ob.). | U. dioeca L. var. angustifolia Led. Riesengebirge: Agnetendorf am Bache sparsam, aber schön ausgeprägt! (Fig.); Liegnitz: einmal am Obergraben vor Barschdorf (id.). | Ulmus campestris L. f. suberosa (Ehrh. sp.). Hoyerswerda: Gross-Neida (B.). U. montana With. Isergebirge: Kalter Berg bei Rabishau auf Basalt, Schwarzbach (F.). Ä * Castanea sativa Mill. Münsterberg: Waldsaum bei Ob.-Kunzen- dorf gepflanzt, jährlich reichlich fruchtend! (Kionka). Quercus sessiliflora Sm. Für die mittlere und obere Region des Geiersberges (Zobtengeb.) charakteristisch. — Alnus serrulata W. Breslau: SW.-Partie des Mahlener Waldes auf einem feuchten Hau als niedriger Strauch; Schweidnitz: Hügel zw. Pilzen und Schwengfeld mit Betula pubescens (Schpk.). A. glutinosa X incana Krause, Liegnitz: Krummlinde (Fig.); Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram am Eingange in die Schlucht; Breslau: baumartig in einer der A. incana näheren Form unter den Eltern bei Riesenthal an Wiesengräben. Betula verrucosa Ehrh. v. microphylla Wimm. (B. oycoviensis Bess.). Kynast (F.). Salix daphnoides Vill. Gesenke: Carlsbrunn (v. Niessl). S. hastata L. Gesenke: Bründelhaide (Paul t. Ob.); Abhang des Fuhrmannsteines (Form.). S. pentandra L. Gleiwitz: Sumpfwiesen am Canal beim Labander Walde 5 und 2! (Jungek). S. purpurea X repens Wimm. Liegnitz: Seifersdorf; Lüben: Petschkendorf (Fig.). 5. cinerea X purpurea Wimm. Lüben: Gr.-Kriechen! (Fig.). S. aurita X purpurea Wimm. « glaucescens Wimm. Breslau: Zwei kleine 5 Sträucher unter den Eltern in einem alten Ausstiche zwischen Rothkretscham und dem Wolfswinkel, 268 Jahres-Bericht S. triandra X viminalis Wimm. Liegnitz: an der Katzbach am Turnplatz (Fig.). 5. cinerea X viminalis Wimm. Goldberg: Neukirch an der Katzbach (Fig.). 8. Caprea X viminalis Wimm. a latifolia ej. Lüben: Altstadt am Bahnhofe und Goldberg: Katzbachufer bei Neukirch (Fig.); Breslau: am Teiche bei Cosel! (Bornmüller). 8. Caprea X cinerea Wimm. Liegnitz: Bahnausstiche bei Arns- dorf! (Gerh. und Fie.). 8. Caprea X aurita Wimm. Ebendaselbst! (G. u: F.). S. cinerea X repens Wimm. Lüben: ein kräftiger 5 Strauch in einem Wiesengraben westlich von Krummlinde! (Gerh. u. Fig.). Bis- her aus dem Gebiete nur 2 bekannt. S. aurita X repens Wimm. SBagan: ein gegen 5 m hoher & Strauch im Eckartsdorfer Gebüsch hinter Annenhof! (Everken in herb. soc. sil.); Gross-Glogau: in zwei Formen, die niedere der $. repens näher kommende vorherrschend! (Fig.); Breslau: „Gandauer‘‘ Wiesen nordöstlich von Altenhayn zwergig, in der Blattform der S. aurita näher. S. silesiaca X bicolor Pax. Riesengebirge: am Originalstandorte nunmehr von Dr. Pax auch blühend (2) gefunden. Populus tremula L. var. villosa Läng. Breslau: häufig im Forste zw. Rathen und Leuthen als Strauch. P. alba X tremula Wimm. Breslau: ebendort, strauchig. —+ Elodea canadensis Casp. Schweidnitz: Tümpel an der Peile zw. Pilzen und Schwengfeld spärlich, häufiger weiter unterhalb zwischen Ober- und Nieder-Grunau (Schpk.). Alisma Plantago L. var. graminifolium (Ehrh. sp.) gehört nach den Untersuchungen Caspary’s und Celakovsky’s zu A. arcuatum Michal. (A. Plantago var. aestuosum Bolle), einer von A. Plantago L. hin- reichend verschiedenen Art, deren typische Landform, die in ausge- trockneten Sümpfen nicht selten bis 0,50 m Höhe erreicht, bisher nur von den Waschteichen bei Breslau bekannt war. Dieselbe ist danach auch in den Teichgegenden um Militsch und Trachenberg, von wo A. gra- minifolium Ehrh. mehrfach durch Ansorge bekannt geworden ist, jeden- falls vorhanden, ebenso vielleicht in den Umgebungen des früheren Kalichteiches bei Oppeln, sowie in anderen Teich- und Seen-Gebieten der Provinz, zumal in Oberschlesien. Sagittaria sagittifolia L. var. vallisneriifolia Coss. et Germ. Breslau: in der Weide bei Weida (Ue. und Dr. Friedrich) und Krzyzano- witz! (Preis.); Trachenberg: Nesigoder Bartschkanäle 1880. Potamogeton fluitans Roth. Woischnik: in einem Tümpel am östlichen Saume der Urbanka- Weide! (F.). Zweiter Standort dieser wenigstens in Oberschlesien wahrscheinlich verbreiteteren Art. der Schles. Gesellschaft für vater. Cultur. 269 P. trichoides Cham. Breslau: Oswitz! (Siegert 1854 in herb. soc. sil.); ob noch? Lemna gibba L. Um Breslau nicht gemein und beiweitem die seltenste Art. 1885 massenhaft und z. Th. mit anderen Arten unvermengt in den Dorfteichen von Gross-Masselwitz. Arum maculatum Z. Görlitz: felsige Gebüsche der SW.-Seite der Landskrone 1884 (B... Neu für die Pr. Oberlausitz. Orchis globosa L. Gesenke: Hockschar (Form.). O. mascula L. Breslau: an buschigen grasigen Eichdämmen der Ohle - Niederung bei Althof-Nass nur ein Exemplar mit Melampyrum cristatum, M. nemorosum, Fragaria collina, Veronica longifolia ete.. Neu für die Breslauer Flora, überhaupt in der schlesischen Ebene eine Seltenheit und zunächst erst bei Freiburg, Striegau, Liegnitz etc. O. sambucina L. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau. OÖ. incarnata L. Lüben: Gross-Kriechen! (Fig.); Woischnik: im Stadtwald und über die ganze Urbanka-Weide zerstreut (F. u. Wy). O. maculata L. f. candidissima (Krock. sp.). Teschen: Tul! (Schube). Gymnadenia conopea R. Br. var. densiflora Whbg. Schmiede- berg: Wolfshau (G. Schnd.). G. albida Rich. Gesenke: Hockschar, Keilis, Gr. und Kl. Seeberg (Form.). Platanthera viridis Lindl. Woischnik: Nordseite des Grojetz- berges nicht häufig! (F. u. Wy). Erster Standort rechts der Oder in Pr.-Schlesien. P. chlorantha Cust. Nimptsch: Tartarenschanze bei Priestram mit P. solstitialis in einer Form mit lockerer und armblüthiger Aehre; Teschen: Ustron am Fusse der Czantory ein ungemein kräftiges Exemplar mit dicht- und vielblüthiger Aehre, sowie fast weissem Perigon! (Schube). Cephalanihera ensifolia Rich. Nimptsch: Stehberge bei Kittelau; [Schatzlar: Kippe (Dr. Pax)]. Epipactis palustris Craniz. Woischnik: Urbanka - Weide (F. u. Wy). Listera cordata R. Br. Gesenke: Reiwiesen mit Corallorrhiza (Wy). Gladiolus imbricatus Z. Prausnitz: Grenzrain bei Gross-Breesen einmal (Schwarz). Iris sibirica L. Ratibor: P.-Krawarner Wald (W.). Galanthus nivalis L. Strehlen: Ruppersdorf in Gebüschen am Kryhnwasser (Kruber t. F.); Glatz: oberer Theil der Ostseite des Königs- hainer Spitzberges bis zum Gipfel, 751 m (F.). — Mit sechs gleichlangen und gleichgestalteten schneeweissen Perigonblättern ziemlich selten an der Katzbach oberhalb Liegnitz (Fig.); die gleiche Bildungsabweichung 2370 Jahres-Bericht haben sowohl Prof. Stenzel als ich einigemal bei Blüthen aus Bouquets der spontanen Pflanze beobachtet, die in Breslau massenhaft auf den Markt gebracht werden. Lilium Martagon L. An gewissen Standorten in der Färbung des Perigons ziemlich variabel, so am Geiersberge um den östlichen Gipfel, wo sich unter der gewöhnlichen Form und der mit verwaschen-rosa ge- färbten auch ein Exemplar mit tief dunkelrothen nur am Grunde schwach punctirten oder (vorherrschend) völlig einfarbigen Perigonblättern fand, welches somit den Gegensatz zur f. ligrina m. darstellt nnd an die dal- matische Race /L. Cattaniae Vis.) erinnert. — Görlitz: selten auf der Südkuppe des Kämpfenberges (B.). L. bulbiferum L. Reinerz: grasige Waldstellen um die Einsiedlerei, nur steril! (C. Schz.). Gagea minima Schult. Glatz: mit Galanthus am Gipfel des Königshainer Spitzberges (F.). Anthericum ramosum L. var. fallax Zabel. Trachenberg: Kor- senzer Kieferwald ziemlich häufig (Schwarz). Der Typus noch um Namslau: Simmelwitz (E. Müller) und Jauer: Tschechenberg bei Gir- lachsdorf! (F. W. Schz.). Tulipa silvestris L. Görlitz: Haferfelder bei Biesnitz (Dr. von Rabenau); seit 1870 auch auf Rasenplätzen am Kaisertrutz (B.). Ornithogalum umbellatum L. Freiwaldau, Kreis Sagan (B.); Trebnitz: Pflaumendorf auf Saatfeldern! (Preis.). OÖ. nutans L. Seidenberg: Küpper, in Hecken (B.). Seilla bifolia L. Ratibor: auch am nordwestlichen Rande der _Obora aber spärlich! (Migula). Allium ursinum L. Lorzendorf bei Mettkau sehr häufig! (Schube); Strehlen: Fasanerie bei Ruppersdorf (Kruber t. F.). x A. Victorialis L. Riesengebirge: Kiesberg! (G. Schnd.). A. sibiricum W. Gesenke: Brünnelhaide, Gr. und Kl. Seeberg, Heiligenhübel, Saugraben bei Franzensjagdhaus, Schieferhaide, Backofen- steine (Form.). A. vineale L. Reinerz: Hutberg mit Salvia verticillata und Gentiana ciliata! (C. Schz.). Polygonatum vertieillatum All. Woischnik: Grojetzberg! (F. u. Wy). P. offieinale All. Glatz: im oberen Theile von Königshain (F.). Colchicum autumnale L. Breslau: Riesenthal!! (Preis.). Tofieldia ealyeulata Whinbg. Sagan: unter dem Dachsberge! (Everken); Krappitz: Torfwiesen zw. Oberwitz und Gogolin! (Wy). Juncus filiformis L. Hoyerswerda: jenseits der Eisenbahnbrücke (Schmidt). Waldenburg: Dittmannsdorf, Reussendorf (Schpk.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. : 971 J. trifidus L. Gesenke: Johanneshütte, Drehberg, Hohe Haide (Form.). | J. [uscoater Schreb. Breslau: Ziegeleiausstiche hinter dem Oder- schlösschen mit J. lampocarpus, doch seltener. J. tenuis W. Görlitz: Königshain, Mengelsdorf; Greiffenberg: zwischen Wiesa und Karlsberg (B.); Lauban: zw. Neukretscham und Geibsdorf (Dr. v. Rabenau); Friedeberg: verbreitet zw. Egelsdorf und Hernsdorf und in diesem Orte selbst, dann an der Bahn bei Neu- Kemnitz (F.). Luzula flavescens Gaud. Beskiden: auch an der NW.-Seite der Czantory gegen den Tul! (Schube). L. pallescens Bess. Breslau: Mahlener Wald! (Preis.). Melzer- srund im Riesengebirge (G. Schnd.). L. albida Desv. Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.); Nimptsch: Kittelau am Fusse der Stehberge und auf diesen selbst, Tar- tarenschanze bei Priestram. Cyperus flavescens L. Gogolin: Torfwiesen gegen Oberwitz (Wy.). C. fuscus L. Schweidnitz: sparsam bei Grunau (Schpk.). Scirpus paueiflorus Ligthf. Woischnik: Urbanka-Weide, Lub- schau (F.). | Eriophorum angustifolium Roth. Breslau: auch in der Ohle- niederung auf einer kleinen torfigen Wiese vor Althof-Nass mit Carex strieta, ©. Buxbaumii, Sphagnum platyphyllum Sull.; im September 1885 reichlich zum zweiten Male mit Samenwolle nördlich von Altenhayn vor Lissa. Carex dioeca L. Lüben: Gr.-Kriechen! (Fig.); Woischnik : östlich von Lubschau!, Zawodzie bei Stahlhammer (F.). ©. Davalliana Sm. Schweidnitz: Ober-Grunau, Rodeland bei Kö- nigszelt (Schpk.); Woischnik: Solarnia, Urbanka-Weide gemein!, östlich von Lubschau, Fuss des Grojetzberges (F. u. Wy); zw. Zawodzie und Bahnhof Stahlhammer (F.). | C. pulicaris L. Görlitz: Sohra (Dr. Peck); Kupferberg: Kreuz- wiese (F.); Woischnik: Urbanka-Weide! (F. u. Wy). ©. pauciflora Ligthf. Gesenke: Johanneshütte, Drehberg, Stech- pläne (Form.). C. cyperoides L. Lüben: torfige Gebüsche westlich Krummlinde (Gerh.); Breslau: Ziegelei-Ausstiche hinter Klein-Grüneiche am Wege nach Bischofswalde ziemlich zahlreich! (Preis.). C. curvata Knaf. Breslau: buschige Dämme vor Althof-Nass in unmittelbarer Nähe von ©. Schreberi Schrk. C. virens Lam. Woischnik: Grojetzberg! (F. u. Wy). 972 Jahres-Bericht C. paradoxa W. Herrnstadt: Wiesen bei Schubersee (Schwarz); Schweidnitz: vor Arnsdorf, Rodeland bei Königszelt (Schpk.). C. leporina L. Hochgesenke: an vielen Stellen, u. a. Brünnelhaide, Kl. Seeberg, Gr. Kessel (Form.). C. remota X paniculata Schwarzer (C. Boenninghauseniana Whe.). Lüben: Klaptau in einem sumpfigen Gebüsch ziemlich selten! und Gross- Glogau: bei Annaberg in der „Bösen Gurke‘! (Fig.). C. caespitosa L. Breslau: um die Erlensträucher der Ohlauwiesen hinter der Haase’schen Brauerei, Radwanitz um die Windmühle gegen Althof-Nass. C. acuta (L. ex p.) Fr. var. fluviatilis Hartm. Trachenberg: sandige Orlaufer bei Korsenz! (Schwarz). ©. Buekii Wimm. Breslau: auch in der Weideniederung bei der „Neuen Welt“! (Siegert in herb. soe. sil.). ©. Goodenoughii Gay var. melaena Wimm. Trachenberg: D.- Damnow sehr ausgeprägt! (Schwarz). ©. Buxbaumii Whnbg. Trachenberg: Korsenz! (Schwarz); W oisch- nik: Mühlchen! (F.). C. limosa L. Gesenke. Johanneshütte, Drehberg, Keilig, Stech- pläne, Gr. Seeberg (Form.). | C. vaginata Tsch. Gesenke: Leiterberg unweit der Schweizerei häufig! (Wy). C. pallescens L. Gesenke: Drehberg, Brünnelhaide, Leiterberg u. s. w. (Form.). C. tomentosa L. Woischnik: Zogelberg! und Waldrand gegen Mühlchen (F. u. Wy). C. umbrosa Host. (C. polyrrhiza Wallr.). Breslau: Lichtungen im südwestlichen Theile des Mahlener Waldes! (Preis.), im Leuthen-Rathener Wald auch auf Sumpfwiesen häufig mit CO. praecox Jacq. C. pilulifera L. Breslau: Rathen-Leuthener Wald; Gesenke: Dreh- berg und Schwarze Grabenlehne (Form.). C. montana L. Trachenberg: Korsenzer Kieferwald! (Schwarz); Breslau: zwischen Calluna im Walde hinter Arnoldsmühl mit Pulmonaria angustifoia; Nimptsch: Stehberge bei Kittelau mit voriger; Woischnik: Quartberg, Grojetzberg! (F. u. Wy). C. Hornschuchiana Hoppe. Reichenbach: Wiesen südlich vom Herrleinberge (F.); Woischnik: Solarnia! (F.); zweiter sicherer Standort für Oberschlesien. 0. Oederi Ehrh. Gesenke: Dreibrunn, Brünnelhaide, Peterstein (Form.). C. Pseudocyperus L. Trachenberg: Korsenz (Schwarz); die var. minor Hampe um Liegnitz: Tzschocke! (Gerh.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 273 Panicum sanguinale L. var. ciliare (Retz spec.). Görlitz: Zäune der Dresdener Strasse, Schlachthof 1882 (B.). + P. capillare L. Liegnitz: Barschdorf in einem Garten schon seit Jahren! (Fig.). Alopecurus pratensis X geniculatus Wich. (A. hybridus Wimm.). Liegnitz: Bruch am Schwarzwasser bei Liegnitz zahlreich, in der Nähe der chemischen Fabrik gegen Rüstern! (Fig.); in der Nähe der Schwimm- anstalt am Bruchdamme! (Gerh.). — „Alle unsere frischen Exemplare zeisten auf der Oberfläche die hervortretenden Nerven der Blätter von A. geniculatus, wodurch sich diese Form von den oft nahe stehenden des A. pratensis sicher unterscheiden lässt.‘ (Gerh. in litt). Einige der von den Findern erhaltenen Exemplare bin auch ich geneigt, für den Bastard zu halten, andere vermag ich vorläufig nur als eine Form des A, pra- tensis zu betrachten, welche auch um Breslau unter Bedingungen vor- kommt, die die Annahme von Hybridität ausschliessen. Phleum pratense L. Breslau: mit in Laubsprosse auswachsenden Aehrchen sehr ausgeprägt und ziemlich zahlreich im Weggraben zwischen Marienau und Zedlitz! (August 1885, Dr. Friedrich). Ph. Boehmeri Wib. var. interruptum Zabel. Nimptsch: Tar- tarenschanze bei Priestram unter dem Typus. Oryza elandestina A. Br. Hoyerswerda: an der Eisenbahnbrücke (Schmidt). Polypogon monspeliensis Des/. ist bei Gleiwitz nach Mittheilung des Finders wieder verschwunden, da die Wiese vor der Fruchtaus- bildung der Pflanze gemäht wurde. Agrostis canina L. mit gelblichen Aehrchen bei Liegnitz: an der Bahn nördlich Vorderheide (Gerh.). Schon um Oppeln von Grabowski beobachtet. — Der Typus nach Formänek noch um die Kaiserbaude im Gesenke; die var. multica Gaud., ebenfalls schon früher von Grabowski in Oberschlesien und von mir um Lissa bei Breslau beobachtet, um Vorderhaide bei Liegnitz!, mit Uebergängen in die begrannte (Gerh.). Calamagrostis Halleriana DC. Wiegandsthal: am Dressler bei Schwarzbach, Meffersdorf, Klingenberg bei Gebhardsdorf (B.). Milium effusum L. Gesenke: Gr. Seeberg, Oberes Tessthal (Form.). Koeleria cristata Pers. Glatz: an einem felsigen Abhang in Königshain in einer schlaffen Form mit oft unterbrochener Rispe und grünlichweissen Aehrchen! (F.). Weingaertneria canescens Bernh. Schweidnitz: Popelberg bei Schwengfeld (Schpk.). Zweiter Standort bei Schw. Holcus mollis L. Breslau: nordöstlich von Altenhayn unfern der Bahn. Arrhenatherum elatius M. et K. f. biaristata Peterm. Strehlen: Galgenberg spärlich unter dem Typus. 1885. 15 274 Jahres - Bericht Avena pratensis L. Gipfel des Költschenberges sehr selten (Schpk.). | A. pubescens L. var. glabra Fr. Scehweidnitz: selten bei Kletsch- kau (Schpk.). A. flavescens L. Nimptsch: Wiesen zwischen Gr.-Wilkau und Priestram, hier auch eine Form mit doppelt grösseren Aehrchen; Woischnik: am Floriansberge um einen alten Kalkofen (F.), also auch rechts der Oder in Oberschlesien. Melica uniflora Reiz. Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.). Briza media L. Gesenke; Altvater, Peterstein (Form.). Poa caesia Sm. Uhustein im Hochgesenke (Form.). P. nemoralis L. var. montana Wimm. Gesenke: Schweizerei, an der Oppa unter der Schäferei (Form.). P. remoia Fr. Gesenke: Köpernik (Form.). Glyceria plicata Fr. Breslau: Gräben am Kapsdorfer Goi! (Preis.); eine niedrige, z. Th. der var. depauperata Crep. entsprechende Form an sandigen T'’eichrändern bei Rosenthal!! (Dr. Friedrich). — Haussknecht giebt in den Verh. des Bot. V. für Gesammtthüringen an, dass nur diese, nicht G. fluitans RBr. im Herbste blühenden Nachwuchs bilde, was aber nach langjähriger Beobachtung in unserem Gebiete entschieden unrichtig ist. Im Gegentheil ist die zweite Blüthenperiode für beide Arten gegen- über der G. nemoralis geradezu charakteristisch; oft sind blühende Exem- plare im Herbste an manchen Stellen nur vereinzelt, aber bisweilen auch in grossen Mengen vorhanden, bis in den October hinein und in warmen Jahrgängen auch länger; so stand in der Breslauer Gegend noch am 23. November 1883 allenthalben gerade die @. fluitans in schönster Anthese. G. nemoralis Uechtr. et Körn. Breslau: feuchte Partien im Ööst- lichen Theile des Mahlener Waldes! (Preis.), in Gräben am südwest- lichen Rande desselben am 8. October 1885, wie immer im Herbste, steril mit blühender G. fuitans, aber auch in diesem Zustande sofort an dem freudigen grünen Colorit der Blätter und die Gestalt der Ligula zu unterscheiden, die sich übrigens erst in späterem Entwickelungs- stadium in feine Fransen spaltet. G. distans Whlnb. var. tenuis Uechtr. Breslau: vor Marienau südlich des Weidendammes an einer Stelle zahlreich. Molinia caerulea Mnch. f. flavescens Gaud. Liegnitz: Rüstern westlich der Bahn sparsam! (Fig.). Festuca Pseudomyurus Soyer-Will. Lüben: Bahnhof Vorder- haide! (Fig.); Schweidnitz: Sandgrube bei Bögendorf (Schpk.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 23755 F. sciuroides Roth. Hoyerswerda: zw. Klein-Neida und Dörgen- hausen (B.); Görlitz: unterer Steinbruch am rechten Neisseufer, Strasse nach dem Brautwiesentunnel (B.); Liegnitz: Höhen am Dominialhofe von Gassendorf häufig (Gerh.). F. ovina L. (subsp. euovina Hack.) var. capillata (Lam. sp.) — F. tenui- folia Sibth. vera. Breslau: sandige Wiesen in den Anlagen und auf dem Rennplatze vor Gr.-Grüneiche unter gewöhnlicheren Formen; Liegnitz: Wiesen an der Baumgartallee (Gerh.). F. glauca Lam. var. psammophila Hackel. Grünberg: Heiners- dorf! (Hellw.). F. heterophylla Lam. Schweidnitz: Rodeland bei Königszelt! (Sehpk.); Jauer: Hessberge! (Gerh.); Breslau: Mahlener Wald! (Preis.). F. silvatica Vill.. Glatz: Gipfel des Königshainer Spitzberges (F.). - F. gigantea Vill. var. triflora Godr. Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.). Bromus mollis L. var. liostachys Tausch. Breslau: Rennplatz und Anlagen vor Gr.-Grüneiche, links der Schwoitscher Chaussee hinter dem Scheitniger Parke; auch bei Nimptsch. B. Benekeni (Lange) = DB. asper aut. pl. Görlitz: Niedaer Berge, Schwarzer Berg bei Friedersdorf (B.); Woischnik: Grojetzberg! (F.). B. inermis Leyss. Breslau: eine niedrigere Form mit kleineren, mattgrünen Aehrchen nicht selten zwischen Weide und Protsch um die Brücke. B. sterilis L. Hirschberg (G. Schnd.). B. teetorum L. var, glabratus Sond. Wartha: an der Bahn vor dem Bahnhofe! (Fiek); Waldenburg: Wegränder vor dem Schachte „Steinernes Kreuz‘! (W. Hübner). Elymus europaeus L. Jauer: in einer Schlucht der Hessberge! (Gerh.); Heinrichau: Moschwitzer Buchenwald! (Dr. Schnd.). —+ E. arenarius L. Hoyerswerda: an der Bahnstrecke nach Lohsa sich sehr verbreitend (B.). Juniperus communis L. f. pendula Aschers. Liegnitz: Unter- försterei Rehberg westlich vom Egelsee! (Gerh.). J. nana L. Riesengebirge: um den Veigelstein etwa 50 Schritt diesseits der Grenze einige z. Th. abgestorbene Sträucher (A. Schulz in D. B. Monatsschr. III p. 142). Abies alba Mill. Noch in der Buhrauer Haide, Kr. Sagan, z. B. im Clementinenhain (B.). Salvinia natans All. Rybnik: Pohlom, Jastrzemb, Mschanna, überhaupt in vielen Treichen dieses Theiles des Kreises (Migula). Selaginella spinulosa A. Br. Gesenke: Fuhrmannstein, Auer- hahnbaude (Form.), 18* 276 Jahres-Bericht Lycopodium complanatum L. var. a anceps Wallr. Zobten: Klein-Silsterwitz, an einer sonnigen trockenen Stelle in der Nähe des Dorfes über dem Bache zwischen Calluna mit Thesium alpinum und La- Ihyrus silvestris steril!! (Dr. Schnd.). Equisetum Telmateja Ehrh. Rybnik: Jastrzemb (Migula). Ophioglossum vulgatum L. Lüben: torfige Gebüsche bei Krumm- linde (Gerh.). Botirychium Lunaria Sw. Ober-Lausitz: zw. Ober-Reichenbach und Mengelsdorf (B.); Lüben: Krummlinde (Gerh.); var, subineisum Röp. Gesenke: Hockschar (Form.). i B. matricariaefolium A. Br. Grünberg: Mäuseberg mehrfach! (Hellw.). Phegopteris Robertianum A. Br. Woischnik: Mauer um die Valentinskirche mit Asplenium Ruta muraria! (F. u. Wy). Ph. polypodioides Fee. Liegnitz: Weasserforst bei Kaltwasser (Gerh.), neu für die dortige Flora. Cystopteris sudetica A. Br. et Milde. Gesenke: an der Oppa unterhalb der Schäferei (Form.). Asplenium viride Huds. Riesengebirge: Mauern in St. Peter! (Kionka). A. germanicum Weis. Görlitz: Ebersbach (Dr. Peck); Rietstein bei Gebhardsdorf sehr selten (B.). der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 977 Mi, Bericht über die Thätigkeit der entomologischen Section im Jahre 1885, erstattet von K., Letizuner, zeitisem Secretair der Section. Die entomologische Section hat sich im Jahre 1885 zu 7 Sitzungen versammelt, welche regelmässig von zahlreichen Gästen besucht waren. Vorträge wurden nur von dem Secretär der Section gehalten, da Herr Eisenbahnbaumeister Fein nach Grünberg versetzt wurde, Herr Guts- besitzer Naacke und Herr Dr. med. Wocke leider auch dieses Jahr durch Krankheit an dem Besuche der Versammlungen verhindert waren. Der zeitige Secretär hielt folgende Vorträge: 1. Nachtrag zum Jahresbericht pro 1884. Zu dem im vorjährigen Berichte über die Thätigkeit der entomo- logischen Section erwähnten Massen-Auftreten des Othius punctipennis Lac., laeviusculus Steph., erlaube ich mir (nach einer freundlichen Mittheilung des Entomologen Herrn Edm. Reitter in Mödling bei Wien) nachzu- tragen, dass Herr E. Reitter vor einer Reihe von Jahren bei Paskau das genannte Thier im Sommer um den Stamm einer Linde an einer sonst kahlen, grasfreien Stelle zu Tausenden und Tausenden beobachtet hat. Die Thiere waren dick aufeinander, die nächsten Tage jedoch weniger häufig und verschwanden im Laufe einer Woche vollständig. Kein weiteres Jahr wurden sie wieder an dieser Stelle gefunden. In demselben Berichte ist nach dem 1. Nachtrage zu Edm. Reitter’s Käferfauna von Mähren und Schlesien für die letztgenannte Provinz in Zugang gebracht als bei Seibenschütz vorkommend: Morimus funereus Muls., tristis F, Da auf meine Anfrage nach Herrn Reitter’s freund- licher Mittheilung Seibenschütz in Mähren, 4 Meilen südwestlich von Brünn liegt, so ist das genannte Thier aus der schlesischen Fauna zu streichen. 278 Jahres-Bericht 2. Ueber einige schlesische Wasserkäfer. Herr Lehrer Gerhardt in Liegnitz hatte die Freundlichkeit, mir ein Verzeichniss der von Dr. OÖ. Zacharias in den Wassern des Hirsch- berger Thales, des Iserkammes und der Seefelder im Sommer dieses ' Jahres gefangenen Wasserkäfer, die ihm von demselben zur Untersuchung resp. Bestimmung übersendet worden waren, mitzutheilen. Die Ausbeute war meist ohne Bedeutung und förderte nichts Neues zu Tage. Am Interessantesten war der Fang von der Iserwiese, der ausser 1 Exemplar von Haliplus lineatocollis nur den Haliplus Heydeni Wehncke -(ohne H. rufi- collis Deg.) lieferte. Der neueste Catal. coleopt. Europae zieht denselben wie H. immaculatus Gerh. als Var. zu IH. ruficollis Deg., da dieser aber auf der Iser gleichzeitig gar nicht vorkam, so scheint dies für die Selbst- ständigkeit des H. Heydeni als Species zu sprechen. Die übrigen gefangenen Arten sind: Haliplus impressus F. (sehr häufig, Kunersdorf bei Hirschberg, Giersdorf), H. cinereus Aub. (zieml. selten, Kunersdorf, Giersdorf), H. Heydeni Wehncke (Giersdorf), H. immaculatus Gerh. (mehrfach, doch ohne H. ruficollis, Schildau, Giersdorf), H. fluviatilis Aub. (zieml. selten mit dem Vorhergehenden, Schildau, Giersdorf). — Noterus erassicornis Müll. (häufig, Schildau). — Laccophilus hyalinus Deg. (Kunersdorf). — Coelambus inaequalis F. (häufig, Schildau). — Hydroporus rivalis Gyl. (1 Exemplar im Zacken, und zwar die typische Form), H. 4lineatus Drap. (häufig, Schildau), H. minimus Scop,, 9 granularis L. (Schildau), H. pictus F. (Schildau), H. obscurus St. (Seefelder). — Agabus bipustulatus L. (Kunersdorf),. — Platambus maculatus L. (im Zacken). — Ilybius guttiger Gyl. (Seefelder), I. aenescens Thoms. (Hirschberg), I. fene- stratus F. (Schildau). — Rhantus punctatus Foure., pulverosus Steph. (Kuners- dorf), Rh. bistriatus Bergstr. (Seefelder). — Acilius sulcatus L. (Hirschberg). — Graphoderes zonatus Hoppe (Seefelder). — Gyrinus dorsalis Gyl., marinus Gyl. (Giersdorf). — Zaccobius minutus L. (Kunersdorf). Nimmt man die Zahl der schles. Wasserkäfer-Arten bis zur Gattung Gyrinus inel. zu 135 Species an, so sind die 25 von Dr. Zacharias sefangenen Arten ein unbedeutendes Ergebniss. 3. Ueber Larve und Puppe des Enicmus rugosus Hbst. Durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. Schneider erhielt ich Anfang September des Jahres 1885 einen Schleimpilz (Myxomycetes), der zur Familie Calcareae und zur Gattung Aethalium (Fuligo) gehörte, “welchen derselbe Ende Juli oder Anfang August an einem der auf dem hiesigen Holzhofe am Weidendamme lagernden Baumstämme gesammelt hatte. Dieser Schleimpilz (höchst wahrscheinlich Fuligo varians Hall.) war bis auf einige kleine Theile der gelben Oberhaut total zerfressen und in ein gelblich-graues Pulver verwandelt. Bewirkt war dies worden, wie sich sehr bald herausstellte, durch eine Menge des Enicmus rugosus der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 379 Hbst., Thoms., welche sich noch in dem Pilzpulver vorfand. Der grösste Theil der Thiere war bereits todt, eine Anzahl derselben jedoch noch am Leben, aber bedeckt mit dem feinen Pilzstaube, und deshalb dem reinen Thiere ganz unähnlich. Zu meiner Freude fanden sich bei ge- nauerem Nachsuchen auch noch eine Anzahl erwachsener Larven und Puppen vor, aus denen ich in wenig Tagen (begünstigt durch die Wärme und Trockenheit des Zimmers und der Pilz-Atome) mehrfach den Käfer erzog. Da weder Larve noch Puppe bis jetzt beschrieben sind (Perris in seinen Larves col&opteres p. 83 erwähnt nur, dass die Larve des E. rugosus Hbst. einen an Baumstutzen sich findenden Schleimpilz: Reti- cularia hortensis bewohnt), so erlaube ich mir Folgendes darüber mitzu- theilen. Die Larve des E. rugosus ist ausgewachsen 2,5 mm lang, schmal, linienförmig, cylinderisch, weiss, mattglänzend. Sie besteht aus dem Kopfe, den 3 Brustringen, 8 Abdominal-Ringen und dem Anal-Segmente, und ist mit sparsamen, feinen, zerstreuten Härchen besetzt, welche oft nur in gewisser Richtung wahrgenommen werden. Sie ist befusst; die Beine sind weiss, verhältnissmässig dünn und lang. — Der Kopf ist vor- wärts gerichtet, mit gelblicehen oder mehr bräunlichen, glänzenden Horn- platten bedeckt, welche die Mitte des Kopfes bis zum Scheitel und die Seiten desselben weiss lassen, so dass diese Stellen von der weissen Farbe der ganzen Larve sind. Deshalb scheint bisweilen die Oberseite des Kopfes von vier mehr oder weniger bräunlichen Hornschildchen be- deckt, welche von der weissen Färbung der Larve umgeben sind, näm- lich 2 kleinen an dem deutlichen Kopfschilde und der Innenseite der Fühlerbasis, und 2 grösseren, etwas weiter nach hinten und aussen, bis an die Basis des Kopfes reichenden. Erst vor der Verpuppung nimmt der Kopf eine mehr gleichmässige bräunliche Färbung an. — Die Fühler sind verhältnissmässig lang und dünn, dreigliederig, Das zweite, auf- fallend lange Glied ist das längste, das dritte ist dünn, am Ende mit einem langen, dünnen, steifen Haare besetzt. — Die Ocellen sind sehr undeutlich und scheinen auf dem bräunlichen Hornschilde hinter dem Fühler ein Häufehen zu bilden, das man unter mässig starker Vergrösse- rung für ein einziges, durch seine schwärzliche Färbung und ziemlich starke Hervorragung auffallendes Auge zu halten geneigt sein könnte. — Der Prothorax ist das längste Segment der Larve, da der Meso- und Metathorax ein wenig kürzer ist, Die Abdominal-Segmente sind ein wenig kürzer, als die beiden hinteren Brustringe, an Länge einander gleich, die letzten kaum ein Weniges kürzer, aber allmählich schmaler werdend, daher die Larve hinten etwas zugespitzt erscheint. Zuweilen läuft über dieselben auf der Mitte eine vertiefte Längslinie. Das kurze und schmale Analsegment ist nach unten umgebogen wie bei allen Larven, welche den Anus als Nachschieber gebrauchen. 280 Jahres - Bericht Die Larve hat nach dem oben Gesagten im Umriss. keine Aehnlich- keit mit der des verwandten Enicmus minutus L., abgebildet in Chapuis u. Candez: Catalogue des larves des Col&opteres (Memoires de la Soc. des sc. de Liege T. 8, Taf. 2 f. 10), da sie viel schmaler, cylinderisch und nur sehr schwach behaart ist. Mehr Aehnlichkeit hat sie im Umriss mit der daselbst nebenan abgebildeten Larve von Diphyllus lunatus, ist aber am Hinterende mehr zugespitzt. Die Puppe ist weiss, schlank, verhältnissmässig langgestreckt, gegen 2 mm lang, der Hinterleib cylinderisch, nach hinten etwas verschmälert. Der Kopf ist niedergebeugt und mit mehreren gelblichen, gleichlangen Haaren besetzt. Kopfschild und Oberlippe sind deutlich. Die Augen (welche anfangs ebenfalls weiss sind) färben sich mit dem Alter der Puppe bräunlich, zuletzt schwarz. Der hinten etwas verengte, an den Seiten sanft aufgebogene Thorax ist am Rande, wie auf der Mitte, mit zahlreichen, kleinen Tuberkeln besetzt, welche mit einem steifen Haare gekrönt sind. Diese Haare sind gelblich, sämmtlich gleich lang, und erscheinen wie abgestutzt. Ueber die Oberseite des Abdomens, wie über Meso- und Metathorax läuft eine vertiefte Mittellinie. Zu jeder Seite derselben zeigt jedes Abdominal-Segment 2 sehr kleine, weissliche, mit einem gelblichen Härchen gekrönte, zuweilen kaum wahrnehmbare Tuberkelchen, welche auf dem ganzen Rücken 4 Längsreihen bilden. Ausserhalb der äussersten Reihe befindet sich jederseits ein tieferer Längseindruck, welcher nach aussen eine Erhöhung hervorhebt, die auf jedem Segment am äussern Seitenrande als eine mit 2—4 längeren, steifen Haaren besetzte Tuberkel nach aussen vorragt. Das Anal-Segment ist abgestumpft, mit zahlreichen Börstehen besetzt und hat an der Spitze zwei von einander weit abgerückte, längere und stärkere Borsten, welche sich gabelförmig gegen einander krümmen, aber einander mit der Spitze nicht berühren. — Auf der Unterseite der Puppe liegen die 4 vorderen Beine, wie bei allen Käferpuppen. Ueber den Schenkeln derselben liegen an der Unterseite des Thorax die Fühlerscheiden, welche bis in die Nähe der Kniee der Vorderbeine reichen. — Die Flügelscheiden sind kaum länger als die Scheiden der Flügeldecken und ragen unter diesen nur wenig mit der Spitze nach innen zu hervor. Sie werden überragt von den letzten 3 Abdominal- und dem Anal-Segmente des Hinterleibes. Die Tarsen der Hinterbeine sind nicht sichtbar. Die Kniee derselben, sowie die der vorderen Beine sind mit 1 bis 2 Tuberkelchen besetzt, deren jedes ein Haar trägt. Ist die Larve vollkommen ausgewachsen und der Verpuppung nahe, so wird sie (wie wohl die meisten Käferlarven) merklich kürzer und dicker und zeigt eine gelbliche, ja sogar röthliche Färbung mit bräun- lichem Kopfe. Sie verlässt nun das Pilzpulver, leimt sich mit dem Anus an die Umgebung (bei mir an das Papier, worin der Pilz aufbewahrt der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 381 worden war) fest und streift die Larvenhaut ab, die zum grössten Theile auf der Unterseite der Puppe in der Nähe des Anus hängen bleibt. Der Puppenzustand dauerte bei der Wärme und Trockenheit des Zimmers nur wenig Tage. Bei dem Auskriechen des; Käfers bleibt die Puppen- haut mit der abgestreiften Haut der Larve an dem ‚Gegenstande hängen, an dem die Verpuppung erfolgt ist. Unter den zahlreich (mehr als 40) ausgekrochenen Thieren ist die Form mit braunen Flügeldecken die zahlreichste, etwa halb so viel zeigen eine schwärzliche und etwa der vierte Theil eine röthlichgelbe Färbung. Die Var. rugipennis Mannh. und planatus Mannh. waren nur sparsam vertreten, 4. Status der Coleoptern-Fauna Schlesiens Ende des Jahres 1885. In dem abgelaufenen Jahre 1885 sind zur Käferfauna Schlesiens zu- getreten: 1. Bembidium gilvipes St. Einige Exemplare von Breslau (Marienau, April), und in den Trebnitzer Hügeln. Bisher für B. tenellum gehalten. 2. Oxypoda exoleia Er., subflava Heer, riparia T'homs., longula Bris. Im Gebirge selten. Beskiden, Leiterberg am Fusse des Altvaters (Juli). 3. Medon (Lithocharis) piceus Kraatz. Hessberge bei faulenden Pilzen 1 Stück von Gerhardt im October d. J. erbeutet. 4. Osxytelus pumilus Er. Wättrisch bei Nimptsch (v. Rottenberg, 9). — Bereits 1871 als sehr wahrscheinlich in Schlesien vorkommend auf- geführt. 5. Osxytelus speculifrons Kraatz, Gegen Sonnen-Untergang bis in die Vorstädte von Breslau umherschwärmend (Juli und August). 6. Osxytelus Sauleyi Pand. Ein & bei Breslau (März). 7, Oxytelus hamatus Fairm. In der Ebene selten, in Gesellschaft des OÖ. depressus Grav. Breslau. 8. Osxytelus affinis Czwal. Ein Z fing Herr Rector Kolbe im Schwarzwasser-Bruch bei Liegnitz (Gerh.), welches derselbe freund- lichst meiner Sammlung überlassen hat. 9. Choleva badia St. Unter Laub sehr selten. Breslau, Obernigk. 10. Choleva Wilkini Spence, praecox Er. Ein Exemplar bei Breslau. ll. Corticaria Eppelsheimii Reit. In der Ebene in Blüthen, sehr selten; Marienau bei Breslau (October). Herr Entomologe Reitter hatte die Freundlichkeit, das Thier zu bestimmen. 12. Corticaria Weisei Reit. In der Ebene selten. Breslau (Schiess- werder Juni, Juli), — Wird in dem neuesten Catalog der Käfer Europa’s als Var, zu Cort. longicollis Zett. (formicelorum Mannh.) gezogen. 13. Ditoma (Synchita) separanda Reit. In der Ebene unter der Rinde von Laubbäumen (Nussbäume, Eichen, Pflaumenbäume etc.) ziem- 282 Jahres - Bericht lich selten. Breslau (Juni, Juli), Ohlau, Glatz. Bisher für Var. von D. juglandis gehalten. | 14. Laemophloeus turcicus Grow. An getrocknetem Obst in Deli- katessen-Handlungen. Breslau (September, October). 15. Scymnus impexus Muls. Im Vorgebirge und Gebirge, wie es scheint, nicht auf Laubholz, ziemlich häufig, Altvater (Juli), Schneeberg, Waldenburger und Riesen-Gebirge (selten, Agnetendorf im Juli). Bisher mit S. abietis Payk. vermengt. Am Ende des Jahres 1884 zählte Schlesien 4344 Käferarten. Nach dem vorstehenden Verzeichnisse traten im Jahre 1885 hinzu 15 Arten, so dass die Zahl der heimischen Species (bei Abrechnung des oben be- sprochenen Morimus funereus) auf 4358 steigen würde. Da in dem neuesten Catalogus Coleopterorum Europae eine bis jetzt nicht ermittelte Zahl von schlesischen Arten eingezogen und als Varietäten anderer Arten aufgeführt worden sind, die Zahl derselben aber erst nach beendigtem Drucke der 2. Auflage meines Verzeichnisses der Käfer Schlesiens fest- gestellt werden kann, so lässt sich gegenwärtig keine bestimmte Zahl der Coleoptern-Arten Schlesiens angeben. Dieselbe dürfte aber nicht unbedeutend unter 4350 sinken. 5. Ueber Bembidion minimum F., Doris Panz., gilvipes St. u. tenellum Er., 6. Ueber Medon (Lithocharis) piceus Kraatz, 7. Ueber die mit Oxytelus depressus Grav. (tetracarinatus Block) ver- wandten Arten, 8. Ueber die schles. Arten der Protinini, Phloeocharini und Piestini, 9. WUWeber 2 für Schlesien neue Arten der Gattung Choleva, 10. Ueber die 3 schles. Arten der Gattung Ditoma Hbst., 11. Ueber die schles. Arten der Gattung Laemophloeus Er., worüber das für Schlesien Neue in dem vorstehenden Verzeichnisse der im Jahre 1885 zur schles. Fauna zugegangenen Arten mitgetheilt ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 383 VI. Bericht über die Thätigkeit der geographischen Section im Jahre 1SS35, abgestattet von Dr. Ki: r@alle; zeitisem Secretair der Section. In der Sitzung vom 25. November gedachte der Secretär zunächst der Verluste, welche die Gesellschaft und insbesondere die geographische Section durch den Tod ihres Ehrenmitgliedes, des Generals Baeyer, Präsidenten des königl. geodätischen Instituts, und ihres auswärtigen ‚Mitgliedes, des Geh. Reg.-Rathes Prof. Dr. Sadebeck, erlitten hat. Derselbe gab hierauf einen kurzen Bericht über die von dem königl. Öberbergamt der Section in besonderem Abdruck übersandte werthvolle Zusammenstellung der Coordinaten der Dreieckspunkte des Oberschlesischen Industrie-Bezirkes. Hierauf theilte Herr Prof. Ferd. Cohn einen Bericht mit, den das eorrespondirende Mitglied der Gesellschaft, Oberstabsarzt in der Nieder- ländisch-Indischen Armee, Dr. Fritz Schneider in Surabaya (Java) ihm über die Katastrophe des Vulcans Semru am 18. April dieses Jahres eingesendet hatte. Der Semru (Semeru) gehört zu einer Gruppe von Vulcanen, die nahe der Südküste von Java sich hinter dem tertiären Randgebirge bis zu 4000 m Höhe erheben; ihre Abhänge waren früher bis zur Baumgrenze (3000 m) mit Urwald bedeckt, der jetzt grossen Theils gelichtet und in Plantagen umgewandelt ist. Der Kegel des Semru (über 11 000 Fuss) besteht in einer Höhe von 3000 Fuss aus vegetationsleerem Geröll und Sand, die sich zum Theil in dünenartigen Hügeln aufthürmen; vom Winde in thurmhohen Wirbeln erhoben, fällt der Sand später als Sand- 284 Jahres - Bericht regen nieder; die tropischen Regen haben in den Sand tiefe Rinnen ein- gegraben, deren lose Böschungen zeitweis als Bergschlipfe (Urae) sich abwärts bewegen und als Sandlawinen zu Thale gehen. Am 15. April verschüttete eine solehe Sandlawine die Kaffeeplantage Kali benang, welche 7000 Fuss unter dem Gipfel des Semru angelegt war; der die Lawine begleitende Wirbelwind hatte das Haus des Administrators weg- geweht, von ihm selbst und seinen Leuten war keine Spur zu finden; doch berichtete ein von ihm noch am 15. April geschriebener Brief, „dass er das Herabrollen einer mit der Geschwindigkeit eines Courier- zuges niedergehenden Sandlawine noch beobachtet, aber bis zum letzten Augenblick auf seinem Posten aushalten wolle“. Veranlasst war der Fall der Sandlawine durch einen Ausbruch des Semru, der seit dem 10. April sehr unruhig geworden, ungeheure Massen schwefeliger Dämpfe, Sand und Asche ausgeworfen, und damit die ganze Gegend bis 12 Meilen Entfernung überschüttet hatte, bis in der Nacht vom 17. zum 18. April ein Lavaerguss erfolgte; der Kraterwall wurde in einer Breite von 260 m und einer Höhe von mindestens 125 m weggerissen, und der stehengebliebene Rand nach Innen um 70—100 m abgebröckelt und um 50 m verlängert. Die ausgeworfene Asche enthielt am Fusse des Vulcans schwefelige Säure, in 4 Meilen Entfernung war dies nicht mehr der Fall; sie hatte sp. @. 1,6 und wurde von Dr. Schneider als basische Basaltasche ohne Bimsstein bestimmt, während die des Krakatau trachitisch ist; dagegen gleicht sie der Asche der javanischen Vulcane Lamongan, Merapi und Guntur, Kartenskizzen und Zeichnungen waren von Dr. Schneider seinem Bericht zur Erläuterung beigegeben worden. Herr Prof. Partsch berichtete über den gegenwärtigen Stand der Kenntniss der Insel Corfu. Er beleuchtete die empfindlichen Mängel der vorliegenden Karten, von denen die der englischen Admiralität wohl eine befriedigende Dar- stellung der Uferlinie und ein annähernd richtiges Bild des Reliefs bietet, aber für das Wegenetz und die Ortschaften des Innern völlig unzuver- lässig ist, während die Karte Givonci’s gerade nach diesen beiden Rich- tungen hin sorgfältiger gearbeitet ist, dagegen ein von der Naturwahr- heit weit entferntes Terrainbild giebt und durch den Verzicht auf die Einpassung in das Gradnetz ebenso deutlich, wie durch die Beigabe eines unrichtigen Maassstabes den Mangel einer wissenschaftlich genügenden Grundlage verräth. Als Grundlage jeder Verbesserung des Kartenbildes von Corfu würden, wenn die offieiellen britischen Aufnahmen. dauernd der Oeffentlichkeit vorenthalten bleiben, ausschliesslich die Dreiecke dienen, welche vor zwanzig Jahren der österreichische Generalstab auf Corfu festlegte bei Verbindung des albanesischen und des apulischen der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2385 Dreiecksnetzes im Dienste der europäischen Gradmessung. Von den Be- mühungen für die Verbesserung der topographischen Kenntnisse der Insel Corfu fällt zunächst den geologischen Studien ein reicher Gewinnantheil zu. Bisher sind nur vereinzelte Beobachtungen englischer Offiziere, des Schweizer Physikers Mousson und des österreichischen Botanikers Unger über das Bergland der Insel an die Oeffentlichkeit gekommen, Wie voreilig Unger’s Versuch war, auf Grund einer kurzen Bereisung einiger Theile der Insel eine geologische Kartenskizze derselben zu entwerfen, die wenigstens Kreide und Tertiär zu unterscheiden versuchte, bewies schon die Begehung der mittleren und südlichen Theile des corfistischen Tertiärlandes durch Fuchs, die indess bei dem Mangel an Aufschlüssen weniger reiche Ergebnisse abwarf als desselben Forschers Studien auf Zante und dem griechischen Festland. Während so die Literatur unseres Jahrhunderts für die geologische Kenntniss der Insel nur vereinzelte Bei- träge geliefert hat, lag in Corfu seit 60 Jahren eine vollständige, auf sründlicher Kenntniss aller ihrer Theile beruhende Speeialbeschreibung der Insel, reich an geologischen Beobachtungen, welche für das Studium des Gebirgsbaues der Insel zwar keine dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft entsprechende Grundlage, wohl aber eine Fülle werth- voller Anhaltspunkte bieten. Es ist eine 1824 niedergeschriebene allen bisherigen Schriftstellern über Corfu unbekannt gebliebene Arbeit, welche der gegenwärtige Besitzer, Herr Professor Romanos, kürzlich dem Vor- tragenden zu eingehendem Studium überliess. Es gelang, den ungenannten Verfasser zu ermitteln, einen sieilianischen Arzt in englischen Diensten, Namens Dr. Benza. Sein Werk ist ohne Zweifel das wichtigste Hilfs- mittel, welches die bisherige Forschung den nun wieder aufgenommenen ‚Arbeiten für genauere Kenntniss Corfus an die Hand giebt. Diesem Berichte über die Sitzung vom 25. November 1885 wird hier noch der Bericht über einen Vortrag angeschlossen, welcher am 31. März 1886 von Herrn Professor Dr. Leonhard Weber gehalten worden ist, über die wiederholten Blitzschläge in das Universitätsgebäude zu Breslau, um die Veröffentlichung der Mittheilungen über diesen Gegenstand nicht zu sehr zu verspäten. In dem ersten Bande der Schriften der Schlesischen Gesellschaft vom Jahre 1806 befindet sich eine Abhandlung des damaligen Professors Jungnitz, in welcher eine sehr sorgfältige und anschauliche Beschreibung eines Blitzschlages in das Universitätsgebäude vom 16. August 1804 gegeben wird. Diese Beschreibung und ein weiteres nicht publieirtes Manuseript von demselben Verfasser, in das Herr Geh. Rath Galle mir 286 Jahres - Bericht gütigst Einsicht gestattet hat, gewinnen ein neues Interesse durch einen am 3. Juli vorigen Jahres (1885) abermals in das Universitäts-Gebäude sefahrenen Blitz. “ Es möge deswegen erlaubt sein, zunächst aus jenen Aufsätzen von Jungnitz die Hauptsache zu recapituliren. Nach seinen Angaben ist das Universitäts-Gebäude bereits im vor. Jahrhundert mehrfach vom Blitz getroffen worden, ohne dass jedoch eine Zündung oder erheblichere Schäden eingetreten wären. Im Jahre 1790 wurde das Observatorium, die jetzige Sternwarte, mit einem Ableiter versehen, der sowohl mit der Helmstange und der Ringkugel des Thurmes als auch mit dem Kupferdache der Gallerie in Verbindung stand. Dieser Ableiter vermochte die bis zu 400 Fuss entfernten nordöstlichen Teile des Gebäudes nicht mehr wirksam zu schützen und die letzteren wurden am 16. August 1804 bei einem sehr schweren Gewitter Abends 8'/, Uhr von einem heftigen Blitzschlage getroffen. Jungnitz befand sich selbst in seinem Arbeitszimmer (zur jetzigen Wohnung des Herrn Geh. Rath Galle gehörend) ging, wie er das bei schweren Gewittern zu thun pflegte, in der Mitte desselben auf und ab und blieb wunderbarerweise unver- letzt, obwohl in seiner nächsten Nähe ein Zweig des Blitzes in Gestalt eines Cylinderss von 4—5 Zoll Durchmesser von der Decke seines Zimmers in &füssigem Uebersprunge auf den Thürpfosten schlug. Der Weg des Blitzes, der in drei verschiedenen Hauptzweigen durch das Gebäude verfolgt werden konnte, war kenntlich an beschädigten Schorn- steinen, durchbrochenen Mauern, zersplitterten Balken und vor allem an dem vielfach abgerissenem, mit Eisendrath befestigtem Putze der Decken. Die Bindedrähte waren mehrfach zerschmolzen. Im Grossen und Ganzen hatte der Blitz sich also von den Schornsteinen der östlichen Seite des Gebäudes durch Decken und Wände des Gebäudes hindurch vielfach verästelt seinen Weg in das Erdreich gesucht. Eine unmittelbare Folge dieses gewaltigen Blitzschlages und dieser eindringlichen Mahnung zur Vorsicht war die Ausdehnung der bisherigen Blitzableiter-Anlage des Observatoriums auf das ganze Gebäude. Schon 4 Wochen später am 13. September hatte Professor Jungnitz den Auf- trag der Königlichen Kammer in Händen, einen ausreichenden Blitz- ableiter zu erbauen. Er entledigte sich dieses Auftrages in ausgezeich- neter umsichtigster Weise, wie aus seinem obengenannten Manuseript hervorgeht. Er ging von dem durch die damals neu erschienenen Werke des Dr. Reimarus befestigten Grundsatze aus, dass man den First des Gebäudes und die hervorragenden Gegenstände durch die Leitung decken und diese Leitungen untereinander in gehörige Verbindung setzen, dass man endlich so viel als möglich dem Blitze den kürzesten Weg nach der Erde anweisen und eine hinreichend grosse leitende Fläche der Erd- RUE ee der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 9337 ceonductoren bieten müsse. Bis auf die Meinung, dass es auf die Ober- fläche des Blitzableiters und nicht, wie wir jetzt sagen würden, auf dessen Querschnitt ankommt, sind die Grundsätze von Jungnitz durchaus richtig und ihre Befolgung liefert in den allermeisten Fällen wirksame Ableiter. In der That hat sich auch der von J. angelegte, im Wesent- lichen noch jetzt bestehende Blitzableiter durch eine lange Reihe von Jahren bewährt. Es sind im Ganzen 5 Auffangstangen vorhanden, und zwar je eine am westlichen, östlichen und südlichen Giebel, eine 4. am Vereinigungspunkte des südlichen Flügels mit dem Hauptgebäude und die 5. zwischen der letzteren und dem Observatorium. Dazu kommt noch die auf dem Thurme des Observatoriums angebrachte Spitze. Alle diese Auffangstangen stehen durch eine zusammenhängende Firstleitung von ?,zölligem DJEisen in Verbindung und es führen im Ganzen vier Ableitungen aus °/,zölligem Eisen von denselben in das Erdreich. Zwei derselben liegen zu beiden Seiten des Observatoriums, eine dritte am östlichen Giebel und eine vierte geht längs der östlichen Kehlrinne zwischen dem Hauptgebäude und dem südlichen Flügel zur Erde, also an einer Stelle, in deren Nähe die hauptsächlichsten Wirkungen des Blitzschlages vom 16. August 1804 stattfanden. Die einzelnen, circa 16 Fuss langen Stangen der Leitung wurden durch Falzung und Ver- schraubung sehr fest mit einander verbunden. Bezüglich der Beschaffenheit des unterirdischen Theiles des Blitz- ableiters hatte Jungnitz die vollkommen richtige eigene Meinung, dass man hier auf einen möglichst innigen Anschluss des Blitzableiters an das feuchte Erdinnere bedacht sein müsse. Leider war damals die gegentheilige irrige Meinung verbreitet, dass man den Ableiter nur gerade bis ins Erdreich zu führen habe, da man sich bei längerer unter- irdischer Leitung Explosionen aussetze. Jungnitz widerlegt des Längeren diesen Irrthum, beschränkte sich aber in der Ausführung des Ableiters darauf, die Stangen ohne Endplatten einige Fuss tief theils in feuchtem Erdreich, theils in einem Abflusscanal endigen zu lassen, Nach dem Stande unserer gegenwärtigen Kenntnisse ist nun auf den möglichst guten, grossflächigen und widerstandslosen An- schluss des Ableiters an die feuchten Erdmassen ein be- sonderer Werth zu legen. Der Blitz nimmt seinen Weg von der Wolke aus gerechnet zu den höchsten leitenden Punkten des Gebäudes und folgt von hier aus demjenigen Wege, auf welchem er bis zu seiner Ausbreitung in den grossen Leitermassen der Erde den geringsten Widerstand findet. Die oberirdische, aus starken Metallstangen oder Drähten bestehende Leitung hat einen verschwindend kleinen, nur Bruch- theile eines Obm betragenden Widerstand; dagegen findet ein sehr viel beträchtlicherer Widerstand am unterirdischen Ende der Leitung statt. 288 Jahres-Bericht Dieser sogenannte Ausbreitungswiderstand kann bei sehr grossen im Grundwasser liegenden Platten allenfalls bis auf einige Ohm redueirt werden. Er wächst aber sehr schnell bis auf Hunderte und Tausende von Ohm, wenn das Ende der Leitung geringe Oberfläche hat und im trockenen Boden liegt. In letzterem Falle kann zwar ein Blitzableiter auch noch seinen Zweck erfüllen, wie das zahlreiche Beispiele zeigen, jedoch nur unter der Bedingung, dass das betreffende Gebäude an keiner anderen Stelle in besserer leitender Verbindung mit den Leitermassen des Erdreiches steht. Diese besseren Verbindungen würden nämlich dann ein Abspringen des Blitzes oder eine sog. Seitenentladung bewirken, welche im Stande ist, alle Zerstörung des Blitzes anzurichten. So lange die Gebäude im Wesentlichen aus Stein und Holz und auf trockenem Boden gebaut waren, ist selten einmal Veranlassung zu einer Seitenentladung des Blitzes vorhanden und der einfache Franklin’sche Apparat, der nur gerade bis ins Erdreich geführt war, leistete für die überwiegende Mehrzahl von Fällen ausreichenden Schutz. Die modernen Construetionsarten der Häuser mit der häufigeren Anwendung von Me- tallen, vorzugsweise aber die Gas- und Wasserleitungen, haben darin eine Aenderung gebracht. Diese metallischen Adern stehen einerseits durch ihre ungeheuere Verästelung in der ganzen Stadt in ausgezeichneter und beinahe widerstandsloser Verbindung mit dem Erdreich, andererseits ragen sie bis in die höchsten Stockwerke der Gebäude hinein und liegen vielfach in nächster Nähe des Blitzableiters.. Es ist daher leicht be- greiflich, dass eine Seitenentladung von dem Blitzableiter auf jene Gas- oder Wasserleitung stattfinden kann. Dabei tritt gleichzeitig für die Gasleitung die Gefahr ein, dass der in feurigem Strahl erfolgende Ueber- schlag die Röhren zerschmelzen und das Gas entzünden kann. Kehren wir nach diesen Bemerkungen zum Universitäts-Geböude zurück. Dasselbe war in dem Anfange der 50er Jahre mit Gasleitung versehen und im Jahre 1874 wurde Wasserleitung in dasselbe gelegt. Hierdurch war die Blitzableitung, welche trotz ihrer nach jetzigen Vor- schriften äusserst mangelhaften Erdleitung allenfalls genügt haben mochte, offenbar nicht mehr ausreichend. Das kleine Mittags - Gewitter vom 3. Juli 1885, mit seinem einzigen die Universität treffenden Schlage um 1'/, Uhr lieferte hierfür den Beweis. Es erfolgte ein Ueberschlag von der mit dem Blitzableiter metallisch zusammenhängenden Dachrinne an der Flussseite des Gebäudes durch die 96 cm starke Mauer hindurch bis zu einem im Innern an der Mauer befindlichen Zweige der Wasser- leitung in dem Arbeitszimmer des Herrn Professor Schneider. Der Letztere befand sich in nächster Nähe, wurde aber glücklicherweise nur durch die heftige Detonation und den über das ganze Zimmer ge- schleuderten Kalk des Wandputzes erschreckt. Dass die Entladung der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 289 wirklich in das Wasserleitungsrohr geschlagen hatte, wurde nicht blos durch das in den Wandputz geschlagene, hart am Wasserrohre gelegene Loch, sondern in unzweideutigster Weise auch dadurch bewiesen, dass das bleierne, 1'/, cm starke Wasserrohr einige Meter von der getroffenen Stelle guirlandenförmig durchgebogen war. Vermuthlich ist die Ent- ladung an dieser Stelle einseitig durch das Rohr gegangen, hat diese Seite stärker erwärmt und ausgedehnt und dadurch die Biegung ver- anlasst, die auf eine Länge von 1'/, m etwa 10 cm betrug. Eine ähn- liche Biegung scheint auch in demjenigen stärkeren Theile des Wasser- rohres stattgefunden zu haben, welcher in der Wand neben dem Corri- dor des 2. Stockwerkes in die Höhe führt. Hier zeigte sich gleich nach dem Blitzschlage eine undichte Stelle und die Revision ergab, dass das Bleirohr derart auf einen vorstehenden Eisenstift gedrückt war, dass der letztere wie mit einem Hammer in das Rohr geschlagen zu sein schien. Wo der Blitzschlag zuerst das Gebäude getroffen hat, hat sich nicht genauer ergründen lassen. Keine der revidirten Aussenstangen zeigte die sonst vorkommenden Schmelzstellen. Es muss daher un- entschieden bleiben, ob der Blitz zuerst auf eine Aussenstange oder etwa von der über das Gebäude führenden Telephonleitung auf die unmittel- bar benachbarte Firstleitung gefahren ist. Der von dem Gestänge der Telephonleitung extra herabgeführte Blitzableiter mündete in der Nähe der Erdoberfläche in den bestehenden Blitzableiter und besass deshalb eine ebenso schlechte Communication mit dem feuchten Erdreich wie dieser. Soll man nun hieraus, wie das in mehreren ganz ähnlichen bekannt gewordenen Fällen von unwissenden und oberflächlichen Beurtheilern geschehen ist, den Schluss ziehen: Ein Blitzableiter gewähre doch keinen genügenden Schutz und es sei besser, ihn ganz zu beseitigen. Gewiss nicht. Es gehört vielmehr kein besonders grosser Scharfblick dazu, um zu erkennen, dass der Blitz selber hier auf das Deutlichste gezeigt hat, wie einer Wiederholung vorzubeugen sei. Es ist offenbar nur nöthig, die Blitzableiter, Regenrinnen und Metalldächer in gute metallische Verbindung mit dem Netze der Gas- und Wasserleitungsröhren zu setzen und wenn man ein Uebriges thun will, auch die Erdleitungen des Blitzableiters in grossflächige ins Grund- wasser versenkte Platten endigen zu lassen. Diese Regel hat die un- bedingte Zustimmung aller mit der Blitzableiterfrage beschäftigt ge- wesenen Physiker gefunden. Der einzige, mehrfach aufgetretene, in der Regel aber sehr schnell zurückgenommene Widerspruch ist dem missverständlichen Gedanken entsprungen, als ob durch den Anschluss des Blitzableiters an die Gas- 1885. 0 290 Jahres-Bericht leitung eine Gefahr für letztere eintreten könne. Gerade das Gegentheil ist der Fall. Wenn die Gasröhren nicht mit dem Blitzableiter ver- bunden sind, so ist gleichfalls die Gefahr des Ueberschlages vorhanden, der nun leicht zu Zündungen und Zertrümmerungen führen kann, während bei metallischer Verbindung gar keine Gelegenheit zu Funkenbildung vorhanden ist. Bei vorurtheilsfreier Ueberlegung ist also der Blitzschlag vom 3. Juli, weit entfernt, gegen die Nützlichkeit der Blitzableiter zu sprechen, viel- mehr geeignet, diejenigen Vorstellungen von der Natur der Blitzschläge zu bestätigen, welche uns Experimente und Erfahrungen an die Hand geben, und diejenigen Vorschriften für die Anlage von Blitzableitern zu begründen, welche zur Zeit in übereinstimmender Weise von zahlreichen Physikern gegeben werden. Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1855. 147,35 m. Höhe des Barometers über dem Ostseespiegel bei Swinemünde li. Temperatur I. Barometerstand, 1885 redueirt auf 0° Celsius, der Luft in Graden nach in Millimetern. Celsius. B p ip pad 5 a a a aa FE. Monat. Se mE IA m In: e Ela a er En a ah ae ab hl aa = E A a BR $ Ban Aa Bee ee E mm | mm mm 0 ) () Januar ....| 18 764,5 | 11 | 732,5 752,00 | 30 |+ 9,9] 25 |— 14,5I— 3,39 Februar ....| 22 | 613 | 18 | 342 | 4900| 17 |+135| 22 |- 851+ 2.06 März...... 13 | 5352| 6 | a | A796 | 18 |+129) 10 |— 45l+ 3,33 April...... 19 |571ı a | 3227| a5 | 29 I+ 261 3 |—- 0,7|+ 1020 Be 29 1540| 5 | 347 | 4565| 50 |+279l ı6 | 0,01+ 11,73 TEN 12 | 562 20 2ı| 398 | 48.68 | 30 I+324 11 I+ 6.0/+ 18,60 FR TRIER 22 | 561| ı | 445 | 4997| 14 |+ 31822 24l+ 9,7+ 18,42 August....| 14 | 545 | 30 | 388 | a648| 7 |+203l 3ı |+ 7.9l+ 1541 September.| 22 | 584 | 11 | 38.6 | 47.28 [ı6 17|+288| 3 |+ 581-4 13/98 October 15 | 568 | ıı | 2384| 4373| 16 |+228 21 | 06l+ 9,09 November .| 17 | 627 | 23 | 335 | 1098| 5 I+124 ı8 |- 621+ 2,68 December .| 18 | 686 | 6 | 302 | 5ı82| ı |+ 94 2 -107)— 016 7645| — |7: der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3291 IH. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken- 1885. a. absolute, | b. relative, bildung und in Millimetern. in Procenten, arg tor © Es =. = Beet ge ul s 218] j815 |332 eK Schaan 3 E= u ra ee er UNE IF =) 3.1 8.5 = P a k.Au.lel A Tage. Ser mm mm | mm | | | | | | | mm Januar 30 6,3) 25 | 1,3| 3,10 Jöfter 1001| 31 157184,1| 9 | 14| 8| 13,39 Februar ..| 17 | 6,7) 23 | 20 427 öfter 100 238 431791] 5 | 14 9| 9.04 März ..... 28 29| 7,4| 23 2,8 | Be 25 1100 18 42179,4| 0 | 18) 13] 34,95 April..... 29 | 10.4! 20 | 27! 5.85 10 1100 20-22 2216401 7 | 13 10) 33,53 Mai haus 31 | 13,2| 12 | 2,7| 7,0615 16100) 30 |29]69,6| 3 | 13) 15 86,58 Zi: .... 28 [169 11 | 3,4| 9,51) 28 | 92] 9 120159,7] 5 | 18) 7| 47,85 7 1 20| 152) 24 | 5,4 110,94 |2 28/100) 20 32|71,1| 1 | 19) 11 115,79 August...| 13 | 14.2| 14 | 5,3| 9.03| 30 | 99 17 381702] 1123| 7| 95,95 September| 18 12,91 23 | 4,8| 8,53 öfter 100 23 125|73,8| 5 | 13} 12| 79,93 October ..| 16 | 13,5 | 21 | 2,9) 6,71,17 31100 21 4377,01 O0 | 19) 12] 37,06 November | 30 | 9,0| 21 | 2,7, 4,92 \öfter100 29 |62)86,7| 2 | 13] 15| 31,85 December | 1 | 62| 13 | 1,1) 3,82 jöfterijoo) 13 40182,5| 4 | 13) 14| 28,01 Jahr | Pan | 169| — | BE 6,53 | je 1100 — 120 74,8] 42 1190 138 613, 93 V. Herrschende Winde. Januar. Die südöstliche Windrichtung war in einem ganz ungewöhn- lichen Maasse vorherrschend, hiernächst kamen noch $, SW und Ost vor, die übrigen Richtungen nur ganz vereinzelt. Februar. Vorherrschend Südostwinde, hiernächst am häufigsten S und SW. Die Stärke der Winde durchweg gering oder mässig. März. Von den Windrichtungen waren NW und die benachbarten Richtungen W, SW, N vorherrschend. April. Die östlichen Windrichtungen waren überwiegend und wurden nur vom 9. bis 15. und vom 20. bis 24. durch westliche Rich- tungen unterbrochen, Mai. Westliche Winde kamen am häufigsten vor, hierauf folgten NW, S und SO. Juni. Die am häufigsten beobachtete Windrichtung war NW, hiernächst S und SO. Juli. Von den Windrichtungen war die nordwestliche bei weitem vor- herrschend, so dass dieselbe öfter aufgezeichuet ist, als alle übrigen Richtungen zusammengenommen, August. West- und Nordwestwinde waren in überwiegender Mehrheit vorhanden, hiernach folgten in einer fast um die Hälfte geringeren Anzahl SW- und SO-Winde. September. Die westlichen Windrichtungen (NW, W und SW) waren weit überwiegend, von den übrigen Richtungen kam nur noch SO etwas häufiger vor. 19% 292 Jahres - Bericht October. Am zahlreichsten waren von den Windrichtungen SO und SW, beinahe eben so oft kamen jedoch auch S, W und NW vor. November. SO-Winde waren vorherrschend, minder häufig SW- und O-Winde. ? December. Wie im September waren auch in diesem Monate die westlichen Windrichtungen (NW, SW, West) vor den übrigen weit vorherrschend. VI. Witterungs-Charakter. Januar. Die Wärme hielt sich während der ganzen ersten Hälfte des Monats stetig, jedoch in mässigem Grade, über dem Mittel, sank dann aber bei anhaltendem Frost, meist klarem Wetter und un- unterbrochenen Südost-Winden vom 17. bis 27. unter dasselbe, während hiernächst mit dem 23. Thauwetter eintrat. Der Luft- druck sank von einem Maximum im Anfange des Monats bis zu einem Minimum am 11. herab, erreichte ein zweites hohes Maxi- mum am 18., von wo ab derselbe gegen Ende des Monats wieder unter den Mittelwerth gelangte. Die Niederschläge waren spär- lich und erreichten nur die Hälfte des Normalwerthes, jedoch erhielt sich, die letzten Tage ausgenommen, während des ganzen Monats eine mässige Schneedecke. Die Bewölkung war ent- sprechend eine ungewöhnlich geringe, ganz trübe Tage wurden nur 8 verzeichnet. Februar. Die Wärme dieses Monats überstieg den Mittelwerth um mehr als 3 Grade und war unter demselben nur an 5 Tagen. Der Luftdruck war normal und bewegte sich in mässigen Schwan- kungen. Ausserordentlich gering war der Betrag der Nieder- schläge, der schon im Januar nur die Hälfte des Normalwerthes erreicht hatte, in diesem Monate aber nur bis auf ein Viertheil dieses Werthes kam. | März. Die Wärme des Monats überstieg zwar um 1°,5 den Durch- schnittswerth, jedoch ohne erhebliche Schwankungen, so dass sehr hervorragend warme Tage nicht vorkamen. Einigen stärkeren Schwankungen war der Luftdruck unterworfen. Das Wetter war meist bewölkt, kein einziger Tag ganz heiter. In Verbindung damit kamen Niederschläge an Regen und Schnee häufig vor, jedoch beides nicht in allzugrosser Menge. Die Monats-Summe der Niederschläge war normal. April. Der Luftdruck war ausser in der Zeit vom 15. bis 22. fast stetig unter dem Mittel. Die Wärme war in der ersten Hälfte des Monats nahezu normal, in der zweiten Hälfte dagegen eine ganz ungewöhnlich hohe, so dass das am 29. beobachtete Maxi- mum von 26°1 C. bisher nur einmal, am 30. April 1800, um der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 293 ein weniges (26,9) überschritten worden ist. Die relative Feuchtig- keit der Luft blieb um 5 pCt. gegen das Mittel zurück. Das Quantum der Niederschläge erreichte nahe den Normalwerth. Der diesjährige April verlief ganz ohne Schnee- und Graupelschauer, und bestanden die Niederschläge nur aus Regen, die sich ganz auf die wenigen Tage vom 8. bis 13. und den 23. vertheilten, Mai, Nach der ungewöhnlichen Wärme in der zweiten Hälfte des April folgte ein vorwiegend kalter Mai, in dem nur die Temperaturen der letzten Woche sich etwas über die entsprechenden Mittel- werthe erhoben. Auch der Luftdruck war ausser in den letzten Tagen niedrig. Die relative Feuchtigkeit war gross und dieser entsprechend die Zahl der Regentage und das Quantum des ge- fallenen Regens, den Mittelwerth um die Hälfte überschreitend, am 16. allein wurde eine Regenhöhe von 58 mm gemessen, Juni. Der diesjährige Juni war um volle 2 Grad wärmer als im Durch- schnitt und überwiegend trocken. Jedoch fanden in der zweiten Hälfte des Monats zahlreiche Gewitter statt, von denen namentlich das am 29. von reichlichem Niederschlag begleitet war, so dass die Monatssumme der Niederschläge °/, des Normalwerthes er- reichte. Luftdruck und Dunstdruck waren normal. Juli. Wie im Juni, blieb auch im Juli die Temperatur während der ersten 20 Tage noch fortdauernd hoch, sank aber dann bis zum Schlusse des Monats erheblich unter den Normalwerth, so dass das Monatsmittel nur wenig höher als im Durchschnitt sich stellte. Das Barometer hielt sich mit geringen Schwankungen fast stetig über dem Mittel. Ebenso waren Dunstdruck und relative Feuchtig- keit hoch. Entsprechend überschritt die Höhe der Niederschläge den Mittelwerth um mehr als die Hälfte. An 23 Tagen fiel Regen, darunter zahlreiche Gewitterregen, August. Der August war, ausser an einigen Tagen in der ersten Hälfte des Monats, in einem hohen und ungewöhnlichen Grade regnicht und kalt, besonders seit dem 14., von welchem Tage an die Temperatur constant zwischen 3—6 Grad unter dem Mittel- werthe zurückblieb. Die mittlere Temperatur war mehr als 2 Grad unter dem Durchschnittswerthe, Nur ein Tag war als heiter zu bezeichnen, an 21 Tagen fiel Regen, dessen Menge den Mittelwerth bedeutend überstieg. Wie die Temperatur, blieben auch der Luftdruck und der Dunstdruck beträchtlich hinter dem normalen Werthe zurück, während die Luftfeuchtigkeit demselben nahezu entsprach. September. Auch der September war, wie .der August, vorwiegend regnicht und kalt, mit Ausnahme der Woche vom 14. bis 21,, wo an einigen Tagen die Wärme bis zu heissem Sommerwetter 294 Jahres-Bericht sich steigerte, so dass die Mitteltemperatur des Monats sich normal stellte. In den übrigen drei Wochen waren nur wenige Tage ohne Regen, wovon die letzten 6 Tage besonders grosse Mengen ergaben, so dass die gesammte Menge fast das Doppelte des Normalwerthes betrug. Der Luftdruck war bei vorwiegend west- lichen Winden niedrig. October. Die Temperatur war mit geringen Schwankungen eine nor- male, nur an einem einzelnen Tage, dem 16., erhob sich dieselbe zu der ungewöhnlichen Höhe von 22°,8. Der Barometerstand war dagegen ein sehr abweichend tiefer und zeigte während des ganzen Monats nur an 5 Tagen kleine Erhöhungen über den Mittelwerth. Die Feuchtigkeit der Luft war etwas unter dem Mittel, Regen war jedoch häufig und auch die Regenmenge über- stieg etwas den Durchschnittswerth. Trübes und wolkiges Wetter waren vorherrschend, kein einziger Tag war ganz heiter. November. Die Temperatur war normal, in den letzten Tagen des Monats jedoch etwas höher. Der Luftdruck war starken Schwan- kungen unterworfen, um den 10, und 17. hohe Maxima erreichend, vom 22, ab stetig unter dem Mittel, Dunstgehalt und Nieder- schläge waren normal. Schnee fiel nur in geringen Quantitäten. Das Wetter war sehr viel neblig. December. Mit Ausnahme der kälteren Periode vom 7. bis 15. hielt sich die Temperatur stetig über dem Mittelwerthe, im monatlichen Mittel um 1°, Auch der Barometerstand war hoch, mit zwei starken Schwankungen um den 6. und um den 19. Die Nieder- schläge, mehr aus Regen als aus Schnee bestehend, blieben unter dem Mittelwerthe. Das Wetter war meist gemischt, trübe und neblig,. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. "295 V11l. Bericht’ über die Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1885, erstattet von Director Dr. Reimann, zeitigem Secretair der Section. Am 15. Januar hielt Herr Professor Dr. Grünhagen einen Vortrag über Schlesien zur Zeit Kaiser Maximilians II. Am 26. Februar behandelte Professor Dr. Caro den ermländischen Pfaffenkrieg (1470—1480). Am 12, März las Herr Postkassirer Schück über die Breslauer Postverwalter und die schlesische Postverwaltung bis 1740. Am 26. März hielt Herr Pastor em. Dr. Schimmelpfennig nach- stehenden Vortrag über die Huterischen Wiedertäufer in Mähren und Peter Riedemann, ihren Vorsteher. Unter den Seeten, welche in der Reformationszeit auftauchten, steht keine in so üblem Geruche als die der Wiedertäufer. Sie sind das Fegopfer aller Leute. In ihrer Verfolgung sind Wittenberg, Zürich und Rom einig. Auch in Schlesien sind sie früh aufgetreten und unsere Chronisten können sie uns nicht schwarz genug schildern. „‚Sie haben“, sagt Cureus (S. 291), „eine sonderliche platonische Polizei voller Un- saubrigkeit und Unreinigkeit aufgerichtet‘‘ und Seite 377 versichert er, er habe etliche von den Wiedertäufern beschriebene Annales gelesen, die von solchen schrecklichen Händeln sagten, darob sich ein gottes- 296 | Jahres - Bericht fürchtig Herz entsetzen muss, und es sei des Teufels Macht so gross und unendlich, dass er den Menschen auch die natürliche Vernunft, die doch die Thiere auch haben, und den gemeinen Verstand benehmen und sie zu solchen schrecklichen Lastern und Unthaten bewegen könne. Jacob Huter sei ein frecher, kühner, aufrührerischer Mann gewesen und habe, die ihm anhingen, um das ihre betrogen.‘) Was müssen die Wiedertäufer für schreckliche Menschen gewesen sein! Anders lautet denn doch das Urtheil des katholischen Propstes Dr. Andreas Fischer, der ein Buch ‚‚von der Wiedertäufer verfluchtem Ursprung, gedruckt zu Bruck an der Thaja 1604“ geschrieben hat. „Andere Secten‘, heisst es in demselben, „sind zum mehresten Theil fast aufrührerisch, blutdürstig und fleischlichen Wollüsten ergeben, nicht so die Wiedertäufer! Sie nennen sich unter einander Brüder und Schwestern, sie fluchen nicht, sie schelten nicht, sie schwören nicht, sie brauchen keine Wehr und im Anfange trugen sie auch keine Waffen. Sie schlemmen und prassen nicht, brauchen keine Kleider, die weltliche Pracht anzeigen, sie haben nichts Eigenes, sondern Alles ins Gemein. Sie rechten nicht vor der Obrigkeit und tragen Alles in Geduld, wie sie vorgeben, im h. Geist“; aber gleichwohl fragt er: ,‚wer sollte da glauben, dass unter diesen Kleidern lauter reissende Wölfe stecken?“ Cureus schildert uns die Wiedertäufer als halbe Teufel, Fischer als halbe Engel; aber reissende Wölfe, die ausgerottet werden müssen, sind sie beiden; wem sollen wir glauben? Wir werden am besten thun, die Verklagten selber vorzufordern, sie über ihre Vergangenheit zu befragen, über ihre Lehre zu verhören und ihre Aussagen mit den urkundlichen Zeugnissen der Geschichte zu vergleichen und nach ihnen zu prüfen. Heute ist das leicht; vor 20- Jahren würde es damit grosse Schwierig- keit gehabt haben. Hofrath Beck in Wien hat in dem 1884 erschienenen 43. Bande der österreichischen Geschichtsquellen „die Geschichtsbücher der Wiedertäufer in Oesterreich und Ungarn‘ herausgegeben und darin das nöthige historische Material geliefert; über ihre Glaubenslehre giebt uns Peter Riedemann’s „Rechenschaft“ Auskunft und aus der mährischen Landesgeschichte erfahren wir, wie weit das, was sie lehrten und wollten, zur Ausführung gelangt und verwirklicht worden ist. | Der Anabaptismus ist ein Spross der Zwingli’schen Reformation, Conrad Grebel, ein Züricher Patrieier und Schwager Vadians, der in Paris und Wien studirt hatte, Felix Manz, ein Schüler des gelehrten .Ceporinus, und der aus dem Lueciusstifte in Chur ausgetretene Mönch Georg, von der Farbe seines Rockes Blauroek genannt, alle in Sprachen wohl erfahren und ihrer kundig, „erkannten 1525“, wie die Chronik der Wiedertäufer berichtet, „in reiner Furcht Gottes, dass man aus gött- !) Lucae schreibt ihn fast wörtlich aus. 24 u u Zu dl a Er We der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 2397 licher Predigt einen rechten aus der Liebe thätigen Glauben müsse er- lernen und auf erkannten Glauben den christlichen Tauf empfahen, um in aller Gottseligkeit mit Veränderung eines heiligen gottseligen Lebens Gott zu dienen und in aller Trübsal bis ans Ende beständig zu bleiben; weil aber ein verordneter Diener solchen Werkes damals nicht vor- handen war, kniete Georg von Chur, genannt Blaurock, nieder und be- gehrte an die Andern, einen Bund mit Gott aufzurichten und getauft zu werden.“ Conrad Grebel that ihm den Willen, worauf Blaurock den andern den gleichen Liebesdienst erwies. ,‚So haben sie sich“, sagt der Chronist, „in den Namen des Herrn ergeben und einer den andern zum Dienst bestätigt.“ Der Anabaptismus war ins Leben getreten und seine Lebensfähigkeit wurde alsbald auf die Probe gestellt. Als sich in Zürich und Umgegend nicht blos gemeines Volk, sondern auch Patrieier und Adlige, selbst Geistliche in hohen Stellungen jenen Neuerern an- schlossen, brach wider sie ein Sturm los, der auch die Muthigsten hätte erschrecken mögen. Man griff zu den extremsten Mitteln, indess der Staupbesen erwies sich ohnmächtig und das Ersäufen im See trug nur- dazu bei, die neue Lehre auszubreiten. Blaurock ging, nachdem er in Zürich Öffentlich ausgestäupt worden, nach Graubündten und von dort nach Tirol, wo er grossen Anhang fand, aber nach kurzer Wirksamkeit sein Leben auf dem Scheiterhaufen endete. Auch in Oberdeutschland breitete sich der Anabaptismus rasch aus. Schon 1527 am 24. Februar vereinigten sich die Gemeinden um Horb und Rothenburg auf 7 Artikel, welche als Fundament der Lehre der . oberdeutschen Wiedertäufer angesehen werden müssen, Die wichtigsten derselben sind die folgenden: ‚Der Kindertauf hat nicht Grund und Zeugniss der Schrift und ist gegen den Brauch der Apostel. Dess wollen wir uns einfältiglich halten und versichert sein.“ „Der Bann soll gebraucht werden mit allen denen, die sich lassen Brüder und Schwestern nennen. Die, welche fallen, sollen vermahnt werden, zwei- mal heimlich, das dritte Mal öffentlich vor der Gemeinde. Solches soll geschehen nach Ordnung des Geistes Gottes vor dem Brotbrechen.“ „Der Hirt in der Gemeinde Gottes soll einer sein. Sein Amt ist Lesen, Vermahnen und Lehren, Strafen und Bannen in der Gemeinde, und allen Brüdern und Schwestern zur Besserung vorbeten, das Brot anheben zu brechen und in allen Dingen des Leibes Christi Acht haben.“ „Das Schwerdt zu gebrauchen sein geordnet die weltlichen Obrigkeiten. Der Christ solls nieht brauchen, soll nicht Urtheil sprechen in weltlichem Zank und Span, soll nicht obrigkeitliche Aemter übernehmen, wie Christus entwich, als sie ihn fangen und zum König machen wollten, Die christlichen Waffen sind geistlich,‘“ „Der Eid und alles Schwören ist verboten.“ „Lieben Brüder und Schwestern“, schliesst die Ueber- einkunft, „das sind die Artikel, die etliche Brüder bisher irrig und 298 Jahres-Bericht ungleich verstanden haben und damit viel schwacher Gewissen verwirrt, darnach der Name Gottes gar grässlich verlästert ist worden, darum denn Noth ist gewesen, dass wir vereinigt sein werden im Herrn. Gott sei Lob und Preis.“ Drei Monate nachher, am 21. Mai 1527, wurde der Verfasser dieser Vereinbarung, der Exmönch Michael Sattler, mit glühenden Zangen ge- rissen und darnach verbrannt. Waren diese Artikel wirklich so staats- und seelengefährlich, dass sie mit Feuer und Schwert ausgerottet zu werden verdienten? Jedenfalls verdammte man in "ihnen zugleich die Apostel und die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte. Aber obschon die vom Kaiser gegen die Anabaptisten erlassenen Mandate allerorten auf das pünktlichste vollstreckt wurden, der Bewegung wurde gleich- wohl kein Einhalt gethan. Von Tirol aus verbreitete sich der Ana- baptismus mit reissender Schnelle namentlich in Oesterreich ob der Ens und in Mähren. In Mähren hatte Balthasar Hubmeyer von Friedberg, ein Doctor der Theologie, schon 1526, also in einer Zeit, wo die Hauptfragen über den Gebrauch des Schwertes und Einführung der Gütergemeinschaft sich noch in der Schwebe befanden, bei dem Freiherrn Leonhard von Lichten- stein in Nicolsburg ein Asyl gefunden und viele getauft. Der Freiherr selber gehörte zur Gemeinde. Ueber die Gütergemeinschaft hatte sich Hubmeyer in einer Schrift des Jahres 1526 ausgelassen: „Ich hab je und allweg geredet von der Gemeinschaft der Güter, dass ja ein Mensch auf den andern ein Aufsehn haben soll, damit der Hungrige gespeist, der Durstige getränkt, der Nackende bekleidet werde. Denn wir sind ja nit Herrn unsrer Güter, sondern Schaffner und Austheiler. Es ist ge- wisslich keiner, der da sag, dass man dem andern das Seine nehmen soll und gemein machen, sondern viel eher den Rock zu dem Mantel lassen.“ Mit solchen Grundsätzen war der Besitz von Privateigenthum nicht unvereinbar; doch hat sich Hubmeyer, der 1528 in Wien auf dem Scheiterhaufen den Märtyrertod erlitt, während sein Weib in der Donau ertränkt wurde, vor seinem Tode der strengeren Ansicht zugewendet. Sie führte in Niecolsburg zur Spaltung. Ein Theil der Gemeinde ent- schied sich für Gütergemeinschaft, die Mehrzahl indess lehnte sie ab und wollte Schwert, Krieg, Steuer und was damit zusammenhängt, toleriren. Freiherr Leonhard von Lichtenstein forderte deshalb die Gemein- schafter, so hiessen die strenger Gesinnten, vor sich und erklärte ihnen, wenn sie sich nicht zu seinen Prädikanten hielten, könne er sie nicht leiden. Sie antworteten ihm, er möge bedenken, was er thue, da er sich doch auch einen Bruder nennen und rühmen lasse. Aber des Frei- herrn Prädikant Hans Spitlmaier gebot den Seinen, mit den strengeren, die er mit dem Spottnamen Stäbler belegte, weil sie nichts von Waffen wissen wollten, sondern nur einen Stab in der Hand trugen, Nichts zu der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 399 schaffen zu haben, sondern ihrer müssig zu gehen. Die letzteren mussten jetzt des Freiherrn Grund und.Boden räumen und so zogen Mittfasten 1528 etwa 200 Personen ohne die Kinder aus Nicolsburg aus. „Zu der Zeit, sagt der Chronist, haben diese Männer einen Mantel vor dem Volke niedergebreitet und Jedermann hat sein Vermögen dar- gelegt mit willigem Gemüth, ungezwungen und ungedrungen zur Unter- haltung der Dürftigen nach der Lehre der Propheten und der Apostel.“ Die in Nicolsburg zurückgebliebenen behielten das Schwert und wurden Schwerdtler, später Sabbather genannt; sie haben, sagt der wieder- täuferische Chronist, ‚den rechten Münsterischen Geist.‘ Die aus Nicolsburg Ausgezogenen wurden von den Gebrüdern Kaunitz mit Freuden aufgenommen und in Austerlitz und Auspitz angesiedelt. Sie bildeten dort geschlossene Gemeinden. Mähren war für die Wieder- täufer damals das gelobte Land. Die Lichtenstein, die Kaunitz, die Zerotin, die Rozmital, die Pernstein, die Lipa gehörten zu ihren be- sonderen Gönnern. Sie räumten ihnen Meiereien, Vorwerke, Mühlen oder grosse Ländereien ein, auf denen ganz neue Ortschaften gegründet wurden und liessen sie unter ihren Vorstehern nach ihren eigenen Ge- setzen leben. Diese Ansiedlungen hiessen Haushaben (Haushaltungen). Die beiden Auspitzer Haushaben zählten ein Jahrzehnt nach ihrer Grün- dung an 2000 Köpfe, denn aus Schlesien, Schwaben, Hessen, der Pfalz kam fortwährend Zuzug. Alle Verfolgten wendeten sich nach Mähren, „dem Gott vor vielen andern Ländern absonderlich viel Freiheit den Glauben betreffend gegeben hat‘, und 1527 hatten die Wiedertäufer in Mähren bereits 10 Vorsteher und Lehrer. Indess auch in den Austerlitzer Gemeinden brach Zwiespalt aus. Die Vorsteher, unfähig und nachlässig, hatten es geschehen lassen, dass man „sich ins Eigenthum zu richten und unter die Ungläubigen zu ver- heirathen“ anfing. Da erschien von den Tiroler Brüdern gesendet Jacob Hueter (Huter, Hutter) 1553 in Auspitz. Er war es, der, wie von ihm der Chronist rühmt, „die wahre Gemeinschaft durch die Hülf und Gnad Gottes in eine ziemliche Ordnung brachte, daher man uns noch heut die Huterischen heisst.“ Leicht ist es ihm damit nicht geworden. Die Gegenpartei musste ausgeschieden werden und die Er- bitterung wurde beiderseits so gross, dass die einen mit den anderen weder sitzen, noch essen, nicht einmal arbeiten wollten. Huter blieb nicht in Auspitz; er befahl die Gemeinde dem Hans Amon, einem Tuchmacher und kehrte wieder nach Tirol zurück, wo er 1535 am Andreasabend zu Klausen an der Eisack gefangen und 1536 am 24. Fe- bruar in Innsbruck verbrannt wurde. Als man ihn nach unsäglichen Foltern auf den Richtplatz führte, sprach er: „Nun kommt her, ihr Widersacher, lasset uns den Glauben im Feuer probiren! Dieses Feuer schadet meiner Seele so wenig als der brennende Ofen dem Sadrach, 300 Jahres - Bericht Mesach und Abednego.“ Also ist er lebendig in den Scheiterhaufen ge- setzt und verbrannt worden.“. Ebenso todesmuthig hatte der Schneider Johann Leopold 1529 in Augsburg den Richtern zugerufen, als sie ihn nach Verlesung des Todesurtheils dem Henker übergaben, um ihn vom Leben zum Tode zu bringen: „Nit also, ihr Herren von Augsburg, sondern ob Gott will, aus dem Tode ins Leben!“ Wir bemerken hier ein für allemal, dass in den auf Gütergemein- schaft beruhenden Wiedertäufergemeinden nicht Gelehrsamkeit, nicht früherer Stand, sondern allein Arbeit und innere Tüchtigkeit dem Manne Werth verliehen. Sein eigen Brot essen und mit den Händen arbeiten, auf dass man habe zu geben den Dürftigen, galt als Ehrenpunkt und war der Grund, auf dem sich die Gemeinden aufbauten. Die, welche in sie eintraten, pflegten deshalb, dem Vorbild des Apostels Paulus, der ein Teppichweber war, nachfolgend, ein Handwerk zu lernen und selbst die von Adel hielten sich dazu nicht für zu vornehm. Alle ihre Lehrer und Vorsteher hatten daher bis zu ihrer Erwählung Gott und der Ge- meinde als Handwerker gedient. Nach Amon’s Tode war Leonhard Langenstiel, ein Baier und von Profession Seiler, zum Vorsteher der Gemeinden erwählt worden. Ein trefflicher Mann, aber von wenig organisatorischem Talent, hatte er das Glück, in Peter Riedemann einen Gehilfen zu finden, der das von Huter begonnene Werk mit kräftiger Hand weiter führte und wir dürfen wohl sagen, vollendete. Die dankbare Gemeinde hat ihn des- wegen den grossen Peter und wegen seines in Gmunden erlittenen Ge- - fängnisses auch Peter von Gmunden genannt. Peter Riedemann war ein Schlesier und 1506 in Hirschberg geboren. Ueber seine Jugend wissen wir Nichts, doch muss er für einen gelehrten Beruf, vielleicht für den Dienst der Kirche, erzogen worden sein; seine Schriften zeugen von einer gründlichen Kenntniss der h. Schrift, doch weichen seine Citate häufig von der Luther’schen Bibelübersetzung ab; seine Lieder, denn er war auch Dichter, athmen eine innige kindliche Frömmigkeit. Auf welchen Schulen er sich seine nicht gewöhnliche Bildung — denn auch das Hebräische scheint ihm nicht fremd gewesen zu sein — er- worben hat, ist unbekannt, vielleicht in Wien, denn in Oesterreich ist er mit den Wiedertäufern bald nach ihrem Auftreten bekannt ge- worden, Wolfgang Brandhuber, ein Diener des Wortes, der das Schneiderhandwerk betrieb, hatte im Lande ob der Ens mit grossem Erfolge für die Ausbreitung des Anabaptismus gewirkt. Wie wir aus einem Mandate König Ferdinands aus dem Jahre 1530 erfahren, hatte dort die Secete der Wiedertäufer wie in keinem anderen Fürstenthum . überhand genommen; in Passau, in Linz hatten sich starke Gemeinden der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 301 gebildet; von ihnen wurde, nachdem Brandhuber und mit ihm 70 Brüder und Schwestern theils auf dem Scheiterhaufen, theils unter dem Schwerte des Nachrichters für ihren Glauben den Märtyrertod erlitten hatten, Riedemann zugleich mit Kaspar Kleintopf oder Schmidt in ihren Dienst berufen. Furchtlos übernahm er im Herbste 1529 Brandhubers Erb- schaft und Mission, doch war seine Thätigkeit nur eine sehr kurze. Schon am Andreasabend desselben Jahres wurde er in Gmunden auf- gehoben und ins Gefängniss gelegt. „Mit Pein‘ (also mit Folter), be- richtet der Chronist, „und mit grossem Hunger ward auf mancherlei Weise an ihm gehandtirt“, aber er blieb unerschütterlich und wurde nach 3 Jahren schweren Kerkers losgelassen. Er wandte sich jetzt nach Mähren und traf 1532 bei der Gemeinde in Auspitz ein, die ihn nach kurzer Rast mit Sixt Breitfuss nach Franken sandte. Dort wurden sie festgenommen und nach Nürnberg gebracht, Breitfuss mit Ruthen gestrichen und aus der Stadt verwiesen, Riedemann dagegen 4 Jahre und 12 Wochen in hartem Gefängniss zurückbehalten. Osiander und seine geistlichen Collegen haben sich viel Mühe gegeben, ihn von dem Irr- thum seines Weges zu bekehren, aber, so viel sie mit ihm disputirten, Nichts ausgerichtet. Nach ihrem Willen hätten wenigstens die Lehrer der Wiedertäufer zum Tode verurtheilt werden sollen, aber der Rath dachte menschlicher. Riedemann erhielt den Staupbesen «und wurde nach Durchbrennung der Backen, ein damals beliebtes Mittel, die Wieder- täufer kenntlich zu machen, unter Bedrohung mit der Todesstrafe, wenn er sich wieder betreten lasse, aus dem Stadtgebiete auf ewig verwiesen. Aus Nürnberg kaum heimgekommen, wurde er 1540 nach Hessen ge- sendet, wo es viele Wiedertäufer gab. So nachsichtig Landgraf Philipp war, so durfte er Angesichts der Kaiserlichen Mandate es doch nicht wagen, die Wiedertäufer straflos gewähren zu lassen. Todesurtheile wurden allerdings nicht gesprochen, aber der Verbreitung ihrer Lehren mit aller Macht entgegen getreten. Mit welchem Erfolge, erfahren wir aus einem Briefe Riedemann’s an die Gefangenen in Güglingen. Er konnte ihnen zum Troste melden, dass die Gemeinde in Hessen sich täglich mehre; seit ihrem Abscheide seien etwa bei 80—90 geschwistriget worden, Kürzlich sei ein Gebot ergangen, die, welche den Wieder- täufern Unterstand gäben, einzukerkern, die Wiedertäufer selber aber gehn zu lassen. Die Geschwister würden also allenthalben ausgestossen und andere gewärtigten täglich des Austreibens,. Auch die Christine von Wetzlar sei gefänglich in die Stadt gebracht worden, habe aber in dem Gespräch die Pfaffen alle zu Schanden gemacht. Der Landgraf habe sie selber hören wollen und sie vor sich bringen lassen, sie sei aber ganz redlich geblieben. Schliesslich wurde auch Peter Riedemann festgenommen und dadurch seiner Thätigkett im Solms’schen und Lau- bach, Grüneberg, Freiensee, Marburg und Wolkersdorf entzogen. Die 302 Jahres-Bericht von ihm gesammelten Geschwister zogen in Gruppen von 12—20 Köpfen zu der Gemeinde in Mähren. Nach anderthalbjähriger Haft wurde Riedemann 1542 seines dritten Gefängnisses erledigt, und es war Zeit, dass er heimkam, denn über den Mährischen Gemeinden hatten sich Gewitter zusammengezogen, welche stündlich losbrechen konnten. Auf König Ferdinand’s Drängen, die Wiedertäufer abzuschaffen, war schon 1535 auf dem Lätare-Landtage von den Ständen beschlossen worden, dass diese, wo sie in Gemeinschaft (Gütergemeinschaft) lebten, nicht geduldet und bis Kunigundis abgeschafft werden sollten; dagegen wollte man die, welche die Gemeinschaft auf- geben und sich den Obrigkeiten gehorsam erweisen würden, weiter im Lande dulden. Dieser Beschluss war indess entweder gar nicht oder doch nur sehr unvollständig durchgeführt worden, denn 1540 erklären die Stände dem Könige aufs neue, der gänzliche Abgang der Wieder- täufer werde dem Lande einen zu grossen Schaden bringen. Die Wieder- täufer waren die friedlichsten Unterthanen, die pünktlichsten Steuer- zahler, die fleissigsten und geschicktesten Arbeiter; sie zu behalten, lag im Interesse der Herren, die sie aufgenommen; allein wie hätten sie dem Drängen des Königs auf die Dauer Widerstand leisten sollen? In dieser Noth sandten die Brüder 1545 eine Protestation und Ver- theidigungsschrift an die Mährischen Herren.') ,‚Dieweil Viele aus euch“, heisst es in derselben, „um unser Thun wenig wissen oder durch das Verleumden an uns irre werden, wurden wir bewegt, euch unsers Thuns, Lehr und Lebens Urkund und Rechenschaft zu geben, sunderlich etlicher Artikel halben, als nämlich der Obrigkeit, der Steuer und der Ver- sammlung, welche, wie wir bericht sind, euch sunderlich sollten ange- lesen sein.‘“ Sie führen dann aus, die Oberkeit sei von Gott ge- ordnet; wer sich ihr in billigen Sachen widersetze, der widersetze sich Gottes Ordnung, doch sagten sie mit Petro, dass man Gott mehr ge- horchen müsse als den Menschen. Die Steuer anlangend, so hätten sie sich der gebührenden jährlichen Steuer oder Zins, Rente, Zoll und billigen Robot nie geweigert, was die Herrn, unter denen sie wohnten, ihnen gern bezeugen würden. Aber Steuer zum Kriegführen, Henker- geld oder andre Sachen, die einem Christen nicht gebührten, könnten sie nicht bewilligen. Dass man endlich ihre Gemeinschaft nicht dulden wolle, sei vielleicht Ursach die Furcht, dass, so ihrer viel beisammen wären, sie wie die Münsterschen handeln könnten; dergleichen würden sie in Ewigkeit nicht vornehmen. Die allermeiste Ursache jedoch sei die, dass sie in der Wahrheit wandelten, welche die Welt nie habe aufnehmen wollen. Allerdings sagten Abtrünnige in Betreff der Güter- gemeinschaft, sie seien um das ihre gebracht worden, allein sie hätten 1) Beck $. 169. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 303 überhaupt nichts gehabt, ja nicht einmal so viel Zehrung, dass sie in dieses Land hätten hereinziehen mögen, wo man ihnen nicht Hilfe ge- than hätte. Und ob auch Etliche Etwas gehabt, so hätten sie dasselbe freiwillig von ihnen gegeben zur Unterhaltung der Wittwen und Waisen oder Nothdürftigen. Die Herren sollten ihnen daber auf solche Klage nicht zufallen, sondern auch ihre, der Wiedertäufer, Verantwortung hören. Die Städte beschwerten sich, als ob den Handwerkern im Lande das Brodt vorm Munde von ihnen abgeschnitten würde, sie aber wüssten bloss, dass sie sich in allem treuer Arbeit befleissigten, einem jeden seinen Pfennig zu vergelten. Diese ihre Treue sei unter alles Volk auskommen; wegen unbilliger Beschwerde könnten sie ihre Arbeit nicht weigern, sondern sie begehrten mit Treuen zu handeln und jedermann unbeschwerlich zu sein. „So Jemand‘, fahren sie dann fort, „auch andre Artikel unsers Glaubens und Religion besehen wollt, schicken wir euch hiermit ein Rechenschaft und die ganze Hauptsumme unsers Glaubens und Thuns in deutscher Sprach verfasst, nach welcher Regel wir dem Herrn mit reinem Gewissen zu dienen begehren in diesem Lande und mit treuer Arbeit Jedermann nützlich und förderlich zu sein und be- gehren nicht mehr, denn dass wir uns mit unsern Kindlein, Alten und Kranken aufhalten mögen diese kurze Zeit, die wir noch im Fleische zu leben haben.“ Ueber den Bestand der Gemeinde erfahren wir am Schlusse: ,‚Der Viele aber des Volkes, wie unser so ein grosser Haufen sollte beisammen sein, wie denn Etliche von etlichen Tausend sagen, so müssen wir je sagen, dass unser der Alten ohne die Kinder im Lande um und um etwa bei 2000 ohngefähr sein und etwan an 21 Orten Wohnung haben und je an einem Ort mehr Häuser denn am andern haben, je nachdem das Ort zur Arbeit gelegen ist. Zu Schäckowitz aber, das sunderlich im Geschrei ist, sein wohl unser Etliche, allein viel Kranker, Alter und Kinder, die gar wenig oder gar Nichts ausrichten können. Das haben wir also bei uns bedacht, euch zu eröffnen und wollen uns damit in den Schutz und Schirm des Allmächtigen be- fehlen.“ Verfasser dieser Vertheidigungsschrift, sowie der mit eingereichten Rechenschaft ist Peter Riedemann. Sie ist, wie vorauszusehen war, er- folglos geblieben. Nach Besiegung und Gefangennahme des Kurfürsten von Sachsen brach 1547 der Sturm los. Die Wiedertäufer mussten das Land räumen. In Ungarn, wohin sie sich wendeten, nahm man sie gern auf, aber auch dort wollte sie Ferdinand nicht leiden und setzte 1548 ihre Austreibung durch. „Man nahm ihnen Hab und Gut mit Gewalt, stiess sie im Winter mit Weib und Kind aus den Häusern sammt den Alten und Kranken.“ Sie zogen über die March und lagerten in einem Walde bei Rohaez. Nach 5 Wochen wurden sie auch von dort ver- trieben, ‚Da theilten die Aeltesten“, berichtet der Chronist, „das Volk 304 Jahres - Bericht in Häuflein oder Kuten zu je 10—12 Personen und befahlen allweg ein solches Völklein oder Kuten einem Bruder, der mit ihnen zog, sie zu versorgen und sein die Frommen also kutenweis bis 1554 in Trübsal und in Wäldern und auch in Löchern der Erde umgezogen, Sie mussten von einem Orte zum andern ziehen und fliehen, suchten Herbrig und konnten sie nicht finden, waren eine Nacht hie, die andere dort, mit Hunger und Abgang von Speis und Trank. Dennoch dienten sie Gott und lobten Gott. Es haben etliche übernachtet im Schnee, hinter den Zäunen müssen bleiben, hätten gern bei den Kühen oder den Schweinen im Stall vor gut genommen; hätt’ man es ihnen nur vergönnt und zu- gelassen, sie hätten die Hände ausgereckt und Gott darumb gedankt. Aber sie hatten weder Platz noch Statt, weder zu Feld noch zu Dorf.“ Die Wiedertäufer haben diese Feuerprobe glänzend bestanden. Die Verfolger wurden zuletzt des Verfolgens müde, aber die Verfolgten nicht des Leidens und Duldens; und so fand Riedemann nach so viel Gefängnissen und langem heimathlosen Umherirren doch noch ein Fleck- lein, wo er in Frieden sterben konnte. Sich seiner Auflösung freuend entschlief er 1556 am 1. December in Protzga in der Slovakei. „Gehet hin und esset das Neu und trinket das Süss und gebet Gaben denen, die Nichts haben“, waren die letzten Worte, welche er zu seinen Mit- helfern im Dienste der Gemeinde gesprochen hat. Es sind die Worte, welche Nehemia (Neh. 8, 10) bei dem ersten Gottesdienste in Jerusalem zu dem weinenden Volke sprach, als sie die Worte des Gesetzes hörten. Nach der Luther’schen Uebersetzung lauten sie: ,„Gehet hin und esset das Fette und trinket das Süsse und sendet denen auch theil, die Nichts für sich bereitet haben; denn dieser Tag ist heilig unserem Herrn; darum bekümmert euch nicht, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!“ Von Riedemann aber sagt der Chronist, ‚er war ein getreuer Diener des Herrn, reich an allen göttlichen Geheimnissen und Erkennt- nissen und floss von ihm heraus wie ein Wasserquell, der überläuft und hatten alle Seelen Freud, die ihn hörten. O wie köstlich, fügt er hin- zu, ist der Tod im Angesicht des Herrn seiner Heiligen“, Ps. 116, 15. („Der Tod seiner Heiligen ist werth gehalten vor dem Herrn‘ Luther.) ‚Riedemann ist der Apologet der Huter’schen Gemeinden. Seine erste Schrift „Rechenschafft vnd bekanndtnus des glaubens, geschrieben zu Gmunden im landt o. d. E. im gefänkhnuss“, datirt aus dem Jahre 1529, Sie besteht aus zwei Abhandlungen. Die erste: „wie man das Hauss Gottes erbawen soll?“ ist wohl identisch mit der seiner Hauptschrift an- gehängten: wie nun das Hauss des Herren in Christo erbawet, darinnen zum folnet die absünderung beschlossen wirt“; die zweite handelt ‚von den sieben Peilern an diesem Hauss“. Seine Hauptschrift aber ist die „Rechenschafft vnserer Religion, Leer vnd Glaubens“ mit dem Motto: > 0 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 305 „Seit alle zeit vrbüetig yederman zur verantwortung dem, der grund fodert der Hoffnung, die inn euch ist. 1. Petr. 3.‘ Verfasst ist sie zwischen 1542—1544, das Jahr ihres Erscheinens nicht erweislich, da weder Jahr noch Druckort angegeben ist. Sie besteht aus 283 Blättern in Sedez und wurde 1565 von Philipp Vollandt genau wieder auf 288 Blättern gleichen Formats zum zweiten Male gedruckt.') Von dieser zweiten Ausgabe ist vor etwa 10 Jahren ein Neudruck veranstaltet worden. Die erste Ausgabe ist sehr selten; die Schriften der Wieder- täufer wurden ja überall, wo man ihrer habhaft wurde, confiscirt und verbrannt. Unsere Stadtbibliothek besitzt ein Exemplar der ersten Aus- gabe. Unter der Ueberschrift „Rechenschafft etc,“ trägt es auf dem Titel die gedruckten Anfangsbuchstaben des Namens des Verfassers P. R. Aus dem Titel des zweiten Drucks hat der Besitzer alsdann ergänzend zugeschrieben: ,‚Von den Brüdern, so man die Hutterischen nennt Aus- gangen.‘“ Das Büchlein, eine lichtvolle Darstellung der Glaubens- und Sittenlehre, sowie der Gemeinde-Verfassung der Wiedertäufer, verdient eine um so eingehendere Betrachtung, als der Anabaptismus den von der ersten Christengemeinde mit der Gütergemeinschaft gemachten aber misslungenen Versuch wieder aufnahm und durch länger als ein Jahr- hundert unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen mit Erfolg durch- geführt hat. Was nun die Glaubenslehre der Wiedertäufer anlangt, so erklärt sich Riedemann in Bezug auf die Trinität ganz orthodox. Er knüpft seine Erörterungen an die Auslegung des apostolischen Glaubensbekennt- nisses. Aber Heiligenverehrung wird für Abgötterei erklärt; „wir sagen, dass wer die Heiligen anrufet, dass sie ihm helfen oder bei Gott Heil erwerben sollen, der verleugnet, dass Christus sein Mittler und Für- sprecher ist beim Vater, und fliehet zu dem, der ihm weder fürsprechen noch helfen kann.“?) Die Erbsünde besteht darin, dass wir alle von Natur zum Bösen und zu Sünden geneigt sind und Lust haben, aber sie ist unschädlich, weil sie nicht weiter führt, denn nur in den zeitlichen Tod, nicht in den ewigen, auf dass das Wort erfüllet werde: die Kinder . werden der Väter Missethat nicht tragen, sondern wer selbst sündiget, der wird auch selbst sterben; darum sagen wir, dass Gott auch die Kindlein in ihrer Maass annehme, dieweil doch Christus auch ihr Ver- söhner ist.°) Gegen die Ursache des ewigen Todes, die wirkliche Sünde, ist in der Sendung Jesu den Menschen ein Heilmittel angeboten, denn Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen. Durch den Glauben an ihn wird der Mensch Christo eingesetzt und einge- zweiget, und weil Christus ein guter Baum ist, mag in einem solchen Menschen Nichts denn Gutes wachsen, grünen und Frucht geben. ®) ) Ehrhardt Presbylerologie 1 507. 2) Rechenshhafft f. 55b. °) f. 64. *) f. 69. 1385. 20 306 Jahres - Bericht Dieser Glaube macht frei von der Gewalt der Sünde. Eine stellvertretende Genugthuung Christi kennt Riedemann nicht. Jesu Tod ist nur eine Be- stätigung und Befestigung des Testaments Gottes, das durch den heiligen Geist und durch den Glauben in uns versiegelt wird. Der Glaube aber kommt aus der Predigt und, da neugeborene Kinder nicht glauben können, weil ihnen nicht gepredigt werden kann, so folgt daraus nothwendig die Verwerfung der Kindertaufe. ‚Das Testament der Gnade ist ein Testa- ment des Wissens und der Erkenntniss Gottes; die Kinder aber wissen weder Gutes noch Böses, das ist uns genugsame Ursache, wenn wir sonst keine andere hätten, den Kindertauf zu verwerfen und ab- zustellen.‘“?) Wie Abraham in seinem Hause nicht beschneiden konnte, ehe ihm die Kinder geboren wurden, also mag im Haus Christi Niemand getauft werden, er sei denn Christo vor geboren durch Wort und Glauben. Wer aber also geboren, wird auf seinen bekannten Glauben getauft. Und dies geschieht also: ,,So der Täufling die Taufe begehrt, so heisst ihn der Täufer sich mit gebogenen Knieen vor Gott und seiner Kirchen demüthigen und niederknien und nimmt ein rein Wasser und geusst es auf ihn und spricht: Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und heiligen Geistes, der dir nach deinem Glauben die Sünde vergeben und dich in sein Reich gezogen und angenommen hat. Darum so sündige hinfort nicht mehr, auf dass dir nicht etwas Aergeres widerfahre.‘“ ?) Das geschieht vor der Gemeinde, welche die Schlüssel hat und sammt dem Täufer und Täufling vor dem Tauf niederkniet und ihm Verzeihung der Sünden von Gott bittet. Wo es aber nicht sein mag und die Ge- meinde nicht mag erlangt werden, so mag es auch der Täufer besunder oder allein thun. Dieses Amtes des Lehrens und Taufens soll sich jedoch nur unter- stehen, wer ordentlich wohl und recht von Gott in seine Kirche und Gemeinde gewählt ist.?) Die Gemeinde, welche eines Dieners bedarf, soll mit ernstlichem Bitten bei Gott anhalten, dass er sie versorgen und ihr anzeigen wolle, wen er zu seinem Dienste erwählt habe? Die, so nach Gottes Rath erkannt und tauglich sein, werden hingestellt; sind ihrer viel, so wird das Loos geworfen. Ist nur ein Einziger oder so viel ihrer von nöthen sein, so fällt das Loosen weg, sondern weil ihn uns der Herr zeiget, so nehmen wir ihn oder sie in Gottesfurcht als Gabe und Schenkung von Gott an. Dann wird das Amt vor der Ge- meinde durch Auflegung der Aeltesten Hände bestätigt. Uebrigens ist in den Aemtern ein Unterschied.*) Die Bischöfe und Hirten haben gleiches Amt in Lehre und Tauf mit den Aposteln, ohne allein, dass sie an einem Ort bleiben und die Gemeinde Christi weiden; neben und unter 1) f. 78a. 2) £. 90-93. 9). 95. *) L. 97. u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 307 ihnen dienen Helfer, als Diener der Lehre, welche das Volk ver- mahnen, und als Diener der Nothdurft, welche das Haus oder die Gemeinde ordner, auf dass es recht und wohl zugehe und die Gemeinde versorget werde mit zeitlicher Handreichung. Die Aeltesten endlich helfen den Dienern die Bürde tragen, auf dass man nicht die ganze Ge- meinde mit einem jeglichen Handel beschweren möge. In Bezug auf das Abendmahl ') folgen die Wiedertäufer strikt der Ansicht Zwinglis. Sie leugnen die Verwandlung des Brotes und dem- gemäss, dass die Messe ein Opfer ist. „Der Tisch oder das Brot und Trank des Herrn ist eine Beweisung der Gemeinschaft seines Leibes, da sich ein Glied mit den andern eines Sinnes, Herzens und Geistes Christi zu sein beweiset.‘ Doch nicht das dogmatische Lehrgebäude der Wiedertäufer, sondern ihre Ethik erfüllt uns mit Bewunderung. Die idealen Forderungen der Bergpredigt sind ihnen Gebote, welche ohne schwere Sünde Niemand übertreten darf und ihr ganzes Gemeindeleben beruht auf dem Prineipe vollkommenster Gütergemeinschaft. Ueber sie heisst es in unserer Rechenschaft: ,Dieweil nun alle Gaben Gottes, nicht allein die geist- lichen, sondern auch die zeitlichen, dem Menschen darum gegeben seien, dass er es nicht ihm selber oder allein haben soll, sondern allen seinen Genossen, so gebührt es der Gemeinschaft der Heiligen, dies nicht allein im Geistlichen, sondern auch im Zeitlichen zu beweisen, auf dass, wie Paulus sagt, nicht einer Ueberfluss und der andere Mangel habe, sondern geschehe, dass gleich sei.“?) Das Zeitliche sei nicht unser, sondern fremde, und das Gesetz Mosis befehle, dass Niemand fremdes Gut be- gehren soll; darum solle Niemand sein Herz an das Zeitliche henken, welches fremde ist. Derohalben, wer Christo anhangen und nachfolgen will, muss solehes Annehmen der Creatur und Eigenthum verlassen. So sei es im Anfange der Kirche gewesen; wo es anders zugehe, sei es ein Flecken der Kirche, der gebessert werden müsse. Daraus, dass es doch nirgends denn zu Jerusalem also gewesen, darum es jetzt nicht von Nöthen sei, folge nicht, dass es darum jetzt auch nicht sein solle. Sie, die Wiedertäufer, hätten sich darum nicht von der Kirche Christi ab- sondern ihr zugewendet und die befleckte unreine Versammlung verlassen, welches alle Menschen thun sollten.) In den Tempeln werde kein rechter Gottesdienst gehalten, darum gingen sie nicht hinein und mit den Pfaffen wollten sie Nichts zu thun haben, weil sie Fremdlinge und von Gott nicht gesandt seien. „Dass sie den Geist des Herrn nicht haben, zeigen ihre eigenen Werke an als Trunkenheit, Geiz, Hoffart, Stolz, Schwören sammt aller Unzucht. . ... Dass sie allein das buchstäbische Wort führen, beweiset ihre eigene That, dass sie zu ihrer Lehre treiben 2108: :%) EL 108. 9.2.10. 20* 308 Jahres-Bericht und dringen mit Stöcken, Blöcken, Thürmen, Gefängniss, Verjagen und Erwürgen.“ ') Nach diesem Allgemeinen geht Riedemann auf die besonderen Stände und speciellen Aeusserungen des christlichen Lebens über. Die Ehe?) ist eine Lehr und Führung zu Gott; so man sie recht ansiehet und haltet, so lehrt sie uns Gott kennen und ihm anhangen. Die Eltern sollen ge- fragt, die Brautleute öffentlich vor der Gemeinde von einem verordneten Diener des Worts zusammen gegeben werden. Die Ehegelübde, nämlich zu gehorchen und zu versorgen, nicht halten ist Ehebruch°); ist aber gar wirklicher Ehebruch geschehen und der andere Theil vermischte sich vor gethaner Busse wieder mit dem schuldigen, der würde mit ihm huren, ob es gleich vorhin sein Gemahl gewesen. Der Oberkeit‘) soll man als den Verordneten von Gott unterthan sein, so weit sie nicht das Gewissen angreifen und etwas wider Gott heissen. Obrigkeitliche Aemter zu übernehmen aber zieme Christen nicht. Christus will allein mit dem geistlichen Schwerdte regieren, darum können Christen das weltliche Schwerdt nicht führen. ‚Die Oberkeit hat ausser Christo ihren Bestand, aber nicht in Christo.“ „Des Segens Kind kann der Rache Diener nicht sein, also mag kein Christ über die Welt regieren.“ Selbstverständlich darf er auch keinerlei Kriegsdienst’) thun, auch in keiner Weise zum Kriegführen behülflich sein. Die Oberkeit ist allerdings von Gott geordnet und ihr das Amt befohlen, darum geben wir auch „willig Zins, Rente, Zoll oder wie man das nennen mag und widern uns darinnen nicht, weil wir das auch von unserem Meister Christo erlernt haben. Aber zum Kriegen, Würgen und Blutvergiessen, wo es zum selben sonderlich gefordert wird, geben wir Nichts, und aber das aus keinem Frevel oder Muthwillen, sondern aus Gottesfurcht.‘°) Da Christen ihre Schwerter verschmieden oder hinlegen sollen, „so müssen wir dieselben noch viel weniger mach en.‘“”) In Bezug auf die Kleidung°) wird äusserste Einfachheit vorge- schrieben. „Was aber allein zum Stolz, Pracht und Hoffart reichet, als zerschnitten, verblümet und ausgestochen Werk, das machen wir Niemand, auf dass wir unser Gewissen vor unserm Gott unbefleckt erhalten.“ Processe°’) sind wider Christus; „dieweil Alles fremde und Nichts unser eigen ist, so kann auch ein Christ nicht darum hadern, zanken oder rechten, sondern muss ihm viel lieber darum unrecht thun lassen ;‘* folglich kann er auch selbst kein Gericht sitzen oder halten. Schwören') ist ganz und gar verboten. Als Gruss'') galt der Friedenswunsch. ,,So nun in der Kirchen ein Glied derselben zum andern kommt, soll es ihm auch den guten Wunsch, die holdselige Gabe, den Frieden des Herrn, den ) 2.116. 92.119. 8.198 82185 59219 %£134 7) £. 186, °) f. 137. %f.138. 1% f. 140. 2) f. 147. | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 309 er uns hier gelassen und gegeben hat, anbieten“ und ihn durch das Reichen der Hand bekräftigen. Der Kuss war nur unter Personen des- selben Geschlechts gestattet. ‚‚Aergerniss zu vermeiden !) und auch dem Fleische keine Ursach oder Anreizung zum Sündigen zu geben, soll ein Bruder den andern und wiederum eine Schwester die andere in der Liebe aufnehmen und umfahen (umarmen), aber Bruder und Schwester sollen solehes mit dem Handbieten ausrichten und einander nicht umfahen, dass man der Lehre Christi keine Schmach und Unehre damit auflade.“ Rigoros ist das Verbot alles weltlichen Gesanges.?) „Auch gestatten wir nicht unter uns, dass andere denn geistliche Lieder gesungen werden,“ Die Ansicht der Wiedertäufer über Feiertage?) ist radical. ‚Das rechte Feiern ist, sich des Gehorsams, Willens und Wohlgefallens Gottes fleissen, mit seinem Wort Tag und Nacht umgehen und sich in Gott- seligkeit üben.‘‘ ,‚Aber das Feiern, wie die Welt zu feiern pflegt, ist ein Greuel vor Gott, denn was sie sonst die ganze Woche für Bosheit und Schande Arbeit halber nicht ausrichten mögen, das verbringen sie am Sonntage und wäre besser, sie hätten keinen Feiertag. Doch wir haben auch einen Tag der Rube, darinnen wir des Herrn Wort handeln und unsere Herzen damit erwecken, in der Gnade Gottes zu bleiben, Weil aber der Sonntag allen Menschen gewöhnlich ist zu feiern, auf dass wir Niemands Aergerniss damit geben, weil doch Nichts daran ge- legen ist, so halten wir selben Tag mit, nicht aber um des Gebots willen.“ Auch der Handel‘) war verpönt. „Krämerei und Kaufmann- schaft zu treiben, gestatten wir keinem, dieweil es ein sündiger Handel ist.“ „Aber einem, der kaufet zur Nothdurft seines Hauses oder Hand- werks, dasselbige damit zu treiben und dass er wiederum, was er mit seinem Handwerk daraus gemacht hat, verkaufet und vertreibet, achten wir nicht unbillig sondern recht sein.“ Unrecht ist, Waaren einkaufen und in demselben Zustande, wie sie gekauft worden sind, wieder ver- kaufen und „Gewinn und Uebernutz davon nehmen und damit den Armen die Waare vertheuern und ihnen das Brot vor dem Maul abschneiden.“ Wie der Handel ist das Wirthshaushalten’°) verboten. Frei und umsonst wird gegen Fremde Gastfreundschaft geübt; aber „wir lassen unter uns keinem zu, dass er ein offener Wirth sei, Wein oder Bier schenke.“ „Zutrinken ist Ursach alles Bösen und Uebertreten der Gebote Gottes.‘ Der Gottesdienst°) der Wiedertäufer war höchst einfach. ‚Wir kommen zusammen, dass wir unsere Herzen in der Gnade Gottes er- muntern und aufwecken wollen, mit grösserem Fleiss und Aufmerken vor dem Angesicht des Herrn zu wandeln.“ Der Gottesdienst bestand 1) f.148. 2) £. 152. °) £. 156. 9) £. 157. 5) £. 159. 9 £. 161. 310 Jahres - Bericht aus Vermahnung, Danksagung, Bitte und Auslegung des göttlichen Wortes, worauf die Gemeinde mit dem Segen entlassen wurde. Der Kirchen- gesang wurde eultivirt, Abendmahl nur in den grösseren Haushaben zu gewissen Zeiten gehalten, wozu sich stets eine grosse Anzahl Personen von auswärts einfand.. In Tirol beschränkte man sich lediglich auf Predigtgottesdienste, welche wegen der Verfolgungen in Wäldern und in Verstecken gehalten wurden. „Wenn wir zusammen- kommen, des Herrn Gedächtniss- oder Abendmahl zu halten, so wird etwa ein Tag oder 2 oder 3 das Volk vermahnt und ihm fürgebildet, was des Herrn Abendmahl sei, was man da handle und thue und wie man sich dazu bereiten soll, dasselbe würdig zu empfahen; geschieht aber auch jeden Tag seine Danksagung und Gebet. Wenn das Abend- mahl des Herrn gehalten ist, so singt man dem Herrn einen Lobgesang; nachdem wird das Volk vermahnt, dass es, wie es sich nun bewiesen habe, also auch wandle und wird alsdann dem Herrn befohlen und von einander gelassen.“ Die Kindererziehung‘) ist ganz im Geiste der Gütergemeinschaft geordnet. Die Kinder sind Gemeingut, wie einst in Sparta, und werden zusammen erzogen. „Darum an den Orten, da wir soviel Ort und Platz haben als im Lande zu Mähren, da haben wir Schulen“, ‚und geschieht aber also bei uns: Bald die Mutter das Kind der Brust entwöhnt, so giebt sie es in die Schul; da sein verordnete Schwestern, von der Ge- meinde dazu tüchtig erkennet, die ihrer pflegen und sobald sie reden lernen, ihnen das Wort des Zeugnisses Gottes in den Mund legen, be- richten sie des Gebets und des, so solchen Kindern zu fassen ist. Bei denen sind sie bis ins 5. oder 6. Jahr, so lang bis sie werden, dass sie lesen und schreiben lernen mögen.“ Dann kommen sie in die Hand des Schulmeisters, der sie lesen und schreiben lehret und daneben je mehr und mehr in der Erkenntniss Gottes unterweist. ‚Der hat die Ordnung mit ihnen: Morgens, wenn sie alle in die Schul kommen, so lässt er sie mit einander dem Herrn danken und beten, darnach fahet er an, ihnen auf eine halbe Stund eine Kinderpredigt zu thun. Sind aber so lange bei dem Schulmeister, bis dass sie werden, dass man sie arbeiten lehret; wozu dann ein jedes geschickt und tauglich erkannt wird, dazu wird es gehalten. Wenn sie dann also aufgezogen und Gott haben kennen und glauben lernen, werden sie auf ihren bekannten Glauben getauft.‘ | Solche Einrichtungen waren nur durch strenge Kirchenzucht?) aufrecht zu erhalten. ‚Darum wir mit Anreden, Warnen und Strafen ob einander wachen und die mit allem Fleiss brauchen. Wo aber einer die Straf nicht annehmen oder verachten wollt, so wird es für die Ge- 1) f. 162. 2) fol. 164. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 311 meinde gebracht und so er die nicht höret, wird er ausgeschlossen und verbannt“, und ,‚so einer verbannet wird, so haben wir Nichts mit ihm zu schaffen und äussern uns aller seiner Gemeinschaft, auf dass er scham- roth werde.“ Selbst der Ehegatte musste dem Ausgeschlossenen den ehelichen Umgang versagen. Die Wiederaufnahme in die Gemeinde geschah durch Auflegen der Hände, erfolgte aber erst nach spürbarer Besserung. Riedemanns Schutzschrift schliesst mit den Worten: „Also haben wir durch Gottes Gnad angezeigt und Rechenschaft gegeben unsers Glaubens, Lehr und ganzen Lebens, dem allmächtigen Gott sei Lob und alle Ehr! Daran unsers Erachtens Jedermann, der anders nicht muth- willig wider die Wahrheit streiten will, wohl schon spüren und erkennen kann, dass wir Nichts ohne oder ausser der Wahrheit fürgenommen oder uns selbst etwas Eignes erwählt, sondern was Gott selber geordnet, befohlen und angegeben, uns fürgesetzt haben, demselben auf das treu- lichste anzuhangen. Er, der Herr unser Gott, wolle sein angefangenes Werk in uns allen zu seinem Preise vollenden. Sit laus deo! Ecel. 4. Bis in den Tod streit für die Wahrheit, so wird Gott für dich streiten.‘ Dies die Thesis der Wiedertäufer; aber was ist denn davon in die Praxis übernommen worden? wie hat es in ihren Gemeinden ausgesehn? Für die Beantwortung dieser Frage sind wir allerdings nur auf zerstreute Notizen und gelegentliche Bemerkungen der Chronisten angewiesen, doch wird sich immerhin mit einiger Mühe daraus das Bild der nicht mehr existirenden Gemeinde reconstruiren lassen. Wenn ich es versuche, so bemerke ich ausdrücklich, dass ich mich nur an Thatsächliches gehalten und der Phantasie nicht gestattet habe, etwaige Lücken durch Combina- tionen auszufüllen. Vorausgeschickt muss werden, dass von Gemeinden streng ge- nommen nicht die Rede sein kann. Eine Sonderung in Einzelgemeinden würde das Prineip der Gütergemeinschaft durchbrochen und ganz un- möglich gemacht haben. Die Haushaben an den verschiedenen Orten gehören zusammen und bilden eine Sammtgemeinde unter einem Vor- steher, der das Ganze leitet. In jeder Haushabe giebt es Diener der Lehre und Diener der Nothdurft. Jenen ist das Geistliche, die Seelsorge, diesen das Weltliche, die Oekonomie, übertragen; als Beirath ist ihnen ein Aeltesten-Collegium an die Seite gestellt. Die Verfassung ist ganz demokratisch. Die Aeltesten, die Diener der Nothdurft, die Diener der Lehre, auch der oberste Vorsteher werden von der Gemeinde gewählt. Sie gehen aus den Werkstätten hervor oder werden vom Pfluge weg- genommen, denn Arbeit und zwar Handarbeit ist oberstes Gesetz; sie wurde täglich mit Gebet begonnen und beschlossen; doch sogenannte Erweckungen, wie sie später der Pietismus liebte und hervorzurufen trachtete, sind den Wiedertäufern völlig fremd. Als es sich einst zu 312 Jahres-Bericht einer solehen anliess, wurde sie sofort im Entstehen unterdrückt. Im Jahre 1629, berichtet uns der Chronist‘), „haben sich in der Woche nach Neujahr 9 oder 10 Weibspersonen zu gemeinsamem Gebet ver- einigt, sich besondere Stunden dazu erwählt, auch solches heimlich in Winkeln und im Walde ausgericht. Weil aber ihre seltsame Weise ganz kein Gottesdienst, sondern vielmehr eine Gleisnerei gewesen, auch. Händel und Zerrüttungen in den Werkstätten gegeben, hat man solche 9 Personen, weil ihre Sache keinen Grund gehabt, sie auch keinen treuen Rath und Bericht annehmen wollten, sondern nur hochmüthig auf ihrem Unwesen beharrten, ausgeschlossen und hinausgethan. Da sie ihnen selbst mussten um Brot schauen, endete sich ihr Beten.“ Selbst die Diener der Lehre werden vor zu langem Predigen und Beten gewarnt. In einer Instruetion für sie aus dem Jahre 1641 heisst es am Schlusse ?): „‚dass sich die jungen Diener nicht an das gar lange Predigen und Beten ge- wöhnen, sondern wie jungen gebühret. Beim Bett mag ihm einer genug beten“; und in einem Gemeindebeschlusse von 1640 heisst es’), „dass, wo die Brüder in der Woche einen Feiertag feiern müssen, der Samstag ganzes Tagewerk sein soll, denn mit Müssiggehen ist's unmöglich, unsere Weiber, Kinder, Alten und Dürftigen zu ernähren,“ Neue Haushaben wurden nicht etwa auf eigene Hand von irgend einem unternehmungslustigen Wiedertäufer, sondern immer nur von der ganzen Gemeinde unter sorgfältiger Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse gegründet; sie tragen deshalb auch ein ver- schiedenes Gepräge. Einzelne waren vornehmlich auf Feldwirthschaft und Viehzucht, Acker- und Gartenbau angewiesen. Wein und Hopfen- bau ist an vielen Orten in Mähren durch die Wiedertäufer eingeführt worden. In Pausram hatten sie einen ansehnlichen Hof mit Gärten und Feldern, daneben eine Walke, Schleifmühle und Ledergerberei, auch ein vom Adel viel besuchtes Bad. Mehrentheils aber sind die Haushaben industrielle Etablissements, in denen je nach der Oertlichkeit verschiedene Arten von Handwerken betrieben werden. Die Wiedertäufer sind Baum- wollenweber, Tuchmacher, Färber, Schneider, Schuster, Gerber, Sattler, Seiler, Töpfer und Ziegelmacher, Müller und Mühlenbauer, auch Uhr- macher, Maurer und Zimmerleute, besonders häufig Sensen- und Messer- schmiede, auch Schleifer; ihre Arbeiten übertreffen die der Innungsmeister in den Städten sowohl an Güte wie an Billigkeit. Ihre ganze Industrie beruht auf Massenproduction nach damaligem Maasstabe und auf Theilung der Arbeit. Jedes Handwerk hat sein besonderes Haus und seine be- sonderen Werkstätten. Aufseher vertheilen und beaufsichtigen die Arbeit, und prüfen jedes Stück, ehe es in das Magazin kommt. Jedes Hand- werk hat seine besondere Ordnung, die von Zeit zu Zeit erweitert und !) Beck 436. 2) Beck 463. ?) Beck 462. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 313 verbessert wird. Die Materialien werden durch Einkäufer im Ganzen angeschafft. Wie die Arbeit, sind auch die frugalen Mahlzeiten gemein- schaftlieh; alle speisen an demselben Tische und keiner hat vor dem andern Etwas voraus; Wein gabs in Mähren blos für die Kranken. Jede Haushabe, wie gross die Kopfzahl derselben auch sein mochte, bildete eine einzige Familie mit gemeinsamem Haushalt. Küche, Keller, Vorrathskammer, Stall stehen unter besonderen Vorstehern. Ums täg- liche Brot brauchte sich Niemand zu ängsten, aber ein Familienleben, was wir heute darunter verstehen, gab es nicht. Die Kinder gehörten den Eltern nur so lauge, als sie von den Müttern an der Brust genährt wurden; dann wurden sie unter der Auf- sieht besonderer Schwestern in Kinderstuben gepflegt und aufgezogen, und im 6. Lebensjahre in die in den grösseren Haushaben errichteten Schulen gebracht, aus denen seiner Zeit die Knaben in die Werkstätten eintraten. Die Mädchen wurden in die Schwesternhäuser übernommen, wo sie Spinnen, Weben, Nähen, Zwirnen und andere weibliche Hand- arbeiten lernten und ebenfalls in besonderen Stuben unter Aufseherinnen für die Gemeinde beschäftigt wurden; denn Niemand arbeitete für sich, alle, selbst die Frauen, nur für die Gemeinschaft. Aller Verdienst floss in die gemeinschaftliche Kasse. Geld existirte nur für die Gemeinde, nicht für den Einzelnen. Auch die, welche mit Erlaubniss der Oberen bei benachbarten Herrn als Verwalter, Vögte, Viehwärter, Weinzierl u. Ss, w. Dienste genommen hatten und nicht in der Gemeinde lebten, behielten ihren Verdienst nicht für sich, sondern lieferten ihn an die Gemeinschaft ab, denn Niemand hatte Eigenes. Dafür bestritt die Ge- meinde Alles; sie sorgte für die Gesunden und für die Kranken, für die Kinder und für die nicht mehr arbeitsfähigen Alten. Jede Haushabe hatte ihre Krankenstube und die ärztliche Pflege in derselben war vor- trefflich. Die Bader der Wiedertäufer standen in dem Rufe besonderer Geschicklichkeit und Kaiser Rudolph nahm keinen Anstand, den Wieder- täufer Georg Zobel (+ 1603) in die Hofburg zu berufen und sich von ihm behandeln zu lassen. Unheilbare Kranke und Alte, welche nicht mehr arbeiten konnten, wurden gesammelt und in besonderen Häusern gemeinsam versorgt und verpflegt; so in Schäckowitz, von dem schon oben die Rede war, und in Guta, heut Kuty, in Ungarn. Dort befanden sich in einem „Hause bei drittehalb hundert Kindern auch Kranke, Lahme und Blinde, die empfingen ihre Nahrung von ihren Brüdern hin und her; diese schiekten ihnen Brot zu nach christlicher Gemeinschaft.“ 1550 wurde dieses Haus gesperrt und „Niemand sollte sich ihrer annehmen und erbarmen‘* Arme gab es bei den Wiedertäufern nicht; alle waren gleich reich. Mangel war unbekannt, 1569 galt ein Laib Brodt in Nicolsburg 45 Kreuzer! Die Brüdergemeinden aber, berichtet der Chronist, „hatten durch den Fleiss und grosse Fürsichtigkeit der Aeltesten 514 Jahres-Bericht ein gnädiges Auskommen, dass Niemand keinen Mangel gelitten hat; sie konnten noch vielen um sie her Handreichung thun.“ Freilich wurden damals auch die „Ausgaben in Küche, Keller, Speicher beschränkt, die Arbeitsstunden ausgedehnt und unnöthige Reisen eingestellt.“ Da Niemand eignes Geld haben durfte, konnte auch Niemand für sich Steuern und Abgaben geben. Sie wurden für alle aus der gemeinschaftlicehen Kasse bestritten. Ausser den Landessteuern, die sie gleich allen andern ent- richteten, mussten sich die Wiedertäufer noch durch besondere Abgaben das kümmerliche Recht, existiren zu dürfen, erkaufen und hätte man es nur wenigstens respectirt, aber stets hiess es: non licet esse vos. Alles war gegen sie erlaubt; sie waren rechtlos, liessen aber auch Alles ge- duldig über sich ergehen. 1575 wird ihnen von den Mährischen Herrn eine Kopfsteuer von 4 Wer. für jede über 10 Jahr alte Person aufge- legt. Aus den Landtagsverhandlungen von 1604 geht hervor, dass sie von jeder Haushabe alljährlich 100 Fl. und von jedem Fässlein Bier 5 Wer. steuern mussten und in den übrigen Giebigkeiten den andern Unterthanen gleich gehalten wurden. Sie hatten damals 37 Häuser, in deren jedem ohne die Kinder bei 200 Personen wohnten. ') Die Wieder- täufergmeinden galten für reich und darum war an den Landeshauptmann die. Weisung ergangen, in Erwägung zu ziehen, ‚ob nicht ein Haus, so 100 Personen hat, 500 Fl. und das, so 200 hat, 1000 Fl. semel pro semper contribuiren könne?“ Liechtenstein antwortete: „Die Armuth der Brüder sei nicht ohne, da der meiste Theil der Leute mit Wasser und geringer Speise unterhalten werde und daher täglich viele von ihnen austreten. Auch sei nicht ohne, dass sie ausser der Ordinaristeuer von jedem Hause 100 Fl]. contribuirten, von ihren Grundherrn streng gehalten und durch das Kriegsvolk hart mitgenommen würden.“ Es war nämlich Brauch, das Kriegsvolk, welches durchs Land zog, vorzugsweise in den Haushaben der Wiedertäufer einzuquartieren; die Soldaten nahmen, was ihnen nicht gegeben wurde, und Widerstand wurde ihnen von den Stäblern nie geleistet. | Zum Schlusse noch ein Wort über die Tracht der Wiedertäufer. Aus dem Wenigen, was sich bei den Chronisten gelegentlich darüber findet, geht hervor, dass ihre Kleidung höchst einfach und für alle die gleiche war. Sie wurde von der Gemeinde geliefert und bestand soweit als möglich aus Leinwand und Baumwolle, „damit theures Wollengewand gespart werde.“ Die Frauen trugen leinene Schürzen, die Jungfrauen Hut und die Stirn verschleiert,; ein Gürtel von Leder umschloss die Hüften. Doch wird 1641 geklagt, dass sonderlich die Schwestern mit den messingenen Gürtelbeschlägen, ‚die sie mit Fleiss als einen Spiegel 1) Friedrich von Zerotin (f 1598), ein Picardit, hatte auf seinen Gütern an 3000 Seelen Wiedertäufer. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 315 auf den Rücken richten“, Hoffart trieben. Die Männer liessen das Haar lang wachsen. Den Badern, die als Aerzte viel mit dem Publikum ver- kehrten und unter die Leute kamen, wird in einer Instruction 1650 streng eingeschärft; dass sie sich nicht weltlich kleiden. ‚Muss fast Alles weltlich sein‘, heisst es in derselben, ‚‚Hut, Schnur, Rock, Gürtel, entweder ein gewaltig Schloss oder nur ein Band, der Knopf hinten auf dem Rücken; obs nicht gar weltlich, muss es doch halb und halb sein; auch die Geberden, in Worten weltlich und prächtig, das Haar über sich wie die Bürsten, mit Füssen scharren (Complimente machen) und andere Lapperei, da man sein nur zu spotten hat. Sie sollen den Brüdern das Haar abschneiden, wie es recht ist und nicht wie es ein jeder begehrt, bis halb auf die Achsel und vornen ein Scheitel nach kriegsmännischem Brauch.“ Und hier breche ich ab. Das Vorgetragene wird, hoffe ich, hin- reichen, um ein unbefangenes Urtheil über die wenig gekannten, aber viel verleumdeten Wiedertäufer zu ermöglichen. Wie es auch ausfallen ‘möge, den Ruhm wird man ihnen nicht streitig machen können, dass sie das Beste gewollt und das Höchste erstrebt haben. Die Gemeinden sind den über sie verhängten Verfolgungen endlich erlegen, aber ihre Ver- fassung ist in modifieirter Gestalt in die von Zinzendorf gestifteten Brüdergemeinden übergegangen. Der Bruder- und Schwesternname, das Loos, die Gemeindeanstalten, Brüder- und Schwesternhäuser und noch manches andere sind von den Wiedertäufern entlehnt. Christian David, der in der Gründung Herrnhuts eine wichtige Rolle spielt, stammte aus Mähren, war also mit den Einrichtungen in den Wiedertäufer - Ge- meinden hinreichend bekannt. Am 16. April hielt der Secretär nachstehenden Vortrag über den Pädagogen Friedrich Eberhard v. Rochow. Die Charactere der Menschen sind wie die Luft aus verschiedenen Bestandteilen gemischt, und nicht häufig geniesst der Geschichtschreiber das Vergnügen, auf eine kurze Zeit einmal so zu sagen im reinen Aether zu atmen, d. h. mit gerechtfertigter Bewunderung dem Leben eines tugendhaften Mannes nachgehen zu können, Zu denjenigen, deren Wandel einen solchen ungetrübten Genuss bereitet, gehört der Rittergutsbesitzer Friedrich Eberhard von Rochow, Erbherr auf dem drei Viertelmeilen südlich von der Stadt Brandenburg gelegenen Dorfe Rekahn, ein Märker, welcher sich neben dem Schlesier Johann Ignaz von Felbiger einen be- rühmten Namen in der Geschichte der Pädagogik erworben hat, Ueber sein früheres Leben wissen wir etwas mehr als über das des Abtes von Sagan. Er ward am 11. October 1734 in Berlin geboren, wo sein Vater das Amt des kurmärkischen Kammerpräsidenten bekleidete; 316 Jahres - Bericht seine Mutter war die Tochter des Staatsministers und Generalpostmeisters von Görne. Es förderte nicht eben seine Ausbildung, dass er vom 4. bis zum 13, Lebensjahre elf Hofmeister hatte. Diese Meldung macht er uns selbst, indem er hinzusetzt: „ich las aber gern Lexica,“') Welcher Art dieselben waren, das unterlässt er leider anzugeben; jedenfalls aber soll die kurze Nachricht darauf hinweisen, dass er schon als Knabe Wissbegierde und eigenen Trieb besass. Nicht ohne Selbstbewusstsein hat er in seinem Alter einmal seinen eisernen Fleiss gerühmt.?) Im 16. Jahre trat er in den Militärdienst bei dem Leibkarabinier-Regimente zu Rathenau, von wo der König den Fahnenjunker unter seine Garde du Corps nach Potsdam nahm. Hier spielten ihm die Pocken so arg mit, dass er die Spuren derselben zeitlebens im Gesichte trug. Als im Jahre 1796 der Herausgeber der Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Mark Brandenburg das Bild des berühmt gewordenen Mannes dem 8. Stücke vorsetzen wollte, bat er ihn zugleich um eine Lebensbeschreibung und wandte sich, als er einen abschläglichen Bescheid erhalten, an den Prediger desselben. Nun erst entschloss Rochow sich, das Verlangte zu thun. Er gab die mitgetheilten kurzen Nachrichten und fuhr dann fort: „‚Rathenau und Potsdam sind keine Universitäten; auch hatten die Standartenjunker damals noch nicht, wie jetzt, den aus- ‚ gezeichneten Trieb, so zu sagen auf ihre eigene Hand den Wissenschaften obzuliegen. Es blieb also bei dem Bischen Lateinisch, Französisch, Italienisch und Dependentien, die ich von Brandenburg mitgebracht hatte, und bei der Lesesucht.‘“ Im Jahre 1752 wurde Rochow Offizier, und nach dem Ausbruche des siebenjährigen Krieges zog er mit ins Feld. Gleich in der ersten Schlacht, bei Lowositz, ward er in den linken Arm geschossen und zwar geheilt, aber er blieb auf denselben ein wenig gelähmt. In dem darauf folgenden Winter kam er nach Leipzig ins Quartier und hatte dort die Ehre und das Vergnügen, die Bekanntschaft von Gellert zu machen. „Er würdigte mich, schrieb Rochow 1796, seiner Freundschaft, die bis an seinen Tod währte und wieder anfangen wird. Auch nahm er mich in gelehrte Gesellschaften mit.“ Der neue Feldzug rief Herrn v. Rochow wiederum nach Böhmen, aber nach der Schlacht bei Prag wurden ihm bei einer besonderen Gelegenheit die Pulsadern an der rechten Hand und diese selber so durchgehauen, dass er nicht mehr im Stande war, bei der Reiterei zu dienen; er suchte daher und erlangte 1753 seine Entlassung. Im folgenden Jahr heirathete er Christiane Luise von Bose, !) Litterarische Correspondenz des Pädagogen Fr. Eberh. v. Rochow mit seinen Freunden. Neu herausgegeben und vermehrt von Dr. F. Jonas, Stadtschul- inspector. Berlin 1885, p. 239. ?) Ebenda p. 249. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 317 eine Freundin Gellerts. „Sie machte mich bisher sehr glücklich, schrieb der Gatte 1796, und ihr Ruhm stirbt nimmer bei allen, die sie kennen. Kinder haben wir zwar nicht, aber dafür auch weniger Sorgen wegen ihrer Zukunft.“ Rochow wurde nun ein vorzüglicher Landwirth, der seine Einkünfte vermehrte und zugleich für die Bedürftigen sorgte. Im letzten Kriege waren auf einmal 100 Mann von seinen Gütern eingezogen worden, die fast insgesammt bei Landshut umkamen oder in Gefangenschaft geriethen. Daher gab es viele Soldatenwittwen. Um diese sowohl als die Tage- löhner zu ernähren, wies ihnen der Gutsherr jährlich etwas von seinem Brachland an; sie mussten dasselbe mit Lein, Hirse, Mohn, Linsen oder Kichern, gelben Rüben und Kartoffeln besäen und bepflanzen, was nicht allein ihnen, sondern auch den Aeckern zum Vortheil gereichte,; denn dieselben wurden gegraben, von Unkraut gereinigt und gedüngt und trugen deshalb im folgenden Jahre den besten Roggen. Die sorgsame Menschenliebe Rochows bewirkte, dass selbst in den schwersten Zeiten keine Leute von seinen Gütern auswärts bettelten. !) Auch bei anderen Gelegenheiten erwies er sich freigebig. Er schickte z. B. zu Neujahr 1762 sowohl als 1763 ein Geldgeschenk an Gellert und unterliess es im folgenden Jahre nur, weil er nach hergestelltem Frieden herzlich von jenem darum gebeten wurde. Sie blieben in schrift. lichem Verkehr mit einander bis zu des Dichters Tode. Manchmal be- richtigte der ältere Mann den jüngeren. „Sie sind zu strenge, schrieb er am 13. Januar 1767, wenn Sie glauben, dass Verdienste und Tugend sich fast ganz in den bürgerlichen Stand zurückgezogen haben. Nein, mein Freund, es giebt in ihrem Stande noch viele edle und grosse Seelen.“ Und noch eine andere Frage hat Rochow gethan, nämlich warum unsere Herzen, wenn sie eine gewisse stille Traurigkeit fühlen, sie so gern in der Poesie ausdrücken. Darauf erwiderte Gellert: „Dieses, guter Rochow, weiss ich so wenig als Sie. Aber anstatt dass Sie diese Frage in Ihrem Briefe aufgeworfen haben, wünschte ich lieber, Sie hätten mir dafür einige von Ihren Gedichten beigelegt.‘ ?) Macaulay würde den Edelmann, wenn er ihn gekannt hätte, jeden- falls heftig gescholten haben, weil derselbe zu seiner Erholung bisweilen den Musen opferte. Jedoch wir thun das nicht, und wir glauben ferner, dass ihn seine Gemahlin unbesorgt auf das geflügelte Pferd steigen liess; denn hoch ging der Flug vermuthlich nicht, wenn wir nach einer einzigen Probe wagen dürfen, ein Urtheil auszusprechen. Seinem lieben Kammer- diener, Herrn J. Fr. Martus, hat er folgende Grabschrift gesetzt: ') Büsching, Beschreibung seiner Reise von Berlin nach Rekahn, p. 222. 2) Jonas p. 12. 13. 318 Jahres-Bericht Hier ruht mein alter Freund, der einst mein Diener war, Er theilte Freuden und Gefahr Mit mir fast 52 Jahr, War treu, geschickt und liebte mich, Oft für mein Wohl besorgt vergass er sich. Darum sei hier aus Dankbarkeit Dies Denkmal ihm von mir geweiht. ') Dagegen macht die Grabschrift dem Herzen des Verfassers Ehre; sie zeigt einen vorurtheilsfreien Sinn. Rochow, der 1762 Domherr in Halberstadt geworden war, setzte ferner seine Studien fort, legte Natura- liensammlungen an, ja, er verfolgte vielleicht bereits die pädagogische Bewegung, die sich damals in Deutschland bemerklich machte. Im Jahre 1768 richtete Basedow eine „Vorstellung an Mensehenfreunde und vermögende Männer über Schulen, Studien und ihren Einfluss auf die öffentliche Wohlfahrt“ und legte zugleich den Plan eines pädagogischen Elementarwerkes vor. Zu denen, die eine ansehnliche Beihilfe gegeben haben, gehörte Rochow. Er lud später Basedow zu sich nach Rekahn ein und entliess ihn mit einem Geschenk von 100 Thalern.?) Und nicht lange, so that er den Schritt, welcher ihm einen Platz in der preussischen Geschichte sichert. Er schrieb seinen Versuch eines Schulbuches für Kinder der Landleute oder Unterricht für Lehrer in niederen und Land- schulen. Merkwürdig, wie er auf diesen Gedanken kam. „Als in den Jahren 1771 und 1772 sehr nasse Sommer eintraten, erzählt er selbst, viel Heu und Getreide verdarb, auch tödtliche Krankheiten unter Menschen und Vieh wütheten, da that ich nach meiner Obrigkeitspflicht mein Mögliches, den Landleuten auf alle Weise mit Rath und That beizustehen. Ich nahm einen ordentlichen Arzt für die Einwohner auf meinen Gütern an, der unentgeltlich von ihrer Seite sie gegen ein jährliches Gehalt von mir mit freier Mediein versehen und heilen sollte. Sie erhielten schrift- liche Anordnungen und mündlichen Rath, wie durch allerlei Vorkehrungen und Mittel, wobei sie freilich auch ihrerseits thätig sein mussten, dem Fortgang der Epidemie zu steuern. | Aber böse Vorurtheile, Verwöhnung und Aberglaube nebst gänz- licher Unwissenheit von Lesen und Schreiben machten fast alle meine guten Absichten fruchtlos. Sie empfingen zwar die Mittel, die ich be- zahlte, nahmen sie aber nicht ein und scheuten sogar die Mühe, dem nur eine kleine Meile in Brandenburg wohnenden Arzte von dem jedes- maligen Zustande der Patienten Nachricht zu geben. Die einfachsten '!) Bei Jonas, p. 269. 2) Jonas p. 1%. 15. (Basedow an Rochow meldet jenes 16. Juni 1770 und dieses 10. Juli 1771.) der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 319 Vorkehrungen und Reinigungsanstalten, die ich ihnen schriftlich und münd- lich empfahl, waren ihnen zu mühsam, theils hatten sie solche vergessen, und das Schriftliche konnten sie nicht lesen. Dagegen brauchten sie heimlich die verkehrtesten Mittel, liefen zu Quacksalbern, Wunderdoctoren, sogenannten klugen Frauen, Schäfern und Abdeckern, bezahlten dort reichlich und starben häufig dahin.... In bitteren Gram versenkt über diese schrecklichen Folgen der Dummheit und Unwissenheit sass ich einstmals (es war am 14. Februar 1772) an meinem Schreibtische und zeichnete einen Löwen, der in einem Netze verwickelt daliegt. So, dachte ich, liegt auch die edle, kräftige Gottesgabe Vernunft, die doch jeder Mensch hat, in ein Gewebe von Vorurtheil und Unsinn dermassen verstrickt, dass sie ihre Kräfte so wenig wie hier der Löwe die seinigen brauchen kaun. Ach, wenn doch eine Maus wäre, die einige Maschen dieses Netzes zernagte, vielleicht würde dann dieser Löwe seine Kraft äussern und sich losmachen können. Darum zeichnete ich, gleichfalls als Gedankenspiel, auch die Maus hin, die schon einige Maschen des Netzes, worin der Löwe verwickelt liest, zernagt hat. Wie ein Blitzstrahl fuhr mir der Gedanke durch die Seele: Wie, wenn du diese Maus würdest? Und nun enthüllte sich mir die ganze Kette von Ursachen und Wirkungen, warum der Landmann so sei, als er ist. Er wächst auf als ein Thier unter Thieren. Sein Unterricht kann nichts Gutes wirken. Der gröbste Mechanismus herrscht in seinen Schulen. Sein Prediger spricht hoch-, und er plattdeutsch. Beide verstehen sich nicht. Die Predigt ist eine zusammenhängende Rede, die er nur zur Frohne hört, weil sie ihn ermüdet, indem er, an Aufmerken und Periodenbau nicht gewöhnt, ihr nicht folgen kann.... Niemand bemüht sich, die Seelen seiner Jugend zu veredlen. Ihre Lehrer sind gewöhnlich, wie Christus es nennt, blinde Leiter.... Gott! dachte ich, muss denn das so sein? Kann der Landmann, diese eigentliche Stärke des Staatskörpers, nicht auch verhältnissmässig gebildet und zu allem guten Werk geschickt gemacht werden? Wieviel tüchtige Menschen hätte z. B. ich in diesen Jahren nicht meinem Vater- lande gerettet, die jetzt ein Raub ihrer entsetzlichen Stupidität ge- worden sind. Ja, ich will die Maus sein! Gott helfe mir! Und nun schrieb ich gleich denselben Morgen die Titel der drei- zehn Kapitel, woraus mein Schulbuch für die Lehrer der Landleute sein sollte, nieder, und zwar auf die andere Seite des Blattes, worauf der Löwe, das Netz und die Maus stand.... Zu Mittage zeigte ich meinen Plan meinem neuen verständigen Prediger, Herrn Stephan Rudolph, der erst ein Jahr im Amte stand. Er billigte ihn und rieth mir des Theo- logischen wegen, so darin vorkäme, mit Herrn Oberconsistorialrath Teller in Berlin zu correspondiren. Dieser nannte meine Arbeit gemeinnützig 320 Jahres-Bericht und unterstützte mich edelmüthigst mit gutem Rath. So ward denn das erste meiner literarischen Producte schnell fertig, so dass es schon auf Ostern 1772 unter dem Titel „Versuch eines Schulbuchs für Kinder der Landleute oder zum Gebrauch in Dorfschulen“, Berlin, bei Fr. Nicolai erschien.‘‘!) In der Vorrede schrieb Rochow: ‚‚Ausser dem Katechismus und der Heilsordnung fand ich kein Schulbuch für den Landmann.... Ich denke doch nicht, dass man die Seele eines Bauerkindes für ein Ding von anderer Gattung hält, als die Seele des Kindes höherer Stände.“ Da es nun nichts gab, was ihm unmittelbar für jene Menschen zweck- mässig erschien, so schrieb er also etwas derart. Die Frage warf er selbst auf: ‚Wird denn der gemeine Mann schon aus diesem Versuch zum Schulunterricht klug werden ohne Lehrer? Und er antwortete: „Nicht ohne Lehrer. Denn für unwissende Kinder können eigentlich keine solche Bücher geschrieben werden, indem der Gebrau@dh eines solchen Buches Lesen und Verstehen voraussetzt. Wohl aber für den Lehrer; denn bei dem ist das Lesen können und das Verstehen des Ge- lesenen eher zu vermuthen.... Ich habe den Schullehrern auf dem Lande und in niedrigen Schulen einige Aussichten in das Reich nütz- licher Wahrheiten eröffnen und ihnen eine nach meiner Einsicht gute Methode zeigen wollen; aber auch diese nur im ganzen. Wenn es zur Anwendung kommt, so müssen sie noch immer selbst denken und er- finden.“ Am Schlusse der Vorrede stellte Rochow gewisse Bedingungen auf, von deren Erfüllung ihm die Verbesserung des Unterrichts abzuhängen schien. „Mit Handwerkern und unwissenden Bedienten muss keine Land- oder niedere Schule mehr besetzt werden“, schrieb er mit Recht, und er verlangte weiter, dass die Lehrer alle wenigstens einen festen Gehalt von 100 Thalern nebst dem Cantortitel haben müssten ohne die übrigen Vortheile, wie Wohnung, Garten, Feuerung u. s. w., damit sie sich gern und ganz dem Schuldienste weihen könnten. Eine sehr wichtige Forde- rung war ferner, dass die Kinder wenigstens in zwei Klassen eingetheilt werden müssten. Endlich sollten die Schulstuben hell und mit nützlichen und zweckmässigen Bildern oder Sachen und Modellen geziert sein,?) In diesem Buche gab Rochow z, B. Anweisung, wie man im Rechnen unterrichten und Briefe schreiben sollte. In einem Abschnitte wurden Mittel genannt, die Gesundheit zu erhalten und die verlorene wieder herzustellen. Das lange Schlusshauptstück handelte mit einer gewissen !) Bei Jonas p. XU ff. abgedruckt aus der Schrift Rochow’s: Gesch. meiner Schulen. ?) Ich habe leider nur die 3. Auflage benutzen können, die im Breslauer Kath. Seminar vorhanden ist. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 321 Ausführlichkeit von der Landwirthschaft. Ueberall waren Erzählungen eingeflochten, welche die vorgetragenen Lehren den Kindern näher bringen sollten. Auf die nämliche Weise suchte der Verfasser denselben gewisse abstracte Begriffe deutlich zu machen, z. B. Ursache und Wir- kung; Grund ; Wahrheit, Gewissheit, Wahrscheinlichkeit, Irrthum; Glaube, Unglaube, Leichtgläubigkeit, Aberglaube; Verhältniss. Bei der zweiten Auflage verbesserte Rochow mancherlei und fügte noch drei Hauptstücke dazu. Bei der dritten Auflage dagegen hätte er gern die Abschnitte von den Verhältnissen und vom Grunde lieber weggelassen; aber er er- laubte sich, wie er in der Vorrede bemerkt, nur wenige Veränderungen, damit diejenige Form bliebe, die nun einmal gefallen hätte. Das Buch machte verdientes Aufsehen. Der berühmte schlesische Pädagoge Felbiger war davon entzückt und wandte sich — ohne Zweifel durch die Verlagsbuchhandlung — an den auf dem Titelblatte nicht ge- nannten Verfasser, um über gewisse Punkte mit ihm in einen Meinungs- austausch zu treten. Er wollte z. B. gern das Urtheil des unbekannten Mannes über die tabellarische Methode wissen; er nahm an, und er täuschte sich dabei nicht, dass sie demselben zu pedantisch und für denkende Lehrer zu einschränkend erscheinen dürfte, und er vertheidigte sie nun gegen Vorwürfe, die ihm wahrscheinlich von andern Seiten her manchmal zugekommen waren. Er bat auch um Erlaubniss, seinen Um- ständen nach von dem Buche Gebrauch machen zu dürfen, aber er ver- langte dabei noch etwas anderes. „Ich muss bald im voraus sagen, schrieb er, dass ich dabei die Quelle nicht wohl nennen könne, aus der ich geschöpfet; denn dadurch geriethe ich bei meinen Glaubensgenossen in Gefahr, dem Gebrauch desselben Hindernisse zu machen,“ Am 27. November 1772 antwortete Rochow: „Unsere Absicht ist also dieselbe, nämlich nützlich zu werden, die Barbarei aus ihrem ältesten Wohnsitze zu vertreiben und die Summe moralischer Glück- seligkeit im Staate zu verstärken. Da wir nun eines Sinnes sind, was hindert uns, einander künftighin zu lieben?‘ Indem er sich dann darüber aussprach, wie er selber sein Schulbuch zu brauchen gedächte, gab er zugleich als Zweck des Unterrichtes an: ‚Meine Kinder sollen lernen, sowohl mit den Ideen, die sie ausdrücken wollen, die rechten Worte, als mit den Worten, die sie hören, die rechten Begriffe zu ver- binden,“ Mit Erlaubniss Rochow’s erfuhr Felbiger zugleich durch die Niko- lai'sche Buchhandlung einiges über denselben, und er war ganz erstaunt über das, was er hörte; „denn er hätte niemals vermutet, schrieb er am 15. Januar 1773, dass der Sohn eines Staatsministers, ein ehemaliger Offizier, ein Eigenthümer verschiedener wichtiger Herrschaften, der Ver- fasser dieses gewiss höchst schätzbaren Buches sein sollte.“ Das Ver- 1885. 21 399 Jahres- Bericht onügen, das ihm die Entdeckung machte, war unaussprechlich, und er erging sich nun über die Gegenstände, welche den beiden edlen Männern am Herzen lagen, in behaglichster Ausführlichkeit. Zu eben derselben Zeit aber trat noch ein Höherer mit dem Be- sitzer von Rekahn in brieflichen Verkehr, nämlich der Justizminister Freiherr v. Zedlitz, welcher seit dem Anfange des Jahres 1771 das ganze geistliche Departement in lutherischen Kirchen- und Schulsachen verwaltete, Dieser schrieb am 17. Januar 1773 an Rochow: „Dass ein Domherr für Bauerkinder Lehrbücher schreibt, ist selbst in unserm aufgeklärten Jahrhundert eine Seltenheit, die dadurch noch einen höheren Werth erhält, dass Kühnheit und guter Erfolg bei diesem Unternehmen gleich gross sind. Heil, Lob und Ehre also dem vortrefflichen Manne, den nur die Rücksicht auf die Allgemeinheit des Nutzens, welcher ge- stiftet werden kann, zu solchen Unternehmungen antreiben konnte, ... Lassen Sie mich von nun an Sie als einen Mann betrachten, der zur Beförderung der grossen Absichten des besten Königs mir in der Ver- besserung des Unterrichts der Landjugend so kräftige Beihilfe leisten kann, und der Patriotismus genug hat, diesen Beistand leisten zu wollen.“ Inzwischen war Rochow bereits hiermit wenigstens auf seinen Gütern beschäftigt, und ihm wurde das Glück zu theil, treue Gehilfen für seine Pläne zu finden. Der Prediger, welchen er 1771 für das Kirchspiel bestellt hatte, Stephan Rudolph, ein rechtschaffener, fleissiger und richtig denkender Mann von etwa 40 Jahren, liebte das Schulwesen, und als im October 1772 der alte Lehrer in Rekahn starb, erhielt Rochow Gelegenheit, einen brauchbaren neuen zu gewinnen. Er stand mit Halberstadt, seitdem er Domherr geworden war, in Verbindung. Es befand sich daselbst eine Unterrichtsanstalt von Ruf, die Domschule, welche der Consistorialrath Struensee leitete. Von hier hatte Rochow einen Schüler, Namens Julius Bruhns, lange Zeit hindurch als Musiker und Abschreiber bei sich gehabt; aber im August 1772 war letzterer Organist und Lehrer bei der Johanniskirche zu Halberstadt geworden. Jedoch als er von dem Todesfall in Rekahn hörte, bewarb er sich um die erledigte Stelle, indem er versprach, zur Ausführung der ihm be- kannten Absichten des Domherrn treulich mitzuwirken, und er wurde mit Freuden angenommen. Der Verstorbene hatte jährlich kaum 40 Thaler bezogen; der Domherr verwandelte die Stelle jetzt in ein Cantorat und gab dem neuen Lehrer eine Zulage von 140 Thalern, wo- für derselbe zugleich Organistendienste versehen sollte. Ferner erhielt er noch 4 Fuder Heu, das nöthige Brennholz und einen mit Bäumen besetzten Garten zur Benutzung. Ausserdem begann der Domherr den Bau eines neuen Schulhauses. In dem geräumigen und hellen Klassen- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 323 zimmer sollten auf einer erhöhten grünen Bank diejenigen sitzen, welche sich durch ihren Fleiss auszeichneten. Dem Gebäude beabsichtigte Rochow die herrliche Aufschrift: „Auch Schulen sind Tempel Gottes“ zu geben. Letzteres ist aber nicht geschehen, sondern der Spruch ge- wählt worden: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht.‘“') Von Bruhns aufmerksam gemacht, dachte Rochow ferner an ein Lesebuch, worin das Wichtigste und Wissenswürdigste für die Dorf- kinder in leichten und angenehmen Gleichnissen und Geschichten be- handelt würde. „Da wäre denn, schrieb er später, Leseübung, Sprach- und Erkenntnissübung zugleich; denn der Lehrer katechisirte eine jede Geschiehte mit den Kindern durch.“ Er verfasste nun selbst etwa 60 solcher Erzählungen und Gleichnisse und liess dieselben gegen Ostern des Jahres 1773 auf seine Kosten für seine Schüler unter dem Titel „Der Bauernfreund“ drucken. Er wollte sogar die Erwachsenen bilden und miethete deshalb einen invaliden Soldaten, welcher sonst bettelte und also gewohnt war zu wandern; dieser sollte die Geschichten, immer 15 in ein Heft gebunden — Rochow nannte sie Rhapsodien — im Kreise herumziehend den Leuten verkaufen und den Erlös für sich behalten, Der aufgeklärte Gutsherr wollte dadurch die Mordgeschichten, den ge- hörnten Siegfried und andere solche Büchelchen verdrängen.’) Ob der Invalide gute Geschäfte gemacht hat, wissen wir nicht; denn der Dom- herr spricht in seinen Briefen davon nicht weiter. Die guten Absichten, von denen Rochow in Bezug auf die Dorf- schulen geleitet wurde, befreundeten ihn mit dem das gleiche Ziel ver- folgenden Minister, und sie unterhielten seit dem Anfange des Jahres 1773 einen Briefwechsel. Gleich in seinem ersten Schreiben hatte Zedlitz den Domherrn ersucht, ihm einige Lehrer aus Sachsen zu ver- schaffen. Den Anlass zu dieser Bitte hatte der König gegeben. Diesem war von der Kurmärkischen Landschaft eine bei den Städtekassen übrig gebliebene Summe von 100 000 Thalern angeboten worden, und er ge- dachte das Geld, welches eigentlich die Provinz aufgebracht hatte, auch zu ihrem Besten anzuwenden, Er liess dasselbe für gemeinnützige Zwecke zu 4 pCt. anlegen, und die Zinsen im Betrage von 4000 Thalern wurden zur Besoldung von Dorfschullehrern bestimmt.?) Der König hielt die sächsischen Lehrer für besser als die einheimischen, und Zedlitz erbat die Mitwirkung Rochow’s, um solche zu erlangen; allein er ver- wundete dadurch das patriotische Herz des brandenburgischen Edel- ‘) Jonas 19. 20. 32. Büsching 289. 2) Jonas 52. 53. 40. 41. 3) Friedrich I. 9. Juni 1771 an den Minister v. Derschau bei Preuss Ill, 115 324 Jahres - Bericht manns. „Werden die Preussen, Märker, Schlesier u. s. w. geehrt und bezahlt (aber hieran hat es bisher gefehlt), so hoffe ich, schrieb er zurück, dass ein Ueberfluss von guten Schulleuten sich finden wird, und dass auch in dieser Gegend bald einige angestellt werden können.‘') Als Rochow im Februar nach Halberstadt reiste, fragte er den Con- sistorialrath Struensee, welchen er als Schulmann hochschätzte, ob er auch Dorfschullehrer bilden wollte, und dieser versprach es nicht nur, sondern er machte sogar Hoffnung, in Kurzem zehn brauchbare Männer liefern zu können. Uebrigens war Rochow mit der Summe, welche Friedrich der Grosse zur Besoldung der Schulmeister gegeben hatte, nicht zufrieden, sondern er wünschte, dass der König um eine Beihilfe von wenigstens 500 000 Thalern angegangen würde, wovon die eine Hälfte zum Bau von Schul- häusern, die Zinsen der anderen zur Besoldung der besseren Lehrer ge- nommen werden sollten. „Vielleicht gelingt es, schrieb er weiter, seinen alten Unterthanen, die doch so manches Lorbeerblatt ihm brechen halfen und unter seiner Anführung seinen Feinden so oft schrecklich wurden — vielleicht gelingt diesen treuen Landleuten ihre Bitte. Sie werden dann ihren königlichen Wohlthäter segnen und mit der Hoffnung sterben, dass wenigstens bei dem Leben ihrer Kinder mit mehr Einsicht auch mehr Glückseligkeit gepaart sein werde.“ Jedoch dieser kühne Wunsch er- füllte sich nicht; es blieb vielmehr bei den 100 000 Thalern. Der König bestimmte, dass die von ihm bezahlten Schulmeister ein festes Gehalt von 120 Thalern haben sollten, Haus, Acker, Holz und Küstereinnahmen ungerechnet; dafür aber müsste das Schulgeld aufhören, jeder Dorf- bewohner seine Kinder zur Schule schicken und die letzteren allen Lectionen beiwohnen. ?) Der Minister suchte nun die Ortschaften aus, wohin die neuen Lehrer geschickt werden sollten; er war der Meinung, dass die alten, die ihrer Thätigkeit enthoben würden, ihren festen Gehalt bis zum Tode fortbeziehen müssten. Aber Friedrich entschied anders, und wir wollen ihn hier in seiner deutschen Ausdrucksweise reden lassen: „Die Öhrter Seindt ganz gut ausgesucht; die schlechten Schuhlmeisters Seindt Schnei- ders die Meisten, und Müste Man Sehen, ob man Sie nicht in kleinen Stetten könnte Schneidern lassen, oder wie Man Sie Sonsten Unterbringet, !) Im Jahre 1774 gab es 1760 Schulmeister in der Kurmark. Von ihnen be- zogen jährlich 49 über 100 Thaler, 33: 100, 47:90, 64:80, 77: 70, 132: 60, 164 :50, 185:40, 250:30, 301 :20, 184 :10, 111:5 Thaler und darunter. Ohne Zweifel ist hier Wohnung, Garten und Schulgeld nicht mitgerechnet. Die Tabelle steht in Büsching’s Beschreibung seiner Reise nach Rekahn. 2) Zedlitz bei Jonas 44. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 338 damit die Schuhlen desto eher im guhten Stande kommen können, was eine Interessante Sache ist.‘ Von den Schulmeistern, welche Zedlitz bis zum Neujahr anzusetzen beabsichtigte, sollte einer nach Gettin kommen, einem Dorfe, welches ebenfalls dem Herrn v. Rochow gehörte. Dieser gab dem alten un- brauchbaren Küster einen Gmnadengehalt. Derselbe hatte jährlich 6 Scheffel 8 Metzen Roggen, 29 Brote, ein halbes Schock Eier und ausserdem noch 8 Thaler empfangen. Der ‚Werth der Lebensmittel wurde nun berechnet, das baare Geld dazugeschlagen und was zu 120 Thalern fehlte, von Berlin aus gezahlt. Der neue Lehrer bekam ebenfalls den Cantortitel. Weil aber das Schulhaus in Gettin äusserst schlecht, finster und enge war, miethete Rochow eine helle und ge- räumige Stube auf einem Bauergute, worin jener wohnen und unter- richten sollte, bis das Schulhaus, das er für das alte bauen wollte, fertig geworden wäre. Er hatte zwar gewünscht, dass Friedrich mehr für das niedere Schulwesen thun möchte; jedoch er war auch dankbar für das, was wirklich geschah, und als ein seltenes Phänomen erschien ihm ein Monarch, welcher den Abend seines Lebens durch den edelsten aller Entwürfe fast noch glänzender als seinen Mittag machen wollte.) Das Triumvirat Rochow, Rudolph, Bruhns arbeitete mit Eifer und Begeisterung weiter, und am 4. Januar 1775 konnte der Domherr an Felbiger schreiben: „Ich bin nach schwerer Mühe nun Gottlob mit der Einrichtung meiner neuen Schule zu Rekahn fertig. Ich bin ein oft- maliger Augenzeuge davon, dass diese Lehrart möglich und sehr nützlich ist; denn es ist schwer zu glauben, welche Veränderung seit wenigen Wochen unter den Kindern entstanden ist. Sie merken alle auf, gehen unbeschreiblich gern in die Schule und weinen ihren harten Eltern und Brotherrschaften so lange vor, bis sie es zugeben. Um einen Haupt- vorwand, die Kinder vom Unterrichte fern zu halten, mit der Wurzel auszuheben, liess Rochow nach einer vorbereitenden Predigt von der Kanzel verlesen, dass die Bewohner von Rekahn und Messdunk kein Schulgeld zu zahlen hätten. Die Ankündigung erregte die grösste Rührung unter den Leuten, und so wurde der Tag, wo dies geschah, einer der feierlichsten in dem Leben Rochow’s. Nur die Kindermädchen und Hirtenknaben in die Schule zu ziehen blieb schwer, da dieselben aus Armuth jung vermiethet wurden und nicht abkommen konnten.?) Felbiger durfte sich darüber nicht wundern. Mit allem Nachdruck erlangte man es kaum in seiner Gegend, dass die Dorfkinder im Winter !) Preuss, Friedrich der Grosse III, 115 ohne Datum. Zedlitz macht dieselbe Mittheilung am 26. December 1773 dem Herrn v. Rochow (Jonas 46). ?) Jonas 48. ®) Jonas 71. 79. 80. 326 Jahres-Bericht 8—10 Wochen in die Schule gingen, welche dann im Sommer das Meiste wieder vergassen. Wie freute sich dagegen der Ober-Consistorial- rath Büsching, als er auf die Einladung des Domherrn dessen drei Schulen im Juni 1775 besuchte, über die grosse Zahl der anwesenden Knaben und Mädchen. Noch mehr aber entzückte es ihn, zu finden, dass die Schüler nicht mechanisch auswendig lernten und herplapperten, sondern zum Nachdenken angeleitet würden. „ch habe diese Kinder selbst geprüft, schreibt er, und sie haben mir eben so gut als ihrem ordentlichen Lehrer geantwortet, zum deutlichen Beweise, dass ihr Ver- stand geübt und aufgekläret und nicht an Ausdrücke und Formeln ge- wöhnt war. Auf gute Gesinnung und Sitten wird hier in der Schule und Kirche so stark gesehen und gedrungen, dass die Wirkung davon merklich ist.“') In Krahne freilich, einem dritten Dorfe Rochow’s, war es anders. Hier unterrichtete noch ein Lehrer der früheren Art. „Er steckt voll Mystik, hatte Rochow vor anderthalb Jahren an Zedlitz ge- schrieben, ist alt und unverbesserlich. Aber er kann doch, obwohl mit dem widerwärtigsten Meissner Accente, lesen, schreiben und rechnen und war daher vor der Reformation ein Wunderkind unter den Küstern.‘‘?) Dieser liess ein Paar Mädchen nach alter Weise sich gegenübertreten, welche dann anfingen, einander den ganzen kleinen lutherischen Katechis- mus abzufragen; ihre Bemühung unterbrach aber der Consistorialrath. Hierauf nahm der Lehrer den zergliederten Katechismus in die Hand und löste nach Anleitung desselben ein Hauptstück in seine Bestand- theile auf. Büsching bezweifelte, dass die Kinder verständen, was sie hersagten. Mehr zufrieden war er mit der Erklärung einer Geschichte aus dem Lesebuche des Domherrn und mit dem herzlichen Tone, worin der Schulmeister mit den Kindern sprach; aber er wünschte, dass auch diese bald einen Lehrer bekommen möchten, wie ihn Rekahn und Gettin hatten.?) Daneben war Rochow weiter als pädagogischer Schriftsteller thätig. Sein Bauernfreund hatte 60 Geschichten enthalten und fand eine gute Aufnahme bei den Kennern; sie versicherten den Domherrn, dass er einige Talente zu der leichten, Erzählung besässe, Dadurch ward er bewogen, den Plan noch einmal zn überblicken. Er liess zwei Ge- schichten weg, die ihm nicht mehr genügten, und vermehrte die übrigen bis auf 100. Männer, wie Jerusalem, Basedow, Spalding, hatten ihm schriftlich ihren Beifall zu erkennen gegeben, und das Berliner Con- 1) Büsching, Beschreibung seiner Reise von Berlin über Potsdam nach iekahn, p. 294. 2) Jonas 42. ») Büsching 245. 246. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 3937 sistorium schien entschlossen, es zum allgemeinen Lesebuche zu machen. Da bot Rochow es am 17. März 1774 dem Verleger seines Schulbuchs, Nikolai, unentgeltlich an. Dafür sollte letzterer es um einen mässigen Preis verkaufen, so dass er ungefähr einen Groschen am Exemplar ver- diente, und zwei Zehntel des Reingewinns an die Rekahner Freischule abgeben. Damit der Buchhändler im Stande wäre, das zu leisten, sollte er bewirken, und Rochow wollte dazu mithelfen, dass es das allgemeine Lesebuch würde; es könne dann mit stehenden Lettern gedruckt werden und auch wohl der Kinderfreund heissen, weil es zum grössten Theil Kenntnisse brächte, die allen nützlich wären, und weil es den Schülern der städtischen Unterrichtsanstalten nicht schadete, wenn sie einiges über das platte Land erführen.') Wir besitzen leider Nikolai’s Antwort nicht; aber die Sache zog sich weit länger hin, als Rochow gedacht. Er verbesserte ferner sein Schulbuch, indem er vieles anders stellte oder mehr ausführte und manches hinzufügte, z. B. ein ganzes Kapitel von der mensch- lichen Seele. Am 4. Januar 1775 schrieb er dem Abt Felbiger, dass diese zweite Auflage zu Michaelis würde zu haben sein’); doch kam sie erst im Anfange des folgenden Jahres wirklich heraus.?) Dagegen war ein drittes Werk in Braunschweig unter dem Titel: „Stoff zum Denken über wichtige Angelegenheiten des Menschen“ 1775 er- schienen. Merkwürdig sind die Schicksale des Lesebuches. Das Manuseript sing schon 1774 bei den Räthen des Ober-Consistoriums herum, und ein jeder sagte schriftlich seine Meinung über dasselbe. Dann empfingen zwei Mitglieder des Collegiums, Teller und Büsching, den Auftrag, es nach .den abgegebenen Ansichten und nach ihrer eigenen nochmaligen !) Jonas 53. 2) Jonas 71; am 7. März 1775 bot er es dem Buchhändler Nikolai an. S. 86. GA. p. 90. ») Jonas 105. 106. 108. Welche beiden anderen Hauptstücke hinzugefügt wurden, kann ich nicht sagen, denn ich benutze die 3. Auflage, die mir allein zu Gebote stand, und zwar aus der Bibliothek des katholischen Schullehrer-Seminars in Breslau. Die Vorrede zur ersten Auflage ist hier auch abgedruckt, aber mit Zusätzen; denn es heisst a 6: „Ich habe in diesen Stücken vieles, was in der ersten Ausgabe war, verändert, vermehrt u. s. w.“ Und a5 lesen wir: „Als ich bis auf das Hauptstück von der Landwirthschaft die erste Ausgabe dieses Ver- suchs vollendet hatte u. s. w.“ Aus der letzten Stelle muss man, glaub’ ich, schliessen, dass das Hauptstück von der Landwirthschaft schon anfänglich da- war; sonst könnte man aus dem später zu erwähnenden Schriftstücke Rochow’s von 6. Mai 1776 (Jonas 11%) vermuthen, dass die Abschnitte über die Gesundheit und über die Landwirthschaft diejenigen wären, welche der Verfasser bei der zweiten Auflage nebst dem Kapitel von der Seele neu hinzugefügt hätte, 328 Jahres - Bericht Untersuchung zum öffentlichen Gebrauch einzurichten. Diese berath- schlagten mit einander, und als sie einig waren, nahm Büsching Aen- derungen vor. So kam das Manusceript an den Minister zurück und blieb bei ihm liegen. Am 9. April 1775 meldete Büsching dem Herrn v. Rochow: „‚Vorläufig kann ich sagen, dass das Buch mit Beifall und Vergnügen angenommen worden ist, und dass man dasselbige einzuführen beschlossen. „.. Man hat hin und wieder die Namen der sich unter- redenden Personen und den Ausdruck geändert, einige Artikel, insonder- heit Verse, weggelassen, einige neue anstatt derselben gemacht, auch zuweilen, wo die Absicht des Artikels nicht völlig erreicht zu sein schien, das Nöthige geändert.“ Büsching führt alsdann noch einige Gründe an, welche den Entschluss des Collegiums aufhielten. Zedlitz schickte später das Manuscript an einen dem ÖOber-Consistorium unbe- kannten Gelehrten; dieser schrieb eine weitläufige Beurtheilung desselben und sprach sich dahin aus, dass es zu einem allgemeinen Buche für alle Länder des Königs nicht hinlänglich sei, indem viel Nothwendiges fehle, dagegen manches unnöthig sei u. dergl. Der Minister eröffnete dem Verfasser im Anfange des Jahres 1776, dass er mit dem Lesebuch als mit seinem Eigenthum schalten möchte, und schickte ihm zugleich die Ausstellungen, welche gemacht worden waren, zur Benützung zu. Rochow liess nun das Manuseript mit dem Titel „Der Kinderfreund“ drucken und zwar, wie er an Nikolai schreibt, mit seinen beträcht- lichen Kosten, weil er einen den Armen käuflichen Preis erzwingen wollte, Das Buch hat eine sehr grosse Verbreitung gehabt. Die recht- mässigen vier Auflagen, welche Rochow erlebte, haben über 100 000 Exemplare geliefert, ausserdem sind 8—10 Nachdrucke bis zum Ende des Jahrhunderts erschienen, es ist zweimal ins Französische, ferner auch ins Schwedische, Dänische, Polnische, Illyrische übersetzt worden. ') Am 6. Mai 1776 hatte Rochow eine Unterredung mit seinen Lehrern; aber indem er dieselbe für nicht ausreichend hielt, gab er ihnen noch an demselben Tage mit der zweiten Auflage seines Schulbuches ein ge- drucktes Blatt, um ihnen seine Absichten ausführlicher darzustellen. Er setzte darin hauptsächlich ihnen auseinander, wie sie beten und wie sie den Religionsunterricht ertheilen sollten. Dann fuhr er fort: „Da ich nicht weiss, wie lange Gott in dieser Welt mein Leben fristen wird, so bezeuge noch nach meinem Tode dieses gedruckte Blatt, was meine eigentliche Absicht mit meinen Schulanstalten gewesen sei, — nämlich aus den Kindern nützliche Bürger der Erde und des Himmels zu machen, Sie werden, wenn Sie meinen Versuch eines Schulbuchs, den ich Ihnen hiermit überreiche, lesen und studiren, alles darin auf diese Zwecke ge- 1) Jonas 97. 101. 107. 102 Anmerk. a Di DU Po 220 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 329 stellt finden. Auch das unentbehrliche Kapitel von der Erhaltung der Gesundheit, sowie das von der Landwirthschaft als einem Beruf, wodurch Ihre Schularbeit erst eine sichtbare Realität erhält, ist in diesem Ge- schmack von mir mit grosser Sorgfalt und Absicht gearbeitet.“ Der- gleichen Materien behandeln zu sollen werde sie zwar anfänglich be- fremden, meint er, aber das werde schon besser werden, und er giebt ihnen wenigstens einige kleine Winke.') Rochow begegnete seinen Lehrern nicht nur in diesem gedruckten Blatte mit Achtung, sondern er that das überhaupt. ‚‚Er hat seinen Schulhaltern, schreibt Büsching, den Cantortitel beigelegt, er nennt einen jeden Sie, ziehet sie oft an seine Tafel, selbst alsdann, wenn er Gäste hat, und ehret sie überhaupt so sehr, als sie es wünschen können.‘ ?) Einige Tage nachher begab sich Rochow nach Dessau, um der Prüfung der Anstalt beizuwohnen, welche der von ihm hochgeschätzte Basedow dort eingerichtet hatte und Philantropinum nannte. Der Dom- herr war ein begeisterter Bewunderer dieses Pädagogen und fand überall nur Licht, wie der Bericht zeigt, welchen er darüber verfasste. Der Minister von Zedlitz dagegen, welcher die Anstalt auch aus eigener Anschauung kannte, war kein unbedinster Bewunderer. Er schätzte zwar ebenfalls Basedows Eifer und Redlichkeit und billigte dessen Prin- eipien. Er hatte mit Vergnügen wahrgenommen, dass die Schüler des- selben durch Fröhlichkeit, Lerneifer, Uebung der Körperkräfte, durch eine nicht gewöhnliche Fertigkeit im Latein und Rechnen vor anderen sich auszeichneten. Aber er meinte doch weiter, Basedow habe noch nicht gezeigt, ob die Methode, welche für Kinder passe, für Jünglinge sich ebenfalls eignen werde; er gehe wohl auch aus Hass gegen die ge- künstelten Sitten der feinen Welt zum andern Aeussersten über, und man könne das, was er thue, nicht in Öffentlichen Schulen ausführen, sondern nur in Erziehungsanstalten.°) Rochow’s Bericht über das Philantropinum wurde noch im Mai 1776 von Wieland im Teutschen Merkur abgedruckt. Eine Stelle möge daraus angeführt werden. „Man wählte für eine sokratische Uebung die so be- schrieene Materie von der Geburt des Menschen zum Gegenstand. Ein Gemälde zeigte den Kindern den Inhalt der Kupfertafel im Elementar- werk, wo die die ersten Wehen empfindende Frau von ihrem Manne ge- tröstet wird. Herr Wolke bereitete in einer anständigen Rede Kinder !) Jonas 110-115. ?) Beschreibung seiner Reise nach Reckahn 239. ®) In der Abhandlung: Consideration sur l’etat present des &coles publiques et sur la possibilit€ de les rendre plus analogues et plus utiles a la vie civile. Premier M&emoire, abgedruckt in den Nouveaux M&moires de l’Acad&emie Royale des sciences et belles-lettres. Annee 1777. 330 Jahres - Bericht und Zuhörer auf die nöthige Ernsthaftigkeit bei dieser Verhandlung. Als aber auf die Frage des Lehrers, warum dort auf dem Tische zweierlei (nämlich Knaben- und Mägdlein-) Mützen liegen, die kleine Emilie Basedow mit grosser Naivität antwortete: „Sie wissen ja nicht, was es sein wird‘, da lachte laut ein grosser Theil des Public. Aber Herr Wolke erhielt den guten Ton sogleich wieder, da er die Versammlung ohngefähr also anredete: „Ansehnliche Versammlung. Wir erwarten von Kindern kindische Antworten, aber nicht, dass Erwachsene sich wie Kinder be- tragen!“ und er setzte die Unterredung ungestört und mit allgemeinem Beifall fort. Nun trat Herr Basedow hervor und stellte die Wichtigkeit dieses Unterrichts und dieser Methode noch mehr ins Licht, wobei er sich aufs Zeugniss gegenwärtiger und abwesender Eltern dieser Kinder berief, die da bezeugten, dass, seitdem die Kinder ihre wahren Verhält- nisse zu den Eltern kennen gelernt, auch die Zärtlichkeit dieser Kinder gegen sie weit mehr zugenommen hätte.‘“') In der Anmerkung dankt Wieland dem edlen Menschenfreund, der auf sein Ansuchen diesen Bericht aufgesetzt hat, öffentlich aufs wärmste mit dem Zusatz: „lch bin gewiss, dass Niemand unter meinen Lesern ist, der die Verdienste des verehrungswürdigen Domherrn von Rochow nicht schon lange kennen und seinen Dank mit dem meinigen vereinigen sollte.‘ Der Weihrauch, welcher dem edlen Manne gestreut wurde, schläferte seine Thätigkeit nicht ein, sondern er suchte vielmehr seine Schulen noch immer mehr zu Musteranstalten zu machen. Wie aber wird es nach seinem Tode werden, da er keine Kinder hat? Werden die Erben dafür sorgen, dass auch künftighin gute Lehrer auf diesen Gütern unter- richten? Und solche waren doch nicht zu bekommen, wenn sie nicht einen ausreichenden Gehalt empfingen. Unter diesen Umständen musste es den Domherrn ungemein freuen, dass im Jahre 1775 dem Cantor in Rekahn und 1779 auch dem neuen Lehrer in Krahne das königliche Gehalt von 120 Thalern zugesprochen wurde. ‚Nun sind alle meine Schulen zu beständigen Zeiten Freischulen, schrieb er freudig am 22. April 1779 an Gleim, und die Hoffnung besserer Lehrer ist möglich. Zu der- selben Zeit überreichte Rochow dem Minister den zweiten Theil seines Lesebuches, zu dessen Ausarbeitung er sich entschlossen hatte, weil ihm der Umfang des ersten nicht den ganzen Zweck des Buches erschöpfte. Am Schlusse seines Schreibens gedachte er der Wiederkehr des Friedens, welchen der Congress von Teschen der ruheliebenden Menschheit schenkte, und er sprach nun den lebhaften Wunsch nach Errichtung eines eigent- lichen Volkslehrerseminars aus, ohne welches nichts Bleibendes und ı) Jonas 112. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 331 Zweckmässiges für den Nationalunterricht gewirkt werden könne. Neben diesem allgemeinen Gesichtspunkt hatte Rochow noch einen besonderen Grund. Die grosse Zahl derjenigen, welche kamen, seine Schulen kennen zu lernen, störten den ruhigen Fortgang des Unterrichts. Aber einen Besuch wünschte Rochow geradezu, den des befreundeten Ministers. ') Schon im Jahre 1773 hatte Zedlitz an ihn geschrieben, dass er in der Nachbarschaft kleine Reisen mache und die Dorfschulen in Augen- schein nehme. Er wollte dadurch sowohl dem gemeinen Manne die Wichtigkeit des Unterrichts darthun, als sich mit den Mängeln des Schulwesens bekannter machen, um dann den Spaldings und Tellers sagen zu können: das verbessert! Die Inspectoren sollten ferner die Visitation nicht mehr als unter ihrer Würde ansehen und die Ortspfarrer aufpassen lernen. „Könnte man alle Bierlümmels aus dem Chorrock peitschen, schrieb der Minister, so hätten wir gewiss bessere Schulen.‘ Im folgen- den Jahre besuchte Zedlitz Rekahn und setzte dann bei einer passenden Gelegenheit auch den König von dem, was er dort gesehen, in Kennt- niss, indem er zugleich bemerkte, dass die Eltern durch die Kinder eivili- sirter würden. Als Friedrich einwandte: ‚Das kann wohl in Rekalın geschehen“, da versicherte der Minister: „Allenthalben, wo nur jedes auf den Endzweck losarbeitet.‘“ Im October 1775 war Zedlitz mit dem Rundgange durch die nahen Dorfschulen fertig, und wenn er auch solche, wie in Rekahn, nicht ge- funden, so waren es doch keine gewöhnlichen; er hatte sich sowohl über die Kinder als über die Lehrer gefreut. Er ärgerte sich dagegen über die Prediger und Inspecetoren. Mit Verdruss vernahm er auch, dass in Brandenburg der Inspector wider die von dem Ober-Consistorialrath Teller aufgesetzte Instruetion für Lehrer und besonders wider den Artikel vom Religionsunterricht gewaltig eiferte und Kinder und Lehrer in der Kirche heruntermachte, wenn jene von Gmnadenwohl, Ergreifung des Verdienstes Jesu Christi und der Kreuzigung des alten Adam nichts wussten, Wir sehen, Zedlitz war nicht rechtgläubig; aber er wollte doch auch Niemand als Seminardireetor anstellen, welcher wie Bahrdt die Gottheit Christi leugnete. ‚‚Ich halte es für Pflicht, schrieb er einmal, das Fersenstechen des Aberglaubens nicht zu achten, wenn ich den Weg über die Schlange nehmen muss; allein wenn ich vorbeigehen und doch an Ort und Stelle kommen kann, warum soll ich da das Beest erst zischen machen; es ist ja doch eine Teufelsmusik.‘“ Er beschäftigte sich ‘) Jonas 95. 150. 154. 155. 207. In den ersten 10 Jahren kamen mehr als 1000 Personen nach Reckahn. Kehr, Gesch. des Schullehrer-Seminars in Halber- stadt p. 22. 332 Jahres - Bericht ferner damit, einige geographische Ideen in die Bauernköpfe zu bringen, und er kam auf den ganz richtigen Gedanken, die Kinder müssten zu- erst ihren Ort auf der Karte sehen. Er liess also auf einem halben Bogen die Gegend zwischen Schöneberg und Marzahn aufnehmen, wo einige der neuerrichteten Schulen lagen. Das Endziel sollte die Kennt- niss der Kurmark sein.') Im Jahre 1779 also bat Rochow diesen Minister, in Begleitung eines oder des andern Kenners seine Schulen zu besuchen und alle Lehrthemata selbst aufzugeben, das Mangelhafte zu bezeichnen. Der Domherr glaubte weiter, dass der Wohlstand seit 1773 zugenommen habe, dagegen Dieb- stahl, Zank, Aberglauben und Unzucht unter den Alten allmählich viel weniger geworden sei. „Diese und ähnliche Erfahrungen mehr, schrieb er, haben uns denn an der Güte unserer Lehrart bisher nicht zweifeln lassen. Wenn aber dennoch aus menschlicher Uebersicht hier in der Lehre und Lehrart etwas gefehlt würde, so wollen wir die Hand küssen, die uns zurecht weiset, da uns überhaupt weiser Tadel lieber sein muss, als zweckloses Lob.“ Der Minister kam sehr bald und stellte dann dem Domherrn folgen- des Zeugniss aus: „lch habe in diesen Tagen die von Rochow’schen Landschulen abermals besucht und neue Ursachen gefunden, damit zu- frieden zu sein und zu bemerken, dass der wichtige Unterschied zwischen Theologie und Religion beobachtet, und nicht sowohl auf Vielwisserei und Auswendiglernen, sondern darauf gehalten wird, dass den Kindern alles und jedes deutlich gemacht und das, was ihnen undeutlich ist, nicht durch Metaphern, durch Substituirung anderer ihnen ebenso undeutlich seiender Ausdrücke oder bilderliche Ausdrücke, sondern durch Begriffe, die ihnen schon bekannt sind, erklärt und überhaupt Gelegenheit gezeigt wird, das ihnen Vorgetragene in ihrem Leben anzuwenden, welches denn wohl der einzige wahre Weg ist, die Absicht aller Pädagogik, nämlich bessere und fürs thätige Leben brauchbarere Menschen zu bilden, zu er- reichen.“ Einige Tage nach seiner Rückkehr liess der Minister den Ober-Consistorialrath Dietrich zur Tafel bitten und bezeigte demselben bei dieser Gelegenheit seine grosse Freude über alles das Vortreffliche, welches er in Rochows Anstalten gefunden. ?) Um aber dem Elementarschulwesen noch näher zu treten, beschloss der Minister, eine von den Berliner Armenschulen, die in seiner Nähe lag, in besondere Obhut zu nehmen und zu einer Musterschule zu machen. Er besorgte sich einen Lehrer und schiekte denselben zunächst auf einige Zeit zur weiteren Ausbildung nach Rekahn, miethete seinem Hause I) Zedlitz an Rochow bei Jonas 47. 74. 92. 93. 174. 2) Jonas 158. 161. 164. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 333 schräg gegenüber eine Wohnung für ihn, kaufte Möbeln und wies ihm 120 Thaler Gehalt an. Das Armendireetorium machte freilich Augen, dass ein Lehrer solcher Kinder jährlich so viel Geld erhalten sollte.') Am 5. September 1779 hatte Zedlitz eine Unterredung mit dem Könige ?), wobei dieser auch über die Schulen auf dem Lande seine Meinung aussprach. Er steckte denselben ein kürzeres Ziel als der Minister. Er verlangte vor Allem einen guten Unterricht in der Religion und Moral, damit die Leute nicht zur katholischen Kirche übergehen, — denn die evangelische sei weit besser, — und damit sie nicht stehlen und morden. An Diebereien freilich werde es nicht fehlen, meinte der König weiter; das liege nun einmal in der menschlichen Natur. Ausser- dem hielt es Friedrich für ausreichend, dass die Dorfkinder etwas lesen und schreiben lernten; denn wenn sie zu viel wüssten, so liefen sie in die Städte und wollten Secretäre und dergl. werden.°) Wir sehen, der König ist äusserst bescheiden in seinen Ansprüchen an die Dorfschulen und Zedlitz wird hiervon nicht sehr erbaut gewesen sein. Noch mehr musste ibn ein Vorschlag betrüben, welchen der Geheime Rath von Brenkenhof im Sommer 1779 dem Könige gemacht hatte, und welchen dieser gut hiess, nämlich die Invaliden als Schulmeister zu versorgen. „Fast muss ich auf die Aufnahme der Landschulen ganz Verzicht thun, schrieb Zedlitz am 26. Mai 1781 an Rochow; der König bleibt bei dieser Idee. Er vermengt die Billiskeit, verdiente Leute zu belohnen, mit der Pflicht, brauchbare Menschen zu bilden. Ich habe selbst in einzelnen Fällen mit meinen Vorstellungen nichts ausrichten können.‘) Im Juni 1786 hatte Rochow Aussicht, Decan in Halberstadt zu werden; aber ein katholischer Domeapitular, der ihm oftmals seine Stimme zugesichert, nahm zwei Stunden vor der Wahl sein Wort zurück und zwar, wie er selber sagte, wegen des Eifers, welchen Rochow in Schul- sachen hätte, und der Wärme, womit er dergleichen Pläne dnrchsetzte, Zedlitz bedauerte das sehr. „Welch schönes goldenes Bild hatte ich mir nicht schon entworfen, wenn Sie das Decanat in Halberstadt er- halten hätten! Wie sollte da das Volkslehrer-Seminarium zustande — und so viel Licht aus Halberstadt kommen !“ ®) Nicht lange nacher starb der grosse Friedrich. Auf den ungläubigen König folgte jetzt ein gläubiger. Zedlitz musste seinen Platz verlassen, und der Briefwechsel mit Rochow endete. Es kamen Zeiten, welche ') Jonas 166. 179. 180. ?) Er erwartete dieselbe schon im Juni, wie er am 19. an Rochow schreibt (p. 162). 3) Deuvres XXVII, 3. 256. *) Jonas 174. 191. °) Jonas 202, 334 Jahres-Bericht dem letzteren kein Vergnügen bereiteten; um so mehr freute den Patrioten das musterhafte Privatleben des Kronprinzen, das alles Vortreffliche hoffen liesse. So schrieb Rochow selbst an letzteren im November 1796, als er ihm eine kleine Schrift von sich mit der Absicht überschickte, die darin ausgesprochenen Ideen wie eine Art von moralischem Testament in die edelsten Hände niederzulegen. Als er nach wenigen Tagen eine überaus gnädige Antwort vom Kronprinzeu empfing, schwamm seine Seele in einem Meere von Entzücken. „Gott walte über die Gesundheit dieses so grosse Erwartungen Erregenden, schrieb er an Nicolai. Wie werden ihm und dem weiblichen Engel, der ihn durch das Leben be- gleitet, einst alle Herzen willig huldigen! Nun sterbe ich froh. Meine Vaterlandsliebe blickt in eine glänzende Zukunft. Nein, diese Seele wird keine Schmeichelei vergiften. Sie liebt freimüthige Wahrheit! Ach, warum bin ich schon alt. Aber ich beschwöre Euch, ihr Freunde des Guten, dass ihr ihn auf jede Art schützt, wo ihm Gefahr drohen könnte,“ ') Rochow erlebte noch die Anfänge der Regierung Friedrich Wilhelms Ill. Am 28. Februar 1800 schrieb er an den König: „Wenn durch den Sieg des grossen Kurfürsten bei Fehrbellin der Grund zu Preussens nach- heriger Grösse gelegt wurde, diesen Sieg aber unter allerhöchster An- führung Landeskinder erfochten, so kann ein Öffentliches Denkmal dieses Sieges den Patriotismus der Nation zu erhöhen dienen.“ Rochow bat nun den König, dass er ihm durch die kurmärkische Kammer auf der Höhe des Amtes Linum am Wege nach Fehrbellin einen Platz von zwei Quadratruten allergnädigst anweisen lasse. Die Arbeit sollte dann so- gleich beginnen, und er hatte die Absicht, 1000 Thaler für diesen Zweck niederzulegen, damit auch sein Tod hierin nichts ändern könnte. Die Materialien für das 13—14 Fuss hohe Denkmal sollten vaterländisch sein, der Untersatz aus einem Stück Rothenburger Steins und die Urne aus einem Stück märkischen, festen, grauen, granitähnlichen Feldsteins bestehen; vier eiserne Dreipfünder sollten zur Sicherheit der vier Ecken dienen. „Bei der Wahl solcher Materialien hoffe ich, schrieb er, dem Denkmal die Dauer versprechen zu dürfen, welche jeder Patriot und ich Preussens Throne wünscht.‘‘?) Wie würde dieser Mann gelitten haben, wenn er die Schlacht von Jena und den Frieden von Tilsit erlebt hätte! Jedoch er ging vorher, am 16. Mai 1805, in die Gefilde der Seligen. Er war nicht rechtgläubig, aber fromm im edlen Sinne des Wortes. Und der echte Geschichts- schreiber frägt seine Lieblinge nicht nach ihrem Katechismus, sondern wenn sie rechtschaffen gelebt, dem Vaterlande treu gedient und der ı) Jonas 242 —244. ?) Jonas 257. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. .335 Menschheit nützliche Dienste geleistet haben, dann flicht er freudig und gerührten Herzens um das Haupt der längst Verblichenen den immer- grünen Kranz der irdischen Unsterblichkeit. Am 15. October behandelte der Secretair die Reform des Breslauer Matthiasgymnasiums unter Friedrich dem Gr. Am 29. October hielt Herr Prof. Dr. Grünhagen einen Vortrag über Schlesien unter Kaiser Matthias. Am 12. November sprach Herr Prof. Dr. Schäfer über die mittelalterlichen deutschen Niederlassungen auf Schonen. Am 26. November las Herr Postkassirer Schück über die Erbeutung des Reisewagens Napoleons bei Genoppe. Am 10. December hielt der Seceretair einen Vortrag über eine wichtige Unterredung Friedrichs des Grossen mit dem Unter- richtsminister von Zedlitz und deren Folgen. 336 Jahres-Bericht SZIILE: Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und Gartenbau in den Jahren 1884 und 1885 von Stadtrath E. H. Müller, Secretair der Section bis 1884, und Garten-Inspector B, Stein, z. Z. Secretair der Section. In der sonst so regen Thätigkeit der Section für Obst- und Garten- bau trat im Jahre 1884 eine wesentliche Unterbrechung ein dureh die anhaltende Kränklichkeit unseres hochverdienten, langjährigen Secretairs, Herrn Stadtrath E.H. Müller. Da auch gleichzeitig der stellvertretende Secretair, Herr Kaufmann Kramer, verhindert war die Leitung der sonst regelmässig alle 14 Tage stattfindenden Sitzungen zu übernehmen, so erniedrigte sich die Zahl der Sitzungen im Jahre 1884 auf 8, deren letzte am 10. December 1834 stattfand. Die erste Sitzung im Jahre 1885 wurde dann am 21. Mai 1885 im Auftrage des Präsidiums der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur von Herrn Professor Dr. Ferd. Cohn abgehalten, welcher den Anwesenden die Mittheilung machte, dass Herr Stadtrath E.H. Müller durch andauernde Kränklichkeit sich veranlasst gesehen habe, sein Amt in die Hände des Präsidiums niederzulegen. Bevor zu einer Neuwahl geschritten wurde, drückte Herr Prof. Dr. Ferd. Cohn als Commissarius des Präsidiums und im Namen der Section die lebhafte Anerkennung der Verdienste aus, welche der zurücktretende Secretair im Laufe von . 37 Jahren, als einer der Gründer der Section für Obst- und Gartenbau, dann als zweiter und seit 1864 als erster Seceretair sich um die Section, wie um die Förderung von Obst- und Gartenbau in Schlesien erworben habe. Herr Professor Ferd. Cohn beantragt daher in einer reich aus- sestatteten Adresse Herrn Stadtrath E. H. Müller den Dank der Section a UL UL LA UL 22 du 22 2 der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 337 für seine langjährige Arbeit und ihr Bedauern seines Rücktrittes wegen auszusprechen, welcher Antrag einstimmig angenommen wurde. Die Abfassung der Adresse wurde den Herren Prof. Ferd. Cohn und Königl. Garteninspector B. Stein übertragen, welche gemeinsam mit Herrn Juwelier Herrmann und Herrn Öbergärtner Schütze auch die feierliche Ueberreichung der Adresse an den scheidenden Secretair übernahmen. Hiernach wurde im Auftrage des Präsidiums die Wahl eines neuen Secretairs durch Stimmzettel vorgenommen. Die Wahl fiel auf den Königl. Garteninspector Herrn Berthold Stein, welcher die Wahl als erster Secretair der Section dankend annahm, indem er auf den eigen- thümliehen Zufall hinwies, dass zum ersten Male seit dem Bestehen der Section für Obst- und Gartenbau das Secretariat der Section einem Berufsgärtner übertragen werde, Im Jahre 1885 hielt die Section für Obst- und Gartenbau dann noch sechs Sitzungen. Die Samenvertheilung an die Mitglieder, welche im Jahre 1884 gänzlich ausgefallen war, konnte auch 1835 noch nicht in der gewünschten Regelmässigkeit wieder vollzogen werden. Es wurden 1885 zwar an 32 Mitglieder über 6000 Portionen Samen ver- theilt, aber leider waren die Samen mehrerer Neuheiten nicht in ge- nügender Menge vorhanden, um allen Wünschen gerecht werden zu können, Von jetzt an sollen die Samenofferten möglichst im December-Januar den Mitgliedern zugehen, um eine rechtzeitige Vertheilung zu ermög- lichen. Dabei sei an dieser Stelle den Mitgliedern das Ersuchen nahe- gelegt, die an den Secretair zurückgehenden Samen-Wunschlisten mit dem vollen Namen des Absenders zu bezeichnen. Es mussten bei der letzten Vertheilung drei Listen unerledigt bleiben, auf welchen jede Notiz eines Absenders fehlte und bei denen auch der Poststempel keinen Aufschluss über den Absender gab. Die Betheiligung an den Sitzungen war eine steigende, mitunter eine sehr bedeutende. In der am 13. Februar stattgehabten ersten Sitzung des Jahres 1884 wurde zunächst der Generalbericht über die Thätigkeit der Section im vorangegangenen Jahre an das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft bekannt gegeben; ebenso ein Schreiben hiesigen Königlichen Regierungs-Präsidii, begleitet von einem Auszuge aus der Schrift des Director Goethe in Geisenheim über die den Aepfelbäumen so überaus schädliche Blattlaus (Schizoneura (Aphis) lanigera Hausm.) und der gegen dieses Insect seither mit Erfolg angewendeten Mittel, um dessen Auf- treten nach Möglichkeit zu steuern. Hierauf hielt Herr Prof. Dr. Ferd. 1885. 22 338 Jahres - Bericht Cohn einen längeren Vortrag: „Ueber künstlerische Verwendung der Pflanzen.“ Behufs weiterer Verbreitung des erwähnten belehrenden Auszuges, lassen wir die Goethe’sche Notiz hier folgen und geben im Anhange den gehaltenen Vortrag des Herrn Professor Dr. Ferd. Cohn vollständig. Auszug: „Als der rheinische Monograph der Pflanzenläuse, Kaltenbach zu Aachen, seine treffliche Monographie dieser Insecten (Monographie der Familien der Pflanzenläuse (Phytophtires), Aachen, Norschütz 1843 mit 1 lith. Tafel) verfasste, war die Blutlaus im Rhein- land noch so wenig verbreitet, dass dieser gewiegte und eifrige Forscher sie nur einmal auffand. In Westfalen dagegen erschien sie damals schon so massenhaft, dass sie vielfach ihre nachtheilige Einwirkung auf die Cultur des Apfelbaumes bemerkbar machte. Seit jener Zeit hat sich das Insect sowohl in Westfalen als im Rheinlande immer mehr verbreitet und ist es gewiss an der Zeit, dem immer mehr um sich greifenden Uebel energisch Einhalt zu thun. Es findet sich kaum irgendwo in Westfalen eine Apfeleultur, in welcher sich das Thier nicht angesiedelt hätte; Garten- und Chausseebäume sind in gleicher Weise davon be- fallen und vor allem sind es die Baumschulen, welche zur Verbreitung mitwirken und das Thier in Gegenden übertragen, die vielleicht bis da- hin noch frei blieben.“ Die zweite Sitzung, 12. März, eröffnete der Secretair mit der Vorlegung der von Herrn Riedel in Löwenberg eingesandten „Flora von Löwenberg in Schlesien“, welche den um die schlesische Flora sehr verdienten Herrn Cantor Dressler in Löwenberg zum Verfasser hat. Ein zur Berathung kommendes Cireular des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Königl. preussischen Staaten, in welchem vor der Anlage kleiner Baumschulen gewarnt wird, ausserdem der Wunsch aus- gesprochen wird, Wege-Baumeister und Chaussee-Wärter mit der Obst- baumpflege vertraut zu machen und für jeden Regierungsbezirk mindestens einen Wandergärtner anzustellen, sowie auf die Bildung von Genossen- schaften zur Obstverwerthung hinzuwirken, findet allgemeine Zustimmung. Auf Antrag des Seeretairs wird beschlossen für die Bibliothek zu erwerben: 1) Heinr. Semler, die Hebung der Obstverwerthung und des Obstbaues, 2) das Verzeichniss der in den ersten 30 Bänden der „Ulustration hortieole‘“ beschriebenen Pflanzen, 3) Reblaus und Wein- Wurzelpilz von Theod. Peyl und 4) Herm, Goethe, die Wurzellaus des Birnbaumes,. In der dritten Sitzung, 26. April, wurde die 59. Lieferung des Arnoldi’schen Obsteabinetes vorgelegt und sprach Herr Oberstabsarzt Dr. Schröter über Pilze und Pilzeulturen in Japan, welchen interessanten Vortrag wir im Anhange wörtlich wiedergeben, | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 339 Am 14. Mai, in der vierten Sitzung, referirte der Secretair über die beabsichtigte Sommerausstellung des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Berlin gelegentlich des 62. Stiftungsfestes, über den Verein deutscher Rosenfreunde und den Jahresbericht des Gartenbauvereins zu Sprottau. Den Freunden des Obstbaues empfahl der Secretair einen vom Kais. Baumgärtner Otto Nattermüller in Worbis herausgegebenen, im Buchhandel für den geringen Preis von 1 Mark in elegantem Lein- wandband zu habenden „vollständigen Kalender der Obsteultur“, in welchem 96 Seiten starkem Büchlein alle bei der Obsteultur vor- kommenden Arbeiten in der Reihenfolge, wie sie zum Gedeihen des Obstbaues alljährlich ausgeführt werden müssen, kurz, übersichtlich und für Jedermann verständlich beschrieben sind. Ebenso: Das soeben erschienene von A. Brotler in Strassburg i. E. herausgegebene Werkchen „Tafeln für den Obstbau“, welches ihm von dem Verfasser desselben zur Beurtheilung zugesendet wurde. Das- selbe enthält auf 3 Tafeln die landwirthschaftliche Obsteultur auf dem Felde und auf 5 Tafeln den Obstbau im Garten mit besonderer Rücksicht auf den kleinen Eigenthümer nebst einleitenden Bemerkungen über Bau und Wachsthum der Bäume und über Boden und Dünger. Nach dem Urtheile Sachverständiger, welchen ich das Werkchen zur Begutachtung vorlegte, ist der mit diesen Tafeln von dem Verfasser nach seiner Angabe gemachte Versuch, die wichtigsten Regeln der Obst- eultur kurz gefasst in einer übersichtlichen, Jedermann zugänglichen Form zusammen zu stellen, ein durchweg gelungener zu nennen. Die auf den Tafeln gegebenen Darstellungen der Anzucht, Pflanzung, Fort- bildung und Pflege etc. der Bäume sind äusserst correct und sowie der denselben beigedruckte Text höchst instructiv, Letzterer ohne alles nicht durchaus zu wissen Nöthige ausschliessend in leicht fasslicher meister- hafter Kürze und Sprache geschrieben. Die einzelnen Tafeln, deren jede einen getrennten Abschnitt für sich erschöpfend behandelt, schliessen ihrem Gehalte nach sich genau der Reihenfolge der in Wirklichkeit vorzunehmenden Arbeiten an. Das Werkchen kostet nur 3 Mark und bietet dem Laien das für den Anfänger in der Obstbaumeultur un- umgänglich Wissenswerthe, wird aber auch zugleich für gründliche Unterweisung als Leitfaden zu erfolgreichem Studium der Fachliteratur dienen. Herr Apotheker Seholtz in Jutroschin berichtete, dass dort in den ersten Februartagen bereits Helleborus viridis, Alnus und Hepatica blühten. Herr Lehrer Hiller-Brieg klagte über in seinem Garten massen- haft auftretende, ihm bedeutenden Schaden zufügende weisse Schnecken und schreibt dies, wohl in gerechtfertigter Weise, auf seinem Nachbar- 22* 340 . Jahres - Bericht grundstück lagernden Pferdedung zu, in welchem die Thiere ihre Fort- pflanzung leicht finden möchten. — Die Herren Teicher aus Striegau gaben Bericht zur Cultur der Ranunkeln. — Herr Kunst- und Handels- gärtner Pfeiffer in Sprottau hatte als Vorsitzender des dortigen Garten- bauvereins einen Auszug des I. Jahresberichts pro 1883 eingesandt. Vor Schluss der Sitzung legte der Secretair noch vor den Nachweis des Gärtners Jettinger über den Ab- und Zugang von Baumschul- Artikeln in dem Garten der Section im Jahre 1883. Nach demselben wurden im Jahre 1883 verkauft: Wildlinge (Quitten) 2856 Stück und Edelreiser 160 Stück. Edelobstbäume. Beerenobst, Sträucher u. Wein. Acpfelz:, au. nur 989 Stück, Johannisbeeren..... 124 Stück, BUBEN! ia. 786 = Stachelbeeren...... £. 3BL.0E Kirschen. .n...£0. 486 = Himbeeren ........ 1870 = Böaumen.. :. +..2;. 223 us Brombeeren ....... 3 un Pürsicheir. 3 .0...0u% 63;,.r Erdbeeren......... 1000 = Wallnüsse......... 24 = Weinreben........ 110;;72 | 2571 Stück. | 3508 Stück. Spargelpflanzen 3520 Stück, Ribes aureum 100 Stück. Rosa pomifera und hybrid. 139 Stück. Diverse Zierbäume und Sträucher 437 Stück. In der fünften Sitzung, 18. Juni, legte der Secretair den Kassen- abschluss pro 1883 zur Kenntnissnahme vor und berichtete über die Samenvertheilung. Es wurden von 308 Blumen- und Gemüse- Sorten 3470 Portionen vertheilt. Zur Vorlesung gelangten die im Anhang wiedergegebenen Aufsätze: Ein Privatgarten vor 55 Jahren von Kunstgärtner F, W. Schlegel in Grafenort und: Einiges über neuere und neueste Decorations- pflanzen von Gartendirector H. Gireoud in Sagan. Am 6. Juli 1884 fand die erste Wanderversammlung schlesischer Gärtner statt und war als deren Ziel Proskau gewählt worden. Die Anregung zu diesen nunmehr jährlich stattfindenden Wander- versammlungen war von Herrn Garteninspector Stein ausgegangen und hatte nicht nur in der Section und im Centralverein allgemeinen Beifall ‘ gefunden, sondern war durch die ganze Provinz sympatisch aufgenommen worden, so dass mit den Morgenzügen der oberschlesischen Eisenbahn an zweihundert Theilnehmer in Oppeln sich zusammenfanden. In langer Reihe von Equipagen und Leiterwagen bewegte sich der stattliche Zug, der fast alle hervorragenden Gärtner Schlesiens umschloss, im thau- frischen Morgen den prächtige landschaftliche Bilder und Fernsichten der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 341 bietenden Weg nach Proskau. Auf dem sogenannten Musenhaine, dem höchstgelegenen Punkte der Umgebung Proskaus und gleichzeitig der Nordgrenze des Königl. pomologischen Instituts empfing Herr Oekonomie- rath Stoll an der Spitze des Lehrereollegiums und der Zöglinge der Anstalt die Gäste mit herzlichen Worten des Willkomms und des Dankes, dass grade Proskau als Ziel der ersten Wanderversammlung schlesischer Gärtner gewählt worden sei. Gleichzeitig gab der Herr Director eine kurze Uebersicht über die Entwickelung des pomologischen Instituts, dessen Leitung seit 1869 in seinen Händen ruht, sowie des gegenwärtigen Zustandes desselben. Herr Garteninspeetor Stein antwortete im Namen der Gäste, dass die Bildungsstätte so vieler angehender Gärtner einmal selbst kennen zu lernen offenbar der Hauptgrund der so zahlreichen Betheiligung an diesem Ausfluge gewesen sei. Nach eingenommenem frugalem Frühstück, während dessen der Blick über die Waldmassen Proskaus, die Vorberge des Gesenkes bis zu den blauen Höhen des Altvaters und Glatzer Gebirges schweift, theilte sich die Festversammlung in 3 Sectionen, welche unter liebenswürdiger Führung des Herrn Oekonomierath Stoll und der Herren Öbergärtner Göschke und Kotelmann, sowie unter Assistenz der älteren Eleven, die Gebäude, Gewächshäuser, Sammlungen, Baumschulen, Versuchsgärten und Parkanlagen des Instituts in genauen Augenschein nahmen. Proskau hatte eine derartige, durch eigene Sachkenntniss zur Kritik berechtigte Versammlung noch nicht beherbergt und es spricht für die gute Leitung des Instituts, dass diese fachmännischen Augen überall nur Grund zur Anerkennung, nirgends zum Tadel fanden. In fast vierstündigem Rund- gange wurde die eingehendste Controle ausgeübt, dann aber mahnte die voll herabbrennende Sonne, dass nach diesen Genüssen des Auges und des Geistes auch der Körper seine Erholung verlange und die Anwesenden versammelten sich in Schmikale’s Hötel zu einem einfachen, gemeinsamen Mittagsmahle. Die beabsichtigten Vorträge mussten der weit vorge- schrittenen Zeit wegen fortgelassen resp. auf kurze Demonstrationen der mitgebrachten Gegenstände beschränkt werden. Dafür traten die Tisch- reden in ihr Recht, deren Reihe Herr Oekonomierath Stoll mit einer herzlichen Begrüssung der Gäste eröffnete. Herr Garteninspector Stein dankte und betonte dabei seine Freude, dass es gelungen sei, so viel liebe Fachgenossen zu vereinigen und dass dieser Tag eine anerkennende Ovation für das pomologische Institut geworden sei. Redner hob hervor, dass er eigentlich einen botanischen Vortrag habe halten wollen, dass er bei der Kürze der Zeit der Versammlung aber nur ein botanisches Object zeigen wolle, eine neue Saxifraga-Hybride ($. gemmifera et tenella), welche er dem Director Stoll zu Ehren Saxifraga Stolleana taufe. Mit der Ueberreichung des interessanten Pflänzchens an den Gefeierten ver- 542 Jahres - Bericht band sich das einstimmig wiederhallende Hoch auf denselben. Herr Oekonomierath Stoll dankte in warmen Worten und brachte ein Hoch auf Herrn Garteninspeetor Stein aus. Herr Öbergärtner Schütze toastirte auf Herrn Dr. Sohrauer, Herr Oekonomierath Stoll auf den Alterspräsidenten Herrn Stadtrath Müller. Herr Garteninspector Stein erinnerte in vom Herzen kommenden Worten an den unermüdlichen Förderer des Gartenbaues und steten Befürworter der Interessen des Gartens, den uns leider entrissenen Göppert. Herr Dr. Sohrauer brachte sein Glas der practischen Gärtnerei, besonders Herrn Obergärtner Schütze und Herr Stadtrath Müller dankte für die ihm erwiesene Ehre. Damit schlossen die officiellen Toaste und in lebhafter Unter- haltung verflog die kurze zugemessene Zeit. Ausgestellt waren von Herrn Obergärtner Schütze eine Colleetion seltener und schöner Orchideen, von Herrn Garteninspector Stein: Azolla caroliniana, Orobanchen auf Pelargonium zonale und der wunderschöne Calochortus venustus, von Herrn Landwirthschaftslehrer Hannemann die interessante Aldrovandia vesiculosa — von Stein 1868 bei Proskau ent- deckt — deren reizbare Blätter gleich denen von Dionaea bei der Be- rührung zusammenschlagen, sowie Uiricularia und andere um Proskau wildwachsende Wasserpflanzen. Gegen '/),6 Uhr mussten die Wagen zur Rückkehr bestiegen werden. Die vorzüglich gelungene Excursion hat allen Theilnehmern eine angenehme Erinnerung hinterlassen und dem pomologischen Institut Proskau viel neue Freunde erworben. In der sechsten Sitzung, am 29. October 1884, wurde zur Kenntniss gebracht: 1. ein Schreiben des Herrn Oberpräsidenten von Seydewitz nebst dem demselben beigelegt gewesenen Exemplar der unlängst ver- öffentlichten Schrift des Direetor Göthe von der Königl. Lehranstalt für Obst- und Weinbau zu Geisenheim a. Rh. über das Veredeln der Reben zum Schutz gegen die Phylloxera vastalriz; 2. das Dankschreiben der Königl. Regierung zu Liegnitz für den der- selben übersandten Jahresbericht der Section pro 1883; 3. die Mittheilung des landwirthschaftlichen Centralvereins für Schle- sien von der durch denselben geschehenen Anstellung des Wander- Lehrgärtners Siegert behufs Verbreitung und Belehrung über den Obstbau; 4, eine kleine Schrift von Dr. Emil Kalender zu Cöln zur Be- schreibung und Erläuterung des Reynold’schen Apparats zum Ab- dampfen von Obst, Gemüse und Hopfen, dessen Construction und grossen Vorzüge; | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 343 5. eine Abbildung der Früchte und Hopfendarre von Eugen Ritter in Ehrenfeld bei Cöln a. Rh.; 6. Benachrichtigung von F. W. Schabert i. F. Voigt & Schabert, z. Z. Schriftführer des Vorstandes des Gartenbau-Vereins für Ham- burg, Altona und Umgegend, dass derselbe bereit sei, für aus- schliesslich in Deutchland conservirte Obstfrüchte eine Centralstelle zu deren kaufmännischem Vertriebe zu errichten, Vorgelesen wurde ein Artikel: Ein gutes Wort für unsere einheimischen Orchideen von Herrn Lehrer Zimmermann in Striegau unter Vorlegung der demselben beigegebenen, ganz vorzüglich sorgsam getrockneten, besonders zur Cultur empfohlenen Species. Ferner legte der Secretair noch vor: Birnbaumblätter von Herrn Sig. Hirschel in Glogau, welche mit ungewöhnlich grossen Pusteln des Birnenrostes (Roestelia cancellata) besetzt waren, In der siebenten Sitzung, am 26. November 1884, theilte der Königl. Garten-Inspector Herr B. Stein mit, dass der hiesige Central- Verein für Gärtner und Gartenfreunde mit Beistand der Section eine Gärtner-Fortbildungsschule zu errichten beabsichtige. Ferner dass Herr Stein vom 1, Januar 1885 ab die Redaction der Gartenflora — welche Herr Staatsrath Dr. v. Regel seit 30 Jahren innegehabt — übernommen habe. Auch wurde ein von Stein verfasster ehrender Nachruf für den in diesem Jahre verstorbenen Director des hiesigen botanischen Gartens, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Göppert verlesen (siehe Anhang), ebenso zwei Einsendungen des Apothekers Herrn Scholtz in Jutroschin über Vertilgung der Flechten an Frucht- bäumen und Sträuchern und wie vertreibt man die weisse Schildlaus der Rose? Am 10. December 1884 fand die achte Sitzung statt und wurde unter anderem vorgelegt ein Programm der am 11. April 1835 u. f. T. durch den Gartenbau-Verein für Unter-Elsass zu Strassburg i. E. ver- anstalteten Ausstellung, bei welcher auch Preise für Herrschaftsgärtner, die lange in derselben Stellung sind, vertheilt wurde. Hieran knüpfte sich eine Besprechung über die Gratisvertheilung von Sämereien empfehlenswerther Gemüse und Zierpflanzen zum Versuchsanbau in nächstem Frühjahr für Mitglieder der Section und wurde dem $ecretair vollständig freie Hand gelassen, dies ausserordentlich mühsame und zeit- raubende Geschäft nach alleinigem Ermessen zu bewirken, Vorgelesen wurde der von Hofgärtner Peucker-Rauden O/8. ver- fasste und eingesandte Artikel: „Einige Bemerkungen über das 344 Jahres-Bericht Rasenlegen“ und von Apotheker Scholtz-Jutroschin: „Der Quintscherich“, botanische gärtn. Plauderei und „Die Kriechel, als eingelegte Frucht.“ Die erste Sitzung im Jahre 1885 wurde am 21. Mai durch Herrn Prof. Dr. Ferd. Cohn im Auftrage des Präsidenten der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, Herrn Geheimrath Heidenhain, einberufen, um der Section mitzutheilen, dass der bisherige Secretair, Herr Stadtrath Müller, durch anhaltende Kränklichkeit sich veranlasst gesehen hat, sein Amt in die Hände des Präsidiums niederzulegen. Bevor zu einer Neuwahl geschritten wurde, drückte Herr Prof. Cohn im Namen der Section die lebhafteste Anerkennung der Verdienste aus, welche der zurücktretende Secretair um die Section erworben, er bean- tragte, in einer reich ausgestatteten Adresse Herrn Stadtrath Müller den Dank der Seetion und ihr Bedauern wegen seines Rücktritts auszusprechen ; der Antrag wurde angenommen, Prof. Cohn und Garteninspector Stein mit Abfassung der Adresse, dieselben Herren und Herr Hermann mit der persönlichen Ueberreichung beauftragt. Bei der nun durch Zettel stattfindenden Wahl wurde Garteninspector Stein mit 9 von 10 Stimmen zum ersten Secretair gewählt und nahm die Wahl dankend an. Am 1. Juni übernahm sodann der neue Secretair formell die Leitung der Section und die Verwaltung des Sectionsgartens. Die in blauem Sammt mit Silberbeschlägen prachtvoll ausgestattete Adresse der Section wurde Herrn Stadtrath Müller durch die Herren Professor Dr. F.Cohn, Öbergärtner Schütze und Garteninspector Stein am 13. Juni feierlich überreicht. In der Anrede betonte Herr Prof. Dr. F. Cohn das allge- meine Bedauern über den Rücktritt des hochverdienten Mannes, unter dessen langjähriger Leitung die Section ihre heutige Bedeutung erlangt habe. Tief gerührt dankte Herr Stadtrath Müller und versprach auch weiterhin an den Bestrebungen der Section nach Kräften sich zu be- theiligen und den neuen Secretair mit Rath und That zu unterstützen, Am 17, Juni fand die zweite Sitzung der Section statt. Der neu erwählte Seeretair berichtete über die Aushändigung der Adresse an Herrn Stadtrath Müller und den Dank des langjährigen Leiters der Seetion, theilt mit, dass am 5. Juli die Wanderversammlung schlesischer Gärtner und Gartenfreunde in Görlitz stattfinde und wurde ermächtigt, die Section daselbst zu vertreten. Am 13. August feierte der Altmeister der russischen Gärtnerei und hervorragendste Systematiker Russlands, Dr. Eduard von Regel, Excellenz, Direetor des kaiserlichen botanischen Gartens in St. Peters- burg, seinen 70, Geburtstag. Die Section für Obst- und Gartenbau der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 345 hatte gemeinsam mit der botanischen Section dem bewährten Forscher eine Glückwunschadresse überreicht. Ueber die Feier des Tages giebt der folgende Bericht Auskunft. Der siebzigjährige Geburtstag des Gründers und treuen Mitarbeiters unseres Blattes, Dr. E. Regel, wurde am 13. August von Collegen und Freunden aus nah und fern würdig gefeiert. Am frühen Morgen ward der Jubilar durch ein Ständcehen einer Musikcapellg freudig überrascht, und mit den Gratulationen, welche die Familie darbrachte, begann ein ganzer Reigen von Glückwünschen. Schon um 7 Uhr früh brachte der Domänenminister, Herr Ostrowski, seinen Glückwunsch. Um 9 Uhr gratulirten die Angestellten des botanischen Gartens, welche ausser der Decoration der Wohnung des Jubilars demselben einen Lorbeerkranz darbrachten. Durch Vermittelung der deutschen Botschaft erhielt der Jubilar eine prachtvoll ausgestattete Adresse mit den Abbildungen seines Geburtshauses in Gotha, seines Wohnhauses in Petersburg, von Zürich und Bonn und mit 152 Unterschriften von Vereinen und Personen aus allen Theilen Europas nebst einem kostbaren grossen silbernen Tafel- service für 24 Personen. Desgleichen waren in deutscher, französischer, russischer und lateinischer Sprache theils Depeschen, theils Briefe mit den herzlichsten Glückwünschen eingelaufen, und bemerken wir darunter besonders einen lateinischen Brief des Dr. Haynald, Cardinalerzbischofs in Kalocsa. Besonders erhebend für den Jubilar war die Anerkennung seiner Thätigkeit durch Seine Majestät den deutschen Kaiser, welcher ihm den Stern zum rothen Adlerorden II, Klasse durch die hiesige Bot- schaft sandte. Gegen 12 Uhr begaben sich ca. 80 Personen, sämmtlich Gartenfreunde und Gärtner unter Führung des Generaladjutanten L. Greigh, Präsidenten des kaiserlich russischen Gartenbau-Vereins, in die Wohnung Dr. E. Regel’s und brachten ihm mit einer Adresse eine Ehrengabe, bestehend aus einem sehr werthvollen silbernen Theeservice nebst Präsentirteller, auf dem das Geburtshaus des Jubilars gravirt ist. Die Sectionen für Botanik und Gartenbau der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur sandten eine Glückwunschadresse, und von dem Gartenbauvereine für Hamburg und Altona langte eine Gratulation nebst einem silbernen Ehrenbecher an. Die Herren Dr. Hansen und Hauschild in Kopenhagen überreichten mit ihrer Gratulation eine Nachbildung der drei Thorwaldsen’schen Grazien in Marmor. Von der Firma Dammann & Co. in Neapel traf eine Collection von Ansichten italienischer Pflanzentypen und Landschaften ein und von der Firma J. C. Schmidt in Erfurt zwei grosse Makart-Bouquets in schönen Majolica-Vasen. Ferner eine Adresse von W,. Dörr, Telegramme von vielen Gartenbau-Vereinen etc. Ein landesüblicher Imbiss mit darauffolgendem Frühstück vereinte die zahl- reich versammelten Verehrer des Jubilars in seiner Wohnung, wo er tief gerührt durch solche ihm allgemein ausgesprochene Theilnahme und 346 Jahres-Bericht Anerkennung dankte, aber darauf hinwies, dass er ein Mensch sei, wie alle anderen, mit manchen Schwächen behaftet und die Anwesenden bat, ihm auch ferner trotzdem ihre Liebe zu schenken und zu bedenken, dass er in Allem, was er geleistet habe, durch Belehrung und Mit- theilungen von seinen Collegen und Freunden unterstützt worden sei, dass er es Gottes wunderbarer Führung allein zu danken habe, dass er seit 30 Jahren einem Institute vorstehe, welches zu den mit wissen- schaftliehen Schätzen in Bezug auf Botanik am reichsten ausgestatteten gehört, dass er zu seinen Arbeiten über die Pflanzen Sibiriens und Inner- asiens ausser den Sammlungen vieler Reisender auch die von seinem Sohne Albert im Laufe von 9 Jahren in jenen Gebieten gesammelten Pflanzenschätze zur Verfügung gehabt habe. — Die bei Tische ausge- brachten Toaste gaben den Anwesenden bestes Zeugniss von der wirklich segensreichen Thätigkeit des Jubilars auf dem Gebiete des Gartenbaues und der Botanik, und der Herr Generaladjutant L. A. Greigh beleuchtete in schwungvoller launiger Rede die Verdienste des Dr. E. Regel, in- dem er denselben mit dem gleichfalls 1815 geborenen eisernen Kanzler Bismarck verglich. Es ist wohl überflüssig hinzuzufügen, dass dieser launige Toast mit allgemeinem Jubel von den Anwesenden aufgenommen ward, Der Redacteur des „Herold“, der hervorragendsten deutschen Zeitung St. Petersburgs, Dr. Fr. Gesellius, verlas endlich noch auf des Jubilars Wunsch sowohl die allgemeine deutsche, als auch die Bres- lauer Adresse und endlich eine sehr grosse Anzahl Depeschen von fast allen Enden Europas, Herr P. P. Uspensky aber die Adressen von Regel’s zahlreichen Freunden aus allen Theilen Russlands. Ein glückliches Geschick hat Regel den wenigen Auserlesenen bei- gesellt, die auch im beginnenden Alter noch ihre Jugendkraft besitzen, und wir können vorstehenden, aus befreundeter Petersburger Feder stammenden Bericht nicht schliessen, ohne auch an dieser Stelle noch- mals den herzlichen Wunsch und die Hoffnung auszusprechen, dass der so hochverdiente Grossmeister nicht nur der russischen, sondern der europäischen Gärtnerei und der beschreibenden Botanik seinem unermüd- lichen Schaffen noch eine lange Reihe von Jahren in ungetrübter Kraft erhalten bleibe. In der dritten Sitzung, 19. August, berichtete der Secretair über die Wanderversammlung in Görlitz, an welcher über 100 Gärtner und Gartenfreunde aus allen Theilen Schlesiens und der Lausitz theilnahmen. Die Theilnehmer wurden in der „Deutschen Reichshalle“ von dem Vor- sitzenden des Görlitzer Gärtnervereins, Herrn Breuer, empfangen und bewillkommt. Um 11 Uhr eröffnete der Tagespräsident, Herr Garten- inspeetor B. Stein-Breslau, die Sitzung mit der Begrüssung und einem Dank an die Görlitzer Mitglieder, welche sich der Mühe der Arrange- a u der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 347 ments unterzogen hatten. Inspector Stein berichtete dann eingehend über die laufenden Verhandlungen hinsichtlich des zu gründenden Pro- vinzialverbandes schlesischer Gartenbauvereine, zu welcher Bewegung der erneute Anstoss von Liegnitz ausgegangen ist. Die meisten schle- sischen Gartenbauvereine haben sich zum Beitritt bereit erklärt, und die definitive Statutenberathung, welche im August in Breslau stattfinden soll, wird voraussichtlich glatt verlaufen. Ein wesentlich alterirender Punkt ist nur vom Gartenbauverein Neumarkt beantragt, welcher ver- langt, der Provinzialverband solle für regelmässig wiederkehrende Vor- träge in den einzelnen Vereinen sorgen. Herr Öbergärtner Göschke- Proskau zeigte eine Collection neuer Pelargonien vor, besonders Kreu- zungen von P. scutatum, der schildblätterigen Pelargonie, welche sich durch gute Füllung, eleganten Bau, reine und feurige Farben auszeichnen. Herr Obergärtner Schütze-Breslau empfiehlt als bestes, scharlachrothes Gruppenpelargonium die Sorte Henry Jacoby und demonstrirte dann die sehr seltenen Früchte von Ficus imperialis, einem der riesenblätterigen Banianenfeigenbäume, sowie herrliche Orchideenblüthen aus der Com- merzienrath Eichborn’schen Gärtnerei. Auf eine Anfrage, welches die besten der neuen Rosensorten seien, nennt Herr Schütze von diesjährigen Sorten: Grace Darling, Mary Bennet und Mary Fitzwilliam, als gleich aus- gezeichnet durch dankbares Blühen, zarte Form und reizende Farbe. Herr Handelsgärtner Dammann-Breslau referirt über die Bereitwilligkeit der Kaiser Wilhelms-Spende, eine Specialversicherungskasse für Gärtner unter den billigsten Bedingungen zu gründen. Gegen '/,1 Uhr schloss sodann Herr Garteninspector Stein diesen officiellen Theil der Wander- versammlung, deren Mitglieder dann in einzelnen Gruppen die so vor- züglich arrangirte Ausstellung, besonders deren gärtnerischen Theil, be- sichtigten. Unter den ausgestellten Pflanzen fanden den grössten Beifall die wunderbar schönen Nadelhölzer von W. Hans in Herrnhut und zwar speciell die silbernadligen Fichten- und Tannenarten Nordamerikas, welche Hans-Herrnhut als Specialität unübertroffen schön züchtet. Es waren u. a.: Abies Parryana glauca, A. Parryana argentea, A. con- color, A. grandis, A. nobilis, Picea Alcockiana, Tsuga canadensis, Sciadopitis verlicillata, Zarix Kämpferi, Pinus Laricio pumila und viele andere schöne Nadelhölzer, welche Aussteller Jahr für Jahr in der Weise verpflanzt, dass er sie ein Meter weiter fortrückt, um denselben einen festen Ballen zu verschaffen und sie zu jeder Jahreszeit versenden zu können. Die Abendzüge führten den grössten Theil der Versammelten nach ihren Heimathsorten zurück, und von allen Seiten wurde die vielseitige Belehrung anerkannt, zu welcher dieser Ausflug Gelegenheit gegeben hatte. Von sonstigen Sehenswürdigkeiten der Görlitzer Gärten, welche beim Rundgange besonders auffielen, seien erwähnt: Die von Kunst- und Handelsgärtner Dammann cultivirte Stephanotis floribunda von 10 Meter 948 Jahres - Bericht Länge blühte vorzüglich und die prächtigen Oycas und Azaleen zeigten von besonders guten Culturen. Die im Garten der Frau Commerzienrath Schmidt vertretenen starken, schönen Blutbuchen, sowie die Araucaria imbricata verdient Erwähnung, wie auch die im Stadtpark vorhandenen, 5 Meter hohen Wellingtonien und die am Humboldt-Denkmal befindlichen Abies Pinsapo. Von Petzold-Görlitz waren ausgezeichnete Rosen ausgestellt, da- runter die leuchtend rothe Sorte Duchesse de Montpensier. Nach Erledigung zahlreicher Einkäufe wurde der Secretair sodann ermächtigt, die Section bei der am 23. August stattfindenden Constituirung des Provinzialverbandes schlesischer Gartenbauvereine zu vertreten und eventuell den Beitritt der Section zu erklären. Ueber diese constituirende Versammlung berichtete der Secretair in der vierten Sitzung, 14. October, eingehend. Die Versammlung wurde am 23. August in Liebichs Lokal in Breslau abgehalten und durch Herrn Garteninspeetor B. Stein eröffnet und geleitet. Anwesend waren Vertreter der hauptsächlichsten Garten- bau-Vereine ganz Schlesiens. In den sehr eingehenden Verhandlungen wurde allseitig die Gründung eines Provinzial-Verbandes, unter voller Wahrung der Selbstständigkeit der Lokal-Vereine, als sehr wünschens- werth anerkannt. Das von Herrn Garteninspecetor Stein entworfene Statut des Provinzial-Verbandes wurde mit geringen Abänderungen in den einzelnen Paragraphen theils einstimmig, theils mit überwiegender Majorität und mit diesen Aenderungen schliesslich einstimmig ange- nommen. Das Statut hat nach diesen Beschlüssen folgenden Wortlaut: $1. Die Gartenbau-Vereine Schlesiens bilden unter sich durch freiwilligen Zusammentritt einen Provinzial-Verband schlesischer Gartenbau-Vereine. $ 2. Aufgabe des Verbandes ist die Vertretung der allgemeinen Interessen der schlesischen Gärtnerei in vollstem Umfange, sei es hinsicht- lich jährlicher Wander-Versammlungen, provinzialer Ausstellungen, Abgabe von Gutachten und Auskünften an die Behörden oder die Behandlung der die gärtnerische Gesammtheit irgendwie betreffenden Tagesfragen, Ordnung des Lehrlingswesens (Bildung von Hilfs- oder Pensionskassen), während die lokalen und speeciellen Fachangelegenheiten den betreffenden Lokalvereinen zur Behandlung bleiben. a ee u DS rn A a nn a aa A U UL der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 349 3, Der Verband wird vertreten durch die Delegirten der Verbands- Vereine. Für je 25 Mitglieder seines Bestandes entsendet jeder Verbands- Verein je einen Delegirten. Jedes angefangene Viertelhundert Verbands- Mitglieder wird für voll gerechnet. Bei Abstimmungen kann ein Delegirter mehrere oder sämmtliche Stimmen seines Vereins abgeben. Die Wahl der Delegirten erfolgt auf 3 Jahre. SA. Zur Deckung der Gesammtkosten tragen die Verbands-Vereine bis auf Weiteres entspechend der Zahl ihrer Delegirten für je 25 Mitglieder eine Mark pro Jahr bei. Später etwa entstehende Mehrausgaben tragen die Verbands-Vereine, doch darf der Betrag von zehn Pfennigen pro Vereins-Mitglied nicht überstiegen werden. Etwaige Reisekosten der Delegirten tragen die betreffenden Vereine. S 5. Die anwesenden Delegirten wählen aus sich durch Zettelwahl den Vorstand, dessen Amtszeit gleichfalls dreijährig ist. Der Vorstand be- steht aus dem Präsidenten und einem Stellvertreter, dem Secretair und einem Stellvertreter, dem Rendanten und zwei stimmberechtigten Bei- sitzern. Die Vorstandsmitglieder sind wieder wählbar. .$ 6, Die Verbandssitzungen beruft der Vorstand durch schriftliche Ein- ladung unter Angabe der Tagesordnung mindestens 30 Tage vor dem Sitzungstage, Anträge zur Tagesordnung müssen 10 Tage vor dem Sitzungstage eingereicht werden. Auf schriftliches Verlangen von Dele- girten, welches die zu verhandelnden Punkte enthält, muss der Vorstand innerhalb 30 Tagen eine Verbandssitzung anberaumen. 7. Alle Abstimmungen erfolgen durch absolute Majorität. Bei Stimmen- gleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten. Auf Verlangen von 5 anwesenden Delegirten ist geheime Abstimmung vorzunehmen. s 8. Alljährlich soll eine eintägige Wander-Versammlung verbunden mit einer Delegirten-Sitzung innerhalb der Provinz abgehalten werden, an welcher Jedermann theilnehmen darf. Zweck der Wander-Versammlung ist: 1, möglichste Förderung des Gartenbaues durch belehrende Vorträge und Demonstrationen in gemeinschaftlicher Sitzung; 2. gemeinsame Exeursionen an gärtnerisch besonders interessante Orte der Provinz; 350 Jahres-Bericht 3. lokale Ausstellungen von Erzeugnissen und Bedürfnissen des Garten- baues. Die Leitung der Wander-Versammlung obliegt dem Verbands-Vor- stande. Für die gemeinsame Sitzung wird ein Ehren-Präsidium gewählt. Die an Ort und Stelle nöthigen Vorarbeiten für die Wander-Ver- sammlung übernimmt der betreffende Ortsverein und der Versammlungs- ort wird jährlich durch die Delegirten bestimmt. Nach Annahme dieses Statutes erklärten sofort die Delegirten von zehn Vereinen: 1) der Section für Obst- und Gartenbau und 2) des Central-Vereins für Gärtner und Gartenfreunde in Breslau, 3) Brieg, 4) Freiburg, 5) Jauer, 6) Leobschütz, 7) Liegnitz, 8) Ohlau, 9) Oppeln und 10) Sprottau — den Beitritt ihrer Vereine zu dem Provinzial- Verbande. Die im Anschluss daran durch die anwesenden Delegirten vollzogene Vorstandswahl ergab: Königl. Oekonomierath Stoll, Direetor des Königl. pomologischen Institutes in Proskau als Präsident ; Königl. Garteninspector B. Stein in Breslau als Stellvertreter; Öbergärtner Göschke vom Königl. pomologischen Institut in Proskau als Schriftführer; Gartenbaulehrer Stämmler in Brieg als Stellvertreter; Lehrer Leichter in Leobschütz als Rendant, Öbergärtner Schütze in Breslau und Schlossgärtner Friekinger in Laasan als Beisitzer. In der fünften Sitzung, 28. October, legte der Secretair eine grosse Reihe von Journalen und Werken über Obst- und Gartenbau vor. Ausserdem hielt er im Anschluss an ein sehr gutes Bild der noch wenig bekannten Palme Bismarckia nobilis einen Vortrag über dieselbe, von welcher der botanische Garten in Breslau ein sehr gutes sechsjähriges Exemplar besitzt. Der Vortrag nebst dem Bilde ist diesen Verhand- lungen beigegeben. Am 26. November, sechste Sitzung, wurde die inzwischen wieder erschienene periodische Literatur vorgelegt und eingehend darüber referirt. Der Secretair legt ausserdem durch Dr. Regel eingesandte Zeichnungen von Rhododendron Ungerni Trautv. und Rh. Smirnovi Trautw. aus dem Caucasus vor, sowie Rhododendron Kochii Stein und Rhododendron Apoanum Stein, von Dr. Schadenberg auf den Philippinen gesammelt. Von unserem verdienten Mitgliede Herrn Lehrer Hiller in Brieg wurde der sehr interessante Aufsatz (siehe Anhang) verlesen: Ist der Sperling ein nützlicher Vogel? | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 351 Die Wahlen der Functionäre werden für die nächste Sitzung vertagt. Hinsichtlich der Gartenbau-Ausstellung für 1886 wird be- schlossen ein Comit& zu wählen, welches gemeinsam mit dem schlesischen Central-Verein die Vorarbeiten erledigen soll. In dies Comit& werden gewählt: Prof. F. Cohn, Prof. Engler, Garteninspeetor Lösener, Stadtrath Müller, Oberstabsarzt Dr.Schröter, Garteninspeetor B.Stein. Das Comit& trat Montag, den 1. December Mittags 1 Uhr im pflanzen- physiologischen Institute zu gemeinsamer Sitzung mit den Mitgliedern des Central-Vereins zusammen. Mit Bericht der Einläufe eröffnete der Secretair am 16. December 1885 die siebente Sitzung und legte alsdann eine Anzahl Bücher vor u. A. Schlesiens Pilzflora von Dr. Schröter, Rheinische Gärten von v. Ompteda und Probenummern des practischen Rathgebers für Obst- und Gartenbau, Frankfurt a. O. Für Sonnabend, den 19. August, wird eine Sitzung des Ausstellungs- Comit&s beschlossen. Oberstabsarzt Dr. Schröter spricht über Fusicladium pyrinum, welches er im Sectionsgarten beobachtete. F. pyrinum befällt die Birnen, zuerst an den jungen Trieben, von wo es auf Blätter und Früchte übergeht, die letzteren schwarzfleckig färbend. Diese „Baumflecken“ der Birne wurden früher ungünstigen Lagen ete. zugeschrieben. Der Wuchs des Baumes wird durch das zu zeitige Abfallen der pilzbefallenen Blätter erheblich zerstört. F. dendriticum kommt fast auf allen Pomaceen vor, Redner sah sie in Norwegen sogar auf Sorbus scandica. Beide Species verursachen knotige Auswüchse, schwarze Krusten der Rinde, in welchen sie über- wintern und von da aus jährlich auf’s Neue die Pflanzen befallen. Diese Ueberwinterungsform war bisher nicht bekannt. Der Secretair theilt mit, dass nach der Zusammenstellung des Herrn Seetionsgärtners Jettinger im Jahre 1885 aus dem Garten der Section für Obst- und Gartenbau verkauft wurden an Obstbäumen und Sträuchern ete.: ine 2343 Stück, Johannisbeeren..... 32 Stück, 2 1821.14 Himbeeren ........ 163: =» Kissehen 4... 2085 = Brombeeren ....... Lin Are Pflaumen.......... 535 ni Erdbeerpflanzen.... 2830 = BEER. ers «ui 348 |, Beaeelinis: ar 856 = Apricosen .....-... IN te Zierbäume .......- 41 = Weinreben........ 7. % Edelreiser........- 300 = B52 Jahres - Bericht Für 1886 wurden gewählt: als Secretair: Garteninspector B. Stein, als Stellvertreter: Obergärtner Richter, als Mitglied der Promenaden-Commission: Prof. F. Cohn, für die Sectionsgarten-Commission: ausser dem Seeretair und dem Stellvertreter | Partieulier Riemann, Öberstabsarzt Dr. Schröter, Landesbauinspeetor Sutter. Die Anwesenden nahmen die Wahl an. Professor F. Cohn hofft im neuen Jahre auf regen Besuch der Sitzungen, der event. durch persönliches Moniren der Mitglieder zu fördern sei. Ueber künstlerische Verwendung der Pflanzen. Von Professor De Ferdinand Cohn. Das Thema, welches ich mir heute erwählt habe, gestattet eine doppelte Auffassung. Einmal können wir untersuchen, welche Ver- wendung haben die Pflanzen in den bildenden Künsten gefunden? Andererseits können wir uns mit der Frage beschäftigen: in welcher Weise sind die Pflanzen zu verwenden, um einen künstlerischen, oder, wie wir auch sagen können, einen ästhetischen Eindruck hervorzurufen ? Es möge mir gestattet sein, beide Gesichtspunkte hier zu berühren, da ich glaube, dass unsere Section die Aufgabe hat, die Gartencultur nach allen Seiten, also nicht blos nach der practischen, sondern auch nach der theoretischen und insbesondere auch nach der ästhetischen Richtung zu pflegen und zu fördern. Freilich werde ich mich auf einzelne An- deutungen beschränken müssen, da selbstverständlich die Zeit nicht aus- reicht, das Thema zu erschöpfen. Schon seit den ältesten Zeiten sind gewisse Pflanzenformen zu künstlerischer Darstellung benutzt worden, doch ist ihre Zahl eine auf- fallend geringe, ohne dass man gerade anzugeben vermöchte, warum von den unzähligen Gestaltungen der Blumen und Blätter nur einige aus- erwählt, die übrigen, vielleicht nieht minder schönen, von den Künstlern vernachlässigt worden sind. Der botanische Horizont der Künstler ist nicht viel weiter, als der der Poeten, die seit: den Zeiten der alten Griechen kaum andere Blumen zu besingen wissen, als Rosen, Lilien ar 7 Pr urn aA le der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 353 und Veilchen, während sie von dem übrigen Blumenflor kaum jemals Notiz nehmen. Bei der Verwerthung der Blumenformen in den Künsten müssen zwei wesentlich verschiedene Darstellungsweisen unterschieden werden, die naturalistische und die stylisirende, Die natürliche Dar- stellung bestrebt sich, die Pflanzengestalt möglichst naturgetreu, am liebsten mit den natürlichen Farben nachzubilden und dadurch in der Seele des Beschauers das nämliche ästhetische Wohlgefallen zu erregen, wie es durch den Anbliek der lebenden Pflanze erweckt wird; sie wird daher vorzugsweise in der Malerei angewendet. Die natürliche Pflanzen- darstellung finden wir in sehr früher und vollkommener Ausbildung bei den Völkern Östasiens, bei den Chinesen und Japanern. Namentlich Japan bietet Muster naturgetreuer und zugleich künstlerisch anmuthiger Abbildungen aus seiner an Ziergewächsen so reichen Flora, die durch den schwarzen oder colorirten Holzschnitt vervielfältigt, ebenso oft zur Illustration von Büchern als zur Decorationp von Papiertapeten, Fächern und anderen Gegenständen seiner Kunstindustrie verwendet werden. Sehr reizvoll und originell ist auch die japanische Methode der künst- lerischen Pflanzendarstellungen; sie hat in den letzten Jahren auch in Europa allgemeine Nachahmung gefunden und eine vollständige Um- wandiung unseres Geschmacks auf diesem Gebiete herbeigeführt. Während unsere Künstler bisher gewohnt waren, blühende Pflanzen so abzubilden, als ob sie aus der Mitte des Bildes vom Grunde aus herausgewachsen wären, lässt der japanische Künstler den blühenden Zweig von der Seite in anmuthiger Biegung quer über die Bildfläche sich hinziehen, als sei, durch ein Fenster angeschaut, ein Stück aus dem blühenden Gewächse herausgeschnitten. Die chinesische und japanische Blumenmalerei hat in Europa seit dem siebzehnten Jahrhundert vorzugsweise bei der Decoration des Porzellans und der Fayence Nachahmung gefunden, die sich bekanntlich von Anfang an nach den Mustern der asiatischen Kunstindustrie gebildet hat, Vielleieht noch einflussreicher auf unseren Geschmack haben die Blumendarstellungen Indiens eingewirkt; hier hatten farbenreiche, zier- liche Blumenmuster von jeher zur Auszierung aller möglichen Gebrauchs- gegenstände gedient. Seit im vorigen Jahrhundert durch die Eroberungen der Engländer die Handelsbeziehungen zwischen Indien und dem Abend- lande sich mehr und melrr entwickelten, hat auch ihre Nachahmung in den Industrien Englands, Frankreichs und der übrigen Nationen Europas Fuss gefasst. Die Zeit des Roceoco entlehnte mit besonderer Vorliebe ihre Decorationen von indischen Blumenmustern, und noch heute sind die Blumen auf unseren Kleiderstoffen, Stickereien, Tapeten meist nur mehr oder wenige getreue Copieen indischer Originale. 1885. 23 354 Jahres-Bericht Bei den Völkern des Westens wurde jedoch von jeher die styli- sirende Methode der Pflanzendarstellung bevorzugt, welche nicht sowohl nach getreuer Wiedergabe einer bestimmten Pflanzengestalt strebt, als vielmehr aus ihr nur das Motiv nimmt, welches frei und willkürlich nach rein künstlerischen Zwecken aus- und umgebildet wird. Die Pflanze wird zum Ornament; und es lässt sich oft der Weg verfolgen, wie ein solches Pflanzenornament in dem Lande und der Zeit, wo es zuerst auf- kam, noch unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Naturobjekt zeigt, dem es nachgebildet wurde, im Laufe der Zeit aber, und nachdem es auch von anderen Völkern übernommen wurde, sich von der Urform immer mehr entfernt; schliesslich wird es derselben oft so unähnlich, dass man die grösste Mühe hat, das Original herauszufinden. Dies ist namentlich der Fall, wo das Pflanzenornament nicht durch farbige Malerei, sondern plastisch zur Verzierung von Bild- und Bauwerken ver- wendet wird. Jedoch finden wir die stylisirende Darstellung der Pflanzen selbst auf den farbigen Wandmalereien, mit denen die alten Aegypter ihre Tempel und Palastwände, die Griechen der späteren Zeit, und nach ihrem Vorbilde auch die Römer seit dem Ende der Republik die Wände ihrer Wohnungen ausschmückten; wenn diese Darstellungen auch häufig die Pflanzen, denen sie nachgebildet sind, mit Sicherheit erkennen lassen, so sieht man doch in der Regel, dass es dem Künstler nicht um eine naturgetreue Abbildung, sondern weit mehr um ein hübsches Ornament zu thun war. Unter den aus dem Pflanzenreiche entlehnten Ornamenten stammen einige aus den ältesten Zeiten menschlicher Cultur und haben sieh mit geringen Abänderungen bis auf den heutigen Tag in Gebrauch erhalten. Die wichtigsten derselben scheinen die folgenden zu sein: 1. Die Palmette: sie besteht aus einer ungeraden Anzahl spatel- förmiger Blättehen, die von dem mittelsten längsten aus nach beiden Seiten an Länge abnehmen, so dass sie zusammen einen kreisrunden Fächer bilden. Vergleichen wir mit der in Griechenland in Vasen- bildern, an Teempelfriesen und auf Steinziegeln in höchster Eleganz aus- gebildeten Palmette die rohe Darstellung der Palmen aus den Ruinen des alten Ninive, so wird es wahrscheinlich, dass sich die Palmette in der That aus der stylisirten Darstellung der Palmenkrone (Phoenix) ent- wickelt hat, wenn auch anderseits das Fächerblatt der in Griechenland einheimischen Zwergpalme (Chamaerops) mit als Motiv benutzt sein mag. 2. Die Rosette; eine Blume, aus der vier, fünf, sechs und mehr Blättehen, die um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt strahlen, gestellt sind; auch sie findet sich bereits an den Palastwänden von Ninive; sie kann als stylisirte Darstellung der einfachen Rose betrachtet werden. In ausgebildeter Form zeigt die Rosette mehrere concentrische Kreise abwechselnd geordneter Blätter, wie in einer gefüllten Blume. | A ZU 7 u | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 355 3. Die Lotosblume (Nymphaea Lotos oder coerulea). Das Ornament stammt wohl aus Aegypten oder den Euphratländern und zeigt zwei Hauptformen; die geschlossene, spitz elliptische Lotosknospe, und die aufgeblühte Blume, oft nur durch drei Blättehen, ein mittleres aufrechtes, und zwei seitliche, an der Spitze nach aussen umgebogene dargestellt. Sehr häufig sind Knospen und offene Blumenkelche abwechselnd an einander gereibt; so bildeten sie den Saum an den antiken Pracht- gewändern; ohne Zweifel sind auch die „Lilienknäufe“ wie das Lilienwerk des Salomonischen Tempels als Lotos aufzufassen, da der Text hier das Wort „Scehuchan‘ hat, welches zwar gewöhnlich mit „Lilie‘* übersetzt wird, aber eigentlich die ägyptische Bezeichnung für Lilie ist. Aus dem Lotos hat sich das bekannte, einer Iris ähnliche Lilienwappen entwickelt, das schon im byzantinischen Kaiserreich beliebt, von dem Hause der Valois als französischem Königreich adoptirt, jedoch auch anderwärts, z. B. von der Republik Florenz angenommen wurde. 4. Der Acanthus; sein schönes, einem Cirsium oder Herucleum ähnliches Blatt diente bekanntlich in der späteren griechischen und ganz besonders in der römischen Architeetur zur Ausschmückung der korinthischen Säulencapitäle, in deren Mittelpunkt wieder eine Rosette befestigt ist. Es ist ein eigenthümlicher Anblick, wenn wir heute in Italien über den Säulentrümmern antiker Tempel und Paläste, den Acanthus frisch empor wachsen sehen, der ehemals den Künstlern das Vorbild für ihre herrlichen Capitäle dargeboten hatte. Auch die antike Arabeske verwendet in ihren Windungen stets und ausschliesslich das Motiv des Acanthusblattes; dasselbe kehrt bis auf den heutigen Tag in kleinen Abänderungen, aber immer leicht erkennbar in allen Arabesken und unzähligen anderen Ornamenten wieder. Auch die Gothik hatte das Acanthusblatt angenommen, aber da dem Norden die Beschauung des lebendigen Urbildes fehlte, dasselbe in ihren „Krabben“ verkümmert und verunstaltet, 4. Die Ranke; sie verbindet sich gewöhnlich mit der Blume und dem Acanthusblatt zur Arabeske, ist aber dem Motiv der Weinranke entlehnt, wie die der Spirale oft zugefügten Blätter und Trauben oft deutlich erkennen lassen, seltener ist die Ranke des Epheu mit seinen characteristischen Blättern und Beeren angedeutet, Die hier aufgezählten Pflanzenformen sind nahezu die einzigen, die schon in den ältesten Zeiten der Cultur zu Ornamenten ausgebildet, von der griechischen, dann von der römischen Kunst aufgenommen und ver- edelt, im Mittelalter entstellt, aber nicht vergessen, durch die Renaissance wiederhergestellt und fortentwickelt und bis zur Gegenwart in allge- meiner Kunstübung geblieben sind. Andere Pflanzenformen treten nur vereinzelt auf; z. B. die Früchte; der Pinusapfel (auf den Bacchanten- 237 356 Jahres - Bericht stäben), der Granatapfel (u. a. schon am Saume des priesterlichen Ge- wandes), die Mohnkapsel, der Apfel, die Mandelblüthe (am siebenarmigen Leuchter der Stiftshütte); der Oliven- und Lorbeerzweig u. a. Ein an den antiken Arabesken, sowie an den Capitälen der korinthischen Säulen sehr häufig wiederkehrendes Ornament in Gestalt eines eirunden, hohlen, am Rande welligen, oben in eine gebogene Spitze sich verjüngenden Blattes, aus dessen Grunde ein langer, pfriemenförmiger Zahn aufsteigt, hat neuerdings Jacobsthal aus dem Blüthenkolben von Arum Dracunculus abzuleiten und seine Entwickelung in späterer Zeit bis in die Palmen der Kaschemirschawls zu verfolgen versucht. Die Gothik bereicherte den Schatz der Pflanzenornamente durch Aufnahme vieler einheimischer Blatt- und Blüthenformen (Storehschnabel, Erdbeere u. s. w.). Eine besondere Wichtigkeit für die künstlerische Verwendung der Pflanzen hat ihre Gruppirung. Denn — und hierbei wenden wir uns zu der anderen Seite der Betrachtungen, zu denen unser Thema Veranlassung giebt — es kommt für die ästhetische Wirkung der Pflanzen nicht blos die Anmuth der einzelnen Formen und Farben, sondern fast noch in höherem Maasse die Art ihrer Zusammenstellung in Betracht; erst durch die künstliche Gruppirung gelangen dieselben zu voller Wirkung. Die- jenige Art der Zusammenstellung, welche in Europa in den letzten Jahrzehnten fast ausschliesslich in Mode war, das Bouquet, ist eine Er- findung der Neuzeit und zwar eine recht geschmacklose, die auch wieder in Abnahme zu kommen scheint. Wie das Wort, so ist auch die Sache aus dem einfachen Strauss oder Busch hervorgegangen, der kunstlos aus den Blumen des Feldes oder des Gartens zusammengebunden wird. Doch erst als der deutsche Busch in das französische Bouquet umge- wandelt war, ist er salonfähig geworden, hat aber mit seiner steifen Papiermanchette, seinem auf Draht aufgezogenen, in grellen Farben- kontrasten zur flachen Scheibe aneinandergedrückten Treibhausblumen jede Spur von natürlicher Anmuth eingebüsst. Besonders extravagante Producte liebt Italien, mit seinen Riesenbouquets von der Grösse eines Wagenrades, von denen ich auf der grossen italienischen Gartenaus- stellung zu Turin im Jahre 18382 wahre Monstera sah. Am schlechtesten eignet sich das Bouquet mit seiner umgekehrten Kegelform für die Vase, in der es gewöhnlich untergebracht wird; grösseren Geschmack zeigen die Japaner und Chinesen, welche in ihre Blumenvasen nur einen einzelnen, reich mit Blüthen geschmückten Zweig stellen. Die in neuerer Zeit allverbreiteten Makartbouquets eignen sich zwar durch ihren architeetonischen Aufbau zur Decorirung grösserer Räume, und ihre bleichen Wedel und Rispen harmoniren mit den jetzt herrschenden ge- brochenen Farben unserer Zimmereinrichtungen; doch können sie, da sie nur aus künstlich getrockneten und gebleichten Pflanzen gebildet der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 357 werden, ebensowenig zum Capitel der Verwendung natürlicher Pflanzen gerechnet werden, als die virtuosen Leistungen moderner Blumenmosaik und künstlich gefärbter Immortellen. Das classische Alterthum kannte unsere Bouquets nicht, desto grösseren Gebrauch machte es von zwei anderen Arten der Pflanzen- gruppirung, welche heute nur noch selten in künstlerischer Gestaltung uns begegnen, dem Kranz und der Guirlande; beide Formen finden wir auch in reichlicher Verwendung in den römischen Wandmalereien, Postamenten und Altären. Die zwischen den Säulen aufgehängte Guir- lande oder das Blumengewinde im alten Griechenland glich dem Kranze von kunstsinniger Hand geflochten, so dass die Kranzflechterin mit dem Blumenmaler in künstlerischen Wettkampf zu treten wagte, wie uns dies von dem Maler Pensias und der Glycera von Sieyon berichtet wird — ein Kampf, der bekanntlich Goethe zu einer seiner reizenden Elegien angeregt hat. Soweit wir aus den erhaltenen Darstellungen urtheilen können, übertrafen diese antiken Blumengewinde, aus Oelbaum, Lorbeer, Zerreichen und Pinienzweigen gewunden, mit eingeflochtenen Blumen und Früchten unsere heutigen Guirlanden aus Fichten oder Tannen mit ein- gebundenen Stroh- oder Papierblumen bei weitem an malerischer Anmuth; ein Abglanz derselben erschien im Zeitalter der Renaissance in den Festons, mit denen Giovanni de Udine die Loggien des Vaticans aus- schmückte. Die Kränze spielten im antiken Leben eine so hervorragende Rolle, dass wir uns schwer eine riehtige Vorstellung davon machen können, Sie gehörten gewissermassen zur offieiellen Festtoilette beider Geschlechter; daher bekränzte man sich nicht blos, wenn man zu Opfer oder Gebet oder zu einem religiösen Feste ging, sondern auch bei Hochzeits- und Begräbnissfeierlichkeiten, ja jedesmal, wenn man sich in Gesellschaft oder zur festlichen Mahlzeit begab. Die Kränze vertraten damals auch in gewisser Weise unsere Preismedaillen und Ordenszeichen; denn sie wurden von staatswegen als Belohnung für hervorragende Leistungen zu- erkannt. Dass die von dem Preisgericht den Siegern bei den grossen nationalen Festspielen der Griechen ertheilten Preise aus Lorbeer-, Oelbaum-, Pinien- oder Eichenkränzen bestanden, ist bekannt; dagegen war in Rom die Sitte der Belohnung militairischer Verdienste durch Kränze besonders aus- gebildet; es gab verschiedene Grade solcher Ehrenkränze, der Mauer- kranz wurde dem gegeben, der zuerst die Mauer einer feindlichen Stadt bestiegen, der Wallkranz dem, der als erster den Wall des Feindeslagers übersprungen; der Schiffskranz dem, der ein Schiff erobert. Weit höher als diese wurde der Bürgerkranz geehrt, den der erhielt, welcher einem Bürger das Leben gerettet; er war aus Eichenzweigen geflochten; der Besitzer durfte ihn immer tragen und erhielt hohe Privilegien; wo er 358 Jahres-Bericht öffentlich erschien, wurden ihm durch Erheben von den Sitzen, selbst vom Senat, die Honneurs gemacht und er genoss auch für sich, seinen Vater und Grossvater volle Abgabenfreiheit. Der höchste von allen Ehrenkränzen aber war der Graskranz, welcher dem, der eine belagerte Stadt oder ein Heer aus der Gefahr der Vernichtung befreit, von den durch ihn Geretteten überreicht wurde; er war aus Gräsern, Kräutern und Laub geflochten, das aus dem befreiten Boden ausgerissen ward; dieser nur sehr selten verliehene Ehrenkranz wurde höher geschätzt als die kostbarsten Kronen aus Gold und Edelstein. Selbst die Naturforscher legten auf die Kränze solches Gewicht, dass Theophrast und fast alle seine Nachfolger die zu Kränzen geeigneten Pllanzen in eine besondere Abtheilung des Pflanzensystems als Kranz- gewächse (Stephanomata) vereinigten; auch Plinius widmet den Kranz- pflanzen (Plantae coronariae) ein besonderes Buch (das einundzwanzigste). Wie die antiken Kränze ausgesehen haben, erkennen wir aus den vielen Büsten unserer Museen. Julius Caesar soll Lorbeerkränze getragen haben, um seine Glatze besser damit zu verdecken; der Vatican besitzt Büsten von Tiberius, Claudius und anderen Kaisern mit der Bürgerkrone aus Zerreichenlaub; viele antike Frauenköpfe (gewöhnlich als Flora ge- deutet) sind mit dem Blumenkranz geschmückt. Auch auf den Münzen sind die Köpfe der Fürsten oft bekränzt; endlich fehlen auch nicht Ab- bildungen von Kränzen in den Wandgemälden von Rom und Pompeji; allerdings bemerkt Plinius, dass keine Kunst der Malerei die Mannig- faltigkeit der Formen und Farben im Kranze wiederzugeben vermöge, sei es nun, dass vielerlei Blumen abwechselnd mit einander verbunden oder die verschiedenen Arten in gesonderten Schnüren im Umfange des Kranzes’ gewissermassen wie ein Kranz um den andern oder auch schief um denselben verlaufen. Schwieriger ist auszumitteln, wie eigentlich die Kränze der Alten angefertigt wurden, besonders wenn man daran denkt, dass dieselben nicht gar zu schwer sein durften, da sie ja während der langen Mahl- zeiten auf dem Kopfe getragen werden sollten. Hielten es doch gelehrte Aerzte, wie Maesitheus und Kallimachus, für nothwendig, über die medieinischen Wirkungen zu schreiben, welche die verschiedenen Blumen- gerüche der bei den Mahlzeiten getragenen Kränze auf den Kopf aus- übten. Dass junge Studenten der Weltweisheit in Athen schon am Vor- mittag mit dem Blumenkranz auf dem Kopf vom Symposium her in die Vorlesungen ihrer Lehrer kamen, tadelt der ernste Plinius mit derselben Entrüstung, die wir heute etwa über den Frühschoppen laut werden hören. Von Plinius erfahren wir übrigens, dass auch bei den Kränzen der Alten die Mode ein grosses Wort mitzusprechen hatte: man habe früher Kränze nur beim Gottesdienst getragen oder sie als Auszeichnung für der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 359 den Sieger im Kriege oder bei den zu Ehren eines Gottes angestellten Festspielen zuerkannt; auch seien es ursprünglich nur Laubkränze ge- wesen; den ersten Blumenkranz habe die schon oben erwähnte Glycera von Sieyon (nach dem Jahre 377 n. Chr.) erfunden; das unter dem Namen „Die Kranzflechterin‘ bekannte Bild des Malers Pausias, in welchem dieser seine kunstfertige Freundin abgemalt hatte, war in Rom, wenigstens in einer Copie, zu sehen, welche Lucull in Athen für 6000 M. gekauft hatte. Wenn im Winter in Rom die Blumen fehlten, so benutzte man wie heut zu Tage Kränze aus künstlichen Blumen. Doch wurden auch Immortellen zu den Winterkränzen verwendet; un- verwelkliche, amaranthus, nannten sie die Alten; sie wurden vorzugs- weise aus Aeoypten bezogen und bildeten einen besonderen Ausfuhr- artikel der Alexandriner Gärtner; doch begannen diese schon in der ersten Kaiserzeit auch frische Blumen und besonders Rosen in ganzen Sehiffsladungen während des Winters nach der Welthauptstadt Rom zu expediren. Wenn damals Rom seine Rosen aus Alexandria bezog, wie wir heute aus Nizza, so beschwerten sich die römischen Gärtner, welche inzwischen die Rosen unter Glas zu treiben gelernt hatten, über die fremde Concurrenz, wie wir aus einem Epigramm des Martial ersehen, Plinius erzählt uns ferner, dass ausser den mit Stielen zusammen- seflochtenen auch genähte oder vielmehr zusammengefädelte Kränze in Gebrauch waren und dass man namentlich die Rosenkränze, um sie leichter zu machen, aus aneinander gefädelten Blumenblättern zusammen- setzte; dann heftete man Schleifen an den Kranz; bei den etrurischen Kränzen mussten es goldene Schleifen sein; Claudius Pulcher (um 180 v, Chr.) liess zuerst in dieselben Verzierungen eingraviren; der reiche Crassus spendete bei. den Festspielen, die er im Jahre 211 v. Chr. gab, zuerst Kränze von purem Gold und Silber. Es werden selbst Kränze mit Edel- steinen erwähnt. Bei den Kränzen, welche man beliebten Schauspielern zuwarf (Corollaria), waren jedoch die Blätter von dünnem Kupferblech und nur vergoldet oder versilbert, wie uns ebenfalls Plinius berichtet. Crassus ist übrigens nicht der Erfinder der Kränze aus echtem Golde; die Etrusker, die Hellenen und andere Völker des Alterthums begruben bereits ihre Helden mit dem Kranz aus goldenen Lorbeerblättern, und unsere Museen sind reich an solchen goldenen Grabkränzen. Aus noch älterer Zeit stammen die Guirlanden und Kränze, mit denen die aegyp- tischen Pharaonen aus dem Hause des Ramses bei ihrer Beisetzung aus- geschmückt wurden. Brugsch hatte im Jahre 1881 die Gräber der XX. Dynastie (1200—1100 vor Christo) in Deir el Bahari aufgedeckt, Schweinfurth die Grabkränze 1883 botanisch untersucht; sie bestehen meist aus den in der Mitte quer zusammengebrochenen Blättern der Persea (Mimusops Schimperi) oder der Sassofweide und aus den Blumen- blättern des Lotos, die mit Fäden aus Palmenblättern aneinander geheftet 360 Jahres-Bericht waren. In dem Sarkophag des Ramses Il., dem Pharao aus Moses Zeit, dessen Sarg ein Jahrhundert nach seinem Tode erneuert wurde, fanden sich noch mehrere Ellen Blumengewinde. Schweinfurth konnte aus den in den Grabgewölben unversehrt mit vollen Farben erhaltenen Blumen eine kleine Flora des alten Aegypten zusammenstellen. Der Gebrauch der Kränze und Guirlanden, der im Alterthum eine so ausserordentlich grosse Verbreitung hatte, wurde von der Kirche be- kämpft, welche in der Bekränzung des Hauptes eine heidnische Sitte verdammte; mehr vielleicht trug zur Verdrängung dieser Sitte das Zurück- sinken der alten Culturländer in die Barbarei bei, welche- vor Allem den Gartenbau zu Grunde richtete und dadurch auch den alten Blumenreich- thum vernichtete. Ganz ist jedoch die alte Sitte der Bekränzung nie- mals verschwunden, und es ist nicht zu bezweifeln, dass sie von Jahr zu Jahr sich wieder weiter und weiter ausbreitet. Wieder, wie bei den alten Pharaonen, werden Sarg und Grab mit Blumengewinden und Kränzen überschüttet, werden die Festräume mit einer Blumenfülle decorirt; und wenn es auch nicht wahrscheinlich ist, dass die Herrenwelt wieder wie im Alterthum mit Rosenkränzen auf dem Kopfe sich zum Diner einfinden wird, so haben es sich doch die Frauen schon längst nicht nehmen lassen, wenn sie sich in festlicher Toilette zeigen, Haar und Kleid mit Blumen- sewinden zu schmücken; mehr und mehr werden dabei die künstlichen Blumen, trotz ihrer oft bewundernswürdigen Naturtreue, von den lebenden verdrängt; in England, Frankreich, neuerdings wohl auch bei uns, pflegt selbst der Herr bei solcher Gelegenheit wenigstens mit einer Rose im Knopfloch zu erscheinen. Der Blumenluxus unserer Zeit hat eine Höhe und allgemeine Verbreitung erreicht wie wohl noch nie; seit einem Jahr- zehnt macht sich auch in Deutschland, von Berlin, Erfurt, Frankfurt aus- gehend, in der Anordnung der Blumenkränze, Gewinde, Körbe, Tafel- aufsätze und anderer Pflanzengruppirungen künstlerischer Geschmack in immer feinerer Ausbildung geltend, und ich zweifle nicht daran, dass gar manche unserer modernen Kranzflechterinnen sich ihrer berühmten antiken Collegin Glycera wohl an die Seite stellen könnte. Essbare Pilze und Pilzculturen in Japan. Von Ober-Stabsarzt Dr. Schröter, Obgleich von vielen Seiten immer und immer wieder auf den hohen Nährwerth der Pilze hingewiesen wird und von wissenschaftlicher Seite auch wohl allgemein anerkannt ist, dass ihnen eine grosse Bedeutung als Nahrungsmittel zuzuschreiben ist, gelingt es doch nicht, ihnen in der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 361 Deutschland und wohl auch nicht in anderen mitteleuropäischen Ländern eine grössere Bedeutung für die anerkannte Küche des Volkes zu er- ringen. Immer bleiben es wenige Arten, wie etwa die Morchel, der Pfifferling, der Steinpilz und der Reisker, die einen beschränkten Ein- gang auf unseren Tafeln finden, und auch mehr als Delicatesse, welche die Jahreszeit bietet, denn als ein wirkliches Nährgericht, wie etwa die Gemüseschüssel. Zumeist werden die Pilze nur etwa wie Gewürz als Zusatz zu Speisen benutzt, und als solche stehen die gewürzreichen Arten, der Champignon, der Mousseron und die Trüffel in hohem An- sehen. "Das hier Berührte hat aber nur Geltung für die Küche unserer Städter und wohlhabenderen Stände. Der kleine Landmann, der Arbeiter, besonders der Waldbewohner kennt bei weitem mehr essbare Pilze. Für sie ist gewissermassen jeder fleischige Pilz, mit sehr wenigen Aus- nahmen, ein willkommenes Gericht, und die Pilze liefern ihnen einen wichtigen Beitrag zur Ernährung und einen Ersatz für das kärglicher zugemessene Fleisch. Die Zurückhaltung gegen die meisten Pilzarten, welche wir bei Deutschen und Romanen finden, scheint auf den Einfluss einer alten, noch von den Römern ausgehenden Cultur zurückzuführen zu sein, denn auch bei diesen waren die Pilze mehr eine Leckerei der begüterten Stände. Der reichlichere Pilzgenuss unserer Waldleute mag hingegen auf anderen Sitten beruhen; die in ihrer Bedeutung uns ganz unver- ständlichen Namen einer Anzahl von Pilzen, welche auf feineren Tafeln keinen Eingang gefunden haben, wie Reisker, Opinkel, Hallimasch, deuten darauf hin. Viel ausgedehnter als bei uns ist der Genuss der Pilze in den slavischen Ländern. Für Böhmen ist dies schon aus dem unübertroffenen Werke von Krombholz über essbare ete. Schwämme zu ersehen, dessen Mittheilungen und Abbildungen besonders die auf dem reichen Prager Pilzmarkte gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegen. Ganz besonders gross aber ist der Pilzverbrauch in Russland. Die von der griechischen Religion gebotenen langen und strengen Fasten legen es nahe, jedes Nahrungsmittel zu benutzen, welches Abwechslung in die Einförmigkeit der Ernährung bringt, und einigermassen das verbotene Fleisch ersetzen kann, und gerade hierzu sind die Pilze besonders ge- eignet. Es werden denn auch in Russland ungeheure Mengen von Pilzen verbraucht und zum dauernden Gebrauche theils getrocknet, theils in grossen Töpfen als Essig- und Salzeonserven eingekocht, aufbewahrt. Wie gross der Bedarf sein mag, ersah ich z. B., aus einer Mittheilung, dass von Petersburg her bei einem Breslauer Handlungshause Bestellung auf 20 Centner getrocknete Steinpilze gemacht wurde, eine Menge, die hier zu Lande als etwas ganz Unglaubliches erschien, 362 Jahres-Bericht In China und Japan ist die Bedeutung der Pilze als Nahrungsmittel jedenfalls am grössten. Der Buddahismus, welcher einen sehr grossen Theil der Bewohner dieser Länder zu fast vollständigen Vegetarianern bildet, hat auch hier darauf hingeführt, alle Arten vegetabilischer Nahrung auszubeuten, besonders die Pilze, welche durch ihren mannigfachen, ge- würzigen Geschmack und ihren Nährgehalt von der einförmigen Reiskost und Aehnlichem vortheilhaft abstechen. Japan versorgt nicht nur das eigene Land mit Pilzen, sondern liefert schon seit langer Zeit eine be- deutende Ausfuhr für China. In dem Bericht des englischen Consuls in Japan für 1875 wird die Ausfuhr von Pilzen im Jahre 1873 auf 34170, im Jahre 1874 auf 61656, 1875 auf 52124 Dollars geschätzt‘), Graf Castillon schätzt 1379 die Menge der aus Japan ausgeführten Pilze auf über 200000 kg?) Seitdem ist der Export noch bedeutend ge- stiegen, namentlich auch dadurch, dass bedeutende Mengen von Pilzen getrocknet und in Conserven von Japan nach Amerika ausgeführt werden. Solche bedeutende Mengen würden nicht beschafft werden können, wenn man allein auf das Einsammeln der wildwachsenden Pilze be- schränkt wäre, aber in Japan werden schon von Alters her in sehr aus- gedehnter Weise und nach hoch ausgebildeten Methoden die beliebtesten essbaren Pilze gezüchtet, und gerade hierdurch der Hauptbedarf gedeckt. In Europa hat ja in den letzten Jahrzehnten die künstliche Pilzzucht ebenfalls grosse Ausdehnung gewonnen, es macht sich aber in den beiden Gebieten sogleich ein bedeutender Unterschied geltend. In Europa wird ausschliesslich der mistbewohnende, schnell zur Entwicklung gelangende Champignon im Grossen eultivirt, in Japan sind es dagegen holzbewoh- nende Pilze, die in manchmal Jahre hindurch fortgeführten Culturen ge- zogen werden. Mittheilungen über die essbaren Pilze Japans sind schon verhältniss- mässig früh zu uns gelangt. Kaempfer berichtet darüber schon im Jahre 1712; in den höchst interessanten Berichten über seine orientalischen Reisen?) giebt er auch von den essbaren Pilzen Japans eine ausführliche Mittheilung. Nach ihm werden die Pilze im Allgemeinen Nabi genannt, die essbaren Tan oder Taki. Er beschreibt davon mehrere Arten, die mit einigen der später zu beschreibenden Formen übereinzustimmen scheinen und giebt auch die japanischen Schriftzeichen für dieselben. Speciell nennt er den trüffelartigen Sjooro, sowie den Kikuragi oder Bokudsi auch Kino- .mimi, d. h. Baum-Ohr, 1) Report of H. M. Consul in Japan 1875 (Grevillea 1877, S. 103). 2) (te. de Castillon. La culture artificielle des Champignons en Japan (Ref. in Revue mycologique, I, S. 5). 3) Kämpfer. Amoenitatum exoticarum fasc. V. Lemgoviae 1712, S. 832. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 363 Thunberg, in dessen Flora japonica') die Kaempfer’schen An- gaben aufgenommen sind, führt noch einige andere japanische Pilze auf, z. B. Koki (Tremella lichenoides), Sitaki, Fastaki, Siastaki, Kuragi und Kistaki, die nach seiner Angabe in Japan getrocknet täglich ge- gessen und fast zu allen Speisen und Saucen zugesetzt, auch in allen Wirthschaften verkauft werden. Auch den Sjooro erwähnt er. von Sieboldt führt in seinen ökonomischen Pilzen Japans 32 Pilze mit ihren Volksnamen, jedoch ohne wissenschaftliche Bestimmung auf.?) Mittheilungen über Pilzeulturen in Japan sind mir aus den schon er- wähnten Berichten des englischen Consuls in Japan und des Grafen Castillon, sowie aus einer Notiz über die japanischen Nutzpflanzen von Dr. Vidal bekannt.?) Eine genauere wissenschaftliche Beschreibung einer Anzahl dieser Pilze hat Berkeley gegeben.‘) Ich selbst verdanke eingehende Mittheilungen über diesen Gegen- stand Herrn Shingizi Nagai aus Tokio, welcher längere Zeit in Breslau studirte. Durch seine Vermittlung erhielt ich auch die beiden wichtigsten japanischen Speisepilze, den Shii-Take und den Mat-Take, ersteren in getrockneten Exemplaren, letzteren in Büchsen eingekocht. Durch ihn wurden mir auch eine Reihe von Pilzabbildungen eines japanischen Werkes, welches sich im Besitz von Herrn Prof. F. Cohn in Breslau befindet, gedeutet. Dasselbe enthält in 2 Bänden Abbildungen von den verschiedensten Pflanzen und Pflanzentheilen. Es sind gegen 500 Bilder, die Darstellung ist in einfacher Linienzeichnung, aber dabei doch von grösster Naturtreue, selbst in Bezug auf den Habitus und die Einzelheiten, so dass man die speciellen Arten sehr gut daraus erkennen kann. Unter diesen finden sich auch 16 Bilder vou Pilzen, die zumeist in sehr charakteristischer Weise dargestellt sind. — Beiläufig mag hier bemerkt sein, dass das Buch, welches uns eine Art gärtnerischer oder landwirthschaftlicher Botanik zu sein schien, nach der von Herrn Nagai erhaltenen Auskunft nichts anderes ist, als ein Hilfsmittel zum Dichten kleiner Sinnsprüche auf die Jahreszeiten. Der Titel lautet Hai-Kai Rijoshe suko, das ist wörtlich: Sinngedichte, Jahreszeiten, Bilder, oder etwa: Bildliche Darstellungen zum Dichten von Hai-Kai’s auf die Jahres- zeiten. Die Bilder sind nach den einzelnen Monaten geordnet, und bei jedem sind die verschiedenen Bezeichnungen des dargestellten Gegen- !) G. Thunberg. Flora japonica. Lipsiae 1784, S. 345 - 349. 2) Gitirt nach EC. Roumegrere in Revue mycologique, I, S. 6. ») Dr. Vidal. The useful plants of Japan. Notiz in Gardener’s Chronicle 1876. Bd. II, S. 628. *) M. J. Berkeley. Enumeration of the fungi collected during the expedition of H. M. S. „Challenger“. (The journal of Linnean Society. Vol. XVI. Botany 1877.) 364 Jahres-Bericht standes beigefügt. Die meisten Pilze kommen auf den zweiten Herbst- monat, etwa September-October, nur einer auf den 1. Sommermonat, etwa Mai. 15 Bilder tragen das gleiche Zeichen, welches wohl Take bezeichnet, nur der allerdings von allen anderen Pilzen sehr abweichende Sioro hat ein anderes Zeichen. | Der grösste Theil der bekannten japanischen Speisepilze gehört in die Abtheilung der Blätterpilze (Agarieineen). Der wichtigste und ge- schätzteste von ihnen ist der Schii-Take, Eichenpilz. Die Schreibweise ist verschieden: Sii-Taki bei Thunberg, Chii-Take bei Sieboldt und Vidal, Sii-Take bei Castillon, Shii-Take bei Berkeley. Er hat seinen Namen davon, dass er in den Wäldern besonders auf den Stämmen des Schiibaumes, einer Eichenart (Quercus cuspidata) lebt, er wird aber in den künstlichen Züchtungen auch auf dem Holze einiger anderen verwandten Bäume gezogen, nämlich des Nasa oder Kaschiwa (Quercus erispula, nach Castillon: Qu. dentata), Kunigi (Qu. serrata), Kasti einer immergrünen Eiche (nach Castillon: Qu. acuta), und des Schiro- Schide (nach Castillon: Side oder Soro, einer Carpinusart). Der Stiel des Pilzes tritt unmittelbar aus dem Holze heraus und wächst dann bogenförmig nach oben, er ist 5—4'/, em lang, 1—1'/, em dick, voll und derbfleischig, innen weisslich, aussen gelblich- oder bräunlich-weiss, glatt, Der Hut ist flach gewölbt, fast abgeplattet, 4—6 cm breit, am Rande scharf oder etwas weniger umgerollt, mit kastanienbrauner, in der Mitte dunkierer glatter oder runzeliger Oberfläche und etwa ', em dickem weissem Fleische; er steht immer etwas excentrisch auf dem Stiele, so dass die dem Stamme zugewendeten Blätter kürzer sind. Die eultivirten Pilze sind regelmässiger als die wildwachsenden, dies kommt daher, dass bei letzteren der Stiel bogenförmig gekrümmt von den auf- rechten Stämmen emporwächst und der Hut sich nach vorn frei vor- strecken kann, nach dem Stamm zu aber im Wachsthum behindert ist; bei den Culturen werden die Klötze, aus dem der Pilz wächst, schief geneigt aufgestellt, so dass der Stiel aufrecht wachsen und der Hut sich gleichmässiger ausbreiten kann. Die Lamellen sind ziemlich diehtstehend, etwa bis 5 mm breit, am Stiele verschmälert, manchmal etwas aus- gerandet, nicht herablaufend, beim trocknen Pilze blass ockergelb mit etwas röthlichem Schimmer. Die Sporen sind farblos. — Die syste- matische Stellung des Pilzes würde nach E. Fries in der Untergattung Pleurotus sein, und zwar in der Gruppe mit nicht herablaufenden “ Lamellen, zunächst bei Agaricus subpalmatus Fr. (Ag. palmatus Sow.) Ag. fimbriatus Bolt., Ag. lignatilis Fr., doch sind diese Pilze, bei welchen die Excentrieität des Hutes eine Folge der Wachsthumweise ist, besser in die Untergattung Collybia, neben die grösseren holzbewohnenden Arten derselben, wie Ag. fusipes Bull, Ag. contortus Bull, Ag. ülieinus DC u. A. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 365 zu rechnen. Mit Beibehaltung des alten Namens würde der Pilz dem- nach als Collybia Schii-Take Sieboldt zu benennen sein. Für die künstliche Zucht des Pilzes werden in der Mitte des Herbstes (October) mittelstarke Stämme der obengenannten Baumarten gefällt und in Klötze von 1,20—1,50 m geschnitten. Wenn die Stämme dicker als etwa 15 cm sind, so werden die Klötze noch über Kreuz gespalten. Man macht nun in die Rinde mit einem scharfen Beile eine Anzahl schiefe Einschnitte übereinander, die dann als halbkreisförmige, wie Fischschuppen gestellte Linien erscheinen. Dann überlässt man sie, frei auf dem Boden liegend an einer luftigen und feuchten Stelle, dem Ein- flusse von Wind und Wetter. Eine leichte Modifikation des Verfahrens ist die, dass die Bäume sogleich nach dem Fällen in die Erde einge- graben und erst ein Jahr später herausgenommen und eingekerbt werden. Nach etwa drei Jahren ist das Holz theilweise vermodert. Die Klötze, welche ganz vermodert sind, werden ausgeschieden, die, deren Kern noch fest zusammenhält, zur weiteren Cultur benutzt. Zu diesem Zwecke macht man ein bockartiges Gerüst aus zwei starken gekreuzten Pfählen, auf welche eine lange Längsstange gelegt wird, und lehnt an diese die Klötze nebeneinander, so dass sie eine Art Dach bilden. Im Frühling und im Herbst nach den starken Regen wachsen die Pilze von selbst aus den Klötzen hervor, in der Zwischenzeit bedarf es einer besonderen Bearbeitung um Pilze zu erhalten. Die Klötze werden zu diesem Zwecke einen halben Tag lang in Wasser gelegt (von Morgens bis Mittags), dann wieder herausgenommen und mit einem starken Holzhammer an beiden Enden und in der Mitte geklopft, hierauf wieder zusammengestellt. Drei Tage darauf wachsen die Pilze heraus. Man kann dies Verfahren beliebig oft wiederholen. Schlägt man die Klötze nur am oberen Ende, und zwar mit einigen starken Schlägen, so sollen nur wenige grosse Hüte hervorgehen; schlägt man sie aber mit einer grossen Anzahl leichter Schläge, so sollen nur kleine Pilze in grösserer Zahl heraus- wachsen. Das Trocknen der Pilze geschieht in geschlossenen Räumen, in welchen leichte offene Gestelle aufgestellt sind, welche mehrere Etagen übereinander haben, die Pilze werden auf leichte aus Bambusrohr, Reis- oder Weizenstroh geflochtene Hürden ausgebreitet, diese auf die Gestelle gebracht, dann werden Kohlenbecken unter die Gestelle gestellt und der Trockenraum fest geschlossen. Von Zeit zu Zeit wird er geöffnet um neue Kohlenbecken hineinzubringen und die Stellung der Hürden zu wechseln und sie abwechselnd dem Kohlenfeuer zu nähern. — Eine andere Trockenmethode besteht darin, dass man die Pilze mit den Stielen auf Bambusstäbchen aufreiht und diese schräg über das Feuer bringt. 366 Jahres - Bericht Die Japaner haben eine praktische Unterrichtsmethode, indem sie Bilderbogen ausgeben, auf welchen die wichtigsten Culturpflanzen und ihre Culturweise in farbigen Figuren abgebildet und durch einen auf dem Bogen angebrachten ausführlichen Text erläutert werden. Ein solcher Bogen in einfacher aber hübscher Papierhülse eingeschlossen, kostet an Ort und Stelle etwa 20 Pfennige. Einen auf den Schii-Take und seiner Cultur bezüglichen Bogen habe ich von Herrn Nagai erhalten. Es sind darauf dargestellt: Exemplare des Pilzes. — Habitusbild des Schii-Baumes. — Zweig desselben. — Blätter der vier wichtigsten zur Cultur benutzten Bäume. — Habitusbild der an den Bäumen wachsenden Pilze. — Die zur Cultur benutzien Werk- zeuge, Beil und Schlägel. — Landschaftsbild mit Darstellung der Cultur- methode. — Trockenmethode. — Verkleinerte Abbildung von acht anderen essbaren Pilzen. — Der Text enthält die Schilderung der Cultur- methode, wie sie hier wiedergegeben ist. Sie stimmt vollständig mit | der von Castillon aufgeführten überein, dem vielleicht dieselbe oder eine ähnliche Quelle vorgelegen hat. Beurtheilt man die beschriebene Culturmethode vom Standpunkte unserer mykologischen Kenntniss, so muss es auffallen, wie wenig die- selbe der wissenschaftlichen Auffassung entspricht. Namentlich ist es merkwürdig, dass man bei derselben nicht der geringsten Spur einer absichtlichen Infeetion der verwendeten Holzklötze, sei es durch Mycelien oder Sporen, begegnet. Man überlässt die Infection ganz der Natur, sowie wir noch jetzt bei der Weinproduction das Eintreten der Hefe zum Most der Natur überlassen. Es ist anzunehmen, dass das Verfahren dort ganz gerechtfertigt ist, wo die Cultur des Pilzes viele Jahre lang auf derselben Stelle be- trieben wird, und wo sich in Folge dessen Sporen und andere zur Fort- pflanzung geeignete Theile des Pilzes überall in Menge vorfinden. Ein anderer Vorwurf, den man der Cultur gemacht hat, dass dieselbe erst nach drei Jahren Erfolge erziele, dürfte bei den stabilen Verhältnissen der bisherigen japanischen Landwirthschaft weniger in Betracht kommen. Die Arbeit wird nicht vergrössert, wenn auch die Klötze zwei bis drei Jahre liegen bleiben, nur die Klötze, welche die Ernte liefern, be- schäftigen die Arbeitskräfte. Jedenfalls sind die Ernten sehr bedeutend. Die grossen Zahlen für die Pilzausfuhr beziehen sich fast ausschliesslich auf den Schii-Take. . Derselbe besitzt ein mildes Aroma, welches durch das "Trocknen noch gewinnt. Der Geschmack des getrockneten Pilzes ist augenehm, fast wie Honigkuchen. In Japan ist der Pilz so beliebt, dass er fast jeder Speise zugesetzt wird. Der Pilz, welcher nächst dem Schii-Take in Japan am meisten be- liebt ist, ist der Matsu-Take oder Mat-Tak, d. i. Kiefern-Pilz. Er wächst vr EN u — (€ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 367 auf der Erde in Kiefernwäldern, wird hier in grosser Menge einge- sammelt, lässt sich aber nicht künstlich züchten. In grosser Menge er- scheint er im September und October, aber auch im Mai. In dieser früheren Form führt er auch den Namen Sama-Take, d. i. Mai-Pilz. Auch dieser Pilz ist schon von Kämpfer aufgeführt. Auf dem Bogen des Schii-Take findet sich auch eine Abbildung dieses Pilzes; in dem Hai-Kai-Buche ist er zweimal, in der Herbst- und in der Frühjahrsform dargestellt. Getrocknet wird dieser Pilz nicht, sondern nur frisch ge- nossen oder in Salzwasser gekocht aufbewahrt. In der letzteren Form kommt er auch als Conserve in den Handel. Eine Büchse solcher Pilz- Conserve, welche ich durch Herrn Nagai erhielt, zeigte mir, dass die Herstellung derselben ganz wie bei uns fabrikmässig geschieht. Die eylindrische Blechbüchse war luftdicht verlöthet, auf der Vorderseite trug sie ein Landschaftsbild, auf welchem ein Kiefernwald mit den Pilzen auf dem Grunde dargestellt war, darunter eine Unterschrift in japanischen Zeichen und unter diesen die englische Etiquettirung und Fabrikmarke: Saikio-Prepared. K. Knokocawa — Imarijama Champion. Yamashiro. Japan. — Die Rückseite war ganz mit japanischen Schrift- zeichen ausgefüllt und enthielt mannigfache Recepte für die Zubereitung. Die nur in wenige Stücke zerschnittenen und in fadem salzigem Safte schwimmenden Pilze waren in allen ihren Einzelheiten, sogar nach ihrer mikroskopischen Structur so gut erhalten, dass ich mir daraus ein voll- ständiges Bild des Pilzes machen konnte. Er hat einen dicken vollen Stiel, der bei grossen Pilzen unten 3—4 em breit und bis 10 em hoch ist, er hat festes weisses Fleisch, ist gerade oder schwach gebogen, nach oben wenig verdünnt. Etwa 2—2,5 cm unterhalb des Lamellenansatzes ist er mit einem Ringe um- geben, der von schleimig-flockiger Beschaffenheit ist, bei jungen Pilzen sich fest an den Hutrand ansetzt, bei alten Pilzen ungleichmässig zerfetzt absteht; oberhalb des Ringes ist der Stiel weisslich, glatt, unterhalb desselben mit einem mehr oder weniger dickem, schleimigem, roth- braunem und etwas faserig-schuppigem Ueberzuge bedeckt. Der Hut ist bei kleineren Exemplaren 6—8 em breit, erreicht aber bei den grösseren Pilzen bis 15 cm Breite. Er ist fast halbkugelig gewölbt, sein Fleisch, welches mit dem des Hutes fest verbunden ist, wird in der Mitte bis 2 cm diek, weiss; am Rande ist er scharf eingerollt. Die Oberfläche ist eben, mit einem dicken, ablösbaren, lebhaft rothbraunem bis dunkel- braunem Schleime überzogen, der nach dem Rande zu dünner und blasser wird. .Die Lamellen stehen dicht, setzen sich schwach ausgerandet spitz an den Stiel an, sind 5—8 mm breit, von weisser Farbe. Die Basidien sind kurz-keulenförmig, 30—33 Mikromillimeter lang, 6—7 breit, mit reichlichem gelblichem Oele erfüllt, sie tragen 4 kurze gerade Sterigmen, Die Sporen sind kurz elliptisch oder fast kugelig, 5—6 Mikromillimeter 368 Jahres-Bericht lang, 4—5 breit, ihre Membran fest, farblos und glatt. Das Grund- gewebe der Lamellen besteht meist aus breiten Hyphen, die manchmal kürzere, an den Enden saeckförmig abgerundete Aeste abgeben; die ein- zelnen Zellen werden etwa bis 60 Mikromillimeter lang, bis 16 breit und sind an den Scheidewänden ziemlich stark zusammengezogen. — Der Pilz gehört in die Abtheilung der weisssporigen Agarieineen: Armil- laria und ist jedenfalls identisch mit dem, welchen Berkeley unter dem Namen Agaricus (Armillaria) edodes kurz beschrieben hat. Ein anderer beliebter Speisepilz ist der Yucu- oder Chira-Take. Der Name bedeutet Handpilz oder Fächerpilz, weil sich seine Lamellen fächerförmig von dem Stiele aus ausbreiten. Nach der Angabe des Herrn Nagai hat er sehr grosse Aehnlichkeit mit unserem Agaricus (Pleu- rotus) ostreatus, steht in dachziegelförmigen Rasen übereinander und seine Exemplare werden manchmal handgross. Berkeley beschreibt unter dem Namen Agaricus (Pleurotus) subfunereus einen essbaren Pilz aus Japan, voe dem er sagt, dass er einen spatelförmigen, grauen, glatten Hut, ver- zweigten, eylindrischen weissen Stiel und schmale, ganzrandige, linien- för mige, am Stiele herablaufende blasse Lamellen habe. Es ist wahr- scheinlich, dass er den Chira-Take damit gemeint hat. | Dieser Pilz wächst auf Pappeln, Broussonetien und Maulbeerbäumen und wird sehr viel künstlich gezogen, aber in ganz anderer Weise als der Schii-Take,. Man schlägt auch hier das Holz der genannten Bäume, auf denen man das Vorkommen des Pilzes vermuthet, in Klötze und weicht diese eine Zeit lang in Wasser ein. Dann nimmt man sie her- aus, legt sie an einen warmen Ort im Hause in eine Wanne und hüllt sie in feuchte Tücher; sie werden nun täglich mit dem Wasser begossen, in welchem der täglich verwendete Reis abgewaschen und abgebrüht worden ist, und nach einiger Zeit sprossen die Pilze reichlich hervor und erneuern sich bei Fortsetzung der Methode immer wieder. — Es ist dies ein Verfahren, durch welches jedenfalls Mycelien des Pilzes, welche schon in dem Holze vorhanden waren, zur Entwickelung gebracht und in einer ihnen zusagenden Weise ernährt werden, Eine Anzahl anderer Blätterpilze sind zwar ebenfalls beliebt, die Nachrichten über dieselben sind aber noch zu kurz und fragmentarisch und deshalb sollen diese Pilze hier auch nur kurz erwähnt werden. Der Hats-Take, Früh-Pilz, ist ein unserem Reisker ähnlicher Pilz, er giebt auch wie dieser beim Durchschneiden eine rothe Milch. Er wird sehr geschätzt, eignet sich aber nicht zum Trocknen, Baeni-Take, Safran-Pilz, ist ein kleiner gelbrother Agaricus Von ihm, sowie von dem bei Vidal erwähnten Nara-Take wird gesagt, dass sein Genuss manchmal Erkrankungen veranlasse, andere Male aber wieder nicht die geringsten üblen Zufälle herbeiführe. Es ist dies der einzige Fall, wo giftige Eigenschaften von japanischen Pilzen erwähnt werden, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 369 Wirklich gefährliche Giftpilze scheinen in Japan gar nicht bekannt zu sein. Auch den sonst so weit verbreiteten Fliegenpilz hat Herr Nagai in seiner Heimath nie gesehen. Andere essbare Agaricus-Arten sind nach Vidal unter den Namen Samatson-Chimedji, Daico-Chimedji, Sem- bon-Chimedji bekannt. Berkeley giebt noch Beschreibungen von einer essbaren Cantha- rellus-Art: Cantharellus flabellatus Berk., mit fächelförmigem, hinten verlängertem und verschmälertem, strahlig - faltigem, dünnem Hute und schmalen, gabelig-verzweigten, bogigen Lamellen. Die Boletus-Arten, welche in Mitteleuropa die wichtigste Rolle unter den für die Volksnahrung bestimmten Pilzen spielen, scheinen in Japan keine grössere Bedeutung zu haben. Auf dem Bogen über den Schii- Take ist u. A. ein Pilz abgebildet, welcher ein Boletus zu sein scheint. Unser Steinpilz speciell ist in Japan nicht bekannt. Dagegen werden mehrere Polyporus- Arten zur Speise verwandt. Der geschätzteste von diesen ist der Iwa-Take (d. i. Felsen-Pilz). Es sind dünne Pilze mit einem ganz kurzen Stiele, reihenweise (dachziegel- förmig) übereinanderstehend, wie Kiriseni (d. i. eine Reihe aufgezählten Geldes). Die Oberseite ist braun punktirt, von kleiiger Beschaffenheit, auf der Unterseite ist er schwarz. — Er wächst nur an ganz schroffen Felsenwänden, es ist daher sehr schwer, ihn einzusammeln. Es ist dies nur dadurch möglich, dass die Sammler in einem Strohsacke an einem Seile bis zu den Stellen, wo die Pilze wachsen, herabgelassen werden. Die Pilze werden an der Sonne getrocknet und so auf den Markt gebracht. Berkeley beschreibt 4 neue japanische Polyporus-Arten, von denen vielleicht einer mit dem Iwa-Take identisch ist. Es sind: Polyporus (Inodermei) Pocas Berk. Hut nierenförmig, am Scheitel angeheftet, schwach gezont, mit strahlenförmigen Zotten besetzt, hinten schwach herablaufend, mit dünnem, ockerfarbenem, scharfem, sterilem Rande, Hymenium blass, nach hinten zu grau werdend. Poren punkt- förmig mit stumpfem Rande. Pol. (Inodermei) subpellucidus Berk. Dachziegelförmig,. Hut dünn, gelappt, seidenzottig, schwach gezont. Hymenium anfangs blass, später bräunlich, Poren Mein gezähnt mit knorpeligen Scheidewänden. Pol. (Pleuropus) Dickinsii Berk. Hut dünn, papierartig, spatelförmig, am Grunde in einen dünnen Stiel zusammengezogen, schwach sammet- artig, später glatt, stellenweise gespalten. Poren weit, kurz, ausgebuchtet, herablaufend; am Rande eingebogen. — Die Species-Benennung ist nach T. V,. Diekins, von welchem Berkeley die von ihm bestimmten Pilze aus Japan erhielt. 1885. 24 370 Jahres- Bericht Pol. (Pleuropus) vernieipes Berk. Hut dünn, muschelförmig, blass, sezähnt, etwas faltig, strahlig gestrichelt, mit umbrabraunen Zonen. Stiel sehr kurz, glatt. Poren weiss, Der Kawa-Take oder Kotake (Leder-Pilz) gehört unter die Stachel- pilze (Hydnum-Arten). Er hat die Gestalt eines Füllhorns, mit trichter- förmigem Hute und langem hohlem Stiele. Die untere Seite ist mit langen ineinandergreifenden Stacheln besetzt, welche dadurch dem Pilze das Ansehen geben, als ob er mit Hirschhaut überzogen sei. Die Farbe des frischen Pilzes ist hirschbraun. Der Pilz wächst in den Gebirgen auf schattigem Moorlande. Er wird dort gesammelt und an der Luft, jedoch nicht in der Sonne getrocknet, und nimmt dabei eine viel dunk- lere Farbe an. Er besitzt einen sehr starken, würzhaften Geruch und wird als Gewürz zu vielen Speisen zugesetzt. — Jedenfalls ist er identisch mit Aydnum olidum Berkeley. Die kurze Beschreibung desselben bei B. lautet: Stiel kurz, central, ungeglätte. Hut gezont, durch linienförmige, büschlige Flecken schuppig, grau. Stacheln verlängert. Sporen blass. Unter den Bildern auf dem Bogen des Schii-Take ist auch dieser Pilz abgebildet; die Darstellung entspricht der oben ge- gebenen Beschreibung. Eine Clavaria-Art ist nach Vidal unter dem Namen Neetzurni-Take ein sehr geschätzter Speisepilz. Eine solche ist auch auf dem oft ge- nannten Bogen dargestellt, sie gleicht unserem Ziegenbart. In dem Hai- Kai-Buche findet sich die Abbildung eines Pilzes, die mir auf den ersten Anblick sehr sonderbar erschien. . Auf einem fleischigen, etwa 5 cm langen, 2'/, em breiten Strunke steht ein breiterer Kopf, gebildet aus dichtstehenden, kurzen, fast kegel- förmigen Aesten. Der Name des Pilzes ist dem des eben aufgeführten fast gleich, er heisst Naesuni-Take (Mäuse-Pilz).. Nach Herrn Nagai stellt das Bild eine in Japan sehr geschätzte Clavaria dar. In demselben Buche sind noch drei andere Olavariaformen abge- bildet. Eine derselben besteht aus gesellig stehenden, einfachen, oben spitz auslaufenden Keulen, etwa wie unsere Ül. vermieularis oder Cl. canalieulata. Eine andere Art heisst Icusi-Take (Hasenmaul-Pilz), es sind kleine, etwa bis 3 cm hohe Pilzchen mit einfachen, nach oben ver- diekten aufreehten Stielen, welche sich im oberen Drittel in zwei gleich lange, an den Enden zugespitzte, bogenförmig gegeneinander geneigte Zweige spaltet. — Die dritte Art, Kajaede-Take (Ahornblüthen-Pilz) - genannt, sieht in der Abbildung etwas eigenthümlich aus. Der 1'), bis 2 em lange, steif aufrechte, nach oben verdünnte, schlanke Stiel endet in einer seitlich abgestreckten, etwa 1'/, em breiten Platte, die sich sogleich in vier ganz kurze, pfriemliche, an den Enden kopfförmig angeschwollene Aeste theilt. Der Pilz hat eine entfernte Aehnlichkeit mit einer Ahornblüthe, wonach er benannt ist. | u a LU LU LLLUUUUULLUUL ul u Bi der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 371 Unter dem Namen Mai-Take (Wirr-Pilz, Dreh-Pilz) ist hier auch ein Pilz abgebildet, welcher mit dem bei uns vielfach vorkommenden Gekrösepilze (Sparassis) die grösste Aehnlichkeit zu haben scheint. Einer anderen Reihe von Pilzen gehört der Ki-Kurage an, welcher in China und Japan ausserordentlich geschätzt ist. Es ist ein gallert- artiger Pilz, etwa von der Gestalt eines Ohres, unten mit einem kurzen Stiele angeheftet. Im frischen Zustande ist er hellbraun, getrocknet auf der Oberseite schwarz, auf der Unterseite graubraun. Er wächst im Frühjahr, Sommer und Herbst an den Aesten verschiedener Bäume. Für die besten werden die gehalten, welche auf Maulbeerbäumen, auf Nire (ein Baum ähnlich der Ulme), auf Enjin (ähnlich einer dornlosen Akazie), auf Weiden und Papierbäumen (Broussonetia) gewachsen sind. In der gallertartigen Beschaffenheit und dem Geschmacke ähnelt er den bei den genannten Völkern ebenfalls sehr beliebten See-Gurken, Holo- thurien, welche in Japan Kurage heissen, daher ist auch der Name des Pilzes, welcher Baum -Holothurie bedeutet, abgeleitet. Der botanische Name ist Hirneola polytricha Fr. Der Pilz ist, wie es scheint, weithin verbreitet und wird z. B. in Neu-Seeland in grosser Menge gesammelt und von dort nach China ausgeführt. Er dient zur Herstellung gallert- artiger Speisen. Zuletzt ist noch ein eigenthümlicher Pilz zu erwähnen, welcher Sioro genannt wird, was Kieferthau bedeutet, weil er in Kieferwäldern wächst und nach starkem Regen bemerklich wird. Schon bei Thunberg ist er erwähnt. Er wächst unter der Erde und wird daher von Thunberg für eine Trüffel gehalten. In dem Hai- Kai-Buche ist er, allerdings nur in Umrissen, dargestellt; es sind läng- liche, 2—4 cm lange, 1',—2', em hohe Knollen, am Grunde mit einer oder mehreren Wurzelsträngen versehen. Sie scheinen Aehnlichkeit mit unserer sogenannten grünen Trüffel (Rhizopogon virens) zu haben. Der englische Consul sagt von ihm in dem eitirten Berichte, dass er in einigen Bezirken hoch im Preise stehe, dass er aber seine Eigenschaften nicht empfehlen könne. Die vorstehenden Mittheilungen können kaum für mehr als eine Zusammenstellung gelegentlich erhaltener Nachrichten gelten. Wer im Lande selbst der Frage näher treten wollte, würde uns gewiss noch eine Fülle interessanter Thatsachen über diesen Gegenstand bringen können, und bei dem mit reissender Schnelligkeit steigenden Verkehre zwischen Europa und Ostasien ist wohl zu erwarten, dass bald unsere Kenntnisse darüber sehr erweitert werden. Immerhin werden auch diese kurzen Bemerkungen uns schon eine ungefähre Einsicht darüber gewähren, eine wie bedeutende Rolle die Pilze in dem Haushalte der Japaner spielen, 24* 372 Jahres-Bericht Ein Privatgarten vor fünfundfünfzig Jahren. Von Kunstgärtner F. W. Schlegel in Grafenort, Aufgefordert, aus meinen Erfahrungen einen Beitrag zu den Vor- trägen in der Section für Obst- und Gartenbau zu liefern, habe ich ge- glaubt, es von allgemeinem gärtnerischen Interesse halten zu dürfen, selbst länger als 50 Jahren zurückzugreifen, um einen Privatgarten zu beschreiben, dessen Besitzer der Königl. Sächsische Leibarzt, Hof- und Medieinalrath Dr. Friedrich Ludwig Kreysig in Dresden war, und der unzweifelhaft bahnbrechend für den heutigen Weltruf, dessen sich Dresdens Handelsgärtner in ihrer Specialität als Camellienzüchter er- freuen, gewesen ist. Möge gleichzeitig aber auch dem Schöpfer dieses Gartens in diesem Vortrage als einem Förderer und Gönner der schönen Gartenkunst ein ehrendes Andenken geweiht sein. Erst nachdem Herr Kreysig dem Greisenalter nahe getreten war und sich ihm Gelegenheit geboten hatte, ein zur Anlage eines Gartens und darin zu errichtenden Wohnhauses geeignetes Grundstück zu erwerben, konnte sich derselbe deren befleissigen, scheute dann aber auch die grössten Opfer nicht, um die Gartenkunst in einer Weise zu pflegen, welche einen damaligen competenten Beurtheiler in meinem Beisein in den enthusiastischen Ruf ausbrechen liess, dass seinesgleichen als Privatgarten auf dem ganzen Continent nicht anzutreffen sei! und diese Persönlichkeit, welche sich so äusserte, stand selbst in dem Rufe, Besitzer einer der schönsten Gärten in der Umgebung Wiens zu sein. Es war dies der Herr Baron Hügel. — Da heute dessen Bedeutung als competenter Beurtheiler wohl kaum noch von Wenigen gekannt sein dürfte, so mag mir gestattet sein, Einiges hierüber mit einzuflechten. Herr Baron Hügel war Besitzer der Villa, welche sich bis 1885 im Besitz Sr. Königl. Hoheit des Herzog Wilhelm von Braunschweig unter dem Namen Villa Braunschweig in Hietzing unweit des Kaiserl. Lustschlosses Schönnbrunn bei Wien befand. Diese Villa wurde damals in Bezug auf Garten und Gewächshäuser mit dem raffinirtesten Geschmack eingerichtet und mit den seltensten Pflanzenschätzen ausgeschmückt, so dass es für jeden gebildeten jungen Gärtner, welcher sein Wissen er- ‘ weitern wollte, Ehrensache war, dort sich umgesehen zu haben; selbst für die zur Zeit in Schönbrunn sich aufhaltenden Gehilfen und nament- lich für diese eigentlich von noch höherem Interesse war, als sich dort- selbst ein Reichthum der seltensten Pflanzen schon befand, der kaum erwarten liess, in einem Garten der nächsten Umgebung noch Sehens- wertheres anzutreffen. Dass dieser Ruf sich nicht allein auf Wien be- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 373 schränkte, ist daraus erkennbar, dass uns die Bedeutung des Herrn Besuchers in Dresden sehr wohl bekannt war und ich mich stolz erhoben fühlte, als ich das Lob über unseren Garten in dieser Weise von den Lippen einer solchen bedeutenden Persönlichkeit im Gartenfache aus- sprechen hörte, denn ich identifieirte mich natürlich aueh als ein Theil, dem dieses Lob zu gelten hatte; namentlich galt dasselbe der ausge- zeichneten Cultur, in welcher sich die Erika-Sammlung und der grosse Reichthum der Species befand. Zwei Jahre später hatte ich selbst Gelegenheit, mich durch eigenen Augenschein von dem Rufe des Baron Hügel’schen Gartens zu überzeugen, obwohl ein bedeutender Unterschied zwischen diesen beiden Gärten war, weil derjenige des Herrn Hofrath in Dresden einzig und allein dem Zwecke wissenschaftlichen Genusses der Blumenliebhaberei diente und auch reicher an Pflanzenschätzen war, während in dem andern dieselben mehr orientalischer Fantasie zur Folie dienen mussten, denn wie erzählt wurde, ohne es jedoch verbürgen zu können, erst in der Nacht bei glänzender Beleuchtung haben sie den Besitzer zum Genusse eingeladen. Das Bestreben, vollgültige Zeugen vorzuführen, dass ein Garten von der Bedeutung wie der des Herrn Hofrath Kreysig in Dresden auch wirklich existirt hat, ist nicht ganz überflüssig, denn derselbe hat kein langes Bestehen gehabt und während desselben in seinem Reichthume an Pflanzenschätzen dürfte er umsoweniger Vielen bekannt geworden sein, als der Zugang zu demselben am Ende der Moritzstrasse, nahe am Gewandhause, in einem Hofe versteckt lag, eine Treppe hoch durch die Gärtnerwohnung und dann erst wieder Treppab den Eintritt gestattete. Gewiss ein beschwerlicher Eingang, der nur ganz intime Fachgenossen reizen konnte, ihn zu beschreiten. Allerdings führte auch ein Eingang durch die Wohnung des Besitzers, allein dieser stand nur ausgezeichneten Fremden offen, war also noch weniger zum Eintritt in den Garten ge- eignet. Bei der eingezogenen Lebensweise des Herrn Hofrath fand auch die sogen. gute Gesellschaft keine Veranlassung, den Garten kennen zu lernen, so dass selbst der gebildete Theil der Einwohner Dresdens nicht viel mehr von diesem Garten gewusst haben wird, als was man sich im All- gemeinen unter einem Garten vorstellt, der, an der Promenade gelegen, hin und wieder durch Gehölzparthieen einen Einblick gestattet. Gegründet wurde der Garten auf die rasirten Festungswälle, mit denen die Stadt umgeben war, was also nur in der Zeit der zweiten Hälfte des zweiten Decenniums des laufenden Jahrhunderts geschehen konnte; auch mochte damals dergleichen Grund und Boden verhältniss- mässig billig zu erwerben sein, denn die Ausdehnung war eine beträcht- liche, sie reichte unweit des Gewandhauses die ganze Promenade ent- lang bis zu dem Pirnaischen Thore. 374 Jahres - Bericht Soviel mir bekannt geworden, hatte der Besitzer keineswegs bei der Anlage des Gartens die Absicht, demselben die Bedeutung zu geben, welche er schliesslich erlangt hatte, sondern die Bekanntschaft mit der englischen Garten-Literatur mag das Meiste dazu beigetragen haben, die Liebe für seltene Pflanzen zu wecken und dieselbe auch befruchtend genährt zu sehen durch das Gelingen ihrer Culturen in den eigenen Ge- wächshäusern. Zu letzterem hat nicht wenig beigetragen der damalige Gärtner, Herr Felbel, durch sein verständnissvolles Eingehen in die Intentionen seines Herrn, durch unermüdlichen Fleiss und Umsicht bei der Cultur von ihm noch ganz fremden Gewächsen, deren Bodenbedürf- niss ihm nur noch etwas erkennbar war in dem Wurzelballen der von England eingeführten Pflanzen, der mehr einem Lehmklumpen ähnelte als den hier gebräuchlichen Erdarten und ihn deshalb stutzig machen musste, welches Surrogat wohl zu deren Cultur anzuwenden sei. Der Herr Hofrath muss sehr eingehend mit dem Original-Text der englischen Garten-Literatur vertraut gewesen sein, denn nicht nur, dass aus deren Prachtwerken die Abbildungen der neuesten Pflanzen ersicht- lich waren, so waren auch deren Culturen und die neuesten Constructionen der Gewächshäuser für diese nebst deren zweckmässigsten Beheizungs- Methoden angegeben, welche nun hier nachahmend ausgeführt wurden. Ich glaube behaupten zu dürfen, dass z. B. die Beheizung der Glashäuser durch Dampf hier zuerst nachgeahmt worden ist, und zwar mit gutem Erfolg, da deren Anlage sich auch in dem bekanntlich strengen Winter von 1829 zu 1830 bewährt hat, wo das Thermometer auf der Elb- brücke bis 30° R herabgegangen sein soll, im Garten aber bis 20° R con- statirt worden sind. Diese Dampfheizungs-Anlage hatte in einer Flucht ein grosses Warmhaus, ein Vermehrungs-, Capzwiebel-, Eriken-, Neu- holländer-, Camellien- und ein Orangenhaus, abseits aber noch ein zweites langes Warmhaus mit Satteldach zu erwärmen, auch wohl vielleicht das Erste, welches in dieser Form in Deutschland gebaut worden ist. Bei so strenger Kälte war es nun aber doch umsoweniger eine ge- ringe Aufgabe, diese Häuser in der den sie bergenden Pflanzen nöthigen Temperatur zu erhalten, als das ganze Gartenpersonal nur aus einem Gehilfen und zwei Gartenmännern bestand, welche sich abwechselnd, Nacht für Nacht der Beheizung der Gewächshäuser unterziehen mussten, daher jede dritte Nacht auch dem Gehilfen zufiel. Es erforderte grosse und stete Aufmerksamkeit, indem der Dampf, nachdem er alle Röhren in einem Hause erhitzt, abgesperrt und dagegen in ein anderes Haus geleitet werden musste, was, wenn es versäumt worden wäre, grossen Schaden angerichtet hätte. Dies Begehen und Beobachten so vieler Glashäuser mit ihren verschiedenen Temperaturen, nächstdem aber auch das stete Unterhalten des Feuers unter dem Kessel, welcher an und für sich fortwährend unter Augen behalten werden musste, um den Wasser- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 375 stand zu erkennen und wenn nöthig zu ergänzen, nicht minder auch das Sicherheits-Ventil zu beobachten, und dies für einen einzelnen Mann eine ganze lange Nacht hindurch, war allerdings eine schwere Aufgabe; ein dreikantiges Stück Holz unter den Kopf gelegt, musste das Ein- schlafen verhindern. Und doch war mit allen diesen Strapazen noch das Hochgefühl verbunden, bei so strenger Winternacht jeder Pflanzen- familie die den Breitegraden ihrer Heimath eigenthümliche Temperatur hier künstlich zu Theil werden lassen und den Tropengewächsen den brodelnden Wasserdunst aus den Urwäldern ihrer Heimath gewähren zu können, Dass Tagsüber bei dieser Pflanzenmasse und Anzahl so vieler Gewächshäuser keine Zeit zur Erholung übrig blieb, ist erklärlich und sehnsuchtsvoll wurde dem Abgange des Winters entgegengesehen. Wie aber der Herr Prineipal seine Wohnung über dem Kesselraume einnehmen konnte, bleibt merkwürdig, weil eine Vernachlässigung durch den jeweiligeu Heizer durchaus nicht ausgeschlossen sein konnte, umsoweniger als wir alle selbstverständlich noch Neulinge in der Behandlung dieser zu Explosionen so sehr geneigten Novität waren, und ohne einen Lehr- eursus durchgemacht zu haben uns selbst helfen mussten, so gut wir es eben konnten. Dies mag jetzt Manchem allerdings sehr naiv scheinen, allein zwischen jetzt und damals liegt mehr als ein halbes Jahrhundert. Diese ausgedehnten, wenn auch nach jetzigen Ansichten bezüglich ihrer Grössenverhältnisse mässigen Gewächsanlagen, lassen nun gewiss erwarten, dass auch der Inhalt derselben nicht minder des Besprechens werth sein wird, und in der That enthielten dieselben alle die damals neu eingeführten Pflanzen aller Zonen. Namentlich waren die soge- nannten Neuholländer in überaus zahlreichen Genera und Species ver- treten, so die Proteaceen mit den zahlreichen Species der Banksien, Dryandra etc; Myrtaceen in den verschiedenen Gattungen der Melaleuca, Callistemon, Leptospermum und anderer überaus zahlreiche Familien, und deren Species, welche man unter der Bezeich- nung „Cap-Pflanzen‘‘ zusammenfasst, worunter die Eriken einen Haupt- zweig der Culturen ausmachten, so dass ein einzelnes Haus einzig und allein dieser Pflanzen-Familie gewidmet war, so reich an den verschiedensten Formen, dass das Auge sich nicht satt sehen konnte. Nicht minder bildeten die Camellien einen Hauptzweig der Culturen und wurden Novitäten mit schwerem Gelde bezogen. Von diesen will ich nur eine namhaft machen, von welchen der Preis ein ganz ausserordentlich hoher war; es war dies die Species reticulata, welche fünfzig Thaler (150 Mark) kostete, und zwar dies zweimal, weil bei der ersten Sendung das noch nicht vollständig angewachsene Reis auf dem Transport zu Grunde gegangen war, Ihre Seltenheit bestand in einer ganz immensen Grösse der Blumen, deren weniger gute Bau sie kaum einer weiteren Ver- 376 Jahres - Bericht breitung wünschenswerth gemacht haben wird, denn sie ist mir, ausser in meinem eigenen Besitz nie wieder zu Gesicht gekommen; ihre Blätter hatten nieht das schöne glänzende Grün und waren sichtlich auf der Oberfläche netzartig genervt. Wie grosse Geldopfer damals zu bringen waren, erhellt noch daraus, dass directe deutsche überseeische Ver- bindung durch Dampfschiffe noch nicht statt hatte und von Eisenbahnen auf dem Contingent noch keine Rede war, mithin der Pflanzentransport höchst unsicher und sehr kostspielig war. Hier komme ich nun auf den Eingangs gethanen Ausspruch zurück, dass Dresdens Pflanzenhandel seine Anfänge wohl in diesem Etablisse- ment zu suchen haben dürfte. Waren auch die Geldopfer zur Ein- führung neuer Pflanzen in erster Linie der eigenen Liebhaberei ge- bracht, so verdienen sie doch eine allgemeine Anerkennung, weil sie der Allgemeinheit zu Gute kommen, indem die Pflanzen, einmal hier, bald so vervielfältigt wurden, dass sie minder Bemittelten zugänglich werden konnten und auch geworden sind. Einige dieser neuen Einführungen, welche damals als etwas Vorzügliches galten, habe ich nie mehr Gelegenheit gehabt wieder zu sehen, es waren dies u. a. eine dem Camellien-Habitus nahestehende Pflanze unter dem Namen ‚‚Enkianthus quinqueflorus“‘, welche noch nicht geblüht hatte, und ebenso eine Orchidee ‚„Renanthera coccinea“, was gleich- zeitig besagt, dass auch eine Orchideensammlung eingeführt worden und in ca. zwanzig Arten vorhanden war, für welche das oben erwähnte Gewächshaus mit Satteldach eigens erbaut wurde, was natürlich auch anderen tropischen Novitäten zu Gute kommen musste. | Obwohl der Raum dieses Aufsatzes es überhaupt verbietet, alles namhaft zu machen, was der Garten des Herrn Hofrath Kreysig ent- hielt, so bin ich dazu auch unvermögend, weil mir dafür kein anderer Leitfaden als meine Erinnerung zu Gebote steht, nur muss ich der reizenden Papilionaceen noch Erwähnung thun, als: Chorizema, Pultenaea u. 8. w., nicht zu vergessen auch der Polygala und der überaus reichen Sammlung von Acacia. Den Capzwiebeln war ein eigenes Haus zugewiesen, woraus man schliessen kann, wie gross die Sammlung von dergleichen gewesen sein muss, Aus den Gewächshäusern ins Freie übergehend ist eine Felsanlage zu erwähnen, zur Aufnahme von Alpenpflanzen bestimmt, welche eben auch zahlreich vertreten waren, sowie einer Gruppe pontischer Azaleen und Rhododendron in verschiedenen Farben, namentlich der Ersteren, welche über Winter eingedeckt wurden. Eine kleine Zwergbaum-Obst- anlage, sowie einzelne Bäume und Sträucher füllten den übrigen Theil des Gartens aus. Noch bleibt zu erwähnen, dass Alles was vorhanden war, durchgehend mit richtigen Namen etiquettirt war, was dem Ganzen zu nicht geringem Vorzug gereichte. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 377 Leider war der Besitzer dieses Gartens, Herr Hofrath Kreysig, wie schon eingangs erwähnt, dem Greisenalter recht nahe, bevor er anfing, sich für denselben in der geschilderten Weise zu interessiren, so dass, da er selbst kinderlos war, sich voraussehen liess, dass bei seinem Ableben kein Erbe sich finden würde, welcher die erheblichen Aus- gaben, die ein derartiges Etablissement erforderte, machen würde, wenn dasselbe in der seitherigen Weise fortgeführt werden sollte, daher auch dessen langes Fortbestehen voraussichtlich nicht stattfinden konnte; und so ist es denn auch gekommen. Wie lange der Garten noch fort- bestand, ist mir freilich unbekannt, allein es können nur noch wenige Jahre gewesen sein, denn nie mehr habe ich von ihm reden hören. Es lag wohl in der Absicht, durch Pflanzenhandel die Ausgaben ganz, oder doch theilweise zu decken, denn es wurden Cataloge ausgegeben, allein die Handelsgärtnerei wurde zu wenig rationell betrieben, weil die eigene Liebhaberei dem entgegenstand. Auch tauchten damals gleich- zeitig unternehmungslustige Capacitäten auf, die sich nur auf Speeial- eulturen, wie namentlich diejenige der Camellien, verlegten und damit bessere Geschäfte machten, als sich dort herbeiführen liessen, wo so viele verschiedene Pflanzenarten gepflegt und erhalten werden sollten, welche nicht der allgemeinen Liebhaberei dienen konuten und nur von Kennern, die stets nur eine Minderzahl bilden, gewürdigt werden. Pietätvolle Hochachtung gegen den nun längst Dahingegangenen hat mich bewogen, diesen seinen Privatgarten der gänzlichen Vergessenheit zu entreissen und hier gleichzeitig der an mich ergangenen Aufforderung zu genügen, wenn auch in eigener Weise, einer Beschreibung des ver- schwundenen Gartens zu unterziehen. Notizen über einige neuere oder bemerkenswerth erschienene Pflanzen. Von Garten-Direetor H. Gireoud in Sagan. Nicht etwa Culturen von Pflanzen will ich des Breiten mittheilen, sondern nur kurze Notizen über das schreiben, was mir im Laufe dieses Jahres (1584) in dem mir anvertrauten Park als neu oder bemerkenswerth vor Augen trat. Bedeutende Erfolge sind mit Knollen-Begonien erzielt worden und gehören dieselben zur Zeit zu den grössten Zierden unserer Blumen- gruppen. Sie zeigen eine Fülle von grossen und sehr grossen Blumen in Schattirungen von roth, gelb und weiss, einfach und gefüllt, vertragen 378 Jahres-Bericht Sonne und Licht, sogar anhaltend feuchte Witterung, selbst vorsichtiges Verpflanzen während ihres Blühens, haben eine schöne, glänzende Be- laubung und überwintern leicht. Gut ist es, wenn man die Knollen- Begonien erst im zweiten Jahre im freien Lande verwendet und die Sämlinge im ersten Jahre nur in Töpfen enltivirt, um sie in Bezug auf ihre Blüthen zu prüfen. Vortheilhaft ist es, die Sämlinge des Februars, März oder Aprils, nachdem man sie wiederholt piquirt hat, in einen Mistbeetkasten auszupflanzen, wo sieh schon im August eine Fülle von Blumen zeigt, so dass man das Mittelmässige entfernen kann. Die Aus- erwählten werden in Töpfe gepflanzt und sind bis in den-November eine Zierde der um diese Zeit fast blumenleeren Pflanzenhäuser. Licht, Luft und nahrhafte Erde, selbst ein Düngerguss, sind für die Knollen-Begonien unbedingt erforderlich, damit sie sich in ihrer ganzen Pracht entwickeln können. Was für enorme Fortschritte in der Vervollkommnung dieser Pflanze gemacht werden, beweist eine Anzeige der sehr zuverlässigen Firma „H. Cannell & Sons“, welche in ihrem Verzeichniss Mittheilungen über demnächst in den Handel zu bringende Begonien macht, die bei schöner Farbe und Form einfache und gefüllte Blumen von über 6 Zoll, von Spitze zu Spitze gemessen, bringen. Das wäre doch mindestens die Grösse der einfachen Georginen übertroffen, und was für ein Gewächs ist eine gut eultivirte Knollen-Begonie gegen eine moderne, einfache Georgine. Bieten die genannten Begonien uns schöne grosse Blumen in den mannigfachsten Farben, so sind es die Coleus, welche uns durch ent- zückende Färbungen ihrer Blätter erfreuen. Sind die Coleus auch bis auf einige Sorten nicht in dem Umfange wie die Knollen-Begonien zur Gruppenbepflanzung verwendbar, so findet sich doch in jedem grösseren Garten ein passendes Plätzchen, wo sie von Anfang Juni bis Ende Sep- tember durch ihre prächtigen Blattfärbungen erfreuen. Die im Frühjahr in Amsterdam prämiirte Colleetion ‚van den Heede‘‘ und die von Ge- brüder Neubrunnes in Neu-Ulm gezogenen gehören mit zu den besten dieser farbenprächtigen Pflanzen. Meine Sammlung ist zu mehreren Hundert Varietäten herangewachsen, und ich kann mich selten von einer trennen. Auch an den Rändern einer Gruppe tropischer Pflanzen, wo Blumen im Allgemeinen nicht beliebt sind, finden die grossen, in Töpfen herangezogenen Pflanzen stets ein passendes Plätzchen. Recht effeetvoll ist die Spielerei, auf grosse Coleus verschiedene Sorten zu veredeln, was ohne Schwierigkeiten gelingt. Im Frühjahr überraschte mich eine Anzahl Myosotis alpestris grandi- lora, deren erste Blumen stark gefüllt waren und zuletzt in halbgefüllte und einfache übergingen und auch sonst ganz abweichend von dem Bau der gewöhnlichen Myosotis alpestris, die zu Bindezwecken besonders ge- eignet waren. Den Samen erhielt ich von Doeppleb in Erfurt unter dem der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 379 Namen Myosotis alpestris Elisa Fanrobert. Wäre ich doch noch ein junger Mann, ich pflanzte unabsehbare Beete mit diesem gefüllten Vergissmein- nicht an und überreichte sie den Schönen! Eine Lobelia erinus Andrew Holmes übertrifft durch ihre enzianblauen Blumen und reichanhaltenden Flor alle bis jetzt bekannten. Ebenso schön ist Lobelia erinus alba compacta, die ich einst aus dem Muskauer Park erhielt, wo sie mein Freund, der prinzliche Garteninspector Roth, aus Samen zog. | Von Verbenen hatte ich wieder herrliche Sämlinge, fast nur aurikel- blüthige; nur fehlte es mir immer noch an brennend rother, nach Art der alten Defiance, doch werde ich im nächsten Jahre hoffentlich auch damit dienen können. Die Stammmutter aller Verbenen, die alte Verbena melindris erhalte ich mir noch durch Stecklinge und finde häufig Abnehmer für diese schöne Pflanze, Von Fuchsien excellirte wiederum Champion of the world; neu und schön waren für Topfeultur Fuchsia Frau Emma Töpfer und die englische Mrs. Rundell. Von Fuchsien ziehe ich für freie Landgruppen mit Vorliebe die uralte F. coccinea und erfreue damit Viele. Für denselben Zweck ist die alte F. corallina noch nicht übertroffen. Ausser Flow Drummondi grandiflöora sind noch einzelne, als Ph. Drum- modi nana und verbenaeflora zu empfehlen. Ageratum Cannel’s dwarf hat sich, wo es trocken stand, besonders ausgezeichnet und gereicht jedem Blumenstück zur grössten Zierde, Ebenso erhält sich Petunia hybr. nana compacta multiflora als eine werthvolle Acquisition für trocken und sonnig gelegene Plätze. Eine hübsche Neuheit ist Nicotiana affinis, besonders "einzeln an den Rändern von Gruppen mit braunblättrigen Canna oder zwischen Perilla. Die Pflanze baut sich leicht, ist dauerhaft und bis in den Spätherbst blühend; ihre weissen Blumen riechen sehr fein und sind selbst zu Binde- zwecken im Spätherbst brauchbar. Ich beabsichtige Nicotiana affinis im nächsten Jahre in Töpfe zu pflanzen, um sie für Arrangements in den Zimmern zu benutzen. Vielen Beifall fand Hyacinthus eandieans (Galtonia candicans), nament- lieh in Verbindung mit den in Anlagen noch viel zu wenig verwendeten Gladiolus; auch mit Tigridia pavonia. In den Blattgruppen zeichnen sich besonders, namentlich wenn zu einem vor Winden geschützten Standort noch ein warmer Fuss, nahr- hafter Boden und viel Wasser kommt, Musa Ensete und M. superba aus. Die Exemplare nehmen für meine Ueberwinterungsräume, nachdem ich sie 5 Jahre auspflanzte, bedenkliche Dimensionen an. Ich pflanze sie im Spätherbst in grosse, runde, grob geflochtene Körbe mit vier Henkeln, 380 Jahres - Bericht welche meine Arbeiter anfertigen und pflanze sie im Frühjahr mit diesen Körben wieder aus; sie werden dadurch beim Auspflanzen nicht gestört, und kann man ja zum Ueberfluss, damit sich die Wurzeln unbehindert entwickeln können, die Weidenkörbe nach dem Auspflanzen zerschneiden. An den Rändern der Musa Ensete-Gruppe pflanze ich Musa rosacea, Canna Ehemanni, auch Papyrus, Amorphophallus Rivieri u. s. w. Unter den buntblättrigen Neuheiten zeichnete sich diesen Sommer besonders Lavatera arborea fol. var. aus. Dass die Pflanze in England aushalten soll, ist nicht glaubbar, dagegen scheint sie im Kalthause gut zu überwintern und verspricht sogar eine Fülle von Stecklingen. Unter den neuen, schön blühenden Sträuchern nimmt Azalea mollis unstreitig den ersten Rang ein. Selbst erst dreijährige Sträucher haben schon reichlich Blüthen; ältere Exemplare bedecken sich förmlich damit. Selten bei uns vertretene Farben in chamois, orangeroth u. s. w. zieren diese Sträucher. Die Azalea mollis werden mit der Zeit die pontischen Azaleen vollständig verdrängen theils durch ihre schöneren Blüthen, theils durch ihr Laub, das sich zum Theil schon während der Blüthe entwickelt hat. Seit einigen Jahren pflanze ich mit Blüthenknospen versehene Azalea mollis im Herbst in Töpfe, treibe sie schon im Januar und benutze sie sern zu Tafelaufsätzen,;, sie haben so schöne Lichtfarben und werden nicht so lästig durch ihren Duft wie Azalea pontica. Wie schön waren im Herbst meine Gruppen von Hydrangea pani- culata grandiflora. Die Hydrangea hatten unter Kiefernadeln überwintert und blühten wie Viburnum Opulus roseum (Schneeball) mit Hunderten von Blumen. Ich habe davon vier Hochstämme gezogen, zwei davon waren in der Ausstellung zu Liegnitz, gaben aber daselbst kein Bild, wie schön solche Exemplare sind; sie waren vom Hagel zerschlagen und vom Sturm zerpeitscht. Ein Versuch, von Hydrangea panicul. grandifl. die Blumen blau zu färben, sie also in eisenhaltige Erde zu pflanzen, hat die entsprechenden Exemplare im Wachsthum nicht behindert, aber auch keine blauen Blumen erzeugt. In diesem Herbst habe ich von einigen Exemplaren den Wurzelballen ganz ausgewaschen, der eisenhaltigen Erde schon vor längerer Zeit noch Eisenfeilspäne zugesetzt und denke die Pflanzen noch ab und zu mit aufgelöstem Alaun zu giessen. Sollte dieses Verfahren anschlagen und so blau gefärbte Blumen wie bei Aydrangia hortensis entstehen, so müsste der Anblick, namentlich bei Hochstämmen, entzückend sein. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 381 Ein gutes Wort für unsere einheimischen Orchideen. Von J. Zimmermann in Striegau. In einer Abhandlung ‚über das Verhältniss der schlesischen Flora zu unseren Gärten‘‘') hatte Verfasser dieser Zeilen bereits vor mehreren Jahren versucht, den schlesischen Gärtnern einige heimathliche, wild- wachsende Pflanzen zur probeweisen Aufnahme in die Gärten zu em- pfehlen. Im Jahre 1878. wagte er einen ähnlichen Anlauf gegen die genannten Herren, indem er in die schlesische Gartenbau-, Forst- und landwirthschaftliche Ausstellung (September 1878) ‚‚eine Deputation wilder Schlesier, die um freundliche Aufnahme in die grossen und kleinen Gärten ergebenst bittet‘‘ entsandte. Seit dieser Zeit hat er bei vielfachen Be- suchen in verschiedenen Gärten wenn auch nicht viele, so doch einige der für gärtnerische Behandlung in Vorschlag gebrachten Pflanzen vor- gefunden, wie auch mit einer gewissen Befriedigung die Aufnahme anderer „gemeiner Kräuter‘ in den Garten beobachtet.?) Infolge dieser erfreu- liehen Wahrnehmungen, welche darthun, dass die Leiter unserer Gärten der heimathlichen Flora doch nicht mehr so ganz fremd gegenüberstehen, wie dies früher der Fall war, erlaubt sich der Verfasser, die Herren Gärtner einmal auf eine einzige Pflanzengattung, auf die Orchideen auf- merksam zu machen und einige Species derselben zur Anpflanzung und. Pflege zu empfehlen. Wenn man erwägt, mit welcher Aufmerksamkeit und Sorgfalt die ausländischen Orchideen als da sind Cattleya, Dendrobium, Epidendron, Odontoglossum, Stanhopea u. s. w. u. s. w. jetzt in den Glashäusern, die dadurch mitunter ausschliesslich zu Orchideenhäusern geworden sind, gezogen werden und wie mancher Gärtner gerade in der Pflege dieser oft schwer zu haltenden exotischen Pflanzen sich abmübt, so findet man gewiss auch die Freude gerechtfertigt, welche derselbe über die ersten prächtigen Blüthen der fremden Pfleglinge empfindet. Der mancherlei vorhergegangenen misslungenen Versuche wird dann nicht mehr gedacht. Wie nun diese tropischen Orchideen nach und nach in den Glas- häusern unserer Gärtnereien Aufnahme gefunden haben, so könnten, wenn auch nicht alle, so doch einige unserer einheimischen Knaben- ') 55. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft (1877) S. 358 u. f. 2) Solche „gemeine“, in den Garten eingeführte Kräuter sind z. B. Ajuga reptans fol. atropurpureis und fol. aureis; Malachium aquaticum fol. ochroleuc. piet., die höchst wahrscheinlich von einem aufınerksamen Gärtner zuerst wildwachsend auf- gefunden und dann im Garten weiter gepflegt und vermehrt worden sind. 382 Jahres-Bericht kräuter für das freie Gartenland herangezogen werden, sei es für niedrige Gruppen oder für Einfassungen, Rabatten ete., und Verfasser ist fest überzeugt, dass bei einiger auf die ersten Versuche verwendeter Sorg- falt auch erfreuliche Resultate sich erzielen lassen. Bis jetzt sind von hier wild wachsenden Orchideen noch keine in den Pflanzenkatalogen der grossen Handelsgärtnereien verzeichnet, wenn es also gelänge, solche dauernd im Garten zu erhalten und auch in den Handel zu bringen, dann würde auch ein klingender Erfolg seine Mühe lohnen. Freilich stehen unsere einheimischen Orchideen hinsichtlich Form, Grösse und Prunk der Blüthen den exotischen sehr nach, hinsichtlich der Blüthenfarbe können jedoch einige der ersteren getrost einen Ver- gleich mit jenen aushalten, beispielsweise sei erinnert an die prächtig purpurnen Blüthenähren von Orchis mascula, an Orchis ustulata mit seinen feinen braunpurpurnen, an Cephalenthera xiphophyllum mit schneeweissen blüthen u. ss. w. — Ihr blumistischer Werth ist wahrlich nicht so ge- ring als er von einigen gärtnerischen Schriftstellern dargestellt wird. Auch die Schwierigkeiten sollen nicht unerwähnt bleiben, die der Anzucht der heimathlichen Orchideen sich entgegenstellen dürften. Als erste derselben erscheint dem Verfasser die geringe Bekanntschaft der Gärtner mit der Flora ihrer nächsten Umgegend. Dies Hinderniss möchte jedoch am leichtesten zu bewältigen sein; es gehört seitens der Herren nur ein guter Wille und ein offenes Auge für die mancherlei „Unkräuter“ des heimathlichen Gebietes dazu. Bedenklicher sind die Schwierigkeiten zu nehmen, die im Wesen der Pflanzen selbst liegen, und als solche seien zunächst die Abneigung der Orchideen gegen willkürliche Veränderungen ihrer Standorte, sowie ihre Empfindlichkeit gegen künstliche Düngung‘) genannt, wie auch die nicht leichte Wiederherstellung der Local- und Bodenverhältnisse für die zu überführenden Pflanzen. Ob schon Ver- suche angestellt worden sind, unsere wildwachsenden Orchideen mittelst Samen in den Gärten einzubürgern, ist dem Verfasser unbekannt ge- blieben; doch wäre auch dies Verfahren nicht ausser Acht zu lassen, falls die Uebertragung durch vollständig entwickelte Pflanzen resultatlos bliebe. Betrachten wir nun unsere schlesischen Orchideen etwas näher, um zum Schluss diejenigen auszuwählen, welche einer Aufnahme in den Garten die wenigsten Schwierigkeiten entgegenstellen dürften, die also leicht zu erkennen und infolge weiterer Verbreitung nicht leicht zu er- langen wären und die auch nicht besondere Bodenarten für ihre Cultur beanspruchen. !) Nach Leunis (1. Synopsis, II. Theil, Botanik, 2. Aufl., S. 1085) sollen die. einheimischen Orchideen auf künstlich angelegten Wiesen durch unseren Dünger zerstört werden. der Schles. Gesellschaft für vateri. Cultur. 383 Schlesien besitzt in 17 Gattungen 37 Species') wildwachsender Orchideen. Dieselben gehören sämmtlich in die Gruppe der terrestrischen oder Erdorchideen, welche mit ihren Rhizomen im Erdboden stehen und aus demselben ihre Nahrung entnehmen. Es sind Kräuter, deren Wurzeln entweder büschelig sind oder aus zwei ungetheilten oder handförmigen, schleim- und stärkemehlhaltigen Knollen bestehen, von denen eine jähr- lich abstirbt. Der einfache, aufrechte Stengel ist mit scheidigen oder stengelumfassenden Blättern besetzt, an deren Stelle bei einigen bräun- liche oder farblose Schuppen angetroffen werden. Die Blüthen stehen meist in Aehren, jede vom einfachem Deckblatte gestützt. Die Blumen- decke steht auf dem Fruchtknoten, ist gefärbt, kronenartig, tief sechs- theilig, unregelmässig, gewöhnlich rachenförmig oder zweilippig. Der obere, meist gespornte Zipfel des inneren Kreises wird während des Blühens durch eine Drehung des Fruchtknotens nach aussen und unten gewendet und erhält dadurch die Stellung einer unteren Lippe, während die beiden anderen Zipfel des inneren mit denen des äusseren Kreises eine obere Lippe oder den Helm bilden. In der Mitte der Blumen- blätter stehen auf gemeinschaftlichem, säulenförmigen Träger drei Staub- blätter, von denen meist nur das mittlere mit einem in zwei Fächer getrennten Staubbeutel besetzt ist, und der klebrige, scheibenförmige Stempel. Der Fruchtknoten ist einfächerig, gedreht, mit drei stärkeren und drei schwächeren Rippen. Die Samen sind ausserordentlich fein. Werden nun aus den 37 Arten der schlesischen Orchideen zunächst diejenigen ausgeschieden, welche selten und sehr selten sind, als: Ana- camptis, Orchis militaris, tridentata und pallens, Herminium, Epipogon, Cepha- lanlhera rubra, Epipactis rubiginosa und microphylla, Listera cordata, Liparıs, Malaxis und Microstylis, sowie diejenigen, welche ihrer Kleinheit und Un- scheinbarkeit wegen schwer zu finden sind, als Platanthera viridis, Gymna- denia albida, Helleborine spiralis, Corallorrhiza innata, Epipactis palustris und latifolia, Listera ovata, Neottia Nidus avis und Goodyera repens, so blieben etwa noch zwölf, die durch ihren Wuchs und schön gefärbte oder rein- weisse Blüthen sich eine Stellung verdienen könnten. Aber aus diesen seien nur diejenigen zunächst hervorgehoben, deren weitere und allge- meine Verbreitung in Schlesien, sowie leichtere Erkennbarkeit der Ueber- führung in gärtnerisches Land nur wenige Schwierigkeiten verursachen dürften. Es sind deren sechs ausgewählt, deren Wuchs sowie die Grösse der Blüthenähre und auch die Blüthenfarbe sie besonders zur Anpflanzung im Garten empfehlen. Die nähere Beschreibung derselben, besonders ') Diesen Angaben, wie auch die Nomenelatur der im weiteren Verlauf an- geführten Orchideen ist Fiek’s Flora von Schlesien, Breslau 1881, J. U. Kern’s Verlag, zu Grunde gelegt. 384 Jahres-Bericht aber die Angaben der Fundorte sind zum meisten Theil der bereits ge- nannten Fiek’schen Flora von Schlesien, wie auch einigen Localfloren entnommen. 1. Orchis sambueina L., Hollunder-Orchis. Das Rhizom dieser 15 bis 25 cm hohen Pflanze besteht aus zwei an der Spitze nur kurz getheilten Knollen, die Blätter sind breit zungenförmig, meist stumpf und ungefleckt, die Blüthenähre ziemlich dicht, Blüthen gelblichweiss oder hellpurpur- farben und purpurpunktirten, dreilappigen Lippe, der Sporn so lang als der Fruchtknoten. — Blüht Ende April bis Anfang Juni und liebt buschige Hügel, lichte Waldstellen, Bergwiesen und ist durch das ganze Vor- gebirge, selten in der Ebene zu finden. Breslau: Wald hinter Lissa, besonders am Quarkberge; Görlitz: am Königshainer Kämpfenberge und am Jauernigker Berge; Liegnitz: zwischen der Siegeshöhe und Weissenrode; Jauer: bei Berembersg, Peterwitz, Moysdorf, Weg von Gross-Wandris nach Profen; Neumarkt: Gebüsche bei Frankenthal; Steinau: Kreuz- und Georgenberg, Gebüsch unterhalb der Tschechner Mühle, bei Kuhnern, Gäbersdorf und Weissen- leipe; Bolkenhain: Simsdorf, Hohenfriedeberg; Landeshut: häufig an buschigen Berglehnen; Hirschberg: bei Kupferberg und Schmiedeberg; Schweidnitz: Gebüsche bei Nitschendorf, Schwarzfeld, Bögendorf, Ober-Weistritz; bei Charlottenbrunn in den Seifen; Waldenburg: Liebenau, Storchberg, Schmidtsdorf, Görbersdorf, Buchberg, Reimswaldau, Langerberg, Ranserplan; Reichenbach: Hahnberg, Langenbielau, im Eulengebirge überhaupt nicht selten; Frankenstein: Grochberg; Glatz: hohe Mense; Ohlau: Deutsch-Steine; Brieg: Kreisewitz; Strehlen: Lehmberg; Kosel: Wald bei Gross-Grauden;, Leobsehütz: Stadtwald, Badewitz, Rösnitz, Dirscheler Gypsgruben; Ratibor: Rybnik, Tscheit, Pschow. 2. Orchis mascula L., männliches Knabenkraut. Knollen ziemlich gross und eirund; Blätter länglich, stumpflich zugespitzt und nebst dem Stengel oft dunkelbraun punktirt, Höhe 25—60 em, Aehre länglich, locker, vielblüthig, Blüthen mit ziemlich gleichen gezähnelten Lappen und tief dreitheiliger Lippe; Sporen so lang als der gedrehte Frucht- knoten, Blüthen purpurn, Lippe heller und dunkel punktirt. Blüht im Mai und Juni und ist auf fruchtbaren, etwas feuchten Bergwiesen und grasigen Lehnen besonders im Vorgebirge zu finden, im Altvatergebirge noch in einer Höhe von 850 m. Löwenberg bei Lähn; Liegnitz: Gehölze an der unteren W eide- lache; Jauer: Bremberg, Moysdorf; Striegau: Kreuz- und breiter Berg; Freiburg: Folgen, Fürstenstein, Salzgrund; Schweidnitz: Ober-Weistritz, Leutmannsdorf (hier mit weissen Blüthen); Walden- burg: Salzbrunn, Storchberg, Kynau, Wildberg, Langwaltersdorf, Reims- waldau, Görbersdorf; Bolkenhain: Hohenfriedeberg; Schönau: Kitzel- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 385 berg bei Kauffung, Ketschdorf, Tiefhartmannsdorf; Hirschberg: Berbis- dorf; Landeshut: häufig; Reichenbach: im Eulengebirge ziemlich häufig; Frankenstein: Schlackenthal bei Reichenstein; NeustadtO.-S.: Kunzendorf; Kosel: Waldwiesen bei Roschowitz; Ratibor: Obora; Leobschütz: Bauerwitz etc. 3. Orchis latifolia L., breitblättriges Knabenkraut, fast überall als Kuckucksblumen bekannt. Knollen breit, hand- oder fingerförmig, getheilt, Blätter 4—6, abstehend, die unteren oval oder länglich, stumpf, die oberen kleiner, lanzettlich, zugespitzt, meist braun gefleckt. Höhe 15 bis 40 em; Stengel hohl, Aehre länglich eiförmig; die unteren Deckblätter länger als die Blüthen; Blüthenblätter fleisch- oder purpurfarben. Blüht im Mai und Juni, liebt feuchte und sumpfige Wiesen und findet sich häufig in der Ebene, im Vorgebirge bis aufs Hochgebirge; ist die ver- breitetste von allen schlesischen Orchideen, so dass eine Angabe ihrer Standorte in den einzelnen Gebieten sich erübrigen dürfte. 4. Platanthera bifolia Richard; Waldhyacinthe, wohlriechendes Knaben- kraut. Knollen länglich, rübenförmig, getheilt, am Grunde zwei grosse, dieht übereinander stehende, breitovale Blätter, die übrigen kleinlanzett- lich, hochblattartig, Stengel schlank, 25—5 em hoch, Aehre lang, locker, Deckblätter kürzer als die sehr wohlriechenden Blüthen; Kronen weiss- lieh mit langer ungetheilter Lippe; Sporn fadenförmig, länger als der gedrehte Fruchtknoten. Blüht im Juni und Anfang Juli auf Waldwiesen in lichten Laubwäldern durch das ganze Gebiet sowohl in der Ebene als im Vorgebirge, zur accessorischen Waldflora gehörig. Breslau: bei Nimkau, Wohnwitz, Lissa, Arnoldsmühl, Koberwitz, Mirkau, Kranzt, Sybillenort; häufig in den Trebnitzer Hügeln, auch in den andern Kreisen meist häufig. 5. Gymnadenia conopea R. Brown, Haswurz, fliegenartiges Knaben- kraut. Knollen handförmig getheilt; Blätter lineal-lanzettlich mit kappen- förmig zusammengezogener Spitze; Stengel schlank, 20—60 em hoch und meist röthlich; Aehre länglich, ziemlich dieht; Blüthe hellpurpur oder fleischfarben, selten weiss, schwach wohlriechend; Deekblätter dreinervig; Lippe dreilappig; Sporn fadenförmig, 1',—2mal so lang als der Fruchtknoten. Blüht im Juni und Juli und findet sich auf frucht- baren, mehr trockenen Wiesen und grasigen Abhängen, jedoch in der Ebene mehr zerstreut, im Vorgebirge dagegen allgemein verbreitet und zahlreich, sogar noch im Hochgebirge bis 1230 m Höhe. Breslau: Opperau, Schmolz, Koberwitz, Süsswinkel; Bunzlau: Schauermühle, Looswitz-Warthauer Wald, Gross-Hartmannsdorf; Lieg- nitz: Peistwiesen bei Panthen; Striegau: Taubnitz, Damsdorf, Haus- dorf, Oelse, Hohenfriedeberg;, Sehweidnitz: Zobtengebirge, Goldner Wald; Waldenburg: Altwasser, Fürstenstein, Gottesberg; Landeshut: 18855. 35 386 Jahres - Bericht häufig; Strehlen: Ruppersdorf; Brieg: Kreisewitzer Busch; Leob- schütz: bei Katscher, 6. Cephalanthera Xiphophyllum Rehbeh fil., schwertblättriges Wald- vöglein. Wurzelstock büschelfaserig, Stengel schlank, 30—60 em hoch, Blätter fast zweizeilig, lanzettlich, lang zugespitzt, Deckblätter viel kleiner und kürzer als der Fruchtknoten, Aehre meist vielblüthig; innere Blüthen- blätter spitz; Blüthen schneeweiss, innen mit gelbem Fleck auf der Lippe. — Blüht im Mai und Anfang Juni in lichten Gebüschen, Laubwäldern, an buschigen Bergabhängen in der Ebene wie auch im Vorgebirge. Breslau: bei Lissa; Görlitz: Kämpfenberg; Liegnitz: Forst- haus Helle, Parchwitz, bei Bielwiese und Lampersdorf; Goldberg: Bürgerberg; Bolkenhain: Bienwald, Hohenfriedeberg; Jauer: Berem- berg, Moysdorf; Striegau: Gansberg, Höllenberge bei Häslicht, Nonnen- busch, Streitberg, Jarischauer Berge, Krifkenbusch bei Barzdorf, Kuhnern, Lamsdorf; Schweidnitz: Konradswaldau, Geiersberg, Zobten- und Költschenberg, Bögenberge, Ludwigsdorf und Ober-Weistritz, Goldener Wald; Freiburg: Folgen, Fürstenstein, Silberlehne; Reichenbach: Langerberg bei Hubendorf, im Eulengebirge nicht selten; Strehlen: am Rummelsberge; Neisse: Kreuzberg; Oppeln: bei Proskau; Gross- Strehlitz: Wysoka-gora am Annaberge; Ratibor: Rudeck, Brzesnitz, Pawlauer Busch; Gleiwitz: Dombrowa, Labander Wald; Tarnowitz: Segethwald; Mysslowitz: Wald bei der Stadt u. a. OÖ. Bezüglich der geognostischen Unterlage, auf welcher die hier be- schriebenen Orchideen in Schlesien vorkommen, dürften ihrer Binführung in den Garten auch nicht sonderliche Schwierigkeiten erwachsen. Bei keiner derselben ist eine Neigung zu einer besonderen Bodenart zu er- kennen, was schon aus den verschiedenen Fundorten derselben hervorgeht. So gedeiht Orchis sambucina auf basaltischer Grundlage ebenso kräftig wie in angeschwemmtem Boden; Orchis mascula auf Basalt, Grauwacke, Thonschiefer, Gneiss, Porphyr, sogar auf den ausgebrannten, unver- witterten Gesteinshalden des Schlackenthales bei Reichenstein; Orchis latifolia in jedem Boden, wenn nur die erforderliche Feuchtigkeit vor- handen ist. Auch von den andern der angegebenen Pflanzen ist dasselbe zu sagen, und wenn auch Gymnadenia conopea und Cephalanthera Aypho- phyllum durch kräftigeres Wachsthum und zahlreicheres Vorkommen auf kalkhaltigem Boden eine gewisse Vorliebe zu demselben zu verrathen scheinen, so verschmähen sie doch auch gewöhnliches Erdreich nicht, was ihr Vorkommen bei Striegau, Jauer, Fürstenstein ete. beweist. Möge diese kleine Abhandlung wenigstens einige Anregung zu Ver- suchen geben, unsere schönen einheimischen Orchideen in die Gärten einzuführen und sich auch hier das alte Sprichwort bewähren: Ein gutes Wort find’t guten Ort! | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 387 Ueber Vertilgung der Flechten auf Fruchtsträuchern und Obstbäumen und eine neue Methode dazu. Von Mortimer Scholtz, Apotheker in Jutroschin, Die Gärtnersprache macht nicht immer einen wirklichen Unterschied zwischen Moos und Flechte und was ich in der Ueberschrift mit Flechten bezeichne, empfängt von manchem braven Gärtnersmann getrost den Namen Moos. | Im Grunde genommen ist es ja auch für die Gärtnerei gleichgiltig; denn beide sind sie Feinde des sauberen natürlichen Aussehens einer holzigen Pflanze und deren Gesundheit. Indessen habe ich mir vorge- nommen, nicht über die Laub- oder Lebermoose, wirkliche Moose von meist grünem Aussehen, die Feder zu ergreifen, sondern von den fälschlich Moose genannt werdenden, grün, gelb und grau gefärbten Flechten zu sprechen, wie wir sie so häufig auf den Aesten und Zweigen von Obst- bäumen und Beerensträuchern wuchern sehen. Meine Besprechung hat aber keinenfalls den Zweck eine Beschreibung der Natur der Flechten im Allgemeinen zu geben, denn so interessant diese Pflanzen auch sein mögen, so sind sie doch bis jetzt nicht zu einer gärtnerischen Cultur herangezogen worden und gehören somit auch nicht in das Bereich unseres Studiums. Sie sind von Jedem hinlänglich gekannt, welcher Obstbäume und Fruchtsträucher besitzt, und brauchen somit nicht erst beschrieben zu werden, vielmehr sei unser Studium das ihrer Ver- tilgung. Wir finden diese Flechten überall, wo nach aussen gelegene Holz- zellen in eine beginnende Verwesung übergehen und ein gewisser Feuchtigkeitszustand der Luft, wie namentlich im Herbst und Frühling ihr Gedeihen begünstigt. Bei grosser Verbreitung wirken dieselben auf die holzigen Theile einer Pflanze jedenfalls schädlich ein, dass sie jedoch eine Folge, ein Product der beginnenden Kränklichkeit einer Pflanze seien, wie manche gärtnerische Lehrbücher behaupten, möchte ich be- streiten, und lässt sich dieser Irrthum dadurch leicht erkennen, dass man erwägt, wie ja bei den meisten Holzpflanzen im reiferen Alter die äusserste Rinde sich naturgemäss im Zustande des Absterbens befindet, daher auch oft von der Pflanze selbst abgestossen wird (Platanus, Ribes) oder wenn dies nicht der Fall ist, vom Menschen abgenommen werden muss (Pirus communis), um die Gesundheit der Pflanze zu erhalten, und wie somit der Flechte mit diesen absterbenden Rinden- also Holztheilen der richtige Boden zu ihrem Gedeihen geboten wird. Wir finden diese Schmarotzer niemals an gesunden jungen Pflanzen, selbst wenn man sie y5* ir 388 Jahres-Bericht diehi neben andere ihres gleichen gestellt hat, welche mit ihnen über- zogen sind. Erst mit eintretender Reife, mit zunehmendem Alter des Baumes beginnt der Process des Absterbens der äusseren Rindentheile, und von diesem Augenblicke an nimmt die Flechte von ihnen Besitz. Es schliesst dies Alles jedoch keinesweges aus, dass eine erkrankte, also im Zustande des Absterbens befindliche Pflanze einen grösseren Nährboden für die Flechten bietet, und diese sich schneller und be- quemer auf ihr ausbreiten werden können, da bei einer derart erschöpften Pflanze auch die Rinde rascher in den Zustand kommen wird, in welchem sie sich befinden muss, um Flechten zu ernähren. Bei Stämmen und Eee empfiehlt sich stets und ist am einfachsten das Abnehmen der pflanzlichen Parasiten und der abgestorbenen Rinde; bei dünnen Zweigen, namentlich auch solcher von Stachelbeeren oder anderen Fruchtsträuchern oder Bäumchen dieser Pflanzen ist diese Manipulation aber mitunter geradezu unmöglich oder nur mit grossem Zeitaufwande auszuführen. Für diesen Fall predigen nun allerhand Lehrbücher aller- hand Methoden, welche alle, bis auf den Anstrich mit Kalk, über den ich weiterhin sprechen werde, an einem grossen Uebel leiden, nämlich an dem, dass sie nicht brauchbar sind. Um dies zu begründen, stelle ich hier die durch Erprobung und Erfahrung und auch wohl auf das Naturell der Pflanze gestützte Behauptung auf: Keine Pflanze leidet durch verdünnte Alkalien an ihrer Epidermis, so lange diese gesund ist; ist Letztere jedoch, wie dies bei der reifen oder älteren Pflanze immer der Fall ist, in einem gewissen Zustande des Absterbens, so be- schleunigen diese chemischen Stoffe den Vorgang durch chemische Action, indem die Humusbildung und weitere Zellentödtung und Zerstörung eintritt. Dieser Wahrheit müssen wir Rechnung tragen, wenn wir Alkalien verwenden wollen, um Flechten zu tödten, und Alkalien, alkalisch wirkende Stoffe oder Mischungen mit solchen sind es zumeist, welche für diesen Fall empfohlen werden. Wer mit offenen Augen der- gleichen Mittel probirt, wird finden, dass erstens die Flechten durch die- selben nicht absterben, höchstens bei grosser Concentration des ange- wendeten Stoffes, und dass sie zweitens auf jeden Fall, ob abgestorben oder nicht, auf den so behandelten Stellen binnen kurzer Zeit, nur mit Ausnahme der heissen Sommer- und der kälteren Wintermonate, um so lustiger heranwachsen werden. Die frühere Zeit hatte Manches in einen Topf geworfen. Man be- nutzte allerlei alkalische Stoffe, wie Kalk, Lauge, Pottasche u. s. w. zur Vertilgung von Insecten, indem man mit Lösungen einzelner dieser Stoffe oder direct mit ihnen die Rinde bestrich; dass man sich aber dabei geradezu einen Nährboden für Flechten schuf, wie ich soeben erläutert habe, daran dachte man nicht. Man freute sich, dass diese Schmarotzer- pflanzen nass leiehter abgebürstet, trocken leichter abgerieben werden Pu. ze ei der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 389 konnten, ja dass sie mitunter auch verschwanden, beobachtete aber ganz und gar nicht, dass sie um so schneller wiederkehrten und dadurch zu einem erneuten Anstrich veranlassten. Die Art und Weise gegen die Baumflechten vorzugehen blieb immer die gleiche, und ein Buch gab die Methode des anderen mit grosser Genauigkeit wieder, so blieb der Irrthum bis auf die heutige Zeit. Dass ausser den vorhin angeführten alkalischen Stoffen auch alka- lische Curiosa angewendet wurden (Manche werden es wohl heute noch thun) darf nieht Wunder nehmen, so empfiehlt ein Lehrbuch z. B. ein Gemisch von zwei Dritttheil Lehm, ein Dritttheil Kalk und Kuhmist, zum Brei angerührt, als Anstrich. Hier entwickelt der Kalk aus dem Kuhdünger Ammoniak und diese Alkalie bildet die wirksame Kraft. Ein anderes, recht appetitliches Recept ist folgendes: Man mische gleiche Theile von Lehmerde, Holzasche, Hühner- oder Taubenmist und frischen Kuhfladen recht gut zusammen, überstreiche bei mindestens trübem Himmel die betreffenden Stellen mit einer Bürste, mit welcher man folgenden Tages wieder Alles gehörig abreibt. Dies Recept stammt jedenfalls aus jener Zeit, in welchen erkrankten Leuten von den ge- puderten Doctores Album graeeum, auf Deutsch Hundekoth als Arznei verordnet wurde. Alle diese Mittel sind, um es nochmals zu sagen, fast nutzlos oder schädlich, unanwendbar aber bei jungen Zweigen alle breiigen Anstriche dieser Art. Um nun des Kalkes nicht zu vergessen, so sei erwähnt, dass er sich als dünne Kalkmilch angewendet ohne Wirkung, mit weniger Wasser vermischt von guter Wirkung erweist, indessen wohl hauptsächlich nur dadurch, dass er die auf diese Weise bestriehenen Flechten hermetisch von der Luft abschliesst, wodurch ihre weitere Vegetation gehindert wird; da der Kalkanstrich auch längere Zeit dem Regen widersteht, so ist deren Tödtung gesichert. Leider aber ist dieses längere Haften des Kalkes an den Zweigen ein grosser Uebelstand, eine Schattenseite des- selben, denn in Ziergärten, in denen Ordnungs- und Schönheitssinn die Dirigenten sein sollen, wirken Bäume und Sträucher mit Kalkanstrich nicht gerade wohlthuend für das Auge, und ich für meine Person habe aus diesem Grunde die Verwendung des Kalkes längst fallen gelassen; dass er dahei auch Insectenlarven und deren Eier tödtet ist ja richtig, dies erreicht man im Ziergarten aber auch leicht durch andere Mittel, ohne die Pflanzen so zu verunschönen. Für Obstgärten, Alleen und Gärten, die nur dem Geldbeutel und nieht dem Vergnügen dienen sollen, lasse ich den Kalk indessen gelten und sieht man ihn ja auch an solehen Orten fleissig verwendet. Wenn man übrigens beim Kalk von der Erstickung der Flechten absieht und in ihm nur einen alkalischwirkenden Stoff erblickt, wie das Kalkhydrat ja in der That ein soleher ist, so müsste aus der erstickten Flechte 390 Jahres - Bericht durch chemische Zerlegung Ammoniak entbunden werden, welches ebenso nährbodenbildend wirkt wie alle übrigen Alkalien und das sichere baldige Erscheinen neuer Flechten nach Fortgang des Kalküberzuges ebenso garantirt wie jene, Milliarden von Flechtensporen schwimmen im Luftmeer umher, um nach noch unaufgeklärten Naturgesetzen zu ihrer Festsetzung passende Stellen im Augenblicke ihrer Entstehung auf- zufinden. Nach allen diesen Beobachtungen und Erfahrungen verwarf ich die Alkalien für unsere Zwecke und suchte nun mein Heil in ihren Gegen- sätzen, nämlich in den Säuren, wohl wissend, dass sie‘ keine Freunde des Pflanzenlebens sind, und nicht so willig von ihm vertragen werden wie die Alkalien. Dass die starken Säuren, wie Schwefel-, Salz- und Salpetersäure dazu nicht passend erschienen, lag auf der Hand, weil diese kräftigwirkenden Stoffe durch Angreifen der Epidermis oder äusseren Rindenschicht grosse Nährbodenbildner sein müssen; auch würden sie zartere Theile, wie dünne junge Triebe und Blattknospen ohne Weiteres zerstören. Ihre Verwerfung war daher selbstredend, ebenso wie die der Phosphorsäure, welche als zu theuer unberücksichtigt bleiben musste, Ich wandte mich daher zu den organischen Säuren. Mit diesen gaben mancherlei Versuche unbefriedigende Resultate, wohl aber gelang vor einigen Jahren der Versuch mit der Oxalsäure, und zwar auf das voll- kommenste. Als ich, um genauer Data zu geben, im Winter des Jahres 1882 meine grossen Stachelbeer- und Johannisbeer-Kronen mit Hilfe eines Pinsels mit einer Lösung der Oxalsäure bestrich, ohne Rücksicht auf die Stellung der Knospen zu nehmen, hatte ich die Freude im Jahre 1883 dieselben vollständig frei von Flechten zu sehen und die zur Probe herangezogenen Exemplare sind es noch heute. Weitere Versuche im ersten Quartal des vergangenen Jahres mit anderen Sträuchern und Pflaumenbäumen ergaben dasselbe prächtige Resultat, und es ist somit nicht zu zweifeln, dass die Oxalsäure sich eine Stellung im Geschäftsapparat des Gärtners erringen wird. Die Flechten werden nach gehörigem Bestreichen resp. Tränkung mit der gelösten Säure, welche Arbeit nur einmal und zwar am besten im Herbste an einem klaren Tage, oder an einem ebensolchen und frost- freiem im Winter vorgenommen wird, zuerst bräunlich, endlich schwarz, verschrumpfen und verschwinden. Halten sich die Sträucher nach dieser Behandlung selbst nur für den Zeitraum von zwei Jahren rein, so ist das wahrlich ein günstiges Resultat zu nennen; auch kostet der Anstrich wenig Material, Mühe und Zeit. Die Oxalsäure, ein weisser, fester, erystallisirter Stoff, ist in Wasser schwer löslich; wendet man sie jedoch in gepulvertem Zustande an, so ist die Lösung leichter erzielt. Man braucht einen Theil Säure zu acht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 391 Theilen kalten Wassers, am besten Fluss- oder Regenwassers, um mittelst Umrührens mit einem Holzstäbehen, durchaus aber in einem irdenen Gefässe, eine concentrirte Lösung zu erhalten. Bleibt bei dieser Operation ein Theilchen Säure ungelöst, so hat dies nichts zu bedeuten und keine Verminderung der Wirkung zur Folge, denn die Flechten sterben auch durch eine weniger starke Lösung, eine concentrirte tödtet sie nur schneller. Da die Oxalsäure zu menschliehem Genuss untauglich ist, ja als Gift betrachtet werden kann, so ist mit ikrem Umgange Vorsicht zu ver- einen. Indessen ist sie nicht giftiger als das Putzwasser der Küchen- damen und die Salzsäure der Klemptner. Der Preis derselben bildet für ihre Verwendung kein Hinderniss. Interessant zum Schlusse dürfte es sein, dass die Oxalsäure für die Flechten ein Gift ist, während doch deren körperliche Substanz zu einem grossen Theile aus oxalsaurem Kalk besteht! Wie vertreibt man die weisse Schildlaus der Rose (Aspidiolus rosae Bouche)? Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Unter die vielen Feinde der Rose gehört auch die weisse Schild- laus, welche durch Aussaugen namentlich dann sehr schädlich wird, wenn sie sich der grünen Zweige bemächtigt. Man kann beobachten, . dass dieselbe sich zuerst bei älteren Rosenstöcken einfindet und bei diesen gern die hohlen Räume ausfüllt, welche zwischen alter Rinde und Stamm entstehen. Sie verbreitet sich vom Wurzelhals an nach aufwärts, und gebietet man ihrem weiteren Vorschreiten nicht Halt, so kann es vorkommen, dass im Laufe eines Sommers die Aeste und Zweige einer Krone fast ganz, und zwar in der Art von der kleinen Schmarotzerin überzogen werden, dass es aussieht, als seien sie in weisse Schuppen gehüllt. Es giebt wohl eine Menge Mittel, um dies Ungeziefer zu tödten, aber man kann nicht alle derselben anwenden, weil sie der Vegetation der Rose schadenbringend sind, und ist daher genöthigt, nach einem Vertilgungsmittel zu suchen, welches in keiner Weise die Rinde und die Blattknospen verdirbt, also der Pflanze nicht schädlich und welches zugleich auch möglichst billig ist. Ich fand nun nach verschiedenen anderen Versuchen, dass das Schwefelkalium, Kalium sulphuratum eru- dum, diese Bedingungen durchaus erfüllt. 3923 Jahres-Bericht Man nehme im Herbst, wenn die Rosen bereits zurückgeschnitten sind, oder unter gleichen Verhältnissen im zeitigen Frühjahr, jedoch bevor die Vegetation begonnen, die Procedur folgendermassen vor, wobei ich jedoch warnen muss, die abgeschnittenen Aestchen oder Zweigspitzen bei den Rosen liegen zu lassen; diese sind vielmehr fein säuberlich wegzuräumen und zu verbrennen aus leieht ersichtlichen Gründen. Von Schwefelkalium, dessen Preis je nach der Bezugsquelle etwa zwischen 40—80 Pfennige pro Pfund schwanken dürfte, nehme man ungefähr /, Pfund auf '/, Liter. kalten. Wassers, gleichviel ob vom Teich, Fluss oder Quell, schütte beides in ein irdenes Gefäss, rühre mit einem Holz- stäbehen die Mischung so lange durcheinander, bis alle festen Theile verschwunden sind und bestreiche nun mit einem Pinsel alle befallenen Stellen. Abgestorbene Rindentheile, unter denen oft ganze Nester des Aspidiolus gefunden werden, sind abzuschälen. Die meisten Thierchen lösen sich schon beim Bestreichen von ihren Plätzen ab, sollten sie aber, wie es ja häufig vorkommt, so diekschichtis aufeinander liegen, dass man annehmen könnte, die Flüssigkeit benetze nicht alle zu gleicher Zeit, sie dringe nicht gehörig hinein, so möge man nach dem Bestreichen die Masse mit einem passenden scharfkantigen Stückchen Holz abschaben und dann nochmals mit der Flüssigkeit bepinseln. Die Handhabung des Schwefelkaliums ist gefahrlos; im eoncentrirten Zustande jedoch ‚färbt die Lösung die menschliche Haut vorübergehend braun, und man hat daher darauf zu sehen, dass, wenn man einiger- massen eitel ist, man dies durch Umsicht verhüte. Fatal an diesem Stoffe ist der nicht besonders vornehme Geruch, welchen er aushaucht (Schwefelwasserstoffgas) und der dem Geruche nach faulen Eiern so ähnlich ist, wie ein Ei dem anderen. Ist nun bei der beschriebenen Procedur richtig. verfahren, so färben sich alle bestrichenen Theile mattweiss, welche Farbe von abgeschiedenem Schwefel herrührt, sich jedoch nach einiger Zeit verliert. Um sichere Wirkung zu erreichen, muss die Arbeit an einem regenfreien Tage vor- senommen werden. Die Tödtung des Aspidiolus tritt zunächst durch die ätzende Natur des Schwefelkaliums ein, welche aber in dem hier zur Verwendung kommenden Concentrationszustande auf die pflanzliche Epidermis gänzlich ohne schädlichen Einfluss ist. Wird ausserdem, wie es thatsächlich der Fall ist, die Verbindung des Schwefels und des Kaliums durch die atmosphärische Luft gelöst, indem sich kohlensaures . Kali, Schwefel und Schwefelwasserstoff bildet, so sind alle drei hier entstandenen Körper ebenfalls wieder Feinde des niederen thierischen Organismus, ohne der Pflanze schadenbringend zu sein; dies könnte nur stattfinden bei Anwendung massiger Quantitäten aller dieser Stoffe, wie sie zur Vertilgung dieses 'T'hierchens niemals nothwendig sein werden. a ah der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 393 Es ist nicht zu bezweifeln, dass das Schwefelkalium auch zur Be- seitigung anderer Arten von Schildläusen dienen kann, wie sie auf anderen holzigen Pflanzen zu finden sind; mir war jedoch bis dato eine Gelegenheit nicht geboten, derartige Versuche anstellen zu können. Einige Bemerkungen über das Rasenlegen. Von Hofgärtner W. Peicker in Rauden OS. In dem Novemberheft der „Wiener Obst- und Gartenbau-Zeitung“, Jahrgang 1883 S. 474, befindet sich unter dem Titel: „Rasenziegel- eultur‘‘ von Francois Thomayer, ein Aufsatz, worin ein Verfahren an- gegeben ist für diejenigen Fälle, wo man genöthigt ist, zur Berasung bestimmter Flächen der „Rasenziegeln“ anstatt der Besamung sich zu bedienen, die hierfür .nöthigen „Rasenziegeln‘ in kurzer Zeit zweck- mässig sich heranziehen zu können, Dieses Verfahren besteht, nach F. Thomayer, darin, dass man zeitig im Frühjahr an dem für solchen Reserverasen ausgewählten Ort (mit bindigem, nicht zu trocken gelegenem Boden) einen Theil der Erde beeteweise derart aushebt, dass auf die dadurch frei gewordene ver- tiefte Ebene zuerst eine etwa 10 cm hohe Lage „Streu“ oder Säge- spähne- aufgebracht und festgewalzt wird. Auf diese Unterlage kommt eine ca. 6 cm hohe Schicht von der ausgehobenen Erde gut geebnet zu liegen, um darauf die Aussaat geeigneter Gräser, etwas dichter als ge- wöhnlich zu machen. Der Same wird nicht eingeharkt, sondern von dem Rest der ausgehobenen Erde in entsprechender Stärke bestreut und dem- nächst dieser Anbau gewalzt. Nach dem Aufgehen der Saat wird das Walzen wiederholt und, wenn das Gras 6—8 cm hoch ist, wird es ge- mäht. So behandelt sind in 6—8 Wochen, vom Zeitpunkt des Anbaues an gerechnet, die „Rasenziegeln“ gebrauchsfertig. Die Streu- beziehungs- weise die Sägespähne-Unterlage soll bewirken, dass die Graswurzeln nur in der oberen Erdschicht bleiben und dort sich rasch zu einem haltbaren Geflecht verzweigen, dass der Rasen sich leicht abschälen lasse u. s. w. Praktische Versuche mit diesem immerhin bemerkenswerthen Ver- fahren werden Jeden dafür sich Interessirenden am besten belehren, wie weit damit jenen einschläglichen Bedürfnissen, aus welchen diese Methode resultirt, genügt werden dürfe und inwieweit sie als ein er- wünschter Fortschritt anzusehen ist. 394 Jahres - Bericht Neben der Thatsache, dass sowohl innerhalb wie ausserhalb des luxusgärtnerischen Betriebes das Bedürfniss öfters vorliegt, zum Rasen- legen anstatt zur Grassaat seine Zuflucht nehmen zu müssen; dass man aber die erstere Manipulation in ihrem Erfolge oft missglücken sieht, war der oben eitirte Aufsatz in der „Wiener Obst- und Gartenbau- Zeitung“ für mich noch insofern eine wesentliche Anregung, dieses Thema zum Gegenstande einer Besprechung aus meiner Praxis an dieser Stelle zu machen, als Herr F. Thomayer an einer anderen Stelle seines Aufsatzes ein Belegen von Wiesenrändern aus dem Grunde perhorreseirt, weil, wie er sagt, solche „Ziegeln“ an den Rändern leicht austrocknen, sich werfen u. s. w. Wie wohl ich mit Herrn F. Thomayer das Belegen der Ränder ebener, frisch besäeter Rasenflächen mit älterem Rasen selbst dann nicht für empfehlenswerth halte, wenn der zu legende Rasen aus der- selben Gräsermischung wie die frisch gemachte Grassaat bestände, so sind die Fälle doch auch nicht selten, wo man sich genöthigt sieht, gleichwohl auch bei ebenen Flächen zertretene oder sonstwie verdorbene Rasenränder durch Belegen mit „Rasenziegeln‘“‘ rasch zu ergänzen. Wenn demnach schon in solchen Fällen das Austrocknen und Sichwerfen der „Rasenziegeln‘ als ein gefürchteter Umstand angesehen werden kann, so muss dies bei geneigten Flächen — welche überhaupt die meiste Veranlassung zur Anwendung des Rasenlegens geben — in noch weit höherem Grade der Fall sein. Und in der That! das Misslingen des Erfolges so mancher Rasenlege-Arbeit ist in den meisten Fällen auf einen Mangel an ausreichender Feuchtigkeit zurückzuführen! Es wurde zwar vielleicht ein recht reichliches Quantum Wasser verwendet, aber es wurde — richtiger gesagt — verschwendet, weil es nicht an den richtigen Ort kam, und dies ist der Punkt, auf den aufmerksam zu machen der Zweck vorliegender Besprechung für Diejenigen ist, die sich eines fehlerhaften Vorgehens bei der in Rede stehenden Arbeit be- wusst sind. Gewöhnlich wird der Rasen erst dann begossen, wenn er bereits gelegt ist, ohne dass man vorher dem Untergrunde den hauptsächlichsten Theil des Wassers zukommen liess. Man hält diesen frisch gelockerten Untergrund entweder für feucht genug, als dass man ein Begiessen des- selben für nothwendig erachtete, oder man meint, mit einem reichlichen Begiessen des gelegten Rasens das Möglichste in dieser Beziehung gethan zu haben, was einen lohnenden Erfolg der Kosten und Mühen sicherte. Kommt dann soleher Arbeit nicht glücklicherweise etwas anhaltend feuchtes und trübes Wetter oder eine von Natur feuchte Lage zu Hilfe, so wird man nur in seltenen Fällen es bewältigen können, durch fort- gesetztes Begiessen so gelegten Rasen vor dem Verbrennen gleichmässig zu bewahren! In den meist sehr dichten Wurzelfilz solcher „Rasen- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 395 ziegel‘‘ dringt das obenauf gebrachte Wasser, selbst bei ebener Fläche, nur äusserst langsam ein: um wie viel weniger gar bei geneigtem Terrain! Während im Allgemeinen ein grosser Theil dieses Wassers, bei trockenem, warmen Wetter, bald an der Luft verdunstet, wird es je nach der grösseren oder geringeren Geneigtheit der Oberfläche in demselben Verhältniss schwieriger sein, die aufgelegten Rasen gehörig zu durchfeuchten. Fehlt es dabei den durch das Abschälen der „Rasen- ziegeln““ ohnehin stark redueirten Graswurzeln nach unten an dem be- lebenden Medium sich zu reprodueiren und in den Nährstoff bietenden Untergrund bis zu einer Tiefe einzudringen, die dem Austrocknen minder ausgesetzt ist, so waren Arbeit und Kosten umsonst angewandt und aller andere Aerger dabei muss mit in den Kauf genommen werden. Um also mindestens für die laufende Vegetations-Saison, mit ver- hältnissmässig geringerem Arbeitsaufwand ein gutes Resultat vom Rasen- legen sich zu sichern, gebe man dem gehörig tief gelockerten und vor- bereiteten Boden vor dem Belegen mit Rasen, so reichlich Wasser, dass er bis zu einer, den localen Verhältnissen entsprechenden Tiefe gründlich durchfeuchtet ist, welchen Zweck zu erreichen man bei augen- scheinlich trockenem Boden zuweilen genöthigt sein wird, denselben ver- mittelst Schippe oder Hacke ete. mit dem Wasser direet und tief zu vermischen. Ebenso hängt es von den localen Umständen ab, ob man von dem mit Rasen zu belegenden Boden grössere Flächen schon lange vorher einer gründlichen Durchfeuchtung unterzieht, um dem aufgeweichten Untergrund Zeit zu lassen, wieder consistenter zu werden, oder ob man — was häufiger geschieht — mit dem Bewässern erst während der Arbeit des Rasenlegens nur strichweise so weit vorgeht, dass dadurch ein reguläres und sauberes Ausführen der ganzen Arbeit im Uebrigen nicht gestört wird. Immerhin wird aber auch im ersteren Falle ein nochmaliges starkes „Bebrausen‘‘ der Oberfläche des Tages vorher schon durchdringend begossenen Bodens, unmittelbar vor dem Auflegen der Rasen von Vortheil sein. Dass die ahgeschälten ,„Rasenziegeln“ möglichst frisch auf ihren neuen Bestimmungsort gebracht werden müssen, ist wohl ein Punkt, der sich von selbst versteht. Sollte aber dennoch diese Arbeit bei trockenem Wetter eine unfreiwillige Unterbrechung erleiden und die „Rasenziegeln“ einen bedenklichen Grad von Trockenheit erreicht haben, oder überhaupt schon besitzen, so wird man gut thun, entweder die einzelnen Stücke vor dem Verbrauch ganz in Wasser zu tauchen, oder in umgekehrter Lage stark zu begiessen. Das Hauptgewicht ist indess immer auf durch- greifende Bewässerung des Untergrundes zu legen! Auf solehem werden relativ trockene Rasen selbst ohne die zuletzt erwähnte Manipulation sich bald erholen und es genügt oft in solchen Fällen, wenn die Ober- fläche der fertigen Arbeit nochmals gut begossen wird. Es soll damit 396 Jahres - Bericht nun keineswegs gesagt sein, dass man von nun an für die ganze Saison sich in keinem Falle mehr um die Sache zu kümmern habe: denn Boden, Lage und Witterung können zusammenwirken, den Verbrauch der ge- gebenen Feuchtigkeit so zu beschleunigen, dass man nach einem bereits erwünschten Gelingen des Erfolges in die Lage kommt, dureh Wieder- holung des Begiessens, die Oberfläche des Rasens immer noch für leichtere Aufsaugung der Feuchtigkeit (sei dies künstlich zu gebender oder von der Natur gebotener) empfänglich zu erhalten. In abschüssiger und sonniger Exposition wird — folgt heisses, trockenes Wetter der sorg- fältigen Arbeit — die Sorgfalt noch so weit auszudehnen sein, dass man durch Bedecken des gelegten Rasens mit Nadelholz- oder grünen Laub- holzzweigen etc. einen zu raschen Verbrauch der gegebenen Feuchtigkeit zu vermindern sucht u. s. w. In jedem Falle aber wird bei einem Vorgehen in der oben ange- sebenen Weise, der Effeet zunächst ein erfreulicher, ja überraschender und verhältnissmässig sehr nachhaltiger sein. Sieht man sich — sei es bei so gelegtem Rasen nach längerer oder kürzerer Zeit, sei es bei an Ort und Stelle verwachsenem Rasen überhaupt — dureh unvermeidliche Umstände veranlasst, vor der Aufgabe, abschüssig exponirten Rasen durch Begiessen vor dem. Verdorren zu retten, so hilft man sich zu- weilen dadurch mit sichtlichem Erfolg, dass man den festen Rasen ent- weder mit einer langzinkigen Düngergabel, einer Gabelhacke, oder mit einem sonstigen, gut zugespitzten, nicht über einen Zoll starken Gegen- stand, reichlich durchlöchert und dann das Begiessen in entsprechenden Intervallen vornimmt und schliesslich diese Löcher mit gutem Boden wieder ausfüllt u. s. w. Uebrigens werden bei wiederholtem Begiessen diese Löcher von selbst zugespült und es bedarf bei gehöriger Feuchtig- keit des Bodens nur noch einiger Nachhülfe durch Schlagen mit einer Schippe oder einem Rasenschlägel, um, wenn es nöthig, die Ebenung zu vervollständigen. Noch erübrigt es darauf aufmerksam zu machen, dass man auch Bedacht darauf zu nehmen hat, dass die Qualität des Unter- grundbodens — worunter ich, wie überall vorher, nur diejenige Cultur- bodenschicht verstehe, auf die der Rasen gelegt werden soll — mög- lichst der des aufzulegenden Rasens nähert oder ihr gleich ist. Eine Differenz hierin erscheint mir besonders in dem Falle von Nachtheil, wenn auf einen trocken gelegenen, sandigen, durchlässigen Untergrund ein Rasen mit bündigem oder sehr humosem Boden zu liegen kommt. Das in diesem Falle von dem Sandbodem in geringem Maasse nur noch hygroskopisch festgehaltene Wasser wird von dem darüber befindlichen, bindigen Boden mit stärkerer Hygroskopieität rasch verbraucht und an die äussere trockene Luft abgegeben, ehe es den Wurzeln gelang, viel- leicht bis in eine Tiefe zu dringen, wo das capillar angezogene Wasser ihnen zu Gute kam u. s. w. Weniger nachtheilig wird das umgekehrte der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 397 Verhältniss in der Differenz der Bodenqualität sein. Wo es angeht, suche man daher dem sandigen Untergrund durch Beigeben oder Aus- tausch bindigen Bodens die Fähigkeit zu vermehren, Wasser fest zu halten, ohne dabei die sonstigen Anforderungen an die Nahrhaftigkeit und Gedeihlichkeit für einen guten Graswuchs ausser Acht zu lassen. Hierbei möchte ich zugleich erwähnen, dass sich bei Gelegenheit des oben beschriebenen Verfahrens zur Durchfeuchtung des Untergrundes, im angezeigten Falle eine Düngung durch Anwendung von Düngerjauche anstatt oder mit Wasser sehr günstig mit verbinden lässt, Indem ich hiernach mein mir anfänglich gestecktes Ziel für das vorliegend besprochene Thema als erledigt ansehen könnte, kommt mir nachträglich noch die Beobachtung in Erinnerung, wie man öfters Rasen- leger sich quälen sieht, vermittelst Schippe oder Grabeisen ete. die „Rasenziegeln‘“ (ich acceptire für vorliegende Besprechung überall diese mir nicht geläufige Bezeichnung durch Herrn F. Thomayer) auf ihren neuen Bestimmungsort zu übertragen, beziehungsweise aufzulegen. Dies veranlasst mich, hier in Kürze noch daran zu erinnern, wie ein solcher Arbeiter schon mit einer gewöhnlichen eisernen Düngergabel seinen Zweck viel leichter erreichen würde. Am besten aber eignet sich dazu eine solche Düngergabel, deren nicht zu kurze stählerne Zinken eirca einen Zoll unterhalb ihres Verbindungsquerstückes, in einem stumpfen Winkel so nach vorn umgebogen sind, dass sie auf ihrem so umgebogenen langen Zinkentheile auf horizontaler Bodenfläche aufliegen, während der die Gabel handhabende Arbeiter bei gewöhnlicher gebückter Stellung, den Stiel der Gabel in den Händen hält. Eine solche Gabel gestattet es nicht allein, die „Rasenziegeln‘ einzeln oder zu zwei bis drei mit Leichtigkeit zu erfassen und auf ihren neuen Bestimmungsort aufzulegen, sondern sie ist auch gut geeignet, durch mässige Schläge, vermittelst ihrer umgekröpften Unterfläche der Zinken, den guten Anschluss der einzelnen „„Ziegeln“ und ihre Ebenung fürs Erste gut zu reguliren und zu befestigen. Dass einer solcher Regulirung nach Beendigung des Legens des Rasens in den meisten Fällen noch ein Festschlagen mit einem so- genannten Rasenschlägel, oder ein gehöriges Walzen wird folgen müssen, kann als bekannt vorausgesetzt werden. Ebenso ist es als ein allgemein bekanntes Erforderniss zu betrachten, dass, wo es sich nur um Belegen schmaler Ränder oder kleiner Lücken handelt, bei nachgiebigem Boden und wo es auf Aceuratesse ankommt, der rasenlegende Arbeiter auf aufgelegten Brettern sich bewegend die Arbeit ausführe. 398 Jahres - Bericht Der Quintscherich. Botanisch-gärtnerische Plauderei von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. mn ne ” „Nicht der Name thut’s, die gute Sache ist es, der ich diene“; also wolle der geehrte Leser mich gefälligst erzählen lassen und geduldig anhören. Ä Als ich in hiesige Gegend gekommen war, beiläufig gesagt ist sie land- schaftlich recht nett und auch schon von der Cultur mehr oder weniger beleckt, wurde mir im zeitigen Frühjahr mitunter ein Grünzeug gebracht, welches aus Büscheln graugrüner, lanzettlicher oder eiförmiglänglicher, etwa 3—4 cm grosser Wurzelblätter bestand. Man sagte mir, dass die- selben ein sehr schmackhaftes Spinatgemüse gäben und ich fand das bei einem Versuche vollkommen bestätigt. Das Gericht hat keinen un- angenehmen Geschmack, wie ihn z. B. der neuseeländische Spinat, Tetragonia expansa, oder Mangold, Beta cicla und andere Pflanzen bei gleicher Verwendung zeigen, und ist nicht so weichlich, wie der Spinat von der Gartenmelde, Atriplex hortensis, oder von der Spinacia oleracea; kurz, er ist sehr zu empfehlen. Man nannte die Pflanze Quintscherich, und auf dass dieser wohlklingende Name nicht verloren gehe, sowie in der Hoffnung, dass er künftighin neben anderen deutschen Namen der- selben Pflanze in jeder norddeutschen Flora zu finden sein werde, gebe ich ihn hier naturgetreu und genau in Buchstaben wieder. Wie die Pflanze sonst wohl noch heisse, das wussten die guten Leutehen meiner Gegend aber leider nicht und verriethen auch sonst nichts über das Aussehen derselben im entwickelten Zustande, über Fundplätze und anderes Nähere, Nun müsste man schon ein guter Botaniker sein, um alle Pflanzen im Frühjahre an den ersten Wurzelsprossen zu erkennen, und ich bin es leider nicht; da war es denn natürlich, dass ich grosse Sehnsucht hatte, mich belehren lassen zu können. Bücher nahm ich fragend zur Hand, um sie unbefriedigt zurückzulegen, nirgends fand ich etwas über den „Quintscherich“. Selbst der gute, nunmehr schon lange seelige Wimmer, der uns Zwingerrealschüler mit seiner Flora so oft über . manche botanische Klippe hinweghalf, was ich ihm hiermit dankend nachrufe, selbst er, der damalige Heros der schlesischen Pflanzen- systematik, hätte rathlos vor diesem wunderbaren Namen gestanden! Jahre vergingen und mein lieber „Quintscherich‘‘ war vergessen worden, auch hatte ich weiter nicht Gelegenheit, solchen ins Haus zu bekommen; wussten die Leute doch nun, dass ich nunmehr mein Ge- der Schles. Gesellschaft für vaterl, Cultur. 399 müse selbst zu bauen gelernt hatte, was zur „Quintscherichzeit“ noch mehr der Fall war, und so verbrauchten die wenigen Personen, welche das Geheimniss der Pflanze kannten, wohl deren junge Triebe für den eigenen Tisch. Plötzlich gelangte ich auf ganz gewöhnlichem Wege, nämlich um ein kleines Kapital zu retten, in den Besitz einer Villa, bestehend aus einem aus Lehm gebauten und mit Stroh gedeckten Wohnhause, worin zwei ganze Zimmer ohne sonstiges Gelass, aus einer kleinen Scheuer, einem dürftigen, recht saftigen Düngerplatz im kleinen Hofe und einem etwa einen Morgen grossen Sandgarten, auf welchem damals Kartoffeln zweifelhaft geriethen. Als guter Wirth, welcher ge- hörig benutzt, was er hat, und, um benützen zu können, verbessert, wo es nöthig ist, ging ich baldigst daran, die Scholle Landes allmählich zu verbessern und den Quecken, dem Schachtelhalm und anderem pflanz- liehen Ungeziefer den Krieg zu erklären, und so sehen Sie mich denn im Frühjahr irgend eines vorangegangenen Jahres in eigener Person mit verschiedenen Leutchen eifrig beschäftigt, diesem Werke obzuliegen. Doch siehe da, war das nicht „‚Quintscherich“, was ich soeben aus der Erde reissen wollte? Und in der That, er war es in optima forma! Der gordische Knoten war zerhauen; ich kannte nun meinen Mann und begrüsste das nette Pflänzchen mit seinem richtigen Namen, nämlich mit Silene inflata, welches die Ehre hatte, von einem gewissen Smith, der wohl auch etwas von Botanik verstanden hat, getauft worden zu sein. Nun freute ich mich herzlich, dass ich die Kleine kannte, diese aufgeblasene Silene, aber noch mehr, dass mir Gelegenheit gegeben wurde, durch eigeneu Besitz des dazu passenden Bodens die Cultur derselben zu versuchen, und endlich darüber, dass ich nun auch wieder einmal mit etwas Neuem vor die Oeffentlichkeit treten könne. Sehen wir uns das essbare Silenchen zunächst etwas genauer an. Die Pflanze, von ver- schiedenen Seiten auch Taubenkropf und Körnerich genannt, gehört zu der natürlichen Familie Sileneae De Candolle und in die zehnte Klasse und zweite Ordnung des Linn€’schen Systems und ist von ihren Schwestern namentlich durch den aufgeblasenen Kelch unterschieden. Sie ist ausdauernd und besitzt eine starke, fleischig-holzige, weisse, tief- gehende Wurzel und kann in Gruppen auch als Schmuckpflanze ver- wendet werden; denn die niedliche, einer gewissen Eleganz nicht ent- behrende weisse Blume, welche auf gabeliger Rispe in Höhe von 30 bis 40 cm getragen wird, dürfte sich in geschlossener Aufstellung ganz gut dazu eignen. Es war meine Absicht, einiges über die Cultur dieser Spinatpflanze zu sprechen und ich hofite damit als mit etwas Neuem mir mindestens den Anspruch auf ein jetzt so anderes Patent zu erringen; aber quod non: Nichts Neues unter dem Himmel! Mit diesem Gedanken, diesem Vorsatze hatte ich heut zur Feder gegriffen. Nun war mir aber, ich 400 Jahres - Bericht muss es offen gestehen, der wissenschaftliche Name des neuseeländischen Spinats, dessen ich im Anfang meiner Plauderei erwähnte, abhanden gekommen und um die Gedächtnisslicke zu füllen, wurde „‚Jäger’s praktischer Gemüsegärtner‘‘, beiläufig ein recht brauchbares Buch, zur Hand genommen. Doch — es ist bestimmt in Gottes Rath, wenn einer eine Freude hat, muss auch ein Schrecken sein; denn ich fand pag. 23 I. Theil unter den Spinatpflanzen, und zwar sub Nr. 49 deutlich lesbar: Körnerich oder Taubenkropf — also meinen lieben „Quintscherich“. So muss ich Herrn Jäger also den Vorrang lassen, übrigens aus vollster Ueberzeugung und mit allergrösstem Vergnügen, und äuch auf jenes Patent Verzicht leisten. Es geziemt sich nun auch, dass Jäger’s Cultur- bericht zuerst hier mit gütiger Erlaubniss seinen Platz finde, während ich mir nur erlauben werde, zu Ende des Citats einige Bemerkungen zu machen. Jäger sagt pag. 85 Il. Theil des obengenannten Werkes Fol- sendes über diese Pflanze: „Diese ausdauernde, überall auf trockenen Wiesen und Schutthaufen wildwachsende Pflanze ist in den meisten Gegenden gar nicht als Nah- rungsmittel bekannt, in anderen aber sehr hochgeschätzt, und wird von Vielen zu den besten Gemüsen gezählt und dem Meerkohl an die Seite gesetzt. Da diese Pflanze sehr früh und ungemein leicht zu ziehen ist und auf jedem Boden wächst, so ist ihr Anbau sehr zu empfehlen. Man verspeist im ersten Frühjahr die jungen Triebe, sowie sie einige Zoll hoch sind. Nach dem Abschneiden treiben andere Stengel nach, die wieder benutzt werden können, Man säet den Samen im Herbst oder Frühjahr reihenweise oder breit, dünn auf guten Gartenboden, ver- zieht die zu dicht stehenden Pflanzen, behackt und begiesst. Die im August gesäeten Pflanzen sind schon im folgenden Frühjahr zu gebrauchen, die im Frühjahr gesäeten erst das folgende Jahr. Bei der Cultur kann wie bei Sauerampfer verfahren werden.') Man erneuert die Beete von Zeit zu Zeit durch Aussaat.‘ So weit Meister Jäger. Dem habe ich noch hinzufügen: Der Anbau ist nicht nur deshalb sehr zu empfehlen, weil die Pflanze auf jedem Boden wächst, sondern auch deshalb namentlich, weil sie in fast reinem Sandboden gedeiht, wenn er nur in der Tiefe gehörige Frische hat. Die Pflanzen bleiben mindestens 5—6 Jahre kräftig genug, um Gemüse zu liefern; man kann bei Reihensaat, 15 em im Quadrat, alljährlich etwas verrotteten Dünger - untergraben, braucht sich aber sonst sowohl im Sommer als Winter ın keiner anderen Weise um die Pflanzen zu bekümmern, als dass man ') wo aber nichts Neues zu finden ist. (Voreilige Bemerkung des Verfassers dieses Aufsatzes.) | der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 401 etwa die abgetrockneten Blüthenstengel abnimmt, zu welchem Geschäfte der Winter die geeignetste Zeit ist. Und somit Gott befohlen, mein Silenchen! Mögest Du recht bald auf den Märkten und in vielen Schüsseln zu finden sein, aus denen Du sicherlich als das allerbeste Spinatgemüse hervorzutreten wissen wirst; schäme Dich auch nicht Deines Namens ‚„Quintscherich“ und nimm ihn mit auf Deinen Weg! Ziehe als solcher in die Küche der Armen, als Silene inflata in die der Reichen, überall wirst Du gefallen. Wohl auf! Die Kriechel als eingelegte Frucht. Von Apotheker M. Scholtz in Jutroschin. Ausser Kindern und Dorfschönen isst sie wohl selten Jemand gern, diese mehr oder minder kleine, runde, weichlichsüsse und aromlose Frucht des theils angebauten, theils verwilderten Kriechelbaumes, auch kurzweg Krieche genannt, Prunus insititia L. der Botaniker. Auch glaube ich nicht recht daran und habe bei meinen immerhin mannigfachen Reisen auch nicht Gelegenheit gehabt, zu beobachten, dass dieselbe eingemacht, d. h. in irgend einer Weise zum späteren Genusse präparirt aufbewahrt werde. Indessen wie dem auch sei, so wolle man mir gestatten, hiermit eine Methode anzugeben, welche ein ganz vorzügliches Eingemachtes giebt; namentlich ist dasselbe sehr erfrischend und zeichnet sich durch eine äusserst schöne rothe Farbe aus, welche beim Vermischen mit ge- wissen anderen Speisen nicht zu ihrem Nachtheile verändert wird, während andere rothe Fruchtfarben, mit gewissen Stärkemehlpräparaten oder Stärkemehl enthaltenden, zur Nahrung dienenden Sämereien (Reis u. s. w.) oder deren Präparaten (Gries etc.) in Verbindung gebracht, leicht alterirt werden. Der Schwerpunkt meines Verfahrens, die Kriechel zur edleren Koch- kunst heranzuziehen, liest in der Zeitigung der Früchte; man darf diese nämlich nicht reif werden lassen; sie müssen vielmehr, sowie sie am Baume sich anfangen blau zu färben und kaum halbreif sind, abgenommen werden und kommen sodann, flach auseinandergelegt, auf einen Boden- raum zum Nachreifen. Ist im Laufe von vierzehn Tagen bis 3 Wochen die Nachreife erreicht, was man daran erkennt, dass die Früchte weich und schwarz geworden sind, so sind sie zur Verkochung geeignet. — Es wird nun in ein irdenes oder Porzelangefüss so viel Essigsprit gegossen, dass etwa 20 Früchte bequem neben einander schwimmen können, Nach- dem etwas Zimmtrinde und etwas mehr Gewürznelken in das Gefäss ge- 1885. 26 402 Jahres - Bericht legt worden sind, welches zur Aufnahme der Früchte dienen soll, beginnt man mit der Erhitzung des Essigs. Jede Kriechel, welche an irgend einer Stelle aufplatzt, wird sofort mit einem silbernen Löffel herausge- nommen und in das Einmachegefäss gethan, bis dasselbe fast voll ist. Es versteht sich übrigens von selbst, dass stetig Früchte in den Essig nachgelegt werden müssen und letzterer selbst, wenn nöthig, ersetzt wird. Man fügt nun von diesem oder, wenn nicht genug, noch von ungekochtem Essigsprit so viel zu den Früchten, dass das Gefäss ein Dritttheil damit gefüllt wird und füllt die übrigen zwei Dritttheile mit kaltem, weissem Zuckersyrup nach, den man sich vorher dadurch bereitet hatte, dass man drei Theile allerbesten Zuckers (ich nehme sogenannten Adler-Zucker, welcher seiner grossen Reinheit halber Weltruf hat) in zwei Theilen reinen Wassers durch Aufkochung löst und, wenn nöthig, durch ein Stück reinen und frisch ausgewaschenen Shirting seihet. Man löst nun noch ein Messerspitzchen voll Salieylsäure in einem Spitzglase Franzbranntwein auf und giebt es zu dem Ganzen, eine Gährung zu verhindern und Halt- barkeit zu erzielen. Der Verschluss des Gefässes kann auf verschiedene Art bewirkt werden, wenn damit nur möglichste Abschliessung von der äusseren Luft erzielt wird; für mich genügte stets Pergamentpapier, mit welchem die Oeffnung des Gefässes in feuchtem Zustande überzogen und welches nach Zubinden und Abtrocknung entweder mit einer weingeistigen Schellaklösung, oder mit durch Erwärmung flüssig gemachten Paraffin überzogen wurde. Täglich einmal dreht man das verschlossene Gefäss langsam so herum, dass die Oeffnung einmal nach unten gerichtet ist, wodurch ge- hörige Mischung aller Flüssigkeiten bewirkt wird. Nach 14 Tagen braucht diese Operation nur noch hin und wieder vorgenommen zu werden und hört nach vier Wochen auf. Nach Verlauf endlich eines Vierteljahres ist das Compot vollständig schmackhaft geworden, und bitte ich, es zu probieren. Vom Wald-Vergissmeinnicht (Myosotis silvestris Hoffm.) als Ergänzung für unsere Vergissmeinnichtflora. Von Kunstgärtner W. Kühnau in Damsdorf. Wie wichtig das Vergissmeinnicht in seinen verschiedenen Gattungen, Arten und Formen, sowohl als Blüthenpflanze für den Garten, als auch als Bouquet und namentlich Kranz-Material ist, dürfen wir wohl als un- bestrittene Thatsache voraussetzen. Es lohnt nun wohl einmal zu untersuchen, aus welchen Elementen - sich unser Vergissmeinnichtflor vom Frühling bis zum Herbst zusammen- a . nn. u 2 A U U der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 403 setzt; denn von einer Art können wir nicht erwarten, dass sie uns so lange Zeit hindurch Blumen liefern soll. Fangen wir vom Frühling an, so haben wir in Omphalodes verna das erste Vergissmeinnicht, welches schon im März zu blühen anfängt und fortblüht bis zur Mitte Mai. Ihm folgt von Mitte April an Myosotis dissitiflora, welches fast 14 Tage früher blüht als Myosotis alpestris. Dieses letztere tritt blühend auf im Mai mit seinen nach Höhe, Wuchs und Blüthenfarbe variirenden Formen, die aber in der Blüthezeit übereinstimmen. Zu Anfang Juni sind sie ver- blüht. Als viertes Vergissmeinnicht in der Reihe folgt Myosotis palustris, von welchem wir eine recht zeitig und lange blühende Form unter dem prahlerischen Namen superfluens schon lange in den Gärten führen. Immer- hin blüht dies Vergissmeinnicht nicht vor Ende Juni, ebenso wie der schöne dunkelblaue aber unfruchtbare Bastard, der als Kaiserin Elisabeth angebaut wird und nur durch Stecklinge zu vermehren ist. Diese beiden Vergissmeinnicht blühen fort bis in den Herbst hinein und schliessen die Reihe. | Aber eine Lücke bleibt, den grössten Theil des Juni sind wir ohne Vergissmeinnicht. Die letzten dürftisen Blüthen von Myosotis alpestris und die ersten spärlichen Blumen von Myosotis palustris und Kaiserin Elisabeth können uns über den Mangel einer eigentlichen Flora nicht hinweghelfen. In diese Lücke nun tritt das in ganz Deutschland in der höheren Ebene bis zum Hochgebirge hinauf wild wachsende Myosotis silvatica Hoffm. ein, welches schon Ende Mai zu blühen anfängt und fortblüht bis zum September; am schönsten im Juni. In seiner äusseren Erscheinung unter- scheidet es sich von den mehr graugrün belaubten Myosotis alpestris durch mehr saftgrünes Laub und etwas dunkleres Blau der mit gelbem Auge gezierten Blüthe und dadurch, dass es in den Blattachseln immer neue Blüthentrauben hervorbringt bis zum Herbst, während Myosotis alpestris auf einmal vollblüht und dann zurückgeht; von Myosotis palustris ausserdem noch durch etwas höheren straffen Wuchs. Trotz seiner Vorzüge ist dieses Vergissmeinnicht, obgleich heimisch in Deutschland, sehr wenig in den Gärten angebaut. Die Ursache davon mag sein, dass die Anzucht aus Samen weniger leicht ist, als die der ver- wandten Arten, welche ziemlich rasch keimen und bald kräftige Blüthen bilden. Der Samen von Myosotis silvatica braucht sechs bis acht Wochen bis zur Keimung, und auch die jungen Pflanzen wachsen recht langsam. In so langer Zeit können mancherlei Schädlichkeiten eintreten, welche den Erfolg schmälern oder vernichten, und wer nicht Geduld, die vor- nehmste Tugend des Gärtners, hat, oder wem es an Musse zu feineren Culturen fehlt, lässt nach einem Misserfolg leicht weitere Versuche bei Seite. 26* 404 Jahres-Bericht Leichter und sicherer als die Anzucht aus Samen ist die Vermehrung von Myosotis silvatica durch Wurzeltheilung, welche nach der Blüthe ge- schehen soll, Die beste Zeit dazu dürfte der Monat August sein; denn wenn man die Büsche ganz abblühen lässt, kommt man zu tief in den Herbst hinein und die getheilten Stöcke wachsen nicht genügend an. Man nimmt im August, wenn der Flor sich zu Ende neigt, die zu theilenden Pflanzen aus der Erde, schneidet das Kraut ab, theilt die Stöcke beliebig und pflanzt sie auf Beete, wo sie bis zum nächsten Jahre starke Stöcke liefern. Bekanntlich ist Myosotis sylvatica eine Staude und nicht zweijährig. Wo nun dieses Vergissmeinnicht echt herbekommen? das ist eine schwierige Frage. In Samenverzeichnissen habe ich es nicht angeboten gefunden, ausser in einer der grössten Handlungen. Ich verschrieb Samen von dort zum Versuch. Er war aber auch nicht echt, sondern ergab nur eine robuste Form Myosotis alpestris. Der einzige sichere Weg dürfte also der sein, dass man sich den Samen aus einem botanischen Garten verschafft, wenn man ihn nicht von wilden Original-Pflanzen erlangen kann. Des Reichskanzlers Palme: Bismarckia nobilis Hildebr. et Wendl. | (Mit Abbildung.) Von Garten-Inspeetor B. Stein in Breslau. Bismarckia Hildebrandt et Wendland wurde als neue Borassineen- Gattung am 11. October 1880 von Wendland in der „Botanischen Zeitung‘ folgendermassen charakterisirt: „Bismarckia weicht von Medemia in der Fruchtform kaum ab. Die Frucht ist durch Fehlschlagen zweier Fruchtknotenfächer einfächerig, un- gewendet, so dass die Narben neben der Basis stehen, rundlich eiförmig, an der Basis etwas schief und am Gipfel sehr stumpf, hat ein dünnes, schwarzbraunes, durch das Eintroeknen der Fleischschieht runzelig ge- wordenes, sonst glattes Epicarp, ist 38 mm hoch, 32—34 mm im Durch- messer. Das Mesocarp ist ähnlich wie von Medemia, bröckelig und nicht so stark faserig wie in Hyphaene, löst sich vom Endocarp leicht ab, so dass letzteres sehr leicht vom Mesocarp gereinigt werden kann. Das vom Mesocarp befreite Endocarp ist 3 em hoch und 25 mm im Durch- messer, rundlich eiförmig, an der Spitze etwas abgeflacht, undeutlich netzartig-runzelig, sehr schwach gerippt, nach der Basis zu in drei un- gleich grosse Falten zusammengezogen; von der stärker hervortretenden der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 405 Falte steigt ein leistenartig stärkerer Strang aufwärts, geht über den Scheitel und verliert sich in der Mitte der anderen Seite; er ist horn- artig-holzig, 1—2 mm dick, schwarzbraun. Im Innern des Endocarps er- hebt sich aus dessen Basis in etwas schief ansteigender Richtung ein kurzer, säulenartiger Fortsatz von 5—7 mm Höhe und 3 mm Dicke, welcher sich nach oben unmerklich verbreitert und abgeplattet ist. Aus der Basis dieses säulenartigen Fortsatzes und aus dem unteren Theile des Endocarps steigen höchst unregelmässig lamellenartige, sehr schmale, ', mm dicke und bis 5 mm vorspringende Rippen bis zum Gipfel empor, wo sie an Grösse sich verringern und sich verlieren; ihre Zahl beträgt am Grunde 3—6, sie sind aufwärts wiederholt dichotomisch getheilt, anastomosiren und steigern sich oberhalb der Mitte auf 17—21 Stück. Der Samen ist rundlich-eiförmig, 23 mm im Durchmesser und ein Geringes höher, er füllt den Raum des Endocarps vollständig aus, ist in Folge der im Endocarp aufsteigenden lamellenartigen Rippen sehr stark und un- regelmässig gefurcht und runzelig, so dass er einer Wallnuss oder einem Pfirsichsteine nicht gar unähnlich sieht; er ist schwarzbraun. Das Albumen ist hornartig, weiss, hat innen eine hufeisenförmige oder sichelförmige Aushöhlung und ist in seinem Umkreise 3—5 mm tief benagt. Die Embryohöhlung liegt auf dem Gipfel mit einwärts gekehrtem Embryo. Wenn die Gattung Medemia durch die nadelförmige Rumination des Albumens auf die nahe Verwandtschaft der Borassineen mit den Lepido- caryneen einerseits hinweist, so erlaube ich mir andererseits darauf hin- zuweisen, dass die Form und Consistenz des Endocarps mit seinen nach Innen einspringenden Rippen auffällig an das Endocarp von Eugeissonia erinnert.‘ Soweit die botanische Begründung der Gattung durch den hervor- ragendsten Palmenkenner Europas, welcher auf Hildebrandt’s Wunsch diesem Palmenkoloss den Namen des Reichskanzlers Fürst Bismarck bei- legte, eine Widmung, welche der Fürst in einem eigenhändigen Antwort- schreiben acceptirte. Wir haben der Gattungsdiagnose kein Wort zuzu- setzen, da wir — wie Wendland selbst, dessen Liebenswürdigkeit wir die Fruchtzeichnungen unserer Tafel verdanken — bisher nur Früchte der Bismarckia gesehen haben. Blüthen und Blätter oder auch nur Zeich- nungen davon, sind bisher nicht nach Europa gelangt und wir können im Nachstehenden nur noch berichten über mündliche Mittheilungen Hildebrandt’s in Bezug auf die Riesenpalme und unsere eigenen Er- fahrungen über ein fünf Jahr altes Exemplar unserer Culturen, dessen getreues Abbild unsere Tafel bringt. Die vorläufig einzige Art der Gattung trägt den Namen: Bismarckia nobilis Hildebr. et Wendl. Der so früh heimgegangene, unermüdlich sammelnde Hildebrandt saı die Palme 1879 auf West-Madagaskar am Flusse Beturca oder 406 Jahres-Bericht Rano-b& zwischen Ansahafi und Ansunaki oberhalb Beravi und sagt von ihr (Zeitschrift für Erdkunde, XV., Seite 107): „Hier mischt sich unter die Sata (Hyphaene coriacea) eine prachtvolle andere Fächerpalme mit kräftigem Säulenstamme. Bis drei Meter spannen ihre derben Blattflächen; die Blattstiele sind weissgestreift; riesige Trauben pflaumengrosser, dunkelbrauner Früchte (gesammelt!!) hängen herab. Ganze Haine dieses urkräftigen Gewächses passirten wir, Der starke Wind blies in das mächtige Laub, so dass es klappernd und klatschend zusammenschlug,.“ Die von Hildebrandt gesammelten Früchte, etwa hundert Stück, kamen glücklicher Weise in die Hände des alten Bouch&, unter dessen Fürsorge etwa siebzig junge Pflanzen im Frühjahre 1881 im Berliner botanischen Garten daraus gekeimt waren. Bouche hütete diesen Schatz mit Argusaugen und selbst wer mit dem Kauf-Certificat über ein Exemplar von Hildebrandt’s Vertreter, Recetor Rensch, sich bei ihm meldete, musste erst ein eingehendes Examen bestehen, ob er auch Verständniss für die Pflege einer so kostbaren Novität habe. Es war ergötzlich mit anzusehen, wie Bouch& sorgfältigst die besseren Exemplare immer wieder vor den Augen des Aussuchenden zu verdecken bemüht war. An etwa zwanzig Keimlingen hatte Bouche& die Spitze der Pfahlwurzel zeitig weggenommen, und die Wurzel auch durch weiteres Einstutzen zur Verästelung gezwungen. Speciell von diesen Protektionskindern wollte er sich absolut nicht trennen und es war ein Beweis ganz be- sonderen Zutrauens, als er uns im März 1881 nach langer mündlicher Verhandlung ein solches Exemplar für den botanischen Garten in Breslau überliess. Das Pflänzchen war damals eben im Begriff sein zweites, noch un- getheiltes Blättehen zu entfalten und machte mit seinem kurzgestielten, etwa 15 cm langen und 2—3 cm breiten blaugrünen Erstlingsblättern frappant den Eindruck eines gekeimten Sabals. Die Pflanze wuchs zum Verzweifeln langsam. Da sie in Berlin an bedeutende Unterwärme ge- wöhnt war, wurde sie natürlich auch hier anfänglich im geheizten Warm- beete gehalten und erst ganz nach und nach mit dem Weglassen der Unterwärme vorgegangen. Auch heute noch halten wir die Pflanze übrigens den ganzen Winter hindurch auf warmem Sandbeet und es be- hagt ihr sichtlich. Selbstredend blieb die junge Pflanze dauernd im _Warmhause, aber trotz dessen dauerte es über zwei Jahre, ehe sie be- gann, getheilte Wedel hervorzubringen, und auch jetzt noch, wo sie in wirklich üppiger Vegetation und in kerniger Gesundheit dasteht, ist ihr Wuchs ein sehr langsamer. Das über sechs Jahr alte Exemplar hat sechs Wedel, welche zu- sammen über einen Meter Durchmesser halten und einen halben Meter der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 407 hoch sind. Dabei sind die Blattstiele 20—25 em lang, während die Spreite bis 0,45 m Länge bei 1,40—1,60 m Umfang misst. Unsere Cultur der Bismarckia nobilis schliesst sich der anderer warmer Palmen eng an. Die Temperatur des Hauses wird auf 18° C. minimal gehalten, während des Winters und nach dem bisher jährlich vorge- nommenen Verpflanzen steht der Topf auf einem Sandbeete, dessen Wärme zwischen 25 und 35°C. schwankt. Die Erde hat reichlichen Lehmzusatz und besteht vorwiegend aus guter schwerer Lauberde mit dem nöthigen Sand darunter, Haideerde wird nur eine Spur zugesetzt. Von Zeit zu Zeit erhält die Palme einen kräftigen Kuhdüngerguss und während des ganzen Jahres wird sie, der Wärme ihres Standortes entsprechend, reichlicehst gegossen. Dass ihr diese Behandlung zusagt, zeigt das ganze Aussehen des Pfleglings.. Die Blätter zeigen keine Spur von trockenen Spitzen und sind tief dunkelgrün mit einem sehr starken bläulichen Reife, welcher das ganze Blatt blaugrün erscheinen lässt. Auch die Blattstiele zeigen diesen dicken Reif, dagegen bisher erst ein einziger eine weisse Linie, welche Hildebrandt als so charakteristisch hervorhob. Die eigen- thümliche Faserbildung, welche entfernt an Pritehardia erinnert — die Fasern der Bismarckia sind aber stärker und dabei spärlicher als die- jenigen der Pritchardien — trat erst im vierten Jahre an unserem Exem- plare auf. Anfänglich waren es nur einzelne Fäden, welche sich ab- lösten, aber je kräftiger die Blätter werden, um so stärker entwickelt sich auch der eigenthümliche Fasernbehang. Die ausserordentlich tiefe Theilung der Wedel giebt den Blättern einen merkwürdigen Charakter, An unserem Exemplare ist die ungetheilte Fläche der Blattspreite etwa 6 em, während die Zipfel bis 45 em lang sind, so dass von den 0,25 qm des Blattes kaum der achte Theil zusammenhängende Fläche ist. Das ist vorläufig das Wesentliche, was sich von der Bismarckia nobilıs nach europäischen Exemplaren sagen lässt, da kein Garten eine stärkere Pflanze davon besitzt, als es die unserige ist. Welchen imponirenden Eindruck diese Palme aber im Vaterlande machen muss, das klang aus allen Gesprächen Hildebrandt’s heraus, der seine zweite Reise nach Madagaskar mit der Absicht antrat, in erster Linie ausreichendes Material der Bismarckia zu sammeln und das nicht Transportable in Bildern heimzu- bringen. Leider war es ihm nicht beschieden, diesen seinen Lieblings- wunsch zu erfüllen. Mitten auf der Sammelfahrt überfielen ihn im Inneren Madagaskars schwere Fieber und als er, von dort nach der Küste herunter- geschafft, sich scheinbar erholte, traten Magenblutungen ein, die mit tödt- lichem Ausgange schlossen. Kurz vor seiner zweiten Abreise nach Madagaskar (1879) schilderte uns Hildebrandt in Innsbruck den überwältigenden Eindruck, welchen die Bismarekia an Ort und Stelle auf ihn gemacht hatte. Er war an dem Entdeckungstage fortwährend im Buschwalde, der mit vielen freien Plätzen 408 Jahres - Bericht durchsetzt war, gewandert und hatte fleissig gesammelt, als er von weiter Ferne einen zweiten Wald über dem Walde sah. Ein anstrengender Marsch brachte ihn zn diesen Wunderbäumen, die sich als zerstreut stehende Palmen von 50—70 m Höhe erwiesen, deren Riesenkronen den tief darunter zurückbleibenden Niederwald überschatteten. Es waren durchweg massige, gerade Stämme, bei deren Höhe aber seine einge- borenen Begleiter sich absolut weigerten sie zu erklimmen und Früchte, Blüthen und Blätter herunter zu holen. An ein Umhauen konnte der mit so fabelhaft geringen Mitteln Reisende auch nicht denken und so blieb ihm Nichts weiter übrig als die unten liegenden, reichlich pflaumen- grossen Früchte aufzulesen und mitzunehmen. Wie dedauerte er dann später, nicht wenigstens eine Skizze an Ort und Stelle entworfen zu haben, aber aus dem Gedächtniss wollte er nicht malen und hoffte ausserdem auf der zweiten Reise in voller Ruhe die Palme an Ort und Stelle malen zu können. Besonders die enormen Blattstiele, deren weisse Linienzeichnung seinem Gärtnerauge sofort aufgefallen war, hatten ihm imponirt. Und welche Riesenflächen von Blättern trugen sie! Spreiten von drei Meter Durchmesser — also mehr als 7 qm Fläche — wogten im Winde und bildeten die trotz ihrer Masse leichte, gefällige Krone. „Ist die Palme wirklich etwas Neues“, erklärte Hildebrandt, ,‚so muss sie den Namen des Reichskanzlers tragen. Das ist eine Pflanze, die dessen würdig ist.“ ‚Hildebrandt hatte auf seinen Fahrten den Werth der Einigung des deutschen Reiches für die Bedeutung der Deutschen im Auslande, sowie die Bewunderung, welche Fürst Bismarck überall ent- gegen gebracht wnrde, so aus dem Grunde kennen gelernt, dass er glücklich war, auch seinerseits dem Reichskanzler eine Huldigung, und wahrlich keine geringe, darzubringen. So entstand der Name Bismarckia nobilis. | Leider ist wenig Hoffnung, in absehbarer Zeit mehr über die Bismarckia zu erfahren. Noch fehlt uns jene staatliche Unterstützung, welche z. B. England den Naturwissenschaften zu Theil werden lässt, Wir sind zwar glückliche Colonialbesitzer und hin und wieder geht auch ein Kriegsschiff einmal hinaus nach unseren neuen Besitzungen und Pro- tectoraten, aber — — — im günstigsten Falle erhält der Schiffsarzt Ordre, unterwegs zu sammeln! Der Unglückliche soll dann natürlich nicht nur die Sehnsucht der Botaniker befriedigen, sondern auch für Mineralogen, Zoologen, Ethnographen u. s. w. Material schaffen. Das Resultat ist dann natürlich nie fraglich. Als Darwin seine Untersuchungen über die „insectivorous plants‘ anstellte, sprach er den Wunsch aus Drosophyllum lusitanicum lebend zu untersuchen, und an der betreffenden Stelle seines Werkes giebt er dann in einer Note an, dass „Ihrer Majestät Regierung ihm durch Vermittlung des Consulates in Lissabon mit einem speciell für diesen Zweck abge- TEILS + 7 Te nA Ber a IE ; N “ der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 409 sandten Kanonenboote lebendes Material besorgt habe.‘ Da lassen sich Untersuchungen vornehmen! Hoffen wir, dass auch in der deutschen Admiralität einmal der Stern aufgeht, unter dessen Zeichen die Naturwissenschaften eine derartige Förderung erfahren. Vielleicht legt dann einmal ein deutsches Kanonen- boot in Tamatave an und unter Fürsorge des deutschen Consulates bringt ein botanisch gebildeter Gärtner Bismarckia nobilis auf’s Schiff und nach Deutschland. Damit die Reihe unserer pia desideria voll werde, müsste diese Einführung allerdings noch während jener Zeit geschehen, in welcher der Mann, dem Hildebrandt in freudiger Dankbarkeit die schöne Palme weihte, seine schirmende Hand über die deutschen Colonien breitet. Die Pilzwurzel unserer Bäume. Von Garten - Inspeetor B. Stein in Breslau. Wurzelpilze unserer Bäume sind seit langer Zeit bekannt und zwar meist als Schädlinge des Baumes, dem sie anhaften, dass aber ein grosser Theil unserer Baumwelt immer und regelmässig Pilzwurzeln besitzt, welche die wahre Baumwurzel nicht nur aus Eigennutz liebend um- armen, sie nicht aussaugen und zerstören, sondern ihr im Gegentheil alle Stoffe zuführen, welche der Baum zu seiner Ernährung bedarf, ja diese Ernährung zum allergrössten Theile selbst besorgen, das ist eine der merkwürdigsten Entdeckungen, welche die Botanik je gemacht hat. Der Pilz, dessen ganze Natur sonst darauf beruht, andere Orga- nismen zu kränken und zu zerstören, sieht seine Familie durch die Entdeckung der Pilzwurzel plötzlich um ein gänzlich entartetes Mitglied vermehrt, dessen einzige Entschuldigung für diese Abweichung von der Familientradition darin beruht, dass es eine Verirrung zum Besseren ist. Die erste Mittheilung über die Existenz der Pilzwurzel gab. der glückliche Entdecker, Herr Professor Dr. B. Frank, Director des pflanzenphysiologischen Instituts der königl. landwirthschaftlichen Hoch- schule in Berlin, am 17. April 1885 in der deutschen botanischen Ge- sellschaft in Berlin und es braucht nicht auseinandergesetzt zu werden, welch’ enormes Aufsehen diese Veröffentlichung des verdienten Gelehrten verursachte. Herrn Professor Frank war von dem landwirthschaftlichen Ministe- rium der Auftrag geworden, die Lebensbedingungen der Trüffeln wissen- schaftlich zu erforschen, um möglicherweise die Zucht dieses werth 410 Jahres - Bericht vollen Pilzes in unseren Wäldern zu fördern. Es ist bekannt, dass die Trüffel stets nur in der Nähe lebender Wurzeln von Buchen, Eichen und Hainbuchen gefunden wird und also ein gewisser Zusammenhang der Trüffel mit diesen Wurzeln sehr wahrscheinlich. Im Verlaufe dieser Untersuchungen fand nun Professor Frank, „dass gewisse Baumarten, vor allen die Cupuliferen (Eichen, Buchen, Hainbuchen), ganz regelmässig sich im Boden nicht selbstständig ernähren, sondern überall in ihrem gesammten Wurzelsystem mit einem Pilzmycelium (Pilzfasergeflecht) in Symbiose (innigem Zusammenleben) stehen, welches den Bäumen Ammen- dienste leistet und die ganze Ernährung des Baumes aus dem Boden übernimmt.“ So überraschend dieser Satz klingt, so ist er doch durch die fort- gesetzten Untersuchungen fest begründet, und die Thatsachen, welche der Entdecker dieser merkwürdigen Erscheinung im weiteren Verfolg beob- achtete, ermöglichten es ihm, über diese von ihm zuerst erkannte Pilz- wurzel, oder wie Professor Frank sie taufte: Mycorhiza, am 19. No- vember d. J. an derselben Stelle weitere Erklärungen zu veröffent- lichen. Diese gipfeln darin, dass die Pilzwurzel (Mycorhiza) ein sym- biotisches Verhältniss ist, zu welchem vielleicht alle Bäume unter gewissen Bedingungen befähigt sind. Ausser an den oben erwähnten Buchen, Eichen, Hainbuchen wurde bisher schon die Pilzwurzel aufgefunden an Kiefer, Weymutskiefer, Fichte, Tanne, Lärche, Weiden, Erlen, Birken und in je einem Falle an Linde und Schlehdorn, Die Pilzwurzel bildet sich nur in Böden, welche humose Bestand- theile oder unzersetzte Pflanzenreste enthalten, und je nachdem diese organischen Stoffe in grösserer oder geringerer Menge darin auftreten, ist die Pilzwurzel üppiger oder spärlicher entwickelt. Dass sie an Eichen und Buchen immer vorkommt, beruht darauf, dass diese Bäume überhaupt nur auf humusreichem Boden vorkommen. An Bäumen, welche nicht constant durch die Pilzwurzel ernährt werden, tritt sie immer nur dann auf, wenn dieselben auf humosem oder sonst an orga- nischen Stoffen reichem Boden wachsen. Ja dieselbe Wurzel eines solchen Baumes zeigt von der Pilzwurzel umschlungene und von ihr freie Saugwurzeln, je nach der Art der Bodenbeschaffenheit, welchen die Baumwurzel durchbohrt. Der Pilz führt dem Baume ausser dem nöthigen Wasser und den mineralischen Nährstoffen auch noch unmittelbar organische Stoffe zu, welche direet aus dem Humus oder verwesenden Pflanzenresten stammen. Zu dieser unmittelbaren Wiederverwerthung organischer pflanzlicher Abfälle für die Ernährung wird der Baum nur durch die Pilzwurzel befähigt. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 411 Hierdurch wird, wie Professor Frank hervorhebt, die in der pflanz- lichen Ernährungslehre veraltete Theorie der directen Ernährung grüner Pflanzen durch Humus, wenn auch in bisher ganz ungeahntem Sinne, er- neuert. Ebenso erhält durch diese Thätigkeit der Pilzwurzel die Be- deutung der Laubstreu und des Humus für die Ernährung des Waldes eine neue und sehr wesentliche Begründung, die um so wichtiger ist, als es bei der Ernährung der pflanzlichen Riesenkörper der Bäume auf die leichteste Production grösster Mengen vegetabilischen Stoffes an- kommt. Wie ausserordentlich vortheilhaft gerade dieser Production die unmittelbare Wiederverwerthnng pflanzlicher Abfallstoffe aber ist, leuchtet wohl ohne weiteres ein. Was nun die äussere Erscheinung der Pilzwurzel anbetrifft, so docu- mentirt sich dem blossen Auge das Vorhandensein der Mycorhiza durch eine eigenthümliche Verkürzung und Verdickung, verbunden mit dunkel- brauner bis schwarzer Färbung, der kurzen Seitenwurzeln des betreffen- den Baumes. Bekanntlich ruht gerade auf diesen Seitenwurzeln die Hauptarbeit der Ernährung und offenbar deswegen wählt die Pilzwurzel gerade sie zum Ausgangspunkte ihrer hilfreichen Thätigkeit. Unter dem Mikroskope zeigt sich die Mycorhiza als ein aus dicht verschlungenen Pilzfäden bestehendes zartes Maschengewebe sehr kleiner Zellen, welches die Baumwurzel als mehr oder weniger dichter Mantel umgiebt. Von diesem Mantel dringen zarte Fäden in die Wurzel selbst hinein, deren ÖOberhautzellen oft von allen Seiten umspinnend. Nach aussen ist der Pilzmantel bald glatt, ‚bald löst er sich in lockere Fäden auf, welche jedenfalls in der Art der Wurzelhaare Nahrung aufnehmend wirken. Zuweilen vereinigen sich derartige Fäden zu wurzelpilzähnlichen (Rhizo- morpha) Strängen, welche sich in den umgebenden Boden schieben, Die Pilzwurzel entwickelt sich unter Umständen sehr rasch. An Hainbuche fand Professor Frank schon das Wurzelsystem einjähriger Sämlinge vollständig in Pilzwurzeln umgewandelt. Der Pilz begleitet den Baum durch das ganze Leben, hat die von ihm ernährte Wurzel- partie nach Ablauf ihrer Zeit ihre Ernährungsfunetion eingestellt, so stirbt er an dieser Stelle mit der Wurzel ab, aber die jungen Nähr- wurzeln sind inzwischen längst wieder von dem Pilzmantel überzogen. Zu welchem völlig entwickelten Pilze die Pilzwurzel gehört, ist bisher noch unbekannt, denn obgleich sie in allen Höhenlagen und an allen Orten auftritt, ist sie bisher eben nur als Wurzel ohne Beziehung zu einem im Fruchtzustande befindlichen Pilze beobachtet. Eine Entdeckung von so hochwichtiger Bedeutung für die Baum- welt und ihre Cultur wird natürlich allseitig controlirt und weiter ver- folgt. Es ist daher wohl anzunehmen, dass in absehbarer Zeit die 412 Jahres - Bericht Wissenschaft die noch fehlenden Aufschlüsse finden wird und auch die Praxis wird gut thun, in diesem Falle der Forschung genau zu folgen und die ihr von jener ertheilten Winke auszunutzen. Einige neue Rhododendron. Von Garten - Inspector B. Stein in Breslau. Bei dem Besteigen einer Hügelreihe Neu-Guineas von ca. 6000 Fuss Höhe — schreibt Professor Ferdinand von Müller — war Herr Carl Hunstein vor Kurzem so glücklich, eine grosse Epiphyte zu ent- decken, von der er eine einzelne Blüthe sowie eine colorirte Zeichnung mitbrachte. Es ist zwar durchaus verwerflich, eine Pflanze nach einer einzelnen Blüthe botanisch zu bestimmen, dieses Mal mache ich mir aber durchaus keine Gewissensbisse, dieses reizende Kind der Flora des Papualandes in eine beschriebene Pflanzengattung einzureihen, umsomehr als das Material, wenn es auch kärglich ist, gestattet diese Pflanze ohne jedes Bedenken zum Genus Rhododendron zu stellen. — Hierdurch bin ich nun auch so glücklich, meinen langersehnten Wunsch erfüllt zu sehen, einer überaus prächtigen Pflanze den Namen des Marquis Goyzueta de Toverena, Consul General in Australien für das Königreich Italien, ein Mann, der mich vielfach zu meinen Forschungen ermuntert hat und der hier seit einer Reihe von Jahren in würdiger Weise sein Land vertritt, zu geben. So will ich denn vorläufig diese neue Pflanze beschreiben: Rhododendron Toverenae F. v. Müll. Der Blüthenstand besteht aus 12 Blüthen, deren jede im Durchschnitt 6 Zoll lang und breit ist. Der Kelch ist am äussersten Ende des Stengels zu einem kleinen schiefen Körper redueirt, der Stengel ist fast glatt. Die Blüthe ist rein weiss. Ihre eirca 3 Zoll lange Röhre ist schmal und cylindrisch. In der Mitte aber kaum ', Zoll breit; nach oben ist sie schwach erweitert. Die Blüthe besteht aus 7 horizontalen länglich eiförmigen, etwas welligen Lappen, die am Rande ein wenig zurückgebogen sind; sie sind entweder stumpf abge- rundet oder hin und wieder an der Spitze wellig (gefurcht?) oder dort in 2 oder 3 Läppchen getheilt. Es sind 14, etwas hervorstehende, circa 4 Zoll lange Staubfäden vorhanden. Die Fäden sind in ihrem unteren - Theil dieht mit kurzen sich anlegenden Haaren besetzt, im oberen Theil fast glatt. Die Staubbeutel sind linear-eylindrisch ca. '/, Zoll lang. Das Pistill ist bei weitem länger als die Blüthenröhre und trägt die flache Narbe, letztere ist 7theilig. Der Stiel ist ca. 1”, Zoll lang und gleich den Ovarien rothbraun-sammetfarbig, ausgenommen gegen die Mitte hin. — Die Ovarien sind 7zellig. ln Du der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 413 Vier Species von Rhododendron aus Neu-Guinea sind in Dr. Bececaris „Malesia‘‘ I., 200—202 beschrieben, sie stammen alle vom Mont Arfak. Da nun eine Species vom Südwesten hinzukommt, liegt die Wahrschein- lichkeit nahe, dass diese prächtige Pflanzengattung in zahlreichen eigen- thümlichen (speeifischen) Formen in den höheren Regionen des Papua- Landes sich findet. — Diese fünfte Species unterscheidet sich schon durch ihre glänzendweisse Farbe und ihre grossen Blüthen von den anderen vier. Rhododendron Konori hat zwar auch eine 7lappige Blüthe (ein Charakteristikum, dass sonst sich nur noch bei Rhod. Fortunei findet) und hat auch ungefähr ebenso viele Staubfäden wie Rhododendron Toverenae, bei letzterem sind sie aber sehr auffallend länger. Unter den Sikkimensischen Rhododendron - Species nähert sich unsere neue dem Rhod. Edgeworthi, hat indessen zahlreichere Blüthen (die nach den Angaben des Sammlers doldenartige Büschel von mehr als 1 Fuss Breite bilden. Der Rand der Blüthe ist noch breiter, die Röhre bei weitem länger, die Stengel sind im Verhältniss der Blüthenlappen länger, die Antheren hervortretender und blass gefärbt, während (wie der Finder bemerkt) die Narbe und der obere Theil des Griffels tief roth sind. Die Beblätterung kann auch Verschieden- heiten aufweisen. Unsere Pflanze kommt dem Rhod. Falconeri näher, was die immense Blüthenmenge, die viellappige Blüthe und die zahl- reichen Staubfäden betrifft. Aber die Grösse und der Umfang der Blüthen ist viel grösser und die Form der Blüthe ist nicht glockig. Es kommt in der That einzig Rhod. Griffitki in seiner Varität Aucklandi der Grösse der Blüthen des Rhod. Toverenae nahe; letztere unterscheidet sich indessen wiederum durch die verhältnissmässig zarte dünne Blüthenröhre, durch die viel längeren Staubfäden und durch die dichtere Bekleidung des Pistills. Herr Hunstein spricht auch von blassrosa Blättern zu- nächst der Blüthe; diese liessen sich mit den jungen, rothen Blattspitzen, wie sie bei einigen Rhododendrons — besonders bei Rhod. Fortune: und Rhod. Hookeri beobachtet worden sind, in Einklang bringen. Eine Be- obachtung der Thatsache, dass der Kelch von vielen Species von Rhodo- dendron unterdrückt wird, bekräftigt die Ansicht, dass die Blüthenhülle der Proteaceen und einiger mit ihnen vereinigten Ordnungen petalinisch — und nicht calyeinisch ist. Diesen Alpenrosen von Neu-Guinea und dem Papualande schliessen sich zwei Rhododendra an, welche Dr. Schadenberg und OÖ, Koch bei ihrer Besteigung des 3400 m hohen Vulkans Apo auf Mindanao, der südöstlichsten Philippinen-Insel, sammelten, und welche mir in Exemplaren vorliegen. Der eine davon — Rhododendron Kochii Stein — ist verwandt mit Rhod, jasminiflorum Hook., aber in Blüthen- und Blattform weit abweichend, 414 Jahres - Bericht Rhod. Kochii trägt prachtvolle Doldensträusse von 10—20 schneeweissen srossen Blüthen, deren 3—5 cm lange, fast eylindrische Blumenröhre in einem breit tellerförmig offenen, fünfspaltigen Saume von 3—4 cm Durch- messer endigt. Kelch wie bei Rhod. Toverenae fast gänzlich redueirt. Blätter lederig, ovalelliptisch, zugespitzt, oben glänzend dunkelgrün, unten hellgrün, undeutlich und spärlich schuppig punctirt. Nach Dr. Schaden- berg bildete diese Art bei etwa 2000 m Seehöhe mächtige, fast baum- artige Gebüsche. Bei 3000 m sammelte Dr. Schadenberg dann eine zweite neue Art — Rhododendron Apoanum Stein — welche in Blüthenfarbe und Form gradezu frappant an unseren europäischen Rhod. ferrugineum L. erinnert, aber in die Verwandtschaft von Rhod. retusum und lepidotum gehört. Der nur halbmeterhohe Strauch ist reich verastet, ganz im Typus unserer Alpenrosen, die jungen Zweige, Blattstiele und Blattunterseite aber sind vollkornmen überdeckt von fest anliegenden, broncebraunen Schüppchen. Blätter lederig, verkehrt eiförmig, abgestumpft, Blattrand zurückgeschlagen, Blattoberseite dunkelgrün, dieht schuppig grubig punctirt und dadurch im trockenen Zustande weisslich schimmernd, Unterseite glänzend bronce- farben, fast goldschimmernd. Blüthenstrauss 6 — 10Oblüthig, Blumen purpurroth, Blumenröhre 2—3 cm lang, Saum fünflappig, wenig ausge- breitet, Kelch fünflappig, deutlich, gleich den kurzen Blumenstielen broneirt- schuppig, dicht bekleidet. Beide Arten sind schöne Pflanzen, Rhod. Kochii speciell würde eine Gartenpflanze ersten Ranges sein. Bei dem Interesse, welches sowohl Herr Dr. Schadenberg, z. Z2. wiederum auf den Philippinen weilend, als auch sein Reisecollege Herr Consul a. D. Koch, z. Z. noch auf Cebu (Philippinen) ansässig, der Botanik und der Gärtnerei entgegenbringen, steht zu hoffen, dass wir noch manche schöne Neuheit von den Philippinen für unsere Gärten erhalten werden. Da gerade die Insel Mindanao überreich an werthvollen Orchideen (Phalaenopsis, Anoecochilus) und grossen Aroideen zu sein scheint, wird sie - voraussichtlich auch bald von gärtnerischen Sammlern ausgebeutet werden. Wir werden auf die botanische Ausbeute des Herrn Dr. Schadenberg noch mehrfach zurückkommen. Rhod. Kochii Stein (in Verhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Breslau 1883): Baumartiger Strauch, reich verästet, die jüngeren Aeste glatt baumrindig. Blätter zerstreut, kurz- gestielt, an den blüthentragenden Astspitzen fast quirlartig gedrängt, lederig, oben glänzend dunkelgrün, unten hell gelbgrün, spärlich grubig braun punktirt, ei-elliptisch, zugespitzt, ganzrandig oder verloren bogig- wellig mit leicht zurückgekrümmtem Rande. Blüthen in reichblumigen Doldensträussen, gestielt, Stiele weiss schuppig. Kelch sehr klein, nur als fünfeckige, flache Scheibe entwickelt, Blumenröhre langeylindrisch, an der Basis den Kelch breit sackig überragend, oben in einen breit-tellerförmig der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 415 offenen Sspaltigen Saum ausgebreitet, Saumlappen eirund bis fast kreis- rund, rein weiss, Blumenröhre aussen verloren weiss-schuppig. Staub- fäden zu fünf, lang vortretend, mit grossen querhängenden Antheren. Griffel lang-fadig, mit kopfförmiger, grüner Narbe. Frucht ? ? Am Flusse Siriban auf Süd-Mindanao (Philippinen) bei 2000 m als baumartige Gebüsche fast Wälder bildend von Dr. Schadenberg im Februar 1882 reich blühend gesammelt. Wir haben schon anderwärts (Gartenflora 1885 p. 55) auf die pflanzen- geographische Bedeutung der Auffindung dieses Rhododendron und des nachfolgenden Rhod. Apoanum Stein hingewiesen, weil durch diesen Fund die Verbindungslinie der Rhododendra der centralasiatischen Hochgebirge mit den von Ferdinand von Müller auf den Papua-Inseln und Neu- Guinea entdeckten Alpenrosen fast vollständig hergestellt wird. Die Hochgebirge dieser einzelnen Inselgruppen scheinen reich an endemischen Arten zu sein, welche flüchtige Betrachtung wohl mit den Festlandsarten zusammenwerfen lässt, die aber bei genauerem Hinsehen sich als wesent- lich verschiedene, selbstständige Arten erweisen. So steht Rhod. Kochü gewissen Himalaya-Arten habituel nahe, speciell dem Rhod. jasminiflorum Hook. aus dem Sikkim, weicht aber in den einzelnen Charakteren, z. B. der Kelchbildung, der Form der Blumenkronlappen und der Blätter er- heblich ab. Dr. Schadenberg, welchem wir reichliches Blüthenmaterial dieser schönen Art verdanken, welche er gemeinsam mit seinem auf Cebu (Philippinen) ansässigen Vetter OÖ. Koch am S$iriban sammelte, schildert den Totaleindruck der blüthenüberschütteten Sträucher als einen gradezu überwältigenden. Sie treten hauptsächlich als Unterholz der Wälder auf, welche aus mächtigen Myrtaceen, besonders Leptospermum (Glaphyria) Annae Stein gebildet sind, stellenweis aber sind sie auf Waldblössen und an Flussläufen geradezu selbst waldbildend. Diese Gebüsche erreichen eine Höhe bis zu 10 m und zeigen armsdicke, dunkelbraune Einzelstämme, welche sich reich verästeln und deren jüngere Zweige glatt braunrindig, mit nicht abblätternder Rinde sind. Die dick lederigen Blätter laufen plötzlich in eine meist lange, scharfe Spitze aus und messen 12—18 cm Länge und bis 5 cm Breite. Der 2—3 cm lange Blattstiel sitzt auf einem starken Blattkissen auf und setzt sich als sehr starke Mittelrippe bis zur Blattspitze fort. Die aussergewöhnlich stark netzadrige Unterseite des Blattes zeigt eine spärliche Ueberstreuung mit dunkelbraunen punkt- förmigen Schüppchen, Blüthen zu 10—20 auf 2—2,5 cm langen weiss schuppigen Stielen, welche sich in einem 2—3 mm! breiten flach-platten- artigen, fünfeckigen Kelch verbreitern, dessen fünf Ecken als kleine rundliche Läppchen vortreten, Die weisse, schuppenbekleidete Blumen- röhre von 3—5 cm Länge tritt sackig über den Kelch heraus, ist fast 416 Jahres-Bericht eylindrisch und öffnet sich in einen schneeweissen Teller von 3—4 cm Durchmesser. Fruchtexemplare liegen uns nicht vor, doch sind Ab- weichungen von der normalen Kapselform nach der Bildung des Frucht- knotens in unseren Blüthen nicht wahrscheinlich. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass Rhod. Kochii es ausser- ordentlich verdiene in unsere Culturen eingeführt zu werden, und da sowohl Herr OÖ, Koch, dem wir die Art widmeten, als auch Herr Dr. Schadenberg in diesem Herbste wieder nach den Philippinen zurückgekehrt sind, ist es leicht möglich, dass unser Wunsch bald Er- füllung finden wird. 3 Rhod. Apoanum Stein (in Verhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Breslau 1883): Zwergstrauch, mit aufsteigenden reich verzweigten Aesten, die jüngeren Aeste dicht braunschuppig be- kleidet. Blätter kurz gestielt, verkehrt eiförmig, allmählich in den Blatt- stiel verlaufend, abgestumpft, ganzrandig, Blattrand zurückgeschlagen, Oberseite glänzend dunkelgrün, dicht schuppig-grupig punctirt und da- durch im trockenen Zustande weisslich schimmernd, Unterseite glänzend broncefarben, fast goldschimmernd dicht schuppig bekleidet. Blüthen in dichten Doldensträussen, kurz gestielt, Stiele und Kelehe dicht broneirt schuppig. Kelch klein, fünfzackig. Blumenröhre ceylindrisch-glockig, un- bekleidet, Saum wenig ausgebreitet, fünflappig, Lappen fast kreisrund, leicht herzförmig eingebuchtet, wellig-bogig, purpurroth. Staubfäden zu 5, nicht vortretend. Griffel kurz, grade, auf kurzem dickem Fruchtknoten, Narbe kopfförmig. Frucht?? Unter dem Gipfel des Vulkan Apo auf Süd-Mindanao (Philippinen) bei 3000 m weit verbreitet. (Dr. Schadenberg, Februar 1882.) Die schöne Pflanze erinnert in der Tracht so an unser alpines Rhododondron Serrugineum, dass es leicht erklärlich ist, wenn unser Sammler sie im ersten Augenblick auch dafür hielt und leider nur spärliches Material dieser reizenden Alpenrose sammelte, welche sich eng an Rhod. retusum und lepidotum aus dem Himalaya anschliesst und diese Arten mit unseren Alpenrosen verbindet. Die Astbildung und der ganze Wuchs des nur halbmeterhohen Strauches erinnert ganz an unsere Alpenrosen, während freilich die ebenso dichte wie schöne Schuppenbekleidung, welche die ganze Pflanze wie mit Bronce übergossen erscheinen lässt, den Botaniker auf den ersten Blick die neue Art erkennen lässt. Die festen, lederigen Blätter messen bis 6 cm Länge bei 2,5 cm Breite und sitzen auf 1—1,5 em langen Stielen, in welche sich die Blattspreite allmählich zusammenzieht. Nach der Spitze zu zieht sich das Blatt plötzlich zusammen und endet in eine kurze, breit abgerundete Spitze. Blüthen zu 6—10, fast von der Form des Rhod. hirsulum, aber völlig unbekleidet. Blumenröhre bis 2 em lang, der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 417 Saum bald zurückgeschlagen, ausgebreitet etwa 2 cm im Durchmesser, von prächtig purpurrother Färbung. Es ist wohl ein Ereigniss für den Botaniker, wie für den Gartenbau, dass in den Gebirgen des Kaukasus, einige hundert Werst von Batum, in einer Höhe von 3—5000 Fuss überm Meere zwei neue prächtige Rhododendron entdeckt werden sind. Das sind nicht etwa kleine Arten, sondern solche, die wie Rhod. ponticum fast baumartig werden und eine Höhe von 15—20 Fuss erreichen. Von Rhod. ponticum unterscheiden sich dieselben auf den ersten Blick durch unterhalb dicht weissfilzig behaarte Blätter und ebenso behaarte Blüthenstiele und Blattstiele. Entdeckt wurden sie zufällig von Baron von Ungern-Sternberg in Artwin und Exemplare derselben von ihm an Herrn Smirnow mitge- theilt, der sie sofort von R. v. Trautvetter in Petersburg sendete. Samen kamen aber später durch den Reisenden des Kaiserl. botanischen Gartens, den Fürsten Massalsky, an dieses Institut. Beide Arten wachsen an den Abhängen der dortigen Gebirge in der Zone zwischen Rhod. ponticum, welches tiefer unten vorkommt und dem erst bei 8000 Fuss auftretenden Rhod. caucasicum. Die Blumen der äusserst reichblumigen Dolden haben die Form und Grösse von denen des Rhod. caucasicum. Beide unter einander verwandte Arten unter- scheiden sich aber noch gut und scharf durch folgende Charaktere: Rhod. Smirnowi Trautv. Blätter länglich, stumpflich, dick lederartig, nebst Blattstiel 8S—12 em lang und bis 4 cm breit. Kelch mit 5 kurzen stumpfen Lappen, die breiter als lang. Staubfäden 10, bedeutend kürzer als die schön leuchtend purpurne Blumenkrone, vom Grunde an dicht behaart und nach der Spitze zu kahl. Fruchtknoten filzig. Aendert ab mit glänzend weisser oder auch mehr rostfarbener filziger Bebaarung. Rhod. Ungerni Trautv. Blätter länglich, aus der abgerundeten Spitzen- fläche plötzlich in eine kurze Spitze vorgezogen, dick lederartig, ohne Blattstiel bis 22 cm lang und bis 6'/, em breit. Blumenkrone weiss, auf dem Rücken röthlich. Staubfäden am Grund und der Spitze kahl und oberhalb des Grundes etwas behaart. Lappen des Kelchs länglich, länger als breit, wodurch sich diese prachtvolle Art sofort unterscheidet. Beide Arten dürfen in Bezug auf ihre Ausdauer ungefähr mit Rhod. ponticum übereinkommen, das stellenweise auch in den Gebirgen des Kaukasus bis zu 5000 Fuss Höhe emporsteigt. In Blatt und Blume über- treffen aber beide Arten das Rhod. ponticum bedeutend an Schönheit. 1885. 27 418 Jahres - Bericht Ist der Sperling ein nützlicher Vogel? Von Lehrer Hiller in Brieg. Im ersten Augenblick dürfte es scheinen, als ob die Beantwortung dieser Frage nicht in das Gebiet des Gartenbaues gehöre. Aber wie Maulwurf, Engerling u. A. von keinem Gärtner unbeachtet bleiben können, ebensowenig kann dies bei den Vögeln der Fall sein. Kein Vogel macht sich aber dem Gärtner bemerkbarer als gerade der Sperling, und nachgerade dürfte die Frage, ob dieser ein nützlicher Vogel ist, zu einer brennenden geworden sein. In gewissem Sinne wäre letztere allerdings eigentlich dadurch erledigt, dass der Sperling unter die geschützten Vögel aufge- nommen worden ist. Und betrachtet man denselben in der bekannten und beliebten Art und Weise, dass man den Inhalt des Magens unter- sucht, der ja unfraglich, wenn auch hauptsächlich nur in der Heckzeit, eine Menge Insektenreste enthält, und dem noch hinzufügt, dass der Sperling auch Maikäfer vertilgt, so kann das Resultat kein anderes sein, als die Behauptung: „Der Sperling ist ein nützlicher Vogel!“ Zieht man dabei in Betracht, dass der Sperling jährlich 3—4mal brütet und seine Jungen hauptsächlich mit Inseeten füttert, so ist mit jener Unter- suchung scheinbar ein unumstösslicher Beweisfür die Nützlichkeit dieses Vogels erbracht. Dennoch zeigt sich das auf diese Untersuchung ge- sründete Urtheil äusserst oberflächlich, wenn wir die folgenden Fragen beantworten: 1. Welches sind die vom Sperling vertilgten Insekten? 2. Welche Stellung nimmt derselbe den gleich oder weitaus nütz- licheren Vögeln gegenüber ein? Mit der Behauptung, dieser oder jener Vogel ist nützlich, weil seine Nahrung in Inseeten besteht, ist so gut wie gar nichts gesagt, es müssten denn alle Inseceten einfach sehädlich sein. Hiernach wäre ja der Bienen- fresser ebenfalls ein sehr nützlicher Vogel! So viel Abhandlungen ich nun über den Sperling gelesen, nie habe ich gefunden, dass der Autor ausser dem Maikäfer ein Insekt nannte, welches dem Sperling zur Nahrung dient. Hierauf kommt es nun wohl aber einzig und allein an. Was der Sperling als Vertilger des Maikäfers leistet, ist so gering, dass, wenn letzterer keine anderen Feinde hätte, als jenen, bald kein grünes Blatt im Mai und Juni bei uns zu finden wäre. Nach langen, sorgfältigen Beobachtungen kann ich nunmehr bestimmt behaupten: Der Sperling rührt keine der schädlichen, verheerenden Raupen an! Im Jahre 1875 wurde die rechte Oderseite, von Brieg nach Carlsruh hin, vom Schwamm- spinner (Ocneria dispar) in der möglichst schlimmsten Weise heimgesucht. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 419 Obstbäume, Eichen, Weiden, Pappeln, unter letzteren besonders die Pyramidenpappel standen im Juni so blattlos da, als wäre es Januar. Wo waren denn nun die Sperlioge, welche in Carlsruh sonst auf der Pyramidenpappel in solcher Unzahl nisteten? Sie hatten die Raupen nieht nur nicht vertilgt, sondern waren vor denselben, weil sie ihnen in die Nester krochen, sogar in die Nadelbäume des Parks geflüchtet! Ganz dieselbe Erscheinung konnte Jedermann 1376 auf einem "Theil der Schweidnitzer Promenade beobachten. Derartig verhält sich der Sperling allen unsern schädlichen Raupen gegenüber: Nonne, Sackspinner, Neustria, Fichtenspinner und wie sie sonst heissen, sogar die Raupe des Kohl- weisslings rührt er nicht an! Nur haarlose, weiche kleine Raupen, welche meist unschädlich sind, und welche von allen kleinen Vögeln, inbegriffen die Finkenarten, zur eigenen Nahrung und Fütterung der Brut benützt werden, die sucht er auf. Doch damit nicht genug. Gerade unsere nützlichsten Inseeten, die Ichneumonen (Schlupfwespen) scheinen sein Lieblinugsfutter zu sein. Als ich eines Tages eine Menge Raupen der verschiedensten Art, welche von Ichneumonenlarven durchsetzt waren, aus dem Zuchtkasten warf, da flogen mehrere Sperlinge herbei und machten sich über dieselben her. Nachdem sich die Spatzen entfernt hatten, fand ich alle grösseren Raupen vor, nur die Ichneumonenlarven waren herausgepickt und die kleinen, feinen Plusien-Raupen gefressen. Mehrfach beobachtete ich, dass Sperlinge an Wände und Zäune an- flogen, an denen Weisslingsraupen hinaufgeklettert waren. Die nähere Besichtigung ergab, dass sie nicht die Raupen gefressen, sondern nur die daran befindlichen Ichneumonenlarven oder Cocons aufgesucht und verzehrt hatten. Hiernach gehört der Sperling als Insectenfresser gerade zu den allerschädlichsten Vögeln. Man sperre einen Sperling ein und gebe ihm alle schädlichen Raupen als Futter, und er verhundert lieber ohne weiteres, ehe er diese Raupen anrührt! Noch verderblicher wird der Sperling aber als Vertilger anderer kleiner Vögel. Bei nicht Wenigen dürfte diese Behauptung einem ungläubigen Lächeln begegnen, und doch bleibe ich dabei, dem ist so! Der Sperling hackt freilich nicht, wie der Neuntödter, junge Vögel todt oder frisst deren Eier aus den Nestern, und ist dennoch ein ebenso arger Vertilger kleiner Vögel wie dieser. Dass er Schwalbennester oceupirt und jede Nistvorrichtung für Staare ete. in Besitz nimmt, ist bekannt, ebenso dass im Garten kein Astloch oder sonst geschütztes Plätzchen bleibt, wo sich der Sperling nicht einnistet, Das ist nun jawohl etwas so Schlimmes nicht?! Die Schwalbe baut sich ein anderes Nest, und für die anderen Vögel bleiben noch Bäume und Sträucher genug, wo sie einen Nistplatz finden! Dieses Argument ist eben grundfalsch, denn, ist das Schwalbennest fertig, und die Schwalbe verhindert ihre Eier hineinzulegen, so lässt sie dieselben ohne weiteres, wo es ist, fallen und eine Schwalbenbrut ist verloren. Röthling und Meise 27* 420 Jahres- Bericht bauen ihr Nest aber nur in Höhlungen der Bäume oder an geschützte Orte. Finden sie solche nicht, so sind sie gezwungen, mit einer Ast- gabel oder dergleichen vorlieb zu nehmen, wo die junge Brut fast sicher der Witterung zum Raube fällt. Doch damit noch nicht genug! Der ‚ Sperling ist ein so zänkischer Wicht, dass er so leicht keinen Vogel, dem er gewachsen ist, in seiner Nähe duldet. Welcher Gartenbesitzer sollte nicht schon beobachtet haben, wie sich bei Beginn des Frühlings Rothkehlchen, Hänflinge, Röthlinge, Fliegenschnapper u. s. w., Brutplätze suchend, zahlreich einfinden und nach vergeblichem Suchen wieder ver- schwinden. Sie gehen nun zwar in Busch und Wald, aber dort droht ihren Jungen zehnfach mehr Gefahr, als in der Nähe des Menschen, abgesehen davon, dass wir die Freude, welche jene kleinen, lieben Sänger gewähren, verlieren. Früher, als der Sperling sich noch nicht des gegenwärtigen Schutzes erfreute, zerstörte ich jedes seiner Nester in meinem Garten und verscheuchte ihn mit der Vogelflinte.e Dafür hatte ich die Freude, alle kleinen Sänger reichlich darin zu sehen. — Jetzt sind sie fort, da- gegen Sperlinge in solchen Massen da, dass jedes halbweg sichere Nist- plätzchen von ihnen besetzt ist. Kirschen und Weintrauben gehören da- für nur noch den Sperlingen, ich ernte deren nicht mehr. Giebt es aber nicht Früchte, die dem Geschmack des Sperlings entsprechen, und hat dieser Social-Demokrat sich ‘auf Schüttböden an Raps, Hanf oder der- gleichen einmal recht satt gefressen, so löscht er seinen Durst damit, dass er die jungen Knospenaugen der Pflaumen, Pfirsiche und Kirschen ab- frisst. Wie der Sperling mit Salat und anderen jungen Pflanzen verfährt; wie es aussieht, wenn er das Saatbeet zum Staubbade benützt, und welch enormen Schaden er den Getreidefeldern zufügt, werden Gärtner und Landwirth ausreichend bekunden. Die Sage, dass, als man Ende des vorigen Jahrhunderts auf Befehl der Regierung, die Sperlinge fast aus- gerottet hatte, die kurz darauf folgenden Raupenverwüstungen, eine Folge jener Massregel war, wird nur der unterschreiben, dem das Raupenleben eben unbekannt ist, und der also nicht weiss, welche Factoren zusammen wirken müssen, um jenen furchtbaren Feind — die Raupen — im Zaume zu halten. Was wir derzeit an Raupenschäden weniger zu leiden haben, das danken wir den Anordnungen der Obrigkeit, den Forschungen der Entomologie und der Sorgfalt des Gärtners, Land- und Forstmannes; dem Sperling fällt hierbei nicht das mindeste Verdienst zu. Im Gegentheil, wenn nicht bald Vorkehrungen gegen die ungeheure Vermehrung des 'Sperlings getroffen, mindestens Fang und Tödtung desselben frei gegeben werden, so droht dieser, welcher jetzt schon eine Calamität ist, zur schlimmsten Landplage zu werden. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 421 Nekrologe. Wenn die Schlesische Gesellschaft am Schlusse des Jahres auf die im Laufe desselben gethane Arbeit nicht ohne Befriedigung zurückblicken darf, so ist dafür der Bericht, welcher an dieser Stelle noch erstattet werden muss, um so betrübender. Er betrifft die Heimgegangenen, deren Zahl die Durchschnittsziffer gewöhnlicher Jahre übersteigt. Sie alle waren warme Freunde der Gesellschaft, viele eifrige und glückliche Mit- arbeiter an ihren wissenschaftlichen Aufgaben. Die Todten zu ehren und ihre Gräber zu schmücken, ist ein Bedürfniss des menschlichen Herzens; die folgenden Nekrologe sind der Kranz, den die Schlesische Gesellschaft ihren verstorbenen Mitgliedern auf das Grab lest. Von Herrn Dr. Büchler ging uns über den Lebensgang seines ver- ewigten Vaters die nachfolgende Skizze zu: „Johann Heinrich Büchler, geboren am 10. December 1810 zu Gumbinnen, besuchte das dortige Gymnasium bis zu seinem 15, Lebens- jahre, um sich dann der Pharmacie zu widmen. Nach fünfjähriger Lehr- zeit in Memel war er als Apothekergehilfe in Danzig, Elbing und Berlin thätig. Nach halbjähriger privater Vorbereitung und halbjährigem Be- such der Universität, wo er Chemie bei Mitscherlick, Botanik bei Link hörte, legte er sein Apothekerexamen ab und ging als Apothekenver- walter nach Breslau. Da es ihm jedoch, aus Mangel an Geldmitteln, aussichtslos erschien, in absehbarer Zeit selbstständiger Besitzer zu werden, verliess er im Jahre 1843 sein Fach und begründete in Breslau ein Geschäft für den Vertrieb und die Anfertigung von pharmaceutischen, chemischen und physikalischen Apparaten und Verbrauchsgegenständen, Seiner rastlosen Thätigkeit, seiner Energie und seiner Intelligenz gelang es, das Geschäft zu einem blühenden zu machen. Der Schlesischen Ge- sellschaft schloss er sich bereits in den vierziger Jahren an und nahm an ihren Bestrebungen einen regen Antheil; da er sich stets über alle Fortschritte in den Naturwissenschaften zu informiren suchte, fehlte es 422 Jahres-Bericht nicht, dass er häufig in den Versammlungen erschien. Die mit den Jahren immer mehr wachsende Arbeitslast machte ihm jedoch leider eine ausgedehntere öffentliche Wirksamkeit nicht möglich, Bis kaum acht Tage vor seinem Tode wie ein jüngerer Mann thätig, war es ihm ver- ‚ gönnt alt zu werden, ohne die Leiden des Alters kennen zu lernen; nach kurzer Krankheit starb er 1885 am 15. Februar in seinem 75. Lebens- jahre, tief betrauert von seinen Angehörigen und seinen zahlreichen Freunden.“ Dr. Carl von Scholz, königlicher Generalarzt des VI. Armee- corps, Sohn des Geheimen Sanitätsraths Dr. von Scholz in Schweidnitz und 1831 am 20. Juni daselbst geboren, trat, nachdem er das dortige Gymnasium absolvirt hatte, 1849 als Zögling in das Friedrich-Wilhelms- Institut in Berlin und wurde nach seiner Promotion zum Doctor der Mediein und Chirurgie am 14. Mai 1853 und bestandener Staatsprüfung zum Unterarzt in der königl. Charite, 1854 zum Assistenzarzt im vierten Husarenregiment, 1860 zum Stabsarzt in demselben Regiment, 1861 zum Stabs- und Bataillonsarzt im 3. Garde-Grenadierregiment und 1863 zum ÖOberstabs- und Regimentsarzt des Westfälischen Dragoner-Regiments Nr. 7 befördert. In dieser Stellung machte er den Feldzug gegen Däne- mark mit und nahm an den Gefechten bei Missunde und bei Düppel Theil. Nachdem er im Kriege von 1866 in dem Gefechte von München- srätz, in der Schlacht bei Königgrätz und in dem Treffen bei Blumenau vor Pressburg seine Unerschrockenheit im feindlichen Feuer und als Chefarzt des ersten leichten Feldlazareths des IV. Armeecorps sein Örganisationstalent, sowie sein ärztliches Können und Wissen hinreichend zu bewähren Gelegenheit gefunden, wurde er 1867 zum 1. Hannoverschen Uhlanenregiment versetzt und der Commandantur in Hannover als Ober- stabs- und Garnisonarzt beigegeben. Der Ausbruch des deutsch-franzö- sischen Krieges berief ihn zu umfassender Thätigkeit. Als Feldlazareth- Director beim X. Armeecorps und als stellvertretender Generalarzt beim Generalgouvernement im Elsass hat er sich um die Pflege und Heilung der Verwundeten und das Sanitätswesen der Armee die grössten Ver- dienste erworben, wie die zahlreichen Orden beweisen, die dem Vollendeten im Laufe weniger Jahre für seine feldärztlichen Leistungen von seinem Allerhöchsten Kriegsherrn, sowie vom Könige vom Bayern und dem Grossherzog von Baden verliehen worden sind. Nach dem Kriege 1871 zum stellvertretenden Corpsarzt beim XV. Armeecorps und 1874 zum Generalarzt ernannt, liess er sich 1879 von Strassburg nach Breslau ver- setzen. Hier lebte er unter den glücklichsten Verhältnissen nur seinem Berufe, seiner Wissenschaft und seiner Familie. Am 17. Februar 1885 hatte er für den auf den folgenden Tag fallenden Geburtstag seiner Ge- mahlin für reichen Blumenschmuck gesorgt, ohne zu ahnen, dass diese Kränze seinen Sarg schmücken würden. Ein Herzschlag hatte in der der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 493 Nacht vom 17. zum 18, Februar seinem Leben und Wirken ein unver- muthetes Ziel gesetzt. Die Armee verlor in ihm einen ihrer tüchtigsten Generalärzte, seine Collegen einen humanen Vorgesetzten, dem sie in unbegrenzter Hochachtung und Verehrung zugethan waren, Rittergutsbesitzer Erich Friedrich Theobald von Thielau, geboren 1840 am 1. Juli auf dem Schlosse zuLampersdorf bei Franken- stein, erhielt den ersten Unterricht im elterlichen Hause durch Privat- lehrer; aber wie sehr es in den Wünschen des Vaters, der die Vorzüge gemeinschaftlichen Unterrichts in öffentlichen Schulen gar wohl zu wür- digen verstand, auch gelegen hätte, den einzigen Sohn durch Absolvirung eines vollständigen Gymnasialeursus für den künftigen Beruf tüchtig vor- bereitet zu sehen, so stellte doch die Schwerhörigkeit und Kränklichkeit des Knaben der Erfüllung dieses Herzenswunsches unüberwindliche Hindernisse entgegen und es blieb kein anderer Ausweg, als ihn vom Gymnasium wieder heimzuholen und seine weitere wissenschaftliche Aus- bildung in die Hand tüchtiger Hauslehrer zu legen. Konnte diese selbst- verständlich unter solchen Umständen nur eine lückenhafte sein, so war der Verewigte dafür später um so eifriger bemüht, diese Lücken durch Selbststudium zu ergänzeu und so das Zurückgebliebene nachzuholen, worin ihn grössere, von Zeit zu Zeit unternommene Reisen und der von ihm sorgfältig gepflegte Verkehr mit wissenschaftlich gebildeten Männern aufs glücklichste unterstützten. 1879 am 1. Januar trat er in den Be- sitz der durch ihre selten schönen Forsten weit und breit bekannten väterlichen Herrschaft Lampersdorf, deren Verwaltung er im Geiste seines verewigten Vaters fortführte, so dass sie, in jeder Beziehung auf der Höhe der Zeit stehend, den alten Ruhm einer Musterwirthschaft fort und fort behauptete. Die Liebe zur Natur und zu den Naturwissenschaften hatte sich vom Vater auf den Sohn vererbt. Mit einem scharfen, unter den gewöhnlichen Pflanzenformen die ungewöhnlichen sofort herausfinden- den und unterscheidenden Auge begabt, widmete er namentlich der Botanik das lebhafteste Interesse, Seine Förster waren ein für allemal angewiesen, ihm Alles zu bringen, was sie in ihren Revieren an Pflanzen und Mineralien fanden und nicht genau kannten, und die naturwissen- schaftliehen Sammlungen unserer Universität verdanken seinem Sammel- eifer so manches wissenschaftlich interessante Object. Sein schweres körperliches Leiden ertrug er mit dem Muthe und der Ruhe eines christ- lichen Weisen und liess sich durch dasselbe die Freude am Schönen nicht einen Augenblick verbittern. 1885 am 26. Mai machte in Dresden ein Herzschlag seinem rüstigen Schaffen im besten Mannesalter zur tiefen Betrübniss seiner ihn überlebenden Mutter und Schwester ein allzufrühes Ende. Seinen Freunden und allen, die im Leben ihm nahe standen, bleibt er wegen seiner Herzensgüte und der Bravheit seines Characters unvergessen. 424 Jahres - Bericht Dr. Friedrich Gustav Adolf Tramnitz, königlicher Oberforst- meister, 1811 am 9. November im Forsthause zu Golchen, Kr. Demmin, seboren, widmete sich nach Absolvirung der Kölnischen Realschule in Berlin und Ableistung seiner Militärpflicht, nachdem er zuvor die Feld- messerprüfung bestanden, dem Forstfach, trat 1833 ins reitende Feld- jägercorps und wurde 1837 zum Besuche der Forstacademie in Neustadt- Eberswalde commandirt. Nachdem er 1839 die schriftliche, 1840 die mündliche Oberförsterprüfung mit Auszeichnung abgelegt hatte, wurde er fast 2 Jahre, zumeist im Gefolge Sr. Majestät des Königs auf dessen Huldigungsreisen, als reitender Feldjäger im Courierdienst “verwendet. Seine gründlichen auf der Forstacademie gemachten Studien fand er Ge- legenheit in der Oberförsterei Zippnow, Regierungsbezirk Marienwerder, welche ihm 1842 übertragen wurde, practisch so glänzend zu verwerthen, dass er 1850 in die „beneidenswerthe‘‘ Oberförsterstelle in Driesen ver- setzt wurde, wo sich bald eine grosse Zahl Eleven um ihn sammelte, um sich unter seiner Leitung forstwirthschaftlich auszubilden. Doch auch hier wurde der in Theorie und Praxis gleich tüchtige Forstmann nicht lange gelassen, sondern 1855 der Regierung in Breslau überwiesen und ihm das Decernat über die Forsten der Inspection Breslau-Brieg übertragen. 1860 erhielt er den Character als Forstmeister und 1865 den Rang eines Regierungsraths. Neue Beförderung brachte ihm das Jahr 1872 in der Ernennung zum ÖOberforstmeister in Liegnitz, aus welchem Amte er jedoch schon am 1. April 1875 als wirklicher Ober- forstmeister und Mitdirigent der Abtheilung für Domainen und Forsten nach Breslau zurückversetzt wurde. Auch übertrug ihm die Prinzessin Marianne der Niederlande 1877 die Direction ihrer grossen Forsten in der Grafschaft Glatz und Weisswasser. Gleich mit seiner Ver- setzung nach Schlesien war Tramnitz dem von dem verewigten Ober- forstmeister von Pannewitz ins Leben gerufenen schlesischen Forstverein als Mitglied beigetreten und nach dem Tode des Begründers desselben 1865 zum Präsidenten gewählt worden, Was er an der Spitze dieses Vereins geleistet, bezeugt die lange Reihe von Bänden des von ihm redigirten Jahrbuchs des schlesischen Forstvereins. In Anerkennung seiner Verdienste um die Forstwissenschaft im Allgemeinen und die Pflege der schlesischen Forsten im Besonderen ernannte ihn die philo- sophische Facultät unserer Universität zu ihrem Ehrendoetor und liess ihm das darüber ausgefertigte Diplom in der ersten Sitzung der 39. General- versammlung des schlesischen Forstvereins 1881 in Oppeln durch den Präses der Schlesischen Gesellschaft, unsern unvergesslichen Göppert, feierlich überreichen. Nachdem Tramnitz 1882 sein fünfzigjähriges Dienst- jubiläum gefeiert hatte, verlangte es ihn, zumal seine Gesundheit wankend geworden, nach Ruhe. Der erbetene Abschied wurde ihm ehrenvoll be- willigt, sein Scheiden aus dem Dienste ebenso von seinen Collegen wie der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 425 von dem ihm unterstehenden Forstpersonal, dessen Wohl auf alle Weise zu fördern ihm Freude und Herzensbedürfniss gewesen war, allgemein bedauert. Im Sommer 1885 war er in der Hoffnung, für seine Leiden Linderung zu finden, nach Landeck gegangen. Dort brachte ihm in den Morgenstunden des 4. Juni der Tod völlige Genesung von allen Leiden und Schmerzen. Professor Dr. Hermann Palm, Sohn eines Dorfschullehrers und von 13 Geschwistern der älteste, in Grunau bei Hirschberg 1816 am 16. Februar geboren, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater und kam 1829 auf das Gymnasium in Hirschberg, welches er indess schon nach 2 Jahren verliess, um seinen Schulcursus in Schweidnitz, dessen Gymnasium unter Schönborn zu einem der besten Schlesiens auf- geblüht war, zu vollenden. 1836 bezog er die Universität Breslau und widmete sich hauptsächlich dem Studium der Philosophie unter Braniss und dem der deutschen Philologie unter Hoffmann von Fallersleben. Da der Vater ihm wenig oder Nichts geben konnte, musste er sich die nöthigen Substistenzmittel durch Ertheilung von Privatunterricht, nament- lich in der Musik, die er unter dem Domorganist Wolff und unter . Mosewius theoretisch und practisch mit Eifer betrieb, selber erwerben. Nach ehrenvoll bestandenem Oberlehrerexamen im Jahre 1843, in welchem ihm die Facultas für Deutsch, Religion, Philosophie und Hebräisch durch alle Klassen zuerkannt wurde, legte er am hiesigen Friedrichsgymnasium sein Probejahr ab und docirte an demselben noch 2 Jahre beinahe ganz unentgeltlich, bis er 1846 auf Vorschlag des Direetor Schönborn, seines früheren Lehrers in Schweidnitz, vom Magistrat in die letzte Collegen- stelle am Magdalenäum berufen wurde. An dieser Anstalt, an welcher er nach und nach bis zum Prorector aufstieg, hat Palm bis zu seiner im October 1883 erfolgten Emeritirung mit nie sich genugthuendem Eifer und selbstlosester Hingebung ununterbrochen mit grossem Erfolge als Lehrer gewirkt. Mit seiner amtlichen Thätigkeit ging eine bedeutende literarische Production Hand in Hand; nur eiserner Fleiss und strenge Eintheilung der Zeit, und an beide war Palm von Jugend auf gewöhnt, machte sie möglich. Unter den Germanisten der Gegenwart und unter den Schlesischen Historikern hat sein Name einen guten Klang. Nament- lich sind es die Dichter der Schlesischen Schule, denen er mit Liebe nachgegangen ist. Seine äusserst werthvollen, literar-historischen Arbeiten erschienen in einem starken Octavbande gesammelt unter dem Titel: „Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur des 16. und 17. Jahr- hundert“ 1877 bei Morgenstern. Von besonderer Wichtigkeit sind seine Arbeiten über Martin Opitz, dessen Biograph zu werden er vor allen berufen gewesen wäre; in allzugrosser Bescheidenheit fand er aber das bedeutende von ihm gesammelte Material noch nicht ausreichend, um aus demselben ein Lebensbild von Opitz, wie es ihm vor Augen schwebte, 426 Jahres - Bericht herauszuarbeiten. Dafür verdanken ihm die Freunde der Literatur eine kritische Ausgabe der Werke des Andreas Gryphius, die er im Auftrage des literarischen Vereins in Stuttgart in 3 Bänden 1878—1885 besorgte. Diese mühsame Arbeit war die Erheiterung seiner letzten Lebensjahre und den letzten Band vollendet und gedruckt zu sehen, seine letzte Freude. Ebenso ist der in der 13. und 14. Auflage von ihm bearbeitete und vermehrte Pischon’sche Leitfaden der Geschichte der deutschen Literatur ein beliebtes Hilfsbuch für den Unterricht in der Literatur- geschichte geblieben. Die Beschäftigung mit Opitz wurde für Palm Ver- anlassung, sich mit der politischen Geschichte Schlesiens und namentlich der des dreissigjährigen Krieges, so weit er Schlesien berührte, in extenso bekannt zu machen. Die Frucht dieser Studien war nicht bloss eine Reihe umfassender, in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens und in den neuen Schlesischen Provinzialblättern veröffentlichten Aufsätze, sondern vor allem andern die von Palm ange- regte Herausgabe der ‚‚Acta publica, Verhandlungen und Correspondenzen der Schlesischen Fürsten und Stände“, welche vom Schlesischen Ge- schichtsverein mit Unterstützung der Schlesischen Provinzialstände unter- nommen wurde und jetzt bis zum 6. Bande gediehen ist. Die ersten 4 Bände, 1865—1875, sind von Palm herausgegeben. Seit 1847 der Schlesischen Gesellschaft angehörend hat er die philologische Section derselben durch mehrere Etatsperioden als Seceretär geleitet, aber von dieser Thätigkeit wenig Freude erlebt. Palm war tüchtiger Musiker und gewissermaassen geborenes Mitglied des klassischen Vereins und der Singacademie. In der von der letzteren veranstalteten Jahresschlussfeier wurde seiner neben Häser von Herrn Professor Dr. Schäffer dankbar und ehrenvoll gedacht. — Trotz vieler Amtsarbeiteu und bedeutender literarischen Thätigkeit fand Palm noch Zeit, sich am communalen Leben zu betheiligen. Bei Einführung der Synodalverfassung berief ihn das Vertrauen der Bernhardingemeinde, der er seit seiner Verheirathung an- gehörte, — er hat die 1849 bezogene Wohnung nie gewechselt, — in die Gemeindevertretung und aus dieser in den Gemeinde-Kirchenrath. Besonderen Dank aber schuldet ihm die Provinz, Vom Vorstande des Schlesischen Blindeninstituts zum Direetor desselben nach Schönborns Tode 1876 erwählt, hat er sich durch Einführung neuer Unterrichts- und Erwerbszweige, sowie durch Erweiterung der Fürsorge für die entlassenen Zöglinge sowohl um die Anstalt als um die armen Blinden der Provinz die grössten Verdienste erworben. In Anerkennung dieser gemeinnützigen Thätigkeit wurde ihm 1882 allerhöchst der rothe Adler verliehen, während er für seine verdienstlichen Arbeiten als Historiker 1871 von der Uni- versität durch die Ernennung zum Doctor der Philosophie honoris causa ausgezeichnet worden war. Palms letztes Lebensjahr war durch schwere der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 427 Leiden getrübt, denen der Tod am 25. Juni 1885 das langersehnte Ziel setzte. Nielas Hermann Friedrich Reichsgraf von Burghauss, königl. Wirkl. Geheimer Rath, Kammerherr, Majoratsherr auf Laasan, Kr. Striegau, erbliches Mitglied des Herrenhauses, Ehrenpräsident der schlesischen Generallandschaft und des landwirthschaftlichen Centralver- eins, geboren 1796 am 29. October zu Schloss Friedland bei Falkenberg in Oberschlesien, stammt aus’ einem der ältesten, vor mehr als 500 Jahren in Schlesien eingewanderten und 1691 in den Reichsgrafenstand erhobenen Adelsgeschlechte, dessen Stamm sich in Bayern, wo es daheim war, urkundlich bis zum Jahre 1020 zurückverfolgen und nachweisen lässt. Graf Friedrich wurde im elterlichen Hause durch Hauslehrer er- zogen, verlor im Jahre 1811 seinen Vater, und trat, dem Aufruf des Königs an sein Volk Folge leistend, 1813 in das damalige schlesische National-Husarenregiment Nr. 7 als Freiwilliger ein. Nachdem er in demselben den Feldzug mitgemacht, erbat er sich, da seine älteren Brüder inzwischen kinderlos gestorben und die Majoratsherrschaft Laasan sowie die Güter Neudorf, Peterwitz und Saarau im Kreise Schweidnitz im Erbgange ihm zugefallen waren, bald nach geschlossenem Frieden den Abschied und bewirthschaftete seinen grossen Gütercomplex mit solcher Umsicht und so glücklichem Erfolge, dass er bald im Stande war, die von seinem Vater in der unglücklichen Zeit von 1806 und 1807 veräusserte Herrschaft Friedland zum grössten Theile wieder zurückzu- kaufen. Seine zum Landesältesten des Striegauer Kreises erfolgte Wahl 1821 gewährte ihm die erwünschte Gelegenheit, seine bedeutende Arbeits- kraft und sein entschiedenes Organisations- und Verwaltungstalent zum Wohle seiner Mitstände zu verwerthen, die ihm dafür bald wichtigere Aemter übertrugen, indem sie ihn 1836 zum Landschaftsdireetor des Fürstenthums Schweidnitz-Jauer und 1846 zum General-Landschaftsdireetor von Schlesien erwählten. In der Geschichte der Schlesischen Landwirth- schaft glänzt sein Name als ein Stern erster Grösse für alle Zeiten. Die landwirthschaftliche Academie in Proskau, die Ackerbauschulen in Pop- pelau und Nieder-Briesnitz, die Landwirthschaftsschulen in Brieg und Liegnitz, die landwirthschaftlichen Winterschulen in Neisse und Schweid- nitz, die Versuchsanstalt in Sackerau verdanken ihre Entstehung seiner Initiative. Die überall entstehenden landwirthschaftlichen Vereine, in denen sich ein reges Leben entwickelte, fasste er in einen Centralverein zusammen, dessen Leitung er übernahm, Thierschauen, Zuchtvieh-, Maschinenmärkte u, s. w. wurden veranstaltet, Flachsbauschulen ins Leben gerufen, landwirthschaftliche Wanderlehrer angestellt und ein Verein, von welchem schon grosser Segen ausgegangen ist und in Zu- kunft noch grösserer ausgehen wird, gegründet, der Verein zur Unter- stützung von Landwirthschaftsbeamten. Mit dieser bewundernswerthen, 428 Jahres - Bericht communalständischen Wirksamkeit ging eine grossartige W ohlthätigkeit Hand in Hand. Das evangelische Kirchensystem in Friedland, das dortige Rettungshaus -und Siechenhaus, die Krankenhäuser in Saarau und Peter- witz sind von ihm gegründet und dotirt. Die von Frankenberg’sche Stiftung für arme adelige Wittwen vergrösserte er durch Ueberweisung eines Capitals von 30000 Mark; er selber errichtete eine solche von 102 000 Mark für arme adelige Fräulein; in dem schlesischen Provinzial- Blindeninstitut stiftete er mit 10000 Mark eine Freistelle für einen Blinden von seinen Gütern; die meisten dieser seiner bei Lebzeiten ge- machten Stiftungen hat er ausserdem in seinem Testamente noch be- sonders bedacht. Die Summe der für wohlthätige Zwecke von ihm testamentarisch legirten Vermächtnisse beträgt, wie kürzlich bekannt geworden ist, 885 000 Mark und ausserdem sollen seine bei Lebzeiten an wohlthätige Anstalten gezahlten Jahresbeiträge auch ferner fortgezahlt werden. Ehren und Auszeichnungen sind dem Grafen in seinem langen Leben in reichem Maasse zu Theil geworden. Als Wirklicher Geheimer Rath führte er das Prädikat Excellenz und die höchsten Orden schmückten seine Brust. Im Jahre 1883 legte er, durch seinen Gesundheitszustand veranlasst, alle seine Aemter nieder. Seine Kräfte verfielen schnell und sein Leben war zuletzt kaum mehr als ein blosses Vegetiren. Ein Lungenschlag endete es 1885 am 12. Juli, Vormittags 10 Uhr. Er war der letzte seines Namens und seines Stammes; zwei Kinder, die ihm in seiner Ehe mit Adelaide Gräfin Henckel von Donnersmarck aus dem Hause Neudeck, geboren waren, sind in früher Jugend gestorben. Pulvis et umbra sumus! Der schlesischen Gesellschaft gehörte der Verewigte seit 1818 an. Professor Dr. Oscar Berger, in Münsterberg 1844 am 20. November geboren und auf dem Gymnasium in Glatz, von welchem er unter Erlass der mündlichen Prüfung 1863 Michaelis zur Universität entlassen wurde, vorgebildet, begann seine Studien in Breslau und setzte sie in Berlin fort, wo er 1867 promovirte. Er hatte sich die Erforschung des dunkeln Gebiets der Nervenkrankheiten zur Lebensaufgabe gesetzt und demnach handelte auch seine Doctordissertation über die Epilepsie. Noch in dem- selben Jahre wurde die Staatsprüfung absolvirt, worauf sich Berger nach Wien begab, dessen Kliniken ihm für sein specielles Fachstudium manche Förderung und neue Anregung boten, Ende August 1868 kehrte er in die Heimath zurück und liess sich in Breslau dauernd als Nervenarzt nieder. Binnen kurzem einer der gesuchtesten Aerzte seines Fachs, habilitirte er sich 1873 am 18, Januar an der hiesigen Universität als Privatdocent und erhielt von der Facultät auf Grund seiner Habilitations- schrift über die Lähmung des Nervus thoracicus longus die venia legendi. Von jetzt an erschien im Index Scholarum die Neuropathologie als be- sondere von Berger vertretene Diseiplin. Seine grosse Klientel, seine der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 429 poliklinische Thätigkeit, sowie seine Stellung als dirigirender Arzt der Krankenabtheilung des städtischen Armenhauses lieferten ihm für seine Forschungen eine Fülle von Material, welches kritisch gesichtet und auf das gewissenhafteste verarbeitet in seinen Resultaten alsbald in der medieinischen Section der Schlesischen Gesellschaft, welcher Berger seit 1870 als Mitglied angehörte, der Discussion unterbreitet und der Oeffent- lichkeit übergeben wurde. Ich zähle in den Jahresberichten der Gesell- schaft von 1871 bis 1884 27 von ihm gehaltene Vorträge, sämmtlich in extenso in Fachzeitschriften abgedruckt. Die angesehensten medieinischen Blätter zählten ihn zum ständigen Mitarbeiter. Es war daher gewisser- massen selbstverständlich, dass ihn die medieinische Section, zumal er 1878 auch zum Professor extraordinarius befördert worden war, nach Spiegelbergs Tode 1381 zu ihrem zweiten Secretair erwählte. Ueber Bergers Bedeutung als Lehrer und Vertreter der Wissenschaft sei hier auf den in unserm Jahresbericht S. 60 enthaltenen Nachruf verwiesen, mit welchem Herr Medicinalrath Professer Ponfick das Andenken seines verewigten Collegen gefeiert hat. Längere Zeit an derselben Krankheit leidend, welcher vor 4 Jahren Spiegelberg erlegen war, hatte sich Prof. Berger im Sommer nach Salzbrunn begeben, um sich leiblich zu erholen und geistig ein wenig auszuruhen. Die scheinbar eingetretene Besserung im Befinden war nur das nochmalige Aufflackern der Lebensflamme vor dem Erlöschen gewesen. Am 19. Juli Vormittag sich auf der Promenade ergehend und mit Verwandten behaglich conversirend wurde er von einem Gehirnschlage getroffen, der ihn binnen wenigen Stunden seiner tieftrauernden Familie und seinen zahlreichen Freunden und Schülern entriss. Sein aus Breslau telegraphisch herbeigerufener Arzt fand ihn nicht mehr am Leben und konnte nur noch seinen Tod constatiren. Seine Forschungen und Arbeiten sichern ihm in der Geschichte seiner Wissenschaft, sein liebenswürdiger Character im Herzen seiner Collegen und Schüler ein dauerndes Andenken. Professor Dr. Gustav Wilhelm Körber, ein Sohn des Gym- nasial-Direetors Körber in Hirschberg und dort 1817 am 10. Januar geboren, verlor früh seinen Vater und widmete sich, 1835 von dem Gymnasium seiner Vaterstadt zur Universität entlassen, in Breslau nominell dem Studium der Philologie, speciell jedoch unter Nees von Esenbeck und Göppert dem der Botanik, in welche er als Primaner durch den bekannten Lichenologen Major v. Flotow in Hirschberg ein- geführt worden war. Ganz von selber hatte sich dabei die Vorliebe des Meisters für Moose und Flechten auch auf den Jünger übertragen. 1838 ging Körber nach Berlin, wo ihn neben seinen botanischen Studien namentlich die Hegel’sche Philosophie fesselte, der er sich ganz zu eigen ergab. Seine Promotionsschrift De gonidiis lichenum, Berlin 1839, hatte die Aufmerksamkeit der deutschen Botaniker erregt und allgemeine 430 Jahres - Bericht Anerkennung gefunden; indess so sehr es ihn auch lockte, sich sofort als Docent zu habilitiren und die ihm als Ziel seiner Wünsche vor- schwebende akademische Laufbahn einzuschlagen, so musste doch zu- nächst für Nahrung und Nothdurft des Leibes gesorgt sein, ehe er an die Verwirklichung seines Herzenswunsches denken durfte. So trat er in den praktischen Schuldienst, absolvirte 1840 sein Probejahr am Magdalenäum in Breslau und wurde, nachdem er kurze Zeii als Lehrer am Gymnasium in Hirschberg thätig gewesen, 1842 als College an das Elisabethan berufen. Die grosse und schwere Schularbeit hinderte ihn indessen nicht, seine botanischen Forschungen fortzusetzen und sich 1846 an der hiesigen Universität als Privatdocent für Botanik zu habili- tiren, worauf er alsdann 1546 mit seinem bahnbrechenden ‚Grundriss der Kryptogamenkunde“ in die Oeffentlichkeit trat, dem dann 1855 sein srosses Werk ,‚Systema lichenum Germaniae“ folgte, welches seinem Namen mit einem Schlage europäischen Ruf verschaffte und ihn mit den Flechtenforschern aller Länder in Verbindung brachte. Die Fülle des ihm aus allen Welttheilen zuströmenden Materials setzte ihn in den Stand, seine bisherigen Forschungen in den 5 Bänden der „Parerga liehenologica“, Breslau 1859—1875, zu ergänzen und weiterzuführen und zugleich eine Flechtensammlung zusammenzubringen, die an Vollständig- keit und Umfang jedenfalls in Europa einzig dastand. Sie ist leider für eine deutsche Hochschule nicht erworben worden, sondern 1880 in den Besitz der Universität Leyden übergegangen. Seit 1862 königlicher Professor am Elisabetan, wurde Körber 1873 auf Antrag der Facultät zum Professor extraordinarius an der Universität ernannt. Seine Vor- lesungen erstreckten sich über Kryptogamenkunde, Darwinismus und Sehopenhauer’s Philosophie, zu welcher er von der Hegel’schen über- gegangen war; die letzteren sammelten um sein Katheder stets eine srosse Anzahl Zuhörer; die über die Kryptogamen nur die Botaniker von Profession. Der Schlesischen Gesellschaft gehörte Körber seit 1843 an; eins der hervorragendsten Mitglieder der botanischen Seetion, war er zugleich seit 1871 Conservator ihrer grossen Herbarien. Körber war auch Dichter und zwar nicht blos glücklicher Gelegenheitsdichter, dessen humoristische deutsch - lateinischen Tafellieder die Theilnehmer der von der Schlesischen Gesellschaft gefeierten Gedenktage und der sogenannten Käferessen jedesmal erheiterten, sondern seiner Feder ent- stammen auch formvollendete tiefgefühlte Dichtungen, die er für seine . Freunde gesammelt und in den Druck gegeben hat. In den letzten Jahren war seine Gesundheit angegriffen, sein Augenlicht durch Mikro- skopiren geschwächt; das Bedürfniss nach Ruhe machte sich täglich mehr geltend. Im Begriff, in den wohlverdienten Ruhestand einzutreten, sing er nach kurzer Krankheit 1885 am 27. Juli in die ewige Ruhe ein. Wie gross die Liebe war, in der er bei seinen zahlreichen Schülern der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 431 und Freunden gestanden, bezeugte der imposante Leichenzug, der seine sterblichen Ueberreste zur letzten Ruhestätte begleitete. _Wundarzt 1. Klasse Carl Gottfried Knebel, geboren 1810 den 21. November in Alt-Scheitnig, trat, nachdem er von 1824—1830 Schüler des Magdalenäums gewesen, als Zögling in die damalige chirurgische Lehranstalt und liess sich nach abgelegter Staatsprüfung 1835 als Arzt in der Odervorstadt nieder. In diesem Bezirke hat er seinen menschen- freundlichen Beruf, längere Zeit zugleich als städtischer Armenarzt, zum Segen seiner Mitbürger bis zu seinem Tode mit Eifer und Erfolg aus- geübt. Seine Mussestunden gehörten der Botanik und diese Liebe zur seientia amabilis fand in den Sitzungen der botanischen Section, denen er regelmässig beiwohnte, stets neue Nahrung, wie er sich auch in dem Garten seiner „Väterei“, des heutigen Seifert’schen Etablissements, einen besonderen Theil reservirt hatte, um dort Pflanzen zu eultiviren, die ihn besonders interessirten. Vor allem waren es die offieinellen Pflanzen, denen er eingehende Studien widmete. In seinem mit Papier . durehschossenen Handexemplar von Rosenthal’s ,‚Synopsis plantarum diaphoriearum. Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Gift- pflanzen aller Länder. Erlangen 1861‘ betragen die von ihm gemachten Bemerkungen, Zusätze und Nachträge fast so viel als der Text. An- spruchslos, wie er war, genügte es ihm, in der Stille nach besten Kräften zu schaffen und zu arbeiten und im Suchen und Forschen selber seinen Lohn zu finden. Gegenstand schönster Erinnerungen für ihn blieben die Naturforscher - Versammlungen, an denen er in jüngeren Jahren regelmässig theilgenommen hatte. In der Ausübung seines Be- rufes von einem Schlaganfall betroffen, der nach mehrwöchentlicher Krankheit repetirte, entschlief er am 9. September 1885 ins bessere Leben. Aus seiner nicht unansehnlichen Bibliothek sind, den Wünschen des Verstorbenen entsprechend, eine Reihe botanischer und medieinischer Bücher, welche in der Universitäts-Bibliothek fehlten, dieser letzteren von den Erben als Geschenk überwiesen worden. Professor Dr. Heinrich Joseph August Faust Johann Häser, königlicher Geheimer Medicinalrath, aus der bekannten, Leipzig ange- hörenden Musikerfamilie dieses Namens herstammend, war ein Sohn des Musikdireetors August Ferdinand Häser in Lemgo und während des Aufenthalts seiner Eltern in Italien 1811 am 15. October in Rom ge- boren. Seine Schulbildung erhielt er auf dem Gymnasium in Weimar, an welchem sein Vater seit 1818 die Stelle eines Lehrers der Mathe- matik und der italienischen Sprache bekleidete. 1830 bezog er, um Mediein zu studiren, die Universität Jena, löste 1832 eine Preisaufgabe (De radii lucis violacei vi magnetica. Commentatio acad. praemio ornata. Jena 1832. 4.) und promovirte 1834 mit seiner Dissertation „De in- fluentia epidemiea“, . Nach abgelegter Staatsprüfung setzte er seine Studien 432 Jahres-Bericht noch eine Zeit lang in Wien und Berlin fort und liess sich nach einer grösseren Studienreise in Auma, einem Städtehen des Neustädter Kreises im Grossherzogthum Weimar, als Arzt nieder. Die kleinstädtische Thätigkeit sagte indess dem strebsamen jungen Arzte wenig zu; er kehrte 1836 nach Jena zurück und habilitirte sich dort als Privatdocent, Seiner Beförderung zum Professor extraordinarius 1839 folgte nach wenig Jahren die Ernennung zum Professor ordinarius honorarius. Durch seine „Historisch-pathologischen Untersuchungen“, Dresden und Leipzig 1839 und 1841, sowie durch das von ihm redigirte „Archiv für die gesammie Mediein“, 10 Bände, 1841—1849, namentlich aber durch sein klassisches „Lehrbuch der Geschichte der Mediein und der epidemischen Krank- heiten“, Jena 1845 (zweite Auflage 1853, 1859 ins Holländische über- setzt, dritte Auflage 1875—1831), in weiten Kreisen bekannt geworden, wurde er 1849 als ordentlicher Professor nach Greifswald berufen und von dort 1862, nachdem er einige Zeit vorher mit dem Prädicate eines Geheimen Medicinalraths ausgezeichnet worden war, nach Breslau. Als Professor der Arzneimittellehre erstreckten sich seine Vorlesungen zu- nächst über diese, ausserdem über Encyklopädie, Methodologie und Ge- schiehte der Mediein. Das Gebiet der Kinderkrankheiten mit besonderer Vorliebe eultivirend, gründete er 1866 das Institut für kranke Kinder und leitete es bis zum Jahre 1877. Auch war er viele Jahre Vor- sitzender der Prüfungs-Commission für das medicinische Staatsexamen, Im Jahre 1872 vertrat er als Rector magnificus die Universität bei der Einweihung der Hochschule in Strassburg. In voller Rüstigkeit feierte er 1884, sich allen öffentlichen Huldigungen entziehend, sein goldenes Amtsjubiläum in der Stille. Im Frühjahr 1885 befiel ihn eine schwere Krankheit, von deren Folgen er sich nicht mehr erholte und am 14. Sep- tember endete ein sanfter Tod sein der leidenden Menschheit gewidmetes Leben. Seine namentlich an Schriften über die Geschichte der Mediein überaus reiche Bibliothek ist laut Testament ungetheilt der königlichen und Universitäts-Bibliothek, der er schon bei Lebzeiten umfangreiche Schenkungen gemacht hatte und zu deren Curatorium er gehörte, zu- sefallen. Häser’s Bedeutung in der Geschichte der Mediein hat Herr Medieinalrath Professor Dr. Ponfick in der Sitzung der medieinischen Section vom 30. Oetober eingehend gewürdigt. Sohn eines Musikers, war der Verewigte lebenslang begeisterter Verehrer und thätiger För- derer der Musik, dieser schönsten aller Künste. Er hat ihr in seiner Abhandlung über ‚die menschliche Stimme, ihre Organe, ihre Aus- bildung, Pflege und Erhaltung‘, Jena 1839, den schuldigen Tribut dar- gebracht. In der Geschichte unserer Singakademie, zu deren Vorstand er gehörte, bleibt sein Name unvergessen. Geheimer Regierungsrath Professor Dr. Benjamin Adolph Moritz Sadebeck, geboren 1809 am 1. Februar in Reichenbach, Reg.-Bezirk der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 4353 Breslau, erhielt den ersten Unterricht in Strehlen, wurde 1823 Schüler des Magdalenäums und Ostern 1829 zur Universität entlassen. Er widmete sich auf unserer Hochschule vorzugsweise dem Studium der Mathematik und Physik, machte 1833 im August sein Oberlehrer-Examen und wurde, nachdem er noch ein Jahr sich im pädagogischen Seminar praktisch geübt hatte, Michaelis 1834 als achter College am Magdalenäum angestellt. Für seinen Beruf begeistert behielt der junge Lehrer zu- nächst seine Promotion im Auge, um durch den zu erwerbenden akade- mischen Grad seine Befähigung zur Lösung höherer Aufgaben darzuthun. Das für die Promotion erforderliche geistige Kapital war längst ge- sammelt; die nothwendigen baaren Mittel mussten von dem ärmlichen Lehrergehalt unter Entbehrungen aller Art zusammengespart werden. Binnen drei Jahren war es geschehen. 1837 am 24. Juni wurden ihm auf Grund seiner Dissertation ‚‚de curvis, in quibus sectiones duarum eurvarum secundi gradus, si lege quadam moventur, sese excipiunt‘‘ die summi in philosophia honores übertragen. 1838 trat Sadebeck in die Schlesische Gesellschaft. Im Schoosse derselben für seine Arbeiten rückhaltslose Anerkennung findend und in seinen Forschungen bereit- willigste Förderung erfabrend, ist er ihr auch nach seinem Abgange von Breslau bis zu seinem Tode als auswärtiges Mitglied unwandelbar treu geblieben. Wie eifrig er sich an den Arbeiten der naturwissenschaft- lichen Section betheiligte, bezeugen die Jahresberichte von 1842—1863. Das „Verzeichniss der in den Schriften der Schlesischen Gesellschaft enthaltenen Aufsätze‘ weist $. 124 eine Reihe von 32 grösseren und kleineren Aufsätzen und Arbeiten Sadebeck’s aus den Gebieten der Botanik, Oryktognosie, Geodäsie, Hypsometrie, Physik und Technologie nach, deren Titel hier abzudrucken, zu grossen Raum beanspruchen würde. Bei seiner unermüdliehen Arbeitskraft gönnte sich Sadebeck keine Ruhe und am allerwenigsten in den Ferien. Einer eigentlichen Erholung schien er nicht zu bedürfen, höchstens eines Wechsels der Arbeit. Die Ferien waren für ihn nur Etappen zu neuen Studien. In ihnen wurde das astronomische und geodätische Material gesammelt, welches dann im Herbste und Winter verarbeitet wurde. Wie in der Theorie seiner Wissenschaft war er auch in der Praxis derselben Meister. Alle Messungen und Beobachtungen wurden von ihm selber ausgeführt und sie waren so gründlich und exact, dass sie Nichts zu wünschen übrig liessen. Seine geodätische Thätigkeit inaugurirte er mit der Monographie über das Rummelsgebirge bei Strehlen 1850, der die über den Zobten 1856 in den Verhandlungen der Leopoldinischen Akademie folgte. Sie erregten allgemeine Aufmerksamkeit und fanden bei den Sachverständigen solche Anerkennung, dass das königliche Oberbergamt mit Uebergehung der eigenen Beamten dem Gymnasialprofessor die Triangulation der oberschlesischen Steinkohlendistriete übertrug, welche 1885. 098 434 Jahres - Bericht Arbeit während der Jahre 1853 —1857 ausgeführt wurde. Dem Beispiele des königlichen Oberbergamts folgte der Breslauer Magistrat, indem er Sadebeck 1855 mit der Anfertigung des für die Zukunft so nothwendigen srossen Stadtplans betraute. Diese Arbeit wurde 1860 beendet. In- zwischen hatte General Baeyer 1861 den Vorschlag zu einer mittel- europäischen Gradmessung gemacht und dieser Vorschlag war von den betheiligten Staaten allseitig gebilligt und angenommen worden. Für ein derartiges Unternehmen war Sadebeck als Mitarbeiter gewissermassen prädestinirt; er wurde auch sofort zur Theilnahme berufen, vor der Hand unter Belassung in seinem bisherigen Amte. Im Auftrage der dazu eingesetzten Commission machte er im Juli und August 1863 auf der Schneekoppe, im Jahre 1864 auf dem Fallstein bei Homburg und 1865 auf dem Brocken astronomische und geodätische Beobachtungen, die er alsdann im nächstfolgenden Winter berechnete. 1866 erfolgte seine Berufung an das geodätische Institut in Berlin, dessen sämmtliche Publicationen bis zum Jahre 1878 ausschliesslich Arbeiten Sadebeck’s sind. Hier seien genannt: „‚Die im Sommer 1868 ausgeführten geo- dätischen Arbeiten des geodätischen Instituts zu Berlin. Berlin 1868. Zusammenstellung der berechneten Entfernungen der Dreieckspunkte unter einander von der Basis bei Bonn bis zur Seite Siegburg-Michels- berg. Berlin 1869. Bericht über die im Jahre 1870 ausgeführten Winkelmessungen. Berlin 1870. Geodätische und astronomische Messun- sen auf dem hohen Meissner in Hessen. Berlin 1873. Astronomische Bestimmungen für die europäische Gradmessung aus den Jahren 1857 bis 1366. Neu berechnet und umgearbeitet. Leipzig 1873. Der hohe Meissner bei Kassel. Berlin 1874, Ueber die Seehöhe von Berlin, Berlin 1875. (Letztere beiden in der Zeitschrift für Erdkunde in Berlin.) Maassvergleichungen Heft 1 u. 2. Beobachtungen auf dem Steinheil’schen Fühlspiegeleomparator. Mit mehreren Tafeln. Berlin 1872—1876. Ueber eine neue Methode, die Ausdehnung von Maassstäben zu bestimmen. Dresden 1880.“ Auch in den astronomischen Nachrichten befinden sich zahlreiche Aufsätze von ihm. Im der Geschichte der mitteleuropäischen Gradmessung wird Sadebeck’s Name neben dem seines Chefs, den er nur kurze Zeit überlebte, stets mit Ehren genannt werden. 1834 nahm Sadebeck seine Entlassung aus dem Staatsdienst und zog sich nach Potsdam zurück, wo er 1885 am 17. October sein an Arbeiten, Erfolgen und Ehren gleich reiches Leben beschloss. Seitens des Staates waren seine Verdienste 1878 durch die Verleihung des Rothen Adlerordens _ dritter Klasse mit der Schleife und 1881 durch die Ernennung zum Ge- heimen Regierungsrath anerkannt worden. Neben den preussischen besass Sadebeek noch viele ausländische Orden; höhere hatte er von Oester- reich, Russland, Italien und Schweden erhalten. — Was er geworden, verdankte er lediglich sich selber und seinem eisernen Fleisse, mit dem der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 435 er die natürliche Begabung, die ihn auszeichnete, so zur Geltung brachte, dass er nicht übersehen werden konnte. Auch als Musiker leistete Sadebeck in Theorie und Praxis Ausserordentliches. Tüchtiger Flügel- ’ und Orgelspieler, wurde er während seiner Studienzeit 1831/32 von den Commilitonen zum Dirigenten des academischen Musikvereins erwählt. Einige seiner Compositionen für Vocal- und Instrumentalmusik sind im Druck erschienen. Mit Vergnügen erinnere ich mich noch heut eines von ihm componirten Singspiels, welches 1834 unter seiner persönlichen Leitung in Strehlen von Dilettanten mit grossem, wohlverdienten Beifall aufgeführt wurde. Banquier Albert Schreiber, ein Sohn des Lotterie-Oberecol- leeteurs und Banquiers Moritz Schreiber und in Breslau 1827 am 28. Ausust geboren, besuchte die Realschule am Zwinger, nach deren Ab- solvirung er sich dem Bankgeschäft widmete. Nachdem er im Bank- hause $. Bleichröder in Berlin seine Lehrzeit zurückgelegt und in Ham- burg bei M. M. Warburg sich weiter ausgebildet hatte, trat er in die väterliche Firma, die er bis zu seinem Tnde leitete. In der Verwaltung einer Anzahl finanzieller Institute hervorragend thätig, hat er sich als Mitglied des Verwaltungsrathes der Oberschlesischen Eisenbahn, seit 1867 auch des Curatoriums und Vorstandes der städtischen Bank, sowie als Börsen-Commissarius, welches Amt er mehrere Jahre bekleidete, um Breslaus Handel und Verkehr unbestrittene Verdienste erworben. Sonstige Ehrenämter, die ihm vielfach angetragen wurden, lehnte er bescheiden ab, doch widmete er wohlthätigen Vereinen bereitwillig eine hingebende Thätigkeit. Er war Vorsteher der Industrieschule für israelitische Mädchen, Curator des Handlungsdiener-Instituts, Kassenver- walter der hiesigen Taubstummen - Anstalt, dessen Vorstand ihn bei seinem Ausscheiden zum Ehrenmitgliede ernannte. ‘ Durch ein nervöses Leiden zur Niederlegung aller seiner Aemter veranlasst, hoffte er von Gräfenberg, wohin er sich im Frühjahr 1385 zur Kur begab, Heilung. Wohl trat Besserung ein, aber sie war nur scheinbar und nicht von Bestand. Nach eintägiger Krankheit verschied er 1885 am 20. October am Herzschlage. In der Stille zu schaffen und sein wohlthätiges Wirken der Oeffentlichkeit zu entziehen, lag in seinem Charakter und hat ihn seinen Freunden und allen, die ihn kannten, lieb und werth gemacht. Sanitätsrath Dr. Moritz Reinhardt, geboren 1831 am 13. Sep- tember in Parchwitz, widmete sich, auf den Gymnasien in Liegnitz und Gross-Glogau, von welchem letzteren er Ostern 1853 zur Universität entlassen wurde, vorbereitet, in Breslau dem Studium der Mediein. Nach- dem er es 1857 in Würzburg mit seiner Promotion zu vorläufigem Ab- schluss gebracht, begab er sich zunächst nach Prag und Wien, um die dortigen Hospitäler kennen zu lernen, und von dort zur Absolvirung des Staatsexamens nach Berlin. Der Aufforderung des Geheimen Medi- 436 Jahres - Bericht einalraths Professor Middeldorpf, sein Assistenzarzt zu werden, Folge leistend, kam Reinhardt 1858 nach Breslau, doch vertauschte er diese Stelle schon im nächsten Jahre mit der gleichen bei dem Geheimen Medieinalrath Lebert, dessen Poliklinik er bis zum Jahre 1868 leitete, In dieser Zeit machte er 1863 das Physikatsexamen. Die Kriege von 1866 und 1870 riefen ihn als Sanitätsoffizier ins Feld; aus dem letzteren kehrte er 1871 mit dem eisernen Kreuze geschmückt zu seinen ihn schmerzlich vermissenden Patienten zurück, denen von nun an seine Thätigkeit ungetheilt gewidmet blieb. Seine Ernennung zum Sanitäts- rath, welche 1878 erfolgte, war die wohlverdiente Anerkennung seines ärztlichen Wirkens. Reiche, in einer umfassenden und vieljährigen klinischen Thätigkeit gesammelte Erfahrungen machten ihn binnen Kurzem zu einem der gesuchtesten Aerzte Breslaus. Sein ruhiges und sicheres Auftreten am Krankenbette gewann ihm sofort das Vertrauen seiner Patienten und ‚wie vielen ist er in drohender Todesgefahr zum rettenden Engel geworden, welcher Hilfe brachte! Wer sich einmal von ihm hatte behandeln lassen, blieb ihm unwandelbar treu und für alle Zeit dankbar zugethan. Grenzenlos war daher die Bestürzung in den zahlreichen Familien, deren Hausarzt der Verewigte gewesen, als sich die Nachricht von dem plötzlichen Tode des verehrten Mannes wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreitete. Wenn auch ermüdet, doch schein- bar gesund und munter war er am 5. November 1885 aus seiner Praxis heimgekommen und hatte sich, den Ruf zur Mittagsmahlzeit erwartend, in sein Zimmer zurückgezogen. Als das Mädchen kurze Zeit darauf dasselbe betrat, um zu melden, dass aufgetragen sei, fand sie ihn ent- seelt auf dem Sopha. Ein Herzschlag hatte seinem segensreichen Wirken ein jähes aber schmerzloses Ende bereitet. Robert Schück, Postkassirer, 1832 am 19. Februar in Neisse ge- boren, besuchte von 1842 an die Realschule seiner Vaterstadt, von welcher er 1847 nach wohlbestandenem Abiturientenexamen abging. Nach zweijähriger Hilfsleistung im Bureau des Landrathsamts in Oppeln trat er 1849 am 1. Juli in den königlichen Postdienst, dessen Vorbe- reitungsstadien er in Oppeln, Bartenstein und Danzig absolvirte. Nach abgelegter Prüfung und abgeleisteter Militärpflieht wurde er, nachdem er in Glatz, Oels und Breslau vorübergehend Dienste gethan, 1856 an das Postamt in Reichenbach versetzt. Von hier aus machte er 1866 als Beamter der Feldpost den Krieg gegen Oesterreich mit, kehrte aber nach Beendigung desselben in seine frühere Stellung zurück. Die Musse- “stunden, welche ihm seine Amtsthätigkeit übrig liess, widmete er ge- schichtlichen Studien. In der Zeit seines Aufenthaltes in Reichenbach veröffentlichte er eine ganze Reihe grösserer und kleinerer Aufsätze histo- rischen Inhalts in verschiedenen Zeitschriften, welche seinen Namen in den literarischen Kreisen Sehlesiens bald vortheilhaft bekannt machten und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 437 seine Ernennung zum eorrespondirenden Mitgliede der Schlesischen Gesell- schaft zur Folge hatten. Ein in der Philomathie zu Reichenbach gehaltener Vortrag: „aus der Geschichte von Peterswaldau“, erschien 1869 separat im Druck, Schück ist es gewesen, der durch einen Aufsatz in Hassels Zeitschrift für Preussische Geschichte und Landeskunde die Aufmerksam- keit der Schlesischen Historiker auf das Gräflich Stollberg’sche Archiv zu Peterswaldau bei Reichenbach hinlenkte. 1870 erfolgte seine Ver- setzung nach Danzig. Die dortige städtische Bibliothek bot ihm reichen Stoff zu neuen geschichtlichen, die naturforschende Gesellschaft in ihrem reichhaltigen Museum Material zu paläontologischen Arbeiten. Die letztere wählte ihn bald in ihren Vorstand und bewahrt ihm als dem Verfasser ihrer der Naturforscher-Versammlung in Danzig als Festschrift gewidmeten Geschichte und des Katalogs ihrer praehistorischen Sammlung, welche seiner Aufsicht unterstand, für immer ein dankbares Andenken. Die in Danzig lebenden Schlesier sammelte Schück zu einem Schlesierverein, der sein Wirken 1873 mit der Erneuerung des Grabsteins unsers in Danzig verstorbenen Martin Opitz inaugurirte. Unermüdlich thätig veröffentlichte er ausserdem in Danzig noch eine nicht geringe Zahl Aufsätze verschie- denen Inhalts in der Danziger Zeitung, in der Altpreussischen Monats- schrift, in Wagner’s Archiv, im Magazin für die Literatur des Aus- lands, in der Zeitschrift für Geschichte und Alterthum Schlesiens, im Rübezahl und im Postamtsblatt. Diese literarische Thätigkeit setzte Schück in Breslau, wohin er 1880 als Postkassirer versetzt wurde, mit gleichem Erfolge und trotz des umfassenderen und arbeitsreicheren Wir- kungskreises mit gleichem Eifer fort. Im Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens und in der historischen Section der Schlesischen Gesellschaft, deren Sitzungen, sowie denen des Museumsvereihs er ganz regelmässig beiwohnte, hielt er wiederholt Vorträge, welche mehrentheils in den Gesellschaftsschriften der betreffenden Jahrgänge, einige auch in der Breslauer Zeitung abgedruckt sind. Sie einzeln aufzuzählen, würde einen zu grossen Raum beanspruchen. Wie in Danzig den dorthin kom- menden Schlesiern, so war Schück in Breslau den hier studirenden Danzigern und Westpreussen ein hilfsbereiter Freund und treuer Be- rather. Im kräftigsten Mannesalter stehend wurde er nach kurzer Krank- heit in den Morgenstunden des 27. Decembers seiner tieftrauernden Familie und seinen zahlreichen Freunden, in deren Andenken er fort- lebt, durch den Tod entrissen. Wie es nicht anders erwartet werden konnte, hat im Laufe des Jahres auch in dem Verzeichniss unserer correspondirenden und Ehren- mitglieder gar mancher gefeierte, uns wohlbekannte und theure Name gelöscht werden müssen. Krug von Nidda, von Frerichs und von 438 Jahres-Bericht Siebold haben hier in Breslau gewirkt und gelehrt; das, was sie dem Staate und der Wissenschaft geleistet, sichert ihrem Namen ein bleibendes Gedächtniss. Am 8. Februar 1885 verschied in Berlin der Wirkliche Geheime Rath und Oberberghauptmann Krug von Nidda, Excellenz, Ueber seinen Lebensgang entnehme ich einem vom Geheimen Bergrath Dr. Wedding in Berlin im Verein zur Beförderung des Gewerbefleisses am 5. October 1885 gehaltenen und von Herrn Berghauptmann Ottiliae mir freundlichst mitgetheilten Vortrage, so wie der vom hiesigen Königl. Oberbergamte herausgegebene Jubelschrift über die Friedrichsgrube bei Tarnowitz das Folgende: Otto Ludwig Krug von Nidda, einer alten Beamtenfamilie ent- stammend und 1810 am 16. December als vierter von 14 Geschwistern in Sangerhausen geboren, erhielt seine Gymnasialbildung in Schulpforta und begann seine bergmännische Laufbahn 1828 in den Mansfelder Kupferschiefergruben. Nachdem er sich auf der Bergschule in Eisleben auch die nöthige fachwissenschaftliche Vorbereitung für den von ihm erwählten Beruf erworben, bezog er 1831 die Universität Berlin und wurde 1833 als tüchtiger Geognost nach Island zur Untersuchung der dortigen Schwefellagerstätten gesendet. 1834 trat er als Bergmanns- Eleve in den Staatsdienst, absolvirte 1837 die bergmännische Prüfung in Halle und wurde noch in demselben Jahre an das Bergamt in Walden- burg versetzt. Seine erste Arbeit war hier die geognostische Unter- suchung der Umgegend von Herzogswaldau bei Silberberg, wo man Steinkohhlen gefunden zu haben sich einbildete,;, die vermuthete Stein- kohle wies sich als anthraeitischer Kieselschiefer aus und so konnte Krug nur zur Einstellung der Arbeiten rathen. Rasch stieg er von Stufe zu Stufe. 1846 bis 1849 leitete er als Bergmeister den Betrieb des königl. Blei- und Silberbergwerkes Friedrichsgrube bei Tarnowitz, dann war er Bergamtsdirector in Halberstadt und in Siegen und 1854 finden wir ihn als Geheimen Bergrath in Breslau. Der Jahresbericht von 1854 enthält zwei von ihm in der vaterländischen Gesellschaft gehaltene Vorträge, einen über Graptolithschiefer in der schlesischen Grauwacke, den andern über das oberschlesische Steinkohlenbecken, doch wurde er noch in dem- selben Jahre am 1. August nach Berlin als vortragender Rath in die Bergwerksabtheilung des Handelsministeriums berufen und 1860 zum Director derselben ernannt. Mit dieser Ernennung begann für den Berg- bau in Preussen eine neue Aera. Sie wurde mit der Gründung einer ' Bergaeademie in Berlin inaugurirt, welche beim Beginn des ersten Semesters 25, am Schlusse des fünfzigsten 153 Studirende zählte. Mehr als 3500 Bergleute haben bis heute auf dieser Anstalt ihre theoretische Ausbildung erhalten. Am allerwichtigsten aber war die Reform der in Preussen geltenden Berggesetzgebung. Sie beruhte auf dem Directionsprineip und der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 439 legte dem Bergbau Fesseln an und Lasten auf, welche jeden Fortschritt hinderten und jeden Versuch, sich selber zu helfen, aussichtslos erscheinen liessen. Das von einer unter seiner persönlichen Leitung stehenden Com- mission ausgearbeitete und 1865 von der Landesvertretung angenommene Berggesetz löste die Fesseln und schuf dem Bergbau zur Entfaltung seiner eigenen Kraft freie Bahn. Die segensreichen Folgen blieben nicht aus. Die Produetion der Kohlen- und FEırzbergwerke so wie der Hütten nahm einen ungeahnten Aufschwung und hob sich von Jahr zu Jahr; als Krug 1878 aus dem Staatsdienst schied, hatte sie sich seit 1860 in den Berg- werken verdreifacht, in den Hütten vervierfacht. Die fiscalischen Werke wurden auf die höchste Stufe der Technik gebracht und, früher wenig rentabel, lieferten hohe Erträge. An die Beamten seines Ressorts stellte Krug die höchsten Anforderungen, aber jeder durfte auch sicher sein, seine Leistung von ihm voll gewürdigt und anerkannt zu sehen. Für die Arbeiter hatte er ein Herz; die von ihm für ihr Wohl getroffenen Einrichtungen fanden auf den Privatwerken Nachahmung. Krug war nicht Gelehrter, ist auch als Schriftsteller nicht aufgetreten; er war Practiker im strietesten und eminentesten Sinne des Worts. Wedding nennt ihn den grössten Bergmann unseres Jahrhunderts. Dem in den wirthschaftlichen Anschauungen sich vollziehenden Umschwunge zu folgen ausser Stande, bat er 1878 um seinen Abschied. Seine letzten Lebensjahre waren Jahre des Leidens; wiederholte Schlaganfälle hatten ihn nieht nur des freien Gebrauchs seiner Glieder beraubt, sondern auch die Klarheit seines Geistes -getrübt. Aus diesem bemitleidenswerthen Zustande wurde er 1885 am 8. Februar durch einen sanften Tod erlöst. Geheimer Ober-Medieinalrath Professor Dr. Friedrich Theodor von Frerichs, in kleinbürgerlichen Verhältnissen 1819 am 24. März in Aurich in Ostfriesland geboren, studirte nach Absolvirung des dortigen Gymnasiums von 1839—1842 mit Ausnahme eines Semesters, welches er in Berlin zubrachte, in Göttingen Mediein und unter Wöhler Chemie und liess sich nach abgelegtem Examen in seiner Vaterstadt als Arzt nieder. Glückliche Operationen trugen ihm binnen kurzer Zeit einen grossen Ruf als Ophthalmologe ein und dies bewog ihn, 1846 im Herbste nach Göttingen zurückzukehren und sich an der Universität als Privat- docent zu habilitiren. Hier erzielte er gleich mit dem ersten Collegium über allgemeine Pathologie, welches er las, einen so durchschlagenden Erfolg, dass er am Schlusse des Semesters von seinen Zuhörern mit einem ihm gebrachten Fackelzuge geehrt wurde, worauf 1848 seine Er-' nennung zum Professor extraordinarius erfolgte. Seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiete der Physiologie und Chemie, namentlich der von ihm in Wagners Handwörterbuch der Chemie bearbeitete Artikel „Verdauung“ fanden solche allgemeine Anerkennung, dass Frerichs 1850 als Director der inneren Klinik nach Kiel berufen wurde. Hier schrieb er A440 Jahres-Bericht seine Schrift über die Bright’sche Nierenkrankheit, Braunschweig 1851; sie machte ihn noch berühmter und veranlasste seine Berufung an unsere Universität Breslau, an welcher er von 1852--1859 mit hoher Aus- zeichnung gelehrt und das Material zu seinem Hauptwerke „Klinik der Leberkrankheiten“, Braunschweig 1859—1862 mit Atlas, gesammelt hat. Es wurde bald nach seinem Erscheinen ins Französische, Englische und Italienische übersetzt. Als sich nach der Erkrankung König Friedrich Wilhelms IV. die Nothwendigkeit der Einsetzung einer Regentschaft herausstellte, wurde auf Sehönleins Wunsch auch Frerichs zu der ärzt- lichen Consultation zugezogen, und als Schönlein bald darauf von seinen Aemtern zurücktrat, Frerichs durch Rescript des Ministers als Nachfolger desselben der Facultät präsentirt und gleichzeitig zum vortragenden Rath im Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten, sowie zum Mitgliede der wissenschaftlichen Deputation für das Medieinalwesen ernannt. Seine Berufung nach Berlin bildet gewissermassen den Ab- schluss seines schriftstellerischen Schaffens. Von den 37 unter seinem Namen erschienenen Publikationen gehören 34 den ersten 15 Jahren seiner Lehrthätigkeit an, und sein letztes grösseres Werk über den Diabetes reicht nach dem Urtheil seines Biographen in der Allgemeinen deutschen Biographie (XXI S. 782 ff.) an seine früheren Arbeiten nicht heran. Ehren, Orden, Auszeichnungen aller Art sind ihm in reichstem Maasse zu Theil geworden; als grösste und letzte die Erhebung in den Adelstand gelegentlich der Feier seines 25jährigen Amtsjubiläums als Director der medieinischen Klinik in der Charit&. Unbestritten der grösste Kliniker Deutschlands und einer der ersten Forscher der Gegenwart starb er 1885 am 14. März, einen Namen hinterlassend, den keine Zeit in der Geschichte der Mediein auslöschen wird. Dr. Karl Theodor Ernst von Siebold, königl. Bayrischer Ge- heimer Rath und Professor, entstammt einer Gelehrtenfamilie, aus welcher eine ganze Reihe ausgezeichneter Aerzte, Chirurgen und Geburtshelfer hervorgegangen sind; unter letzteren zwei Frauen, Maria Josepha von Siebold (+ 1849) und deren Tochter Marianne Theodora Charlotte Heiland genannt von Siebold (+ 1859), beide von der medieinischen Facultät in Giessen mit ihrem Doctorat beehrt. Karl, ein Sohn des Würzburger Gynäkologen Adam Elias von $. (1816 nach Berlin berufen und dort 1823 verstorben), geboren 1804 am 16. Februar in Würzberg, studirte in Göttingen und Berlin, wurde 1831 Kreisphysicus in Heilsberg in Preussen, 1835 Director der Hebammen- und Entbindungsanstalt in Danzig, 1839 Stadtphysieus daselbst und 1840 Professor der Physiologie und ver- gleichenden Anatomie in Erlangen, von wo er 1845 als Professor der Physiologie, vergleichenden Anatomie und Zoologie nach Freiburg i. Br, berufen wurde. Hier begründete er 1849 mit Kölliker die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Sein „Lehrbuch der vergleichenden Ana- der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur, 441 tomie der wirbellosen Thiere“, Berlin 1848, veranlasste 1850 seine Be- rufung nach Breslau in Purkinjes Stelle. Aus dieser Zeit datiren Siebolds Epoche machenden Untersuchungen über die Umwandlung der Blaseu- würmer in Bandwürmer (283. und 30. Jahresbericht über die Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft), die er in einem besonderen Werke über die Band- und Blasenwürmer, Leipzig 1854, veröffentlichte. Auch in Breslau war seine Lehrthätigkeit nur von kurzer Dauer, indem er 1853 einen Ruf nach München annahm, wo die Gründung eines physiologischen Instituts im Werke war. Später wurde ihm dort auch die Professur der Zoologie und die Stelle eines ersten Direetors am zoologisch-zootomischen Cabinet übertragen. Von seinen späteren Schriften seien noch genannt: „Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen, Leipzig 1856; Beiträge zur Parthenogenesis der Anthropoden, Leipzig 1871; die Süsswasserfische von Mittel-Europa, Leipzig 1863.‘ Hochberühmt und hochbetagt starb Siebold nach langen Leiden 1885 am 7. April in München. — Philipp Franz von Siebold, der bekannte Erforscher Japans und Be- sründer der japanesischen Sammlung in München war nicht der Bruder, sondern ein Vetter unsers Karl von Siebold. Dr. Carl Justus Andrae, Professor in Bonn, geboren in Naum- burg a. $. 1816 am 1. October, erhielt seine Bildung, da sein Vater 1817 als Polizeiseeretair nach Breslau versetzt worden war, auf dem hiesigen Friedrichs-Gymnasium, welches er von 1830—1835 besuchte und auf dem Elisabethan, von welchem er 1838 mit dem Zeugniss der Reife für die Universität abging. Sich dem Bergfache widmend, wurde er zur Erlernung der praktischen Arbeiten dem Bergamte in Waldenburg überwiesen, doch zeigte sich seine schwächliche Körperconstitution den An- strengungen, welche sie erforderten, nicht gewachsen. Dem erwählten Be- rufe zu entsagen genöthigt, vertauschte er ihn mit dem Studium der Natur- wissenschaften, welches er 1839 in Breslau begann, 1840 in Halle fort- setzte und mit seiner Promotion 1843 am 20. Juli beschloss. Nachdem er einige Jahre an der Realschule in Halle thätig gewesen, habilitirte er sich 1848 an der Universität als Privatdocent für Mineralogie und Paläontologie und machte 1851 eine Studienreise nach Siebenbürgen, ins Banat und an die Militairgrenze. Das von derselben heimgebrachte reiche Material von Pflanzen und Mineralien wurde die nächsten beiden Jahre in Wien bearbeitet, worauf er im Sommer 1853 und 1854 von der österreichischen Regierung noch zu geognostischen Aufnahmen in Steiermark und Illyrien verwendet wurde. Im Jahre 1855 kehrte er nach Halle zurück; da sich jedoch eine einigermassen gesicherte Stellung für ihn nicht finden wollte, so nahm er unter Genehmigung der Uni- versität, die ihn zu diesem Zwecke beurlaubte, 1857 die Stelle eines naturwissenschaftlichen Lehrers an der in der Organisation begriffenen Bergschule in Saarbrücken an. Indess sein Verlangen nach einer aka- 1855. 29 442 Jahres-Bericht demischen Lehrthätigkeit war so gross, dass er 1860 das ihm ange- botene Amt als Custos der paläontologischen Sammlungen der Universität in Bonn trotz empfindlicher materieller Einbusse anzunehmen sich nicht einen Augenblick bedachte. Trotz seiner wissenschaftlichen Tüchtigkeit und literarischen Thätigheit erfolgte seine Beförderung zum ausserordentlichen Professor erst im Jahre 1872. Von seinen Arbeiten seien hier genannt „die fossile Flora Siebenbürgens und des Banats‘“‘ in den Abhandlungen der K. K. geologischen Reichsanstalt in Wien; Beiträge zur Kenntniss der Flora des südlichen Banats, der Banater Militairgrenze und Sieben- bürgens, in der Botanischen Zeitung 1853—1856; Vorweltliche Pflanzen aus dem Steinkohlengebirge der preussischen Rheinlande und West- phalens, 1865 ff. Ausserdem veranstaltete er 1864 eine dem gegen- wärtigen Standpunkt der Wissenschaft entsprechende Ausgabe von German’s Lehrbuch der gesammten Mineralogie. Der naturhistorische Verein der preussischen Rheinlande, dem er seit 1865 als Secretair vor- stand, entwickelte sich unter seiner Leitung zu hoher Blüthe. 1885 am am 8. Mai erlöste ihn ein sanfter Tod von den schweren Leiden, welche seine letzten Lebensjahre trübten. Ueber den Lebensgang des Oberstabsarzt Dr. Paul Börner ent- nehmen wir einem Artikel des Novemberheftes von „Nord und Süd“ (Band 35, Heft 104) das Folgende: Paul Börner, 1829 am 25. Mai als Sohn eines höheren Justiz- beamten in Jacobshagen in Pommern geboren, widmete sich nach Ab- solvirung des Gymnasiums dem Studium der Rechte, vertauschte es aber, nachdem er 3 Jahre demselben obgelegen, mit dem der Mediein, in welcher ihm Helmholtz, Virchow und Bardeleben Lehrer wurden. In Greifswald 13854 zum Doctor promovirt, praktieirte er mehrere Jahre in Königswalde in Pommern und in Landsberg a. W. und übersiedelte 1863 nach Berlin. Es war die Zeit, in welcher sich die öffentliche Gesundheitspflege zu einer besonderen Diseiplin herauszubilden begann. Auf den Ausbau derselben hat Börner maassgebenden Einfluss ausgeübt. Im Kriege von 1870/71 war er Führer eines Sanitätszuges. Die Er- fahrungen, welche er in dieser Stellung gemacht, sind in seiner Schrift „Ein preussischer Sanitätszug an die Loire“, Berlin 1872, niedergelegt und die auf Grund derselben von ihm kundgegebenen Wünsche und Forderungen haben an maassgebender Stelle gebührende Beachtung und in der heut geltenden Kriegs-Sanitätsordnung Berücksichtigung gefunden. In Folge seiner auf dem Kriegsschauplatze entwickelten erspriesslichen Thätigkeit erhielt "er das eiserne Kreuz und den Charakter als Ober- Stabsarzt der Landwehr. Nach seiner Rückkehr in die Heimath widmete er sich einer umfassenden publieistischen Thätigkeit. Einer der fleissigsten Mitarbeiter an der von Varrentrapp redigirten Vierteljahrs- schrift für öffentliche Gesundheitspflege begründete er 1875 die Deutsche der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. 443 medieinische Wochenschrift, jetzt eine der leitenden Fachzeitschriften, 1878 das Jahrbuch der praktischen Mediein, 1879 den Reichs-Medieinal- Kalender, 1883 die Zeitschrift für Gesundheitspflege und Rettungswesen. Mit dieser der Theorie zugewandten Thätigskeit ging eine eben so um- fassende praktische Hand in Hand. Die Wasserversorgung und Canali- sation in Berlin verdanken seinen Bemühungen eine nicht geringe För- derung, und an der 1883 in Berlin veranstalteten allgemeinen deutschen Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene nnd des Rettungswesens nahm er hervorragenden Antheil. Unter seiner Leitung entstand der in seiner Art klassische Katalog derselben; den Bericht über dieselbe hat er im Manuscript vollendet hinterlassen. Am 30. August 1885 wurde er durch einen raschen Tod aus dem Leben hinweggerafft. Dr. Johann Jacob von Baeyer, Generallieutenant z. D. und Präsi- dent des Königl. geodätischen Instituts, Sohn eines Bauers zu Müggel- heim bei Köpenik und 1794 am 5. November geboren, trat 1813 aus der Secunda des Joachimsthaler Gymnasiums in Berlin als freiwilliger Jäger in das Heer, machte im 3. Ostpreussischen Infanterie-Regiment den Feldzug mit und kehrte nach abgeschlossenem Frieden 1814 wieder zu seinen Gymnasialstudien zurück. Der Wiederausbruch des Krieges rief ihn 1815 aufs Neue zu den Fahnen. Als Offizier dem 4. Rheinischen Landwehr-Regiment zugetheilt, blieb er von nun an Soldat und wurde von General Müffling 1816 in Koblenz und seit 1819 in Erfurt zu topo- graphischen Arbeiten verwendet, worauf 1821 seine Versetzung in den Generalstab der Armee erfolgte, dem er bis 1858 angehörte. Als Bessel in Königsberg 1830—1831 die auf den Wunsch der russischen Regierung unternommene Gradmessung in Preussen ausführte, wurde er bei der Berechnung seiner Triangulation von dem vom Generalstabe ihm zur Hilfsleistung beigegebenen Hauptmann Baeyer so wirksam unterstützt, dass er es für Pflicht hielt, den Namen seines Mitarbeiters auf dem Titel des 1838 von ihm darüber herausgegebenen Werkes „Gradmessung in Östpreussen und ihre Verbindung mit der Preussischen und Russischen Dreieckskette“‘, zu verewigen. Damit war Baeyers spätere Thätigkeit für immer bestimmt. Zum Obersten aufgestiegen, gab er als Chef der trigonometrischen Abtheilung des Generalstabs 1849 die „Küstenvermes- sung und ihre Verbindung mit der Berliner Grundlinie“, und nachdem er 1852 Generalmajor geworden, 1857 die „Verbindung der Preussischen und Russischen Dreiecksketten‘ heraus. Damit er sich ganz seinen geodätischen Arbeiten widmen könne, wurde er 1858 als Generallieute- nant zur Disposition gestellt und ihm die Ausführung des von Preussen übernommenen Antheils einer Europäischen Längengradmessung unter dem 52. Parallelkreise übertragen. Baeyer aber blieb bei dieser Aufgabe nicht stehen und machte 1861 den Vorschlag zu einer mitteleuro- päischen Gradmessung. Sein Vorschlag fand allgemeine Zustimmung; 444 Jahres-Bericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur. in Berlin wurde zu diesem Zwecke ein Centralbureau errichtet und Baeyer zum "Präsidenten desselben ernannt. Aus diesem Oentralbureau ist 1869 das Königl. geodätische Institut hervorgegangen, dessen sämmt- liche Publikationen sich in unserer Bibliothek befinden. Für die Wissen- schaft und für die Praxis ist die Ermittelung der absoluten Höhen von grossem Werthe und für diese sind die Nullflächen der Meere maass- gebend. Der Nullpunkt der Ostsee ist nun auf Grund 54jähriger Beob- achtungen vom königl. geodätischen Institut ermittelt und festgestellt worden und nach ihm sind an den massiven Stationsgebäuden der Eisen- bahnen zwischen Swinemünde und Constanz die Höhenmarken bezeichnet. Nun hat sich ergeben, dass der vom Preussischen Generalstab ange- nommene Berliner Normal-Nullpunkt 0,056 m, also etwas mehr als 5 cm höher ist als das Mittelwasser der Ostsee; aber der Generalstab hat sich noeh nicht entschliessen können, diese Differenz aus der Welt zu schaffen und dem von der Wissenschaft gefundenen seinen besonderen Nullpunkt zu opfern. Er dürfte ihn, ohne an seinem Ruhme etwas einzu- büssen, getrost hingeben, denn es ist ein preussischer und obendrein aus dem Generalstab hervorgegangener General, der den richtigen heraus- gerechnet hat. Als Baeyer 1883 sein 70jähriges Dienstjubiläum feierte, zu welchem ihm auch die Schlesische Gesellschaft in einer prachtvoll ausgestatteten Adresse ihre Glückwünsche darbrachte, war die von ihm sehnlich erwartete und gewünschte Annahme des neu berechneten Null- punktes seitens des Generalstabes noch nicht erfolgt. Zahlreiche hohe und höchste Orden wurden dem verdienten General im Laufe der Jahre verliehen; auch die höchste wissenschaftliche Ehre, die Ernennung zum Ehrenmitgliede der königl. Academie der Wissenschaften ist ihm zu Theil geworden, eine Auszeichnung, welche unter sämmtlichen Generalen der Armee nur Feldmarschall Graf Moltke mit ihm theilt. Im 91. Lebens- jahre ist General Baeyer 1885 am 10. September gestorben. Dr. Schimmelpfennig. Druck von Grass, Barth & Comp. (W. Friedrich) in Breslau. a Pe Tu n nn in iu bm- . + m u ee ET Zen re ö Be B-- Er Be‘ = N - - } m ie nr = 5 Er Yu = - >z Ed j i x ’ ? re A Ta f t ö R a - a ’ nee, Fi > j e r. - bu ‘ * rt u " 0 £ 4 f} N -. E . R i E 2,9 f r. - ‘ - } I j "I 2 . - ’ | Ä s D ‘ y \ [2 er b h' Ins NM . 7 . f Zr Be A £ f - Dan ü .® P: ER a Kr k \ Ps „ \ [4 ” ' 4 & — ev F ’ J . 2 nn F ya a z l A y j \ [zZ i y ö 5 . Er 3 [2 - " > 3 2044 106 218 324 Ynx 2 . ;* “ Be or PR .. 4 nr nz Pu « I . f j = er v - » 1. 2 + A: ” PA Po f P u . ” = . “ a4 " . - e D A -“ [9 s ö u 9 = E .r 5 ’ . a. BER . - er Pe ie . er . ". A f . Pa En # o „is er) vw. 5 j Fu .r 5 . } P 5 * - ° “ z ö u m de. 3 ri * ... « # = B ar r Y“ ee ar un : a ‚ 5 ’ * a ws ”, . Ri a . ’ Pr i .. 5 .r =. “ “ . . Y g ..r 5 ' v “%eg ‘ D Pr #.. ri De r .. 2 n . Du . ‚ 7] ” . a . . ‘ . - - . n . y ' „* , {1 .] > be rn » “r ; u Ya Ey - . “ x, . \ . 2 . ." i Fa . 2 PP? . Ari 12 0.5 . wi . wen .4 u. . - a + = . 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